Waldeyer - Anatomie des Menschen [Reprint 2014, 17. völlig überarb. Aufl.] 9783110221046

Für die 17. Auflage wurde das Werk von einem hochrangig besetzten Herausgeber- und Autorenteam inhaltlich und didaktisch

245 15 56MB

German Pages 1360 [1363] Year 2009

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Table of contents :
Frontmatter
Inhalt
1. Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper
2. Allgemeine Anatomie
3. Allgemeine Embryologie
4. Kopf, Cranium, und Hals, Collum
5. Zentrales Nervensystem, Systema nervosum centrale, Gehirn, Encephalon, und Rückenmark, Medulla spinalis
6. Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes
7. Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare
8. Rücken, Dorsum
9. Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius
10. Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma
11. Ventrale und dorsale Bauchwand
12. Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)
13. Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis
14. Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius
15. Haut, Integumentum commune Anhangsgebilde: Drüsen, Glandulae; Haare, Pili, und Nägel, Ungues
16. Glossar
Backmatter
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Waldeyer - Anatomie des Menschen [Reprint 2014, 17. völlig überarb. Aufl.]
 9783110221046

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Waldeyer Anatomie des Menschen 17. Auflage

Waldeyer Anatomie des Menschen 17., völlig überarbeitete Auflage Herausgegeben von J. Fanghänel, F. Pera, F. Anderhuber, R. Nitsch

Walter de Gruyter Berlin · New York 2003

Herausgeber Prof. Dr. J. Fanghänel Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23 c 17487 Greifswald E-Mail: [email protected] Prof. Dr. F. Pera Institut für Anatomie Wilhelms-Universität Münster Vasaliusweg 2–4 48149 Münster E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. F. Anderhuber Anatomisches Institut Karl-Franzens-Universität Graz Harrachgasse 21 8010 Graz Österreich E-Mail: [email protected] Prof. Dr. R. Nitsch Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12 10115 Berlin E-Mail: [email protected]

Das Buch enthält 883 Abbildungen und 45 Tabellen

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar © Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren und Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige

Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder aus Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Grafiken: A. Hambrosch und A. Stelzl, Graz; Christel Speidel, Berlin – Textkonvertierung: Ingrid Ullrich, Berlin – Druck und buchbinderische Verarbeitung: Passavia Druckservice GmbH, Passau – Einbandgestaltung: +Malsy, Kommunikation und Gestaltung, Bremen Printed in Germany ISBN 3-11-016561-9

Vorwort

Der Wiener Anatom Josef Hyrtl (1811–1894) erwähnte in seinem „Lehrbuch der Anatomie” (zitiert aus der 9. Auflage von 1866) ein Lehrbuch von Paaw aus dem Jahre 1615 und bemerkte dazu: „Ich würde es nicht aufführen, wenn ich es nicht sehr unterhaltend gefunden hätte, was man von anatomischen Werken nur selten sagen kann, deren ausschließliches Vorrecht: langweilig zu sein, starr und steif aus jeder Zeile spricht”. Die Herausgeber haben sich diese Mahnung des Altmeisters Hyrtl zu Herzen genommen. Für die hier vorgelegte 17. Auflage wurden alle Kapitel von einem neuen Autorenteam bearbeitet und größtenteils völlig neu geschrieben. Der neue Waldeyer soll neben einem ausführlichen und gut bebildertem Lehrbuch – nun wieder auf dem aktuellen Wissensstand – auch ein Lesebuch bleiben, in das auch persönliche Ansichten der Autoren und zwischen den Zeilen versteckte Nachdenklichkeiten einfließen durften. Wir wollten durch die Neubearbeitung der Kapitel und durch die Hereinnahme weiterer Themen, die sonst in Anatomie-Lehrbüchern nicht zu finden sind, ein bewährtes Lehrbuch neu auflegen, das auch für Anfänger verständlich ist und das eigene Nachdenken des Lesers fordert und fördert. Wir waren bemüht, durch straffe Gliederung einen roten Leitfaden zu geben und das Buch „studentenfreundlich“ zu gestalten. In einem ausführlichen Glossar werden die in diesem Buch verwendeten anatomischen und klinischen Fachausdrücke auf ihre sprachliche Herkunft zurückgeführt, damit die zunächst so fremd klingenden Begriffe (z. B. Musculus gastrocnemius – bauchiger Wadenmuskel) verständlich werden. Manches lateinisch-griechische Wortungetüm reduziert sich dabei zu einer ganz einfachen Aussage.

Die Studierenden stellen sich bei der Lektüre eines Lehrbuchs erfahrungsgemäß stets die Frage: Was muss ich davon in der Prüfung wissen? Das vorliegende Lehrbuch ist sicher umfangreicher, denn es enthält mehr als den Lernstoff, der in der zentralen schriftlichen Prüfung und in den mündlichen Kursund Physikumsprüfungen erwartet wird; es ist also auch zum späteren Nachschlagen in den klinischen Semestern und im ärztlichen Alltag gedacht. Dabei wurde selbstverständlich der Gegenstandskatalog berücksichtigt. Es war unser Anliegen, in der Neuauflage auch den Bezug der Anatomie zur Biochemie und Physiologie und vor allem zur Klinik aufzuzeigen und damit zu einer besseren Verflechtung von Vorklinik und Klinik beizutragen, wie es auch die neue Approbationsordnung verlangt. Auch ein umfangreiches Lehrbuch soll und kann die Vorlesung nicht ersetzen; es kann auch keine Grenze zwischen Grundlagenwissen und Expertenwissen ziehen, sondern es hat die Aufgabe, das vorhandene Wissen vorzustellen. Ob man daraus einen prüfungsrelevanten Extrakt erstellt oder es als Basis für die weitergehende Spezialisierung in bestimmten Fragestellungen benutzt, bleibt den Nutzern selbst überlassen. Zwar versteht sich die Anatomie in wissenschaftlicher Hinsicht von jeher in erster Linie als naturwissenschaftlich orientierte Disziplin; aus ihrem Lehrauftrag als theoretische und praktische Einführung in die Medizin und in den Arztberuf, wie es den Studierenden vor allem im Präparierkurs unmittelbar bewusst wird, leitet sich aber auch ab, dass der notwendigerweise körperbetonte Umgang mit dem Leichnam, der Körperspenderin und dem Körperspender, nicht als Arbeit an einer seelenlosen Materie gesehen werden darf, weder von den Wissenschaftlern noch von den Studierenden. Daher haben wir in diesem Buch auch den Gedan-

VI

ken, Erwartungen und Ängsten der Studierenden im Präparierkurs Raum gegeben. Viele fleißige Hände haben bei der Vorbereitung und Herstellung des Buches mitgeholfen, und ohne Ausnahme ist jeder der Autoren und der Herausgeber persönlich einer großen Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Dank verpflichtet: für die Schreibarbeiten, für die Erstellung des Bildmaterials, für das Korrekturlesen, für das kritische Beurteilen. In unseren Dank sind auch die Studierenden eingeschlossen, die die Manuskripte aus studentischer Warte vorab gelesen und beurteilt haben, und die Kollegen aus der Klinik für die klinischen Hinweise und für ihre Verbesserungsvorschläge. Ihnen allen gebührt an dieser Stelle eine Laudatio. In diesem Zusammenhang möchten wir Frau Esther Erdmann, Chefsekretärin im Institut für Anatomie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, ganz besonders danken. Sie hat mit großem Engagement und Sorgfalt das gesamte Manuskript nach

Vorwort

den zahlreichen Korrekturen geschrieben. Ebenso möchten wir Frau Astrid Hambrosch danken, die mit enormem Einsatz für viele Kapitel hervorragende Zeichnungen erstellt hat. Ein aufrichtiger Dank gilt den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Verlages, ganz besonders Frau Ingrid Ullrich, die keine Mühe bei der Gestaltung des Textes gescheut und alle unsere Wünsche berücksichtigt hat. Großer Dank gilt auch Herrn Dr. Josef Kleine für die Geduld und die sachdienliche Beratung. Alle Leser bitten wir um helfende und konstruktive Kritik und Hinweise, denn von der Resonanz lebt ein Buch. Greifswald, Münster, Graz und Berlin, Oktober 2002 Jochen Fanghänel Franz Pera Friedrich Anderhuber Robert Nitsch

Wer war Waldeyer?

Anton Johannes Waldeyer (1901–1970) wurde in einer westfälischen Bauernfamilie in Tietelsen geboren. Wilhelm von Waldeyer-Hartz (1836– 1921) war sein Großonkel. Beide Waldeyer hatten in Paderborn ihre Schulausbildung und katholische Weltanschauung erfahren. Dennoch waren Anton Waldeyer scholastisches Denken und Dogmatismus in der Wissenschaft fremd. Anatomie lernte er in Münster bei Emil Ballowitz, später in Berlin bei weiteren namhaften Anatomen (u. a. Rudolf Fick, Franz Kopsch). Curriculum vitae. Nach dem medizinischen Vorexamen studierte er in Würzburg (mit Zwischensemestern in München, wo er 1925 mit einem anthropologischen Thema promovierte). Schon in dieser Zeit war er in der Anatomie tätig und verbrachte einen Teil seiner Medizinalpraktikantenzeit in diesem Fach. Insbesondere die Präparierübungen verbanden ihn nachhaltig mit der Anatomie. 1927 wurde er approbiert. Noch im gleichen Jahr promovierte er ein weiteres Mal, diesmal in Würzburg mit einem Thema der vergleichenden Anatomie. Er ging dann nach Kiel, später nach Freiburg. Seine erste Professur erhielt er in China und erlebte alle sprachlichen, ethnischen und mit dem chinesischen Leichenwesen verbundenen Schwierigkeiten. Seine Bestrebungen, die Ausbildung optimal zu gestalten, erhielten hier vielleicht ihre stärksten Impulse. Er wollte morphologisch und funktionell denkende Ärzte und keine reinen Morphologen heranbilden. 1935 wechselte Anton Waldeyer nach Berlin. Lehrbuchautor. 1942 erschien der 1. Band der Anatomie des Menschen, ein Grundriß für Studierende und Ärzte, in dem er weg von den damaligen Gepflogenheiten zur angewandten (funktionellen) Anatomie vorzudringen suchte. Die Originalität wurde von der Fachwelt anerkannt, das Werk aber als für Studierende ungeeignet eingestuft. Diese Auffassung teilten die Studierenden gar nicht.

Anton Johannes Waldeyer, 1901–1970 (aus dem Besitz des Institutes für Anatomie der Charité)

Innerhalb eines Jahres war die 1. Auflage bereits vergriffen, für diese Zeit äußerst ungewöhnlich. Der Krieg zerstörte den Umbruch des 2. Bandes. Doch der Verlag wagte später einen Neuanfang in Wien, und dieser Band konnte 1950 erscheinen. Nachdem der 1. Band zehn Jahre lang vergriffen war, konnte 1953 die 2. Auflage herausgebracht werden. Waldeyer lehrte inzwischen in Münster, kehrte aber später nach Berlin zurück. Er widmete sich dem dortigen Wiederaufbau des im 2. Weltkrieg zerstörten Anatomischen Instituts.

VIII

Den Unterricht konzipierte Waldeyer nach seinen Vorstellungen komplett neu, führte „Anatomie am Lebenden“ ein und kämpfte ständig mit der Anpassung der Anatomieausbildung an die zunehmenden Kürzungen. Hierin sah er eine intensive Bedrohung der nur durch Praxis schulbaren Fähigkeiten im Beobachten und exakten Arbeiten. Er wollte, „dass durch die Inanspruchnahme neuer Hirnrindenfelder, durch neue Engramme, die Haftfähigkeit verbessert, d. h. die Erinnerungsbilder fester verankert werden.“ Eponyme. Während der Mittelpunkt von Anton Waldeyers Tätigkeit die Ausbildung von Studenten war, sind die Mehrzahl der namentlichen Asso-

Wer war Waldeyer?

ziationen mit anatomischen Entitäten auf Wilhelm Waldeyer-Hartz zurückzuführen. Viele davon sind insbesondere von klinischer Relevanz (WaldeyerRachenring). Beziehung zu Studierenden. Bei seinen Studierenden war der eher kleinwüchsige, kräftige Anton Waldeyer überaus beliebt, galt als sehr gütig und als Helfer. In den Prüfungen war er hingegen durchaus gefürchtet. Mit dem „Greifer“, wie er seine Pinzette nannte, tippte er auf einzelne Strukturen (und stopfte mit ihm zwischendurch auch mal seine Pfeife nach), die dann kurz und prägnant benannt werden mussten. Herumschwätzen des Prüflings liebte er nicht.

Autoren und Mitarbeiter

Autoren Prof. Dr. F. Anderhuber Anatomisches Institut Karl-Franzens-Universität Graz Harrachgasse 21, 8010 Graz, Österreich

PD Dr. J. Giebel Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23 c, 17487 Greifswald

PD Dr. H. Bade Zentrum Anatomie Universität Köln Joseph-Stelzmann-Straße 9, 50931 Köln

Prof. Dr. Th. Kocher Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Rotgerberstraße 8, 17487 Greifswald

PD Dr. I. Bechmann Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12, 10115 Berlin

Prof. Dr. J. Koebke Zentrum Anatomie Universität Köln Joseph-Stelzmann-Straße 9, 50931 Köln

PD Dr. Th. Beck Institut für Anatomie Universität Rostock Gertrudenstraße 9, 18055 Rostock

Dr. Th. Koppe Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23 c, 17487 Greifswald

PD Dr. A. Brehmer Anatomisches Institut Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 9, 91054 Erlangen

Prof. Dr. D. Kubein-Meesenburg Zentrum Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten Georg-August-Universität Göttingen Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen

Prof. Dr. J. Fanghänel Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23 c, 17487 Greifswald PD Dr. T. J. Filler Groenemeyer-Institut für Mikrotherapie Universität Witten/Herdecke Universitätsstraße 142, 44799 Bochum Prof. Dr. R. H. W. Funk Institut für Anatomie Technische Universität Dresden Fetscherstraße 74, 01307 Dresden

Dr. C. Lemke Institut für Anatomie Friedrich-Schiller-Universität Jena Teichgraben 7, 07743 Jena Prof. Dr. W. Linß Institut für Anatomie Friedrich-Schiller-Universität Jena Teichgraben 7, 07743 Jena Ass. Prof. Dr. H. Maurer Institut für Anatomie Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Müllerstraße 59, 6010 Innsbruck, Österreich

X

Autoren und Mitarbeiter

Dr. B. Miehe Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23 c, 17487 Greifswald

Prof. Dr. G. Reiss Anatomisches Institut Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Straße 50, 58448 Witten

em. Prof. Dr. H. Nägerl Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten Georg-August-Universität Göttingen Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen

Prof. Dr. H.-M. Schmidt Anatomisches Institut Rheinische Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn Nußallee 10, 53115 Bonn

Prof. Dr. R. Nitsch Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12, 10115 Berlin

Prof. Dr. H.-P. Schmiedebach Institut für Geschichte der Medizin Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Walter-Rathenau-Straße 48, 17487 Greifswald

Prof. Dr. F. Pera Institut für Anatomie Wilhelms-Universität Münster Vesaliusweg 2–4, 48149 Münster

Prof. Dr. E. Schulte Anatomisches Institut Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Saarstraße 19–21, 55099 Mainz

Dr. E. T. Peuker Institut für Mikrotherapie Universität Witten/Herdecke Universitätsstraße 142, 44799 Bochum

PD Dr. Chr. Splieth Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Rotgerberstraße 8, 17487 Greifswald

PD Dr. A. Prescher Institut für Anatomie I Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen

Dr. J .Weingärtner Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23c, 17487 Greifswald

Koreferenten Verlag, Herausgeber und Autoren danken den nachstehenden Wissenschaftlern und Studenten, die mit ihrem fachlichen Rat und ihren Hinweisen zu den klinischen Bezügen sowie mit kritischer Durchsicht von Texten die Arbeit an diesem Buch unterstützend begleitet haben. Dr. G. Arnold Neurologische Klinik Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstraße 20/21, 10098 Berlin

Prof. Dr. H. Bünte Klinik und Poliklinik für Allgemeine Chirurgie Westfälische Wilhelms-Universität Münster Waldeyerstr. 1, 48149 Münster

PD Dr. E. Beinder Frauenklinik Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Universitätsstraße 21–23, 91054 Erlangen

cand. med. L. Dölken Fritz-Reuter-Weg 11, 17509 Lubmin

Dr. Th. Berns Abt. für Allgemein- und Viszeralchirurgie St. Agnes Hospital Barloer Weg 125, 46379 Bocholt

Prof. Dr. D. Eichner Institut für Anatomie Westfälische Wilhelms-Universität Münster Vesaliusweg 2–4, 48149 Münster Dr. J. Fanghänel Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Rotgerberstraße 8, 17487 Greifswald

Autoren und Mitarbeiter

XI

Dr. G. Fischer Institut für Anatomie Westfälische Wilhelms-Universität Münster Vesaliusweg 2–4, 48149 Münster

Prof. Dr. G. Meyer Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Rotgerberstraße 8, 17487 Greifswald

Dr. H.-J. Goller II. Chirurgische Klinik Klinikum Coburg Ketschendorfer Straße 35, 96450 Coburg

Dr. U. Meyer ehemals Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12, 10115 Berlin

Prof. Dr. D. H. W. Grönemeyer Institut für Mikrotherapie Universität Witten/Herdecke Universitätsstraße 142, 44799 Bochum

Dr. Chr. Peuker Abt. für Kernspintomografie Clemenshospital Münster Düesbergweg 124, 48153 Münster

Dr. D. Ihlow Kieferorthopäde Berliner Straße 11, 23611 Bad Schwartau

Prof. Dr. R. Rettig Institut für Physiologie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Greifswalder Straße 11c, 17495 Karlsburg

PD Dr. B. Ebert-Hampel Institut für Medizinische Psychologie Westfälische Wilhelms-Universität Münster Heekweg 43, 48161 Münster cand. med. B. Hoffmeister Meissenweg 9, 58285 Gevelsberg Prof. Dr. W. Hosemann Klinik für Hals-, Nasen- Ohrenkrankheiten Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Walter-Rathenau-Straße 43–45, 17487 Greifswald PD Dr. E. Kauschke Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23c, 17487 Greifswald Prof. Dr. Chr. Kessler Klinik und Poliklinik für Neurologie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Ellernholzstraße 1–2, 17487 Greifswald cand. med. V. Koberstein Rotgerberstraße 5, 17489 Greifswald Prof. em. Dr. B. Lindemann Institut für Physiologie Medizinischer Campus Universität des Saarlandes Gebäude 58 66421 Homburg/Saar Prof. Dr. G. Lorenz Institut für Pathologie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23e, 17487 Greifswald

Prof. em. Dr. W. Richter Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12, 10115 Berlin PD Dr. W. Rösch Urologische Klinik Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12, 91054 Erlangen Dr. E. Rumpel Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23c, 17487 Greifswald Dr. F. Stahnisch Institut für Geschichte und Ethik der Medizin Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Glückstraße 10, 91054 Erlangen Doz. Dr. M. Vahlensieck Radiologische Gemeinschaftspraxis Endenicher Straße 81, 53115 Bonn Dr. M. Wiesner Ostseeklinik Kühlungsborn Waldstraße 51, 18225 Kühlungsborn Prof. Dr. F. Wilhelm Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg Magdeburger Straße 28, 06112 Halle/Saale

Mitarbeiter und Autoren

XII

cand. med. A. Winkelmann Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12, 10115 Berlin

Dr. R. Zschenderlein Neurologische Klinik Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstraße 20/21, 10098 Berlin

Dr. M. Zenker Institut für Humangenetik Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Schwabachanlage 10, 91054 Erlangen

Wir danken weiterhin für die Mithilfe für

MRT- und CT-Bilder des Gehirns Dr. J. Rohman, V. Romahn Radiologische Gemeinschaftspraxis Coburg Ketschendorferstr. 33, 96450 Coburg

Funktionelle MRT-Bilder PD Dr. S. Brandt, Prof. Dr. A. Villringer Neurologische Klinik Humboldt-Universität Berlin Schumannstraße 20/21, 10098 Berlin

Präparator Dipl.-Ing. G. Wilke Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12, 10115 Berlin

Fotos und Grafiken A. Hambrosch, A. Stelzl Anatomisches Institut Karl-Franzens-Universität Graz Harrachgasse 21, 8010 Graz, Österreich S. Lewandowski, B. Mannsfeld, D. Wachenschwanz Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12, 10115 Berlin I. Dirks Institut für Anatomie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23 c, 17487 Greifswald Jens Geiling Institut für Anatomie Friedrich-Schiller-Universität Jena Teichgraben 7, 07743 Jena

Sekretariatsunterstützung M. Pollrich Institut für Anatomie Humboldt-Universität zu Berlin Philippstraße 12, 10115 Berlin

Inhalt

1

Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper Franz Pera, Jochen Fanghänel, Timm J. Filler und Hans-Peter Schmiedebach

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.2.1 1.1.2.2

1.3.3 1.3.4

Was ist Anatomie? ........................ Definition der Humananatomie ...... Einteilung ....................................... Fachrichtungen in der Anatomie .... Betrachtungsmöglichkeiten in der Anatomie ........................................ Bedeutung des Faches .................... Sterben und Tod ........................... Einführung in den Präparierkurs ............................... Wer sind die Körperspender? ......... Was geschieht im Präparierkurs eigentlich? ...................................... Rechtliche Fragen........................... Psychische Situation.......................

2

Allgemeine Anatomie

1.1.3 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2

1 1 1 1 2 3 4 5 5 5 6 6

1.3.5 1.3.6 1.4 1.5

1.5.1 1.5.2 1.5.2.1 1.5.2.2 1.5.2.3 1.5.2.4

Vorbereitung auf den Kurs ............. Weiterführende Gedanken zum Präparierkurs .................................. Leichenkonservierung.................. Orientierung am menschlichen Körper, Achsen, Ebenen des Körpers und Richtungsbezeichnungen .............................. Geschichtliches .............................. Orientierung am Körper ................. Achsen............................................ Ebenen............................................ Richtungsbezeichnungen................ Bewegungsrichtungen und -bezeichnungen ..............................

7 7 8

9 9 12 12 12 13 13

Timm J. Filler, Elmar T. Peuker, Franz Pera, Erik Schulte, Jochen Fanghänel und Cornelius Lemke, unter Mitarbeit von Hans Nägerl

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.4.1 2.1.4.2 2.1.5 2.2.1 2.2 2.2.1.1

Bauplan des menschlichen Körpers.......................................... Gliederung des Körpers.................. Geschlechtsdimorphismus.............. Körperbautypen.............................. Wachstum ....................................... Kindliches Wachstum und Entwicklung ................................... Wachstum auf Organ- und Zellebene ............................................. Organe und Organsysteme ............. Knochen, Ossa................................ Bewegungsapparat ....................... Aufbau eines Knochens..................

15 15 16 17 19 19 20 21 22 22 22

2.2.1.2 2.2.1.3 2.2.1.4 2.2.1.5 2.2.1.6 2.2.1.7 2.2.1.8 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.3 2.2.3.1

Knochenarten ................................. Gefäßversorgung von Knochen...... Knochenformen.............................. Knochenbildung ............................. Apophysen...................................... Biomechanik von Knochen ............ Klinischer Ausblick ........................ Knochenverbindungen ................... Kontinuierliche Knochenverbindungen.................................. Diskontinuierliche Knochenverbindungen.................................. Skelettmuskulatur........................... Aufbau eines Skelettmuskels .........

24 26 26 27 28 29 30 30 31 32 41 41

Inhalt

XIV

2.2.3.2 2.2.3.3 2.2.3.4 2.2.3.5 2.2.3.6 2.2.3.7 2.3 2.3.1 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.1.3 2.3.1.4 2.3.1.5 2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.3 2.3.2.4 2.3.2.5 2.3.2.6 2.3.2.7 2.3.2.8 2.3.2.9 2.3.2.10 2.3.2.11 2.3.2.12 2.3.2.13 2.3.2.14 2.3.2.15 2.3.2.16 2.3.2.17 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.4 2.3.4.1 2.3.4.2 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.3.1

Biomechanik von Muskeln ............ Wachstum ....................................... Muskelschlingen ............................ Innervation ..................................... Propriozeption des aktiven Bewegungsapparates ...................... Hilfseinrichtungen ......................... Herz-Kreislauf-System................. Kreislauf ......................................... Aufgaben und Einteilung des Kreislauf-Systems .......................... Großer und kleiner Kreislauf ......... Pfortaderkreislauf .......................... Pränataler Kreislauf........................ Uteroplazentarer Kreislauf ............ Gefäße ............................................ Aufgaben und Einteilung des Gefäßsystems ................................. Allgemeiner Wandbau.................... Mechanik des Gefäßsystems .......... Blutdruck........................................ Verteilung des Blutes im Blutgefäßsystem............................................. Rezeptoren in den Gefäßwänden ... Nervöse Versorgung ....................... Endo- und parakrine Regulatoren .. Anordnung, Verlauf und Dehnbarkeit der Gefäße .......................... Arterien und Arteriolen .................. Kapillaren und Sinus ...................... Venen und Venolen......................... Gefäßtypen nach dem Versorgungsmodus ............................................. Drossel- und Sperrgefäße ............... Anastomosen .................................. Anatomische und funktionelle Endgefäße....................................... Vasa vasorum ................................. Übersicht über die großen Arterienstämme .............................. Körperkreislauf .............................. Lungenkreislauf.............................. Kurze Übersicht über die großen Venenstämme ................................. Körperkreislauf .............................. Lungenkreislauf.............................. Blut, Sanguis ................................. Zusammensetzung und Funktion ... Blutplasma...................................... Blutzellen ....................................... Erythrozyten ...................................

43 45 45 46 46 47 49 49 49 51 51 51 52 52 52 53 54 55 56 56 57 57 57 58 60 61 64 64 64 66 67 67 67 70 70 70 70 71 71 71 71 71

2.4.3.2 2.4.3.2.1 2.4.3.2.2 2.4.3.2.3 2.4.3.2.4 2.4.4 2.4.4.1 2.4.4.2 2.4.4.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.2.1 2.5.2.2 2.5.3 2.5.3.1 2.5.4 2.5.4.1 2.5.4.2 2.5.4.3 2.5.4.4 2.5.4.5 2.5.4.6 2.5.4.7 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5 2.6.5.1 2.6.5.2 2.6.5.3 2.6.5.4 2.6.6 2.6.6.1

Leukozyten ..................................... Granulozyten .................................. Monozyten...................................... Lymphozyten.................................. Bluttplättchen, Thrombozyten........ Blutbildung, Hämatopoese ............. Primitive Hämatopoese .................. Definitive Hämatopoese ................. Postnatale Hämatopoese................. Mechanismus und Organe der Immunabwehr........................ Unspezifische Abwehr.................... Spezifische Abwehr ........................ Antigene (Ag)................................. Lymphozyten.................................. Immunkompetente Organe, lymphatisches Gewebe................... Lymphknoten, Nodus lymphaticus (Nodus lymphoideus, Lymphonodus)................................ Lymphgefäße, Vasa lymphatici ...... Einteilung der Lymphgefäße .......... Lymphfluss ..................................... Mandeln, Tonsillen......................... Bries, Thymus ................................ Milz, Lien, Splen............................ Schleimhautassoziiertes Lymphgewebe, Mucosa Associated Lymphatic Tissue (MALT)............. Wurmfortsatz, Appendix vermiformis ................... Nervensystem, Systema nervosum........................ Einteilung des Nervensystems ....... Grundbegriffe zum Gehirn des Menschen ....................................... Funktionelle Systeme des Zentralnervensystems (ZNS) ..................... Sinnesorgane, Organa sensuum...... Peripheres Nervensystem, Pars peripherica (Systema nervosum periphericum) Spinalnerven, Nn. spinales ............ Hirn(Kopf)nerven, Nn. craniales.... Anastomosen und Plexusbildung ... Periphere und radikuläre Hautinnervation...................................... Vegetatives Nervensystem (VNS), Divisio autonomica (Pars autonomica systematis nervosi peripherici) Übersicht über das VNS.................

72 72 74 75 75 76 76 77 79 82 83 83 83 84 86 86 88 88 88 90 90 90 90 91 91 91 92 93 94 94 94 96 96 97 98 99

Inhalt

2.6.6.2 2.6.6.3

XV

2.6.6.4 2.6.6.5

Aufbau............................................ Transmitter des VNS und ihre Rezeptoren...................................... Entwicklung des VNS .................... Pars sympathica, Sympathicus .......

3

Allgemeine Embryologie

100 102 102 104

2.6.6.6

Pars parasympathica, Parasympathicus .......................................... 2.6.6.7 Trophische Innervation .................. 2.6.6.8 Reflexe............................................ 2.6.6.9 Übergeordnete vegetative Zentren . 2.6.6.10 Enterisches Nervensystem (ENS) ..

106 109 109 111 111

Axel Brehmer

3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.4.1 3.3.4.2 3.3.4.3 3.3.5 3.3.5.1 3.3.5.2 3.3.5.3 3.3.6 3.4 3.4.1 3.4.1.1 3.4.1.2

3.4.1.3 3.4.2

3.4.2.1 3.4.2.2 3.5 3.5.1 3.5.1.1

Altersangaben, Stadien ................ Grundbegriffe ............................... Gametogenese, Proontogenese, Progenese....................................... Genetische Substanz....................... Zellzyklus, Zellteilungen................ Genetische Gametopathien ............ Progenese im männlichen Geschlecht ...................................... Primäre Geschlechtsdrüse: Hoden, Testis .................................. Samenbildung, Spermatogenese, Spermiogenese, Spermien .............. Sekundäre (akzessorische) Geschlechtsdrüsen, Sperma............ Progenese im weiblichen Geschlecht ...................................... Primäre Geschlechtsdrüse: Eierstock, Ovar............................... Oogenese, Follikulogenese, Ovulation........................................ Hormone, Zyklus............................ Schwangerschaftsverhütung, Kontrazeption ................................. Blastogenese .................................. Erste Entwicklungswoche: Befruchtung, Tubentransport.......... Befruchtung, Fertilisation ............. Maulbeerkeim, Morula...................

113 114

3.5.1.2 3.5.1.3

115 116 117 120

3.5.1.4

122 122 123 125 125 125 126 129 130 131 131 131 134

Blasenkeim, Blastozyste ............ 135 Zweite Entwicklungswoche: Implantation, zweiblättrige Keimscheibe............................................ Trophoblast: Implantation .............. Embryoblast: zweiblättrige Keimscheibe............................................ Embryogenese .............................. Dritte Entwicklungswoche: dreiblättrige Keimscheibe .............. Gastrulation ...................................

136 136 138 140 140 140

3.5.1.5 3.5.1.6 3.5.2 3.5.3 3.5.3.1 3.5.3.2 3.5.4 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4 3.7.5 3.7.6 3.7.7 3.8 3.9 3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.9.4 3.10

Neurulation..................................... Differenzierung des intraembryonalen Mesoderms ............... Intraembryonale Leibeshöhle, Zölom ............................................ Ursegmente, Somiten .................... Blutgefäße ...................................... Vierte Entwicklungswoche: Abfaltungen, Embryonalkörper...... Formentwicklung bis zur 8. Entwicklungswoche ................... Kopf-Hals-Region ......................... Rumpf............................................. Übersicht über Blasto- und Embryogenese ................................ Fetogenese, Geburt, Reifezeichen .................................. Fetogenese ..................................... Geburt............................................. Reifezeichen des Neugeborenen .... Mutterkuchen, Placenta, Fruchthüllen ab 3. EW ................ Entstehung der Plazentazotten ...... Plazentareifung, Plazentaschranke . Plazentaschichten, Plazentateile..... Reife Placenta................................. Plazentafunktion ............................ Fruchthüllen .................................. Nabelschnur, Funiculus umbilicalis .................... Mehrlinge ...................................... Fehlbildungslehre, Teratologie.... Einteilung der Fehlbildungen ......... Fehlbildungsformen ....................... Phasenspezifität der Fehlbildungsentstehung ...................................... Ursachen von Fehlbildungen.......... Morphologische Aspekte der Pränatalmedizin..............................

142 145 146 147 148 148 153 153 156 156 157 157 157 158 158 158 159 161 162 163 163 165 165 167 167 168 169 169 170

Inhalt

XVI

3.10.1 3.10.2 3.10.3

4

Schwangerschaftszeichen, Uteruswachstum ............................. 170 Schwangerschaftsdauer, Gestationsalter ............................... 170 Methoden der Pränatal-diagnostik und -therapie................................... 171

3.10.3.1 Bilddarstellung durch Ultraschall (Sonographie) ................................. 3.10.3.2 Alters- und Größenbestimmung durch Ultraschall ............................ 3.10.3.3 Invasive Methoden ......................... 3.10.3.4 Pränataltherapie..............................

171 172 173 173

Kopf, Cranium, und Hals, Collum Jochen Fanghänel, unter Mitarbeit von Jürgen Giebel, Thomas Koppe, Bärbel Miehe, Christian Splieth, Thomas Kocher, Jens Weingärtner und Dietmar Kubein-Meesenburg

4.1 4.1.1 4.1.1.1 4.1.1.2 4.1.2 4.1.2.1 4.1.2.2 4.1.2.3 4.1.3 4.1.4 4.1.4.1 4.1.4.2 4.1.4.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3 4.3.1.4 4.3.1.5 4.3.1.6

Entwicklung des knöchernen Schädels, Schlunddarm................ Ontogenese des Schädels ............... Entwicklung des Neurokraniums ... Entwicklung des Viszerokraniums und Schlunddarms .......................... Phylogenese.................................... Proportionsverschiebungen von Neuro- und Viscerocranium zugunsten des ersteren.................... Schädelbasisknickung .................... Weitere Faktoren für die Schädelformung .......................................... Kraniofaziales Wachstum............... Fehlbildungen................................. Kranioschisis .................................. Kraniosynostosen, Kraniostenosen, Stenokephalie ................................. Syndrome, Systemerkrankungen.... Schädelansichten .......................... Ansicht von oben, Norma verticalis ............................. Ansicht von der Seite, Norma lateralis .............................. Ansicht von vorn, Norma frontalis. Ansicht von hinten, Norma occipitalis ........................... Innenansicht der Calvaria............... Schädelknochen ............................ Neurocranium................................. Stirnbein, Os frontale ..................... Hinterhauptsbein, Os occipitale ..... Keilbein, Wespenbein, Os sphenoidale ............................... Scheitelbein, Os parietale............... Nahtknochen, Ossa suturalia, und Fontanellenknochen ................ Schläfenbein, Os temporale ...........

178 178 178 181 184 184 185 185 186 186 186 187 187 188 188 188 189 191 191 191 191 191 191 192 196 196 196

4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2

Viscerocranium .............................. Siebbein, Os ethmoidale................. Untere Nasenmuschel, Concha nasalis inferior................... 4.3.2.3 Nasenbein, Os nasale ..................... 4.3.2.4 Pflugscharbein, Vomer ................... 4.3.2.5 Tränenbein, Os lacrimale ............... 4.3.2.6 Jochbein, Wangenbein, Os zygomaticum............................. 4.3.2.7 Gaumenbein, Os palatinum ............ 4.3.2.8 Oberkiefer, Oberkieferbein, Maxilla ........................................... 4.3.2.9 Unterkiefer, Mandibula .................. 4.3.2.10 Vergleich zwischen Ober- und Unterkiefer ..................................... 4.3.2.11 Zungenbein, Os hyoideum ............. 4.3.2.12 Gehörknöchelchen, Ossicula auditus ............................. 4.3.3 Geschlechtsdimorphismus.............. 4.4 Schädelbasis, Basis cranii ............ 4.4.1 Äußere Schädelbasis, Basis cranii externa ........................ 4.4.1.1 Vorderer Teil................................... 4.4.1.2 Mittlerer Teil .................................. 4.4.1.3 Hinterer Teil ................................... 4.4.2 Innere Schädelbasis, Basis cranii interna ......................... 4.4.2.1 Vordere Schädelgrube, Fossa cranii anterior ....................... 4.4.2.2 Mittlere Schädelgrube, Fossa cranii media.......................... 4.4.2.3 Hintere Schädelgrube, Fossa cranii posterior ..................... 4.5 Konstruktiver Bau des Schädels . 4.5.1 Verstärkungen der Schädelkonstruktion.................................... 4.5.2 Pneumatisation und Kaudruckpfeiler .............................................

200 200 200 200 201 201 201 201 202 203 205 205 205 206 206 206 206 206 208 209 209 210 213 214 214 214

Inhalt

4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.6 4.6.1 4.6.1.1 4.6.1.2 4.6.1.3 4.6.1.4 4.6.2 4.6.2.1 4.6.2.2 4.6.2.3 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.2.1 4.7.2.2 4.7.2.3 4.7.2.4 4.7.2.5 4.8 4.8.1 4.8.1.1 4.8.1.2 4.8.2 4.8.2.1 4.8.2.2 4.8.2.3 4.8.3 4.8.3.1 4.8.3.2 4.9 4.9.1

XVII

Spezifische Strukturen der Mandibula ...................................... Beteiligung der Dura mater ............ Praktische Bedeutung der Rahmenkonstruktion.................................... Höhlen und Gruben ..................... Viscerocranium .............................. Augenhöhle, Orbita ....................... Öffnungen der Orbita ..................... Inhalt der Orbita ............................. Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales ........................... Seitliche Schädelgegend................. Schläfengrube, Fossa temporalis.... Unterschläfengrube, Fossa infratemporalis ....................................... Flügelgaumengrube, Fossa pterygopalatina..................... Gelenke des Kopfes ...................... Kopfgelenke .................................. Kiefergelenk, Articulatio temporomandibularis ................................... Embryologie ................................... Aufbau............................................ Gefäße und Nerven ........................ Mechanik des Kiefergelenkes ........ Moderne Erkenntnisse in der Kiefergelenksforschung ................. Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli..... Muskeln des Kopfes, Musculi capitis ............................... Mimische Muskulatur, Musculi faciei................................. Kaumuskeln, Mm. masticatorii ...... Halsmuskeln ................................... Oberflächliche Halsmuskeln ......... Mittlere Schicht der Halsmuskulatur...................................... Das Zusammenspiel der Hals-, Kau- und Nackenmuskeln .............. Faszien und Bindegewebsräume des Halses....................................... Halsfaszie, Fascia cervicalis........... Spalträume und Logen des Halses . Arterien des Kopfes und des Halses .............................. Gemeinsame Kopfschlagader, A. carotis communis.......................

215 215 216 217 217 217 218 219 219 219 219 220 220 221 221 221 221 221 222 222 223 225 225 225 231 234 234 236 240 240 240 242 244 244

4.9.2

Innere Kopfschlagader, A. carotis interna ............................ 4.9.3 Äußere Kopfschlagader, A. carotis externa ........................... 4.9.3.1 Ventrale Äste .................................. 4.9.3.2 Medialer Ast ................................... 4.9.3.3 Dorsale Äste ................................... 4.9.3.4 Endäste ........................................... 4.9.4 Schlüsselbeinschlagader, A. subclavia.................................... 4.10 Venen des Kopfes und des Halses 4.10.1 Venen im Schädel ........................... 4.10.2 Venen der Kopfweichteile .............. 4.10.3 Venenplexus ................................... 4.10.4 Große abführende Venen................ 4.11 Lymphgefäße, Vasa lymphatica, und Lymphknoten des Kopfes und des Halses, Nodi lymphatici (lymphoidei) capitis et colli.......... 4.11.1 Genereller Lymphabfluss ............... 4.11.2 Regionäre Lymphknoten des Kopfes ............................................ 4.11.3 Regionäre Lymphknoten des Halses ............................................. 4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales . 4.12.1 Hirnnerven, Kopfnerven, Nn. capitales ................................... 4.12.2 Halsgeflecht, Plexus cervicalis....... 4.12.2.1 Hautäste.......................................... 4.12.2.2 Muskeläste...................................... 4.12.3 Kopfsympathicus............................ 4.12.4 Kopfparasympathicus..................... 4.13 Mundhöhle, Cavitas oris.............. 4.13.1 Zunge, Lingua ................................ 4.13.1.1 Aufbau............................................ 4.13.1.2 Gefäße und Nerven ........................ 4.13.2 Große Kopfspeicheldrüsen, Glandulae salivariae majores ........ 4.13.2.1 Ohrspeicheldrüse, Glandula parotidea ........................................ 4.13.2.2 Unterkieferdrüse, Glandula submandibularis ............................ 4.13.2.3 Unterzungendrüse, Glandula sublingualis .................................... 4.13.3 Zähne, Dentes und Zahnhalteapparat, Parodontium ..................... 4.13.3.1 Embryologie ................................... 4.13.3.2 Funktion und Aufbau des Gebisses 4.13.3.2.1 Funktion des Gebisses....................

244 245 245 247 247 248 249 249 250 251 252 252

253 253 253 254 255 255 266 267 268 269 269 270 272 272 276 277 278 279 280 281 282 285 285

Inhalt

XVIII

4.13.3.2.2 Aufbau des Gebisses ...................... 4.13.3.3 Makroskopischer Aufbau des Zahnes ...................................... 4.13.3.4 Mikroskopischer Aufbau des Zahnes ..................................... 4.13.3.5 Zahnhalteapparat, Parodontium ..... 4.13.3.6 Beschreibung der einzelnen Zähne.............................................. 4.13.3.7 Okklusion der Zahnreihen.............. 4.13.4 Gaumen, Palatum ........................... 4.13.4.1 Struktur des Gaumens .................... 4.13.4.2 Schlundenge, Isthmus faucium ...... 4.14 Schlund, Pharynx ........................ 4.14.1 Lage und Befestigungen des Pharynx .................................... 4.14.2 Etagengliederung und Inhalt des Pharynx .................................... 4.14.2.1 Innenrelief des Schlundes .............. 4.14.2.2 Histologie ....................................... 4.14.3 Pharynxmuskeln, Musculi pharyngis .......................... 4.14.3.1 Schlundschnürer ............................. 4.14.3.2 Schlundheber.................................. 4.14.3.3 Schluckakt ...................................... 4.14.4 Gefäße und Nerven des Pharynx.... 4.14.5 Mandeln, Tonsillen, Tonsillae ........ 4.15 Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales ......................... 4.15.1 Nasenhöhle, Cavitas nasi ............... 4.15.1.1 Äußere Nase ................................... 4.15.1.2 Nasenvorraum, Vestibulum nasi..... 4.15.1.3 Nasenhöhle, Cavitas nasi ............... 4.15.1.4 Gefäße und Nerven ....................... 4.15.2 Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales ........................... 4.15.2.1 Kieferhöhle, Sinus maxillaris........ 4.15.2.2 Stirnhöhle, Sinus frontalis.............. 4.15.2.3 Siebbeinzellen, Cellulae ethmoidales .................................... 4.15.2.4 Keilbeinhöhle, Sinus sphenoidalis . 4.16 Kehlkopf, Larynx ......................... 4.16.1 Kehlkopfskelett .............................. 4.16.2 Kehlkopfbänder.............................. 4.16.3 Kehlkopfgelenke ............................

286

4.16.4

287

4.16.5 4.16.6 4.16.7

288 292 296 299 299 299 302 302 303 303 303 305 306 306 309 309 309 311 312 313 313 315 315 318 321 322 323 324 324 325 326 327 329

4.16.8 4.16.9 4.16.10 4.17 4.17.1 4.17.2 4.17.3 4.17.4 4.17.5 4.17.6 4.18 4.18.1 4.18.2 4.18.3 4.18.4 4.18.5 4.19 4.19.1 4.19.1.1 4.19.1.2 4.19.2 4.19.2.1 4.19.2.2 4.19.2.3 4.19.2.4 4.19.3 4.19.4

Kehlkopfmuskeln, Musculi laryngis............................. Kehlkopfhöhle, Cavitas laryngis .... Gefäße und Nerven ........................ Geschlechts- und Altersunterschiede des Kehlkopfes .................. Nachbarschaftsbeziehungen des Kehlkopfes .................................... Lagebeziehungen des Kehlkopfes zum Skelett..................................... Leistungen des Kehlkopfes ............ Schilddrüse, Glandula thyroidea ...................... Embryologie ................................... Funktion ......................................... Gestalt, Hüllen, Größe.................... Histologie ....................................... Topographie.................................... Gefäße und Nerven ........................ Beischilddrüsen (Nebenschilddrüsen), Epithelkörperchen, Glandulae parathyroideae........... Embryologie ................................... Funktion ......................................... Gestalt und Lage ............................ Histologie ....................................... Gefäße und Nerven ........................ Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel ...... Kopfregionen.................................. Topografische Anatomie der Schädeldecke.................................. Topografische Anatomie des Gesichtes .................................. Halsregionen .................................. Relief und Einteilung in Regionen . Regio colli anterior......................... Regio colli lateralis ........................ Regio sternocleidomastoidea ......... Spatium lateropharyngeum ............ Beziehungen des Halses mit der Lungenspitze und der Pleurakuppel...................................

329 332 335 336 336 336 337 337 337 338 338 339 340 340 341 341 341 341 341 341 341 341 341 342 343 343 343 347 350 351 353

Inhalt

5

XIX

Zentrales Nervensystem, Systema nervosum centrale, Gehirn, Encephalon, und Rückenmark, Medulla spinalis Ingo Bechmann und Robert Nitsch, unter Mitarbeit von Franz Pera, Andreas Winkelmann, Frank Stahnisch

5.1

Baueinheiten und Morphogenese des Zentralen Nervensystems...... 5.1.1 Allgemeine Einführung und Grundlagen der Neuroanatomie ..... 5.1.2 Frühe Entwicklung ......................... 5.1.3 Entwicklung des Rückenmarks ...... 5.1.4 Entwicklung des Gehirns und der Ventrikelräume ......................... 5.1.5 Entwicklung der weißen Substanz . 5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS.. 5.2.1 Hirnteile und Achsen...................... 5.2.2 Die äußere Gestalt des Großhirns .. 5.2.2.1 Ansicht von oben und seitlich (Facies superolateralis hemispherii cerebri) ............................... 5.2.2.2 Die Lappen des Telencephalon ...... 5.2.2.3 Ansicht von medial (Facies medialis hemispherii cerebri) ......... 5.2.2.4 Ansicht von basal (Facies inferior hemispherii cerebri) ......... 5.2.3 Systematische Gliederung des ZNS 5.2.4 Zerebrale Computertomographie und Magnetresonanztomographie . 5.2.4.1 Intravitale versus postmortale Neuroanatomie: cCT und MRT ..... 5.2.4.2 Horizontale Schichten durch den Kopf......................................... 5.2.4.3 Frontale Schichten durch den Kopf 5.2.4.4 Sagittale Schichten durch den Kopf ........................................ 5.2.5 Regionale Anatomie des Vorderhirns, Prosencephalon ................... 5.2.5.1 Endhirn, Telencephalon.................. 5.2.5.2 Basalganglien, Nuclei basales ........ 5.2.5.3 Das Großhirnmark: Fasersysteme .. 5.2.5.4 Zwischenhirn, Diencephalon.......... 5.2.5.4.1 Lage............................................... 5.2.5.4.2 Gliederung...................................... 5.2.6 Regionale Anatomie des Hirnstamms............................................ 5.2.6.1 Mittelhirn, Mesencephalon ............ 5.2.6.2 Rautenhirn, Rhombencephalon ...... 5.2.7 Rückenmark, Medulla spinalis....... 5.2.7.1 Übersicht ........................................

355

5.2.7.2 5.2.7.3

355 357 360

5.2.7.4

363 368

5.3

369 369 370

5.3.1 5.3.2

371 376 377 380 382 382 383

5.2.7.5

5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.3 5.3.4 5.3.4.1 5.3.4.2 5.3.4.3 5.3.4.4 5.3.4.5 5.3.4.6

387 391

5.4 5.4.1

391

5.4.2 5.4.2.1 5.4.2.2 5.4.2.3 5.4.2.4 5.4.3

395 395 398 400 404 404 404 411 412 415 423 423

5.4.3.1 5.4.3.2 5.4.3.3 5.4.3.4 5.4.3.5 5.4.3.6 5.4.4

Rückenmarksquerschnitte .............. Morphologie und Topographie des Rückenmarks.................................. Graue und weiße Substanz des Rückenmarks.................................. Segmentale Gliederung des Rückenmarks.................................. Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS ..................... Übersicht ........................................ Hirn- und Rückenmarkshäute, Meninges ........................................ Die Hüllen des Gehirns .................. Hüllen des Rückenmarks................ Ventrikelsystem .............................. Gefäßversorgung von Gehirn und Rückenmark ................................... Arterien des Gehirns ...................... Arterien des Rückenmarks ............. Venen des Gehirns.......................... Venen des Rückenmarks ................ Lymphabflüsse von Gehirn und Rückenmark ................................... Blut-Hirn-Schranke, Blut-LiquorSchranke und Immunprivileg des ZNS .......................................... Funktionelle Systeme des ZNS .... Was ist funktionelle Neuroanatomie? ....................................... Visuelles System ............................ Definition........................................ Sehbahn .......................................... Visueller Cortex ............................. Okulomotorik ................................. Auditorisches (akustisches) und vestibuläres System ........................ Definition........................................ Spiralorgan, Corti-Organ, Organum spirale und Hörnerv, N. cochlearis . Hörbahn.......................................... Hörrinde, Auditiver Cortex ............ Afferenzen der Vestibulariskerne ... Efferenzen der Vestibulariskerne.... Olfaktorisches System....................

423 425 427 431 433 433 433 434 439 441 443 443 450 451 454 455 455 456 456 456 456 456 459 461 469 469 469 470 472 473 474 477

Inhalt

XX

5.4.4.1 5.4.4.2 5.4.4.3 5.4.4.4 5.4.5 5.4.5.1

Riechhärchen, Fila olfactoria ......... Riechhirn, Rhinencephalon ............ Riechstrang, Tractus olfactorius..... Verschaltung der Riechsignale ....... Gustatorisches System ................... Geschmacksknospen, Caliculi gustatorii ........................................ 5.4.5.2 Geschmacksnerven und Geschmacksbahn............................ 5.4.6 Topographie und funktionelle Gliederung der sensiblen Systeme und Bahnen..................................... 5.4.6.1 Allgemeiner Bauplan der sensiblen Bahnen............................................ 5.4.6.2 Hinterstrangbahn ............................ 5.4.6.3 Anterolaterales System................... 5.4.6.4 Spinozerebelläre Bahnen................ 5.4.6.5 Trigeminales System ...................... 5.4.7 Motorisches System ....................... 5.4.7.1 Übersicht ........................................ 5.4.7.2 Funktionsebenen der Motorik ........ 5.4.7.3 Monosynaptisches spinales System (Muskeleigenreflex) ....................... 5.4.7.4 Polysynaptisches spinales System (Hautreflexe, Fremdreflexe) ........... 5.4.7.5 Übergeordnete motorische Systeme .......................................... 5.4.7.5.1 Pyramidalmotorisches System ....... 5.4.7.5.2 Extrapyramidalmotorisches System (EPS) ..............................................

6

477 477 478 478 479 479 479 480 481 482 483 484 486 489 489 490 491 495 496 497 503

5.4.8 5.4.8.1 5.4.8.2 5.4.8.3 5.4.8.4 5.4.8.5 5.4.8.6 5.4.8.7 5.4.9 5.4.9.1 5.4.9.2 5.4.9.3 5.4.10 5.4.10.1 5.4.10.2 5.4.11 5.4.11.1 5.4.11.2 5.4.11.3 5.4.11.4

Funktionelle Anatomie des Kleinhirns, Cerebellum ........................... Funktionelle und entwicklungsgeschichtliche Gliederung des Cerebellum ..................................... Organisation der Afferenzsysteme des Cortex cerebelli........................ Kleinhirnkerne, Nuclei cerebellares ......................... Efferente Fasersysteme des Kleinhirns ....................................... Kleinhirnstiele ................................ Funktionen des Kleinhirns ............. Verbindungen der motorischen Systeme zum Rückenmark: motorische Endstrecke ................... Vegetative Steuersysteme............... Organisation und Hierarchie vegetativer Zentren......................... Formatio reticularis ........................ Vegetative Zentren ......................... Integrative und kognitive Systeme. Limbisches System......................... Kortikale Systeme .......................... Neuroendokrine Systeme ............... Überblick........................................ Hypothalamo-hypophysäres System ............................................ Zirkumventrikuläre Organe............ Zirbeldrüse, Corpus pineale, Glandula pinealis, Epiphyse...........

509 510 511 512 513 514 515 516 518 518 518 519 521 521 531 543 543 544 548 549

Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes Richard H. W. Funk

6.1 6.1.1 6.1.1.1 6.1.1.2 6.1.1.3

6.1.2 6.1.2.1 6.1.2.2

Augapfel, Bulbus oculi ................ Äußere Augenhaut, Tunica fibrosa bulbi........................ Lederhaut, Sclera............................ Hornhaut, Cornea ........................... Vordere und hintere Augenkammer (Vorderkammer, Hinterkammer), Camera bulbi anterior et posterior und Kammerwasser, Humor aquosus............................... Mittlere Augenhaut, Tunica vasculosa bulbi ............................... Regenbogenhaut, Iris...................... Ziliarkörper, Strahlenkörper, Corpus ciliare .................................

555 555 555 557

6.1.2.3 6.1.2.4 6.1.2.5 6.1.3 6.1.3.1 6.1.3.2 6.1.4

558

6.2

560 560

6.2.1 6.2.2

561

Linse, Lens ..................................... Glaskörper, Corpus vitreum ........... Aderhaut, Choroidea ...................... Innere Augenhaut, Augenbecherschichten, Tunica interna bulbi ...... Pigmentepithel ............................... Netzhaut, Retina ............................. Gefäße und Nerven des Bulbus oculi................................................ Bewegungsapparat des Augapfels ............................... Augenmuskeln, Musculi oculi ....... Fettkörper, Corpus adiposum orbitae, Bindegewebeapparat der Augenhöhle ...................................

563 566 566 567 567 567 573 575 575 578

Inhalt

6.3 6.3.1 6.3.1.1 6.3.1.2 6.3.2 6.3.3

7

XXI

Schutzeinrichtungen des Auges .. Augenlider, Palpebrae und Augenbrauen, Supercilia........................... Augenlider ..................................... Augenbrauen, Supercilia ................ Bindehaut, Tunica conjunctiva....... Tränenapparat, Apparatus lacrimalis ........................................

581 581 581 583 583 585

6.3.4 6.4 6.4.1

6.4.2

Orbita und Nasennebenhöhlen ....... Gefäße und Nerven der Orbita ... Gefäße: Augenschlagader, A. ophthalmica, Augenvenen, Vv. ophthalmicae, Lymphgefäße, Vasa lymphatici .............................. Nerven, Ganglion ciliare ................

587 587

587 588

Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare Gebhard Reiss

7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.2.1 7.1.2.2

7.2.1.1

Schallleitungsapparat des Ohres Äußeres Ohr, Auris externa ........... Mittelohr, Auris media .................. Paukenhöhle, Cavitas tympanica ... Warzenfortsatzzellen, Cellulae mastoideae ..................................... Ohrtrompete, Tuba auditoria, Eustachio-Röhre ............................. Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna ................................ Knöchernes Labyrinth, Labyrinthus osseus ............................................. Vorhof, Vestibulum ........................

8

Rücken, Dorsum

7.1.2.3 7.2 7.2.1

593 593 599 600

7.2.1.2

610

7.2.2.1

610

7.2.2.2

611 612 612

7.2.1.3 7.2.2

7.2.3 7.2.4 7.2.5

Knöcherne Bogengänge, Canales semicirculares ossei .......... Knöcherne Schnecke, Cochlea ...... Häutiges Labyrinth, Labyrinthus membranaceus ............................... Gleichgewichtsanteil, Labyrinthus vestibularis ..................................... Gehöranteil, Labyrinthus cochlearis........................................ Perilymphatische Räume, Spatium perilymphaticum ............. Innerer Gehörgang, Meatus acusticus internus .......................... Hör- und Gleichgewichtsbahn .......

612 613 615 615 620 623 625 627

Jürgen Koebke und Holger Bade

8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.1.6 8.1.7 8.2 8.2.1 8.2.2

Wirbelsäule ................................... Grundform des Wirbels .................. Halswirbel, Vertebrae cervicales .... Brustwirbel, Vertebrae thoracicae .. Lendenwirbel, Vertebrae lumbales. Kreuzbein, Os sacrum .................... Steißbein, Os coccygis, coccyx ..... Variationen der knöchernen Wirbelsäule .................................... Bänder und Gelenke der Wirbelsäule ............................................... Zwischenwirbelscheiben, Bandscheiben, Disci intervertebrales ..... Bänder ............................................

629 632 632 634 635 635 637 637 638 638 638

8.2.3 8.2.4 8.3 8.4 8.5 8.5.1 8.5.2 8.6 8.7 8.8 8.9

Zwischenwirbelgelenke, Wirbelbogengelenke, Articulationes zygapophysiales ............................. Kopfgelenke .................................. Wirbelsäule als Ganzes ................ Bewegungen der Wirbelsäule ...... Rückenmuskulatur....................... Schultergürtel- und Schultermuskeln .......................................... Spinokostale Muskeln .................... Autochthone Rückenmuskeln ..... Faszien des Rückens .................... Gefäß- und Nervenversorgung des Rückens................................... Nackenregion, Regio nuchae .......

640 640 642 643 644 644 646 648 652 654 654

Inhalt

XXII

9

Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius Andreas Prescher und Hans-Martin Schmidt

9.1 9.1.1 9.1.1.1 9.1.1.2 9.1.2 9.1.2.1 9.1.2.2 9.1.2.3 9.1.2.4 9.1.2.5 9.1.2.6 9.1.2.7 9.1.3 9.1.3.1 .1.3.2 9.1.3.3

9.1.3.4 9.2 9.2.1 9.2.2

10

Systematische Anatomie .............. Passiver Bewegungsapparat ........... Osteologia, Knochenlehre .............. Gelenk- und Bänderlehre, Systema articulare (juncturae) ....... Aktiver Bewegungsapparat ............ Ventrale Rumpf-Gliedmaßenmuskulatur ..................................... Schultermuskeln ............................ Leistungen der Schultermuskeln .... Oberarmmuskeln ........................... Unterarmmuskeln ........................... Kurze Handmuskeln....................... Faszien, Sehnenscheiden................ Leitungsbahnen ............................. Arterien, Arteriae membri superioris ........................................ Venen, Venae membri superioris ... Lymphgefäße und Lymphknoten, Vasa lymphatica und Nodi lymphoidei (lymphatici) membri superioris ........................................ Nerven der oberen Gliedmaße, Nervi membri superioris ............... Topographische und Angewandte Anatomie ................. Unterschlüsselbeinregion, Regio infraclavicularis .................. Regio axillaris, Achselregion .........

658 658 658 671 691 691 695 696 700 703 714 716 720 720 724

9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.2.6 9.2.6.1 9.2.6.2 9.2.7 9.2.7.1 9.2.7.2 9.2.8 9.2.8.1

727

9.2.8.2

729

9.2.9

736

9.2.10 9.2.11 9.2.12

736 739

Achselhöhle, Spatium axillare ....... Seitliche Schulterregion, Regio deltoidea .............................. Schulterblattregion, Regio scapularis ............................. Oberarmregionen, Regiones brachii............................. Beugerloge, Regio brachii anterior..................... Streckerloge, Regio brachii posterior .................. Ellenbogenregionen, Regiones cubitales ......................... Ellenbeuge, Regio cubitalis anterior ................. Hintere Ellenbogenregion, Regio cubitalis posterior ................ Unterarmregionen, Regiones antebrachii ...................... Beugeseite des Unterarms, Regio antebrachii anterior ............. Streckseite des Unterarms, Regio antebrachii posterior ........... Handgelenkbeugeseite, Regio carpalis anterior .................. Hohlhand, Palma (Vola) manus...... Handrücken, Dorsum manus .......... Finger, Digiti manus....................... Muskeltabellen..............................

740 743 744 746 748 749 751 751 756 756 759 759 760 763 767 769 772

Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma Elmar T. Peuker, Timm J. Filler und Franz Pera

10.1

Allgemeine Betrachtung und Topografie.............................. 10.1.1 Form .............................................. 10.1.2 Grenzen .......................................... 10.1.3 Oberflächenanatomie und wichtige Orientierungspunkte ...................... 10.2 Aufbau der Brustwand ................ 10.2.1 Oberflächliche Schichten ............... 10.2.1.1 Haut ................................................ 10.2.1.2 Brustdrüsen, Mammae ................... 10.2.1.3 Unterhautfettgewebe, Tela subcutanea .............................

781 781 781 783 785 785 785 786 792

10.2.1.4 Hautgefäße und -nerven ................. 10.2.2 Skelett und Muskeln des Brustkorbs ................................ 10.2.2.1 Knöcherner Thorax, Skeleton thoracis ............................ 10.2.2.2 Muskulatur des Brustkorbes........... 10.3 Zwerchfell, Diaphragma.............. 10.4 Der Thorax als Ganzes und Mechanik der Atmung.......... 10.4.1 Einatmung ...................................... 10.4.2 Ausatmung ..................................... 10.4.3 Thoraxform und Atmungstyp .........

793 793 793 801 803 808 809 812 812

Inhalt

10.5 10.5.1

XXIII

10.6.10 10.7 10.7.1 10.7.1.1 10.7.1.2 10.7.1.3 10.7.1.4

Binnenschichten der Brustwand Innere Brustkorbfaszie, Fascia endothoracica, Fascia parietalis thoracis ................ Rippenfell, Pleura........................... Entwicklung .................................. Topografie und Funktion ............... Gefäße und Nerven ........................ Feinbau und Aufgabe ................... Gefäße und Nerven der tiefen Schichten der Brustwand................ Lunge, Pulmo ............................... Entwicklung ................................... Topografie ...................................... Topografie der Lungenpforte, Lungenhilum, Hilum pulmonis ...... Lungenlappen, Lobi pulmonis ....... Bronchialbaum, Arbor bronchialis und Lungensegmente, Segmenta bronchopulmonalia ........ Lungenläppchen, Lobuli pulmonales.......................... Gefäße der Lunge ........................... Vasa publica .................................. Vasa privata .................................... Lymphgefäße.................................. Nerven ............................................ Afferente Fasern............................. Efferente sympathische Fasern....... Efferente (parasympathische) Vagusfasern .................................... Atemregulation............................... Atmungsbewegung und Verformung der Lunge ................... Feinbau der Lunge.......................... Mittelfellraum, Mediastinum ...... Herz, Cor ........................................ Entwicklung ................................... Form des Herzens........................... Die Räume des Herzens ................. Feinbau des Herzens ......................

11

Ventrale und dorsale Bauchwand

10.5.2 10.5.2.1 10.5.2.2 10.5.2.3 10.5.2.4 10.5.3 10.6 10.6.1 10.6.2 10.6.2.1 10.6.3 10.6.4 10.6.5 10.6.6 10.6.6.1 10.6.6.2 10.6.6.3 10.6.7 10.6.7.1 10.6.7.2 10.6.7.3 10.6.8 10.6.9

813 813 814 815 816 818 818 819 821 821 822 823 824 826 830 830 830 831 832 833 833 833 834 834 834 835 839 840 841 850 852 858

10.7.1.5 Gefäßversorgung des Herzens........ 10.7.1.6 Erregungsbildungs-, Erregungsleitungssystem und Herznerven ..... 10.7.1.7 Herzmechanik ................................ 10.7.1.8 Durchblutung des Herzmuskels .... 10.7.1.9 Projektion des Herzens auf die vordere Brustwand und Röntgenübersichtsaufnahmen...................... 10.7.2 Große Gefäße des Mediastinums ... 10.7.2.1 Arterien .......................................... 10.7.2.2 Venen.............................................. 10.7.3 Bries, Thymus ............................... 10.7.3.1 Entwicklung .................................. 10.7.3.2 Lage und Gestalt ............................ 10.7.3.3 Feinbau ........................................... 10.7.3.4 Gefäße und Nerven des Thymus .... 10.7.4 Luftröhre, Trachea.......................... 10.7.4.1 Topografie....................................... 10.7.4.2 Feinbau ........................................... 10.7.4.3 Arterien .......................................... 10.7.4.4 Venen.............................................. 10.7.4.5 Nerven ............................................ 10.7.5 Speiseröhre, Oesophagus ............... 10.7.5.1 Entwicklung .................................. 10.7.5.2 Topografie....................................... 10.7.5.3 Feinbau .......................................... 10.7.5.4 Funktion ........................................ 10.7.5.5 Gefäße und Nerven ....................... 10.7.6 Brustmilchgang, Ductus thoracicus ........................... 10.7.6.1 Entwicklung ................................... 10.7.6.2 Topografie....................................... 10.7.7 Lymphsystem des Brustraumes ..... 10.7.8 Nervus vagus ................................. 10.7.8.1 Entwicklung .................................. 10.7.8.2 Topografie....................................... 10.7.9 Grenzstrang, Truncus sympathicus...................... 10.7.9.1 Entwicklung ................................... 10.7.9.2 Topografie....................................... 10.7.10 Nervus phrenicus............................

863 868 873 873 874 877 877 885 886 886 886 887 888 889 889 890 890 890 890 890 891 891 892 893 895 896 896 896 897 897 898 898 899 899 899 900

Thomas Beck

11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.2.1

Systematische Anatomie .............. Bauchwandschichten...................... Vordere und seitliche Bauchwand .. Bauchmuskeln, Mm. abdominis.....

905 905 905 905

11.1.2.2 Rektusscheide und Sehnenfelder.... 912 11.1.2.3 Funktionelle Anatomie der Bauchmuskeln .......................... 912 11.1.2.4 Binnenschichten der Bauchwand ... 913

Inhalt

XXIV

11.1.2.5 Leistenband, Ligamentum inguinale, Leistenkanal, Canalis inguinalis .... 916 11.1.3 Hintere Bauchwand ........................ 919 11.1.4 Arterien, Venen, Lymphgefäße, Nerven ............................................ 920

12

11.2

Angewandte Anatomie: Brüche, Hernien ........................................... 923 Muskeltabelle................................ 928

Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis) Friedrich Anderhuber, unter Mitarbeit von Axel Brehmer

12.1 12.1.1 12.1.2 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.3.1 12.2.3.2 12.2.3.3 12.2.3.4 12.2.3.5 12.2.3.6 12.2.3.7 12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.2.1 12.3.2.2 12.3.2.3 12.3.3

13

Bauchfellhöhle, Cavitas peritonealis ...................... Lage der Bauchorgane zum Peritoneum ..................................... Entwicklung des Bauchsitus .......... Oberbauch und seine Eingeweide .................................... Topographischer Überblick ............ Netzbeutel, Bursa omentalis........... Organe des Oberbauches................ Magen, Gaster, Ventriculus ............ Zwölffingerdarm, Duodenum......... Leber, Hepar................................... Gallenwege..................................... Topographie im Lig. hepatoduodenale und der Porta hepatis .... Bauchspeicheldrüse, Pancreas........ Milz, Splen (Lien) .......................... Der Unterbauch und seine Eingeweide .................................... Topographischer Überblick ............ Peritonale Falten und Buchten ....... Flexura duodenojejunalis ............... Valva ileocaecalis ........................... Weitere Buchten ............................. Übersicht über den Aufbau der Darmwand ................................

931 932 932 940 940 943 944 944 952 954 965 970 971 977 982 982 986 986 987 987 988

12.3.4 12.3.5 12.3.5.1 12.3.5.2 12.4 12.4.1 12.4.1.1 12.4.1.2 12.4.1.3 12.4.1.4 12.4.1.5 12.4.1.6 12.4.1.7 12.4.2 12.4.2.1 12.4.2.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5

Dünndarm, Intestinum tenue .......... 991 Dickdarm, Intestinum crassum....... 996 Aufbau und Funktion ..................... 996 Blinddarm, Caecum, und Wurmfortsatz, Appendix vermiformis ..... 1001 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale............. 1002 Niere, Ren (Nephros) ..................... 1003 Anatomie und topographische Beziehungen ................................... 1003 Feinstruktur .................................... 1005 Bauelement der Niere, Nephron..... 1007 Gefäße und Nerven der Niere ........ 1009 Juxtaglomerulärer Apparat ............. 1012 Hüllen der Nieren ........................... 1013 Funktion der Nieren für die Harnproduktion ...................................... 1014 Nierenbeckenkelchsystem und Harnleiter ....................................... 1014 Nierenbecken, Pelvis renalis (Pyelon) .......................................... 1014 Harnleiter, Ureter........................... 1015 Nebennieren, Glandulae suprarenales .................. 1016 Lendengegend, Regio lumbalis ...... 1019 Leitungsbahnen im Retroperitonealraum................................ 1021

Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis Herbert Maurer

13.1

Knochen des Beckengürtels, Ossa cinguli membri inferioris, Knochenverbindungen, Juncturae cinguli pelvici.............. 1027 13.1.1 Hüftbein, Os coxae......................... 1027 13.1.1.1 Anteile des Os coxae ...................... 1028 13.1.1.2 Verbindungen der Knochen des Beckens, Juncturae cinguli pelvici . 1030 13.1.2 Das Becken als Ganzes .................. 1033

13.1.2.1 13.1.2.2 13.1.2.3 13.1.2.4 13.1.2.5 13.1.2.6 13.1.2.7 13.1.2.8

Mechanik........................................ 1033 Einstellung des Beckens................. 1035 Geschlechtsunterschiede ................ 1035 Beckenhöhle, Cavitas pelvis .......... 1035 Wände des kleinen Beckens........... 1035 Form des Beckenraumes ................ 1035 Beckenmaße bei der Frau............... 1036 Beckenebenen ................................ 1038

Inhalt

13.2 13.2.1 13.2.1.1 13.2.1.2 13.2.1.3 13.2.2 13.3

13.3.1 13.3.2 13.3.3 13.3.4 13.4 13.4.1 13.4.2 13.5 13.5.1 13.5.1.1 13.5.1.2 13.5.1.5 13.5.1.6 13.5.1.7 13.5.1.8 13.5.2 13.5.2.1 13.5.2.2 13.5.3 13.5.3.1 13.5.3.2 13.5.3.3 13.5.3.4 13.5.3.5 13.5.3.6 13.5.3.7 13.5.4 13.5.4.1

XXV

Beckenboden, Diaphragma pelvis et Diaphragma urogenitale, und Damm, Perineum .................. 1038 Diaphragma pelvis ......................... 1038 M. levator ani ................................. 1038 M. coccygeus.................................. 1040 M. sphincter ani externus ............... 1040 Diaphragma urogenitale ................. 1042 Räume des kleinen Beckens, Bauchfellverhältnisse, Beckenfaszie, Fascia pelvis, Faszienräume, Spatia, Fossa ischioanalis (ischiorectalis) .................... 1044 Gliederung...................................... 1044 Spatium extraperitoneale pelvis ..... 1044 Fascia pelvis ................................... 1044 Faszienräume des kleinen Beckens .......................................... 1045 Öffnungen in der Wand des kleinen Beckens ............................ 1048 Canalis obturatorius ....................... 1048 Foramina ischiadica ....................... 1048 Organe des Magen-DarmKanals und des harnableitenden Systems................................... 1049 Mastdarm, Rectum ......................... 1049 Allgemeine Beschreibung .............. 1049 Wandbau......................................... 1051 Gefäße und Nerven ........................ 1052 Topographie und Bauchfellbeziehungen.................................... 1052 Nachbarschaftsbeziehungen ........... 1052 Analkontinenz und Stuhlentleerung ....................................... 1053 Beckenteil des Harnleiters, Pars pelvica et intramuralis ureteris ....... 1054 Allgemeine Beschreibung .............. 1054 Gefäße und Nerven ........................ 1055 Harnblase, Vesica urinaria.............. 1056 Allgemeine Beschreibung .............. 1056 Wandbau......................................... 1056 Gefäße und Nerven ........................ 1057 Topographie und Bauchfellbeziehungen.................................... 1057 Befestigung der Harnblase ............. 1057 Bindegewebsräume und Nachbarorgane ............................................. 1058 Füllung und Entleerung der Harnblase ................................. 1058 Harnröhre, Urethra ......................... 1059 Allgemeine Beschreibung .............. 1059

13.5.4.2 Weibliche Harnröhre, Urethra feminina ............................ 1059 13.5.4.2 Wandbau......................................... 1059 13.5.4.3 Gefäße und Nerven ........................ 1059 13.6 Geschlechtsorgane, Organa genitalia ........................... 1060 13.6.1 Übersicht über weibliche und männliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia feminina et masculina ....................................... 1060 13.6.1.1 Weibliche Geschlechtsorgane......... 1060 13.6.1.2 Männliche Geschlechtsorgane........ 1061 13.6.1.3 Entwicklung der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane ....... 1062 13.6.2 Innere weibliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia feminina interna............................................. 1064 13.6.2.1 Eierstock, Ovarium ........................ 1064 13.6.2.2 Eileiter, Tuba uterina (Salpinx) ...... 1066 13.6.2.3 Gebärmutter, Uterus ....................... 1069 13.6.2.4 Scheide, Vagina .............................. 1078 13.6.3 Äußere weibliche Geschlechtsorgane, Pudendum femininum (Vulva; Cunnus) ............................. 1080 13.6.3.1 Allgemeine Beschreibung .............. 1080 13.6.3.2 Schamberg, Mons pubis ................. 1080 13.6.3.3 Große Schamlippen, Labia majora pudendi..................... 1080 13.6.3.4 Kleine Schamlippen, Labia minora pudendi .................... 1080 13.6.3.5 Scheidenvorhof, Vestibulum vaginae ........................ 1081 13.6.3.6 Jungfernhäutchen, Hymen.............. 1082 13.6.3.7 Drüsen des Scheidenvorhofes ........ 1082 13.6.3.8 Schwellkörper der Vulva................ 1082 13.6.3.9 Gefäße und Nerven ........................ 1083 13.6.4 Innere männliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia masculina ...... 1084 13.6.4.1 Hoden, Testis, Orchis ..................... 1084 13.6.4.2 Nebenhoden, Epididymis ............... 1086 13.6.4.3 Samenleiter, Ductus deferens ......... 1087 13.6.4.4 Samenstrang, Funiculus spermaticus .................... 1088 13.6.4.5 Sekundäre akzessorische Geschlechtsdrüsen des Mannes...... 1088 13.6.4.6 Männliche Harnröhre, Urethra masculina .......................... 1092 13.6.5 Äußere männliche Geschlechtsorgane ............................................. 1094 13.6.5.1 Männliches Glied, Penis................. 1094 13.6.5.2 Hodensack, Scrotum ...................... 1096

Inhalt

XXVI

14

Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius Hans-Martin Schmidt und Andreas Prescher

14.1 Systematische Anatomie ............. 1100 14.1.1 Passiver Bewegungsapparat ........... 1100 14.1.1.1 Knochenlehre, Systema skeletale (Ossa) ............................................. 1100 14.1.1.2 Gelenklehre, Systema articulare (Juncturae)...................................... 1110 14.1.2 Aktiver Bewegungsapparat ............ 1139 14.1.2.1 Muskellehre, Systema musculare (Musculi) ....................................... 1139 14.1.2.2 Faszien, Sehnenscheiden............... 1159 14.1.3 Arterien, Arteriae membri inferioris.............. 1165 14.1.4 Venen, Venae membri inferioris ..... 1170 14.1.5 Lymphgefäße und Lymphknoten, Vasa lymphatica und Nodi lymphatici (lymphoidei) membri inferioris ........................................ 1173 14.1.6 Nerven der unteren Gliedmaße, Nervi membri inferiores ................. 1173 14.1.6.1 Lendengeflecht, Plexus lumbalis (Th12–L4) ..................................... 1175 14.1.6.2 Kreuzbeingeflecht, Plexus sacralis (L4–S3) ......................................... 1178 14.2 Topographische und Angewandte Anatomie ................. 1182

15

14.2.1 14.2.2 14.2.2.1 14.2.2.2 14.2.3 14.2.3.1 14.2.3.2 14.2.4 14.2.4.1 14.2.4.2 14.2.4.3 14.2.5 14.2.5.1 14.2.5.2 12.2.5.3 12.2.5.4

Gesäßregion, Regio glutealis ........ 1182 Oberschenkelregion, Regio femoris ................................ 1184 Oberschenkelrückseite, Regio femoris posterior ................. 1187 Oberschenkelvorderseite, Regio femoris anterior.................... 1189 Knieregion, Regio genus ............... 1193 Kniekehle, Regio poplitea ............ 1195 Vordere Kniegegend, Regio genus anterior ...................... 1196 Unterschenkelregion, Regio cruris 1197 Wadenregion, Regio cruris posterior ..................... 1198 Schienbeingegend, Regio cruris anterior ...................... 1200 Wadenbeingegend (Peroneusloge), Regio peronealis (fibularis) ........... 1200 Fußregion, Regio pedis .................. 1200 Knöchelregionen, Regiones malleolares .................... 1203 Fersengegend, Regio calcanea ....... 1204 Fußsohle, Planta pedis.................... 1205 Fußrücken, Dorsum pedis .............. 1208 Muskeltabellen.............................. 1210

Haut, Integumentum commune, Anhangsgebilde: Drüsen, Glandulae; Haare, Pili, und Nägel, Ungues Werner Linß

15.1 15.2 15.3

Oberhaut, Epidermis ................... 1219 Lederhaut, Dermis, Corium ........ 1221 Unterhaut, Tela subcutanea, Subcutis ......................................... 1222 15.4 Anhangsgebilde der Haut ............ 1223 15.4.1 Haare .............................................. 1223 15.4.2 Finger- und Zehennägel, Ungues ... 1223 15.4.3 Drüsen ............................................ 1224 15.4.3.1 Talgdrüsen, Glandulae sebaceae holocrinae ...... 1224

16

15.4.3.2 Kleine Schweißdrüsen, Glandulae sudoriferae merocrinae . 1225 15.4.3.4 Brustdrüse Glandula mammaria..... 1225 15.4.3.3 Große Schweißdrüsen oder Duftdrüsen, Glandulae sudoriferae apocrinae ........................................ 1225 15.5 Gefäße der Haut ........................... 1225 15.6 Hautnerven, Hautsinne................ 1226

Glossar ........................................................................................................................... Franz Pera und Heinz-Peter Schmiedebach

Sachregister ................................................... 1261

1229

1

Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper Franz Pera, Jochen Fanghänel, Timm J. Filler und Heinz-Peter Schmiedebach

1.1

Was ist Anatomie?

Unter Anatomie verstehen wir die Lehre vom Bau der Organismen (griech.: anatemnein schneiden). Humananatomie ist die Anatomie des Menschen. Im Gegensatz zur Pathologie versucht die Humananatomie, Kenntnisse zum Verständnis des Körperbaus des gesunden lebenden Menschen zu gewinnen und zu vermitteln.

1.1.1

Definition der Humananatomie

Humananatomie ist definiert als die Wissenschaft von der Struktur des Menschen. Sie macht das rein Strukturelle durchschaubar für Fragestellungen zur Funktion und für die Unterscheidung zwischen normal und pathologisch sowie für die Erkenntnismöglichkeiten aus der Gestalt. Die Lehre vom Bau des Menschen interessiert sowohl unter erkenntnistheoretischen als auch unter praktischen Gesichtspunkten. Im medizinischen System ermöglicht sie durch intensives Erfassen der Form des lebenden Menschen, die Grundlagen für das ärztliche Handeln zu schaffen. Denn Kenntnis der Form ist Voraussetzung für das Verstehen der Funktion; Kenntnis der normalen Form (und Funktion) ist Voraussetzung für das Erkennen des Krankhaften (Pathologische Anatomie). Zielsetzung des Faches. Ziel der Beschäftigung mit Anatomie ist es, endogene und exogene Ursachen, Einflüsse und Mechanismen, die die anatomischen Eigenschaften des Menschen beeinflussen, sowie deren Beziehungen zu erkennen. Damit soll das Gesunde Basis medizinischer Tätigkeit und Ziel therapeutischer Bemühungen sein.

1.1.2

Einteilung

Anatomie wird in mehrere Subdisziplinen eingeteilt, in denen jeweils bestimmte Arbeitstechniken bevorzugt werden. Auch eine organbezogene Einteilung (beispielsweise Bewegungsapparat, innere Organe, Blut oder Nervensystem) kann wie die fachlich-methodische Einteilung wegweisend durch das gesamte Fachgebiet sein. Die Einteilungen hängen jedoch so sehr von einander ab, dass niemand zuverlässig in einer Richtung darin arbeiten kann, wenn er die anderen ignoriert.

1.1.2.1 Fachrichtungen in der Anatomie Anatomie in Forschung und Lehre verfolgt verschiedene Ziele. Ihre systematischen und kausalen Betrachtungen sind vorwiegend humanbiologischer Art. Sie versucht, allgemeine und spezielle Gestaltungs- und Funktionsprinzipien des menschlichen Körpers zu definieren und zu erklären. Dabei werden die Aspekte möglichst vieler ihrer Teilgebiete berücksichtigt. £ Vergleichende Anatomie. Im Bau des mensch-

lichen und des tierischen Organismus gibt es viele Übereinstimmungen (Homologa), aber auch Abweichungen (Heterologa). Aufgabe der vergleichenden Anatomie ist, Tiere und Menschen miteinander zu vergleichen und homologe bzw. heterologe Formen aufzuzeigen. Sie zeigt, dass beim Menschen Formen als Varietäten vorkommen, die bei bestimmten Tieren stets vorhanden sind und dass manche Organe beim Verlust ihrer ursprünglichen Funktion nicht vollständig verschwinden, sondern für andere Aufgaben sinnvoll umgebaut werden (z. B. Wurmfortsatz des Blinddarms).

2

1 Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper

£ Phylogenese. Die Wissenschaft der Phyloge-

nese oder Stammesgeschichte erforscht auf Grund vergleichend anatomischer Kenntnisse die Stammesverwandtschaft der Tierformen und versucht, Stammbäume der Arten aufzustellen. In der Phylogenese wird das Werden einer Form (Morphogenese) untersucht. Nachdem ein Entwicklungsvorgang in seinem Ablauf erkannt ist, ergibt sich die Frage nach den dem Ablauf zugrunde liegenden Gesetzen. Man versucht, im Experiment zu ergründen, welche im Keim oder außerhalb des Keimes gelegenen Kräfte die Entwicklung beeinflussen. Diesen Fragen der kausalen Genese geht die Entwicklungsmechanik nach. £ Ontogenese. Die Wissenschaft der Ontogenese oder Entwicklungsgeschichte des Einzelwesens verfolgt die Entwicklung von der befruchteten Eizelle bis zum Tode. Besonderer Wert wird dabei auf die Embryonalentwicklung gelegt, die Differenzierung des Keimes und die Ausbildung eines dem fertigen Organismus annähernd gleichen Gebildes (Histogenese und Organogenese). Beim Menschen reicht die Ontogenese bis zur Geburt; die Entwicklung einiger Organe (z. B. Niere, Nebenniere, Gehirn) geht darüber hinaus. Es wird unter anderem untersucht, welche Organe aus einem gemeinsamen Material entstehen, und der zeitliche Verlauf der Organentwicklung festgestellt. Beide Faktoren sind wichtig für das Verständnis der Entstehung von Fehlbildungen (Teratologie). Die Entwicklungsgeschichte beschreibt anhand von Entwicklungsstufen und Entwicklungsreihen, wie aus einfachen Formen durch Differenzierung komplizierte entstehen. £ Anthropologie. Das relevanteste Teilgebiet der Anthropologie, der Wissenschaft vom Menschen und seiner Entwicklung in natur- und geisteswissenschaftlicher Hinsicht, ist für anatomische Betrachtungen die biologische Anthropologie. Die verwandten Parameter waren ursprünglich meist anthropometrisch (Maßverhältnisse des menschlichen Körpers wie Strecken, Umfänge, Bögen und Winkel) und deskriptiv (qualitative Unterschiede wie Haartypen, Lippenform, Nasenrückenprofil, Lidspalte, Pigmentierungsmerkmale, Körperbautypen). Stereologische, physiologische, serologische und biochemische Methoden vertiefen heute mit Hilfe signifikanter Wahrscheinlichkeitsaussagen (Biostatistik) die Erkenntnisse.

£ Zellbiologie. Diese kausalanalytische Wissen-

schaft behandelt auf zellulärer und subzellulärer Ebene die Bedingungen und Abhängigkeiten, unter denen Gestalt und Struktur entstehen, erhalten werden oder sich wandeln. Ihre Methoden erbringen derzeit wesentliche Fortschritte in der Erkenntnis der Humanbiologie, vor allem auf ultrastruktureller (d. h. mit dem Elektronenmikroskop erkennbarer) und molekularer Ebene (sog. molekulare Anatomie). £ Biometrie. Die Biometrie konzentriert sich auf das Erstellen von (zumeist rechnergestützten) Modellen des Menschen oder einzelner seiner Komponenten zur Untersuchung von Erkrankungen und darauf basierenden Modellen zu ihrer Therapie oder Prävention. Der Erkenntnisgewinn hat auch der gerichtlichen Medizin neue Tragweite verliehen. So dienen biometrische Systeme heute der Identifizierung und Authentifizierung von Personen.

1.1.2.2 Betrachtungsmöglichkeiten in der Anatomie £ Makroskopische Anatomie. Sie befasst sich

£

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mit Formen und Strukturen, die mit dem bloßen Auge oder mit der Lupe zu erfassen sind. Mikroskopische Anatomie. Mit Hilfe von verschiedenen Mikroskopierverfahren analysiert man den Feinbau des Körpers. Mikroskopische Anatomie gliedert sich in die Zellenlehre (Zytologie), Gewebelehre (Histologie) und die mikroskopische Anatomie der Organe. Deskriptive Anatomie oder beschreibende Anatomie wird die Darstellung der durch makro- und mikroskopische Analysen gewonnenen Befunde genannt. Systematische Anatomie. Hierin werden Teile des Körpers nach funktionellen, entwicklungsgeschichtlichen und vergleichend-anatomischen Gesichtspunkten zu Systemen zusammengefasst. Topographische Anatomie. Sie übermittelt die räumliche Vorstellung über die Lage der Teile im Körper und über ihre gegenseitigen Beziehungen (Synthese). Deskriptive und systematische Anatomie sind als analytische Stufen Voraussetzung für die topographische Anatomie. Funktionelle und klinische Anatomie. Funktionelle Anatomie geht den Beziehungen und

1.1 Was ist Anatomie?

Abhängigkeiten zwischen Form und Funktion nach. Darauf basiert die klinische Anatomie (Erkenntnis anatomischer Entitäten, d. h. gegebener Einheiten, nach klinischer Relevanz), deren Verständnis einen ersten Einblick in das Lebendige des Faches gewährt. £ Anatomie am Lebenden. Anatomie ist ein praktisches Fach, in dem die Benutzung von so vielen Sinnesorganen wie möglich und vor allem das „Begreifen“ des menschlichen Körpers wichtiger ist als jede Theorie. Sie ist für den Anfänger zwar zunächst durch Behandlung der Körperspenden geprägt, hat aber eigentlich den lebenden Körper zum Gegenstand. Die bei der Präparation (Kap. 1.3.2, S. 5) gewonnenen Einsichten werden im Studium als erstes bei den klassischen klinischen Untersuchungsverfahren (Inspektion, Palpation, Perkussion, Auskultation und Funktionsprüfungen) angewendet. Die plastische Anatomie stellt als Oberflächenanatomie am Lebenden einen weiteren Gebrauch des im Präparierkurs erworbenen Bildes vom Menschen dar. Invasive Anatomie am Lebenden (während Operationen) wurde ermöglicht durch die Entwicklung der Anästhesiologie. Alle Organe sind damit auch intravital der Betrachtung zugänglich. Außer den verschiedenen radiologischen Verfahren sind zudem endoskopische und andere minimalinvasive Methoden geeignet, Anatomie am Lebenden zu praktizieren. £ Embryologie, Teratologie (nähere Ausführungen s. Kap. 3, S. 113).

1.1.3

3 £ Anatomie, Pathologie und Rechtsmedizin

(Forensische Medizin). Alle 3 Fächer haben in einem wesentlichen Teil ihres Aufgabengebietes mit dem Leichenwesen zu tun. Die Pathologie untersucht am toten Körper das Krankhafte und die Rechtsmedizin das Forensische (gerichtlich Relevante). Anatomie hat das Gesunde zum Gegenstand und liefert damit die Basis für das Erkennen des Anormalen. Es war Andreas Vesal (1514–1564), der Begründer der modernen Humananatomie, dessen Ziel die exakte Vorstellung des normalen Körperbaus wurde (Abb. 1.1). Da sich keine 2 menschlichen Körper exakt gleichen, ist die Frage nach der Normalität auch zugleich die Frage nach der Normvariante.

Bedeutung des Faches

£ Anatomie und Naturwissenschaft. Die Anato-

mie, so wie sie der angehende Arzt heute vermittelt bekommt, ist das Produkt ihrer Geschichte. Sie hat gerade im 20. Jahrhundert entscheidende Veränderungen erfahren. Die Erklärung dafür liegt in den in diesem Zeitabschnitt gemachten Fortschritten der Naturwissenschaften und Entwicklungen neuer Methoden und Analysetechniken (Elektronenmikroskopie, Zytochemie, Immunzytochemie, Bildanalyse und 3D-Rekonstruktion, Autoradiographie, In-situ-Hybridisierung und andere Gen-Technologien) sowie den Erkenntnissen der Physik, Chemie, Biologie, Technik und deren vielfach verzweigten Subdisziplinen.

Abb. 1.1: Abbild Vesals von Poncet (17. Jahrh.). Nach der Vorlage des Bildes in Vesals Werk „De humani corporis fabrica“ (1543)

Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts war die Anatomie Bezugspunkt der gesamten Medizin, da sie als Teil all des Wissens angesehen wurde, das in der Medizin praktiziert wurde. Dank der Entdeckung des Blutkreislaufsystems durch William Harvey (1578–1657) wurde beispielsweise das Geschehen des Hirnschlags verständlich, ein Problem, das schon seit der Antike

1 Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper

4

bekannt war. Anatomie ist in der Praxis nie ganz von Pathologie zu trennen, trotz der inzwischen klar getrennten Wege. Bei Giovanni Battista Morgagni (1682–1771) beispielsweise kann man im heutigen Sinne nicht klar erkennen, ob er eher Anatom oder eher Pathologe war. Seit Morgagni setzte sich das Konzept durch, dass Krankheit mit anatomischer Läsion verbunden ist. Rudolf Virchow (1821–1902) nannte das 100 Jahre später den „anatomischen Gedanken“. Die pathologische Anatomie wurde zur Grund-

1.2

lage der klinischen Medizin des 19. Jahrhunderts. Nicht nur aus der historischen Begründung heraus muss die Anatomie in der Ausbildung des Mediziners immer auch mit dem Blick auf die Klinik gelehrt werden. Erst dieser Blick ermöglicht anatomisches Verständnis auf dem heutigen Niveau. £ Anatomie und Klinik. Klinik meint die diagnostische und therapeutische Arbeit am Patienten auf einer Wissensbasis. Anatomie und Klinik gehören zusammen.

Sterben und Tod

Im anatomischen Unterricht spielt der tote menschliche Körper eine große Rolle. Der Umgang mit dem sterbenden Menschen und dem toten Körper ist in der Geschichte durch bestimmte kulturelle Regeln und von unterschiedlichen Vorstellungen über das Sterben und den Tod bestimmt. Sofern es sich um Verstorbene der eigenen Familie oder des eigenen Volkes handelte, ist in unzähligen Quellen die Ehrfurcht gegenüber dem toten Menschen überliefert, die allerdings nicht immer den Feinden zuteil wurde. Die Unversehrtheit des Körpers galt nicht nur im Christentum, sondern auch in vielen anderen Kulturen und Religionen als eine wichtige Voraussetzung für ein wie auch immer vorgestelltes Weiterleben im Jenseits. Vereinzelt soll es bereits in der Antike Humananatomie, sogar Vivisektionen (Eingriffe) am Lebenden gegeben haben. Doch wurden für diesen extrem seltenen Zweck nur zum Tode verurteilte Verbrecher, also Personen, die aus der sozialen Gemeinschaft ausgestoßen waren, benutzt. Im Allgemeinen wurde in der Antike Tieranatomie betrieben, allerdings außerhalb jeglicher systematischen und allgemein verbreiteten Forschung. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse übertrug man auch auf den menschlichen Körper. Im Zusammenhang mit der seit der Antike jahrhundertelang vorherrschenden Humoralpathologie oder Viersäftelehre waren die anatomischen Gegebenheiten des Körpers ohne große Bedeutung für die entsprechenden Funktionsvorstellungen.

Als sich anatomische Demonstrationen langsam an den Universitäten des Spätmittelalters zu etablieren begannen, war die Beschaffung von Leichen ein großes Problem. In erster Linie wurden auch zu dieser Zeit auf zum Tode verurteilte Verbrecher nach ihrer Hinrichtung zurückgegriffen. In der Renaissance erhielt die Anatomie ihren mächtigen Aufschwung. Im Theatrum anatomicum kam es zu Inszenierungen über den Bau des menschlichen Körpers, die nicht nur dem Fachpublikum vorbehalten waren, sondern auch das bürgerliche Publikum der Städte anlockten. Diese inszenierten Sektionen dauerten etwa eine Woche. Vereinzelt ist davon berichtet, dass nach Abschluss der Sektion beim Publikum für das Begräbnis des Sezierten Geld gesammelt wurde. Mehr und mehr entwickelte sich ein Interesse an der Struktur und Funktion des eigenen Körpers, was auch dazu beitrug, dass Bürger ihren Körper für die anatomische Zergliederung nach ihrem Tode zur Verfügung stellten und gesetzliche Regelungen getroffen werden mussten. Mit den mechanistischen Funktionstheorien des menschlichen Körpers im 18. Jahrhundert und dem Durchbruch der naturwissenschaftlichen Richtung der Medizin um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Aufschwung der anatomischen Arbeiten ununterbrochen fortgesetzt. Religiöse Gepflogenheiten und Einwände traten immer mehr in den Hintergrund. Im Rahmen dieses Säkularisierungsprozesses erfolgte eine Materialisierung des toten Menschen, die die Gefahr barg, keine Rücksicht auf die Würde des Verstorbenen zu legen und den vergegenständlichten Körper als Ort reiner Materialanhäufung aufzufassen.

1.3 Einführung in den Präparierkurs

1.3

Einführung in den Präparierkurs

Der „Kursus der makroskopischen Anatomie“ bzw. die „Anatomischen Präparierübungen“ sind ein wesentlicher Bestandteil der anatomischen Ausbildung und werden von den meisten Studierenden der Medizin und Zahnmedizin die wohl eindrucksvollste Lehrveranstaltung ihres Studiums in den jeweiligen Approbationsordnungen sein. Vor etwa 200 Jahren hat sich im anatomischen Unterricht durchgesetzt, dass die Studierenden selbst an Leichnamen präparieren; früher wurde das anatomische Wissen durch Lehrsektionen vermittelt, denen die Studierenden nur als Zuschauer beiwohnen durften. Das Lehrfach Anatomie ist in der glücklichen Lage, dass es sich kaum begründen muss; jeder Arzt braucht für seine tägliche Arbeit fundierte anatomische Kenntnisse. Nicht umsonst heißt es in den Therapieempfehlungen z. B. der Orthopädie und Chirurgie: Das Ziel ist die Wiederherstellung der normalen anatomischen Verhältnisse. Die Studierenden sehen bei ihrer ersten Begegnung mit der Anatomie zunächst bestimmt weniger das überlieferte Wissen aus mehr als 2000 Jahren Geschichte der menschlichen Anatomie als vielmehr den einzelnen Menschen, dessen Körper ihnen zum Studium und zur Zergliederung übergeben wurde. Diesem Gefühl müssen sie sich stellen, nicht nur dem Lernstoff. Der Student trifft als ersten Menschen, der ihm persönlich anvertraut wird, auf einen Toten, mit dem er sich über ein ganzes Semester oder Jahr intensiv zu beschäftigen hat.

1.3.1

5

Wer sind die Körperspender?

Entgegen mancher Vorstellung in Laienkreisen haben wir heute in der Anatomie keine Leichen, die irgendeine Behörde der Anatomie zur Verfügung gestellt hat. Es sind Menschen, die verfügen, dass ihr Körper nach dem Tod der Ausbildung von Ärzten und der Wissenschaft dient. Sie treten von sich aus zu Lebzeiten an ein Institut für Anatomie heran und stellen ihren Körper durch eine schriftliche Vereinbarung mit dem Institut zur Verfügung – ohne Bezahlung (gesetzliches Reglement). Auch dies ist wichtig zu wissen!

Wir bezeichnen die toten Menschen, an denen wir präparieren, nicht einfach als Leichen und nicht als Präparate, sondern als Körperspender oder Vermächtnisgeber. In der Regel sind sie in höherem Lebensalter; sie sind eines natürlichen Todes gestorben, d. h. an einer zum Tode führenden Krankheit. Nach dem Todeseintritt wird das Institut von den Angehörigen, vom behandelnden Arzt oder vom Krankenhaus benachrichtigt und die Überführung des Leichnams veranlasst. Vor der Konservierung der Körperspender erfolgt eine amtliche Leichenschau; Körper von Verstorbenen mit bestimmten ansteckenden Krankheiten (Tuberkulose, Aids u. a.) und bei ungeklärter Todesursache werden von den Anatomischen Instituten nicht angenommen, auch nicht frisch Operierte, da hier eine vollständige Konservierung nicht sichergestellt werden kann. An den toten Körperspendern im Präpariersaal ist nichts Makaberes. Der Umgang mit ihnen soll und darf nicht zur Inhumanität führen. Es ist ein toter Mensch, dem wir mit Achtung begegnen, dem wir dankbar für seine Körperspende sind. Viele Universitätsstädte haben auf ihren Friedhöfen eigene Gräberfelder für die Anatomie, auf denen die Körperspender ihre letzte Ruhe finden, falls sie nicht auf ihrem Heimatfriedhof beigesetzt werden wollten. Es zeugt von der Dankbarkeit der Studierenden, wenn, wie vielfach üblich, die Kursteilnehmer an der Gedenkfeier für „ihre“ Körperspender teilnehmen und diese sogar mitgestalten.

1.3.2 Was geschieht im Präparierkurs eigentlich? Der erste Schritt ist die Begegnung mit dem unversehrten Körper, der mit Fixierungs- und Desinfektionsflüssigkeiten behandelt ist, damit er nicht verwest (s. Kap. 1.4, S. 8). Eine Mindestzeit von 6 bis 12 Monaten Fixierungsdauer wird eingehalten, ehe der Leichnam des Körperspenders für die Präparation freigegeben wird. Diese Frist garantiert weitestgehend Ansteckungsfreiheit. Bei den üblicherweise verwendeten Fixierungsmitteln erhärten die Körpergewebe, so dass

6

1 Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper

Haut und Muskeln viel rigider als beim Lebenden werden und passive Bewegungen der Extremitäten in den Gelenken nur noch eingeschränkt möglich sind. Die Haut erscheint wächsern-blassgelb bis grau, an den Stellen der Totenflecke dunkler. Arbeitsschritte. Nach der ersten Inspektion des Körpers beginnt die Präparation. Zunächst wird die Haut (Epidermis und Corium) entfernt; die im Fettgewebe der Unterhaut verlaufenden Hautgefäße und -nerven werden aufgesucht. Danach wird das Hautfett restlos entfernt, um die darunter liegenden Strukturen sichtbar zu machen. Schichtweise arbeitet man sich in die Tiefe vor; es werden die Körperhöhlen eröffnet, die Organe zuerst im Zusammenhang und später isoliert studiert. Die Extremitäten werden zumeist im Ablauf des Kurses vom Rumpf abgetrennt, damit sie von allen Seiten weiter präpariert werden können. Am Ende des Kurses ist man teilweise bis zum Skelett vorgedrungen: Gelenke sind dargestellt, Knochen sind frei zu erkennen. Am Kopf sind einzelne Knochen durchsägt worden, um in tiefere Schichten vorzudringen oder das Gehirn zu sehen und entnehmen zu können. Der Körper ist zergliedert. All dies dient dazu, den menschlichen Körper zu begreifen. Die Arbeit im anatomischen Präparierkurs hat nur wenig gemeinsam mit der Arbeit eines Chirurgen, weder von der Präparationstechnik her noch von der didaktischen Intention: In der makroskopischen Anatomie soll die große Übersicht vermittelt werden, die jeder Arzt für seine spätere Arbeit und sein ärztliches Denken braucht. Aber bereits im Präparierkurs können sich spezielle Interessen entwickeln, die später in so unterschiedliche Berufsbezeichnungen wie Orthopädie, Kardiologie, Ophthalmologie oder Neurologie, aber auch Anatomie münden.

1.3.3 Rechtliche Fragen Das Präparieren am toten Menschen wird von der Rechtsprechung als eine ärztliche Tätigkeit angesehen, die neben den in den Instituten für Anatomie, Pathologie und Rechtsmedizin beschäftigten Mitarbeitern und den in der Transplantationschirurgie tätigen Ärzten nur den zum Medizin-, Zahnmedizin- sowie Humanbiologiestudium zugelassenen Studierenden erlaubt ist.

Die Körperspender haben vor ihrem Tod die Einwilligung gegeben, dass ihr Körper zu Ausbildungszwecken zergliedert wird. Aber bereits hier gilt die durch Gesetz und ärztliche Standesverordnung festgelegte Schweigepflicht, die schon im „hippokratischen Eid“ vor 2500 Jahren als Gebot für die Ärzte aufgeführt war. Ärztliche Schweigepflicht. Sie ist in der Berufsordnung für Ärzte und im Strafgesetzbuch als Rechtspflicht aufgeführt; ihre Verletzung ist mit Strafe bedroht. Sie gilt nicht nur für alle in Heilberufen Tätigen sondern auch für Personen, die zur Berufsvorbereitung an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen. Das Berufsgeheimnis umfasst alles, was Ärztinnen und Ärzte bei der Ausübung ihres Berufes wahrgenommen haben, auch nichtmedizinische Belange; es muss sich also nicht um ausdrücklich anvertraute Dinge handeln. Auch Verstorbene und ihre Hinterbliebenen haben ein schutzwürdiges Interesse, dass die Identität der Toten, vorausgegangene Krankheiten und sonstige Erkenntnisse, die erst beim Zergliedern des Leichnams gewonnen werden, gegenüber Dritten nicht genannt werden. Auch ist das Fotografieren im Präpariersaal deshalb nicht gestattet.

1.3.4 Psychische Situation Wenngleich vor Kursbeginn nur eine Minderheit der Kursteilnehmer noch nie einen Toten gesehen hat, gaben in einer psychologisch betreuten Befragung von Kursteilnehmern doch 90 % zu, zunächst mehr oder weniger große Angst vor dem Präparieren am Leichnam zu haben. Diese Angst wird im Verlauf des Kurses immer geringer; bei Kursmitte sagten bereits 84 % der Teilnehmer, dass sie keine Angst mehr verspüren. Die einzelnen Präparierarbeiten werden unterschiedlich empfunden: als besonders unangenehm erscheinen der erste Schnitt in die Haut, das Abpräparieren der Haut und des darunter liegenden Fettgewebes. Je weiter die Präparation fortschreitet, je mehr sich also das Erscheinungsbild des Körpers vom einstmals lebenden Menschen entfernt und zu einem anatomischen Präparat wird, das dem Bild im Anatomie-Atlas gleicht, desto größer wird das primär anatomische Interesse an den zunächst verborgenen Strukturen

1.3 Einführung in den Präparierkurs

des Körpers. 92 % der Befragten meinten am Ende des Kurses, es sei ihnen gelungen, den Toten als Arbeits- und Studienobjekt zu begreifen, ein Studienobjekt von großer Wichtigkeit zu sehen (die Zahlenangaben sind einer wissenschaftlichen Untersuchung von Püthe 1991 entnommen). Aber so unterschiedlich die einzelnen Teilnehmer auch auf die psychische Belastung der ersten „ärztlichen“ Begegnung mit dem Menschen reagieren: es darf nicht das Ziel des Kurses sein, eine Abstumpfung der Gefühle zu erreichen, die sich womöglich auch auf die spätere ärztliche Berufstätigkeit auswirkt. Der Präparierkurs ist kein bloßer Pflichtkurs des Medizinstudiums, den man hinter sich bringt und nach Erhalt des Scheins „abhaken kann“, sondern er ist ein wichtiger Mosaikstein des Berufsbildes, der im ärztlichen Alltag auch noch nach Jahrzehnten zur Grundlage ärztlicher Entscheidungen gemacht wird.

1.3.5 Vorbereitung auf den Kurs Mitzubringen sind u. a. Schutzkleidung und Präparierbesteck. Im Detail wird dies in einer einführenden Vorlesung angekündigt. Da an potenziell gesundheitsgefährdendem Material gearbeitet wird (Ausdünstungen der Fixierungsmittel, nicht hundertprozentig auszuschließende Infektionsmöglichkeit), ist aus Gründen des Arbeitsschutzes eine entsprechende Schutzkleidung erforderlich (Arbeitskittel, Gummihandschuhe, in einigen Einrichtungen werden auch Gummischürzen empfohlen). Nicht nur aus hygienischen sondern auch aus ästhetischen Gesichtspunkten (man soll die Präparierkursteilnehmer in der Mensa ja nicht allein durch den Geruchsinn identifizieren können) ist diese Investition in eine zusätzliche Schutzbekleidung dringend anzuraten. Zur Vermeidung von Verletzungen mit den Präparierinstrumenten ist ein sorgfältiger Umgang mit dem Skalpell Pflicht: Messer stets in stabilen Behältern transportieren (also nicht lose in den Kitteltaschen), frische Klingen benutzen oder rechtzeitiges Nachschärfen der Messerschneide, um drucklos schneiden zu können; die fixierten Körpergewebe in der Anatomie sind hart und verlangen eine ganz andere Präparationstechnik als in der Chirurgie. Einige Körperregionen (z. B. Nacken und Hinterhaupt)

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sind in den oberflächlichen Schichten nach der Konservierung ganz besonders fest. Zur praktischen Präparationsarbeit braucht es Vorkenntnisse, die in der Vorbereitung auf den Kurs und auch kursbegleitend erworben werden müssen. In mehreren Zwischenprüfungen werden die theoretischen und praktischen Kenntnisse über die einzelnen Körperregionen kontrolliert. Ganz unabhängig davon, ob die örtlichen Vorschriften eine Eingangsprüfung zum Präparierkurs verlangen oder nicht, ist rechtzeitig zu bedenken: Der Prüfungsstoff der Testate umfasst die makroskopische Anatomie des gesamten Körpers. Man sollte sich rechtzeitig vor Kursbeginn mit dem Lernstoff vertraut machen.

1.3.6 Weiterführende Gedanken zum Präparierkurs Der Präparierkurs hat nicht nur das Ziel, spezielle anatomische Kenntnisse des menschlichen Körpers zu vermitteln. Er ist der – oft als sehr einschneidend in das bisherige Denken der Studierenden empfundene – praktische Eintritt in den ärztlichen Berufsstand. „Mortui vivos docent“ (die Toten lehren die Lebenden) oder „Hic locus est, ubi mors gaudet succurrere vitae“ (hier ist der Ort, wo der Tod sich freut, dem Leben zu helfen); so lauten einige Inschriften in anatomischen Präpariersälen, die das Selbstverständnis der klassischen Anatomie wiedergeben. Zum Nachdenken soll auch der Satz anregen: „Vivitur ingenio caetera mortis erunt“ (man lebt nur durch den Geist; alles übrige wird des Todes sein). Der irdische Körper des Menschen, der von den Instrumenten der Präparanden zerteilt wird, behält seine Würde. Den Geist und die Seele können wir nicht sezieren oder durch das Sezieren erkennen. Aber ein wenig vom früheren Geist des toten Menschen empfinden können die Studierenden durchaus, nämlich wenn sie nach dem Kurs bei der Beisetzung „ihrer“ Körperspender teilnehmen. Ohne viele Worte wird da etwas von der Haltung des Sezierten spürbar: über den leiblichen Tod hinaus wirken, damit andere Menschen von gut ausgebildeten Ärzten geheilt werden und weiter leben können. Für die Angehörigen der Körperspender ist es ein großer Trost, wenn die Studierenden dabei

1 Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper

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sind, die den Toten zum letzten Mal sehen durften und seinen Körper von innen gesehen haben. Dies alles kann nur angedeutet werden, denn so groß der Reichtum an anatomischen Varietäten des Körpers auch sein mag: die Vielfalt des Denk- und Empfindungsvermögens des Gehirns des Menschen (ob es nun um die Körperspender oder die Kursteilnehmer geht) ist weitaus größer. Man sagt, die Anatomie sei das oder zumindest ein Mutterfach der Medizin. Im Präparierkurs sehen die Studierenden das Ende des irdischen Lebens, im Unterricht hören sie in der Vorlesung Embryologie vom Anfang des Lebens. Im Kurs der Histologie und mikroskopischen Anatomie werden sie mit der Feinstruktur des Körpers vertraut gemacht. Über aller Fülle der Einzelheiten, die es in der

1.4

Anatomie zu erlernen gilt, darf aber im Bewusstsein der Lernenden der große Rahmen des Lebens nicht untergehen: weder der biologische Teil, der das Werden und Vergehen des Körpers unter Einschluss seiner Krankheiten umfasst, noch die psychologischen und ethischen Aspekte, die im Lernstress des Präparierkurses bisweilen verdrängt werden. Später, im harten Klinikalltag, ist immer wieder eine Rückbesinnung notwendig, eine Standortbestimmung, eine Überprüfung des eigenen Denkens und Urteils. Der Präparierkurs ist also wesentlich mehr als nur eine Präparierübung oder ein „Paukkurs“ in Anatomie. Er öffnet die Sicht in den Menschen mit all seinen Eigenheiten.

Leichenkonservierung

Die Konservierung dient der längeren Haltbarmachung und Lagerung des toten Körpers im Institut. Die Leichenkonservierung besteht im wesentlichen aus 2 Schritten: £ Fixierung. Durch Eiweißdenaturierung bzw.

-vernetzung soll die postmortal einsetzende Autolyse vermieden werden. Die Fixierung ist also eine Methode zur Konservierung und Strukturverfestigung von Geweben und Organen im möglichst natürlichen Zustand. £ Aufbewahrung des Leichnams oder der Leichenteile bzw. Organe. Sie hat das Ziel, die zuvor fixierten Strukturen möglichst lange und natürlich zu erhalten. Fixierung und Konservierung. Bei den Arbeitsgängen werden die innere und äußere Fixierung unterschieden: Mit Glycerol bzw. Karion, Alkohol u. a. gemischt, ist Formaldehyd (Formalin) eine ideale Fixierungsbzw. Konservierungsflüssigkeit. Für die Konservierung verwendet man in der Regel 8–10 %iges Formalin (z. B. Gehirne), zur Aufbewahrung 4 %iges Formalin.

Die Entdeckung des Formaldehyds durch den Chemiker Hoffmann (1868) brachte einen großen Fortschritt in der Konservierungstechnik. Formaldehyd wird in wässriger Lösung als Fixierungsmittel angewendet und hat ausgeprägte Vernetzungseigenschaften. Es ist ausgezeichnet konservierend, desodorierend und mikrobiozid wirksam. Zu hochprozentig ist Formaldehyd zur Konservierung ganzer Leichen bzw. Organe nicht geeignet, da es zu stark härtet und die Gewebe brüchig macht. £ Innere Fixierung. Hier wird die Fixierungs-

bzw. Konservierungslösung in üblicher Weise durch die A. femoralis, A. axillaris oder A. carotis communis ein- oder beiderseits injiziert. Die veraltete Methode der Injektion mit Injektionsbesteck und Infusion über „verbundene Gefäße“ wird mehr und mehr abgelöst von Injektionsgeräten, die mittels Pressluft das Fixierungsgemisch in den Körper bringen. £ Äußere Fixierung. Sie erfolgt durch anschließende Lagerung der Leichen in Bottichen oder in einem „geschlossenen Fixierungssystem“ (beides mindestens 9 Monate). Letzteres ist der zukünftige Standard (z. B. Thalheimer Langzeit-Konservierungsanlage).

1.5 Orientierung am menschlichen Körper, Achsen, Ebenen des Körpers und Richtungsbezeichnungen

MAK (maximale Arbeitsplatzkonzentration)Werte bei der Formalinexposition. Zu ihrer Einhaltung gibt es verschiedene Möglichkeiten: £ Der Formaldehydanteil kann in den Fixierungs-

lösungen niedrig gehalten werden (s. o.).

£ Eine günstige, aber kostenintensivere Variante

ist der Einsatz einer Laminar-Air-Strömung mit Absaugung für jeden Tisch im Präpariersaal, die als zusätzlichen Vorteil alle anfallenden Aerosole ohne Gefährdung für die beteiligten Personen entfernt. Diese Methode wird mit unterschiedlichen Varianten zukunftsbestimmend für die Einrichtung eines Präpariersaales sein. Da die Austrocknung des Materials dabei stark ist, muss eine optimale Aufbewahrung (s. u.) erfolgen. £ Fensterbelüftungen des Präpariersaals allein reichen nicht aus, um die MAK-Werte einzuhalten, auch nicht in Verbindung mit Ventilatoren. Aufbewahrung von Leichen bzw. -teilen oder Organen. Sie erfolgt in Bottichen mit Konservierungslösung, in der Thalheimer-Wand (Konservie-

1.5

rung und Lagerung; Kühlung), in Organtanks mit Konservierungslösung, in verschlossenen Gläsern mit Konservierungslösung zumeist in Sammlungen, in mit Konservierungslösung gefüllten Gläsern mit losem Deckel (dabei können die Präparate für Selbststudienzwecke ständig entnommen werden), eingeschweißt in Plastiksäcken, wobei hier eine ca. halbjährige übliche Konservierung vorangeht (die Lagerung muss in Kühlzellen erfolgen). Die Lagerung von Leichen im Präpariersaal erfolgt in einem mit Konservierungslösung angefeuchteten Tuch und eine darum gewickelte Folie, so dass wir eine Art „feuchte Kammer“ erhalten. Leichenteile bzw. Organe können in Kunststoffblöcken eingegossen bzw. mit Wachs durchtränkt werden. Die Plastination ist ein Konservierungsverfahren für verwesliche biologische Präparate, deren Strukturelemente fixiert, vorzugsweise mit Aceton entwässert, mit Reaktionskunststoff wie Silikonkautschuk, Epoxidharz oder Polyester im Vakuum durchtränkt und anschließend gehärtet werden. Das Verfahren wurde von v. Hagens (1977) entwickelt.

Orientierung am menschlichen Körper, Achsen, Ebenen des Körpers und Richtungsbezeichnungen

Es ist unbedingt notwendig, sich am Körper eindeutig und konkret zu informieren. Im Zusammenhang mit den Fachtermini für die Achsen und Ebenen des Körpers werden Begriffe aus der anatomischen Nomenklatur benutzt, deren Regelmäßigkeit in ihren Wortbildungsprinzipien es den Studierenden leicht machen, sich mit diesen Begriffen vertraut zu machen. Diese Begriffe gehören zu der im Laufe der letzten 2000 Jahre ausgebildeten anatomischen Nomenklatur. Von allen Bereichen der medizinischen Fachsprache ist die anatomische Nomenklatur am weitesten systematisiert. An ihr lassen sich die Entwicklung und sprachliche Bildung unserer medizinischen Ausdrucksweise am klarsten aufzeigen.

1.5.1

9

Geschichtliches

Zahlreiche medizinische Begriffe stammen bereits aus der Schriftensammlung der hippokratischen

Ärzte. Aus dem Anfang des 2. nachchristlichen Jahrhunderts ist uns von Rufus von Ephesos (2. J. n. Chr.) in Griechisch die erste Spezialschrift über die anatomische Namensgebung erhalten. Mit der Übernahme der Herrschaft im östlichen Mittelmeerraum durch die Römer eigneten sich diese auch die Kultur der Griechen und deren Wissen an. Dabei kam es zu einer Periode reger Übersetzertätigkeit. Die großen römischen Enzyklopädien bilden dafür noch das beste Beispiel. Der römische Enzyklopädist Aulus Cornelius Celsus (1. Hälfte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts) ist für die Medizin besonders wichtig, da sich aus seinem Werk der Teil „Über die Heilkunde“ vollständig erhalten hat. Er behielt einen Teil der griechischen Fachausdrücke bei, übertrug andere aber ins Lateinische. Im 6. und 7. Jahrhundert begann der Siegeszug des mittelalterlichen Lateins, das sich über fast ganz Europa verbreitete und das allgemeine Verständigungsmittel im politischen wie im kirchlichen Leben und damit auch in den Wis-

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1 Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper

senschaften darstellte. Sämtliche Werke der Naturforschung und der Medizin des Mittelalters sind in diesem Mittellatein geschrieben. Die mittelalterliche Medizin war gleichzeitig in ihrem Wissen von den Arabern abhängig. So hat auch das Arabische in latinisierter Form seine bleibenden Spuren in der anatomischen Fachsprache hinterlassen. Im Zeitalter des Humanismus und der Renaissance erhielt das Latein seinen alten Glanz zurück. Man bemühte sich, wie Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) zu schreiben, und die Gelehrtensprache näherte sich wieder der klassischen Form an. Mit dem Rückgriff auf die antiken Schriften ging ein wachsendes Interesse am Menschen in seinem körperlichen und geistigen Sein einher. Der Mensch geriet ins Zentrum der wissenschaftlichen Neugier, die ihre Befriedigung im Lesen des großen Buches der Natur suchte. Die sinnliche Wahrnehmung und Überprüfung der von der Natur offenbarten Geheimnisse durch das Selbstsehen, die Autopsie, erhielt einen entscheidenden methodischen Stellenwert. Es ist dies die Zeit, in der die epochemachenden Bücher von Andreas Vesal (1514–1564) über die Anatomie (Abb. 1.1) und von William Harvey (1578–1657) über die Entdeckung des Blutkreislaufs geschrieben wurden. Mit dem Aufschwung der anatomischen und der physiologischen Forschung gewann auch die anatomische Nomenklatur an Klarheit. Dieses von den Humanisten erneuerte Latein blieb die Gelehrtensprache der folgenden Jahrhunderte und erst mit der gewaltigen Ausdehnung der Wissenschaften infolge der Aufklärung ging man in Publikationen und im Unterricht zu den einzelnen Landessprachen über. Allerdings wurde in der Bezeichnung der einzelnen anatomischen Gebilde nicht immer sorgfältig verfahren. Immer wieder geschah es, dass einzelne Anatomen den Teilen des menschlichen Körpers zusätzliche Bezeichnungen gaben. Wenn auch Forscher wie Andreas Vesal versuchten, zu einer einheitlichen und gereinigten Nomenklatur zu gelangen, so bildeten sich doch im Laufe der Zeit eine Unzahl von Synonyma aus, die zahlreiche Verwirrungen verursachten. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts forderten Fachleute verstärkt die Reform der anatomischen Fachsprache auf breiter Grundlage. Joseph Hyrtl (1811–1894), der in Wien die Anatomie lehrte, war auf diesem Gebiet sehr engagiert. Eine internationale Nomenklaturkommission erarbeitete verschiedene Vorschläge, die

1895 auf dem Anatomenkongress in Basel einstimmig angenommen wurden. Damit war mit den Baseler Nomina Anatomica, BNA, der sprachlichen Willkür und Anarchie in der makroskopischen Anatomie ein Ende gesetzt. Insbesondere wurden die Eponyme, also die Bezeichnung mit den Personennamen der Entdecker, die mit der viel umstrittenen Frage der Priorität verknüpft waren, aus der offiziellen Nomenklatur gestrichen. Bei der Auswahl der Termini technici waren Einfachheit und Kürze ausschlaggebend, was allerdings bisweilen zu Lasten der philologischen Exaktheit ging. Die Anatomischen Gesellschaften entschieden sich für eine kontinuierliche Überarbeitung und Verbesserung der Baseler Nomina Anatomica und schufen ein wichtiges Reglement im Zusammenhang mit dem 6. Internationalen Anatomenkongress im Jahre 1955 in Paris. Diese Pariser Nomina Anatomica, PNA, blieben im Wesentlichen bis heute noch gültig. Sie legten den Hauptwert auf Einfachheit, Kürze und leichte Memorierbarkeit der Begriffe. Weiterhin wurde festgelegt, dass jedes Organ nur durch einen einzigen Ausdruck bezeichnet werden sollte und die Bezeichnungen möglichst dem Lateinischen zu entnehmen seien. Schon 1960 beschloss man, Unterkommissionen auch für die histologische und embryologische Nomenklatur zu bilden. Erste Entwürfe wurden auf dem 9. Internationalen Anatomenkongress in Leningrad 1970 vorgelegt, und auf dem 10. Internationalen Kongress 1975 in Tokio billigte man endgültig die bereinigten Listen der Nomina Histologica (NH) und der Nomina Embryologica (NE). Allerdings waren Histologie und Embryologie weit stärker als die makroskopische Anatomie zu Neubildungen von Termini technici auf der Grundlage der alten griechischen Wortstämme gezwungen, da die antiken Ärzte und Naturforscher die Embryologie kaum und die Histologie und Zytologie gar nicht kannten. Die makroskopische Anatomie dagegen gründet noch immer auf dem antiken, geschichtlich vorgegebenen Wortstamm. Die anatomische Namensgebung ist daher auch heute noch eng mit den bedeutendsten Epochen der Anatomiegeschichte verknüpft. Diese nahm im 16. Jahrhundert ihren gewaltigen Aufschwung und erhielt im 19. Jahrhundert mit der Entstehung der modernen Universität ihre großen Institute, in denen die Voraussetzungen für eine moderne Forschung und Lehre geschaffen wurden.

1.5 Orientierung am menschlichen Körper, Achsen, Ebenen des Körpers und Richtungsbezeichnungen

11

1

I

II

2 3

III Abb. 1.2: Achsen und Ebenen im menschlichen Körper

1 Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper

12

£ Transversale (= horizontale) Achse. Sie ver-

1.5.2 Orientierung am Körper Jede wissenschaftliche Arbeit ist auf Eindeutigkeit und Verbindlichkeit der Sprache angewiesen. Bei mit den anatomischen Bezeichnungen ist diese Forderung weitgehend erfüllt. Hier besteht eine hohe Übereinstimmung von Bezeichnung und Bezeichnetem. Die lateinischen Begriffe werden im Kap. 16, S. 1229 erklärt. Ein Einstieg wird durch die Begriffe für eine Lageorientierung am Körper gegeben. Hier sind verschiedene Achsen und Ebenen zu unterscheiden, die senkrecht aufeinander stehen. Es gibt 3 Hauptachsen und die durch sie definierten Hauptebenen.

1.5.2.1 Achsen (Abb. 1.2, 3) £ Vertikale (= longitudinale) Achse. Sie verläuft

in Längsrichtung (kranio-kaudal) vom Scheitel bis zur Sohle. Sie trifft senkrecht auf die Standfläche. £ Sagittale Achse. Sie zieht von hinten nach vorn (dorso-ventral) durch die hintere und vordere Körperwand. Sagittalebenen

läuft quer von links nach rechts und verbindet entsprechende Punkte beider Körperseiten miteinander.

1.5.2.2 Ebenen (Abb.1.2) £ Medianebene (= Median-Sagittal-Ebene) oder

Mittelebene. Sie verläuft vom Rücken zum Bauch und teilt den Körper vom Kopf bis zum Fuß in zwei seitengleiche Hälften (Antimeren), deshalb auch Symmetrieachse. £ Sagittalebene. Sie verläuft parallel zur vorigen durch den Körper. £ Frontalebene. Sie befindet sich parallel zur Stirn. Sie steht senkrecht auf der vorigen und zerlegt den Körper in einen vorderen und hinteren Abschnitt. £ Transversalebene (= Horizontalebene). Sie verläuft quer durch den Körper und steht senkrecht auf den Sagittal- und Frontalebenen. Sie gliedert den Körper in obere und untere Abschnitte. Die Medianebene kommt als Sonderfall nur einmal, die übrigen Ebenen beliebig häufig vor.

Median-Sagittalebene (Medianebene)

dorsal

lateral dexter

oberflächlich

median

tief

sinister

peripher

zentral

Frontalebenen

ventral

Abb. 1.3: Ausgewählte Achsen und Richtungsbeziehungen an einem Horizontalschnitt durch den menschlichen Körper

1.5 Orientierung am menschlichen Körper, Achsen, Ebenen des Körpers und Richtungsbezeichnungen

1.5.2.3 Richtungsbezeichnungen (Abb. 1.3) Diese sind so gewählt, dass sie unabhängig von der Lage des Menschen im Raum gültig sind. So ist beispielsweise der Kopf beim liegenden Menschen auch „oben“; „rechts“ und „links“ beziehen sich auf die entsprechende Seite des zu beschreibenden Sachverhalts. £ Bezeichnungen am Rumpf

cranialis, e (eingedeutscht kranial) – schädelwärts caudalis, e (kaudal) – schwanzwärts, steißwärts superior, ius – oben, weiter oben inferior, ius – unten, weiter unten dorsalis, e (dorsal) – rückenwärts ventralis, e (ventral) – bauchwärts posterior, ius – hinten, weiter hinten anterior, ius – vorn, weiter vorn medialis, e (medial) – zur Medianebene hin, zur Mitte hin lateralis, e (lateral) – seitlich, von der Medianebene weg medianus a, um (median) – in der Medianebene gelegen dexter, dextra, dextrum – rechts sinister, sinistra, sinistrum – links superficialis, e – oberflächlich, oberflächlicher gelegen, der Haut näher profundus a, um – tief, tiefer gelegen internus a, um – innere externus a, um – äußere centralis, e (zentral) – zum Körperinneren hin longitudinalis, e (longitudinal) – längs verlaufend £ Bezeichnungen an den Gliedmaßen

proximalis, e (eingedeutscht proximal) – rumpfwärts, näher zum Rumpf hin gelegen distalis, e (distal) – zum Extremitätenende hin, entfernter vom Rumpf radialis, e (radial) – speichenwärts, zur Speichenseite, Daumenseite hin ulnaris, e (ulnar) – ellenwärts, zur Ellenseite, Kleinfingerseite hin tibialis, e (tibial) – schienbeinwärts, zur Schienbeinseite, Großzehenseite hin fibularis, e (fibular) – wadenbeinwärts, zur Wadenbeinseite, Kleinzehenseite hin palmaris, e (palmar) – handflächenwärts, zur Handfläche hin dorsalis, e (dorsal) – handrückenwärts, zum Handrücken hin

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plantaris, e (plantar) – fußsohlenwärts, zur Fußsohle hin dorsalis, e (dorsal) – fußrückenwärts, zum Fußrücken hin £ Bezeichnungen am Kopf frontalis, e (eingedeutscht frontal) – stirnwärts, in Richtung der Stirn occipitalis, e (okzipital) – hinterhauptwärts basalis, e (basal) – schädelbasiswärts oralis, e (oral) – mundwärts, zum Mund gehörig vestibularis, e (vestibulär) – (mund)vorhofwärts, im Mundvorhof gelegen labialis, e (labial) – lippenwärts buccalis, e (bukkal) – wangenwärts lingualis, e (lingual) – zungenwärts nasalis, e (nasal) – nasenwärts temporalis, e (temporal) – schläfenwärts palatinalis, e (palatinal) – gaumenwärts, zum Gaumen gehörig pharyngealis, e (pharyngeal) – rachenwärts, zum Rachen gehörig rostralis, e (rostral) – mundwärts £ Richtungsbezeichnungen an Gebiss

und Zähnen

Fachausdrücke, die in der Zahnheilkunde der Orientierung dienen: mesialis, e (mesial): der Medianebene (des Zahnbogens) zugekehrt distalis, e (distal): dem hinteren Ende des Zahnbogens zugekehrt apicalis, e (apical): an der Wurzelspitze (Apex), zur Wurzelspitze hin (auch apikal) cervicalis, e (cervical): am Zahnhals, zum Zahnhals hin (auch zervikal) occlusalis, e (occlusal): an der Kaufläche, zur Kaufläche hin (auch okklusal) incisalis, e (incisal): an der Kaukante, zur Kaukante hin approximalis, e (approximal): an der Kaufläche, zur Kaufläche hin (approximalwärts)

1.5.2.4 Bewegungsrichtungen und -bezeichnungen £ Gelenke der Extremitäten

Flexion – Beugung des Rumpfes oder der Extremitäten um die transversale Achse

14

1 Gegenstand und Arbeitsgebiete der Anatomie – Orientierung am menschlichen Körper

Extension – Streckung des Rumpfes oder der Extremitäten um die transversale Achse Adduktion – Heranführen der Extremitäten an den Körper Abduktion – Wegführen der Extremitäten vom Körper. Bei den Extremitäten erfolgt diese Bewegung um die sagittale Achse. Außenrotation – Außendrehung der Extremitäten um ihre Längsachse Innenrotation – Innendrehung der Extremitäten um ihre Längsachse Supination – Umwendbewegung der Hand bzw. des Fußes, wobei die Hohlhand nach oben gerichtet bzw. der mediale Fußrand gehoben wird Pronation – Umwendbewegung der Hand bzw. des Fußes, wobei die Hohlhand nach unten gerichtet bzw. der mediale Fußrand nach unten gesenkt wird Zirkumduktion – Umführbewegung der Extremitäten

£ Kiefergelenk

Adduktion – Heranführen des Unterkiefers an den Oberkiefer Abduktion – Wegführen des Unterkiefers vom Oberkiefer. Beide Bewegungen erfolgen um eine transversale Achse. Protrusion – gleichmäßige Bewegung beider Gelenkkondylen nach dorsal. Beide Bewegungen erfolgen entlang einer sagittalen Achse. Retrusion – gleichmäßige Bewegung beider Gelenkkondylen nach dorsal. Beide Bewegungen erfolgen entlang einer sagittalen Achse. Mediotrusion – Bewegung des Unterkieferkondylus zur Mitte (Balance-, Mediotrusionsseite) Laterotrusion – Bewegung des Unterkieferkondylus nach außen (Arbeits-, Laterotrusionsseite). Beide Bewegungen erfolgen um eine vertikale (longitudinale) Achse.

2

Allgemeine Anatomie Timm J. Filler, Elmar T. Peuker, Franz Pera, Erik Schulte, Jochen Fanghänel und Cornelius Lemke, unter Mitarbeit von Hans Nägerl

2.1

Bauplan des menschlichen Körpers

Lernziele: Ordnende Prinzipien des Körpers, Polarität, Bilaterale Symmetrie, Metamerie, Dorsoventrale Gliederung, Geschlechtsdimorphismus, Körperbautypen, Definition und Phasen des Wachstums, Wachstum und Entwicklung, Überblick über die Systeme

2.1.1

Gliederung des Körpers

Die Anlage des Menschen ist heteropolar, segmental, antimer und in dorsoventraler Richtung differenziert. Sie hat die Potenz, einen weiblichen oder einen männlichen Organismus zu bilden. Die grundsätzlichen Charakteristika des menschlichen Körpers, die Regeln seines Körperbaus und Prinzipien seiner Gliederung nennen wir ordnende Prinzipien. Dazu gehören Polarität, bilaterale Symmetrie, Metamerie und dorsoventrale Gliederung. £ Polarität. Der menschliche Körper ist polar dif-

ferenziert. Damit verfügt er über eine heteropole Hauptachse, an der man kranial (kopfwärts) und kaudal (schwanzwärts) je einen Pol unterscheidet. Senkrecht auf dieser Achse können 2 weitere Achsen errichtet werden. Die eine unterscheidet dorsal (rückenwärts) von ventral (bauchwärts), die andere rechte und linke Seite (lateral = seitwärts). £ Bilaterale Symmetrie. Der Mensch ist, wie die meisten Wirbeltiere, bilateral symmetrisch, d. h. aus Antimeren gebaut. Unter Antimeren versteht man die 2 spiegelbildlich gleichen Hälften, die bei einer Schnittebene senkrecht durch die

Hauptachse in dorsoventraler Richtung (Medianebene) entstehen. Eine genaue Analyse ergibt, dass dieses Merkmal sowohl für die Körperhälften als auch für die Extremitäten nicht streng verwirklicht ist. • Unpaare Organe (Herz, Magen-Darm-Kanal, Leber, Milz, Pankreas u. a.) sind exzentrisch gelegen. Auch paarige Organe (Lungen, Nieren, Nebennieren u. a.) können eine asymmetrische Form und Lage haben. • Die Symmetrie zeigt feinere Abweichungen (Stellung der Nase; Größe der Gesichtshälften; Größe der Augen; Größe, Stellung und Form der Ohren; seitliche Krümmungen der Wirbelsäule u. a.) charakterisieren das jeweilige Individuum. • Auch die Händigkeit hat Symmetrieabweichungen zur Folge. Zum Beispiel haben Rechtshänder einen muskelkräftigeren rechten Arm und eine dezente Links-Skoliose (Krümmung der Wirbelsäule aus der Symmetrieebene heraus). • Die zunehmende Lateralisierung von Funktionen auf eine bestimmte Körperseite im Rahmen seiner voranschreitenden Evolution ist eine weitere Besonderheit des Menschen. Händigkeit und analog Füßigkeit oder Denkprozesse (Sprache) sind beispielhaft dafür. £ Metamerie. Der Mensch zeigt eine Gliede-

rung in sich wiederholende Abschnitte längs der heteropolen Hauptachse. Diese Segmente heißen Metamere. Die Metamerie, deren Grundelemente die Somiten (Ursegmente) darstellen, ist beim Menschen nur in der Embryonalperiode eindeutig zu erkennen (s. Kap. 3.5.1.5, S. 147). Die kranio-kaudal aufeinander folgenden Stücke sind zueinander homolog und bilateral-symmetrisch gebaut. Sie entstehen nicht gleichzeitig,

2 Allgemeine Anatomie

16

sondern von kranial nach kaudal fortschreitend. Ausdruck der Metamerie beim ausgebildeten Organismus sind beispielsweise die segmental angeordneten Zwischenwirbelscheiben, Rippen, Interkostalmuskeln und einige Muskelgruppen am Rücken, Segmentalgefäße (Aa., Vv. intercostales und lumbales) sowie Segmentalnerven (Nn. intercostales). Nicht metamer angelegt sind dagegen Kopf, Gehirn, Rückenmark, außerdem Leibeshöhle und Eingeweide. £ Dorsoventrale Gliederung. Neben der bilateralen Symmetrie und der Metamerie gibt es eine gesetzmäßige Anordnung der Hauptorgansysteme in dorso-ventraler Richtung. Dabei finden sich dorsal das Zentralnervensystem, darunter bzw. davor (bei Aufrichtung) die Wirbelsäule, die Hauptarterien, der Darm, ventral das Herz und zu beiden Seiten des Darms die Leibeshöhle, an deren dorsaler Wand beide Nieren und beide Keimdrüsen angefügt sind.

2.1.2

Geschlechtsdimorphismus

Die komplexe Geschlechtsentwicklung resultiert aus dem Zusammenspiel genetischer, hormoneller, somatischer und exogener Faktoren. Nicht zuletzt spielt auch die psychische Konstitution eine Rolle. Dimorphismus ist die Bezeichnung für das regelmäßige Auftreten von 2 unterschiedlichen Erscheinungsformen bei ein und derselben Art. Es handelt sich um eine Sonderform des Polymorphismus. Bei dem Geschlechts- oder Sexualdimorphismus erkennt man bei der Betrachtung des Organismus oder vieler seiner Organe eine für das Weibliche und eine für das Männliche typische Gestalt (Abb. 2.1). Grundsätzlich ist die Anlage eines Organismus mit Ausnahme der Geschlechtszellen dazu in der Lage, beide Ausgestaltungen hervorbringen.

Körperhöhe in cm Schulterbreite Schulterbreite

Taille Taille Hüftbreite Körpermitte

Hüftbreite Körpermitte

Abb. 2.1: Körpergestalt und -proportionen bei Mann und Frau als Ausdruck des Geschlechtsdimorphismus (verändert nach H. Stratz und G.-H. Schumacher). Der Behaarungsmodus ist schraffiert dargestellt

2.1 Bauplan des menschlichen Körpers

Der Geschlechtsdimorphismus des erwachsenen Menschen wird durch primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale bestimmt. Primäre Geschlechtsmerkmale. Es handelt sich um die sich während der Pränatalperiode entwickelnden inneren und äußeren Geschlechtsorgane. Sekundäre Geschlechtsmerkmale. Das sind vor allem die geschlechtsspezifischen Befunde an Körperabschnitten, die sich insbesondere durch unterschiedliche Größen- und Proportionsverhältnisse auszeichnen und mit der Pubertät entstehen. Beim Mann sind Skelett und Muskulatur stärker ausgebildet. Der Schulterbereich ist breiter. Der Kehlkopf ist größer („Adamsapfel“), und die Körperbehaarung intensiver. Die Frau besitzt einen relativ langen Rumpf, breitere Hüften, geringere Schulterbreite und kürzere Gliedmaßen. Der weibliche Schädel ist kleiner, kürzer und weniger modelliert als der des Mannes. Er ähnelt mehr dem kindlichen Schädel. Das relative Hirngewicht (vor allem in Bezug auf die Anzahl der Skelettmuskelzellen) der Frau ist im Mittel größer, das absolute Hirngewicht im Mittel geringer als das des Mannes. Das vermehrte subkutane Fettpolster verleiht dem weiblichen Körper rundliche, weiche Formen. Die auffälligsten sekundären Geschlechtsmerkmale der Frau sind die Beckenmaße (Arcus pubicus) und die Brustdrüsen. Klinik: In der Regel besteht Übereinstimmung zwischen allen an der Ausbildung des Geschlechts beteiligten Faktoren. Abweichungen dieses Zusammenspiels führen zu Störungen in der Geschlechtsfestlegung (z. B. Intersexualität).

2.1.3

Körperbautypen

Mit der Typologie wurde oft versucht, eine Korrelation zwischen körperlichen und psychischen Merkmalen herzustellen. Solche spekulativen Zusammenhänge sind mehrfach widerlegt. Die gefundenen Korrelationen zwischen Morphe und Psyche sind zumeist nur über dritte Faktoren erklärlich. Hingegen können die Begriffe aus der Typologie als Deskriptoren eine orientierende Vorstellung bestimmter Konfigurierungen von Organen

17

ermöglichen (z. B. Herzform und -lage, Thoraxform). Genauere Vorstellungen liefern allerdings Messzahlen (Halsumfang gemessen unterhalb des Kehlkopfes, Thoraxumfang gemessen am Übergang zum Processus xiphoideus, Taillenumfang gemessen zwischen Rippenbogen und Beckenkamm, Hüftumfang gemessen in der größten Ausdehnung der Glutealregion). Auf Grund der weiten Verbreitung der Einordnung in Konstitutionstypen sind die beiden wichtigsten Einteilungen hier kurz beschrieben. 1. Körperbautypen nach Kretschmer. Es werden 3 Charakterisierungen unterschieden. Nur etwa 60 % aller Individuen lassen sich den Körperbautypen nach Kretschmer zuordnen. Unter Dysplastiker fasst man unbestimmbare Individuen zusammen. £ Der leptosome Typ ist hager und schlank, hat

lange Gliedmaßen, ein schmales Gesicht und eine scharf vorspringende Nase. Er ist zäh und ausdauernd. Den extremen leptosomen Typ nennt man Astheniker. £ Der athletische Typ ist mittelgroß bis hochgewachsen und besitzt starke Knochen, kräftige Gelenke und eine ausgeprägte Muskulatur. Der Brustkorb ist weit, die Schulterbreite groß. Demgegenüber erscheint das Becken verhältnismäßig schmal. Die Akren sind betont. Ein kräftiger Hals trägt einen derben, hohen Schädel. Die Haut ist dick und straff. Der athletische Typ wird auch als Mischform zwischen Leptosomen und Pyknikern angesehen. £ Der pyknische Typ ist erst zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr deutlich ausgeprägt. Kennzeichnend für ihn ist das große Volumen der Körperhöhlen und die Neigung zum Fettansatz am Rumpf. Ein breiter Kopf sitzt mit einem kurzen, dicken Hals zwischen den etwas hochgezogenen Schultern. Der Rumpf hat insgesamt oft eine „Fassform“. Die Gliedmaßen sind kurz. 2. Körperbautypen nach Sheldon (Abb. 2.2). Es werden ebenfalls 3 Körperbautypen unterschieden. Sheldon leitete seine Terminologie von den 3 Keimblättern ab. Er definierte die Kombinationen der Somatypen mit Zahlenkombinationen, wobei jedes Keimblatt mit einer Ziffer von 1 bis 7 gewichtet wird, so dass für jeden Menschen ein individueller Typ bestimmt werden kann. £ Der ektomorphe Typ ist schlank mit dünnen

Extremitäten. Er hat einen größeren transver-

2 Allgemeine Anatomie

18

leptosomer Typ

extrem ektomorpher Typ 1_1_7

athletischer Typ

extrem mesomorpher Typ 1_7_1

pyknischer Typ

extrem endomorpher Typ 7_1_1

Abb. 2.2: Konstitutionstypen des Menschen. Links: nach Kretschmer (in Anlehnung an Kretschmer). Rechts: nach Sheldon (in Anlehnung an Sinclair)

2.1 Bauplan des menschlichen Körpers

salen Durchmesser. Muskulatur und subkutanes Fettpolster sind gering ausgebildet (Ziffer für die Reinform: 7-1-1). £ Der mesomorphe Typ ist mittelwüchsig. Er hat breite Schultern und eine stärker gewölbte Brust. Arme und Beine sind dicker (Ziffer für die Reinform: 1-7-1). £ Der endomorphe Typ hat einen dicken subkutanen Fettmantel und ist durch rundliche Formen gekennzeichnet. Arme und Beine sind dicker. Der Bauch tritt stärker hervor als die Brust, der sagittale Durchmesser ist vergrößert (Ziffer für die Reinform: 1-1-7)

2.1.4

Wachstum

Wachstumsprozesse werden von genetischen, endokrinen und alimentären Faktoren sowie von Umwelteinwirkungen und pathologischen Einflüssen gesteuert und geprägt. Das Körperwachstum ist aufgrund dieser vielfältigen Einflussmöglichkeiten großen Schwankungen unterworfen. Wachstum bedeutet in erster Linie Größenzu- oder -abnahme. Liegt ein Positivwachstum vor, so vergrößern sich Körper- und Organgewichte bzw. die Körperlänge. Wenn im Verlaufe des Lebens die katabolischen Stoffwechselprozesse (Abbau) überwiegen, kommt es zu regressiven Vorgängen (Rückbildungsvorgänge, z. B. Involution des Thymus nach der Pubertät). Es liegt dann ein Negativwachstum vor. Unter Nullwachstum versteht man Wachstumsstillstand. Innere Organe unterliegen zunächst im Wachstum der Hyperplasie (Vergrößerung durch Zellteilung), später beruht das Organwachstum zumeist auf Hypertrophie (Vergrößerung durch Zellvergrößerung). Die Zellen einiger Organe wie Milz und Leber behalten ihre Zellteilungsfähigkeit. Wachstum erfolgt durch Hypertrophie (Zellvergrößerung) oder Hyperplasie (Zellvermehrung). £ Wachstum ist Zunahme von Masse und (wich-

tiger) Oberfläche. Neben dem Körperlängenwachstum sind messbare Parameter Gewicht, Kopfumfang, Knochenkernentwicklung, Dentition sowie sensomotorische, sexuelle und psychosoziale Entwicklung.

19

£ Entwicklung ist Wachstum und Differenzie-

rung, d. h. Spezialisierung und Erwerb neuer und erweiterter Funktionsfähigkeit, ggf. mit Verlust anderer Fähigkeiten. Entwicklung ist auf allen anatomischen Ebenen als morphologische Differenzierung zu finden. Reifung stellt eine gerichtete Differenzierung dar, zumeist entsprechend einem genetischen Plan unter Einfluss äußerer Faktoren.

2.1.4.1

Kindliches Wachstum und Entwicklung

Längenwachstum, Gewichts- und Größenzunahme bilden quantitative Aspekte der körperlichen Entwicklung. Die Wachstumsprozesse sind begleitet von einem Gestaltwandel und Verschiebung der Verhältnisse der Körperteile zueinander. Dabei sind die Streubreite der Norm und die Änderung der Größen in der Zeit ebenso wichtig wie die absoluten Größen. Die Abhängigkeit vom Lebensalter wird in Perzentilenkurven dargestellt. Abweichungen von mehr als dem Doppelten der Standardabweichung gelten als abnorm, aber nicht notwendigerweise als pathologisch. Oszillierendes Wachstum. Wachstumsprozesse können sich phasenhaft und rhythmisch vollziehen. So wachsen Kinder und Jugendliche im Sommer schneller als im Winter. Man spricht von einem Zirkannualrhythmus. Die endogenen und exogenen Einflüsse haben je nach Alterstufe unterschiedliches Gewicht. Die Entwicklung ist letztlich die Konvergenz aus beiden. Für die Einteilung morphologischer Entwicklungsprozesse verwendet man bestimmte Marker. Dazu gehören Teilung und Verlagerung von Nervenund Gliazellen sowie deren Differenzierung, die Entwicklung der verschiedenen Hirnbereiche oder die Reifung komplexer neuronaler Verbände (z. B. Herausbildung des Schlaf-Wach-Rhythmus). Körperlänge. Bis zum Abschluss des Wachstums werden rhythmische Schwankungen mit Perioden der Fülle (Massenwachstum) und der Streckung (Längenwachstum) festgestellt. In der Reifungsperiode zwischen dem 15. und 20. Jahr finden Massen- und Längenwachstum gleichzeitig, beim weiblichen Geschlecht früher als beim männlichen,

2 Allgemeine Anatomie

20

statt. Innerhalb der Schwankungsbreite bei Normalwuchs lassen sich Konstitutionsunterschiede feststellen. Die mittlere Körperlänge beträgt in Deutschland £ bei Neugeborenen

♂ 51,2 cm (Range 46,3–55,8 cm), ♀ 50,0 cm (Range 46,4–54,2 cm) £ bei 18–19-Jährigen ♂176 cm (Range 160–190 cm) ♀ 164 cm (Range 150–175 cm). Als Faustregel gilt, dass ein Säugling sein Geburtsgewicht nach 5 Monaten verdoppelt und nach 12 Monaten verdreifacht hat. Die Körpergröße eines Knaben beträgt mit 2 Jahren etwa 50 % der definitiven Größe (89 cm, ♀ 87 cm). Kopfumfang. Die Größe des Schädels ist bei Neugeborenen eine wichtige Messgröße und wird anhand des Kopfumfanges in Höhe der stärksten Ausdehnung des Hinterhauptes bestimmt. Er beträgt zur Geburt um die 34 cm, im 3. Lebensjahr bei Jungen 51 cm und bei Mädchen 50 cm, bei 18–19-Jährigen entsprechend 58 cm bzw. 55 cm. Akzeleration. Die Akzeleration ist eine Wachstumsbeschleunigung, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa bei Kindern und Jugendlichen aller Altersklassen beiderlei Geschlechts beobachtet wird. Sie betrifft die gesamte körperliche Entwicklung (Zunahme der Endgröße, größeres Geburtsgewicht, beschleunigtes Wachstumstempo = Wachstumsakzeleration) und die sexuelle Reifung (Vorverlegung der Pubertät = Entwicklungsakzeleration). Es wird allgemein angenommen, dass die Verbesserung der Lebensbedingungen und des sozialen Umfeldes eine entscheidende kausale Rolle spielen und sich positiv auf den Organismus auswirken; ebenfalls soll sich die sog. Urbanisation, die Einflüsse des städtischen Lebens, auf die Kinder bemerkbar machen. Pubertätsakzeleration. Bei Mädchen und Knaben ist das Längenwachstum bis zum 10. Lebensjahr etwa gleich, wobei jedoch Knaben von Geburt an durchschnittlich etwas größer sind als Mädchen. Mit Beginn der Pubertät kommt es zu einem Pubertätswachstumsschub (Pubertätsakzeleration), der bei Mädchen früher einsetzt. Da das Längenwachstum bei Knaben länger (20 Jahre) anhält als

bei Mädchen (18 Jahre), übertrifft die endgültige Körperhöhe der Männer die der Frauen. Durchschnittlich sind Frauen etwa 12 cm kleiner als Männer. Die angegebenen Werte beziehen sich alle auf Europa. Knochenkernentwicklung. Ein wichtiger Indikator und Vergleichsmaßstab für Entwicklungsprognosen ist die Knochenkernentwicklung. Diese kann radiologisch bestimmt werden. Anhand von Atlanten lassen sich in Abhängigkeit vom Alter mit großer Vorhersagegenauigkeit die Endgrößen von Kindern bestimmen. Typischerweise wird die Handwurzel als Stelle geringer Strahlenempfindlichkeit bei großer Knochenzahl auf kleinem Raum für die Analyse gewählt. Dentition. Siehe Kap. 4.13.3.1, S. 282.

2.1.4.2

Wachstum auf Organund Zellebene

Die Wachstumsprozesse können abhängig von der jeweils hauptsächlich treibenden Kraft unterschiedlichen Charakters sein. Proportionsverschiebungen. Während des Wachstums unterliegt der menschliche Organismus zahlreichen Proportionsverschiebungen. Die Ursache liegt darin, dass einzelne Körperabschnitte und Organe diskontinuierlich, also mit unterschiedlicher Geschwindigkeit wachsen. Daraus resultieren Veränderungen ihrer relativen Größe. Ein wichtiges Beispiel ist die Kopfhöhe: beim Erwachsenen entspricht sie einem Achtel der Körperlänge, beim 6-jährigen Kind etwa einem Sechstel, beim Neugeborenen dagegen einem Viertel (Abb. 2.3). Anpassungswachstum. Von dem vorher beschriebenen Körperwachstum unterscheidet man das Anpassungswachstum. Dieses tritt auf, wenn sich ein Organ an bestimmte Funktionszustände anpassen muss. Man differenziert dabei zwischen einem funktionellen (mit vorhandenen Strukturen mehr zu leistende Arbeit), einem strukturellen (Vergrößerung und Vermehrung spezifischer Organbausteine) und einem biochemischen (durch Hormone ausgelöste Wachstumsvorgänge) Anpassungswachstum.

2.1 Bauplan des menschlichen Körpers

21

4 Kopfhöhen

5 Kopfhöhen

6 Kopfhöhen

7 Kopfhöhen

Neugeborenes

2. Jahr

6. Jahr

12. Jahr

8 Kopfhöhen

Erwachsener

Abb. 2.3.: Veränderungen der Körperproportionen und der Schädelgrößen im Vergleich zum Gesamtorganismus während des Wachstums. 5 Alterstufen sind gleich groß gezeichnet (nach Stratz)

Ein typisches Beispiel für ein Anpassungswachstum ist das Sportlerherz, das den erhöhten Kreislaufleistungen Rechnung tragen muss (Herzmuskelhypertrophie). Mauserung. Ein ständiger physiologischer Ersatz von Zellen im Sinne einer fortwährenden Regeneration ist bei sog. Verbrauchsgeweben (Blut, Schleimhäute, Haut, Haare, Keimdrüsen etc.) zu beobachten (Tab. 2.1). Man spricht von Mausergeweben im Gegensatz zu Dauergeweben, die durch ihre hohe Spezialisierung ihre Teilungsfähigkeit verloren haben.

2.1.5

Organe und Organsysteme

Systeme vereinigen verschiedene Organe zur Erfüllung höherer Funktionen, wobei keine Verwandtschaft im Bau vorliegen muss (z. B. System der Harnorgane: Niere, Harnwege und Harnblase)

Tabelle 2.1: Ausgewählte Lebenszeiten von Zellen Zelle/Gewebe

mittlere Lebenszeit

Granulozyt, Monozyt Dünndarmepithel Colonepithel Alveolarepithel Leberepithel Lymphozyt Epidermis respiratorisches Epithel (Trachea) Urothel Erythrozyt Osteozyt Nierenepithel Neuron Myozyt (Skelettmuskel) Oozyt Gld. sudorifera Haarfollikel

1–1,4 d 1,4 d 6–10 d 8,1 d 10–20 d 10–100 d (Jahre) 19 d 48 d 67 d 120 d 25–30 a kaum Mauserung keine Mauserung keine Mauserung keine Mauserung keine Mauserung keine Mauserung

Bei biologischer Betrachtungsweise lassen sich Organe und/oder Systeme außerdem zu übergeordneten Einheiten als Apparate zusammenfassen (z. B. Bewegungsapparat). Bei anderen, z. B. neu-

2 Allgemeine Anatomie

22

roanatomischen oder entwicklungsgeschichtlichen Betrachtungsweisen kann der Begriff System auch anders begründet sein (z. B. Beuger, Urogenitalsystem). Im allgemeinen werden 10 Systeme benannt: w Bewegungsapparat

Passiver Bewegungsapparat (Knochen, Bänder, Gelenke) Aktiver Bewegungsapparat (Muskulatur)

2.2

Bewegungsapparat

Lernziele: Aufbau und Einteilung von Knochen, funktioneller Bau, Synarthrosen, Diarthrosen, Aufbau und Einteilung von Gelenken, Gelenkhilfseinrichtungen, Aufbau der Muskulatur, Biomechanik, Sehne, Hilfseinrichtungen. Der Bewegungsapparat ist ein eingängiges Beispiel für die Beziehungen von Form und Funktion. Er hat statische und dynamische Aufgaben, die stets miteinander verbunden sind.

2.2.1

Herz-Kreislauf-System Atmungssystem Lymphatisches System Blut Verdauungsapparat (Digestionsapparat) System der Harn- und Geschlechtsorgane (Urogenitalsystem) w Haut w Endokrines System w Nervensystem mit Sinnesorganen w w w w w w

Knochen, Ossa

Das Skelettsystem (Knochen, Knorpel, Bänder und Gelenke) wird als passiver Bewegungsapparat bezeichnet. Er ist Grundlage der Kraftübertragung, erhält die Körperform und verleiht dem Körper Festigkeit und damit auch Schutzfunktionen. Bei einigen Skelettanteilen stehen die statischen Funktionen (Schützen, Stützen) im Vordergrund (Schädelkalotte). Der Stoffwechsel der Knochen unterliegt wesentlich den Hormonen der Schild- und Nebenschilddrüsen. Sie regulieren das altersabhängige Gleichgewicht zwischen Knochenauf- und -abbau. Die Knochengestalt wird in der Mehrzahl durch Knorpel vorgegeben (chondrale Ossifikation), welcher dann durch Knochenmaterial ersetzt wird. Insbesondere viele Knochen des Schädels werden direkt aus Bindegewebe gebildet (desmale Ossifikation). In der Folge passt sich der Knochen nur

noch den Belastungen an. Verlorenes Knochenmaterial, insbesondere von komplizierter gebauten Knochen wie die des Gesichtsschädels, wird nicht mehr gestaltsgetreu ersetzt. Allerdings können auch andere Gewebe verknöchern, insbesondere Muskulatur, Sehnen und Bänder. Hierfür sind wiederum wesentlich – neben äußeren Reizen – körpereigene Substanzen (Osteogenin) verantwortlich. Das Skelett des Erwachsenen besteht aus ca. 206 Knochen, die in axiale Anteile und Extremitätenknochen gruppiert werden. Ihre Form ist genetisch bestimmt und wird durch die Funktion beeinflusst.

2.2.1.1

Aufbau eines Knochens

Anteile. Die 4 makroskopisch trennbaren Anteile eines Knochens sind (Abb. 2.4): £ Knochenhaut, Periost dient der Regeneration,

der nervösen und der vaskulären Versorgung. Es vermittelt die Verbindung von Sehnen und Bändern mit der Hartsubstanz (Sharpey-Fasern). £ Rindenschicht, Kortikalis hat als verdichtete Spongiosa oder Kompakta gegenüber der Spongiosa als äußere formgebende Schicht einen konstanten, soliden Aufbau. £ Bälkchensubstanz, Substantia spongiosa ist die innere bälkchenartige Struktur des Knochens, zwischen dessen Maschen das Knochenmark Platz findet. Bei Röhrenknochen geht die Spongiosa kontinuierlich in die Markhöhle der Diaphyse (Schaft) über.

2.2 Bewegungsapparat

23

3 äußere Generallamellen

Osteon (Havers-System) mit 4 Lamellen und Havers–Kanal Sharpey-Fasern Spongiosa mit Markraum

Periost

Volkmann-Kanal

Abb. 2.4: Schema zum Bau eines Knochens (in Anlehnung an A. Benninghoff). 3 Osteone und 3 Generallamellen sind aus der Oberfläche herausragend gezeichnet, um die differente Anordnung der kollagenen Fasern in benachbarten Lamellen zu demonstrieren. Vom Periost ziehen SharpeyFasern und Blutgefäße in den Knochen. Die Ernährung erfolgt auch aus den Markraumgefäßen

w Knochenmark, Medulla ossium wird eingeteilt

in – rotes bzw. blutbildendes Knochenmark, Medulla ossium rubra – gelbes bzw. fettspeicherndes Knochenmark im ruhenden Funktionszustand, Medulla ossium flava. Gallertiges Knochenmark ist Altersmark bzw. kommt bei zehrenden Krankheiten vor. Zusammensetzung. Knochen besteht überwiegend aus Kollagen, welches im Wesentlichen durch Anlagerung von Ca-Apatit zu einer druckfesten Hartsubstanz umgewandelt wird. Fluorverbindungen sind dabei von besonderer Bedeutung für die Festigkeit des Knochenmaterials. Für diese Verkalkung sind die Osteoblasten bzw. die Osteozyten zuständig, die sich in einem Gleichgewicht mit den knochenabbauenden Osteoklasten befinden. Die

Umsatz-Rate hängt dabei vom Lebensalter ab. Die Verkalkung selber ist ein Oberflächenphänomen. Es werden hauptsächlich 2 Arten der Ossifikation (desmale und (en)chondrale Ossifikation) und 2 Knochentypen (Lamellen- und Geflechtknochen) unterschieden. Struktur. Form und Aufbau des Knochens sind seiner mechanischen Aufgabe angepasst. Seine makroskopische und mikroskopische Struktur richtet sich mittels der Trabekelbauweise (Knochenbälkchen) nach Spannungs- und Dehnungstrajektorien (Kraftflusslinien im Inneren des Körpers). Dabei wird die Knochensubstanz so angeordnet, dass bei geringstem Materialaufwand die auftretenden Kräfte bestmöglich aufgefangen und übertragen werden können. Der trajektorielle Bau ermöglicht den gezielten Materialeinsatz in belasteten Berei-

2 Allgemeine Anatomie

24

brüche bzw. schleichende Fraktur. Bei inadäquater Belastung kann es zur Materialermüdung kommen.

Abb. 2.5: Knochenscheibe des proximalen Femuralabschnitts. Verteilung und Orientierung der Spongiosa (Trajektorien) sind Kennzeichen der funktionellen Anpassung an die Belastung (Spannungslinien). Exemplarisch sind Drucklinien (rot) und Zuglinien (grün) eingezeichnet

chen (Abb. 2.5). Durch diese Leichtbauweise kann Muskelkraft für die Bewegung gespart werden. Die Gestalt ist in ihrer Anlage genetisch bestimmt und wird unter äußeren Einflüssen (mechanische Kräfte, Schwerkraft) durch Differenzierung modifiziert. Die Regulation erfolgt durch FeedbackMechanismen u. a. auf zellulärer Ebene durch piezoelektrische Phänomene. Zu beachten ist, dass Knochen zwar druckbelastbar ist, aber unter dauerndem Druck atrophiert: Knochenrinnen pulsierender, dem Knochen anliegender Gefäße, Tumore. Günstig ist demnach eine mit Entspannungsphasen alternierende Belastung. Klinik: 1. Atrophie. Knochen, der nicht mechanisch beansprucht wird, verschwindet durch Apoptose und die Aktivität der Osteoklasten. Beispiele sind Verschwinden von überschüssigem Kallus nach erfolgter Frakturheilung, Osteoporose der Astronauten, Knochenabbau bei Nichtgebrauch durch Schmerzen oder metallische Fixationsplatten als sog. Inaktivationsatrophie. 2. Hyperplasie. Umgekehrt wird Knochensubstanz unter vermehrter lokaler Beanspruchung angebaut: Brückenkallus, subchondrale Sklerose bei Arthrose, Spornbildung, Osteophyten bzw. Randwulste bei Spondylose, nach Umstellungsosteotomien. 3. Ermüdungs-

Anpassungsfähigkeit. Den meisten Geweben stehen nur eng begrenzte Reaktionsmöglichkeiten auf innere und äußere Reize zur Verfügung. Diese Mechanismen werden auch bei Schädigungen aktiv. Im Gegensatz zu Knorpel ist Knochen gut vaskularisiert und gut innerviert. Daher reagiert er sehr aktiv und unterscheidet sich von einem technischen Konstrukt, das in mechanischer Hinsicht die gleiche Aufgabe erfüllen soll (Endoprothese). Kommt es zu einer langsamen, abnormen Beanspruchung (etwa bei Fehlstellungen, Lähmungen), passt sich der Knochen funktionell an (Transformationsgesetz nach Roux) (Abb. 2.6). Das Transformationsgesetz nach Roux besagt, dass sich ein Knochen auf Grund seiner Vaskularisierung und Innervation bei einer (langsam steigenden) abnormen Beanspruchung funktionell anpasst. Klinik: Der Königsweg der Therapie von Knochenschädigungen besteht darin, das Zusammenspiel der dem Knochen immanenten Wachstumsmechanismen, also seine Selbstheilungskräfte zu unterstützen bzw. nicht zu stören. Allerdings können auch die einzelnen Reaktionsmöglichkeiten des Knochens gestört sein (Osteoblastische Störungen: periostale Knochenbildung unter Infektion, Rachitis oder Osteomalazie bei Vitamin-D-Mangel, Osteogenesis imperfecta oder Glasknochenkrankheit; osteoklastische Reaktion: Marmorknochenkrankheit). Dabei ist zu bedenken, dass die Tätigkeiten der Zellen von Hormonen und der trophischen Innervation abhängen (Sudeck-Dystrophie).

2.2.1.2

Knochenarten

Wir unterscheiden Geflecht- und Lamellenknochen. £ Geflechtknochen oder Faserknochen ist die

weniger spezialisierte Form des Stützgewebes. Es handelt sich um eine Art verknöcherten Bindegewebes. Unter andauernder Zug- und Druck-

2.2 Bewegungsapparat

25

Abb. 2.6: Der Säugling hat physiologischerweise O-Beine (links). Mit Beginn des Standes entsteht eine Biegebelastung, die die distale Epiphysenfuge des Femurs und die proximale Epiphysenfuge der Tibia medial mehr als lateral unter Druck setzt (mitte). Reaktiv wächst der Epiphysenfugenknorpel daher medial stärker und erzeugt so die physiologische X-Stellung (rechts)

belastung wandeln sich die Mesenchymzellen zu Osteoblasten und sondern Osteoid (Knochengrundsubstanz und Kollagen) ab, welches verkalkt. Bei jeder primären Knochenbildung entsteht zunächst Geflechtknochen. Bei einer Bruchheilung wird auch beim Erwachsenen zunächst dieser Knochentyp gebildet. Der festeste Knochen des Menschen, die Pars petrosa des Schläfenbeins (petros = der Fels) besteht zeitlebens aus Geflechtknochen.

£ Lamellenknochen hat eine um ein Vielfaches

höhere Festigkeit in bestimmten Richtungen. Er ist komplizierter gebaut als Geflechtknochen und ersetzt diesen nach der Geburt. Das Bauprinzip ist das Osteon. Es handelt sich um konzentrische Knochenlamellen, wobei die ineinander geschichteten parallelfasrigen Lamellen kreuzweise angeordnet sind und durch eine Kittsubstanz verbunden werden (Sperrholzprinzip). Im Zentrum liegen jeweils Gefäße und

2 Allgemeine Anatomie

26

ein Nerv in einem Kanal (Havers-Kanal). Die Kanäle kommunizieren durch quere Kanäle (Volkmann-Kanäle). Dies Kanalsystem ist Ausdruck einer komplexen und empfindlichen Mikrozirkulation. Durch die ständigen Umbauvorgänge bleiben Reste von Osteonen zwischen neu gebauten liegen (Schaltlamellen). Die Umbauvorgänge sind im Bereich der Spongiosa besonders intensiv. Innen wird der Knochen gegen das Knochenmark durch innere, nach außen gegen das Periost durch äußere Generallamellen abgeschlossen (Abb. 2.4).

2.2.1.3

Gefäßversorgung von Knochen

£ Arterien. Knochen werden über Vasa nutricia

(ernährende Gefäße) versorgt. Diese treten an wenigen Stellen in den Knochen ein. Sie verteilen sich mit einem endostalen Netzwerk, das zentrifugal und transkortikal den Knochen von innen nach außen versorgt. Daher ist der Blut-

Epiphyse

fluss hier langsam und erfolgt nur mit geringem Druck. Die Foramina nutricia (Eintrittstellen der Gefäße) sind Orte, an denen eine relativ geringe Gefahr der Abknickung der Gefäße durch Bewegung bestehen muss. Bei Röhrenknochen liegen sie daher meist im Schaftbereich. Anders betrachtet treten die Gefäße zentral in die noch wenig gestaltete Knochenanlage ein und induzieren von hier das Längenwachstum (Abb. 2.7). Das Periost trägt zur Ernährung wenig und im Schaftbereich langer Röhrenknochen gar nichts bei. Dies ändert sich, wenn das endostale nutritive Netzwerk gestört ist (Thrombose, endarterielle Erkrankungen, Knochenmarksaufbohrung). £ Venen. Aus dem spongiösen Bereich eines Extremitätenknochens wird das Blut auffällig schnell und sehr effektiv über regionale oberflächliche und tiefe Venen abgeführt. Der periostale Venenplexus erhält sein Blut aus den intrakortikalen Kapillargefäßen an der Knochenoberfläche und führt es über portale Gefäße in die Venen der umgebenden inserierenden (ansetzenden) Muskeln ab. In der Entwicklung sind Knochen und Muskeln in ihrer Blutversorgung so eng assoziiert, dass ein ähnlich effizientes und ökonomisches Muster der Gefäßversorgung entsteht wie die Portalgefäßsituation zwischen Verdauungskanal und Lebergewebe.

2.2.1.4 Epiphysenfuge

Markhöhle

Diaphyse

Abb. 2.7: Schematische Darstellung des Knochenwachstums zur Verdeutlichung des Mechanismus zum Längengewinn durch Knorpelzellteilung in der Epiphysenfuge. Die laterale Einengung durch die diaphysäre Knochenmanschette lässt den neuen Zellen nur in Längsachse des Knochens Platz

Knochenformen

Nach der äußeren Form unterscheiden wir 5 Knochentypen: Ossa longa, Ossa brevia, Ossa plana, Ossa pneumatica, Ossa irregularia. £ Ossa longa. Lange oder Röhrenknochen sind

lange Knochen der Gliedmaßen. Sie bestehen aus einem Mittelstück, dem Schaft (Diaphyse) und 2 verdickten Enden (Epiphysen). Die Diaphyse besitzt eine massive Kortikalis (Substantia compacta), die aus Lamellensystemen aufgebaut ist. Sie umschließt die Markhöhle (Cavum medullare), in der sich während der Entwicklung rotes, blutbildendes Knochenmark und beim Erwachsenen gelbes Fettmark befindet. Die Epiphysen besitzen eine dünne Kortikalis. Sie umschließt eine aus Knochenbälkchen bestehende Substantia spongiosa, in deren Maschen oft auch beim Erwachsenen blutbildendes Kno-

2.2 Bewegungsapparat

£

£

£

£

chenmark vorhanden ist. Die Knochenbälkchen sind nach Druck- und Zugkräften angeordnet (Trajektorienbau) (Abb. 2.4). Zwischen Diaund Epiphysen liegt jeweils die Metaphyse. Sie entspricht der Zone des Längenwachstums (Wachstumsfuge, Epiphysenfuge). Die Röhrenknochen besitzen eine hohe Biegungsfestigkeit. Die optimale Funktionsanpassung spiegelt sich in der Rohrform und Leichtbauweise wider. Zugspannungen an konvexer Seite führen zu Knochenanbau, Druckspannungen an konkaver Seite zu Knochenabbauvorgängen. In Knochenlängsachse (neutrale Zone) kommt es zur Materialeinsparung (Strohhalmprinzip), da sich hier – anders als in den randständigen Partien – die durch Biegung auftretenden Druck- und Zugspannungen weitgehend neutralisieren. Ein Röhrenknochen ist an seinen Epiphysen teilweise von Gelenkknorpel und sonst von Periost bedeckt. Ossa brevia. Kurze Knochen sind z. B. Handund Fußwurzelknochen. Die kurzen Knochen besitzen, wie die Epiphysen der Röhrenknochen, eine dünne Kortikalis und eine mit Knochenmark ausgefüllte Spongiosa. Die Spongiosatrabekel zeigen eine belastungsorientierte Ausrichtung. Ossa plana. Platte Knochen sind Brustbein, Rippen, Schulterblatt, Hüftbein und Knochen des Schädeldaches. Die platten Knochen enthalten eine äußere und innere Kortikalis (Lamina externa und interna), die eine unterschiedlich dicke Spongiosa umschließen. Im Bereich des Schädeldaches wird sie als Diploë bezeichnet. Im dünnen Teil des Schulterblattes fehlt sie aus phylogenetischen Gründen. Ossa pneumatica. Lufthaltige Knochen sind Sieb-, Keil-, Stirnbein, Oberkiefer, sowie Processus mastoideus und Cavum tympani. Die lufthaltigen Knochen (pneumatisierte Knochen) besitzen mit Schleimhaut ausgekleidete Hohlräume (Nasennebenhöhlen, Mittelohr). Diese Hohlräume kommunizieren über den Nasenrachenraum mit der Umwelt und können so belüftet und dem Umgebungsdruck angepasst werden, bzw. vermeiden so ihre Evakuierung. Ossa irregularia. Zu diesen Knochen zählt man diejenigen, die sich ungünstig in das Schema einordnen lassen, z. B. Wirbelknochen.

Spezielle Bildungen. Alle Knochen besitzen funktionsangepasste Formmodellierungen für den

27

Ansatz und Ursprung von Sehnen und Bändern und als Verstärkungen für Belastungen. Sie kommen als Vorsprünge (Apophysen) in Form von Höckern (Tubercula, Tubera), Leisten (Cristae), Dornen (Spinae), Fortsätze (Processus), Rauigkeiten (Tuberositates) oder als Rinnen (Sulci) und Gruben (Fossae, Foveae) vor. Vertiefungen (Impressiones) und Einschnitte (Incisurae) können Nerven und Gefäße schützen und werden zum Teil von diesen gebildet (Pulsationen von Arterien). Klinik: 1. Die Leichtbauweise führt zu höherer Frakturgefährdung bei Gewalteinwirkung aus anderen (seitlichen) Richtungen als der der natürlichen Belastung (Biegungsbrüche). Bei gewaltsamer Torsion (Skiunfälle) sind Torsionsbrüche typisch. 2. Das Ausmaß der Trabekel ist ein Parameter der Bruchfestigkeit und für Osteoporose-Untersuchungen interessant. Die Rarifizierung der Knochenbälkchen korreliert jedoch nicht direkt mit einer erhöhten Bruchgefahr (z. B. Wirbelkörpersinterung), da sich die verbleibenden Bälkchen verstärken können. Sind die Trabekel überbelastet, treten durch Mikrobrüche Schmerzen auf (Ermüdungsbruch, Marschfraktur). 3. Zwischen den Spongiosamaschen befindet sich auch beim Erwachsenen rotes Knochenmark: Sternalpunktion oder Punktion im Bereich der Spina iliaca posterior superior zur Knochenmarkdiagnostik. 4. Die Ossifikation vieler platter Knochen (insbesondere des Schädels) verläuft desmal und kann isoliert gestört sein (Dysostosis cleidocranialis).

2.2.1.5

Knochenbildung

Es werden 3 Stadien der Skelettbildung in der Ontogenese unterschieden: £ mesenchymales Stadium (Chorda dorsalis) £ knorpeliges Stadium £ knorpelig-knöchernes Stadium

Bei der Knochenbildung werden die knorpeligen Skelettanteile durch Knochengewebe ersetzt (enchondrale Ossifikation = Ersatzknochen). Während die anatomische Struktur des Knochens genetisch festgelegt ist, ist der wichtigste Faktor für das Knochenwachstum die (physiologische) mechanische Beanspruchung (Druck). Ohne sie

2 Allgemeine Anatomie

28

(z. B. bei Lähmungen) ist das Wachstum erheblich reduziert. Epiphysenfugen orientieren sich in der Proliferation senkrecht zur Hauptbelastung (Abb. 2.6). Die Form eines Knochens ist genetisch festgelegt; der wichtigste Faktor für sein Wachstum ist die mechanische Beanspruchung. Es werden 2 Formen des Knochenwachstums unterschieden. Die Knochen wachsen unterschiedlich lange. Lediglich die Gehörknöchelchen haben bei der Geburt bereits ihre endgültige Größe erreicht. Die letzten Epiphysenfugen, die sich schließen und das Ende des Längenwachstums markieren, sind die distalen Epiphysen von Ulna und Femur (18.–20. Lebensjahr) und die der Apophyse des Tuberculum majus humeri (20.–25. Lebensjahr).

knorpelige Epiphyse

Blasenknorpel enchondraler Knochen

perichondrale Knochenmanschette primärer Markraum

£ Desmale Ossifikation. Die Knochenbildung

erfolgt direkt ohne Zwischenstufen aus dem mesenchymalen Bindegewebe. £ Chondrale Ossifikation. Ein Modell des Knochens wird aus Knorpelgewebe angelegt und sekundär durch Knochengewebe ersetzt (Ersatzknochen). Dabei kann die Knochenbildung im Inneren beginnen (enchondral), entweder in Form so genannter Knochenkerne (bei Röhrenknochen in den Epi- und Apophysen) oder als Epiphysenfuge am Übergang zur Diaphyse. Die Epiphysenfuge ist für das Längenwachstum verantwortlich (Abb. 2.7, 8). £ Perichondrale Ossifikation. Sie entspricht der desmalen Ossifikation und ist für das Dickenwachstum der Knochen zuständig. Dabei ragt die Knochenmanschette bei Röhrenknochen auf den Rand der Epiphysen und fasst die Epiphysenfuge ein. Der in der Epiphysenfuge proliferierende Knorpel hat damit nur die Möglichkeit in Längsrichtung des Schaftes zu wachsen (Abb. 2.7). Nach Ersatz des knorpeligen Modells des Knochens entspricht die periostale Ossifikation diesem Verknöcherungsvorgang. w Knochenwachstum der Zähne. Während sich bei der Knochenbildung der Skelettelemente die Osteoblasten mit kalzifizierender Matrix umgeben und zu dendritischen Osteozyten differenzieren, bleiben die zahnbildenden Zellen der Zähne an der Oberfläche (s. Kap. 4.13.3.4, S. 288). Klinik: Eine dauernde Mehrdurchblutung stellt einen erheblichen Wachstumsstimulus dar. So kann eine Monate oder Jahre dauernde Hyperämie (Entzündung, Angiom) im Bereich der Epiphysenfugen der Röhrenknochen eine therapiebedürftige Längenzunahme bewirken.

2.2.1.6

Abb. 2.8: Perichondrale und enchondrale Ossifikation eines Röhrenknochens

Apophysen

Apophysen sind vorzugsweise an Röhrenknochen auftretende Knochenvorsprünge mit wesentlicher mechanischer Bedeutung. Zumeist dienen sie als Hebel für eine günstigere Kraftentfaltung der ansetzenden Muskeln oder sind eine eigens eingerichtete Knochenverstärkung für die durch die Muskelinsertion bedingte lokale Zugbelastung.

2.2 Bewegungsapparat

Funktion. Die Vorstellung, dass sich diese Vorsprünge erst durch die Tätigkeit des Muskels entwickeln, wie es beispielsweise bei dem Proc. mastoideus und dem M. sternocleidomastoideus beobachtet werden kann, trifft nicht zu. Vielmehr handelt es sich um selbständige Knochenkerne ähnlich den Epiphysen. Die Knochenkerne entsprechen in ihrer Lage dem hydrostatischen Punkt eines spannungsoptischen Modells. Hierbei handelt es sich um das gemeinsame Zentrum von Druckund Zugspannungslinien eines unter Biegekräften stehenden Knochens (Theorie der kausalen Histogenese nach Pauwels). Die Theorie der kausalen Histogenese nach Pauwels besagt, dass sich Knochenkerne im neutralen Zentrum von Druck- und Zugspannungslinien eines unter Biegekräften stehenden Knochens entwickeln können. Entwicklung. Bemerkenswert ist, dass die Knochenkerne teilweise erst im 2. Lebensjahrzehnt auftreten. Die Verschmelzung mit der Epiphyse findet entsprechend ebenfalls spät statt, z. B. bei der proximalen Humerusapophyse erst im 3. Lebensjahrzehnt. In einigen Fällen sind es eigene Knochenkerne in den Epiphysen. So besteht die distale Humerusepiphyse neben dem Capitulum und der Trochlea aus 2 weiteren Epikondylenkernen. Apophysen tragen häufig eigene Namen, nicht selten nach ihrer Form, z. B. Coracoid, Acromion, Trochanter. Auch hinter einer Rauigkeit kann sich eine Apophyse verbergen (Tuberositas tibiae). Varianten. Die Apophysis anularis, die Randleiste der Wirbelkörper, ist eine Sonderform. Sie verknöchert nicht wie üblich enchondral, sondern perichondral (desmal). Es handelt sich bei ihr um die ringförmige Verknöcherung der ansonsten knorpeligen Wirbelkörperepiphyse, die mit dem übrigen Wirbelkörper bis zum 18. Lebensjahr verschmilzt. In diesem Bereich bleibt zeitlebens ein hohes Wachstumspotential erhalten, dass sich in teilweise extremer Osteophytenbildung (Spondylophyten) in höherem Alter äußern kann. Klinik: Apophysen sind nicht selten Lokalisation juveniler aseptischer Knochennekrosen (z. B. für die Tuberositas tibiae Morbus OsgoodSchlatter), Erkrankungen mit mechanischer Insuffizienz und konsekutiver Destruktion der Knochenstruktur der betroffenen Gebiete.

29

2.2.1.7

Biomechanik von Knochen

Die Biomechanik befasst sich mit den Reaktionen lebenden Gewebes auf mechanische Kräfte. Dabei können innere und äußere Kräfte das Wachstum, den Umbau, die Regeneration und den Stoffwechsel von Zellen beeinflussen. Beanspruchung. Die Beanspruchung eines Knochens ergibt sich aus der auf ihn einwirkenden Muskelkraft und äußeren Belastungen. Solche Kräfte führen zu Spannungen und damit zu elastischen, mikroskopisch sichtbaren Verformungen. Diese Wirkung der Kräfte nennt man Beanspruchung. Sie drückt sich in den Gegenkräften des Gewebes aus, das versucht, reaktiv ein Gleichgewicht herzustellen bzw. die Form zu erhalten. Dabei ist nicht die Gesamtbeanspruchung entscheidend, sondern die jeweils wirksame Kraft pro Fläche. Daher sind viele Mechanismen des passiven Bewegungsapparates darauf ausgelegt, die Kräfte zu verteilen (z. B. die Dura mater für punktuell auf den Schädel wirkende Kräfte im Sinne einer inneren Verspannung auf den gesamten Knochen) oder auf statisch hinreichend wirksame Strukturen zu übertragen (z. B. Schubkräfte auf den Radius durch die Membrana interossea antebrachii auf die Ulna). Zuggurtung. In der Biostatik des menschlichen Körpers spielen vor allem Elemente der Zuggurtung eine Rolle. Dabei werden druck- und biegungsstabile Knochen durch dehnungsstabile Sehnen und Muskeln gehalten. Ein Beispiel ist am Oberschenkel verwirklicht: Der Tractus iliotibialis stabilisiert ohne Energieverbrauch mit der verstellbaren Unterstützung der Abduktoren der Hüfte den Einbeinstand bzw. beim Gang das Standbein als Zugelement. Druckelement ist das Femur. Die Evolution hat die Effektivität von Zuggurtungssystemen hinsichtlich der Muskelkraft und der Druck- und Biegestabilität der Knochen optimiert. Knochenbälkchen orientieren sich am Verlauf der Spannungs- und Dehnungslinien (vgl. Struktur des Knochens, Kap. 2.2.1.1, S. 22). Auch die äußere Form des Knochens hat sich diesen Anforderungen angepasst. Verformung. Knochen sind Biege- und Torsionsverformungen ausgesetzt (Abb. 2.9). Bezogen auf das Knochenmaterial lassen sich diese Kräfte auf Dehnungen und Stauchungen reduzieren. Die Krümmung (das Reziproke des Krümmungsradius)

2 Allgemeine Anatomie

30

Grünholzfraktur. 3. Eine Einstauchung einer noch weichen Kortikalis heißt Wulstbruch. Beide sind Sonderformen kindlicher unvollständiger Frakturen.

M. brachialis Oberarm (schematisiert)

60N

2.2.1.8 50N

M. brachioradialis Unterarm (schematisiert) 10N

Verteilung der Biegebeanspruchung und Hebel am Unterarm

60N

gleiche Zugspannung der Muskeln bei gleicher Belastung (10N) Unterarm (natürliche Gestaltung überzeichnet)

50N

10N

Abb. 2.9: Anpassung der Knochen des Ellenbogengelenks an die Biegebelastung

äußert sich auf der konkaven Seite als Stauchung, auf der konvexen, also auf der dem Krümmungszentrum abgewandten Seite als Dehnung. Zwischen den beiden Seiten gibt es eine neutrale Ebene. Dabei ist das Profil des Knochens (oder die Lage der neutralen Ebene) in bezug auf die Biegungsebene entscheidend für die Biegungsstabilität. Eine flache Rippe biegt sich erfahrungsgemäß leichter als das Femur. Die Berechnungen sind relativ komplex, insbesondere wenn die viskoelastischen Eigenschaften und Flüssigkeitsverhältnisse mit einbezogen werden. Klinik: 1. Wird die Widerstandskraft oder Bruchfestigkeit eines Knochens durch Spannungsspitzen oder Dauerbeanspruchung (Ermüdung durch Zerrüttung der Struktur) überschritten, kommt es zu Brüchen. 2. Bleibt dabei der Periostschlauch intakt, spricht man von einer

Klinischer Ausblick

Allgemeines. Der Stütz- und Bewegungsapparat ist das größte Organsystem des menschlichen Körpers. Seine Schädigungen durch Unfallverletzungen und deren Folgen, degenerative Krankheiten und rheumatische Erkrankungen zählen zu den häufigsten behandlungsbedürftigen Krankheiten überhaupt. Die Funktion des Bewegungsapparates kann auf mehreren Ebenen gestört sein: £ £ £ £

Zell-Ebene Gewebe-Ebene Organ-Ebene System-Ebene und Störungen des gesamten Organismus.

Steuerung des Bewegungsapparates. Sie erfolgt zum einen auf Basis des Nervensystems, zum anderen über eine reaktive Zelltätigkeit. Das erstgenannte Regulationssystem ist rasch und reflexartig, das andere langsam und endokrin geregelt. Wichtig ist, dass der Bewegungsapparat statische und dynamische Aufgaben ausübt. Ihre Bewältigung geschieht stets nebeneinander. Man vergleiche die Anforderungen an die Gewebe der Wirbelsäule eines Gewichthebers (Stabilität) und eines „Schlangenmenschen“ (Mobilität). Für den Therapeuten ist daher die wichtigste Grundregel: Der Gebrauch erhält, die Anstrengung fördert, die Überanstrengung schadet (Arndt-Schultze-Regel). Überlastungen und Verschleißprozesse spielen die größte Rolle in der täglichen Praxis der Orthopädie. Knochen heilt wesentlich schneller als Knorpel, da er sehr gut mit Blut versorgt ist.

2.2.2

Knochenverbindungen

Die Knochen können entweder kontinuierlich (unechte Gelenke = Synarthrosen) oder diskontinuierlich („echte Gelenke“ = Articulationes

2.2 Bewegungsapparat

31

synoviales, Junctura synovialis, Diarthrosen) verbunden sein. Gelenke sind Verbindungen von Knorpel- und/oder Knochenelementen des Skelettsystems über einen Synovia-gefüllten Gelenkspalt. Sie haben die Aufgabe, Bewegungen zwischen den einzelnen Wirbelsäulen- bzw. Extremitätenabschnitten und Larynxanteilen sowie dem Kiefer zu ermöglichen.

2.2.2.1

Kontinuierliche Knochenverbindungen

a Syndesmose (Bandhafte), Pfeile zeigen auf die Sutura sagittalis, eine Sutura serrata

Von den Diarthrosen werden Synarthrosen (Fugen, Haften) unterschieden. Sie werden in 3 Typen geteilt: Syndesmosen, Synchondrosen und Synostosen (Abb. 2.10). Syndesmose Knochenverbindung über Bindegewebe £ Junctura fibrosa. Articulatio fibrosa oder Band-

hafte. Bei dieser Knochenverbindung werden die Elemente durch straffes, kollagenes Bindegewebe oder – in seltenen Fällen – durch elastisches Gewebe (Ligg. flava der Wirbelbögen) (s. Kap. 8.2.2, S. 638) miteinander verbunden. In den Syndesmosen sind geringe Bewegungen (Translationsbewegungen) möglich (z. B. Syndesmosis tibiofibularis) (s. Kap. 14.1.1.2.3, S. 1127). £ Sutura. Eine Sonderform der Bandhafte ist die am Schädel vorkommende Sutura (Naht, s. Kap. 4.1.1.1, S. 178). Nach der Form der korrespondierenden Knochen werden die Suturen eingeteilt: • Sutura plana ist eine platte Knochenverbindung (z. B. zwischen Tränenbein und Siebbein) • Sutura squamosa ist eine schuppenförmige Knochenverbindung (z. B. zwischen Schläfen- und Scheitelbein) • Sutura serrata ist eine gezahnte Knochenverbindung (z. B. zwischen Stirnbein und Scheitelbein). In einzelnen verzahnten Sägenähten treten Nahtknochen (Ossa suturalia) auf. £ Gomphosis. Die Gomphosis (Einzapfung, Ein-

keilung) dient der federnden Aufhängung des Zahns durch Sharpey-Fasern (Ligg. parodontalia, Desmodont) in der Alveole des Kiefers. (s. Kap. 4.13.3.5, S. 212)

b Synchondrose (Knorpelhafte), Pfeile weisen auf den Platzhalter eines Discus (ohne Gelenkspalt), der im natürlichen Präparat unter Bändern verborgen ist

c Synostose (Knochenhafte), Pfeile deuten auf verschiedene syndesmotische Anlagen (links), welche beim Erwachsenen meist vollständig synostosiert sind (rechts)

Abb. 2.10: Übersicht über Synarthrosen. a. Syndesmose, b. Synchondrose, c. Synostose

Synchondrose Knochenverbindung über Knorpel £ Junctura cartilaginea. (Articulatio cartilaginea

oder Knorpelhafte) Das verbindende Gewebe ist hyaliner Knorpel (z. B. Synchondrosis manubriosternalis (s. Kap. 10.2.2.1.1, S. 793), basikraniale Synchondrosen (s. Kap. 4.1.1.1, S. 178) oder alle Wachstumsfugen der Röhrenknochen).

2 Allgemeine Anatomie

32

£ Symphysis.

Ist das Zwischengewebe der Synchondrose Faserknorpel, so bezeichnet man diese Knorpelhafte als Symphyse (z. B. Symphysis pubica, s. Kap. 13.1.1.2.2, S. 1030, Zwischenwirbelscheiben s. Kap. 8.2.1, S. 638). Die Bewegungen sind minimal bis aufgehoben. Eine Ausnahme bilden die Bandscheiben.

Synostose Direkte Verbindung zwischen 2 oder mehr Knochen Junctura ossea (Knochenhafte). Kommt es zu Verknöcherung des bindegewebigen oder knorpeligen Zwischengewebes, dann entsteht die Knochenhafte. Sie lässt keine Beweglichkeit mehr zu (z. B. Os sacrum, Synostose einzelner Sakralwirbel) (s. Kap. 8.1.7, S. 637). Klinik: 1. Synostosierungen (Ankylosen) können als Versteifungen von Gelenken auftreten oder 2. therapeutisch (Arthrodesen) zur Ruhigstellung durchgeführt werden.

2.2.2.2

Diskontinuierliche Knochenverbindungen

Funktionen. Ein Gelenk muss 4 Funktionen wahrnehmen, die sich im Aufbau widerspiegeln: • die angrenzenden Skelettteile stabil miteinander verbinden • die einwirkenden Kräfte übertragen • die Beweglichkeit der Skelettteile gegeneinander gewährleisten • Sinnesinformationen über Position und Zustand der passiven Sicherungseinrichtungen vermitteln. Entwicklung. Über die steuernden Mechanismen und wirksamen Einflussgrößen bei der Gelenkentwicklung ist wenig bekannt. Auch hier ist die anatomische Struktur genetisch festgelegt. Wichtig ist die Bildung kongruenter Gelenkflächen.

Wir unterscheiden entwicklungsbedingt:

£ Dehiszenzgelenke, durch Auseinanderweichen

der Knochen £ Anlagerungsgelenke.

2.2.2.2.1 Aufbau eines Gelenkes £ Überblick. Die Diarthrosen besitzen einen

Gelenkspalt und erlauben je nach Konstruktion und Passung der artikulierenden Gelenkflächen einen unterschiedlichen Bewegungsspielraum. Zu den morphologischen Charakteristika gehören die meist aus hyalinem Knorpel bestehenden Gelenkflächen (Facies articulares), die die Gelenkhöhle (Cavitas articularis) umschließende Gelenkkapsel (Capsula articularis), die Gelenkschmiere (Synovia articularis) und besondere Einrichtungen wie Zwischenscheiben (Disci, Menisci), Bänder (Ligamenta), Schleimbeutel und Sehnenscheiden (Bursae et Vaginae synoviales). £ Gelenkflächen, Facies articulares. Sie bestehen außer beim inneren Schlüsselbein- und beim Kiefergelenk aus hyalinem Gelenkknorpel (Cartilago articularis). Er ermöglicht mit seiner glatten Oberfläche ein reibungsfreies Gleiten der Gelenkkörper. Seine typische histologische Architektur mit Mikroporen, die biochemische Zusammensetzung seiner Matrix und die Ausrichtung seiner kollagenen Fasern ermöglichen die elastische Verformbarkeit und Druckaufnahme. Dieses viskoelastische Verhalten hat schockabsorbierende Funktion insbesondere für das subchondrale Knochengewebe. Gelenkknorpel kann je nach aufzunehmendem Druck unterschiedlich dick sein (0,2–6 mm). Unter Druck gibt der Gelenkknorpel Flüssigkeit ab und nimmt sie bei Entlastung wieder auf. Diese Flüssigkeitsverschiebungen tragen zu seiner Ernährung bei. Wichtig ist dabei, dass Belastung und Entlastung abwechseln (Abb. 2.11). Der Gelenkknorpel besitzt weder Gefäße noch Nerven und wird zu 2 Dritteln über die Synovia und vor allem während des Wachstums zusätzlich über das subchondrale Knochengewebe ernährt. Nach mechanischer Überbeanspruchung kommt es zur Knorpelatrophie (Degeneration, Arthrose). Seine Regenerationsfähigkeit ist begrenzt. £ Gelenkkapsel,

Capsula articularis. Sie umschließt die Gelenkhöhle (Cavitas articularis) und befestigt sich meist an der KnochenKnorpel-Grenze der Gelenkkörper (Abb. 2.12). Hier sind oftmals besondere Strukturen wie

2.2 Bewegungsapparat Gelenkinnenraum

Knochen

Sklerose

Abb. 2.11: (Oben) Modell der Faserausrichtung eines hyalinen Gelenkknorpels. Die senkrecht verlaufenden Fasern biegen tangential zur Oberfläche ab. Dadurch wird die Oberfläche glatt. Die Knorpelzellen sind dazwischen in feste Kammern eingebettet. So entsteht eine druckbelastbare Konstruktion, bei der man sich vorstellt, dass der Turgor (hydrostatischer Druck) die Kollagenfasern unter Spannung setzt. Oberhalb des Knochens ist der Knorpel in einem schmalen Streifen kalzifiziert. (Mitte) Schematisierung der Histologie und Darstellung unter Belastung. (Unten) Situation bei Zerstörung der Tangentialfaserschicht (z. B. Arthrose). Subchondral kommt es reaktiv zu einer vermehrten Sklerosierung. Dadurch nimmt die Elastizität des knorpeltragenden Knochens ab und der Knorpel wird anfälliger für weitere Schädigungen durch Druck. Als Antwort auf diesen Reiz versucht der Knochen das tragende Plateau zu vergrößern (Osteophytenbildung um arthrotische Gelenke)

33

Gelenklippen (Labrum articulare) vorhanden. Die Kapsel besteht aus einer äußeren, festen Faserschicht (Membrana fibrosa, Stratum fibrosum) und einer inneren, zellreichen Gelenkinnenhaut (Membrana synovialis, Stratum synoviale). Membrana fibrosa. Sie setzt sich aus kollagenen und wenigen elastischen Fasern zusammen und geht in das Periost des Knochens über. Teilweise wird sie durch eigene Bänder (Ligamenta articularia) verstärkt. In der Faserschicht liegen zahlreiche Gefäße und Nerven mit ihren zugehörigen Rezeptoren. Membrana synovialis. Sie bildet mit dem Knorpel die Begrenzung der Gelenkhöhle. Dabei endet sie typischerweise an dem Knorpelrand. Die Gelenkinnenhaut besteht aus einer inneren synovialen Deckschicht (synoviale Intima, intimal layer, lining cells) und einer subintimalen oder subsynovialen Schicht. Die Zellen der Deckschicht sind an der Bildung der Gelenkschmiere (Synovia) beteiligt und können phagozytieren. Die Gelenkinnenhaut kann gefäßreiche Zotten (Villi synoviales) und gefäßreiche Falten (Plicae synoviales) bilden. Die Falten ermöglichen als Reservematerial ausgedehnte Beweglichkeit. Sie vergrößern ferner die Oberfläche und sind an resorptiven Vorgängen beteiligt. Von Vorteil ist dabei die gute Durchblutungssituation und die hohe Permeabilität der Membrana synovialis. Die subsynoviale Schicht enthält zahlreiche Mechano- und Nozizeptoren und ist wesentlich verantwortlich für die bei Entzündung und Gelenkergüssen auftretenden Gelenkschmerzen. £ Gelenkschmiere, Synovia. Es handelt sich um

eine klare, gelbliche, fadenziehende Flüssigkeit mit Schmierfunktion. Die größten Gelenke enthalten physiologischerweise bis zu 35 ml Synovia. Neben Plasmaproteinen ist Hyaluronsäure vorhanden, die wesentlich für die Lubrikation ist. Die Viskosität variiert unter anderem abhängig von der Temperatur, womit sich teilweise die erhöhte Gelenksteifigkeit bei Kälte erklärt. Der zelluläre Gehalt kann durch pathologische Prozesse beeinflusst sein und wird daher zuweilen zu diagnostischen Zwecken herangezogen.

2 Allgemeine Anatomie

34 Bursa (hier mit dem Gelenksraum kommunizierend) Femur

Epiphysenfuge

Capsula articularis

Membrana synovialis

Sehne Bursa (nicht kommunizierend) Patella mit Gelenkknorpel

Membrana fibrosa Cavitas articularis Cavitas articularis Meniscus Reservefalte

Corpus adiposum infrapatellare Gelenkknorpel Sehne (in die Kapsel integriert)

Epiphysenfuge Tibia

Abb. 2.12: Schematisierter sagittaler Schnitt durch ein Kniegelenk (ohne intrakapsulären Bandapparat) mit ausgewählten gelenkassoziierten Strukturen. Rot: Membrana synovialis, den intraartikulären Raum auskleidend

£ Lagebeziehungen. Für die Lage der Elemente

eines Gelenkes ist es wichtig, die verschiedenen Räume auseinanderzuhalten.

Intraartikulär meint alle die Strukturen, die von Synovialflüssigkeit umspült sind (z. B. Menisci genus). Intrakapsulär und gleichzeitig extraartikulär sind Strukturen, die noch innerhalb der fibrösen Kapsel liegen, aber bereits von synovialer Membran umgeben sind (z. B. Ligg. cruciata genus). Kapsuläre Bänder sind verstärkte Faserzüge in der Membrana fibrosa. Extrakapsulär liegen gelenkassoziierte Elemente, die den Kontakt zur Kapsel verloren haben, aber funktionell integraler Bestandteil sind (z. B. Lig. collaterale fibulare genus) Periartikulär liegen neben den Hilfseinrichtungen (s. Kap. 2.2.2.2.3, S. 35) und Muskeln (s. Kap. 2.2.3, S. 41) gelenkzugehörige Gefäßgeflechte, die verschiedene Funktionen ausüben (z. B. Umgehungskreislauf, Temperaturregulation).

Klinik: Alle genannten Komponenten eines Gelenkes können jeweils im Vordergrund einer Gelenkerkrankung stehen. Neben den pathologischen Reaktionen (z. B. Entzündung) werden in unterschiedlichem Ausmaß auch physiologische Mechanismen aktiviert (z. B. überschießende Knochenbildung an arthrotischen Gelenkrändern = Osteophyten, Spondylophyten an der Wirbelsäule). 1. Knorpel wird vorzugsweise bei degenerativer Arthrose, Traumata oder anatomischen Fehlstellungen geschädigt. 2. Die Membrana synovialis ist typischerweise Sitz entzündlicher Erkrankungen. Dabei steigt nicht nur die Produktion synovialer Flüssigkeit, sondern sie verändert sich in ihrer Zusammensetzung. Freiwerdende Enzyme können dann ihrerseits den Knorpel angreifen. 3. Die begleitende Irritation der Kapselinnervation führt zu Schmerzen und Schonhaltung mit Muskelatrophie. 4. Veränderungen in der Zusammensetzung der Synovia können zu Auskristallisationen führen wie bei der Gicht (abhängig von der Temperatur, vorzugsweise in größeren peripheren Gelenken, wie dem Zehengrundgelenk).

2.2 Bewegungsapparat

2.2.2.2.2 Gelenkformen Gelenke lassen sich nach der Zahl der artikulierenden Gelenkkörper in einfache Gelenke (Articulatio simplex) und zusammengesetzte Gelenke (Articulatio composita) einteilen. Im einfachen Gelenk artikulieren 2 Skelettteile, z. B. Schultergelenk, im zusammengesetzten Gelenk 3 oder mehr Skelettstücke, z. B. Ellenbogengelenk, proximales Handgelenk. Gelenke können nach der Form der Gelenkkörper und nach der Zahl ihrer Bewegungsachsen (Freiheitsgrade) eingeteilt werden. Die Bewegung ist immer relativ zu den beteiligten Knochen. Gelenke werden entsprechend der Gestalt der artikulierenden Knochenoberflächen in 6 verschiedene Typen eingeteilt (Abb. 2.13). £ Articulatio plana. Beim planen Gelenk arti-

kulieren flache, ebene Gelenkflächen, wie z. B. Zwischenwirbel- oder Interkarpalgelenke. Es finden Translations- und Drehbewegungen statt. £ Articulatio cylindrica. Das Walzengelenk kommt als Radgelenk (Articulatio trochoidea) und Zapfengelenk vor. Die Drehachse ist die Schaftlängsachse, z. B. proximales SpeichenEllen-Gelenk (Zapfengelenk) und distales Speichen-Ellen-Gelenk (Radgelenk). Mögliche Bewegungen sind Pronation-Supination sowie Innenrotation-Außenrotation. Daneben existiert es als Scharnier- und Kondylengelenk: Im Scharniergelenk (Ginglymus) wird um eine Achse, die senkrecht zur Bewegungsebene steht, bewegt, wie z. B. Ellen-Oberarmgelenk mit Flexion-Extension. Das dem Scharniergelenk ähnliche Kondylengelenk (Articulatio bicondylaris) besitzt typischerweise 2 Gelenkrollen (Condylus) mit 2 unterschiedlich konvexen Krümmungen. In diesem relativ stabilen Gelenktyp finden Bewegungen um 2 Achsen statt, z. B. Femorotibialgelenk. Hier sind ebenfalls Flexion-Extension und Innenrotation-Außenrotation möglich. £ Articulatio sellaris. Beim Sattelgelenk weisen die sattelförmigen Gelenkflächen eine konvexe und konkave Krümmung auf. Die Bewegungen finden um 2 Hauptachsen statt, die senkrecht zueinander stehen, z. B. Daumensattelgelenk. Es sind Abduktion-Adduktion und FlexionExtension möglich (bei der Opposition-Repositionsbewegung rotiert das Os metacarpale I um

35

seine Längsachse). Die Bewegungen zusammen ergeben eine Zirkumduktion. £ Articulatio ellipsoidea. Im Eigelenk finden die Bewegungen um 2 Hauptachsen statt, z. B. proximales Handgelenk. Bewegungen: AbduktionAdduktion, Flexion-Extension. Für die Hand ergibt die Kombination dieser Bewegungen eine Zirkumduktion, die jedoch meist zusammen mit der Umwendbewegung des Unterarms ausgeführt wird. £ Articulatio sphaeroidea. Im Kugelgelenk artikuliert der kugelförmige Gelenkkopf mit einer konkaven Gelenkpfanne, z. B. Schultergelenk. Die Bewegungen finden um 3 Hauptachsen statt. Sie heißen Anteversion-Retroversion, Abduktion-Adduktion und Innenrotation-Außenrotation. Alle Bewegungen zusammen ausgeführt ergeben die Zirkumduktion. Eine besondere Form des Kugelgelenkes ist das Nussgelenk (Enarthrosis, Articulatio cotylica), z. B. Hüftgelenk; hierbei wird der Kopf fest von der Pfanne umschlossen. Die Bewegungen werden dadurch eingeschränkt. Sie finden ebenfalls um 3 Hauptachsen statt. £ Amphiarthrose. Das straffe Gelenk stellt eine Sonderform der Gelenke dar. Wir finden unebene Gelenkflächen. Straffe Kapseln und Bänder lassen nur sehr geringe Beweglichkeit zu, z. B. bei der Art. sacroiliaca (s. Kap. 13.1.1.2.3, S. 1030).

2.2.2.2.3 Hilfseinrichtungen £ Zwischenscheiben. Disci articulares, Menisci

articulares. Sie werden auf Druck beansprucht. Sie bestehen aus Faserknorpel, gleichen die Inkongruenz der Gelenkflächen aus und helfen mit bei der Spannungsverteilung. Durch die vollständige Teilung eines Gelenkes in 2 Kammern erhöht sich der Bewegungsumfang (z. B. Art. temporomandibularis). Im Gegensatz zum Discus teilt ein Meniscus das Gelenk unvollständig (z. B. im Knie oder in Zwischenwirbelgelenken). Er dient weniger als Gleitlager, sondern wird aktiv mitbewegt. Das gilt z.T. auch für Disci. £ Gelenklippen, Labra glenoidalia. Sie bestehen ebenfalls aus Faserknorpel. Sie vergrößern die Gelenkpfanne und dienen der Gelenkkapsel als Ansatz (z. B. Art. humeroglenoidalis). £ Gelenkbänder, Ligamenta articularia. Diese kommen intra- und extrakapsulär sowie kap-

36

2 Allgemeine Anatomie

Abb. 2.13: Schematische Darstellung der Gelenkformen und ihrer Bewegungsmöglichkeiten

sulär vor. Sie bestehen aus Kollagenfasern und verstärken die Gelenkkapsel (Verstärkungsbänder), sichern die Gelenkführung (Führungsbänder) und können die Bewegung hemmen (Hemmungsbänder). Darüber hinaus sind sie wesentliche Sinnesorgane. Intraartikuläre Bänder kommen z. B. im Hüft- (Lig. capitis femoris) und Kniegelenk (Lig. transversum genus) vor. £ Schleimbeutel und Sehnenscheiden, Bursae und Vaginae synoviales. Sie erleichtern das Gleiten von Sehnen und Muskeln oder Haut gegen andere Strukturen. Sie enthalten synoviale Flüssigkeit. Schleimbeutel können frei vorkommen oder mit der Gelenkhöhle kommunizieren.

Entzündungen (Bursitis) können somit auf das betreffende Gelenk übergreifen (Arthritis). Der Wandaufbau entspricht dem der Capsula articularis.

2.2.2.2.4 Biomechanik von Gelenken Allgemeines. Bei Gelenkbetrachtungen unter medizinischen Gesichtspunkten ist zu berücksichtigen, dass Gelenke keine isoliert wirkenden Strukturen sind. Sie werden zumeist durch benachbarte Gelenke beeinflusst und erst durch diese in der Gesamtbewegung ergänzt. So lassen sich Einschränkungen eines Gelenkes teilweise kompensie-

2.2 Bewegungsapparat

37

Tabelle 2.2: Ausgewählte Bewegungsausmaße

Gelenk

Flex.

Ext.

Abd.

Add.

I-rot.

A-rot

Art. coxae Art. glenohumeralis Art. cubiti Art. genus prox./dist. Art. radioulnaris Art. carpi OSG6 USG8 Daumen Fingergrundgelenk Fingermittel- und -endgelenk Zehen Wirbelsäule10, 11 Kopfgelenke

135°1 90°1 150° 150°

15°1 40°1 10° 5°

40° 90°

25° 30°

40°2 95°

45°2 50°

10°3 90°4

35°3 90°4

60° 50°7

60° 30°7

30°5

60°4 30°9

30°4

1 2

3 4 5 6 7 8

45° 90° 100° 45° 40/35/50° 20°12

15° 40° 5° 70° 80/20/25° 20°12

Ante- und Retroversion es muss zwischen Rotation in Beuge- und Streckstellung unterschieden werden, da die Kapsel in Beugestellung entspannter ist und einen jeweils um 5° größeren Bewegungsumfang zulässt in Beugestellung Pronation und Supination radiale und ulnare Abduktion Art. talocruralis abhängig von der Beugestellung des Kniegelenkes (mehrgelenkige Mm. gastrocnemii) Artt. subtalaris und talocalcaneonavicularis

ren. Für eine gezielte Untersuchung hinsichtlich der Einschränkung eines Gelenkes muss man daher den Einfluss der Nachbargelenke ausschalten. Hilfreich bei der klinischen Untersuchung ist ausserdem der meist mögliche Seitenvergleich. Man unterscheidet Gleitbewegungen mit Verschiebungen der artikulierenden Knochen gegeneinander von Winkelbewegungen mit veränderlichen Winkel zwischen 2 artikulierenden Knochen. £ Achsen. Ein Gelenk kann je nach Typus um

eine oder mehrere Achsen bewegt werden. Um einen inter- und intraindividuellen Vergleich der Beweglichkeit der Gelenke zu erlauben, werden (insbesondere bei mehrachsigen Gelenken) wo möglich die anatomischen Hauptachsen des Körpers als Bewegungsachse zugrunde gelegt (s. Kap. 1.5.2.1, S. 12). In der Regel wird bei der Benennung der einzelnen Bewegungen die Beziehung zur Körpermitte gewählt. Bei den Extremitäten können auch einzelne Knochen als Bezugspunkte herangezogen werden. Dadurch

15°

30/15/25° 15°13 9 10 11 12 13 14

40°5

15°

70/45/15° 70°14

die Oppositionsbewegung ist eine Rotation um den ersten Mittelhandknochen und mit anderen Bewegungen zwangsgekoppelt der Finger-Boden-Abstand oder die Entfernung zweier Markierungen auf der Rückenhaut (Schober, Ott) sind ergänzende Messgrößen Angaben für Hals-/Brust-/Lendenabschnitt Beugung zum Rücken und zur Brust im Atlantookzipitalgelenk Seitneigung im Atlantookzipitalgelenk Links-rechts-Drehung im Atlantoaxialgelenk

wird die Bezeichnung unabhängig von benachbarten Gelenkstellungen. So wird eine radiale Abduktion bei schlaff hängendem Arm (Handfläche zum Körper) nach vorne ausgeführt. Insbesondere bei Hand und Fuß muss daher auch eine eigene Mitte definiert werden (sog. Mittelstrahl). Bewegungen zu diesem Mittelstrahl hin sind Adduktionen und von dem Mittelstrahl weg Abduktionen. Bei der Hand ist der Mittelstrahl der dritte Finger, beim Fuß die zweite Zehe. Neutral-0-Methode. Bei dieser Messmethode werden die Bewegungen eines Gelenkes von einer definierten Position aus betrachtet. Bezug. Die von den Gelenken eingenommene Ausgangsstellung (Nullstellung) wird als anatomische Normalstellung bezeichnet und entspricht dem aufrechten Stand mit hängenden Armen. Von dieser Stellung ausgehend werden die Winkel der Bewegungsausschläge gemessen. Die Notierung erfolgt nach der Null-Durchgangsmethode. Null-Durchgangsmethode. Bei dieser standardisierten Methode der Dokumentation einer Gelenkbeweglichkeit (zur Diagnostik und

2 Allgemeine Anatomie

38

Quantifizierung von Bewegungseinschränkungen sowie zur Verlaufskontrolle von Therapien) werden 3 Zahlen notiert. Sie geben die Gradzahl zur Neutral-0-Methode der antagonistischen maximalen Bewegungsausschläge notiert vor und nach der Durchgangsposition (in der Regel die Neutralposition) an. Beispiel. Für ein normales Kniegelenk ergeben sich 140° maximale (passive) Flexion, Nullstellung 0° und maximale Extension 5°. Die zugehörige Notierung im Protokoll lautet: Flex./Ext.: 140°/0°/5°. Kann die Nullstellung nicht erreicht werden (z. B. bei einer Kontraktur), so steht die Null auf der Seite der Bewegungseinschränkung. Beispiel: Bei einer Kontraktur der ischiokruralen Muskulatur sei z. B. ein Streckdefizit von 30° gegeben. Dann lautet die Notierung im Protokoll: Flex./Ext.: 140°/30°/0° (also Flexion von 140° bis Flexion 30°). Klinik: In der Praxis hängen von Bewegungseinschränkungen u. a. die gutachterlichen Festlegungen von Behinderungen ab. Dabei sind nicht so sehr die relativen Einschränkungen, sondern die tatsächlichen Gradzahlen von Bedeutung und für jedes Gelenk individuell zu betrachten. So kann beispielsweise eine relativ geringe Einschränkung der Außenrotation im Schultergelenk die Gesichtspflege (Kämmen) und das Essen unmöglich machen. Viele Bewegungseinschränkungen ziehen kompensatorische Mehroder Fehlbelastungen anderer Gelenke nach sich und führen dort z. B. zu Arthrose. £ Kongruenz. Die biologische ist von der geo-

metrischen Kongruenz (Deckungsgleichheit) zu unterscheiden. Konvexer und konkaver Teil eines gesunden Gelenkes passen optimal zueinander. Das heißt nicht, dass sie in jedem Gelenk die optimale Form eines technischen Gelenkes einnehmen. In diesem Sinne ideale Kugeloder Zylindergelenke sind eher die Ausnahme. Abweichungen von der technischen Idealform erklären sich durch weitere Aufgaben (Verteilung der Synovia für Lubrikation und Nutrition, Ermöglichung von Lateralverschiebungen und kombinierten Bewegungen). Beim Nachbau eines Gelenkes (Gelenkersatz) können diese Details meist nicht berücksichtigt werden. Dadurch entstehen bei der Verankerung eines technischen Implantats im Knochen

unphysiologische Kräfte, die zu einer Lockerung beitragen können. £ Gelenksicherung

Ein Gelenk kann durch knöcherne, ligamentäre und muskuläre Führung in unterschiedlichem Ausmaß gesichert werden. Ein typisches knochengesichertes Gelenk ist die Articulatio humeroulnaris, bei der die Konkavität der Ulna die Trochlea des Humerus weit umfasst und durch eine knöcherne Nut die Bewegung führt. Ein Beispiel für ein vorzugsweise bandgesichertes Gelenk findet sich in der Articulatio radioulnaris. Bei vielen Bandsicherungen hängt die Führung und Sicherung von der Gelenkstellung und der unterschiedlichen Straffung der Bänder ab. Beispielsweise lassen sich die Finger in Streckstellung, nicht aber in Beugestellung im Grundgelenk spreizen. Vorzugsweise muskelgesichert ist beispielsweise die Articulatio humeri. Die erforderliche zentralnervöse Steuerung der Muskulatur ist weitgehend autonom und hängt wesentlich von den Sinneswahrnehmungen des Gelenkes selber ab. Eine besondere Muskelsicherung sind Muskelzüge an der Gelenkkapsel zur Vermeidung von Einklemmungen des Kapselapparates bei Bewegungen (Kapselspanner). Ein Gelenk kann grundsätzlich knöchern, ligamentär oder muskulär gesichert sein. Meist ist jedoch eine gewichtete Kombination zu finden, die zudem von der Gelenkstellung abhängt. Klinik: Die Wirbelsäule ist häufig Ort von Schmerzen und gleichzeitig mit einer hohen Selbstheilungstendenz ausgestattet. Sie ist aber auch in Teilen ein Beispiel dafür, dass die therapeutischen Bemühungen dort geringer sind, wo anatomische Grundlagenkenntnisse eingeschränkt sind: Die Wirbelsäule ist mit 3 Bändern am Becken befestigt, von denen die iliolumbale Bandmasse häufig Ausgangspunkt eines Schmerzsyndroms ist (Iliolumbar-Syndrom). Da diese Bandmasse weder der manuellen noch der apparativen Diagnostik gut zugänglich ist, sind kaum kausale Therapien zu finden. Die symptomatischen Therapieansätze ergeben wegen der schlechten anatomischen Charakterisierung

2.2 Bewegungsapparat

häufig sog. Nonresponder, ohne dass man dafür eine ausreichende Erklärung hat. £ Diese Grundanforderungen an ein Gelenk

sind in unterschiedlichen Bereichen verschieden gewichtet. Die Anforderungen an Stabilität und Beweglichkeit widersprechen sich zum Teil. Eine Vielzahl kleiner, hintereinander geschalteter Gelenke ermöglicht in der Summe eine hohe Beweglichkeit, wobei durch eine straffe Sicherung und relativ stark eingeschränkte Beweglichkeit der einzelnen Segmente die Kombination mit geringer Luxationsgefahr möglich ist (z. B. Wirbelsäule). Die Versteifung einzelner Segmente fällt meist wenig auf. Je weiter die Gelenke auseinander liegen und je geringer ihre Zahl in der Gliederkette ist, desto größer wird der Aufwand der Sicherung (z. B. Arm mit Hand).

2.2.2.2.5 Moderne biomechanische Forschung In den letzten Jahren haben sich die Erkenntnisse in der Biomechanik gewandelt. Die Einteilung der Diarthrosen nach Kategorien der Technik, wie u. a. Scharnier-, Kugelgelenke, ist historisch bedingt. Sie sagt nichts über den mechanischen Funktionsmechanismus aus, z. B. gibt es im menschlichen Körper keine Scharniergelenke, die im Sinne der Technik nur einen Bewegungsfreiheitsgrad besitzen. Im Unterschied zur Technik, wo nur formschlüssige Gelenke Verwendung finden, sind Diarthrosen aber kraftschlüssig. Unter Kraftschlüssigkeit versteht man, dass zur Gelenkfunktion eine kompressive Kraft notwendig ist, die die Artikulationsflächen aneinander drückt. Diese Bedingung stellt sich in der Regel automatisch ein. Die Insertionspunkte der über das Gelenk ziehenden Muskelkräfte liegen in der Regel näher am Gelenk als die Angriffspunkte der äußeren Kräfte, was heißt: die Muskelkräfte ziehen am kurzen Hebel. Das bringt zwar den Nachteil mit sich, dass die Muskelkräfte wegen des Hebelgesetzes erheblich größer sein müssen als die auf das bewegte Körperglied von außen einwirkenden Kräfte, hat aber die Vorteile, dass

39

£ die im Gelenk auftretende Kraft (d. i. physika-

lisch die Lagerkraft) auf das bewegliche Körperglied drückt und somit kompressiv wirkt, und dass £ beim Bewegungsvorgang der Insertionspunkt der Muskelkraft eine nur kurze Strecke zurückzulegen braucht, um das bewegte Körperglied weit schwenken zu lassen: die Änderung der Muskellänge bleibt beim Strecken wie beim Zusammenziehen in ihrem physiologischen Bereich, der etwa 10% der Muskellänge insgesamt beträgt. Die Artikulationsflächen biologischer Gelenke sind in jedem Fall inkongruent bezüglich des Ausmaßes der überknorpelten Fläche und bezüglich der Flächenkrümmung. Diese Krümmungsinkongruenz bedingt eine „schlechte Paßgenauigkeit“, was punktförmigen Kontakt bedingen würde, wenn der Knorpel nicht verformbar wäre. Es existiert daher immer eine mehr oder weniger große Kontaktfläche, deren Ausmaß vom Unterschied der Flächenkrümmungen, von der Knorpeldicke und -steifigkeit sowie von der kompressiven Gelenkkraft abhängt (Abb. 2.14). Die „Höhe h“, das Maximum des Eindrucks in die Knorpelflächen, ist in jedem Fall klein: Sie kann höchstens einige Prozent der Knorpeldicke sein. Folglich wird in dieser Verformung nur wenig elastische Energie gespeichert. Eine Stoßdämpfung durch die Knorpelschicht bei stoßförmiger Gelenkbelastung, wie sie in der Orthopädie diskutiert wird, ist deshalb aus physikalischen Gründen kaum wirksam. Die Krümmungsinkongruenz ist physiologisch notwendig: sie ermöglicht Schmierung und Ernährung des Knorpels: Durch die Inkongruenz ist ein Gelenkspalt gegeben. Dieser ändert während der Gelenkbewegung seine Größe und Lage, so dass alle Stellen der Knorpeloberflächen im zeitlichen Mittel durch die Gelenkschmiere, die Synovia, befeuchtet werden können. Da arthrotische Gelenke oft eine „gute Passgenauigkeit“ aufweisen, sind in ihnen Schmierung und Ernährung reduziert bzw. verhindert, was weitere Knorpelzerstörung zur Folge hat. Klinik: Hüftendoprothesen sind in der Regel als Kugelgelenke konstruiert, in denen in einer Hohlkugel aus Polyäthylen eine perfekt eingepaßte Metallkugel artikuliert. Dadurch kommt es zu „Trockenreibung“, bei der im Vergleich

2 Allgemeine Anatomie

40

F

M2

R R2 M1 k2

k1

R1

K1 Kn1 A

d1

sp

d2

K2

h

Kn2

Abb. 2.14: Biomechanische Berechnungen an einem Gelenk. Die kompressiv wirkende Gelenkkraft F drückt die beiden Knochen Kn1 und Kn2 aufeinander, deren Artikulationsflächen k1 und k2, als Oberflächen der knorpeligen Belege K1 und K2, unterschiedliche Krümmungsradien R1 und R2 besitzen, wodurch der Gelenkspalt sp entsteht. Beide Flächen werden maximal um h eingedrückt; h ist klein gegenüber den Knorpeldicken d1 und d2. h ist aus zeichentechnischen Gründen zu groß gezeichnet. Die Kontaktfläche A wird umso größer, je größer die Gelenkkraft F und je kleiner der Radienunterschied R = R2 – R1 der nicht belasteten Artikulationsflächen sind. A beeinflusst nicht die prinzipiellen kinematischen Eigenschaften der Artikulation

zur „Flüssigkeitsschmierung“ ein erhöhter Abrieb der weicheren Substanz (Polyäthylen) auftritt. Die Artt. simplices, wie Art. metacarpophalangeae, Art. humeroradialis, Art. glenohumeralis, haben nur einen Gelenkflächenkontakt: Es eine konkave Fovea mit einem konvexen Caput. Die Gelenkflächen sind in der Regel nicht genau kugelig ausgeprägt. Biomechanisch werden diese Abweichungen von der Kugelform nicht nur bei Nutrition und Lubrikation der Knorpelflächen wichtig, sondern auch für Kinematik und Statik. Diese Gelenke stellen prinzipiell überschlagene dimere Kugelgelenke dar: eine Kugel artikuliert mit einer Kugelschale mit größerem Radius. Das ergibt 5 kinematische Freiheitsgrade für die Bewegung der kleineren Kugel in Relation zur Schale: Sie kann um die Verbindungslinie der Mittelpunkte von Kugel und Schale (M1 und M2) rotieren und

um jeweils 2 zueinander senkrechte Achsen (die zugleich senkrecht zur Verbindungslinie sind) durch diese Mittelpunkte. M1 und M2 sind, als geometrische Bestimmungsgrößen der kugelförmigen Artikulationsflächen, anatomisch morphologisch vorgegeben. Oft wird in der anatomischen Literatur nur M1, der Mittelpunkt des Caput, als ein Drehzentrum betrachtet. Physikalisch hat aber M2, der Mittelpunkt der Fovea, als das zweite Drehzentrum dieselbe Gewichtung! Wird M2 außer Acht gelassen, so wird die Gelenkfunktion notwendigerweise unzureichend beschrieben. Auf eine weitere physikalisch unhaltbare Annahme, die ‚so genannte funktionelle Kongruenz‘ sei hingewiesen (Abb. 2.14): Mit zunehmender kompressiver Gelenkkraft F wird zwar die Kontaktfläche A der beiden Artikulationsflächen k1 und k2 größer, die Drehzentren M1 und M2 aber rücken auseinander und nicht, wie oft irrtümlicherweise beschrieben, zusammen. Ihr Abstand R hat sich um h vergrößert: R = R2 – R1 + h. Durch Pressung wird also keineswegs ein einfaches technisches Kugelgelenk hergestellt. Artt. simplices mit 2 Kontaktpunkten (bzw. -bereichen), wie die Art. tibiofemoralis oder die Artt. interphalangeae, haben mechanisch höchstens 4 kinematische Freiheitsgrade. Das gilt auch für Gelenke mit Sattelflächen. Der genauere Mechanismus wird am Einzelfall diskutiert.

2.2.2.2.6 Propriozeption im passiven Bewegungsapparat Im Bewegungsapparat liegen sehr viele sensible Nervenendigungen als Informationsgeber über die Lage der Körperteile, Gelenkstellungen oder Spannungszustände der Muskeln und Sehnen. Diese Sinneswahrnehmung dient zur Vermittlung körpereigener Zustände und heißt Propriozeption (Tiefensensibilität). Der teilweise oder komplette Verlust der Sinneswahrnehmung durch den Kapselund Bandapparat eines Gelenkes – etwa infolge eines Bänderrisses – führt zu einer veränderten Muskelbetätigung, da der Rückkopplungsmechanismus der Bewegungskontrolle einer wesentlichen Rückmeldung beraubt ist. Die dadurch veränderte mechanische Beanspruchung führt in der Regel zur Arthrose, wenn nicht mit Hilfe übergeordneter Sinne zeitlebens bewusst gegengesteuert wird.

2.2 Bewegungsapparat

Sensible Endkörperchen. Neben freien Nervenendigungen sind die Lamellenkörperchen (Corpuscula bulboidea) nach Golgi-Mazzoni und die Ruffini-Körperchen die häufigsten Rezeptorarten in Gelenkkapseln und Bändern. Sie kommen außerdem in Sehnen, Faszien, Periost, serösen Häuten und an anderen Stellen vor. Periartikulär korreliert die Häufigkeit ihres Auftretens u. a. mit dem Bewegungsausmaß des Gelenkes und dessen Bedeutung für das Lageempfinden. Ihr Bau ähnelt dem kleiner Vater-Pacini-Lamellenkörperchen (Corpuscula lamellosa). Mit 1 bis 4 mm sind sie mit dem bloßen Auge sichtbar. Sie perzipieren vor allem Druck.

2.2.3

Skelettmuskulatur

Von den 3 Muskelarten, quergestreifte oder Skelettmuskulatur, glatte Muskulatur und Herzmuskulatur gehören lediglich die ersten zum aktiven Bewegungsapparat. Die Skelettmuskulatur bildet den aktiven Bewegungsapparat. Die Kontraktion des Muskels führt zur Bewegung in den Gelenken. Sie wird z. T. willkürlich durch das zerebrospinale Nervensystem gesteuert. Ansatz und Ursprung. Jeder Muskel besitzt einen Ursprung (Origo) und einen Ansatz (Insertio). Der bewegliche Teil wird dabei als Punctum mobile, der weniger bewegliche oder fixe Teil als Punctum fixum bezeichnet. Der Ursprung liegt definitionsgemäß am Punctum fixum (unbeweglicherer Punkt) bzw. in Rumpfnähe; der Ansatz am Punctum mobile (beweglicherer Punkt), bzw. rumpffern. Ursprung und Ansatz erfolgen in der Regel über eine Sehne (Tendo). Dabei ziehen kollagene Fasern in das Periost der Apophyse des Knochens und als Sharpey-Fasern in die Knochensubstanz. Der Muskel kann über ein oder mehrere Gelenke ziehen und damit z. T. an komplizierten Bewegungen beteiligt sein. Entsprechend unterscheidet man £ eingelenkige Muskeln

(z. B. M. adductor magnus)

£ zweigelenkige Muskeln

(z. B. ischiocrurale Muskulatur)

£ mehrgelenkige Muskeln (z. B. M. psoas major)

Muskelhilus. Grundsätzlich sind die in einen Muskel ein- und austretenden Leitungsbahnen an

41

einer oder wenigen umschriebenen Stellen des Muskels zusammengefasst. Es entsteht ein Muskelhilus (Area nervovasculosa). Die Verteilung der Nervenfasern und Gefäße erfolgt demnach im Inneren des Muskels. Die Ein- bzw. Austrittspforten liegen an Stellen relativer Ruhe (bezogen auf die Umgebung). Dadurch wird gewährleistet, dass keine Abknickung bei der Kontraktion oder Bewegung der benachbarten Gelenke erfolgt, wodurch die Blutversorgung gefährdet wäre und der Nerv Schaden nehmen könnte.

2.2.3.1

Aufbau eines Skelettmuskels

Ein Muskel umfasst elastische und kontraktile Elemente. Aus deren Zusammenspiel ergibt sich die Funktion. Der Begriff Muskelfasern steht histologisch für eine Muskelzelle, makroskopisch oft jedoch synonym für Fleischfaser und meint dann Muskelfaserbündel. Muskelfasertypen Es gibt 2 Typen von Muskelfasern, aus denen die rund 600 Muskeln des menschlichen Körpers bestehen. £ Phasische Muskelfasern. Sie sind im Wesent-

lichen hinter dem Muskelzuwachs bei Krafttraining (Gewichtheben) zu sehen und können kurzfristig außerordentliche Kraft entfalten. Sie werden in schnelle, oxidativ-glykolytische und schnelle, glykolytische Fasern eingeteilt. Letztere stehen im wesentlichen für intensive anaerobe Bewegungen (Gewichtheben). Ausdauer und Kreislaufbelastbarkeit können damit nicht erreicht werden. Dauerbelastung wie Marathonlauf führt nicht zu so deutlicher Muskelhypertrophie. Ein rein phasischer Muskel ist selten, z. B. der sternale Zwerchfell-Anteil. £ Tonische Muskelfasern. Eine eher tonische Belastung nehmen Leistungsschwimmer auf sich. Die hierbei trainierten tonischen Muskelfasern sind auf langsame, ausdauernde Kraftentfaltung ausgelegt. Die autochthone Rückenmuskulatur hat vorzugsweise tonische Fasern. £ Mischtypen. Beim Menschen sind die Muskeln meist Mischtypen mit lokalisationsbedingtem und genetisch festgelegtem variierenden Überwiegen der einen oder anderen Faserart. Der

2 Allgemeine Anatomie

42

Stoffwechsel der Muskelfasern ist dabei nicht phylogenetisch festgelegt, sondern passt sich dem Impulsmuster aus dem Rückenmark an. Bei einer veränderten Innervation, etwa nach einer Nervendurchtrennung durch neu aussprossende Neuriten, können sich die Muskelzellen entsprechend umwandeln. £ Myoglobin. Die beiden Fasertypen unterscheiden sich im Myoglobingehalt, einem Eiweiß, das als intrazellulärer Sauerstoffspeicher für die Dauer der kontraktionsbedingten Minderdurchblutung dient. Es ist in den tonischen Fasern angereichert, da deren Dauerkontraktion die Durchblutung und mithin die Sauerstoffzufuhr beeinträchtigt. Diese sind dadurch an ihrer roten Färbung zu erkennen. Myoglobin ist auch im Herzmuskel wegen der hier erst in der Diastole auftretenden Durchblutung vermehrt. Bei den hellen, phasischen Muskeln fällt entsprechend dem Sauerstoffmangel bei Belastung vermehrt Milchsäure an. Umgekehrt ist der Schwellenwert für Schmerz in den tonischen Fasern erhöht. Muskelformen

£ M. unipennatus (einfach gefiederter Muskel).

Bei ihm inserieren makroskopisch sichtbar die

M. bipennatus M. unipennatus

Abb. 2.15: Muskelformen

£

£

£

£

Nach der Form der Muskeln und der Beziehung der Fasern zur Sehne unterscheidet man folgende Muskeln (Abb. 2.15):

M. fusiformis

£

M. biceps

Muskelfasern an einer Seite der Ursprungs- bzw. Ansatzsehne, z. B. M. semimembranosus. M. bipennatus (doppelt gefiederter Muskel). Die Muskelfasern strahlen von beiden Seiten in die in der Mitte gelegene Sehne unter bestimmten Fiederungswinkeln (Winkel zwischen Muskelfaserverlauf und Sehne) ein, z. B. M. rectus femoris. M. biceps (zweiköpfiger Muskel). Wenn der Muskel 2 Ursprünge oder mehr besitzt (parallele Bäuche), so wird er M. biceps, triceps oder quadriceps genannt. Die Köpfe besitzen meist die Struktur des fusiformen Muskeltyps, z. B. M. triceps surae. M. biventer (zweibäuchiger Muskel). Bei dieser Form sind 2 Muskelbäuche hintereinander geschaltet und mit einer Zwischensehne (Tendo intermedius) verbunden, z. B. M. digastricus. M. fusiformis (spindelförmiger Muskel). Bei ihm geht der spindelförmige Bauch (Venter) in eine Ursprungs- und Ansatzsehne über. Im Inneren setzen die Muskelfasern in einem kleinen Winkel an der Sehne an, z. B. M. extensor carpi radialis brevis. Parallelfaseriger Muskel. Bei diesem Muskeltyp verlaufen die Faserbündel parallel zur Zugrichtung, z. B. Mm. intercostales. Oft werden auch Muskeln mit mehreren Bäuchen hintereinander, die durch Zwischensehnen (Intersectiones tendineae) verbunden sind, als parallelfasrig angesehen, z. B. M. rectus

M. biventer mit Tendo intermedius

Intersectiones tendineae

M. planus mit Aponeurose

2.2 Bewegungsapparat

abdominis. Einzelne Abschnitte können dabei getrennt kontrahiert werden. £ M. planus (platter Muskel). Die Muskeln sind flächenhaft und ihre Muskelfasern verlaufen scheinbar parallel. Sie gehen in eine platte Sehne (Aponeurose) über, z. B. Bauchwandmuskulatur.

2.2.3.2

Biomechanik von Muskeln

£ Funktionelle Einteilung. Muskeln werden

hinsichtlich ihres Zusammenwirkens in funktionelle Gruppen eingeteilt (z. B. Beuger und Strecker). Gleichsinnig wirkende Muskeln sind Synergisten, entgegengesetzt wirkende Antagonisten. Erst das Zusammenwirken von beiden Gruppen ergibt das harmonische Bewegungsspiel. Beispiel: M. erector trunci und M. rectus abdominis, M. brachialis und M. triceps brachii.

Die meisten Bewegungen benötigen die Tätigkeit von Muskelgruppen und nur selten einzelne Muskeln. Aktive und passive Insuffizienz Zwei- und mehrgelenkige Muskeln können nicht alle überzogenen Gelenke in deren maximalem Bewegungsumfang gleichzeitig bedienen (physiologische Insuffizienz). Dabei muss zwischen der Situation der Muskelkontraktion und der Muskeldehnung unterschieden werden. Aktive Insuffizienz. Ist ein Muskel bereits maximal verkürzt, obwohl die Gelenke eine weitere Bewegung zulassen, spricht man von einer aktiven Insuffizienz. Passive Insuffizienz. Im gegenteiligen Fall ist der Muskel maximal gedehnt. Jede weitere Dehnung, die nach den Bewegungsmöglichkeiten der Gelenke möglich wäre, würde ihn zerreißen. Beispiele. Ein typisches Beispiel der Konsequenz aktiver und passiver Insuffizienz ist die ischiokrurale Muskulatur. Aktiv kann bei gestrecktem Hüftgelenk die Ferse nicht bis an das Gesäß gezogen werden (Beugung im Knie), obwohl diese Bewegung passiv (etwa mit Hilfe der Hände) herbeigeführt werden kann (aktive Insuffizienz). Umgekehrt kann bei gestrecktem Knie in der Hüfte

43

nicht soweit gebeugt werden, dass der Rumpf die Oberschenkelvorderseite berührt. Die Muskeln an der Oberschenkelrückseite sind passiv bereits maximal gedehnt (passive Insuffizienz). Eine weitere Beugung in der Hüfte ist – bei Entspannung der ischiokruralen Muskulatur durch Beugung im Knie – jedoch leicht möglich. Aus dem gleichen Grund ist ein kraftvoller Faustschluss nur durch eine Vordehnung der Fingerbeuger möglich. Diese wird durch Streckung in der Handwurzel durch die „Faustschlusshelfer“ (Mm. extensores carpi) herbeigeführt. Klinisch fallen mehrgelenkige Muskeln häufig durch ihre Neigung zu Verkürzungen auf. £ Fiederungswinkel. Es handelt sich um den

Winkel, in dem die einzelnen Muskelfasern oder -bündel an der Sehne ansetzen. Raumgewinn. Der Fiederungswinkel ist meist spitz und wird bei Kontraktion größer. Der so erzielte Raumgewinn ermöglicht die Verdickung der Fasern bei der Kontraktion. Hubhöhengewinn. Setzt die Sehne den Verlauf der Muskelfasern direkt fort, ist die mögliche Hubhöhe gleich der maximalen Verkürzung der Muskelfasern. Mit zunehmender Fiederung kommt es zu einem Hubhöhengewinn (Abb. 2.16). Effizienz. Je mehr Fasern an einer Sehne ansetzen sollen, desto größer hat der Fiederungswinkel zu sein. Damit weicht die Verkürzungsrichtung der Muskelfasern zunehmend von der Verkürzungsrichtung des gesamten Muskels ab, das heißt die Effizienz der einzelnen Faser wird geringer. Dieser Nachteil muss durch die Zunahme der gesamten Kontraktionskraft des Muskels mehr als ausgeglichen werden. Die ausgeprägteste Fiederung (spiralisierter Ansatz der Muskelfasern an der Sehne) hat der M. masseter.

Muskelfasern verlaufen nur selten genau in Richtung (parallel) der Sehne, sondern inserieren häufig in einem Winkel (Fiederung), wodurch der Platz für die Dickenzunahme während der Kontraktion und das Verhältnis von Muskelkraft und Muskelvolumen optimiert werden. £ Kontraktionsformen. Die Kontraktion des

Muskels bewirkt, dass sich das Skelettteil, an dem der Muskel ansetzt, in Richtung Ursprung bewegt. Ursprung und Ansatz eines Muskels sind vertauschbar (so sind beispielweise bei

2 Allgemeine Anatomie

44 entspannter Zustand

kontrahierter k Zustand

} Hubhöhe = maximale Verkürzung

}

} einfach gefiederter Muskel

Hubhöhengewinn

Hubhöhe ohne Fiederung

doppelt gefiederter Muskel (schematisierte Faserzüge)

Abb. 2.16: Schema Hubhöhengewinn. Links: Muskel ohne Fiederung mit dargestellter Hubhöhe bei maximaler Kontraktion. Rechts: Durch Fiederung erzielter Hubhöhengewinn bei Kontraktion im Vergleich zur Hubhöhe links bei gleicher Muskelfaserlänge

Liegestützen und fixiertem Unterarm Bewegungen des Oberarms im Ellenbogengelenk möglich). Folgende Kontraktionsformen werden unterschieden: • isometrisch: Spannungsentwicklung bei an seinen Enden fixiertem Muskel • isotonisch: Verkürzung des Muskels ohne merkbare Spannungsänderung • auxotonisch: bei Verkürzung des Muskels tritt gleichzeitig eine Spannungsänderung ein (Regelfall) £ Tonus. Die Grundspannung eines Muskels wird

als Tonus bezeichnet. Sie wird reflektorisch über beide Motoneuronensysteme aufrechterhalten. Der Muskeltonus ist individuell und bestimmt das Haltungsbild des Menschen. £ Physiologischer Querschnitt. Die Kraft oder Muskelkraft, die ein Muskel entfalten kann, ist abhängig vom physiologischen Querschnitt, der Summe aller Faserquerschnitte. Dem größten

Gewicht, das der Muskel noch heben kann, entspricht die absolute Muskelkraft. Sie beträgt pro Faserquerschnitt 10 kg/cm². Außerdem ist die Kraft noch abhängig vom Fiederungswinkel. Die volle Verkürzung kann der Muskel nur nach maximaler Vordehnung erreichen. £ Verkürzung. Muskelfasern können sich bei ihrer Kontraktion um maximal 50 % ihrer Ausgangslänge verkürzen. Die Verkürzung ist abhängig von der Last. Dabei nimmt mit zunehmender Last die Verkürzung und die Arbeit (kg/m) ab. Mit der Vordehnung des Muskels vergrößert sich auch seine Verkürzungsgröße (Hubhöhe). Klinik: Die Dehnbarkeit der Muskulatur ist notwendig für eine volle Funktionsfähigkeit der Muskeln. Einschränkungen entstehen durch Verspannung (Hartspann, Myogelose). Eine Dehnung unterhalb der Geschwindigkeit, die den Dehnungsreflex auslöst, erhöht die Kon-

2.2 Bewegungsapparat

traktionsbereitschaft des Muskels und steigert die Kraft einer nachfolgenden Kontraktion (Kabat-Methode). Die Kabat-Methode wird auch als propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) bezeichnet. Es handelt sich um eine krankengymnastische Behandlung mit Bewegungsbahnung. Diese nutzt die Haltungs-, Stell- und Dehnungsreflexe. £ Wirkungsgrad. Die durchschnittliche Dauer

einer Zuckung beträgt 0,08 s. 40–50 % der über ATP zur Verfügung gestellten Energie werden in Muskelarbeit und mechanische Energie umgesetzt. Damit ist der Wirkungsgrad (Arbeit/ chemische Energie in %) 23–30 %. Der Wärmeverlust beträgt 50–60 %. £ Durchblutung. Im Ruhezustand benötigen 100 g Muskelgewebe 3 ml/min Blut. Damit beträgt der Anteil am Herz-Zeit-Volumen (HZV) der gesamten Skelettmuskulatur 20 % (bei einem vom Gesamtruhebedarf anteiligen Verbrauch von 20–30 % O2). Bei maximal arbeitender Skelettmuskulatur werden 20–25 l/min Blut vom Untrainierten benötigt (Trainierter: 35 l/min). Bei ungewohnter Belastung ermüden allerdings die zugehörigen Neurone schneller als die Muskelzellen. Die Muskulatur ist nicht nur für Bewegungen der Skelettelemente notwendig, sondern sie spielt auch bei der Wärmeregulation, der Blutzirkulation und bei der Statik des Bewegungsapparates eine große Rolle. £ Hebelkräfte. Physikalisch ist für die Mechanik des Muskels sein Hebelarm, die Entfernung des Muskelansatzes vom Drehpunkt des Gelenkes, von Bedeutung. Bei kurzem Hebelarm genügt eine geringe Verkürzung des Muskels, um einen Bewegungsausschlag zu erzielen. Doch ist dann eine erhöhte Kraft (größerer physiologischer Querschnitt) notwendig. Meist hat ein Muskel eine Haupt- und eine oder mehrere Nebenwirkungen. Dies richtet sich nach seiner Lage zu den Bewegungsachsen. So kann der M. biceps brachii in erster Linie im Ellenbogengelenk beugen, gleichzeitig supinieren und mit seinen beiden Köpfen auf die Bewegungen im Schultergelenk Einfluss nehmen.

45

2.2.3.3

Wachstum

£ Regenerationsfähigkeit. Während der embryo-

nalen Entwicklung entsteht jede Muskelfaser durch Fusion hunderter mesodermaler Myoblasten unter Verlust weiterer Teilungsfähigkeit. Skelettmuskelzellen können daher nur regenerieren, wenn ihr Plasmalemm und ihre Basallaminae nicht verletzt sind. Ist dies jedoch der Fall (bei jeder unfallbedingten Zerstörung) dann wird der Defekt bindegewebig geschlossen. Eine kleine Zahl von Myoblasten bleibt allerdings als Satellitenzellen auch bis in das Erwachsenenalter erhalten. Diese Zellen behalten ihre Potenz zur Fusion und damit zu einer beschränkten echten Regeneration. £ Hypertrophie, Atrophie. Die quergestreifte Skelettmuskulatur kann bei funktioneller Belastung hypertrophieren. Durch „Training“ vermehren sich wesentlich die Mitochondrien und die Stoffwechsellage verändert sich. Anabol wirkende Stoffe bewirken die Hypertrophie. Inaktivität der Muskelzellen führt zur Atrophie der Muskulatur, Gelenkimmobilisation führt darüber hinaus zur Atrophie des Band-SehnenApparates. Die Hypertrophie kommt durch eine Vermehrung des Sarkoplasmas, besonders aber der Myofibrillen, zustande.

2.2.3.4

Muskelschlingen

Muskeln, Sehnen, Knochen und Gelenke sind Teilstrukturen einer „kinetischen Kette“. Der Bewegungsapparat besteht aus zahlreichen koordiniert arbeitenden, hintereinander angeordneten Einheiten, deren Einzelfunktionen in der Kombination zu neuen Aufgaben ergänzt werden. Wenn mehrere Muskeln am selben Skelettteil inserieren, werden sie als Muskelschlinge bezeichnet. Sie können dabei vorwiegend antagonistische Funktionen ausüben, wie z. B. an der Scapula, überwiegend agonistisch wirken, wie z. B. die Kaumuskeln oder eine Muskelkette mit knöcherner Inskription bilden, wie z. B. die supra- und infrahyale Muskulatur.

2 Allgemeine Anatomie

46

2.2.3.5

Innervation

Jeder Muskel wird von einem (oder mehreren) gemischten Nerven versorgt (innerviert), der motorische (efferente) und sensible (afferente) Fasern enthält. Die Innervation der Skelettmuskulatur wird allgemein als „willkürlich“ bezeichnet, jedoch unterliegen große Teile der Impulsströme etwa bei Haltearbeit oder Muskelketten nicht der bewussten Kontrolle. Neurone. Die Innervation eines Muskels erfolgt hauptsächlich durch 2 Typen motorischer Neurone. Die Neuriten der α-Motoneurone verzweigen sich zahlreich nach Eintritt in den Muskel. Sie sind dicke, myelinisierte Axone der motorischen Vorderhornzellen des Rückenmarks oder der motorischen Kerngebiete der Hirnnerven. Sie endigen an motorischen Endplatten. Die Fasern eines Neurons versorgen immer mehrere Muskelzellen. Man spricht von motorischer Einheit. Die motorische (neuromuskuläre) Einheit besteht aus dem somatischen Motoneuron, dem Axon, seiner Verzweigung und den motorischen Endplatten sowie allen davon stimulierten Muskelzellen. £ Muskeln für präzise Bewegungsmuster haben

kleine motorische Einheiten (Augenmuskeln: 1740 Einheiten bei ca. 13 Muskelfasern pro Axon). Je kleiner die motorische Einheit, desto präziser kann die Kontraktion gesteuert werden (Feinmotorik). Die Augenmuskeln oszillieren mit bis zu 2300 Schwingungen pro Sekunde. £ Muskeln mit großer Kraftentfaltung besitzen große motorische Einheiten (M. biceps brachii 774 Einheiten bei im Mittel 750 Muskelfasern pro Axon). £ γ-Motoneurone sind dünne Fasern, die zu den „intrafusalen Muskelfasern“ der Muskelspindeln ziehen. Diese Fasern regulieren über den gemeinsamen Reflexbogen mit den sensiblen Spindelorganen die Muskelfaserlänge. Wird der Nerv durchtrennt, dann kommt es zur schlaffen Lähmung des Muskels.

2.2.3.6

Propriozeption des aktiven Bewegungsapparates

Jeder Muskel ist auch ein Sinnesorgan im Dienste der Tiefensensibilität (Propriozeption). Neben den bereits erwähnten Lamellenkörperchen stehen ihm dafür Muskelspindeln (Fusi neuromusculares) und Sehnenspindeln (Fusi neurotendinei) zur Verfügung. Sie reagieren besonders auf Dehnungsreize. £ Muskelspindeln sind ca. 2 mm lang, beim

Menschen oft auch deutlich länger. In einer Kapsel enthalten sie parallel zur Arbeitsmuskulatur 2 Arten quergestreifter, dünner Muskelfasern (intrafusale Fasern). Die Kernsackfasern werden zentral von anulospiralen sensiblen Nervenendigungen umschlungen, die die Dehnungsgeschwindigkeit messen sollen. Die Kernkettenfasern werden peripher von blütendoldenartigen (flower spray) sensiblen Nervenendigungen innerviert, welche die Aufrechterhaltung der Dehnung registrieren sollen. Die motorische Innervation der Muskelfasern erfolgt durch modifizierte Endplatten von αMotoneuronen. Die Bedeutung der begleitenden vegetativen Fasern ist nicht gesichert. Über den Tonus der intrafusalen Muskelzellen wird die Empfindlichkeit der Muskelspindeln reguliert. Durch Kontraktion der intrafusalen Fasern kann außerdem eine Muskeldehnung simuliert werden. Dadurch wird reflektorisch der gesamte Muskel kontrahiert. Das zentrale Nervensystem benötigt so auf übergeordneten Ebenen nur wenige Nervenzellen, um eine Kontraktion zu veranlassen. £ Sehnenspindeln (Golgi-Sehnenorgan) enthalten kollagene Faserbündel, und können überall im Muskel am Übergang von der Muskel- zur Sehnenfaser gelegen sein. Besonders häufig sind sie auch in der Nähe der Muskelhili. Zwischen den Faserbündeln sind kolbenartig verdickte afferente Nervenfasern eingelagert. Ihre Aktivierung führt zu einer reflektorischen Hemmung der Muskulatur.

2.2 Bewegungsapparat

2.2.3.7

Hilfseinrichtungen

Hilfseinrichtungen der Muskulatur sind Sehnen, Zwischensehnen, Sehnenscheiden, Schleimbeutel, Muskelbinden, Sesambeine und Bandrollen. 1. Sehne, Tendo beginnt nicht am Ende eines Muskels, sondern setzt kontinuierlich das um jede Muskelzelle befindlichen Bindegewebe (Endomysium) fort. Am Knochen geht sie ununterbrochen in das Periost und mit Sharpey-Fasern in das Kollagen des Knochens über. Diese Verankerung ist in der Regel so fest, dass bei einer Überlastung meist nicht die Sehne reißt, sondern die Sehne mit dem verbundenen Knochenteil aus dem Knochen ausreißt. £ Knöcherne Insertion. Lange Sehnen dienen der

Fernübertragung der Muskelkraft und halten das Erfolgsorgan von störendem Muskelfleisch zur besseren Beweglichkeit frei. £ Muskuläre Insertion. Auch bei einem sogenannten muskulären Ansatz eines Muskels am Knochen ist, wenn auch mit dem bloßen Auge nicht gut erkennbar, stets sehniges Bindegewebe zwischengeschaltet. £ Bindegewebige Insertion. Neben der knöchernen Insertion sind auch Ansätze an Faszien oder Sehnenplatten (Zwerchfell) verwirklicht. Bei der Zungenaponeurose und Hautansätzen (z. B. mimische Muskulatur) enthalten die Sehnen umfangreiches elastisches Fasermaterial. Die kollagenen Fasern der Sehne sind mikroskopisch erkennbar gewellt. Dies ist bedingt durch parallele elastische Fasern und durch die molekulare Struktur des Kollagen. Die Wellen werden zu Beginn der Muskelanspannung glatt gezogen, so dass bei Kontraktion die Kraft nicht ruckartig, sondern Material schonend auf den Knochen übertragen wird. Sehnen, die in ihrem Verlauf aus der ursprünglichen Zugrichtung umgelenkt werden, entwickeln gegen die entsprechende Unterlage einen erheblichen intertendinösen Druck. Entsprechend ist hier regelmäßig Knorpelgewebe nachweisbar. In einigen Sehnen entstehen so Prädilektionsstellen für Risse. 2. Zwischensehne. Sie kann Veränderungen der Zugrichtung eines Muskels markieren oder phylo-

47

genetische Relikte der Entstehung neuer Muskelindividuen aus verschiedenen Muskelanlagen sein. 3. Sehnenscheiden, Vaginae synoviales tendinum, sind Führungskanäle für Sehnen, die bei Bewegung in ihrer Verlaufsrichtung gehalten oder um Knochen herum geleitet werden sollen (Abb. 2.17). Sie besitzen den gleichen Wandaufbau wie Gelenkkapseln und Schleimbeutel und bestehen aus

Abb. 2.17: Querschnitt durch eine Sehne mit und ohne Mesotendineum. Das Stratum synoviale umschließt mit beiden Blättern die Sehne

£ einem äußeren Stratum fibrosum (Vagina fib-

rosa)

£ einem inneren Stratum svnoviale (Vagina syno-

vialis), das den mit Synovia gefüllten Raum abschließt – mit viszeralem Blatt, das die Sehne umhüllt, – mit parietalem Blatt, dass außen auf liegt. Über ein Mesotendineum treten Gefäße und Nerven an die Sehne heran. Schmale Mesotendinea werden als Vincula tendinum bezeichnet, z. B. bei Finger- und Zehensehnenscheiden. Klinik: Tendopathien oder Insertionstendopathien von Sehnen bzw. Sehnenscheiden sind abakterielle Entzündungen in Ansatznähe (Tendovaginitis) oder degenerative Veränderungen an Sehnenursprüngen und -ansätzen (Tendinose). Aufgrund der guten Versorgung mit sensiblen Nervenfasern ist eine solche entzündliche Veränderung sehr schmerzhaft. 4. Schleimbeutel, Bursae synovialis ist ein mit Synovialhaut ausgekleideter und mit Synovia gefüllter Raum, der den Knochen oder andere umliegende Gewebe, die nicht ausweichen können, vor dem mechanischen Druck der Sehne schützt. Er kommt an Orten erhöhten Druckes vor und verteilt in Art eines Wasserkissens die Druckkräfte. Außer-

2 Allgemeine Anatomie

48

dem kann er zur Verbesserung der Verschieblichkeit zwischen stark bewegten Geweben entstehen. Klinik: Eine Bursitis ist eine akute oder chronische Schleimbeutelentzündung. Ursache können ein stumpfes Trauma, rezidivierende Traumata (z. B. dauernder Druckreiz mit Mikrotraumatisierung bei Fliesenlegern, Putzfrauen), mechanische Überlastung oder Infektionen bei penetrierenden Verletzungen sein. Typische Lokalisationen sind die B. olecrani, B. praepatellaris, B. subdeltoidea und B. achillea. 5. Muskelbinde, Faszie oder Fascia. Sie besteht aus kollagenem Bindegewebe, das einzelne Muskeln oder Muskelgruppen umschließt. Muskelbinden sind unterschiedlich dehnbar und können als Ursprungs- oder Ansatzflächen der Muskeln dienen.

£ Septa intermuscularia trennen Muskelgruppen

voneinander.

£ Muskellogen umschließen Muskelgruppen an

Extremitäten und enthalten Gefäße und Nerven. Sie unterbinden ggf. die Ausbreitung von Entzündungen und Eiterungen in tiefere Schichten. Umgekehrt können sich diese in dem vorgegebenen Logenraum ungehindert ausbreiten.

Klinik: Kompartment- oder Logensyndrom ist eine durch Platzmangel bzw. Gewebedrucksteigerung auftretende Minderdurchblutung einer geschlossenen Muskelloge. Bei dem Syndrom kommt es infolge eines Ödems bzw. Exsudats oder durch Druck von außen zu neuromuskulären Funktionsausfällen und Muskelnekrose (Volkmann-Kontraktur). Häufig betroffen sind die prätibiale Streckerloge, der Tarsal-, Kubitaloder Karpaltunnel.

Strecker im Knie Kräfte–Parallelogramm der Druck–Vektoren Gelenk sichernde Kraft

Patella

wirksame Endstrecke wirksame Extensionskraft

maximale resultierende Druckbelastung des retropatellaren Gelenkes

ohne Hypomochlion

mit Sesambein

in Beugung

Abb. 2.18: Schema Sesambein am Beispiel Patella. Das retropatellare Gelenk ist das am stärksten belastete Gelenk des menschlichen Körpers. Die hier wirkenden Kräfte insbesondere in Beugehaltung bzw. bei der Aufrichtung in den Stand übertreffen die Gewichtsbelastung im oberen Sprunggelenk

2.3 Herz-Kreislauf-System

6. Sesambeine, Ossa sesamoidea, helfen durch ihre Lage in Sehnen, Zugkräfte zu verteilen (Hypomochlion). Ein Hypomochlion (Umlenkrolle) ist der Drehpunkt eines Hebels. Seine Funktion ist die Entfernung des Drehpunktes von der Achse des Gelenkes, um einen günstigeren Ansatzwinkel für die wirksame Endstrecke des Muskels zum Knochen zu erhalten (Abb. 2.18). Sesambeine sind knöchern oder knorpelig. Ihr Auftreten ist an einigen Stellen sehr variabel (an Händen und Füßen in größerer Zahl!). In seltenen Fällen können sich Gelenke zu benachbarten Knochen ausbilden (Patella) oder Sesambeine können in der Muskulatur liegen (Fabellae). Außer Sesambeinen fungie-

2.3

49

ren noch andere Knochen, Sehnen und Bänder als Umlenkrollen. Klinik: Für die Radiologie ist die Kenntnis der möglichen Existenz vor allem von kalzifizierten Sesambeinen wichtig, da sie im Röntgenbild differentialdiagnostisch gegen abgesprengte Knochensplitter oder pathologische Ossifikationen abgegrenzt werden müssen. 7. Bandrolle, Trochlea. Bandrollen können die Zugrichtung von Sehnen und damit als Hypomochlion (Dreh- und Unterstützungspunkt) die Hebelwirkung verändern, z. B. bei der Augenmuskulatur (s. Kap. 6.2.1, S. 575).

Herz-Kreislauf-System

Lernziele: Großer und kleiner Kreislauf, pränataler Kreislauf, Unterschiede zwischen adultem und pränatalen Kreislauf, uteroplazentarer Kreislauf, Aufgaben der verschiedenen Kreisläufe, Gefäßbau, Anforderungen an Gefäße, Aufgaben der Gefäßabschnitte, Mechanik des Gefäßsystems, Übersicht über die Hauptgefäßstämme, Gefäßnervenstraßen

Einmal eingerichtet übernimmt das System weitere Aufgaben (Verteilung von Hormonen, Temperaturregulation, Gestaltgebung u. a.).

2.3.1

Kreislauf

In einem vielzelligen Organismus kann die Aufnahme und Verteilung der Nährstoffe, der Mineralien, des Wassers und des für die Zellatmung notwendigen Sauerstoffes nicht mehr nur von den äußeren und inneren Oberflächen aus erfolgen. Es entwickelt sich ein geschlossenes System von größeren und kleineren Röhren (Gefäße), in denen Blut oder Lymphe zirkulieren, wobei ein (oder mehrere) zentrale Pumpsysteme und/oder die Gefäße selber den Inhalt umwälzen. Klappen bestimmen dabei die Flussrichtung.

2.3.1.1

Aufgaben und Einteilung des Kreislauf-Systems

Das Kanalsystem gliedert sich schon frühzeitig in ein £ Pumpwerk (das Herz) £ leitendes Röhrensystem (die größeren und klei-

neren Blut- und Lymphgefäße)

£ feines Netzwerk von Haargefäßen (die Kapil-

laren), die durch ihre dünne Wand hindurch den Stoff- und Gasaustausch mit den Geweben ermöglichen.

Über das Herz als Pumpwerk s. Kap. 10.7.1, S. 840.

Die Blutgefäße sind ein geschlossenes System, d. h. der Inhalt der Blutgefäße kann nur über die Gefäßwände kontrolliert mit den anderen Geweben in Verbindung treten. Als Ausnahme von dieser Regel ist das Blutgefäßsystem im Knochenmark und in der Milz offen. £ Aufgaben. Bei vielzelligen Organismen sind

Transportwege erforderlich. Diese Aufgabe nehmen Blut- und Lymphgefäße wahr. Sie dienen bzw. erfüllen

• Transportfunktion (für Flüssigkeiten, Nährstoffe, Mineralien, Hormone, Stoffwechselendprodukte, Blutgase sowie Zellen) • dem Austausch der o. g. Stoffe und von Zellen mit den Geweben • der Zellatmung und Ernährung

2 Allgemeine Anatomie

50

Darüber hinaus sind Gefäßreaktionen bei psychischen Prozessen und bei nonverbaler Kommunikation beteiligt (z. B. Farbwechsel der Haut wie Erblassen, Erröten).

obere Körperhälfte

£ Einteilung. Die Gefäße werden nach dem in

V. cava superior

ihnen herrschenden Druck und der Transportrichtung in Bezug auf das Herz eingeteilt. Der Inhalt, das Blut, wird nach der Sauerstoffsättigung als arterielles (ca. 97 %) oder venöses (~ 75 %) bezeichnet. Diese Bezeichnung ist unabhängig von der Benennung der Gefäße. Dabei gibt es viele Unterschiede. Die Sauerstoffsättigung im venösen Koronarblut beträgt um 25 %, während sie im venösen Blut aus der ruhenden Skelettmuskulatur eher bei 90 % liegt.

Lunge

Vv. pulmonales

Truncus pulmonalis rechte Kammer

rechter Vorhof Fossa ovalis

Lig. arteriosum

Gefäße werden nach der Bluttransportrichtung, Blut nach der Sauerstoffsättigung benannt.

linke Kammer

linker Vorhof

Aorta A. hepatica propria

Vv. hepaticae

Darm

Leber

Lig. venosum V. cava inferior

Vena portae

Körper

Abb. 2.19: Schematische Darstellung des postnatalen Kreislaufs. Die Strichstärke symbolisiert die relative Blutmenge, die Farbe den Grad der arteriellen Sättigung: blau = venös, rot = arteriell, lila = Mischblut. Schwarze Striche mit benannten Kreisen geben die obliterierten Kurzschlüsse/Anastomosen des fetalen Kreislaufs wieder

• der Homöostase und der Balance der Flüssigkeitsverteilungen im Körper unter allen Bedingungen • der Kommunikation (Hormone) • der Abwehr (z. B. durch Vasodilatation bei lokalen Entzündungen) • der Temperaturregulation • der Formprägung und anderen mechanischen Aufgaben • der Blutstillung

£ Übersicht. In dem vereinfachten Schema der

Abb. 2.19 strömt das venöse, aus der Peripherie kommende Blut in den rechten Vorhof und wird aus diesem in die rechte Kammer gesaugt und zu einem geringeren Teil (ca. 30 %) auch gepumpt. Die Kontraktion der rechten Kammer befördert nach dem Verschluss der Vorhofkammerklappe das venöse Blut durch die Lungenarterien in den Lungenkreislauf. Der CO2-Partialdruck sinkt hier von ca. 46 mmHg auf 40 mmHg. Nachdem in den Lungen außerdem der Sauerstoff aufgenommen wurde, strömt das arterielle Blut durch die Lungenvenen in den linken Vorhof. Von hier wird es wie aus dem rechten Vorhof schubweise in die linke Kammer gesaugt und gepumpt. Von dieser wird es nach Verschluss der linken Vorhofkammerklappen durch die Aorta, die Hauptschlagader des Körpers, in den Körper zur Versorgung der verschiedenen Organe bzw. Körperteile geleitet. Von dort strömt es durch die großen Körpervenen wieder dem rechten Vorhof zu. £ Ein Teil der Gewebeflüssigkeit, Lymphe, wird durch eigene Gefäße, die Lymphkapillaren und Lymphgefäße, Vasa lymphatica, gesammelt und weiter herzwärts den Körpervenen zugeführt (Lymphkreislauf). In den Verlauf der Lymphgefäße sind stellenweise Lymphknoten, Nodi lymphatici, als „Filter“ eingeschaltet.

2.3 Herz-Kreislauf-System

2.3.1.2

51

Großer und kleiner Kreislauf

obere Körperhälfte

Die Untergliederung des Kreislaufs in einen großen oder Körperkreislauf und einen kleinen oder Lungenkreislauf wird durch das Auftreten der Lungen und der mit der Bildung der Herzsepten verbundenen Teilung in ein linkes (arterielles) und rechtes (venöses) Herz vorgenommen (Abb. 2.19).

Lunge

Der große Kreislauf hat die Aufgabe, Nährstoffe und Sauerstoff in den Körper zu transportieren. Er beginnt in der linken Kammer und endet in der rechten Vorkammer.

Foramen ovale

Jedes der beiden Teilherzen empfängt die Venen des anderen. Beide Herzen müssen daher pro Zeiteinheit exakt die gleiche Menge Blut auswerfen, um eine Stauung zu vermeiden. Systole und Diastole. Man unterscheidet die Systole und Diastole der Vorhöfe und der Kammern, die zeitlich versetzt erfolgen (s. Kap. 10.7.1.7, S. 873). Ist es nicht näher erläutert, so meint Systole die Systole der Kammern. Die Systole ist die Kontraktionsphase des Herzens bzw. seiner Teile, die nach der Diastole (Erschlaffungsphase) erfolgt.

rechte Kammer

rechter Vorhof

Der kleine Kreislauf ist für den O2/CO2-Austausch in der Lunge verantwortlich. Er beginnt in der rechten Kammer und endet im linken Vorhof.

Ductus arteriosus

linker Vorhof

linke Kammer

Leber

Darm

Ductus venosus Körper

2.3.1.3

Pfortaderkreislauf

Er ist in den Körperkreislauf eingeschaltet. Die Pfortader, V. portae, sammelt das mit Nährstoffen angereicherte Blut aus den unpaaren Bauchorganen und transportiert es zur Leber (s. Kap. 12.2.3.3, S. 954).

2.3.1.4

Pränataler Kreislauf

Besonderheiten. Über die Placenta werden aus dem mütterlichen Blut Sauerstoff und Nährstoffe vom kindlichen Blut aufgenommen und Stoffwechselendprodukte abgegeben. Um dem mütterlichen Hämoglobin in hinreichender Menge Sauerstoff entziehen zu können, besitzt das Blut

Aa. umbilicales

V. umbilicalis

Plazenta

Abb. 2.20: Schematische Darstellung des fetalen Kreislaufs. Die Strichstärke symbolisiert die relative Blutmenge, die Farbe den Grad der arteriellen Sättigung: blau = venös, rot = arteriell, magenta = arterielles Mischblut, lila = venöses Mischblut. Die benannten Kreise geben die Kurzschlüsse/Anastomosen wieder. Für weitere Bezeichnungen s. Abb. 2.19

2 Allgemeine Anatomie

52

des Kindes vor der Geburt ein Hämoglobin mit einer höheren Sauerstoffaffinität. Zu den besonderen vorgeburtlichen Kreislaufbedingungen gehört auch, dass die Lungengefäße vorgeburtlich angelegt sind, jedoch noch nicht voll perfundiert werden müssen. Da in utero die Lunge noch nicht tätig sein kann, erfolgt die Sauerstoffsättigung (Arterialisierung) über die Plazenta. Shunts Der fetale Kreislauf besitzt 3 Shunts, da die Versorgung des Organismus nicht aus Lunge und Darm, sondern aus der Plazenta erfolgt und mit der Geburt schlagartig umgestellt werden muss. £ Ductus venosus. Das von der Plazenta in

einer Vene durch die Nabelschnur kommende Blut wird über die V. umbilicalis auf die Vena portae zu- und zum überwiegenden Teil durch einen Shunt an ihr vorbeigeleitet zur unteren Hohlvene. Eine vollständige Durchströmung der Leber mit dem Blut aus der Plazenta ist nicht sinnvoll, da der Widerstand des Kapillargebietes zu hoch wäre. Das nährstoffreiche Blut würde zudem zu einer Mast der Leber führen. Dieser Kurzschluss zur unteren Hohlvene ist der Ductus venosus (Arantii), der über einen „Sphinkter“ die Menge des der Leber zufließenden Plazentablutes regelt. £ Foramen ovale. In der unteren Hohlvene wird das arterielle Blut mit dem venösen Blut der unteren Körperhälfte vermischt. Dieses überwiegend arterialisierte Mischblut wird zum größten Teil durch die Valvula venae cavae inferioris (Eustachii) auf das Foramen ovale in dem Vorhofseptum gelenkt. Der Rest vermischt sich mit dem venösen Blut der oberen Hohlvene und gelangt in die rechte Kammer. £ Ductus arteriosus. Aus dem linken Vorhof gelangt das Blut in die linke Kammer und weiter in die Aorta. Das Blut der rechten Kammer strömt in den Truncus pulmonalis und über den Ductus arteriosus (Botalli) in die Aorta. Der Ductus mündet nach Abgang der Gefäße zum Kopf und Arm in den hinteren Teil des Aortenbogens. Kopf und obere Extremitäten erhalten daher sauerstoffreicheres Blut. Nach Einmündung der Ductus arteriosus liegt die Sauerstoff-

sättigung bei 60%. Aus der A. iliaca interna stammt beidseits die A. umbilicalis (Abb. 2.20). Umstellung bei der Geburt £ Hämoglobin. Schon vor der Geburt beginnt

der Austausch der Erythrozyten, die das fetale Hämoglobin tragen. Ihr Zerfall erreicht wenige Tage nach der Geburt einen Höhepunkt. £ Der Ductus venosus schließt sich nach der Geburt mangels weiterer Blutzufuhr. Die Nabelvene obliteriert (Lig. teres hepatis). £ Das Foramen ovale schließt sich mit den ersten Atemzügen durch den Druckabfall rechts und den Druckanstieg links (vermehrte Blutzufuhr aus der Lunge) mit einem Klappenmechanismus (Septum primum). Die Valvula venae cavae inferioris wird funktionslos. £ Der Ductus arteriosus verschließt sich durch die Strömungsumkehr, die den ersten Atemzügen folgt. Die Strömungsumkehr tritt ein, weil der Widerstand in den Lungengefäßen deutlich unter den Widerstand des übrigen Kreislaufes fällt. Der vollständige Verschluss sollte in wenigen Tagen nach der Geburt eingetreten sein. Anschließend obliteriert das Gefäß (Lig. arteriosum Botalli). Die rechte Kammer versorgt fortan nur noch ein Kapillargebiet und das Verhältnis der bis dahin annähernd gleichstarken Kammerwände verschiebt sich zu Gunsten eines stärkeren linken Ventrikels.

2.3.1.5

Uteroplazentarer Kreislauf

(s. Kap. 3.4.2.1, S. 136)

2.3.2

Gefäße

2.3.2.1

Aufgaben und Einteilung des Gefäßsystems

Die vom Herzen zu den Organen ziehenden Blutgefäße (Arterien) werden als Puls- oder Schlagadern bezeichnet. Die kleinsten Arterien teilen sich in Arteriolen. Die das Blut zum Herzen zurückführenden Gefäße sind die Blutadern, Saugadern oder Venen. Die Venen entstehen aus Venolen. Zwischen Arteriolen und Venolen sind die Haargefäße (Kapillaren, capillus = Haar) eingeschaltet. Sie dienen dem

2.3 Herz-Kreislauf-System

Stoff- und Gasaustausch mit den Geweben und bilden, je nach Blutbedarf des Organs, ein engeres oder weiteres, verschieden geformtes Netzwerk (Kapillarbett). Namensgebung. Der Name Arterie stammt möglicherweise von „aér“ (Luft) und „teréo“ (ich enthalte), da im Altertum Schlagadern für Luftleiter gehalten wurden. Schlagader heißen sie, weil an einigen von ihnen das Schlagen des Herzens, der Puls, gefühlt werden kann. Der Wortstamm für Vene, „vehere“ bedeutet führen. Allgemeines. Die Aufgaben der Gefäßabschnitte müssen zusammen mit dem Inhalt betrachtet werden. So sind bei Verletzungen sowohl das Blut als auch die Gefäße mit eigenen Mechanismen an der Blutstillung beteiligt. Das Gefäßsystem besitzt ein (beschränktes) Regenerationspotenzial. Die Ausbildung einer Vaskularisation (Gefäßmuster z. B. eines Gewebes oder Organs) wird dabei nicht nur durch endogene morphogenetische (gestaltbildende) Faktoren, sondern auch durch mechanische Bedingungen geprägt.

2.3.2.2

Allgemeiner Wandbau

Die Gefäßwand besteht aus 3 Schichten: einer inneren (Tunica intima, Intima), mittleren (Tunica media, Media oder Muscularis) und äußeren Schicht (Tunica externa, Adventitia). Von diesem prinzipiellen Bau gibt es je nach Gefäßart und in verschiedenen Organen oder Geweben Abweichungen und Modifikationen einzelner Anteile. Dies dient der Anpassung an die jeweiligen Erfordernisse. Wandschichten £ Tunica intima (Intima). Sie besitzt ein Endo-

thel und eine dünne Membran aus Bindegewebsfasern (Stratum subendotheliale).

Bei Arterien verdichtet sich das Stratum subendotheliale an der Grenze zur Media zur Membrana elastica interna. Bei Kapillaren ist die Intima die einzige vorhandene Schicht. Ihr aufgelagert finden sich hier Perizyten.

53

Diese Zellen sind neben Endothel und Basalmembran an den verschiedenen BlutGewebe-Schranken beteiligt (s. z. B. Gehirn, Thymus, Hoden). £ Tunica media (Media). Sie enthält vorwiegend

spiralig angeordnete glatte Muskelzellen, zwischen denen je nach Bedarf Elastin, Kollagen (Typ I und III) und Proteoglykane vorkommen. An der Grenze zur Adventitia findet sich, besonders bei größeren Gefäßen, oft eine Membrana elastica externa. Die Media dient der Tonusregulation, d. h. sie passt die Wandspannung den Druck-Erfordernissen sowie der Transportrichtung des Blutstroms an. Zu diesem Zweck ist sie sympathisch adrenerg (im Genitalapparat auch parasympathisch cholinerg) innerviert (VNS). Weitere Faktoren der Tonusregulierung sind die myogene Reaktion auf Druck (BaylissEffekt), lokale metabolische Faktoren, Hormone sowie endotheliale Faktoren (s. o.). Ein Teil der Muskelzellen ist metabolisch aktiv (Phagozytose). Unter pathologischen Bedingungen (z. B. Arteriosklerose) kann sich dieser Zelltyp vermehren. £ Tunica externa (Adventitia). Diese besteht aus lockerem Bindegewebe und enthält kollagene und elastische Netze. Sie stellt die Verbindungsschicht der Gefäßwand zur Umgebung dar und vermittelt den Einbau der Gefäße in umgebende Strukturen. Dies ist für die Mechanik der Gefäße bedeutend. Einerseits wird das Gefäß umschlossen und abgegrenzt, andererseits die Umgebung in die Bestimmung des Gefäßes mit einbezogen. Bindegewebszüge können aus der Umgebung in die Adventitia ziehen, zum Zwecke, das Lumen der Venen offen zu halten (V. cava inferior und Foramen v. cavae des Diaphragmas). £ Vasa vasorum. In den größeren Arterien und vielfach auch in größeren Venen (Vv. cavae, Venen des Urogenitalsystems) finden sich kleine Gefäße für die Ernährung der Gefäßwand. In den Arterien kommen sie gewöhnlich nur in der Adventitia vor, da die Intima und innere Teile der Media durch Diffusion vom Blutstrom aus versorgt werden. Klinik: 1. Freies NO senkt über eine Aktivierung der Guanylat-Zyklase (Erhöhung des intrazellulären c-GMP-Spiegels) den Tonus glatter Gefäßmuskelzellen. Substanzen, die in

2 Allgemeine Anatomie

54

der Lage sind, NO in der Strombahn abzugeben (z. B. Molsidomin oder Nitrate), werden daher zur raschen Erweiterung der Gefäße (z. B. bei Angina pectoris) eingesetzt. Damit wird die Vorlast des Herzens (venöser Blutrückstrom) und der arterielle Widerstand (Nachlast) gesenkt. Der Effekt ist dabei venös ausgeprägter als arteriell. 2. Bei der Arteriosklerose stehen neben den Initimaveränderungen histopathologische Mediaveränderungen im Vordergrund. Dabei stimulieren Mediatoren aus Thrombozyten, die an der geschädigten Intima haften, die Proliferation der Media-Myozyten. Diese phagozytieren zudem bei den familiären Hypercholesterinämien das vermehrt im Blut auftretende LDL (Low density Lipoprotein, ein stark cholesterinhaltiges Lipoprotein). Die für Lipoproteine pathologische Durchlässigkeit des Endothels kann auch durch andere arteriosklerotische Risikofaktoren ausgelöst werden.

2.3.2.3

Mechanik des Gefäßsystems

Die Gefäße sind ein System dehnungs- und kontraktionsfähiger, lebender Röhren, die sich der Herzarbeit und dem Blutbedarf der Organe unter Berücksichtigung externer Bedingungen in optimaler Weise anpassen können. £ Blutverteilung und Anpassung des Kreislaufs

an die Bedürfnisse des Organismus. Sie erfolgt im Sinne der Ökonomie sowohl durch das Herz, als auch durch die Arterien, Venen und das Kapillarbett. Der Kreislauf ist darauf eingestellt, bei möglichst geringer Herzarbeit den jeweiligen Blutbedarf der einzelnen Teile des Körpers sicherzustellen. Dafür existieren vier unterschiedlich schnell wirkende Mechanismen.

• Gefäßregulation. Ruhende Organe werden weniger durchblutet als tätige. Die Arterien und Venen setzen dazu durch Weiterstellung des Lumens den Strömungswiderstand herab, oder durch Verengung herauf. Die Kapillaren können auch erweitert und verengt sein (es handelt sich um aktive und passive Mechanismen), zeitweise funktionslos bleiben und ihre Funktion bei Bedarf wieder aufnehmen. Entsprechend wird ihre Austauschfläche in den Geweben und damit

der Stoffaustausch vergrößert bzw. verkleinert. Im Notfall (relativer oder absoluter Blutvolumenverlust) werden nur die überlebenswichtigen Organe im Sinne einer „Zentralisation des Kreislaufs“ durchblutet. • Die zirkulierende Blutmenge wird dem Bedarf angepasst. Ein Teil des Blutes in den Organen fließt in Ruhe sehr langsam und kann bei akut erhöhtem Bedarf rasch mobilisiert werden. Der größte Blutspeicher dieser Art ist die Lunge (bis zu 500 ml mobilisierbar). • Erythrozytenproduktion. Bei langfristig erhöhtem Bedarf an Sauerstofftransportkapazität (geringerer O2-Partialdruck im Gewebe, Höhenluft) helfen solche kurzfristigen Mechanismen nicht und es werden mehr Erythrozyten produziert. • Das Herz kann seine Förderleistung, die Menge des pro Minute bewegten Blutes (Herzminutenvolumen = HMV), steigern. Gesteuert wird diese Anpassung sowohl zentral durch Nerven und Hormone, als auch lokal durch Stoffwechselprodukte sowie durch auto- und parakrine Hormonsysteme. Damit ist eine Anpassung an den individuellen Bedarf des jeweiligen Organs oder Gewebes wie des Gesamtorganismus möglich. Lokale und übergeordnete Erfordernisse stehen dabei in einem Wechselspiel. Beispielsweise wird bei geringer Umgebungstemperatur die Hand wegen des großen Wärmeverlustes in diesem Gebiet (große Oberfläche bei geringem Volumen) vorübergehend unter Bedarf durchblutet. Das zunehmende Defizit erzwingt nach einer gewissen Zeit über lokale Regulationsmechanismen eine vermehrte Durchblutung. Klinik: Seitenstechen ist ein unter körperlicher Belastung vor allem bei Jugendlichen auftretender stechender Schmerz unterhalb des Rippenbogens. Meist wird er links, manchmal beidseitig oder auch nur rechts wahrgenommen. Er geht mit akut erhöhter Sauerstoffausschöpfung in der Muskulatur einher. Bei Fortführung der Tätigkeit (z. B. Laufen) in vorwärtsgebeugter Haltung mit verminderter Anstrengung oder kurzfristigem Aussetzen verschwindet der Schmerz rasch. Als Ursache werden verschiedene Erklärungen angeführt. Die wichtigsten gehen von Blutumverteilungen aus, wodurch kurzfristig mehr Sauerstoffträger zur Verfügung gestellt werden sollen. Angeführt

2.3 Herz-Kreislauf-System

wird eine Reizung von Schmerzrezeptoren in der Milz- oder Leberkapsel. Diese könnte durch eine Blutumverteilung nach Belastungsbeginn erklärt werden, da oftmals Nahrungsaufnahme mit entsprechender Durchblutungssituationen im Bauchraum vorausgeht. Die Milz- oder Leberkapsel haben keine Muskelzellen, so dass sie sich nicht zusammenziehen können. Hingegen enthält die A. lienalis in ihren ausgiebigen Schlängelungen ein Blutreservoir, dass bei einer Kontraktion der Gefäßmedia zur Verfügung gestellt werden kann. Dieser Krampf könnte ebenfalls Seitenstiche erklären. £ Mechanische Aufgaben. Gefäße erfüllen über

die Transportfunktion hinausgehend mechanische Aufgaben. Dazu gehören

• die Aufhängung der Darmschlingen im Gekröse durch die Mesenterialgefäße • der Verschluss der Cardia gegen den Magen als Refluxhemmung durch den dort befindlichen Venenplexus • die Gasabdichtung des Anus durch das Corpus cavernosum recti • die Beteiligung der Herzkranzgefäße an der Dilatation der Ventrikel in der Kammerdiastole • die Funktion von Schwellkörpern z. B. der Genitalorgane • die Beteiligung der Spiralarterien an dem Pupillenspiel.

2.3.2.4

Blutdruck

£ Hoch- und Niederdrucksystem. Im Abschnitt

von der linken Herzkammer bis zu den kleinen Arterien hin herrscht ein mittlerer Blutdruck von ca. 13 kPa (100 mmHg), der durch die Herzarbeit aufrecht erhalten wird (Hochdrucksystem). Im Gegensatz dazu liegt im Lungenkreislauf ein mittlerer Druck von ca. 2,7 kPa (20 mmHg, Niederdrucksystem) vor. Zum Niederdrucksystem zählt man außerdem das venöses System und das Herz (Achtung: linke Kammer nur in der Diastole).

Zum Hochdrucksystem gehören die Arterien des Körperkreislaufes und die linke Herzkammer in der Systole.

55

£ Windkessel. Die linke Herzkammer treibt wäh-

rend der Systole das Blut in die Aorta. Dabei wird besonders der stark elastische Anfangsteil der Aorta im Sinne eines Windkessels gedehnt und dabei in ihm Energie gespeichert. Ein Windkessel ist ein Reservoir, in dem über die Verdichtung eines Luftpolsters die zuführende pulsierende Strömung von dem möglichst kontinuierlichen Fluss in den abhängigen Leitungen ferngehalten wird. In Blutgefäßen übernehmen die elastischen Fasern die Aufgabe des Luftpolsters. Beim Nachlassen der dehnenden Kraft, also mit dem Aufhören der Kammersystole, bewegt die in der elastischen Aortenwand gespeicherte Kraft das Blut weiter. Auf diese Weise wird der diskontinuierliche Blutstrom in einen mehr kontinuierlichen Fluss umgewandelt. Die Ausweitung und nachträgliche Kontraktion des Anfangsteiles der Aorta läuft von dort wellenförmig über die übrige Aorta und die mittelstarken Arterien. (s. Kap. 2.3.3, S. 67) £ Druckgefälle. Mit der immer stärker werdenden Verzweigung der Arterien wird die Summe der Wandflächen und damit der Reibungswiderstand größer. Gleichzeitig nimmt auch der Gesamtquerschnitt aller Gefäße zu. Querschnittsvergrößerung und erhöhter Reibungswiderstand setzen die Strömungsgeschwindigkeit herab. Sie ist in den Kapillaren am kleinsten. So wird hier intensiver Stoffaustausch mit den Geweben ermöglicht. Der mittlere Blutdruck fällt von der Aorta peripheriewärts zunächst allmählich, in den den Kapillaren vorgeschalteten Arteriolen (Widerstandsgefäße) besonders stark ab. £ Venöser Rückstrom. Das geringe Druckgefälle in den Venen allein genügt nicht, das Blut dem rechten Vorhof zuzuführen. Unterstützend wirken deshalb der intrathorakale Sog und die Ventilebene des Herzens (vor allem bei herznahen Venen). Weitere Rückstrom fördernde Mechanismen sind Kontraktionen der Venenwand durch Minisphinkteren, die Venenklappen, die arteriovenöse Kopplung (Abb. 2.21) und in den unteren Körperabschnitten die Kontraktionen benachbarter Muskeln (Muskelpumpe) sowie die Bewegungen verschiedener Körperteile. Nicht zuletzt spielt auch noch der nach der Passage des Kapillarbetts verbliebene Blutdruck von ca. 2 (3,3–0) kPa (15 (25–0) mmHg) eine Rolle.

2 Allgemeine Anatomie

56

2.3.2.5

gemeinsame Scheide

Verteilung des Blutes im Blutgefäßsystem

£ Blutvolumina. Das arterielle Hochdrucksystem

enthält etwa 12–15 % des Blutvolumens.

Als zentrales Blutvolumen wird die Blutmenge in den Lungengefäßen und der linken Herzhälfte bezeichnet (20 %). Der Thorax fasst insgesamt 30 % des Blutes. Venenklappe Vene

Vene

Arterie

Abb. 2.21: Venenklappen und Prinzip der arteriovenösen Kopplung. Links: Längs aufgeschnittene Vene mit Klappen unterhalb von einmündenden kleineren Venen. Rechts: Schematische Darstellung der arteriovenösen Kopplung. Dabei werden die Begleitvenen (stark punktiert) einer Arterie durch die Volumenschwankungen der Arterie bei den Pulswellen rhythmisch komprimiert, da sie in einer gemeinsamen, nicht dehnbaren Bindegewebsscheide eingefasst sind und nicht ausweichen können. Die Blutsäule in den Venen bewirkt, dass die im venösen Blutstrom distalen (herzferneren) Klappen geschlossen und die proximalen für den Blutfluss geöffnet werden (Pfeile). Die gemeinsame Scheide ist symbolisch nur an einem Stück der Gefäße und im Querschnitt darüber dargestellt

Der Förderung des venösen Rückstroms dienen neben dem Druckgefälle die Venenklappen, die arteriovenöse Kopplung, die Muskelpumpe, der intrathorakale Sog und der Saugmechanismus des Herzens. Klinik: Bei einer Luftembolie dringt Luft in den Kreislauf. Die Bläschen verursachen eine Verlegung von kapillären Gefäßgebieten (z. B. in Lunge, Gehirn, Herz). Ursache ist das Druckgefälle zwischen Luft und Blutkreislauf. Dies ist vor allem bei eröffneten Gefäßen im Bereich des Niederdrucksystems möglich, etwa während neurochirurgischer Operationen mit hochgelagertem Oberkörper oder bei Halsverletzungen. Andere Möglichkeiten sind z. B. Lungenoperationen, Pneumothorax, Überdruckbeatmung, Explosionen oder Angiographien.

Die Venen enthalten 65 % des Blutes und werden daher Kapazitätsgefäße genannt. £ Regulation. Die Blutfülle der einzelnen Gefäß-

gebiete hängt von vielen Faktoren ab. An den Akren (Körperendigungen wie Füße, Finger oder Nase) geht beispielsweise aufgrund des schlechten Verhältnisses von Oberfläche zu Volumen rasch viel Wärme verloren. Daher ist hier die Durchblutungsregulation sehr ausgeprägt. Bei hohen Außentemperaturen fließt durch die Hände 30 mal mehr Blut als bei Kälte. Blut und Gefäße wirken hier zusammen als Heizungs- und Kühlsystem.

Klinik: Bei einer Linksherzinsuffizienz staut sich das Blut in der Lunge und der durch den Druckanstieg bedingte Flüssigkeitsaustritt verursacht klinisch zunehmende Dyspnoe bis zum schaumigen Sputum und Zyanose. Eine solche abnorme Ansammlung seröser Flüssigkeit (Transsudat) im Interstitium des Lungengewebes bezeichnet man als Lungenödem.

2.3.2.6

Rezeptoren in den Gefäßwänden

£ Osmozeptoren finden sich z. B. in Zellarealen

des Hypothalamus (Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis) sowie in der Leber. Sie registrieren minimale Abweichungen der Plasmaosmolarität. £ Chemozeptoren sind stark vaskularisierte und innervierte Strukturen an der Teilungsstelle der A. carotis (Glomus caroticum) und im Aortenbogen (Glomus aorticum). Sie registrieren einen Abfall des arteriellen pO2, einen Anstieg des arteriellen pCO2 und einen Anstieg der arteriellen H-Ionen-Konzentration. £ Barorezeptoren finden sich in der Wand der Aorta und im Karotissinus. Es handelt sich um

2.3 Herz-Kreislauf-System

Dehnungsrezeptoren. Die Dehnung der Gefäßwände in Folge einer Blutdruckerhöhung führt zu ihrer Aktivierung. £ Atriales natriuretisches Peptid (ANP). Spezielle Myozyten der Herzvorhöfe registrieren eine Vorhofdehnung und sezernieren ANP in das zirkulierende Blut. ANP-bildende Zellen kommen auch in Gehirn, Aortenbogen, Nebenniere und Niere vor. Durch Steigerung der Natriurese und Diurese sowie durch eine Gefäßdilatation wird der arterielle Druck gesenkt.

2.3.2.7

Nervöse Versorgung

Die Innervation der Gefäßmuskulatur erfolgt durch das vegetative Nervensystem über die Adventitia. In der Adventitia können zusätzlich Spannungsrezeptoren vorhanden sein. Vegetative Fasern sind bis in das Kapillargebiet nachweisbar.

2.3.2.8

Endo- und parakrine Regulatoren

Blutfluss-abhängiger Scherstress hat einen wesentlichen Einfluss auf die kontraktile Aktivität der Gefäßmuskulatur. Mit steigender Flussrate wird zunehmend ein endothelialer Faktor (EDRF, s. o.) freigesetzt, der die Muskelzellen entspannt und damit für eine Lumenweitstellung sorgt. Vasodilatorisch wirken außerdem Histamin, Adrenalin (über β-adrenerge Rezeptoren), diverse Stoffwechselendprodukte, geringer pO2, hoher pCO2 bzw. geringer pH und Temperaturerhöhung. Vasokonstriktorisch wirken z. B. Adrenalin (über α-adrenerge Rezeptoren, Noradrenalin, Endothelin und Angiotensin II).

2.3.2.9

Anordnung, Verlauf und Dehnbarkeit der Gefäße

Die großen Nervenstämme verlaufen vor allem an den Extremitäten oft mit den größeren (subfaszialen) Gefäßen (sog. Leitungsbahnen). £ Gefäß-Nervenstraßen. Die Zusammenlage-

rung von Gefäßen und Nerven zu einem Strang ermöglicht einen Schutz, vorzugsweise vor Schädigungen durch körpereigene Bewegungen. Sie werden durch eine gemeinsame, bindegewebige Gefäß-Nervenscheide zusammengehalten. Diese Scheide kann sehr ausgeprägt sein (z. B.

57

am Hals). Nicht selten laufen sie dabei über längere Strecken parallel zu einem Muskel (Leitmuskel), der das Aufsuchen im Körper erleichtert. w Paarige vv. comitantes. Die meisten Extremitä-

ten-Arterien werden von paarigen Begleitvenen begleitet. w Singuläre v. comitans. Die großen Arterien (z. B. A. iliaca ext., A. femoralis, A. poplitea) haben gewöhnlich nur eine Begleitvene. w Vv. subcutaneae. Hautvenen verlaufen ohne Arterien. Sie liegen unter der Haut auf der Faszie und werden häufig von oberflächlichen Lymphgefäßen begleitet. Diese Venen sind sehr variabel in ihrem Verlauf und anastomosieren oft mit tiefer gelegenen Begleitvenen. Dabei ist die Blutflussrichtung durch Klappen nach innen gerichtet. Klinik: Entzündungen können sich in vorgeformten Bindegewebsräumen infiltrativ ausdehnen (Phlegmone). Ursache sind vielfach hämolysierende Streptokokken. Entlang einer Gefäßnervenstraße können sich Phlegmone rasch über große Strecken ausbreiten. £ Verlauf von Gefäß-Nervenstraßen. Gefäße

und Nerven verlaufen an Extremitäten typischerweise über die Beugeseite der Gelenke, um bei Beugung nicht überdehnt zu werden. Wichtig ist dabei der Bezug zur Bewegungsachse. In Bereichen, wo große Flächen oder Räume unbeweglicher sind (z. B. Kopf), wirkt dieses ordnende Prinzip weniger. Die Gefäße wählen i. d. R. den kürzesten Weg zum Erfolgsorgan. Wenn sie einen langen Weg zurücklegen müssen, ist das meist durch Verlagerungen während der Entwicklung zu erklären. Beispiele:

• Die Keimdrüsen, die ursprünglich in der oberen Lenden- und unteren Thoraxgegend angelegt wurden (Urnierenderivate), beziehen ihre Arterien (Aa. testiculares sive ovaricae) direkt aus der Bauchaorta. • Untere Extremität. Weichen die Hauptstämme von Gefäßen und Nerven von der Regel eines gemeinsamen Verlaufs (über die Beugeseite) ab, so ist vielfach ein im Laufe der Evolution geänderte Gelenknutzung (z. B. bei der Aufrichtung des Menschen) die Ursache. Arterien können sich – anders als Nerven – rückbilden und Kol-

2 Allgemeine Anatomie

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lateralen, die günstiger liegen, die Aufgabe übernehmen. So findet sich die Hauptschlagader des Menschenbeines rumpfnah nicht beim N. ischiadicus, sondern die A. femoralis hat diese Aufgabe übernommen. • Verlagerung. Bei der Beugung werden die Gefäßstämme durch Zug des umgebenden Bindegewebes so verlagert, dass sie weniger abknicken, als es der Winkel des gebeugten Gelenkes impliziert. Das Beispiel der A. poplitea zeigt, dass dennoch die mechanische Belastung in Gelenknähe bei Arterien eine Prädilektion für degenerative Veränderungen ist. • Bei beweglichen oder verschieblichen inneren Organen und bei Knochen lagern sich die Leitungsbahnen im Zentrum oder der Achse der Bewegung zusammen, um an dieser Stelle gemeinsam in das Organ einzutreten (Hilum).

w Dichotom. Teilt sich der Hauptstamm in 2 etwa

gleich starke Äste, so spricht man von dichotomischer Teilung. Diese muss nicht angelegt sein, sondern kann, wie bei den Iliakalarterien, die Aufweitung von monopodialen Ästen (hier segmentalen Ästen) im Rahmen funktioneller Änderungen sein. w Die Aufzweigung eines Gefäßes in ein Büschel kleinerer Gefäße ist nur in wenigen Organen verwirklicht (Pinselarteriolen der Milz). Klinik: Stumpfwinklige Gefäßabgänge sind ungünstige Blutstrom-Richtungsänderungen. Hier entstehen häufiger Verwirbelungen. Bei Arterien sind dies Prädilektionsstellen arteriosklerotischer Plaques (z. B. kraniale Abgänge aus dem Aortenbogen); bei Venen kann es Stauungen und damit Varizenbildungen geben.

£ Gefäßvarietäten sind sehr häufig und meist aus

der Entwicklungsgeschichte zu erklären. Die Vielfalt ist groß, aber begrenzt durch Variationen der Neu-, Um- und Rückbildungprozesse in der frühen Embryonalphase. Im Allgemeinen sind die Arterien in ihrem ganzen Verhalten (Größe, Verlauf usw.) konstanter als die Venen. Die Arterien und Venenstämme sind am Anfang in dem frühen Gefäßnetz des Embryos nicht differenziert. Sie treten erst allmählich daraus hervor, wenn sie an Volumen zunehmen. Die Stämme sind in erster Linie erblich bedingt, die Details sind Anpassungen an die Funktionen. £ Altersveränderungen. Venen können leichter als die Arterien gedehnt werden. Arterien sind besonders in der Länge, Venen in der Quere dehnbar. Lässt die Dehnbarkeit der Arterien im Alter nach, so zeigt sich eine stärkere Schlängelung z. B. die oft gut sichtbaren Aa. temporales superficiales bei älteren Menschen. £ Gefäßverzweigungen. Die Gefäße verzweigen sich nach drei wesentlichen Mustern. Die Gefäßverzweigungen folgen dabei wesentlich den hämodynamischen Anforderungen des Blutstroms. Das Blut soll mit geringstem Energieverlust verteilt werden. Dazu gehört die Vermeidung von Verwirbelungen. Scharfe Knicke fehlen daher weitgehend. w Monopodial. Ein Hauptstamm gibt zahlreiche

kleinere Arterien ab. Die Gefäße gehen des Öfteren in spitzem, seltener in rechtem und stumpfen Winkel vom Hauptstamm ab.

2.3.2.10 Arterien und Arteriolen Nach dem Aufbau unterscheidet man Arterien vom elastischen und muskulären Typ (Abb. 2.22). Der Übergang ist kontinuierlich. Nach der Größe teilt man die Arterien formal in große, mittelgroße, kleine und präkapillare Arterien (Arteriolen, s. u.) ein. Dabei haben Arterien gleicher Größe keinesfalls immer gleiche Aufgaben. Diese hängen vielmehr vom Organ oder Gewebe ab.

2.3.2.10.1 Arterien vom elastischen Typ Zum elastischen Typ gehören die großen herznahen Gefäße (Aorta, Truncus brachiocephalicus, A. carotis communis, Truncus pulmonalis usw.), jedoch nicht die Aa. coronariae, da sie (besonders links) vermehrt in der Diastole durchblutet werden und daher die oben beschriebene, zur Systole gehörende Funktion nicht erfüllen (s. Kap. 2.3.2.5, S. 56). Die Gefäße vom elastischen Typ haben eine Windkesselfunktion und werden auf Dehnung beansprucht. Sie zeigen im Gegensatz zu den mittleren Gefäßen eine dickere Intima, keine besonders ausgeprägte Elastica interna und in der Tunica media zahlreiche gefensterte, elastische Membranen.

2.3 Herz-Kreislauf-System

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2.3.2.10.2 Arterien vom muskulären Typ Mit der Entfernung vom Herzen prägt sich der muskuläre Typ stärker aus. Wandschichten. Wir unterscheiden 3 Wandschichten, die bei den mittelgroßen Gefäßen am deutlichsten ausgeprägt sind (Abb. 2.22). £ Tunica interna (Intima). Sie besteht neben a

b

c

Abb. 2.22: a. Arterie vom elastischen Typ. b. Arterie vom muskulären Typ. c. Vene. Man beachte die unscharfe Abgrenzung von Media und Adventitia bei der Vene

Klinik: 1. Die häufigste Krankheit der Arterien ist die Arteriosklerose. Sie wird u. a. als Störung des Lipidstoffwechsels in der arteriellen Intima charakterisiert (Atherosklerose). Es handelt sich jedoch um einen Sammelbegriff verschiedener pathogenetischer Veränderungen. Dabei kommt es im Endstadium zur Ablagerung von Kalziumkonkrementen. Dies stört z. B. die Windkesselfunktion. 2. Die geschwächte Wand kann auch aneurysmatisch werden. Die meisten Komplikationen sind organbedingt und oftmals Folge der Lumeneinengung (z. B. Angina pectoris, Infarkt, Claudicatio intermittens, Gangrän).

den Endothelzellen aus feinen, elastischen und kollagenen Fasern. Sie wird vorwiegend in Strömungsrichtung beansprucht, weshalb die Strukturelemente vorwiegend in Längsrichtung angeordnet sind. Die Membrana elastica interna bildet die Grenze gegen die Tunica media. £ Tunica media (Media). Diese ist auf Dehnung und Pulsation eingestellt. Sie besteht aus einer dicken Lage flach-schraubenförmig verlaufender, glatter Muskelzellen. Die Membrana elastica externa bildet die Grenze gegen die Tunica externa. £ Tunica externa (Adventitia). Hier sind vorwiegend längs verlaufende elastische und kollagene Fasern in Form eines Scherengitters angeordnet. Sie müssen den pulsatorischen Volumenschwankungen nachgeben können. Alle elastischen Fasern der Gefäßwand bilden mit den elastischen Fasern der Umgebung zusammen ein Raumgitter.

2.3.2.10.3 Rankenarterien, Aa. helicinae Rankenarterien sind geschlängelte Arterien in Organen, die großen Volumenschwankungen unterworfen sind (Genitalapparat) oder an Orten, wo die Gefäße stark bewegt werden (einige Gesichtsbereiche). Diese Schlängelungen bilden Reservelängen, z. B. bei der A. facialis (Kaubewegung). Diese Deutung klärt aber nicht alles auf, da beispielsweise die seitlich am Uterus verlaufende A. uterina am Ende der Schwangerschaft (also bei stärkster Ausdehnung des Uterus) nach wie vor geschlängelt ist. Die Hämodynamik liefert hier wahrscheinlich eine weitere Erklärung. Bei der ebenfalls stark gewundenen A. splenica (lienalis) ist diese Schlängelung gleichfalls nicht etwa Folge der Atemverschieblichkeit, sondern (vermutlich) ein Rudiment der Blutspeicherfunktion, die die Milz mangels Muskelzellen beim Menschen nicht mehr ausübt (statt dessen größeres Volumen der Arterie durch Längenreserve).

2 Allgemeine Anatomie

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2.3.2.10.4 Arteriolen

Wandschichten. Ihre Wand besteht lumenwärts aus einer Endothelschicht (Abb. 2.23). Die untereinander durch Zellverbindungen (tight junctions, gap junctions, selten Desmosomen) verknüpften platten Endothelzellen (0,1–1 µm Dicke) sind mit ihrer Längsachse in Richtung des Gefäßes eingestellt. Die sich anschließende stark dehnungsfähige, sehr dünne Basalmembran wird vorwiegend von den Endothelzellen gebildet. Sie stellt unter physiologischen Bedingungen keine wesentliche Permeabilitätsschranke dar, ist aber für pathologische Vorgänge von Bedeutung. Phagozytierende Adventitiazellen befinden sich außerhalb der Basallamina und liegen der Kapillarwand nur auf.

Mit der Größenabnahme der Arterien zur Peripherie hin nehmen alle ihre Schichten, vorwiegend aber die Tunica media, ab. Die Arteriolen als Terminalarterien (Durchmesser 20–80 µm) besitzen nur noch eine, oft nicht mehr geschlossene Muskellage (Abb. 2.23). Im Bereich der Arteriolen findet ein starker Blutdruckabfall statt. Dies erklärt sich wesentlich aus dem bedeutend größeren Gesamtquerschnitt (Volumenzunahme) der Arteriolen gegenüber den kleinen Arterien. Arteriolen werden auch als Widerstandsgefäße bezeichnet, da bereits kleine Lumenverkleinerungen eine deutliche Widerstandserhöhung bewirken. Man erklärt dies durch die Erhöhung der Reibung des Blutes an der Gefäßwand und durch die Veränderung seiner Fließeigenschaften bei der Verringerung der Strömungsgeschwindigkeit.

Kapillarbett. Untereinander bilden die Kapillaren ein Netzwerk, das in Dichte, Art der Vernetzung und Form vom Blutbedarf und der Struktur des jeweiligen Organs abhängig ist. Die Sauerstoffausschöpfung ist ein wesentlicher Faktor für Art und Umfang der Kapillarisierung eines Gewebes. Kapillaren können vom Körper leicht nachgebildet oder ersetzt werden (Granulationsgewebe nach Verletzungen, wachsendes Fettgewebe).

2.3.2.11 Kapillaren und Sinus Die Kapillaren sind dünnwandige, enge Gefäße mit schwankendem Lumen, durch die noch Erythrozyten durchtreten können (Durchmesser 3–15 µm, Länge im Mittel 500 µm). Sie sind die Stelle des Stoffaustausches zwischen Blut und Gewebe.

a

b

Kapillartypen. Im Hinblick auf die Wandgestaltung werden 3 Kapillartypen unterschieden: w Kapillaren mit zusammenhängendem Endo-

thel besitzen eine durchgehende Basallamina ohne Poren (Fenestrae). Sie kommen u. a. in Gehirn, Retina, Hoden, Thymus, Lungen und

c

Abb. 2.23: Terminale Gefäßstrecke: a. Arteriole, b., c. Kapillaren, d. kleine Vene

d

2.3 Herz-Kreislauf-System

Muskulatur vor. Der Stoffaustausch durch aktive transendotheliale Transportvorgänge und paraendotheliale Diffusion ist streng kontrolliert. w Kapillaren mit intrazellulären Poren. Ihre Endothelzellen besitzen Poren (Fenestrae; fenestriertes Endothel) mit einem Durchmesser von ca. 60 nm oder darunter (bis zu 9 nm). Meist sind die Poren von einem Porendiaphragma verschlossen, können aber auch offen sein. Dieser Kapillartyp kommt in den endokrinen Organen, im Dünndarm, im Knochenmark und in peritubulären sowie glomerulären Kapillaren der Niere vor. Der Stoffaustausch ist erleichtert. Sinusoide sind besonders weite Kapillaren (30–40 µm). Ihr Endothel besitzt keine oder keine zusammenhängende Basallamina und sowohl intrazelluläre Poren als auch interzelluläre Lücken. Dieser Typ kommt in der Leber, in der Milz und im roten Knochenmark vor. Hier vollzieht sich der Stoffaustausch am leichtesten. Venöse Sinus sind kleine, erweiterte Gefäßstrecken (z. B. im Nebennierenmark, in der Hypophyse oder in der Leber). Das Blut fließt hier langsamer (längere Kontaktzeit). Blut-Gewebe-Schranken. Die Kapillarwand bildet einen Teil der Blut-Gewebe-Schranke. Der Stoffaustausch erfolgt transzellulär durch Diffusion und – vermutlich – Zytopempsis (transzellulärer Stofftransport in Vesikeln mit kontrollierter Endound Exozytose) sowie interendothelial. In erster Linie sind der Blutdruck, der osmotische und kolloidosmotische Druck daran beteiligt. Präkapilläre Sphinkteren. Zu den grundlegenden Eigenschaften kapillärer Gefäßstrecken gehört die periodische Öffnung und Schließung von präkapillären Sphinkteren (Periode von 2–8 s). Mit diesen feinen muskulären Sphinkteren, die am Ursprung der Kapillaren liegen (Sphinkterkapillaren), wird der Blutgehalt der Kapillaren reguliert. Terminale Strombahn. Als terminale Strombahn bezeichnet man die für den Stoffaustausch mit dem Gewebe und seine Regulation zuständigen Gefäßgebiete. Dieser Bereich der Mikrozirkulation unterliegt wegen des geringen Durchmessers der Kapillaren besonderen rheologischen Bedingungen.

61

Biologisches Verhalten der Kapillaren. Grundsätzlich kann es zu einer Kapillarerweiterung (Vasodilatation) mit Streckenverkürzung und zu einer Längung (Elongation) mit kleinerem Lumen kommen. Ändert sich zudem die Wanddicke (Lumenänderungen der Haargefäße durch An- oder Abschwellung des Kapillarendothels), ist Vasodilatation und Elongation gleichzeitig möglich (erleichterter Stoffaustausch). Diese Veränderungen sind bedeutend für physiologische (z. B. Muskelhypertrophie) und pathologische Vorgänge (z. B. chronische Entzündungen, Kaposi-Sarkom). Die Bedeutung der kapillären Nervenversorgung ist nicht geklärt. Es werden sowohl sensible als auch zunehmend vegetativ-efferente Fasern nachgewiesen. Nicht alle die terminalen Gefäße begleitenden Nerven sind für deren Versorgung zuständig. Die Gefäße können auch der Versorgung der Nerven dienen und sie im Sinne einer Leitstruktur in das Zielgebiet bringen (z. B. bei Regenerationsprozessen oder in der Organogenese).

2.3.2.12 Venen und Venolen Die Nomina Anatomica benennen etwa 400 Venen. Herzfern sind sie zumeist paarig oder geflechtartig in einer gemeinsamen Bindegewebshülle (Gefäßscheide) aus Kollagenfasern in statistischer Ordnung (vorzugsweise konzentrisch) um die Arterien gelegen (arteriovenöse Koppelung, Abb. 2.21). Verlauf, Funktion. Im Urogenitaltrakt – und regelmäßig in der Nabelschnur – begleiten 2 Venen eine Arterie. Im Urogenitaltrakt ist es of anders herum. Diese Venen sind teilweise muskelstärker als die zugehörige Arterie. Regelmäßig finden sich 2 Arterien und 1 Vene in der Nabelschnur. In den Venen unterliegt der Druck anderen Rhythmen als dem Puls (z. B. der Atmung). Klappen gewährleisten die Strömungsrichtung. Sie sind Voraussetzung für die Muskelpumpe. Dabei handelt es sich um eine Massage der Venen durch sich kontrahierende Muskeln. Die kollagenfasrige Scheide und die Klappen bedingen, dass sich die Venen durch diese Kompression herzwärts entleeren. Ähnlich wirkt auch die Peristaltik des Darms auf die Pfortaderzuflüsse. Die großen herznahen Venen und die meisten Venen am Kopf verfügen auf Grund der dort vorherrschenden Druckverhältnisse über keine Klappen. Klappen und Adventitia fördern auch bei jeder anderen Komprimierung

62

den venösen Rückstrom (Belastung der Fußsohle, Kompressionstrümpfe zur Thromboseprophylaxe). Eigenständige Verlaufsmuster. In Gebieten relativer Ruhe (Rumpf, weite Teile des Gesichtes, Schädelinneres) können Venen unabhängig von Arterien verlaufen und eigenständige Verzweigungsmuster aufweisen. Diese Venen haben zumeist anderslautende Namen als die in der Nachbarschaft verlaufenden Arterien. Ebenfalls eigenständige Namen haben Hautvenen, da es keine größeren Hautarterien gibt. Hautvenen stehen über nach innen leitende (Klappen!), die Körperfaszie durchtretende Perforansvenen mit dem tiefen Venensystem in Verbindung (Abb. 2.20) Einteilung. Nach der Größe unterscheidet man große, mittelgroße, kleine und kleinste (Venolen) Venen. Wandaufbau. Man kann auch bei Venen einen Dreischichten-Aufbau erkennen, der aber weniger deutlich und stärker variabel ist (Abb. 2.22). £ Tunica intima (Intima). Sie besteht aus einer

Endothelschicht und einer wechselnd dicken Lage von feinen, kollagenen und elastischen Fasern, in die bei manchen Venen, besonders denen der unteren Extremitäten und des Genitale, noch zahlreiche längs verlaufende, glatte Muskelzellen eingelagert sein können. Eine Membrana elastica interna ist nicht immer klar ausgeprägt. £ Tunica media (Media). Diese ist dünner und aufgelockerter als bei Arterien und oft nur schwach entwickelt. Die V. cava inferior und die Vv. suprarenales besitzen nahezu ausschließlich Längsmuskulatur. Durch eine Zunahme des kollagenen Bindegewebes sind die Muskelzellen zu einzelnen Bündeln auseinander gedrängt. Es lassen sich 2 Schichten abgrenzen. Die innere ist stärker spiralisiert, die äußere flacher. Damit sind die Venen (wie der Ureter, der Ductus deferens oder die Tuba uterina – alle mit überwiegend dreischichtiger Tunica muscularis, vgl. Adventitia) zu einer „Melkbewegung“ befähigt (d. h. Lumenerweiterung am Ort der Kontraktion). Diese ist herzwärts gerichtet. Daneben kommt ein zartes Netzwerk elastischer Fasern vor. Ist eine Membrana elastica interna vorhanden, bildet sie vorwiegend Längsnetze, deren Fasern in der Intima dünn und außen dick sind.

2 Allgemeine Anatomie

£ Tunica externa (Adventitia). Sie ist in der

Dicke wechselnd und ähnlich wie die der Arterien gebaut. Zumeist ist sie die dickste der 3 Wandabschnitte. Die Adventitia enthält meist Bündel schwach spiralisierter, vorzugsweise längs verlaufender glatter Muskelzellen, so dass die meisten Venen faktisch über 3 Muskelschichten verfügen. Man kann diese Muskelzelllage auch der Media zurechnen. Die Verankerung der Venenwand mit der Umgebung ist sehr variabel. Die meisten Venen kollabieren bei zu geringem venösen Blutdruck. An der unteren Extremität ist die Adventitia verdickt, um den intravasalen Druck besser aufzunehmen.

Wandstärke. Die Venen haben oft eine wesentlich dünnere Wand als gleichgroße Arterien. Damit wird dem niedrigeren Blutdruck im venösen Schenkel Rechnung getragen. Die Variabilität im Aufbau der Venenwand ist besonders groß; sie wird von den hämodynamischen Momenten der einzelnen Körperabschnitte bestimmt. Bei der Aufrichtung aus dem Liegen in den Stand bleiben durch die Venenfüllung über 500 ml Blut in der unteren Extremität. Mit zunehmendem hydrostatischen Druck (also in den unteren Extremitäten) steigt die Muskelstärke. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Venenklappen zu. Die V. saphena magna ist gebaut wie eine starke Arterie. An den oberen Extremitäten, Kopf und Hals finden wir meist muskelschwache Venen (niedriger intravasaler Druck gegenüber den Arterien). Die Dicke der Venenwand korreliert jedoch keineswegs mit der Größe des Lumens. Besonders variabel sind die kleinen Venen in ihrem Aufbau. Einander relativ ähnlich sind noch die mittelgroßen Extremitätenvenen. Klinik: Eine (gesunde) Hautvene der unteren Extremitäten kann aufgrund ihrer Wandstärke als autolog transplantierter arterieller Bypass (z. B. der Herzkranzgefäße) verwendet werden. Die Venen sind langstreckig und unter der Haut gut erreichbar. Von den begleitenden Hautnerven lassen sie sich gut isolieren. Der Verlust der vegetativen Innervation wird durch die Autokontraktionsfähigkeit der Media ausgeglichen. Unter der pulsierenden Druckbelastung nimmt die Vene zunehmend arteriellen Charakter an. Wegen der Venenklappen muss das Transplantat in umgekehrter Richtung eingenäht werden. Das Herkunftsgebiet wird hinreichend redundant entsorgt und kann den Verlust kompensieren.

2.3 Herz-Kreislauf-System

63

Venenklappen, Valvulae sind herzwärts geöffnete Intimaduplikaturen (Abb. 2.21), die eine bindegewebige Grundlage aus elastischen und kollagenen Fasern haben und an beiden Seiten von Endothel überzogen werden. Es existieren 2 Klappentypen. £ Der größere Klappentyp hat eine dicke, fibröse,

flächige Grundlage und ist sichtbar an die Venenwand angeheftet. Bei Füllung wölbt sie sich in das Lumen der Vene vor und die Klappenhälften lagern sich einander an. Die Venenwand ist im Bereich hinter diesen Klappen sinusartig ausgeweitet. £ Der kleinere Typ ist dagegen meist nicht sichtbar und muss im Präparat an der eröffneten Vene durch einen dünnen Wasserstrahl demonstriert werden. Diese Klappen verschließen das Lumen der Venen vielfach nur partiell. Klappen kommen an allen kleinen und mittelgroßen venösen Gefäßen vor. Besonders zahlreich sind sie in den Venen der Extremitäten und der Rumpfwand; an den unteren Extremitäten finden sich größenordnungsmäßig alle 2 cm Venenklappen. Stehen die Klappen besonders dicht, so bekommt die gefüllte Vene ein perlschnurartiges Aussehen (Rosenkranzvene = V. saphena parva). Die Klappen sind zumeist paarig gebaut und liegen bevorzugt distal der Einmündung anderer Venen. Sie verhindern den Rückstrom des Blutes und geben den Weg in Richtung Herz frei. Venenklappen

Perforansvene

2.3.2.12.1 Venolen Venolen haben einen Durchmesser von 10–30 µm. Sie sind den Kapillaren nachgeschaltet. Ihr Wandaufbau ähnelt noch sehr dem der Kapillaren. Vereinzelt treten bereits glatte Muskelzellen auf (Abb. 2.23).

2.3.2.12.2 Perforansvenen, Vv. perforantes Vorkommen und Bedeutung. Perforansvenen kommen vor allem an den Extremitäten vor. Sie verbessern die Kommunikation des oberflächlichen mit dem tiefen Venensystem. Dabei fließt das Blut von epifaszial in die durch die Muskelpumpe (insbesondere an den unteren Extremitäten) geleerten subfaszialen Venen. Die Klappen der Vv. perforantes (sie „perforieren“ die Körperfaszien) unterstützen diesen Blutfluss. Ein Versagen oder Fehlbildungen führen zu einer umgekehrten Blutströmung. Man unterscheidet direkte von indirekten Perforansvenen. £ Bei den indirekten Perforansvenen verläuft die

Kommunikation der oberflächlichen mit den tiefen Venen über ein kleines, tieferes Epifaszialvenennetz (Abb. 2.24). Die Hauptvenenstämme der Extremitäten (Vv. saphenae magna et parva sowie Vv. basilica et cephalica) perforieren direkt und drainieren in die Begleitvenen der Arterien, sind also selber Perforansvenen. indirekte Perforansvene Dermis

epifasziale Vene

epifasziales Venengeflecht

Körperfaszie

Muskulatur

tiefes Venensystem

Abb. 2.24: Schema der Verbindung oberflächlicher und tiefer Venen einer Extremität mittels Perforansvenen und epifaszialem Venengeflecht

2 Allgemeine Anatomie

64

£ Darüber hinaus gibt es im engeren Sinne direkte

Perforansvenen insbesondere an den unteren Extremitäten. Sie sind hier mit Eponymen belegt.

Klinik: Für Varizen der unteren Extremitäten sind häufig Insuffizienzen der Perforansvenen verantwortlich, in deren Bereich am Unterschenkel nicht selten ein Ulcus cruris (Unterschenkelgeschwür) oder Stase-bedingte (Stauungsbedingte) Ekzeme (entzündliche Hautveränderungen) auftreten. Insuffiziente Perforansvenen weiten ihre Fasziendurchtrittsstelle auf und sind dann palpatorisch zu diagnostizieren.

2.3.2.12.3 Muskelfreie Venen In Organen mit einem gleichbleibend großen Blutbedarf finden sich Venen ohne Muskelzellen in ihren Wänden. £ Ein Beispiel sind die Sinus durae matris, Blut-

leiter der harten Hirnhaut im Schädel. Ihre starren Wände sichern einen gleichmäßigen Rückstrom des Blutes und verhindern somit Volumenschwankungen. £ Die Trabekelvenen der Milz sind ebenfalls nur mit Endothel ausgekleidete Hohlräume in den Bindegewebsbalken der Milz und können daher nicht kollabieren oder einen nennenswerten Widerstand aufbauen. Sie münden in die V. portae hepatis (wichtiger Zusammenhang bei Pfortaderstauungen).

2.3.2.13 Gefäßtypen nach dem Versorgungsmodus £ Vasa privata sind Blutgefäße, die sich nur am

nutritiven (ernährenden) Kreislauf eines Organs beteiligen (z. B. Bronchialgefäße, Herzkranzgefäße, Leberarterien). £ Vasa publica stehen im Dienste des Gesamtorganismus (z. B. Aorta, Vv. cavae, Aa. pulmonales, V. portae hepatis); sie dienen primär nicht der Eigenversorgung eines Organs.

2.3.2.14 Drossel- und Sperrgefäße £ Drosselvenen. Es sind kleine Venen, die zirkulär

und längs verlaufende Muskelzellen (Sphinkteren) besitzen. Sie sind den Venolen nachgeschal-

tet. Diese Sperrvorrichtungen können durch Kontraktion das Gefäßlumen verengen und damit eine Stauung im Kapillarbett verursachen. Sie befinden sich u. a. in der Nasenschleimhaut, den Lungen, den Speicheldrüsen, endokrinen Drüsen und den Schwellkörpern der Genitalien. £ Sperrarterien bzw. Polsterarterien. Es handelt es sich um kleine Arterien, die dem Kapillargebiet vorgeschaltet sind. Sie besitzen muskuläre Intimapolster oder in das Lumen vorspringende Muskelzellen und können die Blutzufuhr einschränken oder temporär ganz unterbrechen. Sie sind u. a. in der Haut, Nasenschleimhaut, Speiseröhre, den Bronchien, im Ovar und den Schwellkörpern der Genitalien finden.

2.3.2.15 Anastomosen Anastomosen (gr. ana = zusammen, stoma = Mund) sind Verbindungen von Gefäßen untereinander. Sie kommen zwischen arteriellen, venösen und lymphatischen Gefäßen vor und sichern die Zirkulation, wenn einer der Äste zeitweise oder dauernd verlegt ist. Die große Zahl der Anastomosen, insbesondere bei den Venen, erklärt die hohe Variabilität der Blutversorgung. Bei der Entwicklung von Verbindungen bei Gefäßen gleicher Art entsteht die Möglichkeit, dass eine Arterie (oder Vene) das Versorgungsgebiet der anderen übernimmt. Dem operativ tätigen Arzt eröffnet sich die Möglichkeit der Gefäßunterbindung ohne die Blutversorgung zu gefährden. Vorkommen. Organe endodermalen Ursprungs weisen häufig ausgeprägte Anastomosierungen ihrer Blutgefäße auf. In Organen und Geweben, die vom Mesoderm abstammen, ist die Ausprägung von Anastomosen wechselnd; entsprechend variieren sie erheblich in ihrer Reaktion auf Ischämien. Ektodermabkömmlinge sind oft von Endarterien versorgt (keine Anastomosen). Sie sind anfällig für Unterbrechungen der Blutzufuhr. Arten von Anastomosen 1. Arteriovenöse Anastomosen. Diese Anastomosen sind spezielle, lokale Kurzschlußverbindungen zwischen kleinsten Arterien bzw. Arteriolen und Venen bzw. Venolen unter Umgehung des Kapillargebietes. Arteriovenöse Anastomosen dienen der Durchblutungs-, Blutdruck- und Thermoregulation.

2.3 Herz-Kreislauf-System

65

Während ihre Bedeutung bei Schwellkörpern oder bei der Thermoregulation weitgehend gesichert ist, sind viele dieser regionalspezifischen Vorrichtungen in ihrer Bedeutung noch nicht klar erfasst. Man unterscheidet 2 Arten (Abb. 2.25): arterieller Schenkel

venöser Schenkel

arterieller Schenkel

venöser Schenkel

Abb. 2.25: Schematische Darstellung der arteriovenösen Anastomosen. Links: Brückenanastomose. Rechts: Knäuelanastomose. Der arterielle Schenkel wurde jeweiles schwach, der venöse stark punktiert. Pfeile: Blutstromrichtung

£ Brückenanastomosen sind kurze, bügelartige

Gefäßverbindungen mit einem arteriellen und venösen Schenkel. In der Tunica media liegen unter dem Endothel modifizierte glatte Muskelzellen. Durch Quellung oder Kontraktion wirken sie als Sperrvorrichtung. Auch können ihnen ringförmig angeordnete Muskelzellen aufliegen. Zumeist werden die Anastomosen durch sympathische Nervenfasern innerviert. £ Knäuelanastomosen (Glomus-Anastomosen) stellen ein Konvolut dickwandiger, gewundener und durch faserreiches Bindegewebe kapselartig eingehüllter Gefäße dar. Typische Knäuelanastomosen findet man in großer Zahl in der Haut von Akren (besonders der Nase, Glomerula cutanea), in Finger- und Zehenspitzen (Glomerula digitalia) sowie an der Steißbeinspitze (Glomus coccygeum), weiterhin in der Zunge, den Speicheldrüsen, der Schilddrüse und in Schwellkörpern. 2. Arterielle Anastomosen, Kollateralen. Es handelt sich um Äste (kleinerer Arterien oder Venen), die von einem Hauptstamm abgehen und im allgemeinen die Richtung desselben beibehalten. Sie können, wenn der Hauptstamm verlegt ist, mit anderen Kollateralen oder auch mit rückläufigen Gefäßen zum Hauptstrombett ausgeweitet werden und damit einen Umgehungskreislauf bilden. So entstandene Kollateralkreisläufe spielen für die Prognose von Gefäßverschlüssen und für Gefäßunterbindungen eine wichtige Rolle. Auch Vasa

vasorum bergen die Möglichkeit der Kollateralisierung des Gefäßes, das sie eigentlich versorgen. Beispiele: £ Anastomosen größerer Arterienäste findet man

vorwiegend zwischen den Darmarterien (z. B. Riolan-Anastomose, eine Gefäßverbindung der A. mesenterica superior mit der A. mesenterica inferior über Endäste der A. colica media und sinistra), aber auch an den Gliedmaßen (im Bereich der Gelenke), an Hals und Kopf. £ Kollateralen. Während einige Organe eine ausgeprägte Eigenversorgung (z. B. Gehirn) haben, sind andere sehr auf die Blutzufuhr anderer Organe angewiesen (z. B. Pankreas). Die Gewährleistung der Gefäßversorgung eines Organs oder Gewebes hängt wesentlich von dem Umfang und der Effizienz kollateraler Zirkulation zwischen den versorgenden Gefäßen ab. Die A. centralis retinae und die Verzweigung der A. mesenterica superior sind Beispiele der 2 möglichen Extreme der Blutversorgung. Die Netzhaut (Retina) wird von einer anatomischen Endarterie versorgt. Ihr endgültiger Verschluss führt zum Absterben der kompletten Retina. Im Fall der A. mesenterica superior wird durch die Darmbewegungen (Peristaltik) ständig die Blutzufuhr einzelner der 10–16 Aufzweigungen unterbrochen, ohne dass das abhängige Kapillargebiet eine Minderung der Durchblutung erfährt. Arkaden (bogenförmige Anastomosen) übernehmen durch Kollateralisierung die Versorgung. Allerdings ist die Durchblutung des Darms bei einem Gefäßverschluss der intramuralen Äste insuffizient. 3. Gefäßnetz, Rete. Sie bestehen aus kleineren Gefäßen, die zumeist flächenhaft miteinander in Verbindung stehen. £ Gefäßgeflecht, Plexus vasculosus. Liegen

die Gefäßnetze in mehreren Ebenen oder im dreidimensionalen Raum und stehen diese untereinander in Verbindung, spricht man von einem Gefäßgeflecht, Plexus vasculosus. Beispiele:

• Die ausgedehntesten Anastomosierungen finden sich an langen tubulären Strukturen (Tuba uterina, Verdauungskanal). • Bei der Schilddrüse, der Harnblase oder dem Pankreas führt ein umfangreiches arterielles System den Organen Blut zu, wobei die einzelnen

2 Allgemeine Anatomie

66

Arterien leiterartig miteinander in Verbindung stehen. Eine Unterbrechung einzelner beteiligter Gefäße, auch Hauptgefäße, bleibt folgenfrei. Das Pankreas kann als gutes Beispiel angesehen werden. Kopf (Caput) und Hakenfortsatz (Proc. uncinatus) erhalten Blut aus der oberen und unteren A. pancreaticoduodenalis, Körper (Corpus) und Schwanz (Cauda) werden von den leiterartig verbundenen Aa. splenica (lienalis) und pancreatica magna (aus der A. splenica) versorgt. Das Pankreas ist demnach von einem Netzwerk von Arterien umgeben, die die Gewebe ihrer unmittelbaren Umgebung versorgen. £ Wundernetz, Rete mirabile (frühere Bezeich-

nung) ist ein Kapillarnetz, welches einem ersten Kapillargebiet nachgeschaltet ist. Die beiden Kapillargebiete sind über eine Pfortader miteinander verbunden.

• Arterielle Wundernetze finden sich beispielsweise in den Nieren an jedem Nephron (Glomerulum und peritubuläres Kapillargebiet im Nierenmark; Pfortader ist das Vas efferens) • Ein venöses Wundernetz ist das dem Darmkapillargebiet nachgeschaltete Gefäßbett in der Leber (Pfortader ist die Vena portae). Andere wichtige Beispiele sind das hypothalamo-hypophysäre System und das Knochenmark. £ Venöse Anastomose. Besonders zahlreich und

vielgestaltig sind die Anastomosen zwischen den größeren Venenästen. Sie haben eine große praktische Bedeutung. Bei den paarigen Begleitvenen der Arterien sind die Anastomosen häufig so zahlreich, dass die Arterien von einem Venennetz umgeben sind.

Klinik: Die Verbindung zwischen arteriellen und venösen Blutgefäßen bzw. Gefäßsystemen (z. B. zwischen großem und kleinem Kreislauf) bezeichnet man auch als Shunt. 1. Physiologisch finden sich z. B. pulmonale arteriovenöse Anastomosen (1. über Bronchialvenen, 2. alveolär über das Kapillargebiet wenig belüfteter Lungenbezirke und 3. extraalveolär über die Vv. cardiacae minimae). Dabei gelangt venöses Blut in den großen Kreislauf. 2. Pathologische Shunts dagegen finden sich z. B. bei angeborenen Herzfehlern (in Abhängigkeit von den Druckverhältnissen in den Herzkammern als Links-Rechts-, Rechts-Links-Shunt bzw. vorübergehend als Pendelshunt), als arteriovenöse Fistel sowie bei arteriovenösem Aneurysma. 3. Iatrogene Shunts. Operativ werden Shunts z. B. zur Hämodialyse angelegt oder in der palliativen Therapie zur Umgehung von Stauungsgebieten (z. B. bei Leberzirrhose).

2.3.2.16 Anatomische und funktionelle Endgefäße £ Endarterien sind baumartig verzweigte Gefäße,

die keine präkapillären Anastomosen haben (Abb. 2.26). Sie versorgen alleine ein Kapillargebiet. Anatomische Endarterien (letzte Arterie vor dem abhängigen Kapillargebiet) kommen u. a. in Gehirn, Milz, Niere, Schilddrüse und Netzhaut des Auges vor. £ Funktionelle Endarterien (Abb. 2.26) Bei ihnen sind Anastomosen in der Endstrombahn

Abb. 2.26: Arterielle Endstrombahn. Links: Endstrombahn mit zahlreichen Anastomosen. Nach einem Gefäßverschluss (Pfeilspitze) ist ein Umgehungskreislauf möglich (Pfeile), dagegen nicht bei „funktionellen Endarterien“ (rechts). Rechts: Endarterien ohne Anastomosen. Bei Verschluss einer Endarterie (Pfeilspitze) entsteht entsprechend dem Aufzweigungsgebiet ein keilförmiger Gewebsuntergang (Infarkt), gestrichelt umrandetes Feld

2.3 Herz-Kreislauf-System

vorhanden. Nach plötzlichem Verschluss reicht der Kollateralkreislauf für die Sauerstoffversorgung des betroffenen Bezirkes jedoch nicht aus (z. B. Koronararterien); bei einem langsamen Verschluss hingegen können sich die Kollateralen aufweiten (ein bekanntes Beispiel dafür sind Verschlüsse des Circulus arteriosus Willisii an der Hirnbasis, welcher allerdings nur in 35 % der Fälle vollständig ausgeprägt ist). Klinik: Ist eine Endarterie verschlossen, kann das zugehörige Gewebe nicht mehr versorgt werden. Es entsteht eine Gewebsnekrose (anämischer Infarkt). In der Milz liegt das Prinzip einer segmentalen Verteilung der Arterien vor. Schon vor dem Hilum teilt sich das versorgende Gefäß, und mehrere Arterienäste (mit korrespondierenden Venen) treten in das Organ ein. Verschluss eines dieser Gefäße führt zu einem keilförmigen Infarkt, d. h. das Stromgebiet der Milz ist in distinkte vaskuläre Kompartimente aufgeteilt.

2.3.2.17 Vasa vasorum Vasa vasorum („Gefäß ernährende Gefäße“) entspringen meist von rückläufigen kleineren Ästen der Arterie bzw. der die Vene begleitenden Arterie. Die Wände größerer Gefäße können nicht mehr allein über Diffusion aus ihrem Gefäßlumen versorgt werden. Bei den hohen Flussraten ist ein Stoffaustausch auch nicht vorgesehen. Dieser gewährleistet in einem gesunden großen Gefäß noch die Ernährung der Intima und einer mehr oder weniger großen Schicht der Media. Die Tiefe des Vordringens der Vasa vasorum von außen gegen das Lumen hängt von der Gesamtwandstärke des zu ernährenden Gefäßes ab. Zum einen ist die Diffusionstrecke begrenzend, also der Teil, der noch vom Lumen aus ernährt werden kann. Zum anderen muss der intravasale Druck (des zu ernährenden Gefäßes) von dem Druck in den ernährenden Kapillaren überwunden werden. In den Lungenarterien dringen beispielsweise die ernährenden Gefäße weiter gegen die Intima vor. Es ergibt sich, dass sowohl eine Hypertonie als auch arteriosklerotische Intimaverdickungen eine für die Gefäßwandversorgung kritische Situation hervorrufen können. Zu den Vasa vasorum gehören auch Lymphgefäße.

67

2.3.3

Übersicht über die großen Arterienstämme

Die verschiedenen diagnostischen Verfahren zur Angiologie und nicht zuletzt die Ansätze zu mikrotherapeutischen intravasalen Therapieverfahren machen ein zunehmend größeres anatomisches Detailwissen erforderlich, um diagnostische Ergebnisse interpretieren und therapeutische Möglichkeiten erkennen zu können. Dabei darf die klare Vorstellung von dem Plan und die Übersicht über die Ordnung, nach der das Gefäßsystem arrangiert ist, nicht verloren gehen.

2.3.3.1

Körperkreislauf (Abb. 2.19, 27)

Alle Gefäße des Körperkreislaufes werden aus der Aorta gespeist. Anteile der Aorta Das arterielle Blut wird über die Äste der zentralen großen Körperschlagader, Aorta, in den Körper befördert. Sie geht aus der linken Herzkammer hervor. Zunächst steigt ein als Pars ascendens aortae (Aorta ascendens) bezeichneter Abschnitt aufwärts, wendet sich dann spazierstockartig im Bogen (Arcus aortae) nach dorsal vor die (im Alter links der) Wirbelsäule etwa in Höhe des 3.–4. Brustwirbelkörpers bzw. 2. (sternalen) Rippenansatzes (Oberkante). Danach zieht sie als Pars descendens aortae (Aorta descendens) nahezu geradlinig abwärts bis zum 4. Lendenwirbel. Die an dieser Stelle stark vergrößerten Segmentalarterien (Aa. iliacae communes) erwecken den Eindruck einer Gabelung (Bifurcatio aortae). Diese beiden großen Äste versorgen die unteren Gliedmaßen und das Becken. Der verbleibende Endast der Aorta zieht als A. sacralis mediana vor dem Kreuzbein abwärts. 1. Aorta ascendens, Pars ascendens aortae (s. Kap. 10.7.2.1.1, S. 877). Sie gibt die beiden Koronararterien für die Versorgung des Herzmuskels ab: w A. coronaria dextra w A. coronaria sinistra

2 Allgemeine Anatomie

68

A. carotis interna A. carotis externa A. carotis communis A. subclavia

Truncus brachiocephalicus A. subclavia

Arcus aortae

A. brachialis

Aorta thoracica et Aa. intercostales posteriores

Truncus coeliacus A. mesenterica sup. A. renalis Aorta abdominalis A. radialis A. ulnaris

Aa. lumbales

A. mesenterica inf. A. iliaca communis A. iliaca interna A. iliaca externa

A. femoralis

A. poplitea

A. tibialis anterior A. tibialis posterior A. peronea (fibularis)

Abb. 2.27: Übersicht über die großen Körperarterien

2.3 Herz-Kreislauf-System

2. Aortenbogen. Arcus aortae (s. Kap. 10.7.2.1.1, S. 877). Vom Aortenbogen entspringen 3 große Arterienstämme: w der Truncus brachiocephalicus für die Versor-

gung des rechten Arms, z. T. der Brustwand und der rechten Hals- und Kopfhälfte. Er teilt sich in w die A. carotis communis dextra und die A. subclavia dextra w die A. carotis communis sinistra für die linke Hals- und Kopfhälfte und w die A. subclavia sinistra für den linken Arm und z. T. die Brustwand. 3. Kopfarterien. (s. Kap. 4.9, S 244). Die A. carotis communis teilt sich wie auch auf der linken Seite in die A. carotis externa und die A. carotis interna für die anteilige Versorgung von Kopf, Hals und den entsprechenden Eingeweiden. 4. Armarterien (s. Kap. 9.1.3.1, S. 720). Die beiderseits zum Arm ziehende A. subclavia setzt sich in die A. axillaris fort, die durch die Achselhöhle verläuft, und in die A. brachialis des Oberarmes übergeht. Sie gibt zur Oberarmrückseite die A. profunda brachii ab. In der Ellenbeuge wurde die A. brachialis früher A. cubitalis genannt. Sie gabelt sich hier in die an der Speichen-(Radius-)Seite des Unterarms verlaufende A. radialis und die an der Ellen-(Ulna-)Seite verlaufende A. ulnaris auf. In der Handfläche kommunizieren die beiden Arterien wieder über den oberflächlichen und tiefen arteriellen Hohlhandbogen, Arcus palmaris superficialis und profundus. Über diese doppelte Anastomose wird auch bei Greifarbeit die sichere Versorgung der Finger gewährleistet (s. Kap. 9.1.3.1.3, S. 722, und Kap. 9.1.3.1.4, S. 723). 5. Brustschlagader, Aorta thoracica, Pars thoracica aortae (s. Kap. 10.7.2.1.1, S. 877). Der Brustteil der Pars descendens aortae (Aorta thoracica – oberhalb des Zwerchfells), gibt als parietale Äste w die paarigen Aa. intercostales posteriores III–XI w Aa. subcostales w Aa. phrenicae superiores für die Versorgung der w w w w

Brustwand (z. T. Rücken, Wirbelkanal) und des Zwerchfells sowie als viszerale Abgänge die Rr. bronchiales Rr. oesophageales Rr. mediastinales und Rr. pericardiaci

69

für Lungen, Speiseröhre, hinteres Mediastinum und Herzbeutel ab. Sie geht im Zwerchfellschlitz, Hiatus aorticus, in den Bauchteil, Pars abdominalis aortae der Pars descendens aortae, über. 6. Bauchschlagader, Pars abdominalis aortae (s. Kap. 12, S. 931). Dieser Bauchteil entsendet als parietale (paarige) Äste w die Aa. phrenicae inferiores und w die 4 Aa. lumbales für die Versorgung von

Zwerchfell, Rumpfwand, z. T. Rücken und Wirbelkanal. Viszerale Gefäßabgänge sind w die Aa. suprarenales mediae zu den Nebennieren, w die Aa. renales zu den Nieren (und Nebennieren) und w die Aa. testiculares sive ovaricae zu den Keimdrüsen. Schließlich gibt der Bauchteil der Aorta noch 3 große unpaare Eingeweideäste nach ventral ab: w den Truncus coeliacus (Tripus Halleri) mit

den Hauptaufzweigungen A. gastrica sinistra, A. hepatica communis und A. lienalis (A. splenica) für den Magen, die obere Hälfte des Zwölffingerdarmes, die Leber, Milz und die Bauchspeicheldrüse, w die A. mesenterica superior folgt unmittelbar darunter für die Versorgung von Dünndarm, Blinddarm mit Wurmfortsatz, aufsteigendem und queren Teil des Dickdarms (bis zur Flexura coli sinistra). w die A. mesenterica inferior für den restlichen Teil des Dickdarms und z. T. des Mastdarms. 7. Bifurcatio aortae (s. Kap. 12.4.5, S. 1021). Die Aa. iliacae communes teilen sich beiderseits jeweils vor dem Kreuzbein-Darmbein-Gelenk in die Aa. iliacae externae und internae. Die letzteren ziehen ins kleine Becken, versorgen die Beckeneingeweide, das Gesäß, den Beckenboden und Teile des Oberschenkels. Jede A. iliaca externa versorgt mit Ästen die Bauchwand (und Hodenhüllen) und geht unter dem Leistenband durch die Lacuna vasorum in die Oberschenkelarterie, A. femoralis, über. 8. Beinarterien (s. Kap. 14.1.3, S. 1165). Die A. femoralis entsendet die A. femoris profunda auf die Oberschenkelrückseite, verläuft dann an der ventralen und medialen Seite des Oberschenkels und gelangt schließlich als A. poplitea zur Kniekehle. Hier gabelt sie sich in die Schienbeinarterien, Aa.

2 Allgemeine Anatomie

70

tibialis anterior und posterior, auf. Die letztere entsendet noch die A. peronaea (A. fibularis). Die beiden Aa. tibiales teilen sich nochmals auf bzw. unter dem Fuß jeweils in 2 Äste, die weiter distal wieder über Arterienbögen miteinander Verbindung aufnehmen

Die V. iliaca externa vereinigt sich mit der aus dem Becken kommenden V. iliaca interna zur V. iliaca communis. Die beiden Vv. iliacae communes fließen rechts vor der Wirbelsäule zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel zur V. cava inferior zusammen. Letztere nimmt w die segmentalen Venen der Bauchwand, Vv. lum-

2.3.3.2

Lungenkreislauf

Aus der rechten Herzkammer geht die Lungenschlagader, Truncus pulmonalis, hervor und zweigt sich unter dem Aortenbogen in die rechte und linke Lungenarterie, Aa. pulmonales dextra und sinistra, auf (s. Kap. 10.7.2.1.3, S. 883).

2.3.4

Kurze Übersicht über die großen Venenstämme

2.3.4.1

Körperkreislauf

1. Hohlvenen, Vv. cavae. Das venöse Blut wird aus dem Körperkreislauf über die obere Hohlvene, V. cava superior, und die untere Hohlvene, V. cava inferior, zum rechten Vorhof des Herzens befördert. V. cava superior (s. Kap. 10.7.2.2.2, S. 885). Das von Kopf und Hals (V. jugularis interna) und der oberen Extremität (V. subclavia, aus der V. axillaris) zurückströmende Blut sammelt sich beiderseits zu der Arm-Kopf-Vene, V. brachiocephalica. Im Bereich dieses Zusammenflusses leitet links der Ductus thoracicus und rechts der kurze Ductus thoracicus dexter (Ductus lymphaticus dexter) die Lymphe dem Blut zu. Die rechte und die längere linke V. brachiocephalica vereinigen sich hinter der rechten 1. Sternokostalverbindung zu der rechts gelegenen V. cava superior. V. cava inferior (s. Kap. 12.4.5, S. 1021). Das Blut der unteren Extremität fließt durch die Oberschenkelvene, V. femoralis, aus der Kniekehlenvene, V. poplitea, kommend, deren Zuflüsse die Venen des Unterschenkels, Vv. tibiales anteriores, posteriores und peroneae sind, in die V. iliaca externa. Von der Oberfläche leitet die V. saphena parva Blut in die V. poplitea und die lange V. saphena magna drainiert am sog. Venenstern in die V. femoralis.

bales III, IV,

w die Venen des Zwerchfells, Vv. phrenicae und w die der paarigen Bauchorgane, V. renalis dextra

und sinistra,

w V. suprarenalis dextra, w V. testicularis sive ovarica dextra, auf. (Die linke

V. suprarenalis und die V. testicularis sive ovarica fließen in die V. renalis sinistra).

2. Pfortader, V. portae (s. Kap. 12.2.3.3, S. 954). Das Blut der unpaaren Bauchorgane (MagenDarm-Kanal, Milz, Bauchspeicheldrüse) wird durch die Pfortader, V. portae hepatis, der Leber zugeführt. Nach der Passage der Leber fließt es durch 2–4 kurze Lebervenen, Vv. hepaticae, ebenfalls in die V. cava inferior. 3. Längsvenensystem, Azygossystem (s. Kap. 10.7.2.2.3, S. 885). Parallel zur unteren Hohlvene sammeln die Vv. lumbales ascendentes Blut vorzugsweise der hinteren Bauchwand. Diese setzen sich nach Durchtritt durch das Zwerchfell rechts in die V. azygos und links in die V. hemiazygos fort. Die V. azygos nimmt die V. hemiazygos auf, bevor sie in die obere Hohlvene mündet. 4. Herzvenen, Vv. coronaria. Aus der Herzwand wird das Blut von den Herzvenen über den Sinus coronarius direkt dem rechten Vorhof des Herzens zugeführt (s. Kap. 10.7.1.5.2, S. 867).

2.3.4.2

Lungenkreislauf

Aus dem Lungenhilum treten jederseits die Lungenvenen, Vv. pulmonales, aus. Der Zufluss zum linken Vorhof des Herzens ist paarig, wobei sich der Vorhof unterschiedlich weit auf die Lungenvene ausdehnen kann. Damit sind von 2 bis 16 einzelnen Einmündungen (zumeist 4) alle Varianten möglich (s. Kap. 10.6.6, S. 830).

2.4 Blut, Sanguis

71

2.4

Blut, Sanguis

2.4.1

Zusammensetzung und Funktion

enthält: Proteine (Albumine, Globuline, Fibrinogen), Mineralien, Vitamine, Nährstoffe, Gase, Stoffwechselendprodukte, Hormone, Enzyme

Lernziele: Blutplasma, Blutzellen Die Zusammensetzung des Blutes (lat. sanguis, gr. haima ist: 1. Blutplasma, 2. Blutzellen (Blutkörperchen). Blutmenge: 1/12 des Körpergewichts. Auf das Blutplasma entfallen 55 % des Gesamtvolumens, auf die Blutkörperchen 45 % (Abb. 2.28, 29). Funktion des Blutes • Transport von Gasen: O2, CO2 • Aufrechterhaltung des Säure-Basen-Gleich-

gewichtes durch Puffersysteme

• Aufrechterhaltung des osmotischen und onkoti-

schen Druckes durch Elektrolyte und Proteine

• Regulierung des Wasser- und Elektrolythaushal-

tes

der Körpertemperatur durch Wärmeabgabe/-aufnahme über die Körperoberfläche Blutgerinnung, um Blutverluste zu vermeiden. Abwehr von Krankheitserregern Entsorgung von Giften und anderen Fremdstoffen Transport/Verteilung von Hormonen.

• Regulierung • • • •

2.4.2

Blutplasma

Das Plasma ist eine hellgelbe Flüssigkeit, die ca. 8 % gelöste oder suspendierte Substanzen

Gerinnung: Dabei wandelt sich das Fibrinogen in Fibrin um. Dadurch kann außerhalb des Körpers aufgefangenes Blut zu einer blutzellhaltigen Masse präzipitieren, Blutkuchen. Darüber setzt sich als eine zellfreie Flüssigkeit das Serum ab. Serum ist nicht mehr gerinnungsfähig, enthält aber noch die anderen Blutplasmabestandteile, u. a. Immunglobuline.

2.4.3

Blutzellen

Wir unterscheiden: 1. Rote Blutkörperchen, Erythrozyten (44 Vol. % des Gesamtblutes), 2. Weiße Blutkörperchen, Leukozyten, 3. Blutplättchen, Thrombozyten. Nur 1 Vol. % sind Leukozyten und Thrombozyten (Abb. 2.29).

2.4.3.1

Erythrozyten

Erythrozyten sind kreisrunde, bikonkave Scheiben. Durchmesser 7–8 µm. Sie sind nicht aktiv beweglich, können aber aufgrund ihrer hohen Formelastizität Kapillaren mit einem Mindestdurchmesser von 3 µm passieren. Erythrozyten des Menschen sind kernlos, besitzen außer dem Plasmalemm keine Organellen mehr und damit auch keinen Proteinsyntheseapparat. Erythrozyten

reife Blutzellen Blut

Leukozyten Thrombozyten

Monozyten

neutrophile

Granulozyten

eosinophile

Lymphozyten

basophile

unreife Vorläuferzellen Blutplasma

Gerinnung

Fibrin-Gerinnsel Serum

Abb. 2.28: Zusammensetzung des Blutes

2 Allgemeine Anatomie

72

2.4.3.2.1 Granulozyten

£ Funktion • Transport von O2 und CO2 £ Zusammensetzung:

33–37 % Hämoglobin (Hb, roter Blutfarbstoff), 1 % Enzymproteine, 65 % Wasser. Hb bindet Sauerstoff reversibel, Erythrozyten gewährleisten den Sauerstofftransport. £ Blutgruppenantigene. Die Oberfläche der Erythrozyten ist negativ geladen. Dadurch wird eine Adhäsion der Zellen untereinander und mit der Gefäßwand verhindert. Am Plasmalemm tragen Erythrozyten Blutgruppenantigene: A, B, O; M, N, Rh u. a. £ Alterung. Zum Signal, das für die Elimination gealterter Erythrozyten verantwortlich ist, gibt es verschiedene Hypothesen: a) die Bindung von IgG an sogenannte „Seneszenzantigene“ mit nachfolgender Aggregation der Komplexe, b) eine Herabsetzung der Deformierbarkeit durch Veränderung des Membranskelettes, c) eine Anreicherung von Phosphatidylserin im äußeren Blatt der Lipid-Doppelschicht. Lebensdauer der Erythrozyten ca. 120 (115 ± 9,5) Tage. Bei einem 70 kg schweren Menschen werden täglich 200 Milliarden Erythrozyten gebildet und abgebaut, 2,3 Millionen pro Sekunde! Abbauorte sind Milz, Leber, KM.

2.4.3.2

Leukozyten

Die Blutzellen, die kein Hb enthalten, heben sich im ungefärbten Zustand als farblose, „weiße“ Zellen (gr. leukos = weiß) von den Erythrozyten ab (Abb. 2.29). £ Bestandteile und Normwerte des weißen Blut-

bildes:

Leukozyten Stabkernige Neutrophile Segmentkernige Neutrophile Eosinophile Basophile Monozyten Lymphozyten Thrombozyten

4000–11 000/µl 3–5 % 50–70 % 2–5 % 0–1 % 2–6 % 20–35 % 150 000–400 000/µl

Granulozyten sind durch Granula im Zytoplasma charakterisiert. Nach deren färberischem Verhalten unterscheidet man (Klinikjargon): 1. Neutrophile, 2. Eosinophile, 3. Basophile. Neutrophile Granulozyten £ Funktion. Die Zellen vollziehen eine Phagozy-

tose. Neutrophile werden auch als Mikrophagen bezeichnet. Die effektive Phagozytose von Mikroorganismen ist IgG- und komplementvermittelt. Sind die Partikel zu groß, um endozytiert zu werden, so sezernieren die Neutrophilen Enzyme der Primär- und Sekundärgranula. Die Mikroorganismen werden außerhalb der Zellen zerlegt, die Bruchstücke endozytiert und intrazellulär vollständig abgebaut (frustrierte Phagozytose). Den Neutrophilen stehen dazu u. a. Myeloperoxidase und antimikrobielle Peptide aus den Familien der Defensine und Cathelicidine zur Verfügung. £ Bau. Neutrophile haben einen Durchmesser von 9–12 µm. Kern. Stab-, Segmentkernige. Der Kern unreifer Neutrophiler hat die Form eines einfach oder s-förmig gekrümmten Stabes (stabkernige Granulozyten), später wird er segmentiert (Segmentkerniger = Polymorphkerniger). Zwischen den Kernsegmenten befinden sich dünne Chromatinbrücken. Ausgereifte Neutrophile können 3–5 Kernsegmente enthalten (Abb. 2.29). Übersegmentierte. 6 oder mehr Kernsegmente weisen auf eine Überalterung der Zellen (= Rechtsverschiebung im peripheren Blutbild) hin (Beispiel: perniziöse Anämie). Die typische rotviolette Anfärbung der Azurgranula bei der Pappenheim-Färbung ist einerseits auf die Bindung des roten Farbstoffes Eosin an basische Proteine zurückzuführen, andererseits auf die Bindung der blauen und basischen Azurfarbstoffe an sauren Glykosaminoglykane. Die Azurfarbstoffe ändern nach Bindung ihre Spektraleigenschaften und nehmen einen roten Farbton an (Metachromasie). £ Migration, Neutrophilen-Pool. Es existiert immer ein Pool reifer neutrophiler Granulozyten im Knochenmark. So können bei Bedarf innerhalb weniger Stunden größere Mengen Neutrophiler in die Blutbahn abgegeben werden.

2.4 Blut, Sanguis

Dieser Speicherpool im KM reicht aus, um in der Peripherie eine Versorgung mit Neutrophilen für 4–8 Tage zu gewährleisten. Im Blut verbleiben die Zellen wenige Stunden (HWZ 6,7 Std.). Sie treten dann in die Organbindegewebe ein, wo sie für einen evtl. Bedarf zur Verfügung stehen (HWZ 2–3 Tage). Kontinuierlich emigrieren sie auf die inneren Oberflächen, bilden dort die erste Abwehr gegenüber bakteriellen Invasionen: Mundhöhle, Magen-Darm-Trakt, ableitende Harnwege, serös ausgekleidete Körperhöhlen. Klinik: Eiter wird am Entzündungsort durch toxische Schädigung und degenerativen Umbau der neutrophilen Granulozyten (sog. Eiterkörperchen) gebildet. Das Einschmelzen erfolgt durch Freisetzung proteolytischer Enzyme der Neutrophilen. Eosinophile Granulozyten £ Funktion. Das Phagozytosevermögen Eosino-

philer entspricht dem der Neutrophilen, jedoch sind Eosinophile weniger effektiv in der Elimination von Bakterien. Der Grund liegt möglicherweise im unterschiedlichen Wirkmechanismus der Peroxidasen. Im Vergleich zur Myeloperoxidase der Neutrophilen ist die Eosinophilen-Peroxidase nur in der Lage, sich mit J-, jedoch nicht mit Cl- zu verbinden. £ Bau. Durchmesser: 12–15 µm, etwas größer als Neutrophile. Lichtmikroskopisch sind 2 Kennzeichen wegweisend: 1. Zweigelappter Kern, 2. Eosinophile Granula. In der PappenheimFärbung sind die eosinophilen Granula für den roten bis rotbraunen Farbton verantwortlich (Abb. 2.29). £ Migration. Eosinophile verbleiben nur kurze Zeit in der Blutbahn (HWZ: 17–33 Std.) und penetrieren in das Parenchym, geleitet durch chemotaktische Substanzen. Im Parenchym verweilen sie 3–6 Tage. Klinik: Eosinophilie (= Anstieg der Eosinophilen) im peripheren Blutbild wird diagnostisch verwertet bei: 1. Wurmerkrankung. Das basische Hauptprotein und das eosinophile-kationische Protein, beides Bestandteile der spezifischen Granula, wirken toxisch auf Würmer (Helminthen s. u.). 2. Protozoenbefall (Urtierchen). 3.

73

Allergische Erkrankung, z. B Asthma bronchiale. Eosinophile sind im Bronchialgewebe, -schleimhaut, Sputum nachzuweisen. Degranulation zerstört die Bronchialschleimhaut und verursacht indirekt eine Hyperreaktivität der glatten Bronchialmuskulatur. Bei der atopischen Dermatitis beteiligen sich die Eosinophilen an der Entzündungsreaktion der Haut. Basophile Granulozyten Im nachfolgenden Abschnitt werden basophile Granulozyten und Mastzellen gemeinsam besprochen, obwohl nur die basophilen Granulozyten im peripheren Blut zu finden sind. Es wird angenommen, daß beide Zellen aus einer gemeinsamen Stammzelle hervorgehen. Sie weisen auch funktionell und morphologisch viele Ähnlichkeiten auf. £ Funktion. Basophile und Mastzellen sind durch

Synthese und Freisetzung von:

• Histamin, Proteoglykanen und Proteasen aus

intrazellulären Granula

• Leukotrienen und Prostaglandinen • verschiedenen Cytokinen

einbezogen in allergische Reaktionen vom Soforttyp (Anaphylaxie, akutes Asthma), allergische Reaktionen vom verzögerten Typ und chronisch allergische Reaktionen. Mastzellen sind darüber hinaus auch wesentlich mitverantwortlich für die angeborene Immunität. Letztere Funktion können Mastzellen auf Grund von Stimuli bestimmter Bakterien, Viren, Parasiten, Toxinen oder durch Komplement-Aktivierung, all diese Prozesse laufen unabhängig von IgE, realisieren. £ Freisetzung von Histamin. Sie kann auf ver-

schiedenen Wegen erfolgen: Bei ungefähr 20 % der Allergiker bilden Plasmazellen in der Sensibilisierungsphase IgE-Ak gegen Allergene (Ag), Basophile und Mastzellen besitzen Rezeptoren für IgE und können die gegen die Allergene gerichteten IgE-Ak binden. Bei erneutem Allergenkontakt heftet sich das Allergen, vermittelt über das plasmalemmal gebundene IgE, an Basophile und Mastzellen. Wenn ein Allergen an 2 IgE-Moleküle gleichzeitig bindet, so nähern sich die benachbarten IgE-Rezeptoren. Dadurch wird transmembranär eine Aktivierung von Enzymkaskaden ermöglicht, durch die es

2 Allgemeine Anatomie

74

zur Fusion der Granula mit dem Plasmalemm und zur extrazellulären Freisetzung von Histamin kommt. £ Spätphase der allergischen Reaktion. In ihr werden von Basophilen und Mastzellen neben Histamin andere, stärker vasodilatorische Substanzen freigesetzt: Prostaglandin D2, Leukotrien C4. Dabei werden Histamin freisetzende Faktoren (zytokinähnliche Substanzen), die von einer Reihe von Zellen gebildet werden, an der Membran von Basophilen und Mastzellen gebunden und lösen sowohl IgE-abhängig als auch IgE-unabhängig die Bildung und Freisetzung oben genannter Mediatoren aus. £ Bau. Durchmesser: 8–10 µm. Nach Pappenheim-Färbung erscheinen die Granula intensiv blauviolett. Durch Bindung des basischen Anilinfarbstoffes an saure Glykosaminoglykane (Heparin) in den Granula kommt es zur Metachromasie. Der gelappte Kern (keine Segmentierung!) hebt sich nach der Färbung nicht deutlich von den Granula ab (Abb. 2.29). £ Migration. Basophile verbleiben nur Stunden in der Blutbahn (HWZ: 6 Std.). Sie migrieren dann ins Gewebe, wo sie sich etwa 24 Stunden aufhalten. Basophile sind kurzlebige Zellen, die nach Degranulation ihre Granula nicht wieder regenerieren können. Mastzellen. Sie bilden sich ebenfalls wie basophile Granulozyten aus CD 34+-hämatopoetischen Stammzellen (Abb. 2.32). Man findet sie: • in Schleimhäuten von Atmungs- und Intestinal-

trakt (Mucosa-Mastzelle)

• im Bindegewebe der Haut, im Peritoneum, in

der Adventitia der Gefäße (Bindegewebe-Mastzelle). • Mastzellen produzieren ebenso Histamin und Heparin, sie enthalten im Gegensatz zu Basophilen Laktoferrin, Lysozym, Tryptase. • Mastzellen zirkulieren im Gegensatz zu den Basophilen nicht im Blut. Bereits ihre Vorläufer erreichen über die Blutbahn die entsprechenden Gewebe. Sie vollenden ihre Differenzierung in der Peripherie. Unter bestimmten Bedingungen können sie ihre Proliferationskapazität erhalten. Mastzellen sind langlebig, nach Degranulierung sind sie in der Lage, Granula zu regenerieren.

2.4.3.2.2 Monozyten Monozyten sind Zellen des peripheren Blutes. In den Geweben differenzieren sie sich zu Makrophagen. In diesem Kapitel werden Monozyten und Makrophagen gemeinsam besprochen. Die nachfolgend erwähnten Funktionen treffen nur für Makrophagen zu: £ Funktion. Bekämpfung mikrobieller Infek-

tionen und anderer Entzündungen durch die Fähigkeit zur Phagozytose / Pinozytose und zur Abgabe entzündungshemmender Faktoren.

Phagozytose großer Partikel: Bakterien, Protozoen, Pilze, Schmutz-, Staubpartikel, Fremdzellen, als „fremd“ erkannte körpereigene Zellen

Pinozytose kleiner Partikel: Viren, Immunkomplexe, gelöste Makromoleküle. Erkannt werden sowohl opsonierte Partikel (IgG beladen oder komplement-vermittelt), als auch nicht-opsonierte Partikel. Beide Prozesse laufen unter Einbeziehung von Membranrezeptoren ab. Eleminierung dieser Partikel oder Antigenpräsentation an B- und T-Lymphozyten mit nachfolgender Aktivierung der Lymphozyten Beeinflussung des Mikromilieus in verschiedenen Organen durch Produktion unterschiedlicher Zytokine: z. B. der Hämatopoese im Knochenmark £ Bau. Durchmesser 12–20 µm. Monozyten

besitzen einen nierenförmigen Kern und einen breiten, basophilen Zytoplasmasaum, der nach Pappenheim-Färbung graublau erscheint (Abb. 2.29). Die Azurgranula, die primären Lysosomen entsprechen und mit zunehmender Reifung der Monozyten verschwinden, enthalten neben hydrolytischen Enzymen auch Peroxidase. Es handelt sich dabei um Myeloperoxidase, die auch in den neutrophilen Granulozyten vorkommt. Im Blut verbleiben die Zellen nur 1–2 Tage (HWZ 17,4 Std.). Danach wandern sie in die Gewebe und in die mit Serosa ausgekleideten Höhlen, um sich dort zu Makrophagen zu differenzieren.

2.4 Blut, Sanguis

£ Makrophagen monozytärer Abstammung

Die Umwandlung von Monozyten in Makrophagen geht mit markanten morphologischen und biochemischen Veränderungen einher. £ Zytokinproduktion. Die Palette der produ-

zierten Zytokine ändert sich. Welche Zytokine produziert werden, ist abhängig von der Lokalisation im Gewebe.

Ruhende Makrophagen müssen erst aktiviert werden, um Pathogene zu erkennen und zu phagozytieren. Eine wesentliche Funktion scheint in diesem Zusammenhang dem Interferon-gamma zu zukommen, das die mikrobizidale und tumorozidale Aktivität der Makrophagen erhöht. Makrophagen, die sich aus Monozyten differenzieren, sind mitotisch inaktiv und haben in den Organen eine Lebensdauer von 1–2 Wochen. Diese Population erneuert sich ständig durch Einwanderung von Monozyten aus dem Blut. Dabei ist die Monozyten-Influxrate in Leber und Milz hoch, in Lunge und Peritonealhöhle niedrig. £ Residente (ortsständige) Makrophagen. Sie

haben ein proliferatives Potenzial, das die Fähigkeit zur Selbsterneuerung einschließt. Ihr Anteil ist in den Organen verschieden. Die Lebensdauer beträgt bis zu einem Jahr. Sie entwickeln sich in der Fetalperiode aus primitiven Makrophagen über die Stufe der fetalen Makrophagen unter Umgehung des monozytären Differenzierungsweges. £ Mononukleäres Phagozytensystem (MPS). Die Makrophagen stellen eine sehr heterogene Population dar. Residente Makrophagen und die sich ständig neu über Monozyten rekrutierenden Makrophagen werden unter dem Begriff MPS zusammengefasst. Dieser Begriff schließt folgende Zellen ein: Histiozyten (Bindegewebe) Kupffer-Zellen (Leber) Makrophagen (Knochenmark) Typ A-Zellen (Synovia) Alveolarmakrophagen (Lunge) Makrophagen (Endokrine Organe) Mikroglia, perivaskuläre Makrophagen (Zentralnervensystem) • Pleural-, Perikardial-, Peritonealmakrophagen (Körperhöhlen) • • • • • • •

75

2.4.3.2.3 Lymphozyten Funktionell wird zwischen B-, T-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen unterschieden. £ Einteilung

T-Lymphozyten unterteilt man in zytotoxische (Effektor-)Zellen (TEffektor), Helfer-Zellen (THelfer) und Suppressor-Zellen (TSuppressor). 1. Gedächtniszellen (memory cells) finden sich unter den B- und T-Lymphozyten. Sie entsprechen morphologisch kleinen Lymphozyten. 2. Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) sind in der Lage, bereits beim Erstkontakt bestimmte Viren, intrazelluläre Bakterien, Parasiten und Tumorzellen zu zerstören (angeborene Immunität). Die Reifung der NK-Zellen erfolgt unabhängig vom Thymus. Sie bilden 20 % der Zellen in der Lymphozytenpopulation des peripheren Blutes und 5 % der Zellen in der Milz-Lymphozytenpopulation. £ Bau

Lymphozyten stellen 20–40 % der Leukozyten. Morphologisch unterscheiden wir 2 Arten (Abb. 2.29): 1. Kleine Lymphozyten (Durchmesser 6–9 µm): stark kondensiertes Chromatin und damit kräftig gefärbter Zellkern, dünner basophiler Zytoplasmasaum. 2. Große Lymphozyten (Durchmesser 9–16 µm). Der Kern kann einseitig leicht abgeplattet oder eingezogen werden und weniger intensiv gefärbt sein. Der Zytoplasmasaum ist etwas breiter.

2.4.3.2.4 Blutplättchen, Thrombozyten £ Funktion. Sie stehen im Dienste der Blutstil-

lung. Einen wichtigen Speicher für Thrombozyten stellt die Milz dar. Sie ist in der Lage beim Gesunden bis zu 30 % der Gesamtmenge an Thrombozyten zu speichern. Bei Blutungen können dadurch sofort größere Mengen an Thrombozyten in die Zirkulation entlassen werden. Blutplättchen regulieren darüber hinaus entscheidend den Serotonin-Spiegel im Blut. Sie können in ihren delta-Granula (dense bodies) aus dem Blut aufgenommenes Serotonin speichern.

2 Allgemeine Anatomie

76

£ Bau.

Kleinste Blutzellen, kein Zellkern. Durchmesser 1–4 µm (Abb. 2.29). Sie bleiben 8–12 Tage in der Zirkulation, Abbau in Milz und Lunge.

Erythrozyten

neutrophiler Granulozyt

_ feine rot-violette Azurgranula _ mehrfach segmentierter Kern

basophiler Granulozyt

eosinophiler Granulozyt

kleiner und großer Lymphozyt

_ große dunkelviolette Granula, die den Kern überragen _ gelappter Kern

_ rot-braune Granula _ 2 Kernsegmente, die sich deutlich abheben

_ schmaler basophiler Zytoplasmasaum _ Kern exzentrisch, gelegentlich mit Einkerbung

Monozyt

_ Zytoplasma rauchgrau,

Thrombozyten

im Ausstrich als blaue Punkte, häufig in Gruppen liegend, erkennbar

feine Azurgranulation _ eingebuchteter Kern

Abb. 2.29: Zellen des peripheren Blutes. Farbcharakteristika nach Pappenheim-Färbung

Granulatypen. 3 Granula werden unterschieden: 1. Alpha-Granula mit Plättchenfaktor 4 (bindet Heparin, stimuliert Histaminfreisetzung, wirkt chemotaktisch), Beta-Thromboglobulin (aktiviert Thrombin, wirkt chemotaktisch), ein den Plättchen entstammender Wachstumsfaktor (platelet-derived growth factor = PDGF), Fibrinogen, Fibronektin, Thrombospondin, von Willebrand-Faktor = vWF (Adhäsionsprotein, Carrier-Protein für Gerinnungsfaktor VIII) und Gerinnungsfaktor V. Der überwiegende Anteil an Proteinen in den AlphaGranula sind Gerinnungsfaktor V, vWF, Fibronektin. Über Plättchenfaktor 4, beta-Thromboglobulin, TGF-beta (Tumor-Wachstumsfaktor-beta), die hemmend auf die Thrombopoese wirken, können die Thrombozyten durch negative Rückkopplung ihre Eigenproduktion beeinflussen. 2. Delta-Granula (dense bodies) mit Serotoninund ADP. 3. Lambda-Granula sind primäre Lysosomen, mit sauren Hydrolasen, Kathepsin, Heparinase. Peroxisomen enthalten Katalase. Klinik: Die routinemäßige Differenzierung der Leukozyten nutzt ein Verfahren der Flowzytometrie. Durch Registrierung der Streuung von Laserstrahlen, die von der Größe, dem Granulagehalt im Zytoplasma und von der Kerngestalt abhängt, werden die Leukozyten im natürlichen, unfixierten Zustand als Punktwolke im „Scattergramm“ identifiziert. Die morphologische Beurteilung im Mikroskop ergänzt die Entscheidung bei unklaren Daten des Gerätes.

2.4.4

Blutbildung, Hämatopoese

2.4.4.1

Primitive Hämatopoese

Lernziele: primitive Hämatopoese, definitive Hämatopoese, postnatale Hämatopoese, Stammzellen

2.4 Blut, Sanguis

77

£ Diese Phase der Hämatopoese beginnt im Dot-

tersack am 18. Entwicklungstag und dauert bis zur 6. Schwangerschaftswoche (Abb. 2.30). £ Aus der Primitivstreifen-Region (s. Kap. 3.5.1.1, S. 140) wandern Hämangioblasten in das extraembryonale Mesenchym des Dottersackes ein. Sie bilden Zellaggregate, aus denen sich im weiteren Verlauf peripher Endothelzellen differenzieren. Der überwiegende Anteil zentraler Zellen dieser Aggregate verschwindet wieder, nur ein Rest differenziert sich weiter zu haematopoetischen Zellen. Aus ihnen entstehen die so genannten Blutinseln. £ Erste Kommunikationen zwischen extra- und intraembryonalem Kreislauf scheinen bereits am 21./22. Entwicklungstag (3–5 Somiten) zu existieren, da hämatopoetische Zellen aus dem Dottersack im Embryo angetroffen werden. Die vitellinen (zum Dottersack gehörigen) Gefäße entstehen jedoch erst am 30. Entwicklungstag und verbinden den Dottersackkreislauf mit dem intraembryonalen Kreislauf. £ Bereits am 24. Entwicklungstag sind im Dottersack weder hämangioblastische Zellaggregate noch intravaskuläre Blutinseln mehr zu sehen. Der Dottersack ist reich vaskularisiert und enthält 2 Zellarten: 1. Megaloblasten. Im Dottersack dominiert die Erythropoese. Die Reifung der roten Blutzellen verläuft jedoch unabhängig von dem für die adulte Hämatopoese notwendigen Erythropoetin. Es entstehen große kernhaltige Erythrozyten, Megaloblasten, mit einer verkürzten Lebensdauer. Diese

Zellen enthalten schon den embryonalen, aber auch den fetalen (HbF) und adulten Typ (HbA1) des Hämoglobins, wobei der fetale Typ überwiegt. Die unterschiedlichen Hämoglobintypen beruhen auf unterschiedlichen Globinketten. Die DottersackHämatopoese findet intravasal statt. Die Erythrozyten brauchen keine Gefäßwände zu passieren. Die Kernausstoßung unterbleibt. 2. Makrophagen. In geringem Grade gehen in den Dottersackgefäßen aus den hämatopoetischen Stammzellen auch primitive Makrophagen hervor, die in das Mesenchym auswandern und das extraembryonale Coelom erreichen. Dort differenzieren sich die Zellen zu fetalen Makrophagen, die dann auch phagozytotisch aktiv sind. Die hämatopoetischen Stammzellen des Dottersackes haben ein beschränktes Differenzierungspotenzial, auch ihr proliferatives Potenzial ist sehr begrenzt

2.4.4.2

Definitive Hämatopoese

£ Aorta-Gonaden-Mesonephros

(AGM)-Region

Definitive hämatopoetische Stammzellen werden erstmalig im Bereich der ventralen Wand der dorsalen Aortae in Form von Zellaggregaten am 27. Entwicklungstag gefunden, z. T. in der bereits fusionierten Aorta, z. T. oberhalb in den noch nicht fusionierten Abschnitten. Es wird vermutet, dass Hämangioblasten aus dem umgebenden Dottersack AGM-Region Leber Knochenmark

2

5 6

10

20

30

36

Gestationswochen

Abb. 2.30: Primitive und definitive Hämatopoese, zeitlicher Verlauf und Organlokalisation

2 Allgemeine Anatomie

78

Chorda dorsalis hämatopoetische Stammzellen in der ventralen Wand der Aorta Vena cardinalis Urniere mit WolffGang

hämatopoetische Stammzellen im viszeralen Mesoderm

Darm

Abb. 2.31: Definitive Hämatopoese in der Aorta-Gonaden-Mesonephros-Region

Mesenchym im Bereich der Urnieren und Gonaden (Splanchnopleura-Mesoderm) und/oder aus dedifferenzierten Endothelzellen der ventralen Aortenwand stammen und in das Lumen der Aorta hineinwandern (Abb. 2.31). Diese Stammzellen sind in der Lage, in alle hämatopoetischen Zelllinien zu differenzieren und eine Langzeitbesiedlung anderer hämatopoetischer Organe vorzunehmen. Etwa am 40. Entwicklungstag verschwinden die Zellaggregate im Bereich der ventralen Aorta. £ Leber

Nach dem 32. Entwicklungstag findet man hämatopoetische Stammzellen auch in der Leber. Diese wandern aus der AGM-Region in die Leber ein. Zu diesem Zeitpunkt haben die Zellaggregate in der Wand der Aorta ihre maximale Größe erreicht. Ab 6. Woche ist die Leber das primäre haematopoetiche Organ. In der Leber bilden sich alle Blutzellreihen, einschließlich der B- und T-Lymphozyten, jedoch dominiert die Ausbildung roter Blutzellen. Das dafür notwendige Erythropoetin wird in der Leber selbst gebildet. Erst am Ende der Schwangerschaft übernimmt die Niere dessen Produktion.

Charakteristisch ist der enge zelluläre Kontakt zwischen den erythroiden Zellen und den fetalen Hepatozyten. Da die fetalen Hepatozyten anfangs noch einen lockeren Zellverband bilden und keine Polarisierung aufweisen, können sie von erythroiden Zellen allseitig umlagert werden. Erstmalig in der Leber treten Erythroblasteninseln auf, die durch einen zentralen Makrophagen, der von unreifen erythroiden Zellen umgeben ist, charakterisiert sind. Die Erythropoese verläuft extravasal. Es bilden sich kernlose Erythrozyten aus. Hämoglobinsynthese. In der hepatischen Phase erfolgt ein Wechsel in der Hb-Synthese vom embryonalen Hb-Typ → fetalen Typ. Perinatal erfolgt ein Wechsel zum adulten Typ (1/3 HbF, 2/3 HbA1). Mit dem Wachstum der Leber wachsen die Hepatozyten immer dichter aufeinander zu, bilden die Leberzellstränge aus und verdrängen das hämatopoetische Gewebe. Zum Zeitpunkt der Geburt sind hepatische hämatopoetische Herde kaum noch vorhanden. Nach der 1. postnatalen Woche sistiert die Blutbildung in der Leber. £ Milz

Entgegen früheren Annahmen ist man heute der Meinung, dass in der fetalen Milz keine Hämatopoese stattfindet. Es lassen sich zwar ab 13. Woche haematopoetische Vorläuferzellen (CFU-G/M, BFU-E, CFU-E) nachweisen, jedoch in wesentlich geringerer Zahl als in der Leber. Es wird vermutet, dass es sich hierbei um zirkulierende Vorläuferzellen aus dem peripheren Blut handelt, die in der Milz nur vorübergehend eingefangen werden. Vorrangig findet man reife myeloische Zellen in der Milz. Unter pathologischen Bedingungen ist die adulte Milz in der Lage, hämatopoetische Vorläuferzellen einzufangen und zur Proliferation anzuregen, z. B. bei den myeloproliferativen Erkrankungen. In diesem Falle herrschen in der Milz günstigere Milieubedingungen als im Knochenmark. £ Knochenmark

In den fetalen langen Röhrenknochen beginnt die Hämatopoese in der 10. Woche, bleibt aber auf die Diaphysen bis zur 15. Woche beschränkt. Die Granulopoese dominiert gegenüber der Erythropoese. Die granulopoetischen Zellen bilden abgegrenzte

2.4 Blut, Sanguis

solide Stränge, die mit zunehmender Größe verschmelzen. Ab 16. Woche nimmt die Hämatopoese im Bereich der Diaphysen wieder ab.

2.4.4.3

Postnatale Hämatopoese

Die postnatale Hämatopoese findet im Knochenmark statt. Hämatopoetische Stammzellen treten mit einer Häufigkeit von 1–2 pro 104 mononukleäre Knochenmarkzellen auf. 1. Sie befinden sich in der G0-Phase des Zellzyklus und können auf einen Stimulus hin proliferieren und sich differenzieren, sich selbst erneuern, d. h. durch Proliferation gleiche Zellen bilden, ohne den Weg der Differenzierung einzuschlagen. Dadurch wird der Pool von Stammzellen aufrechterhalten. 2. Sie können immunologisch durch den Nachweis von Oberflächen-Ag charakterisiert werden. Hierbei spielt das CD 34-Antigen eine besondere Rolle (CD= cluster of differentiation, in der Zellkultur findet man Zellhaufen, sogenannte cluster). Hämatopoetische Stammzellen sind CD 34+, man hat jedoch auch eine Subpopulation hämatopoetischer Stammzellen gefunden, die dieses Antigen nicht aufweisen, möglicherweise sind diese Zellen noch unreifer. 3. Sie sind im peripheren Blut nachweisbar. Fetalzeit. Stammzellen aus dem Dottersack, später aus der AGM-Region werden über die Blutbahn an die hämatopoetischen und lymphopoetischen Organe verteilt. Klinik: Bei der Geburt sind hämatopoetische Stammzellen im Nabelschnurblut vorhanden und können daraus für eine allogene (genetisch differenter Spender) Transplantation gewonnen werden. Postnatalzeit. Durch eine mäßige Überproduktion von Stammzellen soll gesichert werden, dass alle Plätze für Stammzellen im Knochenmark (Stammzellnischen) besetzt sind. Stammzellen, die sich im Knochenmark eingenistet haben, und zirkulierende Stammzellen konkurrieren um die verfügbaren „Nischen“. Diejenigen Stammzellen, die keine Nischen finden, unterliegen dem Abbau auf Grund des Fehlens von Wachstumsfaktoren.

79

Klinik: 1. Für die Rekonstruktion von Knochenmark können ebenso hämatopoetische Stammzellen aus dem peripheren Blut von Kindern und Erwachsenen, entweder für eine allogene oder für eine autologe (Spender und Empfänger identisch) Transplantation gewonnen werden. 2. Stammzellen aus Nabelschnurblut, peripherem Blut und Knochenmark unterscheiden sich im Differenzierungsverhalten und hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Langzeit-Hämatopoese. Hämatopoetische Stammzelldifferenzierung geschieht in 2 Richtungen (Abb. 2.32). Bildung von 1. myeloischen Stammzellen, 2. Bildung von lymphoiden Stammzellen. Unklar ist zur Zeit noch, ob die Stroma-Stammzellen (= mesenchymale Stammzellen) aus den hämatopoetischen Stammzellen hervorgehen, oder eine selbstständige Population darstellen. Die Entwicklung der Zellreihen aus der hämatopoetischen Stammzelle erfolgt hierarchisch: Teilung und Differenzierung: pluripotente Stammzellen → multipotente Zellen, die unterschiedliche Entwicklungswege einschlagen können. Je weiter die Differenzierung fortschreitet, desto mehr wird die Vielfalt der Entwicklungsrichtungen eingeschränkt. Andererseits gibt es aber auf der Ebene der Vorstufen eine hohe Plastizität innerhalb der hämatopoetischen Zellen: Transdifferenzierung ist zwischen einzelnen Entwicklungwegen möglich, z. B. zwischen B-und T-Vorläuferzellen, zwischen erythroiden Zellen und megakaryozytären Vorläuferzellen, aber auch Redifferenzierung innerhalb einer Entwicklungsreihe kann vorkommen. Die Identifizierung der Vorläuferzellen gelang durch Zellkultivierung. In der Zellkultur bilden diese Zellen Konglomerate (bursts) bzw. etwas kleinere Zellanhäufungen (Kolonien). Aus diesem Grunde wurden für diese Zellen die Begriffe burstforming-unit (BFU) bzw. colony-forming-unit (CFU) geprägt. Differenzierung der dendritischen Zellen Aus der hämatopoetischen Stammzelle entwickeln sich auch die dendritischen Zellen (DC). Die Bezeichnung erfolgte auf Grund der weit verzweigten (dendritischen) Zellausläufer, die insbesondere bei den reifen dendritischen Zellen vorhanden sind.

2 Allgemeine Anatomie

80 Selbsterneuerung Proliferation

pluripotente Stammzelle

myeloische Stammzelle

CFU-Meg

Megakaryozyt

Thrombozyten

BFU-E

CFU-GM

CFU-E

CFU-M

Erythrozyt

lymphoide Stammzelle

CFU-Baso/Eo

CFU-G

Monozyt neutrophiler Granulozyt

CFU-Eo

prä-B-Lymphozyt prä-T-Lymphozyt

CFU-Baso

eosinophiler Granulozyt

Makrophage

basophiler Granulozyt

prä-NK

CFU-Mast

Mastzelle

B-Lymphozyt

T-Lymphozyt

natürliche Killerzelle

Plasmazelle

Abb 2.32: Hämatopoetische Differenzierung

Sie bilden einen wichtigen Teil des Immunsystems. In den peripheren Geweben nehmen dendritische Zellen Antigene auf und präsentieren die von ihnen aufbereiteten Antigene den Lymphozyten. Hinsichtlich der Antigenpräsentation sind dendritische Zellen wesentlich effizienter als Monozyten. An Hand unterschiedlicher Membranantigene kann zwischen dendritischen Zellen, die sich aus der myeloischen Stammzelle, und dendritischen Zellen, die sich aus der lymphoiden Stammzelle entwickeln, unterschieden werden (Abb. 2.33). Neu gebildete myeloische dendritische Zellen verlassen das Knochenmark und migrieren über den Blutstrom in nicht-lymphatische Organe. Dort nehmen sie Antigene auf. Sie wandern dann über Blut- oder Lymphgefäße zu den T-Zell-Regionen bzw. B-Zell-Regionen der sekundären lymphatischen Organe, um als reife dendritische Zellen eine Immunantwort auszulösen. Lymphoide dendritische Zellen findet man im Thymus (Thymus-DC2), andererseits im periphe-

ren Blut und in den T-Zell-Regionen der sekundär lymphatischen Organe (periphere DC2). Beide Zelltypen entwickeln sich aus der lymphoiden Stammzelle, bzw. deren Nachkomme, der plasmozytoiden (= plasmazellen-ähnlichen) dendritischen Zelle (pDC2), wobei sich die Thymus-DC2 innerhalb des Thymus differenzieren. Die peripheren DC2 nehmen einen anderen Entwicklungsweg, sie reifen außerhalb des Thymus. Lymphoide dendritische Zellen sind für die TZell-abhängige Immunantwort verantwortlich. Außerdem beseitigen sie potenziell autoreaktive T-Lymphozyten. Differenzierung von Osteoklasten Osteoklasten differenzieren sich ebenfalls aus der hämatopoetischen Stammzelle. Dabei gibt es 2 unterschiedliche Entwicklungswege. Einerseits können Osteoklasten direkt aus Vorläuferzellen hervorgehen (CFU-O), andererseits können sie durch Fusion von Makrophagen über die Stufe

2.4 Blut, Sanguis

B-Lymphozyten T-Lymphozyten NK-Zellen

81

CD 34+ Stammzelle myeloische Stammzelle

lymphoide Stammzelle

Vorläuferzellen

CFU-GM/DC DC1 myeloische DC Vorläuferzelle

pDC2 lymphoide DC Vorläuferzelle (p = plasmocytoid = plasmazellen-ähnlich)

DC1 CD1a+/CD14-

DC1 CD1a-/CD14+

CFU-GM

DC1 CD1a-/CD14+

Monozyt

unreife DC

Langerhans-Zelle in nicht-lymphatischen Geweben: Epidermis, Schleimhäute, Lunge

interstitielle DC Interstitium von Dermis, Leber, Niere, Pankreas u. a.

Makrophage

reife DC Thymus DC2 (Thymus)

periphere DC2 (peripheres Blut und T-Zellen-Regionen der Lymphknoten)

interdigitierende DC = IDC T-Zellen-Regionen der sekundär lymphatischen Organe

Keimzentrum DC B-Zellen-Regionen der sekundär lymphatischen Organe

Abb. 2.33: Differenzierungswege der dendritischen Zellen

nichtresorbierender polynukleärer Makrophagen gebildet werden. (Abb. 2.34). Stromazellen des Knochenmarks Das Knochenmarkstroma setzt sich aus Endothelzellen, Fibroblasten, Myofibroblasten, Adipozyten, und Osteoblasten zusammen. Sie schaffen ein Mikromilieu für die sich entwickelnden hämatopoetischen Zellen durch: £ Extrazelluläre Matrixmoleküle: Kollagen, Fibro-

nektin, Vitronektin, Tenascin.

£ Zytokine £ Zelluläre Interaktion mit hämatopoetischen

Zellen

Klinik: Sowohl hämatopoetische Stammzellen als auch mesenchymale Stammzellen im Knochenmark sind in der Lage, sich in andere Zellen zu differenzieren. Das erschließt neue Wege u.a. zur Behandlung von nervalen Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen, zukünftig möglicherweise aber auch Wege zur Synthese ganzer Organe. 1. Hämatopoetische Stammzellen: Differenzierung in: hepatische Oval-Zellen (bipotente Zellen, die zu Hepatozyten und Gallengangsepithelien differenzieren können. 2. Knochenmark-Stroma-Stammzellen: Differenzierung in: Nervenzellen, Astrozyten, Oligodendrozyten, Skelettmuskelzellen, glatte Muskelzellen, Herzmuskelzellen, Chondroblasten, Tendozyten, Zellen des Glomerulums der Niere, Parenchymzellen der Lunge.

2 Allgemeine Anatomie

82

CD 34+ Stammzelle

myeloische Stammzelle

CFU-O

CFU-GM/O

Monozyt

Makrophage

polynukleärer Makrophage

Osteoklast

Abb. 2.34: Differenzierung von Osteoklasten

2.5

Mechanismus und Organe der Immunabwehr

Lernziele: Mechanismen der Abwehr, unspezifische, angeborene Mechanismen, spezifische, erworbene Mechanismen. Organe der Abwehr: Thymus, Milz, Lymphknoten, Tonsillen, schleimhautassoziiertes Lymphgewebe Funktion • Abwehrstrategien. In lebensbedrohlicher Umge-

bung mussten evolutionär Mechanismen einer effektiven Abwehr entwickelt werden. Viele

Seitenzweige der Evolution haben dies nicht bewältigt und sind ausgestorben. • Es mussten unterschiedliche Strategien der Abwehr entwickelt werden, die sich zunehmend miteinander verzahnt haben. Wir unterscheiden eine unspezifische und eine spezifische Abwehr (Abb. 2.35).

2.5 Mechanismus und Organe der Immunabwehr

83

einwandern und zu Gewebsmakrophagen differenzieren: Mononukleäres Phagozytensystem. Makrophagen sind fortsatzreich (große Oberfläche), enthalten zahlreiche Lysosomen bzw. abgebaute Reste.

spezifisch

TLy m

r pe

ph oz yt en

ör tik An

Antigen Fremdkörper

humoral

em pl m Ko

unspezifisch

Abb. 2.35: Vereinfachte Übersicht der Abwehrwege gegen einen Fremdstoff

2.5.1

£ £ £ £ £

en

nd - u gen ro ak pha o ikr M

ts ys te

M

m

zellulär

Prädilektionsstellen

£ £ £ £ £

Lunge (Alveolarmakrophagen) Bauchfell (Peritonealmakrophagen) Wand der Milzsinus Retikulum des Lymphknotens Thymus, besonders an der Rinden-MarkGrenze Mesangiumzellen des Nierenkörperchens Mikroglia im Gehirn Chondroklasten, Osteoklasten in Knorpel und Knochen Kupffer-Sternzellen der Leber Hofbauer-Zellen der Plazenta

Makrophagen verarbeiten phagozytierte und veränderte Ag und reichen sie an Lymphozyten weiter, die eine Immunantwort einleiten.

Unspezifische Abwehr

Unspezifische Abwehr ist eine angeborene Abwehr, die keines Antigen-(Ag)-Kontaktes bedarf: 1. Erste Reihe der Abwehr, 2. Zweite Reihe, 3. Mikrophagen, 4. Makrophagen. 1. Erste Reihe der Abwehr. Innere und äußere Oberflächen des Körpers: Haut, Schleimhäute mit Epithelien und Sekreten: Flimmerhaare, Schweiß, Talg, Schleim, Tränen, Speichel, Bitterstoffe (Gehörgang), Salzsäure (Magen), Milchsäure (Vagina). In den Sekreten befinden sich teilweise bakterienabtötende, körpereigene Abwehrenzyme: z. B. Lysozym, welches die Zellwand von Bakterien zerstört. 2. Zweite Reihe der Abwehr. Fresszellen (Phagozyten), die im Inneren des Körpers patroullieren und ihn nach eingedrungenen Fremdstoffen oder veränderten körpereigenen Zellen absuchen. 3. Mikrophagen. Die kurzlebigen neutrophilen Granulozyten durchdringen amöboid Kapillarwände und erreichen, chemotaktisch angelockt, Orte von Entzündungen. Sie erzeugen u. a. Lysozym. Im Verlauf dieser Vorgänge sterben sie selbst bald ab (Lebensdauer ca. 1 Woche). 4. Makrophagen. Blutmonozyten, Fresszellen mit verlängerter Lebensdauer, die in Gewebe

2.5.2

Spezifische Abwehr

Die spezifische Abwehr ist eine postnatal erworbene Abwehr durch Ag-Kontakt. Immunantwort. Induziert durch B-, T-Lymphozyten: 1. Zelluläre Immunität (Lymphozyten wirken direkt, als Zellen) 2. Humorale Immunität (Lymphozyten wirken indirekt, über lösliche Abwehrstoffe). Vorläuferzellen der T- und B-Lymphozyten stammen aus dem Knochenmark und bilden neben der myeloischen Reihe von Blutzellen (Granulozyten, Monozyten) die lymphatische Entwicklungslinie.

2.5.2.1

Antigene (Ag)

Antigene sind Substanzen jeglicher Art, die die Bildung von Antikörpern auslösen können. Ag können sein: 1. Potenziell pathogene Mikroorganismen, 2. Körpereigene Bestandteile, die als „fremd“ erkannt werden (z. B. Krebszellen).

2 Allgemeine Anatomie

84

Eigenschaften £ Strukturelle Unterscheidung von körpereigenen

Molekülen

£ Molekülkonformation bleibt gleich, sonst wird

es in der Sekundärantwort nicht mehr erkannt

£ Je größer das Molekulargewicht, um so mehr

Unterschiede zu körpereigenen Strukturen sind möglich.

Diese Voraussetzungen sind am deutlichsten bei Eiweißstoffen und einigen langkettigen Kohlenhydratmolekülen gegeben: Polysaccharide in den Zellwänden von Bakterien, Blutgruppensubstanzen in der Erythrozytenmembran.

2.5.2.2

Lymphozyten

Vorstufen der lymphatischen Zellreihe stammen aus dem extraembryonalen Mesenchym: Blutinseln von Dottersack, Chorion, Amnion, Haftstiel und evtl. aus der fetalen Leber. Später entstehen sie im Knochenmark. Prägung. Lymphozyten besiedeln vor der Geburt zentrale (primäre) lymphatische Organe: Thymus und Knochenmark. Hier erfolgt in mehreren Differenzierungsschritten ihre Reifung zu immunkompetenten Zellen (Prägung). Hormonähnliche Stoffe spielen dabei eine Rolle. £ T-Lymphozyten (thymusgeprägte Lymphozy-

ten) reifen im Thymus

£ B-Lymphozyten reifen im Knochenmark (engl.

bone marrow = Knochenmark).

Die ursprüngliche Nomenklatur bezieht sich auf die Vorgeschichte: Bei Vögeln existiert ein mit der Kloake in Verbindung stehender Blindsack, die Bursa Fabricii. In diesem, den Säugern fehlenden Lymphorgan erfolgt die Prägung zu sensibilisierten B-Immunzellen. Reifung (immunkompetente Zellen). Lymphozyten verlassen die zentralen lymphatischen Organe und siedeln sich in peripheren Lymphorganen an: Milz, Lymphknoten, Tonsillen, schleimhautassoziierte Lymphgewebe. Retikulumzellen schaffen die erforderlichen Bedingungen. B- und T-Zellregionen sind lokal getrennt. Standort. Die immunkompetenten Zellen verändern laufend ihren Standort: sie rezirkulieren. Mit

dem Lymphstrom gelangen sie in das Blut und besiedeln andere Lymphorgane über Leiteinrichtungen: Postkapilläre Venulen, die sich durch ein kubisches bis zylindrisches Endothel auszeichnen, dessen Oberflächenmoleküle in Verbindung mit Oberflächenstrukturen der Lymphozyten diese in Lymphorgane dirigieren. Rezirkulation. Durch Venulen (fehlen in Milz, Knochenmark) gelangen Lymphozyten aus dem Kreislauf wieder in die Lymphorgane. Diese Rezirkulation gewährleistet die weiträumige Verteilung der jeweils gegen ein bestimmtes Ag gerichteten Lymphozyten; sie „tasten“ den Organismus ständig nach dem passenden Ag ab. Treffen sie auf dieses, beginnen Vermehrung und Transformation zu Effektorzellen. Lymphozyten sind die einzigen Blutzellen, die teilungsfähig und teilweise langlebig sind (10–20 Jahre). Lichtmikroskopisch wirken sie eintönig. Ein runder Zellkern mit überwiegend kondensiertem Chromatin wird von einem Plasmasaum umgeben. Bei kleinen Lymphozyten ist er sehr schmal, bei den großen Lymphozyten ist die Kern-Plasma-Relation mehr zu Gunsten des Zytoplasmas verschoben. Elektronenmikroskopisch ist die Oberfläche der T-Lymphozyten glatt, B-Lymphozyten haben fingerförmige Fortsätze.

2.5.2.2.1 B-Lymphozyten B-Lymphozyten sind Träger der humoralen Abwehr. Vom Knochenmark aus besiedeln sie periphere Lymphorgane. B-Zellregionen entsprechen im Lymphknoten und anderen Lymphanhäufungen den Lymphfollikeln, in der Milz den Malpighi-Körperchen. Auf der Grundlage dendritischer Retikulumzellen bilden Lymphozyten zunächst Primärfollikel und nach antigener Stimulation Sekundärfollikel: Dichter Wall aus kleinen Lymphozyten, helles Zentrum mit Lymphoblasten (Reaktions- = Keimzentrum). Ergebnis nach Proliferation und Transformation sind: £ Plasmazellen (Enddifferenzierungsstufe der B-

Lymphozyten) bilden Antikörper (Ak)

2.5 Mechanismus und Organe der Immunabwehr

£ langlebige B-Gedächtniszellen, die bei erneu-

tem Ag-Kontakt eine sofortige, verstärkte Immunantwort auslösen.

Plasmazellen sind große, bis 20 µm messende Zellen mit einem exzentrischen Kern. Fleckförmige Chromatinverdichtungen an der Innenseite der Kernmembran vermitteln den Eindruck einer „Radspeichenstruktur“. Sie besitzen einen gut ausgebildeten Proteinsyntheseapparat, Ak-Synthese: stark ausgebildetes rER, wodurch die Basophilie des Zytoplasmas bedingt ist, prominenter GolgiApparat. Klinik: Ein bösartiger Tumor der B-Zellen ist das Plasmozytom (Plasmazellvermehrung im Knochenmark mit Immunglobulinen ohne AkEigenschaften).

2.5.2.2.2 Antikörper (Ak) Immunglobuline sind Proteine, die von Plasmazellen synthetisiert und in das Blut abgegeben werden, Gammaglobulinfraktion der Bluteiweiße. B-Lymphozyten haben bereits vor dem 1. Ag-Kontakt bis zu 100 000 Ak als Rezeptoren auf der Zellmembran. Ag binden unter der Vielzahl von Ak an das passende Immunglobulin; dadurch wird die Transformation der B-Lymphozyten in Plasmazellen und die Produktion und Abgabe der Ak in das Blut angeregt. Jede Zelle kann nur einen Ak-Typ mit rasanter Geschwindigkeit synthetisieren. Pro Stunde soll eine Plasmazelle 1000–2000 Moleküle erzeugen. Jeder Ak reagiert nur mit einem einzigen Ag. Es entsteht ein Ag-Ak-Komplex, der durch Makrophagen aufgenommen und abgebaut wird. Ak-Grundstruktur: Y-förmige Moleküle aus 4 Polypeptidketten, je 2 davon sind identisch. Nach dem Molekulargewicht gibt es 2 leichte und 2 schwere Ketten. Das Ag wird an den oberen Schenkeln des Y gebunden. Klinik: Immunglobuline (Ig) mit 107 bis 108 unterschiedlichen Antikörperspezifitäten können von Plasmazellen synthetisiert werden. Nach dem Schwerkettengehalt unterteilt man

85

in 5 Klassen: 1. IgA: Wichtigster Abwehrstoff in Sekreten äußerer und innerer Oberflächen. 2. IgD: Ag-Rezeptor auf Lymphozyten. 3. IgE bindet an Mastzellen, die daraufhin nach AgRekontakt Substanzen, die im Entzündungsgeschehen eine Rolle spielen, freisetzen. 4. IgG: häufigstes Ig, das Gifte bindet und der Mikrobenabwehr dient. Als relativ kleines Molekül passiert es die Plazentaschranke und vermittelt dem Kind in den ersten Lebensmonaten Leihimmunität, bis das eigene Abwehrsystem die Funktionsfähigkeit erreicht. 5. IgM bindet im Blut an Bakterien.

2.5.2.2.3 T-Lymphozyten Träger der zellulären Abwehr, produzieren keine Ak. Die Zellen tragen spezifische T-Zell-Rezeptoren auf der Zellmembran, die fremde Ag auf der Membran körpereigener Zellen erkennen. T-Zellen sind das Abwehrsystem gegen intrazelluläre Mikroorganismen, wenn diese auf dem Plasmalemm antigene Moleküle erzeugen. Auch sie reagieren jeweils nur mit einem Ag. Bei Ag-Kontakt proliferieren T-Lymphozyten. Vorstufen stammen ebenfalls aus dem Knochenmark, reifen im Thymus und wandern in periphere Lymphorgane. T-Zellregionen. Grundlage dafür sind interdigitierende Retikulumzellen, die im Lymphknoten die interfollikulären und marknahen, parakortikalen Zonen einnehmen, in den Lymphfollikeln der Schleimhäute die Regionen zwischen den Follikeln und in der Milz die periarteriellen Lymphscheiden. T-Zell-Populationen sind: £ T-Killer- und T-Gedächtniszellen £ T-Helfer- und T-Suppressorzellen.

T-Killerzellen binden an infizierte (z. B. mit Viren) oder anderweitig veränderte körpereigene Zellen (z. B. Karzinom) und zerstören diese enzymatisch. Ebenso werden unverträgliche Transplantate abgebaut. Sie wirken also zytotoxisch. T-Gedächtniszellen sichern bei erneutem Ag-Kontakt eine schnelle Sekundärreaktion. T-Helferzellen unterstützen durch Sekretion von Lymphokinen regulierend B-Lymphozyten bei der

2 Allgemeine Anatomie

86

Ak-Bildung und nehmen indirekt Einfluss auf die Ig-Entstehung. Sie befähigen über die Lymphokin-Abgabe auch Makrophagen zur Phagozytose und regulieren die Ausbildung der zytotoxischen T-Zellen. T-Suppressorzellen hemmen die Ak-Bildung in den B-Lymphozyten. Klinik: Das HI-Virus (Aids) wird an einen Membranrezeptor gebunden und infiziert diese Zellen. Die Zerstörung der CD4-Helferzellen hat eine Immunschwäche zur Folge.

2.5.3

Immunkompetente Organe, lymphatisches Gewebe

2.5.3.1

Lymphknoten, Nodus lymphaticus (Nodus lymphoideus, Lymphonodus)

2.5.3.1.1 Aufbau Wir unterscheiden am Lymphknoten: 1. Kapsel, 2. Parenchym, bestehend aus Rinde und Mark (Abb. 2.36). £ Kapsel. Kollagenes Bindegewebe, das den

Lymphknoten begrenzt und Ansatz für die Verankerung bietet. Von ihr und vom Hilum aus zweigen in das Innere Septen ab, die ein dreidimensionales Stützgerüst schaffen. In den Bindegewebssepten verlaufen die am Hilum eintretenden größeren Blutgefäße.

Lymphknoten sind durch eine deutliche Kapsel aus straffem kollagenen Bindegewebe abgegrenzt und damit nicht mit Lymphozytenanhäufungen in Geweben zu verwechseln; sie sind in den Lymphstrom eingeschaltet. Funktion • Lymphknoten sind Filter für Fremd- (z. B.

Kohlenstaub aus der Lunge) und Schadstoffe (Bakterien, Krebszellen) • Sie haben Speicherfunktion für verschiedene Stoffe • Ag-Stimulation immunkompetenter Zellen: B-, T-Lymphozyten differenzieren sich zu immunologischen Effektorzellen. B-Lymphozyten – Plasmazellen – humorale Immunantwort. T-Lymphozyten – Killerzellen – zellvermittelte Immunantwort. Strukturelle Erfordernisse zur Erfüllung dieser Funktionen sind: £ organhafte Abgrenzung durch eine Kapsel £ große innere Oberfläche durch ein Schwamm-

werk von Lymphbahnen, durch das der Lymphstrom träge sickert £ lymphatisches Gewebe mit B-, T-Zellregionen, Makrophagen.

Abb. 2.36: Schema verschiedener Lymphknotentypen. Oben links: Typ Ia, oben rechts: Typ II, Mitte: Typ III, unten: Typ Ib. Inset: Schematische Darstellung eines Lymphknotens

2.5 Mechanismus und Organe der Immunabwehr

£ Parenchym. Es besteht aus retikulärem Binde-

gewebe mit Retikulumzellen, Retikulinfasern und eingelagerten Lymphozyten, aktives Gewebe.

1. Rinde. Sie unterlagert die Kapsel und fehlt im Hilum: verdichtetes retikuläres Bindegewebe, dichtere Lagerung lymphoider Zellen. Unterteilung in äußere, innere Rinde. Äußere Rinde. Lymphozytenhaufen = Primärfollikel; nach Ag-Kontakt, Sekundärfollikel mit 1. dunklem Rand kleiner Lymphozyten, 2. hellem Zentrum (= Keimzentrum). Dieses Reaktionszentrum (Keimzentrum ist morphologisches Zeichen einer ablaufenden B-Zell-Immunreaktion. Die Follikel repräsentieren die B-Zellregion des Lymphknotens. Innere Rinde, parakortikale Zone. Sie liegt interfollikulär zwischen den Follikeln und dem Mark. T-Lymphozyten-Ansiedlung = T-Zellregion des Lymphknotens. Typisch für diesen Rindenabschnitt sind die postkapillären Venulen, deren kubisches Endothel infolge besonderer Oberflächenmoleküle Lymphozyten aus dem Blutkreislauf wieder in den Lymphknoten zurückkehren lässt; also eine Rezirkulation erlaubt. 2. Mark. Markstränge bilden ein dreidimensionales Netzwerk. Sie gehen aus der Rinde hervor und enden frei im Hilum. Das Mark erscheint aufgelockert, da sich zwischen den Strängen weite Marksinus befinden. Die Markstränge enthalten Retikulumzellen, Retikulinfasern, Makrophagen, Plasmazellen. 3. Blutversorgung der Lymphknoten. Sie erfolgt über die am Hilum eintretende Arterie. Alle Anteile sind gut vaskularisiert. Das Blut fließt über die am Hilum austretende Vene ab. Individuelle Strukturvarianten sind abhängig von Region, Alter, Geschlecht, Lebensweise, Ernährung, Gesundheitszustand.

2.5.3.1.2 Lymphweg Die Lymphe beschreibt diesen Weg: Vasa afferentia, Lymphsinus, Randsinus (Marginalsinus), Intermediärsinus, Marksinus, Vasa efferentia.

87

Vasa afferentia. Viele Lymphgefäße treten an der Konvexität des Lymphknotens ein. Zahlreiche Klappen regulieren die Stromrichtung. Lymphsinus. Lymphräume, deren Wand von spezialisierten Retikulumzellen gebildet wird, die als Uferzellen zur Phagozytose befähigt sind (im Gegensatz zu den üblichen Endothelzellen). In ihren Verband sind Makrophagen und Plasmazellen eingeschaltet. Die Auskleidung ist lückenhaft, es fehlt eine Basalmembran. Randsinus. Der Marginalsinus ist ein von Retikulumzellen durchzogener Spaltraum zwischen Kapsel und Rinde, in den die afferenten Lymphgefäße einmünden. Intermediärsinus. Dünne Lymphgänge zwischen den Follikeln, durch die Rand- und Marksinus verbunden werden. Marksinus. Lymphräume zwischen den Marksträngen. Fortsätze der Uferzellen durchqueren das Lumen und bilden ein Schwammwerk: freier Kontakt der Lymphe zu Zellen der Markstränge (Makrophagen, phagozytierenden Retikulum-, Plasmazellen). Vasa efferentia. Wenige abführende Lymphgefäße verlassen am Hilum den Lymphknoten: Konvergenz des Lymphstromes. Gefäßklappen lassen den Lymphstrom nur in efferenter Richtung zu. Histophysiologie Lymphe kann Fremdstoffe (Ag) enthalten, z. B. nach einer Infektion: Vergrößerung der Reaktionszentren der Sekundärfollikel, Vermehrung der B-Lymphozyten unter Mitwirkung von T-Helferzellen, Lymphoblasten. Damit sind B-Zellreifung und Bildung von B-Gedächtniszellen eingeleitet. Viele sterben ab und werden phagozytiert. Plasmazellen entstehen erst bei Wanderung der Lymphoblasten in die Markstränge. Ort der Auslösung des Immungeschehens und Ort der Abgabe von Immunglobulinen sind getrennt. Die Stimulierung der T-Zellregion führt zur Vermehrung der T-Zellen in der parakortikalen Region, größere Lymphoblasten, aus denen hervorgehen: Killer-, T-Helfer-, T-Suppressor-, T-Gedächtniszellen.

2 Allgemeine Anatomie

88

Klinik: Regionäre Lymphknoten. Durch Konvergenz des Lymphstromes wird die Lymphe regionalen Lymphknotengruppen zugeführt. Diese reagieren bei Entzündungen oder bösartigen Tumoren als erste. Ihre Kenntnis ist für Diagnostik, Therapie und Prognosebeurteilung essenziell.

2.5.4

Lymphgefäße, Vasa lymphatici (lymphoidei)

Lernziele: Lymphkapillaren, lymphatische Sammelgefäße, Lymphstämme: Bau, Topographie, Lymphabfluss Das nicht ins Blut reabsorbierte Filtrat der Blutkapillaren wird in die Lymphkapillaren aufgenommen und über Lymphkollektoren den prä- und den postnodären Lymphgefäßen, dann weiter den Lymphstämmen (Trunci) und schließlich dem Ductus thoracicus und Ductus lymphaticus dexter zugeführt.

2.5.4.1

Einteilung der Lymphgefäße

w Lymphkapillaren. Sie beginnen als geschlos-

sene Sacculi im Gewebe und sind mit dachziegelartig angeordneten Endothelzellen ausgekleidete Hohlrohre. Diese klappenfreien Gefäße sind gewöhnlich weiter als die Blutkapillaren und bilden ausgeprägtere weitmaschige Netze. Druckschwankungen in den Geweben bewirken einen Nettoeinstrom durch die Spalten zwischen den Endothelzellen. Im Gegensatz zu Blutkapillaren gibt es keine Basalmembran und keine Fenestrierung.

• Lymphkapillaren fehlen im Zentralnervensys-

tem (wahrscheinlich), in Epithelien und im Knochenmark. • Milz, Leber, Plazenta und Muskulatur enthalten Lymphkapillaren nur in ihren kollagen-bindegewebigen Anteilen. • Lymphkapillaren drainieren in lymphatische Sammelgefäße. w Lymphatische

Sammelgefäße, Lymphkollektoren. Es handelt sich um dünnwandige Gefäße mit zahlreichen Klappen (im Abstand von 2–3 mm). Ihr Verlauf ist unabhängig von

den Blutgefäßen und für jedes Organ charakteristisch. Anastomosen sind häufig. Die kleineren Gefäße haben 2 Schichten: eine innere aus Endothel und longitudinalen elastischen Fasern und eine äußere mit longitudinal ausgerichtetem elastischem Bindegewebe. Die größeren Lymphgefäße haben zusätzlich zwischen diesen beiden Schichten zirkuläre glatte Muskulatur, die zur Autokontraktion befähigt ist. w Lymphstämme, Transportgefäße, Trunci lym-

phatici. Sie besitzen eine Tunica media, in der sich spiralförmig angeordnete glatte Muskelzellen befinden.

2.5.4.2

Lymphfluss

Die Lymphe des Körpers wird dem Ductus thoracicus zugeleitet und im Bereich des Venenzusammenflusses (Venenwinkels) von V. subclavia sinistra und V. jugularis interna sinistra dem Blut zugeführt. Lediglich der rechte Thorax, Arm und die rechte Kopfhälfte drainieren in den kleineren Ductus lymphaticus dexter. Lymphabfluss der Körperregionen. Er ist durch die Gruppierung der Lymphknoten hierarchisch gegliedert und fließt in Richtung auf den Venenwinkel der unteren Halsgegend zu. w Von den zu den einzelnen Organen gehörenden

Lymphkapillaren wird interstitielle Gewebeflüssigkeit zu den regionären Lymphknoten geleitet. w Deren Vasa efferentia sammeln die Lymphe aus größeren Einzugsgebieten, um schließlich abzufließen w in die großen Trunci, die die Flüssigkeit wieder dem venösen Blut zuführen. Bevor die Lymphe des Armes beispielsweise in den Truncus subclavius fließt, hat sie in der Axilla 4–5 hintereinandergeschaltete Filterstationen passiert und sich dabei mit Anteilen der Lymphe der Brustwand vereinigt. Alle lymphatischen Sammelgefäße entleeren sich in einen der 8 großen Trunci. Während die großen Lymphgefäße der Extremitäten oberflächennah verlaufen und daher bei operativen Zugängen berücksichtigt werden müssen, begleiten die großen Stämme die Blutgefäße zentripetal.

2.5 Mechanismus und Organe der Immunabwehr

89

Truncus jugularis dexter

linker Venenwinkel (Angulus venosus)

Truncus subclavius dexter Ductus lymphaticus dexter (Ductus thoracicus dexter) Truncus bronchomediastinalis dexter

Ductus thoracicus

Cisterna chyli Trunci lumbales

Trunci intestinales

Abb. 2.37: Lymphgefäße des Rumpfes (aus G.-H. Schumacher)

Ductus thoracicus. Das zentrale und größte Lymphgefäß, welches die meisten anderen Stämme aufnimmt, ist der Ductus thoracicus. Ihm fließt über 6 Trunci die gesamte Lymphe unterhalb des Zwerchfells und die gesamte Lymphe der linken Körperhälfte zu. Weitere 4 Trunci bilden für das rechte obere Körperviertel den sehr viel kürzeren Ductus lymphaticus dexter (Abb. 2.37). Lymphpumpe. Die Lymphe wird durch die kontraktile Tätigkeit der glatten Muskulatur der Lymphgefäße aktiv gegen einen Druckgradienten zwischen Interstitium und Blut befördert. Die Lymphflussrichtung wird durch zahlreiche Klappen bedingt. Für die spontane Erregung (Depolarisation), die sich entlang der Lymphgefäße in beide Richtungen ausbreitet, sind eigene Schrittmacher verantwortlich, die ganze Regionen koordinieren. Die Frequenz der Schrittmacher ist u. a. Kalziumabhängig. Neben mechanischen Faktoren (Druck und Dehnung) regulieren neurale und humorale Mediatoren direkt oder indirekt die Spontankontraktionen. Klinik: 1. Das Ausmaß der Bildung neuer Lymphbahnen nach Durchtrennung ist umstritten. Dennoch entsteht relativ selten ein posttraumatisches oder postoperativ lang anhaltendes

Lymphödem (von radikalen Lymphknotenentfernungen abgesehen). Wesentlich ist eine vermehrte Kollateralisierung und kompensatorische Leistungssteigerung der verbleibenden Lymphbahnen. 2. Bestimmte Filarien (Fadenwürmer) besiedeln bevorzugt Lymphbahnen und führen als Abflusshindernis zu teilweise monströsen Ödemen (Elephantiasis). 3. Bei einer Lymphangitis kommt es zu einer Entzündung der Lymphgefäße infolge einer Infektion. Dabei erscheinen die subkutanen Lymphbahnen als rote Streifen unter der Haut. 4. Lymphangiome sind zumeist gutartige neoplastische Bildungen von Lymphkapillaren. Verschiedene andere primäre und sekundäre Bildungsstörungen des Lymphgefäßsystems sind beschrieben. 5. Die Enteropathia lymphoangioectatica ist eine angeborene zystische Erweiterung der Lymphgefäße in der Darmschleimhaut mit der Konsequenz enteraler Verluste von Proteinen. Sie ist von weiteren kongenitalen Fehlbildungen des lymphatischen Systems begleitet. Gefäße im Einzelnen und ihre Topografie (Abb. 2.37) w Cisterna chyli. Bei ca. 20 % aller Menschen

findet sich am Beginn des Ductus thoracicus

2 Allgemeine Anatomie

90

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in Höhe zwischen Th12 und L3 eine Dilatation (Cisterna chyli). Typischerweise liegt sie dorsal der unteren Hohlvene. In die Cisterna chyli münden der Truncus intestinalis (es können auch mehrere sein) aus dem Darm sowie die Trunci lumbales dexter und sinister aus dem Beckenbereich und den unteren Extremitäten. Der Ductus thoracicus (s. Kap. 10.7.6, S. 896) zieht rechts und dorsal von der Aorta durch den Hiatus aorticus, verläuft zunächst rechts von der Mittellinie, neben der Aorta vor der Wirbelsäule aufwärts bis zum 4. Brustwirbel, wendet sich dann allmählich hinter der Speiseröhre nach links und zieht in einem nach oben konvexen Bogen von hinten in die V. subclavia sinistra an deren Vereinigungsstelle mit der V. jugularis interna sinistra (Venenwinkel = Angulus venosus). Durch die Lage der Einmündung kann sich die Lymphflüssigkeit bis zum Herzen in einem großen Blutvolumen verteilen. Hier nimmt er von der linken Kopf- und Halshälfte den Truncus jugularis sinister und vom linken Arm her den Truncus subclavius sinister auf und mündet ampullenartig in den Blutkreislauf. Ein Truncus bronchomediastinalis sinister (aus der linken Thoraxhälfte) kann vorhanden sein und in den Ductus thoracicus fließen. Der Ductus lymphaticus dexter mündet entsprechend in den rechten Venenwinkel mit einem kürzeren Gefäß bis zum Herzen. Er nimmt den Truncus subclavius dexter, Truncus jugularis dexter und den Truncus bronchomediastinalis dexter auf.

Varianten. Der Ductus thoracicus kann auch doppelt oder vielfach angelegt sein. Die Einmündungsstelle weist erhebliche Variationen auf. Der Ductus kann sich vor der Einmündung nochmals in ein Geflecht aufspalten. Häufig mündet der Ductus in mehreren kleineren Trunci. Die folgenden Trunci münden häufig unabhängig von den Ductus thoracici im Bereich des Venenwinkels: w w w w

Truncus jugularis internus Truncus subclavius Truncus paratracheobronchialis und/oder Truncus mediastinalis (anterior).

Es gibt 2 zusätzliche Trunci, die direkt in die tiefen Halsvenen münden können:

w Truncus transversus cervicalis und w Truncus mammarius internus.

Neben dem Venenwinkel kann auch die Vena brachiocephalica Einmündungsstelle sein. Im Grunde handelt es sich eher um eine Gegend für mögliche Einmündungen. Eine Kreuzung des Ductus thoracicus nach rechts ist seltener.

2.5.4.3

Mandeln, Tonsillen

Die Tonsillen sind Organe aus lymphoepithelialem Gewebe, die um den Isthmus faucium (Schlundeingang) und die Choanen (hintere Nasenöffnung) angeordnet sind. Daneben gibt es diffus verteiltes lymphatisches Gewebe in der gesamten Rachenschleimhaut und im weichen Gaumen (s. Kap. 4.14.5, S. 311)

2.5.4.4

Bries, Thymus

Der Thymus ist ein pseudolobuläres Organ mit Rinde und Mark. Dieses Organ nennt man lymphoepithelial wegen seiner entodermalen epithelialen Anteile aus den Schlundtaschen. (s. Kap. 10.7.3, S. 886)

2.5.4.5

Milz, Lien, Splen

Das Gewebe der Milz wird in rote und weiße Pulpa eingeteilt. Die terminale Strombahn weist Öffnungen zum Parenchym und Stroma des Organs auf (s. Kap. 12.2.3.7, S. 977). Die Milz ist im Gegensatz zum Lymphknoten in die Blutbahn eingeschaltet. Somit ist sie für die „Innenabwehr“ von Fremdkörpern im Blut zuständig.

2.5.4.6

Schleimhautassoziiertes Lymphgewebe, Mucosa Associated Lymphatic Tissue (MALT)

Es handelt sich um eine diffuse oder mehr organisierte Anhäufungen von subepithelialem Lymphgewebe in der Lamina propria mucosae von Hohlorganen: Verdauungs-, Respirations-, Urogenitaltrakt. Bei Ag-Stimulation reicht es bis in die Submucosa, Sekundärfollikel mit Reaktionszentren bilden sich. Das MALT vermittelt den immunologischen Schutz von Schleimhäuten als Ag-exponierte innere Oberfläche. IgA ist sekretorischer Ak in Schleimhaut-

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

sekreten. Das MALT-System ist in sich funktionell relativ geschlossen. In ihm zirkulieren bevorzugt B-Lymphozyten und ihre Abkömmlinge. Prädilektionsstellen. Das MALT setzt sich aus 2 wesentlichen Komplexen zusammen. 1. Darmtrakt (GALT = Gut Associated Lymphoid Tissue), mit besonders prominenten Strukturen im Sinne von Folliculi lymphatici (lymphoidei) aggregati im terminalen Ileum (Peyer-Platten, Peyer-Plaques, Folliculi lymphoidei aggregati) (s. Kap. 12.3.3, S. 988) und in der Appendix vermiformis (Darmtonsille).

2.6

2. Bronchialbaum (BALT = Bronchial Associated Lymphoid Tissue).

2.5.4.7

Wurmfortsatz, Appendix vermiformis

Rings um das Lumen des Wurmfortsatzes finden sich zahlreiche solitäre Lymphfollikel (s. Kap. 12.3.5.2, S. 1001). Wie die Peyer-Plaques übt die Appendix am Übergang von Dünndarm zu Dickdarm eine Art Wächterfunktion aus über die hier wechselnde bakterielle Besiedelung.

Nervensystem, Systema nervosum

Lernziele: Einteilungen des Nervensystems, morphologische Grundlagen, Wachstumsprozesse, Afferenzen, Efferenzen, wichtige Systeme, Nervi spinales, Nervi craniales, Plexus, Hautinnervation, vegetatives Nervensystem (Funktionen, Komponenten und Bauprinzipien)

2.6.1

91

Einteilung des Nervensystems

Das Nervensystem besteht aus Gehirn, Hirnnerven, Rückenmark, Spinalnerven mit ihren Geflechten und peripheren Nerven, Ganglien, vegetativen Geflechten und Rezeptoren. Für eine erste Betrachtung des Nervensystems des Menschen bieten sich 3 Ausgangspunkte an: funktionelle Betrachtungsweise, topografische Betrachtungsweise, Orientierung am Bau der Nervenzelle. £ Funktionell unterscheidet man einen somati-

schen (animalen) von einem viszeralen (vegetativen, autonomen) Anteil. Ersterer setzt sich vorzugsweise mit der Umwelt auseinander, letzterer mit dem Körper. Dabei weist der Begriff autonom darauf hin, dass hier vieles nicht der bewussten Kontrolle unterliegt, während der somatische Anteil vor allem der Wahrnehmung und Integration von Reizen und der motorischen Steuerung dient. Die Grenzen zwischen somatisch und viszeral sind teilweise unscharf gefasst.

£ Topografisch gliedert man in zentrales und

peripheres Nervensystem.

1. Als zentral gelten Gehirn und Rückenmark. 2. Peripher sind die 12 Hirn(Kopf)nervenpaare, die 31 (32) Spinalnervenpaare und ihre Aufzweigungen sowie die außerhalb von Rückenmark und Gehirn gelegenen Anteile des vegetativen Nervensystems (VNS = Sympathicus, Parasympathicus; ENS = enterisches Nervensystem sowie granuläre und vaskuläre Nervenzellen). Dabei folgen die Spinalnervenpaare einem einheitlichen Aufbau, der die Leitung und Verteilung motorischer Efferenzen, sensorischer Afferenzen und vegetativer Fasern gewährleistet. 3. Die Anteile des zentralen und peripheren Nervensystems, die nicht dem VNS zugeordnet werden, nennt man oikotropes Nervensystem (Umwelt-Nervensystem). 4. Die großen Sinnesorgane nehmen eine Sonderstellung ein. Für die Einteilung und Orientierung ist es wichtig, sich mit der Embryologie vertraut zu machen. £ Bau der Nervenzelle

1. Neuron. Es ist die funktionelle Grundeinheit des Nervensystems. Es besteht aus dem Zellkörper (Soma, Perikaryon), der den Zellkern enthält, sowie aus Fortsätzen. Alle Nervenzellen haben die Fähigkeit, elektrische Erregungen weiterzuleiten. 2. Nervenzellfortsätze können Neuriten (Axone) oder Dendriten sein. Dendriten dienen dem Erre-

2 Allgemeine Anatomie

92

gungsempfang, Neuriten der Erregungsweitergabe. Je nach ihrer Lage werden sie bei Bündelbildung mal als Tractus (im ZNS), als Nervus (im PNS) bzw. als Spinalnerv (am Übergang zwischen ZNS und PNS), als Fasciculus oder Truncus (in Plexus) bezeichnet. Mit Radix sind die Wurzelfasern beim Verlassen des Rückenmarks gemeint. Unter Innervation versteht man die nervöse Versorgung eines Organs ohne weitere Spezifizierung der Faserqualitäten. 3. Afferenz, Efferenz. Je nach Richtung der Erregungsleitung werden Afferenz und Efferenz unterschieden. Eine Afferenz ist zuleitend, eine Efferenz wegleitend. Die Efferenzen des somatischen Nervensystems sind erregend, die des VNS erregend oder hemmend. Bei der Verwendung der Begriffe Afferenz und Efferenz muss unbedingt beachtet werden, ob man sich auf die makroskopische oder mikroskopische Ebene bezieht. In der Makroskopie bezeichnet man alles das als efferent, was vom ZNS in die Peripherie Impulse bringt, um dort eine Reaktion auszulösen, und das als afferent, was Informationen dem ZNS zuträgt. In der Mikroskopie ist nicht das ZNS, sondern sein funktionstragender Baustein (das Neuron) Bezugspunkt. Efferent sind die Nervenzellfortsätze, die eine Erregung von dem Zellsoma wegleiten (Axon oder Neurit), und afferent die zuleitenden Fortsätze (Dendriten). Demnach kann beispielsweise das (efferente) Axon einer sensiblen Nervenzelle im Spinalganglion als afferent bezeichnet werden, wenn damit (auf makroskopischer Betrachtungsebene) seine Informationsleitung hin zum Rückenmark gemeint ist.

2.6.2

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£

Grundbegriffe zum Gehirn des Menschen

£ Hirngewicht. Die Evolution des Menschen ist

durch eine auffällige Zunahme von Hirnmasse gekennzeichnet. Jedoch hat der Mensch keinesfalls das größte Gehirn. Der Elefant (ca. 5000 g) oder der Blauwal (ca. 7000 g) sind dem Menschen (1200–1500 g) in dieser Hinsicht weit voraus. Auch den Vergleich des relativen Hirngewichtes (Hirnmasse/Körpergewicht) führt der Mensch nicht an (Blauwal: 0,01–0,02 %, Elefant: 0,1–0,2 %, Mensch: 2–2,5 %, Maus: 2–3 %, Klammeraffe Ateles: 6,6 %). Bei Menschen untereinander ist das Gehirngewicht nur dann vergleichbar, wenn Gleichaltrigkeit

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vorliegt und das 15. Lebensjahr vollendet ist. Da ein größerer Teil des Gehirns direkt oder indirekt mit der Motorik befasst ist, besteht eine grobe Korrelation zwischen einer größeren Muskelmasse und einem größeren Gehirn. Die Frau hat dabei ein im Mittel um 100 g leichteres Gehirn als der Mann. Gemessen an der Relation zur Muskelmasse verfügen Frauen im Mittel über das größere Gehirn, d. h. weniger Muskelzellen werden von einer Nervenzelle innerviert (s. Kap. 5.4.7.3, S. 491). Die Beziehung zwischen einer Nervenzelle und ihren Muskelzellen wird als motorische Einheit bezeichnet (s. Kap. 2.2.3.5, S. 46). Hirnoberfläche. Die Hirnoberfläche ist beim Menschen bemerkenswert vergrößert (CircaWerte je Hemisphäre Mensch: 112 500 mm2 und im Vergleich: Schimpanse: 40 000 mm2, Pferd: 57 000 mm2, Elefant: 302 000 mm2). Qualitativ sind die Hirnanteile nur bedingt mit denen der Tiere vergleichbar. Als Zerebralisationsindex bezeichnet man den Quotienten aus Neopallium (stark entfalteter Hirnabschnitt der Säugetiere) und als ursprünglich angesehenen Hirnanteilen (Mensch: 170, Weißflankendelphin: 121, andere Primaten: 49, Papagei: 27,6, Igel: 0,78). Graue und weiße Substanz. Man unterscheidet nach der Verteilung der Anteile graue Substanz und Ganglien (entsprechend den Nervenzellkörpern) sowie weiße Substanz und Fasern (entsprechend den Nervenzellfortsätzen). Nervenzellzahl. Die Zahl der Nervenzellen des Menschengehirns werden auf bis zu 1011 geschätzt, der überwiegende Teil davon in der Großhirnrinde. Die überschlagene Größenordnung der synaptischen Verbindungen liegt bei 1014. Der alters- und belastungsabhängige Verlust soll 10 000 bis 100 000 Nervenzellen pro Tag betragen. Architektonik. Darunter verstehen wir insbesondere eine Einteilung von Groß- und Kleinhirnrinde nach morphologischen Kriterien. Dazu gehört eine Anordnung von ähnlichen Zelltypen in Schichten. Am ausgedehntesten ist das Prinzip von sechs Schichten von Nervenzellen in der Großhirnrinde, das allerdings im Detail variiert. Eine funktionelle Zuordnung ist nur bedingt möglich. Neben der Gestalt der Nervenzellen (z. B. Zytoarchitektonik nach Brodman) werden Gliazellen (Glia-Architektonik) und hier speziell die Myelinisierung (Myeloarchitektonik), das

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

Gefäßversorgungmuster (Angioarchitektonik), zytochemische und andere Eigenschaften zur Gliederung herangezogen. £ Isokortex, Allokortex. Die Entstehung der als Isokortex („gleich gebaute Rinde“) bezeichneten Anteile ist ein in mehrere Phasen unterteilter Wachstumsprozess, der zur Bildung des charakteristischen 6-Schichten-Baus führt. Der Isokortex wird auch als Neokortex bezeichnet. Demgegenüber ist der Allokortex („anders gebaute Rinde“) phylogenetisch älter und umfasst nur 5 % der Hirnrinde. Er besteht aus Archi- und Paläokortex und geht mit einer Übergangszone (Mesokortex) in die phylogenetisch jüngeren Hirnareale über. £ Liquorräume sind die Hohlräume des Gehirns (Ventrikel) und der Flüssigkeitsraum, in dem das Gehirn schwimmt (Subarachnoidealraum). Die Ventrikel dienen einer inneren Stabilisierung des Gehirns („Wasserskelett“). Ihr Vorhandensein ist entwicklungsgeschichtlich begründet. Der Subarachnoidealraum bietet als Flüssigkeitsbett Gehirn und Rückenmark mechanischen Schutz. Die Auftriebskräfte des Liquors dienen zudem der Formerhaltung des Gehirns (s. Kap. 5.3.3, S. 441). £ Hirnhäute umgeben das Zentralnervensystem. Sie sind insbesondere durch die Lagebeziehungen zu den äußeren Liquorräumen und den verschiedenen Gefäßen von herausragender klinischer Bedeutung. Es werden 2 weiche Hirnhäute (Leptomeningen) unterschieden, die einerseits dem Gehirn (Pia mater), andererseits (Arachnoidea) der harten Hirnhaut (Dura mater) anliegen (s. Kap. 5.3.2, S. 433).

93

£ Pyramidalmotorisches System: Es gilt als eine

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2.6.3

Funktionelle Systeme des Zentralnervensystems (ZNS)

Die wesentlichen Aufgaben des ZNS sind die Bildung von Reaktionen auf innere wie äußere Reize, die Generierung von Aktionen (Willensakten) und die Speicherung von Informationen. In der Geschichte der Erforschung des ZNS sind verschiedene Systeme identifiziert worden, denen bestimmte Funktionen zugeordnet wurden. Die häufig genannten sind nachfolgend aufgeführt:

£

der wichtigsten Leitungsbahnen für die willkürlichen Bewegungsimpulse an die Körpermuskulatur. Sie wirkt hemmend auf die Regulation des Muskeltonus und auf das Zustandekommen der Muskeleigenreflexe Extrapyramidalmotorisches System (EPS): Es besteht aus dem striären System (Putamen, Nuclei caudatus, pallidus, subthalamicus und ruber sowie Substantia nigra) und motorischen Integrationszentren (Kleinhirn, Thalamusanteile, Formatio reticularis, Nucl. vestibularis und Kortexareale). Sie sind wesentlich für glatte (eingeübte) Bewegungen und Begleitmotorik (Gleichgewichtsaufgaben, affektive Begleitmotorik wie z. B. Mimik). Ein wesentliches Subsystem des EPS ist das vestibulozerebellare System, das der Gleichgewichtsregulation dient und bei der zeitlichen Koordinierung von Bewegungen beteiligt ist Epikritische Sensibilität: Es handelt sich um eine spezifische Oberflächensensibilität, die Informationen über Berührungsreize, Vibrations- und Gelenkempfindungen und deren Diskriminationen und Modulationen umfasst Protopathische Sensibilität: Sie ist eine unbestimmte, wenig abgrenzbare Oberflächensensibilität, die der Wahrnehmung von Druck, Schmerz- und Temperaturreizen dient sowie von vorwiegend unspezifischen Afferenzen (Jucken) für die Steuerung der allgemeinen Aktivität im ARAS (aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem). Epikritische und protopathische Sensibilität können als Exterozeption zusammengefasst werden Propriozeption: Sie bestimmt innere Zustände und ermöglicht teilweise deren Bewusstwerdung (Körperpositionen, Kaudruck). Sie wird in dieser Hinsicht der Exterozeption (Aufnahme von Reizen aus der Umwelt) gegenübergestellt. Propriozeption im engeren Sinne stellt Informationen über Bewegungen und Stellung des Körpers oder seiner Teile zur Verfügung. Limbisches System. Ihm gehören vorzugsweise phylogenetisch ältere Hirnanteile an, die als funktionell eng zusammengehörig angesehen werden. Die Funktionen sind allerdings trotz klar definierter Bahnen eher konzeptionell als anatomisch beschrieben (Emotionen wie Euphorie, Furcht, Wohlbefinden, Wertung

2 Allgemeine Anatomie

94

von Sinneseindrücken, Gedächtnisfunktionen, Triebverhalten) £ Hypothalamo-hypophysäres System. Es besteht aus 2 Anteilen, die beide endokrine Steuerungsaufgaben wahrnehmen. Dabei wird der Körper indirekt über nachgeschaltete endokrine Drüsen (via zwischengeschalteter Adenohypophyse) oder direkt (via Neurohypophyse) kontrolliert. Neurosekretion findet außerdem im Corpus pineale statt. Des weiteren finden sich im Hypothalamus übergeordnete vegetative Steuerungszentren £ Verschiedene Neurotransmittersysteme. Sie sind chemisch durch ihre Botenstoffe für die Erregungsübertragung charakterisiert. £ Sinnesorgane werden auch als funktionelle Systeme gesehen und haben teilweise ihre eigenen Reflexe (Lidschluss, Hinwendbewegungen).

2.6.4

Sinnesorgane, Organa sensuum

Neben den diffus in Haut und den verschiedenen Organen verteilten Wahrnehmungsaufgaben sind für einzelne physikalische Einflüsse der Umwelt rezeptive (aufnehmende) Organe besonders entwickelt worden. Diese werden im engeren Sinne als Sinnesorgane zusammengefasst. 1. Rezeptoren. Sie sind Empfangs- oder Aufnahmeeinrichtungen für spezifische Reize. Dabei werden die Reize in Signale der Nervenzellen transformiert im Sinne einer Codierung in Aktionspotentiale. Für die Sensibilität des Körpers sind dies £ Nozizeptoren: heller und dumpfer Schmerz £ Thermozeptoren: für niedrige und hohe Tempe-

raturen

£ Mechanozeptoren: für feinen und groben Druck,

Tast- und Berührungssinn, Vibration, Muskelspannung, Bänderspannung (Propriozeption, Tiefensensiblität) £ Enterorezeptoren: Osmo-, Chemo-, Barozeptoren. 2. Telezeptoren. Als Telezeptoren bezeichnet man diejenigen Sinnesorgane, die Informationen aufnehmen können, welche nicht unmittelbar mit dem

eigenen Körper in Verbindung stehen (z. B. Auge oder Ohr im Gegensatz zum Gleichgewicht). £ Telezeptoren: Geruch, Geschmack, Licht, Schall,

Schwerkraft, Beschleunigung.

Funktioneller Zusammenhang zum ZNS. Sinnesorgane sind nicht isoliert vom Gehirn begreifbar. So kann beim Menschen bis zu einem Viertel der Hirnrinde an der Verarbeitung visueller Informationen beteiligt sein. Sinnesorgane haben zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht nur zentripetale Impulsströme (zum Gehirn führende Erregungen), sondern von einigen ist auch eine efferente Innervation bekannt (z. B. Innenohr). Diese dient der Modulation der Erregungsschwelle, d. h. das Sinnesorgan wird an die vorhandene Reizmenge oder den Informationsbedarf des Gehirnes angepasst. Adäquater Sinnesreiz. Unter einem adäquaten Sinnesreiz versteht man diejenige Umwelteigenschaft, deren Änderungen oder Zustände spezifisch von Sinneszellen erfasst und als Information zentripetal weitergeleitet werden. Sinneszellen können auch durch nicht-adäquate Reize erregt werden („Sterne sehen“ bei einem Schlag auf die Augen).

2.6.5

Peripheres Nervensystem, Pars peripherica (Systema nervosum periphericum)

Zum peripheren Nervensystem gehören Spinalnerven und Hirn(Kopf)nerven.

2.6.5.1

Spinalnerven, Nn. spinales (s. Kap. 5.2.7.5, S. 431)

Es gibt 31 (32) paarweise aus einem Rückenmarkssegment austretende Nerven w w w w w

C1–C8 Th1–Th12 L1–L5 S1–S5 Co1–Co2

Halsnerven, Nn. cervicales (8) Brustnerven, Nn. thoracici (12) Lendennerven, Nn. lumbales (5) Kreuzbeinnerven, Nn. sacrales (5) Steißbeinnerv(en), N. coccygeus (1/2)

Bau. Die efferenten Axone verlassen in kleinen Bündeln, den vorderen Wurzeln (Radices ventrales), ventrolateral das Rückenmark. Die afferenten Axone ziehen aus der Peripherie kommend, eben-

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

95 Radix dorsalis

Spinalganglienzelle Ganglion spinale Parasympathicuszelle

Relaiszellen

R. dorsalis Radix ventralis

R. communicans albus R. communicans griseus

somatoefferente Ganglion trunci sympathici

viszeroefferente viszeroafferente somatoafferente Nervenfasern im Ramus ventralis

Abb. 2.38: Zusammensetzung eines Spinalnervs

falls als Bündel, den hinteren Wurzeln (Radices dorsales), zum Rückenmark. Die Spinalganglien sind längliche Knoten, die an den hinteren Wurzeln, noch innerhalb der Dura mater liegen. Im Kopfgebiet entsprechen den Spinalganglien die Ganglien der sensiblen Hirnnerven. Distal von den Spinalganglien, in denen die pseudouniaxonalen primär-afferenten Nervenzellen (Ganglienzellen, Neurone) liegen, vereinigt sich die Radix ventralis mit der jeweiligen Radix dorsalis zum gemischten, kurzen (1 cm) N. spinalis. Die vom Spinalnerv abgehenden Äste können theoretisch alle Faserqualitäten enthalten. Ihre Hautäste versorgen gürtel- oder ringförmige Hautzonen (Dermatome) am Rumpf (s. Kap. 5.2.7.5, S. 431).

Stamm des Spinalnervs. Er teilt sich in 5 Äste (Abb. 2.38): w Ramus ventralis: stärkster, gemischter Ast.

Er verläuft in der vorderen Rumpfwand, im Brustgebiet jeweils im Zwischenrippenraum, im Bauchgebiet zwischen den Bauchmuskeln. Er versorgt mit dem motorischen Anteil die ventrale Rumpfmuskulatur. Da die Extremitäten Ausstülpungen der ventralen Rumpfwand sind, werden sie (nur) von den Rami ventrales versorgt. Der sensible Anteil versorgt mit Rr. cutanei laterales et mediales die seitliche und vordere Bauchwand (besonders die Haut) sensibel.

2 Allgemeine Anatomie

96

w Ramus dorsalis: kleinerer, hinterer Ast. Er zieht

zum Rücken, teilt sich in einen medialen und lateralen Zweig, versorgt die tiefe oder autochthone (bodenständige) Rückenmuskulatur und mit den Rr. cutanei mediales et laterales die Haut des Rückens. w Ramus meningeus: kleiner Ast mit sensiblen und sympathischen (vasomotorischen) Fasern. Er läuft ventral von jedem Spinalnerven wieder in den Wirbelkanal zurück, wo er mit Ästen der Gegenseite und benachbarter Segmente ein feines Geflecht für den Wirbelkanal und die Rückenmarkshäute bildet. w Rami communicantes: 2 „Verbindungen“ zu den paravertebralen, neben der Wirbelsäule gelegenen Grenzstrangganglien des Sympathicus. Bei Tieren bestehen sie meistens aus einem weißen (markhaltigen) und einem grauen (markarmen) Ast. £ In dem weißen, markhaltigen Ast, R. communi-

cans albus, verlaufen vorzugsweise die Axone der präganglionären sympathischen Neurone, die von der Seitensäule des Rückenmarks über die vordere Wurzel bis zum Grenzstrangganglion ziehen. Nachdem der größere Teil der Fasern im Grenzstrangganglion auf das postganglionäre Neuron umgeschaltet wurde, ziehen die postganglionären, grauen, marklosen oder markarmen Axone im R. communicans griseus wieder zum Spinalnerven, um diesem sympathische Axone für die Gefäße, Drüsen usw. zuzuführen. Dabei können sie innerhalb des Grenzstrangs die Segmenthöhe wechseln. Beim Menschen ist eine scharfe Trennung zwischen R. communicans albus und R. communicans griseus oft nicht möglich.

2.6.5.2

Hirn(Kopf)nerven, Nn. craniales (s. Kap. 4.12.1, S. 255, Kap. 5.2.6.2, S. 415)

Die Einteilung der Hirn(Kopf)nerven ist komplizierter als die der Spinalnerven, bei denen die Kategorien somatisch/vegetativ und afferent/efferent ausreichen. Neben spezialisierten Nerven für die Sinnesorgane kommen bei den Hirnnerven ergänzend branchiale Nerven vor. Nicht alle Faserqualitäten kommen in allen Hirnnerven vor.

Wir unterscheiden Afferenzen £ somatisch (Schmerz, Temperatur, Berührung,

Druck, Propriozeption)

£ spezialisiert somatisch (Auge, Innenohr) £ viszeral (Zustand der Eingeweide,

z. B. Schmerz, Dehnung) £ spezialisiert viszeral (Geschmack, Geruch). Efferenzen £ somatisch (Skelettmuskulatur, z. B. Zungen-

beinmuskeln, Augenmuskeln)

£ viszeral (glatte Muskulatur, Herzmuskulatur,

Drüsen)

• sympathisch • parasympathisch £ branchiogen

Die einzelnen Hirn(kopf)nerven. Sie werden auch mit lateinischen Ziffern I–XII bezeichnet. Riechnerv, N. olfactorius Sehnerv, N.opticus Augenbewegungsnerv, N. oculomotorius Augenrollnerv, N. trochlearis Drillingsnerv, N. trigeminus, mit seinen 3 Hauptästen w V1 Augenhöhlennerv, N. ophthalmicus w V2 Oberkiefernerv, N. maxillaris w V3 Unterkiefernerv, N. mandibularis w VI Augenabziehnerv, N. abducens w VII Gesichtsnerv, N. facialis w VIII Hör- und Gleichgewichtsnerv, N. vestibulocochlearis (früher N. statoacusticus) w IX Zungen-Rachennerv, N. glossopharyngeus w X Umherschweifender (vagabundierender) Nerv, N. vagus w XI Beinerv, N. accessorius w XII Unterzungennerv, N. hypoglossus w w w w w

I II III IV V

2.6.5.3

Anastomosen und Plexusbildung

£ Anastomose. Es handelt sich um einen Faseraus-

tausch zwischen verschiedenen Nerven. Er kann einfach (Anastomosis simplex) oder gegenseitig sein (Anastomosis mutua). Der Begriff Anastomose (gr. stoma = Mund), Einmündung, ist aus der Gefäßlehre entlehnt und die Bezeichnung anastomoticus wird in der neueren Nomenklatur durch communicans ersetzt. Die Integrität der

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

Fasern bleibt erhalten. Rami communicantes kommen regelmäßig und als Varietäten in der Peripherie zwischen den verschiedenen Nerven vor. Ein ausgedehnter Faseraustausch führt zur Bildung von Geflechten. £ Plexus

Plexus sind Geflechte aus ventralen Ästen der Spinalnerven. Sie entstehen aus den Ästen derjenigen Bereiche des Rückenmarks, die für die Innervation der aussprossenden Extremitäten zuständig sind. Beim Embryo laufen die Spinalnervenäste dabei noch getrennt in die Extremitäten. Es kommt jedoch zu einer Umlagerung und Durchflechtung der zunächst durch die Metamerie des Körpers geordneten Fasern in dem Maße, wie die Muskelanlagen sich weiterentwickeln und zu neuen, zusammengelagerten und umgelagerten Muskelindividuen gestaltet werden. Wenn Material aus 2 oder mehr Muskelsegmenten zu 2- oder mehrsegmentigen Muskeln zusammenfließt, so müssen auch Nervenfasern aus 2 bzw. mehr Spinalnerven zu diesen Muskeln ziehen, da die ursprüngliche Nervenfaser-Muskelzellenverbindung bestehen bleibt. Die entstehenden primären Geflechte trennen sich beim Wachstum in intramuskuläre Anteile und wirbelsäulennahe Bereiche, in dem sie quasi dazwischen in die Länge gezogen werden. Damit entsteht für die Nervenfasern in ihren langstreckigen Verlaufsanteilen ein Schutz vor den Bewegungen der Extremitäten mit ihren langen Hebeln. Die Muskeln werden durch Vermittlung der Geflechte durch überschaubare und besser zu schützende Nervenstränge verbunden. Es gibt die Hals-, Arm- und Beingeflechte, Plexus cervicalis, brachialis und lumbosacralis. Die ventralen Äste der thorakalen Rückenmarksnerven sowie die Rr. dorsales der Rückenmarksnerven bilden keine Plexus. Plexus des Körpers sind: w C1–C4 w C5–C8, Th1

Halsnervengeflecht, Plexus cervicalis Armnervengeflecht, Plexus brachialis

97

w L1–L3, z. T. L4

Lendennervengeflecht, Plexus lumbalis w L4, L5, S1–S5, Co Kreuzbeinnervengeflecht, Plexus sacralis (Plexus ischiadicus, Plexus pudendus, Plexus coccygeus) Klinik: Der Arzt muss zwischen verschiedenen möglichen Lokalisationen einer Schädigung anhand unterschiedlicher peripherer Ausfallmuster differenzieren lernen: Wurzel-, Spinalnerv-, proximaler und distaler Plexus- und peripherer Nervenschädigung. Kenntnisse im Bau des jeweiligen Plexus, der Nerven sowie der Prinzipien der Innervation sind für die Diagnostik und Prognostik damit ebenso essenziell wie für die Therapie. Der Ausfall (z. B. infolge Durchtrennung) eines peripheren Muskelastes (periphere Lähmung) ergibt eine vollständige Lähmung des Muskels. Fällt dagegen bei einem mehrsegmentigen Muskel nur eine vordere Wurzel aus (radikuläre Lähmung), so ist noch die Versorgung aus den restlichen Segmenten erhalten.

2.6.5.4

Periphere und radikuläre Hautinnervation

Dermatome. Die ursprüngliche Gliederung der Haut besteht in hintereinander gereihten Bezirken (Dermatomen), die jeweils von einem Rückenmarksnerven versorgt werden. Solche sind am Rumpf am besten erkennbar (Rr. dorsales von Th2–L2 und die Rr. ventrales von Th2–12). £ Hiatuslinien sind Grenzen von Dermatomen,

welche nicht aus benachbarten Rückenmarksegmenten versorgt werden („Segmentsprung“). Die Extremitätenbildung führt auch im Bereich der Haut zu Materialverlagerungen. Bestimmte Dermatome verschwinden vom Rumpf ganz und werden auf den Arm oder das Bein verlagert. Sie verlieren dadurch ihre ursprüngliche Verbindung mit der Mittellinie des Körpers und bilden an den Extremitäten längs verlaufende schmale Hautstreifen. Die Hiatuslinien geben die Stellen an, wo 2 ursprünglich voneinander entfernte Dermatome nebeneinander liegen. Am Rumpf grenzt ventral das Dermatom C4 an das Dermatom Th2. Dieser Segmentsprung ist Folge

2 Allgemeine Anatomie

98

der vollständigen Verlagerung der Dermatome C5–Th 1 auf den Arm. £ Überlappung. Da sich die Dermatome an den Rändern überlagern, gibt der Ausfall einer Radix dorsalis keinen vollständigen Sensibilitätsausfall in dem versorgten Gebiet. Die meisten Hautbezirke werden gleichzeitig von mehreren Nerven versorgt. Die Überlagerung der Innervationsgebiete benachbarter Hautnerven ist aber oft nicht vollständig. Manche Nerven versorgen deshalb einen kleinen Hautbezirk allein (Autonomgebiet). Wird ein solcher Nerv verletzt, so tritt nur in diesem Gebiet ein völliger Sensibilitätsausfall ein. In seinem wesentlich größeren Verzweigungsgebiet, das sich mit denen der benachbarten Nerven überlagert, ist dagegen nur eine Abschwächung der Sensibilität feststellbar (Maximalgebiet). Durch die Plexusbildung sind Dermatom und Autonomgebiet nicht deckungsgleich.

system kontrolliert werden. Der Arzt bedient sich dabei in seiner therapeutischen Tätigkeit vielfach des vegetativen Nervensystems als effizientes endogenes Steuerungssystem. Das VNS kooperiert ferner mit endokrinen, parakrinen und humoralen Regulationssystemen. Das beinhaltet auch, dass die Hormone die Tätigkeit des VNS beeinflussen. Seine Tätigkeit ist in einigen Funktionen vom Willen unabhängig, jedoch von der Psyche her und mit bestimmten Techniken beeinflussbar (autogenes Training). Umgekehrt können vegetative Aktivitätsniveaus auch auf das übrige ZNS rückwirken (Meditation).

Klinik: Die Unterscheidung radikulärer (segmentaler) und peripherer Hautversorgung ist von großer diagnostischer Bedeutung. Bei der Gürtelrose (Herpes zoster), einer Entzündung einzelner Spinalganglien, hält sich die Hauterkrankung genau an die zugehörigen Derrnatome.

1. Darstellung der zentralen und peripheren Anteile des VNS 2. Ontogenese und die sich in ihr spiegelnde Wiederholung der Evolution 3. Auf der Ebene übergeordneter (zentraler) vegetativer Zentren ist die Kopplung an das hormonelle System und speziell das hypothalamohypophysäre System zu berücksichtigen.

2.6.6

Vegetatives Nervensystem (VNS), Divisio autonomica (Pars autonomica systematis nervosi peripherici)

Während das somatische (animale oder oikotrope) Nervensystem den Zustand der Umwelt erfassen (Nerven der Oberflächen- und Tiefensensibilität, der Sinnesorgane und der Skelettmuskeln) und im wesentlichen mit Körperbewegungen beantworten soll, dient das vegetative (viszerale oder idiotrope) Nervensystem den inneren Funktionen des Körpers (Homöostase). Neben den vegetativen sensorischen Informationen werden dafür auch somatische Afferenzen und deszendierende Impulsströme höherer zentralnervöser Zentren integriert. Grundsätzlich kann eine körperbezogene Funktion durch ein Organ (Autoregulation), durch Hormone (endokrine Regulation) oder durch ein Nerven-

£ Betrachtungsweise. Für das vegetative Nerven-

system haben sich die ursprünglichen Definitionen teilweise erheblich gewandelt und sind für die klinische Anwendung immer wieder erweitert worden. Für ein funktionelles Verständnis und für die klinische Anwendung sind folgende anatomische Betrachtungen erforderlich:

£ Bau. Durch die zentralen Verbindungen zu dem

somatischen NS, durch die intensive Verknüpfung mit den zerebrospinalen Nervenfasern und durch die Durchflechtung in den Organen ist das Charakteristische einer vegetativen Struktur schwierig zu fassen

Ein einheitliches morphologisches Substrat aller Anteile des VNS gibt es nicht. Der afferente Abschnitt ist baugleich mit dem somatischen Nervensystem. Der efferente Abschnitt weist als Besonderheit Nervenzellen außerhalb des zentralen Nervensystems auf. £ Bedeutung. Da das VNS in den meisten Fällen

sehr rasch und effizient auf Veränderungen des inneren Milieus reagiert und die Homöostase wieder herstellt, sind vegetative Dysfunktionen von erheblicher klinischer Tragweite. Umgekehrt können durch das vegetative Nervensystem bedingte Über- oder Unterfunktionen anatomischer Strukturen den Gesamtorganismus

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

erheblich beeinträchtigen. Die Möglichkeit der Einflussnahme auf solche pathologischen Zustände mittels des VNS ist Ursache für das große Interesse der Medizin an diesem System. Letztlich dient die Homöostase keinem Selbstzweck, sondern der Bereitstellung von Leistungen zur Beeinflussung der und Reaktion auf die Umwelt. Dazu gehört auch die Bereithaltung einer autonomen (d. h. willkürlich nicht zugreifbaren) Leistungsreserve für Ausnahmesituationen.

2.6.6.1

Übersicht über das VNS

Das vegetative Nervensystem kann topografisch nach zentralen und peripheren Komponenten unterteilt werden, nach pharmakologischen Kriterien, funktionellen Einheiten oder in klassischer Weise in Sympathicus und Parasympathicus. £ Anteile. Das VNS unterhält 4 wesentliche Kon-

troll- und Regulationseinheiten:

• Verdauung

und Atmung: Branchialnerven, Grenzstrang und enterisches Nervensystem • Herz und Kreislauf, Urogenitalapparat, endokrine Organe: viszerale Gefäßganglien • Temperaturregulation: zentral und peripher • Stoffwechsel: trophische Innervation der Gewebe 1. Zentrale Komponenten. Die zentralen Anteile finden sich in Rückenmark, verlängertem Rückenmark, Brücke, Mittel- und Zwischenhirn. Die Areale sind am besten über ihre Funktion fassbar (Vasomotorik, Körpertemperatur, Sexual- und Fortpflanzungsfunktion, Verdauung, Wasserhaushalt, Tätigkeit der Großhirnrinde, Kreislauf, Adaptation von Auge und Ohr, Kontrolle des hormonellen Systems, Bronchialtonus, Ausscheidung). Im Hypothalamus findet sich ein übergeordnetes Steuerungszentrum für das gesamte periphere vegetative Nervensystem, dessen Reizung zu einer generalisierten Reaktion im ganzen Körper führt (s. Kap. 5.4.9, S. 518). 2. Periphere Komponenten. Bei den peripheren Anteilen lassen sich 6 Bereiche abgrenzen. Es werden alle vorhandenen somatischen Nervenbahnen von den vegetativen Fasern mitbenutzt, im Bereich der Rumpfwand und der Extremitäten gibt

99

es keine eigenen vegetativen Nerven. Eine bilaterale Symmetrie wie bei den somatischen Nerven existiert wegen Anlageart der inneren Organe für das VNS nicht. Topografische Einheiten sind: w Hirnnerven V3, VII, IX und X zugeordnete

(parasympathische) Fasern

w Grenzstrang (sympathisch) mit zugehörigen

Nerven und Geflechten

w Sakrale (parasympathische) viszerale Spinalner-

venäste

w Prävertebrale und vaskuläre Ganglien w ENS (enterisches Nervensystem) w Paraganglien und chromaffine Zellen

Andere Einteilungen. Therapeutisch wird vor allem folgende funktionelle Unterteilung genutzt: w Sympathicus (oder Orthosympathicus, 5 peri-

phere Rezeptortypen, thorakolumbal)

w Parasympathicus (1 peripherer Rezeptortyp,

kraniosakral)

Dabei ist nur der Sympathicus einigermaßen einheitlich gebaut. Im Gegensatz zum Parasympathicus innerviert er die Organe eher diffus, weil w die Fasern seines ersten Neurons (präganglio-

näre Fasern) auf 4–20 und mehr zweite Neurone (Grenzstrang-Ganglienzellen) divergieren w die Umschaltung vom ersten auf das zweite Neuron Organ-fern stattfindet w die Fasern seines zweiten Neurons zahlreiche Zielzellen innervieren w er über die Nebenniere humoral (also über den Blutweg) ubiquitär wirken kann. Die historisch zunächst funktionell gemeinten Begriffe Sympathicus und Parasympathicus wurden später zur Benennung eines anatomisch relativ gut abgrenzbaren Anteiles (Sympathicus) und für den Rest (Parasympathicus) verwendet. Die funktionelle Sicht wandelte sich mit dem Verständnis eines weitgehenden Antagonismus der beiden Teile. Mit zunehmenden Erkenntnissen in der Pharmakologie stellten sich jedoch auch Antagonismen innerhalb der einzelnen Komponenten heraus. Eine enge Verbindung zum hormonellen System durch modifizierte vegetative Nervenzellen in eigenständigen endokrinen Organen (Paraganglien) komplizieren heute die Begrifflichkeit der eher historisch begründeten Vokabeln.

100

2 Allgemeine Anatomie

Die Aufteilung in Sympathicus und Parasympathicus ist für das Verständnis des efferenten Abschnittes sinnvoll. Das Bauprinzip ist eine Hintereinanderschaltung zweier Neurone.

2.6.6.2

Aufbau

£ Antagonismus.

Die übliche (traditionelle) Unterscheidung beschreibt 2 teilweise antagonistisch wirkende Abschnitte des vegetativen Nervensystems: den Sympathicus und den Parasympathicus. Vereinfacht dargestellt erhöht der Tag-aktive Sympathicus zumeist die Energieentfaltung und regt die Tätigkeit der Organe an (ergotropes System, „fight or flight“-Charakter), während der Nacht-aktive Parasympathicus

den Organismus auf Einsparung von Energie und auf Erholung einstellt (trophotropes oder regeneratives System). Wesentliche Ausnahmen von diesem Antagonismus betreffen bestimmte Organe (Tränendrüse) und diejenigen, die nur von einem dieser Anteile innerviert werden (Schweißdrüsen, Mm. piloarrectores, viele Arteriolen). In manchen Organen besteht ein qualitativer Antagonismus (z. B. Speichelzusammensetzung). £ Modulation statt Induktion. Für die spätere klinische Nutzung ist es wichtig zu beherzigen, dass nicht – wie im somatischen NS verbreitet – Funktionen induziert werden, sondern dass vorhandene Tätigkeiten im Wechselspiel moduliert werden. Die meisten Effektororgane werden dazu von sympathischen und parasympathischen Fasern versorgt. Im Gegensatz zu

Tabelle 2.3: Vegetative Wirkungen Organ Auge Speichel Tränendrüse Bronchien Sinusknoten AV-Knoten His, Purkinje Myokard Koronarien Magen-Darm Harnblase ZNS Gehirngefäße Leber Gallenblase Pankreas Fettgewebe Skelettmuskel Hautgefäße Schweißdrüse Detrusor vesicae Trigonum vesicae Sexualorgane Uterus

Sympathicus weite Pupille wenig, zäh Weitstellung hohe Frequenz beschleunigte Überleitung schnellere Spontandepolarisation verbesserte Kontraktilität Vasokonstriktion (α-Rezeptor), Vasodilatation (ε-Rezeptor) geringe Durchblutung, hoher Sphinktertonus

Parasympathicus Nahakkommodation, enge Pupille viel, niedrig viskös Sekretion Engstellung, Sekretion niedrige Frequenz verzögerte Überleitung (geringe Effekte) (geringe Effekte) Vasodilatation und -konstriktion (?)

Sekretion, Peristaltik, niedriger Sphinktertonus hoher Sphinktertonus, niedriger Detrusortonus niedriger Sphinktertonus, hoher Detrusortonus Antrieb, Aufmerksamkeit keine Wirkung Vasokonstriktion Vasodilatation (?) Glykogenabbau, Glucose-Freisetzung keine Wirkung Kontraktion Dilatation Sekretionshemmung, Vasokonstriktion Sekretion Triglyceridabbau keine Wirkung Glykogenabbau, Vasokonstriktion (α-Rez.), keine Wirkung Vasodilatation (ε-Rez.) Vasokonstriktion keine Wirkung Sekretion keine Wirkung Erschlaffung Kontraktion Kontraktion Erschlaffung Ejakulation Erektion Tokolyse Wehenförderung, -hemmung

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

dem nur erregend wirkenden somatischen Nervensystem kann eine Aktivierung des VNS eine Erregung oder Hemmung bewirken (Abb. 2.28, Tab. 2.3). Dabei ist der Grundtonus der Antagonisten keinesfalls gleich, sondern üblicherweise hat je nach Organ der eine oder andere Anteil ein physiologisches Übergewicht. Alter oder Krankheitsstatus können diese Vorherrschaft verändern. Beispielsweise dominiert im Kindesalter am Herzen der Sympathicus. Das somatische Nervensystem induziert (erregt), das vegetative Nervensystem moduliert (erregt und hemmt) Funktionen. £ Neuronaler Bau. Der Natur seines neuronalen

£

w

w

w

w

Aufbaues entsprechend ist das VNS ein eher efferentes Nervensystem, und Efferenzen überwiegen auch bei seiner Tätigkeit. Prinzipiell werden vegetative Fasern aus dem Rückenmark über ein vegetatives Ganglion (para- oder prävertebral oder intramural) geleitet, bevor sie das Erfolgsgewebe erreichen. Das 1. Neuron im ZNS heißt präganglionär und wird in einem peripheren vegetativen Ganglion auf das 2. postganglionäre Neuron umgeschaltet. Umschaltung. Hinsichtlich der Umschaltung von prä- auf postganglionär unterscheiden wir 4 Situationen. Das präganglionäre Neuron des Sympathicus wird zumeist in den rückenmarksnahen paraoder prävertebralen Ganglien (also organfern) umgeschaltet. Die Umschaltung des präganglionären parasympathischen Neurons erfolgt in organnahen parasympathischen Ganglien. Eine Ausnahme davon bilden die Tränen- und Speicheldrüsen. Daneben existieren erste Neurone, die erst im Erfolgsorgan umgeschaltet werden (ENS und vaskuläre Nervenzellen). Eine 4. Gruppe von Neuronen zieht ohne Umschaltung zu den Paraganglien (Nebennierenmark).

Ein postganglionäres Neuron kann mit mehreren Zellen des Erfolgsorgans Synapsen bilden, wobei nicht synaptische Endknöpfe, sondern Verdickungen der Nervenaxone im „Vorbeilaufen“ (Synapse en passant) gebildet werden. So werden bei dem Sympathicus größere Zellgebiete trotz lokaler Wirkung des Transmitters aktiviert.

101

£ Trennung. Eine klare Trennung in Sympathicus

und Parasympathicus ist nur in jenen Anteilen möglich, die vom Rückenmark und vom Gehirn ausgehen. In der äußersten Peripherie, in den Organen und im übergeordneten zentralen Bereich (im Gehirn) ist eine Differenzierung schwierig. Die Nervenzellkörper des 1. Neurons des Sympathicus finden sich überwiegend im thorakalen und lumbalen Rückenmark, die des Parasympathicus im Hirnstamm (75 % aller parasympathischen Fasern liegen im N. vagus) und im sakralen Rückenmark (für Colon descendens bis Rectum, Harnblase und unterer Ureter sowie äußere Geschlechtsorgane).

Die meisten sympathischen Nervenzellen des Sympathicus liegen thorakolumbal, die des Parasympathicus kraniosakral. £ Afferenz. Der afferente Schenkel eines vegeta-

tiven Reflexbogens wird durch primärafferente, pseudounipolare Neurone (viszerosensibel) gebildet, die in Spinalganglien bzw. in den entsprechenden Ganglien von Hirnnerven liegen. Der vegetative Reflexbogen besteht demnach aus einem afferenten und mindestens 2 efferenten Neuronen. £ Vegetative Nerven. Die vegetativen Fasern können wie somatische selbständig verlaufen (Kopfnerven, Grenzstrang des Sympathicus, präganglionäre Fasern zu den präaortalen Ganglien = Nn. splanchnici). Überwiegend schließen sich ihre Axone aber den Spinalnerven an oder verlaufen mit den Gefäßen, um die sie Geflechte bilden. Mit den somatischen Nerven gelangen sie zur glatten Muskulatur und zu den Drüsen der Haut, aber auch zur quergestreiften Muskulatur. Die Benennungen „rein sensibler Nerv“ (z. B. für Hautnerven) oder „rein motorischer Nerv“ (für Muskeläste) sind daher insofern unrichtig, als sie sich ausschließlich auf den somatischen Anteil des Nerven beziehen (und im Falle des motorischen Astes sogar die somatischen Afferenzen der Muskelspindeln ignorieren). Die präganglionären Fasern sind myelinisiert und < 3 µm im Durchmesser. Die postganglionären Fasern sind nicht oder schwach myelinisiert,

2 Allgemeine Anatomie

102

< 2 µm im Durchmesser und entsprechend langsam in der Erregungsweiterleitung (< 2 m/s).

2.6.6.3

Transmitter des VNS und ihre Rezeptoren

£ Transmitter. Die oben skizzierte Terminologie

sagt nichts über die aus pharmakologischer Sicht wichtige Natur der Transmitter.

• Die präganglionären Fasern sind cholinerg • Die sympathischen postganglionären Fasern

sind in der Mehrheit adrenerg (Transmitter hauptsächlich Noradrenalin) • die Versorgung der Schweißdrüsen jedoch cholinerg • Die parasympathischen postganglionären Fasern sind ebenfalls cholinerg (muscarinerg). £ Rezeptoren.

Unter pharmakologischen Gesichtspunkten muss neben den Transmittern die Rezeptorart differenziert werden. Ein und derselbe Transmitter kann je nach Rezeptor antagonistische Wirkung entfalten. Die meisten Ausnahmen betreffen das Herz. Das Ansprechen der Rezeptoren ist zudem abhängig von der Konzentration der Transmitter.

2.6.6.4

Entwicklung des VNS

Die Genese des VNS kann nicht von der des übrigen Nervensystems getrennt werden. Es gibt zwar eindeutige morphologische und funktionelle Unterschiede, aber das VNS ist nicht unabhängig vom übrigen somatischen Nervensystem. Die kooperative Entwicklung ist der Schlüssel dafür, dass bei allen somatischen Funktionen auch das vegetative Nervensystem beteiligt ist. £ Abkömmlinge der Neuralleiste. Aus der Neu-

ralleiste (s. Kap. 3.5.1.2, S. 142) gehen folgende Zellen hervor:

• Grenzstrang, Truncus sympathicus (s. Kap. • • • •

10.7.9, S. 899, Kap. 12.4.5, S. 1021) vegetative Afferenzen im Spinalganglion (s. Kap. 2.6.5.1, S. 94) vegetative Afferenzen der präaortalen Ganglien (s. Kap. 12.4.5, S. 1021) vegetative Afferenzen der vaskulären Ganglien zentrale Zellen des VNS.

Die Zellen differenzieren sich abhängig von ihrer Lage in Sympathiko- (zentral) oder Parasympathikoblasten (an den Polen des Embryos). Die Festlegung auf einen Transmitter hängt wahrscheinlich vom Zielorgan ab. Bei den Wanderungsbewegungen gelangen von den vegetativen Zellen nicht nur afferente Ganglienzellen in das Spinalganglion, sondern auch efferente Sympathikoblasten können sich – statt in den Grenzstrang zu gelangen – hierher verirren, so dass das Spinalganglion durchaus auch efferente Neurone enthält. £ Vegetative Kopfganglien. Die vegetativen

Kopfganglien enthalten ausschließlich parasympathische zweite Neurone. Sie sind alle an Äste des N. trigeminus assoziiert. Es handelt sich um:

w Ggl. ciliare (N. oculomotorius, s. Kap. 6.4.2,

S. 588). Es tritt von allen als erstes auf und wird als Sinnesorgan-Ganglion mit efferentem Charakter definiert (für Mm. ciliaris und sphincter pupillae). w Ggll. pterygopalatinum und submandibulare (N. facialis, s. Kap. 4.12.1, S. 255). Sie sind bereits bei den Reptilien vorhanden. w Ggll. oticum und sublinguale (letzteres beim Menschen nur selten ausgeprägt) finden sich erst bei den Mammalia (N. glossopharyngeus). Die postganglionären Fasern erreichen mit den Ästen des N. trigeminus ihre Zielorgane (Speicheldrüsen, s. Kap. 4.13.2.1, S. 278). w Darüber hinaus finden sich vegetative Ganglien in den Nn. glossopharyngeus und vagus. £ Paraganglien. Die granulierten, sympathischen

Zellen sind beim Menschen in geringerer Zahl angelegt. Sie arbeiten endokrin und wirken damit generalisiert auf das Gefäßsystem. Die aus diesen Zellen hervorgegangenen (chromaffinen) Paraganglien konzentrieren sich und bilden bei den Säugetieren vor allem das Nebennierenmark.

Nur wenige weitere, vorzugsweise in der Entwicklungsphase aktive Paraganglien (größtes: Paraggl. aorticum abdominale = Zuckerkandl-Organ) sind beim Menschen bis zum 2. Lebensjahr zu finden. Relativ regelmäßig lassen sich im Bereich des Plexus cardiacus Paraganglien nachweisen (Paragll. supracardialia). Weitere benannte Paraganglien liegen im Bereich der luftleitenden

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

Organe. Insgesamt bilden die Paraganglien wohl eine funktionelle Einheit. Zuweilen wurden auch Knötchen, die parasympathische Fasern erhielten (wie das Glomus caroticum), als (parasympathische) Paraganglien bezeichnet und ihnen wurde wegen der intensiven Vaskularisation endokrine Aktivität nachgesagt. Nachgewiesen sind jedoch nur enterozeptive Funktionen. Die Zellen stammen auch nicht aus dem Pool vegetativer Blasten. Klinik: Paraganglien können benigne (Phäochromozytom) und gelegentlich maligne Tumoren (Phäochromoblastom) bilden, die meist endokrin (autonom) tätig sind. £ System der vaskulären Nervenzellen. Das

System vaskulärer Nervenzellen ist beim Menschen sehr ausgeprägt. Die Entwicklung einer differenzierten vaskulären Innervation kann als entscheidend für die Evolution der Vertebraten angesehen werden. Für den Menschen hat es überhaupt erst die Voraussetzungen für die komplexen Anpassungsvorgänge des Kreislaufes beim Übergang in den Zweibeinerstand geschaffen. Sie ermöglicht auch die mit der bipeden Lokomotion notwendig gewordene effiziente Temperaturregulation. Externe, interne und zentrale Impulse erlauben die gezielte Kontrolle einzelner Gefäßgebiete (Verdauungssystem, Genitaltrakt, Körperoberfläche, somatische Muskulatur, Thoraxorgane) und damit die separate ökonomische Anpassung an jeweilige Aktivitätszustände. Die (sympathischen) vaskulären Nervenzellen bilden zu diesem Zwecke gefäßassoziierte, möglichst Gefäßgebiet-bezogene (organnahe) Ganglien, deren segmentale Anlage beim erwachsenen Menschen nicht mehr zu erkennen ist. Die Ganglien lagern sich an die viszeralen Gefäßstämme an. Präparatorisch ist die vaskuläre Innervation von der übrigen Organinnervation schon in den prävertebralen Ganglien nicht zu trennen (s. u.). Die Durchblutung hängt dabei eng mit der Organfunktion zusammen. £ Beziehung zu den Gefäßen. Die phylogenetisch relativ junge Entwicklung der Lunge ist ein Raum fordernder Prozess, der eine Umorganisation der segmentalen Anlagen in parallel zur Körperachse angeordneten Funktionseinheiten zur Voraussetzung bzw. zur Folge hat. Dies gilt

103

auch für die Blutgefäße. Mit dem Deszensus der Organe geraten die Gefäße und mit ihnen die vaskulären Nervenzellen nach kaudal, so dass sich die nervöse Verbindung mit den Ausgangssegmenten um 6 und mehr Segmente in die Länge streckt (präganglionäre Fasern aus dem Thorakalmark zusammengefasst als Nn. splanchnici thoracici). Im Abdomen müssen sie sich dann in einem vergleichsweise kleinen Abschnitt zusammendrängen. Durch die bedeutenden ontogenetischen Umorientierungen entsteht insgesamt eine erhebliche Variabilität in diesem Teil des VNS. Im endgültigen Versorgungsgebiet sind die an die Gefäße gebundenen Ausbreitungswege so individuell wie der Gefäßverlauf selbst. Die ausgeprägte Plexusbildung zieht sich entlang der Gefäße bis zu den Kapillaren. In der Konsequenz ist die Situation der vaskulären Innervation sehr unübersichtlich. Klinik: Die differenzierte Steuerung der Organdurchblutung erlaubt es dem menschlichen Organismus mit weit weniger Blut auszukommen, als bei maximaler Dilatation aller Blutgefäße zur Füllung erforderlich wäre. Das Herz wird so ergonomisch entlastet. Gleichzeitig wirken sich Blutverluste stärker aus und es entsteht die Gefahr der Schock-Reaktion. £ Herzinnervation. Eine besondere Situation ist

bei der Innervation des Herzens durch die vaskulären Nervenzellen entstanden. Der Sinus venosus erhält allgemein nur Fasern über den nahen N. vagus, und für die Vertebraten gilt, dass auch die Atria nur über den N. vagus efferente (präganglionäre) Fasern empfangen. Demgegenüber wachsen Nervenfasern von den Plexus der Aa. subclaviae (meist aus dem mittleren und unteren zervikalen Ganglion) auf die Ventrikel und die Koronararterien. Verschiedene Anteile des Herzens werden normalerweise auch von getrennten vegetativen Fasern versorgt. Die rechte und die vordere Seite, der Sinusknoten, der AV-Knoten und das Septum interventriculare werden von rechts innerviert. Von links kommende vegetative Fasern versorgen insbesondere den linken Ventrikel (Inotropie).

2 Allgemeine Anatomie

104

2.6.6.5

Pars sympathica, Sympathicus (Abb. 2.39)

Die Pars sympathica ist der Teil des vegetativen Nervensystems, der morphologisch weitgehend über die Zugehörigkeit zum Grenzstrang abgrenzbar ist. Funktionell ist er wesentlich für die Leistungsbereitschaft des Körpers gegenüber der Umwelt verantwortlich. £ Anteile. Topographisch lassen sich 3 Abschnitte

auseinander halten:

1. Grenzstrang, Truncus sympathicus. Zu beiden Seiten der Wirbelsäule (paravertebral) liegt je eine Ganglienkette, der Grenzstrang, Truncus sympathicus. Er reicht von der Schädelbasis bis zum Steißbein und besteht aus einem Hals-, Brust-, Bauch- und Beckenteil. Jeweils die benachbarten der 22 und mehr Ganglien sind untereinander durch Rr. interganglionares verbunden. Direkte Verbindungen von linkem mit rechtem Grenzstrang sind unregelmäßig. Solche Rami transversi, Verbindungen zu den Ganglien der Gegenseite, sind im Brust- und Bauchgebiet seltener, im Beckengebiet häufiger. Kaudal kann ein singuläres Ggl. impar gefunden werden. Die Rr. interganglionares bestehen je zur Hälfte aus efferenten (präganglionären) und afferenten Fasern. Charakteristisch ist, dass die zugehörigen zentralen Ursprünge kranial und kaudal von den Plexus der Extremitäten begrenzt sind. Dabei enthalten jeweils die kaudalen Wurzelfasern des Plexus brachialis und die kranialen Wurzelfasern des Plexus lumbalis noch präganglionäre Fasern. 2. Prävertebrale Ganglien. An den Abgängen der 3 unpaaren Eingeweideäste der Aorta (Truncus coeliacus, A. mesenterica superior und inferior) liegen 3 größere Ganglien, die umfangreich untereinander verbunden sind und selbst aus zahlreichen kleineren Ganglien bestehen. Bei der Präparation können diese retroperitonealen Strukturen leicht mit Lymphknoten verwechselt werden. Die in ihrer Form sehr wechselnden prävertebralen Ganglien bekommen Fasern aus den Nn. splanchnici thoracici majores et minores, dem Truncus vagalis posterior und direkt aus dem anliegenden Grenzstrang. Die aus ihnen hervorgehenden Äste bilden Geflechte um die Gefäße und verlaufen mit ihnen zu den Eingeweiden.

3. Sympathische Geflechte. Die von den sympathischen Ganglien abgehenden postganglionären Nerven lagern sich entweder den Spinalnerven oder den Gefäßen an. Um die Gefäße bilden sie Geflechte, Plexus, die mit den Gefäßen gleichnamig sind. Der genauere Verlauf der Geflechte wird bei den einzelnen Regionen besprochen. Mit den Gefäßverzweigungen gelangen die postganglionären Axone zu ihren Zielgebieten. Gleichzeitig werden die entsprechenden Gefäßabschnitte selbst innerviert. £ Ursprung. Der Ursprung des Sympathicus ist

auf den Brust- und Lendenteil des Rückenmarks beschränkt. Üblicherweise stehen etwa 5000 präganglionäre Neurone pro Körpersegment in der Seitensäule im Bereich von Th1 bis L2 zur Verfügung. Der Beginn dieser als Columna intermediolateralis bezeichneten Zellsäule (s. Kap. 5.2.7.3, S. 425) schwankt mit der Höhe der Anlage des Plexus brachialis zwischen C8 und Th2. Entsprechend können die letzten kaudalen Fasern zwischen L1 bis L3 das Rückenmark verlassen. Diese Schwankungsbreite ist bei Anästhesien zu berücksichtigen. £ Faserverlauf. Die Efferenzen (präganglionäre sympathische Axone), die den Spinalnerven aus den Segmenten C8–L3/4 zugeordnet werden, verlassen durch die Radix ventralis das Rückenmark. Sie gelangen in den gemischten N. spinalis und ziehen durch den R. communicans albus zum zugehörigen Grenzstrangganglion. In ihm schaltet der größere Teil der Axone auf das 2., postganglionäre Neuron um. Ein weiterer Teil zieht durch die Rr. interganglionares zu benachbarten Grenzstrangganglien und schaltet dort auf das 2. Neuron um. Dabei können durchaus auch in den durchzogenen Ganglien synaptische Kontakte hergestellt sein. Oberhalb von Th7 steigt die Mehrzahl der Fasern auf, unterhalb von Th11 finden sich vorzugsweise deszendierende Fasern in den Rr. interganglionares. Schließlich zieht noch ein Teil der Fasern ungeschaltet durch die Grenzstrangganglien, gelangt z. B. in die Nn. splanchnici thoracici und zieht in ihnen zu den prävertebralen Ganglien. Erst hier findet dann die Umschaltung auf das 2. Neuron statt. Die Zielorgane in der Körperwand werden über die somatischen Nerven (via Rr. communicantes grisei) erreicht, wobei die dorsalen Äste der Spinalnerven

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

105

Gl. lacrimalis

Iris

Gl. parotidea Gl. sublingualis Gl. submandibularis

C8–L2/3

Brusteingeweide

Baucheingeweide inklusive Darm bis Cannon-Böhm-Punkt

Beckeneingeweide inklusive Darm ab Cannon-Böhm-Punkt

Abb. 2.39: Schematische Übersicht des Sympathicus

2 Allgemeine Anatomie

106

bevorzugt werden. Daher sind Nacken und Rücken reich an Sympathikusfasern (es sträuben sich die Nacken-, nicht aber die Barthaare) und ein Schauer läuft einem über den Rücken, nicht über den Bauch). Die Anzahl der Rezeptoren ist jedoch auf der Ventralseite exzessiv größer als auf der Dorsalseite (vgl. z. B. Bauchdeckenreflexe). £ Charakteristika. Die Neuriten der 2. Neurone,

deren Zellleiber im Grenzstrang oder in den prävertebralen Ganglien liegen, sind markarm oder marklos. Sie verlaufen entweder durch die Rr. communicantes grisei zurück zu den Nn. spinales oder mit den Gefäßen zu den Zielorganen. Da der Ursprung nur auf das Gebiet von C8 bis L3/4 beschränkt ist, fehlen im Hals-, unteren Lenden- und im Kreuzbeingebiet fast immer die Rr. communicantes albi. Hingegen kommen die Rr. communicantes grisei überall und auch bei einigen Hirnnerven vor.

Ein wichtiges Merkmal der peripheren, efferenten sympathischen Leitungsbahn ist, dass sie aus 2 hintereinandergeschalteten Neuronen, dem präganglionären und dem postganglionären Neuron, besteht und sowohl eine Hemmung wie eine Erregung des Zielorgans möglich ist (Unterschied gegenüber den nur erregenden somatischen Nerven).

auch bewusst werden können (Magen-, Blasenschmerzen usw.). £ Umfang. Die Zahl der postganglionären Neurone übertrifft die der präganglionären mehrfach. Das bedeutet, dass es in der Peripherie zu einer divergenten Erregungsausbreitung kommt. Diese Verbreiterung ist notwendig, wenn man das kleine Ursprungsgebiet mit dem Versorgungsgebiet (sämtliche Organe) in Beziehung setzt. Andererseits können auch mehrere präganglionäre vegetative Nervenzellen mit einem der zweiten Neurone Synapsen bilden, so dass zudem Konvergenz beobachtet werden kann. Klinik: Die einfache motorische und sensorische Funktionsprüfung kann in manchen Fällen nicht zur Differenzialdiagnose einer peripheren Lähmung ausreichen. So ist die Symptomatik eines Wurzelfaserausrisses C7 oft ähnlich einer peripheren N. ulnaris-Lähmung (oder L5 ähnlich N. fibularis). Hier hilft eine Überprüfung der Hautfeuchtigkeit (Intaktheit der vegetativen Schweißdrüseninnervation). Da sich die Hauptmasse der vegetativen Fasern erst dem Spinalnerv beigesellt, können sie bei einem Wurzelfaserausriss im Bereich eines Segmentes nicht merklich gestört sein (Schweißdrüseninnervation intakt).

£ Viszerosensible Fasern. Neben den bisher

beschriebenen efferenten sog. viszeromotorischen Fasern, die die Hauptmasse ausmachen, ist auch eine geringere Zahl von afferenten, sog. viszerosensiblen Fasern in den sympathischen Nerven nachzuweisen, deren Zellleiber in den sensiblen Hirnnervenganglien bzw. in den Spinalganglien und im Grenzstrang liegen. Die afferenten Fasern verlaufen in der Peripherie zusammen mit den Efferenzen in den vegetativen Geflechten. In größerer Anzahl finden sie sich in den Nn. splanchnici thoracici. Die Afferenzen gelangen durch die vordere (kleiner Teil) und hintere Wurzel vorzugsweise an Nervenzellen im Seitenhorn. Sie leiten Erregungen von den Eingeweiden in das Zentralnervensystem. Meist werden diese viszerosensiblen Erregungen nur reflektorisch auf efferente Bahnen umgeschaltet. Der Sympathicus vermittelt vorzugsweise Schmerzen (für sonstige Organempfindungen s. Parasympathicus, s. Kap. 2.6.6.6, S. 106), die

2.6.6.6

Pars parasympathica, Parasympathicus (Abb. 2.40)

Die Pars parasympathica ist ein funktioneller, durch Physiologie und Pharmakologie geprägter Begriff. Funktionell dient das System vor allem regenerativen und aufbauenden Prozessen. £ Anteile. Der teilweise recht komplizierte Faser-

verlauf des kranialen Parasympathicus wird im Zusammenhang mit den Kopfnerven detailliert besprochen (s. Kap. 4.12.1, S. 255). Die Gefäßund Herzmuskulatur wird nur wenig vom Parasympathicus innerviert, die Effekte sind daher gering. Eine intensivere parasympathische Versorgung erfahren jedoch die Gefäße der äußeren Geschlechtsorgane aus dem sakralen Parasympathicus.

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

107

Gl. lacrimalis

Iris, Ziliarkörper

Ganglion ciliare Ganglion pterygopalatinum

III

Ganglion oticum

VII

Ganglion submandibulare

IX

Gl. parotidea Gl. sublingualis Gl. submandibularis

VII

Kopfteil

X Brusteingeweide

Ganglion cardiacum

X

Ganglia coeliaca

Baucheingeweide inklusive Darm bis CannonBöhmPunkt

Sakralteil

S2 bis S4

Ganglia pelvina

Nn. splanchnici pelvini (Nn. erigentes)

Beckeneingeweide inklusive Darm ab Cannon-Böhm-Punkt

Abb. 2.40: Schematische Übersicht des Parasympathicus

108

1. Der Kopfteil hat seine Kerngebiete im Mittelund Rautenhirn. Die präganglionären Fasern ziehen in den Nn. III, VII, IX und X zu den parasympathischen Ganglien, wo sie auf das postganglionäre Neuron umgeschaltet werden. w Der N. oculomotorius hat Fasern vom Nucleus

oculomotorius accessorius (Edinger-Westphal), die zum Ganglion ciliare (s. Kap. 6.4.2, S. 588) ziehen. w Der N. facialis (Intermediusanteil) enthält sekretorische Fasern von Nucleus salivatorius superior. Diese werden in der Chorda tympani zum Ganglion submandibulare und im N. petrosus major zum Ganglion pterygopalatinum geleitet (s. Kap. 4.12.1, S. 255). w Der N. glossopharyngeus leitet Fasern vom Nucleus salivatorius inferior über den N. petrosus minor zum Ganglion oticum (s. Kap. 4.12.1, S. 255). w Der N. vagus enthält alle Parasympathikusfasern für die Innervation der Hals-, Brust- und Baucheingeweide bis zum Cannon-BöhmPunkt (in der Nähe der linken Kolonflexur). Sie entspringen im Nucleus dorsalis nervi vagi. Aus dem Geflecht des Oesophagus gehen die Trunci vagalis anterior und posterior hervor, die sich auf den Magen weiter fortsetzen (s. Kap. 10.7.8.2, S. 898). 2. Der Sakralteil entstammt den Seitenhörnern im sakralen Abschnitt des Rückenmarks (S2–S4). Die präganglionären Nervenfasern bilden hier die Nn. splanchnici pelvini, welche den restlichen Teil des Darms, der nicht vom N. vagus innerviert wird. z. B. die Beckenorgane, Nn. erigentes, versorgen. Der sakrale Parasympathicus ist in Wechselwirkung mit dem Sympathicus und mit somatomotorischen Nerven an der Regelung der Genitalfunktionen einschließlich der Drüsen und der Entleerung der Harnblase und des Mastdarms beteiligt. Die Fasern verteilen sich wesentlich über die diversen pelvinen Geflechte, die teilweise zusammengefasst werden (z. B. der Frankenhäuser-Plexus, s. Kap. 13.6.2.3.8, S. 1076) 3. Periphere Ganglien. Bei der Auswanderung der medullären parasympathischen Ganglienzellen (vornehmlich mit dem N. vagus) in eine organnahe Lage bleiben viele Nervenzellen im Stamm des N. vagus liegen (manchmal als sichtbare Ganglien). Das Ggl. cardiacum (Wrisbergi) findet sich häufig im Bereich der vagalen Herznerven; sonst

2 Allgemeine Anatomie

sind an dieser Stelle überall Ganglienzellen zu finden. Die sympathischen Ganglien, wie das Ggl. renale für die Niere enthalten, auch parasympathische 2. Neurone. £ Ursprung. Der Parasympathicus entspringt kra-

nial und kaudal vom Sympathicus.

w Der kraniale Parasympathicus (Kopfparasym-

pathicus) nimmt seinen Ursprung in spezifischen Kernen des Mittelhirnes und des verlängerten Rückenmarkes. Details und Umschaltungen s. Kap. 5.4.9, S. 518. w Der sakrale Parasympathicus hat seine Ursprungskerne im Sakralmark (zumeist S3 und S4). £ Faserverlauf. Die Fasern des Parasympathi-

cus verlaufen in der Peripherie zumeist nicht selbständig, sondern zusammen mit anderen Nervenfasern. Die efferente Leitung besteht wie beim Sympathicus aus 2 Neuronen, einem prä- und einem postganglionären Neuron. Im Unterschied zum Sympathicus werden nur die inneren Organe, aber nicht die Leibeswand parasympathisch versorgt. Der Parasympathicus versorgt die inneren Organe, der Sympathicus die inneren Organe und die Leibeswand. £ Charakteristika. Die Perikarya der 1. efferenten Parasympathikusneurone liegen im Hirnstamm (Kopfteil) und im Sakralbereich/Sakralteil des Rückenmarks. Die Umschaltung der präganglionären Nervenfasern auf das 2. Neuron erfolgt im Gegensatz zum Sympathicus nahe am Erfolgsorgan. £ Viszerosensible Fasern. Ähnlich wie im Sympathicus verlaufen auch im Parasympathicus afferente Fasern von den Organen zum ZNS, deren Perikarya in den sensiblen Hirnnervenganglien bzw. in den Spinalganglien liegen. Die Hirnnerven übertragen Afferenzen aus Pharynx, Larynx und Oesophagus (für die übrigen Thoraxorgane ist der Sympathicus zuständig). Sie vermitteln ferner das Gefühl des Harn- und Stuhldranges und teilweise genitale Afferenzen. Aus dem Darmbereich kann das Gefühl der Übelkeit gemeldet werden £ Interozeption. Viele wichtige vegetative Reflexe haben spezifische Sensoren (Interozeptoren). Die wichtigsten sind: w Chemorezeptoren zur Messung von pH, pCO2,

pO2 z. B. im Aortenbogen oder Glomus caroticum

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

w Atriale Mechanozeptoren erkennen Vorhofdeh-

nung etwa in Folge vermehrten Blutvolumens w Barorezeptoren (z. B. Sinus caroticus) registrieren den Blutdruck, adaptieren aber und sind dadurch kein Schutz gegen sich langsam entwickelnden Hypertonus. Sie können allerdings bei einigen Menschen hypersensitiv sein und durch externen Druck (beidseitiges Pulsfühlen an der A. carotis) eine Blutdrucksenkung auslösen. w Zentrale Interozeptoren sind im ZNS lokalisiert und kontrollieren den pH-Wert des Liquor cerebrospinalis, den osmotischen Druck in den Gefäßen und die arteriovenöse Blutzuckerdifferenz. Zwischen den Reflexen bestehen vielfältige Interaktionen. Insbesondere die pulmonalen Reflexe beeinflussen wesentlich die kardiovaskulären Reflexe. Klinik: 1. Als vagovasale Synkope bezeichnet man eine extreme Vagusreizung (peripher beispielsweise durch Schmerz oder hypersensitiven Karotissinus, zentral beispielsweise durch Schreck) mit akuter ausgedehnter Vasodilatation (Sympathicus-vermittelt) und Bradykardie, die zu einer Hypotonie führt. Die dadurch bedingte Reduktion des Herzzeitvolumens kann infolge zentraler Hypoxie zur Bewusstlosigkeit führen (Synkope). 2. Ein Schlag in die Gegend des Plexus coeliacus und angrenzender Plexus kann ebenfalls zu einem massiven Blutdruckabfall und zusätzlich zu Atemnot führen. Je intensiver die auslösende Ursache einer vegetativen Reaktion, desto mehr Funktionseinheiten werden aktiviert bzw. gehemmt.

2.6.6.7

Trophische Innervation

Trophik (engl. trophic state) bedeutet Ernährungszustand eines Gewebes oder Organs bzw. Stoffwechselzustand. Der Wortteil -troph hat die entsprechende Bedeutung. Neben der Durchblutungsregulation greift das VNS noch direkt in den Stoffwechsel der Organe ein. Es gibt kein Organ, welches nicht wenigstens von sympathischen Fasern versorgt wird. Bei vegetativen Innervationsstörungen können in der Haut die Empfindlichkeit der Tastsinnesorgane herabgesetzt

109

oder die Reaktionsschwelle eines Muskels heraufgesetzt sein; auch das zentrale Nervensystem wird vegetativ versorgt. Klinik: 1. Wegen der intensiven Überlagerung und der Divergenz von prä- nach postganglionär treten bei einer partiellen Ausschaltung des VNS keine „vegetativen Lähmungen“ auf. Der Ausfall äußert sich nur in teilweise schwer fassbaren Funktionseinschränkungen. Ein weiterer Grund dafür ist, dass das VNS vorhandene Funktionen nur moduliert, diese aber grundsätzlich autonom (z. B. Herz) oder durch das somatische Nervensystem (z. B. Skelettmuskelkontraktion) hervorgerufen sind. 2. In chronische Schmerzsyndrome und reflektorische sympathische Dystrophien sind afferente und efferente Anteile des sympathischen VNS involviert. Die genaue afferent-efferente Verbindung in der Peripherie ist ungeklärt (parasympathisch ist sie nicht beschrieben). Blockade der Efferenzen ist jedoch in den meisten Fällen eine mögliche Therapie (z. B. Stellatumblockade nach posttraumatischen dystrophischen Zuständen der oberen Extremität).

2.6.6.8

Reflexe

Die Funktion des VNS wird durch periphere Reflexbögen aufrecht erhalten, die auch nach Verlust zentraler Verbindungen (Querschnittsläsion) weiter funktionieren. Die lokal erzeugten nervösen Grundmuster (z. B. für die Peristaltik) gelten als Baustein. Sowohl von viszeroafferent auf somatoefferent als auch in umgekehrter Richtung von somatoafferent auf viszeroefferent bestehen reflektorische Verbindungen. Viszerosensible Axone werden im Rückenmark mit den somatischen Motoneuronen durch Schaltzellen verbunden. Auf diesem Weg wird bei Eingeweideschmerzen der Tonus quergestreifter Muskeln erhöht (z. B. harte Bauchdecken bei Entzündungen im Bauchraum = viszerosomatomotorische Reflexe). Es lassen sich folgende Reflexbeziehungen unterscheiden: w viszero-viszeral: viszerale Afferenzen führen zu

viszeralen Reaktionen (Blasenentleerung, Peristaltik)

2 Allgemeine Anatomie

110

C4

Zwerchfell (C 4)

Th 3, 4, 5

Herz (Th 3, Th 4)

Speiseröhre (Th 4, Th 5) Th 8 Magen (Th 8) Th 9, 10 Leber und Gallenblase (Th 8–Th 11) Th 11 Th 12 L1

Dünndarm (Th 10) Dickdarm (Th 11–L 1) Harnblase (Th 11–L 1) Niere und Hoden (Th 10–L 1)

Abb. 2.41: Segmentale Versorgung einiger innerer Organe. Hautbezirke (dunkel, getönt), in denen bei Erkrankung dieser Organe durch viszerokutane Reflexe Hyperämie und Hyperalgesie auftreten können (Head-Zonen). Schema, verändert nach Treves-Keith

w viszero-kutan: viszerale Afferenzen führen zu

Reaktionen in der Haut (die vermehrte Durchblutung kann auch durch den ausstrahlenden Schmerz bedingt sein) (Abb. 2.41) w viszero-motorisch: viszerale Afferenzen sorgen für einen erhöhten segmental zugeordneten Muskeltonus oder -spasmus (Abwehrspannung bei „akutem Abdomen“) w kutisviszeral: somatische Afferenzen stimulieren vegetative Efferenzen entsprechend der Head-Zonen (Abb. 2.41) In Analogie zu der motorischen Einheit (s. Kap. 2.2.3.5, S. 46) kann man auch das 2. efferente Neuron zusammen mit den von ihm innervierten Organanteilen als Funktionseinheit begreifen. Die vegetativen Ganglien werden daher zuweilen als Organganglien bezeichnet. Klinik: 1. Bei Erkrankungen der Herzkranzgefäße strahlen Schmerzen in die Brust (Angina pectoris) oder in den linken Arm aus. Die umgekehrte Beziehung versucht man therapeu-

tisch dadurch auszunutzen, dass man bestimmte Hautbezirke durch Pflaster, Bäder, Umschläge, Kälte- und Wärmeanwendungen, Quaddelung usw. stimuliert, um die segmentzugehörigen Organe zu beeinflussen und z. B. Schmerzen zu lindern (Wärmflasche = Hautreiz). 2. Bei einer Appendicitis, Salpingitis oder Cholecystitis kann eine regional begrenzte oder generelle Erhöhung der Spannung der Bauchmuskulatur als Abwehrspannung auftreten. Diese ist durch viszerosensible-somatomotorische Reflexe mit bedingt. Durch die mangelnde Ausprägung des segmentalen Charakters im VNS und vor allem durch die Divergenz im Sympathicus ist die Ausbreitung vegetativer Reaktionen in der Haut mit den somatischen Dermatomen nicht in Übereinstimmung zu bringen und muss hinsichtlich einer diagnostischen Auswertung eigenständig betrachtet werden.

2.6 Nervensystem, Systema nervosum

2.6.6.9

Übergeordnete vegetative Zentren

Die Kontrolle der regionalen Steuerung erfolgt zentral. Die Funktion jedes einzelnen Organs wird vom Rückenmark und vom Hirnstamm aus durch das vegetative Nervensystem überwiegend auf dem Reflexwege gesteuert. Die zentralen vegetativen Steuereinheiten sind teils hierarchisch organisiert. In der Übersicht können 3 funktionelle Organisationsebenen unterschieden werden: die prosenzephale übergeordnete Verbindung zu Großhirn und Endokrinum, die spinotegmentale Steuerung und der periphere Reflexbogen. £ Hypothalamus. Die Zusammenfassung der

vegetativen Teilfunktionen zu höheren, zielgerechten Leistungen findet im Hypothalamus des Zwischenhirns statt (s. Kap. 5.4.11.2, S. 544). £ Formatio reticularis. Das Bindeglied zwischen der niederen Funktionsebene (Rückenmark und Hirnstamm) des vegetativen Systems und dem Hypothalamus bildet die Formatio reticularis (s. Kap. 5.4.9.2., S. 518).

111

£ Spinale Zentren. Sympathische und parasym-

pathische spinale Ursprünge werden insbesondere hinsichtlich der Miktion, Defäkation und genitaler Funktionen zu Zentren zusammengefasst. Am Beispiel des Centrum genitospinale sei dabei noch einmal auf die wesentlichen Einflussmöglichkeiten übergeordneter zentralnervöser Strukturen hingewiesen.

2.6.6.10 Enterisches Nervensystem (ENS) Die diffus verteilten Nervenzellen bilden entlang des Darmrohres und zugehöriger Organe mit eigenen Ganglien und Plexus das enterische (intramurale) Nervensystem. Dieses reguliert relativ unabhängig von dem sympathischen und parasympathischen Anteil die Darmmotilität sowie Flüssigkeits- und Elektrolythomöostase. Die weitgehende Unabhängigkeit dokumentiert sich nicht nur in der eigenständigen Gliederung, sondern auch in für diesen Teil des VNS spezifischen Erkrankungen (Näheres s. Kap. 12.3.3, S. 988).

3

Allgemeine Embryologie Axel Brehmer

Embryologie ist vorgeburtliche (→ pränatale) Entwicklungsbiologie. Sie beschreibt Form- und Funktionsänderungen von Individuen zwischen Zeugung und Geburt. Diese Veränderungen werden genetisch gesteuert und in Wechselwirkung mit Umweltfaktoren realisiert. Allgemeine und Spezielle Embryologie sind aus der didaktischen Notwendigkeit heraus geborene Begriffe, die die fließend ineinander übergehende pränatale Entwicklung eines Organismus darstellen. Allgemeine Embryologie umfasst die frühe pränatale Entwicklung: 1. Keimzellbildung und Vorbereitung der Befruchtung in der Elterngeneration, 2. Festlegung der genetischen Grundlagen für die Entwicklung des neuen Individuums durch die Befruchtung,

3.1

3. Differenzierung vorübergehender embryonaler Strukturen als Grundlage für die Organentwicklung (Keimblätter und Derivate), 4. Entstehung von auf Zeit angelegten Einrichtungen, welche Kommunikation und Abgrenzung zwischen dem sich entwickelnden und dem mütterlichen Organismus sicherstellen (Plazenta, Fruchthüllen). Weiterhin orientiert sie über 5. Rahmendaten der vorgeburtlichen Entwicklung wie Dauer, Größenwachstum, allgemeine Formentwicklung und Reifemerkmale. Diese sind Grundlagen der Pränatalmedizin, für die ein Zugang zum Feten nur über den mütterlichen Organismus möglich ist. Spezielle Embryologie befasst sich mit der pränatalen Organentwicklung. Deren Darstellung ist der makroskopisch-anatomischen Schilderung der Organe vorangestellt.

Altersangaben, Stadien

Lernziele: Befruchtungsalter, Menstruationsalter, Schwangerschaftsdauer, p. c., p. m., Normogenese, Teratogenese, Gametogenese, Blastogenese, Embryogenese, Fetogenese Keimlingsalter: SSW = EW + 2 Wochen (Kap. 3.10.2, S. 170): £ Befruchtungsalter: Mit der Befruchtung beginnt die

Entwicklung (post conceptionem = p. c.), die Altersangabe erfolgt in Embryonalwochen (EW), anfangs in Embryonaltagen (ET).

£ Menstruationsalter: In der Perinatalmedizin wird

ab dem 1. Tag der letzten Menstruation gerechnet (post menstruationem = p. m.), der bei regelmäßigem Zyklus 2 Wochen vor dem Befruchtungszeitpunkt liegt. Dieses Alter wird in Schwangerschaftswochen (SSW) angegeben. £ Schwangerschaftsdauer p. c. (= tatsächliche oder echte Schwangerschaftsdauer): Zeit vom Tag der Befruchtung bis zum Tag der Geburt = 266 Tage = 38 Wochen = 91⁄2 Lunar- oder Mondmonate (zu 28 Tagen). £ Schwangerschaftsdauer p. m.: Zeit vom 1. Tag der letzten Regel bis zum Tag der Geburt = 280 Tage = 40 Wochen = 10 Lunarmonate.

114

3 Allgemeine Embryologie

In diesem Kapitel werden Embryonalwochen (1.–8. EW) für die Embryonal- und Schwangerschaftswochen (11.–42. SSW) für die Fetalperiode angegeben. Normo-, Teratogenese. Die Normalentwicklung (→ Normogenese) ist in Abschnitte untergliedert, in denen jeweils auch pathologische Entwicklung (→ Teratogenese, Kap. 3.9, S. 167) möglich ist. Gametogenese (gr. Gametes = Gatte) ist die Entwicklung der Keimzellen (→ Gameten: Eizelle, Samenzelle) in den Elternorganismen (= Proontogenese, Progenese). £ Gametopathien sind Schäden der Keimzellent-

wicklung: z. B. Mutation, morphologische und funktionelle Anomalie.

Blastogenese (gr. Blast = Spross, Trieb; 1.–2. EW) umfasst den Zeitraum von der Befruchtung bis zu Implantationsabschluss und Ausbildung der zweiblättrigen Keimscheibe. £ Blastopathien, Störungen in dieser Phase erfol-

gen nach dem Alles-oder-Nichts-Gesetz: Entweder ist der Schaden vollständig reparabel oder der Keim stirbt ab (z. B. führt eine Implantationsstörung zum Verlust des Keimlings → Abort = Fehlgeburt).

3.2

Embryogenese (gr. Embryon = ungeborene Leibesfrucht; 3.–8. EW) beginnt mit der Entstehung der dreiblättrigen Keimscheibe und beinhaltet die Organogenese (Ausbildung der Organanlagen) des Keimlings. Dieser wird während der Blasto- und Embryogenese als Embryo bezeichnet. £ Embryopathien sind Entwicklungsstörungen des

Embryos in kritischen oder sensiblen Phasen der Organogenese. Die schädigenden Noxen stellen das Überleben des Embryos als Ganzes meist nicht mehr in Frage.

Fetogenese (lat. Fetus = Leibesfrucht; 9. EW – Geburt) ist der längste Abschnitt, in dem Reifung und Wachstum der Organe der nun Fetus genannten Leibesfrucht vor sich gehen. £ Fetopathien sind pränatale Erkrankungen mit

intrauteriner Entwicklungsstörung nach abgeschlossener Organogenese.

Klinik: Embryogenese umfasst in der klinischen Definition die ersten 10 EW der Schwangerschaft, die Fetalperiode beginnt mit der 13. SSW. Neonatalperiode ist der Zeitraum von der Geburt bis zum Ende der 4. postnatalen Lebenswoche. Perinatalperiode ist der Zeitraum vom Ende der 28. SSW bis zum 7. postnatalen Lebenstag.

Grundbegriffe

Lernziele: Grundbegriffe der Embryologie Prospektive Potenz ist die Summe aller Entwicklungsmöglichkeiten, die eine Zelle unter Einschluss experimenteller Bedingungen hat. • Beispiel: Eine Teilung der beiden Zellen des 2-Zell-Stadiums (natürlich oder experimentell) kann zur Ausbildung zweier vollständiger Individuen einschließlich ihrer Fruchthüllen führen (→ Omnipotenz). Trophoblastzellen können dagegen nach Bildung der Blastozyste keinen Embryo bilden, ihre prospektive Potenz ist deutlich eingeschränkt. Prospektive Bedeutung bezeichnet den unter gegebenen Bedingungen normalen Entwicklungsweg einer Zelle. Vor einer Determination ist die

prospektive Potenz einer Zelle größer als ihre prospektive Bedeutung. Induktion ist ein Vorgang, bei dem eine Zellgruppe (Organisator) durch Abgabe von Signalmolekülen (Induktoren) eine andere Zellgruppe, die über geeignete Rezeptoren für diese Signalmoleküle verfügen muss, zu Determination und nachfolgender Differenzierung veranlasst. Induktion spielt sich häufig als Interaktion zwischen Epithel und Mesenchym, embryonalem Bindegewebe, ab. • Beispiel: Induktion der Neuroektodermentwicklung durch die Chorda dorsalis. Determination ist die Festlegung einer Zelle auf einen Entwicklungsweg, sie engt deren prospektive Potenz auf ihre aktuelle prospektive Bedeutung ein und ist unumkehrbar.

3.3 Gametogenese (Proontogenese, Progenese)

115

• Beispiel: Aus Zellen des Neuroektoderms können sich keine Oberflächenektodermzellen mehr entwickeln.

Segregation ist der gegenteilige Prozess, bei dem Epithelverbände unter Verlust von Zellverbindungen aufgelöst werden.

Differenzierung ist die Ausbildung gewebe- oder organtypischer Merkmale einer Zelle nach ihrer Determination. Sie ist morphologischer und funktioneller Ausdruck von

• Beispiel: Auswanderung der Sklerotom-Zellen aus den Somiten.

£ Genexpression, die den Abruf genetischer

Information von der DNS durch RNS-Synthese (Transkription) und (meist) nachfolgender Übertragung in eine Aminosäurensequenz (Proteinsynthese: Translation) bezeichnet. £ Genregulation ist die Kontrolle der Aktivität von Genen. Enzymsynthese kann z. B. durch vorliegendes Substrat induziert oder durch gebildetes Endprodukt gehemmt werden. Zellteilung, Mitose, (Meiose, Kap. 3.3.2, S. 117) kann erfolgen: 1. proliferativ, indem 2 gleichartige Tochterzellen entstehen, oder 2. differenziell, wenn aus einer Mutterzelle neben einer Tochterzelle mit unveränderten Eigenschaften eine solche mit eingeengter prospektiver Potenz entsteht. • Beispiel: Spermatogonien vermehren sich zuerst proliferativ, nachfolgende differenzielle Teilungen erhalten einerseits die Stammzellpopulation und lassen andererseits die sich weiterentwickelnden Keimzellen entstehen. Zelllinien, Klone, sind aus je einer einzelnen Zelle hervorgegangene Tochterzellpopulationen, die sich durch Determination in bestimmter Weise differenzieren. Aggregation ist der über Zelladhäsionsmoleküle ihrer Membranen realisierte Zusammenschluss von Zellen zu einem Epithelverband. • Beispiel: Somitenentstehung.

3.3

Migration ist die Wanderung von Zellen durch den Embryonalkörper. Ihr Weg wird durch Wechselwirkung zwischen Oberflächenmerkmalen der Zellmembran mit Komponenten der extrazellulären Matrix bestimmt. • Beispiel: Für ihre teils beträchtlichen Wanderungen durch den Embryonalkörper binden sich Neuralleistenzellen über Integrine an Moleküle der extrazellulären Matrix, die als Leitstrukturen dienen. Musterbildung ist die Anordnung verschieden determinierter Zellen innerhalb des sich entwickelnden räumlichen Gefüges eines Organs oder des gesamten Organismus. Wachstum, hier Größenzunahme, kann erfolgen durch £ Zellvermehrung (Proliferation), £ Zellvergrößerung und/oder £ Vermehrung der Interzellularsubstanz.

Apoptose ist genetisch programmierter Zelltod. Neben Zellteilung und Zellwachstum sorgt sie für eine geregelte Morphogenese, eine dynamische Gewebehomöostase und die ausgewogene Funktion des Immunsystems. • Beispiel: Rekanalisation, z. B. Bildung des äußeren Gehörganges oder der Vagina Morphogenese ist die Formentwicklung des Organismus und seiner Teile.

Gametogenese, Proontogenese, Progenese

Lernziele: Vererbung, Keimbahn, DNS, Chromosomen, Chromosomensatz, Mitose, Meiose, Mutationen, Spermatogenese, Spermien, Sperma, Oogenese, Follikulogenese, Menstruationszyklus, Kontrazeption

Vererbung ist ein Grundphänomen der Fortpflanzung: die Weitergabe artspezifischer Merkmale von den Eltern an die Nachkommen. DNS-Moleküle sind das Substrat (= genetische Substanz, Kap. 3.3.1, S. 116), das chemisch kodiert Erbinformationen speichert. In Form von Chromosomen wird die genetische Substanz vor und während Zellteilungen

116

lichtmikroskopisch sichtbar. Die Chromosomenzahl einer Zelle ist artspezifisch konstant. Der Lebenszyklus von Organismen mit sexueller Fortpflanzung besteht aus einer £ diploiden Phase, in der die meisten Körperzel-

len je 2 Chromosomen desselben Typs enthalten (Ausnahme: X-, Y-Chromosom männlicher Individuen) und einer £ haploiden Phase mit einem Chromosom pro Typ in reifenden Keimzellen. Eines der homologen Chromosomen des diploiden Chromosomensatzes stammt von der Mutter, das andere vom Vater. Der diploide Chromosomensatz wird in reifenden Keimzellen durch die Meiose (Kap. 3.3.2, S. 117) auf einen haploiden Satz reduziert. So verbleibt jeweils nur eines der beiden homologen Chromosomen in einer Keimzelle. Durch die Verschmelzung einer männlichen mit einer weiblichen Keimzelle kommt wieder der artspezifische diploide Chromosomensatz des neuen Lebewesens zustande. Keimbahn. Urkeimzellen entstammen nicht dem Embryonalkörper, sondern der Dottersackwand und wandern von dort in der 5. EW in den Körper ein. Urkeimzellen, die die Gonadenanlagen erreichen, können sich zu Keimzellen entwickeln. Der in beiden Geschlechtern von den übrigen Somazellen frühzeitig abgesonderte und auf die künftige Keimzellentwicklung festgelegte Weg dieser Zelllinie wird als Keimbahn bezeichnet.

3.3.1 Genetische Substanz Desoxyribonukleinsäuren (DNS, engl. DNA) sind Makromoleküle, die alle Informationen über Aufbau und Funktion des Organismus in kodierter Form speichern (→ Erbinformation). Der größte Teil der DNS ist im Zellkern, ein kleiner in den Mitochondrien enthalten. Genom nennt man die Gesamtmenge des genetischen Materials einer Zelle: nukleäre und mitochondriale DNS. Während nukleäre DNS von Vater und Mutter zu annähernd gleichen Teilen auf Nachkommen übergeht, wird mitochondriale DNS ausschließlich maternal vererbt (Kap. 3.4.1.1, S. 131).

3 Allgemeine Embryologie

Gene, in den Chromosomen linear angeordnet, sind die funktionellen Einheiten des Genoms. Sie bestimmen den Aufbau von Eiweißmolekülen, den Genprodukten. Der genetische Code, die verschlüsselte Erbinformation, ist in der DNS durch Sequenzen von je 3 nebeneinander liegenden organischen Basen gespeichert. Diese sind • Adenin = A, Thymin = T, Cytosin = C, Guanin = G. DNS-Menge. Durch Wasserstoffbrücken zwischen den einander gegenüberliegenden, jeweils komplementären Basen A und T bzw. C und G entstehen die in sich schraubenförmig verwundenen, doppelsträngigen DNS-Moleküle. Deren Dicke beträgt 2–4 nm, die DNS-Gesamtlänge in einem nicht zur Teilung anstehenden Zellkern 2 m. Diese DNSMenge eines Zellkerns in der G1-Phase (Kap. 3.3.2, S. 117) wird durch 2 c ausgedrückt, sie verdoppelt sich durch die identische Replikation vor Zellteilungen in der S-Phase auf 4 c. Die DNS beherbergt Informationen zur Synthese art- und funktionsspezifischer Proteine und ist zur identischen Replikation als Voraussetzung für ihre Mengenkonstanz bei Zellteilungen befähigt. Chromosomen sind die stark kondensierten, mit Proteinen assoziierten DNS-Moleküle des Zellkerns, die morphologisch kurz vor und während der Zellteilung zu beobachten sind (Abb. 3.1). In der G1-Phase (s. u.) bestehen sie aus einer, nach identischer Replikation der DNS in der G2-Phase aus zwei Chromatiden. Diese beiden Chromatiden bleiben bis zur Metaphase der Zellteilung über das Zentromer miteinander verbunden. Somit existieren 2 DNS-Zustandsformen: £ Die Transportform, in zeitlicher Nähe zu einer

Zellteilung, kommt durch Kondensation der DNS-Stränge zu den Chromosomen zustande. Die Chromosomen können nach Länge ihrer Arme und deren Bandenmuster (nach Spezialfärbung) morphologisch klassifiziert werden. £ Arbeitsform nennt man den entkondensierten Zustand, die DNS ist nun als Chromatin des Zellkerns darstellbar. Relativ stärker kondensierte, histologisch besser anfärbbare DNS-Abschnitte der Arbeitsform sind im Kern als Heterochromatin (inaktiver Anteil) zu

3.3 Gametogenese (Proontogenese, Progenese)

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X

Y

Abb. 3.1: Menschlicher Chromosomensatz. Männlicher Karyotyp 46, XY (Karyogramm aus dem Institut für Humangenetik, Universität Erlangen-Nürnberg)

erkennen, während der meist kleinere, entkondensierte Teil das blasse Euchromatin bildet. Hier findet während der Arbeitsphase der Zelle die Transkription genetischer Information von der DNS auf die RNS (Ribonukleinsäure, engl. RNA) statt.

Chromosomensatz (→ Karyotyp). Die artspezifische Chromosomenzahl beträgt beim Menschen 46: 44 Autosomen + 2 Geschlechtschromosomen (= Gonosomen: X oder Y). Je 2 Autosomen sind zueinander homolog und werden paarweise nummeriert (Abb. 3.1). In Körperzellen wird der weibliche Chromosomensatz mit 46, XX, der männliche mit 46, XY benannt: w Dieser Chromosomensatz ist diploid: 2n (2 × 22

Autosomen + 2 × 1 Gonosom).

In Keimzellen erfolgen als Vorbereitung zur Befruchtung 2 Reifeteilungen nach nur einer Verdopplung des DNS-Bestandes (Meiose; Kap. 3.3.2, S. 117). Hier liegt nach Abschluss der 2. Reifeteilung jeweils ein einfacher Chromosomensatz vor:

w Dieser Chromosomensatz ist haploid: 1n (1 × 22

Autosomen + 1 × 1 Gonosom).

3.3.2 Zellzyklus, Zellteilungen Zellzyklus ist der Lebensablauf einer Zelle bis zur Teilung in 2 Tochterzellen. Zellteilung kann als £ Mitose zur Vermehrung der Zellzahl unter Erhalt

der artspezifischen Menge des genetischen Materials oder als £ Meiose zur Vorbereitung der Befruchtung unter Halbierung der Menge des genetischen Materials erfolgen. Interphase ist der Zeitraum zwischen 2 Zellteilungen. Nachdem eine Zelle durch Zellteilung aus einer Mutterzelle entstanden ist, befindet sie sich in der

118

• G1-Phase (G = engl. gap), die durch intensive RNS- und Proteinsynthese gekennzeichnet ist (Chromosomensatz: 2n, DNS-Menge 2c). • Ιn der S-Phase (S = Synthese) erfolgt die 6–8 Std. dauernde DNS-Verdopplung (identische Replikation). Jedes doppelsträngige DNSMolekül wird aufgespalten und beide Einzelstränge durch einen neu synthetisierten wieder zu je einem Doppelstrang vervollständigt. Alle zu Beginn der Mitose erscheinenden Chromosomen bestehen dann aus 2 Chromatiden (= 2 DNS-Moleküle). • G2-Phase nennt man die 4 Std. dauernde Vorbereitung auf eine Zellteilung. Der Chromosomensatz ist unverändert 2n, die DNS-Menge inzwischen verdoppelt: 4c. Es erfolgt die Proteinproduktion für die Chromosomenkondensation. In der G2-Phase besteht jedes Chromosom aus 2 Chromatiden, die später auf 2 Tochterzellen verteilt werden. Die homologen Chromosomen bleiben in der Mitose voneinander unabhängig, sie paaren sich nur während der Meiose. Mitose garantiert als konservative Zellteilung die Konstanz des Erbgutes durch den Erhalt von artspezifischer Chromosomenzahl und DNSMenge. Sie erfolgt in 4 Phasen: 1. Prophase: Die DNS bildet ihre Transportform (Chromosomen), die Kernmembran löst sich auf. 2. Metaphase: Aus Mikrotubuli entsteht die Teilungsspindel, in deren Äquatorialregion sich die Chromosomen anordnen. Die beiden Chromatiden eines Chromosoms beginnen, sich längs voneinander zu lösen, bleiben jedoch noch am Zentromer verbunden (X-Form der Chromosomen in Abb. 3.1). 3. Anaphase: Die 2 Chromatiden eines Chromosoms werden nun vollständig getrennt und zu jeweils einem Zellpol transportiert. 4. Telophase: Die jetzt aus einer Chromatide bestehenden Chromosomen entkondensieren innerhalb der neu entstehenden Kernhülle. Meiose, Reifeteilung (Abb. 3.2), ist eine Voraussetzung für geschlechtliche Vermehrung. Sie hat 1. eine konservative und 2. eine progressive Komponente:

3 Allgemeine Embryologie

1. Durch 2 aufeinanderfolgende Teilungen nach nur einer DNS-Verdopplung wird die Menge des genetischen Materials pro Keimzelle halbiert. Dies ist die Voraussetzung für die artspezifische Mengenkonstanz des Genmaterials als Befruchtungsergebnis. 2. Crossing over und zufällige Verteilung ehemals mütterlicher und väterlicher Chromosomen auf die Gameten sind Grundlagen für Variabilität und Neukombination von Merkmalen in der neuen Generation. DNS-Replikation. Während der Vorbereitung auf die Meiose wird wie vor der Mitose die DNS in den werdenden Keimzellen repliziert. Die 46 Chromosomen enthalten nach Replikation und vor Beginn der Teilungen die doppelte DNS-Menge, also 2 Chromatiden (Chromosomensatz = 2n, DNSGesamtmenge = 4c). Die Meiose erfolgt in 2 Schritten während der Gametogenese: 1. Reifeteilung (= Reduktionsteilung der Meiose) In dieser wird die Chromosomenzahl reduziert. Ihre Prophase ist gegenüber der einer Mitose verlängert: £ Leptotän: Die Chromosomen werden als Fäden

sichtbar.

£ Zygotän: Von Vater und Mutter stammende

homologe Chromosomen legen sich paarweise aneinander (→ conjunction oder Synapsis). £ Pachytän: Homologe Chromatiden tauschen DNS-Segmente aus (→ crossing over). Man nimmt an, dass in jedem Homologenpaar mindestens ein solches Rekombinationsereignis stattfindet, oft mehrere. Selbst die nur teilweise homologen X- und Y-Chromosomen sind in der männlichen Meiose obligatorisch einem crossing over in der pseudoautosomalen Region der Geschlechtschromosomen unterworfen. £ Diplotän: Homologe und Geschwisterchromatiden trennen sich partiell. Am Zentromer und den Stellen des crossing over bleiben sie zunächst verbunden (→ Chiasma). Jetzt bestehen die 23 Chromosomenkomplexe aus 4 Chromatiden (→ Tetrade). In dieser Phase wird die weitere Teilung beim weiblichen Geschlecht für viele Jahre unterbrochen (→ Diktyotän, Kap. 3.3.5.2, S. 126).

3.3 Gametogenese (Proontogenese, Progenese) a

119

1. Reifeteilung Telophase I Prophase I

Leptotän

Metaphase I

Zygotän

Pachytän

Anaphase I

Diplotän Telophase II

b

2. Reifeteilung

Prophase II

c

Metaphase II

Anaphase II

2. Reifeteilung: non-disjunction

Abb. 3.2: Meiose am Beispiel männlicher Keimzellen (modifiziert nach D. Drenckhahn). Stellvertretend für den gesamten Chromosomensatz sind 2 homologe Chromosomen dargestellt (rot, grün), die während des Pachytän DNS-Segmente austauschen (crossing-over). Bei non-disjunction in der 2. Reifeteilung (c) entstehen Keimzellen mit einem über- bzw. unterzähligen Chromosom (gelb)

3 Allgemeine Embryologie

120

£ Diakinese: Auflösung der Kernmembran.

Metaphase: Tetraden positionieren sich am Spindeläquator. Anaphase: Homologe Chromosomen (nicht die am Zentromer zusammenhängenden Chromatiden eines Chromosoms) werden getrennt (→ disjunction). Die ursprünglich mütterlichen und väterlichen Chromosomen werden zufällig auf beide Tochterzellen verteilt. Telophase: In den 2 neu entstehenden Tochterzellen liegen je 23 Chromosomen vor (2 Zellen mit haploidem Satz: 2 × 1n). Alle Chromosomen bestehen aus 2 Chromatiden (DNS-Gesamtmenge 2 × 2c).

Abb. 3.3: Down-Syndrom. Typische Gesichtsform, Muskelhypotonie

2. Reifeteilung (= Äquationsteilung der Meiose) Sie schließt sich ohne Interphase und DNS-Replikation an und entspricht einer Mitose. In einer Zelle werden jedoch nicht die Chromatiden von 46, sondern nur die der 23 nach der 1. Reifeteilung verbliebenen Chromosomen am Zentromer („äquatorial“) halbiert und auf die Tochterzellen verteilt. Deren Chromosomensatz bleibt haploid (4 × 1n), die DNS-Menge wird, bezogen auf den Gehalt in Körperzellen, nun halbiert (4 × 1c).

a

3.3.3 Genetische Gametopathien Mutationen sind DNS-Veränderungen und vererbbar, sofern sie Keimzellen betreffen. Sie können 3 Ebenen betreffen: 1. Genom, 2. Chromosom, 3. Gen. Genommutationen (= numerische Chromosomenaberrationen, Aneuploidien) sind quantitative Veränderungen, die Chromosomensatzzahl oder Chromosomenzahl betreffen: £ Chromosomensatz

(Polyploidie: 3n, 4n). Befruchten 2 Spermien die Eizelle, führt das zu Triploidien, die für 7 % der Spontanaborte verantwortlich sind. Als Mosaikform (ein Teil der Zellen ist triploid, der andere nicht) können Triploidien lebensfähig sein. £ Chromosomenzahl. Über- oder unterzählige Chromosomen kommen durch non-disjunction zustande, Fehlverteilungen von Chromosomen während der 1. oder 2. Reifeteilung der Meiose (Abb. 3.2 c , Abb. 3.3, 3.4, Tab. 3.1). Während der 1. Reifeteilung werden zwei homologe Chro-

b Abb. 3.4: a. Edwards-Syndrom (19. SSW): typische Fingerstellung, Mikrogenie, tiefsitzende, dysplastische Ohrmuschel, Fallot-Tetralogie (Herzfehlbildung), b. Turner-Syndrom (18. SSW): massive generalisierte Ödeme, am stärksten im Nacken: Nackenödem, Nackenhygrom

mosomen nicht voneinander getrennt, sondern wandern gemeinsam zu einem Zellpol. Während der 2. Reifeteilung kann dasselbe mit den beiden Chromatiden eines Chromosoms geschehen (Monosomie/Trisomie: ein unterzähliges bzw. überzähliges Chromosom; Polysomie: mehrere überzählige Chromosomen).

3.3 Gametogenese (Proontogenese, Progenese)

121

Tabelle 3.1: Wichtige numerische Chromosomenaberrationen (Häufigkeiten sind auf die Zahl von Lebendgeburten bezogen: LJ = Lebensjahr) Syndrom

Genotyp

Phänotyp

Häufigkeit/Anamnese/

Down (s. Abb. 3.3)

Trisomie 21

• kraniofazial: u. a. Brachy-, Mikrozephalie, Epikanthus (schräge Lidachsen), tiefsitzende Ohren, relativ große Zunge, breiter Nacken • geistig: Retardierung unterschiedlich ausgeprägt, musikalisch, freundlich, motorisch lebhaft • Bewegungsapparat: Muskelhypotonie, Bindegewebsschwäche, Vierfingerfurche, Fußdeformitäten (Sandalenlücke: weiter Abstand zw. 1. u. 2. Zehe), Hüftgelenksdysplasie • Herz: Septumdefekte • Gastrointestinaltrakt: Duodenalstenose, -atresie, kongenitales Megakolon, Analatresie • Infektneigung, vorzeitiges Altern

Mutter < 30 Jahre: 1 : 700–1 : 1 000

• intrauterine Wachstumsretardierung • kraniofazial: langer u. schmaler Schädel, kleines Gesicht, kleine Augen, kleiner Mund, kleine Ohrmuschel, hoher, dysplastischer Gaumen • obere Extremität: typische Beugekontrakturen mit überkreuzten Fingern, Daumenhypoplasie, Syndaktylie • untere Extremität: Tintenlöscherfüße, flaches Fußgewölbe • innere Organe: Kardiopathien, Nierenanomalien • geistig: schwere psychomotorische und mentale Retardierung

1 : 5 000–8 000 (steigt mit mütterlichem Alter) 3–4 × häufiger bei Mädchen

Prognose

Edwards (s. Abb. 3.4 a)

Trisomie 18

Mutter > 40 Jahre: 1 : 100 bei gezielter, individueller Förderung: lernfähig, sozial gut integrierbar

Letalität: 90 % im 1. LJ

Pätau

Trisomie 13

• kraniofazial: Mikrozephalus, Iriskolobom, Mikrophthalmie, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte • Hand: ulnare Polydaktylie • innere Organe: Kardiopathien, Zystennieren, Meckel-Divertikel • schwere zerebrale Störungen: Holoprosenzephalie, mentale Retardierung

1 : 8 000–12 000 (steigt mit mütterlichem Alter) Letalität: 90 % im 1. LJ

Ullrich-Turner (syn. TurnerSyndrom; s. Abb. 3.4 b)

Monosomie 45, X

• weiblich • kraniofazial: typische Fazies, Pterygium colli, tiefer Nackenhaaransatz • Extremitäten: bei Geburt Hand- und Fußrückenödeme • Herz: Aortenisthmusstenose, Klappenfehler • Niere: Hufeisennieren • Minderwuchs, Skelettanomalien • Genitalien: Amenorrhoe, genitaler Infantilismus, dysgenetische Keimdrüsen • Intelligenz: häufig normal, manchmal psychischer Infantilismus

1 : 3 000 (Mehrheit endet als Spontanabort)

Klinefelter

Polysomie 47, XXY seltener 48, XXXY, 49, XXXXY

• • • •

2 : 1 000

männlich Hochwuchs, eunuchoide Proportionen, lange Beine verzögerter Epiphysenschluss Genitalien: Hodenhypoplasie, Azoo- oder Oligozoospermie, Infertilität, Gynäkomastie • Intelligenz: normal oder mäßig retardiert

122

Chromosomenmutationen (= strukturelle Chromosomenaberrationen) entstehen durch Chromosomenbruch, Wiedervereinigung freier Bruchenden oder ungleiches crossing over in der Meiose: £ Deletionen, Bruchstückverluste (Beispiel: par-

£ £ £ £

tieller Verlust des kurzen Arms an Chromosom 5 → Cri-du-Chat-[Katzenschrei-]Syndrom; Abb. 3.5), Duplikationen, Verdopplungen von Chromosomensegmenten, Inversionen, Drehungen von Chromosomensegmenten, Ringchromosomen, Fusionen zwischen langen und kurzen Armen von Chromosomen, Translokationen, Verlagerungen von Chromosomenabschnitten zwischen verschiedenen Chromosomen. Letztere können balanciert und damit ohne Konsequenz für den Träger oder unbalanciert sein.

Genmutationen sind Veränderungen innerhalb eines Gens, z. B. Punktmutation des Fibroblastenwachstumsfaktor-Rezeptors mit nur einem Basenaustausch bei Achondroplasie.

a

b Abb. 3.5: a. Partieller Karyotyp, Cri-du-chat-Syndrom, 5p-Deletion (links das normale Chromosom 5, Pfeil rechts deutet auf Deletion am kurzen Arm; Institut für Humangenetik, Universität Erlangen-Nürnberg), b. Cridu-chat-Syndrom: weiter Augenabstand, antimongoloide Lidachse, Mikrozephalie; Symptome im einzelnen unspezifisch, Gesamteindruck jedoch typisch

3 Allgemeine Embryologie

3.3.4 Progenese im männlichen Geschlecht 3.3.4.1 Primäre Geschlechtsdrüse: Hoden, Testis Männliche Keimzellen entwickeln sich in den Samenkanälchen, Tubuli seminiferi contorti, des Hodens (Kap. 13.6.4.1, S. 1084). Hilfsstrukturen sind Leydig- und Sertoli-Zellen. Leydig-Zellen liegen im Bindegewebe zwischen den Hodenkanälchen, sie produzieren unter LHEinfluss (luteinisierendes Hormon der Adenohypophyse; Kap. 3.3.5.3, S. 153) das männliche Geschlechtshormon Testosteron. Dieses • stimuliert die Keimzellentwicklung unter Zwischenschaltung der Sertoli-Zellen und • sorgt für die Ausbildung und Aufrechterhaltung sekundärer männlicher Geschlechtsmerkmale. Sertoli-Zellen sitzen der Basalmembran der Hodenkanälchen auf und produzieren unter FSH-Einfluss (follikelstimulierendes Hormon der Adenohypophyse; Kap. 3.3.5.3, S. 153) androgenbindendes Protein (ABP). Ihre Aufgaben sind: • Bildung der Blut-Hoden-Schranke: Während ihre apikalen Zellpole das Lumen der Hodenkanälchen erreichen, sind seitliche Fortsätze untereinander durch tight junctions verbunden. So entsteht eine im Querschnittsbild konzentrische Barriere, die innerhalb des Keimepithels ein luminales Kompartiment, dessen Milieu wie das des Lumens selbst durch die Sertoli-Zellen geprägt wird, von einem basalen Kompartiment, das von den umliegenden Kapillaren aus für Blutinhaltsstoffe direkt erreichbar ist, trennt. • Stütz- und Transportfunktion für die sich entwickelnden Keimzellen, • Stofftransport von der Basalmembran zum Lumen, • Ernährung der Keimzellen, • Vermittlung der Testosteronwirkung an die Keimzellen durch Bindung des Hormons an ABP und Sekretion dieses Komplexes in das Lumen der Samenkanälchen, • Phagozytose der Residualkörper während der Spermiogenese und • Schutz vor Autoimmunreaktionen gegen Oberflächenmerkmale der Spermatozyten.

3.3 Gametogenese (Proontogenese, Progenese)

3.3.4.2 Samenbildung, Spermatogenese, Spermiogenese, Spermien Spermatogenese heißt die männliche Keimzellentwicklung im Epithel der Hodenkanälchen von der Urkeimzelle zum reifen Spermium (Spermatozoon) in 4 Phasen: 1. Vermehrung, 2. Wachstum, 3. Reifung, 4. Differenzierung. Die Differenzierungsphase wird Spermiogenese (Spermiohistogenese) genannt. Fetalzeit, Kindheit. In den Hodenanlagen vermehren sich die aus der Dottersackwand eingewanderten Urkeimzellen (Keimbahn, Kap. 3.3, S. 115) embryonal, fetal und präpuberal mitotisch (Vermehrungsphase). Sie sitzen als Spermatogonien A im basalen Kompartiment der Hodenkanälchen zwischen Sertoli-Zellen. Durch proliferative Mitosen entstehen Zellen, die wegen unvollständiger Durchtrennung ihrer Zellleiber über Zytoplasmabrücken zusammenhängen und Zellklone bilden. Diese Klone bedingen bis einschließlich der Reifungsphase eine synchrone Entwicklung hunderter miteinander verbundener Keimzellen. Pubertät. Differenzielle Mitosen lassen nach hormoneller Stimulation mit Beginn der Pubertät neben den im basalen Kompartiment verbleibenden Spermatogonien A entstehen: £ Spermatogonien B, die durch Verlagerung in das

luminale Kompartiment der Hodenkanälchen den Kontakt zur Basalmembran verlieren. Sie vergrößern sich (Wachstumsphase) zu £ primären Spermatozyten (Spermatozyten I: Chromosomensatz 2n, DNS-Menge 2c). Diese verdoppeln ihren DNS-Bestand (2n, 4c) und treten in die Meiose ein (Reifungsphase). Nach der 1. Reifeteilung einer Spermatozyte I liegen je £ 2 sekundäre Spermatozyten (2 Spermatozyten II: 2 × 1n, 2 × 2c) vor, aus deren 2. Reifeteilung jeweils £ 4 Spermatiden (4 × 1n, 4 × 1c) hervorgehen. Zwei von ihnen haben den Karyotyp 23, X, die beiden anderen 23, Y. Spermiogenese ist die Differenzierung der postmeiotischen Spermatide zum Spermium (Abb. 3.6) durch

123

£ extreme Kondensation der Chromosomen zu

£

£

£ £

groben Granula im Zellkern, so dass dieser nach Kontrastierung im Elektronenmikroskop mit Ausnahme weniger Vakuolen schwarz (= elektronendicht) erscheint, Bildung der Akrosomkappe, die sich zunächst als Lysosom aus dem Golgi-Apparat abschnürt und dann auf den vorderen Zellkernpol stülpt (enthält Enzyme für die Befruchtung), Mittelstück-Bildung, in dem sich die Mitochondrien unter der Zellmembran spiralig anordnen und dabei den proximalen Teil des sich bildenden Schwanzfadens umgeben, der aus dem distalen Zentriol auswächst und Abstoßen der Zytoplasmabrücken als sog. Residualkörper. Hiermit endet die synchrone Reifung und Differenzierung der aus einer Spermatogonie hervorgegangenen Spermatiden innerhalb von Zellklonen.

Spermatogenesewellen nennt man das geometrische Muster aufeinander folgender Keimzellstadien innerhalb des Samenkanälchenepithels. Mit histologischen Serienschnitten längs der Samenkanälchen lassen sich diese Entwicklungsstadien in einander überlappenden Spiralen, jeweils basal beginnend und luminal endend, verfolgen. Spermiatio. Nach der Differenzierung werden die Spermien aus dem Keimepithel der Samenkanälchen ins Lumen abgegeben (Spermiatio) und passiv mit der hier produzierten Flüssigkeit in den Nebenhoden, Epididymis, transportiert. Obwohl morphologisch weitgehend ausgereift sind diese „Hodenspermien“ nur bedingt befruchtungsfähig. Die weitere Reifung erfolgt im Nebenhodengang, der auch Samenspeicher ist, sowie letztlich im weiblichen Genitaltrakt durch die Kapazitation (Abb. 3.6 b, c, d, Kap. 3.4.1.1, S. 131). Im Nebenhodenschwanz, wo die Spermien schon bewegungsfähig sind, werden sie durch einen leicht sauren pH-Wert immobil gehalten (→ Säurestarre). Spermien (Abb. 3.6) sind 60 µm lang und bestehen aus Kopf, Hals und Schwanz (Axonema), der wiederum in Mittel-, Haupt- und Endstück unterteilt wird.

3 Allgemeine Embryologie

124 Akrosomreaktion

Querschnitte: Kopf

Hals mit Zentriol

d Mittelstück mit Mitochondrien

c

Akrosomkappe

Hauptstück

b

e

f

g

Endstück

a

h

i

Abb.3.6: a. Spermium. Schema mit Querschnitten). b–d. Spermienkopf während der Befruchtung: nach der Akrosomreaktion (s. Kap. 3.4.1.1) erhalten die akrosomalen Enzyme Kontakt mit der Umgebung der Eizelle, e–i. Morphologisch abnorme Spermien

3.3 Gametogenese (Proontogenese, Progenese)

£ Der Kopf (4 µm lang) enthält Kern und Akro£ £

£

£

£

somkappe und ist abgeplattet. Im Hals liegt quer zur Längsachse des Spermiums das proximale Zentriol. Das distale, rechtwinklig zum vorigen platzierte Zentriol ist der Ursprung des den Schwanzfaden bildenden Mikrotubulusbündels mit typischer 9 × 2 + 2-Anordnung. Das Mittelstück ist der proximale Teil des Schwanzfadens, in dem die Mikrotubuli spiralig von Mitochondrien umgeben sind. Eine außen am Mikrotubulusbündel anliegende elektronendichte Ringfaserscheide und Längsfasern unterscheiden das Hauptstück vom Endstück, in dem die geordnete Mikrotubulusstruktur verloren geht.

Entwicklungsdauer. Von der Spermatogonie bis zur Spermiatio der reifen Spermatiden vergehen 75 Tage, der Transport durch den Nebenhodengang erfordert weitere 10–15 Tage, insgesamt vergehen also 3 Monate. Der Keimzellverlust liegt bei 35 %.

3.3.4.3 Sekundäre (akzessorische) Geschlechtsdrüsen, Sperma Vier sekundäre Geschlechtsdrüsen (Kap. 13.6.4.4, S. 1088) bestimmen die Zusammensetzung des Spermas und beeinflussen so die Befruchtungsfähigkeit: 1. Prostata, 2. Bläschen, 3. Bulbourethral-, 4. Urethraldrüsen. Sperma, Ejakulat, entsteht bei der Ejakulation (lat. eiaculari = herauswerfen). Die im Nebenhoden gespeicherten Spermien werden während des Orgasmus durch Muskelkontraktionen des Ductus deferens harnröhrenwärts transportiert und mit den Sekreten der sekundären Geschlechtsdrüsen zum Sperma vermischt. Dieses besteht aus folgenden Fraktionen: £ das alkalische Vorsekret der Bulbourethral- und

Urethraldrüsen enthält wenige Spermien, £ die erste Fraktion entstammt der Prostata (pH leicht sauer, wenige Spermien), £ die mittlere Fraktion enthält die meisten Spermien mit Sekreten von Nebenhoden und Ampulle des Ductus deferens, £ die Endfraktion aus den Bläschendrüsen hat einen alkalischen pH-Wert.

125

Der Spermienvolumenanteil liegt bei 3–5 %, der resultierende pH-Wert ist leicht alkalisch (7,2–7,8), was die Spermien aus ihrer Säurestarre befreit. Fruktose ist erster Energielieferant für die aktiv beweglichen Spermien, die durch peitschenschlagartige Bewegungen ihres Schwanzes gegen einen Flüssigkeitsstrom zu schwimmen imstande sind. Klinik: 1. Spermiogramm, Sperma-Untersuchung: Das nach 3–5tägiger Karenz durch Masturbation gewonnenen Ejakulat wird auf Zeugungsfähigkeit beurteilt: Aspekt (gelblichgrau, trüb), Geruch (kastanienblütenartig), pH (7,0–7,8), Verflüssigungszeit (10–20 Min.), Ejakulatvolumen (Normosemie bei 2–6 ml), Spermiendichte (Spermienanzahl pro ml: Normozoospermie bei > 20 Mio. Spermien/ml), Spermienmotilität (Normokinospermie bei > 50 % beweglicher Spermien), Fehlformenrate (Normomorphospermie bei < 70 % abnorm geformter Spermien), Spermienbeweglichkeit 30 und 120 Min. nach Ejakulation, FruktoseZitratgehalt. 2. Hodenbiopsie: beidseitige Entnahme einer Gewebeprobe durch Punktion mit einer Hohlnadel. Bei Azoospermie (Fehlen reifer Spermien im Sperma) und Oligozoospermie (verminderte Spermiendichte im Sperma) angezeigt.

3.3.5 Progenese im weiblichen Geschlecht 3.3.5.1 Primäre Geschlechtsdrüse: Eierstock, Ovar Oogenese, die weibliche Keimzellbildung, erfolgt im Eierstock (Ovar) in 3 Phasen (1. Vermehrung, 2. Reifung, 3. Wachstum) und 2 Ruhestadien. Im Gegensatz zum Hoden, durch dessen Samenkanälchen die dort gebildeten Keimzellen abtransportiert werden, ist das Ovar ein solides Organ. Das Kompartiment, in dem die weibliche Keimzellentwicklung erfolgt, wird mit jeder reifenden Eizelle durch die Follikulogenese neu aufgebaut. Tabelle 3.2 führt weitere Unterschiede zur Spermatogenese auf.

126

3 Allgemeine Embryologie

Tabelle 3.2: Spermiogenese und Oogenese im Vergleich Kriterium

Spermatogenese

Oogenese

Kompartiment der Keimzellbildung

das von den Sertoli-Zellen abgegrenzte luminale Kompartiment der Samenkanälchen

das von einer Basalmembran umgrenzte Follikelepithel

Keimzellfreisetzung

Spermiatio: aus dem Epithelverband in das Lumen der Hodenkanälchen

Ovulation: aus dem Follikel durch die Ovaroberfläche in den Bauchfellhöhlenspalt

Dynamik der Keimzellbildung

kontinuierlich, in Spermatogenesewellen

periodisch, alle 28 Tage

Ergebnis der Keimzellreifung

1 Spermatozyte I → 4 befruchtungsfähige Spermien

1 Oozyte I → 1 befruchtungsfähige Eizelle

Chromosomaler Status der haploid (1n, 1c): 23, X oder Y befruchtungsfähigen Keimzelle

haploid (1n, 2c): 23 X; während der Befruchtung Vollendung der 2. Reifeteilung und Reduktion auf 1c

Beginn der Keimzellreifung

Pubertät

Fetalzeit

Dauer der Keimzellbildung ab Beginn der Reifeteilung

3 Monate

10 bis 50 Jahre

Ende der Keimzellbildung

bis ins hohe Alter möglich

Menopause

3.3.5.2 Oogenese, Follikulogenese, Ovulation Fetalzeit, Kindheit, 1. Ruhestadium. Nach der Einwanderung von Urkeimzellen aus der Dottersackwand in die Ovarialanlage (Keimbahn, Kap. 3.3, S. 115) während der 5. EW steigt durch proliferative Mitosen die Zahl der nun Oogonien genannten Zellen bis zur 20. SSW auf 5–6 Mio. (Vermehrungsphase), von denen die meisten bis zur Geburt zugrunde gehen. Die 1–2 Mio. verbleibenden Oogonien treten in der 11.–39. SSW nach Verdopplung der DNS in die Prophase der 1. Reifeteilung (Beginn der Reifungsphase) ein, in deren Diktyotän-Stadium sie für ein bis mehrere Jahrzehnte verharren. Die Oogonien hatten sich zuvor aus Zellklonen abgetrennt, die ähnlich wie bei der Spermatogenese aus unvollständigen Zytoplasmadurchtrennungen nach Mitosen resultierten. Sie werden jetzt £ primäre Oozyten (Oozyten I: Chromosomen-

satz 2n, DNS-Menge 4c) genannt. Schon jetzt beginnt auch die Wachstumsphase der Oozyten, die eine rege RNS-Synthese zeigen. £ Primordialfollikel (Abb. 3.7 a). Nach Eintritt in die Prophase der 1. Reifeteilung setzt die

Follikulogenese ein: lokale Bindegewebszellen umlagern die Oozyte. Sie bilden als Follikelepithelzellen eine flache, geschlossene Schicht und bewirken durch die Produktion einer die Meiose inhibierenden Substanz (MIS) das 1. Ruhestadium der Meiose. Außerhalb der den Komplex umgebenden Basalmembran entsteht aus dem umliegenden Bindegewebe die Theca folliculi, die sich später in eine zell- und gefäßreiche Theca interna (Hormonproduktion) sowie eine faserreiche Theca externa differenziert. Durch weitere Abnahme ihrer Zahl ab dem letzten Schwangerschaftsdrittel überleben 400 000 Primordialfollikel in beiden Ovarien bis zur Pubertät, von denen nur 400–500 zwischen Menarche und Menopause befruchtungsfähig werden. Das 1. Ruhestadium der Oogenese ist der Zeitraum vom pränatalen Eintritt der Oozyten I in das Diktyotän bis zur Fortführung der 1. Reifeteilung zwischen Pubertät und Menopause (nach 10–50 Jahren!). In der Kindheit entwickeln sich monatlich (Kap. 3.3.3, S. 120) 10–15 Primordialfollikel in beiden Ovarien weiter, die jedoch im Stadium des Sekundärfollikels (s. u.) wegen fehlender FSH-Stimulation zugrunde gehen.

3.3 Gametogenese (Proontogenese, Progenese) a

Primordialfollikel

127

Primärfollikel

Sekundärfollikel

Theca Follikelepithel Oozyte I

Graaf–Follikel

Tertiärfollikel

Cumulus oophorus mit Oozyte II

Oozyte I

Zona pellucida

Follikelepithelzellen

b

Graaf–Follikel

Ovulation

Corpus luteum

Oozyte II

Abb. 3.7: a. Follikulogenese. Die Ausschnittsvergrößerung zeigt die durch die Zona pellucida penetrierenden Fortsätze der Follikelepithelzellen, b. Ovulation. Vor dem Eisprung beginnt mit dem Ablösen des Cumulus-Oozyten-Komplexes und der Vaskularisation der Follikelepithelschicht im sprungreifen Graaf-Follikel die Umwandlung von Follikel- und Thekazellschichten zum Corpus luteum (braun)

128

Pubertät. Das nun zyklisch von der Hypophyse sezernierte FSH (Kap. 3.3.5.3) induziert monatlich die weitere Follikelentwicklung bis zum sprungreifen Graaf-Follikel (Abb. 3.7 a, 3.8): £ Primärfollikel haben ein einschichtiges, kubi-

sches Follikelepithel, die Oozyten nehmen an Größe zu. £ Sekundärfollikel besitzen nach Proliferation der Follikelzellen ein mehrschichtiges Epithel. In der Oozyte sammeln sich Kortikalgranula aus dem Golgi-Apparat, deren Enzyme die Befruchtung mit mehr als einem Spermium verhindern (kortikale Reaktion, Kap. 3.4.1.1, S. 131). Zwischen Oozyte und der innersten Follikelzellreihe entsteht die glykoproteinreiche Zona pellucida, die von Fortsätzen der Follikelzellen durchzogen wird. Diese stehen über gap junctions mit der Oozytenmembran in Kontakt (Abb. 3.7 a, vergrößerter Ausschnitt) und hemmen durch MIS-Abgabe die Meiose. Die Interzellularräume zwischen den Follikelzellen der Sekundärfollikel erweitern sich und fließen zusammen. £ Tertiärfollikel besitzen eine flüssigkeitsgefüllte Follikelhöhle. Eine Follikelzellanhäufung an der Innenfläche des umgrenzenden Follikelepithels ist der Eihügel (Cumulus oophorus). Dessen Zellen umschließen als Corona radiata die primäre Oozyte. FSH bewirkt die Differenzierung der Follikelzellen zu progesteronproduzierenden Granulosazellen. Der systemische Progesteron-Effekt bleibt wegen der fehlenden Vaskularisation dieser Zellschicht zunächst gering.

Graaf-Follikel, 2. Ruhestadium. Einer der an Durchmesser zunehmenden Tertiärfollikel wird dominant, die anderen gehen zugrunde. £ Graaf-Follikel wird der reife Tertiärfollikel

genannt, dessen Oozyte I die 1. Reifeteilung fortführt (Ende des 1. Ruhestadiums). Voraussetzung hierfür ist die durch den LH-Gipfel (Kap. 3.3.5.3, S. 153) bewirkte Entkopplung des Kontaktes zwischen Follikelzellen des Kumulus und Oozyte I, wodurch die Meiosehemmung entfällt. £ Sekundäre Oozyte (Oozyte II). Nach Beendigung der Teilung liegen eine Oozyte II mit dem gesamten Zytoplasma der Mutterzelle und ein Polkörperchen vor. Beide Zellen haben einen haploiden Chromosomensatz (1n: 23, X; DNS-

3 Allgemeine Embryologie

Menge 2c). Die Oozyte II beginnt umgehend die 2. Reifeteilung bis zu deren Metaphase. Die Chromosomen liegen am Äquator der Meiosespindel, an deren Polen im Zentrum des Mikrotubulus-Organisationszentrums keine Zentriolen nachweisbar sind. Dieses 2. Ruhestadium wird einige Stunden vor der Ovulation erreicht und nur im Fall einer Befruchtung überwunden. Alle anderen Tertiärfollikel samt zugehöriger Oozyte I unterliegen wie die in früheren Stadien zugrunde gegangenen Follikel einer Follikelatresie, die durch Apoptose der Granulosazellen und Schrumpfung der Oozyte eingeleitet wird.

Klinik: Das lange 1. Ruhestadium der Meiose (Fetalzeit bis Reifung im Graaf-Follikel) wird für vermehrte numerische Chromosomenaberrationen (Tab. 3.1) und Chromosomenbrüche bei Müttern im 5. Lebensjahrzehnt verantwortlich gemacht. Die Einwirkungswahrscheinlichkeit von Störfaktoren auf die Meiose steigt offensichtlich mit deren Dauer. Ovulation (Abb. 3.7 b). Der sprungbereite GraafFollikel (Durchmesser des Follikel: 2 cm, Durchmesser der Oozyte II: 120–150 µm) befindet sich unter der Oberfläche der Tunica albuginea des Ovars, dessen Oberfläche er vorwölbt (Stigma folliculare). Die Follikelwand samt anliegender Ovaroberfläche wird durch Granulosazellenzyme zersetzt. Durch diesen Defekt wird der jetzt häufig schon frei in der Follikelhöhle schwimmende Corona radiata-Oozyten-Komplex herausgespült (Eisprung, Ovulation) und durch die Fimbrien der Tuba uterina in deren Ostium abdominale gelenkt (Abb. 3.9). Die „Treffsicherheit“ dieses Prozesses wird u. a. durch die Ligg. suspensorium ovarii und ovarii proprium (mit glatter Muskulatur) gewährleistet, die abdominales Tubenende und Ovar gegeneinander bewegen können. Das fimbrienbesetzte Tubenende stülpt sich dabei über den Ort der durch den Eisprung ausgelösten „physiologischen Entzündung“ auf der Ovaroberfläche (Stigma), so dass die Eizelle mit ihrer Umgebung direkt in das Tubenostium gelangen kann. Gelbkörper, Corpus luteum (Abb. 3.7, 8, 10). Die im Ovar verbleibende Follikelwand ist eine zeitweilige Hormondrüse (Corpus luteum menstruationis).

3.3 Gametogenese (Proontogenese, Progenese)

Die Granulosaschicht wird von der Theca interna aus durch die löchrig werdende Basalmembran vaskularisiert, so dass das hier gebildete Progesteron in den Blutkreislauf gelangt. Follikelzellen (jetzt: Granulosazellen) und Thekazellen speichern Lipide und werden zu Granulosalutein- bzw. Thekaluteinzellen. Schicksal des Gelbkörpers: £ bei

Befruchtung: Weiterentwicklung zum Corpus luteum graviditatis dank HCG-Stimulation durch den Keimling (Kap. 3.4.2, S. 136),

129

£ ohne Befruchtung: Degeneration zum Corpus

albicans.

3.3.5.3 Hormone, Zyklus Hormone (Abb. 3.8). Zyklische Oogenese und Follikulogenese werden durch Hormondrüsen gesteuert, die untereinander rückgekoppelt sind: Hypothalamuskerne, Adenohypophyse, Follikel, Corpus luteum.

Progesteron

LH HCG

Östrogen

FSH

Menstruation

Abb. 3.8: Li. Zyklus des weiblichen Genitaltraktes), re. nach Befruchtung und anschließender Implantation eines Keims. Unten: Menstruationszyklus des Endometriums (Menstruation, Proliferation, Sekretion), Mitte: Follikulogenese, Ovulation, Gelbkörperentwicklung. Oben: Schwankungen einiger Hormonspiegel, deren Hauptwirkungsphasen sind farblich hervorgehoben: FSH stimuliert die Follikelreifung (blau), Östrogene die Proliferation des Endometriums (grün), LH-Gipfel führt zur Ovulation (rot), das biologisch gleichwertige Trophoblasten-HCG des Trophoblast bewirkt nach Befruchtung die Bildung des Corpus luteum menstruationis (rot gestrichelt), dessen dauerhafte Progesteron-Produktion sorgt für die Aufrechterhaltung des Sekretionszustandes der Funktionalis (braun), der nicht durch eine Menstruation beendet wird

130

£ GnRH (gonadotropin releasing hormone), ein

£

£

£

£

hypothalamisches Steuerhormon, gelangt über das Hypophysen-Pfortadersystem zur Adenohypophyse und stimuliert die Freisetzung der Gonadotropine FSH und LH. FSH (follikelstimulierendes Hormon) stimuliert das Granulosazellwachstum im späten Sekundär- und Tertiärfollikel, im männlichen Geschlecht die Sertoli-Zellen (Kap. 3.3.4.1, S. 122). LH (luteinisierendes Hormon) zeigt in der Mitte des Zyklus den LH-Gipfel (LH-Peak), der durch positiven Feedback als Antwort auf steigende Östradiolwerte im Blut zustande kommt und die Ovulation auslöst. Im männlichen Geschlecht stimuliert es die Testosteron-Produktion der Leydig-Zellen (Kap. 3.3.4.1, S. 122). Östrogene (v. a. Östradiol) werden aus der Theca interna des Follikels freigesetzt und bewirken die Proliferation der Uterusschleimhaut während der 1. Zyklushälfte. Progesteron wird von Granulosazellen des Tertiärfollikels und später deren Nachfolgern, den Granulosaluteinzellen des Corpus luteum, produziert. Es gelangt nach der postovulatorischen Vaskularisierung dieser Zellschicht in den Kreislauf und bewirkt die Sekretionsphase der Uterusschleimhaut während der 2. Zyklushälfte. Ohne hormonelle Stimulation durch den Synzytiotrophoblasten (HCG, Kap. 3.4.2, S. 136) eines sich in das Uterus-Endometrium implantierenden Keimes sinkt der Progesteronspiegel im Blut und das Corpus luteum menstruationis degeneriert zum Corpus albicans.

Menstruationszyklus (Abb. 3.8). Die zyklische Vorbereitung der Genitalorgane auf eine Schwangerschaft wird hormonal gesteuert. Synchron erfolgen alle 28 Tage £ die Bereitstellung befruchtungsfähiger Eizellen

(Kap. 3.3.5.2, S. 126) und

£ die Vorbereitung der Schleimhäute auf Spermien-

aszension und Implantation.

Nach den augenfälligen Veränderungen der Uterusschleimhaut (Endometrium) werden 4 Phasen unterschieden: 1. Die Proliferationsphase (Follikelphase) beginnt unmittelbar nach der Monatsblutung (Menstruation) und dauert bis zur Ovulation. Vom Stratum basale (Basalis) des Endometriums aus erfolgt

3 Allgemeine Embryologie

die östrogeninduzierte Regeneration des Stratum functionale (Funktionalis). 2. Die Sekretionsphase (Lutealphase) wird nach der Ovulation durch ansteigendes Progesteron induziert. Erweiterte Drüsenschläuche und hoher Glykogengehalt von Epithel- und Bindegewebezellen (letztere = Pseudodeziduazellen) kennzeichnen die Funktionalis des Endometriums, die jetzt aus oberflächlicher Zona compacta und tiefer, von Drüsenschläuchen durchsetzter Zona spongiosa besteht. Pseudodeziduareaktion nennt man diese allmonatliche Transformation der Funktionalis in der Sekretionsphase, sie wird im Fall einer Keimesentwicklung durch den embryomaternalen Dialog (Kap. 3.4.2, S. 136) zur Deziduareaktion gesteigert.

3. Die Ischämiephase folgt bei ausgebliebener Befruchtung, der fallende Progesteronspiegel bewirkt eine Kontraktion der Arterien. 4. In der Desquamationsphase wird die Funktionalis abgestoßen (Menstruationsblutung). Die Länge der Proliferationsphase beeinflusst die Gesamtdauer des Zyklus, da die Ovulation schon nach weniger oder auch mehr als 14 Tagen erfolgen kann. Die Länge der Sekretionsphase schwankt nur unerheblich um 14 Tage. Die präovulatorische Zyklushälfte (Desquamations- und Proliferationsphase) beginnt mit dem 1. Tag der Menstruation, sie ist gekennzeichnet durch Follikulogenese und Proliferation des Endometriums. Die postovulatorische Zyklushälfte (Sekretions- und Ischämiephase) wird durch die Hormonproduktion des Corpus luteum und Endometriumsekretion geprägt.

3.3.6 Schwangerschaftsverhütung, Kontrazeption Kontrazeption (Tab. 3.3) verhindert die Befruchtung oder die Einnistung eines befruchteten Keimes in die Gebärmutterschleimhaut. Etabliert sind £ natürliche Methoden (z. B. Coitus interruptus,

Kalendermethode),

£ mechanische Methoden, die die Spermienaszen-

sion behindern (z. B. Kondom), oder die Einnistung eines befruchteten Keims erschweren (Intrauterinpessar), £ chemische Methoden, die die Überlebensfähigkeit der Spermien herabsetzen (Spermizide),

3.4 Blastogenese

131

£ hormonelle Methoden durch 1. Ovulationshem-

mung oder 2. Nidationshemmung (z. B. durch die Postkoitalpille als Notfallmaßnahme: deren hoher Östrogengehalt blockiert den Sekretionszustand des Endometriums und verhindert so die Einnistung, Nidation eines Keimes) und £ operative Methoden, Durchtrennung von Eibzw. Samenleiter.

Der Pearl-Index ist ein Beurteilungsmaß für die Zuverlässigkeit der Kontrazeption, er nennt die Zahl der ungewollten Schwangerschaften bei Anwendung einer Verhütungsmethode durch 100 Frauen bzw. Paare während eines Jahres (= Zahl der ungewollten Schwangerschaften auf 1 200 Anwendungsmonate). Je höher der Index, um so unsicherer die Verhütungsmethode (Tab. 3.3).

Tabelle 3.3: Methoden der Kontrazeption (Pearl-Index in Klammern) Wirkungsweise

männlicher Partner

weibliche Partnerin

natürlich

Coitus interruptus (10–25)

Temperaturmethode (1–3) Kalendermethode (1–10) Mittelschmerz-, Zervikalschleimbeobachtung (1–30)

mechanisch/ chemisch

Kondom (3–7)

Intrauterinpessar (0,3–6) vaginale Barriere (2–6) Spermizide (5)

hormonal

mit Ovulationshemmung (0,03–3) • • • • •

Einphasenpille Zweiphasenpille Zweistufenpille Dreistufenpille parenteral (Depotinjektion) (0,3-3,6)

ohne Ovulationshemmung • Minipille (0,3–3) operativ

3.4

Vasoresektion (< 1)

Blastogenese

Lernziele: Befruchtung, Zygote, Morula, Blastozyste, Trophoblast, Embryoblast, Implantation, Nidation, Keimblätter, zweiblättrige Keimscheibe

3.4.1

Tubensterilisation (< 1)

Erste Entwicklungswoche (1. EW): Befruchtung, Tubentransport

In der nur 6 Tage dauernden 1. EW erfolgen £ die Befruchtung £ die Entwicklung des Keimlings von der Zygote

über das Morula-Stadium zur Blastozyste und

£ der synchron hierzu ablaufende Transport des

Keimlings durch die Tuba uterina in das Uteruslumen, wo die Einnistung (Implantation, Nida-

tion) am 5.–6. ET mit dem Kontakt zwischen Keim und Endometrium beginnt.

3.4.1.1 Befruchtung, Fertilisation Die Befruchtung legt die genetischen Grundlagen für ein neues Lebewesen, sie setzt sich aus 4 aufeinanderfolgenden Prozessen zusammen: £ Konzeption, Empfängnis, ist der zur Impräg-

nation führende Koitus,

£ Spermienaszension ist der Aufstieg der Sper-

mien im weiblichen Genitaltrakt,

£ Imprägnation nennt man das Eindringen des

Spermiums in die Eizelle, hierdurch entsteht die Zygote,

132

3 Allgemeine Embryologie

£ Konjugation ist die Anordnung der männli-

chen und weiblichen Chromosomen in der Äquatorialebene der ersten gemeinsamen Mitosespindel.

Klinik: Konzeptionsoptimum bezeichnet den Zeitraum der höchsten Befruchtungswahrscheinlichkeit, er wird begrenzt durch 1. den Termin des Eisprungs und 2. die Dauer der Befruchtungsfähigkeit von Eizelle (wenige Stunden) und Spermien (≤ 3 Tage). Seine Bestimmung erfolgt u. a. durch die Temperaturmethode oder die funktionelle Zervixdiagnostik. Spermienaszension. Das Ejakulat mit ca. 200–300 Mio. Spermien wird durch den Koitus v. a. im hinteren Scheidengewölbe deponiert. Auf dem Weg zum Befruchtungsort (Ampulla tubae uterinae) müssen die Spermien als Fremdkörper für den weiblichen Organismus Sperreinrichtungen überwinden: 1. Im Scheidengewölbe (Fornix vaginae) herrscht ein saures, die Spermienmotilität hemmendes Milieu. 2. Der Zervikalkanal (Canalis cervicis uteri) wird nur von 1 % der Spermien erreicht. Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Zervixschleims schwanken zyklusabhängig und zeigen um den Ovulationszeitraum die größte Durchlassfähigkeit: Seine • Barrierefunktion gegen aufsteigende Fremdkörper ist herabgesetzt, seine • Filterfunktion zur Selektion fehlgebildeter Spermien ist ausgeprägt, seine • Pufferfunktion sorgt für einen die Spermienmotilität fördernden pH-Wert, seine • Reservoirfunktion besteht in der Produktion von Glukose, das die Spermien als Energiequelle nutzen und sie in den Drüsengängen mehrere Tage überleben lässt, seine • Immunfunktion ist um den Ovulationszeitpunkt gedrosselt. • Im Uteruslumen (Cavitas uteri) überleben Spermien ≤ 1 Tag. 3. Die Tubenöffnung (Ostium uterinum tubae uterinae) ist auf der Ovulations-Seite für aszendierende Spermien durchgängig. 4. In der Tuba uterina bewirken die mit Kinozilien besetzten Epithelzellen einen epithelnahen Sekretstrom in Richtung Uterus, der an der engen uterinen Tubenöffnung in einen axialen,

ovarwärts gerichteten Strom umschlägt. Diese axiale, zum abdominalen Tubenende gerichtete Strömung ist für den Spermientransport von Bedeutung. Glattmuskuläre Kontraktionen der weiblichen Genitalwege sind Hauptmotor für den Spermienaufstieg (Dauer: wenige Min. bis 1 Std.). Die Spermieneigenmotilität verantwortet den Zugang von der Vagina in den Canalis cervicis uteri und die Penetration durch Umgebung und Membran der Eizelle. Imprägnation (Abb. 3.9) Imprägnationsort ist die Ampulla tubae uterinae. Von 400–800 hierher gelangten Spermien befruchtet eines die Eizelle. Während des Transports durch den weiblichen Genitaltrakt erlangen die Spermien durch Kontakt mit dessen Sekreten ihre volle Befruchtungsfähigkeit. Zwei Prozesse sind Voraussetzung für die Imprägnation: £ Kapazitation

nennt man die Beseitigung befruchtungshemmender chemischer Faktoren auf der Spermienzellmembran, sie wird durch den Kontakt der Spermien mit den Uterus- und Tubensekreten bewerkstelligt. Die Kapazitation ist Voraussetzung für die £ Akrosomreaktion (Abb. 3.6 b–d). Während des Spermienkontakts mit der Corona radiata verschmelzen vordere Zell- und äußere Akrosommembran des Kopfes punktuell. Es entstehen sich vergrößernde Poren, durch die akrosomale Enzyme entweichen können. Zell- und äußere Akrosommembran verschwinden bis auf einen Rest am hinteren Spermienkopfteil, so dass an der inneren Akrosomenmembran fixierte Enzyme ebenfalls Kontakt mit der Umgebung erhalten. Durch Enzymwirkung (z. B. Akrosin, Hyaluronidase) und mechanischen Vorschub (Schwanzbewegung) durchdringen Spermien in wenigen Sekunden die Corona radiata, deren Zellverband während der Ovulationsvorbereitung aufgelockert worden war und binden sich speziesspezifisch an die Zona pellucida. Deren Durchdringung nimmt einige Min. in Anspruch. Danach legt sich das Spermium tangential mit dem Kopf an die Eizellmembran.

3.4 Blastogenese

1

133

b

c

a

d 2

3

4

5

6

Tuba uterina

Befruchtungsort

Ovulationsort

Uterus

Ovar

Abb. 3.9: Befruchtung in der Pars ampullaris der Tuba uterina (grüne Pfeile: Weg der Oozyte II zum Befruchtungsort; blaue Pfeile: Spermienaszension). 1 Corona radiata und Zona pellucida umgeben die Eizelle, 2 a Spermien durchdringen die Corona radiata, Akrosomreaktion (s. Abb. 3.6 b–d), 2 b ein Spermium durchdringt Zona pellucida, 2 c Zellmembranfusion zwischen Spermium und Oozyte, kortikale Reaktion: Inhalt der Kortikalgranula wird in den entstehenden perivitellinen Raum entleert (rot), 2 d Spermium inkorporiert, 3 Vorkernstadium, 4, 5 Metaphase, Anaphase der 1. Furchungsteilung, 6 2-Zell-Stadium.

Die Zygote entsteht mit der Fusion der Plasmamembranen. Die Eizelle bringt nukleäre DNS und Zytoplasma (samt mitochondrialer DNS, die nur maternal vererbt wird) ein, das Spermium nukleäre DNS und sein Zentriolenpaar. Folgende Prozesse verlaufen eng gekoppelt ab: £ Polyspermieblock. Mit der Penetration des

Spermiums in die Eizelle läuft eine Depolarisa-

tionswelle über deren Membran. Der Inhalt der Kortikalgranula wird in den perivitellinen Raum entleert, der durch die geringfügige Eizellvolumenschrumpfung zwischen Eizellmembran und Zona pellucida entsteht (Abb. 3.9). Eizellmembran und Zona pellucida verändern ihre Eigenschaften: kortikale Reaktion, Zonareaktion. So kann kein weiteres Spermium eindringen.

134

£ Beendigung der 2. Reifeteilung. Während der

Imprägnation beendet die Oozyte II die Meiose, als deren Ergebnis ein zytoplasmaarmes Polkörperchen abgeschnürt wird (das 3., wenn sich das nach der 1. Reifeteilung entstandene ebenfalls teilt). Die Polkörperchen gehen zu Grunde. £ Der weibliche Vorkern entsteht durch Zusammenlagerung der verbliebenen Chromosomen der Oozyte (1n: 23, X; 1c). Außerdem wird zuvor transkribierte RNS nun translatiert (→ Aktivierung der Eizelle). £ Der männliche Vorkern kommt durch graduelle Entkondensation der Spermium-DNS, die so wieder in Form von Chromosomen erkennbar wird, zustande (1n: 23, X oder Y; 1c). Konjugation (Abb. 3.9). Die DNS beider Vorkerne verdoppelt sich, die Kernmembranen lösen sich auf. Nach Teilung des vom Spermium eingebrachten Zentriolenpaars orientieren sich die beiden Zentrosomen jeweils zellpolwärts und gelangen zu den beiden Mikrotubulus-Organisationszentren. Diese bilden eine Teilungsspindel, in deren Äquatorialebene sich mütterliche und väterliche Chromosomen anordnen. Die Befruchtung ist hiermit beendet. Ergebnis der Befruchtung: 1. Der artspezifische diploide Chromosomensatz ist wiederhergestellt. 2. Der Karyotyp einschließlich des genetischen Geschlechts des neuen Individuums ist festgelegt, da das imprägnierende Spermium entweder ein X- oder ein Y-Chromosom eingebracht hat (Chromosomensatz der Zygote 46, XX oder XY). 3. Die Zygote teilt sich (1. Furchungsteilung; Kap. 3.4.1.2, S. 134). Klinik: 1. Insemination ist die intrakorporale, auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr bewirkte Befruchtung der Eizelle, z. B. bei immunologischer Sterilität. Das durch Punktion oder Masturbation gewonnene Sperma wird präovulatorisch instrumentell in den Zervikalkanal gespritzt. 2. In-vitro-Fertilisation ist die extrakorporale Befruchtung von laparoskopisch aus dem Ovar entnommenen Eizellen. Die Zygote wird nach 48 Stunden im 4–8-Zell-Stadium in den hormonell vorbereiteten Uterus oder den Eileiter implantiert (Embryonentransfer).

3 Allgemeine Embryologie

3.4.1.2 Maulbeerkeim, Morula Im Morula-Stadium ist der Keimling ein maulbeerförmiger Zellhaufen, der aus den Tochterzellen der Furchungsteilungen (→ Blastomeren) besteht. 30 Std. nach Vorkernbildung hat die Zygote ihre erste Mitose mit dem 2-Zell-Stadium beendet (Abb. 3.9). Weitere proliferative Mitosen (→ Furchungsteilungen; Abb. 3.10) folgen zügig, jedoch nicht synchron, so dass zwischen den rechnerischen 2x(4-, 8- und 16-) Zell-Stadien z. B. auch ein 3-ZellStadium angetroffen werden kann. Die Tochterzellen der Furchungsteilungen haben jeweils nur das halbe Volumen der Mutterzellen, sie erreichen so nach wenigen Teilungsschritten die Größe durchschnittlicher Somazellen. Die Zona pellucida gibt als „Korsett“ das Gesamtvolumen (Innendurchmesser 150 µm) vor. Die Blastomeren der ersten Teilungsschritte sind omnipotent, eine menschliche Blastomere des 3-Zell-Stadiums kann sich noch zu einem vollständigen Individuum entwickeln.

Kompaktion ist ein Differenzierungsschritt ab dem 16-Zell-Stadium, bei dem sich Zellkontakte zwischen den Blastomeren ausbilden. Die Morula, zunächst eine Summe undifferenzierter Einzelzellen, entwickelt sich zu einem Zellkomplex, der als ganzes eine äußere, zur Zona pellucida gerichtete Oberfläche ausbildet. Demzufolge sind auch die Blastomeren polarisiert: £ der äußere Zellpol ist jeweils zur Zona pellucida

gerichtet

£ der innere Zellpol hat Kontakte zu benachbarten

Blastomeren.

Durch differenzielle Mitosen mit tangentialer Teilungsebene (bezogen auf die Außenfläche der Morula) entstehen aus polarisierten Blastomeren äußere und innere Tochterzellen, die ihre Omnipotenz verloren haben: £ aus den inneren Zellen entsteht das Individuum

(Embryoblast).

£ die äußeren Zellen liefern den embryonalen

Anteil der Fruchthüllen und der Plazenta (Trophoblast).

3.4 Blastogenese

135 4–Zellstadium 3–Zellstadium Morula Darmschlinge

Zona pellucida

Tuba uterina

Blastozyste

Corpus luteum

Befruchtungsort

Implantationsort Ovar

Uterus

Abb. 3.10: Tubenwanderung des Keimlings (Pfeile), Implantationsbeginn. Nach 4–5 Tagen erreicht der Keim das Uteruslumen, wo er als Blastozyste (dunkelrot: Trophoblast) der Zona pellucida entschlüpft und mit dem Kontakt zwischen Trophoblast und Uterusepithel die Implantation beginnt (grün: physiologischer Implantationsbereich, rote Punkte: atypische (heterotope) Implantationsorte; Douglas-Raum als extrauteriner Implantationsort ist nicht dargestellt)

3.4.1.3 Blasenkeim, Blastozyste Die Interzellularräume zwischen den zueinander weisenden Oberflächen der Blastomeren erweitern sich und konfluieren, so dass eine Höhle entsteht: aus der Morula wird die Blastozyste (Abb. 3.10). Sie besteht aus dem £ Trophoblast, den äußeren Zellen, die als epithe-

lialer Verband die Blastozystenhöhle umgeben, und dem

£ Embryoblast, den inneren Zellen, die als Anhäu-

fung an einer Stelle der Innenfläche der Trophoblastschicht zu finden sind (Abb. 3.10, 12 a).

Dieser Gesamtkomplex wird mit dem epithelnahen, uteruswärts gerichteten Sekretstrom durch die Tuba uterina transportiert und erreicht nach 3–4 Tagen das Uteruslumen. Hier entschlüpft die Blastozyste der sich auflösenden Zona pellucida. Durch Flüssigkeitsaufnahme in die Blastozystenhöhle verdoppelt sich der Durchmesser des Gesamtkomplexes zwischenzeitlich auf 250 µm. Das Endometrium befin-

136

det sich in der Sekretionsphase. Mit der Anheftung des Trophoblast an das Endometriumepithel, bei der der Embryoblast am Pol der Anheftungsstelle liegt, beginnt die Implantation am 5.–6. ET.

3.4.2 Zweite Entwicklungswoche (2. EW): Implantation, zweiblättrige Keimscheibe In der 6 Tage dauernden 2. EW erfolgen £ die vollständige (interstitielle) Implantation des Keims in die Uterusschleimhaut als gemeinsame Leistung letzterer und des Trophoblast sowie £ die Bildung der zweiblättrigen Keimscheibe aus dem Embryoblast. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implantation: £ ein 6 Tage alter Keim trifft auf ein Endometrium

in der Sekretionsphase um den 20. Tag p. m. (Abb. 3.8), £ die folgenden Menstruationsblutungen bleiben aus.

Embryomaternaler Dialog, die Wechselwirkung mütterlicher mit embryonalen Strukturen und Funktionen, ist zum Gelingen der Implantation unabdingbar: £ Die HCG-Produktion (humanes Choriongona-

dotropin; dem LH biologisch gleichwertiges, luteotropes Hormon) des Trophoblast ab der 2. EW stimuliert die Progesteron-Produktion des Gelbkörpers (Corpus luteum graviditatis). Dieses Hormon verhindert bis über das erste Drittel der Schwangerschaft hinaus die Menstruation, die einen Abort zur Folge hätte. Danach ersetzt plazentares Progesteron diese Gelbkörperfunktion. £ Die endometriale Deziduareaktion (Kap. 3.4.2.1, S. 136, Pseudodeziduareaktion Kap. 3.3.5.3, S. 129) schafft erste Ernährungsgrundlagen für den Keim. £ Die Implantation selbst ist ein wechselseitiger Vorgang (Kap. 3.4.2.1, S. 136). £ HPL (human placenta lactogen) stimuliert gemeinsam mit dem Prolactin der mütterlichen Hypophyse die Vorbereitung der Brustdrüse auf die Stillfunktion.

3 Allgemeine Embryologie

Immunsuppression. Der Trophoblast exprimiert auf seiner Oberfläche neben mütterlichen auch väterliche Antigene und ist so für den mütterlichen Organismus Fremdgewebe. Durch mehrere, derzeit nur unzureichend bekannte Leistungen des Trophoblasten erfolgt eine Immunsuppression des mütterlichen Organismus, ohne welche der Blastozyste ein Abort drohen würde. So sollen vom Trophoblast sezernierte Faktoren z. B. die Mitoseaktivität mütterlicher Lymphozyten mindern.

Implantationsort (Abb. 3.10) ist meist die Uterushinterwand, fern von Tubenöffnung und Zervix. Klinik: 1. Extrauteringravidität (= EU): Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter, Sonderfall der ektopischen Schwangerschaft. Prädilektionsstelle für letztere ist der Genitaltrakt (Tube, Uterustubenwinkel, Zervix), extragenitale Lokalisationen an peritonealen Oberflächen der Bauchhöhle und Eierstock sind seltener. Gefürchtet sind schwere Blutungen, weil der Trophoblast mütterliche Gefäße arrodiert. 2. Placenta praevia (= vorgelagerte Plazenta): Nistet sich die Blastozyste am inneren Muttermund (MM) der Cervix uteri ein, so verlegt die hier entstehende Plazenta den Geburtsweg. 4 Grade (Abb. 3.11): 2.1 Placenta praevia totalis, der innere MM ist vollständig bedeckt; 2.2 Placenta praevia partialis, der innere MM ist teilweise bedeckt; 2.3 Placenta praevia marginalis, der untere Rand der Plazenta erreicht den inneren MM; 2.4 Tiefer Sitz der Plazenta: der im unteren Uterinsegment sitzende Teil der Plazenta rückt nicht an den inneren MM heran.

3.4.2.1 Trophoblast: Implantation Die Deziduareaktion (Pseudodeziduareaktion Kap. 3.3.5.3, S. 129) bereitet die Ernährung des Keimes vor. Sie ist durch Speicherung von Glykogen und Lipiden in den endometrialen Stromazellen (→ Deziduazellen) sowie Flüssigkeitsansammlung im mütterlichen Bindegewebe gekennzeichnet. Dieses zeigt so ödematösen Charakter, der in der Nähe des embryonalen Pols des Keims stärker ausgeprägt ist als abembryonal. Mit dem Kontakt zwischen Blastozyste und Endometriumepithel, bei dem die Blastozystenhöhle vorübergehend kollabiert, beginnt die Differenzierung des Trophoblast (Abb. 3.12), der embryonale Anteile von Plazenta und Fruchthüllen liefert.

3.4 Blastogenese

a

137

b

Uteroplazentarer Kreislauf. Invasives Wachstum des Synzytiotrophoblast eröffnet mütterliche Kapillaren, Blut strömt zusätzlich in das Lakunensystem, in dem vorübergehend Hämatotrophe, mit Blut vermischte Histotrophe, anzutreffen ist. Der Druckgradient zwischen arteriellem und venösem Schenkel eröffneter Gefäße bewirkt Blutzirkulation durch die mittlerweile zusammenhängenden Lakunen. Histo- und Hämatotrophe sind frühe Nahrungsquellen, deren Inhaltsstoffe durch Diffusion zum Keim gelangen. Nach dem 12. ET ist der Keim völlig von mütterlichem Gewebe umgeben (= interstitielle Implantation), der Epitheldefekt im Endometrium wird durch ein Koagulum verschlossen und wächst zu. Der Implantationsort ist als rundliche Epithelvorwölbung vom Uteruslumen aus zu erkennen (Implantationskegel).

c

d

Abb. 3.11: Placenta praevia. Variationen mit zugehörigem Muttermundsbefund, a. tiefer Sitz, b. Placenta praevia marginalis, c. Placenta praevia partialis, d. Placenta praevia totalis

£ Der Synzytiotrophoblast ist die äußere, durch

Kernteilungen von Trophoblastzellen ohne Zytoplasmadurchtrennung entstehende, synzytiale Schicht des Trophoblasten. Er hat direkten Kontakt zu mütterlichem Gewebe und dringt invasiv in das Endometrium ein. £ Der Zytotrophoblast ist die innere, auch weiterhin zellulär gegliederte Schicht des Trophoblast. Dieser Teil sorgt durch Kernteilungen für Nachschub in den Synzytiotrophoblast. Auch die Durchdringung des Uterusepithels durch den Synzytiotrophoblast ist embryo-maternaler Dialog (Kap. 3.4.2, S. 136), denn sie geschieht wechselseitig: Seitlich werden z. B. Membrankontakte (Desmosomen) zwischen Synzytium und endometrialen Epithelzellen aufgebaut. Nach 24 Std. ist die Basalmembran des Epithels durchbrochen, der Synzytiotrophoblast dringt in das Bindegewebe ein, er löst Deziduazellen auf und resorbiert Proteine, Kohlenhydrate und Fette.

Die weitere Entwicklung des Trophoblast und assoziierter Gewebe führt zur Bildung von Plazenta und Fruchthüllen (Kap. 3.7, S. 158). Erste Entwicklungsstadien des Synzytiotrophoblast £ Solides, prälakunäres Stadium. Das Synzytium

ist anfangs ein kompakter Gewebeblock, dessen Volumen durch Kernteilungen von Zytotrophoblastzellen wächst. £ Lakunäres Stadium. Innerhalb des Synzytiotrophoblast entstehen voneinander zunächst isolierte Lücken, die bald zu einem verzweigten Hohlraumsystem zusammenfließen, am embryonalen Pol intensiver als abembryonal. Die während des Einwachsens in das mütterliche Bindegewebe aufgelösten und verflüssigten Gewebsteile (→ Histotrophe) füllen diese Trophoblastlakunen aus (Abb. 3.12, 32). Klinik: 1. Nidationsblutung: Vor dem Epithelverschluss kann eine Blutung aus abembryonalen Synzytiotrophoblastlakunen auftreten, die wegen der zeitlichen Nähe zur nächsten Menstruationsblutung als solche fehlgedeutet werden und zur falschen Berechnung des Geburtstermins führen kann. 2. Corpus-luteum-Insuffizienz: Funktionsschwäche des Gelbkörpers mit erniedrigter Plasma-Progesteronkonzentration ist eine Ursache für weibliche Sterilität, da keine sekretorische Umwandlung des Endometriums

3 Allgemeine Embryologie

138

erfolgen kann. 3. HCG-Nachweis im Urin (oder Serum) der Frau weist die Schwangerschaft 35–40 Tage nach der letzten Regel durch Antigen-Antikörper-Reaktion nach (Zuverlässigkeit: ≥ 95 %); neuere Tests mit monoklonalem Antikörper leisten dies bereits zum Zeitpunkt der ersten erwarteten Regel.

Endometrium Synzytiotrophoblast Zytotrophoblast Embryoblast Blastozystenhöhle Trophoblast

3.4.2.2 Embryoblast: zweiblättrige Keimscheibe Keimblätter, Keimscheibe. Am Ende der Blastogenese entstehen die Keimblätter als erste Zellverbände des Keimlings. Diese liegen schichtweise aufeinander und bilden die Keimscheibe, die zunächst 2, später 3 Keimblätter umfasst: Ektoderm, Mesoderm, Entoderm.

a

Synzytiotrophoblast Zytotrophoblast Amnionhöhle Ektoderm

b

Lakunen des Synzytiotrophoblast

Die Bildung von Organanlagen beruht wesentlich auf der Interaktion von Zellen verschiedener Keimblätter. Da Organe aus mehreren Geweben bestehen, können sie nicht auf ein Keimblatt zurückgeführt werden (Tab. 3.5), doch gilt folgende Orientierung:

£ aus dem Ektoderm entstehen Gewebe zur Abgrenzung und Kommunikation mit der Umwelt: Epidermis, Nervensystem, Teile von Sinnesorganen, £ aus dem Entoderm werden die (ebenfalls abgrenzenden) Epithelien des Magen-Darm-Kanals mit Anhangsorganen, £ aus dem Mesoderm entwickeln sich Gewebe vieler innerer Organe.

Primäre Keimblätter (Abb. 3.12) sind primäres Entoderm und Ektoderm. Während der Implantation differenziert sich auf der zur Blastozystenhöhle weisenden Oberfläche des Embryoblast eine Lage flacher Zellen zur ersten Anlage eines Keimblatts, dem primären Entoderm (Hypoblast). Dieses wird später durch das definitive Entoderm ersetzt. Im Inneren des Embryoblast differenziert sich eine Schicht hochzylindrischer Zellen, die dem primären Entoderm direkt anliegt. Dieses primäre Ektoderm (Epiblast) wird durch sich erweiternde Interzellularräume vom Trophoblast getrennt. Dieser zweite Hohlraum innerhalb der Trophoblasthülle ist die Anlage der Amnionhöhle. Amnionhöhle, primärer Dottersack. Aus dem primären Ektoderm stammende Amnioblast-Zellen wachsen auf der Innenseite des Trophoblast entlang und begrenzen gemeinsam mit den Ektodermzellen

Entoderm

Zytotrophoblast Amnionhöhle zweiblättrige Keimscheibe Heuser–Membran

c

primärer Dottersack Koagulum

Abb. 3.12: Implantation, zweiblättrige Keimscheibe (modifiziert nach J. Langman); hell-, dunkelrot: Trophoblast; blau: Embryoblast bzw. Keimblätter der zweiblättrigen Keimscheibe, a. Synzytiotrophoblast durchdringt endometriales Epithel, b. Synzytiotrophoblast im soliden Stadium; primäres Ektoderm, Entoderm sowie Amnionhöhle sind entstanden, c. Implantation nahezu vollendet (Koagulum), Synzytiotrophoblast im lakunären Stadium (Histotrophe), primärer Dottersack gebildet

die Amnionhöhle, die zunächst klein ist. Durch Proliferation von primären Entodermzellen umwachsen Abkömmlinge dieser Schicht auf der Innenseite der abembryonalen Trophoblastzellen die Blastozystenhöhle. So entsteht der primäre Dottersack, der vom Entoderm und der ihm entstammenden Zellschicht (→ Heuser-Membran) begrenzt wird. Die zweiblättrige Keimscheibe besteht aus den beiden aufeinander liegenden Zelllagen des primären Ektoderms und Entoderms.

3.4 Blastogenese

139

Sie ist samt der beiden ihr anliegenden Höhlen mit 2 aufeinandergelegten Luftballons vergleichbar, die beiden direkt aneinander grenzenden Wandteile der Ballons bilden die 2 Blätter der Keimscheibe. Dieser Komplex ist von der Höhle des Trophoblasten umschlossen.

Sekundärer Dottersack (Abb. 3.13). Da während dieser Stadien der Umfang des Trophoblast weitaus stärker wächst als die Embryoblastabkömmlinge, bildet sich ein schnell expandierender Spalt zwischen Keimscheibe und Dottersack einerseits sowie Innenfläche des Zytotrophoblast andererseits. Er ist vorübergehend von entodermalem Retikulum durchwebt, das bei der Dottersackwandbildung entsteht. Die Diskrepanz im Wachstum der Komponenten des Keims führt zum Platzen des primären Dottersacks (Dottersackknall). Durch den Verschluss der Rissränder der primären Dottersackwand entsteht der kleinere sekundäre Dottersack. Abgesprengte Reste der primären Dottersackwand können außerhalb des sekundären Dottersacks vorübergehend Exozölzysten bilden, die bald degenerieren. Der Dottersack ist als Nahrungsquelle beim Menschen wie bei anderen Säugern bedeutungslos.

Extraembryonales Mesoderm (Abb. 3.13). Durch starke Proliferation des späteren kaudalen Pols des primären Ektoderms wandern Zellen aus, die als (extraembryonales viszerales Mesoderm) Amnionhöhle und sekundären Dottersack umkleiden und als £ Chorionmesoderm (extraembryonales parietales Mesoderm) sich der Innenfläche des Zytotrophoblast anlegen. £ Der Haftstiel, die einzige Verbindung zwischen Hüll- und Chorionmesoderm, ist die erste Anlage der Nabelschnur und setzt auf embryonaler Seite an der Wand der Amnionhöhle an, in deren kaudalem Bereich.

Hämatotrophe Amnionhöhle zweiblättrige Keimscheibe

primärer Dottersack

a Beginn des uteroplazentaren Kreislaufs Amnionhöhle Haftstiel Hüllmesoderm sekundärer Dottersack Chorionmesoderm Exozölzyste

b

£ Hüllmesoderm

Chorionhöhle (extraembryonale Leibeshöhle, extraembryonales Zölom) ist der aus der ehemaligen Blastozystenhöhle hervorgegangene, nun vollständig von extraembryonalem Mesoderm begrenzte Raum zwischen der Embryonalanlage und dem Chorion. Chorion ist die aus Chorionmesoderm und Zytotrophoblast bestehende Wand der Chorionhöhle.

cc

Abb. 3.13: a. Eröffnung mütterlicher Arterien, Venen (lakunenwärts gerichtete rote, blaue Pfeile), Hämatotrophe, b. Uteroplazentarer Kreislauf im kommunizierenden Lakunensystem, das Verbindungen zu Arterien und Venen hat (einwärts gerichtete rote, bzw. auswärts gerichtete blaue Pfeile), Bildung des extraembryonalen Mesoderms, Vergrößerung der Chorionhöhle, sekundärer Dottersack (modifiziert nach J. Langman), c. Ultraschall: Chorionhöhle und darin markierter, sekundärer Dottersack (Kreuze; 4. EW).

3 Allgemeine Embryologie

140

3.5

Embryogenese

3.5.1 Dritte Entwicklungswoche (3. EW): dreiblättrige Keimscheibe

3.5.1.1 Gastrulation

Lernziele: Gastrulation, Keimblätter, dreiblättrige Keimscheibe, Neurulation, Individuation, Mesodermgliederung, Somiten, Abfaltungen, Kopfmesoderm Diese 9 Tage dauernde Phase ist durch die £ Entstehung des 3. Keimblatts (Gastrulation)

gekennzeichnet. Mit der

£ Anlage eines primitiven Achsenorgans, Chorda

dorsalis, und der nachfolgenden, durch die Chorda induzierten £ Entstehung des Neuroektoderms (Neurulation) sowie der £ lateralen Organisation des Mesoderms entscheidet sich endgültig, wieviele Individuen aus dem Keim entstehen (Individuation, Kap. 3.8, S. 165).

Gastrulation ist bei Säugetieren einschl. Mensch die Bildung von Rumpfmesoderm und definitivem Entoderm durch auswandernde Zellen aus dem primären Ektoderm. Der am Ansatz des Haftstiels gelegene Pol des Ektoderms, aus dem das extraembryonale Mesoderm hervorgegangen war, proliferiert auch zu Beginn der 3. EW. Diese Zone vermehrter Zellteilungsaktivität weitet sich Richtung Mitte der Keimscheibe aus. Sie ist auf der amnialen Oberfläche des Ektoderms in dessen kaudaler Hälfte sichtbar als (Abb. 3.14, 15): £ Primitivstreifen, eine längs orientierte Verdi-

ckung dieses Keimblatts. Aus ihm wandern Zellen zwischen die beiden primären Keimblätter und bilden den größten Teil des intraembryonalen Mesoderms. £ Die Primitivrinne liegt in der Mittellinie des Primitivstreifens und ist äußerliches Zeichen Primitivrinne

c

b Allantois b

a Allantois

c Prächordalplatte

Primitivknoten, Primitivstreifen

Kloakenmembran

Abb. 3.14: Gastrulation (modifiziert nach J. Langman), a. Zweiblättrige Keimscheibe im Sagittalschnitt; Schnittebenen für (b, c) gekennzeichnet, b. Transversalschnitt: rote Pfeile zeigen Wanderungsweg der Zellen des primären Ektoderms, die das Mesoderm und das definitive Entoderm bilden, c. Aufsicht auf das Ektoderm: Zellen verlassen durch Primitivrinne und -grube (s. Abb. 3.15) das Ektoderm und bilden zwischen diesem und dem Entoderm das Mesoderm; Prächordalplatte und Kloakenmembran bleiben Zonen mit direktem Kontakt zwischen Ektoderm und Entoderm

3.5 Embryogenese

141 Chordafortsatz

Primitivknoten, Primitivgrube Primitivstreifen, Primitivrinne

a

Kloakenmembran Prächordalplatte

d

e

d

b

Chordafortsatz

e

Chordaplatte

Chordafortsatz

Chordaplatte

Canalis neurentericus

c

Chorda dorsalis

f

f

Chorda dorsalis

Abb. 3.15: Bildung der Chorda dorsalis (rot; modifiziert nach J. Langman), a. Ektodermale Aufsicht. b, c. Sagittalschnitte, d–f. Transversalschnitte. In b, d, e sind noch Chordafortsatz und Chordaplatte vorhanden, c, f sind später geschnitten, jetzt hat sich die Chorda dorsalis als solider Strang aus dem Entoderm gelöst

dieser Absenkung von Zellen aus dem Niveau des Ektoderms in die Tiefe, zwischen die beiden primären Keimblätter. £ Der Primitivknoten ist das vordere, verdickte Ende des Primitivstreifens, knapp hinter der Hälfte der Keimscheibenlänge gelegen. £ Die Primitivgrube ist das kraniale Ende der Primitivrinne, die Wülste des Primitivknotens umfassen sie vorn und seitlich. Definitive Keimblätter. Die aus dem Primitivstreifen auswandernden Zellen migrieren zwischen die beiden primären Keimblätter und ersetzen auch die Zellen des primären Entoderms. Die dreiblättrige Keimscheibe (Abb. 3.14) besteht aus den 3 definitiven Keimblättern. £ Das Ektoderm ist die verbliebene primäre Ekto-

dermschicht im „Boden“ der Amnionhöhle.

£ Das intraembryonale Mesoderm trennt die

beiden anderen Keimblätter fast vollständig und steht an den Rändern der Keimscheibe mit dem

extraembryonalen Hüllmesoderm in Verbindung. £ Das Entoderm liegt im „Dach“ des sekundären Dottersacks. Obwohl die Zellen des primären Entoderms nicht in den werdenden Embryonalkörper eingehen, sind sie für die Induktion der Gastrulation mit verantwortlich. Mesenchym, embryonales Bindegewebe, ist die histologische Bezeichnung für das undifferenzierte Gewebe des Keimblatts Mesoderm. Es besteht aus locker gefügten Zellen und weiten Interzellularräumen ohne jegliche Bindegewebefasern. Kopfmesoderm (Kopfmesektoderm, Kopfmesenchym) entsteht nur zum Teil im Rahmen der Gastrulation und wird deshalb begrifflich gesondert gekennzeichnet (Kap. 3.5.3.1, S. 153). Prächordalplatte, Kloakenmembran (Abb. 3.14, 15, 23). Die Trennung von Ekto- und Entoderm durch einwanderndes Mesoderm unterbleibt an diesen 2 Stellen, beide Keimblätter berühren sich

142

hier weiterhin. Die Prächordalplatte liegt nahe dem vordersten Rand der Keimscheibe, die Kloakenmembran befindet sich kaudal, hinter dem Primitivstreifen. Das proliferierende Entoderm der Prächordalplatte ist eine Quelle des Kopfmesoderms. • Rachenmembran. Nach der Entstehung des Vorderdarms im Zuge der Abfaltungen der Keimscheibe wird die Prächordalplatte Rachen- oder Bukkopharyngealmembran genannt (Kap. 3.5.2, S. 148). Chorda dorsalis (Notochorda, Rückensaite) (Abb. 3.15). Während des o. g. Invaginationsvorgangs aus dem Primitivstreifen wandern die im Primitivknoten proliferierenden Zellen als Anlage des axialen Mesoderms nach kranial, bis an die Prächordalplatte. Sie bilden den Chordafortsatz (Kopffortsatz), dessen Lichtung der Axialkanal, die Fortsetzung der Primitivgrube, ist. Die entodermwärts gelegene Wand des Chordafortsatzes verschmilzt mit dem Entoderm und löst sich auf. Dadurch öffnet sich der Axialkanal, der über die Primitivgrube mit der Amnionhöhle in Verbindung steht, auch in den Dottersack. Diese vorübergehende Kommunikation zwischen Amnionhöhle und Dottersack ist der Canalis neurentericus. Die verbliebene, ektodermwärts gelegene Wand des Chordafortsatzes (Chordaplatte) löst sich in der 4. EW vom Entoderm und liegt dann als solider Strang zwischen Ento- und Ektoderm. Dieser Strang ist die Chorda dorsalis. Sie stellt das primitive Achsenorgan des Embryos dar und geht später in Bandscheibenmaterial der Wirbelsäule auf. Mit der Chordabildung und der dadurch induzierten Neuroektodermentstehung (Kap. 3.5.1.2, S. 142) wird die in der Aufsicht ursprünglich runde Keimscheibe länger und in der vorderen Hälfte breiter („birnenförmig“). Allantois (Abb. 3.14, 15, 23, 24). Am kaudalen Ende der Keimscheibe wächst dorsal der Kloakenmembran eine Ausstülpung des Entoderms, das Allantois-Divertikel, in das Haftstielmesoderm vor. Die in der Umgebung der blind endenden Allantois sich bildenden Blutgefäße verbinden extraembryonale Choriongefäße und intraembryonale Gefäße (Kap. 3.5.1.6, S. 148). Die menschliche Plazenta ist somit eine Allantoisplazenta, einige andere Säuger entwickeln eine Dottersackplazenta. Das Lig. umbilicale medianum des Erwachsenen ist Rudiment des intraembryonalen Anteils der Allantois. Bei Reptilien und Vögeln ist sie Harnreservoir.

3 Allgemeine Embryologie

Orientierung der Embryonalanlage £ Die Gliederung innen-außen ist mit Embryo-

blast und zweiblättriger Keimscheibe in der 1. EW angedeutet (Kap. 3.4.2.2, S. 138): an der zur Blastozystenhöhle gerichteten Oberfläche entwickelt sich das Entoderm (Epithel des Magen-Darm-Kanals), aus dem amnionhöhlenwärts gelegenen primären Ektoderm u. a. die Körperoberfläche (Tab. 3.5). £ Die dorso-ventrale Orientierung wird mit der Gastrulation deutlich: Chorda und benachbartes Ektoderm werden zur dorsalen Rumpfwand, die lateralen, sich später abfaltenden Teile der Keimscheibe bilden die ventrale Rumpfwand. £ Die kranio-kaudale Orientierung entsteht mit dem Primitivstreifen (von „kaudal“ nach „kranial“) und der Chorda, deren Wachstumsrichtung auf die spätere Kopfregion zeigt. £ Die bilaterale Gliederung erfolgt ebenso mit der Chordabildung, da diese die laterale Organisation des Mesoderms nach sich zieht.

3.5.1.2 Neurulation Neuroektoderm, Neuralrohr (Abb. 3.16). Die Chorda dorsalis induziert Ende der 3. EW in der benachbarten Zone des Ektoderms die Neuroektodermdifferenzierung: £ Die Neuralplatte ist eine Ektodermverdickung,

das Epithel wird durch Zellteilungen hier mehrreihig. £ Die Neuralrinne entsteht als Einsenkung der Neuralplatte in der Mittellinie, welche durch die in der Tiefe eng anliegende Chorda festgelegt ist. Die sie flankierenden, prominent bleibenden Bereiche der Neuralplatte heißen jetzt Neuralwülste. £ Neuralfalten. Die Neuralrinne vertieft sich weiter und die Oberkanten der Neuralwülste (Neuralfalten) werden aufrecht gestellt und drehen sich (im Querschnitt betrachtet) aufeinander zu. £ Neuralrohr. Durch die Verschmelzung der Neuralfalten entsteht das Neuralrohr, die Neuralrinne wird dessen Lichtung. Der Verschluss zum Rohr beginnt in der späteren Halsregion und setzt sich von dort nach kranial und kaudal fort.

3.5 Embryogenese

143 Querschnitt

Aufsicht auf das Ektoderm

Mesoderm Ektoderm

c Entoderm

Chorda dorsalis

paraxiales

intermediäres laterales

Neuralrinne

a

Mesoderm

d

e Neuralrohr

Neuralleiste Somit Nephrotom Oberflächenektoderm

b

f Entoderm

viszerales

parietales

laterales Mesoderm

Abb. 3.16: Neurulation und Mesodermgliederung (modifiziert nach J. Langman), a, b. Ektodermale Aufsichten am 19. bzw. 22. ET mit Schnittebenen von (c) und (f), c–f. Aufeinanderfolgende Transversalschnitte im gleichen Zeitraum: Bildung von Neuralrohr und -leiste (gelb, braun), fortschreitende Untergliederung des intraembryonalen Mesoderms (rosa), f. Das paraxiale Mesoderm hat sich in Somiten segmentiert, die auch in der Aufsicht (b) paramedian erkennbar sind

3 Allgemeine Embryologie

144 Rückenmarkshäute

Rückenmark Haut

Wirbelkörper

a

Spina bifida occulta

Meningozele

Meningomyelozele

Myelozele

b

Abb. 3.17: Spaltbildung der dorsalen Rumpfwand, a. Formen der Spina bifida, b. Meningomyelozele im Lumbosakralbereich eines Neugeborenen

£ Neuroporus cranialis (rostralis) und caudalis

sind die 2 Öffnungen, durch die die Lichtung des Neuralrohrs vor deren vollständigem Schluss noch bis zum 25. (kranial) bzw. 27. ET (kaudal) mit der Amnionhöhle in Verbindung steht.

Neuralleiste. Aus der Naht der sich vereinigenden Neuralwülste koppelt sich beidseits je eine Zellsäule ab. Diese beiden verschmelzen nach dem Absinken des Neurahlrohrs unter das Oberflächenektoderm miteinander zur Neuralleiste. Sie liegt zwischen Neuralrohr und Oberflächenektoderm. Da ihre Zellen sofort in verschiedene Regionen abwandern, ist die Neuralleiste nur kurzzeitig vorhanden (Abb. 3.16 f). Neuralleistenzellen des Kopfbereichs besitzen ein größeres Differenzierungspotenzial als die der Rumpfabschnitte. Sie

können noch nach Neuralrohrschluss in Gehirn und Rückenmark neu entstehen und von dort auswandern.

Oberflächenektoderm. Die nach dem Absinken des Neuralrohrs an der Oberfläche verbleibende Ektodermschicht schließt sich über dem Neuralgewebe und verbleibt als Oberflächenektoderm auf dem sich in der 4.–5. EW bildenden Rumpf (Kap. 3.5.2, S. 148). Neuralrohr und -leiste sind die ersten Organanlagen: £ aus dem Neuralrohr entstehen Gehirn und Rückenmark (ZNS) £ aus der Neuralleiste entstehen peripheres Nervensystem (PNS) sowie andere Zellen und Gewebe (Tab. 3.5).

3.5 Embryogenese

145

a a

b Abb. 3.18: Wirbelsäule im Ultraschall, a. Unauffälliger Befund, b. Sakrale Meningomyelozele (Pfeilkopf).

b

Klinik: Verschlussstörungen des Neuralrohrs oder, nach vollzogenem Neuralrohrschluss, des Mesoderms werden bei Ultraschall-Untersuchungen der Schwangeren (Kap. 3.10.3, S. 171) erkannt. 1. Kaudal manifestieren sie sich als Defekte der dorsalen Rumpfwand (Spina bifida, s. Kap. 8.1, S. 629). Spina bifida totalis: gesamte Wirbelsäule (Rachischisis) und Rückenmark (Myeloschisis) sind gespalten (nicht lebensfähig). Spina bifida partialis: Rückenmark und Wirbelsäule sind abschnittsweise nicht geschlossen, der Defekt kann offen liegen oder mit Haut überzogen sein (Abb. 3.17, 18); mit neurologischen Ausfällen (Lähmungen, Sensibilitäts-, Blasenentleerungsstörungen). Spina bifida occulta: Die Wirbelbögen sind über einem intakten Rückenmark nicht geschlossen, die Haut ist im betroffenen Bereich häufig abnorm behaart; meist neurologisch unauffällig. 2. Kranial entwickeln sich nach ausbleibendem Neuralrohrschluss keine höheren Hirnabschnitte (Anencephalus, Exenzephalie, Abb. 3.19); die Kinder kommen entweder tot zur Welt oder sterben kurz nach der Geburt.

Abb. 3.19: Anenzephalus, a. Ultraschall: Pfeilkopf zeigt auf fetalen Kopf ohne Hirnschädel, b. Totgeborenes ohne Hirnschädel, dazu linksseitige Lippenkiefergaumenspalte

3.5.1.3 Differenzierung des intraembryonalen Mesoderms Das Mesoderm gliedert sich mediolateral (Abb. 3.16): £ Die Chorda dorsalis ist das axiale Mesoderm. £ Paraxiales Mesoderm heißt der direkt seitlich

von Neuralrohr und Chorda gelegene, stark proliferierende Anteil. Aus ihm entstehen die Somiten (Kap. 3.5.1.5, S. 147). £ Seitlich schließt sich das intermediäre Mesoderm (Nephrotome) an, das lateral mit dem £ Seitenplattenmesoderm (laterales Mesoderm), in Verbindung steht. Durch einen Spalt, das intraembryonale Zölom (Kap. 3.5.1.4, S. 146), teilt sich das Seitenplattenmesoderm in Somatopleura (parietales laterales Mesoderm) und Splanchnopleura (Viszeropleura, viszerales laterales Mesoderm). Die Somatopleura liegt dem Oberflächenektoderm innen an, die Splanchnopleura bedeckt das Entoderm. Das Seitenplattenmesoderm geht am Rand der Keimscheibe

146

3 Allgemeine Embryologie

in das extraembryonale Hüllmesoderm, welches Amnionhöhle und Dottersack umkleidet, über.

Chorion frondosum Haftstiel

3.5.1.4 Intraembryonale Leibeshöhle, Zölom Zölom. Nach der Bildung des intraembryonalen Mesoderms erweitern sich in dessen Seitenplattenbereich die Interzellularräume, die zu einem Spaltraum, der Anlage der intraembryonalen Leibeshöhle (Abb. 3.20), zusammenfließen. Diese trennt die ektodermwärts gelegene Somato- von der entodermwärts befindlichen Splanchnopleura. Der Spalt umgibt in der Aufsicht ringförmig (Zölomring) die Verbindung zwischen Dottersack und entstehendem Entodermrohr, ist jedoch nur im kranialen Teil des Embryos vom extraembryonalen Zölom getrennt, weil hier Somato- und Splanchnopleura peripher vereinigt sind. Dieser kraniale, nach außen geschlossene Teil des Zölomrings hat in der Aufsicht Hufeisenform. In der kaudalen Hälfte kommunizieren intra- und extraembryonales Zölom (Zölompforten), da hier Somato- und Splanchnopleura peripherwärts nicht in Kontakt stehen. Zölomsäcke sind die beidseits etwa in Höhe der Kloakenmembran blind endenden kaudalen Abschnitte des Zöloms.

Amnionhöhle sekundärer Dottersack Chorionhöhle

a

b

Perikardhöhle. Der kranial der Prächordalplatte gelegene Scheitelbereich des Hufeisens wird zur Perikard-(Herzbeutel-)höhle, die gemeinsam mit der Herzanlage während der kranialen Abfaltung der Kopffalte auf die Ventralseite des Rumpfes verlagert wird. Sie gelangt vor den Vorderdarm (Abb. 3.23). Über die Zölomkanäle (Perikardioperitonealkanäle) kommuniziert die Perikardhöhle beiderseits des Darmrohrs (Kap. 3.5.2, S. 148) zunächst weiterhin mit dem extraembryonalen Zölom. Die Pleurahöhlen entstehen aus ihrer ersten Anlage, den Zölomkanälen, durch Bildung der Lungenknospen, die aus dem Vorderdarm auswachsen. Diese vergrößern sich stark und „schälen“ aus der Innenseite der Rumpfwand die beiden Pleuroperikardialmembranen „heraus“. Die außen verbleibende Schicht der primären Rumpfwand wächst faltenförmig nach kaudal (Nabelring: Kap. 3.5.2, S. 148) und wird zur definitiven Thoraxwand. Die sich vereinigenden Pleuroperikardialmembranen trennen die Perikardhöhle von der Pleurahöhle ab. Die Peritonealhöhle entsteht aus dem kaudalen, zur Chorionhöhle hin offenen Teil der Leibeshöhle (physiologischer Nabelbruch: Kap. 3.5.3.2, S. 156). Die Pleuroperitonealmembranen teilen im Zuge der Zwerchfellbildung die Zölomkanäle. Aus den beiden oberen Abschnitten werden linke und rechte Pleurahöhle, die unteren gehen in die Peritonealhöhle ein (s. Kap. 11.1.2, S. 905).

Chorion laeve

Anlage der Perikardhöhle

Zölomkanal

c Abb. 3.20: Intraembryonale Leibeshöhle (modifiziert nach G. Tuchmann-Duplessis), a. Einblick in die gefensterte Chorionhöhle (extraembryonales Zölom); der schwarze Pfeil markiert die Hauptschnittebene für (b), b. Verbindung zwischen extra- und intraembryonaler Leibeshöhle (roter Pfeil), c. Ektodermale Aufsicht auf die Keimscheibe, die Ausdehnung des für die weitere Entwicklung relevanten, kranialen Teils der intraembryonalen Leibeshöhle ist rot markiert

3.5 Embryogenese

147

Klinik: Bochdalek-Hernie nennt man den durch das Trigonum lumbocostale (Bochdalek-Dreieck) hindurchtretenden Zwerchfellbruch, er ist durch mangelnden Verschluss der Zölomkanäle bedingt. Schon intrauterin können so Darm, Milz und Leber in den Brustraum verlagert sein.

3.5.1.5 Ursegmente, Somiten Ab Ende der 3. EW gliedert sich das paraxiale Mesoderm beiderseits von Chorda und Neuralrohr longitudinal in Somiten (= Ursegmente). Dies sind zeitweilige embryonale Strukturen und erster morphologischer Ausdruck einer segmentalen Gliederung (Metamerie) des Keimlings. Die metamere Gliederung findet sich trotz Umbaus in der segmentalen Anordnung von Knochen, Muskeln und Spinalnerven des Rumpfes wieder.

Auf- und Umbau. Die Mesenchymzellen des paraxialen Mesoderms aggregieren zu epithelialen Körpern, die einen zentralen Raum (Somitozöl) mit locker darin liegenden Mesenchymzellen enthalten und außen von einer Basalmembran umschlossen sind (Abb. 3.16 f). Die ersten Somiten entstehen im Hinterhauptbereich, die letzten in der Steißregion, während sich die zuerst gebildeten schon wieder auflösen. Da die Somiten das Oberflächenektoderm beidseits des medianen Neuralrohrwulstes vorwölben und so das Äußere des Embryos prägen (Abb. 3.16, 24), werden sie in der 3.–5. EW für die Altersbestimmung herangezogen (Tab. 3.4). Insgesamt entstehen 5 okzipitale, 8 zervikale, 12 thorakale, 5 lumbale, 5 sakrale und bis zu 10 kokzygeale Somiten. Der erste okzipitale und die letzten kokzygealen degenerieren. Die übrigen werden, ebenfalls kranial beginnend, umgebaut, indem der epitheliale Zellverband schrittweise segNeuralrohr

Sklerotom Myotom Dermatom

Chorda dorsalis

Dermatomyotom

dorsale Aorten

Abb. 3.21: Somitenumbau, Transversalschnitt durch den dorsalen Rumpfteil (modifiziert nach B. Christ)

148

3 Allgemeine Embryologie

regiert und die Zellen in verschiedene Richtungen abwandern (Abb. 3.21).

Embryo mit intraembryonalen Gefäßen

£ Sklerotom. Dies sind die ventromedial gelegenen

Zellen, die sich als erste aus den Somiten lösen und als Anlage für Wirbelsäule und Rippen den Raum um die Chorda dorsalis besiedeln. £ Dermatom. Diese Zellen der dorsolateralen Somitenwand bilden die Anlage des subkutanen Gewebes. £ Myotom, Dermatomyotom. Die restlichen, zwischenzeitlich das Dermatom unterlagernden Zellen und mit diesen gemeinsam auch als Dermatomyotom bezeichnet, bilden die Anlage der Skelettmuskulatur von Rumpf und Extremitäten (Myotom).

3.5.1.6 Blutgefäße Blutinseln sind die ersten Blutgefäßanlagen, die in der 3. EW zunächst im Hüllmesoderm des Dottersacks entstehen. Aus den peripher gelegenen Mesodermzellen dieser Inseln entstehen endothelbildende Zellen, aus den zentralen die primitiven Blutzellen. Dann erscheinen im Chorion- und Haftstielmesoderm Blutinseln sowie noch vor den ersten Somiten auch intraembryonal, erst in der Splanchno-, dann in der Somatopleura. Die Blutinseln bilden durch Aussprossung und Verschmelzung miteinander Endothelrohrnetze. Die diesen primitiven Gefäßen anliegenden Mesenchymzellen liefern Muskel- und Bindegewebszellen der definitiven Gefäßwände. Das intraembryonale Gefäßsystem (Abb. 3.22) steht über £ Dottersackgefäße mit der Dottersackwand und

über £ Nabelschnur- (Umbilikal-)gefäße mit der Plazenta in Verbindung (Kap. 3.7.7, S. 165). Diese gehen primär aus Allantoisgefäßen hervor (Allantoisplazenta, Kap. 3.5.1.1, S. 140). Die Herzanlage entsteht in der kardiogenen Zone rostral der Prächordalplatte durch Vereinigung zweier Endothelschläuche zum Herzrohr. In der 3. EW kommuniziert dieses mit dem intraembryonalen Gefäßsystem und in der 4. EW beginnt es mit einer Frequenz von 120–160 pro Minute zu schlagen, wodurch die Blutzirkulation einsetzt.

Plazenta

Herz

Dottersack mit Dottersackgefäßen

Nabelschnur mit Nabelschnurgefäßen

Abb. 3.22: Embryonale Gefäßsysteme (modifiziert nach J. Langman)

Klinik: Um die 20. SSW sind die Herztöne i. d. R. wahrnehmbar. Stellung des Rückens, Abstand des kindlichen Herzens von der Bauchdecke, Bauchdeckendicke, Fruchtwassermenge bestimmen den Zeitpunkt. Über pränatalen Kreislauf s. Kap. 2.3.1.3, S. 51.

3.5.2 Vierte Entwicklungswoche (4. EW): Abfaltungen, Embryonalkörper Aus der scheibenförmigen Embryonalanlage wird in der 4. EW ein walzenförmiger Rumpf: £ in der Sagittalebene erfolgt eine kraniokau-

dale,

£ in der Transversalebene eine bilaterale

Abfaltung (Krümmung).

Beide Abfaltungen werden durch aktive Verformung epithelialer Zellverbände (Ektoderm, Entoderm, Somiten) und durch unterschiedliche Wachstumsintensität benachbarter Gewebeblöcke bewirkt.

Abfaltungen (Abb. 3.23). Nach Beginn der Somitenbildung verdoppelt der Embryo innerhalb weniger Tage seine Gesamtlänge, woran das Neuralrohr einen dominierenden, das Entoderm einen geringen Anteil hat: kraniales und kaudales Ende des Neuralrohrs überragen deshalb als Kopf- bzw. Schwanzfalte in der Seitenansicht Entoderm und Dottersack.

3.5 Embryogenese

149 Laterale Abfaltung

Kraniokaudale Abfaltung

Prächordalplatte Amnionhöhle

a Kloakenmembran

Perikardhöhle

Dottersack

e

Haftstiel

b

Allantois Rachenmembran (Prächordalplatte)

Schwanzfalte

c

f

Kopffalte Mitteldarm

Vorderdarm

Dottergang

Hinterdarm

d

Peritonealhöhle

g

Darmrohr

primäre Mundhöhle Perikardhöhle

Abb. 3.23: Abfaltungen (modifiziert nach J. Langman), a-d. Kraniokaudale Abfaltung in Sagittalschnitten, e-g. Laterale Abfaltung in Transversalschnitten. Die schwarzen Pfeile zeigen die Verformungsrichtungen an. Im Bereich der Peritonealhöhle (d, roter Doppelpfeil) kommunizieren intra- und extraembryonale Leibeshöhle durch den sich verengenden Nabelring (= Distanz zwischen den beiden schwarzen Pfeilen in d (s. Abb. 3.24)

£ Durch die kraniokaudale Abfaltung entstehen

und Allantois, die ihren Ansatz am kaudalen Ende der Keimscheibe hatten, ebenfalls auf die Ventralseite gedrängt werden.

Mit der Kopffalte gelangt auch der vor der Prächordalplatte befindliche Teil des Mesoderms auf die Ventralseite des Entoderms zu liegen, in dessen viszeralen Teil sich das Herz entwickelt. Die Abfaltung der Schwanzfalte bewirkt, dass Haftstiel

Die Proliferation des paraxialen Mesoderms und seine Segmentierung zu den Somiten bringen ein Einschwenken der lateralen Ränder der Keimscheibe ebenfalls nach ventral mit sich.

Kopf- und Schwanzfalte und werden in der 4. EW nach ventral gedreht.

3 Allgemeine Embryologie

150

£ Diese laterale Abfaltung bewirkt zusammen mit

der kraniokaudalen, dass die ehemalige Scheibe in der 4.–5. EW die Form eines mit einer Ausnahme (Nabelring, s. u.) allseitig geschlossenen, röhrenförmigen Körpers annimmt.

Darmrohr. Durch Längenzunahme und Abfaltungen der Keimscheibe entsteht aus dem zunächst planen Entoderm das embryonale Darmrohr. Dieses steht in seinem mittleren Abschnitt mit dem Dottersack in zunächst breiter Verbindung, faltet sich jedoch zunehmend von diesem ab. Der Dottersack verbleibt somit außerhalb des Embryonalkörpers.

£ Vorderdarm. Dieser ist in der Kopffalte gelegen

und wird durch die Rachenmembran (ehem. Prächordalplatte) gegenüber der primären Mundhöhle (Stomodeum) verschlossen. Die Rachenmembran reißt bald ein, so dass primäre Mundhöhle und Vorderdarm kommunizieren (Abb. 3.23 d). £ Hinterdarm. Entsprechend bildet sich kaudal der Hinterdarm, der an der Kloakenmembran endet. £ Mitteldarm. Das intraembryonale Entodermrohr steht hier über den Dottergang (Ductus omphaloentericus, Ductus vitellinus) in Verbindung

Schlundbögen

Herzwulst

Dottersack

Nabelschnur

Allantois

a

b

c Scheitelbeuge Nackenbeuge

Schwanzknospe

Nabelring

d

e

f

Abb. 3.24: Ausbildung der embryonalen Körperform zwischen 4. (a) und 7. EW (f; modifiziert nach J. Langman). Von (b) nach (c), in der 4. EW erfolgen Bildung und Verengung des Nabelrings am Ansatz der Nabelschnur (blau). Markierungen in (f) illustrieren Messpunkte zur Bestimmung der Scheitel-Steiß-Länge (s. Abb. 3.38)

3.5 Embryogenese

151

mit dem Dottersack. Beide Abfaltungen engen diese im Nabelring liegende Verbindung allseits ein. Am Nabelring (Abb. 3.24) gehen Amnionepithel und Oberflächenektoderm, die spätere Epidermis, ineinander über. Er enthält £ Dottergang, Nabelschnurgefäße und Allantois.

Durch ihn kommunizieren weiter intra- und extraembryonales Mesoderm sowie intra- und extraembryonale Abschnitte der Leibeshöhle. Letztere Kommunikation ermöglicht den physiologischen Nabelbruch (Kap. 3.5.3.2, S. 156).

Nach Rückbildung des physiologischen Nabelbruchs engen 4 ringförmig miteinander verbundene Falten den Nabelring zum Nabelschnuransatz ein: eine obere und eine untere (von der kraniokaudalen Abfaltung herrührend) sowie je eine laterale (durch die laterale Abfaltung).

Diese Falten besitzen einen viszeral-mesodermalen Anteil für Herz, Darmwand (außer Epithel) und viszerale Blätter von Perikard, Pleura und Peritoneum sowie einen parietal-mesodermalen Anteil für Muskulatur, Bindegewebe und parietale seröse Häute der vorderen und seitlichen Rumpfwand. £ Die obere Falte liefert das Material für die Vor-

derwand des Thorax und des Oberbauchs sowie für Zwerchfellanteile. £ Die untere Falte bildet die Wand des Unterbauchs. £ Die beiden lateralen Falten bauen die seitliche Bauchwand auf. Klinik: Defekte der ventralen Rumpfwand (s. Kap. 11.1.2.5, S. 916): 1. Nabelschnurbruch (= Omphalozele; Abb. 3.25): Ziehen sich die Darmschlingen nicht um die 13. SSW in die

Bauchwand

Amnion Darmschlingen

Nabelschnur

b a

c

d

Abb. 3.25: Nabelschnurbruch, a. Schema, b. Ultraschall: physiologischer Befund in der 10. EW (Pfeilkopf), c. Großer Bruchsack (Ultraschall): rechte Markierungen umfassen den fetalen Rumpf; die linken zeigen auf den Hautrand, dazwischen Bruchsack, teils außerhalb der fetalen Bauchhöhle gelegen, d. Neugeborenes mit kleiner Omphalozele. Bruchinhalt (Pfeilkopf) in der Nabelschnur (Stern) von Amnion umgeben

3 Allgemeine Embryologie

152

Abb. 3.26: Gastroschisis. Die durch einen kleinen Bauchwanddefekt rechts der Nabelschnur ausgetretenen Darmschlingen (nicht von Amnion bedeckt) sind wegen mechanischer Stenose teils erweitert a

Abb. 3.27: Epispadie I. Offenliegende Urethra (Pfeilkopf; Stern: Glans penis)

b

Abb. 3.28: Epispadie III (komplette Ekstrophie), a. Neugeborenes (Stern: Blasenhinterwand, Pfeile: Ureteröffnungen, Pfeilkopf: Glans penis), b. Nach Rekonstruktion im Knabenalter

Abb. 3.29: Kloakale Ekstrophie, Beckengürtel ventral nicht geschlossen (3D-Rekonstruktion nach SpiralComputertomogramm; Stern im Spalt zwischen den nicht in einer Symphyse vereinigten Schambeinen)

3.5 Embryogenese

Leibeshöhle zurück (Kap. 3.5.3.2, S. 156), bleiben sie im Nabelschnurzölom liegen, sie sind von Amnion bedeckt. 2. Sternumspalte und Zwerchfelldefekte entstehen durch mangelhafte Ausbildung der oberen Falte. 3. Gastroschisis (= Laparoschisis; Abb. 3.26): Fehlende Vereinigung (meist) der rechten Bauchfalte mit oberer und unterer Falte. Die asymmetrische Häufigkeit ist durch fehlende Stützung der degenerierenden rechten (im Gegensatz zur linken, definitiven) Nabelvene bedingt. Der Bruchsackinhalt ist nicht von Amnion überzogen (Unterschied zur Omphalozele) und liegt rechts neben dem Nabel: Darm, Harnblase, innere weibliche Genitale (im Gegensatz zur Omphalozele nie die Leber). 4. Blasenekstrophie (= Spaltblase): mangelnde Mesodermeinwanderung zwischen Blasenanlage und Oberflächenektoderm; 3 partielle Formen: Epispadie I (Abb. 3.27) – offene Harnröhre; Epispadie II – offener Beckengürtel, geschlossene Bauchdecke; Epispadie III (Abb. 3.28) – geschlossener Nabel, darunter offene Harnblase. Komplette Blasenekstrophie: Offene Bauchdecke bis zum Nabel, Harnblasenschleimhaut liegt darunter frei. 5. Kloakale Ekstrophie (Abb. 3.29): offener Beckengürtel, Zweiteilung der offenen Harnblase („hemibladders“), dazwischen Darmschleimhaut. 6. Urachusfisteln sind durchgängige Allantoisgangabschnitte, sie öffnen sich zu Harnblase oder Nabel oder verbinden als komplette Fistel Harnblase und Nabel.

3.5.3 Formentwicklung bis zur 8. Entwicklungswoche (5.–8. EW) 3.5.3.1 Kopf-Hals-Region Kopfmesoderm (Kopfmesektoderm, -mesenchym) entstammt zum größeren Teil nicht dem Primitivstreifen. Quellen für Binde- und Stützgewebe sowie Muskulatur des Kopfes sind: 1. okzipitale Somiten, 2. präotisches paraxiales Mesoderm, das sich im Gegensatz zum postotischen (kaudal der Ohrplakode gelegenen) nicht in Somiten gliedert, 3. Neuralleiste und 4. Entoderm der Prächordalplatte.

153

Seitliche Kontur (Abb. 3.24). Die aus dem kranialen Teil des Neuralrohrs entstehende Gehirnanlage ist formprägend für die Kopfregion des Embryos. In der 4. EW entstehen die £ Scheitelbeuge, der dorsalwärts konvexe Winkel

zwischen den beiden primären Hirnbläschen Pros- und Rhombenzephalon, die £ Nackenbeuge, die ebenfalls dorsalwärts konvexe Krümmung zwischen Rhombenzephalon und Rückenmark sowie die £ Brückenbeuge, die nach ventral konvex ist und zwischen den beiden o. g. unter der Körperoberfläche liegt. Die Scheitelbeuge wird als Markierung für Längenmessungen des Embryonalkörpers genutzt (Abb. 3.38).

Schlundbögen (Pharyngealbögen, Viszeralbögen, Kiemenbögen). Die Kopf-Hals-Übergangsregion weist in der 4.–5. EW eine eigene, ursprüngliche metamere Gliederung auf. Diese kommt durch 5 Paare von Schlundbögen (1.–4. und 6.) zustande, von denen äußerlich die obersten 4 sichtbar werden. Sie umgeben den obersten Teil des Vorderdarms und sind gegeneinander außen durch Schlundfurchen, innen durch Schlundtaschen abgesetzt (Abb. 3.24). Gesichtswülste treten in der 4. EW in der Umgebung der Mundbucht in Erscheinung. Der Stirnnasenwulst ist unpaar, der Oberkieferwulst und der Unterkieferwulst paarig. Die Mundbucht wird in der Tiefe vorübergehend von der Rachenmembran (ehem. Prächordalplatte) gegenüber dem Vorderdarm verschlossen. Die Wülste verstreichen nach Umbau in der 6.–7. EW (Gesichtsentwicklung, Kap. 4.13.4.1, S. 299). Sinnesplakoden sind Ektodermverdickungen, aus denen Teile von Sinnesorganen, Sinnes- oder periphere Nervenzellen entstehen: £ Riechplakoden unterteilen den Stirnnasenwulst

und werden als Riechepithel in die Tiefe verlegt, dabei erfolgt eine relative Wanderung von lateral nach medial. £ Linsenplakoden entstehen nach Induktion durch die dienzephalen Augenbläschen, die Augenanlagen wandern von lateral nach vorn. £ Ohrplakoden als Anlagen des Innenohrs verlagern sich von kaudal (1. Schlundfurche) nach kranial.

154

3 Allgemeine Embryologie

Tabelle 3.4: Carnegie-Stadien (s. Kap. 3.10.2, S. 170) sind durch morphologische Merkmale (2 rechte Spalten) definiert. Die Stadienzuordnung zu Ovulationsalter und Größenentwicklung des Embryos (2 linke Spalten) ist variabel und hat orientierenden Charakter Ovulationsalter (EW)

Länge des Embryos (mm)

CarnegieStadium

Merkmale des Embryoblast

0,1

1

Befruchtung, Zygote

2

Morula (2-Zellen- bis 16-Zellen-Stadium)

3

freie Blastozyste

1

Merkmale des Trophoblast

4

beginnende Implantation

5

a: solider Synzytiotrophoblast b: lakunärer Synzytiotrophoblast c: Eröffnung mütterlicher Gefäße, utero-plazentarer Kreislauf, Abschluss der Implantation

2

0,2

6

extraembryonales Mesoderm b: Primitivstreifen

a: Primärzotten, Haftstiel, Chorionhöhle

0,4

7

Chordafortsatz, intraembryonales Mesoderm, Canalis neurentericus, Blut- und Gefäßbildung

Sekundärzotten, äußere Zytrophoblasthülle

1

8

Primitivgrube, Neuralfalten

1–2

9

1–4 Somiten (20. ET), Herzanlage

2–3

10

Beginn Neuralrohrschluss, 2 Schlundbögen, Augenbläschen, 7–10 Somiten (22. ET), 13–17 Somiten (24. ET)

11

Schluss des Neuroporus cranialis, Armknospen, 3 Schlundbögen, 20–23 Somiten (26. ET)

12

Schluss des Neuroporus caudalis, Herzkontraktionen, 26–29 Somiten (28. ET)

13

Beinknospen, 4 Schlundbögen, Ohrbläschen, 34–35 Somiten (30. ET)

14

Linsenplakode und -grube

15

Handplatte, Linsenbläschen, Hirnbläschen

16

Fußplatte, Retinapigment

17

Beginn des physiologischen Nabelbruchs, Fingerstrahlen

13–17

18

Genitalhöcker, Mamillen, Knie, Flexion im Ellenbogen, Pronation der Hand

16–20

19

Fingerknospen, Dorsalflexion des Fußes, Rumpf verlängert und streckt sich Zehenknospen, Hände, Füße nähern sich einander, Nase, Augenlider

erste ausbleibende Menstruation

3

4

4–5

6–7 5

6

8–10

zweite ausbleibende Menstruation

7

20

8

24–30

21

Ohrmuschel deutlich

22

Zehen getrennt, Augenlider bedecken Bulbus, Schwanzknospe rückgebildet

23

Cochlea mit 1,5 Windungen, prominenter Unterkiefer, Rumpf, Extremitäten ausgebildet

Ausweitung der Chorionhöhle, Tertiärzotten

3.5 Embryogenese

155

Tabelle 3.5: Embryonale Quellen ausgewählter Gewebe und Organe (Keimblattderivate) Ektoderm

Mesoderm

Oberflächenektoderm

• Epidermis einschl. Haare, Nägel, Drüsen · • Epithelien von Mund- und Nasenhöhle, After, äußerem Gehörgang· • Adenohypophyse· • Zahnschmelz· • Linse und Hornhaut des Auges • Innenohr

Neuralrohr

• Rückenmark, Gehirn einschl. Hirnnerven I, II, Retina, Neurohypophyse· • M. dilatator pupillae

Neuralleiste

• M. ciliaris, M. sphincter pupillae· • sensible Anteile der Hirn- und Spinalnerven, periphere Ganglien des Autonomen Nervensystems einschl. Glia, enterisches Nervensystem· • Schädelknochen, Knorpel und Bindegewebe des Kopfes· • Dentin und Zement der Zähne· • Gefäßmuskulatur und Dermis des Kopfes· • C-Zellen der Schilddrüse· • Nebennierenmark · • Melanozyten der Haut

Chorda dorsalis

• Nucleus pulposus der Bandscheiben

paraxial

• präotisch: äußere Augenmuskeln, Muskeln der Pharyngealbögen· • Somiten: Rumpfskelett; Skelettmuskulatur von Rumpf, Extremitäten, Zunge; Dermis und Subkutis außer Kopf

intermediär

• Harnorgane: Niere, Nierenbecken, Ureter, Trigonum vesicae der Harnblase · • innere Geschlechtsorgane ohne Keimzellen

lateral viszeral (Splanchnopleura; Viszeropleura)

• Bindegewebe und Muskulatur von Magen-Darm-Kanal, Bronchialbaum, Leber, Pankreas· • Herz · • viszerale Blätter von Perikard, Peritoneum, Pleura • Milz

lateral parietal (Somatopleura)

• • • •

Bindegewebe der ventralen Rumpfwand, Sternum· Bindegewebe, Knorpel und Knochen der Extremitäten· parietale Blätter von Perikard, Peritoneum, Pleura Nebennierenrinde

Entoderm

• Epithelien des Magen-Darm-Kanals einschl. Gallengänge, Leber, Pankreas · • Bronchial- und Alveolarepithel der Lunge · • Epithel der Harnblase außer Trigonum vesicae, Harnröhre· • Pharyngealtaschen und angrenzendes E.: Mittelohr, Tonsilla palatina, Glandulae parathyroideae, Thymus, Glandula thyroidea

Dottersack

• Keimzellen

3 Allgemeine Embryologie

156

In der 8. EW beginnt der Kopf sich gegenüber dem Rumpf aufzurichten, das Kinn wird prominent (Spitzgesicht), der Herz-Leber-Wulst wandert relativ nach kaudal und eine Halskontur wird an der Kopf-Rumpf-Grenze erkennbar. Proportion. Der Kopf des Keimlings ist die bis zur 8. EW am schnellsten wachsende und sein Äußeres dominierende Region und nimmt ein: £ in der 11. SSW (9. EW) die Hälfte der Fetal-

länge

£ in der 15. SSW ein Drittel der Länge £ zur Geburt ein Viertel der Länge £ im Erwachsenenalter ein Achtel der Gesamtkör-

perlänge.

£ die Extremitätenabschnitte mit den gelenk-

typischen Knickungen entwickeln sich aus den Extremitätenknospen, £ der Herz-Leber-Wulst, der seit der kraniokaudalen Krümmung den Kopf auf der Ventralseite unterlagert hat, bildet sich bis zur 8. EW zurück. Physiologischer Nabelbruch (Abb. 3.25). Darmschlingen, die wegen ihres starken Längenwachstums in der erst später expandierenden Leibeshöhle keinen Platz finden, weichen in der 6. EW in den Zölomspalt der Nabelschnur aus, von wo sie sich in der 11. EW (13. SSW) wieder in die Bauchhöhle zurückziehen (Kap. 3.5.3.2, S. 156).

3.5.3.2 Rumpf

3.5.4 Übersicht über Blasto- und Embryogenese

Nach 7–8 EW ist eine äußerliche Identifikation des Embryos als menschliche Leibesfrucht durch Änderungen von Kopf-, Hals- und Rumpfform möglich (Abb. 3.24):

Carnegie-Stadien. Tab. 3.4 gibt Entwicklungsschritte wieder, die Grundlage der 23 CarnegieStadien sind (Kap. 3.10.2, S. 170), und ordnet sie zeitlich zu.

£ die Schwanzknospe bleibt im Wachstum zurück

Gewebe- und Organquellen nennt Tabelle 3.5.

und verschwindet,

Tabelle 3.6: Fetalentwicklung: 3. Monat (11.–14. SSW) bis 10. Monat (39.–42. SSW) SSW

Länge (cm) SSL SFL

Gewicht (g)

Äußere Kennzeichen

11–14

4–7

10–25

• • • •

15–18

8–12

50–200

• Vernix caseosa • Lanugobehaarung • Zehennägel erkennbar

19–22

9–14

200–350

• Kindsbewegungen durch Mutter wahrnehmbar • Geschlechtsbestimmung per Ultraschall möglich (äußere Genitalien: Abb. 3.30)· • Herztöne auskultatorisch wahrnehmbar

Gesicht „menschlich“ Augen rostral, Ohren lateral Knochenkerne in langen Röhrenknochen Rückbildung des physiologischen Nabelbruchs

23–26

28–31

450–850

• runzlige Haut, kein Unterhautfettgewebe

27–30

34–37

1000–1400

• Entwicklung des subkutanen Fettgewebes, rundliche Oberfläche des Feten· • Augenlider

31–34

40–43

1600–2250

• Haut glatt, ohne Behaarung • Fingernägel erreichen Fingerkuppen

35–38

45–47

2550–3100

• Hoden männlicher Feten meist im Scrotum (Abb. 3.30b)· • Kopf hat größten Durchmesser des Körpers

9–42

50

3250–3400

3.6 Fetogenese, Geburt, Reifezeichen

3.6

157

Fetogenese, Geburt, Reifezeichen

Lernziele: Größenentwicklung des Feten, Reifezeichen, Geburt, Geburtsphasen, Wehen

3.6.1 Fetogenese Auf Grund des Fehlens kurzfristiger, markanter morphologischer Veränderungen des Fetus existiert für die Wachstums- und Reifungsprozesse während der Fetogenese kein den Carnegie-Stadien der Blasto- und Embryogenese analoges Einteilungssystem (Tab. 3.6, Abb. 3.30). Hautmerkmale. Die Lanugo- oder Flaumbehaarung wird postnatal durch Terminalbehaarung ersetzt. Die Haut ist zunächst wegen des Fehlens von Unterhautfettgewebe rötlich und runzlig, nach Tabelle 3.7: Haase-Regel. Man quadriert vom 3.–5. Monat die Monatszahl und multipliziert ab dem 6. Monat die Monatszahl mit „5“. Das Ergebnis ist die ungefähre Größe des Feten. Ende des Monats

Schätzung

Größe (cm)

3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

3×3 4×4 5×5 6×5 7×5 8×5 9×5 10 × 5

9 16 25 30 35 40 45 50

dessen Ausbildung im letzten Schwangerschaftsdrittel führt dies zu rundlichen Rumpf- und Extremitätenformen. Eine Talg- und Fettschicht (Vernix caseosa) bedeckt gegen Ende der Schwangerschaft als Produkt der sich entwickelnden Talgdrüsen die Haut. Die Haase-Regel (Tab. 3.7) ermöglicht eine Schätzung der Größenentwicklung des Feten, die sonographisch (Kap. 3.10.3, S. 171) genauer bestimmt werden kann.

3.6.2 Geburt Geburt ist die Ausstoßung des Fetus aus dem Mutterleib durch Wehentätigkeit. Die Auslösung des Geburtsvorgangs ist komplex und weitgehend ungeklärt. Hormone der fetalen Hypophyse und Nebennierenrinde scheinen an der Induktion beteiligt zu sein, das mütterliche Hypophysen-Hormon Oxytocin bewirkt daraufhin die Wehen. Wehen sind schmerzhafte Kontraktionen der Gebärmuttermuskulatur am Ende der Schwangerschaft und unter der Geburt; Dauer: 20–60 Sek. Einteilung nach £ zeitlichem Auftreten: Vor-, Eröffnungs-, Austrei-

bungs-, Nachgeburts-, Nachwehen

£ Funktion: Senk-, Stellwehen.

a

b

Abb. 3.30: Sonographische Geschlechtsbestimmung im 3. Trimenon, a. Weibliches Genitale (Pfeilköpfe: große Schamlippen), b. Männliches Genitale (Pfeil: Penis; links daneben Umriss des Hodensacks mit den beiden Hoden)

158

3 Allgemeine Embryologie

Wehen bestehen beim geburtsbereiten Uterus aus 4 Phasen: 1. Kontraktion (beginnend im Fundus), 2. Retraktion (aktives Zurückziehen der Uteruswand über den vorangehenden Kindsteil), 3. Distraktion (passive Erweiterung des unteren Uterinsegmentes), 4. Dilatation (passive Dehnung und Eröffnung des Muttermundes). Die Grenze zwischen oberem aktiven und unterem passiven Uterusteil ist ein Kontraktionsring (Bandl-Furche, wenn unter der Geburt tastbar), dessen Position bei zunehmender Dehnung des unteren Uterusteils nach oben steigt.

lich eingeleitet werden, da wegen des Fehlens höherer Hirnabschnitte hypophyseale Signale des Feten ausbleiben. 2. Der große Kopf beim Hydrocephalus (= Wasserkopf) ist ein Geburtshindernis. Besonders bei Schädellage, weniger bei Beckenendlage droht eine Uterusruptur. 3. Krampfwehen (→ Dauerkontraktionen der Uterusmuskulatur) sind wegen der verminderten Durchblutung der Plazenta für den Fetus gefährlich. 4. Nachgeburtsblutungen kommen durch einen atonischen, stark dilatierten Uterus zustande.

3 Geburtsphasen werden unterschieden: 1. Eröffnungsphase: Die Cervix uteri entfaltet sich, die Fruchtblase (Kap. 3.7.6; S. 163) wölbt sich vor und erweitert den Muttermund. Durch den folgenden Fruchtblasensprung fließt das Fruchtwasser ab.

3.6.3 Reifezeichen des Neugeborenen

2. Die Austreibungsphase ist (bezogen auf Einund Ausgangsebene des kleinen Beckens) durch Eintritt, Durchtritt und Austritt gekennzeichnet. Sie wird entscheidend von der intrauterinen Lage des Feten beeinflusst.

Körperliche Kriterien sind

3. In der Nachgeburtsphase erfolgen Abnabelung, Lösung der Plazenta von der Spongiosa des Endometriums sowie Abstoßung von Plazenta und Fruchthüllen. Tonische Uteruskontraktionen verschließen die Spiralarterien, was Blutungen reduziert. Klinik: 1. Beim Anencephalus (Abb. 3.19, Kap. 3.5.1.2, S. 142) muss die Geburt künst-

3.7

Die Reifebeurteilung anhand von Reifezeichen gibt Auskunft über kindliche Körpermerkmale und darüber, ob ein (unreifes) Frühgeborenes vorliegt. £ £ £ £ £ £ £ £ £ £ £

Größe (≥ 48 cm), Geburtsgewicht (≥ 2500 g), Schulterumfang größer als Kopfumfang, Hautdurchsichtigkeit, Vollständigkeit und Form des Ohrknorpelgerüsts, Fußsohlenfältelung, Brustdrüsendurchmesser (10 mm), Brustwarzendifferenzierung, Fingernagellänge (sie erreichen oder bedecken Fingerkuppen), Kopfhaardifferenzierung und Reife des Genitale (Labienschluss, Descensus testis).

Mutterkuchen, Placenta, Fruchthüllen ab 3. EW

Lernziele: Placenta: Zotten, Teile, Schichten, Schranke, Reifung, Funktionen; Chorion, Fruchthüllen, Fruchtwasser, Nabelschnur Die Placenta ist ein auf Zeit angelegtes, scheibenförmiges Ernährungsorgan, das kontinuierlich wächst und sich differenziert, so dass in jedem Entwicklungsstadium die aktuellen Ernährungsbedürfnisse des Keimlings befriedigt werden.

3.7.1

Entstehung der Plazentazotten

Plazentazotten sind embryo/fetale, synzytiumüberzogene Gewebebäume, die in einem von mütterlichem Blut durchströmten Lakunensystem (→ intervillöser Raum, Kap. 3.7.2, S. 159) flottieren. Ende der 2. EW hatte durch die Eröffnung mütterlicher Gefäße der uteroplazentare Kreislauf in den synzytialen Lakunen begonnen (Kap. 3.4.2.1,

3.7 Mutterkuchen, Placenta, Fruchthüllen ab 3. EW

S. 136). Die zunächst irregulär angeordneten Synzytiumbalken ordnen sich räumlich um und erhalten einen Bindegewebekern mit embryonalen Blutgefäßen: • Trabekel (Abb. 3.31) sind radiär orientierte Synzytiumbalken. • Primärzotten entstehen in der 2. EW durch Einwachsen von Zytotrophoblastzellen in das Innere der Trabekel. Sie besitzen außen einen Synzytiotrophoblast-Überzug, innen einen Zytotrophoblastkern. • Sekundärzotten (Chorionzotten) entstehen durch Einwachsen von Chorionmesenchym in den Zytotrophoblastkern und bestehen von außen nach innen aus Synzytium, Zytotrophoblast, Basalmembran, Chorionmesenchym. • Tertiärzotten enthalten extraembryonale Blutgefäße, die ab der 3. EW im Mesenchymkern entstehen. Nach Anschluss dieser Gefäße an den sich entwickelnden intraembryonalen Kreislauf in der 4. EW kann der Stofftransport von der Placenta zum Embryo über das Blut erfolgen, so wird die bis dahin dominierende Diffusion als Transportmodalität ersetzt. Äußere Zytotrophoblasthülle. Während Mesenchym und Blutgefäße in den Tertiärzotten ihre definitive Position erreichen, proliferiert der Zytotrophoblast weiter in Richtung Dezidua. Er erreicht diese maternale Schicht und umwächst das embryonale Synzytium auf dessen äußerer, dezidualer Oberfläche in der 3. EW. Bis auf Reste, die als Inseln in der Dezidua liegen bleiben, verliert der Synzytiotrophoblast seinen direkten Kontakt mit dem mütterlichen Gewebe: die äußere Zytotrophoblasthülle trennt beide fortan. Der Infiltrationsprozess des Synzytiums ist damit beendet, die Placenta vergrößert sich fortan nur noch durch Verdrängungswachstum. Durchdringungszone ist die fetomaternale Grenzschicht mit einer Vermischung von Zytotrophoblast- und Deziduazellen.

Chorion frondosum, Chorion laeve. In der 2.–3. EW war die Entwicklung der Trabekel und Zotten am embryonalen Pol ausgeprägter als am übrigen Umfang der Trophoblasthülle. Dieser Unterschied verstärkt sich, indem Verzweigung und Ausreifung der Zotten nur am embryonalen Pol erfolgt. Hier entsteht das Chorion frondosum (Zottenchorion),

159

abembryonal das Chorion laeve (Chorionglatze). Bis zum Ende der Embryonalperiode bilden sich hier die Zotten zurück (Abb. 3.20). Aus dem Chorion frondosum und anliegendem mütterlichen Gewebe bildet sich die Placenta (Kap. 3.7.3, S. 161), das Chorion laeve beteiligt sich gemeinsam mit der mütterlichen Dezidua am Aufbau der Fruchthüllen (Kap. 3.7.6, S. 163).

3.7.2

Plazentareifung, Plazentaschranke

Plazentareifung. Durch Zottenwachstum (Vergrößerung der Austauschoberfläche) und Zottenreifung (Verkürzung der Austauschstrecke: Plazentaschranke) deckt die Plazenta den wachsenden Bedarf an Austauschkapazität im Schwangerschaftsverlauf. Zottenwachstum, intervillöser Raum. Zotten sprossen ständig aus, wachsen in die Länge und verzweigen sich. Das Lakunensystem wird so zu einem Spaltensystem (→ intervillöser Raum). £ Stammzotten gehen aus der Chorionplatte hervor

und sind über Haftzotten mit der Basalplatte verbunden (Kap. 3.7.3, S. 161). Nach histologischem Bau und resultierender Beteiligung an Austauschprozessen unterscheidet man weiter: £ unreife Intermediärzotten mit reichlichem Mesodermkern, £ reife Intermediärzotten (verstärktes Längenwachstum und Schlängelung der Kapillaren), die im letzten Drittel der Schwangerschaft vermehrt entstehen sowie £ Terminal- oder Endzotten, in denen sich die Kapillaren des Synzytium teils in den mütterlichen Blutraum vorwölben (Durchmesser: 50 µm). Die meist erweiterten Kapillaren (Durchmesser 10–50 µm) machen über die Hälfte der Querschnittsfläche der Zotten aus. Die fetomaternale Austauschstrecke (Plazentaschranke, s. u.) umfasst ≥ 25–30 nm, durchschnittlich 2–5 µm. Hofbauer-Zellen. Der Reiz für vermehrte Zottenproliferation ist relativer Sauerstoffmangel in Nähe der Rückflusszonen des mütterlichen Blutes in die Venen, weswegen in diesen Bereichen die meisten Terminalzotten anzutreffen sind. V. a. im Mesenchymkern der Intermediärzotten häufig anzutref-

160

3 Allgemeine Embryologie Plazenta

Lakunen

Entwicklung

Zottenquerschnitte

Histotrophe Hämatotrophe

Synzytiotrophoblast Zytotrophoblast

Trabekel, Primärzotten

a Primärzotte

Sekundärzotten

Tertiärzotten

extraembryonales Mesoderm

äußere Zytotrophoblasthülle

b Sekundärzotte

Zottenverzweigungen Zottengefäße

Amnionanlagerung (Obliteration der Chorionhöhle)

c Tertiärzotte (jung)

Langhanszellen (Zytotrophoblast) Reduktion der Plazentaschranke

d reife Zotte

Amnion Endometrium

Synzytio- und Zytotrophopblast

intervillöser Raum

Plazentagefäße

extraembryonales Mesoderm

Abb. 3.31: Plazentaentwicklung ab. lakunärem Stadium des Synzytiotrophoblasten (modifiziert nach Grays Anatomy und J. Langman), a–d. Zottenentwicklung und Reduktion der Plazentaschranke: Doppelpfeile bezeichnen den minimalen Austauschweg der Blutinhaltsstoffe

3.7 Mutterkuchen, Placenta, Fruchthüllen ab 3. EW

fende, makrophagenartige Hofbauer-Zellen sezernieren Faktoren, die für die Bindegewebs- und Gefäßproliferation unverzichtbar sind. Synzytialknoten sind kernreiche, zytoplasmatische Vorwölbungen des Synzytiotrophoblast, die sich ablösen und über die venösen Abflüsse des intervillösen Raumes in den mütterlichen Kreislauf gelangen können. Fibrinoid (Abb. 3.32), fibrinähnliches Material, gehört zum histologischen Erscheinungsbild von Plazenten verschiedener Altersstufen. Es kann sich in der Chorionplatte (Langhans-Fibrinoid), auf der Oberfläche der Basalplatte (Rohr-Fibrinoid) oder in der Tiefe der Basalplatte in der Kontaktzone zwischen mütterlichem und fetalem Gewebe (Nitabuch-Fibrinoid) ansammeln. Fibrinoid wird als degeneratives Produkt gedeutet.

Plazentaschranke (Abb. 3.31 c, d) nennt man die Mindestsumme der biologischen Trennschichten zwischen mütterlichem und fetalem Blut, die durch Austauschstoffe überwunden werden muss. Die Passage von Stoffen durch die Plazentaschranke hängt ab von der Molekülgröße der Teilchen, ihrer Eiweißbindung, der Lipidlöslichkeit, dem Dissoziationsgrad und ihrer elektrischen Ladung. Über verschiedene Transportmechanismen informiert Kap. 3.7.5, S. 163.

Die Plazentaschranke der Tertiärzotten (ab der 4. EW) besteht zunächst aus 6 Schichten: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Synzytiotrophoblast Zytotrophoblast Basalmembran des Zytotrophoblast extraembryonales Mesenchym endotheliale Basalmembran Endothel der embryo/fetalen Kapillaren.

Zottenreifung erfolgt durch Reduktion der Zahl der Trennschichten. So verläuft der Austausch über die Plazentaschranke mit zunehmender Schwangerschaftsdauer effizienter. Die den Synzytiotrophoblasten unterlagernde Zytotrophoblastschicht wird diskontinuierlich, die verbleibenden Zytotrophoblastzellen werden Langhans-Zellen genannt. Die Blutgefäße unterlagern immer häufiger direkt die Synzytiumschicht. So besteht die Plazentaschranke in reifen Intermediär- und Terminalzotten (2. Schwangerschaftshälfte) an vielen Stellen nur noch aus 3 Schichten: 1. Synzytiotrophoblast, 2. gemeinsame Basalmembran, 3. Endothel der embryo/fetalen Kapillaren.

161

3.7.3

Plazentaschichten, Plazentateile

Die Placenta besteht aus 3 Hauptschichten: der zentralen Zottenschicht, der fetalseitigen Chorionplatte und der in der Uterusschleimhaut verankerten Basalplatte. Fetale und mütterliche Kotyledonen sind Struktureinheiten, die auf einer senkrecht zu den Schichten erfolgenden Unterteilung beruhen. Schichten (Abb. 3.32): £ Die Zottenschicht umfasst alle Plazentazotten

und den umgebenden intervillösen Raum. Die Stammzotten sind auf fetaler Seite in der Chorionplatte und mütterlicherseits über Haftzotten in der Basalplatte verankert. £ Die Chorionplatte liegt auf der fetalen Seite und besteht aus Synzytiotrophoblast, Zytotrophoblast und Chorionmesoderm, dem sich durch die Obliteration der Chorionhöhle das Amnion anlagert (Abb. 3.31, 33). £ Die Basalplatte (Deziduaplatte) liegt der Chorionplatte spiegelbildlich auf mütterlicher Seite gegenüber. Sie besteht (von fetal nach maternal) aus: Synzytiotrophoblast, Zytotrophoblast und Decidua basalis (Kap. 3.7.6, S. 163). Durch die Basalplatte hindurch ziehend öffnen sich mütterliche Blutgefäße in den intervillösen Raum. Teile (Abb. 3.32). Man unterscheidet £ fetale Kotyledonen, von einer Stammzotte aus-

gehende Zottenbäume, und Kotyledonen. Diese entstehen durch Plazentasepten, die von der Basalplatte aus zwischen fetale Kotyledonen vorwachsen, ohne jedoch die Chorionplatte zu erreichen und so durch vollständige Unterteilung des intervillösen Raums getrennte Blutkompartimente zu schaffen.

£ mütterliche

Es besteht kein 1 : 1-Verhältnis zwischen fetalen und mütterlichen Kotyledonen, vielmehr werden häufig 2, 3 oder mehr Zottenbäume gemeinsam von Plazentasepten umgrenzt.

162

3 Allgemeine Embryologie

Nabelschnur

a

b

Nabelschnur

Langhans-Fibrinoid

Chorionplatte

Zottenschicht Rohr-Fibrinoid

Basalplatte

Haftzotte

Nitabuch-Fibrinoid

c

intervillöser Raum

Stammzotte

Kotyledon (fetal)

Abb. 3.32: Reife Plazenta von fetaler (a) und mütterlicher Seite (b) gesehen. Das Amnion ist entfernt. In (a) ist die Schnittebene für (c) markiert. Die angedeuteten Furchen in (b) markieren Lage der Plazentasepten; die so schwach umgrenzten Bereiche auf der Basalplatte lassen die Ausdehnung mütterlicher Kotyledonen erahnen, c. Plazentabau im Querschnitt

3.7.4

Reife Placenta

Plazenten aller Säuger haben einen getrennten mütterlichen und fetalen Blutkreislauf. Qualitativ ist die menschliche Placenta £ scheibenförmig (Placenta discoidalis), £ eine Zottenplazenta, wegen der baumartigen

Verzweigung des Trophoblastgewebes, später hämo-monochorial, da die epitheliale Trophoblastoberfläche, die direkt von mütterlichem Blut umspült wird, anfangs aus zwei (Synzytiotrophoblast, Zytotro-

£ hämo-dichorial,

phoblast), zuletzt aus nur einer fetalen Schicht (Synzytiotrophoblast) besteht sowie £ multivillös, da haarnadelartige fetale Gefäßschlingen vom mütterlichen Blutstrom in unterschiedlichen Winkeln gekreuzt werden. Quantitativ ist die 38–40 Wochen alte bzw. nachgeburtliche Plazenta wie folgt charakterisierbar: £ Durchmesser: 17–20 cm, £ Dicke (spontan entblutet): 2,5 cm (in situ im

Ultraschallbild einschl. Uteruswand 4,5 cm; Abb. 3.33), £ Gewicht: 500 g,

3.7 Mutterkuchen, Placenta, Fruchthüllen ab 3. EW

163

3. 4. 5. 6.

7. • •

a

• • •

b Abb. 3.33: Plazenta im Ultraschall, a. Unauffällige normale Plazenta (zwischen den Markierungen), b. Blasenmole, mit Pfeil markiert (Stern: fetaler Kopf; Pfeilkopf: unauffälliger Plazentabereich)

£ von 1 g Placenta versorgtes Fetalgewicht: 7 g, £ mittlere fetomaternale Diffusionsstrecke:

2–5 µm.

Klinik: 1. Blasenmole wird überschüssige Trophoblastbildung genannt (Abb. 3.33 b). Der Embryo kann zugrunde gehen, während der Trophoblast weiter wuchern und bisweilen maligne zum Chorionkarzinom (= malignes Chorionepitheliom) entarten kann. 2. Chorionkarzinom ist die bösartige Form der Trophoblasttumoren, es wächst ohne Zottenstroma invasiv und destruierend in das Myometrium ein und zeigt durch Eröffnung von und Einwachsen in Gefäße ausgeprägte Blutungsneigung.

3.7.5

Plazentafunktion

Die Placenta nimmt die Funktionen zahlreicher fetaler Organe wahr. Sie ist 1. Resorptionsorgan (Darm) 2. Ausscheidungsorgan (Niere)

Gasaustauschorgan (Lunge) Stoffwechselorgan (Leber) Blutbildungsorgan (Knochenmark) Hormonbildungsorgan. Sie sorgt für die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft zunächst indirekt durch HCG- (Kap. 3.4.2, S. 136), ab dem 4. Monat direkt durch Progesteron-Produktion. Sie versieht außerdem eine fetomaternale Transportfunktion. Stofftransport über die Plazentaschranke erfolgt durch Diffusion (Sauerstoff, Kohlendioxid, Wasser, Harnstoff), erleichterte Diffusion mittels Träger-Molekülen (Glukose, Laktat), aktiven Transport (Aminosäuren, Ionen), Pinozytose (Proteine, mütterliche Antikörper, Fette) und Diapedese (Viren, Bakterien).

Klinik: 1. Leihimmunität nennt man die durch den diaplazentaren Übertritt mütterlicher Antikörper dem Neugeborenen „geborgte“ Immunität während der ersten Lebensmonate. 2. Erkrankungen durch diaplazentaren Übertritt von Krankheitserregern, Medikamenten, Alkohol (Kap. 3.9, S. 167): z. B. Rötelnembryopathie bei Erkrankung der Mutter an Röteln während der ersten 3 Schwangerschaftsmonate (Augenanomalien, Herzfehler, ZNS-Anomalien, Innenohrschädigung); HIV-Erkrankung (= AIDS) durch Übertragung von HI-Viren (bei Seropositivität der Mutter ist kindliches Infektionsrisiko < 20 %); Herzfehler durch Medikamente: Früher Thalidomid, jetzt häufiger Valproinsäure, Hydantoin; Alkoholfetopathie: Durch Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft hervorgerufene pränatale Erkrankung der Frucht (u. a. Wachstumsretardierung, Mikrozephalie, statomotorische und geistige Retardierung).

3.7.6

Fruchthüllen

Fruchthüllen ist der klinische Ausdruck für die Summe der Gewebeschichten, die den Fetus im Uterus umgeben und als Nachgeburt mit Placenta und Nabelschnur (Kap. 3.6, S. 157) abgehen. Unmittelbare fetale Umgebung ist die Amnionhöhle mit dem Fruchtwasser.

164

3 Allgemeine Embryologie

Plazenta Uteruslumen Chorionhöhle

Nabelschnur

Amnionhöhle

Decidua basalis

Amnionhöhle

Decidua capsularis Decidua parietalis

a

b

Abb. 3.34: Entwicklung der Fruchthäute (modifiziert nach J. Langman). Die durch das Fetalwachstum und die expandierende Amnionhöhle obliterierenden Räume (Chorionhöhle, Uteruslumen) sind grün, a. 8. EW, b. 12. EW

Dezidua (Abb. 3.34) nennt man die Funktionalis des Endometriums nach Eintreten einer Schwangerschaft. Sie liefert die mütterlichen Anteile für Placenta und Fruchthüllen und besteht nach Bildung des Chorion frondosum aus £ Decidua basalis, sie bildet die mütterliche Pla-

zentaschicht,

£ Decidua capsularis, die das Chorion laeve

umgibt, und

£ Decidua parietalis an der Uteruswand außerhalb

des Einnistungsortes.

Durch Wachstum und Krümmungen des Embryonalkörpers vergrößern sich Oberfläche und Volumen der Amnionhöhle, die Chorionhöhle obliteriert. So verschmelzen Amnion und Chorion laeve (Chorion-Amnion-Haut) sowie ebenso, zu Beginn der Fetalzeit, Decidua capsularis und parietalis, womit das Uteruslumen obliteriert. Diese so vereinigten Fruchthüllen bilden die Fruchtblase, die die mit Amnionflüssigkeit (Fruchtwasser) gefüllte Amnionhöhle (Fruchthöhle) als direkte Umgebung des Fetalkörpers umschließt. Fruchtwasser (FW; Amnionflüssigkeit) wird von den Amnionzellen erzeugt und ermöglicht fetale Bewegungen und Lageveränderungen des Fetus. FW bewirkt während der Geburt hydrostatisch

die Eröffnung des Zervixkanals. Druck auf die mütterliche Bauchdecke wird gleichmäßig auf Fetaloberfläche und Uterusinnenfläche verteilt. Die gegen Ende der Schwangerschaft 1 l umfassende Flüssigkeitsmenge wird mehrmals pro Tag vom Feten verschluckt und als fetaler Urin ausgeschieden. Fetales Ausscheidungsorgan ist jedoch die Plazenta (Kap. 3.7.5, S. 163), durch die harnpflichtige Substanzen in den mütterlichen Kreislauf gelangen. Klinik: Amnioskopie heißt die FW-Besichtigung durch intakte Fruchthäute hindurch mit einem durch die Vagina eingeführten Endoskop (= Amnioskop). Beurteilt werden: Farbe (gelb: Rh-Inkompatibilität; fleischfarben: abgestorbener Fetus; grün-erbsebreiartig: Frühsymptom für Stuhlabgang); Vernixgehalt (stark vernixhaltiges FW: reifer Fetus); Menge: Oligohydramniom bei < 100 ml (Dysplasie der Nieren, Obstruktion der harnableitenden Wege; Kap. 3.9.4, S. 169); Hydramniom bei > 2 000 ml (Schluckstörungen, Diabetes der Mutter); Polyhydramnion bei > 3 000 ml (z. B. bei mechanischer Schluckstörung durch Ösophagusatresie, Trachealstenose oder funktioneller Schluckstörung wegen Hirnfehlbildung).

3.8 Mehrlinge

3.7.7

Nabelschnur, Funiculus umbilicalis

Entstehung, Bestandteile. Ursprung dieser Verbindung zwischen Placenta und Embryo/Fetus ist der Haftstiel (Abb. 3.32, 34, 42). Die Nabelschnur enthält: £ Blutgefäße (Nabelschnurgefäße, s. u.), durch die

intraembryonale und Plazentagefäße kommunizieren. £ Allantois, extraembryonales Zölom und Dottersack werden durch Abfaltung des Embryonalkörpers an das Mesenchym des Haftstiels gedrängt. £ Das Amnion umstülpt mit seiner Außenfläche im Zuge der Vergrößerung des Fetus und der Amnionhöhle Haftstiel samt Blutgefäßen, Allantois, Dottersack und den umgebenden Ausläufer der extraembryonalen Leibeshöhle von außen. 3 Nabelschnurgefäße verbinden die Gefäßsysteme von Fetus und fetalem Plazentateil (Kap. 3.7.3, S. 161). w eine V. umbilicalis durchzieht die Nabelschnur

165

w 2 Aa. umbilicales verlaufen miteinander und

umgeben die Vene spiralig.

Die Nabelschnur bietet mit dem Einschluss eines kleinen Teils der extraembryonalen Leibeshöhle den Ausweichraum für die während des physiologischen Nabelbruchs zeitweilig außerhalb des Fetalrumpfes platzierten Darmschlingen (Kap. 3.5.3, S. 153, Abb. 3.25).

Der Nabelschnuransatz kann auf fetaler Seite am Nabelring, an der Placenta zentral, exzentrisch, marginal oder außerhalb, mit zwischengeschaltetem Verlauf über die Fruchthüllen („velamentös“), liegen. Die Nabelschnur ist bei Geburt 1–2 cm dick und 50–70 cm lang. Klinik: 1. Eine kurze Nabelschnur (≤ 30 cm) ist häufig Folge mangelnder fetaler Bewegung. 2. Eine lange Nabelschnur (≥ 100 cm) führt ggf. zu Nabelschnurumschlingung (Abschnüren von Körperteilen) oder -knoten (venöse Stauung). 3. Eine singuläre Nabelschnurarterie (Abb. 3.42 b) kann fetale Mangelversorgung bewirken.

in gestrecktem Verlauf

3.8

Mehrlinge

Lernziele: Eineiigkeit, Mehreiigkeit Mehrlinge sind gleichzeitig entwickelte und kurz nacheinander geborene Geschwister; sie können mehreiig und eineiig sein. Kombinationen zwischen beiden Varianten sind bei höhergradigen Mehrlingen (Drillingen, Vierlingen) häufig. Mehreiige Mehrlinge entstehen nach Befruchtung von mehreren im selben Zyklus ovulierten Eizellen, die einem gemeinsamen (beim Menschen selten) oder verschiedenen Follikeln entstammen. Der genetische Verwandtschaftsgrad entspricht dem von zu verschiedenen Zeiten heranwachsenden Geschwistern: sie können somit verschiedengeschlechtlich sein. • Kennzeichen zweieiiger Zwillinge sind getrennte Plazenten und Fruchthüllen, die jedoch bei nah

benachbarten Implantationsorten partiell verschmelzen können. Eineiige Mehrlinge entstehen nach einer einzigen Befruchtung durch Teilung von Anlagen (Abb. 3.35), die je einen vollständigen Embryo/Fetus bilden. Sie sind genetisch identisch, also gleichgeschlechtlich. Frühestmöglicher Trennungszeitpunkt ist das Zweizellstadium, in dem beide Zellen omnipotent sind und die Mehrlinge getrennte Fruchthüllen ausbilden (Abb. 3.35, 36 a). Spätestmöglicher Trennungszeitpunkt ist die Individuation. Bei Anlage mehrerer Chordafortsätze (Kap. 3.5.1, S. 140), die die entsprechende Zahl von Neuralrohrbildungen etc. auf einer Keimscheibe induzieren, entsteht die entsprechende Zahl von Embryonen. In diesem Fall befinden sich mehrere Keimlinge in einer Amnionhöhle.

166

3 Allgemeine Embryologie

a

b

c

Abb. 3.35: Fruchthüllen bei eineiigen Zwillingen (modifiziert nach J. Langman), a. Diamniotische, dichoriale Zwillinge nach Trennung der Anlagen im Zweizellstadium, b. Diamniotische, monochoriale Zwillinge nach Trennung der Anlagen im Blastozystenstadium, c. Monoamniotische, monochoriale Zwillinge nach Trennung der Anlagen zwischen abgeschlossener Bildung einer Amnionhöhle und der Individuation (sekundär mögliche Verwachsungen der Fruchthüllen nicht berücksichtigt)

3.9 Teratologie, Fehlbildungslehre

167

Da Fruchthüllen und Plazenten auch sekundär teilweise fusionieren, reicht die Feststellung getrennter oder gemeinsamer Chorionhüllen für den Nachweis der Eineiigkeit bzw. Mehreiigkeit nicht aus. Hierfür sind z. B. Geschlecht, Blutgruppenzugehörigkeit und genetische Analyse heranzuziehen. Tabelle 3.8: Hellin-Regel. Häufigkeitsschätzung spontaner Mehrlingsgeburten (n = Zahl der Mehrlinge) Mehrlinge Zwillinge Drillinge Vierlinge Fünflinge

a

n 2 3 4 5

Häufigkeit = 1:85n-1 1 : 85 (1,18 %) 1 : 852 = 1 : 7 225 1 : 853 = 1 : 614 125 1 : 854 = 1 : 52 200 625

Die Hellin-Regel gibt die Häufigkeit spontaner Mehrlingsgeburten bezogen auf die Gesamtgeburtenzahl an (Tab. 3.8). Nach Ovulationsinduktion oder Absetzung oraler Kontrazeptiva ist die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsschwangerschaften höher. b

Klinik. 1. Das intrauterine Wachstum von Mehrlingen verlangsamt sich vorzeitig bei Zwillingen ab der 34., bei Drillingen ab der 28. SSW. 2. Vanishing twin nennt man das Verschwinden eines Zwillings, es wird durch Resorption nach Absterben eines Embryos unter Zurückbleiben der leeren Fruchthülle erklärt.

Abb. 3.36: Mehrlinge und Mehrfachbildungen im Ultraschall, a. Triamniotische Drillinge, b. Siamesische Zwillinge (Thorakopagus: beidseits der gedachten Linie zwischen Pfeilköpfen sind die einander zugewandten Brustkörbe zu erkennen)

3.9

Fehlbildungslehre, Teratologie

Teratologie (gr. teratos = Ungeheuer, Monster), Fehlbildungslehre, beschäftigt sich mit Erscheinungsformen, Ursachen und Zustandekommen von angeborenen Krankheiten, Fehlbildungen, Anomalien (Teratogenese Kap. 3.2, S. 114). Zur Geburt werden bei 2–3 % der Neugeborenen Fehlbildungen diagnostiziert, während der ersten Lebensjahre verdoppelt sich dieser Anteil durch später erkannte Defekte. Für die Hälfte aller Fehlbildungen ist die Ursache unbekannt, für die restlichen sind genetische und äußere Ursachen sowie Kombinationen beider identifiziert worden. Wirkungsmechanismen für Fehlbildungen sind weitgehend unbekannt. Der Fehlbildungsgrad reicht vom Abort als Extremfall über auffällige morphologische Anomalie, Wachstumsretardierung, funktio-

nelle Beeinträchtigung (z. B. Stoffwechselstörung) bis zur spät diagnostizierten Verhaltensstörung. Ursachen: Nach groben Schätzungen ergibt sich: • • • •

Genmutationen 20 % Chromosomenaberrationen 5 % exogene Faktoren 5–10 % multiple Ursachen: 65–70 %.

3.9.1 Einteilung der Fehlbildungen Fehlbildungen sind genetische, morphologische, funktionelle oder Stoffwechseldefekte mit Krankheitswert bei Geburt. Kleinere Fehlbildungen (minor malformations: Vierfingerfurche, kleine Ohren, Pigmentflecken) ohne Krankheitswert können mit größeren kombi-

168

niert sein und deshalb v. a. bei gehäuftem Auftreten auf größere Anomalien deuten. Einfache Fehlbildungen £ Malformationen sind morphologische Verände-

rungen, die auf genetisch bedingten Entwicklungsstörungen beruhen; es sind Fehlbildungen von Organanlagen bzw. analoger Keimbezirke (z. B. Polydaktylie) £ Disruptionen sind durch äußere Faktoren bewirkte Abweichungen vom normalen Entwicklungsweg. Sie sind nicht erblich, können aber durch genetische Faktoren begünstigt werden. £ Deformationen sind Form- oder Lageanomalien mit mechanischer Ursache (bei Oligamnion = Oligohydramnion, z. B. Pes equinovarus) £ Dysplasien kennzeichnen Defekte, die durch fehlerhafte Organisation und/oder Funktion von Geweben oder Zellen entstehen (= Dyshistogenese, z. B. Osteogenesis imperfecta congenita) Multiple Fehlbildungen £ Syndrome sind Kombinationen von Fehlbildun-

gen mit gemeinsamer Ursache (z. B. oro-faziodigitales Syndrom). £ Sequenzen sind zeitlich und räumlich getrennt, in der Art einer Kaskade auftretende Folgen eines einzigen pathogenetischen Faktors (z. B. Robin-Trias: Mikroretrogenie, Glossoptose, Gaumenspalte). £ Polyptope Felddefekte entstehen durch Störungen eines einzelnen Entwicklungsfeldes (z. B. Prune-belly-Defekt) £ Assoziationen sind statistisch gehäufte Kombinationen von Fehlbildungen mit unbekannter Pathogenese (z. B. VACTERL-Assoziation = Vertebral-, Anal-, Cardial-, Tracheo-Esophageal-, Renal-, Limb-Anomalien).

3.9.2 Fehlbildungsformen Mehrfachbildung kann durch inkomplette Teilung der Anlagen eineiiger Zwillinge während der Individuation (sog. siamesische Zwillinge) entstehen. Die Verbindungen können in verschiedenen Regionen lokalisiert (Kraniopagus: Kopf-Kopf-Verbindung, Thorakopagus, Abb. 3.36 b: Brust-Brust-

3 Allgemeine Embryologie

Verbindung, Ischiopagus: Hüft-Hüft-Verbindung) und symmetrisch, inkomplett-symmetrisch und asymmetrisch sein. Bei asymmetrischen Doppelbildungen werden die Teile als Wirt (größerer Partner) und Parasit bezeichnet. Der Parasit kann an allen Körperregionen des Wirtes lokalisiert sein. Mehrfachbildungen kommen weniger gravierend z. B. als Verdopplungen von Fingern (Polydaktylie) oder von inneren Organen (überzählige Zähne, Ureter duplex) vor. Spaltbildungen entstehen durch unzureichende Verschmelzung von Gewebewülsten, z. B. Gesichtsentwicklung mit Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalten. Der unterbleibende Verschluss des Neuroporus cranialis oder caudalis kann zu Anencephalus bzw. Spina bifida führen, was mit unterbleibenden Schädeldach- bzw. Rumpfwandverschlüssen vergesellschaftet ist (Kap. 3.5.1.2, S. 142). Aplasien, Agenesien, nicht angelegte Organanlage, kommen an Extremitäten (aufgrund nicht angelegter Ober- und Unterarme setzen Hände am Rumpf an: Phocomelie, Robbengliedrigkeit) oder an inneren Organen (Herzscheidewanddefekte, Nierenaplasie) vor. Hypoplasie bezeichnet eine nicht voll ausgereifte Organanlage, sie kann endokrine Drüsen (z. B. Schilddrüse) betreffen, in diesem Fall besteht die Möglichkeit der Hormonsubstitution (Kap. 3.10.3, S. 171). Hypertrophien (= Zellvolumenzunahme), Hyperplasien (= Zellzahlzunahme) kommen durch übersteigertes Wachstum eines Organs oder einer Region zustande. Persistenz (mangelnde Rückbildung) einer vorübergehenden Struktur ist z. B. der Ductus thyroglossalis der Schilddrüse. Dysgenesie, Beeinträchtigung der Organdifferenzierung, ist häufig kombiniert mit • Dystopie (Heterotopie): Organ liegt an untypischem Ort (Hoden im Rumpf oder Leistenkanal), oder • Choristie, Versprengung normaler Gewebe, aus denen Tumoren entstehen können. Hamartie kommt durch ungenügende Ausdifferenzierung embryonaler Gewebe zustande, auch sie

3.9 Teratologie, Fehlbildungslehre

kann Ausgang für geschwulstartige Neubildungen (Hamartom) sein. Enzymdefekte sind Ursachen für Stoffwechselstörungen (z. B. Galaktosämie). Teratom ist eine Geschwulst, die unterschiedliche Differenzierungsgrade aufweisen kann: je undifferenzierter, desto größer die Malignisierungspotenz.

3.9.3 Phasenspezifität der Fehlbildungsentstehung Phasenspezifität ist die Manifestation einer Genwirkung in einem bestimmten Entwicklungsstadium. Angeborene Fehlbildungen sind durch Phasen-, weniger durch Noxenspezifität gekennzeichnet: Die Fehlbildung ist auf den Schädigungszeitpunkt, nicht auf die Schädigungsursache zurückzuführen. £ Kritische Phasen

umfassen die Ausbildung von Organanlagen, hauptsächlich während der Embryonalperiode, mit starker Zellproliferation und kurzfristig sich ändernder kritischer Stoffwechsellage; sie sind durch besondere Empfindlichkeit gegenüber exogenen Noxen charakterisiert (Teratogene, Kap. 3.9.4, S. 169). £ Sensible Phasen (auch teratogenetische Determinationsperioden) sind durch Reifung und Differenzierung angelegter Organe gekennzeichnet. Auch diese liegen häufig in der Embryonalperiode. Wachstumsrückstand, fehlerhafte Histogenese, funktionelle Abweichung sind auch in der Fetalperiode möglich.

3.9.4 Ursachen von Fehlbildungen Fehlbildungen werden genetisch (Kap. 3.3.3, S. 120) oder nicht genetisch, durch Umweltfaktoren (Teratogene), verursacht. Beide Ursachen können sich überlappen, da z. B. ionisierende Strahlen Erbgutschäden bewirken können. Teratogene sind biologische, chemische oder physikalische Einwirkungen, die den Keimling

169

schädigen. Ihr Schädigungspotential ist abhängig von Phasenspezifität, genetischer Konstitution des Keimlings sowie Menge und Dauer der Einwirkung. • Viren rufen Fehlbildungen an Sinnesorganen, Gehirn, Herz, Extremitäten hervor: Röteln-, Varicella-zoster- (→ Windpocken), Herpes-simplex-, Zytomegalie-Virus. • Bakterien. Treponema pallidum (→ Syphilis) kann geistige Behinderung und Taubheit verursachen. • Toxoplasma gondii (→ Toxoplasmose) kann bei Erstinfektion der Schwangeren v. a. im 2. und 3. Trimenon (= Schwangerschaftsdrittel) geistige Retardierung, Krampfneigung und Hydrozephalus hervorrufen. • Ionisierende Strahlen (→ Röntgen-Strahlen) können Gehirn- und Extremitätenfehlbildungen sowie wegen möglicher Erbgutschädigung auch genetische Defekte bewirken (Kap. 3.3.3, S. 120). • Fieber kann zu Defekten bei der ZNS-Entwicklung führen. • Medikamente sind v. a. durch die ConterganKatastrophe (Thalidomid) Anfang der 1960er Jahre in den Blickpunkt gerückt. Dieses und andere Pharmaka (Aminopterin, Lithium, Amphetamine, Valproinsäure, Hydantoin) können Extremitätenfehlbildung, Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Gehirnfehlbildung hervorrufen. • Genussmittel (→ Alkoholembryopathie, Kap. 3.7.5, S. 163) oder Rauschgifte (Cocain) verursachen Wachstumsrückstand und geistige Behinderung. • Hormone. Steroidhormone mit androgener Wirkung führen zur Virilisierung (Vermännlichung) des weiblichen Genitales. • Mechanische Faktoren. Verminderung der Amnionflüssigkeit (Oligamnion) kann Verformungen von Gliedmaßen bewirken. Amnionstränge sind nach Entzündungen zurückbleibende vernarbte und geschrumpfte Fruchthüllenabschnitte, die z. B. durch Abschnüren von Gliedmaßen deren Absterben nach sich ziehen können.

170

3.10

3 Allgemeine Embryologie

Morphologische Aspekte der Pränatalmedizin

Lernziele: unsichere, wahrscheinliche, sichere Schwangerschaftszeichen, Gestationsalter, Alters- und Größenbestimmung des Feten Pränatalmedizin umfasst intrauterine Diagnostik und Therapie fetaler Krankheiten. Ziele der Pränatalmedizin sind: 1. Nachweis der intakten Schwangerschaft 2. Festlegung des Schwangerschaftsalters 3. Nachweis der unauffälligen Entwicklung des Feten 4. Ausschluss von Fehlbildungen und Schwangerschaftsstörungen 5. Therapie fetaler Krankheiten 6. Überwachung der Geburt. Als integraler Bestandteil bei der Überwachung und Betreuung von Risikoschwangerschaften hat sie in den letzten 20 Jahren in entwickelten Ländern zu einem Rückgang der perinatalen Sterblichkeit (Sterblichkeit von Feten mit einem Gewicht > 500 g oder von Kindern bis zum 7. LT) um zwei Drittel auf 0,6 % geführt.

£ HCG-Nachweis im Schwangerenurin (oder

-serum, Kap. 3.4.2, S. 136)

£ sonographischer Nachweis ab Ende 5. SSW

(3. EW; Abb. 3.12 c)

£ Nachweis kindlicher Herztöne £ Fühlen von Kindsteilen £ Kindsbewegungen.

Uteruswachstum. Der Uterus ist in der 16. SSW im großen Becken tastbar. In der 24. SSW erreicht er die Höhe des Nabels, in der 36. SSW seine größte Höhe an der unteren Thoraxapertur. Danach senkt er sich bis zur Geburt geringfügig. Klinik: Vena-cava-inferior-Syndrom (= Rückenlage-Schock-Syndrom, aortokavales Kompressionssyndrom): Kompression der V. cava inferior durch den Uterus (besonders in Rückenlage!) mit Abnahme von Uterusdurchblutung und ggf. fetaler Herzfrequenz bei der Hochschwangeren. Leichte Formen treten bei 30–40 % der Schwangeren im letzten Schwangerschaftsdrittel auf.

3.10.1 Schwangerschaftszeichen, Uteruswachstum

3.10.2 Schwangerschaftsdauer, Gestationsalter

Schwangerschaftszeichen können wahrscheinlich oder sicher sein.

Die Bestimmung der Schwangerschaftsdauer kann bei der Mutter oder dem Embryo bzw. Fetus erfolgen.

unsicher,

Unsichere Schwangerschaftszeichen sind: Zunahme des Leibesumfangs,

Schwangerschaftsstreifen (Striae gravidarum), Schwangerschaftspigmentierung (Chloasma gravidarum sive uterinum), unspezifische Symptome: Erbrechen, Kollapsneigung, nervöse Störungen. Wahrscheinliche Schwangerschaftszeichen sind: Ausbleiben der Regelblutung

livide Verfärbung der Vagina Mammavergrößerung Piskacek-Zeichen (asymmetrische Formveränderung des Uterus) Hegar-Zeichen (weiche Konsistenz des Gebärmutterhalses).

Sichere Schwangerschaftszeichen sind (die beiden wichtigsten, am frühesten nachweisenden Methoden zuerst nennend):

Mutter. Da Frauen häufig nach Ausbleiben der 2. Regel (Tab. 3.4), seltener der ersten, den Arzt aufsuchen, erfolgt eine erste Schätzung der Schwangerschaftsdauer und des Geburtstermins nach dem £ Menstruationsalter: Dauer der Schwangerschaft

ab dem 1. Tag der letzten Regel = 280 Tage (= 40 Wochen). Die Berechnung des Geburtstermins wird nach der Naegele-Regel vorgenommen: • 1. Tag der letzten Regel − 3 Monate + 7 Tage. £ Befruchtungsalter: 280 Tage − 14 Tage = 266 Tage (= 38 Wochen). Das geschätzte Alter des Fetus zum Geburtstermin erhält man bei regelmäßigem Zyklus nach Abrechnung einer Zyklushälfte (Abb. 3.8).

3.10 Morphologische Aspekte der Pränatalmedizin

Klinik: Normaler Geburtstermin: 90 % der Kinder werden zwischen der 38. und 42. SSW geboren; Frühgeborene kommen vor Vollendung der 38. SSW zur Welt; Übertragene Kinder werden nach der 42. SSW geboren. Embryo/Fetus. In der embryologischen Forschung kann die Bestimmung des Entwicklungsalters qualitativ, auf Grund äußerer morphologischer Merkmale hauptsächlich in der Embryonalperiode vorgenommen werden. Die Basis der 23 Carnegie-Stadien (Tab. 3.4) ist eine umfangreiche Sammlung von Präparaten der menschlichen Frühentwicklung der „Carnegie-Collection of Embryology“ in Washington.

• In der Klinik erfolgt die Altersbestimmung sonographisch (Kap. 3.10.3, S. 171). Klinik: Gestationsalter: Mit der sonographisch erfassbaren Scheitel-Steiß-Länge (Abb. 3.38) wird in der 9. und 12. SSW das Gestationsalter bzw. der Entbindungstermin am zuverlässigsten (± 3 Tage) bestimmt. Der vorausberechnete Termin nach der Regelanamnese muss ggf. korrigiert werden.

Harnblase

171

3.10.3 Methoden der Pränataldiagnostik und -therapie Die manuelle Untersuchung umfasst Palpation, Auskultation des Leibes (Herztöne), Messung des Bauchumfangs. Die Palpation (Abb. 3.37) kann abdominal und vaginal erfolgen (Kap. 3.10.1, S. 170) und beurteilt: • die knöchernen Beckenmaße (Geburtskanal), die Michaelis-Raute (Kap. 8.1, S. 629), die Uterusgröße und die Kindslage. Da der Embryo bzw. Fetus einer klinischen Untersuchung (Pränataldiagnostik) sowie therapeutischen Maßnahmen (Pränataltherapie) nur über den mütterlichen Organismus zugänglich ist, müssen meist apparative Methoden (Ultraschall, invasive Methoden) angewendet werden.

3.10.3.1 Bilddarstellung durch Ultraschall (Sonographie) Mit Ultraschall kann der Fetus bildlich dargestellt (B-Bild-Ultraschall) oder der Blutfluss in fetalen Gefäßen untersucht werden (DopplerSonographie). B-Bild-Ultraschall. Zweidimensionale, optische „Schnitte“ des Fetus werden durch abdominale Sonographie (Schallkopf auf dem Bauch der Mutter) oder vaginale Sonographie (Schallkopf intravaginal; weitaus bessere Detailauflösung) gewonnen.

Schambeinfuge

Das früheste sonographische Zeichen einer (intrauterinen) Schwangerschaft ist der Nachweis der Chorionhöhle (klinisch Fruchthöhle) mit Dottersack ab 5. SSW (→ sicheres Schwangerschaftszeichen, Abb. 3.13 c).

Rektum

Promontorium Kreuzbein

Steißbein

Abb. 3.37: Palpation des knöchernen Beckens transvaginal

Doppler-Sonographie ist eine Kombination aus Impulsecho- und Dauerschallverfahren und ermöglicht die gleichzeitige Untersuchung von Weichteilen und Blutfluss. Die Richtung des Blutstroms in Bezug auf den Schallkopf wird durch Farben sichtbar gemacht (Abb. 3.42). Lt. Mutterschaftsrichtlinien sind bei unauffälliger Schwangerschaft 3 Ultraschall-Screening-Untersuchungen mit Bilddokumentation obligatorisch: 9.–12. SSW, 19.–22. SSW, 29.–32. SSW.

3 Allgemeine Embryologie

172

3.10.3.2 Alters- und Größenbestimmung durch Ultraschall £ Die Scheitel-Steiß-Länge (SSL, Abb. 3.38) wird

zur Bestimmung des Schwangerschaftsalters im 1. Trimenon (= Schwangerschaftsdrittel) herangezogen. Sie wird danach häufig durch die Scheitel-Fersen-Länge (SFL) abgelöst (Tab. 3.6), die auf sonographischer Grundlage geschätzt wird. £ Der biparietale Kopfdurchmesser (ab 20. SSW, Abb. 3.39), z. B. zum Nachweis einer Wachstumsretardierung, wird ergänzt durch den frontookzipitalen Durchmesser, den abdominalen Transversaldurchmesser und die Femur- oder Humeruslänge.

a

b Abb. 3.40: Fetales Kopf-Hals-Profil im Ultraschall, a. Unauffällig, b. Schilddrüsenvergrößerung (Struma, Pfeilkopf)

Abb. 3.38: Scheitel-Steiß-Länge. Sonographische Bestimmung in Frontalansicht (12. SSW; Abstand zwischen den Kreuz-markierungen 5,1 cm)

Abb. 3.41: Nackenödem im Ultraschall (Pfeilkopf; Seitenansicht; s. Abb. 3.4 b)

Abb. 3.39: Biparietaler Kopfdurchmesser (Abstand zwischen Kreuzmarkierungen: 3,0 cm) im Sonogramm

Klinik: Sonographie-Screening. 1. Trimenon: Überprüfung des Schwangerschaftsalters, Mehrlingsdiagnostik (Zahl der Fruchthöhlen, Abb. 3.36, Anzahl der Plazenten, Fruchthüllen), Fehlbildungsdiagnostik (ab 10. SSW

z. B. Nackenödem-Nachweis, Abb. 3.4 b, 40), 2. Trimenon: zeitgerechte Entwicklung, Fehlbildungsdiagnostik, 3. Trimenon: zeitgerechte Entwicklung, Kindslage, Zervixinsuffizienz. Sonographische Fehlbildungshinweise sind z. B. abnorme Fruchtwassermenge, abweichende Plazentastruktur (Abb. 3.33), Disproportion von Körperteilen, abnorme Körperoberfläche (Abb. 3.40, 41), singuläre Nabelschnurarterie (Abb. 3.42).

3.10 Morphologische Aspekte der Pränatalmedizin

173

trolle oder endoskopischer Sicht für zytogenetische und biochemische Analysen. Eine Nabelschnurpunktion erfolgt via Bauchund Uteruswand. Sie ist technisch schwierig und zum Ausschluss fetaler Anämien oder zur Infektionsdiagnostik angezeigt. a

Fetoskopie, intrauterine Endoskopie, ermöglicht die direkte Betrachtung der Körperoberfläche. Unter der Geburt werden v. a. 2 Methoden zur Überwachung des Fetus angewandt: £ Kardiotokographie ist die simultane Aufzeich-

b Abb. 3.42: Doppler-Sonographie der Nabelschnurgefäße (Farben kodieren Blutflussrichtung: rot Arterien, blau Venen), a. Unauffällig: 2 Arterien, 1 Vene, b. Singuläre Nabelschnurarterie

nung von fetaler Herzfrequenz und Wehentätigkeit in der Spätschwangerschaft und während der Geburt zur Überwachung des Feten und Erkennung einer intrauterinen Hypoxie; sie erfolgt durch die Bauchdecke der Mutter. £ Mikroblutuntersuchung. Einige Tropfen Blut können transvaginal aus der Haut des vorangehenden fetalen Körperteils entnommen werden (Abb. 3.44).

3.10.3.4 Pränataltherapie 3.10.3.3 Invasive Methoden Eindringende Methoden werden unter sonographischer Kontrolle durchgeführt (Abb. 3.43): Amniozentese, Chorionzottenbiopsie, Nabelschnurpunktion, Fetoskopie. Amniozentese ist die transabdominale (durch mütterliche Bauch- und Uteruswand erfolgende) Punktion der Amnionhöhle (= Amnion-, FW-Punktion) mit einer Nadel zur Fruchtwassergewinnung (180 ml) mit darin befindlichen fetalen Zellen in der 15.–16. SSW. Da FW vom Feten getrunken wird, können auf diesem Weg auch Medikamente oral appliziert werden (s. u.). Der Alphafetoprotein(AFP)-Gehalt im FW ist erhöht bei neuralen Spaltbildungen. Eine Lungenreifebestimmung kann durch den Antiatelektasefaktornachweis (Surfactant) im FW zur Beurteilung der spontanen Atemfähigkeit des Feten und zum Ausschluss fetaler Infektionen erfolgen. Chorionzottenbiopsie ist die Entnahme von Trophoblastzellen aus dem Chorion frondosum mittels Kanüle in der 7.–12. SSW unter Ultraschallkon-

Pränatale Therapiemethoden erfolgen über vergleichbare Zugangswege wie bei der Diagnostik, sind aber nur bei wenigen Erkrankungen etabliert. Sie sind immer mit Risiken für die Mutter verbunden. Medikamentenkann erfolgen:

oder

Blutprodukte-Applikation

£ diaplazentar (z. B. Kortikosteroide an die

Mutter zur Induktion der Lungenreifung und Minderung der Gefahr eines Atemnotsyndroms nach der Geburt), £ durch Amniozentese in das FW (z. B. Gabe von Schilddrüsenhormonen, die nicht die Plazentaschranke passieren, zur Behandlung einer fetalen Hypothyreose), £ durch Nabelschnurpunktion in das Blut des Feten: Infusion rhesusnegativen Blutes bei Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Fetus. Weiter sind möglich: £ Punktionen von Hohlräumen oder Einlegen von

Kathetern (z.B. in das fetale Nierenbecken bei Harnstau oder in die Pleurahöhle bei Ergüssen),

174

3 Allgemeine Embryologie

a

c

b

Abb. 3.43: Invasive Methoden der Pränatalmedizin, a. Amniozentese, b. Chorionzottenbiopsie, c. Nabelschnurpunktion

sie sollen Kompressionen gesunder Organe verhindern, verbessern aber häufig nicht die Prognose. £ Fetoskopie-Methoden sind etabliert zur Behandlung des fetofetalen Transfusionssysndroms

monochorialer Zwillingsschwangerschaften, bei denen die Gefahr der Übertransfusion des einen und Anämie des anderen Zwillings besteht: Gefäßanastomosen zwischen Plazentaarealen werden durch Laserkoagulation verschlossen.

3.10 Morphologische Aspekte der Pränatalmedizin

175

Lichtquelle

Glaskapillare

Abb. 3.44: Fetalblutentnahme aus der Kopfhaut unter der Geburt

4

Kopf, Cranium, und Hals, Collum Jochen Fanghänel, unter Mitarbeit von Jürgen Giebel, Thomas Koppe, Bärbel Miehe, Christian Splieth, Thomas Kocher, Jens Weingärtner und Dietmar Kubein-Meesenburg

Der Kopf hat als Sitz des Gehirns und der Sinnesorgane (Gehör-, Gleichgewichts-, Seh-, Geruchs- und Geschmacksorgan) und als Eingangstor des Luft- und Speiseweges eine morphologische Sonderstellung. Die für den Rumpf charakteristische segmentale Gliederung der Knochen, Muskeln, Gefäße und Nerven ist am Kopf nur schwer zu erkennen oder fehlt vollständig. Bei den höheren Wirbeltieren wird die Sonderstellung des Kopfes schon rein äußerlich durch die Ausbildung des Halses betont. Die knöcherne Grundlage des Kopfes ist der Schädel. Der Hals, Collum, ermöglicht die gute Beweglichkeit des Kopfes und damit die volle Ausnutzung der Sinnesorgane für die Orientierung in der Umwelt. Er ist Sitz von Organen und Leitungsbahnen. Das Knochengerüst wird von der Halswirbelsäule gebildet. Grenzen. Die Grenzlinie zwischen Kopf und Hals verläuft vom Kinn am Unterrand des Unterkiefers entlang bis zum Kieferwinkel, steigt hinter dem Unterkieferast aufwärts bis zum Ohransatz und zieht von dort horizontal bis zur Protuberantia occipitalis externa, einem meist gut tastbaren Knochenvorsprung am Hinterhaupt. Die Grenzlinie zwischen Hals und Brust verläuft vom Oberrand des Brustbeins entlang dem Schlüsselbein zum Acromion (dem seitlich am weitesten ausladenden Teil des Schulterblattes, und von dort zum deutlich vorspringenden Dorn des 7. Halswirbels (Vertebra prominens). Gliederung und Einteilung des Schädels Wir unterscheiden einen Gehirnschädel oder Neurocranium und einen Gesichts- bzw. Eingeweideschädel oder Viscerocranium.

£ Gehirnschädel. Er bildet die feste, knöcherne

Hülle für das Gehirn und enthält in besonderen Knochenkapseln, den Felsenbeinen, das Gehörund das Gleichgewichtsorgan. Wir unterscheiden das konvexe Schädeldach, Calvaria, sowie den Schädelgrund bzw. die -basis, die Basis cranii, die verhältnismäßig flach ist. Die Grenze zwischen beiden ist eine künstliche. Sie wird bei der Eröffnung der Schädelhöhle durch den Sägeschnitt des Anatomen gelegt. Wie am Kopf des Lebenden lässt sich eine Stirn-, Schläfen-, Scheitel- und Hinterhauptgegend unterscheiden. Diesen Gegenden entsprechen im wesentlichen die gleichnamig benannten Knochen.

£ Gesichtsschädel. Er stellt die knöcherne Grund-

lage für das Gesicht, enthält das Seh- und das Geruchsorgan und trägt die Zähne. Er bildet den Anfangsteil des Luft- und des Speiseweges und liefert die Streben, die den Kaudruck verteilen (Kaudruckpfeiler) und auf den Gehirnschädel übertragen. An der Begrenzung der Nasen- und der Augenhöhlen beteiligt sich auch der Gehirnschädel.

• Die Grenzlinie zwischen Hirn- und Gesichtsschädel erkennt man besonders deutlich in der Seitenansicht, Norma lateralis (Abb. 4.9). Sie verläuft beim Menschen vom Oberrand der Augenhöhle zum Oberrand des äußeren Gehörganges. Somit befindet sich der Gesichtsschädel vor und unter dem Hirnschädel. £ Wirbeltheorie des Schädels. In dem Bestre-

ben, ein allgemeines Bauprinzip für den ganzen Körper zu finden, haben Goethe und Oken im Schädel nach Wirbelelementen gesucht. Den Wirbeln entsprechende Teile können wir im Schädel des Menschen jedoch nicht finden, da bei dem Anbau vom Palaeocranium zum auximetameren Neokranium nur das Material von

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

178

Wirbeln, nicht fertige Wirbel, aufgenommen wurden. £ Übersicht über die Schädelknochen

Der menschliche Schädel besteht in der Regel aus 22 Knochen, von denen beim Erwachsenen 21 so fest durch Nähte miteinander verbunden sind, dass man sie nur schwer isolieren kann. Nur der Unterkiefer ist mit dem Schläfenbein gelenkig verbunden. Die meist platten Knochen begrenzen Höhlen, die das Gehirn und die Sinnesorgane aufnehmen. • Gehirnschädel, Neurocranium Hinterhauptsbein, Os occipitale 1 Keilbein, Wespenbein, Os sphenoidale 1 Stirnbein, Os frontale 1 Scheitelbein, Os parietale 2 Nahtknochen, Os suturale, und Fontanellenknochen variabel Schläfenbein, Zeitbein, Os temporale 2

4.1

Siebbein, Os ethmoidale 1 Nasenbein, Os nasale 2 Tränenbein, Os lacrimale 2 Untere Nasenmuschel, Concha nasalis inferior 2 Pflugscharbein, Vomer 1 Jochbein, Os zygomaticum 2 Gaumenbein, Os palatinum 2 Oberkieferbein, Maxilla 2 Unterkiefer, Mandibula 1 • Ossicula auditus Hammer, Malleus Amboss, Incus Steigbügel, Stapes

2 2 2

• Os sesamoideum Zungenbein, Os hyoideum

1

Die Knochen des Schädeldaches und des Gesichtsschädels sind Bindegewebsknochen, während die großen Schädelbasisknochen: Ossa occipitale (mit Ausnahme der Squama), temporale (mit Ausnahme der Squama) und sphenoidale Ersatzknochen darstellen.

Entwicklung des knöchernen Schädels, Schlunddarm

Lernziele: Anlagematerial des Schädels, Chondrokranium, Desmokranium, Schlunddarm, phylogenetische Entwicklung, kraniofaziales Wachstum, Schädelfehlbildungen In der Entwicklung des Schädels spiegeln sich im besonderen Maße komplexe phylogenetische und ontogenetische Vorgänge wider.

4.1.1

• Gesichtsschädel, Viscerocranium

Ontogenese des Schädels

Das Anlagenmaterial des Schädels hat unterschiedliche Herkunft. • Kopfmesenchym, welches den kranialen Bereich der Notochorda umfasst • Mesenchym der kranialen (okzipitalen) Somiten • Material der ersten beiden (3) Schlundbögen

Hirnschädel (Neurocranium) und Gesichtsschädel (Viscerocranium) haben unterschiedliche Entwicklungsgänge. Die embryologische Grundlage dieser Schädelanteile sind Chondrocranium (Gesamtheit aller Knochen, die durch enchondrale Ossifikation entstehen) und Desmocranium (Gesamtheit aller Knochen, die durch desmale Ossifikation entstehen). Außerdem wird hier auch noch Material aus dem Schlundbogenapparat mit einbezogen.

4.1.1.1

Entwicklung des Neurokraniums

Schädelbasis (Basis cranii) sowie Schädeldach (Calvaria) werden sowohl vom Chondro- als auch vom Desmocranium geliefert. Chondrocranium £ Aus dem Chondrocranium entstehen folgende

Elemente des Neurokraniums:

4.1 Entwicklung des knöchernen Schädels, Kiemendarm

179

Cartilago trabecularis (Siebbein) Ala orbitalis (kleiner Keilbeinflügel) Ala temporalis (großer Keilbeinflügel) Cartilago hypophysealis (Keilbeinkörper) Parachordal-Knorpel (Pars basilaris des Hinterhauptbeins) Labyrinthkapsel (Felsenbein, Warzenfortsatz) Cartilago occipitalis

a

b

Abb. 4.1: Entwicklung des Schädels (verändert nach M. Clara). a. Knorpelschuppen der Schädelbasis, b. Übersicht über den knorpligen Anteil des Schädels (punktiert)

• Os occipitale (mit Ausnahme des oberen Anteils der Squama occipitalis) • Os sphenoidale (mit Ausnahme der medialen Lamelle des Proc. pterygoideus) • Os temporale (Pars petrosa) • Os ethmoidale (Lamina cribrosa) £ Die Schädelbasis bzw. Anteile derselben ent-

steht ab dem 2. Monat aus einer knorpeligen Anlage, dem Chondrocranium (Abb. 4.1, 4.2). Das Mesenchym, welches den kranialen Abschnitt der Notochorda umgibt, differenziert sich beiderseits zum Parachordal-Knorpel (Cartilago parachordalis → Pars basilaris des Os occipitale). Rostral vom Parachordalknorpel liegen die Hypophysenknorpel (Cartilagines hypophyseales), nach deren Verschmelzung der Keilbeinkörper (Corpus ossis sphenoidalis) entsteht. Weiter rostal entwickeln sich die Trabekelplatten (Cartilagines trabeculares), die nach Verschmelzung zum großen Teil das Siebbein (Os ethmoidale) bilden. Nach kaudal schließt sich an den Parachordalknorpel die Cartilago occipitalis an, die sich später mit dem Parachordalknorpel verbindet. Die Cartilago occipitalis entsteht aus 3 Sklerotomen, die okzipitalen Somiten entstammen, nachdem ein viertes Sklerotom rückgebildet wird. Durch diese Entwicklung ist letztlich eine langgestreckte Knorpelplatte entstanden, die von der SiebbeinNasenregion bis zur vorderen Begrenzung des Foramen magnum reicht. Material im Anlagenbereich des Os occipitale formiert sich um das Neuralrohr (Abb. 4.1). Im Zentrum der Platte ist

zwischen den Hypophysenknorpeln die RathkeTasche (Hypophysentasche, s. Kap. 54.11.2, S. 190) zu erkennen. £ Weitere Knorpelanlagen entstehen beiderseits lateral von der genannten langgestreckten Platte (Abb. 4.1). Es handelt sich um die rostral gelegene Ala orbitalis (→ Ala minor des Os sphenoidalis) und die nach kaudal folgende Ala temporalis (→ Ala major des Os sphenoidale). Sie formieren sich um die sich entwickelnde Augenhöhle (→ Orbita). Seitlich vom Parachordalknorpel befindet sich die Labyrinthkapsel, welche das Ohrbläschen einschließt (→ Pars petrosa des Os temporale). Die knorpeligen Nasenkapseln liegen vor und unter den Trabekularplatten; sie sind nach unten offen und umschließen die Riechsäckchen. Aus ihnen entstehen auch Teile des Siebbeines. £ Die Strukturen des Chondrokraniums verschmelzen miteinander (nur die Durchtritte für Gefäße und Nerven bleiben frei) und verknöchern durch enchondrale Ossifikation (Abb. 4.1 b). Diese Ossifikation vollzieht sich von mehreren Zentren aus. Während dieser Verknöcherungsprozesse bleiben die basikranialen Synchondrosen zunächst als Knorpelreste erhalten, die später auch verknöchern. Sie bilden Wachstumszentren. £ Die Wachstumsaktivitäten in den basikranialen Synchrondrosen werden durch das Wachstumshormon (STH) gesteuert, das die Proliferation der Knorpelzellen stimuliert.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

180

Os frontale

Os parietale Ala minor ossis sphenoidalis, Canalis opticus Ala major ossis sphenoidalis Nasenkapsel

Pars squamosa ossis temporalis

Os lacrimale Os nasale

Ohrkapsel Maxilla

Pars tympanica ossis temporalis

Os zygomaticum

Processus styloideus, Foramen stylomastoideum

Cartilago Meckeli Mandibula Halswirbel

Abb. 4.2: Seitenansicht des Chondrokraniums (blau) eines menschlichen Keimlings (3. Monat). Die Deckknochen sind grau getönt (nach O. Hertwig und F. Ziegler)

Zu den Synchondrosen bzw. Knorpelresten gehören:

• Pars squamosa und Pars tympanica des Os temporale (aus Schlundbogenmaterial)

1. Synchondrosis sphenooccipitalis: Verknöcherung im 20. Lebensjahr (oder etwas früher) 2. Synchondroses intraoccipitales anterior und posterior: Verknöcherung im 5.–6. Lebensjahr 3. Synchondrosis sphenopetrosa und S. petrooccipitalis: Verknöcherung kurz vor oder nach der Geburt 4. Synchondrosis sphenoethmoidalis: Verknöcherung zur Zeit der Reife, sehr variabel 5. Synchondrosis intersphenoidalis: Verknöcherung frühzeitig, sehr variabel 6. Symphysis mandibulae: Verknöcherung im 1. Lebensjahr

£ Wie ersichtlich ist, entstehen die Knochen des

Desmocranium (Abb. 4.2) £ Aus dem Desmocranium entstehen folgende

Elemente des Neurokraniums:

• Os frontale (wird auch zum Viscerocranium gerechnet) • Os parietale • Oberer Teil der Squama occipitalis

Schädeldaches aus dem Desmocranium. Mit seiner Ausbildung werden die Elemente der Schädelbasis durch desmal verknöcherte Strukturen ergänzt. £ Desmocranium. Es entwickelt sich unmittelbar aus dem mesenchymalen Bindegewebe, das die Hirnanlage umgibt. Die desmale Ossifikation beginnt etwa in der 8. Embryonalwoche mit 5 Zentren: je 2 Zentren im Bereich der Ossa frontale und parietale sowie ein Zentrum in der späteren Squama des Os occipitale. Die Pars squamosa des Os temporale entstammt zwar dem Material des ersten Schlundbogens, wird aber später in das Schädeldach mit einbezogen. Die Ossifikation vollzieht sich von den Knochenkernen aus flächenhaft. Dabei wird das Mesenchym bis auf schmale Spalten, die Nähte oder Suturen, sowie breitere Areale, die Fontanellen, reduziert. £ Suturen (Abb. 4.3). Sie bilden sekundäre Wachstumszentren (suturales Wachstum), welches beendet ist, wenn sie verknöchert sind. Die

4.1 Entwicklung des knöchernen Schädels, Kiemendarm

folgenden medizinisch wichtigen Nähte verknöchern erst im Erwachsenenalter: • Sutura sagittalis: Verknöcherung im 20.–30. Jahr • Sutura coronalis: Verknöcherung im 30.–40. Jahr • Sutura lambdoidea: Verknöcherung im 40.–50. Jahr Die Verknöcherung kann aber individuell auch schon früher einsetzen. • Alle anderen Suturen werden nach den benachbarten bzw. verbindenden Knochen bezeichnet. • Über Naht- und Fontanellenknochen siehe Kap. 4.3.1.5, S. 196. £ Fontanellen. Sie liegen an den Kreuzungsstel-

len von Suturen (Abb. 4.3).

• Große Fontanelle, Fonticulus anterior: hat die Form einer Raute; Verschluss bis zum 2. Lebensjahr • Kleine Fontanelle, Fonticulus posterior: hat dreieckige Gestalt. Verschluss im 3. Monat • Vordere Seitenfontanelle, Fonticulus anterolateralis: Verschluss im 6. Monat • Hintere Seitenfontanelle, Fonticulus posterolateralis: Verschluss im 18. Monat

181

Hydrocephalus. 2. Die Palpation der Knochenränder dient der Prüfung des Verknöcherungsgrades. Die vordere und hintere Fontanelle geben dem Geburtshelfer eine Orientierung zur Lage und Einstellung des Kopfes während der Geburt (s. Kap. 3.6.2, S. 157). 3. Die anderen Fontanellen sind klinisch unauffällig, da sie von Muskulatur bedeckt und nicht tastbar sind. £ Die Weichheit der jungen desmalen Knochen

und ihre suturale Verbindung ermöglichen

• eine maximale Formveränderung durch Knochenverschiebung bei der Geburt, • eine optimale Anpassung des Schädeldaches an die progressive Hirnentfaltung.

4.1.1.2 Entwicklung des Viszerokraniums und Schlunddarms Die Knochen des Viszerokraniums entstehen größtenteils durch desmale Ossifikation. Einige Elemente des Gesichtsschädels, die sich aus den Knorpeln der Schlundbögen ableiten, entstehen durch chondrale Ossifikation. £ Desmale Knochen

Klinik: 1. Die vordere Fontanelle hat beim Neugeborenen eine große Bedeutungfür die Funktion der erweiterten Seitenventrikel beim

• Das Os frontale (Abb. 4.2) ist zunächst paarig angelegt. Die Verschmelzung zu einem Kno-

Sutura frontalis

Sutura coronalis Tuber frontale

Sutura coronalis Fonticulus anterior

Os frontale (Tuber) Fonticulus anterolateralis Os sphenoidale (Ala major)

Sutura lambdoidea Os occipitale (Squama)

Tuber parietale

Fonticulus posterolateralis

Sutura sagittalis Fonticulus posterior

Os temporale (Pars squamosa)

Sutura lambdoidea Os occipitale

a

Os parietale

Anulus tympanicus

Pars petrosa ossis temporalis Pars lateralis ossis occipitalis

b

Abb. 4.3: Schädel eines Neugeborenen mit Suturen und Fontanellen. a. Ansicht von oben, b. Ansicht von lateral

182

chen erfolgt im 2. Lebensjahr, die vollständige Obliteration erst im 5. bis 8. Lebensjahr. Die Naht kann manchmal sichtbar bleiben (Sutura metoptica). • Die Knochen der Nasenhöhle (mit Ausnahme der Choncha nasalis inferior) entwickeln sich als Deckknochen auf der knorpeligen Nasenkapsel, die sich danach zurückbildet. • Aus Material des ersten Schlundbogens (s. u.) entstehen der Ober- und Unterkieferwulst. Das mesenchymale Gewebe des Oberkieferwulstes ist die Grundlage für die Entwicklung der Maxilla, der Ossa palatinum und zygomaticum sowie der Pars squamosa des Os temporale (Abb. 4.2). • Im Unterkieferwulst wird der Meckel-Knorpel angelegt. Das ventrale Ende desselben degeneriert; es dient als „Matritze“ für den sich aus dem umgebenden Mesenchym entwickelnden Unterkiefer (Abb. 4.2). Die desmale Ossifikation der Unterkieferanlage beginnt etwa in der 6. Woche. Kleinere Bereiche, wie die Kinnpartie und der Proc. condylaris, verknöchern allerdings enchondral. £ Chondrale Knochen im erweiterten Sinne

• Das Os hyoideum entsteht aus dem zweiten (Reichert-Knorpel) und dem 3. Schlundbogenknorpel. • Aus dem dorsalen Ende des Meckel-Knorpels entwickeln sich durch enchondrale Ossifikation Malleus und Incus, aus dem des Reichert-Knorpels der Stapes sowie der Proc. styloideus. £ Schlundbögen und ihre Derivate

Andere Begriffe dafür sind Kiemenbögen, Branchialbögen, Viszeralbögen oder Pharyngealbögen. Beim Menschen werden 4 Schlundbögen und 5 Schlundtaschen angelegt, die aber nicht mehr nach außen durchbrechen. Das Material des 5., 6. und 7. Bogens bleibt zwar erhalten, bildet aber keine Bögen mehr. Die Viszeralbögen des Menschen bestehen aus Knorpel, Muskeln, Gefäßen und Nerven. 1. Knorpelanlagen der Schlundbögen • Der 1. Schlundbogen (Mandibularbogen) liefert das dorsal gelegene Quadratum (den späteren Amboss) und das ventrale Mandibulare, das Meckel-Knorpel genannt wird. Zwischen Quadratum und Mandibulare liegt das primäre

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

Hammer-Ambossgelenk Griffelfortsatz

Meckel-Knorpel

Zungenbein

Schildknorpel Ringknorpel Trachealringe

Abb. 4.4: Viszeralskelett des Menschen. Die einzelnen Schlundbögen bzw. Abkömmlinge sind durch verschiedene Farben hervorgehoben

Kiefergelenk, das als späteres Hammer-AmbossGelenk (Abb. 4.4) in den Dienst der Schallleitung tritt. Das hintere Ende des Meckel-Knorpels wird zum Hammer umgebildet. Auf den größeren vorderen Teil des Meckel-Knorpels lagert sich von außen Belegknochen (grau in Abb. 4.2) auf, der den Unterkiefer, die Mandibula, liefert. Im Bereich der Mandibula geht der Knorpel zugrunde. Die Mandibula gewinnt eine neue Gelenkbeziehung zum Schädel (Schläfenbein). Dieses neue Kiefergelenk des Menschen und aller anderen Säuger wird als sekundäres Kiefergelenk dem primären Kiefergelenk aller Nichtsäuger gegenübergestellt. • Die Maxilla entsteht beim Menschen direkt aus dem Bindegewebe, zeigt 6 Knochenkerne, von denen 5 bereits frühzeitig verschmelzen. Das 6. Stück, das die Oberkieferschneidezähne tragende Incisivum, bleibt länger selbständig, ist manchmal noch beim Jugendlichen durch die Sutura incisiva vom Oberkiefer getrennt. Der Deckknochen der Maxilla legt sich erst spät der Nasenkapsel an, die an dieser Stelle schwindet. Die Ossa zygomaticum und palatinum entstehen ebenfalls direkt im Bindegewebe. • Der 2. Schlundbogen (Hyoidbogen) liefert den Stapes, den Proc. styloideus, das Lig. stylohyoideum und das kleine Horn des Zungenbeins. Der Proc. styloideus verschmilzt bei der Verknöcherung mit dem Felsenbein.

4.1 Entwicklung des knöchernen Schädels, Kiemendarm

• Der 3. Schlundbogen bleibt nur in seinem ventralen Teil als großes Horn des Os hyoideum erhalten. Die ventralen Enden des 2. und 3. Bogens sind durch die Copula, den Zungenbeinkörper, verbunden. • Aus dem Material des 4. und 5. Schlundbogens entsteht der Schildknorpel. • Aus dem Material des 6. Bogens sollen sich der Kehldeckel und die Cartilagines cuneiformes entwickeln. • Das Material des 7. Schlundbogens soll den Ringknorpel, die Gießbeckenknorpel und die Knorpelspangen bzw. -platten der Luftröhre und der Bronchien liefern. 2. Muskeln, Nerven und Arterien der Schlundbögen Damit die Schlundbögen in ihrer Einheit dargestellt werden, sollen auch die Anlagen für die Muskulatur, Gefäße und Nerven aufgeführt sowie die Schlundfurchen und -taschen behandelt werden. Muskelanlagen der Schlundbögen. Sie wandern in die Kopf- und Halsregionen aus. Aus der Anlage (s. auch Kap. 4.8, S. 225) • des 1. Schlundbogens entstehen die Kaumuskeln und vorderer Bauch des M. digastricus, M. mylohyoideus, M. tensor veli palatini und M. tensor tympani • des 2. Schlundbogens die mimischen Muskeln und hinterer Bauch des M. digastricus, M. stylohyoideus, M. stapedius und das Platysma • des 3. Schlundbogens der M. stylopharyngeus und die oberen Pharynxmuskeln • des 4. bis 6. Schlundbogens die Gaumenmuskeln mit Ausnahme des M. tensor veli palatini, die unteren Schlundschnürer sowie die Larynxmuskeln Schlundbogenarterien. Sie verschmelzen teilweise miteinander und bilden die Hauptschlagadern des Brust- und Halsbereichs, teilweise gehen sie zugrunde (s. Kap. 3). Schlundbogennerven. Sie begleiten die Muskeln und versorgen außer diesen auch die oberen Eingeweide, z. B. die Zähne, Schleimhaut der Zunge, den Kehlkopf. • Der 1. Schlundbogennerv ist der N. trigeminus, • der 2. Schlundbogennerv der N. facialis,

183

• der 3. Schlundbogennerv der N. glossopharyngeus und • der 4. bis 6. Schlundbogennerv der N. vagus. £ Schlundfurchen

Es handelt sich um entsprechende Einstülpungen von außen entsprechend den Kiementaschen. Sie bilden sich bereits im 2. Monat wieder zurück. • 1. Schlundfurche. Aus ihr entstehen die Ohrmuschelgrube und der äußere Gehörgang (s. Kap. 7.1.1, S. 593). • 2., 3. und 4. Schlundfurche. Sie vertiefen sich zur seitlichen Halsbucht. Diese wird von der Operkularfalte des 2. Kiemenbogens abgedeckt und durch die Verwachsung derselben mit der unteren Halsregion zur seitlichen Halsbucht, dem Sinus cervicalis, geschlossen. Unterbleibt der Verschluss, kommt es zur Bildung einer seitlichen Halsfistel. Der Sinus cervicalis verschwindet später. £ Schlund- oder Kiementaschen

Der Schlunddarm stellt den obersten Abschnitt des Vorderdarms dar und beginnt unmittelbar hinter der Rachenmembran. Seine Seitenwände zeigen 5 Schlundtaschen, die sich zwischen den Schlundbögen ausstülpen. Die Entodermzellen am Grund der Schlundtaschen bilden den Mutterboden für einige Organe (Abb. 4.5, siehe auch Abb. 4.74). • 1. Schlundtasche. Sie wird zu einem langen Schlauch ausgezogen. Ihr erweitertes Ende liefert die Anlage der Paukenhöhle, Cavitas tympanica, und die innere Epithelschicht des Trommelfells. Aus dem Verbindungsstück entsteht die Ohrtrompete, Tuba auditoria, die den Rachenraum mit dem Mittelohr verbindet (s. Kap. 7.1.2.3, S. 610). • 2. Schlundtasche. Sie bildet die Tonsillarbucht, aus deren Epithelzellen sich in Verbindung mit dem umgebenden Bindegewebe die Gaumenmandel, Tonsilla palatina, entwickeln (s. Kap. 4.14.5, S. 311). • 3. und 4. Schlundtasche. Sie wachsen nach hinten und vorn aus. Die hinteren Epithelzellen bilden die Anlage der Nebenschilddrüsen, Glandulae parathyroideae, und die vorderen das Anlagematerial des Thymus (s. Kap. 10.7.3, S. 886). Die Organanlagen wandern abwärts, die Nebenschilddrüse aus der 3. Schlundtasche gelangt zum unteren und die aus der 4. zum

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

184

I Anlage der Paukenhöhle

Foramen caecum

1

1

Anlage des äußeren Gehörgangs

2

1 Anlage derTuba auditiva und Paukenhöhle

II 2 Operkularfalte

2 Anlage der Gaumenmandel

III 3 IV

Sinus cervicalis

4

3 Nebenschilddrüsenanlage 4 Thymusanlage

4

3 3

5 Ultimobranchialkörper 3 Rest des Sinus cervicalis

5 5

Gl. thyroidea

Ductus thyroglossalis Thymus Derivate der Schlundtaschen

Abb. 4.5: Entwicklung des Schlundbogengebietes (aus G.-H. Schumacher). Derivate der Schlundtaschen (innen) und Schlundfurchen (außen). Römische Zahlen: Schlundbögen

oberen Pol der Schilddrüse und der Thymus in den Brustkorb. • 5. Schlundtasche. Sie bildet mit ihrem Epithel den Ultimobranchialkörper, der später in Form von parafollikulären Zellen oder C-Zellen in der Schilddrüse zu finden ist (s. Kap. 4.11, S. 337).

4.1.2

Phylogenese

Keine Struktur des Körpers ist ein so markantes Spiegelbild der Phylogenese wie der Schädel. Eine phylogenetische Betrachtungsweise ist wichtig, da der Säugetierschädel eine langwierige Entwicklung durchmacht und Neuerwerbungen bekommen hat. Diese sind: 1. Sekundäres Kiefergelenk, Gehörknöchelchen (s. Kap. 4.7.2, S. 221, Kap. 7.1.2.1, S. 600), 2. Sekundärer Gaumen (s. Kap. 4.13.4, S. 299) und 3. Heterodontes und diphyodontes Gebiss (s. Kap. 4.13.3, S. 281). Das Prinzip der menschlichen phylogenetischen Schädelentwicklung besteht in der Proportionsveränderung zwischen Neuro- und Viszerokranium sowie in der Schädelbasisknickung.

4.1.2.1 Proportionsverschiebungen von Neuro- und Viscerocranium zugunsten des ersteren £ Zerebralisation

Mit der Entfaltung des Großhirns (Zerebralisation, s. Kap. 2.6.2, S. 92) erfolgt eine Ausrundung des gesamten menschlichen Schädeldachs. Die Fläche der Deckknochen vergrößert sich. Davon ist insbesondere das Os frontale betroffen durch eine Aufrichtung und Auswölbung der Squama. Als Ergebnis dieser Entwicklungsvorgänge liegt eine Vergrößerung der Hirnkapsel vor (z. B. Orang Utan 300–480 cm3, Rezenter Mensch 1100–1900 cm3). Die Sinnesorgane, insbesondere die Augen, haben ebenfalls einen Einfluss auf die Gestaltung des Gesichtschädels.

£ Schwächere Ausbildung des Viszerokrani-

ums, Vertikalisation Mit dem aufrechten Gang des Menschen (Vertikalisation) werden die vorderen Extremitäten frei für bestimmte Verrichtungen, die vorher vom Gebiss getätigt wurden. Beim Tier hat das Gebiss neben der Kaufunktion die Aufgabe des Erlegens der Beute, der Verteidigung, des Werkzeugs (Nager!) und des Tragens der Jungen. Diese Funktionen treten beim Menschen zurück.

4.1 Entwicklung des knöchernen Schädels, Kiemendarm

185

£ Kieferverkürzung

und Entwicklung einer Parabelform der Zahnbögen. Die Zähne sowie die Kau- und Nackenmuskulatur werden schwächer ausgebildet. Daraus resultieren grazilere Knochenleisten als Ursprungs- und Ansatzort.

Os frontale

Os occipitale

Lamina cribrosa

4.1.2.2 Schädelbasisknickung Sie ist ein Schlüsselereignis in der Phylogenese des Schädels. Durch die Entwicklung des aufrechten Gangs (Vertikalisation) knickt der Schädel in sich ab, damit die Aug(Seh-)achse in der Horizontalen erhalten bleibt. Der Mensch hat die ausgeprägteste Knickung, die individuell zwischen 90° und 116° betragen kann (Abb. 4.6). Die Knickung wird durch den Winkel zwischen Clivus und der Ebene der vorderen Schädelgrube ausgedrückt. Die Schädelbasisknickung hat auch eine Schädelverkürzung (Brachykephalisation) zur Folge. Die Zerebralisation unterstützt die Knickungsvorgänge. Mit der Schädelbasisknickung hat der Schädel auch eine andere Orientierung bekommen. Er muss beim Zweibeiner auf der Wirbelsäule balancieren. Während beim Vierfüßer das Foramen magnum nach hinten unten zeigt, ist es beim Menschen nach unten gerichtet. Foramen magnum und Condyli occipitales sind weit nach vorn gelagert. Der Schwerpunkt des menschlichen Schädels liegt etwa 3 cm vor den Hinterhauptskondylen. Damit ist die Schultermuskulatur (s. Kap. 8.5.1, S. 644) und die tiefe Nackenmuskulatur (s. Kap. 8.6, S. 648) auch schwächer ausgebildet, und die sog. Muskelkämme der Vierfüßer sind überfällig geworden.

4.1.2.3 Weitere Faktoren für die Schädelformung £ Umweltfaktoren und die Ernährung prägen

den Schädel. So bilden sich je nach Ernährungsweise 1. Karnivoren (Fleischfresser), 2. Herbivoren (Pflanzenfresser) oder 3. Rodentia (Nager) heraus.

Der menschliche Schädel weist durch die Anpassung an die omnivore Ernährungsweise Besonderheiten auf, die sich in der Form der Zähne, des Kiefergelenkes und der Kaumuskeln widerspiegeln.

a

Foramen magnum Fossa hypophysialis

Clivus

Os frontale Os occipitale Foramen magnum

Clivus Fossa hypophysialis Lamina cribrosa

b

Os frontale

Os occipitale

Lamina cribrosa

Clivus Fossa hypophysialis

Foramen magnum

c Abb. 4.6: Schädelbasisknickung (nach J. Fanghänel). a. Hund, b. Gorilla, c. Mensch. Deutlich ist der kleinste Schädelbasiswinkel beim Menschen zu erkennen

£ Die Entwicklung der Sprache differenziert Mus-

kelgruppen, welche an der Sprache mitbeteiligt sind (Artikulation, Mimik, Gestik). Durch eine stärkere Wölbung des harten Gaumens hat die Zunge einen größeren Spielraum für die Artikulation. Letztlich haben auch endokrinologische Zusammenhänge eine große Bedeutung.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

186

4.1.3

Kraniofaziales Wachstum

£ Die Steuerung des kraniofazialen Wachstums

ist ein komplexes Geschehen. Dabei unterliegt die Formwerdung des Schädels einem genetischen Programm, das durch exogene Faktoren beeinflusst und modifiziert werden kann.

Die Entwicklung des Chondrokraniums ist in erster Linie genetisch determiniert. Das Wachstum des Desmokraniums wird dagegen vor allem durch umgebende lokale Faktoren (z. B. Muskulatur) beeinflusst. Die Gesamtheit dieser Faktoren wird als „funktionelle Matrix“ (M. Moss) bezeichnet. Pränatal sind das chondrale und suturale Wachstum dominierend. Das periostale Wachstum, von welchem das Dickenwachstum der Knochen ausgeht, tritt erst postnatal auf. Dem chondralen Wachstum kommt die Bedeutung eines primären Wachstums zu, während das suturale mehr eine sekundäre, kompensatorische Aufgabe hat. Das Neurokranium wird schon pränatal insbesondere durch die Hirnentfaltung gestaltet. Die Schädelbasis knickt durch den Wachstumsdruck des Gehirns vom Keilbeinkörperkomplex nach hinten und seitwärts ab. Das Schädeldach wird ausgerundet. Die Modellierung des Viszerokraniums erfolgt dagegen erst postnatal. Hier sind die Entwicklung der Augen und Nasennebenhöhlen sowie die Dentition als kausale Faktoren zu nennen. Der Zug der sich entwickelten Muskulatur wirkt am gesamten Schädel stimulie-

a

b

rend auf die Osteogenese. So entsteht beispielsweise der Proc. mastoideus erst nach der Geburt durch den Zug des M. sternocleidomastoideus. £ Die endgültige Schädelform wird durch Grö-

ßenwachstum und Proportionsverschiebungen zwischen Neuro- und Viszerokranium erreicht. Das Viszerokranium ist beim Neugeborenen im Verhältnis zum Neurokranium zunächst relativ klein. Die Kiefer sind noch wenig entfaltet. Somit ist das Gesicht niedrig und breit (Abb. 4.7). £ Jeder Schädel ist asymmetrisch gestaltet. Kleinere Seitendifferenzen gehören zur normalen „biologischen Varianz“. Größere Abweichungen bezeichnen wir als Schädel-Gesichtsskoliosen.

4.1.4

Fehlbildungen

Fehlbildungen treten auf als Defekte, Kranioschises, oder als vorzeitiger Schluss von Schädelnähten, Kraniosynostosen. Kombinierte Fehlbildungen bilden Syndrome.

4.1.4.1 Kranioschisis £ Akranie: angeborenes Fehlen des Schädeldachs,

zumeist bei Anenzephalie (Abb. 4.8 e, f). (Krötenkopf, Froschkopf): schwere, relativ häufig vorkommende Fehlbildung (ca. 1 : 1 000 Lebendgeborene). Vorliegen

£ Anenzephalie

c

Abb. 4.7: Das Verhältnis von Gehirn- (weiß) und Gesichtsschädel (grau). Die Schädel vom Neugeborenen (a), Erwachsenen (b) und Greis (c) wurden auf die gleiche Höhe gebracht.

4.1 Entwicklung des knöchernen Schädels, Kiemendarm

Abb. 4.8: Schädelfehlbildungen durch verschiedene Nahtverschlussstörungen, Defekte im Neurocranium, Entwicklungsstörungen des Gehirns und Abflussstörungen des Liquor cerebrospinalis, a. Scaphocephalus, b. Trigonocephalus, c. Oxycephalus oder Turricephalus, d. Plagiocephalus, e., f. Akranie, g. Meningozephalozele, h. Hydrocephalus (nach J. Fanghänel)

b

a

e

einer Akranie sowie Fehlen von Gehirnteilen bzw. völligem Fehlen des Gehirns. Sehr oft Fortsetzung des Defekts in den Zervikalbereich (Kraniorhachischisis) £ kombinierte Spaltbildung an Schädel und Wirbelsäule. Fehlender Schluss des Neuroporus rostralis. Nicht mit dem Leben vereinbar. £ Kranioschisis occulta: zumeist auf Stirn- und Scheitelbeine begrenzte Defektbildung. Diese Defekte sind oft mit einer Herniation von Teilen des Gehirns (Enzephalozele) oder nur der der Hirnhäute (Meningozele) verbunden (Abb. 4.8 g).

4.1.4.2 Kraniosynostosen, Kraniostenosen, Stenokephalie Vorzeitiger Nahtverschluss, vermutlich genetisch bedingt (prämature Synostosen) → Schädeldeformitäten (Dyskranie). Die Schädelform hängt dabei vom Typ des vorzeitigen Nahtverschlusses ab. Beim männlichen Geschlecht häufigeres Vorkommen. w Vorzeitiger Pfeilnahtverschluss → Kahnschädel

(Scaphocephalus, Abb. 4.8 a)

w Vorzeitiger Verschluss der Stirnnaht → Keil-

schädel (Trigonocephalus, Abb. 4.8 b)

187

c

f

g

d

h

w Vorzeitiger

symmetrischer Verschluss der Kranznaht → Turmschädel (Oxycephalus, Abb. 4.8 c) ungleichmäßiger Verschluss der Kranznaht (und der Lambdanaht) → Schiefschädel (Plagiocephalus, Abb. 4.8 d) w Mikrozephalie: hier bleibt das Hirnwachstum zurück oder bleibt völlig aus. Vorzeitiger Nahtund Fontanellenverschluss.

4.1.4.3 Syndrome, Systemerkrankungen £ Crouzon-Syndrom: Pfeil- und Kranznaht sind

bei der Geburt bereits geschlossen. Früher Schluss der großen und kleinen Fontanelle. Hypertelorismus, Oberkieferhypoplasie, tiefer Ohrenansatz. Normal verlaufende geistige Entwicklung. £ Enslin-Syndrom(-Trias): Komplex aus Turmschädel, Exophthalmus und starke Wucherung der Rachentonsille. £ Mandibulofaziale Synosten: Komplex aus verschiedenen Entwicklungsstörungen im Mittelgesicht. Zumeist Unterentwicklung von Maxilla, z. T. Mandibula und Jochbogen. Hypo/ Hypertelorismus, Zahnfehlbildungen £ Störungen des Wachstums der basikranialen Synchondrosen: Die Schädelbasis bleibt in ihrem Längenwachstum zurück und die

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

188

„Stemmkörperwirkung“ der Synchondrosen auf das Mittelgesicht bleibt aus (Zurückbleiben des Mittelgesichts, Boxer- oder Bulldoggengesicht). £ Arnold-Chiari-Syndrom: Herniation von Teilen des Cerebellum und der Medulla oblongata in den Wirbelkanal sowie in die Halsregion hinein. Oft ist die hintere Schädelgrube unterentwickelt. Die Ätiologie ist unbekannt.

4.2

niums durch abnorme Wölbung der Calvaria (Abb. 4.8). Volumenzunahmen durch Erweiterung der Hirnventrikel (Hydrocephalus internus) bzw. des Subarachnoidalraumes (Hydrocephalus externus) aufgrund von Abflussstörungen des Liquor cerebrospinalis.

Schädelansichten

Lernziele: Beschreibung des Schädels aus verschiedenen Ansichten Am Schädel werden verschiedene Standardansichten definiert, die für die verschiedenen Fachdisziplinen wichtig sind.

4.2.1

£ Hydrocephalus: Vergrößerung des Neurokra-

Ansicht von oben, Norma verticalis

In der Ansicht von oben sehen wir vorn das Stirnbein, in der Mitte die beiden Scheitelbeine, hinten das Hinterhauptsbein. Die Sutura coronalis verbindet das Stirnbein mit den Scheitelbeinen. Die Sutura sagittalis vereinigt die beiden Scheitelbeine. Am Hinterhaupt stoßen in der lambdaförmigen Naht, Sutura lambdoidea, die Schuppe des Hinterhauptsbeines und die Scheitelbeine zusammen. Diese Nähte sind beim jugendlichen Schädel ausgesprochene Sägenähte (Suturae serratae). In ihrem Verlauf kommt es nicht selten (besonders häufig in der Lambdaund Pfeilnaht) zur Bildung von selbständigen Nahtknochen, Ossa suturarum. Am Schädel des Neugeborenen (Abb. 4.3) setzt sich die Pfeilnaht in die Stirnnaht, Sutura frontalis, fort. Diese trennt die beiden Stirnbeinhälften, verstreicht meistens frühzeitig, bleibt aber in seltenen Fällen dauernd erhalten. Dort, wo Stirn-, Pfeil- und Kranznaht zusammentreffen, besteht beim Neugeborenen und Säugling eine mit Bindegewebe ausgefüllte, rautenförmige Knochenlücke, die vordere oder Stirnfontanelle, Fonticulus anterior. An der Vereinigung von Pfeil- und Lambdanaht liegt die dreieckige, hintere oder Hinterhauptfontanelle, Fonticulus posterior (minor). Sie ist bei reifen Feten keine eigentliche Knochenlücke mehr, sondern nur noch eine dreieckige Vertiefung, die der Spitze des Hinterhauptsbeines entspricht.

4.2.2

Ansicht von der Seite, Norma lateralis

Der zentrale Knochen der Seitenwand des Neurokraniums ist das Schläfenbein, Os temporale. Es steht (Abb. 4.9) nach hinten mit dem Hinterhauptsbein, Os occipitale, nach oben mit dem Scheitelbein, Os parietale, nach vorn mit dem Keilbein, Os sphenoidale, in Verbindung. Außerdem hängt es mit dem Viszeralschädel zusammen (im Kiefergelenk mit dem Unterkiefer, durch den Jochfortsatz, Processus zygomaticus, mit dem Jochbein, Os zygomaticum. Das Stirnbein, Os frontale, grenzt nach hinten an das Keilbein und das Scheitelbein, nach unten an verschiedene Knochen des Gesichtsschädels (Nasenbein, Oberkiefer, Siebbein und Jochbein). Am Neugeborenenschädel können in der Seitenansicht (Abb. 4.3) Bestandteile des Schläfenbeins, die Schuppe, Pars squamosa, der Felsenbeinteil, Pars petrosa, und der Trommelfellring, Anulus tympanicus, unterschieden werden. Sie sind durch relativ weite Spalten oder Nähte noch teilweise voneinander getrennt. Sie entstehen auf verschiedener entwicklungsgeschichtlicher Grundlage. Hier sind 2 kleine, durch Bindegewebe verschlossene Fontanellen, die vordere Seitenfontanelle, Fonticulus anterolateralis (oberhalb des großen Keilbeinflügels), und die hintere Seitenfontanelle, Fonticulus posterolateralis (hinter der Pars petrosa) zu sehen.

Klinik: Von topographischer Bedeutung ist die Spina supra meatum, ein kleiner dornartiger Vorsprung am hinteren oberen Umfang des Porus acusticus externus. Sie dient zur Orientierung bei der operativen Eröffnung des Warzenfortsatzes (Mastektomie) bei spezifischen Prozessen. Schließlich sollen noch die bisher nicht erwähnten Nähte genannt werden. Da sie nach den benachbarten Knochen benannt werden, sind ihre Namen leicht abzuleiten. Wir beginnen (Abb. 4.9–4.10) mit der Sutura frontozygo-

4.2 Schädelansichten

189

Linea temporalis inferior

Sutura coronalis Os frontale (Squama frontalis)

Linea temporalis superior Os sphenoidale (Ala major)

Os lacrimale (Crista lacrimalis posterior)

Crista lacrimalis anterior Fossa sacci lacrimalis

Os nasale Maxilla mit Foramen infraorbitale

Sutura lambdoidea

Spina nasalis anterior

Os temporale (Pars squamosa)

Os zygomaticum

Porus acusticus externus, Spina supra meatum

Processus coronoideus

Processus mastoideus Processus condylaris, Arcus zygomaticus Processus styloideus

Mandibula (Foramen mentale)

Angulus mandibulae

Abb. 4.9: Seitenansicht (Norma lateralis) des Schädels. Inset oben: deutlich erkennbare Atrophie der Alveolarfortsätze Ober- und Unterkiefer beim Zahnlosen zu erkennen (nach G.-H. Schumacher)

matica (Grenze zwischen Stirn- und Jochbein), folgen der Sutura sphenofrontalis (Keil-, Stirnbein) bis zur Kranznaht, Sutura coronalis (Stirn-, Scheitelbein), verfolgen nach hinten die Sutura sphenoparietalis (Keil-, Scheitelbein). Von ihrem Ende verläuft die Sutura sphenosquamosa (Keil-, Schläfenbein) nach unten, die Sutura squamosa (Scheitel-, Schläfenbein) im Bogen nach hinten. Sie setzt sich nach hinten in die Sutura parietomastoidea (Scheitelbein-Warzenteil) fort und läuft nach oben in die Sutura lambdoidea (Scheitel-Hinterhauptsbein), nach

unten in die Sutura occipitomastoidea (HinterhauptsbeinWarzenteil) aus. Die Sutura temporozygomatica trennt Schläfen- und Jochbeinanteil des Jochbogens.

4.2.3

Ansicht von vorn, Norma frontalis

Der Hirnschädel wird in der Ansicht von vorn in der Hauptsache vom Stirnbein gebildet (Abb. 4.10). Seine

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

190 Sutura frontalis persistens

Os frontale (Squama frontalis) Glabella, Arcus superciliaris Linea temporalis Sutura frontonasalis Sutura coronalis Os parietale

Foramen supraorbitale

Foramen sive Incisura supraorbitalis

Os sphenoidale (Ala major)

Os nasale, Sutura internasalis

Sutura frontozygomatica

Canalis opticus

Os temporale (Pars squamosa)

Fissura orbitalis superior

Os sphenoidale (Ala major)

Os lacrimale (Fossa sacci lacrimalis)

Os zygomaticum mit Foramen zygomaticofaciale

Fissura orbitalis inferior Sulcus infraorbitalis

Sutura zygomaticomaxillaris

Maxilla (Foramen infraorbitale)

Cavitas nasalis ossea, Spina nasalis anterior

Os ethmoidale (Concha nasalis media) Septum nasi osseum, Concha nasalis inferior

Foramen mentale

Mandibula

Abb. 4.10: Ansicht eines Schädels von vorn (Norma frontalis). Im Os frontale ist eine persistierende Stirnnaht zu erkennen

Pars orbitalis weist gegen die Augenhöhle und beteiligt sich an der Bildung der Schädelbasis. Mittels eines scharfen Randes, Margo supraorbitalis, geht die Pars orbitalis in die Squama frontalis über. Die konvexe Stirnschuppe ist die knöcherne Grundlage der Stirn. Oberhalb der Nasenwurzel liegt ein erhabenes, ebenes Feld, die Glabella. Von ihr verlaufen die Oberaugenbrauenwülste, Arcus superciliares, im Bogen nach lateral. Sie sind

ebenso wie die Stirnhöcker, Tubera frontalia, individuell verschieden stark ausgebildet. Manchmal kann man auch beim Erwachsenen noch eine mediane Stirnnaht feststellen (Sutura frontalis persistens, Abb. 4.10). In dieser Ansicht sehen wir noch die großen und kleinen Flügel des Keilbeines. Sie begrenzen von hinten und oben her die Augenhöhle und helfen gleichzeitig die Schädelbasis bilden.

4.3 Schädelknochen

4.2.4

Ansicht von hinten, Norma occipitalis

Diese Ansicht zeigt als Hauptknochen die Schuppe des Hinterhauptsbeines, Squama occipitalis, daneben noch die Pars petrosa des Schläfenbeins und die Scheitelbeine. Die Squama occipitalis hat ungefähr in ihrem Zentrum die höckerartige Protuberantia occipitalis externa. Von ihr ziehen kräftige Leisten, die Linea nuchae suprema und superior, im Bogen nach lateral. Sie grenzen ein oberes, dreieckiges, glattes Feld (Planum occipitale, Oberschuppe) von einem unteren, viereckigen, mit Leisten und Gruben versehenen Feld (Planum nuchae, Unterschuppe) ab. Der untere Teil der Hinterhauptschuppe wird durch die sagitale Crista occipitalis externa und die quere Linea

4.3

nuchae inferior in 4 Felder (Plana nuchalia) für den Ansatz der kräftigen Nackenmuskulatur geteilt.

4.2.5

Innenansicht der Calvaria

Das durch einen horizontalen Schnitt abgetragene Schädeldach zeigt an der konkaven Innenfläche die baumförmig verzweigten Sulci arteriosi, Furchen für die Aufnahme der Aa. meningeae (Abb. 4.18). In der Mediansaggittalen verläuft der breite, flache Sulcus sinus sagittalis superioris, eine Furche für den Sinus sagittalis superior. Seitlich von dieser Furche finden wir Grübchen von wechselnder Zahl und Größe, die Foveolae granulares (für die Granulationes arachnoideales).

Schädelknochen

Lernziele: Beschreibung der Schädelknochen: Lage, Teile, Nachbarschaftsbeziehungen, Geschlechtsdimorphismus Die Knochenstruktur ist letztlich ein Ergebnis vorangegangener ontogenetischer und phylogenetischer Entwicklungsvorgänge.

4.3.1

191

Neurocranium

4.3.1.1 Stirnbein, Os frontale Es besteht aus der konvexen Squama frontalis, den paarigen, durch die Incisura ethmoidalis getrennten, Partes orbitales und der Pars nasalis (Verbindung mit den Nasenbeinen), (Abb. 4.11, 12). Squama frontalis. Wir unterscheiden eine konkave Innenfläche, Facies interna, eine konvexe Außenfläche, Facies externa, und die kleine Facies temporalis. Der Margo supraorbitalis trennt die Facies externa von den Partes orbitales. Er zeigt 2 Einschnitte bzw. Löcher, Incisura (Foramen) frontalis und supraorbitalis. An der Facies externa finden wir Tuber frontale, Glabella, Arcus superciliaris und Linea temporalis, die die kleine seitliche Facies temporalis abtrennt. Von der Pars nasalis geht die Spina nasalis ab (in Abb. 4.11 gegabelt, zumeist einfach). Der Processus zygomaticus stellt die Verbindung mit dem Jochbein, Os zygomaticum, her.

Pars orbitalis. Sie bildet das Dach der Augenhöhle (s. Kap. 4.6.1.1, S. 217) und der Siebbeinzellen (s. Kap. 4.15.2.3, S. 324). Ihre Incisura ethmoidalis nimmt die Lamina cribrosa des Siebbeins auf. Das Foramen ethmoidale posterius führt A., V. und N. ethmoidales posteriores von der Augenhöhle in die hinteren Siebbeinzellen. Das Foramen ethmoidale anterius führt A., V. und N. ethmoidales anteriores aus der Augenhöhle in die Schädelhöhle. Weiterhin finden wir die Spina trochlearis (für die Anheftung der Trochlea, einer Knorpelspange zum Durchtritt der Sehne des M. obliquus oculi superior) (s. Abb. 6.27, S. 577), die Fossa glandulae lacrimalis (lateral vorn, zur Aufnahme der Tränendrüse), den Margo supraorbitalis, den Margo sphenoidalis (für die Ala major), den Margo parietalis (für das Os parietale) und den Processus zygomaticus (für das Os zygomaticum). Pars nasalis. Hier springt die Spina nasalis ossis frontalis vor.

4.3.1.2 Hinterhauptsbein, Os occipitale Das Os occipitale entsteht zum größten Teil als Ersatzknochen, nur der obere Teil der Schuppe ist Bindegewebsknochen. Das Os occipitale bildet die knöcherne Grundlage für den Hinterkopf, Occiput, und Gruben für das Kleinhirn sowie die Hinterhauptspole der beiden Großhirnhemisphären. Seine innere Fläche wird vor allem durch das Gehirn modelliert (Abb. 4.13),

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

192

Squama frontalis

Tuber frontale Linea temporalis Facies temporalis Arcus superciliaris Processus zygomaticus Incisura supraorbitalis Incisura frontalis

Margo supraorbitalis Glabella

Spina nasalis

Abb. 4.11: Stirnbein, Os frontale. Außenfläche

Incisura supraorbitalis

Incisura frontalis

Pars nasalis

Arcus superciliaris Margo supraorbitalis

Spina trochlearis

Pars orbitalis (Facies orbitalis)

Fossa glandulae lacrimalis

Processus zygomaticus Margo sphenoidalis Margo parietalis

[Foveolae ethmoidales]

Incisura Foramen ethmoiethmoidalis dale posterius

Foramen ethmoidale anterius

Abb. 4.12: Stirnbein, Os frontale, von unten

die Außenfläche durch den Ansatz der Nackenmuskulatur (Abb. 4.14). Der beim Erwachsenen einheitliche Knochen setzt sich, wie die Verhältnisse beim Neugeborenen noch deutlich zeigen, aus 4 Bausteinen zusammen, die sich um das Foramen magnum so herumgruppieren, dass ein unpaares Stück, Pars basilaris, davor liegt, zwei seitlich davon liegen, Partes laterales, und das 4. Stück, die Schuppe, Squama, hinter dieser Öffnung liegt. Auch beim Os occipitale des Erwachsenen unterscheidet man noch diese 4 Abschnitte.

4.3.1.3 Keilbein, Wespenbein, Os sphenoidale Das Keilbein steht mit allen Knochen des Gehirnschädels und den meisten Knochen des Viszeralschädels in Verbindung. Es besteht aus dem Körper, Corpus, den kleinen Flügeln, Alae minores, den großen Flügeln, Alae majores, und den flügelartigen Fortsätzen, Processus pterygoidei (Abb. 4.15, 4.16). Corpus ossis sphenoidalis. Es ist ein würfelartiger Körper mit 6 Flächen. Die hintere Fläche steht zunächst synchondrotisch, später synostotisch mit

4.3 Schädelknochen

193

Protuberantia occipitalis interna

Squama occipitalis

Fossa cerebralis Margo lambdoideus

Crista occipitalis interna

Sulcus sinus transversi

Margo mastoideus Fossa cerebellaris

Foramen magnum Sulcus sinus sigmoidei Canalis condylaris Incisura jugularis

Sonde im Canalis nervi hypoglossi

Processus intrajugularis

Tuberculum jugulare

Pars lateralis Clivus

Sulcus sinus petrosi inferioris Pars basilaris

Abb. 4.13: Hinterhauptsbein, Os occipitale. Ansicht von innen und vorn

der Pars basilaris des Os occipitale in Verbindung (Clivus Blumenbach). Die obere Fläche (Abb. 4.31, Inset) ist tief zur Fossa hypophysialis eingedellt. Hinten trägt sie das Dorsum sellae mit den seitlichen Processus clinoidei posteriores. Die kleinen Processus clinoidei medii gehen von der Vorderwand der Hypophysengrube ab. Die seitlichen Flächen tragen die Flügel, lateral vorn oben die schwertartigen Alae minores, lateral unten die Alae majores, lateral hinten unten die Processus pterygoidei. Die vordere Fläche zeigt die paarige Apertura sinus sphenoidalis. Median zieht die Crista sphenoidalis (zur Anlagerung der Lamina perpendicularis des Siebbeins) senkrecht abwärts und läuft in das Rostrum sphenoidale aus, das von den Flügeln des Pflugscharbeins umfasst wird. Der Körper des Keilbeins ist weitgehend ausgehöhlt. Die Keilbeinhöhle, der Sinus sphenoidalis (s. Kap. 4.15.2.4, S. 324), ist durch das Septum sinuum sphenoidalium in 2, häufig asymmetrische

Kammern geteilt und ist vorn bis auf die zur Nasenhöhle führenden Aperturae sinuum sphenoidalium durch eine muschelförmige Knochenlamelle, die Concha sphenoidalis, verschlossen. Alae minores. Sie bilden mit je 2 Wurzeln den Canalis opticus. Sie begrenzen mit ihrer unteren Fläche die Augenhöhle, mit ihrer oberen die Schädelhöhle. Nach medial und hinten laufen sie in die kräftigen Processus clinoidei anteriores aus. Alae majores. Sie werden nahe ihrer Wurzel vom Foramen rotundum und Foramen ovale durchbohrt. Sie sind nach außen und aufwärts gekrümmt. Man unterscheidet 4 Flächen, 4 Ränder und 1 Winkel. Die Facies cerebralis weist gegen das Gehirn (Abb. 4.31). Die Facies temporalis liegt an der Außenfläche des Schädels (Abb. 4.9) und wird durch die Crista infratemporalis von der basalwärts gerichteten Facies infratemporalis getrennt. Die Facies

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

194

Squama occipitalis

Protuberantia occipitalis externa

Crista occipitalis externa

Linea nuchae superior Linea nuchae inferior

Foramen magnum

Canalis condylaris

Condylus occipitalis

Incisura jugularis Processus intrajugularis

Sonde im Canalis nervi hypoglossi

Pars lateralis Tuberculum pharyngeum

Pars basilaris

Abb. 4.14: Hinterhauptsbein, Os occipitale. Ansicht von au

orbitalis begrenzt hinten und lateral die Augenhöhle. Sie ist glatt und eben. Die Facies maxillaris liegt unterhalb der vorigen und weist gegen die Maxilla. Auf ihr mündet das Foramen rotundum. Der Margo frontalis steht mit dem Stirnbein, der Margo zygomaticus mit dem Jochbein, der Margo parietalis mit dem Scheitelbein und der Margo squamosus mit dem Schläfenbein in Verbindung. Der hintere Rand des großen Flügels ist dornartig zur Spina ossis sphenoidalis ausgezogen und wird vom Foramen spinosum durchbohrt. Fissura orbitalis superior. Sie ist ein schräger, medial weiter, lateral enger Spalt zwischen größerem und kleinerem Flügel. Processus pterygoidei. Diese gehen nahezu senkrecht nach unten ab, bestehen aus 2 Platten,

der Lamina medialis und lateralis, die die Fossa pterygoidea zwischen sich fassen. Die zwischen ihnen gelegene Incisura pterygoidea wird am vollständigen Schädel durch den Processus pyramidalis des Gaumenbeins geschlossen. Die mediale Lamelle läuft nach unten in einen Haken, Hamulus pterygoideus, mit einem Sulcus für die Sehne des M. tensor veli palatini aus. Die Wurzel der Flügelfortsätze wird von dem sagittalen Canalis pterygoideus durchbohrt. Er mündet in die Fossa pterygopalatina. Unterhalb der hinteren Öffnung des Kanals liegt die kahnförmige Grube, Fossa scaphoidea. Der Processus vaginalis geht von der medialen Seite der Lamina medialis ab, legt sich der Unterfläche des Körpers an und reicht bis zu den Alae des Pflugscharbeins.

4.3 Schädelknochen

195

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Abb. 4.15: Keilbein, Os sphenoidale, von vorn gesehen

Sulcus prechiasmaticus [Spina ethmoidalis]

Processus clinoideus medius

Canalis opticus

Ala minor

Margo frontalis Margo parietalis

Fissura orbitalis superior

Ala minor

Processus clinoideus anterior Ala major

Foramen rotundum

Margo squamosus

Foramen ovale Foramen spinosum

Lingula sphenoidalis

Fossa hypophysialis Sulcus caroticus

Dorsum sellae

Spina ossis sphenoidalis Processus clinoideus posterior

Abb. 4.16: Keilbein, Os sphenoidale, von der Schädelhöhle aus gesehen

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

196

4.3.1.4 Scheitelbein, Os parietale Die beiden Scheitelbeine bilden den mittleren Teil des Schädelgewölbes und die knöcherne Grundlage für die höchste Erhebung des Schädels, den Scheitel. Das Scheitelbein ist eine in zwei zueinander senkrecht stehenden Ebenen gebogene Knochenplatte, an der sich eine äußere, konvexe Fläche, Facies externa (Abb. 4.17), und eine innere, konkave Fläche, Facies interna (Abb. 4.18), unterscheiden lassen. Die Nachbarknochen des Scheitelbeines sind: Os occipitale (hinten), Os frontale (vorn), Os temporale und Os sphenoidale (seitlich).

4.3.1.5

Nahtknochen, Ossa suturalia, und Fontanellenknochen

Es sind überzählige Knochen, die bezüglich Anzahl, Größe und Lokalisation sehr variabel

sind. Sie entstehen aus Ossifikationszentren in den Suturen (Nahtknochen) oder Fontanellen (Fontanellenknochen). Beispiele für erstere sind die Ossa inter parietalia (zwischen den Ossa parietalia) oder das sog. Inkabein (zwischen den Ossa parietalia und dem Os occipitale, Abb. 4.17). Diese Schaltknochen sind letztlich in allen Suturen möglich. Fontanellenknochen finden wir in der kleinen Fontanelle als Os apicis sowie in der großen Fontanelle als Os bregmaticum, die in vielen Spielarten vorkommen.

4.3.1.6 Schläfenbein, Os temporale (Abb. 4.18, 19) Es besteht aus der Schuppe, der Pars squamosa, der Felsenbeinpyramide, der Pars petrosa, mit dem Warzenfortsatz als Grundfläche und dem Trommelfellteil, der Pars tympanica (Abb. 4.19–21).

Margo sagittalis Linea temporalis superior Linea temporalis inferior Foramen parietale

Angulus frontalis

Angulus occipitalis

Margo frontalis

Margo occipitalis

Angulus mastoideus

Margo squamosus

Angulus sphenoidalis

Abb. 4.17: Rechtes Scheitelbein, Os parietale. Außenfläche, Inset oben rechts: Inkabein

4.3 Schädelknochen c

b

197 a

x

2 1

Margo sagittalis

Angulus frontalis

Foramen parietale

Sulcus sinus sagittalis superioris Angulus occipitalis

2 1

Margo frontalis

Margo occipitalis

Angulus sphenoidalis

Sulci arteriosi

Margo squamosus

Angulus mastoideus

Sulcus sinus sigmoidei

Abb. 4.18: Rechtes Scheitelbein, Os parietale. Innenfläche. Inset: Krönlein-Orientierungslinien zur Lagebestimmung der Äste der A. meningea media. Am Schnittpunkt der Linie 2-2 und a finden wir den vorderen Ast der Arterie, der am häufigsten verletzt ist, am Schnittrand der Linie 2-2 und c den hinteren Ast. 1. Ohraugenlinie vom unteren Orbitalrand zum oberen Rand des äußeren Gehörgangs (1-1). 2. Linie vom oberen Orbitalrand, parallel zur vorigen (2-2). 3. Senkrechte auf der Mitte des Jochbogens (a). 4. Senkrechte auf dem Kiefergelenk (b). 5. Senkrechte auf dem Hinterrand des Warzenfortsatzes (c)

In der Seitenansicht (Abb. 4.20) findet man an der Pars petrosa den Processus mastoideus, die Incisura mastoidea und das Foramen mastoideum auf. Pars squamosa. Von ihr geht der Processus zygomaticus aus. Dieser läuft nach hinten in die Linea temporalis inferior aus. An seiner Wurzel trägt er das Tuberculum articulare, hinter dem die Fossa mandibularis liegt. Durch einen Knochenspan der Pars petrosa ist die Squama von der Pars tympanica getrennt. Vor dem Span liegt die Fissura petrosquamosa, hinter ihm die Fissura petrotympanica. Pars tympanica. Sie legt sich als Belegknochen von unten her an die Pars squamosa und petrosa, begrenzt den knöchernen Gehörgang von unten, vorn und hinten. Oben, im Bereich der Incisura tympanica, fehlt die Pars tympanica. Im Dreiviertelring der Pars tympanica findet sich ein Falz für das Trommelfell, Sulcus tympanicus. Die Pars tympanica des Neugeborenen umgreift als schma-

les Hufeisen das Trommelfell (Anulus tympanicus, Abb. 4.3). Der Griffelfortsatz, Processus styloideus, ist ein Teil des Zungenbeinbogens (Abb. 4.4). In der Schädelhöhlenansicht (Abb. 4.20) sieht man nur die Pars squamosa und die Pars petrosa. Pars petrosa. Sie besitzt 3 Flächen und 3 Kanten. Auf der oberen Fläche, Facies anterior befinden sich: • die Impressio trigeminalis, eine flache Mulde an der Pyramidenspitze für das Ganglion trigeminale des N. trigeminus • die Eminentia arcuata, eine quere Erhebung, die durch den oberen Bogengang erzeugt wird • das Tegmen tympani, die dünne Decke der Paukenhöhle • den Hiatus canalis n. petrosi majoris (N. VII), eine Öffnung für den gleichnamigen Nerven

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

198

Margo parietalis Sulcus a. temporalis mediae

Pars squamosa

Linea temporalis Margo sphenoidalis Incisura parietalis Processus zygomaticus Margo occipitalis Tuberculum articulare Fossa mandibularis

Foramen mastoideum

Fissura petrosquamosa Spina supra meatum

Fissura petrotympanica Pars tympanica

Incisura mastoidea Processus mastoideus

Meatus acusticus externus

Processus styloideus

Abb. 4.19: Rechtes Schläfenbein, Os temporale, in Seitenansicht

Margo parietalis Pars squamosa Eminentia arcuata

Margo sphenoidalis

Tegmen tympani Margo superior partis petrosae

Fossa subarcuata

Sulcus sinus petrosi superioris

Impressio trigemini

Sulcus sinus sigmoidei

Apex partis petrosae Porus acusticus internus

Margo occipitalis Sulcus sinus petrosi inferioris Apertura externa aquaeductus vestibuli

Apertura externa canaliculi cochleae Facies posterior partis petrosae Processus styloideus

Incisura jugularis

Foramen mastoideum

Abb. 4.20: Rechtes Schläfenbein, Os temporale, von der Schädelhöhle aus gesehen. Sicht auf die Pars petrosa und pars squamosa des Schläfenbeins

4.3 Schädelknochen

199

• den Sulcus n. petrosi majoris, eine Furche, die von dem obigen Hiatus nach medial führt • den Hiatus canalis n. petrosi minoris, eine Öffnung für den gleichnamigen Nerven • den Sulcus n. petrosi minoris, eine Furche, die vom Hiatus zur Fissura sphenopetrosa führt Die obere Kante, Margo superior partis petrosae, trägt eine flache Furche, den Sulcus sinus petrosi superioris, und trennt die obere von der hinteren Fläche. Auf der hinteren Fläche, Facies posterior, findet man: • eine Öffnung, den Porus acusticus internus, die in den Meatus acusticus internus, den inneren Gehörgang führt (für Nn. facialis, intermedius, vestibulocochlearis und die A. labyrinthi, (s. Kap. 7.2.4, S. 625) • die Apertura canaliculi vestibuli, lateral und unten von der vorigen, entlässt den Ductus endolymphaticus zu dem zwischen beiden Durablättern gelegenen Saccus endolymphaticus Processus zygomaticus

• den Sulcus sinus petrosi inferioris, eine schmale Furche nahe der hinteren Kante für den gleichnamigen Blutleiter • die Incisura jugularis, an der hinteren Kante, die mit dem gleichnamigen Einschnitt des Os occipitale das Foramen jugulare bildet • die Apertura canaliculi cochleae, an der hinteren Fläche, eine kleine Öffnung für den Ductus perilymphaticus • den Sulcus sinus sigmoidei, eine breite S-förmige Furche für den gleichnamigen Blutleiter; • das Foramen mastoideum, im obigen Sulcus, die innere Öffnung für die V. emissaria mastoidea Die untere Fläche, Facies inferior, wird im Kapitel 4.4.1.2, S. 206, besprochen (Abb. 4.21). Die Felsenpyramide beherbergt das Innen- und Mittelohr (s. Kap. 7.2, S. 611). Warzenfortsatz, Proc. mastoideus (Abb. 4.19). Er ist ein Teil der Pars petrosa, fehlt beim NeugePars squamosa

Fissura petrosquamosa [Crista tegmentalis] Fissura petrotympanica Canalis musculotubarius Canalis caroticus (Apertura interna)

Tuberculum articulare

Canalis caroticus (Apertura externa)

Fossa mandibularis

Pars petrosa

Pars tympanica Porus acusticus externus osseus

Fossula petrosa Apertura externa canaliculi cochleae

Processus styloideus, Vagina proc. styl.

Fossa jugularis, Canaliculus mastoideus

Processus mastoideus

Foramen stylomastoideum Sulcus arteriae occipitalis

Incisura mastoidea Außenfläche der Pars petrosa [Pars mastoidea]

Foramen mastoideum

Abb. 4.21: Rechtes Schläfenbein, Os temporale. Basalansicht

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

200

borenen noch völlig und beginnt sich erst mit dem Aufrichten des Kopfes unter der Zugwirkung des M. sternocleidomastoideus im 1.–2. Lebensjahr zu bilden. Seine Ausbildung ist von der Leistung des M. sternocleidomeastoideus abhängig. Er ist in der Regel pneumatisiert, d. h. enthält eine ganze Anzahl kleiner Hohlräume, die mit Luft erfüllt und mit Schleimhaut ausgekleidet sind. Diese Hohlräume, Cellulae mastoideae, stehen über das Antrum mastoideum mit dem Mittelohr in Verbindung und bilden mit ihm einen einheitlichen Erkrankungsraum.

4.3.2

Viscerocranium

4.3.2.1 Siebbein, Os ethmoidale Dieser Knochen hat zahlreiche lufterfüllte Hohlräume und besteht aus einer medianen, senkrechten Lamelle, Lamina perpendicularis, und 2 Seitenteilen, Partes laterales, die oben durch eine horizontale Lamelle, Lamina horizontalis, miteinander verbunden sind (Abb. 4.103). Zur Orbita hin zeigt eine Lamina orbitalis. Das Siebbein enthält in seinen Partes laterales Cellulae ethmoidales, die zu den Nasennebenhöhlen gehören (s. Kap. 4.15.2, S. 321). Zur Topographie siehe Abb. 4.22.

Os lacrimale (Crista lacrimalis posterior) Foramen ethmoidale anterius et posterius

Crista lacrimalis anterior maxillae

4.3.2.2 Untere Nasenmuschel, Concha nasalis inferior Sie ist ein schalen- oder muschelförmiger Knochen, der an der lateralen Wand der Nasenhöhle liegt (siehe Abb. 4.103). Sie erstreckt sich von der Apertura piriformis bis zur Choana und besitzt 3 kleine Fortsätze. Mit dem vom oberen Rand senkrecht herabragenden Proc. maxillaris legt sie sich vor die weite Öffnung des Sinus maxillaris. Mit einem zweiten Fortsatz, Proc. ethmoidalis, der sich an den Proc. uncinatus des Siebbeins anlagert, beteiligt sich die untere Muschel nochmals an der Einengung des Hiatus maxillaris. Ein dritter Fortsatz, Proc. lacrimalis, zieht zum Tränenbein aufwärts und bildet mit diesem zusammen die mediale Wand des Tränennasenkanals.

4.3.2.3 Nasenbein, Os nasale Beide Knochen bilden die knöcherne Grundlage für den Nasenrücken (Abb. 4.22). Das Os nasale ist ein kleiner viereckiger Knochen. Weiteres siehe Kap. 4.15.1.1, S. 313.

Os ethmoidale

Os frontale

Os nasale

Sutura frontonasalis Sutura internasalis

Lamina orbitalis ossis ethmoidalis Canalis opticus

Os nasale dextrum Os nasale sinistrum Fossa sacci lacrimalis

Hamulus lacrimalis Os zygomaticum

Apertura piriformis Spina nasalis anterior Maxilla (Foramen infraorbitale)

Abb. 4.22: Rechtes Tränenbein. Os lacrimale, und Nasenbeine, Ossa nasalia, in situ. Inset: Nasenbeine und Siebbein, Os ethmoidalis, in situ

4.3 Schädelknochen

201

4.3.2.4 Pflugscharbein, Vomer Es stellt eine dünne Platte dar, die zusammen mit der Lamina perpendicularis des Siebbeins die knöcherne Nasenscheidewand bildet (s. Kap. 4.15.1.3, S. 315, und Abb. 4.102). Oben weicht die senkrechte Knochenplatte in 2 Flügel auseinander, die Alae vomeris, die sich der Unterfläche des Keilbeinkörpers anlegen. Der hintere, freie Rand dieses Knochens ist an der Bildung der Choanae beteiligt.

4.3.2.5 Tränenbein, Os lacrimale Es liegt vorn an der medialen Wand der Augenhöhle zwischen der Augenhöhlenplatte des Siebbeins und dem Proc. frontalis des Oberkiefers (Abb. 4.22). An seiner orbitalen Fläche ist eine senkrechte Längsfurche, Sulcus lacrimalis, vorhanden, die zusammen mit der gleichnamigen Furche des Proc. frontalis maxillae eine Grube, Fossa sacci lacrimalis, für den Tränensack bildet. Diese Tränensackgrube wird nach hinten durch eine scharfe Leiste, Crista lacrimalis posterior, begrenzt. Die innere Fläche des Tränenbeins deckt mit dem Siebbein die vorderen Siebbeinzellen zu.

4.3.2.6 Jochbein, Wangenbein, Os zygomaticum Das Jochbein ist das Verbindungsstück zwischen den Jochfortsätzen des Schläfen-, Oberkiefer- und Stirnbeins (Abb. 4.9).

Der etwa viereckige Knochen hat 3 Fortsätze, die nach den Knochen benannt sind, mit denen sie in Verbindung stehen: Proc. temporalis, maxillaris und frontalis (Abb. 4.23). Der Knochen hat eine Facies lateralis sowie eine Facies orbitalis und temporalis. Es wird von einem Kanal, Canalis zygomaticus, durchsetzt, der in der Augenhöhle mit dem Foramen zygomaticoorbitale beginnt und sich im Innern des Knochens in zwei Kanäle spaltet, von denen der eine auf der Wangenfläche, Foramen zygomaticofaciale, der andere auf der Schläfenfläche, Foramen zygomaticotemporale mündet.

4.3.2.7 Gaumenbein, Os palatinum Es bildet den hinteren Abschnitt des knöchernen Gaumens, teilweise die laterale Wand der Nasenhöhle und besteht aus einer waagerechten und einer senkrechten Lamelle. Lamina horizontalis (Abb. 4.24), die waagerechte Lamelle, hat einen freien hinteren Rand, an dem sich das Gaumensegel anheftet. Der vordere Rand grenzt an den Gaumenfortsatz des Oberkiefers. Die der Nasenhöhle zugekehrten Flächen, Facies nasales, beider Gaumenbeine bilden an ihrer Vereinigungsstelle die Crista nasalis, die sich nach hinten in die kurze, stumpfe Spina nasalis fortsetzt. Lamina perpendicularis (Abb. 4.24), die senkrechte Lamelle, ist sehr dünn und lagert sich der medialen Fläche des Proc. pterygoideus des Keilbeins sowie dem Körper des Oberkiefers an. An ihr unterscheidet man eine Facies nasalis und maxillaris. Prozessus frontalis

Processus frontalis

Sonde im Foramen zygomaticotemporale

Facies orbitalis

Facies orbitalis

Foramen zygomaticofaciale

Foramen zygomaticoorbitale

Processus temporalis

Processus temporalis

Facies temporalis

Facies lateralis

[Processus maxillaris]

Abb. 4.23: Rechtes Jochbein, Os zygomaticum, von außen (links) und von innen (rechts)

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

202

Os lacrimale

Concha nasalis inferior

Processus orbitalis

Processus orbitalis

Incisura sphenopalatina

Cellula ethmoidalis

Processus sphenoidalis Facies maxillaris laminae perpendicularis

Processus sphenoidalis, Incisura sphenopalatina Lamina perpendicularis mit Crista conchalis

Sulcus palatinus major

Lamina horizontalis Processus pyramidalis Processus pyramidalis Maxilla

Abb. 4.24: Rechtes Gaumenbein, Os palatinum, von nasal her gesehen, in Lagebeziehung zum Oberkiefer und zur unteren Nasenmuschel (links). Rechtes Gaumenbein von hinten (Mitte) und von vorn gesehen (rechts) Margo lacrimalis

Processus frontalis

Incisura lacrimalis Corpus maxillae Sulcus infraorbitalis Facies orbitalis Processus zygomaticus Tuber maxillae

Foramen incisivum Kieferkamm

Crista lacrimalis anterior Margo infraorbitalis

Foramen infraorbitale Incisura nasalis

Foramina alveolaria Corpus maxillae Processus alveolaris Juga alveolaria

Abb. 4.25: Rechter Oberkiefer. Maxilla, von außen gesehen. Inset: Knöcherner zahnloser Gaumen eines Greisenschädels. Deutlich ist die Atrophie des Proc. alveolaris der Maxilla zu erkennen

4.3.2.8 Oberkiefer, Oberkieferbein, Maxilla

von ihm ausgehende Fortsätze (Proc. frontalis, zygomaticus, palatinus und alveolaris, Abb. 4.26) unterscheiden.

Beide Oberkiefer bilden die knöcherne Grundlage für das Obergesicht und bestimmen durch ihre Form, Größe und Stellung im wesentlichen die Form des Mittelgesichtes. Sie beteiligen sich an der Wandbildung der Augen- und Nasenhöhle sowie am Aufbau des Gaumens. Sie tragen die obere Zahnreihe und übertragen mit einem Stirn- und einem Jochbogenpfeiler den Kaudruck auf den Hirnschädel.

Corpus maxillae. Er enthält den Sinus maxillaris (s. Kap. 4.15.2.1, S. 322), der an der isolierten und mazerierten Maxilla an seiner Nasenfläche eine weite Öffnung, Hiatus maxillaris, besitzt (Inset in Abb. 4.26). Durch Anlagerung benachbarter Knochen wird diese Verbindungsöffnung mit der Nasenhöhle eingeengt.

Fortsätze. An jeder Maxilla kann man einen gedrungenen, kompakten Teil, den Körper, und

Unterhalb des Unterrandes der Orbita befindet sich das Foramen infraorbitale. Durch dieses Loch zieht

4.3 Schädelknochen

203 Margo lacrimalis

Incisura lacrimalis

Hiatus maxillaris

Processus frontalis Crista ethmoidalis Sulcus lacrimalis

Anlagerungsfläche für Os palatinum

Crista conchalis Spina nasalis anterior Processus palatinus Canalis incisivus Processus alveolaris

Facies nasalis

Sulcus palatinus major [pterygopalatinus]

Abb. 4.26: Rechter Oberkiefer, Maxilla, von nasal aus gesehen

der N. infraorbitalis hindurch. Hier befindet sich der Trigeminusdruckpunkt für den N. maxillaris.

4.3.2.9 Unterkiefer, Mandibula Der Knochen entsteht aus 2 Hälften, die beim Neugeborenen noch bindegewebig verbunden sind und sich im ersten Lebensjahr knöchern vereinigen. Er besteht aus dem basalen Körper, Corpus mandibullae, der beiderseits im Kieferwinkel, Angulus mandibulae, in den aufsteigenden Ast, Ramus mandibulae, übergeht (Abb. 4.27). Ramus mandibulae. Er endet oben mit dem Gelenkfortsatz, Processus condylaris, und dem spitzen Muskelfortsatz, Processus coronoideus. Am Gelenkfortsatz unterscheiden wir den querovalen Gelenkkopf, Caput mandibulae (Mandibulaköpfchen), und einen Hals, Collum mandibulae. Der letztere zeigt an seiner Vorderfläche eine Grube, Fovea pterygoidea, für den Ansatz des M. pterygoideus lateralis. Processus coronoideus. Er dient zum Ansatz des M. temporalis, ist beim Erwachsenen spitz, beim Greis säbelförmig nach hinten gekrümmt, bei starker Muskulatur (Anthropoiden und prähistorischen Rassen) stumpf und abgerundet. Die Außen- und Innenfläche des Kieferastes sind aufgeraut für den

Ansatz des M. masseter bzw. des M. pterygoideus medialis. Der Vorderrand des Astes läuft nach unten, lateral von der Zahnreihe, in eine Leiste, die Linea obliqua, aus. Auf der Innenfläche des Kieferastes führt das Foramen mandibulae N., A., V. alveolaris inferior in den Canalis mandibulae. Es liegt in der Höhe der Kauflächen der Mahlzähne. Medial ist es durch die Lingula mandibulae verdeckt. Dieser sehr variable Knochenspan kann bei Mandibularisanästhesien das Einführen der Nadel erschweren. Er dient dem Lig. sphenomandibulare zum Ansatz. Vom Foramen mandibulae verläuft der Sulcus mylohyoideus (für den gleichnamigen Nerven) ab- und vorwärts. Die oberhalb der Furche gelegene Linea mylohyoidea dient dem gleichnamigen Mundbodenmuskel zum Ursprung. Angulus mandibulae. Er befindet sich zwischen Basalfläche des Körpers und Hinterrand des Astes, schwankt zwischen 90–140º, erreicht beim Neugeborenen 150º und hat bei Anthropoiden meist 90º. Er scheint bei starker Kaumuskelentwicklung abzunehmen (größere Fläche für den Muskelansatz). Corpus mandibulae. Er bildet mit den Rami mandibulae einen parabolischen Bogen (Abb. 4.28). Die mit der Spaltlinienmethode dargestellten Osteone des Basalbogens verlaufen vom Kinn zum Gelenkfortsatz, sind am Kinn unterbrochen. Der

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

204

Processus condylaris

Incisura mandibulae

Processus coronoideus

Fossa pterygoidea Caput mandibulae

Lingula mandibulae Foramen mandibulae Sulcus mylohyoideus

Collum mandibulae

Ramus mandibulae

Pars alveolaris

Linea obliqua

Jugum alveolare

Tuberositas masseterica Angulus mandibulae

Protuberantia mentalis Corpus mandibulae

Foramen mentale

Tuberculum mentale

Abb. 4.27: Unterkiefer, Mandibula. Ansicht von rechts und vorn. Inset: Zahnloser Greisenunterkiefer mit Schwund der Pars alveolaris von innen

Processus condylaris (Caput mandibulae) Processus coronoideus

Collum mandibulae

Lingula mandibulae

Ramus mandibulae Sulcus mylobyoideus

Foramen mandibulae

Tuberositas pterygoidea Angulus mandibulae Linea mylobyoidea Corpus mandibulae Fovea submandibularis Fovea sublingualis Fossa digastrica Tuberculum mentale

Spina mentalis

Abb. 4.28: Unterkiefer, Mandibula. Ansicht von hinten und unten. Inset: Zahnfächer, Alveoli dentales, Ansicht von oben

4.3 Schädelknochen

205

massive Basalbogen verjüngt sich nach oben zum Alveolarbogen. Dieser (Abb. 4.27, 28) ist etwas kleiner und enger als der Körperbogen.

zeigen im Oberkiefer 1 palatinales Unterfach und 2 bukkale Unterfächer, im Unterkiefer 1 proximales und 1 distales Unterfach.

Kinnvorsprung (Abb. 4.22). Er besteht aus einem erhabenen dreieckigen Feld, das nach oben in einen Vorsprung, die Protuberantia mentalis, und nach unten lateral in 2 kleine Höckerchen, die Tubercula mentalia, ausläuft. Das vorspringende, positive Kinn ist ein Erwerb des rezenten Menschen und beim Europäer am besten ausgebildet. An der Außenfläche des Körpers sehen wir das Foramen mentale. Es liegt beim Erwachsenen mit erhaltenen Zähnen an der Grenze zwischen 1. und 2. Backenzahn, in der Mitte zwischen Basis und Alveolarrand. Es lässt N., A. und V. mentalis aus dem Canalis mandibulae zur Haut austreten. Beim Neugeborenen, wo der Basalbogen noch schwach entwickelt ist, liegt es näher der Basis, beim zahnlosen Greisenkiefer mit rückgebildeter Pars alveolaris nahe dem Oberrand. Die auf Biegung beanspruchte Kinngegend ist an der Innenfläche noch durch die kräftigen Muskeln zum Ursprung dienenden Spinae mentales verstärkt. Biegungsbrüche des Unterkiefers liegen deshalb seitlich von der Kinngegend.

Alveolarfortsätze. Sie besitzen eine ausgesprochene Spongiosastruktur. Die Trajektorien sind so angeordnet, dass sie den Kaudruck von den Zähnen auf den Kiefer übertragen (s. Abb. 4.33). Beim Verlust von Zähnen schwindet der Alveolarfortsatz durch Inaktivitätsatrophie. Das Kinn springt dann scheinbar stärker vor. In Wirklichkeit ist der Mund eingefallen, wenn kein Zahnersatz getragen wird.

4.3.2.11 Zungenbein, Os hyoideum Das Zungenbein ist ein kleiner, spangenförmiger, unpaarer Knochen (Abb. 4.29). Es ist ein Sesambein und damit frei zwischen zahlreichen Muskeln aufgehängt. Der Knochen befindet sich am Halse an der Stelle, wo die Vorderfläche des Halses in den Boden der Mundhöhle umbiegt (oberhalb des Schildknorpels) und ist dort durch die Haut zu tasten.

Cornu majus

Gruben. An der Innenfläche des Unterkieferkörpers (Abb. 4.28) seien noch paarige flache Gruben, die Fovea sublingualis und die Fovea submandibularis für die gleichnamigen Drüsen, sowie die Fossa digastrica für denAnsatz des M. digastricus erwähnt. Pars alveolaris des Unterkiefers (Alveolarfortsatz) und Processus alveolaris der beiden Oberkiefer tragen die Alveoli dentales, Fächer für die Wurzeln der Zähne. Die einzelnen Fächer sind durch die Septa interalveolaria getrennt. Die Alveolen der mehrwurzeligen Zähne sind durch die Septa interradicularia weiter unterteilt (Abb. 4.28).

4.3.2.10 Vergleich zwischen Oberund Unterkiefer Zahnbogen. Er bildet im Oberkiefer und im Unterkiefer jeweils eine Parabel, jedoch verschiedenen Grades. Weil der Zahnbogen des Oberkiefers meist weiter gespannt ist, überragen die oberen Mahlzähne, Molares, die unteren ein wenig nach bukkal. Die Alveoli für die 2 Schneidezähne, Incisivi, sind im Oberkiefer rund, im Unterkiefer seitlich zusammengedrückt. Die Wurzelfächer der 3 Mahlzähne

Cornu minus

Corpus

Abb. 4.29: Zungenbein, Os hyoideum, von rechts vorn gesehen

Das Zungenbein besteht aus einem Körper, Corpus, und beiderseits je 2 Fortsätzen, die sog. Hörner, Cornua: das große Zungenbeinhorn, Cornu majus, das dorsokranialwärts gerichtet ist, und das kleine Zungenbeinhorn, Cornu minus, das oft knorpelig bleibt und mehr kranialwärts steht. Mit den Procc. styloidei der Schläfenbeine steht letzteres beiderseits durch ein Lig. stylohyoideum in Verbindung, welches auch verknöchern kann.

4.3.2.12 Gehörknöchelchen, Ossicula auditus Sie werden im Kap. 7.1.2.1, S. 600, besprochen.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

206

Tab. 4.1: Geschlechtsdifferente Merkmale am Schädel (verändert nach R. Knußmann, 1988) Schädelmerkmal Neurocranium Proc. mastoideus Relief des Planum nuchae Protuberantia occipitalis ext. Os zygomaticum Viscerocranium Glabella Arcus superciliaris Tuber frontale u. parietale Margo supraorbitalis Neigung des Os frontale Mandibula Gesamtaspekt Mentum Margo inferior unter M2 (2. Molar) Angulus mandibulae Proc. condylaris

4.3.3





sehr klein bis klein fehlend bis schwach sehr schwach bis schwach sehr niedrig, glatt bis niedrig glatt

groß bis sehr groß stark bis sehr stark stark bis sehr stark hoch bis sehr hoch, unregelmäßige Oberfläche

sehr schwach bis leicht betont sehr schwach bis leicht betont betont bis mäßig betont sehr scharf, rund bis scharf, rund vertikal bis fast vertikal

betont bis sehr stark betont bis sehr stark schwach bis fehlend leicht abgerundet bis stark abgerundet leicht fliehend bis stark fliehend

grazil bis mäßig grazil klein, rund bis klein sehr dünn bis dünn

kräftig bis sehr kräftig kräftig bis sehr kräftig, m. bilateralen Protuberantien dick bis sehr dick

glatt bis fast glatt sehr klein bis klein

Vorsprünge bis starke Vorsprünge groß bis sehr groß

Geschlechtsdimorphismus

Am knöchernen Schädel finden wir eindeutige geschlechtsspezifische Unterschiede (Tab. 4.1).

4.4

Schädelbasis, Basis cranii

Lernziele: Basis cranii externa, Basis cranii interna: Fossae cranii, Foramina, Fissuren, Inhalt, Verbindungen Die Schädelbasis ist im Vergleich zum gewölbten Schädeldach verhältnismäßig flach. Wir unterscheiden an ihr eine Außen- und eine Innenfläche, eine innere und eine äußere Schädelbasis.

4.4.1

Der Schädel des Mannes ist größer und schwerer als der weibliche Schädel. Beim Mann hat der Schädel stärker ausgeprägte Knochenleisten an den Ansatzstellen der Muskeln.

Äußere Schädelbasis, Basis cranii externa (Abb. 4.30)

Sie gehört im vorderen Drittel dem Gesichtsschädel, in den hinteren Zweidritteln dem Hirnschädel an, wobei der vordere Teil eigentlich nicht mehr zur Schädelbasis gehört.

4.4.1.1 Vorderer Teil £ Er gehört als knöcherner Gaumen dem Viscero-

cranium an. Dieser ist gleichzeitig das Dach der Mundhöhle und der Boden der Nasenhöhle und besteht aus den Processus palatini der Maxilla sowie aus der Lamina horizontalis des Os palatinum. £ Hinter den oberen mittleren Incisiva befindet sich das Foramen incisivum für den N. nasopalatinus. Medial vom letzten Molaren treten durch die Lamina horizontalis des Gaumenbeins aus dem Foramen palatinum majus der N. palatinus major und die A. palatina descendens, durch die Foramina palatina minora die Nn. palatini minores.

4.4.1.2 Mittlerer Teil Er wird vom Os sphenoidale und den beiden Ossa temporalia gebildet.

4.4 Schädelbasis, Basis cranii

207

Foramen incisivum

Sutura incisiva

Sutura palatina mediana Spina nasalis, Lamina horizontalis ossis palatini Vomer, Choana Processus pterygoideus

Lamina medialis mit Hamulus Lamina lateralis

Processus palatinus maxillae Sutura palatina transversa Foramen palatinum majus et minus Fissura orbitalis inferior

Arcus zygomaticus Ala major ossis sphenoidalis, Foramen ovale Tuberculum articulare Fossa mandibularis

Crista infratemporalis Canalis pterygoideus Foramen lacerum Tuberculum pharyngeum Foramen spinosum, Sulcus tubae auditivae

Fissura petrotympanica, Sulcus tubae auditivae

Processus styloideus, Canalis caroticus

Processus mastoideus

Porus acusticus externus Foramen stylomastoideum

Incisura mastoidea

Foramen jugulare

Sulcus arteriae occipitalis

Condylus occipitalis

Foramen mastoideum Canalis condylaris

Foramen magnum Linea nuchae inferior

[Planum nuchale]

Linea nuchae superior

Crista occipitalis externa Protuberantia occipitalis externa

Abb. 4.30: Basalansicht (Norma basalis)

£ Die Facies inferior des Schläfenbeins schiebt

sich zwischen das Hinterhauptsbein und den großen Keilbeinflügel. Ihr Hinterrand begrenzt mit dem Os occipitale das Foramen jugulare. Unterhalb des Foramen befindet sich eine mäch-

tige Aushöhlung, die Fossa jugularis, für die Aufnahme des Bulbus superior v. jugularis. In der Tiefe dieser Grube beginnt der Canaliculus mastoideus (für den Ramus auricularis n. vagi).

208

Medial vorn von der Fossa jugularis liegt die Apertura externa des Canalis caroticus, die Eintrittsstelle für die A. carotis int. in die Schädelhöhle. Zwischen dieser und der Fossa jugularis finden wir die kleine Fossula petrosa mit der äußeren Öffnung des Canaliculus tympanicus für den N. tympanicus. Unmittelbar dahinter liegt eine kleine dreieckige Grube mit der Apertura externa canaliculi cochleae. Lateral von der Fossa jugularis liegt der Processus styloideus. Sein Anfangsteil steckt in einer knöchernen Scheide (Vagina processus styloidei), die vom Boden der Paukenhöhle und von der Pars tympanica des Schläfenbeins gebildet wird. Hinter dem Processus styloideus befindet sich das Foramen stylomastoideum (Austritt des N. facialis). Lateral vom Foramen befindet sich der Processus mastoideus. Dieser zeigt an seiner medialen Seite einen tiefen Einschnitt, die Incisura mastoidea (Ursprung des Venter posterior m. digastrici). Medial von dieser verläuft der flache Sulcus a. occipitalis. Hinter dem Warzenfortsatz, nahe dem Hinterhauptsbein, liegt zumeist ein großes Foramen mastoideum (Emissarium mastoideum). £ Die Pars tympanica des Schläfenbeins bildet den Boden und die Seitenwände des knöchernen äußeren Gehörganges, Meatus acusticus externus. Nach vorn trennt ein scharfer Knochenspan die Pars tympanica von der Pars squamosa. Dicht nebeneinander liegen hier die Fissura petrotympanica (Glaser-Spalte, Austritt der Chorda tympani) sowie die Fissura petrosquamosa. Vor dem Canalis caroticus liegt die Mündung des Canalis musculotubarius, der durch eine knöcherne Scheidewand, Septum canalis musculotubarii, in einen Semicanalis m. tensoris tympani und einen Semicanalis tubae auditivae unterteilt wird. £ Die Pars squamosa des Schläfenbeins zeigt unmittelbar vor der Pars tympanica die Gelenkgrube für den Unterkiefer, die Fossa mandibularis. Klinik: 1. Die enge Nachbarschaft zum äußeren Gehörgang erklärt, dass die Wand beim Sturz (oder Schlag) auf den Unterkiefer einbrechen kann. 2. Vor der Gelenkgrube liegt an der Wurzel des Jochfortsatzes, Processus zygoma-

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

ticus, der Gelenkhöcker, Tuberculum articulare. Er kann bei Gewalteinwirkung in die mittlere Schädelgrube einbrechen. £ Vom Os sphenoidale sind an der äußeren

Schädelbasis das Corpus, die Alae majores und die Processus pterygoidei erkennbar. Am Keilbeinkörper ist das Pflugscharbein befestigt. Es gehört bereits zum Viscerokranium. Die Alae majores sind nach hinten und unten zur Spina ossis sphenoidalis ausgezogen. Sie ist von dem kleinen Foramen spinosum durchbohrt (für die A. meningea media). Medial und vorn von ihm mündet das Foramen ovale. Die Facies temporalis der Ala major wird durch eine Knochenleiste, Crista infratemporalis, unterteilt. Medial von ihr entspringt ein Kopf des M. pterygoideus lateralis. £ Die Processus pterygoidei ziehen an der Grenze von Körper und großen Flügeln abwärts. Sie bestehen aus einer Lamina medialis (bindegewebig vorgebildet) und Lamina lateralis (knorpelig vorgebildet), die durch die Fossa pterygoidea (Ursprung des M. pterygoideus medialis) getrennt werden. Die Lamina medialis endet in Höhe des Gaumens mit einem Haken, dem Hamulus pterygoideus, der einen feinen Sulcus für die Sehne des M. tensor veli palatini trägt. Die Wurzel des Processus pterygoideus wird in sagittaler Richtung von dem Canalis pterygoideus durchbohrt, der den N. petrosus major und N. petrosus profundus in die Fossa pterygopalatina führt und eine kleine Arterie beherbergt. Unmittelbar unterhalb seiner hinteren Öffnung liegt an der Wurzel der Lamina medialis die Fossa scaphoidea. Sie dient einem Teil des M. tensor veli palatini als Ursprung.

4.4.1.3 Hinterer Teil Er wird von der Außenfläche des Os occipitale gebildet. Es liegen vor dem Foramen magnum die Pars basilaris, seitlich von ihm die Partes laterales, hinter ihm die Squama des Os occipitalis. £ Die Pars basilaris steht vorn durch die Syn-

chondrosis sphenooccipitalis mit dem Keilbeinkörper, seitlich durch die Synchondrosis petrooccipitalis mit der Felsenbeinpyramide in Verbindung. In der Mitte der Pars basilaris

4.4 Schädelbasis, Basis cranii

erhebt sich das flache Tuberculum pharyngeum für die Anheftung des Pharynx. £ Die Partes laterales tragen die Condyli occipitales, 2 längliche, bikonvexe Gelenkfortsätze für die gelenkige Verbindung mit dem Atlas im oberen Kopfgelenk. Die Längsachsen ihrer überknorpelten Gelenkflächen schneiden sich vorn. Manchmal ist die Gelenkfläche durch eine quere Furche in ein vorderes und ein hinteres Feld geteilt. Hinter dem Condylus mündet der Canalis condylaris (Emissarium condylaris!). Seitlich vom Condylus sind die Partes laterales zur Insisura jugularis eingekerbt. Der Processus jugularis springt hier gegen die Pyramide vor. Der Processus intrajugularis unterteilt mit dem gleichnamigen Fortsatz der Pars petrosa das Foramen jugulare. Der Canalis n. hypoglossi durchbohrt die Partes laterales quer. £ Auf der Squama occipitalis erhebt sich die Protuberantia occipitalis externa. Die seitlich von ihr ausgehenden kräftigen Lineae nuchae superiores begrenzen nach oben das Ursprungsfeld für die Nackenmuskulatur. Es wird durch die mediane Crista occipitalis externa und die queren Lineae nuchae inferiores in 4 etwa gleich große Felder unterteilt.

4.4.2

Innere Schädelbasis, Basis cranii interna (Abb. 4.31)

Sie wird von folgenden, hinter einander gelagerten Knochen gebildet: • • • • •

Os frontale Os ethmoidale Os sphenoidale Os occipitale die paarigen, seitlich gelegenen Ossa temporalia.

Gegenüber dem einheitlich gebauten Schädeldach zeigt sie folgende Charakteristika: £ Sie weist in Anpassung an die Hirnbasis 3 teras-

senförmig hintereinander gestaffelte Gruben, die vordere, mittlere und hintere Schädelgrube, Fossae cranii anterior, media und posterior, auf. £ Gegenüber der relativ gleichmäßig dicken Schädeldecke finden wir an der Basis einen bunten Wechsel von dicken und dünnen Knochen bzw. -abschnitten.

209 £ Sie ist von zahlreichen großen und kleinen

Löchern, Kanälen und Spalten durchbrochen. Diese lassen Gefäße und Nerven aus- und eintreten. Die Öffnungen schwächen die an sich schon ungleich stark gebaute Basis noch weiter.

4.4.2.1 Vordere Schädelgrube, Fossa cranii anterior Sie ist die höchstgelegene der 3 Terrassen, entspricht mehr einem Plateau und nimmt die Riechund Stirnlappen des Gehirnes auf. Knöcherne Grundlage £ die dünne Pars orbitalis des Os frontale

£ Corpus und Alae minores des Os sphenoidale

Lamina cribrosa des Siebbeins. Auf ihr liegt der Bulbus olfactorius. Die in der Mitte gelegene Crista galli dient der Falx cerebri zur Anheftung. Wir unterscheiden an der vorderen Schädelgrube ein unpaares Mittelfeld (das Dach der Nasenhöhle) und 2 seitliche Abschnitte (die Dächer der Augenhöhlen). Mittelfeld: Bestehend aus Lamina cribrosa und Corpus ossis sphenoidalis. Von vorn nach hinten werden folgende Öffnungen benannt: £ Foramen caecum, (→ Nasenhöhle). Beim

Erwachsenen ein blind endendes Loch, beim Kind häufig ein Kanal zur Nasenhöhle (V. emissaria-Verbindung zwischen Nasenvenen und Sinus sagittalis superior) £ Lamina cribrosa, (→ Nasenhöhle) eine siebartige durchlöcherte Platte des Os ethmoidale seitlich der Crista galli. Sie lässt die Riechnerven, Fila olfactoria, zur Nasenhöhle und die A. ethmoidalis anterior in die Schädelhöhle ein- und nach Abgabe der A. meningea anterior, in die Nasenhöhle austreten. Sie stellt den Durchtritt für die Vv. ethmoidales sowie den N. ethmoidalis anterior dar. Seitliche Abschnitte. Gebildet von den Partes orbitales des Stirnbeins und den Alae minores des Keilbeins, zeigen sie die Impressiones digitatae, Eindrücke durch die Stirnhirnwindungen, und Leisten, die den Furchen des Stirnhirnes entsprechen. Der kleine Keilbeinflügel läuft nach medial in den stumpfen Processus clinoideus anterior aus. Durch

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

210

Foramen caecum

Crista frontalis

Os ethmoidale (Lamina cribrosa)

Fossa cranii anterior Canalis opticus, Corpus ossis sphenoidalis

Crista galli

Fissura orbitalis superior

Impressiones digitatae

Foramen rotundum

Ala minor ossis sphenoidalis

Sulcus caroticus, Foramen lacerum

Processus clinoideus medius

Fossa cranii media

Processus clinoideus anterior

Foramen ovale

Fossa hypophysialis

Foramen spinosum, Sulci arteriosi

Sulcus caroticus, Lingula sphenoidalis

Sulcus n. petrosi minoris Sulcus n. petrosi majoris

Dorsum sellae, Processus clinoideus posterior Margo superior (partis  petrosae), Sulcus sinus  petrosi superioris  Sulcus sinus petrosi  inferioris, Clivus (Pars  basilariis ossis occipitalis 

Porus acusticus internus Foramen jugulare Foramen mastoideum

Sulcus sinus sigmoidei

Canalis nervi hypoglossi

Sulcus sinus transversi

Fossa cranii posterior

Crista occipitalis interna

Protuberantia occipitalis interna

Foramen magnum

Abb. 4.31: Innenfläche der Schädelbasis, Basis cranii interna. Inset unten: Details im Bereich des Türkensattels (aus G.-H. Schumacher)

Pneumatisation der Partes orbitales kann das Dach der Augenhöhle 2 Lamellen haben. Klinik: 1. Bei Schädelbasisprozessen kann es zu Geruchsstörungen und Persönlichkeitsveränderungen kommen. 2. Bei Kindern besteht die Gefahr der aufsteigenden Infektionen von der Nase aus auf Grund der venösen Verbindungen (Foramen caecum).

4.4.2.2 Mittlere Schädelgrube, Fossa cranii media Sie liegt tiefer als die Fossa cranii anterior und nimmt die Schläfenlappen des Gehirns auf. Knöcherne Grundlage £ Ala major und Corpus des Os sphenoidale £ Vordere Fläche der Felsenbeinpyramide

4.4 Schädelbasis, Basis cranii

Reicht vom scharfen hinteren Rand des kleinen Keilbeinflügels bis zur oberen Kante der Felsenbeinpyramide, Margo superior partis petrosae. Wir unterscheiden an der mittleren Schädelgrube ein unpaares Mittelfeld und paarige, seitliche Gruben Mittelfeld: Es beginnt vorn mit einer flachen Furche, die zum Canalis opticus (Austrittstelle des N. opticus und der A. ophthalmica) führt. Hinter dem Sulcus fällt das Mittelstück zum Türkensattel, Sella turcica, ab. An der Vorderwand des Sattels erheben sich die stumpfen Processus clinoidei anteriores. Die Rückwand des Sattels, Dorsum sellae, steigt steil an und endet mit einer stumpfen Kante, von der die Processus clinoidei posteriores seitlich abgehen. An den Processus clinoidei in der Umgebung des Türkensattels ist das Diaphragma sellae, eine horizontale Platte der Dura mater, befestigt. Es deckt die Hypophyse zu, welche sich in der Fossa hypophysialis des Keilbeinkörpers befindet, und lässt nur ein feines Loch für den Hypophysenstiel frei. Der Boden der Fossa hypophysialis ist nur durch eine dünne Knochenlamelle von der Keilbeinhöhle getrennt. Paarige, seitliche Gruben. Sie werden von der Ala major ossis sphenoidalis, der Facies ant. partis petrosae, und der Pars squamosa ossis temporalis, gebildet. Sie nehmen die Schläfenlappen des Gehirns auf.

211 £ Foramen ovale (→ Fossa intratemporalis) liegt

£

£

£

£

Öffnungen und Spalten £ Canalis opticus (→ Orbita) für den Durchtritt

des N. opticus und der A. ophthalamica mit sympathischem Plexus £ Canalis ophthalamicus (→ Orbita, in 5 % der Fälle vorkommend) separater Kanal für die A. ophthalamica mit sympathischem Plexus £ Fissura orbitalis superior (→ Orbita). Sie ist dreieckig, liegt zwischen Ala minor und major des Keilbeins und führt die Nn. ophthalmicus, oculomotorius, trochlearis und abducens aus der Schädelhöhle zur Augenhöhle sowie die V. ophthalmica superior aus der Augenhöhle heraus zum Sinus cavernosus. £ Foramen rotundum (→ Fossa pterygopalatina), dicht hinter voriger gelegen, durchbohrt die Wurzel der Ala major und führt den N. maxillaris aus der Schädelhöhle.

£

weiter lateral und hinten und lässt den N. mandibularis und den Plexus foraminis ovalis austreten. Foramen spinosum (→ Fossa infratemporale). Es durchbohrt den hintersten Zipfel des großen Keilbeinflügels, ist sehr klein und führt die A. meningea media mit sympathischem Plexus sowie den Ramus meningeus des N. mandibularis von außen rückläufig in die Schädelhöhle und die V. meningea aus der Schädelhöhle. Foramen lacerum (→ äußere Schädelbasis), ein unscharf begrenztes Loch zwischen dem Hinterrand der Ala major des Keilbeines und der Spitze der Felsenbeinpyramide, ist am nicht mazerierten Schädel durch eine faserknorpelige Platte verschlossen. Fissura sphenopetrosa (→ äußere Schädelbasis) ist der seitliche Ausläufer des Foramen lacerum. Sie entlässt die Nn. petrosi major und minor, welche aus der Felsenbeinpyramide austreten, zur äußeren Schädelbasis. Canalis caroticus. Die innere Öffnung, Apertura interna canalis carotici, liegt unmittelbar hinter dem Foramen lacerum in der Spitze der Pyramide. Durch sie tritt die A. carotis interna mit Plexus caroticus int. aus dem Felsenbein in die Schädelhöhle, verläuft seitlich des Türkensattels nach vorn und erzeugt dort den flachen Sulcus caroticus. Hier hat sie engen Kontakt mit dem Sinus cavernosus. Hiatus canalis nervi petrosi minoris ist eine feine Öffnung auf der Vorderfläche der Felsenbeinpyramide. Von ihr führt eine schmale Furche für den N. petrosus minor (von N. IX) zur Fissura sphenopetrosa. Hiatus canalis nervi petrosi majoris ist nur wenig größer als die vorige Öffnung und liegt unmittelbar hinter ihr. Durch ihn tritt der N. petrosus major (aus dem N. VII bzw. Intermedius) in die Schädelhöhle ein, verläuft in einem feinen gleichnamigen Sulcus zur Fissura sphenopetrosa, durch die er zur Außenfläche des Schädels gelangt.

Besonderheiten der mittleren Schädelgrube Vom Foramen spinosum läuft ein Sulcus arteriosus (für die A. meningea media) zur seitlichen Schädelwand und gabelt sich in einen vorderen und hinteren Ast. Über die praktisch wichtige Lagebestimmung (Krönlein-Schema) siehe Abb. 4.18.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

212 Foramen caecum

Stirnpfeiler (quer) Lamina cribrosa

Crista galli Fila olfactoria

senkrechter Jochbeinpfeiler (quer)

N. opticus, A. opthalmica vorderer Querbalken V. opthalmica superior

Canalis opticus Fissura orbitalis superior

Nn. III, IV, V1, VI

Foramen rotundum N. maxillaris Flügelfortsatzpfeiler A. carotis interna horizontaler Jochpfeiler

N. mandibularis

Foramen ovale A. meningea media

Foramen spinosum

Nn. VII, VIII

Foramen lacerum

V. jugularis interna, Nn. IX, X, XI

Porus acusticus internus

N. hypoglossus hinterer Querbalken V. emissaria mastoidea Foramen jugulare

V. emissaria condylaris A. vertebralis hinterer Hinterhauptpfeiler

Abb. 4.32: Festigkeit der Schädelbasis. Links: Aus- und Eintrittsstellen der Nerven und Gefäße an der Schädelbasis. Rechts: Strebepfeiler punktiert, besonders dünne Stellen rot umrandet, Löcher schwarz, typische Bruchlinien blau

Die Spitze der Pyramide zeigt eine flache Delle, die Impresso trigemini, für das Ganglion trigeminale (Gasseri) des N. trigeminus. Die Mitte der Vorderfläche der Felsenbeinpyramide wird durch den oberen Bogengang zur Eminentia arcuata vorgebuckelt. Lateral und dorsal liegt das Tegmen tympani, die dünne Decke des Mittelohrraumes. Es trennt den Mittelohrraum von der Schädelhöhle. An der oberen Felsenbeinkante verläuft der Sulcus sinus petrosi superioris für den Sinus petrosus superior. Klinik: 1. Die Schädelbasis ist im Bereich der mittleren Schädelgrube durch die vielen Löcher

und dünnen Stellen besonders geschwächt. Schädelbasisbrüche sind hier häufig, halten sich an die Stellen des geringsten Widerstandes. Aus der Verletzung der durch die Löcher tretenden Gefäße und Nerven (Blutungen, motorische und sensible Ausfälle) kann man auf die Lage der Bruchlinie (Abb. 4.32) schließen. 2. Hypophysentumoren schädigen häufig die anliegende Sehnervenkreuzung. Operativer Zugang zu diesen Geschwülsten erfolgt durch Nasen- und Keilbeinhöhle. 3. Schläfenlappenabszesse können vom Mittelohr aufgrund der dünnen Beschaffenheit des Tegmen tympani ausgehen.

4.4 Schädelbasis, Basis cranii

4.4.2.3 Hintere Schädelgrube, Fossa cranii posterior Die Grube, noch tiefer gelegen, wird vorne begrenzt durch das Dorsum sellae sowie durch die von vorn medial nach hinten lateral verlaufende Pars petrosa und hinten durch den Sulcus sinus transversi des Hinterhauptsbeins. An diesen Grenzen heftet sich das Kleinhirnzelt, Tentorium cerebelli, an. Diese dachartig abfallende Platte der harten Hirnhaut schließt die in der Grube untergebrachten Hirnteile (Kleinhirn, Brücke und verlängertes Mark) nach oben weitgehend ab. Knöcherne Grundlage £ Os occipitale

£ Pars petrosa des Schläfenbeines £ Os sphenoidale

Wir unterscheiden ein unpaares Mittelstück und paarige, seitliche Gruben. Das Mittelstück ist der Clivus, ein nahezu ebener, vom Türkensattel zum Foramen magnum steil abfallender Abhang. Der Clivus wird vom Körper des Os sphenoidale und vom Körper des Os occipitale gebildet. Zwischen beiden befindet sich die Synchondrosis sphenooccipitalis Auf ihm liegen Pons und Medulla oblongata. Zwischen Pons und Clivus verläuft in der Medianebene die A. basilaris mit sympathischem Plexus. Am Seitenrand des Clivus verläuft jederseits der Sulcus sinus petrosi inferioris. Er zieht an der Unterkante der Felsenbeinpyramide entlang nach lateral und hinten zum Foramen jugulare und enthält den Sinus petrosus inferior auf. Die paarigen seitlichen Gruben nehmen die Hemisphären des Kleinhirns auf. Sie werden in der Mittellinie durch die Crista occipitalis interna getrennt. Diese verläuft vom Foramen magnum zu einem höckerartigen Vorsprung, der Protuberantia occipitalis interna. Von der letzteren zieht eine breite Furche, der Sulcus sinus transversi, nahezu horizontal nach vorn bis zur Felsenbeinpyramide, wo er in den Sulcus sinus sigmoidei übergeht, der

213

sich mit einer sigmaförmigen Krümmung nach unten und medial zum Foramen jugulare wendet. Öffnungen £ Foramen jugulare (→ äußere Schädelbasis).

Es liegt zwischen der Pars petrosa des Os temporale und der Pars lateralis des Os occipitale lateral vom Foramen magnum und hat zumeist dreieckige Gestalt. Beide Knochen zeigen hier eine Incisura jugularis, die zusammen das gleichnamige Loch begrenzen. Zumeist wird es durch die feinen, spitzen Processus intrajugulares in ein kleineres vorderes Loch (für den Durchtritt des Sinus petrosus inferior, N. glossopharyngeus, N. vagus mit Ganglion superius und N. accessorius) und ein größeres hinteres Loch (für die V. jugularis interna) unterteilt. £ Foramen magnum (→ Wirbelkanal). Großes ovales Loch. Es treten hindurch: die Medulla oblongata, die Nn. accessorii, die Wurzeln der Nn. cervicales I, die Aa. vertebrales, Aa. spinales anterior und posteriores , die Rr. meningei der Aa. vertebrales (jeweils mit sympathischen Geflechten) sowie die Plexus venosi vertebrales interni. £ Canalis nervi hypoglossi (→ äußere Schädelbasis) durchbohrt die Condyli occipitales und führt den N. hypoglossus und den Plexus canalis nervi hypoglossi. £ Porus acusticus internus (→ Innenohr) Die ovale Öffnung befindet sich an der Facies posterior der Felsenbeinpyramide. Sie führt in den Meatus acusticus internus, durch welchen die Nn. facialis, intermedius und vestibulocochlearis in Begleitung der A. labyrinthi (aus der A. basilaris) mit sympathischem Geflecht und die V. labyrinthii ins Felsenbein ziehen. Die Partes laterales des Hinterhauptbeins begrenzen seitlich das Foramen magnum, sind in der Jugend durch Knorpelfugen, durch die Synchondroses intraoccipitales anteriores von der Pars basilaris, und durch die Synchondroses intraoccipitales posteriores von der Squama occipitalis getrennt.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

214

4.5

Konstruktiver Bau des Schädels

Lernziele: Schädelkonstruktionen, Festigkeit, Krafteinwirkung Bedingt durch eine Rahmenkonstruktion hat der Schädel einen funktionellen Bau mit einer großen Festigkeit. Der Gehirnschädel ist eine basal abgeplattete, von vorn nach hinten in die Länge gezogene Hohlkugel. Am Schädeldach besteht er aus ziemlich gleichmäßig dicken platten Knochen, die eine stärkere, äußere kompakte Schicht, die Lamina externa, und eine dünnere, innere kompakte Schicht, die Lamina interna (vitrea), und zwischen beiden eine variable Diploe zeigen. An der Schädelbasis wechseln stärkere Streben mit dünnen Stellen und zahlreichen Löchern.

4.5.1

Verstärkungen der Schädelkonstruktion

Die Rahmenkonstruktion des Schädels wird im Bereich der Schädelbasis durch Strebepfeiler gekennzeichnet (Abb. 4.32). Strebepfeiler der Schädelbasis £ Medianer Längsbalken. Er beginnt am Tür-

kensattel, verläuft über den Clivus, umfasst das Foramen magnum und erreicht über die Crista occipitalis interna den Sulcus sinus sagittalis superior und über die Crista frontalis die Crista galli. Im Bereich der dünnen Siebbeinplatte und der Hypophysengrube ist dieser Längsbalken unterbrochen. £ Vorderer Querbalken. Er liegt an der Grenze zwischen vorderer und mittlerer Schädelgrube und strahlt seitlich nach vorn und hinten aus. £ Hinterer Querbalken. Er wird von den Pyramiden geliefert. Die Basen der beiden Pyramiden werden noch durch einen Knochenrahmen entlang des Sulcus sinus transversi verbunden. An ihnen entspringt das Kleinhirnzelt, das ebenso wie die Hirnsichel die Festigkeit des Schädels verstärkt. Klinik: 1. Da die Umgebung des Labyrinthes zeitlebens aus dem primitiven Faserknochen

besteht, kann der hintere Querbalken brechen, wobei die Nervi facialis und vestibulocochlearis geschädigt werden können. 2. Röntgenaufnahmen in verschiedenen Ebenen geben uns am Lebenden Aufschlüsse über Frakturen, Lage und Zustand der Nase und Nasenhöhlen, über die Größe der Hypophysengrube usw. Probleme bei der Deutung der Röntgenaufnahmen ergeben sich vor allem aus der Tatsache, dass die verschiedenen Teile aufeinander projiziert werden. Diese Schwierigkeiten werden heute durch CT und MRT weitgehend überwunden.

4.5.2

Pneumatisation und Kaudruckpfeiler

Die Anordnung der Orbitae und der pneumatischen Räume (Nasennebenhöhlen, s. Kap. 4.15.2, S. 321) haben eine Pfeilerkonstruktion des Viszerokraniums zur Folge (Abb. 4.33). Die Streben des Gesichtsschädels haben dem Druck, den der Unterkiefer auf den Oberkiefer ausübt, Widerstand zu leisten und den Kaudruck auf den stärkeren Hirnschädel zu übertragen. Die Spongiosa des Oberkiefers bildet über den Alveolen Druckkegel, die sich im sog. Basalbogen sammeln. £ Stirnnasenpfeiler. Sie leiten den Kaudruck von

Incisivi und Canini und z. T. vom 1. Molaren über den Stirnfortsatz des Oberkiefers um die äußere Nasenöffnung herum zum mittleren Teil der Stirn. £ Jochbogenpfeiler. Er nimmt den Kaudruck vom 1. und 2. Molaren auf, leitet ihn lateral um die Augenhöhle. Wir können ihn vom Oberkiefer über dessen Jochfortsatz auf das Jochbein und von dort verfolgen: als senkrechten Jochpfeiler über den Jochfortsatz des Stirnbeines auf die seitlichen Teile der Stirn (in Abb. 4.32 quergetroffen), als horizontalen Jochpfeiler über den Jochbogen auf das Schläfenbein und entlang der Schläfenlinie zum senkrechten Jochpfeiler zurück. Die Schläfengegend ist somit von einem stärkeren Knochenrahmen eingefasst. Im Bereich der eingerahmten Felder ist der Knochen relativ dünn.

4.5 Konstruktiver Bau des Schädels

215

Abb. 4.33: Verstärkungspfeiler des Schädels von vorn und von der Seite (nach A. Benninghoff) (oben). Trajektorien des Unterkiefers (unten)

£ Flügelfortsatzpfeiler. Er leitet den Kaudruck

vom 2. und 3. Molar über den Proc. pterygoideus und Teile des Keilbeinkörpers.

4.5.3

Spezifische Strukturen der Mandibula

Die Rahmenkonstruktion der Mandibula wird durch Trajektorien gebildet, welche sich im rechten Winkel schneiden und in dreidimensionaler Anordnung verlaufen (Abb. 4.33). £ Trajectorium dentale, durchzieht den Alveo-

larteil und trifft im Proc. condylaris auf das

£ Trajectorium basilare, das im Basalbogen des

Unterkiefers liegt. £ Trajectorium posticum, verstärkt den hinteren Rand des Unterkieferastes, dem sich das £ Trajectorium marginale am Kieferwinkel anschließt. £ Trajectorium praeceps, beginnt am Proc. coronoideus und zieht am vorderen Rand des Kieferastes abwärts zum Basalbogen. Auf der Außenseite läuft es in der Linea obliqua und auf der Innenseite in der Linea mylohyoidea

aus. Dieser Verstärkungszug resultiert aus der Zugwirkung des Schläfenmuskels. £ Trajectorium copolans, verstärkt die Incisura mandibulae zwischen Gelenk- und Muskelfortsatz. £ Trajectorium transversum, zieht in einer SBogenform vom Proc. coronoideus zum Kieferwinkel. £ Trajectorium radiatum, stellt den Druckkegel unter jedem Zahn dar. Die Spongiosastrukturen sind auf Zugwirkung der Kaumuskulatur sowie auf den Kaudruck abgestimmt.

4.5.4

Beteiligung der Dura mater

Die Dura nimmt auf o. g. Strukturen Einfluss. Sie kann durch kleinste Spannungsreize die Bildung von Trajektorien am Schädel stimulieren. Die Dura mater selbst besteht aus trajektoriell angeordneten kollagenen Fasern (Abb. 4.34). Das Stratum periostale bildet mit dem Schädelknochen einen osteofibrösen Verband, der durch Durasepten strebepfeilerartig verstärkt wird.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

216

Abb. 4.34: Verstärkungszüge der Schädelkapsel an den Befestigungsstellen von harter Hirnhaut, Kau- und Nackenmuskeln (verändert nach G. T. Popa) (links). Mechanostruktur der Dura mater (rechts) (beides nach G.-H. Schumacher)

4.5.5

Praktische Bedeutung der Rahmenkonstruktion

£ Die Hohlkugel des Gehirnschädels zeigt eine

gewisse elastische Verformbarkeit. Sind die verformenden Kräfte zu stark, kommt es zu Schädelfrakturen. Die ungleiche Wandstärke und der Aufbau der Wände erklärt manche Eigenart und die Lage der Brüche. £ Engumschriebene Gewalteinwirkung (Schlag mit einem harten Gegenstand). Es kommt zu Impressionsfrakturen. Die Stelle wird gegen die Schädelhöhle eingedrückt, wobei die Bruchlinien vom Zentrum der Einwirkung aus radienförmig verlaufen. Häufig beobachtet man bei solchen Gewalteinwirkungen nur einen Bruch der Lamina interna, der leicht übersehen und erst an Hirnsymptomen erkannt wird. Ursprünglich nahm man eine besondere Sprödigkeit der Lamina interna an und nannte sie Tabula vitrea, Glastafel. Doch ist die Impressionsfraktur wohl rein mechanisch zu erklären. Bei der Eindellung kommt es an der Innenfläche zu einer Zug-, an der Außenfläche zu einer Druckbeanspruchung. Weil der Knochen auf Druck besser als auf Zug beanspruchbar ist, muss die Lamina interna zuerst brechen.

£ Breitflächige Gewalteinwirkung (z. B. beim

Sturz auf den Kopf). Sie pflanzt sich über die Wände der Kugel fort, die dann an den schwächsten Stellen birst (Berstungsbrüche). Diese Berstungsbrüche finden wir vorwiegend an der Schädelbasis. Die häufigsten Bruchlinien sind in Abbildung 4.32 eingetragen.

• Liegen sie im Bereich der vorderen Schädelgrube, so sind Blutungen bzw. Liquorabfluss aus der Nasenhöhle (Lamina cribrosa!) oder Blutungen in die Augenhöhle, die sich nach vorn fortpflanzen und unter den Augenlidern als Brillenhämatome erscheinen, charakteristische Symptome. • Bei Brüchen in der mittleren Schädelgrube stellen wir Blut- und Liquorabfluss durch Nase, Rachen und eventuell den äußeren Gehörgang (aber nur bei verletztem Trommelfell) fest. • Bei Brüchen in der hinteren Schädelgrube tritt häufig Blut unter der Haut über dem Warzenfortsatz aus. £ Axiale Belastung. Die Wirbelsäule kann mit

dem Rand des Foramen magnum des Os occapitale in die hintere Schädelgrube einbrechen.

4.6 Höhlen und Gruben

217

Klinik: 1. Schädelbrüche können zu Verletzungen des Gehirns führen. Risse in den starrwandigen Sinus durae matris haben oft Blutungen zur Folge. 2. Bei Schädelbasisbrüchen sind Nerven und Blutgefäße, die durch Knochenlücken und Spalten durchtreten, besonders gefährdet. Nerven mit kurzem intrakraniellen Verlauf (Nn.

4.6

Höhlen und Gruben

Lernziele: Orbita, Fossa temporalis, Fossa infratemporale, Fossa pterygopalatinum: Form, Foramina mit Inhalt

4.6.1

IX, X, XI, XII) sind seltener verletzt, der N.VII und die Äste der N.V dagegen häufiger. Der N. IV und N.VI haben einen langen intrakraniellen Verlauf. Sie sind deshalb häufig verletzt. 3. Blutungen aus der A. meningea media führen zu epiduralen Hämatomen, Blutungen aus den Brückenvenen zu subduralen Hämatomen.

Viscerocranium

4.6.1.1 Augenhöhle, Orbita Die Augenhöhle hat die Gestalt einer vierseitigen Pyramide, deren Basis nach vorn zeigt und den nahezu rechteckigen Augenhöhleneingang, Aditus orbitae, bildet. Er wird von dem Margo aditus umrahmt, der oben vom Stirnbein, lateral und unten vom Jochbein und unten und medial vom Oberkiefer gebildet wird. Der mediale und der laterale Rand stehen nahezu senkrecht, der obere und untere Rand fallen von medial nach lateral ab (Abb. 4.35).

Wände £ Obere Wand. Sie wird von der Facies orbitalis

des Stirnbeins und der Ala minor des Keilbeins gebildet. Man nennt sie auch Dach der Augenhöhle. Das Dach trennt medial und vorn die Augenhöhle von der Stirnhöhle, dem Sinus frontalis, weiter hinten die Augenhöhle von der vorderen Schädelgrube und dem Stirnlappen des Gehirns. Vorn und lateral ist das Dach zur Fossa glandulae lacrimalis eingedellt. £ Mediale Wand. Sie steht etwa sagittal. Sie wird vorn vom Tränenbein, Os lacrimale, in der Mitte von der viereckigen Lamina orbitalis des Siebbeins und hinten vom Corpus ossis sphenoidalis gebildet. Vorn liegt an der medialen Wand eine tiefe Grube für den Tränensack, die Fossa sacci lacrimalis. Sie wird vorn von der Crista lacrimalis anterior des Oberkiefers, hinten von der Crista lacrimalis posterior des Tränenbeins begrenzt (Abb. 4.9). Nach unten setzt sie sich

Foramen supraorbitale Incisura frontalis

Fossa cranialis anterior

Os frontale

Os sphenoidale (Ala minor)

Canalis opticus

Fissura orbitalis superior

Os ethmoidale (Lamina orbitalis)

Os sphenoidale (Ala major)

Os lacrimale

Sinus maxillaris Blow-out-Fraktur

Os palatinum (Processus orbitalis) Maxilla (Facies orbitalis) Sulcus infraorbitalis

Os zygomaticum

Fissura orbitalis inferior

Foramen infraorbitale

Abb. 4.35: Rechte Augenhöhle, Orbita. Die Knochen sind farblich schematisiert. Inset: Prinzip der Blow-out-Fraktur (aus G.-H. Schumacher)

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

218

in den Canalis nasolacrimalis fort, der unter der unteren Nasenmuschel mündet. £ Untere Wand. Diese wird von der Facies orbitalis des Oberkiefers und des Jochbeins und dem kleinen Processus orbitalis des Gaumenbeins gebildet. Von der lateralen Wand wird sie durch die Fissura orbitalis inferior getrennt. Ungefähr auf der Mitte der Fläche verläuft der Sulcus infraorbitalis, der durch die Periorbita verschlossen ist und sich nach vorn in den knöchernen Canalis infraorbitalis fortsetzt, der auf der Gesichtsfläche unterhalb des unteren Augenhöhlenrandes ausmündet. £ Laterale Wand. Sie ist vom Dach durch die Fissura orbitalis superior geschieden. Sie verläuft von vorn außen nach hinten innen, ist länger als die mediale Wand und bildet mit der der anderen Seite ungefähr einen rechten Winkel. Sie setzt sich zusammen aus der Facies orbitalis des Jochbeins und der des großen Keilbeinflügels. Die Achse der Orbita verläuft von der Mitte des Aditus orbitae zur Mitte des Canalis opticus und schneidet sich mit der der anderen Seite oberhalb des Türkensattels. £ Beziehungen zu Nasennebenhöhlen s. Kap. 6.3.4, S. 587.

£

£

£

4.6.1.2 Öffnungen der Orbita £ Aditus orbitalis nach außen

£ Canalis opticus (→ Fossa cranii media). Er

führt den N. opticus und die A. ophthalmica (aus der A. carotis interna) £ Fissura orbitalis superior (→ Fossa cranii media), zwischen Ala major, Ala minor und Corpus ossis sphenoidalis, ist medial breit, lateral schmal, und bis auf die Durchtrittsstellen der V. ophthalmica superior und sämtlicher Augenhöhlennerven durch Bindegewebe, dem glatte Muskulatur beigemischt ist, verschlossen (Abb. 4.31). Durch die Ursprünge der Augenmuskeln (Abb. 4.31) wird sie in 3 Abschnitte unterteilt. Der laterale führt den N. frontalis, N. lacrimalis, den N. trochlearis und die V. ophthalmica superior. Durch den mittleren (innerhalb des Muskelringes) ziehen N. oculomotorius, N. nasociliaris und N. abducens. Der mediale Abschnitt ist vollständig verschlossen (s. Abb. 6.25, S. 575). £ Fissura orbitalis inferior (→ Fossa infratemporalis, Fossa pterygopalatina), zwischen Ala major ossis sphenoidalis und Maxilla, ist durch

£

eine Bindegewebsplatte und den glatten M. orbitalis, der auch auf die Fissura orbitalis superior ausstrahlt, verschlossen. Sie lässt einen Ast der V. ophthalmica inferior aus der Augenhöhle zum Plexus pterygoideus und den N. infraorbitalis aus der Flügelgaumengrube in den Sulcus und Canalis infraorbitalis durchtreten. Der M. orbitalis (Müller-Muskel) wird vom Sympathicus innerviert (aus C8, Th1). Durch seinen Tonus hilft er mit, die Lage des Augapfels aufrechtzuerhalten. Beim Ausfall seiner Innervation sinkt der Augapfel leicht ein (Enophthalmus, s. Horner-Syndrom Kap. 6.1.3., S. 573). Foramen ethmoidale anterius (→ Fossa cranii anterior), vorn am Oberrande der Lamina orbitale des Siebbeins, entlässt A., V., N. ethmoidalis anterior(ius) aus der Augen- in die Schädelhöhle (s. Abb. 4.36). Foramen ethmoidale posterius (→ Fossa cranii anterior), hinten am Oberrand der Lamina orbitalis, lässt A., V., N. ethmoidalis posterior aus der Augenhöhle in die Cellulae ethmoidales ein- bzw. austreten. Foramen zygomaticoorbitale (→ Gesicht), an der Facies orbitalis des Jochbeins. Es entlässt den N. zygomaticus aus der Augenhöhle in den Jochbeinkörper, weiter durch das Foramen zygomaticofaciale zum Gesicht und durch das Foramen zygomaticotemporale zur Schläfengegend. Canalis nasolacrimalis (→ Meatus nasi inferior). Er führt von der Fossa sacci lacrimalis abund dorsalwärts unter die untere Nasenmuschel.

Klinik: 1. Die nasale Wand der Orbita ist am dünnsten, hat mitunter Lücken, durch die Entzündungen der Siebbeinzellen sich zur Augenhöhle ausbreiten können (retrobulbäre Abzesse). 2. In das Dach der Orbita kann die Stirnhöhle weit hineinreichen (→ Übergreifen von Stirnhöhlenentzündungen nach unten zur Augen-, nach oben zur Schädelhöhle). 3. Der Boden der Orbita und der N. infraorbitalis haben enge Beziehungen zur Oberkieferhöhle, Sinus maxillaris. Bei Gewalteinwirkungen auf das Auge können Blow-out-Frakturen (Einbrechen des Orbitabodens mit Inhalt) entstehen. 4. An der Spitze der Orbita sind durch den Canalis opticus und die Fissura orbitalis superior Beziehungen zur Schädelhöhle, speziell zum Sinus cavernosus, gegeben (Blutungen!).

4.6 Höhlen und Gruben

219

N. auriculotemporalis

A., V. temporalis superficialis

M. temporalis, V. temporalis media

A. maxillaris, N., A. temporalis prof.

Aa., Rr. alveolares superiores posteriores

A. zygomaticoorbitalis

A. temporalis media M. pterygoideus lateralis N., Aa. massetericae Verbindung zwischen N. facialis u. N. auriculotemporalis N. facialis, A. transversa faciei N. buccalis N. lingualis, M. pterygoideus medialis A. carotis externa, V. retromandibularis N., A. alveolaris inferior, Raphe pterygomandibularis N. mylohyoideus Verbindung zwischen N. buccalis und N. facialis A., V. facialis

R. marginalis mandibulae n. fac., N. buccalis

N., A. alveolaris inferior, A. labialis inferior

N., A. mentalis

Abb. 4.36: Topografie der tiefen Gesichtsgegend. Inhalt der Fossa infratemporalis. Der Jochbogen ist ganz, M. temporalis und Unterkieferast sind teilweise entfernt.

4.6.1.3 Inhalt der Orbita £ Die Periorbita kleidet als Periost die knöcherne

Augenhöhle aus. Durch den Canalis opticus und die Fissura orbitalis superior geht sie in die Dura mater der Schädelhöhle über. £ Über den weiteren Inhalt der Orbita s. Kap. 6.4, S. 587.

4.6.1.4 Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales Siehe Kapitel 4.15, S. 312.

4.6.2

Seitliche Schädelgegend

Wir finden 3 Gruben. Sie enthalten Muskeln, Fett- und Bindegewebe, sind außerdem Verzweigungsgebiete von Leitungsbahnen und beinhalten Ganglien.

4.6.2.1 Schläfengrube, Fossa temporalis Sie wird medial von der Schläfenbeinschuppe und dem großen Keilbeinflügel begrenzt. Eigentlich ist sie keine Grube! Oben verläuft die Linea temporalis superior, an welcher die Schläfenfaszie ansetzt. Die Linea temporalis inferior dient dem Ansatz des M. temporalis (Abb. 4.9). Die Grube wird hauptsächlich von ihm und Fett ausgefüllt.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

220

Beide schützen den medial gelegenen Knochen, der hier die dünnste Stelle des Schädeldachs bildet, vor Gewalteinwirkungen. Bei reduziertem Fettgewebe (Alter, Krankheiten) erscheinen die Schläfen eingefallen, so dass man die Bewegungen des M. temporalis gut sehen kann. Die Fortsetzung der Schläfengrube nach unten und medial ist die Unterschläfengrube.

4.6.2.2 Unterschläfengrube, Fossa infratemporalis Sie ist die Fortsetzung der Schläfengrube medial vom Jochbogen auf die äußere Schädelbasis und liegt unter der Schädelbasis zwischen Unterkieferast und Proc. pterygoideus des Keilbeins. Vorn reicht sie bis zum Tuber maxillae, der dorsalen Wand des Corpus maxillae, medial bis zur Lamina lateralis des Proc. pterygoideus und seitlich bis zum Ramus mandubulae. Ihr Dach wird hauptsächlich vom großen Keilbeinflügel gebildet. Man erreicht sie präparatorisch, wenn man den Jochbogen reseziert. In der Fossa infratemporalis liegen die Mm. pterygoidei, ein Ausläufer des Wangenfettpfropfes, (Bichat), die Aufzweigungen des N. mandibularis (N. V3), das Ganglion oticum (Umschaltung von Glossopharyngeusfasern für die Parotis), die A. maxillaris mit ihren Verzweigungen und der Plexus pterygoideus (Abb. 4.36). Öffnungen £ Fissura orbitalis inferior (→ Orbita) für den

Durchtritt der V. ophthalmica inferior, der A. infraorbitalis, des N. infraorbitalis sowie des N. zygomaticus (von N. V2), £ Foramen ovale (→ Fossa cranii media) für den Durchtritt des N. mandibularis (N. V3), £ Foramen spinosum (→ Fossa cranii media) für die A. meningea und den R. meningeus (von N. V3) £ Fissura pterygomaxillaris (→ Fossa pterygopalatina) für den Durchtritt der A. maxillaris.

4.6.2.3 Flügelgaumengrube, Fossa pterygopalatina Sie liegt zwischen der Rückfläche des Oberkiefers und der Vorderfläche des Processus pterygoideus des Keilbeins. Die Grube ist oben breit und verjüngt sich nach unten zum Canalis palatinus major. Das Dach wird vom Keilbeinkörper und der Wurzel der Ala major, die mediale Wand von der Lamina perpendicularis des Gaumenbeins, die Vorderwand vom Körper des Oberkiefers (Tuber maxillae), die Hinterwand von der Facies maxillaris und dem Processus pterygoideus des Keilbeins gebildet. Die laterale Wand ist durch Bindegewebe gegen die Fossa infratemporalis abgeschlossen (s. Abb. 4.109). In der Flügelgaumengrube liegt das parasympathische Ganglion pterygopalatinum. In ihm wird das 1. Neuron der sekretorischen Leitung für die Tränendrüse, die Nasendrüsen und die Gaumendrüsen auf das 2. Neuron umgeschaltet. Öffnungen £ Foramen rotundum (→ Fossa cranii media) für

den Durchtritt des N. maxillaris (N. V2)

£ Canalis pterygoideus (→ Basis cranii externa)

£

£

£

£

für den Durchtritt des N. canalis pterygoidei, der sich aus dem N. petrosus major (parasympathisch vom Intermediusanteil des N. VII) und dem N. petrosus profundus (sympathisch aus dem Plexus caroticus internus) zusammensetzt, sowie für die A. canalis pterygoidei Fissura orbitalis inferior (→ Orbita) für den Durchtritt der V. opththalmica, des N. infraorbitalis und N. zygomaticus (beide von N. V2) Foramen sphenopalatinum (→ Cavitas nasi) für den Durchtritt der Rr. nasales posteriores superiores laterales und mediales (von N. V2) und der A. sphenopalatina Canalis palatinus major (→ Cavitas oris) für den Durchtritt des N. palatinus major und der A. palatina descendens Fissura pterygomaxillaris (→ Fossa infratemporalis) für die A. maxillaris

4.7 Gelenke des Kopfes

4.7

221

Gelenke des Kopfes

Lernziele: Oberes und unteres Kopfgelenk, Kiefergelenk: Aufbau, Funktion. Kaumechanismus Neben den Synarthrosen des Schädels wie Synchondrosen und Suturen gibt es auch Diarthrosen.

4.7.1

£

Kopfgelenke

Es gibt ein oberes Kopfgelenk (Articulatio atlantooccipitalis) sowie ein unteres Kopfgelenk (Articulatio atlantoaxialis). Diese gewähren dem Kopf eine relativ große Beweglichkeit. Ausführungen s. Kap. 8.2.4., S. 640.

4.7.2

£

Kiefergelenk, Articulatio temporomandibularis

4.7.2.1 Embryologie

£

Das Kiefergelenk des Menschen und der Säugetiere ist ein Neuerwerb. Man bezeichnet es daher als sekundäres Kiefergelenk. Es entsteht durch Anlagerung des Unterkieferknochens an den Schuppenteil des Schläfenbeins, es ist ein Anlagerungsgelenk, s. Kap. 4.1.1.2, S. 181. £

4.7.2.2 Aufbau Im Kiefergelenk artikulieren der walzenförmige, an den Enden abgerundete Gelenkfortsatz des Unterkiefers, Processus condylaris, mit der Fossa mandibularis und dem Tuberculum articulare des Schläfenbeines (Abb. 4.30). Die anatomischen, queren Achsen der beiden Gelenkfortsätze schneiden sich vor dem Foramen magnum, bilden somit einen nach vorn offenen stumpfen Winkel von 150°–165°. Zwischen den mit Faserknorpel überzogenen artikulierenden Flächen liegt ein aus Faserknorpel bestehender Discus articularis. £ Gelenkhöcker, Tuberculum articulare. Er

besitzt eine schräg nach unten abfallende Gelenkfläche. Im Sagittalschnitt zeigen die Fossa mandibularis und das Tuberculum arti-

culare eine S-förmige Gelenkbahn. Der vordere Teil der Gelenkgrube und das Tuberculum articulare sind von Faserknorpel bedeckt. Der hintere Teil der Fossa mandibularis liegt extrakapsulär und ist von derbem Bindegewebe überzogen. Kiefergelenkkopf, Caput mandibulae. Er befindet sich am Ende des Gelenkfortsatzes, Proc. condylaris, (Abb. 4.27) und besitzt eine walzen- bis ellipsenartige Form mit starken individuellen Variationen. Nur selten sind die Gelenkköpfe in Bezug auf ihre Form und Stellung spiegelbildlich. Beim Neugeborenen ist der Gelenkkopf noch flach. Gelenkfläche (Abb: 4.27). Sie liegt hauptsächlich auf der Vorderseite des Caput mandubulae und ist mit Faserknorpel bedeckt, der im mittleren Bereich dicker ist als in den Randzonen. Die Rückfläche des Kiefergelenkkopfes liegt ebenfalls noch intrakapsulär, ist aber von straffem Bindegewebe bekleidet. Kiefergelenkgrube, Fossa mandibularis (Abb. 4.30). Sie liegt an der Unterfläche der Schläfenbeinschuppe. Sie ist etwa 2- bis 3mal größer als die Gelenkfläche des Kieferkopfes und korrespondierend zur Position desselben etwas schräg gestellt. Die Gelenkfläche dehnt sich ventral etwa bis zum Scheitel des Gelenkhöckers aus. In der Tiefe der Gelenkgrube kann der Knochen papierdünn sein. Gelenkscheibe, Discus articularis. Dem Condylus sitzt er auf und unterteilt den Gelenkraum in einen oberen und unteren Spalt. Die Grundform des Discus ist ovoid gestaltet. Der Discus ist vorn, medial und lateral mit der Gelenkkapsel verwachsen. Bei geschlossenem Mund bedeckt er den Gelenkkopf kappenartig. Der zentrale Abschnitt des Discus besteht aus straffem Bindegewebe, in den Randzonen finden sich außerdem noch Knorpelzellen. In dem Bereich, dem in der Ruhelage die Gelenkfläche das Caput mandibulae aufliegt, enthält der Discus Faserknorpel.

Klinik: Bei Fehlbelastungen des Gelenkes können Defekte im Discus auftreten. Des öfteren sind damit auch degenerative Veränderungen am Gelenkknorpel verbunden.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

222

Tuberculum articulare Discus articularis Cavum articulare Caput mandibulae M. pterygoideus lateralis

a

b

c

Abb. 4.37: Schematische Darstellung des Kiefergelenkes. a. Kieferschluss. b. bei der Öffnungsbewegung. Die Verlagerungen des Kieferkopfes gegen den Discus articularis werden durch Kreise markiert. c. Ansatz der Kiefergelenkkapsel (blau) am Unterkiefer (aus G.-H. Schumacher)

£ Kapsel

und Verstärkungsbänder (Abb. 4.37 c). Die schwache, trichterförmige Gelenkkapsel entspringt am Rande der Fossa mandibularis und schließt das Tuberculum articulare ein. Sie setzt oberhalb der Fovea pterygoidea am Unterkieferhals an. Sie ist so weit, dass der Gelenkkopf nach vorn vor die Unterkieferhöcker luxieren kann, ohne dass sie einreißt. Da sie auch am Discus ansetzt, ist die Gelenkhöhle in eine obere diskotemporale und eine untere diskomandibulare Kammer unterteilt. Der Diskus trennt die obere und untere Gelenkkammer, die keinerlei Verbindung untereinander haben.

• Das dreieckige Ligamentum laterale (temporomandibulare) verstärkt die schlaffe Kapsel und bremst das Zurückführen des Unterkiefers ab. • Das Ligamentum sphenomandibulare von der Spina des Keilbeines zur Lingula mandibulae und das Ligamentum stylomandibulare vom Proc. styloideus zum Angulus mandibulae haben keine Beziehungen zur Kapsel.

4.7.2.3 Gefäße und Nerven Arterien. A. auricularis profunda (Pars mandibularis der A. maxillaris) Venen. Rr. articulares → V. retromandibularis Nerven. Sensible Fasern kommen aus den Nn. auriculotemporalis, massetericus, temporalis profundus posterior und facialis. Parasympathische Fasern kommen über einen Gelenkast vom Ganglion oticum (sekretorische

Fasern) für die Synovia-Produktion. Sympathische Nerven erreichen das Gelenk über die Gefäße.

4.7.2.4 Mechanik des Kiefergelenkes £ Das Kiefergelenk ist als eine Kombination

zweier Gelenke aufzufassen. Das untere, diskomandibulare Scharniergelenk und das obere, diskotemporale Schiebegelenk können getrennt und gemeinsam benutzt werden. Rechtes und linkes Kiefergelenk müssen stets gemeinsam tätig sein. Die Form der Gelenkflächen, der Zustand des Gebisses, die Form und Stellung der Zähne, die Kaumuskulatur und ihre Innervation sind Glieder eines funktionellen Systems, die den Ablauf der Kieferbewegungen beeinflussen. Da die Zahnreihen als Führungsflächen dienen, wird ein Fehlen der Zähne (beim Säugling und Greis), ein lückenhaftes Gebiss, ein Vor- und ein Kopfbiss zwangsläufig die Form der Gelenkflächen und den Bewegungsablauf abwandeln. £ In der Ruhestellung des Unterkiefers stehen die Zähne nicht in Okklusion (s. Kap. 4.13.3.7, S. 299). Der Gelenkkopf mitsamt dem Discus liegt im vorderen Teil der Gelenkgrube und auf dem hinteren Abhang des Gelenkhöckers. £ Bewegungsmöglichkeiten (Abb. 4.37) 1. Öffnungs- und Schließungsbewegung (Abduktion und Adduktion) sind eine ScharnierSchiebebewegung. Die Öffnung beginnt mit einer reinen Scharnierbewegung. Recht bald rutscht der Discus unter der Zugwirkung des M. pterygoideus lateralis auf dem Gelenkhöcker

4.7 Gelenke des Kopfes

nach vorn und unten. Gleichzeitig wandert der Kieferwinkel nach hinten. Diese Drehung des Kieferastes erfolgt um eine quere, durch das Foramen mandibulae gehende Achse. Der in dieses Loch eintretende Nerv erleidet deshalb bei dieser Bewegung keine Zerrung. Der hinter dem Kieferast gelegene Raum wird bei dieser Bewegung oben erweitert, unten eingeengt. Öffnen und Schließen erfolgt ohne Artikulation der Zahnreihen gleichzeitig im rechten und linken Gelenk. Beide Kiefergelenke arbeiten als ein Scharniergelenk mit wandernder Achse. 2. Das Vor- und Zurückschieben (Pro- und Retrotrusion) des Unterkiefers findet im oberen, diskotemporalen Gelenk unter Führung der Zahnreihen statt (inzisales Gelenk, Abb. 4.38). Deshalb können der Zustand der Zahnreihen, Form und Stellung der Zähne sowie die Form des Gelenkhöckers den Bewegungsablauf beeinflussen. Der Discus gleitet mit dem Gelenkkopf auf dem Tuberculum articulare nach vorn. Bei starkem Vorbiss ist eine leichte Öffnungsbewegung nötig, um die Schneidezähne des Unterkiefers an denen des Oberkiefers vorbeiführen zu können. 3. Die Seitwärts- oder Mahlbewegung (Medio- und Laterotrusion) erfolgt ebenfalls unter Führung der Zahnreihen. Der eine Kopf dreht sich um eine senkrechte Achse in der Pfanne; der andere gleitet auf dem Gelenkhöcker nach vorn und bringt die Zahnreihe seiner Seite zum Klaffen. Bei dieser Schwenkbewegung wird das Kinn auf die Gegenseite verschoben. Das Mahlen findet auf der Seite der Drehung statt. £ Anpassungsvorgänge am Kiefergelenk

Beim Neugeborenen ist die Gelenkgrube flach; das Tuberculum articulare fehlt noch. Beim zahnlosen Greisenkiefer flachen sich Gelenkgrube und Gelenkhöcker ab. Beim Kind und Greis erfolgen das Öffnen und Schließen deshalb vorwiegend durch Scharnierbewegung. Beim Kopf- oder Zangenbiss ist die Gelenkgrube flach, die Neigung des Gelenkhöckers gering; es überwiegt die Gleitbewegung. Beim starken Überbiss ist die Neigung des Gelenkhöckers steil; der Gelenkkopf ist stark gekrümmt, der Kieferhals nach vorn umgebogen; es herrschen die Scharnierbewegungen vor. Auch einseitiger Verlust der Zähne, besonders der

223

Backen- und Mahlzähne, kann zu Umbauvorgängen am Kiefergelenk führen. Klinik: Luxation des Kiefergelenkes. Zu starke Öffnungsbewegungen können, zumeist bei angeborener Bereitschaft, zu Luxationen des Kiefergelenkes führen. Der Kieferkopf rutscht dabei über das Tuberculum articulare hinweg nach vorn, der Mund bleibt offen.

4.7.2.5 Moderne Erkenntnisse in der Kiefergelenksforschung Die Funktion der Kiefergelenke und das Zusammenspiel von Mandibula und Maxilla insgesamt lässt sich durch ein vernetztes Gesamtsystem verschiedener Gelenksysteme darstellen. Zu bestimmten Vernetzungen, die bestimmten Mandibulafunktionen zugeordnet sind, gehören bestimmte Bewegungsmuster, die sich nach der Zahl der kinematischen Freiheitsgrade der Mandibula ordnen lassen. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Tatsache, dass es für alle Gelenke des stomatognathen Systems – und in diesem Zusammenhang sind alle einzelnen Zahnkontakte Gelenke – einen artikulären Bewegungsraum gibt. Dies gilt also nicht nur für die Zähne, sondern auch für die Kiefergelenke. Die Artikulationsflächen sind dann voneinander abgehoben und die knorpelig/knöcherne Führung des Gelenks aufgehoben; es findet in dieser Funktion keine Kraftübertragung in den diskludierenden Gelenkpaaren statt.

£ Gelenkzentrik Das Kiefergelenk befindet sich physiologischerweise in centric relation (CR), wenn die Mandibula unter Kraftschluss in maximaler Verzahnung in centric occlusion (CO) ist (Kubein-Meesenburg): das Gelenkköpfchen ist dabei anatomisch dem Wendebereich zwischen Eminentia und Gelenkgrube zugeordnet. Unter Kraftschluss wird die Maxilla von der Wirkungslinie der Gelenkkraft in diesem Wendebereich und die Mandibula im rostralen Rand des Köpfchens getroffen. Die minimale Diskusstärke befindet sich dann zwischen Kondylen und Wendebereich (Abb. 4.38). Aus der CR-Position heraus folgt bei aufrechterhaltenem Kraftschluss das Gelenk bei der kranialen Grenzfunktion in pro- oder retrusiver Richtung. In beiden Fällen hat das Gelenk 2 kinematische Freiheitsgrade. Seine Funktion lässt sich auf die einer pro- bzw. retrusiven dimeren Gelenkkette (dimeric link chain) zurückführen (s. Kap. 2.2.2.2.5, S. 39). In ungestörten Gelenken wandert sowohl bei protrusiver als auch bei retrusiver Funktion der Belastungsschwerpunkt der Gelenkkraft auf dem Kondylus von seinem rostralen Rand nach dorsal – auf der maxillären Gelenkfläche jedoch verlagert er sich, vom Wendepunkt ausgehend, in

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

224

£ 3 physikalisch differierende Funktions-

zustände der Mandibula sind ableitbar:

re

B pro

KG

Maxilla = Gestell

LMD

C α

1. Okklusal-artikuläre Funktionen: Bewegungen mit einem Freiheitsgrad.

Pprot

R2

LMX

Mandibula = Koppel

D A R1 inzisales Gelenk

Abb. 4.38: Zentrik des Kiefergelenkes (centric relation = CR) und habituelle Interkuspidation (centric occlusion = CO) in übereinstimmender Unterkieferlage (CR = CO). Biomechanische Idealanordnung aller Einzelgelenksysteme des stomatognathen Systems. Viergelenk-Getriebe der protrusiven kranialen Grenzbewegung: die überschlagene dimere Gelenkkette R1 des Frontzahngelenkes und die gestreckte dimere Kette R2 des Kiefergelenkes sind durch die Maxilla (Gestell) und die Mandibula (Koppel) zu einem Viergelenk-Getriebe gekoppelt. Die Verlängerungen der Glieder der dimeren Ketten R1 und R2 (Pleuel) schneiden sich im momentanen Drehpol Pprot der Mandibula

pro- bzw. retrusiver Richtung. Die theoretisch biomechanisch als physiologisch begründete Anordnung: „centric occlusion = centric relation“ (CO = CR) kann anhand von Achsiogrammen empirisch bestätigt werden (Nägerl) und begründet die gemeinsame Zentrik aller Gelenke des stomatognathen Systems gleichzeitig. Die Zentrik ist somit eine gemeinsame funktionelle Systemkonstante aller Gelenke des stomatognathen Systems und nicht eine manipulative Unterkieferposition eines möglichen Behandlers. Ohne kompressive Gelenkkraft kann sich der Kondylus durch Diskuseinzug von der temporalen Gelenkfläche entfernen: die Führung durch die knöchernen Strukturen ist dann aufgehoben. Das Gelenkköpfchen kann „schweben“. Jeder kondyläre Punkt besitzt somit einen artikulären Bewegungsraum, wie er für die Inzisalkanten der Frontzähne als Posselt-Diagramm bekannt ist: Kiefergelenke haben folglich, wie Zähne auch, ein gewisses Disklusionspotenzial.

Die okklusal-artikuläre Funktion ist primär als Sensorfunktion zur optimalen Steuerung und Programmierung der anderen beiden Funktionsbereiche zu betrachten. Aus der Zwangläufigkeit der kranialen Grenzführung (Abb. 4.38) ergibt sich ein mathematischer Zusammenhang zwischen anteriorer und posteriorer Führung (Kubein-Meesenburg, Nägerl). 2. Neuromuskulär-artikuläre Funktionen: Bewegungen mit 2 Freiheitsgraden, keine Kraftübertragung, freie Unterkieferbewegung. Die Positionen der Mandibula sind durch 2 Drehungen, um eine maxillär-neuromuskulär festgelegte und eine entsprechende mandibuläre Achse, festgelegt, die dem Kiefergelenk nicht direkt zugeordnet sind. Bei der neuromuskulär-artikulären Funktion „schwebt“ die Mandibula nach dieser Gesetzmäßigkeit durch den Raum, z. B. beim Sprechen und Singen. 3. Funktionszustände der Mandibula: Bewegungen mit 3 Freiheitsgraden. Der Bolus wird mit Hilfe der Zunge zwischen die Molaren geschoben. Der anteriore Zug am Kondylus des M. pterygoid. lat. stellt nun zusammen mit der horizontalen Komponente des M. temporalis ein Kräftepaar dar, über dessen Drehmoment die Lage der kaudal-kranialen Kraftwirkungslinie der übrigen Kaumuskulatur in anterior-posteriorer Richtung in den Bolus verschoben werden kann. Kraftfreiheit beim Kauen im Kiefergelenk ist möglich und Kiefergelenk und Frontzähne benutzen beim Kauen ihre Artikulationsräume. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das stomatognathe System, und mit diesem das Kiefergelenk, das komplexeste Gelenksystem (Kauapparat mit allen seinen Bestandteilen) unseres Körpers darstellt. Es kann und es werden 3 verschiedene physikalische Grundstrukturen angesteuert und ineinander umgeschaltet.

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

4.8

225

Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli dienen. Sie werden bei der Schlund-, Gaumenund Zungenmuskulatur besprochen.

Lernziele: Mimische Muskulatur, Kaumuskulatur, Halsmuskulatur: Ursprung, Ansatz, Funktion

4.8.1

4.8.1.1 Mimische Muskulatur, Musculi faciei (Abb. 4.39, 40)

Muskeln des Kopfes, Musculi capitis

£ Herkunft. Sie stammt von der Muskulatur des

Wir unterscheiden £ Mimische Muskulatur, eine oberflächliche

Lage, die enge Beziehungen zur Gesichtshaut hat £ Kaumuskulatur, eine tiefe Lage; Muskeln, die die Bewegung des Unterkiefers gegen den Oberkiefer ermöglichen und die dem Schluckakt M. auricularis superior

2. Schlundbogens ab, hat ihre alte Lage am Zungenbein aufgegeben und ist flächenhaft über den Kopf gewandet. Für die Herkunft der mimischen Muskulatur spricht die Versorgung durch den N. facialis, den Nerven des 2. Schlundbogens. £ Lage. Sie umgibt die Öffnungen des Kopfes, beeinflusst ihre Form und Größe, setzt an der Haut und anderen Weichteilen des Gesichtes M. temporoparietalis

Galea aponeurotica Venter frontalis m. occipitofrontalis M. auricularis anterior, R. frontalis a. temporalis superficialis Pars orbitalis   M. orbicularis oculi Pars palpebralis  M. depressor supercilii M. procerus M. levator labii superioris alaeque nasi M. nasalis (Pars transversa), M. levator nasi   

M. occipitofrontalis (Venter occipitalis)

M. levator labii superioris

M. trapezius

M. zygomaticus minor M. levator anguli oris [caninus] M. orbicularis oris M. zygomaticus major M. mentalis, Kinnhaut M. depressor labii inferioris M. depressor anguli oris [triangularis] M. risorius M. splenius capitis

Glandula parotis, Ductus parotideus

M. sternocleidomastoideus

Platysma

Abb. 4.39: Oberflächliche Lage der Kopfmuskeln. **. M. temporofrontalis (Varietät). Inset: Faserschema des M. orbicularis oculi (nach J. Rohen)

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

226

Galea aponeurotica

Venter frontalis m. occipitofrontalis M. temporalis, Fascia temporalis (Lamina superficialis et profunda, Fett) M. corrugator supercilii Pars orbitalis

  m. orbicularis oculi Pars palpebralis  M. procerus M. levator labii superioris alaeque nasi M. levator labii superioris M. nasalis (Pars transversa), M. levator nasi

M. levator anguli oris [caninus] M. zygomaticus minor M. orbicularis oris M. zygomaticus major M. buccinator, Ductus parotideus M. depressor labii inferioris M. mentalis, Kinnhaut M. depressor anguli oris M. risorius (abgeschnitten) Platysma, A. facialis Venter anterior m. digastrici, M. mylohyoideus Os hyoideum, M. sternohyoideus

Venter occipitalis m. occipitofrontalis Arcus zygomaticus, Lig. laterale M. masseter A. carotis ext., A. maxillaris, V. retromandibularis Venter posterior m. digastrici, M. sternocleidomastoideus M. trapezius M. splenius capitis A. lingualis, Glandula submandibularis A. thyroidea superior, M. thyrohyoideus A. carotis communis, M. omohyoideus (Venter superior)

Abb. 4.40: Übersicht über die Kopfmuskeln. Glandula parotidea, Platysma und andere mimischen Muskeln sind teilweise entfernt, um den M. masseter und die Fascia temporalis darzustellen.

an, verschiebt die Haut gegen die Unterlage und beeinflusst dadurch den Ausdruck des Gesichtes. £ Faszien. Im Bereich des Gesichtes sind oberflächliche Faszien nur über dem M. temporalis (Fascia temporalis), über der Glandula parotidea (Fascia parotidea) und über dem M. masseter (Fascia masseterica) vorhanden. Die mimischen Muskeln haben keinen Faszienüberzug. Klinik: Im Bereich der mimischen Muskeln breiten sich Infektionen der Haut (z. B. Furunkel) rasch in die Tiefe aus. Wir unterscheiden Muskeln in der Umgebung 1. der Lidspalte, 2. der Nasenöffnung, 3. der Mundöffnung (zirkuläres und radiäres Muskelsystem), 4. der äußeren Ohröffnung und 5. Muskeln des Schädeldaches.

4.8.1.1.1 Muskeln in der Umgebung der Lidspalte 1. M. orbicularis oculi Er besteht aus 2 Teilen, 1.

Pars palpebralis (auf den Augenlidern, Abb. 4.40)

O.: Lig. palpebrale mediale und benachbarter Knochen (Crista lacrimalis posterior) I.: Lig. palpebrale laterale 2 Abschnitte der Pars palpebralis werden gesondert bezeichnet: Fasciculus ciliaris ist der in den Lidkanten gelegene Abschnitt, der die Moll-Drüsen umgibt. Die Pars profunda (= Pars lacrimalis), die an der Crista lacrimalis posterior entspringt und die Tränenkanälchen von Ober- und Unterlid umgibt, strahlt danach nach lateral in die Pars palpebralis ein.

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli ����������������� �����������������������

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Abb. 4.41: Schema des radiären oralen Muskelsystems mit Modiolus anguli oris (nach G.-H. Schumacher)

227

malis den Lidrand und die Tränenpunkte nach innen und zieht gleichzeitig mit dem stärkeren HornerMuskel den Lidapparat nach medial, wobei die Tränenpunkte in den Tränensee eintauchen. Der senkrechte Schenkel der Tränenkanälchen wird durch den spiraligen Sphinkter geschlossen (Druckeffekt), der horizontale Schenkel durch die gleichzeitige Medialbewegung verkürzt und erweitert (Saugeffekt). Beim Lidöffnen wird der senkrechte Schenkel erweitert, der horizontale Schenkel verlängert. Die Kanälchenmuskulatur arbeitet somit bei den Lidbewegungen als Saug- und Druckpumpe (J. Rohen). Die Pars lacrimalis

übt gleichzeitig einen Druck auf den Augapfel aus, kann ihn 1–1,7 mm rückwärts bewegen

• Die Pars palpebralis führt im Wechselspiel mit dem Lidheber den Lidschlag aus, wobei sich die Lider wie Schalen auf dem Augapfel verschieben. • Die Pars orbitalis zieht beim starken Zukneifen der Augen die Haut der Umgebung nach medial, wobei am lateralen Augenwinkel radiäre Hautfalten, so genannte „Krähenfüße“ auftreten. Bei der Kontraktion

werden die Winkel der sich überkreuzenden Muskelbündel größer, die Spitzbogen flachen sich ab. Bei der Lidöffnung führt der Stirnmuskel die Orbitalisfasern in ihre ursprüngliche Lage zurück..

M. levator palpebrae superioris, s. Kap. 6.3.1.1, S. 581 Pars orbitalis (sich der Pars palpebralis peripher anschließend, Abb. 4.40) O.: Lig. palpebrale mediale und benachbarte Knochen (Proc. frontalis maxillae, Pars nasalis ossis frontale) I.: Die Muskelfasern gehen z. T. lateral kontinuierlich ineinander über, z. T. durchflechten sie sich mit anderen mimischen Muskeln (Venter frontalis m. occipitofrontalis, Mm. corrugator et depressor supercilii, M. levator labii superioris aleque nasi, M. levator labii sup., M. zygomaticus minor), z. T. strahlen sie in die Haut von Augenbraue, Schläfe und Wange ein. F.: Lidschlag, rasche momentane Verengung der Lidspalten, Lidschluss, länger dauernder leichter (im Schlaf) oder starker Schluss der Lider (beim willkürlichen Zukneifen) und Fortbewegung der Tränenflüssigkeit. 2.

• Die Lidschlussbewegung beginnt mit einer Senkung des Oberlides, das schließlich rasch nach medial geführt wird. Das Unterlid wird dagegen beim Hochschieben stetig stärker nach medial geführt. Dabei verkürzt sich die Lidspalte um 1–2 mm. • Diese Bewegung der Lider nach medial begünstigt die Fortbewegung der Tränenflüssigkeit zum Tränensee und den Tränenpunkten. Dabei kantet die Pars lacri-

2. M. depressor supercilii Er kann als Abspaltung des M. orbicularis oculi aufgefasst werden. O.: Oberhalb des Lig. palpebrale mediale vom Knochen (Abb. 4.40) I.: Nach oben fächerförmig in die Haut der Augenbraue F.: Der „Brauenkopf“ wird über das Auge nach unten und medial gezogen. Das Auge bekommt etwas „Drohendes“ und „ Lauerndes“ 3. M. corrugator supercilii Bedeckt ist er vom M. orbicularis oculi und Venter frontalis des M. occipitofrontalis (Abb. 4.40) O.: Medial am Stirnbein oberhalb der Nasenwurzel, verläuft leicht lateralwärts I.: In die Haut über der Augenbrauenmitte F.: Am Ansatz dellt er die Haut ein. Außerdem schiebt er die Haut zu senkrechten Falten über der Nasenwurzel zusammen. Er vermittelt damit den Eindruck der Konzentration, des Nachdenkens.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

228

4.8.1.1.2 Muskeln der Nasenregion (Abb. 4.39, 40)

4.8.1.1.3 Zirkuläres Muskelsystem um die Mundspalten (Abb. 4.39, 4.40)

1. M. procerus

1. M. orbicularis oris

O.: Auf dem Nasenrücken, divergiert nach oben I.: An der Haut der Glabella bzw. am Stirnmuskel F.: Er erzeugt Querfalten auf der Nasenwurzel, glättet die Haut der Glabella, ist der Antagonist des medialen Teiles des Stirnmuskels, indem er die queren Stirnfalten aufhebt.

O.:/I.: Er bildet die muskulöse Grundlage der Lippen (Labia), ist mit der Haut fester verbunden als mit der Schleimhaut. Das Bindegewebe ragt zwischen die ringförmigen Fasern hinein und ist so fest mit der Haut verbunden, dass sich einzelne Faserbündel nur mit großer Mühe präparieren lassen. Diese feste Verbindung von Haut und Muskel gibt den Lippen wohl ihre eigenwillige Individualform. Die Durchflechtung der eigenen Fasern und das Zusammenspiel mit den in den Mundwinkel einstrahlenden Fasern ermöglicht die mechanisch sehr komplizierte Verformung der Lippen, wie sie für das Sprechen, Saugen, Pfeifen, Blasen usw. nötig ist.

2. M. depressor septi Er kann als Teil des M. nasalis aufgefasst werden. O.: Oberkiefer, oberhalb der Wurzel des mesialen Incivius I.: Lamina medialis der Cartilago alaris major, vestibuläre Haut des Nasenseptums F.: Er senkt die Nasenspitze. 3. M. nasalis Er besteht aus £ einer Pars transversa £ einer Pars alaris

Die Teile des Muskels bilden mit dem vorigen ein nahezu zirkuläres Ansatzfeld um das Nasenloch. O.: Pars transversa. Vom Oberkiefer oberhalb der Wurzel des Caninus, die Pars alaris vom Oberkiefer oberhalb der Wurzel des seitlichen Incisivus I.: Pars transversa. Zum mittleren Teil des Nasenrückens in Form einer Aponeurose mit der Gegenseite; Pars alaris in die Naseneingangsschwelle und nach unten in die Nasolabialfalte, ein Teil zum Nasenflügelknorpel und zur Haut F.: Verschluss des Naseneingangs. Der Nasenflügelknorpel wird nach unten gezogen.

Aus dem Ringverlauf machen sich Fasern frei, die nahezu senkrecht gegen das Lippenrot ausstrahlen. Sie können das Lippenrot nach innen ziehen und damit die schmalen, geschlossenen Lippen hervorbringen. Andere Fasern strahlen in die Nasenscheidewand aus und können sie mit den M. depressor septi herabziehen. Weitere Fasern befestigen sich an der Alveolenwand der seitlichen Schneidezähne des Ober- und Unterkiefers und wurden früher als Mm. incisivi bezeichnet. F.: Schließen der Mundspalte, rüsselartiges Vorschieben der Lippen Klinik: In der Prothetik werden die Funktionen des M. orbicularis oris zur Randabdichtung von Prothesen genutzt. 2. M. buccinator Wangen- oder Trompetermuskel, bildet die muskuläre Grundlage für die Wange, Bucca. O.:/I: Alveolarfortsatz des Ober- und Unterkiefers im Bereich der letzten Molaren sowie von der Raphe pterygomandibularis, einem Bindegewebsstreifen, der sich zwischen Unterkiefer und Hamulus pterygoideus ausbreitet und gleichzeitig Teilen des oberen Schlundschnürers zum Ursprung dient. Die unteren Fasern ziehen im Bogen nach oben und strahlen in den M. orbicularis der Oberlippe, die oberen verlaufen im Bogen nach unten und strahlen

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

in die Unterlippe aus. Die Fasern überkreuzen sich neben dem Mundwinkel und bilden dort den Hauptbestandteil eines deutlich fühlbaren, manchmal sichtbaren Knoten (Modiolus anguli oris). F.: Zusammen mit dem M. orbicularis oris verkleinert er den Vorhof der Mundhöhle zwischen Zahnreihen und Wangen und Lippen, dabei presst er die Luft unter Druck heraus (Blasen) oder bringt beim Kauen die in den Vorhof gelangten Speisen wieder auf die Kauflächen. Durch die Aufnahme von Luft in den Vorhof wird er gedehnt und ergibt das „Posaunenengelgesicht“. Er verschmälert die Mundspalte und kann sie bei einseitiger Tätigkeit zur selben Seite ziehen. Corpus adiposum buccae, Wangenfettpfropf (Bichat) Er liegt zwischen dem hinteren Teil des M. buccinator und dem M. masseter und bildet eine verformbare Verschiebeschicht und gibt der Wange einen gewissen Halt. 4.8.1.1.4 Radiäres orales Muskelsystem (4.39–41) Sowohl die Muskeln des zirkulären als auch die des radiären Systems vernetzen bzw. verwringen sich knotenartig im sog. Modiolus anguli oris (Abb. 4.41). 1. M. levator labii superioris alaeque nasi O.: Stirnfortsatz der Maxilla, bedeckt dabei A., V. und N. infraorbitalis I.: Haut des Nasenflügels sowie die der Nasolabialfurche F.: Hebung des Nasenflügels und der Oberlippe 2. M. levator labii superioris O.: Dicht unterhalb des Orbitaeingangs I.: Strahlt in die Nasenlippenfurche ein F.: Heber der Oberlippe 3. M. zygomaticus minor O.: Jochbein; er hängt zumeist mit der Pars orbitalis des M. orbicularis oculi zusammen I.: Strahlt in die Haut der Nasenlippenfurche aus F.: Er zieht die Nasenlippenfurche und damit den Mundwinkel nach lateral und oben. Er erzeugt vor allem die weit seitlich gezogenen Nasen-

229

lippenfurchen, das Gesicht des „lachenden Buddha“ 4. M. zygomaticus major O.: Unterhalb des vorigen vom Jochbein I.: Strahlt etwas tiefer in die Nasenlippenfurche und damit den Mundwinkel aus F.: Wie M. zygomaticus minor 5. M. levator anguli oris O.: Unterhalb des Foramen infraorbitale in der Fossa canina I.: Strahlt in den M. orbicularis oris und den M. depressor anguli oris ein F.: Er hebt den Mundwinkel. 6. M. risorius Er ist ein inkonstantes, schwach ausgebildetes Muskelbündel, welches die A. und V. facialis und den oberen Teil des Platysma überlagert. Er kann auch als selbstständiger Teil des Platysma, des M. zygomaticus major oder des M. depressor anguli aufgefasst werden. O.: Fascia parotidea und Wangenhaut I.: Ausstrahlung in den Mundwinkel F.: Der Lachmuskel verbreitert die Mundspalte und erzeugt das „Grübchen“ in der Wange. 7. M. depressor anguli oris O.: Als dreieckige Platte am unteren Rand der Mandibula vom Kinn zum 1. Molaren I.: Am Mundwinkel; ein Teil der Fasern strahlt in die Unterlippe aus F.: Zieht den Mundwinkel abwärts und flacht den Bogen der Nasolabialfurche ab; er gibt dem Gesicht den Ausdruck der Trauer. 8. M. depressor labii inferioris O.: Basis mandibulae, zugedeckt vom vorigen; er verläuft auf- und medialwärts I.: Strahlt in den M. orbicularis oris ein F.: Er zieht die Unterlippe herab. 9. M. transversus menti O./I./F.: Verbindet unter dem Kinn den M. depressor anguli oris beider Seiten miteinander 10. M. mentalis O.: Juga alveolaria der unteren seitlichen Incivisi I.: Zieht schräg nach unten medial zur Haut des Kinns

230

F.: Bewegt die Kinnhaut nach oben; dadurch entsteht die quere Kinnlippenfurche; zusammen mit den M. orbicularis oris stülpt er die Unterlippe vor (Flunsch) 11. M. levator anguli oris O.: Fossa canina des Oberkiefers I.: Zieht nach lateral unten zur Haut und Schleimhaut des Mundwinkels; ein Teil der Fasern vereinigt sich mit dem Platysma F.: Zieht die Mundwinkel nach oben

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

Sie sind der Rest eines Schließmuskels des äußeren Ohres. Bei vielen Tieren verformen sie die Ohrmuschel. Bein Menschen sind sie, da rückgebildet, ohne praktische Bedeutung (s. Kap. 7.11, S. 593). 4.8.1.1.6 Muskeln des Schädeldachs (Abb. 4.39, 4.40)

Der Hautmuskel beteiligt sich ebenfalls an der Bildung des radiären Muskelsystems (s. Kap. 4.8.2.1, S. 234).

In ihrer Gesamtheit heißen sie M. epicranius. Sie ziehen von vorn, von hinten und von der Seite zu einer flächenhaften Sehne, Galea aponeurotica. Diese ist mit der Kopfhaut fest zur Kopfschwarte (Skalp) verbunden. Gegen das Periost lässt sie sich leicht verschieben. Die Kopfschwarte kann man daher leicht vom Schädel ablösen (Skalpierungsverletzungen!).

L.: für alle Muskeln: N. facialis, A. facialis (A. carotis externa), A. supraorbitalis (A. ophthalmica), A. infraorbitalis, A. mentalis (A. maxillaris)

1. M. occipitofrontalis bezeichnet einheitlich Venter occipitalis und Venter frontalis; beide Bäuche sind durch die Galea aponeurotica verbunden.

12. Platysma

Klinik: Lähmungen der mimischen Muskeln sind bei Erkrankungen und Verletzungen des N. facialis und bei Hirntraumata häufig. Bilden sie sich nicht zurück, so ist die Mimik, meist einer Gesichtshälfte, ganz oder teilweise aufgehoben. Ungenügender Lidschluss verursacht Tränenträufeln und Austrocknung der Hornhaut (Xerophthalmie). Mangelnder Mundschluss führt zum Speichelfluss. 4.8.1.1.5 Muskeln der äußeren Ohröffnung Sie bestehen aus 2 Gruppen 1. Muskeln, die vom Kopf zur Ohrmuschel ziehen und sie (bei manchen Menschen) als Ganzes am Kopf bewegen. • M. auricularis anterior, der vordere Ohrmuskel, entspringt von der Fascia temporalis und setzt vorn an der Spina helicis der Ohrmuschel an und zieht sie nach vorn • M. auricularis superior, der obere Ohrmuskel, entspringt von der Galea aponeurotica, zieht von oben her an die Ohrmuschel und zieht sie nach oben • M. auricularis posterior, der hintere Ohrmuskel, zieht von hinten her horizontal zur Innenfläche der Ohrmuschel und zieht sie nach hinten 2. Muskeln, die an der knorpeligen Ohrmuschel entspringen und ansetzen

• Venter occipitalis. O.: Linea nuchae suprema des Hinterhauptsbeines; I.: strahlt nach oben und vorn in die Galea aus; F.: Er glättet die Stirnfalten und gibt durch seine Spannung dem Venter frontalis ein Punctum fixum. • Venter frontalis. O.: in der Haut der Brauen sowie der Glabella; verbindet sich mit Fasern des M. orbicularis oculi (Abb. 4.39). Er verläuft leicht divergierend aufwärts. I.: an der Galea aponeurotica; F.: Er runzelt die Stirn und öffnet das Auge. Zahlreiche feine Querfalten der Stirn finden wir bei dünner, wenige breite Falten bei dicker Haut. 2. M. temporoparietalis, der Schläfenscheitelmuskel, variiert sehr in Größe und Stärke. Er zieht von der Seite zur Galea. Klinik: Der Zug der in die Galea ausstrahlenden Muskeln ist so stark, dass Verletzungen der Kopfschwarte, die durch die Galea hindurchgehen, stark klaffen, wenn sie quer über den Kopf verlaufen. Sagittal verlaufende Wunden klaffen kaum. L.: für 1. und 2.: s. Kap. 4.19.1.1, S. 341 4.8.1.1.7 Bedeutung der mimischen Muskulatur Der Gesichtsausdruck gehört zur Persönlichkeit eines Menschen. Die mimischen Funktionen

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

a

b

231

c

d

Abb. 4.42: Physiognomische Funktion der mimischen Muskeln. a. Lachen, b. Depressive Stimmung, c. Weinen, d. Erstaunen

beruhen auf der Beweglichkeit der Gesichtshaut. Furchen, Falten und Grübchen, die die Individualität ausmachen, werden von den Muskeln hervorgerufen. Form und Art der Gesichtsöffnungen, welche je von Muskeln umgeben sind, spielen bei der Mimik eine Rolle. Bei Nachlassen der Elastizität der Haut im Alter bleiben die durch die Kopfmuskulatur hervorgerufenen Hautfalten (z. B. Krähenfüße im äußeren Augenwinkel) permanent bestehen. Da die mimischen Muskeln eine Einheit darstellen, ist es äußerst kompliziert, die Zuständigkeit einzelner Muskeln für bestimmte Gesichtsausdrücke zu definieren. £ Lachen (Abb. 4.42 a): Öffnung der Mundspalte, die

Mundwinkel werden gehoben, die Nasenlöcher erweitert, Auftreten der Lachgrübchen in der Wange. • Beteiligt sind: M. levator labii superioris alaeque nasi, M. levator labii superioris, Mm. zygomatici major und minor, M. risorius, M. levator anguli oris.

£ Depressive Stimmung, Verachtung (Abb. 4.42 b): Geschlossene Mundspalte, die Mundwinkel sind nach unten gezogen, die Nasolabialfalten fallen steiler ab. • Beteiligt ist: M. depressor anguli oris. £ Weinen (Abb. 4.42 c): Verengung der Lidspalte, Zusammenziehen der Augenbrauen, Erweiterung bzw. Verengung der Nasenlöcher, senkrecht gestellte Nasolabialfurche, Mundwinkel herabgezogen. • Beteiligt sind: M. corrugator supercilii, M. levator labii superioris alaeque nasi, M. nasalis, M. depressor anguli oris.

£ Aufmerksamkeit (Abb. 4.42 d): Anheben der Augenbrauen, Querfalten auf der Stirn. • Beteiligt ist: Venter frontalis des M. occipitofrontalis.

4.8.1.2 Kaumuskeln, Mm. masticatorii Aufgabe. Die Kaumuskeln bewegen den Unterkiefer gegen den Oberkiefer. Dadurch können die Zähne die Nahrung erfassen, abbeißen und zerkleinern. Unterstützt werden sie durch die Wangen- und Zungenmuskeln. Sie sind Muskeln des 1. Schlundbogens (s. Kap. 4.1.1.2, S. 181). 1. M. masseter (Abb. 4.39, 4.43). Er hat 2 Teile, eine Pars superficialis und eine Pars profunda. O.: Jochbogenunterrand, vordere 2 Drittel: Pars superficialis; Innenfläche des Jochbogens, hinteres Drittel: Pars profunda I.: Seitenfläche des Ramus mandibulae bis herunter zum Kieferwinkel (Pars superficialis) an der Tuberositas masseterica; Kieferast bis zum Proc. coronoideus (Pars profunda) L.: N. massetericus (N. V3), A. masseterica (A. maxillaris) F.: Adduktion, Protrusion, Laterotrusion Die tiefe Schicht kann mit dem M. temporalis zusammenhängen. Die Pars superficialis ist eine schräg verlaufende Lage, die Pars profunda eine senkrecht verlaufende Lage. Auf dem Muskel sitzt die Glandula parotidea, zwischen ihm und dem M. buccinator sitzt der Wangenfettpropf. 2. M. temporalis (Abb. 4.39, 4.43) O.: Planum temporale (tiefe Schicht), Fascia temporalis (oberflächliche Schicht) I.: Proc. coronoideus mandibulae mit mächtiger Sehne L.: Nn. temporales profundi (N. V3), Aa. temporales profundae anterior und posterior

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

232

Fascia temporalis

M. temporalis

Porus acusticus externus Lig. laterale articulationis temporomandibularis Arcus zygomaticus (durchtrennt) Corpus adiposum buccae

M. masseter

Ductus parotideus (abgeschnitten)

M. buccinator M. depressor anguli oris [triangularis]

Abb. 4.43: Übersicht über die Muskeln des Kopfes. Faszia temporalis, M. masseter und Jochbogen sind größtenteils entfernt

Discus articularis M. pterygoideus lateralis M. pterygoideus medialis Raphe pterygomandibularis Ductus parotideus

M. buccinator M. depressor anguli oris

Abb. 4.44: Übersicht über die Mm. pterygoidei und den M. buccinator nach Entfernung des M. temporalis und des Processus coronoideus der Mandibula. Das Kiefergelenk ist eröffnet

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

233

F.: Adduktion, Retrusion

4. M. pterygoideus medialis (Abb. 4.44)

Die Fascia temporalis (Abb. 4.39) spannt sich als derbe, aponeurotische Platte zwischen Linea temporalis superior und Jochbogen aus. Oberhalb des Jochbogens teilt sie sich in ein oberflächliches und tiefes Blatt, die an der Außen- bzw. Innenfläche des Jochbogens ansetzen. Zwischen beiden liegt Fettgewebe, das in höherem Alter oft schwindet und dann die „eingefallenen Schläfen“ der alten Menschen ergibt. Zwischen den Mm. temporalis und masseter liegt der hintere Teil des Wangenfettpfropfs.

O.: Fossa pterygoidea, Lamina lateralis des Proc. pterygoideus des Keilbeins I.: Tuberositas pterygoidea mandibulae L.: N. pterygoideus medialis (N. V3), Rr. pterygoidei (A. maxilla) F.: Adduktion, Protrusion, Mediotrusion

3. M. pterygoideus lateralis (Abb. 4.44). Er ist der einzige Muskel, der annähernd horizontal verläuft. O.: Lamina lateralis proc. pterygoidei (unterer Kopf), Facies und Crista infratemporalis (oberer Kopf) I.: Fovea pterygoidea mandibulae und Collum mandibulae, Kapsel und Discus articularis des Kiefergelenkes L.: N. pterygoideus lateralis (N. V3), Rr. pterygoidei (A. maxillaris) F.: Protrusion, Mediotrusion, Abduktion Der Muskel nimmt eine Schlüsselstellung bei der Öffnungsbewegung ein.

Am Unterkieferwinkel steht der Muskel durch einen Sehnenstreifen mit dem M. masseter in Verbindung. Er bildet mit dem M. masseter eine Schlinge, in der die Mandibula aufgehängt ist. £ Kaumuskeln und Kieferbewegung

(Abb. 4.45)

Die Kaumuskeln dienen der Bewegung des Unterkiefers gegen den Oberkiefer (Kauen, Sprechen usw.) 1. Schließen der Kiefer (Abbeißen). Dies erfolgt durch den M. temporalis sowie die Muskelschlinge des M. masseter und M. pterygoideus medialis. Das Geschlossenhalten wird durch den Unterdruck in der Mundhöhle unterstützt.

M temporalis

Porus acusticus externus

M. pterygoideus lateralis

M. masseter M. pterygoideus medialis

Processus mastoideus

M. geniohyoideus

Processus styloideus Venter posterior (M. digastricus) M. stylohyoideus y Os hyoideum

x Venter anterior (M. digastricus)

Cartilago thyroidea

M. mylohyoideus M. thyrohyoideus

M. omohyoideus

M. sternohyoideus

Abb. 4.45: Übersicht über das Zusammenspiel von Kau- und Zungenbeinmuskulatur

z

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

234

2. Öffnen. Es erfolgt durch den M. pterygoideus lateralis, die Mundbodenmuskeln (x: Mm. mylohyoideus, geniohyoideus und Venter anterior des M. digastricus), nachdem das Zungenbein durch die kaudalen Zungenbeinmuskeln (z) nach unten und durch die Gruppe y (M. stylohyoideus, Venter posterior des M. digastricus) nach hinten festgestellt ist. Unterstützend wirken das Eigengewicht des Unterkiefers und der mit ihm in Zusammenhang stehenden Weichteile, weiter noch das Öffnen der Mundspalte (Aufhebung des Unterdrucks in der Mundhöhle). 3. Vorschieben des Unterkiefers. Dies bewirken die Mm. pterygoidei laterales. Unterstützend greifen die oberflächlichen Fasern des M. masseter und der M. pterygoideus medialis ein. Da der M. pterygoideus lateralis auch am Discus articularis ansetzt, wird dieser beim Vorschieben mit nach vorn gezogen. Beim normalen Scherenbiss muss erst eine leichte Öffnung erfolgen, damit die Unterkieferschneidezähne an den vorstehenden Oberkieferzähnen vorbeigeführt werden können. 4. Einseitiges Verschieben. Es erfolgt durch den M. pterygoideus lateralis einer Seite. Das Kinn weicht dabei zur anderen Seite ab. 5. Zurückziehen. Dies bewirken die hinteren Züge des M. temporalis. Die Mundbodenmuskeln können helfend eingreifen. 6. Kaukraft. Die Kaumuskeln sind stark gefiedert. Die in ihnen enthaltenen Sehnenspiegel vergrößern außerordentlich die Ursprungs- und Ansatzflächen (großer physiologischer Querschnitt) (s. Kap. 2.2.3.2, S. 43). Die Kraftentfaltung ist bei kleinstem Raumbedarf sehr groß! 7. Kaudruck. Darunter versteht man die gesamte Kraft, die von den Kaumuskeln entfaltet wird. Klinik: Die Kenntnis einer möglichen Kaukraft ist für die Materialwahl und Gestaltung von prothetischem Ersatz wichtig.

4.8.2

Halsmuskeln

Der Hals spielt eine Vermittlerrolle zwischen Rumpf und Kopf, er führt Eingeweide, Nerven und Gefäße von kranial nach kaudal und umgekehrt. Diese Leistungen finden auch in dem Verhalten der Muskeln ihren Niederschlag, die in Lage, Nerven-

versorgung und Form teils Kopf-, teils Rumpfmuskeln entsprechen. Die Halsmuskeln lassen sich topographisch in 3 Schichten gliedern. Danach unterscheidet man: oberflächliche Halsmuskeln, eine mittlere Muskelschicht (obere und untere Zungenbeinmuskeln) sowie eine tiefe Halsmuskelschicht (Skalenusgruppe, prävertebrale Muskeln). Die Pharynxmuskeln werden im Kapitel 4.14.3, S. 306, die Larynxmuskel im Kapitel 4.16.4, S. 329, besprochen.

4.8.2.1 Oberflächliche Halsmuskeln 1. Platysma (Abb. 4.46) Der Hautmuskel ist der Rest eines allgemeinen Hautmuskels (Panniculus carnosus), den viele Säugetiere in zuckende Bewegung versetzen können, um z. B. lästige Fliegen zu verscheuchen. O.: Von der Faszie des großen Brust- und des Deltamuskels in Höhe der 2. Rippe; läuft als breite, dünne (griech. platys) Muskelplatte aufund medianwärts bis zum Unterkiefer I.: Mit seinen medialen Fasern am Unterkieferrand. Die lateralen Fasern strahlen in die Wangengegend aus. Die medialsten Fasern überkreuzen sich unterhalb des Kinnes in der Mittellinie. L.: Ramus colli (N. VII), N. transversus colli (Plexus cervicalis), A. facialis (A. carotis externa) F.: Zieht den Unterkiefer und den Mundwinkel herab, hebt die Haut in senkrechten Falten ab. Die Hautfalten unterstützen den durch andere Gesichtsmuskeln hervorgerufenen Gesichtsausdruck. Seine medialen Fasern sind die Grundlage von Hautfalten, die bei alten Leuten beidseits vom Kinn senkrecht abwärts ziehen. Der Muskel besitzt keine eigene Faszie, ist fest mit der Haut verbunden. Oberhalb des Brustbeins bleibt ein muskelfreies Dreieck. Klinik: 1. Die feste Verbindung mit der Haut erklärt die Tatsache, dass Entzündungen zwischen Haut und Muskel sich wenig ausbreiten. 2. Ergüsse zwischen Platysma und Oberflächen-

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

235

M. risorius M. depressor anguli oris

M. sternocleidomastoideus Prominentia laryngea

Platysma

M. omohyoideus M. sternohyoideus Rand des M. trapezius Clavicula

sternaler Teil des M. sternocleidomastoideus

Fossa klavikulärer Teil Fossa supraclavicularis des M. sternocleido- supraclavicularis minor mastoideus major

Abb. 4.46: Hals. Oberflächenrelief (rechts) und Platysma (links)

faszie können bis zur Brust absinken. 3. Quere Halswunden klaffen stärker als längslaufende; die Haut lässt sich leichter in Längs- als in Querfalten abheben. 2. M. sternocleidomastoideus (Abb. 4.47) O.: Zweiköpfig: 1. Pars sternalis: mit rundlicher Sehne vom Manubrium sterni, 2. Pars clavicularis: mit breiter, platter Sehne vom Brustbeinende des Schlüsselbeins I.: Processus mastoideus, angrenzender Teil der Linea nuchae superior mit breiter, platter Sehne L.: N. accessorius, Äste des Plexus cervicalis (C2–C4), A. sternocleidomastoidea, A. occipitalis (A. carotis externa) F.: Bei beidseitiger Wirkung wird das Hinterhaupt kaudalwärts gezogen, das Kinn gehoben und der erhobene Kopf mit der Halswirbelsäule ventralwärts geführt. Bei einseitiger Tätigkeit wird das Gesicht zur Gegenseite gedreht und

das Kinn gehoben. Sind Kopf und Hals festgestellt, unterstützt er durch Hebung des Brustkorbs die Einatmung. Zur Zusammenarbeit mit den übrigen Hals- und Nackenmuskeln s. Kap. 4.8.2.3, S. 240. Am Lebenden springt der Kopfwender schon in ruhiger Lage als Wulst vor. Die medialen Ränder beider Muskeln begrenzen die vordere Halsgegend (Regio colli anterior). Diese sinkt oberhalb des Brustbeins zur Drosselgrube, Fossa jugularis, ein. Bei muskelschwachen und fettarmen Personen kann zwischen den Ursprungsköpfen des Muskels die Haut zur Fossa supraclavicularis minor einsinken. Bei der Drehung des Kopfes erreicht der kontrahierte Muskel einen geraden Verlauf; beim gedehnten Muskel der Gegenseite wird der spiralige Verlauf um den Hals stärker. Klinik: Krankhafte, narbige Veränderungen im Muskel, die zumeist im sternalen Kopf liegen, bedingen einen Schiefhals, Caput obstipum.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

236

M. mylohyoideus

Venter anterior m. digastrici

Raphe m. mylohyoidei

M. styloglossus

M. masseter

M. styloglossus

Venter posterior m. digastrici

M. hyoglossus

M. stylohyoideus

Os hyoideum, M. thyrohyoideus

M. constrictor pharyngis inferior M. longus capitis

Prominentia laryngea

M. levator scapulae

Venter superior m.omohyoidei

M. scalenus anterior

M. sternohyoideus

M. scalenus medius

Cartilago cricoidea

Plexus brachialis

Glandula thyroidea

M. trapezius

Clavicula

M. sternocleidomastoideus

Fossa jugularis

M. sternothyroideus

Venter inferior m. omohyoidei

Abb. 4.47: Muskeln des Halses von vorn. Der linke M. sternocleidomastoideus ist teilweise entfernt. Auf den Unterzungenbeinmuskeln ist die Lamina praetrachealis der Halsfaszie dargestellt

4.8.2.2 Mittlere Schicht der Halsmuskulatur 4.8.2.2.1 Untere Zungenbeinmuskeln, Mm. infrahyoidei (Abb. 4.47) Sie entsprechen dem Rektussystem des Rumpfes und zeigen wie dieses in wechselnder Zahl sehnige Unterbrechungen, Intersectiones tendineae. Für die Rumpfherkunft spricht die Nervenversorgung durch die Ansa cervicalis (profunda, Ansa n. hypoglossi C2–C3). Die Muskulatur liegt vor den Eingeweiden und wird durch Lamellen vom mittleren Blatt der Halsfaszie eingeschlossen.

1. M. sternohyoideus Er verschmälert sich und konvergiert nach kranial. Die medialen Ränder lassen zwischen sich den Adamsapfel, den Ringknorpel des Kehlkopfes, Teile der Luftröhre, der Schilddrüse und des M. sternothyroideus frei. O.: Dorsalfläche des Manubrium sterni, Sternoklavikulargelenk, sternales Ende der Clavicula I.: Ansatz: kaudaler Rand des Corpus ossis hyoidei. L.: Ansa cervicalis, A. thyroidea superior (A. carotis externa), A. thyroidea inferior (Truncus thyrocervicalis) 2. M. sternothyroideus Er verbreitert sich nach kranial. Geht mit dem lateralen Teil häufig mittels einer Zwischensehne in

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

den folgenden über. Der platte, dünne Muskel deckt die Schilddrüse, reicht über den medialen Rand des M. sternohyoideus hinaus, ist bei Schilddrüsenvergrößerungen besonders gedehnt und atrophisch. In der Mitte besitzt er häufig eine Zwischensehne.

237

Schildknorpel und damit den Kehlkopf. Die Muskeln wirken vor allem beim Kau- und Schluckakt mit. Auch bei der Öffnung des Mundes spielen sie eine Rolle (Abb. 4.45).

O.: Dorsalfläche des Manubrium sterni und Knorpel der 1. Rippe kaudal und medial vom vorigen I.: Ansatz: Linea obliqua des Schildknorpels L.: Ansa cervicalis, A. thyroidea superior (A. carotis externa), A. thyroidea inferior (Truncus thyrocervicalis)

4.8.2.2.2 Obere Zungenbeinmuskeln, Mm. suprahyoidei (Abb. 4.47)

3. M. thyrohyoideus

£ Tiefe Muskeln des 2. Schlundbogens

Er bedeckt die Membrana thyrohyoidea (s. Kap. 4.16.2, S. 327)

Sie haben ihre ursprüngliche Lage zum 2. Schlundbogen, auf den sie als Heber wirken, beibehalten, während die Hauptmasse als mimische Muskulatur auf den Kopf und den Hals wanderte. Entsprechend werden sie vom Nerven des 2. Bogens, dem N. facialis, versorgt.

O.: Linea obliqua des Schildknorpels I.: Ansatz: Lateraler Teil des Zungenbeinkörpers und medialer Teil des großen Zungenbeinhorns L.: N. thyrohyoideus, der den N. XII nach Abgang der Radix superior verlässt, A. thyroidea superior (A. carotis externa), A. thyroidea inferior (Truncus thyrocervicalis) 4. M. omohyoideus Durch eine Zwischensehne, die an der mittleren Halsfaszie befestigt ist, wird er in einen Venter inferior und superior geteilt. Seine Faszie ist mit der Rückfläche der Clavicula verwachsen, wo auch Fasern entspringen können. Er verläuft schräg durch die Regio colli lateralis. O.: Margo superior der Scapula, medial der Incisura scapulae I.: Lateraler Teil des großen Zungenbeinhorns L.: Venter superior: Ansa cervicalis (C1), A. thyroidea superior (A. carotis externa), A. thyroidea inferior (Truncus thyrocervicalis) Venter inferior: Ansa cervicalis (C2–C3), A. suprascapularis (Truncus thyrocervicalis) Klinik: 1. Die beiden Bäuche sind an der Zwischensehne winklig abgebogen. Bei der Kontraktion kann die Halsfaszie gespannt und damit die in der Gefäßscheide verlaufende V. jugularis interna erweitert werden. F.: Gemeinsam fixieren sie das Zungenbein oder nähern es dem Brustbein. Der M. thyrohyoideus hebt, der M. sternothyroideus senkt den

Diese werden unterteilt in: £ die tiefen Muskeln des 2. Schlundbogens

£ die Mundboden- oder Unterkieferzungenbein-

muskeln

1. M. stylohyoideus O.: Von der Dorsalfläche des Processus styloideus des Schläfenbeins, verläuft ab-, vor- und medialwärts, spaltet sich in 2 Zipfel, welche die Zwischensehne des M. digastricus umgreifen I.: An der Grenze von Corpus und Cornu majus des Zungenbeins (Abb. 4.29) L.: N. facialis, R. suprahyoideus (A. lingualis), A. occipitalis 2. Venter posterior des M. digastricus O./I.: In der Incisura mastoidea, medial vom Warzenfortsatz, verläuft mit dem vorigen ab-, vorund medialwärts, durchbohrt den M. stylohyoideus und geht mittels einer Zwischensehne, die durch eine Faszienschlinge am Zungenbein befestigt ist, in den folgenden über. L.: N. facialis, R. suprahyoideus (A. lingualis) £ Mundboden- und Unterkieferzungenbein-

muskeln

1. Venter anterior des M. digastricus O./I.: Von der Zwischensehne kommend in der Fossa digastrica des Unterkiefers L.: N. mylohyoideus (N. V3), Rr. glandulares (A. facialis) 2. M. mylohyoideus Er bildet die Grundlage für den Mundboden.

238

O.: Von der Linea mylohyoidea des Unterkiefers, verläuft kaudal-, medial- und dorsalwärts I.: Am Zungenbein und an der Raphe m. mylohyoidei, einem medianen Bindegewebsstreifen, der vom Unterkiefer zum Zungenbein (Abb. 4.29) zieht L.: N. mylohyoideus (N. V3), A. submentalis (A. facialis), R. suprahyoideus (A. lingualis), A. sublingualis (A. lingualis) 3. M. geniohyoideus

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

1. M. scalenus anterior O.: Mit 4 (3) Zacken von den Tubercula anteriora des 3. (4.)–6. Halswirbelquerfortsatzes I.: Am Tuberculum m. scaleni anterioris der 1. Rippe 2. M. scalenus medius O.: Von den Tubercula anteriora aller Halswirbelquerfortsätze I.: An der 1. Rippe hinter dem Sulcus a. subclaviae

O.: Von der Spina mentalis des Unterkiefers I.: Am Zungenbein (Abb. 4.29) 3. M. scalenus posterior L.: Plexus cervicalis (über N. XII), A. sublingualis O.: Von den Tubercula posteriora des 5.–6. (7.) (A. lingualis) Halswirbelquerfortsatzes F.: aller oberen Zungenbeinmuskeln: I.: Am oberen Rand der 2. Rippe L.: Für alle Muskeln: Rr. ventrales der SpinalnerDie beiden Mm. mylohyoidei bilden als quere ven C1-C6 (C8), Rr. musculares, A. cervicalis Traggurte den eigentlichen Mundboden, das ascendens (Truncus thyrocervicalis), Rr. musDiaphragma oris. Der auf ihm liegende cularis (A. vertebralis) M. geniohyoideus und der unter ihm liegende F.: Sie heben die Rippen. Bei festgestellten Rippen Venter anterior verstärken den Mundboden, neigen sie die Halswirbelsäule seitwärts und verspannen ihn in der Längsrichtung. drehen sie zur gleichen Seite. Der vordere Skalenus kann auch beugen. Bei fixierter HalswirDurch Heben des Mundbodens wird die auf ihm belsäule und bei forcierter Inspiration wirken liegende Zunge gegen den Gaumen gepresst. Ist das sie als Atemhilfsmuskeln. Ihre Funktion bei Zungenbein durch Venter posterior und M. stylohyder ruhigen Einatmung ist noch umstritten. oideus (y in Abb. 4.45) einerseits und die unteren Zungenbeinmuskeln (z in Abb. 4.45) andererseits 4. M. scalenus minimus s. Kap. 4.19.4, S. 353 festgestellt, so können die Mundbodenmuskeln (x in Abb. 4.45) den Unterkiefer herabziehen, Skalenuslücken (Abb. 4.71, 4.120). 1. Zwiden Mund öffnen. Fixieren die Kaumuskeln den schen M. scalenus anterior und medius liegt Unterkiefer, so können die Muskeln x und y das die dreieckige hintere Skalenuslücke für den Zungenbein und damit den Kehlkopf heben. Die Durchtritt der A. subclavia und des Plexus Muskeln x führen das Zungenbein und damit den brachialis. 2. Den Raum zwischen M. scalenus Kehlkopf nach vorn und oben, unter die Zunge anterior, M. sternocleidomastoideus und Rück(Schluckstellung!), die Muskeln y nach hinten und fläche der Clavicula bezeichnet man als vordere Skalenuslücke. Hier verläuft die V. subclavia. oben (Phonationsstellung!). 4.8.2.2.3 Tiefe Halsmuskulatur (Abb. 4.48) Sie liegen lateral und ventral von der Halswirbelsäule sowie hinter der Lamina praevertebralis der Halsfaszie. Entsprechend unterscheiden wir eine laterale oder Skalenusgruppe und eine mediale oder prävertebrale Gruppe. £ Skalenusgruppe, Mm. scaleni

Sie entsprechen Zwischenrippenmuskeln, die miteinander verschmolzen sind.

Klinik: Bei zu enger hinterer Skalenuslücke können durch Druck auf den Plexus brachialis und die A. subclavia Schmerzen und Durchblutungsstörungen am Arm auftreten (Skalenussyndrom). Dieses Syndrom und andere Verursacher von Druck auf den Plexus brachialis und auf die A. und V. subclavia (z. B. Variationen der Mm. scaleni, zusätzlicher M. scalenus minimus, Variationen der Clavicula, der 1. Rippe, Halsrippen) werden unter dem Sammelbegriff Thoracicoutlet-Syndrom zusammengefasst.

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

239

Tuberculum anterius atlantis, M. rectus capitis anterior M. rectus capitis lateralis

M. longus capitis

Processus mastoideus

Processus styloideus

A. vertebralis

Processus transversus atlantis

M. longus colli

M. splenius capitis

Tuberculum caroticum

M. longus colli

M. scalenus medius

M. levator scapulae

M. scalenus anterior

A. vertebralis

M. scalenus posterior

A. thoracia interna

A. subclavia

Costa I

Abb. 4.48: Tiefe Halsmuskulatur. Oberflächliche (rechts) und tiefe Lage (links). Der Schnitt ist durch den Processus mastoideus gelegt

£ Prävertebrale Gruppe (Abb. 4.48)

Die Gruppe liegt in der Rinne zwischen den Körpern und Querfortsätzen der Halswirbel. 1. M. longus colli • Pars recta O.: Obere Brust- und untere Halswirbelkörper I.: Körper der oberen Halswirbel • Pars obliqua superior O.: Tubercula anteriora der Querfortsätze 3.–5. I.: Tuberculum anterius des Atlas • Pars obliqua inferior O.: Körper der oberen Brustwirbel I.: Querfortsätze des 5. und 6. Halswirbels 2. M. longus capitis O.: Tubercula anteriora des 3.–6. Halswirbelquerfortsatzes

I.: Unterfläche der Pars basilaris des Hinterhauptbeins 3. M. rectus capitis anterior O.: Querfortsatz des Atlas I.: Pars basilaris ossis occipitalis, dorsolateral vom vorigen L.: Kurze Äste der Zervikalnerven, Rr. musculares (A. vertebralis, Truncus thyrocervicalis, A. thyroidea inferior), A. pharyngea ascendens (A. carotis externa) F.: Bei beidseitiger Tätigkeit beugen sie den Kopf (M. rectus capitis anterior) bzw. die Halswirbelsäule (M. longus capitis, M. longus colli) nach vorn, bei einseitiger neigen sie sie zur Seite. Die schrägen Züge drehen den Kopf.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

240

4.8.2.3 Das Zusammenspiel der Hals-, Kau- und Nackenmuskeln Der mit den höheren Sinnesorganen ausgestattete Kopf benötigt für die Orientierung in der Umwelt eine besonders große Beweglichkeit. Die Kopfgelenke und die Gelenke der Halswirbelsäule gestatten eine Bewegung nach allen Seiten. Hals-, Kau- und Nackenmuskeln wirken auf die zahlreichen Gelenke in so vielfältiger Weise ein, dass die Beteiligung der einzelnen Gelenke und Muskeln nicht bei jeder Haltung analysiert werden kann. • Der Gesamtausschlag der Beugung und Streckung beträgt etwa 125º. Er verteilt sich mit etwa 30º auf das obere und untere Kopfgelenk und mit 95 bis 100º auf die Halswirbelsäule. Eine Seitwärtsneigung des Kopfes und des Halses kann bis etwa 45º erfolgen. Ihre gleichsinnige Drehung erreicht etwa 90º, wovon etwa 25–30º auf das untere Kopfgelenk entfallen. • Der bewegliche Stiel der Halswirbelsäule ermöglicht auch noch eine Vor- und Rückverlagerung des Kopfes. Sie wird in der Hauptsache durch die Mm. sternocleidomastoidei ausgeführt, die bei gerader Kopfhaltung die Halswirbelsäule etwa in der Mitte kreuzen. Bei dieser Lage können sie die obere Halswirbelsäule strecken und die untere beugen. Mit zunehmender Vorverlagerung des Kopfes nimmt die streckende Wirkung ab, die beugende zu. Gemäß ihrem Verlauf wird der M. splenius capitis den Kopf drehen und seitwärts neigen, der M. semispinalis capitis mehr strecken. Ist jedoch der Kopf durch die Muskelkette der Kau- und Zungenbeinmuskeln festgestellt, so kann er die Halswirbelsäule strecken. M. splenius und M. levator scapulae bilden mit dem M. sternocleidomastoideus einen spitzen Winkel. Sie können den Kopf und die oberen Halswirbel rückverlagern. Sie sind darin Antagonisten des M. sternocleidomastoideus. Bei nach vorn geführter Schulter wird der M. levator scapulae ein Seitwärtsneiger. Außer ihm neigen noch der M. sternocleidomastoideus, der Kopfteil des M. trapezius, die Mm. scaleni und die meisten Nackenmuskeln bei einseitiger Kontraktion seitwärts. • Die wirksamsten Drehmuskeln setzen am Kopf an. Mm. sternocleidomastoideus und trapezius drehen das Gesicht zur entgegengesetzten Seite. Sie neigen gleichzeitig seitwärts, wenn nicht Nackenmuskeln der Gegenseite (M. splenius capitis, M. longissimus capitis, M. semispinalis capitis) im gleichen Sinne drehen und zugleich eine entgegengesetzte Seitwärtsneigung ausführen. • Die oberen und unteren Zungenbeinmuskeln beugen, unterstützt von dem elastischen Zug der

Halseingeweide, den Kopf und die Halswirbelsäule vor, wenn die Kaumuskeln durch ihren Tonus die Kieferöffnung verhindern. Sie haben mit ihren längeren Hebelarmen ein günstigeres Drehmoment als die prävertebralen Muskeln. Die Kieferöffnung kann durch Senken des Unterkiefers durch die Zungenbeinmuskeln, aber auch durch Rückbeugen des Kopfes und der Halswirbelsäule durch die Nackenmuskeln erreicht werden. Bei starker Rückbeugung des Kopfes und der Halswirbelsäule durch die Nackenmuskeln ist die vordere Halskontur fast gerade gestreckt; die Halseingeweide und die mehrgliedrige, vom Brustkorb bis zum Jochbeinbogen reichende Muskelkette sind gedehnt. M. sternocleidomastoideus, Mm. scaleni und die Zungenbeinmuskeln erhalten dabei eine günstige Ausgangsposition für die Hebung des Brustkorbes (Einatmung).

4.8.3

Faszien und Bindegewebsräume des Halses

Lernziel: Blätter der Halsfaszie, Ausdehnung, Inhalt, Spalträume: Lage, Inhalt, Infektionswege

4.8.3.1 Halsfaszie, Fascia cervicalis Der Hals besitzt einen ausgeprägten Bindegewebsapparat. Teils sind es Faszien, die als Führungsröhren Muskeln, Eingeweide und Leitungsbahnen umhüllen, teils handelt es sich um lockeres Gewebe, welches die Ausdehnung von Organen (Oesophagus, Gefäße) ermöglicht und die Gleitfähigkeit bei den ausgiebigen Bewegungen der Organe (z. B. beim Schlucken, Sprechen, Würgen) oder der Wirbelsäule erhöhen. Gleichzeitig bietet der Bindegewebsapparat Wege für die Infektionsausbreitung. Die Halsfaszie wird in 3 Blätter untergliedert, die teilweise ineinander übergehen: oberflächliches Blatt, Lamina superficialis, mittleres Blatt, Lamina praetrachealis, tiefes Blatt, Lamina praevertebralis mit Lamina intercarotica (Abb. 4.49).

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

241

Fascia cervicalis (Lamina superficialis)

Lig. nuchae Tiefe Nackenmuskerln

M. trapezius

Lamina superficialis Fettgewebe in der Regio colli lateralis Lamina praevertebralis

Processus spinosus Rückenmark und Rückenmarkshäute A., V. vertebralis

Plexus brachialis

M. longus colli et capitis M. scalenus anterior et medius

N. phrenicus auf dem M. scalenus anterior Vagina carotica N. vagus, A. carotis com., V. jugularis interna M. sternocleidomastoideus Lamina intercarotica

Truncus sympathicus Glandula thyroidea mit Kapsel Cartilago cricoidea, M. cricoarytaenoideus post. M. omohyoideus

Lamina praevertebralis Cornu inferius cartilaginis thyroideae

M. sternohyoideus, M. sternothyroideus Lig. vocale

Platysma Lamina praetrachealis

Spatium suprasternale

Spatium praelaryngeale

Pharynx, Spatium retropharyngeum

Abb. 4.49: Faszien und Bindegewebsräume des Halses. Querschnitt in Ringknorpelhöhe, von kaudal gesehen. Lamina superficialis der Halsfaszie – dicke vollschwarze Linie: Lamina praetrachealis – dünne schwarze Linie; Lamina praevertebralis – schwarz gestrichelt

£ Lamina superficialis. Sie liegt unter der Haut

und unter dem Platysma. In Form einer Gurtung umhüllt sie als einheitliche Binde den ganzen Hals und umscheidet die beiden Mm. sternocleidomastoidei sowie die Mm. trapezii (als Fascia nuchae).

Sie verbindet sich hinten in der Medianebene mit dem Lig. nuchae. Ausdehnung. Der kraniale Ansatz ist am Unterkiefer. Am Kieferwinkel geht die Faszie in die Fascia masseterica und Fascia parotidea (Parotisloge) über. Kaudaler Ansatz ist an der Außenfläche der Clavicula und des Sternums. Mittlerer Ansatz ist am Os hyoideum. Am Mundboden, dem sie direkt anliegt, spaltet sie sich auf und umkleidet als derbe Hülle die Gl. submandibularis (Submandibularloge).

Kaudal zieht sie über das Schlüsselbein zur vorderen Thoraxwand, wo sie in die Fascia pectoralis übergeht. Sie wird von zahlreichen Hautvenen und -nerven durchbrochen. £ Lamina praetrachealis. Sie ist kein einheitli-

ches Blatt, sondern in verschiedene Lamellen aufgespalten, die die Unterzungenbeinmuskeln umscheiden und die Halseingeweide (Kehlkopf, Luftröhre, Schlund, Speiseröhre, Schilddrüse) lateral einhüllen. Ausdehnung. Sie spannt sich zwischen Os hyoideum (kranial), den Hinterwänden von Sternum und Clavicula (kaudal) sowie dem M. omohyoideus (lateral) beiderseits aus und ist auf dieses Dreieck beschränkt. Im Bereich des M. omohyoideus steht sie mit der Vagina carotica, lateral mit der Scheide des M. sternocleidomastoideus in Verbindung. Die Zwischensehne des M. omohyoideus ist mit der Vagina

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

242

4.8.3.2 Spalträume und Logen des Halses Diese Räume werden von den Blättern der Halsfaszie begrenzt. Ihnen kommt eine große praktische Bedeutung zu: • Sie geben dem Hals mit seinen Muskeln und Organen den erforderlichen Halt. • Sie dienen Organen und Lymphknoten als „Lagerstätten“. • Sie sind für Gefäße und Nerven Durchgangsstraßen. • Sie ermöglichen die Ausbreitung von Ergüssen und Eiteransammlungen (Abb. 4.50).

£ Lamina praevertebralis. Sie liegt hinter dem

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Eingeweideschlauch vor der Wirbelsäule und überzieht die prävertebralen Muskeln, die Mm. scaleni, den M. levator scapulae und geht dorsal in das oberflächliche Blatt über bzw. setzt sich bis in das Nackenbindegewebe und die Fascia nuchae fort. Im Bereich der seitlichen Halsgegend ist sie durch lockeres, mit Fett durchsetztes Bindegewebe vom oberflächlichen Blatt getrennt. Ventral bildet sie als Lamina intercarotica den retroösophagealen Abschluss des Eingeweideschlauches und eine Verbindung zwischen beiden Vaginae caroticae. Zwischen der Lamina intercarotica und der Lamina praevertebralis befindet sich der Retropharyngealbzw. Retroösophagealraum mit Verbindung zum Mediastinum posterius. Ausdehnung. Von der Schädelbasis bis zum 3. Brustwirbel. Das Blatt setzt sich mit den Mm. scaleni bis in die Achselhöhle fort. Im Bereich der Skalenuslücken werden die Leitungsbahnen zur oberen Extremität (A., V. subclavia, Plexus brachialis) eingeschlossen. In der Lamina praevertebralis liegen der N. phrenicus sowie der Halssympathicus mit den Halsganglien.

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Klinik: 1. In ihrem kaudalen Abschnitt spannt die Faszie die Venen (V. jugularis interna, V. thyroidea inferior, V. thyroidea ima); bei Venenöffnung kann es zum Ansaugen von Luft kommen (Luftembolie). 2. Durch die Fixierung der Venen in den Faszien wird ein Kollabieren derselben verhindert und damit ein optimaler Blutrückfluss aus dem Kopf-Hals-Bereich gesichert. Die Venen können gut punktiert oder katheterisiert werden (z. B. Jugulariskatheter). 3. Bei der äußeren Verletzung der Lamina praetrachealis kann Luft in den Thorax gelangen, und es besteht die Gefahr eines Pneumothorax.

Klinik: 1. Abszesse im Hals- und Kopfbereich können sich weiträumig über Logen und Spalten bis zum hinteren Mediastinum und in die Achselhöhle als Senkungsabszesse ausbreiten. 2. Eitrige Prozesse an der Wirbelsäule können den Halsgrenzstrang schädigen.

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carotica verwachsen, somit kann der Muskel das Lumen der Vena jugularis interna offen halten. Beide Vaginae caroticae sind miteinander hinter dem Oesophagus verbunden und umschließen somit den dorsalen Bereich der Halseingeweide (Lamina intercarotica der Lamina praevertebralis der Fascia cervicalis); sie wird mitunter auch als Fascia peripharyngea bezeichnet, welche nach kranial in die Fascia buccopharyngea und weiter zur Schädelbasis in die Fascia pharyngobasilaris übergeht.

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Abb. 4.50: Logen und Bindegewebsräume an Kopf und Hals. Mögliche Wege von Prozessen (verändert nach G.-H. Schumacher)

4.8 Muskulatur des Kopfes und des Halses, Musculi capitis et colli

Alle Räume sind mit Binde- und Fettgewebe erfüllt. £ Submandibularloge,

Spatium submandibulare. Sie ist der Raum zwischen medialer Unterkieferfläche sowie der Unterfläche des M. mylohyoideus und entsteht durch einen Fasziensack der Lamina superficialis. Oberhalb des Zungenbeins überzieht diese als derbe Hülle die Glandula submandibularis. Ein tiefes Blatt der Faszie bedeckt als Muskelfaszie den Mundhöhlenboden. Eine derbe Bindegewebsplatte, der Tractus angularis, verankert die Oberflächenfaszie am Kieferwinkel. Der einheitliche Bindegewebsraum hat entlang den Gefäß-Nervenstraßen Verbindungen zur Regio sublingualis, zur oberflächlichen und tiefen Gesichtsgegend sowie zum Trigonum caroticum. Inhalt: 1. Gl. submandibularis, 2. Nll. submandibulares, 3. Äste der Aa. facialis und lingualis, 4. Ast der Chorda tympani, 5. Sympathische Nervenäste

243

£ Prätrachealer Spalt, Spatium praetracheale.

Er befindet sich hinter dem mittleren Blatt der Halsfaszie und begleitet die Trachea ins Mediastinum. Inhalt: 1. Isthmus der Schilddrüse, 2. Truncus brachiocephalicus, 3. Venengeflechte der Schilddrüse, 4. Sympathische Nervenäste

£ Faszienschlauch für den Gefäß-Nervenstrang

des Halses, Vagina carotica. Er liegt seitlich der Halseingeweide und stellt eine Röhre des mittleren Blattes der Halsfaszie dar, die bis ins Mediastinum zieht. Inhalt: 1. A. carotis communis, 2. V. jugularis interna, 3. N. vagus, 4. Radix superior der Ansa cervicalis, 5. Sympathische Nervenäste

£ Seitlicher Pharyngealraum, Spatium late-

befindet sich zwischen Unterkiefer und Zungenbein. Seitlich wird sie beiderseits von den vorderen Bäuchen des M. digastricus begrenzt. Unten schließt die oberflächliche Halsfaszie die Loge ab. Inhalt: Nll. submentales

ropharyngeum (Abb. 4.121). Er ist ein Teil des Spatium peripharyngeum, liegt lateral vom Pharynx und breitet sich bis zur Parotis aus (s. Kap. 4.19.3, S. 351). Nach hinten reicht er bis zum tiefen Blatt der Halsfaszie; medial zieht er im Halsbereich in das Spatium retropharyngeum, nach oben dehnt er sich bis zur Fossa infratemporalis und nach unten bis zum Mediastinum aus. Er ist im Kopfbereich vom Spatium retropharyngeum durch das Septum sagittale getrennt (s. Kap. 4.19.3, S. 351). Inhalt: Gefäß-Nervenstraße der Vagina carotica

£ Suprasternalloge, Suprasternalraum, Spa-

£ Hinterer Pharyngealraum, Spatium retro-

£ Submentalloge, Spatium submentale. Sie

tium suprasternale. Der Raum befindet sich oberhalb des Brustbeins zwischen oberflächlichem und mittlerem Blatt der Halsfaszie (Ansätze vor bzw. hinter dem Brustbein!). Inhalt: Arcus venosus juguli, welcher die Querverbindung der V. jugularis anterior beiderseits darstellt.

Klinik: Bei der Tracheotomie können der Arcus venosus juguli und ein möglicher Lobus pyramidalis der Schilddrüse verletzt werden (starke Blutungen möglich!). £ Loge des M. sternocleidomastoideus, Spa-

tium sternocleidomastoideum. Sie wird vom oberflächlichen Blatt der Halsfaszie als eine Art Scheide gebildet. Inhalt: 1. M. sternocleidomastoideus, 2. A. V. sternocleidomastoidea, 3. N. accessorius, 4. Rr. sternocleidomastoidei aus dem Plexus cervicalis, 5. Sympathische Nervenäste

pharyngeum. Spaltraum zwischen hinterer Pharynxwand (Lamina intercarotica) und Lamina praevertebralis der tiefen Halsfaszie. Vom Spatium lateropharyngeum nur durch einen dünnen Faszienzügel, Septum sagittale, getrennt. Er dehnt sich von der Schädelbasis bis zum retroösophagealen Raum aus. Inhalt: 1. Äste der A. pharyngea ascendens, 2. Vv. pharyngeae, 3. Nll. retropharyngeales (mitunter nur ein Lymphknoten), 4. Sympathische Nervenäste

Klinik: 1. Verletzungen der Gefäße können zu starken Blutungen führen, die bis zum Mediastinum absacken können. 2. Die Nll. retropharyngeales sind bei Kindern zumeist stark ausgebildet. £ Hinterer ösophagealer Spalt, Spatium retro-

esophageum. Fortsetzung des Spatium retropharyngeum nach unten. Befindet sich hinter

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

244

dem Halsteil des Oesophagus und reicht bis ins Mediastinum posterius. Inhalt: 1. Aa. oesophageales, Äste der A. pharyngea ascendens, 2. Vv. oesophageales, Vv. pharyngeae

4.9

brale. Er liegt zwischen Lamina praevertebralis und der Wirbelsäule. Inhalt: Prävertebrale Halsmuskeln mit Nervenästen aus dem Plexus cervicalis

Arterien des Kopfes und des Halses

Lernziele: Lage, Verlauf, Ausbreitungs- und Versorgungsgebiete der Aa. carotis interna und externa Die arterielle Versorgung erfolgt von Ästen der A. carotis communis und z. T. auch von Ästen der A. subclavia (Abb. 4.51).

4.9.1

£ Prävertebraler Spalt, Spatium praeverte-

Gemeinsame Kopfschlagader, A. carotis communis

Sie entspringt rechts aus dem Truncus brachiocephalicus, links direkt aus dem Arcus aortae und versorgt den ventralen und medialen Teil des Halses sowie den ganzen Kopf. Anastomosen zwischen rechter und linker werden gebildet: £ im Bereich der Hirnbasis (Circulus arteriosus

cerebri)

£ im Bereich der Schilddrüse (kraniale Schilddrü-

senarterien) £ mit dem Stromgebiet der A. subclavia, die im wesentlichen den lateralen und dorsalen Teil des Halses und die obere Gliedmaße versorgt, durch die kaudalen Schilddrüsenarterien. Verlauf. Die A. carotis communis verläuft lateral von der Trachea in der Vagina carotica ohne Astabgabe kranial- und etwas lateralwärts bis zum Oberrand des Schildknorpels (3. bis 4. Halswirbel),und teilt sich in w A. carotis interna (hinten, lateral gelegen) w A. carotis externa (vorn, medial gelegen)

Da sich der Kehlkopf im Lauf des Lebens senkt, steigt die Teilungsstelle scheinbar auf. In ihrer Nähe ist die A. carotis communis oder interna erweitert (Sinus caroticus, in dessen Wand Pressorezeptoren liegen). Im Teilungswinkel liegt das Glomus caroticum, ein Paraganglion mit Chemorezeptoren (Abb. 4.52).

4.9.2

Innere Kopfschlagader, A. carotis interna

Die Arterie ist durch den Circulus arteriosus cerebri (s. Kap. 5.3.4.1, S. 443) an der Versorgung des Gehirns beteiligt. Des Weiteren werden der gesamte Inhalt der Orbita sowie deren Umgebung, die Stirngegend, der vordere Nasenhöhlenabschnitt sowie Siebbeinzellen und Stirnhöhle versorgt. Sie zieht ohne Astabgabe lateral der Rachenwand (Pars cervicalis), durch den Canalis caroticus des Felsenbeines (Pars petrosa) in die Schädelhöhle, verläuft S-bogenförmig (Karotissiphon) durch den Sinus cavernosus (Pars cavernosa, s. Abb. 5.49, S. 411) und tritt in den Subarachnoidalraum ein (Pars cerebralis).

Abschnitte £ Pars cervicalis. keine Astabgabe

£ Pars petrosa. Aa. caroticotympanici, A. canalis

pterygoidei

£ Pars cavernosa. R. meningeus, R. sinus caver-

nosi, A. hypophysialis inferior, Rr. ganglionares trigeminales £ Pars cerebralis. A. ophthalmica, A. hypophysialis superior, A. choroidea anterior, A. cerebri media, A. cerebri anterior, A. communicans posterior Alle Äste und Astfolgen werden in den Kapiteln 5.3.4.1, S. 443, und 6.4.1., S. 587, genauer besprochen. Äste der A. ophthalmica versorgen neben dem gesamten Orbitainhalt auch die Stirngegend (A. supraorbitalis), die Nasenhöhle (A. ethmoidalis posterior) und Haut der Nasenwurzel (A. dorsalis nasi).

4.9 Arterien des Kopfes und des Halses

245

A. carotis interna A. cerebri media et anterior

A. meningea media

A. ophthalmica A. temporalis superficialis

A. angularis Aa. temporales profundae A. infraorbitalis Aa. alveolares superiores A. palatina descendens

A. auricularis posterior A. occipitalis A. maxillaris

A. labialis superior

A. masseterica

A. buccalis A. profunda linguae

A. alveolaris inferior A. occipitalis

A. labialis inferior A. mentalis A. sublingualis

A. facialis A. pharyngea ascendens   

A. carotis

interna externa

A. submentalis A.lingualis A. laryngea superior

A. vertebralis A. carotis communis A. subclavia

A. thyroidea superior Glandula thyroidea

Truncus brachiocephalicus

Abb. 4.51: Übersicht über die Arterienversorgung des Kopfes und des Halses

4.9.3

Äußere Kopfschlagader, A. carotis externa

Sie versorgt den Kopf mit Ausnahme des Gehirns, der Orbita, der Stirn und des vorderen Abschnittes der Nasenhöhle. Beim Ursprung aus der A. carotis communis liegt sie zumeist ventral und medial von der A. carotis interna. Sie zieht oberflächlich durch das Trigonum caroticum (Abb. 4.53), dann unter dem Venter posterior des M. digastricus und dem M. stylohyoideus, um dorsal vom Ramus mandibulae in der Ohrspeicheldrüse bis zum Collum mandibulae aufzusteigen, wo sie sich aufteilt in ihre Endäste

w A. maxillaris und w A. temporalis superficialis.

Während ihres Verlaufes gibt sie ventrale, mediale und dorsale Äste und Endäste ab.

4.9.3.1 Ventrale Äste 1. A. thyroidea superior. Sie entspringt unmittelbar nach der Karotisteilung (selten aus der A. carotis communis), zieht bogenförmig abwärts zum Oberrand und zur Vorderfläche der Schilddrüse.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

246

N. glossopharyngeus

A. pharyngea ascendens

A. carotis interna

A. carotis externa Ganglion cervicale superius

Ganglion inferius n. vagi N. laryngeus superior

Plexus intercaroticus

Ramus sinus carotici

A. facialis A. lingualis

Glomus caroticum

A. thyroidea superior

Sinus et plexus caroticus

N. laryngeus superior

N. vagus

Truncus sympathicus

A. carotis communis

M. digastricus (Venter posterior)

R. marginalis mandibulae (n. facialis)

M. masseter

Vasa facialia

Abb. 4.52: Glomus caroticum und Sinus caroticus (verändert nach D. Sheehan)

Platysma

A. submentalis

M. digastricus (Venter anterior) Gl. parotidea A. facialis

Gl. submandibularis

R. colli n. facialis

M. stylohyoideus

M. sternocleidomastoideus

M. mylohyoideus

N. accessorius A. carotis externa et Radix sup. ansae cervicalis Plexus cervicalis A. sternocleidomastoidea Radix inferior ansae cervicalis

Os hyoideum N. hypoglossus, M. hyoglossus et R. thyrohyoideus A. lingualis A. N. laryngeus superior (R. internus) R. externus n. laryngei sup. Glomus caroticum A. thyroidea superior

N. transversus colli (et "Ansa cervicalis superficialis") Platysma M. sternocleidomastoideus

M. omohyoideus (Venter superior) A. carotis communis V. jugularis interna, Nodi lymphatici cervicales Ansa cervicalis (profunda, hypoglossi) M. sternohyoideus M. sternothyroideus

Abb. 4.53: Übersicht über Trigonum caroticum und Trigonum submandibulare. Haut und Platysma sind teilweise abgetragen. Der M. sternocleidomastoideus ist nach dorsal gezogen

4.9 Arterien des Kopfes und des Halses

Astfolge: w R. infrahyoideus, vor dem Zungenbein, anasto-

mosiert mit dem Ast der Gegenseite

w R. sternocleidomastoideus, zum gleichnami-

gen Muskel

w A. laryngea superior, gelangt mit dem gleich-

namigen Nerven durch die Membrana thyrohyoidea in das Innere des Kehlkopfes w R. cricothyroideus, zieht vor dem gleichnamigen Band zur Mittellinie, wo er meist mit dem Ast der anderen Seite anastomosiert Klinik: Die Anastomose zwischen beiden Ästen bietet eine Verletzungsgefahr bei der Koniotomie. w R. anterior und R. posterior, zum oberen

247

Pharynx, zur Gaumenmandel (R. tonsillaris) und zum weichen Gaumen w A. submentalis. Sie zieht auf der Unterfläche des M. mylohyoideus zum Kinn. Äste verlaufen zu den Muskeln und zur Gl. submandibularis w Aa. labiales inferior und superior, zur Unterund Oberlippe. Anastomosen zur Gegenseite und zu benachbarten Arterien w A. angularis, Endast, zum medialen Augenwinkel und Anastomose zur A. dorsalis nasi (aus der A. ophthalmica), Versorgung der äußeren Nase. Klinik: A. thyroidea superior, A. lingualis und A. facialis können in einem gemeinsamen Stamm aus der A. carotis externa entspringen. Diese Variation ist bei Unterbindung zu beachten.

Schilddrüsenanteil

2. A. lingualis. Sie entspringt in Höhe des großen Zungenbeinhorns, verschwindet unter dem M. hyoglossus (hier zu unterbinden!) und verläuft geschlängelt zwischen M. genioglossus und M. longitudinalis inferior zur Zungenspitze. Äste sind:

4.9.3.2 Medialer Ast

w R. suprahyoideus, über dem Zungenbein zum

4.9.3.3 Dorsale Äste

gleichnamigen Ast der Gegenseite zu den Muskeln w A. sublingualis, zwischen M. mylohyoideus und Gl. sublingualis verlaufend (für Unterzungendrüse, Schleimhaut unter der Zunge, Zahnfleisch und Muskeln) w Rr. dorsales linguae, für die Schleimhaut der Zungenwurzel w A. profunda linguae, der Endast der A. lingualis, verläuft an der Unterfläche der Zunge neben dem Zungenbändchen zur Spitze 3. A. facialis (Abb. 4.54). Sie entspringt unmittelbar oberhalb der vorigen (mitunter mit ihr zusammen), zieht unter dem Venter posterior des M. digastricus in das Trigonum submandibulare, verläuft hier, bedeckt durch die Glandula submandibularis, oft in diese eindringend, und in stärkeren Krümmungen zum Unterrand des Unterkiefers (vor dem Masseteransatz ist der Puls zu fühlen!). Im Gesicht zieht sie stark geschlängelt aufwärts zum medialen Augenwinkel (Anastomose des Endastes mit der A. ophthalmica). Äste sind: w A. palatina ascendens. Sie verläuft zwischen

M. styloglossus und M. stylopharyngeus zum

A. pharyngea ascendens. Sie entspringt direkt oberhalb der Karotisteilung und läuft an der seitlichen Rachenwand aufwärts bis zur Schädelbasis.

1. A. sternocleidomastoidea. Sie zieht über den N. hypoglossus nach lateral und unten zum gleichnamigen Muskel. 2. A. occipitalis. Sie entspringt in Höhe der A. facialis und steigt, bedeckt vom M. digastricus, zum Warzenfortsatz im eigenen Sulcus auf. Sie wendet sich unter die Mm. sternocleidomastoideus, splenius capitis und longissimus capitis dorsalwärts, durchbohrt den Trapeziusursprung und zieht am Hinterhaupt in der Subcutis aufwärts. 3. A. auricularis posterior. Sie steigt vor dem Warzenfortsatz und hinter der Ohrmuschel aufwärts. Außer den Muskelästen gibt sie ab: w A. stylomastoidea, durch das gleichnamige

Loch in den Canalis facialis. Von hier gehen Äste zur Schleimhaut der Paukenhöhle (A. tympanica posterior), zu den Cellulae mastoideae (Rami mastoidei) und an den Steigbügelmuskel (R. stapedius) w R. auricularis, zur Rückfläche der Ohrmuschel w R. occipitalis, zum Hinterhaupt. Anastomose mit der A. occipitalis.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

248

Venter frontalis m. occipitofrontalis R. lateralis  N., A., V.  supraorbitalis R. medialis 

R. frontalis a. temporalis superficialis

N. supratrochlearis

Aa. palpebrales mediales

N. infratrochlearis

N. lacrimalis

A., V. angularis Rr. palpebrales inferiores n. infraorbitalis

R. zygomaticotemporalis

Rr. nasales externi n. infraorbitalis R. nasalis externus n. ethmoidalis anterioris

R. temporalis n. facialis A. zygomaticoorbitalis R. zygomaticofacialis M. zygomaticus minor Rr. zygomatici n. facialis

N., A., V. infraorbitalis A. transversa faciei Rr. labiales superiores n. infraorbitalis Ductus parotideus, M. masseter M. zygomaticus major Rr. buccales n. facialis A. labialis inferior N. buccalis

N., A. mentalis

A., V. facialis M. mentalis R. marginalis mandibulae n. facialis M. depressor anguli oris (zurückgeklappt)

Abb. 4.54: Nerven und Gefäße des Gesichts. Die Austrittsstellen der Trigeminusäste sind freigelegt

4.9.3.4 Endäste Die Teilung der A. carotis externa erfolgt hinter dem Collum mandibulae in die A. temporalis superficialis und in die A. maxillaris. 1. A. temporalis superficialis. Sie ist häufig als stark geschlängeltes Gefäß in der Schläfengegend zu erkennen ist. Sie verläuft vor dem Ohr aufwärts, teilt sich oberhalb des Jochbogens in einen R. frontalis (zur Stirngegend, Anastomose mit dem Ramus lateralis der A. supraorbitalis) und einen R. parietalis (zur Schläfengegend, Anastomose

mit der A. occipitalis). In ihrem Verlauf gibt sie folgende Äste ab: w R. parotidei, zur Glandula parotidea w A. transversa faciei, fingerbreit unterhalb des

Jochbogens zum Gesicht

w Rr. auriculares anteriores, zur Vorderfläche

der Ohrmuschel und zum äußeren Gehörgang

w A. zygomaticorbitalis, zum lateralen Augen-

winkel

w A. temporalis media, durchbohrt die Fascia

temporalis und zieht zum Schläfenmuskel.

4.10 Venen des Kopfes und des Halses

2. A. maxillaris. Sie verläuft an der Innenfläche des Ramus mandibulae (Pars mandibularis), lateral oder seltener medial von dem M. pterygoideus lat. (Pars pterygoidea), vorwärts zur Fossa pterygopalatina (Pars pterygopalatina), wo sie dann in ihre 3 Endäste zerfällt.

249

w A. alveolaris superior posterior, tritt am Tuber w

£ Pars mandibularis (Äste meist in Knochen-

kanälen verlaufend)

w A. auricularis profunda, zu Kiefergelenk,

Trommelfell und äußerem Gehörgang

w A. tympanica anterior, durch die Fissura petro-

w

tympanica zur Schleimhaut der Paukenhöhle

w A. meningea media, die größte Hirnhautarterie,

durch das Foramen spinosum zur harten Hirnhaut. Teilung in einen vorderen und hinteren Ast w A. alveolaris inferior. Sie läuft im Canalis mandibulae (Äste zu Knochen, Zähnen, Zahnfleisch) und tritt durch das Foramen mentale als A. mentalis zum Kinn und zur Unterlippe. £ Pars pterygoidea (zu den Kaumuskeln) w A. temporalis profunda anterior, zum M. tem-

poralis temporalis profunda posterior, zum M. temporalis w A. masseterica, durch die Incisura mandibulae zum M. masseter w Rr. pterygoidei, zu den Mm. pterygoidei w A. buccalis, zum M. buccinator, Anastomose mit A. facialis und A. transversa faciei w A.

£ Pars pterygopalatina (die Äste verlaufen

w

w

maxillae in den Oberkiefer zu den hinteren Zähnen A. infraorbitalis, gelangt am Boden der Augenhöhle durch den Canalis infraorbitalis und das Foramen infraorbitale zum Gesicht (hier Anastomosen mit den Gesichtsarterien). Im Canalis infraorbitalis gehen die Aa. alveolares superiores anteriores zu den vorderen Zähnen des Oberkiefers ab. A. palatina descendens, steigt im Canalis palatinus major abwärts zum harten Gaumen (A. palatina major, durch gleichnamiges Loch), zum weichen Gaumen (Aa. palatinae minores, durch gleichnamige Löcher) und zur Gaumentonsille A. canalis pterygoidei (durch gleichnamigen Kanal), rückwärts zu Schlund, Ohrtrompete und Paukenhöhle A. sphenopalatina, durch das gleichnamige Loch zum oberen und hinteren Teil der Nasenhöhle, wo sie sich in die Aa. nasales posteriores laterales (laterale Wand) et septi (Nasenscheidewand) aufzweigt.

4.9.4

Schlüsselbeinschlagader, A. subclavia

Siehe Kapitel 10.7.2.1.2, S. 881. Mit den beiden Ästen A. vertebralis und Truncus thyrocervicalis beteiligt sich diese Arterie an der Versorgung im Halsbereich.

nahezu alle in Knochenkanälen)

4.10

Venen des Kopfes und des Halses

Lernziele: Verlauf und Ausbreitungsgebiet der inneren und äußeren Venen, Venenplexus Der Verlauf ist im Allgemeinen wie der der gleichnamigen Arterien. Die Venen gehen noch häufiger als die Arterien Anastomosen ein, bilden an einigen Stellen Venengeflechte. Nur in wenigen Bereichen haben sie ein abweichendes Verhalten. Venenklappen an Kopf und Hals sind sehr selten!

Die venösen Abflüsse aus dem Gebiet der A. carotis communis erfolgen durch die Vv. jugularis interna und externa, die aus der Halswirbelsäule und Nackenregion durch die Vena vertebralis und V. cervicalis profunda (Abb. 4.55). Wir unterscheiden £ Venen im Schädel

£ Venenplexus £ Große abführende Venen

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

250 V. emissaria parietalis

Sinus sagittalis superior

Vv. cerebri superiores

V. temporalis superficialis

Sinus sagittalis inferior

V. supraorbitalis

V. cerebri magna

V. ophthalmica superior

Sinus rectus

V. angularis

Sinus petrosus superior et inferior

Sinus cavernosus

V. auricularis posterior V. occipitalis

V. ophthalmica inferior Plexus pterygoideus

Sinus transversus

V. maxillaris

V. diploica occipitalis et V. emissaria occipitalis

V. retromandibularis

Sinus sigmoideus V. jugularis interna Plexus venosus suboccipitalis Vv. vertebrales V. cervicalis profunda

V. facialis V. submentalis V. lingualis V. thyroidea superior

V. jugularis externa V. jugularis anterior V. transversa colli V. cephalica V. subclavia V. cava superior

V. jugularis interna Arcus venosus juguli V. brachiocephalica

Abb. 4.55: Übersicht über die wichtigsten Venen und Venenverbindungen von Kopf und Hals. Der Schädel ist durchsichtig gezeichnet. Die inneren Schädelvenen sind hellblau gehalten

4.10.1

Venen im Schädel

w Vv. diploicae (Abb. 4.56). Das Blut des knö-

chernen Schädeldaches und der Dura mater sammelt sich in Venen der Diploe. Man unterscheidet:

• 1. V. diploica frontalis, 2. V. diploica temporalis anterior, 3. V. diploica temporalis posterior, 4. V. diploica occipitalis Arachnoidalzotten (Liquorabfluss!) können bis zu diesen Venen dringen und sie eröffnen.

w Vv. emissariae sind Verbindungen zwischen den

äußeren Kopfvenen, den Vv. diploicae und den Venenblutleitern der Dura mater. Sie nehmen das Blut aus den Vv. diploicae auf und führen es in die äußeren Kopfvenen und die Sinus durae matris ab.

• V. emissaria parietalis. Anastomose zwischen V. temporalis superficialis und dem Sinus sagittalis superior

4.10 Venen des Kopfes und des Halses

251 V. diploica temporalis anterior V. diploica frontalis

V. diploica temporalis posterior

V. diploica occipitalis

Abb. 4.56: Diploe des Schädels und Vv. diploicae nach Entfernung der Lamina externa. Injektion der Gefäße mit Wood-Metall

• V. emissaria occipitalis. Anastomose zwischen der V. occipitalis und dem Sinus transversus bzw. dem Confluens sinuum • V. emissaria mastoidea. Anastomose zwischen V. occipitalis bzw. V. auricularis posterior und dem Sinus sigmoideus • V. emissaria condylaris. Anastomose zwischen den Plexus venosi vertebrales externi und dem Sinus sigmoideus • V. emissaria bei Kleinkindern. Anastomose zwischen Nasenvenen und Sinus sagittalis superior durch einen Kanal, der später zum Foramen caecum wird w Vv. cerebri. Das Blut von den Außenflächen des

Gehirns fließt in die benachbarten Blutleiter der Dura mater (s. Kap. 5.3.4.3, S. 451) w Sinus durae matris liegen zwischen den beiden Blättern der Dura mater, sind starrwandige, klappenlose Räume, die das Blut aus dem Innern der Schädelhöhle aufnehmen und letztendlich über den im Foramen jugulare gelegenen Bulbus superior v. jugularis superior abtransportieren. Da der Abfluss rechts günstiger ist, sind die rechten zumeist etwas stärker (V. cava superior rechts gelegen!). Über die Lage der Sinus s. Kap. 5.3.4.3, S. 451. Sie stehen durch zahlreiche

Vv. emissariae mit den äußeren Kopfvenen und den Vv. diploicae in Verbindung w Vv. ophthalmicae. Das Blut aus der Augenhöhle gelangt in der Hauptsache in Venen, die den Ästen der A. ophthalmica folgen, zur V. ophthalmica superior. Sie zieht nicht mit der Arterie durch den Canalis opticus, sondern durch die Fissura orbitalis superior zum Sinus cavernosus. Am Aditus orbitae steht sie auch mit der V. angularis in Verbindung (Anastomose zur V. facialis!). Eine V. ophthalmica inferior ist nicht konstant, steht mit der V. ophthalmica superior zumeist in Verbindung, mündet durch die Fissura orbitalis inferior in den Plexus pterygoideus. Klinik: Das Blut kann von der äußeren Nase und der Oberlippe über V. angularis, V. ophthalmica superior zum Sinus cavernosus fließen. Gefahr bei Gesichtsfurunkeln (Ausbreitung)!

4.10.2 Venen der Kopfweichteile w V. facialis. Sie sammelt Blut aus dem Gesichts-

bereich. Sie verläuft unter der mimischen Muskulatur vom medialen Augenwinkel

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

252

w

w

w

w

w

(V. angularis) zum vorderen Masseterrande und weiter durch das Trigonum submandibulare zur V. jugularis interna. Sie nimmt die V. retromandicularis auf. V. retromandibularis. Sie folgt hinter dem Ramus mandibulae ungefähr der A. carotis externa und nimmt hauptsächlich die V. temporalis und das Blut aus dem Plexus pterygoideus auf. Durch eine stärkere Anastomose fließt sie auch in die V. jugularis externa ab. V. occipitalis und V. auricularis posterior nehmen das Blut vom Hinterkopf auf und münden in die V. jugularis externa, eine Hautvene, die am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus, unter dem Platysma abwärts zieht und in die V. brachiocephalica oder V. jugularis interna oder V. subclavia mündet. V. jugularis anterior, die vordere Hautvene des Halses, entsteht in der Unterkinngegend (als V. submentalis), steigt unter dem Platysma zur Fossa jugularis abwärts, ist mitunter mit der Vene der anderen Seite zu einer unpaaren V. mediana colli vereinigt und mündet in den Arcus venosus juguli, einen queren Venenbogen im Spatium suprasternale, oder direkt in die angrenzenden Venen. V. jugularis interna nimmt das venöse Blut aus dem gesamten Stromgebiet der A. carotis communis auf. Im Foramen jugulare ist sie zum Bulbus superior v. jugularis und kurz vor der Vereinigung mit der V. subclavia zum Bulbus inferior v. jugularis erweitert. Sie verläuft vom Foramen jugulare an der lateralen Seite der A. carotis interna und A. carotis communis bis hinter das Sternoklavikulargelenk, wo sie sich mit der V. subclavia zur V. brachiocephalica vereinigt. Diese Vereinigung erfolgt im Venenwinkel, Angulus venosus.

4.10.3 Venenplexus w Plexus pharyngeus. Er liegt an der Seiten- und

Hinterwand des Pharynx. Mit ihm steht ein Adergeflecht auf der Dorsalfläche des Ringknorpels und der dem Knorpel gegenüberliegenden Pharynxwand in Verbindung, welches einen gewissen Abschluss des Schlundes gegen die Speiseröhre bilden hilft.

w Plexus pterygoideus, zwischen den gleichna-

migen Muskeln in der Fossa infratemporalis. Er steht mit dem vorigen, sowie mit dem Sinus cavernosus, mit den Vv. facialis und retromandibularis, auch direkt mit der V. jugularis interna in Verbindung. Von den zahlreichen Zuflüssen seien die Vv. meningeae mediae, die V. ophthalmica inferior und die V. canalis pterygoidei erwähnt. w Zahlreiche Venengeflechte, welche sich in den Foramina der Schädelbasis (s. Kap. 4.4.2, S. 209) befinden, verbinden den Plexus pterygoideus mit dem Sinus cavernosus: • Plexus venosus caroticus internus • Plexus venosus foraminis ovalis • Plexus venosus foraminis spinosi w Weitere Venen und Plexus, welche nicht in den

Plexus pterygoideus münden:

• • • •

Vv. tympanicae V. stylomastoidea Plexus venosi vertebralis interni und externi Plexus venosus canalis nervi hypoglossi Klinik: Venöse Verbindungen zwischen dem Äußeren und Inneren des Schädels stellen Infektionspforten dar. Sie dienen dem Druckund Temperaturausgleich zwischen inneren und äußeren Gefäßen.

4.10.4

Große abführende Venen

w V. subclavia entspricht im großen und ganzen

dem Stromgebiet der gleichnamigen Arterie. Vor der Vereinigung mit der V. jugularis interna hat sie zumeist ein Klappenpaar (s. Kap. 2.3.4.1, S. 70). w V. brachiocephalica entsteht jederseits durch die Vereinigung von V. subclavia und V. jugularis interna (s. Kap. 10.7.2.2.2, S. 885). Die linke ist länger als die rechte. Beide vereinigen sich hinter dem Sternum zur w V. cava superior, die rechts von der Mittellinie zum rechten Vorhof des Herzens absteigt (s. Kap. 10.7.2.2.2, S. 885). w Venen der Organe s. dort

4.11 Lymphgefäße und Lymphknoten des Kopfes und des Halses

4.11

Lymphgefäße, Vasa lymphatica, und Lymphknoten des Kopfes und des Halses, Nodi lymphatici (lymphoidei) capitis et colli

Lernziele: Regionäre Lymphknoten, Lymphabfluss

4.11.1

253

Genereller Lymphabfluss

Die Lymphgefäße von Kopf und Hals sammeln sich jederseits im Truncus jugularis, der mit den großen Halsgefäßen abwärts zum Venenwinkel zwischen V. jugularis interna und V. subclavia zieht (Abb. 2.37, S. 89). 1. Die Lymphe münden rechts in den Ductus lymphaticus dexter (rechter Venenwinkel), links in den Ductus thoracicus (linker Venenwinkel) 2. oder beiderseits direkt in benachbarte Venen. In den Verlauf der Lymphgefäße sind charakteristische Gruppen von Lymphknoten eingeschaltet.

Nll. occipitales Nl. retroauricularis Nll. parotidei Nl. jugulodigastricus Nll. cervicales profundi superiores Nll. cervicales profundi inferiores Nll. supraclaviculares

4.11.2

Regionäre Lymphknoten des Kopfes (Abb. 4.57)

1. Nll. occipitales, 1–3 Knoten auf der Ursprungssehne des M. trapezius in Höhe der Linea nuchae suprema Zufluss: Hinterhaupt bis zum Scheitel, obere Nackengegend Abfluss: zu den Nll. cervicales profundi 2. Nll. retroauriculares, 2–3 Knoten auf der Ansatzsehne des M. sternocleidomastoideus am Warzenfortsatz Zufluss: Rückfläche des Ohres, Haut des Hinterkopfes Abfluss: zu den Nll. cervicales profundi 3. Nll. parotidei (1–2), auf oder in der Glandula parotidea, vor dem äußeren Gehörgang Zufluss: Stirn-, Schläfengegend, lateraler Teil der Augenlider, Nasenwurzel, Vorderfläche der

Nll. buccales Nll. submandibulares Nll. submentales Nl. juguloomohyoideus Nl. praelaryngeus Nll. tracheales

Abb. 4.57: Die Lymphknoten und Lymphabflüsse von Kopf und Hals. Verändertes Schema nach Rouviére. Gestrichelte Linien und Pfeile geben die Einzugsgebiete an. Oberflächliche Knoten (Nll. cervicales superficiales) sind vollschwarz, die tiefen gestrichelt wiedergegeben. Inset: Übersicht über den Lymphstrom aus dem Kopf- und Halsbereich (aus G.-H. Schumacher)

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

254

Ohrmuschel, äußerer Gehörgang, Trommelfell, Paukenhöhle, Glandula parotidea, Nasenrachenraum Abfluss: zu den Nll. cervicales profundi 4. Nll. submandibulares, zumeist 3 in der Submandibularloge gelegene Knoten. Häufig liegt auch ein Knoten in der Glandula submandibularis Zufluss: • Oberflächlich: Medialer Teil der Stirn und der Augenlider, äußere Nase, Haut der Oberlippe und Wange. In den Verlauf sind bei Jugendlichen häufig kleine Knoten in der Nähe der V. facialis (Nll. buccales, auf dem M. buccinator) eingeschaltet. • Tief: Vorderer Teil der Zunge, des Gaumens, des Mundhöhlenbodens; Zähne, Gingiva, vorderer Teil der Nasenhöhlenschleimhaut, Fossa infratemporalis. Lymphe aus den Nll. faciales und Nll. submentales (als 2. Filterstation). Abfluss: zu den Nll. cervicales superficiales und profundi 5. Nll. submentales, 2–3 kleine Knoten in der Submentalloge Zufluss: Haut des Kinnes und der Mitte der Unterlippe; untere Schneidezähne und angrenzende Gingiva, Zungenspitze, Mundboden Abfluss: zu den Nll. submandibulares, Nll. cervicales profundi und superficialis 6. Nll. buccales, in der Wangengegend Zufluss: hinterer Teil der Nasen- und Mundhöhle; Fossae pterygoidea und infratemporale, Gaumen und Schlund Abfluss: zu den Nll. cervicales profundi

4.11.3

Regionäre Lymphknoten des Halses (Abb. 4.53, 4.57)

1. Nll. cervicales superficiales. Sie liegen in wechselnder Zahl in der Umgebung der V. jugularis externa, oben auf dem M. sternocleidomastoideus, unten im seitlichen Halsdreieck Zufluss: Ohr, Glandula parotidea, Gegend des Kieferwinkels, oberflächliche Teile des Halses. Abfluss: Nll. cervicales profundi.

2. Nll. cervicales profundi. Sie liegen längs der V. jugularis interna und in der Fossa supraclavicularis major. Dabei wird nochmals unterteilt: Nll. profundi superiores und inferiores. Zufluss: Lymphgefäße von Schlundenge, Mandeln, Schlund, Kehlkopf, Schilddrüse und Luftröhre; außerdem abführende Gefäße aus allen oben genannten Lymphknoten Abfluss: Truncus jugularis 3. Nl. jugulodigastricus liegt auf der V. jugularis interna in der Höhe des großen Zungenbeinhorns Zufluss: Gaumenmandel und hinteres Drittel der Zunge, Pharynx Klinik: Der Lymphknoten ist einer der oberen tiefen Halslymphknoten, der häufig beim Zungenkarzinom erfasst ist. 4. Nl. juguloomohyoideus liegt unterhalb der Zwischensehne des M. omohyoideus auf der V. jugularis interna. Er ist einer der unteren tiefen Halslymphknoten. Zufluss: Zunge direkt und indirekt über Nll. submentales, submandibulares und cervicales profundi superiores 5. Nll. praelaryngei, zwischen Ring- und Schildknorpel und zwischen Schildknorpel und Zungenbein (Nll. infrahyoidei) Zufluss: Kehlkopf Abfluss: Nll. cervicales superficiales und tracheales 6. Nll. tracheales, längs der Luftröhre gelegen Zufluss: Kehlkopf, Luftröhre und ihre Aufzweigung Abfluss: Nll. mediastinales posteriores 7. Nll. retropharyngei, hinter dem oberen Teil des Schlundes gelegen, insbesondere bei Kindern Zufluss: Schlund, Ohrtrompete, hinterer Teil der Nasenhöhle Abfluss: Nll. cervicales profundi

4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales

4.12

Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales

Lernziele: Nn. capitales, Plexus cervicalis, Sympathicus, Parasympathicus: Äste und Verlauf, Versorgungsgebiete, Ganglien

4.12.1

255

Hirnnerven, Kopfnerven, Nn. capitales

Wir unterscheiden 12 Hirnnervenpaare und bezeichnen sie mit den entsprechenden römischen Zahlen. Über ihre Kerngebiete und Austritte aus dem Gehirn s. Kap. 5.2.6.2, S. 415) 1. Nn. olfactorii, N. I, die Riechnerven, sind rein sensorisch. Sie sind die Axone der Riechzellen (bipolare Ganglienzellen) in der Riechschleimhaut der Nasenhöhle, ziehen durch die Lamina cribrosa des Siebbeins in die Schädelhöhle und gelangen zum Bulbus olfactorius (Riechbahn, s. Kap. 5.4.4.3, S. 478). 2. N. opticus, N. II, der Sehnerv, ist sensorisch. Er zieht vom Augapfel leicht gebogen durch den Fettkörper der Augenhöhle zum Canalis opticus, durchsetzt ihn und vereinigt sich mit dem Nerven der Gegenseite zur Sehnervenkreuzung, Chiasma opticum. Nach teilweiser Kreuzung der Fasern setzt er sich nach hinten in den Tractus opticus fort. Der N. opticus ist seiner Entwick-

Ramus superior

M. levator palpebrae superioris

Ganglion ciliare

lung und seinem Aufbau nach ein Hirnteil (Sehbahn s. Kap. 5.4.2.2, S. 456). 3. N. oculomotorius, N. III, ist motorisch und parasympathisch. Er versorgt alle äußeren Augenmuskeln, außer M. obliquus superior und M. rectus lateralis sowie den M. sphincter pupillae und den M. ciliaris. Dicht vor der Brücke kommt er aus der Fossa interpeduncularis, zieht seitlich vom Türkensattel durch die Wand des Sinus cavernosus, gelangt durch die Fissura orbitalis superior aus der Schädel- zur Augenhöhle. Hier teilt er sich (Abb. 4.58) in: w Ramus superior für M. levator palpebrae superi-

oris und M. rectus superior

w Ramus inferior für die Mm. recti medialis und

inferior sowie den M. obliquus inferior. Der untere Ast gibt die Radix oculomotoria ab. Durch sie gelangen die parasympathischen Fasern des N. oculomotorius zum Ganglion ciliare (Umschaltung) und weiter zum M. ciliaris (Akkomodation!) und M. sphincter pupillae (Verengung der Pupille!).

4. N. trochlearis, N. IV (Abb. 4.58). Der Rollennerv des Auges ist rein motorisch für den M. obliquus superior. Er tritt als einziger Hirnnerv dorsal aus dem Gehirn aus, wendet sich um die Crura cerebri nach ventral, erscheint dort am vorderen Rande der Brücke, zieht durch die

N. opticus

M. rectus medialis M. obliquus superior, Trochlea M. rectus superior

Ramus inferior

Nn. ciliares breves

N. oculomotorius N. trochlearis M. rectus lateralis Radix oculomotoria ganglii ciliaris

M. rectus lateralis

M. rectus inferior M. obliquus inferior

Abb. 4.58: Schematische Übersicht über Lage und Verzweigung der Nn. oculomotorius und trochlearis

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

256 N. lacrimalis

N. ethmoidalis anterior

N. frontalis

N. ethmoidalis post. N. nasociliaris

Ramus lateralis   n. supraorbitalis Ramus medialis 

Nn. ciliares longi N. ophthalmicus

N. supratrochlearis N. trigeminus et Ggl. trigeminale (semilunare)

N. infratrochlearis Ramus nasalis externus

Ggl. ciliare et R. communicans cum ganglio ciliari N. maxillaris N. oculomotorius Nn. ciliares breves N. zygomaticus

Ggl. pterygopala- R. communicans cum n. zygomatico tinum

R. zygomaticofacialis et R. zygomaticotemporalis

Abb. 4.59: Schematische Übersicht über Lage und Verzweigung des N. ophthalmicus. Ansicht von lateral

Wand des Sinus cavernosus und gelangt durch die Fissura orbitalis superior, oberhalb des Augenmuskelkegels, zum M. obliquus superior. 5. N. trigeminus, N. V, ist sensibel (Radix sensoria, Portio major), und motorisch (Radix motoria, Portio minor). Parasympathische Fasern lagern sich in ihrem Verlauf nur an. Der kräftige Nerv tritt am Seitenrand der Brücke aus. Nahe der Spitze der Felsenbeinpyramide durchbohrt er die Dura mater, bildet hier das sensible Ganglion trigeminale und zerfällt (Abb. 4.59–61) in seine 3 Endäste: £ N. ophthalamicus, N. V1 £ N. maxillaris, N. V2 £ N. mandibularis, N. V3

N. ophthalmicus (Abb. 4.59). Er ist der sensible Nerv der Augenhöhle, des oberen Augenlides, der Stirn und des vorderen Teiles der Nasenhöhle. Beim Verlauf in der Wand des Sinus cavernosus gibt er einen feinen R. tentorii zum Tentorium cerebelli ab und verläuft, schon geteilt in seine 3 Hauptäste, durch die Fissura orbitalis superior in die Augenhöhle. Äste w N. lacrimalis, der Tränennerv, verläuft an der lateralen Wand der Orbita, nimmt über den

Ramus communicans cum n. zygomatico sekretorische (parasympathische) Fasern für die Tränendrüse aus dem N. intermedius (über N. petrosus major, Ganglion pterygopalatinum, N. zygomaticus) auf, versorgt die Tränendrüse und zieht mit den sensiblen Fasern weiter zum oberen Augenlid und zur Haut und Bindehaut am lateralen Augenwinkel (Abb. 4.70) w N. frontalis, der sensible Stirnnerv, verläuft unmittelbar unter dem Dach der Orbita auf dem M. levator palpebrae superioris. Er teilt sich in den • N. supraorbitalis, der mit seinem Ramus lateralis (durch Foramen oder Incisura supraorbitalis) und Ramus medialis (durch Incisura oder Foramen frontale) zur Haut der Stirn und zur Haut und Bindehaut des oberen Augenlides zieht • N. supratrochlearis. Er zieht oberhalb der Trochlea des M. obliquus oculi superior zur Haut der Nasenwurzel, der unteren Stirngegend und des oberen Augenlides. Vor der Aufzweigung schickt er noch eine Anastomose zum N. infratrochlearis. w N. nasociliaris. Der Nasenaugennerv verläuft

über den N. opticus zur medialen Wand der Orbita und gibt Äste ab:

4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales

• Ramus communicans cum ganglio ciliari führt über das Ganglion ciliare (ohne Umschaltung) sensible Fasern zum Augapfel • Nn. ciliares longi ziehen direkt zum hinteren Pol des Augapfels • N. ethmoidalis posterior gelangt durch das Foramen ethmoidale posterius zur Schleimhaut der hinteren Siebbeinzellen. • N. ethmoidalis anterior zieht durch das Foramen ethmoidale anterius in die Schädelhöhle und von dort durch die Lamina cribrosa zur Nasenhöhle. Seine Äste sind: Rami nasales laterales zur Seitenwand der Nasenhöhle Rami nasales mediales zur Nasenscheidewand Ramus nasalis externus. Er steigt an der Rückfläche des Os nasale abwärts und gelangt an der Grenze zwischen knöcherner und knorpeliger Nase zur Haut der äußeren Nase bis zur Nasenspitze • N. infratrochlearis. Er verläuft unterhalb der Trochlea des M. obliquus oculi superior, verbindet sich mit dem N. supratrochlearis und versorgt mit Rami palpebrales das Oberlid, den medialen Augenwinkel und den Tränensack. N. maxillaris (Abb. 4.60). Er ist rein sensibel und gelangt von der Schädelhöhle durch das Foramen rotundum in die Fossa pterygopalatina. Er breitet sich im Wesentlichen im Bereich des Oberkiefers und der deckenden Weichteile aus (Abb. 4.70). Äste des N. maxillaris sind: N. maxillaris

257

w R. meningeus, vor dem Austritt aus der Schädel-

höhle zur Dura mater

w N. zygomaticus, verlässt den Stamm in der

Flügelgaumengrube, gelangt durch die Fissura orbitalis inferior an die laterale Wand der Augenhöhle. Seine Äste sind:

• R. zygomaticotemporalis, der obere Zweig, schickt durch eine Anastomose sekretorische parasympathische Fasern aus dem N. intermedius über den N. lacrimalis zur Tränendrüse und zieht durch das Foramen zygomaticotemporale zur Haut der Schläfe. • R. zygomaticofacialis, der untere Zweig, zieht durch das Foramen zygomaticofaciale zur Haut der Wange und des lateralen Augenwinkels. w Rami ganglionares ad ganglion pterygopalati-

num ziehen ohne Umschaltung zum Ganglion pterygopalatinum. Dort lagern sich ihnen sekretorische = parasympathische sowie sympathische Fasern an:

• Rami orbitales (2–3 Zweige) ziehen durch die Fissura orbitalis inferior zur Augenhöhle, zur Keilbeinhöhle, zu den hinteren Siebbeinzellen und zur Optikusscheide. • Rami nasales posteriores superiores laterales. 6–10 feine Zweige verlaufen durch das Foramen sphenopalatinum zum hinteren Teil der lateralen Nasenwand und zum oberen Teil des Schlundes.

Rr. orbitales

N. zygomaticus

Rr. zygomaticofacialis et zygomaticotemporalis

Ganglion trigeminale [semilunare] N. trigeminus

Rr. palpebrales  inferiores



N. petrosus [superficialis] major



N. facialis (+ intermedius) Rr. nasales externi N. petrosus profundus, Plexus caroticus internus



n. infraorbialis



Rr. alveolares superiores anteriores

Ganglion pterygopalatinum Rr. nasales posteriores sup. et inf. N. palatinus major Rr. alveolaris superior medius et posterior

Rr. labiales superiores Plexus dentalis superior Nn. palatini minores

N. palatinus major

Rr. dentalis et gingivalis sup.

Abb. 4.60: Schematische Übersicht über Lage und Verzweigung des N. maxillaris. Ansicht von lateral

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

258

• Rami nasales posteriores superiores mediales. 2–3 feine Zweige verlaufen zum hinteren Teil der Nasenscheidewand. Einer von ihnen ist länger, zieht als N. nasopalatinus (Scarpae) auf dem Nasenseptum zum Canalis incisivus und gelangt in ihm zum vorderen Teil der Schleimhaut des Gaumens. • N. palatinus major durch das Foramen palatinum majus zum harten Gaumen (sog. „Gaumenstrahlung“ für Schleimhaut, Drüsen, Zahnfleisch). In seinem Verlauf gibt er Rami nasales posteriores inferiores zur unteren Nasenmuschel ab. • Nn. palatini minores ziehen durch die Canales palatini minores zur Gaumenmandel und zur Schleimhaut des weichen Gaumens. w Rami alveolares superiores posteriores, zumeist

2, gehen von Stamm vor dem Eintritt in die Augenhöhle ab, ziehen am Tuber maxillae abwärts und gelangen durch die Foramina alveolaria zum lateralen, hinteren Teil der Kieferhöhlenschleimhaut und bilden mit dem mittleren und vorderen Ast (s. u.) den Plexus dentalis superior, aus dem sie die 3 Molaren und die zugehörige Gingiva des Oberkiefers versorgen. w N. infraorbitalis ist der Endast. Er gelangt durch die Fissura orbitalis inferior in den Canalis infraN. trigeminus N. petrosus minor N. facialis (+ intermedius) Chorda tympani

orbitalis und durch das Foramen infraorbitale zum Gesicht. Im Kanal gibt er ab: • R. alveolaris superior medius. Dieser zieht über den Plexus dentalis superior zu den Prämolaren und zur zugehörigen Gingiva. • Rami alveolares superiores anteriores. Nach Abgabe eines Astes zur Nasenhöhle ziehen sie zum Eckzahn, zu den Schneidezähnen und zur zugehörigen Gingiva. Endäste im Gesicht sind: • Rami palpebrales inferiores zur Haut des unteren Augenlides • Rami nasales externi zur Haut der äußeren Nase • Rami nasales interni zur Schleimhaut der Nasenhöhle (vorderer Teil) • Rami labiales superiores zur Haut und Schleimhaut der Oberlippe und zur angrenzenden Gingiva N. mandibularis (Abb. 4.61, 4.62) ist sensibel und motorisch. Er nimmt die Radix motoria (Portio minor) auf. Er gelangt durch das Foramen ovale aus der Schädelhöhle zur Außenfläche der Schädelbasis und versorgt

Ganglion trigeminale [semilunare] Radix motoria, Ganglion oticum Rr. motorii für die Kaumuskeln N. buccalis

Ganglion inferius n. glossopharyngei N. auriculotemporalis N. lingualis Rami linguales

N. mylohyoideus

N. sublingualis

N. alveolaris inferior

Rami labiales inferiores

Ganglion submandibulare

Rami mentales

Rami dentales inferiores

Rami gingivales inferiores

N. mentalis

Abb. 4.61: Schematische Übersicht über Lage und Verzweigung des N. mandibularis. Ansicht von lateral

4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales Chorda tympani

A. meningea media, N. auriculotemporalis

Ganglion trigeminale

259

Ganglion oticum

Sinus sphenoidalis

Recessus epitympanicus Malleus et Incus N. auriculotemporalis N. facialis, Chorda tympani Lig. sphenomandibulare N. alveolaris inferior N. lingualis, A. maxillaris M. pterygoideus medialis mit R. muscularis A. carotis externa N. lingualis, Ggl. submandibulare Glandula sublingualis mit Ductus sublinguales minores Ductus submandibularis Glandula submandibularis Lingua Mundhöhlenschleimhaut

Ductus sublingualis major

Abb. 4.62: N. mandibularis, Ganglion oticum und A. maxillaris von medial her dargestellt.

£ motorisch alle Kaumuskeln und die Mundbo-

denmuskeln (Vorderbauch des M. digastricus und M. mylohyoideus) £ sensibel die Schleimhaut der Mundhöhle (Ausnahme: Gaumen und hinterer Teil der Zunge) sowie Haut, Zähne und Zahnfleisch im Bereich des Unterkiefers (Abb. 4.70). Unmittelbar unter dem Foramen ovale teilt er sich in einen vorderen schwächeren, vorwiegend motorischen und einen hinteren stärkeren, sensiblen Ast. Äste des N. mandibularis sind: w Ramus meningeus. Er geht vom Stamm ab und

zieht durch das Foramen spinosum rückläufig zur Dura mater.

Aus dem vorderen, vorwiegend motorischen Ast gehen hervor: w N. massetericus durch die Incisura mandibulae

zum M. masseter und zum Kiefergelenk,

w Nn. temporales profundi, ein vorderer und ein

hinterer Ast zum M. temporalis,

w N. pterygoideus lateralis zum M. pterygoideus

lateralis,

w N. pterygoideus medialis zum M. pterygoideus

medialis. Er gibt direkt oder über das Ganglion oticum (keine Umschaltung!) einen Ast zum M. tensor veli palatini und einen Ast zum M. tensor tympani ab (Störungen des Gehörs bei Erkrankungen des N. trigeminus!) w N. buccalis. Er tritt zwischen den beiden Köpfen des M. pterygoideus lateralis auf die Außenfläche des M. buccinator, schickt durch ihn hindurch Äste zur Wangenschleimhaut und zum bukkalen Zahnfleisch, andere zur Haut der Wange und verzweigt sich bis zum Mundwinkel.

260

Aus dem hinteren, stärkeren, sensiblen Stamm gehen hervor: w N. auriculotemporalis. Er nimmt am Ganglion

oticum parasympathische Fasern (aus dem N. glossopharyngeus über N. tympanicus und N. petrosus minor) auf, umfasst oft schlingenartig die A. meningea media, zieht nach hinten zum Collum mandibulae und wendet sich vor dem Ohr in Begleitung der A. und des N. temporalis superficialis aufwärts zur Haut der Schläfengegend. Seine Äste sind:

• N. meatus acustici externi, zumeist 2 feine Äste, zum äußeren Gehörgang. Ein Ast schickt einen zarten R. membranae tympani zum Trommelfell • Rami parotidei zur Glandula parotidea • Rami communicantes cum nervo faciali, zumeist 2 Verbindungen zum N. facialis. Diese führen dem N. facialis die oben erwähnten parasympathischen (sekretorischen) Fasern für die Glandula parotidea zu • Nn. auriculares anteriores für die konkave Außenfläche der Ohrmuschel • Rami temporales superficiales, die Endäste für die Haut der Schläfengegend. w N. lingualis. Er ist sensibel und gelangt zwi-

schen M. pterygoideus lateralis und medialis an die Innenfläche des Ramus mandibulae und geht hier die Verbindung zur Chorda tympani ein (s. u.). Er steigt vor dem N. alveolaris inferior abwärts, wendet sich im Bogen oberhalb der Glandula submandibularis und des M. mylohyoideus zum Seitenrand der Zunge. Astfolge:

• Rami isthmi faucium, Äste zur Schlundenge und zur Gaumenmandel • Verbindung mit der Chorda tympani • Zweige zum Ganglion submandibulare (parasympathische und sensible Fasern für die Gl. submandibularis) • Rami communicantes cum n. hypoglosso (motorische Fasern aus dem N. hypoglossus für die Zungenmuskeln) • N. sublingualis zur Glandula sublingualis und angrenzenden Mundschleimhaut • N. alveolaris inferior, motorisch und sensibel, steigt hinter dem N. lingualis an der Innenfläche des Ramus mandibulae abwärts bis zum Foramen mandibulae, gibt hier den N. mylohyoideus ab, verläuft selbst durch den Canalis mandibu-

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

lae, den er als N. mentalis durch das Foramen mentale verlässt. Äste: N. mylohyoideus, motorisch, zweigt am Foramen mandibulae ab und verläuft an der Innenfläche des Unterkiefers zum M. mylohyoideus sowie zum Venter anterior m. digastrici. Plexus dentalis inferior, wird innerhalb des Kanals gebildet. Er gibt ab: Rami dentales inferiores zu den Unterkieferzähnen; Rami gingivales inferiores zum Zahnfleisch. Der N. mentalis zieht durch das Foramen mentale: Rami mentales zur Haut des Kinnes, Rami labiales inferiores zur Haut und Schleimhaut der Unterlippe. 6. N. abducens, N. VI. Rein motorisch, verlässt das Gehirn am kaudalen Rand der Brücke, zwischen dieser und der Pyramide. Er tritt bereits auf dem Clivus durch die Dura mater, verläuft durch den Sinus cavernosus, tritt in die Augenhöhle durch die Fissura orbitalis superior ein und versorgt den M. rectus lateralis des Augapfels. 7. N. facialis, N. VII (Abb. 4.63, 4.64). Rein motorisch, verlässt das Gehirn am kaudalen Rande des Brückenarmes. Hier liegt zwischen ihm und dem N. vestibulocochlearis der parasympathische und sensible N. intermedius, der sich im Felsenbein mit dem N. facialis zu einem einheitlichen Nervenstamm vereinigt (N. intermediofacialis). Der Intermediumsanteil führt Geschmacksfasern für die vorderen zwei Drittel der Zunge, parasympathische (sekretorische) für die Speicheldrüsen Gl. submandibularis und Gl. sublingualis und sensible Fasern, deren pseudounipolare Ganglienzellen im Ganglion geniculi liegen. Nn. facialis, intermedius und vestibulocochlearis gelangen, von Fortsetzungen der Hirnhäute begleitet, durch den Meatus acusticus internus in das Felsenbein. Am Grunde des inneren Gehörgangs treten Facialis und Intermedius in den Canalis nervi facialis ein. £ Innerhalb des Schläfenbeins (s. Kap. 7.1.2.1,

S. 600) gehen ab:

w N. petrosus major (Teil des N. intermedius) führt

parasympathische (für Tränen, Gaumen- und Nasendrüsen), vielleicht auch sensible Fasern über das Ganglion pterygopalatinum in die Äste des N. maxillaris. w Ramus communicans cum plexu tympanico, geht direkt vom Stamm oder vom N. petrosus major ab zum Plexus tympanicus (Nervengeflecht der Paukenhöhle)

4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales

261

N. petrosus major

Rami temporales

Ganglion geniculi N. facialis et intermedius

Rami zygomatici

Ramus communicans cum plexu tympanico N. stapedius Chorda tympani R. comununicans cum n. auriculotemporali

Rami buccales

Ramus digastricus et Ramus stylohyoideus Unterer Stamm Ramus colli Ramus marginalis mandibulae

Abb. 4.63: Schema des N. facialis mit Intermedius. Der Verlauf im Felsenbein ist gestrichelt; nach dem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum ist er voll ausgezogen

R. lateralis  n., a., v.  supraorbitalis R. medialis 

M. auricularis superior

Rr. temporales n. fac.

A., V. temporalis superficialis, N. auriculotemporalis

A., V. angularis R. zygomaticofacialis

M. occipitofrontalis (Venter occipitalis) mit R. occipitalis A., V. auricularis posterior

A. transversa faciei, Rr. zygomatici n. fac.

M. auricularis posterior

A. labialis superior

N. auricularis posterior, N. facialis

N. buccalis

A., V. occipitalis N. occipitalis major, M. trapezius

A. labialis inferior, M. depressor anguli oris

M. splenius capitis

Rr. buccales n. facialis

N. occipitalis minor N. auricularis magnus, M. sternocleidomastoideus

R. marginalis mandibulae n. facialis, A., V. facialis

M. levator scapulae, N. accessorius

R. colli n. facialis, Platysma

Nn. supraclaviculares N. transversus [cutaneus] colli

Glandula parotidea, Ductus parotideus, M. masseter

Abb. 4.64: Oberflächliche Nerven und Gefäße des Kopfes

V. jugularis externa

262

w N. stapedius, vom absteigenden Fazialabschnitt

zum M. stapedius im Mittelohr w Chorda tympani, Teil des N. intermedius, verläuft zum N. lingualis mit parasympathischen (sekretorischen) Fasern für die Glandulae submandibularis, sublingualis und Glandulae linguales der vorderen zwei Drittel der Zunge sowie Geschmacksfasern für die vorderen zwei Drittel der Zunge. Sie verläuft im Bogen durch die Paukenhöhle, verlässt diese durch die Fissura petrotympanica und senkt sich von hinten her in den N. lingualis. £ Außerhalb des Schädels, unterhalb des Fora-

men stylomastoideum, gehen ab:

w N. auricularis posterior. Er verläuft hinter der

Ohrmuschel auf- und rückwärts zu den hinteren Muskeln des äußeren Ohres und mit einem Ramus occipitalis zum Venter. occipitalis m. occipitofrontalis. w Ramus digastricus zum Venter posterior m. digastrici; er gibt den feinen R. stylohyoideus zum M. stylohyoideus ab. £ Die Endäste (ein oberer und ein unterer

Hauptstamm) bilden in der Substanz der Gl. parotidea ein Geflecht, den Plexus parotideus (s. Kap. 4.13.2.1, S. 278), aus dem am Vorderrand der Drüse hervorgehen:

w Rami temporales (zumeist 3) zu den vorderen

w w

w

w

Muskeln des äußeren Ohres, zu Venter frontalis m. occipitofrontalis, M. orbicularis oculi und M. corrugator supercilii Rami zygomatici (3–4) zu Mm. orbicularis oculi, zygomatici major und minor Rami buccales (3–4) zum M. buccinator, M. levator labii superioris, zum M. levator labii superioris alaeque nasi, zum M. nasalis, M. orbicularis oris und M. levator anguli oris Ramus marginalis mandibulae. Er zieht längs des Unterkieferrandes zum M. risorius, M. depressor anguli oris, M. depressor labii inferioris und M. mentalis. Ramus colli. Er verläuft hinter dem Angulus mandibulae abwärts zum Hals und verbindet sich mit dem sensiblen N. transversus colli aus dem Plexus cervicalis. Durch diese Anastomose (früher Ansa cervicalis superficialis genannt) werden dem N. transversus colli motorische Fasern für das Platysma zugeführt. Die Gesichtsäste des N. facialis gehen untereinander und mit den Trigeminusästen zahlreiche Verbindungen

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

ein. Sensible Nervenfasern des N. intermedius versorgen vermutlich kleine Hautbezirke der Ohrmuschel und des äußeren Gehörganges (Huntsch-Zone). Klinik: Der Plexus parotideus ist ein Geflecht aus radiär verlaufenden Fasern. Bei operativen Eingriffen in die Glandula parotidea muss diese Verlaufsrichtung beachtet werden. 8. N. vestibulocochlearis, N. VIII. Rein sensorisch, besteht aus der Pars vestibularis und der Pars cochlearis. Er tritt mit dem N. facialis und N. intermedius im Kleinhirnbrückenwinkel aus, verläuft mit ihnen durch den Meatus acusticus internus. £ Pars vestibularis. Sie bildet am Grunde des

Meatus das Ganglion vestibulare und teilt sich in:

w N. utriculoampullaris mit den Ästen: • N. utricularis zu den Sinneszellen des Utriculus • N. ampullaris anterior zur Ampulle des vorderen Bogenganges • N. ampullaris lateralis zur Ampulle des lateralen Bogenganges w N. saccularis zum Sacculus w N. ampullaris posterior, zur Ampulle des hinte-

ren Bogenganges.

Gleichgewichtsbahn s. Kap. 5.4.3.5, S. 473, Kap. 5.4.3.6, S. 474 £ Pars cochlearis. Sie bildet in der Schnecke das

Ganglion spirale und endet an den Sinneszellen des Organum spirale der Schnecke.

Hörbahn s. Kap. 5.4.3.3, S. 470 9. N. glossopharyngeus, N. IX (Abb. 4.65). Motorisch, parasympathisch, sensibel und sensorisch. Er verlässt das verlängerte Mark im Sulcus lateralis posterior, hinter der Olive, zieht durch den vorderen Teil des Foramen jugulare zur äußeren Schädelbasis. Innerhalb des Foramen bildet er das kleinere Ganglion superius, direkt unterhalb des Foramen das größere Ganglion inferius, welches in der Fossula petrosa liegt. Beide Ganglien sind vorwiegend sensibel. Verlauf: Zunächst zwischen A. carotis interna und V. jugularis interna, darauf wendet er sich hinter der V. jugularis und dem M. stylopharyngeus lateral- und abwärts, zieht an der late-

4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales

263 N. petrosus minor

Nn. caroticotympanici

Ganglion superius [intracraniale]

Plexus tympanicus

Ganglion inferius [extracraniale]

N. tympanicus

N. mandibularis Ganglion oticum

M. levator veli palatini

N. auriculotemporalis Processus pterygoideus

Rami pharyngei

M. tensor veli palatini

Processus styloideus

Mm. palatopharyngeus et _ glossus

M. constrictor pharyngis superior M. styloglossus M. et Ramus m. stylopharyngei Ramus tonsillaris, Tonsilla palatina M. genioglossus M. mylohyoideus

Ramus lingualis M. hyoglossus

Os hyoideum

M. geniohyoideus

Cartilago thyroidea

M. constrictor pharyngis inferior [laryngopharyngicus]

M. thyrohyoideus M. cricothyroideus

Oesophagus

Trachea

Abb. 4.65: Schematische Übersicht über die Lage und Verzweigung des N. glossopharyngeus

ralen Seite des M. stylopharyngeus abwärts, um schließlich im Bogen zwischen diesem und dem M. styloglossus zur Zunge zu gelangen. £ Vom Ganglion inferius gehen ab: w N. tympanicus. Er gelangt durch den Canalicu-

lus tympanicus in die Paukenhöhle. Hier bildet er: 1. mit dem Ramus communicans cum plexu tympanico (aus dem Facialis-Intermedius) und 2. mit den Nn. caroticotympanici (aus dem sympathischen Geflecht um die A. carotis int.) den Plexus tympanicus (für die Schleimhaut der Paukenhöhle, der Innenseite des Trommelfells und der Tuba auditiva). Er zieht durch den Canalis n. potrosi minoris auf die vordere Fläche der Felsenbeinpyramide und heißt hier N. petrosus minor. Dieser gelangt durch die Fissura sphenopetrosa zum Ganglion oticum (am N. mandibularis). Die parasympathische (sekretorische) Verbindung des N. glossopharyngeus über N. tympanicus und N. petrosus minor mit dem Ganglion oticum bezeichnet man als Jakobson-Anastomose. Über den weiteren

Verlauf der sekretorischen Fasern bis zur Gl. parotidea, s. Kap. 4.13.2.1, S. 278. w Verbindungsäste:

• zum N. vagus (dicht unterhalb des Ganglion superius • zum R. auricularis n. vagi • zum N. facialis (R. digastricus) • zum Ganglion cervicale superius des Sympathicus £ Periphere Äste w Ramus sinus carotici, ein für die Blutdruckrege-

lung wichtiger Ast zum Sinus caroticus (s. Kap. 4.9.1, S. 244) w Rami pharyngei. Sie bilden mit Ästen des N. vagus und mit Sympathicusfasern den Plexus pharyngeus w Ramus m. stylopharyngei zum M. stylopharyngeus w Rami tonsillares für die Schleimhaut der Gaumenmandel und der Gaumenbögen

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

264

men jugulare. Im Foramen bildet er das sensible Ganglion superius. Anschließend nimmt er den R. internus n. accessorii auf und schwillt 1 cm unterhalb des Foramen zum länglichen, vorwiegend sensiblen Ganglion inferius an. Lage: In der Furche zwischen V. jugularis interna und A. carotis interna bzw. A. carotis communis zieht er abwärts zur Brusthöhle.

R. meningeus, Foramen jugulare Ramus internus n. accessorii Ganglion superius [jugulare] Ramus auricularis Ganglion inferius [nodosum] Rami pharyngei Ramus internus  n. laryngei  superioris Ramus externus 

£ Kopfteil (von der Medulla oblongata bis zum

R. cardiacus superior, A. carotis communis

w Ramus meningeus durch das Foramen jugulare

Ganglion inferius)

Truncus vagalis anterior

rückläufig zur Schädelhöhle (zur Dura mater im Bereich des Sinus transversus und Sinus occipitalis). w Ramus auricularis. Er zieht vom Ganglion superius zur Fossa jugularis und durch den Canaliculus mastoideus hinter das Ohr, von wo ein Ast mit dem N. auricularis posterior des N. facialis weiterzieht und der andere Ast zur Ohrmuschel, zum Trommelfell und zur hinteren unteren Wand des äußeren Gehörganges verläuft. w Verbindungsäste zum Ganglion inferius des N. glossopharyngeus. w Aufnahme des Ramus internus des N. accessorius.

Diaphragma

£ Halsteil (vom Ganglion inferius bis zur Abgabe

M. cricothyroideus Rami tracheales Rami oesophagei A. subclavia Ramus cardiacus inferior N. vagus sinister, Arcus aortae N. laryngeus recurrens sinister Rami bronchiales

Oesophagus, Plexus oesophageus Truncus vagalis posterior

des N. laryngeus recurrens)

Rami gastrici posteriores Rami gastrici anteriores

w Verbindungsäste w

Ramus hepaticus

Ganglion coeliacum

Abb. 4.66: Schematische Übersicht über Lage und Verzweigung des N. vagus bis zum Magen

w Rami linguales für die Schleimhaut des hinteren

Drittels der Zunge (sekretorisch, sensibel und sensorisch als Geschmacksfasern).

10. N. vagus, N. X (Abb. 4.66). Motorisch, sensibel, sensorisch und parasympathisch. Er verlässt mit 10–15 Fäden im Sulcus lateralis posterior unterhalb des N. glossopharyngeus die Medulla oblongata, tritt mit dem N. accessorius in einer gemeinsamen Durascheide (getrennt vom N. glossopharyngeus) aus der Schädelhöhle durch den vorderen Teil des Fora-

w

• •

zum Ganglion cervicale superius des Sympathicus und zum N. hypoglossus Rami pharyngei (ein oberer und ein unterer Ast) bilden mit dem N. glossopharyngeus und Sympathikusfasern den Plexus pharyngeus. Dieser enthält sensible und motorische Fasern zu den Schlundschnürern, den Gaumenbogenmuskeln, zum M. levator veli palatini und M. uvulae. Ein zarter Ast zieht zur Zunge, von dort: 1. Mit dem N. hypoglossus nach peripher. 2. Zum sympathischen Geflecht der A. carotis externa. N. laryngeus superior. Der obere Kehlkopfnerv verläuft an der medialen Seite der A. carotis interna und teil sich in: Ramus externus zum M. constrictor pharyngis inferior und zum M. cricothyroideus sowie Fasern zur Schilddrüse. Ramus internus. Er zieht durch die Membrana thyrohyoidea zur Schleimhaut des Kehlkopfes und der Zungenwurzel und verbindet sich mit dem N. laryngeus inferior.

4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales

w Rami cardiaci superiores, 2–3 Äste, die zwi-

schen N. laryngeus superior und inferior abgehen und längs der A. carotis communis zur Aorta und zum Plexus cardiacus gelangen. w N. laryngeus recurrens, der rückläufige Nerv, zieht rechts um die A. subclavia, links um den Arcus aortae (genauer: um das Lig. arteriosum, s. Kap. 2.3.1.4, S. 51) und verläuft zwischen Oesophagus und Trachea aufwärts bis zum Kehlkopf. Er gibt in seinen Verlauf ab: • Rami cardiaci inferiores. Sie gehen Verbindungen mit dem Sympathicus ein und ziehen zum Plexus cardiacus (s. Kap. 10.7.1.6, S. 868) • Rami tracheales zum Halsteil der Luftröhre • Rami oesophagei zum Halsteil der Speiseröhre • N. laryngeus inferior. Der untere Kehlkopfnerv teilt sich in einen vorderen und hinteren Ast, welche sämtliche Muskeln des Kehlkopfes mit Ausnahme des M. cricothyroideus und die Kehlkopfschleimhaut unterhalb der Stimmritze versorgen. Der hintere Ast verbindet sich mit dem N. laryngeus superior (Ansa Galeni, s. Kap. 4.16.6, S. 335). £ Brustteil (vom Abgang des N. laryngeus recur-

rens bis zum Hiatus oesophageus des Zwerchfells)

w Rami bronchiales anteriores bilden vor dem

Hilus der Lunge den Plexus pulmonalis anterior. w Rami bronchiales posteriores bilden hinter dem Hilus der Lunge den starken Plexus pulmonalis posterior. Beide Plexus geben Zweige an die Pleura ab und versorgen die Lunge (s. Kap. 10.6.7, S. 833). w Rami oeseophagei beider Seiten bilden um den Oesophagus den grobmaschigen Plexus oesophageus. Der rechte Vagusstamm liegt der hinteren, der linke der vorderen Speiseröhrenfläche an. Beide Trunci vagales enthalten Fasern aus dem rechten und linken N. vagus (s. Kap. 10.7.5.5.4, S. 895). £ Bauchteil

(nach Durchtritt durch das Zwerchfell)

w Der vordere (linke) Truncus vagalis anterior gibt

folgende Äste ab: • Rami gastrici anteriores zur Vorderfläche des Magens • Rami hepatici zur Leber

265

Der hintere (rechte) Truncus vagalis posterior gibt ab: • Rami gastrici posteriores zur Rückfläche des Magens • Rami coeliaci zum Plexus coeliacus und weiter mit den Gefäßen als Rami lienales zur Milz • Rami renales zu den Nieren • Rami intestinales zum Darm (für Duodenum, Jejunoileum, Caecum, Colon ascendens und die ersten zwei Drittel des Colon transversum) bis zum Cannon-Böhm-Punkt (s. Kap. 12.3.5.1, S. 996). 11. N. accessorius, N. XI. Dieser motorische Nerv entspringt mit seinen w Radices spinales aus dem Halsmark zwischen den vorderen und hinteren Spinalwurzeln austretend w Radices craniales unterhalb des N. vagus, hinter der Olive, aus der Medulla oblongata. Die Radíces spinales ziehen durch das Foramen magnum in die Schädelhöhle, vereinigen sich mit den Radices craniales zu einem gemeinsamen Stamm, der zusammen mit dem N. vagus durch das Foramen jugulare die Schädelhöhle verlässt. Unterhalb des Foramen gibt er den Ramus internus (den „Accessorius vagi“, im wesentlichen die Radices craniales) an den N. vagus ab (aus dem Nucleus ambiguus für die Kehlkopfmuskeln). Der Ramus externus (der „Accessorius spinalis“) versorgt den M. sternocleidomatoideus, den M. trapezius und geht Verbindungen zum Plexus cervicalis ein, der ebenfalls beide Muskeln innerviert. 12. N. hypoglossus, N. XII (Abb. 4.67). Er ist der motorische Nerv der Zunge und tritt mit seiner Wurzel im Sulcus lateralis anterior der Medulla oblongata mit 10–15 Fäden aus. Diese sammeln sich zu 2 Bündeln, die getrennt die Dura durchbohren und durch den Canalis n. hypoglossi die Schädelhöhle verlassen. Hier nimmt er Fasern aus dem 1–3. Zervikalnerven auf, die ihn später wieder verlassen. Verbindungen bestehen außerdem zum Ganglion inferus des N. vagus und zum Ganglion cervicale superius des Sympathicus. Lage: Zunächst medial vom N. vagus, gelangt er hinter der A. carotis interna und dem N. vagus an die laterale Seite der Arterie, wendet sich zwischen dieser und der V. jugularis interna ventralwärts und zieht im Bogen über die Äste der A. carotis externa hinweg nach medial, um

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

266 Fossa mandibularis

Tuberculum articulare

M. levator veli palatini

M. tensor veli palatini, Hamulus pterygoideus M. buccinator

Chorda tympani, Processus mastoideus Proc. styloideus, M. constrictor pharyngis sup. Venter posterior m. digastrici, M. stylohyoîdeus

M. levator labii superioris [caninus]

M. styloglossus et V. jugularis interna M. et R. stylopharyngeus A. carotis interna, N. glossopharyngeus A. carotis externa, Radix superior ansae cervicalis

Lingua, M. palatoglossus M. palatopharyngeus, Tonsilla palatina

N. hypoglossus, A. facialis

M. orbicularis oris M. hyoglossus

M. genioglossus, N. lingualis

A. carotis communis

Mandibula (Schnittfläche)

M. et R. thyrohyoideus M. sternocleidomastoideus

M. geniohyoideus Venter superior m. omohyoidei M. sternohyoideus Os hyoideum

M. mylohyoideus Venter anterior m. digastrici

Abb. 4.67: Gaumen-, Zungen-, Mundboden- und Schlundmuskeln. Die 3 „Zungennerven“ und die Gaumentonsille sind von der rechten Seite aus dargestellt. Der M. constrictor pharyngis superior und der M. buccinator sind zum Teil, die rechte Unterkieferhälfte vollständig entfernt

auf der Außenfläche des M. hyoglossus zur Muskulatur der Zunge zu gelangen. £ Äste, die sich nur streckenweise dem N. hypo-

glossus angelagert haben:

w Ramus meningeus zur Dura mater im Bereich

des Sinus occipitalis; die genaue Herkunft dieser sensiblen Fasern ist unbekannt w Radix superior (Ramus descendens n. hypoglossi), Fasern aus dem 1. und 2. Zervikalnerv, die sich streckenweise dem N. hypoglossus anschließen und mit der Radix inferior (N. cervicalis descendens) aus dem 2., 3. und 4. Zervikalnerv die Ansa cervicalis (früher Ansa cervicalis profunda, Ansa hypoglossi) bilden. Aus ihr werden die Unterzungenbeinmuskeln versorgt. w Ramus thyrohyoideus und Ramus geniohyoideus sind Fasern, die den N. hypoglossus als selbstständige Äste zu den gleichnamigen Muskeln verlassen. £ Echte Hypoglossusäste. Der Ursprung ist im

Hypoglossuskern zu finden.

w Rami linguales, motorische Äste zur inneren wie

äußeren Muskulatur der Zunge.

Klinik: Ausfälle von Hirnnerven siehe Kapitel 5.2.6.2, S. 415.

4.12.2

Halsgeflecht, Plexus cervicalis

Es handelt sich um geflechtartige Verbindungen der ventralen Äste der 4 oberen Halsnerven C1–C4 (s. Kap. 2.6.5.3, S. 96; Abb. 4.68). Lage. Der Plexus liegt vor den Ursprüngen des M. scalenus medius und des M. levator scapulae. Verbindungen bestehen zum N. accessorius, N. hypoglossus, und zum Grenzstrang des Sympathicus. Wir unterscheiden £ Hautäste (sensibel)

£ Muskeläste (motorisch)

4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales

267



anterior

N. occipitalis minor

2

N. auricularis magnus

3

N. hypoglossus R. thyrohyoideus



5 6

Ansa cervicalis [n. hypoglossi]

7

N. phrenicus 8

M. trapezius A. transversa colli



4

[

N. transversus colli [N. cutaneus colli] R. muscularis [trapezius] Nn. supraclaviculares



M. levator scapulae

[ [

Radix  R. descendens superior  n. hypoglossi ansae  cervicalis Radix  N. cervicalis inferior  descendens kaudale Zungenbeinmuskeln 

M. splenius capitis



lateralis

[



  

Ast zum M. rectus capitis

Plexus brachialis A. carotis communis dextra A. subclavia dextra

Abb. 4.68: Schema des Plexus cervicalis. Mit 1–8 sind die Rami ventrales der Nn. cervicales bezeichnet. Die Lage des M. sternocleidomastoideus ist durch 2 gestrichelte Linien angedeutet

4.12.2.1 Hautäste (Abb. 4.68–71) Sie erscheinen im mittleren Drittel des Hinterrandes des M. sternocleidomastoideus (Area nervosa plexus cervicalis, Punctum nervosum, Erb-Punkt) und strahlen von hier fächerförmig subkutan über den Hals aus. w N. occipitalis minor (hauptsächlich C2, C3), für

die laterale Hinterhauptsgegend, geht stärkere Verbindungen mit dem N. occipitalis major (s. Kap. 8.9, S. 654) und dem folgenden ein. w N. auricularis magnus (C3) erscheint, unterhalb des vorigen, am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus, kreuzt ihn und verläuft zum Ohr aufwärts. Er zweigt sich auf in: • Ramus anterior für die Haut vor dem Ohr und über dem M. masseter (Regio parotideomasseterica) und für die Haut des Ohrläppchens sowie der konkaven Fläche der Ohrmuschel. • Ramus posterior für die Haut hinter dem Ohr und die Haut der konvexen Fläche der Ohrmuschel.

w N. transversus colli (C3). Er erscheint unmit-

telbar unterhalb des vorigen am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus und wendet sich, bedeckt vom Platysma, über die Außenfläche des Muskels nach ventral zur Haut des ventralen und lateralen Halses. Sein oberster Ast geht eine Verbindung mit dem Ramus colli n. facialis ein (früher Ansa cervicalis superficialis). w Nn. supraclaviculares (C3 und C4). Diese erscheinen unterhalb des vorigen und ziehen divergierend abwärts durch das seitliche Halsdreieck zur Haut der seitlichen Hals-, der unteren Nacken-, oberen Brust- und der Schultergegend. Nach ihrer Lage unterscheiden wir Nn. mediales, intermedii und laterales. Klinik: Durch einen Einstich in der Mitte des Hinterrandes des M. sternocleidomastoideus kann man die gesamte Haut des Halses, der Schulter und des oberen Brustgebietes der betreffenden Körperhälfte anästhesieren. Um alle Äste sicher zu erfassen, muss die Nadel

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

268

N. occipitalis major N. occipitalis minor N. auricularis magnus Ramus colli n. facialis

M. sternocleidomastoideus

Ramus communicans

Lamina superficialis fasciae cervicalis   

Nn. supraclaviculares

Platysma

M. trapezius laterales

N. transversus colli [cutaneus colli]

intermedii

Vv. jugularis externa et anterior Nn. supraclaviculares mediales

Abb. 4.69: Hautnerven und Hautvenen des Halses. Das Platysma ist größtenteils entfernt, die Lamina superficialis der Halsfaszie ist erhalten

während der Injektion subkutan, entlang dem Hinterrand des Muskels, nach kranial und nach kaudal verlagert werden.

4.12.2.2 Muskeläste w Muskeläste (C1–C4) direkt zur tiefen Halsmus-

kulatur (Mm. longus colli, longus capitis, rectus capitis anterior, rectus capitis lateralis, scalenus anterior, medius, posterior levator scapulae, intertransversarii cervicales), ohne sich an der Plexusbildung zu beteiligen. w Radix inferior aus C2–C3. Es sind absteigende Fasern, die sich mit der Radix superior C1–C2 (Ramus descendens n. hypoglossi) zur Ansa cervicalis (n. hypoglossi) verbinden für die Innervation der unteren Zungenbeinmuskulatur und des M. geniohyoideus.

w Ramus trapezius (C3, C4), Ast zum M. trape-

zius.

w Rami sternocleidomastoidei (C2, C3); für den

gleichnamigen Muskel. Der R. trapezius und die Rr. sternocleidomastoidei bilden meist ein Geflecht (Plexus accessoriocervicalis) mit Ästen des N. accessorius. w N. phrenicus (C3–C5 , Abb. 4.71). Er führt motorische Fasern für das Zwerchfell, sensible für den Herzbeutel sowie das Brust- und Bauchfell. Er verläuft nahe oder auf dem M. scalenus anterior abwärts und gelangt zwischen A. und V. subclavia in die Brusthöhle, wo er im vorderen Mediastinum mit der A. thoracica interna über die Pleurakuppel zieht und vor der Lungenwurzel und zwischen Pleura pericardiaca und Perikard zum Zwerchfell gelangt (s. Kap. 10.7.10, S. 900).

4.12 Nerven des Kopfes, Nervi craniales, und des Halses, Nervi cervicales

269

N. trigeminus (V2) N. trigeminus (V1)

R. zygomaticotemporalis

N. supraorbitalis

N. auriculotemporalis

N. lacrimalis

N. vagus (R. auricularis)

N. supratrochlearis

N. occipitalis major

N. infratrochlearis N. infraorbitalis R. nasalis externus

N. occcipitalis minor N. auricularis magnus R. zygomaticofacialis

Nn. cervicales

V/1

N. transversus [cutaneus] colli

N. buccalis

Nn. supraclaviculares

N. mentalis

C2 V/2 V/3

N: mylohyoideus

C3

C4

Abb. 4.70: Hautnerven des Kopfes und Halses. Die sensiblen Versorgungsgebiete der 3 Trigeminusäste und der Zervikalnerven sind durch verschiedene Schraffierung wiedergegeben. Inset: Übersicht über Innervationsgebiete mit dazugehörigen Nerven

Äste: • Rami pericardiaci, (sensible Äste, meist nur rechts) zur vorderen Fläche des Herzbeutels. • sensible Äste zur Pleurakuppel und Pleura mediastinalis. • Rami phrenicoabdominales (als Endäste). Motorische und sensible Äste zum Zwerchfell. Der Ramus phrenicoabdominalis tritt rechts durch das Foramen v. cavae, links durch die Pars lumbalis oder den Hiatus oesophageus durch das Zwerchfell. Er bildet mit Zweigen des Sympathicus den Plexus phrenicus. Nebenphrenikus. In 20–25 % erhält der N. phrenicus aus unteren Zervikalnerven (C5, C6) akzessorische Zweige, die als Nebenphrenikus, N. phrenicus accessorius, bezeichnet werden. Klinik: Die Existenz eines Nebenphrenicus wurde als häufiger Grund für Misserfolge bei der früher gebräuchlichen Durchschneidung des N. phrenicus (Phrenikotomie) angesehen.

4.12.3

C5

Kopfsympathicus

Wie überall, erreicht der Sympathicus von den 3 Halsganglien, Ganglia cervicales superius, medium und zumeist cervicothoracicum (G. stellatum), aus die Erfolgsorgane über die Gefäße (Plexus carotis internus und externus) (s. Kap. 2.6.6.5, S. 104).

4.12.4

Kopfparasympathicus

Von den parasympathischen Kopfganglien Ganglion ciliare, G. pterygopalatinum, G. submandibulare, G. oticum erreichen die postganglionären Fasern die Erfolgorgane mit peripheren Ästen des N. trigeminus. In erster Linie handelt es sich um sekretorische Fasern (s. Kap. 2.6.6.6, S. 106).

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

270 N. occipitalis major, A., V. occipitalis

M. sternocleidomastoideus, N. accessorius

Glandula parotidea, Fascia parotidea

Fascia masseterica

A., V. facialis

N. occipitalis minor M. splenius capitis M. trapezius V. jugularis externa N. hypoglossus, V. jugularis interna N. auricularis magnus

M. digastricus (Venter anterior)

Radix inferior ansae cervicalis N. transversus [cutaneus] colli N. accessorius, M. levator scapulae

Glandula submandibularis M. stylohyoideus, M. digastricus (Venter posterior) M. hyoglossus, A. lingualis M. et R. thyrohyoideus R. internus n. laryngei superioris, A. laryngea sup. R. externus n. laryngei superioris Ansa cervicalis [n. hypoglossi], A. thyroidea superior N. vagus, Glandula thyroidea

Nn. supraclaviculares R. muscularis [trapezius] N. dorsalis scapulae N. thoracicus longus, M. scalenus medius A. transversa colli (Ram. superficialis) M. scalenus posterior Plexus brachialis A. transversa colli (Ramus prof.) N., A., V. suprascapularis

M. scalenus anterior, A., V. subclavia

Clavicula

Nn. supraclaviculares mediales

M. omohyoideus (Venter superior), R. muscularis N. phrenicus A. cervicalis ascendens M. sternothyroideus, R. muscularis M. sternohyoideus, R. muscularis Truncus thyrocervicalis A. carotis communis, V. jugularis int. M. sternocleidomastoideus

Abb. 4.71: Nerven und Gefäße der rechten Halsseite. Die Lamina superficialis der Halsfaszie im Bereich des Trigonum submandibulare ist erhalten. M. sternocleidomastoideus, M. omohyoideus und V. jugularis interna wurden zum Teil entfernt

4.13

Mundhöhle, Cavitas oris

Lernziele: Begrenzung der Cavitas oris, Zunge, Speicheldrüsen, Gaumen Die Mundhöhle bildet den Anfangsteil des Verdauungstraktes (Abb. 4.72). Gliederung und Begrenzung £ Eigentliche Mundhöhle, Cavitas oris propria,

Raum einwärts der Zahnbögen

£ Vorhof der Mundhöhle, Vestibulum oris, Raum

außerhalb der Zahnbögen.

Begrenzung (Abb. 4.73) der Cavitas oris propria vorn: Lippen, Labia oris hinten bzw. medial: die mit Zahnfleisch, Gingiva, bedeckten Alveolarfortsätze des Ober- und Unterkiefers und die Zähne, Dentes seitlich: Wangen, Buccae oben: harter und weicher Gaumen, Palatum durum und P. molle Beim zahnlosen Mund entfällt die Unterteilung in Vorhof und eigentliche Mundhöhle.

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

271

£ Lippen (Labia) und Wangen (Buccae) haben

eine muskuläre Grundlage (M. orbicularis oris bzw. M. buccinator), eine Außenseite mit Haut und Anhangsgebilden sowie eine Innenseite mit Schleimhaut (unverhorntes Plattenepithel, Drüsen, Glandulae labiales und buccales). Lippenrot ist der freie Rand der Lippe. Durch das nur leicht verhornte Epithel schimmern die dicht liegenden subepithelialen Kapillaren durch. Lippenbändchen. Ober- und Unterlippe sind durch eine Schleimhautfalte mit der Gingiva verbunden, Frenulum labii superioris und F. labii inferioris.

Philtrum Palatum molle Uvula Arcus palatopharyngeus Arcus palatoglossus Tonsilla palatina Lingua

Abb. 4.72: Mundhöhle (genauer: Cavitas oris propria) bei weit geöffnetem Mund und herausgestreckter Zunge. Demonstration der Gaumenbögen

A. vertebralis Processus mastoideus V. jugularis interna Glandula parotidea A. carotis externa, V. retromandibularis Processus styloideus und Stylomuskeln N. alveolaris inferior

Medulla spinalis A. carotis interna, Nn. IX, X, XI, XII, Truncus sympathicus prävertebrale Muskeln Spatium lateropharyngeum Spatium retropharyngeum M. constrictor pharyngis superior M. palatopharyngeus

M. pterygoideus medialis Ramus mandibulae M. masseter

Tonsilla palatina M. palatoglossus M. constrictor pharyngis superior Raphe pterygomandibularis

N. lingualis V. facialis M. buccinator

Lingua

A. facialis M. orbicularis oris

Abb. 4.73: Querschnitt durch den Kopf in Höhe des Foramen mandibulae bei maximal geöffnetem Mund. Die Injektionsnadel zeigt den Weg bei einer Methode der Mandibularanästhesie. Zur Darstellung der Bindegewebsräume sind die Faszien (weiß) schematisch hervorgehoben. Der schwarze Pfeil zeigt den Ausbreitungsweg von Ergüssen aus dem Spatium pharyngeum in die Parotisloge

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

272

4.13.1

Zunge, Lingua

£ Embryologie (4.74). Der Schleimhautanteil der

Zunge entsteht aus dem 1.–4. Schlundbogen. Zunächst erscheint der unpaare mittlere Zungenwulst, Tuberculum impar, welcher aus dem 1. Schlundbogen gebildet wird. Dahinter tritt das kleine Tuberculum thyroideum auf, dessen entodermales Epithel sich zur Schilddrüsenanlage einsenkt. Nachdem der Ductus thyroglossalis abgeschnürt ist, bleibt seine Öffnung als Foramen caecum erhalten. Etwas später entwickeln sich auf dem 1. Schlundbogen die paarigen seitlichen Zungenwülste, Tubercula lingualia lateralia. Nach ihrer starken Vergrößerung verbinden sie sich mit dem Tuberculum impar und bilden die vor der Linea terminalis gelegenen vorderen zwei Drittel der Zunge. Die Zungenwurzel entsteht aus einem unpaaren medianen Wulst, der Copula, welche vom 2., 3. und 4. Schlundbogen gebildet wird.

Die Zungenmuskulatur wandert zusammen mit dem N. hypoglossus aus dem Bereich der Okzipitalmyotome in die Zungenanlage ein. £ Funktionen

• Transport- und mechanische Funktionen in der Mundhöhle: beim Kauen wird die Nahrung durch den Zungenkörper immer wieder zwischen die Kauflächen der Zähne geführt und zum Isthmus faucium befördert. Weichere Bestandteile der Nahrung werden durch Druck des Zungenkörpers gegen den harten Gaumen zermahlen und ebenfalls zur Schlundenge

gebracht; Unterstützung bei der Einspeichelung der Nahrung. • Geschmacksfunktion: Durch die im Bereich der Zunge gelegenen Geschmacksknospen wird die Nahrung chemisch analysiert. • Sprachfunktion: Eine gute Verformbarkeit der Zunge mit Hilfe äußerer und innerer Zungenmuskeln hat für die Bildung von Lauten Bedeutung. • Tastfunktion: Sensible Endkörperchen der Zungenschleimhaut machen die Zunge zum Tastorgan. Dabei werden die Objekte mit einem Vergrößerungsfaktor von 1,6 analysiert.

4.13.1.1 Aufbau Die Zunge wird untergliedert in: £ Zungenkörper, Corpus linguae und £ Zungenwurzel, Radix linguae.

Die Grenze zwischen Corpus und Radix linguae ist der V-förmige, nach vorn offene Sulcus terminalis linguae, der an seiner Spitze das Foramen caecum linguae, den verödeten Rest des Ductus thyroglossalis, aufweist. Die Zungenspitze, Apex linguae, bildet den vorderen Teil des Zungenkörpers. Apex und Corpus linguae gehen ohne scharfe Grenze ineinander über (Abb. 4.75). Klinik: Erfolgt der Descensus der Schilddrüsenanlage nicht oder unvollständig, so findet man in der Umgebung des Foramen caecum Drüsengewebe, welches durch permanente

Tubercula lingualia lateralia

Tuberculum impar

I II

Sulcus terminalis Foramen caecum linguae

III IV

Boden des Schlunddarms

Copula Epiglottiswulst Zungenentwicklung

Formung der Zunge

Abb. 4.74: Zungenentwicklung (nach G.-H. Schumacher). I–IV: Schlundbögen

Boden des Schlunddarms

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

273

Zungenmandel, eines in der Schleimhaut der Zungenwurzel angesiedelten lymphatischen Gewebes (allgemeiner Aufbau siehe Kap. 4.14.5).

Plica glossoepiglottica mediana

Pars anterior

Vallecula epiglottica Plica glossoepiglottica lateralis

Pars posterior

Aditus laryngis Recessus piriformis Rima glottidis

Abb. 4.75: Zunge von dorsal (G.-H. nach Schumacher)

mechanische, termische und chemische Reize pathologisch verändert werden kann. 4.13.1.1.1 Schleimhaut Das Dorsum linguae, der an der Zungenoberfläche gelegene Zungenrücken, geht am Margo linguae in die Facies inferior linguae über, ist konvex gekrümmt und weist in der Mitte den Sulcus medianus linguae auf. Gegliedert wird es in einen vor dem Sulcus terminalis linguae gelegenen vorderen Teil, Pars praesulcalis, und die hinter dem Sulcus terminalis gelegene Pars postsulcalis. Die Schleimhaut der Pars presulcalis weist Rauhigkeiten an ihrer Oberfläche auf, welche als Papillae linguales, Zungenpapillen, bezeichnet werden. Wir unterscheiden £ fadenförmige Papillen, Papillae filiformes,

£ pilzförmige Papillen, Papillae fungiformes, £ blattförmige Papillen, Papillae foliatae, £ umwallte Papillen Papillae vallatae.

Die Papillae fili- und fungiformes liegen auf dem Zungenrücken, die Papillae vallatae, 8–15 an der Zahl, vor dem Sulcus terminalis und die Papillae foliatae an den hinteren Seitenrändern der Zunge. Die Oberfläche der Pars postsulcalis ist glatt und zeigt Öffnungen der Krypten der Tonsilla lingualis,

Die Facies inferior linguae ist glatt. In der Mitte verbindet das Frenulun linguae die Unterfläche der Zunge mit der ventralen Innenseite des Unterkiefers. Seitlich davon verlaufen rechts und links die Plicae fimbriatae vom Zungenrand zur Zungenspitze. An der Grenze zum Mundboden liegt die Plica sublingualis, auf welcher im Bereich der Caruncula sublingualis die großen Ausführungsgänge der Unterkiefer- und Unterzungendrüse, Ductus sublingualis major, Ductus sublinguales minores, Ductus submandibularis, münden. £ Schleimhaut. Die Oberfläche der Zunge ist vor

dem Sulcus terminalis linguae von einer spezialisierten Schleimhaut bedeckt. Die Schleimhaut ist unverschieblich an der Aponeurosis linguae befestigt, eine Tela submucosa fehlt. Die Lamina propria bildet Bindegewebspapillen, welche Grundlage massiver Papillenstöcke, der Primärpapillen sind, aus denen Sekundärpapillen hervorgehen. Diese erreichen die Basis der Lamina epithelialis. Die Zungenpapillen bilden makroskopisch sichtbare Erhebungen auf der gesamten presulkalen Schleimhaut des Zungenrückens. £ Papillae filiformes. Sie bedecken den gesamten Zungenrücken und sind von einem mehrschichtigen, orthokeratinisierten Plattenepithel bedeckt. Jede Primärpapille der Lamina propria trägt 10–30 Sekundärpapillen, deren Spitzen häufig rachenwärts gerichtet sind. Freie Nervenendigungen enden im Epithel bzw. subepithelial. Im subepithelialen Bindegewebe liegen umschriebene Endorgane in Form von Endknäulen nichtmyelinisierter Nervenfasern, lamellierter Körperchen oder Meissner-Tastkörperchen. Damit können die Papillae filiformes Tastempfindungen mit einem Vergrößerungsfaktor von 1,6 vermitteln. £ Papillae fungiformes. Sie sind weniger häufig vertreten als die Papillae filiformes, liegen lose zwischen diese eingestreut besonders häufig in der Zungenspitze und am Zungenrand. Oberflächlich sind sie als hellrote Punkte zwischen den Papillae filiformes sichtbar. Die Papillen besitzen eine breit ausladende, glatte, kuppeloder zapfenförmige Oberfläche. Von der rundlich ovalen, kegelförmigen Primärpapille gehen

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

274

wenige kurze Sekundärpapillen ab. An der Papillenperipherie liegt ein Gefäßplexus, der die hellrötliche Farbe der Papille bedingt. Die Papille ist von einem mehrschichtigen para- bis orthokeratinisiertem Epithel bedeckt, welches an der Oberfläche Geschmacksknospen enthält. Das Bindegewebe enthält zahlreiche lamellierte Mechano- und Thermorezeptoren sowie freie Nervenendigungen. Die Papillae fungiformes dienen damit der Geschmacksempfindung und haben mechanische Funktionen. £ Papillae foliatae. Sie liegen am hinteren seitlichen Rand der Zunge, in der Nähe des Übergangs zum Arcus palatoglossus. Die Papillen sind dicht nebeneinander gelagert, so dass ihr Querschnitt den Zinnen eines Burgwalls ähnelt. In den Seitenwänden des para- bis orthokeratinisierten, tiefe Zapfen bildenden Epithels liegen Geschmacksknospen. Am Grund der epithelialen Einfaltungen münden die Ausführungsgänge seröser v. Ebnerscher Spüldrüsen, deren Endstücke in der Lamina propria liegen. £ Papillae vallatae, in der Regel 8–10 an der Zahl, liegen am vorderen Rand des Sulcus terminalis linguae. Sie bestehen aus einer breiten Primärpapille, von welcher zahlreiche, sehr kurze Sekundärpapillen entspringen. Die Papillen sind von einem Wallgraben umgeben und überragen das Niveau der Umgebung nicht. Die Oberfläche und die Epitheleinfaltungen sind von einem orthokeratinisierten Epithel bedeckt. Im latera-

len Epithel jeder Papille befinden sich mehrere hundert Geschmacksknospen. In der Tiefe der Wallgräben münden Ausführungsgänge (pro Wallgraben ca. 35) rein seröser v. Ebner-Spüldrüsen aus. £ Unterseite der Zunge: Sie ist von einer papillenfreien Schleimhaut bedeckt, die in ihrem Bau der des Mundbodens entspricht. Das mehrschichtige unverhornte Plattenepithel liegt einer Lamina propria auf, welche lose mit den Faszien der Zungenmuskulatur verbunden ist. Eine Tela submucosa fehlt (Abb. 4.81). Klinik: Die Färbung und Oberflächenbeschaffenheit der Zungenschleimhaut kann sich unter verschiedenen physiologischen (z. B. Farbe der Nahrung) und pathologischen Einflüssen charakteristisch verändern. Eine sog. Himbeerzunge mit hervortretenden roten Papillen ist Merkmal einer Scharlachinfektion. Bei perniziöser Anämie (= Blutarmut bei Vit. B12-Mangel) ist die Zunge auffällig glatt, rot, brennend; begleitend kommt es zu Geschmacks- und Sensibilitätsstörungen. 4.13.1.1.2 Zungenmuskulatur Wir unterscheiden äußere Zungenmuskeln und innere Zungenmuskeln. Die äußeren Zungenmuskeln entspringen am Skelett des Schädels,

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Abb. 4.76: a. Motorische (links), sensible und parasympathische (rechts) Innervation der Zunge. (verändert nach H. Rein und M. Schneider), b. Verteilung der verschiedenen Drüsenarten auf der Zunge

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

275

die inneren in der Zunge selbst. Alle Muskeln enden mit feinen Sehnen an der Aponeurosis linguae und am Septum linguae. Äußere Zungenmuskeln (Abb. 4.77, 4.78) 1. M. genioglossus O.: an der Spina mentalis des Unterkiefers I.: Er strahlt in einem sagittal gestellten Fächer in die Zunge ein. L.: N. hypoglossus, A. lingualis F.: Der Muskel senkt den Zungenrücken und zieht den Zungengrund nach vorn. Folglich kann bei seiner Kontraktion die Zunge herausgestreckt werden. 2. M. styloglossus O.: Er entspringt am Proc. styloideus. I.: Seine Fasern ziehen nach vorn unten in die Zunge ein und verflechten sich mit denen des M. hyoglossus. L.: N. hypoglossus, A. lingualis F.: Bei Muskelkontraktion wird der Zungenkörper zurückgezogen. 3. M. hyoglossus O.: am Körper des Zungenbeins sowie am großen (M. ceratoglossus) und kleinen Zungenbeinhorn (M. chondroglossus).

I.: Die Muskelfasern betreten von unten hinten den Zungenkörper. L.: N. hypoglossus, A. lingualis F.: Bei Kontraktion der vorderen Muskelfasern wird die Zunge nach hinten gezogen. Bei Gesamtkontraktion des M. hyoglossus wird die Zunge vor allem im hinteren Abschnitt abgeflacht 4. M. palatoglossus (s. Gaumenmuskeln, Kap. 4.13.4, S. 299) Innere Zungenmuskeln 1. M. longitudinalis superior: Die Fasern verlaufen unter der Zungenaponeurose von der Zungenwurzel bis zur Zungenspitze. M. longitudinalis inferior: Er verläuft an der Unterfläche der Zunge. L.: N. hypoglossus, A. lingualis F.: Die Longitudinalmuskeln verkürzen die Zunge; bei Kontraktion des M. longitudinalis superior wird der Zungenrücken konkav gekrümmt. Eine Kontraktion des M. longitudinalis inferior bewirkt eine konvexe Krümmung des Zungenrückens. 2. M. transversus linguae: Er zieht vom Zungenrand zum Zungenseptum. Einige Fasern durchtreten das Zungenseptum, um am Zungenrand der Gegenseite anzusetzen.

Facies inferior linguae Glandula lingualis anterior [apicalis] M. longitudinalis inferior Septum linguae M. genioglossus M. palatoglossus

M. hyoglossus (Schnittfläche)

M. styloglossus M. constrictor pharyngis superior, Pars glossopharyngea

M. hyoglossus

Pars ceratopharyngea

M. constrictor pharyngis medius Pars chondropharyngea Cornu majus M. hyoglossus (Schnittfläche) Corpus ossis hyoidei

Abb. 4.77: Basalansicht der am Zungenbein befestigten Zunge mit Zungen-, Schlund- und Kehlkopfmuskeln (nach P. Köpf-Maier)

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

276 N. auriculotemporalis

A. meningea media Chorda tympani A. maxillaris N. lingualis

N. facialis N. alveolaris inferior N. glossopharyngeus M. styloglossus M. digastricus, Venter posterior M. stylohyoideus N. hypoglossus A. lingualis

A. sublingualis A. profunda linguae

Abb. 4.78: Nerven und Arterien der Zunge (nach G.-H. Schumacher)

L.: N. hypoglossus, A. lingualis F.: Durch Kontraktion der Transversalfasern wird eine Annäherung der Zungenränder und damit eine Zungenstreckung bewirkt. 3. M. verticalis linguae: Die Muskelfasern steigen nahezu senkrecht von der Unterseite der Zunge zur Zungenaponeurose auf. L.: N. hypoglossus, A. lingualis F.: Durch eine teilweise Kontraktion wird eine Rinne im Zungenrücken gebildet, Gesamtverkürzung der Fasern führt zur Abflachung der Zunge.

4.13.1.2 Gefäße und Nerven Arterien A. carotis externa → A. lingualis Venen V. lingualis → V. facialis → V. jugularis interna V. sublingualis → V. comitans n. hypoglossi → V. facialis oder V. jugularis interna Lymphabfluss (Abb. 4.79). Der Lymphabfluss erfolgt in den Truncus jugularis.

Regionale Lymphknoten (Abb. 4.79) Hintere Abflussbahn (Radix linguae): Nll. cervicales profundi superiores, Nl. juguloomohyoideus Mittlere Abflussbahn : Nll. cervicales profundi superiores, insbesondere Nl. jugulodigastricus Vordere Abflussbahn (Zungenspitze): Nll. submentales, Nll. submandibulares → Nll. cervicales profundi superiores et inferiores Nerven (Abb. 4.76 a, 78) Schleimhaut 1. sensibel: N. mandibularis → N. lingualis: vordere 2/3 (vor dem Sulcus terminalis) N. glossopharyngeus: hinteres 1/3 (hinter dem Sulcus terminalis) N. vagus → N. laryngeus superior: Übergangsgebiet zur Epiglottis 2. sensorisch: N. intermedius (N. facialis) → Chorda tympani → N. lingualis: Papillae fungiformes N. glossopharyngeus: Papillae vallatae et foliatae N. vagus: Übergangsgebiet zur Epiglottis

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

277

3. parasympathisch: N. glossopharyngeus, N. vagus → intramurale Ganglien: Gll. linguales N. facialis (intermedius) → Chorda tympani → N. lingualis → Ganglion submandibulare: Glandula lingualis anterior 4. sympathisch: Ganglion cervicale superius → Plexus caroticus externus: Zungendrüsen Muskulatur N. hypoglossus

sowie die Glandula sublingualis, Unterzungendrüse. Kleine Speicheldrüsen, Glandulae salivariae minores, sind überall in der Schleimhaut der Mundhöhle lokalisiert. Es werden je nach Lage Glandulae labiales, buccales, palatinae, linguales und molares unterschieden (Abb. 4.80). Klinik: Bei Verschluss eines kleinen Ausführungsganges entwickelt sich eine Sekretretention, die Ranula (Fröschleingeschwulst) £ Funktionen

4.13.2 Große Kopfspeicheldrüsen, Glandulae salivariae majores £ Embryologie

Die großen und kleinen Kopfspeicheldrüsen entstehen durch Aussprossungen aus dem Epithel der Mundhöhle und sind mit ihrem Ursprungsort über Ausführungsgänge verbunden. Zu den großen Kopfspeicheldrüsen gehören die Glandula parotidea, Ohrspeicheldrüse, die Glandula submandibularis, Unterkieferdrüse,

• in der Mundhöhle beginnt die enzymatische Aufspaltung von Stärke durch α-Amylase des Speichels • durch ein weiteres Produkt, Lysozym, wird die Bakterienflora kontrolliert • es erfolgt eine immunologische Abwehr durch Bereitstellung von IgA-Sekretkomplexen • neben der Schutzfunktion hat der Speichel auch reinigende Funktion in der Mundhöhle • er nimmt an der Remineralisierung von Zahnhartsubstanzen teil • er trägt zur Schluckbarkeit und Transportfähigkeit der Nahrung bei • er ist Lösungsmittel für Geschmacksknospen.

Zungenrücken

Zungenspitze Zungenrand

Zahnfleisch

Wange

Nll. submandibulares Glandula submandibularis Glandula sublingualis

Nll. submentales

Nll. cervicales V. jugularis interna

Abb. 4.79: Lymphbahnen und regionale Lymphknoten der Zunge, der Unterzungengegend, der Zähne, des Zahnfleisches und der Wange. Die Pfeile geben die Strömungsrichtung an. Schematischer Frontalschnitt in Anlehnung an L. Rouvière

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

278

£ Speichel

Speichel, das Produkt der großen und kleinen Kopfspeicheldrüsen, wird in einer Menge von ca. 1 l pro Tag produziert. Es ist eine farblose visköse Flüssigkeit, die Wasser, Mukoproteine, Immunglobuline, anorganische Ionen, Proteine und sog. Speichelkörper enthält. Speichel wird kontinuierlich und stimuliert sezerniert. Für die Speichelsekretion haben mechanische, chemische, olfaktorische und psychische Reize stimulierende Bedeutung.

4.13.2.1 Ohrspeicheldrüse, Glandula parotidea £ Lage, Aufbau

Die Ohrspeicheldrüse ist die größte der 3 Kopfspeicheldrüsen und liegt in der Regio parotideomasseterica. Der vordere Abschnitt liegt auf dem M. masseter, der Oberrand ist fingerbreit vom Arcus zygomaticus entfernt, hinten grenzt die Ohrspeicheldrüse an den äußeren Gehörgang, den Tragus, Processus mastoideus und den oberen Abschnitt des M. sternocleidomastoideus. Der Hauptteil der Drüse liegt hinter dem Ramus mandibulae und erreicht die Innenfläche des M. pterygoideus medialis sowie die vom Proc. styloideus entspringenden Muskeln.

Ihr Hauptausführungsgang ist der Ductus parotideus (Stenon-Gang). Er ist ca. 1 cm vom Arcus zygomaticus entfernt und liegt auf einer Linie, welche vom Ansatz des Ohrläppchens am Kopf zum Lippenrot der Oberlippe gezogen werden kann. Über den M. masseter hinwegziehend biegt der Hauptausführungsgang in die Tiefe ab, durchdringt den M. buccinator und mündet an der Papilla parotidea in das Vestibulum oris gegenüber dem 2. oberen Molaren. Entlang des Ductus parotideus kann sich Drüsengewebe der Parotis befinden. Dieses wird als Glandula parotidea accessoria bezeichnet. Der Lobus colli ist von lockerem Bindegewebe überzogen, dem die Lamina superficialis der Fascia colli und das Platysma aufgelagert sind. Unter dem im Halsbereich gelegenen Lappen liegen der M. stylohyoideus und der Venter posterior des M. digastricus. Dem oberen Teil der Drüse liegt die derbe Fascia parotideomasseterica auf. Diese schickt feine Septen in das Innere des Organs, so dass sich die Parotis nicht aus ihrem Drüsenlager herausschälen lässt. Am M. masseter und M. sternocleidomastoideus heftet sie ebenfalls fest an. Die Glandula parotidea wird im retromandibulären Bereich von der A. carotis externa, der V. retro-

Glandula parotidea accessoria Ductus parotideus

Glandula parotidea

Glandulae molares Glandulae labiales

M. masseter

Glandulae buccales Glandula lingualis anterior

M. mylohyoideus Ductus sublinguales minores Glandula sublingualis Glandula submandibularis

Abb. 4.80: Kopfspeicheldrüsen (nach G.-H. Schumacher)

Ductus submandibularis

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

mandibularis, dem N. auriculotemporalis und dem Stamm des N. facialis durchsetzt. Im vorderen Teil der Drüse liegen der Plexus parotideus des N. facialis, die A. transversa fasciei und der Ductus parotideus. Die Glandula parotidea wird im Bereich des Plexus parotideus in eine Pars superficialis und eine Pars profunda geteilt. £ Histologie. Die Glandula parotidea ist eine rein

seröse Drüse. In den Drüsenläppchen, intralobulär, findet man neben Endstücken Schalt- und Streifenstücke. Die größeren Ausführungsgänge liegen interlobulär. Im Bindegewebe liegen Nerven sowie Blut- und Lymphgefäße. Gelegentlich findet man Ansammlungen von Lymphozyten und Plasmazellen. Das Vorkommen von Fettzellen ist normal.

Klinik: 1. Die Beziehungen zu den Gefäßen und Nerven erschweren das vollständige Ausräumen der Drüse. Da die Fazialisäste radiär die Drüse durchsetzen, wird man bei der Spaltung der Drüse den Schnitt radiär anlegen, um möglichst viele Äste zu schonen. 2. Eine akute Parotitis (Mumps, virale Infektion) geht mit Schwellungen einher und löst, besonders beim Öffnen des Mundes, an der derben Kapsel ein schmerzhaftes Spannungsgefühl aus, weil die Drüse in ihrer bindegewebigen Loge keine Ausdehnungsmöglichkeit hat. Eiterungen können in den äußeren Gehörgang durchbrechen oder einen Weg in das Spatium parapharyngeum suchen. £ Gefäße und Nerven

Arterien. A. carotis externa → A. temporalis superficialis → Rr. parotidei Venen. Vv. parotideae → Plexus pterygoideus; Rr. parotidei → V. facialis Regionale Lymphknoten. Nll. parotidei superficiales et profundi → Nll. cervicales laterales (Nll. profundi, superiores) → Truncus jugularis Nerven. Parasympathisch (sekretorisch), Abb. 4.82: N. glossopharyngeus → N. tympanicus → N. petrosus minor → Ganglion oticum → N. auriculotemporalis → R. communicans n. facialis → N. facialis Jakobson-Anastomose: Verbindung des N. glossopharyngeus mit dem Ganglion oticum

279

Sympathisch: Ganglion cervicale superius → Plexus caroticus externus

4.13.2.2 Unterkieferdrüse, Glandula submandibularis £ Lage, Aufbau

Die Unterkieferdrüse liegt im Trigonum submandibulare. Oben ist die Drüse von der Lamina superficialis der Fascia colli bedeckt. In der Tiefe liegt sie einer Bindegewebsverdichtung an, welche die an der Mandibula befestigten Muskeln überzieht. Der untere Abschnitt der Drüse überschreitet in der Regel die Grenzen des Trigonum submandibulare. Er überlagert das große Zungenbeinhorn und den Venter posterior des M. digastricus. Nach hinten reicht die Drüse bis zum Halsteil der Glandula parotidea, von welchem sie nur durch eine Verstärkung der Lamina superficialis der Fasia colli getrennt ist. Zwischen Hinterrand des M. mylohyoideus und dem M. hyoglossus befindet sich ein Spalt, durch welchen die Regio submandibularis mit der Regio sublingualis verbunden ist. Durch diesen erreicht ein Fortsatz der Drüse zusammen mit ihrem Ausführungsgang, Ductus submandibularis (WhartonGang), die Regio sublingualis und lagert sich dem hinteren Bereich der Glandula sublingualis an. Der Ductus submandibularis liegt im Drüsengewebe des kranialen Fortsatzes der Glandula submandibularis. Er verläuft an der kranialen Fläche des Diaphragma oris, medial von der Glandula sublingualis zur Caruncula sublingualis. Gemeinsam mit dem Drüsenausführungsgang ziehen der N. lingualis sowie A. et V. sublingualis nach vorn. Dabei liegt der N. lingualis zunächst lateral vom Ductus submandibularis, zieht dann unter dem Ductus herum nach medial, um sich fächerförmig in der Zunge aufzuzweigen. £ Histologie. Die Glandula submandibularis ist

eine seromuköse Drüse mit intralobulär gelegenen End-, Schalt- und Streifenstücken und größeren interlobulären Ausführungsgängen. Sie liefert den größten Teil des Mundspeichels.

Klinik: Speichelsteine, Sialolithen, die aus Kalziumphosphat oder -karbonat bestehen, entstehen vermutlich durch Dyschylie, ausgelöst durch Speichelelektrolytverschiebung, Viskositätsveränderungen und Schleimobstruktion.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

280

£ Gefäße und Nerven

Arterien. A. carotis externa → Aa. facialis et lingualis → Rr. glandulares Venen. V. submentalis → V. facialis → V. jugularis interna Regionale Lymphknoten. Nll. submandibulares → Nll. profundi superiores → Truncus jugularis Nerven. Parasympathisch (sekretorisch), Abb. 4.82: N. facialis (N. intermedius) → Chorda tympani → N. lingualis → Rr. ganglionares → Ganglion submandibulare → efferente Fasern zur Drüse Sympathisch: Ganglion cervicale superius → Plexus caroticus externus

4.13.2.3 Unterzungendrüse, Glandula sublingualis £ Lage, Aufbau

Die Glandula sublingualis liegt in der Regio sublingualis (Abb. 4.81) auf dem M. mylohyoideus unmittelbar unter der Schleimhaut des Mundbodens, wo sie die Plica sublingualis aufwirft. Medial grenzt die Drüse an die Mm. geniohyoideus,

genioglossus und hyoglossus. Das vordere Ende der Glandula sublingualis liegt der Innenseite der Mandibula, das hintere der Glandula submandibularis an. Mehrere kleinere Ausführungsgänge, Ductus sublinguales minores, münden entlang der Plica sublingualis. Neben den kleinen Ausführungsgängen gibt es gelegentlich einen großen Ausführungsgang, Ductus sublingualis major (Bartholin-Gang), welcher eigenständig oder gemeinsam mit dem Ductus submandibularis auf der Caruncula sublingualis mündet (Abb. 4.81). £ Histologie. Die Glandula sublingualis ist eine

mukoseröse Drüse mit überwiegend mukösen Endstücken. End-, Schalt und Streifenstücke liegen intra-, größere Ausführungsgänge interlobulär. Die Anzahl der Schaltstücke ist im Vergleich zur Glandula parotidea sehr stark reduziert. Häufig liegen die serösen Endstücke in Form v. Ebner-Halbmonde den mukösen auf.

£ Gefäße und Nerven

Arterien. A. carotis externa → A. lingualis → A. sublingualis

Glandula lingualis anterior A. profunda linguae

Plica fimbriata V. profunda linguae

N. lingualis Ductus submandibularis

Glandula sublingualis mit Ductus sublinguales minores

Frenulum linguae Plica sublingualis Caruncula sublingualis

Abb. 4.81: Regio sublingualis bei hochgeschlagener Zunge. An der rechten Seite wurde die Schleimhaut entfernt

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

281

N. petrosus minor Ganglion trigeminale N. petrosus major Ganglion geniculi

N. tensoris veli palatini

N. facialis Chorda tympani N. tensoris tympani N. auriculotemporalis R. communicans cum n. auriculotemporali Ganglion oticum N. lingualis N. alveolaris inferior

Ganglion submandibulare

Chorda tympani N. tensoris tympani R. communicans cum n. auriculotemporali A. meningea media mit Plexus caroticus externus

N. petrosus minor N. auriculotemporalis R. communicans cum ramo meningeo N. tensoris veli palatini R. communicans cum chorda tympani N. lingualis

N. lingualis A. facialis R. sympathicus ad ganglion submandibulare Rr. glandulares

Rr. ganglinonares

Corda tympani N. alveolaris inferior

Abb. 4.82: Überblick über die Innervation der großen Kopfspeicheldrüsen (nach G.-H. Schumacher). a. Topografie des Ganglion oticum und submandibulare. Die dunkel eingefassten Bereiche sind in b und c vergrößert schematisch dargestellt. b. Ganglion oticum. c. Ganglion submandibulare

Venen. V. sublingualis → V. lingualis → V. jugularis interna Regionale Lymphknoten: Nodi submandibulares → Nodi profundi superiores → Truncus jugularis Innervation Parasympathisch (sekretorisch), Abb. 4.82: N. facialis (N. intermedius) → Chorda tympani → N. lingualis → Rr. ganglionares → Ganglion submandibulare – efferente Fasern zur Drüse Sympathisch: Ganglion cervicale superius → Plexus caroticus externus

4.13.3 Zähne, Dentes und Zahnhalteapparat, Parodontium Bei den meisten Säugetieren und beim Menschen führt die verschiedenartige Ernährungsweise zur Spezialisierung einzelner Zahngruppen des Gebisses, so dass sich die Zähne deutlich voneinander unterscheiden (Heterodontie). Weiterhin ist das menschliche Gebiss diphyodont, d. h. die erste Garnitur, das Milchgebiss (Dentes decidui), wird durch eine zweite Garnitur, das Dauergebiss (Dentes permanentes) ersetzt. Es findet nur ein Zahnwechsel statt. Unter den Zähnen des Dauergebisses unterscheidet man

282

solche die an Stelle der herausgefallenen Milchzähne durchtreten (Ersatzzähne: Schneide- bzw. Eckzähne und Prämolaren) und solche, die im Milchgebiss keine Vorläufer haben (Zuwachszähne: Molaren).

4.13.3.1 Embryologie Lernziele: Entstehung von Schmelz, Denthin, Zement, der Pulpa, des Parodontiums Material für die Zahnentwicklung entstammt dem Mundbuchtektoderm (Schmelz), Kopfmesektoderm (Dentin, Zahnzement, Zahnpulpa, dentogingivaler Faserapparat) sowie der Neuralleiste (Zahnpapille, Zahnsäckchen). £ Epithel-, Zahnleiste, Zahnknospe

Epithel und Zahnleiste. In der 5. Woche senkt sich dentogenes Epithel in Form einer Epithelleiste (Labio-Gingival-Leiste) in das Mesenchym der Ober- und Unterkieferanlagen ein (Abb. 4.83). An der lingualen Seite der Epithelleiste proliferiert in der 5. bis 6. Woche die Zahnleiste (Dentalleiste) als duchgehende, bandförmige Struktur, welche der Ausgangspunkt für die Zahnentwickung ist (Abb. 4.84 a). Zahnknospen. Am bukkalen Rand der Leiste entwickeln sich beiderseits im Ober- und Unterkieferbereich je 10 relativ kompakte kolbenförmige Zahnknospen für die späteren Milchzähne (rundliche oder ovale Gestalt) (Abb. 4.84 b). Bevor die Zahnleiste aufgelöst wird, entsteht an einer nach lingual bzw. palatinal gerichteten Ausstülpung der Zahnleiste eine Ersatzzahnleiste. Aus dieser entwickeln sich etwa in der 10. Woche ebenfalls durch Zellproliferation Knospen, die Anlagen der permanenten Ersatzzähne (je 10 im Ober- und Unterkiefer). Diese Anlagen bleiben allerdings zunächst neben den fertigen Milchzähnen in einem mesodermalen Säckchen liegen (Abb. 4.84 c). Zuwachszähne. Sie entstehen aus der nach hinten weiter wachsenden Zahnleiste (je 6 Anlagen) und haben keine Milchmolarenvorläufer. £ Zahnbestandteile

Schmelz. Das die Zahnknospen umgebende Mesenchym verdichtet sich insbesondere unter

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

der Basis und stülpt sich in diese hinein. Damit entsteht über ein Kappenstadium ein glockenförmiges Schmelzorgan, Zahnglocke, die nur noch eine dünne stielartige Verbindung mit der Zahnleiste hat (Abb. 4.84 d). Zahnglocke. Sie besteht aus einem äußeren (abgeplattete Zellen) und inneren (prismatische Zellen) Schmelzepithel. Die beiden Epithelschichten schließen zwischen sich die Schmelzpulpa ein (Abb. 4.83). Inneres Schmelzepithel. Die Zellen differenzieren zu Ameloblasten (früher Adamantoblasten = Schmelzbildner). Aus jedem Ameloblasten entsteht ein Schmelzprisma, welches an das darunterliegende Dentin angelagert wird (Abb. 4.85). Zuerst wird die organische Schmelzmatrix für die Prismen gebildet, danach erfolgt die Mineralisation durch Einlagerung von Apatit-Kristallen. Die Schmelzbildung erfolgt zunächst im Bereich der Höcker und Schneidekanten und breitet sich dann gegen den Zahnhals aus. Bei den mehrhöckerigen Seitenzähnen treffen die Mineralisationsprozesse aufeinander und bilden die Fissuren. Die präeruptive Schmelzreifung wird nach dem Zahndurchbruch durch die posteruptive Schmelzreifung mit Speichelmineralien vervollständigt. Schmelzpulpa und äußeres Schmelzepithel dienen unter anderem der der Versorgung der Ameloblasten, wobei das äußere Schmelzepithel in sehr inniger Beziehungen zu Kapillaren des umgebenden Zahnsäckchens steht. Mit der Ausreifung der Zahnkrone wird die Schmelzpulpa fortlaufend reduziert und schließlich aufgebraucht. Nach der Schmelzbildung bilden die Ameloblasten das primäre Schmelzoberhäutchen und gehen zugrunde. Eine weiter Schmelzbildung ist damit zeitlebens nicht mehr möglich. Dentin. Das eingestülpte und von der Zahnglocke umgebene Mesenchym ist die Zahnpapille (Abb. 4.85). Das innere Schmelzepithel induziert an den oberflächlich gelegenen Zellen der Zahnpapille eine Differenzierung in Odontoblasten, Zahnbeinbildner. Die Dentinbildung setzt etwas früher als die Schmelzentwicklung ein (14. Woche, s. Tab. 4.2). Zuerst wird eine unverkalkte Grundsubstanz mit Fibrillen (Prädentin) an das innere Schmelzeptihel angelagert, die fortlaufend mineralisiert wird. Dabei lässt jeder Odontoblast im Dentin einen (im Gegensatz zum Knochen!) radiär angeordneten

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

283

Zahnleiste mit Zahnknospe

Mundhöhle Zunge Mundhöhlenepithel

Zahnglocke

äußeres Schmelzepithel

Schmelzpulpa Zahnsäckchen

Schmelzorgan

MalassezEpithelreste

inneres Schmelzepithel

Schmelzorgan

Anlage eines Ersatzzahnes

Zahnpapille

Abb. 4.83: Zahnentwicklung. Entwicklungsstufen zur Bildung des glockenförmigen Schmelzorgans

Mu Z a

b

labial

distal

lingual

E

c

mesial d

Abb. 4.84: Zahnentwicklung (nach W. Meyer) a. Zahnleiste (Z) im Unterkiefer. Mu Mundhöhlenepithel. b. Zahnleiste des Oberkiefers mit 10 Anlagen für die Milchzähne. c. Zahnleiste des Oberkiefers. Die Anlagen sind zu Glocken ausgewachsen und haben sich von der Zahnleiste abgesetzt. d. Modelle vom Keim des unteren seitlichen Schneidezahnes eines Feten von 12,5 cm Länge (4. Monat). Die Ersatzzahnleiste (E) schiebt sich nach lingual. In der Vorhofsleiste (links) ist ein Spalt aufgetreten

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

284

Tabelle 4.2: Mineralisation und Durchbruch der bleibenden Zähne (mod. nach B. Schroeder 1987) Zahn zentrale Inzisivi

Mineralisationsdauer (postnatal)

Durchbruchsalter

Unterkiefer

Unterkiefer

Oberkiefer 3. Monat bis 5. Lebensjahr

Oberkiefer

6–7 Jahre

7 Jahre

laterale Inzisivi

11. Monat bis 6. Lebensjahr

3. Monat bis 6. Lebensjahr

7 Jahre

8 Jahre

Canini

4. Monat bis 5. Lebensjahr

4. Monat bis 6. Lebensjahr

9–10 Jahre

11–12 Jahre

1. Prämolar

18. Monat bis 7. Lebensjahr

10 Jahre

10 Jahre

2. Prämolar

24. Monat bis 7. Lebensjahr

11 Jahre

11 Jahre

1. Molar

Geburt bis 4. Lebensjahr

2. Molar

30. Monat bis 7. Lebensjahr

3. Molar

7. bis 13. Lebensjahr

Zellfortsatz (Odontoblastenfortsatz, Tomes-Faser) zurück, der sich verzweigt und Kontakt mit den benachbarten Odontoblastenfortsätzen aufnimmt. Im Gegensatz zu den Ameloblasten bleiben die Odontoblasten als äußere Zellschicht der Pulpa erhalten. Sie produzieren zeitlebens mit geringer Aktivität Sekundärdentin, und sind in der Lage auf einen Reiz (Karies) ihre Aktivität zu erhöhen. Pulpahöhle, Zahnpulpa. Die Pulpa geht aus den übrigen Bestandteilen der Zahnpapille hervor, deren Mesenchymzellen sich zu Fibroblasten weiter differenzieren. Weiterhin senken sich Arterien- und Nervenäste in das Papillengewebe ein. Letztere bilden Plexus. Mit der Dentinbildung wird die Pulpahöhle immer mehr eingeengt, so dass die topographische Gliederung der Pulpahöhle resultiert: Kronenpulpa, Cavitas coronalis, Wurzelkanal (bzw. Wurzelkanäle), Canalis radicis dentis. £ Zahnwurzel, Zahnzement, Parodontium

Die Zahnwurzelbildung beginnt, wenn Schmelz und Dentin im Kronenbereich im wesentlichen entwickelt sind. Sie vollzieht sich entlang der epithelialen Wurzelscheide (Hertwig-Scheide). Diese ist durch fehlende Schmelzpulpa im Bereich des späteren Zahnhalses gekennzeichnet. Äußeres und inneres Schmelzepithel liegen aneinander (Abb. 4.85). Diese Scheide hat auf das Bindegewebe der Zahnpapille induzierende Wirkung, sie regt die Bildung und Formierung von Odontoblasten an. Außerdem bestimmt sie die Form der Zahnwurzel. Wurzeldentin wird durch die Odontoblasten produzieret, die dabei entstehende Pulpahöhle wird wurzelspitzenwärts immer mehr eingeengt, so dass letztlich nur noch ein oder mehrere kleine Kanäl-

6 Jahre

6 Jahre

12 Jahre

12 Jahre 16–30 Jahre

chen für den Ein- und Austritt von Gefäßen und Nerven vorhanden sind. Die Zahnwurzelbildung steht im engen Zusammenhang mit den Zahndurchbruchsbewegungen. Zementoblasten. Die epitheliale Wurzelscheide geht zugrunde. Damit kommen die Mesenchymzellen des Zahnsäckchens in Kontakt mit dem Wurzeldentin → Bildung von Zementoblasten (den Osteoblasten ähnlich) wird induziert. Präzement wird in den Zementoblasten produziert, es wird schubweise mineralisiert, Zellfortsätze werden in das Zahnzement eingeschlossen. Zementogenese. Sie beginnt am Zahnhals und schreitet apikal weiter. Es kann zellfreies und zellhaltiges Zement gebildet werden. Zellhaltiges Zement findet sich vor allem an mehrwurzeligen Zähnen. Die eingeschlossenen Zementozyten sind mit Osteozyten vergleichbar. Parodontium. Das das Schmelzorgan umgebende Mesenchym verdichtet sich zum Zahnsäckchen. Im Bereich des Zahnhalses und der Zahnwurzel wird es zum Parodontium. Zum Beginn der Entwicklung existieren 3 Schichten: 1. Zell-, gefäßreiche Schicht → Zahnzement 2. Mittlere, lockere Schicht → Sharpey-Fasern, → Desmodont, → dentoalveolärer Faserapparat. 3. Äußere, dichtere fibrillenreiche Schicht → Alveolenwand. Die Sharpey-Fasern werden in den Alveolenknochen und in das Zement eingebaut. Zunächst entsteht ein primitiver Halteapparat, der unter Kaubelastung umgeformt wird. Die Gingiva entsteht aus dem Ektoderm und dem Mesektoderm der Mundhöhle.

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

285

Ameloblasten Schmelzpulpa (Reste)

Ameloblasten

Odontoblasten

Schmelzmatrix

äußeres Schmelzepithel

Prädentin Odontoblasten

Abb. 4.85: Zur Entstehung der Zahnhartgewebe

Klinik: 1. Hypodontie ist die Unterzahl von Zahnanlagen, meist 3. bleibenden Molaren, laterale, obere Schneidezähne und 2. untere Prämolaren. 2. Hyperdontie ist die Überzahl von Zahnanlagen, meist 4. bleibenden Molaren oder zentrale obere Schneidezähne (Mesiodens). 3. Zwillingsbildungen, Dentes geminati, entstehen durch Spaltung einer Zahnanlage. 4. Zahnanlagen können z. B. in den Gaumen oder die Kieferhöhle verlagert sein und ektopisch oder gar nicht durchbrechen (Retention). 5. Die Schmelzbildung bei mehrhöckerigen Zähnen bricht in den Fissuren ab. Die dabei entstehenden Unregelmäßigkeiten sind ein idealer Ausgangspunkt zur Kariesentstehung. 6. Beim Verschmelzen von 2 oder mehreren Zahnanlagen, spricht man von Dentes confusi: Kronen oder Wurzeln sind vollständig oder partiell miteinander vereinigt. 7. Durch Verwachsung der Zahnwurzel entstehen Mehrfachbildungen, Dentes concreti. 8. Zahnschmelzausläufer, -leisten, -inseln haben z. B. eine Bedeutung bei der Entstehung von Parodontalerkrankungen. 9. Zwischen den dentoalveolären Fasern können sich Reste der epithelialen Wurzelscheide in Form von epitheloiden Zellhaufen (Malassez-Körperchen) befinden. Aus ihnen sind

Zahnpapille

Zystenbildungen möglich. 10. Als Schmelzbildungsstörungen sind autosomal dominate oder rezesssive Formen der Amelogenesis imperfecta bekannt, die in mangelnder Schmelzreifung und/oder Hypomineralisation bestehen. 11. Bei der Dentinogenesis imperfecta liegen ebenfalls mangelnde Ausreifung und/oder Hypomineralisation vor, die zu einem Abplatzen des darüber liegenden Schmelzes und einer raschen Abrasion der Zahnkrone führen.

4.13.3.2 Funktion und Aufbau des Gebisses Lernziele: Funktion des Gebisses, Gebissschema, Zahnformel, Zahndurchbruch, Mineralisation 4.13.3.2.1 Funktion des Gebisses • Abbeißen und Zerkleinerung der Nahrung • Sensor, zusammen mit dem Zahnhalteapparat beim Kauen • Sprachformung, verloren gegangene Frontzähne reduzieren die Klarheit der Sprache

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

286

• In der phylogenetischen Entwicklung auch als Waffe und Werkzeug. 4.13.3.2.2 Aufbau des Gebisses £ Gebissschema. Neben der Trennung in Ober-

und Unterkieferbezahnung wird das Gebiss in je eine spiegelsymmetrische rechte und linke Kieferhälfte eingeteilt. Daraus ergibt sich ein Gebissschema mit 4 Quadranten, in denen sich z. B. im bleibenden Gebiss jeweils 8 Zähne befinden: 1. Quadrant

2. Quadrant

links Oberkiefer 8 7 6 5 4 3 2 1

1 2 3 4 5 6 7 8 Oberkiefer rechts

links Unterkiefer 8 7 6 5 4 3 2 1

1 2 3 4 5 6 7 8 Unterkiefer rechts

4. Quadrant

3. Quadrant

Eine Weiterentwicklung dieses Schemas wurde von der Fédération dentaire internationale (F.D.I.) empfohlen, und hat sich weltweit durchgesetzt. Dabei wird vor die Nummer eines jeden Zahnes noch die Quadrantennummer gesetzt. Beim Milchgebiss werden die Quadranten mit den Ziffern 5, 6, 7 und 8 gekennzeichnet. Dauergebiss 18 17 16 15 14 13 12 11

21 22 23 24 25 26 27 28

48 47 46 45 44 43 42 41

31 32 33 34 35 36 37 38

Milchgebiss 55 54 53 52 51

61 62 63 64 65

85 84 83 82 81

71 72 73 74 75

Gelesen und gesprochen wird jede einzelne Ziffer, z. B. Zahn 11 (sprich: eins-eins) = bleibender, mittlerer, oberer, rechter Schneidezahn; Zahn 85 (sprich: acht-fünf) = zweiter, rechter, unterer Milchmolar. Zahnformel. Das Gebissschema kann wegen der bilateralen Symmetrie zur Zahnformel verkürzt werden, die eine schnelle Übersicht über die Anzahl und Art (Inzisivi, Canini, Prämolaren, Molaren) der Zähne geben soll. Für jede Art steht der Anfangsbuchstabe ihres lateinischen Namens, beim Milchgebiss noch zusätzlich d (deciduus). Zahnformel des Milchgebisses: Id2

Cd1 Md2

Id2

Cd1 Md2

Zahnformel des bleibenden Gebisses: I2

C1

P2

M3

I2

C1

P2

M3

£ Milchgebiss. Das Milchgebiss besteht, wie aus

der Zahnformel ersichtlich, aus 20 Zähnen, also je 5 Milchzähnen in jedem Quadranten:

• 2 Dentes incisivi, Schneidezähne, • 1 Dens caninus, Eckzahn • 2 Dentes molares, Milchmolaren. Durchbruch des Milchgebisses. Zwischen dem 6. Monat und 2 1⁄2 Jahren brechen die Milchzähne durch (Tab. 4.2), Unterkieferzähne im Allgemeinen vor den entsprechenden Zähnen des Oberkiefers. Beim Zeitpunkt des Zahndurchbruches bestehen enorme indiviuelle Variationen („Frühzahner“, „Spätzahner“). Am Ende dieser Zeit stehen die Kronen der Zähne in Okklusion, das Wachstum der Zahnwurzeln ist aber erst nach 2–3 Jahren abgeschlossen. £ Dauergebiss. Das Dauergebiss besteht aus

32 Zähnen. Jeder Quadrant hat

• • • •

2 Schneidezähne, Dentes incisivi 1 Eckzahn, Dens caninus 2 kleine Backenzähne, Dentes praemolares 3 große Backenzähne, Dentes molares.

Der 3. Molar („Weisheitszahn“, Dens sapientiae) ist z. T. nicht angelegt. Selten kommt es noch zur Ausbildung eines 4. Molares. Die bleibenden Zähne gleichen in der Form den Milchzähnen. Lediglich die Prämolaren, die die Milchmolaren ersetzten, haben keine Entsprechung im Milchgebiss. Durchbruch des Dauergebisses. Als erstes bricht der sogenannte 6-Jahres-Molar (1. permanenter Molar) als Zuwachszahn distal der Milchzahnreihe durch. In der sich anschließenden Wechselgebissphase (6.–12. Lebensjahr, Abb. 4.86) gehen die Milchzähne durch Resorption verloren und werden durch bleibende Zähne ersetzt (Tab. 4.2). Abschließend brechen noch der 2. und 3. Molar durch. Klinik: 1. Bei Kleinkindern (bis 3 Jahre) liegen die Anlagen der bleibenden Oberkieferfrontzähne dorso-palatinal der Milchzähne; ein Intrusionstrauma verletzt die bleibenden Zahnkeime selten. Mit der Resorption der

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

287

C P1+2 M2

M1

Abb. 4.86: Gebiss eines 6-jährigen Kindes von rechts. Milchgebiss und 1. oberer und unterer Molar sind vollständig durchgebrochen. Die übrigen bleibenden Zähne sind im Kiefer freigelegt

Milchwurzel wandert der bleibende Oberkieferfrontzahn unter den Milchzahn, so dass ein Intrusionstrauma den bleibenden Zahn bei 4- bis 6-jährigen Kindern häufiger schädigt. 2. Vorzeitiger, nicht versorgter Verlust von Milchmolaren führt zur Mesialwanderung der ersten bleibenden Molaren und oft zu einem symptomatischen Engstand bei den Ersatzzähnen. 3. Platzmangel für die bleibende Dentition kann zu einem ektopischen Durchbruch (Eckzahnhochstand) oder Retention von bleibenden Zähne (2. Prämolar, oberer Eckzahn, 3. Molar) führen.

4.13.3.3 Makroskopischer Aufbau des Zahnes Lernziele: Zahnbestandteile, Anordnung, Hartsubstanzen An jedem Zahn kann unterschieden werden (Abb. 4.87) 1. Zahnkrone, Corona dentis,

Canalis mandibulae

J1

M2

M1

P2

P1

C

J2

J1

2. Zahnhals, Collum dentis, 3. Zahnwurzel, Radix dentis mit 4. Wurzelspitze, Apex dentis, 5. Zahnhöhle, Cavitas dentis, mit 6. Zahnpulpa, Pulpa dentis. Jeder Zahn besteht aus den Hartsubstanzen: 1. Schmelz, Zahnschmelz, Substantia adamantina, Enamelum, 2. Zahnbein, Substantia eburnea, Dentinum, Dentin, 3. Zement, Cementum. Anordnung. Bei jungen Menschen ragt nur die mit dem Schmelz überzogene Krone in die Mundhöhle. Die Wurzel steckt in einer Vertiefung des Oberoder Unterkieferknochens, der Zahnalveole (Alveolus dentalis) und wird vom Zement umgeben. Am schmalen Zahnhals stoßen Schmelz und Zement zusammen. Mit zunehmendem Alter, insbesondere bei chronischen Entzündungen, kommt es zum Zahnfleischrückgang, so dass erst der Zahnhals mit der Schmelz-Zement-Grenze und anschließend Wurzelanteile freiliegen.

288

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

Kronen pulpa

 



Schmelz Schmelz-Dentis-Grenze Dentin Sulcus gingivae Schmelz-ZementGrenze Gingiva Desmodontalspalt Wurzelpulpa

 Corona dentis   Collum   dentis 

 

Desmodontale Fasern  Radix (Sharpey-Fasern) dentis

AlveolarKnochen Zement

 Apex dentis

Abb. 4.87: Zahn im Längsschnitt mit den Zahnhartgeweben Schmelz, Dentin und Zement sowie die Pulpa und die Bindegewebefasern des Desmodonts

Dentin befindet sich sowohl unter dem Schmelz als auch unter dem Zement und es umschließt die Pulpahöhle. Diese setzt sich in den Wurzelkanal (Canalis radicis dentis) fort und endet in der Wurzelspitze mit einer Öffunung (Foramen apicale) für die arterielle und venöse Versorgung (s. Desmodont, Gefäße, Lymphgefäße, Nerven) sowie die Innervation. Die Innervation der Oberkieferzähne erfolgt über die Rami alveolares superiores posteriores bzw. anteriores des N. maxillaris, die der Unterkieferzähne über den N. alveolaris inferior/ N. trigemininus. In der Pulpahöhle sind Gefäße und Nerven in lockeres Bindegewebe eingebettet und bilden Plexus.

4.13.3.4 Mikroskopischer Aufbau des Zahnes Lernziele: Feinbau von Schmelz, Denthin, Zement, Pulpa, Besonderheiten, Funktion £ Schmelz, Enamelum, Substantia adamantina

Schmelz ist die härteste Substanz des Körpers. Er ist gänzlich frei von Zellen und Zellausläufern und weist damit auch keinen Stoffwechsel aus. Schmelz besteht zu 97 % aus Hydroxyl-Apatit, einem Kal-

zium-Phosphor-Mineral mit Spuren von Natrium, Kalium, Magnesium, Chlor und Fluor. An den Inizisalkanten und Höckern ist der Schmelzmantel am stärksten, und er nimmt zum Zahnhals hin ab. Unter pH 5,5, was durch bakterielle Säuren (Plaque) oder Fruchtsäuren erreicht wird, geht Zahnschmelz in Lösung und demineralisiert (Karies bzw. Erosion). Initiale Läsionen können aber auch remineralisiert werden. Histologisch lassen sich unterscheiden: • Schmelzprismen • Interprismatische Substanz • Spezifische Strukturen. 1. Schmelzprismen (Abb. 4.88), ca. 5 µm im Querschnitt, durchziehen nahezu die Breite der Schmelzschicht von der Schmelz-Dentin-Grenze bis zur Schmelzoberfläche. Sie stehen radiär zueinander und verlaufen büschelweise in Schraubentouren. So wechseln im Schliff längs getroffene Prismen (dunkle = Parazonien) und quer getroffene Prismen (helle = Diazonien). Schmelzprismen sind vielkantig, im Querschnitt haben sie Arkadenform. Wir unterscheiden den Schlüssellochtyp und den Pferdehuftyp. Ihr Durch-

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

289

Schmelzlamellen stellen radiär durch die gesamte Schmelzschicht verlaufende Sprünge oder durchgehende büschelartige Gebilde dar (Abb. 4.88). Sie folgen nicht dem Verlauf der Schmelzprismen und sind schwächer mineralisiert. a

d

b

e

c

f

Abb. 4.88: Strukturen des Schmelzes. a. Schmelzprismen. b. Schreger-Hunter-Streifung. c. Retzius-Linien. d. Schmelzlamellen. e. Schmelzbüschel. f. Schmelzkolben bzw. -spindeln (verändert nach G.-H. Schumacher)

messer ist von der inneren zur äußeren Schmelzoberfläche annähernd konstant. 2. Interprismatische Substanz ist eine mineralisierte Substanz, welche die Prismen verbindet. 3. Apatitkristalle, die die Form hexagonaler Stäbe haben, sind mit ihren Längsachsen nahezu parallel zum Prismenverlauf angeordnet. Durch Übergreifen von Kristallen in benachbarte Schmelzprismen kommt es zur Verzahnung der Prismen untereinander. 4. Schreger-Hunter-Streifung im Längsschliff ist eine Hell-Dunkel-Streifung, welche auf Interferenz beruht und durch die Kreuzung und Krümmung von benachbarten Prismengruppen, z. B. durch mehrfach bogenförmig ausgelenkte Prismen, verursacht wird (Abb. 4.88). 5. Retzius-Linien sind im Querschliff auftretende, bräunliche Streifen, die parallel zur SchmelzDentin-Grenze verlaufen (Abb. 4.88). Sie entstehen durch rhythmische, wachstumsbedingte Kalkablagerungen mit unterschiedlicher Mineralisation. Bei Zähnen, die um den Zeitpunkt der Geburt mineralisieren, kann zusätzlich die Neonatallinie als Wachstumsunregelmäßigkeit festgestellt werden. Plötzliche Änderungen in der Verlaufsrichtung der Schmelzprismen unterstützen diesen optischen Effekt.

Schmelzbüschel sind hypomineralisierte, faserund blattartige Strukturen (Abb. 4.88). Sie verlaufen von der an der Schmelz-Dentin-Grenze eine kurze Strecke in den Schmelz. Schmelzkolben bzw. -spindeln sind Dentinkanälchen, welche mit kolbenförmigen Erweiterungen in den Schmelz hineinreichen (Abb. 8). Sie können Odontoblastenfortsätze enthalten. Schmelzoberhäutchen (SOH), Cuticula dentis, kein prismatischer Bau. Man unterscheidet in Abhängigkeit vom Alter primäres, sekundäres und tertiäres SOH. 1. Primäres SOH (Nasmyth-Membran) entsteht präeruptiv als kutikuläre Ausscheidung der Ameloblasten in der letzten Phase der Schmelzbildung. 2. Sekundäres SOH entsteht während des Zahndurchbruchs als Kutikularbildung der Epithelzellen. 3. Tertiäres SOH (Pellicel) wird posteruptiv durch Adsorption von Speichelbestandteilen gebildet. £ Zahnbein, Substantia eburnea, Dentin

Dentin bildet den Hauptanteil des Zahnes und umgibt die Pulpahöhle sowie den Wurzelkanal. Demnach unterscheidet man: • Kronendentin • Wurzeldentin. Folgende Besonderheiten finden wir: 1. Dentin ähnelt dem Knochen. Da es reichlicher mit Hydroxylapatitkristallen mineralisiert ist (Mineralanteil: 45 Volumen- bzw. 70 Gewichtsprozent), wird es härter als Knochen. 2. Dentin enthält kollagene Fasern, welche spiralartig um die Dentinkanälchen angeordnet sind, aber auch Netze bilden (Organischer Anteil: 30 Volumen- bzw. 25 Gewichtsprozent). Diese sind die Grundlage für die Elastizität des Dentins. 3. Dentin besteht zu 25 Volumen- bzw. 5 Gewichtsprozent aus Wasser, das sich mehrheitlich in den Dentinkanälchen befindet.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

290

4. Die Perikaryen der Odontoblasten liegen dem Dentin pulpaseitig auf, während ihre Zellfortsätze (Tomes-Fasern) bis ins Dentin reichen. Dentinkanälchen (Dentintubuli). Verleihen dem Dentin radiäre Streifung. Sie enthalten Odontoblastenfortsätze (= Tomes-Fasern, Durchmesser ca. 1–3 µm). Die Kanälchen reichen bis zur SchmelzDentin-Grenze (einige treten in den Schmelz ein = so genannte Schmelzkolben) und bis zur DentinZement-Grenze. Sie haben eine ausgeprägte Verästelung und stehen miteinander in Verbindung. Sie haben stoffleitende Funktion und enthalten auch marklose Nervenfasern. Manteldentin. Die Mineralisation des Dentins durch die Odontoblasten beginnt an der Schmelzbzw. Zement-Dentingrenze (s. unter 2.2) und hinterlässt dort durch starke Aufzweigungen der Dentinkanälchen das schwächer mineralisierte Manteldentin, eine ca. 0,5 mm breite Zone. Zirkumpulpales Dentin entsteht nach dem Manteldentin und stellt die Hauptmasse des Dentins dar. Durch rhythmische Sekretion und Mineralisation entstehen Linienmuster (von Ebner-Linien). Besonders akzentuierte Linien werden als OwenKonturlinien bezeichnet, wobei eine prägnante Neonatallinie vorhanden sein kann. Prädentin ist die innerste, pulpennahe Dentinschicht, die noch nicht mineralisiert ist. Peritubuläres Dentin grenzt unmittelbar an das Dentinkanälchen an. Es weist einen hohen Mineralisationsgrad auf und enthält keine kollagenen Fibrillen. Intertubuläres Dentin liegt zwischen den Dentinkanälchen und hat einen höheren Anteil an kollagenen Fasern. Sekundärdentinbildung. lebenslangen Aktivität

Aufgrund

ihrer

• ziehen sich die Odontoblastenfortsätze nach pulpal zurück • reift kontinuierlich neues Prädentin • wächst das zirkumpulpale Dentin • sezernieren die Odontoblasten kontinuierlich peritubuläres Dentin • verkleinert sich der koronale Querschnitt der Dentinkanälchen • reduziert sich die Sensibilität des Dentins • reduziert sich die Pulpahöhle.

Globulardentin. Zuerst mineralisieren vereinzelte kugelförmige Dentinbereiche (Globuli), die sich später verbinden (Interglobulardentin, rhombenförmig, gezackt) und ein ungleichmäßiges Mineralisationmuster zurücklassen. Das Interglobulardentin bildet nahe der Zement-Dentin-Grenze an der Wurzel die Tomes-Körnerschicht, dagegen kommen im Kronenbereich nur vereinzelt große Bereiche von Interglobulardentin vor. Bei der Präparatherstellung kann es bei der Entkalkung des weniger minineralisierten Interglobulardentins zur Hohlraumbildung kommen, die im Mikroskop als Interglobularräume erscheinen. £ Zement, Cementum, Substantia ossea

Anatomisch gehört Zement zum Zahn, funktionell zum Zahnhalteapparat. Zement ist mit dem Wurzeldentin fest verbunden. Nach apikal hin nimmt es an Dicke zu (Abb. 4.89). An der Wurzelspitze und an den Wurzelaufteilungsstellen finden wir die stärksten Zementschichten. Funktion. Verankerung der Ligg. periodontalia. Bau. Zement besteht aus: 1. Zellen, Zementozyten 2. Mineralisierter Grundsubstanz 3. Kollagenen Fasern. Zementozyten gleichen den Osteozyten. Sie liegen in Höhlen der Grundsubstanz und besitzen lange, verzweigte Fortsätze für den Kontakt zu benachbarten Zellen (Abb. 4.89). Grundsubstanz. Sie ähnelt in ihrer Zusammensetzung der des Knochens. Kollagene Fasern bilden 2 Systeme: • Von Ebner-Fibrillen, intrinisic fibers: feine Fasern, welche spiralförmig um die Zahnwurzel verlaufen. • Sharpey-Fasern: extrinsic fibers, radiär einstrahlende Parodontalfasern, welche vor allem im äußeren und mittlerem Bereich zu finden sind. Zementarten. Die Einteilung erfolgt nach dem Vorkommen von Zementozyten und Fasern: • Azelluläres, afibrilläres Zement besteht lediglich aus Grundsubstanz. Vorkommen als Zementinseln im Schmelz. • Azelluläres, äußeres Faserzement besitzt lediglich Bündel radiär verlaufender Sharpey-Fasern;

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

291

Schmelz

Dentin Pulpa

Zementozyten

Zement

Kollagene (Sharpey-) Fasern

Schmelz Dentin Pulpa Grundsubstanz

Zement b Dentin Dentin-Zement-Grenze

a

Abb. 4.89: Struktur des Zahnzements. a. Verteilung des Zements. Die zunehmende Dichte der Punktierungen markiert die Zementdickenzunahme. b. Bau des Zements. Die Zementozyten mit Fortsätzen und kollagenen Fasern beherrschen das Bild. Die Grundsubstanz wurde farblos belassen (verändert nach G.-H. Schumacher)

keine Zellen! Vorkommen: Zervikales Drittel der Zahnwurzel. • Zelluläres, gemischtes lamelläres Zement hat Zementozyten und Sharpey-Fasern sowie kollagene Fasern. Vorkommen: apikales Wurzeldrittel (im Bereich der Bi-, Trifurkationen). • Zelluläres inneres Faserzement besitzt Zementozyten und kollagene Fasern, aber keine SharpeyFasern. Vorkommen: in Resorptionslakunen. £ Pulpa

Die Zahnpulpa befindet sich in der Cavitas dentis (Abb. 4.90). Dabei liegt die Kronenpulpa im Kronenteil, Cavitas coronalis, und die Wurzelpulpa im Wurzelkanal, Canalis radicis dentis. Im Bereich der Höckerspitzen befinden sich bei jugendlichen Zähnen Pulpahörner, die sich langsam durch Sekundärdentinbildung zurückbilden. Gerade im Wurzelbereich bestehen individuelle Variationen, wobei in einer Wurzel mehrere Kanäle vorkommen können. Seitenkanäle bestehen im gesamten Wurzelbereich. Das Foramen apicale weist häufig viele Aufzweigungen (Ramifikationen) auf, die ein apikales Delta bilden.

Funktion • Dentinbildung durch die Odontoblasten • Ernährung, Innervation des Zahnes • Abwehr von Erregern oder körperfremden Stoffen. Aufbau Das Pulpagewebe steht dem gallertigen Bindungsgewebe mit: 1. Grundsubstanz 2. Fasern 3. Zellen. Grundsubstanz. Sie dient als ist Umschlagplatz im Stoffwechsel zwischen Zellen und Gefäßen. Es kommen vor allem kollagene und retikuläre Fasern vor. Retikuläre Fasern nehmen in der Gebrauchsperiode ab. Elastische Fasern finden sich nur in den Gefäßwänden. Zellen. In der Pulpa befinden sich: 1. Pulpozyten 2. Freie Zellen: Lymphozyten, Histiozyten, Monozyten, Plasmazellen, Granulozyten 3. Odontoblasten.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

292 Odontoblastenschicht Innenzone

bipolarer Fibroblast subodontoblastischer Kapillarkomplex

Fibroblast und freie Bindegewebszelle

Außenzone

Weil-Schicht

subodontoblastischer Nervenkomplex zellkernreiche Schicht

Abb. 4.90: Aufbau und Topografie der Zahnpulpa (verändert nach G.-H. Schumacher)

Pulpozyten treten als Fibroblasten (aktive Form) oder als Fibrozyten (inaktive Form) auf. Die aktiven Zellen sind pluripotent, neben der Abwehr, können sie z. B. auch zu Odontoblasten differenzieren. Odontoblasten sind hochdifferenzierte, stoffwechselaktive Zellen, die zeitlebens die äußere Schicht der Pulpa darstellen und neues Prädentin bilden, das anschließend mineralisiert. Die Odontoblasten schicken bis zu 5 mm lange Fortsätze bis in den peripheren Dentinmantel. Es wird angenommen, dass Odontoblasten direkt oder indirekt über die Bewegung der in den Dentinkanälchen liegenden Flüssigkeitssäule mechanische, thermische, chemische oder elektrische Reize übertragen. Topographisch gliedert sich die Pulpa in 2 Zonen: 1. Die Innenzone enthält vor allem die Arterien, Venen und Nerven (markhaltige, sensible und marklose, vasomotorische), die über das Foramen apikale und z. T. Seitenkanäle austreten, jedoch keine Lymphgefäße. 2. Die Außenzone besteht von außen nach innen aus 3 Schichten: 1. Odontoblastenschicht, 2. Zellkernarme Subodontoblasten- oder WeilSchicht mit dem Gefäß- (Plexus pulpocapillaris)

und Nervengeflecht (Raschkow-Plexus), 3. Zellkernreiche Schicht mit vielen Fibroblasten. Altersveränderungen der Pulpa äußern sich in einer Verkleinerung und Verminderung der Pulpozyten, vakuolärer Degeneration der Odontoblasten, Zunahme kollagener Fasern sowie in hyalinen, kalkigen und amyloiden Veränderungen der Grundsubstanz. Aufgrund der Sekundärdentinbildung verkleinert sich das Pulpalumen im Altersgang.

4.13.3.5 Zahnhalteapparat, Parodontium Lernziele: Aufbau und Anordnung von Gingiva, Desmodont, Alveolarknochen, Sulcus gingivae Zum Zahnhalteapparat gehören alle Strukturen, welche der Verbindung des Zahnes mit dem Kieferknochen dienen: Zahnfleisch, Gingiva, Wurzelhaut, Ligamentum periodontale, Desmodont, Zahnzement, Cementum, Alveolarknochen, Os alveolare. Diese Strukturen bilden eine genetische, strukturelle, biologische und funktionelle Einheit.

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

£ Funktion

• Mechanische Funktion durch Verbindung von Zahn und Kiefer. • Formative Funktion durch ständigen Umbau des parodontalen Gewebes. • Abwehr-, Schutzfunktion aufgrund des Vorkommens immunkompetenter Zellen für die spezifische Abwehr. • Nutritive Funktion aufgrund der guten Vaskularisation. • Sensorische Funktion durch eine ausgeprägte Innervation als afferenter Bestandteil des Regelkreises des Kaumechanismus. 1. Zahnfleisch, Gingiva Strukturen. Die Gingiva bildet den koronalen Abschluss des Parodontiums und sichert damit die Kontinuität der epithelialen Mundoberflächenauskleidung. Bau: Wir unterscheiden: 1. Orales Epithel, 2. Saumeptihel, Verbindungsepithel, 3. Subepitheliales Bindegewebe, 4. Supraalveolärer Faserapparat. Orales Epithel. Mehrschichtiges unverhorntes Plattenepithel, welches an bestimmten Stellen Parakeratose aufweist. Zur eigentlichen Mundhöhle und zum -vorhof hinzeigend ist es über zahlreiche lange, unregelmäßige Papillen mit dem Bindegewebe verzahnt. An der marginalen Gingiva geht das orale Epithel in das Saumepithel über. Saumepithel. Das niedrige kubische Verbindungsepithel umschließt ringförmig den Zahnhals und ist ca. 2 mm hoch. Apikal finden sich wenig Zelllagen, in Sulkusnähe (Sulkusboden) etwa 15–30. Es besteht aus 2 Schichten: • mitotisch aktiven Stratum basale • aus Tochterzellen bestehenden Stratum suprabasale Es keratinisiert nicht und bleibt undifferenziert. Das gesunde Saumepithel ist mit dem angrenzenden Bindegewebe nicht verzahnt. Die Regenerationsrate ist mit 4–6 Tagen außerordentlich hoch. Subepitheliales Bindegewebe besteht hauptsächlich aus einem Netz von kollagenen Fasern, in das zahlreiche Fibrozyten und freie Zellen eingestreut sind. Die proteoglykanreiche Grundsubstanz verschafft der Gingiva eine elastische Struktur. • Keine Drüsen

293

• Gefäße → arkadenförmiger subepithelialer Kapillarlexus • Nerven → subepitheliales Geflecht aus markhaltigen und marklosen Fasern • Endkörperchen sind: Merkel-Tastscheiben, Meissner-Tastkörper, Krause-Endkörper Submucosa gibt es nicht. Supraalveolärer Faserapparat. Der Faserapparat wird von kollagenen Bündeln gebildet. Er stellt die Gesamtheit der Fasern dar, die in die intraalveoläre Wurzeloberfläche inserieren, die Zähne umgeben und das gingivale Gewebe mit dem Zahnhals und dem Alveolarkamm verbinden. Die wichtigsten Faserbündel verlaufen wie folgt (Abb. 4.91): • Vom extraalveolären Zement fächerförmig in die Gingiva • Umkreisen den Zahn und zweigen sich in apikaler und okklusaler Richtung auf • Verbinden vestibuläre und linguale Interdentalpapillen. Ziehen vom Periost des Alveolarknochens in die Gingiva • Verbinden alle Zähne durch Achterligaturen untereinander Funktion. Die Fasern tragen zu einer Stabilisierung des gesamten Parodontiums bei, sorgen für optimalen Halt der Gingiva an Zement und Alveolarknochen und für die Straffung der Gingiva sowie für den Halt der dem Zahn anliegenden Zahnfleischmanschetten. Dentogingivale Verbindung erfolgt durch: • Verhaftung des Saumepithels mit Schmelz und Zement (epitheliale Haftstruktur) • Ansatz kollagener Faserbündel am Zement (s. o.) Epithelansatz. Er wird durch das Saumepithel besorgt und besteht aus einer Lamina basalis und Hemidesmosomen (Abb. 4.91). Diese epitheliale Haftung kann am Schmelz, Dentin oder Zement gleichermaßen erfolgen. Zwischen Basallamina und Zahnoberfläche befindet sich häufig eine Cuticula dentis, die ein Produkt des Saumepithels sein kann. Die der Zahnoberfläche anhaftenden Zellen wandern koronalwärts; damit lösen sich die Zellhaftungen ständig und müssen immer wieder neu etabliert werden.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

294 Sulcus gingivae orales Epithel Saumepithel

Schmelz

Saumepithelzelle Schmelz Schmelzkutikula Halbdesmosom

Zement

innere Basallamina dentogingivale Fasern alveologingivale Fasern

Desmodontalspalt

periostogingivale Fasern

Desmodontalfasern Alveolarknochen a

interpapilläre Fasern transseptale Fasern interzirkuläre Fasern dentogingivale Fasern zirkuläre/semizirkuläre Fasern

b

Abb. 4.91: Dentogingivaler Verschluss. a. Längsschnitt. b. Horizontalschnitt. Inset: Epitheliale Haftstruktur in Form von Halbdesmosomen

Sulcus gingivae. Er ist eine schmale bis ca. 0,3–0,5 mm tiefe und 0,15 mm breite Furche, die einerseits durch die Zahnsubstanz, andererseits durch das orale Sulkusepithel begrenzt wird. Der Boden wird durch die koronalsten Zellen des Saumepithels gebildet. Überalterte Zellen werden in den Sulcus abgestoßen. £ Wurzelhaut, Desmodont

Diese bindegewebigen Strukturen nehmen den Raum zwischen der Wurzeloberfläche und dem Alveolarknochen ein. Wir finden: Bindegewebsfasern, Zellen, Gefäße, Lymphgefäße, Nerven. Bindegewebefasern. Die kollagenen und elastischen Fasern bilden ein System, durch das der Zahn federnd in der Alveole syndesmotisch befestigt ist (→ Gomphosis). Zahlreiche Fasern bilden Bündel (= Sharpey-Fasern), welche einen charakteris-

tischen radiären und tangentialen Verlauf haben (Abb. 4.87) und untereinander verflochten sind. Sie inserieren einerseits im Alveolarknochen und andererseits im Wurzelzement. Die meisten Fasern verlaufen zahnwärts schräg absteigend in Wurzelrichtung (→ federndes Auffangen des Kaudruckes). Am Zahnhals und zur Wurzelspitze hin haben die Fasern zahnwärts aufsteigenden Verlauf (→ Halten des Zahnes in der Alveole). Zellen. Fibrozyten, freie Zellen. Fibroblasten können ständig neue Kollagenfibrillen bilden und sich zu Zementoblasten und Osteoblasten umwandeln. Somit kann sich das Parodontium ständig erneuern. Gefäße, Lymphgefäße, Nerven verlaufen in Aussparungen zwischen den Kollagenfaserbündeln, die lockeres Bindegewebe enthalten. Wir unterscheiden 3 Versorgungswege 1. desmodontal,

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

2. alveolär, 3. supraperiostal/mukogingival. Damit werden die Gefäße bei Belastung des Zahnes nicht gedrosselt. Okklusale Belastungen werden demnach nicht nur durch den Faserapparat aufgefangen, sondern auch durch die Gewebsflüssigkeit (= hydraulische Druckverteilung). Die wichtigsten zuführenden Gefäße für den Alveolarfortsatz und das Parodontium sind für den Oberkiefer die Aa. alveolares anteriores und posteriores und die Aa palatinae, für den Unterkiefer die Aa. alveolares inferiores, Aa. sublinguales, Aa. mentales und Aa. faciales. Die Nervenfasern sind markscheidenarm oder marklos. Lymphgefäße und Nerven folgen weitgehend den Blutbahnen. Wir finden freie Nervenendigungen, Endigungen, welche den Ruffini-Körperchen gleichen, eingekapselte Körperchen. £ Zement, Cementum

Siehe Kap. 4.13.3.4, S. 288 £ Alveolarknochen, Os alveolare

Wir unterscheiden an den Alveolarfortsätzen: Alveolarknochen, -wand, Spongiosa, Kompakta. Alveolarknochen. Er bildet die Alveolarwand, eine Knochenkompakta, die 0,1–0,4 mm dick ist und von kleinen Löchern für den Durchtritt von Gefäßen, Lymphgefäßen und Nerven (→ VolkmannKanäle) durchsetzt wird (→ Lamina cribrosa, die besonders am Alveolengrund gut ausgebildet ist). Spongiosa. Sie schließt sich an und enthält Räume mit zumeist Fettmark, Ausnahmen bilden der Unterkieferwinkel und der Tuber maxillae, dort findet man rotes Knochenmark. Die Spongiosabälkchen sind entsprechend den Druck-, Biegeund Zugbeanspruchungen der Kiefer ausgerichtet. In der Funktionsperiode unterliegen sie einem fortwährenden Umbau. Äußere Kompakta. Sie bedeckt die Alveolarfortsätze. Am Eingang der Alveole geht diese in die Alveolarwand über.

295

Klinik: 1. Übermäßiges Zähneputzen entfernt das dünne zervikale Zement bzw. Schmelz, so dass Dentin mit seinen Dentinkanälen freiliegt. Dadurch können Reize (Kälte, Säure) besser weitergeleitet werden (überempfindliche Zahnhälse). 2. Alle zahnärztlich-restaurativen Maßnahmen beeinträchtigen die Pulpa; so werden bei der Präparation für Kronen oder Füllungen Dentinkanäle freigelegt, in die bei der Maßnahme verwendete Säuren oder Monomere eindringen können. 3. Karies breitet sich vorzugsweise in dem schlechter mineralisierten Manteldentin aus, sobald die Schmelz-Dentin-Grenze erreicht ist. 4. Entzündungen, die in anderen Geweben zu einer unkomplizierten Schwellung führen, verursachen in der Pulpa aufgrund des starren Mineralmantels zu einer Erhöhung des intrapulpalen Druckes, Stoffwechseleinschränkungen und oft zur Pulpanekrose. 5. Bei Entzündungen, Nekrosen und Pusbildung in der Pulpa besteht meist kein koronaler Abfluss, so dass es über den Apex zum Abfluß und zur periapikalen Entzündung kommt. 6. Durch Noxen und Traumata zerstörte Odontoblasten können durch Differenzierung von Pulpozyten ersetzt werden. Damit haben Zähne zeitlebens ein Potenzial zur Reparatur von Hartgewebsschäden (Karies, Trauma, zahnärztliche Präparation) durch Reizdentinbildung. 7. Bei entzündlichen Erkrankungen proliferiert das Saumepithel in die Tiefe und verzahnt sich mit dem darunter liegenden Bindegewebe. 8. Beim Verlust der dentogingivalen Verbindung (→ bei chronischer Zahnfleischentzündung), bildet sich eine echte Zahnfleisch- und Knochentasche. Der Zahnhalteapparat wird dabei irreversibel zerstört. Von einer echten Zahnfleischtasche spricht man bei einer Sondierungstiefe ab 4 mm und dem Nachweis von Knochenabbau. 9. Röntgenologisch wird der Alveolarknochen als Lamina dura bezeichnet, sie ist bei Gesunden durchgängig dargestellt. 10. Durch Schaffung von Zug- und Druckzonen während einer kieferorthopädischen Behandlung werden Zement und Knochen zur Resorption bzw. Apposition angeregt. 11. Nach Zahnextraktionen wird der Alveolarknochen abgebaut.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

296

4.13.3.6 Beschreibung der einzelnen Zähne (Abb. 4.93 a, b) Lernziele: Incisivi, Canini, Prämolares, Molares: Kronen, Wurzeln, Zahnäquator, Merkmale, Zahnfarben

bedingt, dass der bukko-mesiale Übergang stärker gekrümmt ist als der bukko-distale (Krümmungsmerkmal). Nur bei dem oberen 1. Prämolaren ist das Massenmerkmal nach distal gerichtet.

An jedem Zahn werden 5 Flächen unterschieden: 1. Facies vestibularis, zur Mundvorhof ausgerichtet; in der Front auch Facies labialis, im Seitenzahngebiet Facies buccalis 2. Facies lingualis (Unterkiefer) bzw. palatina (Oberkiefer), zur Mundhöhle ausgerichtet 3. Facies contactus mesialis, zum Vorderzahn ausgerichtet 4. Facies contactus distalis, zum Ende der Zahnreihe ausgerichtet 5. Facies occlusalis, Kaufläche (Seitenzähne) bzw. Margo incisalis, Schneidekante (Frontzähne). Kauflächen. Sie weisen ein okklusales Relief mit Höckern und Vertiefungen, den Fissuren auf. An Glattflächen sind Einziehungen zu finden, die als Grübchen bezeichnet werden. Kontaktpunkte der Zähne zu den jeweiligen Nachbarzähnen. Sie befinden sich leicht okklusal und bukkal des Mittelpunktes der Mesial- bzw. Distalfläche (Approximalflächen). Anatomischer Zahnäquator. Er ist die Linie mit dem größten Kronenumfang. Er verläuft an den Bukkal- und Lingualflächen im zervikalen Kronendrittel, an den Approximalflächen im okklusalen Kronendrittel. Unterkieferzähne weisen weiterhin eine Kronenflucht auf, d.h. die Kronenachse ist in Relation zur Wurzelachse nach lingual geneigt. Seitengenaue Identifikation von extrahierten Zähnen. Sie gelingt anhand folgender Kriterien, wobei die Merkmale und Strukturen bei Oberkieferzähnen stärker als im Unterkiefer ausgeprägt sind: • Massen- und Krümmungsmerkmal (s. u.) • Wurzelmerkmal. Die Wurzelspitze ist leicht nach distal gekrümmt. • Kantenmerkmal zusätzlich bei Schneidezähnen (s. u.). Massenmerkmal. Im Querschnitt weisen alle Zähne bukkal das so genannte Massenmerkmal auf, d. h. der äußerste Punkt ist nicht mittig, sondern nach mesial verschoben (Abb. 4.92). Dies

m

m

d

d

Abb. 4.92: Massen- und Krümmungsmerkmal an den beiden mittleren Incisivi im Querschnitt. Der bukkal größte Umfang ist nach mesial verschoben. Dadurch ist die mesio-bukkale Krümmung stärker als die distobukkale.

4.13.3.6.1 Permanente Zähne £ Schneidezähne, Incisivi, Dentes incisivi

Krone. Schneidezähne haben die Form eines Hohlmeißels mit schwach gewölbter labialer und leicht konkaver lingualer Fläche. Lingual befind sich oberhalb des Zahnhalses ein Höckerchen, das Tuberculum linguale. Die Kaufläche ist zu einer Schneidekante (Margo incisalis) reduziert. Bei Schneidezähnen kann zusätzlich zum Massenund bzw. Krümmungsmerkmal (s. o.) das Kantenmerkmal zur Unterscheidung von rechten und linken Zähnen herangezogen werden: Die distale Schneidekantenecke ist stärker abgerundet als die mesiale. Schneidezähne im Unterkiefer sind deutlich zierlicher als im Oberkiefer. Wurzel. Sämtliche Schneidezähne sind einwurzelig, wobei aber im Unterkiefer 2 Wurzelkanäle vorkommen können. £ Eckzähne, Canini, Dentes canini

Krone. Eckzähne weisen eine den Schneidezähnen ähnliche Lingualfläche mit allerdings stärkerem Tuberculum linguale auf. Die Inizisalkante ist durch Abwinkelung zweigeteilt: ein mesialer steiler und distaler flacherer Anteil bilden die Eckzahnspitze, zu der auch eine Schmelzleiste vom Tuberculum lingualis läuft. Die mesiale Anteil der Schneidekane ist kürzer und stärker abfallend als der distale. Obere Eckzähne sind stärker gebaut als untere.

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

297

a

Abb. 4.93: Zur Zahnmorphologie. a. Bleibende Zähne des rechten Oberkiefers und der rechten Unterkieferhälfte von der palatinalen bzw. lingualen Fläche gesehen. b. Milchzähne des rechten Oberkiefers und der rechten Unterkieferhälfte von bukkal bzw. labial gesehen

b vestibulär

a

vestibulär

b

vestibulär

c

distal

distal

mesial

distal

mesial

Abb. 4.94: Kauflächen eines zweiten unteren Molaren (a), eines ersten unteren Molaren (b) und eines oberen Molaren (nach G.-H. Schumacher)

mesial

lingual

lingual

lingual

Wurzel. Die einfache Wurzel ist besonders lang und kräftig.

(bukkal und palatinal) mit einer deutlichen mesialen Einziehung aufweist.

£ Vormahlzähne, Prämolaren, Dentes praemo-

£ Mahlzähne, Molaren, Dentes molares

lares

Krone. Prämolaren haben 2 Höcker, einen besonders im Unterkiefer größeren bukkalen und einen lingualen, die zusammen mit der zirkulär umlaufenden seitlichen Höckerabhängen und Randleisten die Kaufläche bilden. Der erste, obere Prämolar weist als einziger Zahn durch seine Nierenform im Querschnitt ein umgekehrtes Massenmerkmal auf. Wurzel. Prämolaren sind einwurzelig, bis auf den 1. oberen Prämolaren, der in der Regel 2 Wurzeln

Krone. Molaren sind mehrhöckerige Zähne mit großen Kauflächen. Ein evolutionäre Entwicklung durch das Verschmelzen von 2 Prämolaren ist denkbar. Die Größe und Ausprägung der Merkmale nimmt vom 1. zum 3. Molaren hin ab. Krone unterer Molaren. Die Kaufläche des zweiten unteren Molaren (Abb. 4.94 a) sind nahezu quadratisch mit fast kreuzförmigen Hauptfissuren. 2 bukkale und 2 linguale Höcher liegen sich fast gegenüberliegen. Beim ersten unteren Molaren

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

298

(Abb. 4.94 b) ist zusätzlich ein 3. bukkaler Höcker vorhanden, so dass die Kaufläche rechteckiger ist und die Fissuren zick-zack-förmig verlaufen. An der Bukkalfläche findet sich ein Grübchen. Dritte untere Molaren sind kleiner als erste und zweite Molaren. Sie haben die Grundform der zweiten Molaren auf, allerdings mit einer hohen individuelle Variabilität durch zusätzliche Höckern oder Höckerverschmelzungen auf. Krone oberer Molaren. Die Kauflächen der oberen Molaren (Abb. 4.94 c) sind rhombisch und weisen 4 Höcker auf (2 linguale und 2 bukkale). Die bukkalen Höcker sind jeweils etwas mesialer angeordnet. Die Okklusalfläche wird durch einen diagonalen Schmelzwulst (Crista transversa) geteilt, der aus dem distalen Höckerabhang des mesio-palatinalen Höckers und dem zentralen Höckerabhang des disto-bukkalen Höckers besteht. Dadurch entsteht eine vordere U-förmige und eine gerade disto-palatinale Fissur. Die Merkmalsaufprägung und Größe nimmt von ersten zum dritten Molaren ab. An dem kräftigen mesio-palatinalen Höcker der ersten oberen Molaren findet sich palatinal meist noch ein kleines Höckerchen, das Tuberculum Carabelli. Beim zweiten Oberkiefermolaren kann der disto-palatinale Höcker kleiner sein oder ganz fehlen. Die dritten, oberen Molaren weisen eine hohen Variabilität auf. Neben zusätzlichen Höckern treten auch Höckerverschmelzungen auf. Wurzeln von Unterkiefermolaren. Unterkiefermolaren haben in der Regel 2 Wurzeln (mesiale und distale), wobei die mesiale eine starke Einziehung aufweist oder auch geteilt sein kann. Eine Verschmelzung der Wurzeln ist dagegen seltener. Die mesiale Wurzel weist meistens 2 Kanäle auf, wobei der mesio-bukkale sich oft teilt oder sogar doppelt angelegt ist. Die distale Wurzel kann ebenfalls 2 Kanäle haben. Bei den Wurzel der dritten Molaren existiert eine starke Variabilität. Sie sind oft verschmolzen oder stark gekrümmt. Wurzeln von Oberkiefermolaren. Die oberen Molaren sind dreiwurzelig (2 bukkale und 1 palatinale), wobei die palatinale zwischen den beiden bukkalen steht. In der mesio-bukkale Wurzel liegen häufig 2 Kanäle. Wurzel und Pulpenkaven dritter Molaren sind oft verschmolzen.

4.13.3.6.2 Milchzähne, Dentes decidui (Abb. 4.93 b) Sie entsprechen im Wesentlichen den jeweiligen bleibenden Zähnen, nur dass die Merkmale nicht zu deutlich ausgeprägt sind und die Zähne sind deutlich kleiner. Auch das Fissurenmuster weist ein flacheres Relief auf. Die Milchmolaren entsprechen den permanenten Molaren und nicht den Prämolaren, durch die sie ersetzt werden. Der anatomische Äquator liegt aufgrund eines starken bukko-zervikalen Schmelzwulstes hier deutlich apikaler als bei bleibenden Zähnen. Der Schmelzmantel ist insgesamt dünner, weniger stark mineralisiert und leichter zu abradieren. Die Pulpa sowie die Pulpahörner sind größer als im permanenten Gebiss. Die Milchzahnwurzeln sind kürzer, zierlicher und stehen stärken vom Zahnzentrum ab. £ Zahnfarbe

Sie ist gräulich-weiß bis gelbweiß bei bleibenden Zähnen; mit zunehmendem Alter gelblicher; Milchzähne sind deutlich weißer. Die Zahnfarbe entsteht durch die Transparenz des weißlich-grauen Schmelzes und die Lichtreflexion am durchschimmernden gelblicheren Dentin. Daher erscheinen die Schneidekanten und Höcker mit ihrem dicken Schmelzmantel transparent weißlich, während zum Zahnhals aufgrund des auslaufenden Schmelzes das gelbliche Dentin stärker durchscheint. Mineralisationsfehler können zu weißlichen Flecken oder Sprenkelungen führen. Zu hohe Fluoridgaben bei der Mineralisation erzeugen weißliche Hypomineralisation (Dentalfluorosen), insbesondere auf den Höckerspitzen und Inzisalkanten. In schweren Fällen können auch bräunliche Verfärbungen oder Defekte entstehen. Aber auch Medikamente (Tetrazykline) können z. B. braunen Verfärbungen bei der Zahnbildung verursachen. Entkalkungen (Karies, Säuren) des Schmelzes führen zu schneeweißen Kreideflecken. Schmelz und freiliegendes Dentin können durch Einlagerung organischer Farbstoffe und Remineralisation außerdem bräunlich werden. Traumatisch geschädigte und avitale Zähne erscheinen durch Einblutungen oder Einlagerungen bräunlich bis schwärzlich. Klinik: 1. Die zahnärztliche Präparation für Zahnersatz sollte dem Verlauf des anatomischen Zahnäquator folgen: bukkal und oral weiter in Richtung apikal als approximal. 2. Bei

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

Herstellung von Füllungen und festsitzendem Zahnersatz sollten die Originalzähne in Bezug auf die anatomische Form als Vorbild dienen. Kronenflucht, Kontaktpunkte und Freiräume für die Papille erlauben die (Selbst-)Reinigung des Zahnersatzes. 3. Restaurationen sollten die Zahnfarbe als zusammengesetzte Farbe immitieren (Schichtverfahren mit Transparent- und Opakermasse).

4.13.3.7 Okklusion der Zahnreihen Wir verstehen unter Okklusion die Lagebeziehungen der Zähne des Ober- und Unterkiefers zueinander bei jedem Kontakt. Ihr Prinzip ist eine Zahn-zu-Zahn-Beziehung. Die Schneidekanten der oberen und unteren Zähne gleiten scherenartig aneinander vorbei. Die Zahnhöcker treffen mit den korrespondierenden Vertiefungen zwischen den Randwülsten und den Gruben auf den gegenüberliegenden Okklusalflächen punkt- oder strichförmig aufeinander. Somit wird ein funktionelles Optimum erreicht, durch welches die Kaumuskeln mit minimalem Kraftaufwand die größte Wirkung entfalten.

4.13.4

Gaumen, Palatum

Lernziele: Entwicklung, harter und weicher Gaumen, Schleimhaut, Muskulatur, Schlundenge

4.13.4.1 Struktur des Gaumens Gliederung. Wir unterscheiden einen harten Gaumen, Palatum durum, und einen weichen Gaumen, Palatum molle. Harter Gaumen (Abb. 4.95 a). Er stellt eine Knochenplatte dar und besteht aus 1. dem Processus palatinus des Oberkiefers und 2. der Lamina horizontalis des Gaumenbeins. 3. Verbunden werden die Knochen kreuzförmig durch die Sutura palatina mediana und die Sutura palatina transversa

299

Weicher Gaumen (Abb. 4.95 b), auch Gaumensegel, Velum palatinum, genannt. Als Grundlage dient ein Bindegewebsskelett (Aponeurosis palatina), an dem insgesamt 5 Muskeln ansetzen. £ Entwicklung des Gesichtes und des Gaumens

Da die Entwicklung des Gaumens ein Bestandteil der Gesichtsentwicklung ist, werden beide hier zusammen dargestellt. Bei menschlichen Embryonen von 10 mm SSL ist die Mundspalte unten von den beiden in der Mittellinie miteinander verwachsenen Unterkieferwülsten, oben von den lateralen und medialen Nasenwülsten umgeben, die das Riechgrübchen umranden. Dort, wo medialer und lateraler Nasenwulst zusammenstoßen, findet sich eine leichte Einsenkung, die mittlere Gesichtsfurche. Zwischen lateralem Nasenwulst und Oberkieferwulst liegt die seitliche Gesichtsfurche, die bis an das Auge reicht. Wülste und Furchen entstehen durch unregelmäßiges Wachstum des subepithelialen Mesenchyms. Die Furchen verstreichen durch Mesenchymwucherung, nicht durch Verschmelzung von „Fortsätzen“. Bei der Gesichtsbildung kommt es lediglich zwischen medialem und lateralem Nasenwulst zu einer epithelialen Verschmelzung, die aber bereits nach einigen Tagen aufgelöst und durch Mesenchym ersetzt wird. Bei der normalen Entwicklung entstehen keine Gesichtsspalten. Während das embryonale Gesicht durch Schwund der Furchen und durch Proliferationsprozesse im Mesenchym die endgültige Form gewinnt, wachsen die bereits früher angelegten Gaumenfortsätze einander entgegen, verschmelzen miteinander und mit dem Nasenseptum, trennen damit Nasen- und Mundhöhle. Die Abbildung 4.96 gibt grob schematisch wieder, welche Weichteile (b) und Knochen (c) des Gesichts aus den einzelnen Wülsten entstehen. Klinik: Spaltbildungen resultieren aus Proliferationsstörungen. Seitliche Lippen-Kiefer-Gaumenspalten entstehen bei Störungen zwischen dem medialen Nasen- und Oberkieferwulst, mittlere Spalten bei solchen beider mittlerer Nasenwülste. Quere Gesichtsspalten sind größere Defekte zwischen Ober- und Unterkieferwulst. Sie verlaufen in Verlängerung des Mundwinkels zwischen Ober- und Unterkiefer. Bei einer schrägen Gesichtsspalte sind der seitliche

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

300 Sutura incisiva, Processus palatinus maxillae

Foramen incisivum

I1

I2

C

P1

P2 M1 (Septa interradicularia) M2 M3

Sulci palatini Foramen palatinum majus et minus Sutura palatina transversa, Lamina horizontalis ossis palatini

Spina nasalis ossis palatini

Sutura palatina mediana

a

Papilla incisiva

Plicae palatinae transversae

Glandulae palatinae

Schnittrand der Schleimhaut

Processus palatinus maxillae

Mündungen der Glandulae palatinae

Sutura palatina transversa

Arcus palatoglossus

N. palatinus major, A. palatina major

Tonsilla palatina

Nn. palatini minores, Aa. palatinae minores

Muskeln vom Processus styloideus

M. palatoglossus Arcus palatopharyngeus

b

M. palatopharyngeus

Pharynx

Uvula

Abb. 4.95: a. Knöcherner Gaumen, Palatum osseum. Zahnfächer, Alveoli dentales, des Oberkiefers. b. Weichteile des Gaumens. Gefäße und Nerven. Inset: Schleimhaut mit sog. Retinacula

4.13 Mundhöhle, Cavitas oris

301

medialer Nasenwulst lateraler Nasenwulst Oberkieferwulst

Augenanlage Nasenöffnung primitive Mundöffnung Processus globularis

Unterkieferwulst Zungenbeinbogen

a

Os nasale medialer Nasenwulst lateraler Nasenwulst Oberkieferwulst Unterkieferwulst

schräge Gesichtsspalte seitliche Nasenspalte quere Gesichtsspalte

b

Os lacrimale Processus frontalis maxillae Os zygomaticum Maxilla Septum nasi Os incisivum Mandibula c

schräge Gesichtsspalte Kieferspalte

Abb. 4.96: Schemata zur Entwicklung des Gesichts. Die verschiedenen Wülste bzw. ihre Abkömmlinge sind durch Farben wiedergegeben. a. Embryo am Ende des 1. Monats. b. Weichteile. c. Hartteile beim Erwachsenen

Nasen- und Oberkieferwulst nicht miteinander verschmolzen. £ Gaumenschleimhaut

Sie ist im Prinzip wie die Mundschleimhaut aufgebaut. Am harten Gaumen ist sie unverschieblich befestigt, am weichen Gaumen verschieblich. Im vorderen Abschnitt ist sie sehr derb ohne Zwischenschaltung einer Submucosa. Weiter hinten besitzt sie eine Submucosa, welche Fett- und Drüsengewebe (Glandulae palatinae) enthält. Hier finden sich auch zunehmend elastische Fasern. Am weichen Gaumen hat die Schleimhaut auf der Nasenhöhlenseite mehrreihiges Flimmerepithel des Respirationstraktes, auf der Mundhöhlenseite mehrschichtiges Plattenepithel.

2. Fibröse Medianzone. Verwachsung der Schleimhaut mit der Sutura palatina mediana. 3. Fettgewebszone. Sie nimmt etwa den mittleren Teil der Gaumenschleimhaut ein. 4. Drüsenzone im hinteren Abschnitt, vorzugsweise im perivaskulären Gewebe der Aa. palatinae. Klinik: 1. Die fibröse Medianzone kammert die Schleimhaut in eine linke und eine rechte Hälfte. Daher können sich palatinale Abszesse nur selten zur Gegenseite ausbreiten. 2. Am weichen Gaumen ist die Schleimhaut verschieblich und kann daher stark anschwellen. £ Gaumen- und Schlundbogenmuskeln,

Musculi palati et faucium (Abb. 4.98)

Topographische Gliederung der Schleimhaut

1. M. levator veli palatini

1. Fibröse Randzone. Die Schleimhaut ist mit dem Alveolarkamm fest verwachsen.

O.: Facies inferior der Pars petrosa, des Os temporale, Cartilago tubae anditivae

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

302

I.: Aponeurosis palatina L.: N. X (R. pharyngeus), A. pharyngea ascendens F.: Spannt und hebt das Gaumensegel, öffnet die Tuba auditiva und schließt gemeinsam mit dem M. constrictor pharyngis superior den Nasenrachenraum (Schlucken!), wölbt den Levatorwulst der Rachenwand vor (s. Kap. 4.14.3.3, S. 309) 2. M. tensor veli palatini O.: Lamina medialis des Processus pterygoideus, Ala major des Os sphenoidale, Lamina membranacea der Tuba auditiva. Er zieht um den Hamulus pterygoideus herum I.: Aponeurosis palatina L.: N. V3, A. pharyngea ascendens F.: Spannt das Gaumensegel, öffnet die Ohrtrompete (Druckausgleich!) und verformt den Gaumen für die Lautbildung 3. M. palatopharyngeus (s. Kap. 4.14.3.3, S. 309) 4. M. palatoglossus O.: I.: L.: F.:

Abspaltung aus dem M. transversus linguae Aponeurosis palatina Nn. IX, X (R.pharyngeus), A. dorsalis linguae Schließt die Schlundenge, senkt das Gaumensegel; er stellt die muskuläre Grundlage des vorderen Gaumenbogens dar.

5. M. uvulae O.: I.: L.: F.:

Aponeurosis palatina Schleimhaut an der Spitze der Uvula Nn. IX, X (R. pharyngeus) Verkürzt das Zäpfchen. Die Uvula kann gespalten sein bzw. geringe Einkerbungen zeigen.

4.14

Klinik: Schnarchen tritt beim Tiefschlaf ein. Das Gaumensegel flattert im Atemstrom.

4.13.4.2 Schlundenge, Isthmus faucium Als Schlundenge wird die Engstelle zwischen Mundhöhle und Rachen bezeichnet (Abb. 4.72). £ Begrenzung. Seitlich von den Gaumenbögen,

unten von der Zunge.

£ Gaumenbögen. Es handelt sich um Schleim-

hautfalten, die sich seitlich vorschieben. Ihre Grundlage wird von den gleichnamigen Gaumenmuskeln gebildet (Abb. 4.98).

• Vorderer Bogen, Arcus palatoglossus, verläuft vom weichen Gaumen zur Zungenwurzel, über der er sich zu einer dreieckigen Schleimhautfalte, Plica triangularis, verbreitert • Hinterer Gaumenbogen, Arcus palatopharyngeus, zieht vom weichen Gaumen zur Schlundwand £ Fossa tonsillaris. Diese liegt zwischen den Gaumenbögen und beinhaltet die Tonsilla palatina (s. Kap. 4.14.5, S. 311). Sie wird oben von einer bogenförmigen Falte, Plica semilunaris begrenzt, die beide Gaumenbögen miteinander verbindet. Eine kleine dreieckige Vertiefung über der Gaumenmandel ist die Fossa supratonsillaris. Klinik: 1. Stark vergrößerte Gaumenmandeln können die Schlundenge einengen sowie Behinderungen beim Schlucken und Sprechen verursachen. 2. Bei paratonsillären Abszessen ist die Fossa supratonsillaris abgeflacht.

Schlund, Pharynx

Lernziele: Anatomie, Etagengliederung, Inhalt, Muskulatur, lymphatischer Rachenring £ Embryologie

Der Pharynx entsteht aus dem vorderen Teil des Schlunddarms. Die Pharynxmuskulatur wird aus dem Material des 1., 3.–6. Schlundbogens gebildet.

£ Funktionen

• Im Pharynx wird der Speisebrei aus der Mundhöhle in die Speiseröhre transportiert. • Als Teil des Atmungstraktes dient er der Luftleitung. Luft- und Speiseweg überkreuzen sich im Pharynx. • In der Pharynxwand können einzelne Geschmacksknospen auftreten.

4.14 Schlund, Pharynx

• Im Bereich des Pharynx sind Organe der Immunabwehr gelagert (Waldeyer-Rachenring).

4.14.1

Lage und Befestigungen des Pharynx

Der Pharynx liegt vor dem Halsteil der Wirbelsäule, seine Rückwand liegt der Lamina prevertebralis der Fascia colli an. Er reicht in Längsrichtung von der Schädelbasis bis zum 6. Halswirbel und geht dort in den Oesophagus über. Er hat breite Verbindungen zur vor ihm liegenden Nasen- und Mundhöhle sowie zum Kehlkopfeingang. Seine Länge beträgt ca. 12-15 cm. Die obere Pharynxwand, Fornix pharyngis, ist an der Außenfläche der Schädelbasis befestigt. Die knöcherne Befestigungslinie beginnt links und rechts vom Tuberculum pharyngeum des Os occipitale, erreicht, nach lateral ziehend, vor der Mündung des Canalis caroticus die Felsenbeinpyramide und wendet sich von dort rechtwinklig nach vorn zur Lamina medialis des Processus pterygoideus. Den Seitenwänden des Pharynx liegen die A. carotis communis, A. carotis interna, V. jugularis interna, Nerven, die großen Zungenbeinhörner und die Schildknorpelplatten an.

4.14.2

Etagengliederung und Inhalt des Pharynx

Die Cavitas pharyngis wird in 3 Etagen gegliedert, Pars nasalis pharyngis, Pars oralis pharyngis und Pars laryngea pharyngis (Abb. 4.97, 4.98). Die Pars nasalis pharyngis (Nasopharynx, Epipharynx), der obere Abschnitt, erstreckt sich vom Fornix pharyngis bis zum weichen Gaumen. Er steht über die Choanen mit der Nasenhöhle in Verbindung. Die Pars oralis pharyngis (Mesopharynx, Oropharynx), der mittlere Pharynxabschnitt, erstreckt sich vom weichen Gaumen bis zum Oberrand des Kehldeckels. Seine Längsausdehnung entspricht in etwa der Höhe des Körpers des 3. Halswirbels. Vorn ist die Pars oralis pharyngis über die Schlundenge, Isthmus faucium, mit der Mundhöhle verbunden.

303

Die Pars laryngea pharyngis (Hypopharynx, Laryngopharynx), der untere Abschnitt des Pharynx, reicht vom Oberrand des Kehldeckels bis zum Ringknorpel und geht dann in die Speiseröhre über.

4.14.2.1 Innenrelief des Schlundes £ Pars nasalis pharyngis

Das Dach, Fornix pharyngis, liegt den Körpern des Keil- und Hinterhauptsbeines an und geht allmählich in die dem Atlas anliegende Hinterwand über. An der Seitenwand befindet sich in Verlängerung der unteren Nasenmuschel die im Durchmesser ca. 4 mm große Schlundöffnung der Ohrtrompete, das Ostium pharyngeum tubae auditivae. Durch die Ohrtrompete, Tuba auditiva, steht der Schlund mit dem Mittelohrraum, Cavitas tympanica, in Verbindung. Die Tubenöffnung liegt beim Erwachsenen in Höhe der unteren Muschel oder etwas tiefer, beim Neugeborenen fast in Höhe des harten Gaumens. Für das Sondieren der Tube führt man das Instrument durch den unteren Nasengang ein. Die Tubenöffnung wird hinten und oben von dem Tubenwulst, Torus tubarius, unter dem der hakenförmig gebogene Tubenknorpel liegt, umrahmt. Er verliert sich nach unten hinten als Plica salpingopharyngea in der seitlichen Pharynxwand; unten vorn läuft er in der Plica salpingopalatina aus. Von unten wölbt sich der M. levator veli palatini als Levatorwulst, Torus levatorius, gegen die Tubenöffnung vor. Beim Heben des weichen Gaumens ist er gut im Nasenspiegel zu erkennen. Hinter dem Tubenwulst ist der Pharynx zu dem spaltförmigen Recessus pharyngeus (Rosenmüller) ausgebuchtet. Der Recessus pharyngeus stellt eine tiefe, schmale Tasche dar, welche nach hinten lateral verläuft und in Höhe des Eintritts der A. carotis interna in den Karotiskanal blind endet. Bei Neugeborenen und Kindern findet sich am Übergang des Daches in die Hinterwand in der Schleimhaut die Rachenmandel, Tonsilla pharyngea. Klinik: Eine vergrößerte Rachenmandel verlegt den Zugang zur Nase. Dadurch wird die Nasenatmung behindert und es kommt zur Mundatmung.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

304 Sinus sphenoidalis superior Concha nasalis

media inferior

Plica salpingopalatina Torus levatorius Velum palatinum Arcus palatoglossus Tonsilla palatina Foramen caecum linguae Tonsilla lingualis Vallecula epiglottica Os hyoideum Cartilago epiglottica Cartilago thyroidea

Fornix pharyngis Ostium pharyngeum tubae Torus tubarius Tonsilla pharyngea Recessus pharyngeus Atlas Plica salpingopharyngea Fossa supratonsillaris Arcus palatopharyngeus Axis Epiglottis Aditus laryngis Ventriculus laryngis Cartilago cricoidea (Lamina)

Cartilago cricoidea (Arcus) Tracheotomia superior

Oesophagus

Isthmus glandulae thyroideae Trachea Tracheotomia inferior

Abb. 4.97: Mediansagittalschnitt durch Schlund und Kehlkopf. Pars nasalis, Pars oralis und Pars laryngea pharyngis sind durch dicke schwarze Linien schematisch abgegrenzt. Die Pfeile zeigen Wege der Tracheotomia superior und inferior

£ Pars oralis pharyngis

£ Pars laryngea pharyngis

Der Pars oralis pharyngis liegen vorn unterhalb des Isthmus faucium der Zungengrund mit den Tonsillae linguales und die Valleculae epiglotticae an. Letztere stellen gemeinsam mit den sie begrenzenden Ausgleichsfalten, der Plica glossoepiglottica mediana und den beiden seitlich davon liegenden Plicae glossoepiglotticae laterales die verschiebliche Verbindung zwischen Kehldeckel und Zunge dar. In der Seitenwand des Isthmus faucium liegen die Gaumenbögen, zwischen denen sich in der Fossa tonsillaris die Gaumenmandel, Tonsilla palatina, befindet.

Die Pars laryngea pharyngis ist der längste der drei Schlundabschnitte. Sie geht hinter dem Ringknorpel in den Oesophagus über (Constrictio pharyngooesophagealis, 1. Enge der Speiseröhre, ca. 15 cm von den Zahnreihen entfernt). Die Hinterwand liegt vor den Körpern des 4.–6. Halswirbels. An der Vorderwand liegt oben der von Epiglottis und Plicae aryepiglotticae eingefaßte Kehlkopfeingang, unten die Rückfläche der Stellknorpel und des Ringknorpels mit den dazugehörigen Muskeln. Zwischen den Stellknorpeln befindet sich die Incisura interarytenoidea.

4.14 Schlund, Pharynx

305 Choanae Cartilago tubae auditivae

Torus tubarius

M. tensor veli palatini

Plica salpingopharyngea Septum nasi

M. levator veli palatini

Palatum molle

M. salpingopharyngeus M. constrictor pharyngis superior

M. uvulae

M. palatopharyngeus

Uvula

Tonsilla palatina

Arcus palatopharyngeus

N. glossopharyngeus, Rr. dorsales linguae

Papillae vallatae Tonsilla lingualis

Vallecula epiglottica

Epiglottis

Incisura interarytenoidea N. laryngeus superior A. laryngea superior

Plica glossoepiglottica lateralis Plica n. laryngei

R. communicans cum n. laryngeo inferiore

Recessus piriformis

M. cricoarytaenoideus posterior

Schnittrand der Schleimhaut mit Schleimhautästen

A. laryngea inferior

Glandula thyroidea

N. laryngeus inferior Oesophagus

Oesophagus

A. thyroidea inferior N. laryngeus recurrens

Glandula parathyroidea inferior

Abb. 4.98: Pharynx von dorsal eröffnet. Rechts Darstellung von Schlund-, Gaumen- und Kehlkopfmuskeln sowie Gefäßen und Nerven nach Entfernung der Schleimhaut. Verdeckte Teile der Nerven punktiert

Dorsal der Plicae glossoepiglotticae laterales wölben der N. laryngeus superior und die gleichnamigen Gefäße die Schleimhaut zur Plica nervi laryngei superioris vor. Zwischen dem Schildknorpel und der Plica aryepiglottica liegt der Recessus piriformis. Klinik: Fremdkörper (z. B. Fischgräten) können sich im Recessus piriformis festsetzen. Sie lösen einen Hustenreflex (N. vagus) aus.

4.14.2.2 Histologie Die Pharynxwand besteht aus 3 Schichten: • Tunica mucosa, • Tunica muscularis (entspricht den Pharynxmuskeln) und • Tunica adventitia. Pharynxschleimhaut. Sie ist im oberen Pharynxabschnitt von einem mehrreihigen Flimmerepithel bedeckt, im mittleren und unteren Teil von mehrschichtigem unverhorntem Plattenepithel. Im Epithel der Pars oralis pharyngis können gelegentlich Geschmacksknospen auftreten. Auf der Oberfläche des Epithels öffnen sich die Ausführungsgänge gemischter Speicheldrüsen, Glandulae pharyngeales.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

306

Die Pharynxschleimhaut ist fest an der Tunica muscularis befestigt und bildet keine Falten. Tela submucosa: Zwischen der Schleimhaut und der Muskelschicht des Pharynx ist ein fibröses Bindegewebe eingelagert, welches einer Tela submucosa entspricht. Das kranial besonders kräftige faserreiche submuköse Bindegewebe wird als Fascia pharyngobasilaris bezeichnet und dient der Befestigung des Schlunds am Schädel. Die Tunica adventitia stellt eine dorsale Verlängerung der Faszie des M. buccinator, Fascia buccopharyngea, dar und geht kaudal in die Adventitia der Speiseröhre über. Sie schließt den Pharynx gegen den lateropharyngealen und retropharyngealen Raum ab. Dorsal ist sie durch das lockere retropharyngeale Bindegewebe, welche das Gleiten vor der Wirbelsäule ermöglicht, mit der Lamina prevertebralis der Fascia cervicalis verbunden.

4.14.3

Pharynxmuskeln, Musculi pharyngis (Abb. 4.99, 100)

Die quergestreiften Muskeln bilden die Tunica muscularis. Wir unterscheiden: Muskeln mit ringförmigem Verlauf der Muskelfasern (3 Paar Mm. constrictores pharyngis, Schlundschnürer) und Muskeln mit Längsverlauf der Muskelfasern (zwei Paar Mm. levatores pharyngis, Schlundheber).

4.14.3.1 Schlundschnürer Die Muskelfasern der Pharynxkonstriktoren ziehen nach dorsal, wo sie medial an der Raphe pharyngis, einem Bindegewebsband, welches am Tuberculum pharyngeum beginnt, ansetzen. Teilweise gehen sie auf die andere Seite über und verweben sich mit Fasern des kontralateralen Muskels. 1. M. constrictor pharyngis superior. Er hat die Form einer viereckigen Platte und besteht in Abhängigkeit vom Ursprung seiner Fasern aus 4 Teilen: Pars pterygopharyngea, Pars buccopharyngea, Pars mylopharyngea, Pars glossopharyngea. O.: Pars pterygopharyngea: unteres Drittel der Lamina medialis des Processus pterygoideus und Hamulus pterygoideus, Pars buccopha-

ryngea: Raphe pterygomandibularis, Pars mylopharyngea: Linea mylohyoidea der Mandibula und Pars glossopharyngea: Eigenmuskulatur der Zunge im Bereich der Zungenwurzel. I.: Die Muskelfasern der 4 Teile ziehen horizontal nach dorsal zur Raphe pharyngis. Der Oberrand des Muskels erreicht die Schädelbasis nicht, so dass beidseitig der Raphe pharyngis zwischen Oberkante des Muskels und Schädelbasis ein muskelfreies Feld entsteht, welches vom straffen Bindegewebe der Fascia pharyngobasilaris ausgefüllt wird. L.: N. glossopharyngeus, A. pharyngea ascendens F.: Bei Kontraktion des M. constrictor pharyngis superior entsteht an der hinteren Pharynxwand der Passavant-Wulst (Beim Schluckakt wird das Gaumensegel an den Passavant-Wulst gedrückt. Damit wird die Pars nasalis pharyngis gegenüber der Pars oralis verschlossen und ein Übertreten von Speise oder Flüssigkeit in die Pars nasalis pharyngis und die Nasenhöhle verhindert.) 2. M. constrictor pharyngis medius: Er besteht aus 2 Teilen: Pars chondropharyngea und Pars ceratopharyngea. O.: Pars chondropharyngea: großes Zungenbeinhorn, Pars ceratopharyngea: kleines Zungenbeinhorn I.: Raphe pharyngis. Der Muskel hat die Form einer dreieckigen Platte, deren breite Basis der Raphe pharyngis anliegt und deren Spitze zum Zungenbein zeigt. Die oberen Muskelfaserbündel liegen dem M. constrictor pharyngis superior teilweise dorsal auf. L.: N. glossopharyngeus, N. vagus, A. pharyngea ascendens 3. M. constrictor pharyngis inferior Er besteht aus 2 Teilen: Pars thyropharyngea und Pars cricopharyngea. O.: Pars thyropharyngea: Linea obliqua des Schildknorpels, Pars cricopharyngea: Seitenfläche des Ringknorpels und Membrana cricothyroidea I.: fächerförmig nach hinten ziehend strahlen die Muskelfasern in die Raphe pharyngis ein. L.: N. vagus, A. pharyngea ascendens F.: Die drei Muskeln verengen das Lumen des Pharynx.

4.14 Schlund, Pharynx

307

Fascia pharyngobasilaris

Raphe pharyngis M. constrictor pharyngis superior M. stylopharyngeus M.pterygoideus medialis

M. constrictor pharyngis medius M. constrictor pharyngis inferior

Os hyoideum, Cornu majus

M.palatopharyngeus Glandula thyroidea

Glandula parathyroidea Oesophagus

a

Schlundmuskeln von hinten

M. constrictor pharyngis superior Pars pterygopharyngea Pars buccopharyngea Pars mylopharyngea Pars glossopharyngea M. constrictor pharyngis medius Pars ceratopharyngea Pars chondropharyngea M. constrictor pharyngis inferior Pars thyropharyngea Pars cricopharyngea

Abb. 4.99: Pharynxmuskulatur von dorsal (oben) und von der Seite (nach G.-H. Schumacher)

b Schlundmuskeln von der Seite

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

308

M. tensor veli palatini M. levator veli palatini

M. buccinator

M.stylopharyngeus Raphe pterygomandibularis

M. styloglossus M. digastricus, Venter posterior M. constrictor pharyngis superior

M. digastricus, Venter anterior M. stylohyoideus

M. mylohyoideus

M. constrictor pharyngis inferior

a

am Schluckakt beteiligte Muskeln Passavant-Wulst

b

Stellung von Gaumen und Kehlkopf beim Säugling

c Luft- und Speiseweg in der Schluckstellung während der pharyngealen Phase

d

Luft- und Speiseweg in der Atemstellung

Abb. 4.100: Darstellung der am Schluckakt beteiligten Muskeln (a) und der Phasen des Schluckaktes (c, d) (nach G.-H. Schumacher)

4.14 Schlund, Pharynx

Klinik: Am Übergang des unteren Schlundschnürers in die Speiseröhre besteht an deren Hinterwand oft ein muskelschwaches, nur aus Ringfasern bestehendes Dreieck (LaimerDreieck). Dieses bildet als schwache Stelle die Grundlage für die Zenker-Oesophagusdivertikel (pharyngooesophageale Divertikel). Ca. 70 % aller Oesophagusdivertikel sind hier lokalisiert.

4.14.3.2 Schlundheber Die Gruppe der Pharynxheber besteht aus dem M. stylopharyngeus, dem M. palatopharyngeus und ggf. dem M. salpingopharyngeus. 1. M. stylopharyngeus. Er ist ein langer schmaler Muskel. O.: Proc. styloideus. I.: Seine Fasern ziehen an der Schlundwand entlang nach unten und treten zwischen dem M. constrictor pharyngis superior und medius an die Innenwand des Pharynx, wo sie sich in Bündel aufspalten, die teilweise in der Pharynxwand, teilweise am Kehlkopfskelett befestigt sind. L.: N. glossopharyngeus, A. pharyngea ascendens F.: Durch eine Kontraktion des Muskels werden Schlund und Kehlkopf gehoben. Dabei wird der Schlund verkürzt. 2. M. palatopharyngeus O.: An der Aponeurose des weichen Gaumens und angrenzenden Knochen (Hamulus, Lamina medialis processus pterygoidei). I.: Er tritt in die seitliche Schlundwand ein, in der er dorsalwärts bis zur Raphe und abwärts bis zum Hinterrand des Schildknorpels verläuft. Der Muskel bildet die Grundlage des Arcus palatoglossus. L.: N. glossopharyngeus, A. pharyngea ascendens F.: s. o. 3. M. salpingopharyngeus Sehr häufig entspringen auch Faserzüge vom Unterrand der Tuba auditiva, welche als M. salpingopharyngeus bezeichnet werden. Der Muskel wirft an der seitlichen Schlundwand die gleichnamige Falte (Plica salpingopharyngea) auf.

309

4.14.3.3 Schluckakt (Abb. 4.100) Der Schluckakt läuft in 3 Phasen ab. Er beginnt mit der willkürlich beeinflussbaren oralen Phase, auf welche die pharyngeale und oesophageale Phasen folgen, die reflektorisch gesteuert und vom Willen nicht mehr beeinflussbar sind. Orale Phase: Die über die Mundöffnung aufgenommene und in der Mundhöhle zerkleinerte und mit Speichel durchmischte Nahrung wird am Gaumen entlang zum Isthmus faucium befördert. Dabei wird die Zunge durch Kontraktion der Mundbodenmuskulatur gegen den Gaumen geführt und unter Beteiligung der Mm. hyoglossi und styloglossi nach hinten verlagert. Durch Erzeugung eines Überdruckes in der Mundhöhle wird der zunächst geschlossene Isthmus faucium kurzfristig geöffnet, wodurch die Nahrungsportion in den Pharynx gelangt. Pharyngeale Phase: Der weitere Weg der Nahrung in Richtung Oesophagus wird durch • eine Verlegung der Pars nasalis pharyngis, • den Verschluss des Rückweges in die Mundhöhle und • den Verschluss des Aditus laryngis festgelegt. Der Epipharynx wird durch Hebung des Gaumensegels (Kontraktion der Mm. tensor und levator veli palatini) gegen den durch den M. constrictor pharyngis superior gebildeten Passavant-Wulst verschlossen. Der Rückweg in die Mundhöhle wird durch das Sphinkterensystem im Bereich des Isthmus faucium (Mm. palatoglossi) und die Verlagerung des Zungenkörpers nach hinten versperrt. Die während der oralen Phase erfolgte Hebung des Mundbodens (suprahyale Muskulatur, M. thyrohyoideus) bedingt eine Verlagerung von Zungenbein und Kehlkopf nach oben und vorn unter den Zungengrund. Daraus resultiert eine passive Verlagerung des Kehldeckels über den Aditus laryngis mit reflektorischem Verschluß der Glottis und Hemmung der Atemmuskulatur. Oesophageale Phase: Der Weitertransport der Nahrung erfolgt durch Kontraktion der Schlundschnürer sowie Hebung und Verkürzung des Schlundes (Mm. stylopharyngeus und palatopharyngeus). Dabei wird die Pharynxwand gleichsam über die Nahrungsportion hinweg nach oben gezogen. Nach Erreichen des Oesophagus wird die Nahrung durch Peristaltik weitertransportiert.

4.14.4

Gefäße und Nerven des Pharynx (Abb. 4.101)

£ Arterien. A. carotis externa → A. pharyngea

ascendens → Rr. pharyngeales

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

310

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Abb. 4.101: Pharynx, Oesophagus und Gefäß-Nervenstrang des Halses von dorsal. Wirbelsäule und hinterer Teil des Schädels sind entfernt

4.14 Schlund, Pharynx

£

£ £ £

A. carotis externa → A. facialis → A. palatina ascendens (Tubenostium und Tonsilla palatina) A. subclavia → Truncus thyrocervicalis → A. thyroidea inf. → Rr. pharyngeales (Hypopharynx) Venen. Plexus pharyngeus → Vv. pharyngeae → V. jugularis interna Plexus pterygoideus → V. jugularis interna Lymphgefäße. Der Lymphabfluss erfolgt in den Truncus jugularis. Regionale Lymphknoten. Nll. retropharyngeales und Nll. profundi superiores et inferiores Nerven. Plexus pharyngeus aus N. glossopharyngeus, N. vagus und Truncus sympathicus

4.14.5

Mandeln, Tonsillen, Tonsillae (Abb. 4.97, 4.98)

Der Bereich des Pharynx ist von lymphatischem Gewebe umgeben, welches in seiner Gesamtheit als Anulus lymphoideus pharyngis, lymphatischer Rachenring (Waldeyer) bezeichnet wird. Zu diesem Rachenring gehören: 1. 2. 3. 4. 5.

Rachenmandel Tonsilla pharyngea, Tubenmandel, Tonsilla tubaria Zungenmandel, Tonsilla lingualis Gaumenmandel, Tonsilla palatina, Lymphatisches Gewebe in der Schleimhaut der Plica salpingopharyngea.

£ Funktionen

Im Bereich der Krypten, Cryptae tonsillares, werden Antigene von Makrophagen aufgenommen, verarbeitet und an immunkompetente Zellen weitergereicht. Diese wandern in die Reaktionszentren von Lymphfollikeln ein, proliferieren und bilden als Plasmazellen Antikörper. £ Lage der Tonsillen

Die Tonsilla pharyngea liegt in der Schleimhaut des Epipharynx am Übergang des Pharynxdaches in seine Hinterwand. Die Tonsilla palatina liegt im Bereich des Isthmus faucium in der Fossa tonsillaris, dem Arcus palatopharyngeus angelagert. Die Tonsilla lingualis liegt in der Schleimhaut der Radix linguae.

311

Die Tonsilla tubaria befindet sich in der Schleimhaut des Torus tubarius. £ Allgemeiner Aufbau

Das die Tonsillen an der Oberfläche überziehende Epithel bildet tiefe Eisenkungen, Krypten, denen retikuläres Bindegewebe unterlagert ist, in welchem Lymphfollikel eingelagert sind. Bei den Lymphfollikeln handelt es sich in der Regel um Sekundärfollikel, deren kappenförmig aufgelagerter Lymphozytenwall zur Oberfläche gerichtet ist. Das Epithel besitzt Retikulierungszonen, in deren Bereich eine Basalmembran fehlt. Zellen aus dem subepithelialen Bindegewebe können gut in das Epithel eintreten und bilden mit ihm einen lymphoepithelialen Gewebsverband. Zu den eingewanderten Zellen gehören Plasmazellen, Lymphozyten, neutrophile Granulozyten und Makrophagen. Baubesonderheiten der verschiedenen Tonsillen Kapsel: Die Tonsillae palatina, lingualis und pharyngea sind durch eine bindegewebige Kapsel vom darunter gelegenen Gewebe abgegrenzt. Der Tonsilla tubaria und dem lymphatischen Gewebe der Plica salpingopharyngea fehlt diese bindegewebige Kapsel. Epithel: Das die Tonsillen überziehende und in ihren Krypten retikulierte Epithel entspricht dem der Region, in welcher die entsprechenden Tonsillen lokalisiert sind, d. h. es ist Flimmerepithel im Bereich der Tonsillae pharyngea und tubaria und mehrschichtiges unverhorntes Plattenepithel im Bereich der übrigen Tonsillen. £ Gefäße und Nerven der Tonsilla palatina

Arterien w A. pharyngea ascendens → Rr. pharyngeales w A. lingualis → Rr. dorsales linguae w A. facialis → A. palatina ascendens → R. tonsil-

laris

w A. facialis → R. tonsillaris

Venen. Plexus venosus pharyngeus → V. jugularis interna Regionale Lymphknoten. Nodus jugulodigastricus Nerven. I.: N. glossopharyngeus, N. maxillaris (V2)

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

312

4.15

Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales

Übersicht und Einleitung Die Nasenhöhle, Cavitas nasi, ist Teil des oberen Respirationstraktes und beinhaltet das Geruchsorgan, Organum olfactorium. Sie ist paarig angelegt und wird in 2 hintereinander gelegene Räume, den Nasenvorhof, Vestibulum nasi, und die eigentliche Nasenhöhle, Cavitas nasi, unterteilt. Beide sind vollständig durch das meist asymmetrische Nasenseptum, Septum nasi, getrennt. Das Vestibulum nasi entspricht weitgehend der äußeren Nase und ist über die Nasenlöcher, Nares, mit der äußeren Körperoberfläche verbunden. Die pyramidenförmige Cavitas nasi steht hinten über die sekundären Nasenöffnungen, Choanen, mit der Pars nasalis pharyngis in Verbindung. Seitlich ist die Cavitas nasi über verschiedene Öffnungen mit den Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales, verbunden. Weitere Begriffe £ Pars respiratoria. Der respiratorische Teil der

Schleimhaut kleidet den größten Teil der Nasenhöhle aus und setzt sich in modifizierter Form auch in die Schleimhaut der Nasennebenhöhlen fort. Ausnahmen hiervon bilden das Vestibulum nasi, das Merkmale der äußeren Haut aufweist, sowie ein Schleimhautbezirk, der das Organum olfactorium beinhaltet. £ Pars olfactoria. Die Riechschleimhaut ist auf ein kleines Areal im Bereich der oberen Nasenmuschel und des angrenzenden Teils des Nasenseptums beschränkt (Einzelheiten s. Kap. 4.15.1.3, S. 315). Nasenzyklus. Beide Seiten der Nasenhöhle werden meist nicht zur gleichen Zeit belüftet. Vielmehr wechselt die Belüftung alle 2 bis 3 Stunden von der einen zur anderen Seite. Die Faktoren für diesen als Nasenzyklus bezeichneten Prozess sind noch nicht hinreichend bekannt. Funktion Die Funktionen der Pars respiratoria der Nasenhöhle sind noch nicht vollständig bekannt. Sie

umfassen u.a. Erwärmung, Anfeuchtung und Filtration der Atemluft. Da die Cavitas nasi außerdem, zusammen mit den Nasennebenhöhlen, ein Resonanzorgan darstellt, ist sie auch für die Sprache von Bedeutung. Schließlich ist die stark vaskularisierte Schleimhaut der Nasenhöhle an der Thermoregulation des Organismus beteiligt. Entwicklung Lernziele: Entwicklung von äußerer Nase, Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen £ Äußere Nase, primäre Nasenhöhle. Die Ent-

wicklung der äußeren Nase und der primären Nasenhöhle hängt eng mit der des Gesichts und der Mundhöhle zusammen (Kap. 4.13.4.1, S. 299). In der 3. Woche kommt es im Bereich des Stirnnasenfortsatzes zum Auftreten von Riechplakoden. Die von je 2 Epithelleisten begrenzten Riechplakoden vertiefen sich zu Riechgruben, die den unteren seitlichen Rand des Stirnnasenfortsatzes in einen medialen und lateralen Nasenfortsatz unterteilen. Während die medialen Nasenfortsätze vorwiegend zur Bildung des Nasenrückens und eines Teils des Nasenseptums beitragen, liefern die seitlichen Nasenfortsätze das Material für die Nasenflügel und die Weichteile um die Nasenöffnungen. Durch eine vorübergehende Verbindung des Epithels des medialen und lateralen Nasenfortsatzes entsteht in der Tiefe eine kontinuierliche Verbindung der Riecksäcke (verlängerte Riechgruben) mit dem Mundhöhlenepithel. Durch Einreißen dieser Membrana oronasalis bei Embryonen mit einer SSL von 15 mm entwickelt sich zunächst eine vordere und etwas später eine hintere primäre Nasenöffnung, primäre Choanen. Beide Öffnungen begrenzen das Gebiet der primären Nasenhöhle, deren Boden vom primären Gaumen gebildet wird.

£ Definitive Nasenhöhle. Etwa zeitgleich mit

der Entstehung eines medianen Nasenseptums, kommt es an den medialen Rändern der Oberkiefers zur Bildung von Gaumenfortsätzen (Kap. 4.13.4.1, S. 299), die zunächst nach unten

4.15 Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales

vorwachsen. Die ursprünglich zwischen den Gaumenfortsätzen gelegene Zunge senkt sich plötzlich bei Embryonen mit einer SSL von 26 mm nach unten. Die Gaumenfortsätze, Processus palatini, verändern nun ihre Wachstumsrichtung und wachsen in der Horizontalebene nach medial. In der Medianebene vereinigen sie sich mit dem nach unten vorwachsenden Nasenseptum sowie mit dem primären Gaumen zum sekundären Gaumen. Die Verschmelzung in der Medianebene erfolgt von vorn nach hinten. Am Übergang zwischen primären und sekundären Gaumen bleibt ein Epithelstrang erhalten, welcher später zum Canalis incisivus kanalisiert. Die sekundäre hintere Öffnung der Nasenhöhle wird zu den Choanen, welche die Nasenhöhle mit dem Pharynx verbinden. £ Knorpelige Nasenanlage. Die knorplige Nasenkapsel ist bei 3 Monate alten Feten vollständig ausgebildet. Sie setzt sich aus knorpligen Anteilen des Septum nasi und der seitlichen Nasenwand zusammen und ist mit der knorpligen Anlage des Keilbeins verbunden. Während die knorplige Anlage der Nasenhöhle vorn unten von den Cartilagines septales begrenzt wird, entstehen an der Innenseite die knorpligen Anlagen der 3 Nasenmuscheln (Conchae nasales). Die knorplige Nasenkapsel geht später teilweise zugrunde, so dass die Knochen, welche die Wände der Nasenhöhle bilden z. T. durch enchondrale Ossifikation und z. T. durch desmale Ossifikation entstehen. £ Nasennebenhöhlen. Die Nasennebenhöhlen werden in der Fetalperiode angelegt, erfahren aber erst postnatal ihre größte Entfaltung. Noch bevor die knorpelige Nasenanlage zugrunde geht, entstehen in der 10.–12. Woche die Anlagen der Nasennebenhöhlen aus Schleimhautdivertikeln in der seitlichen Nasenwand. Eine Ausnahme bildet die Keilbeinhöhle, Sinus sphenolidalis. Im Bereich des mittleren und oberen Nasenganges entwickelt sich zunächst eine Reihe von Divertikeln, aus denen sich später das Siebbeinlabyrinth, Labyrinthus ethmoidalis, entwickelt. Kieferhöhle, Sinus maxillaris, und Stirnhöhle, Sinus frontalis, gehen in der Regel aus einem gemeinsamen Recessus, dem Infundibulum ethmoidale, hervor. Die Entwicklung der Stirnhöhle kann aber auch von einem Recessus frontalis oder einer Siebbeinzelle ausgehen. Die Keilbeinhöhle, Sinus sphenoidalis, entsteht als

313

Ausbuchtung der Nasenschleimhaut in den hinteren Abschnitt der knorpligen Nasenhöhle am Ende des 3. Monats. Die Sinusanlagen wachsen zunächst innerhalb der knorpligen Nasenanlage vor, primäre Pneumatisation. Später, nach dem Passieren bzw. dem Untergang der knorpligen Nasenanlage kommt es zur Pneumatisation der Knochen, welche die Wände der Nasenhöhle bilden, sekundäre Pneumatisation.

4.15.1

Nasenhöhle, Cavitas nasi

Lernziele: Äußere Nase. Vestibulum nasi. Cavitas nasi Wandaufbau, Schleimhautverhältnisse, Verbindungen zu Nachbarstrukturen, Gefäße, Nerven

4.15.1.1 Äußere Nase Die äußere Nase verleiht dem Gesicht des Menschen ein charakteristisches Profil. Die typische menschliche Nase, mit nach unten gerichteten Nasenlöchern (Nares), ist erst bei Homo erectus nachweisbar. Sie besteht aus einem knöchernen Anteil: 1. Nasenbeine (Ossa nasalia), 2. Stirnfortsatz des Oberkiefers (Processus frontalis maxillae) und aus einem knorpligen Anteil: Cartilagines nasi (Abb. 4.102, 4.103). Klinik: Bedingt durch die nach unten gerichteten Nasenlöcher muss bei der Spiegeluntersuchung der Nasenhöhle von vorn (Rhinoscopia anterior) der Kopf des Patienten nach hinten geneigt und außerdem die Nasenflügel mit Hilfe eines Nasenspekulums gespreizt werden. £ Knöcherne Anteile

An der Bildung der äußeren Nase beteiligen sich die Nasenbeine, Ossa nasalia, und die Stirnfortsätze des Oberkiefers, Processus frontales maxillae. Sie bilden den knöchernen Rahmen der äußeren Nasenöffnung, Apertura piriformis. Der untere Teil der Apertura piriformis ist spitzwinklig zum vorderen Nasensporn, Spina nasalis anterior, ausgezogen. Nasenbeine, Ossa nasalia. Die beiden flachen und viereckigen Kochen sind in der Mittellinie über die Sutura internasalis miteinander verbunden.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

314 Sinus frontalis

Fossa hypophysialis

Crista galli Lamina cribrosa

Sinus sphenoidalis

Os nasale Lamina perpendicularis

Processus posterior [sphenoidalis]

Cartilago septi nasi Vomer Cartilago alaris major

Processus pterygoideus

Canalis incisivus Hamulus pterygoideus

Processus palatinus maxillae

Crista nasalis

Lamina horizontalis ossis palatini

Abb. 4.102: Nasenscheidewand, Septum nasi. Ansicht von links

Im unteren Teil der Ossa nasalia werden mitunter Foramina, Foramina nasalia, beobachtet, die dem Durchtritt von Nerven und Gefäßen dienen. Seitlich stoßen die Nasenbeine über die Sutura nasomaxillaris mit dem Processus frontalis maxillae zusammen. Die Sutura nasofrontalis verbindet die Ossa nasalia mit dem Stirnbein. Klinik: Der Kreuzungspunkt der Sutura internasalis mit der Sutura nasofrontalis wird als Nasion bezeichnet und ist ein wichtiger Messpunkt am Schädel. £ Nasenknorpel

Die Cartilagines nasi bilden den beweglichen Teil der äußeren Nase und sind aus hyalinem Knorpel aufgebaut. Zu ihnen zählen: 1. die Seitenknorpel, Processus laterales, des knorpligen Nasenseptums (alte Bezeichnung: Cartilago nasi lateralis), 2. die Flügelknorpel, Cartilagines alares majores, 3. zusätzliche Knorpelschüppchen: Cartilagines alares minores und Cartilagines nasales accessoria. • Seitenknorpel, Processus laterales. Sie sind meist nur im oberen Teil mit dem knorpligen Nasenseptum verbunden und setzen die Ossa nasalia nach vorn unten fort. Zwischen den Ossa

nasalia und den Processus laterales besteht eine Überlappungszone, in der sich die Seitenknorpel unter die Nasenbeine schieben. Vorn und seitlich stehen sie mit den Flügelknorpeln, Cartilagines alares majores, in Verbindung. Hier befindet sich eine weitere Überlappungszone, wobei die Crura lateralia der Flügelknorpel die Seitenknorpel ein Stück bedecken. • Flügelknorpel, Cartilagines alares majores. Die Cartilagines alares majores umfassen je mit einem Crus mediale und Crus laterale die Nasenlöcher, Nares, und bilden zugleich die Grundlage der Nasenflügel, Alae nasi. Sie bestimmen maßgeblich die Form der Nasenspitze, Apex nasi. Die Flügelknorpel sind nur locker mit den übrigen Knorpeln verbunden. Im hinteren lateralen Teil der Nasenflügel befinden sich zusätzliche Knorpelschüppchen, Cartilagines alares minores und Cartilagines nasales accessoriae. • Varianten. Hinter der Spina nasalis anterior wird mitunter ein Knorpelstreifen beobachtet, der sich dem Unterrand des knorpligen Nasenseptums seitlich anlegt. Diese Cartilago vomeronasalis ist als Rest des rückgebildeten Organum vomeronasale (Jacobson-Organ) aufzufassen (s. Lehrbuch der Embryologie).

4.15 Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales

Klinik: Der von den Crura medialia der Flügelknorpel geformte Bereich wird auch als Columella bezeichnet und ist mit Haut überdeckt. £ Muskeln. Im Bereich der äußeren Nase sind

folgende mimische Muskeln befestigt: 1. M. depressor septi, 2. M. nasalis mit Pars transversa und Pars alaris, 3. M. levator labii superioris alaeque nasi, 4. M. procerus. Sie werden an anderer Stelle beschrieben (Kap. 4.8.1.1.2, S. 228, Kap. 4.8.1.1.4, S. 229).

£ Gefäße und Nerven der äußeren Nase

Arterien. Die arterielle Versorgung der äußeren Nase erfolgt über die A. facialis, A. infraorbitalis und A. ophthalmica. Eine zusätzliche Versorgung über die A. ethmoidalis anterior ist möglich. w Die A. facialis entsendet Äste zum Nasenflügel

und zum unteren Teil des Nasenseptums.

w Die A. infraorbitalis gibt Äste zur seitlichen

Nasenwand und zum Nasenrücken ab.

w Die A. dorsalis nasi, aus der A. ophthalmica,

versorgt den Nasenrücken. Sie anastomosiert häufig mit Zweigen der A. facialis auf dem Nasenrücken.

Venen. Der venöse Abfluss erfolgt über die V. facialis. Letztere steht über die V. angularis mit der V. ophthalmica superior in Verbindung (Abb. 4.55). Klinik: Der Abfluss über das Stromgebiet der V. ophthalmica superior zum Sinus cavernosus ist bei Entzündungen im Bereich von Oberlippe und Nase von klinischer Relevanz. Lymphgefäße. Der Abfluss erfolgt zusammen mit der Lymphe aus der Ober- und Unterlippe und der Wange zu den Nll. submandibulares. Ein Abfluss zu den Nll. parotidei ist möglich. Nerven. Die motorische Nerven für die Nasenmuskeln entstammen den Rr. buccales des N. facialis. An der sensiblen Innervation der Haut sind beteiligt N. infratrochlearis und N. nasociliaris (beide aus dem N. ophthalmicus) sowie der N. infraorbitalis (vom N. maxillaris).

315

4.15.1.2 Nasenvorraum, Vestibulum nasi Der Nasenvorraum ist der vordere Teil der Nasenhöhle und entspricht weitgehend der Ausdehnung der Nasenflügel, Alae nasi. Am Übergang zwischen Vestibulum nasi und der eigentliche Nasenhöhle befindet sich innen eine bogenförmige Leiste, Limen nasi. Sie wird durch den freien Rand des Crus laterale des Flügelknorpels, Cartilago alaris majoris aufgeworfen. Die innere Oberfläche des Vestibulum nasi ist mit mehrschichtigem verhorntem Plattenepithel ausgekleidet. In der Tunica mucosa befinden sich zudem apokrine Glandulae vestibulares nasi und kräftige Haare, Vibrissae. Klinik: Am Übergang zwischen Vestibulum nasi und der eigentlichen Nasenhöhle befindet sich ein ca. 1,5 mm breiter Schleimhautbezirk mit einem ausgeprägten Kapillargeflecht. Dieser als Locus Kiesselbachii bezeichnete Schleimhautstreifen ist ein bevorzugter Ort für das Nasenbluten (Epistaxis).

4.15.1.3 Nasenhöhle, Cavitas nasi (Abb. 4.103) Die paarige Nasenhöhle liegt größtenteils unter der vorderen Schädelgrube, Fossa cranii anterior. Sie schließt sich hinten an das Vestibulum nasi an und öffnet sich dorsal über die Choanen in die Pars nasalis pharyngis. Die Nasenhöhle weist die Gestalt einer Pyramide auf und verbreitert sich nach unten. Drei übereinanderliegende Nasenmuscheln, Conchae nasales, in der Seitenwand der Nasenhöhle bedingen eine Unterteilung in Nasengänge, Meatus nasi. In die Seitenwände der Cavitas nasi münden die Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales. £ Topographie: 3 übereinander liegende Nasen-

gänge mit zahlreichen Verbindungen zu Nachbarstrukturen

• Meatus nasi inferior, unterer Nasengang zwischen Concha nasalis inferior und Gaumen. Im vorderen Teil des Meatus nasi inferior liegt die nasale Öffnung (Apertura ductus nasolarimalis) des Tränennasenkanals, Ductus nasolacrimalis.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

316

Os frontale

Ala minor ossis sphenoidalis Fossa hypophysialis

Crista galli Hiatus semilunaris

Sinus sphenoidalis

Processus uncinatus

Os ethmoidale (Concha nasalis superior)

Os nasale

Os occipitale (Clivus)

Os lacrimale Bulla ethmoidalis

Septum nasi

Foramen sphenopalatinum

Maxilla

Processus pterygoideus Os palatinum Concha nasalis inferior

Abb.4.103: Links: Schematische Darstellung der lateralen Wand der Nasenhöhle, Cavitas nasi, nach Entfernung der Nasenscheidewand. Ansicht von links. Rechts: Schematischer Frontalschnitt durch den Gesichtsschädel mit Darstellung der Nasen- und der Nasennebenhöhlen. Die Farben entsprechen dem linken Teil der Abbildung. Blau – Os zygomaticum. Septum nasi: blau – knorpliger Teil der Nasenscheidewand. Der unbeschriftete Pfeil kennzeichnet die Verbindung der rechten Kieferhöhle mit dem mittleren Nasengang

Sie wird beim Lebenden durch eine Schleimhautfalte (Hasner-Klappe) eingeengt. • Meatus nasi medius, mittlerer Nasengang zwischen Concha nasalis inferior und Concha nasalis media. Hier münden Sinus maxillaris, Sinus frontalis und die mittleren und vorderen Siebbeinzellen. Sinus maxillaris und Sinus frontalis münden i. d. R. nicht direkt, sondern über eine trichterförmige Rinne, Infundibulum ethmoidale in den Meatus nasi medius. Die vorderen und mittleren Siebbeinzellen öffnen sich meist dorsal vom Infundibulum ethmoidale zum mittleren Nasengang. • Meatus nasi superior, oberer Nasengang zwischen Concha nasalis media und Concha nasalis superior. Hier münden die hinteren Siebbeinzellen. In einer Rinne hinter dem Meatus nasi superior, Recessus sphenoethmoidalis, öffnet sich die Keilbeinhöhle in die Cavitas nasi. £ Wände der Nasenhöhle

1. Dach. Von anterior nach posterior bilden folgende knöcherne Strukturen das Dach der Nasenhöhle: Os nasale, Pars nasalis ossis frontalis, Lamina cribrosa des Siebbeins. Über zahlreiche Öffnungen (Foramina cribrosa) in der horizontalen Siebbeinplatte, Lamina cribrosa, steht die Nasenhöhle mit der vorderen Schädelgrube, Fossa cranii anterior, in Verbindung. Im hinteren Teil des Dachs

liegt am Übergang zwischen Lamina cribrosa und Corpus ossis sphenoidalis eine Rinne, der Recessus sphenoethmoidalis, welche den Eingang in die Keilbeinhöhlen markiert (Abb. 4.104) 2. Boden. Der Boden ist breiter als das Dach der Nasenhöhle. Er wird gebildet von der Prämaxilla (primärer Gaumen), den Gaumenfortsätzen des Oberkiefers (Processus palatini maxillae) sowie von der Lamina horizontalis des Gaumenbeins. Im vorderen Drittel befindet sich etwa in der Medianebene am Boden der Nasenhöhle eine Vertiefung (Fossa incisiva). Die Fossa incisiva steht über die Canales incisivi mit der Mundhöhle in Verbindung. Letztere beginnen an der Kreuzung der Sutura palatina mediana mit dem Proc. alveolaris maxillae. Sie vereinigen sich nach kaudal, und enden im Dach der Mundhöhle als Foramen incisivum. 3. Seitenwand. Das Relief der Seitenwand wird von den drei übereinanderliegenden Nasenmuscheln geprägt: Concha nasalis inferior, Concha nasalis media und Concha nasalis superior. Dabei springt die untere Nasenmuschel am weitesten nach anterior. Zusätzlich kann eine Concha nasalis suprema ausgebildet sein. Während die untere Nasenmuschel ein eigenständiger Knochen ist, sind die oberen Nasenmuscheln Teil des Siebbeins. Furchenbildungen an der mittleren Nasenmuscheln kommen bei Erwachsenen zu 6 % vor und können

4.15 Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales

317

Pfeil zeigt in die Mündung der Cellulae anteriores sinus ethmoidalis Sinus frontalis

Concha nasalis superior

Bulla ethmoidalis

Recessus sphenoethmoidalis, Pfeil zeigt in die Apertura sinus sphenoidalis

Os nasale

Fossa hypophysialis

Agger nasi

Sinus sphenoidalis

Concha nasalis media (gefenstert)

Pfeil zeigt in die Mündung der Cellulae posteriores sinus ethmoidalis

Hiatus semilunaris Limen nasi

Recessus pharyngeus

Vestibulum nasi Vibrissae

Ostium pharyngeum tubae

Cartilago alaris major Mündung des Ductus nasolacrimalis

Torus tubarius

Labium superius

Torus levatorius

Canalis incisivus Palatum durum

Concha nasalis inferior (gefenstert)

Palatum molle

Plica salpingopharyngea

Abb. 4.104: Laterale Wand der Cavitas nasi nach Wegnahme des Nasenseptums. Die Conchae nasalis inferior und media sind teilweise reseziert. Im Bereich des Hiatus semilunaris weist der weiße Pfeil auf das Infundibulum ethmoidale und der unbeschriftete schwarze Pfeil auf die Öffnung der Kieferhöhle

mit zusätzlichen Nasenmuscheln verwechselt werden. Die 3 Nasengänge sind nach medial zum gemeinsamen Nasengang, Meatus nasi communis geöffnet. Letzterer mündet über den Meatus nasopharyngeus und die Choanen in die Pars nasalis pharyngis. Folgende Strukturen bilden die knöcherne Seitenwand der Nasenhöhle: Os nasale, Oberkiefer mit Processus frontalis und Corpus maxillae, Os lacrimale, Siebbein mit Processus uncinatus und Conchae nasalis media et superior, Concha nasalis inferior, Gaumenbein mit Lamina perpendicularis. Am unteren Rand des Recessus sphenoethmoidalis befindet sich in Höhe des dorsalen Randes der mittleren Nasenmuschel das Foramen sphenopalatinum. Hierbei handelt es sich um eine Lücke zwischen Proc. orbitalis und Proc. sphenoidalis des Gaumenbeins sowie dem Keilbeinkörper. Es verbindet die Nasenhöhle mit der Fossa pterygopalatina und dient dem Durchtritt von Nerven und Gefäßen.

4. Nasenscheidewand, Septum nasi. Sie besteht aus einem vorderen knorpligen Teil (Cartilago septi nasi) und einem hinteren knöchernen Teil. Der knorplige Teil des Nasenseptums ist relativ beweglich und wird auch als Pars mobilis bezeichnet. Unterhalb des vorderen knorpligen Teils befindet sich ein membranöser Abschnitt des Septums (Pars membranacea). Er verleiht der Nasenspitze eine gewisse Flexibilität und Elastizität. Der Cartilago septi nasi reicht nach vorn bis zum Apex nasi und geht weiter oben in die Processus laterales über. Das knorplige Nasenseptum schiebt sich nach dorsal zwischen die vertikal gestellte Lamina perpendicularis des Siebbeins und dem unten gelegenen Pflugscharbein, Vomer. Knochenleisten am Corpus ossis sphenoidalis, Os nasale und Os frontale beteiligen sich an der Bildung der äußeren Ränder des Nasenseptums.

318

£ Schleimhaut

Am Limen nasi erfolgt der Übergang vom mehrschichtigen verhornten Plattenepithel des Vestibulum nasi in das respiratorische Epithel, welches den größten Teil der Nasenhöhle auskleidet und sich auch in die Nasennebenhöhlen fortsetzt (Abb. 4.108). Die Pars respiratoria wird unterbrochen durch einen kleinen Bezirk mit Riechschleimhaut (Pars olfactoria), welche die obere Nasenmuschel und angrenzende Teile des Nasenseptums bedeckt. Die Größe der Pars olfactoria beträgt beim Erwachsenen auf einer Seite nur ca. 1,3 cm2. Pars respiratoria. Die Nasenschleimhaut dient hauptsächlich der Reinigung und Anwärmung der Atemluft. Das mit Becherzellen versetzte mehrreihige Flimmerepithel sitzt einer sehr dicken Basalmembran auf. Während Kinozilien Partikel in der Atemluft nach dorsal befördern, dienen zahlreiche seromuköse Glandulae nasales in der Lamina propria mucosae der Befeuchtung der Nasenschleimhaut (Einzelheiten siehe Lehrbuch der Histologie). Klinik: Von praktischer Bedeutung ist ein ausgedehntes Venengeflecht in der Schleimhaut der Nasenhöhle, das eine Schwellkörperfunktion ausübt (Plexus cavernosus conchae). Im Bereich der Mündungen der Nasennebenhöhlen bilden die Schwellkörper Polster. Je nach Reiz können somit die ohnehin kleinen Ostien entweder erweitert oder verengt werden. Obgleich die Hauptfunktion dieser Venengeflechte sicher in der Erwärmung der Atemluft liegt, sind die Schwellkörper auch für die Thermoregulation von Bedeutung. Pars olfactoria. Die Riechschleimhaut ist mit 480–500 μm nicht nur dicker als die Pars respiratoria, sondern hebt sich durch ihre gelbbraune Farbe von der rötlichen Pars respiratoria deutlich ab. Sie enthält Riech- und Stützzellen. Zusätzlich werden neben Basalzellen, die vermutlich dem Ersatz von Stützzellen dienen, seröse Glandulae olfactoriae (Bowman) beobachtet (Einzelheiten siehe Lehrbuch der Histologie). Riechzellen sind bipolare Nervenenzellen und bilden das 1. Neuron der Riechbahn (s. Kap. 5.4.4.1, S. 477). Während ihr nasaler Fortsatz zum Riechkolben verdickt ist, bildet ihr basaler Fortsatz zusammen mit denen

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

anderer Riechzellen die Fila olfactoria, welche durch die Lamina cribrosa zum Bulbus olfactorius ziehen.

4.15.1.4 Gefäße und Nerven Aus praktischer Sicht lässt sich die Nasenhöhle in ein kleineres vorderes Versorgungsgebiet und ein größeres hinteres Versorgungsgebiet unterteilen. Von diesem wird zusätzlich das Gebiet der Nasenscheidewand unterschieden. Während A. ophthalmica und N. ophthalmicus den vorderen Bereich der Nasenhöhle und des Nasenseptums versorgen, verzweigen sich im hinteren Teil Äste der A. maxillaris und des N. maxillaris. Vorderes Versorgungsgebiet (Abb. 4.105) Arterien. Die A. ethmoidalis anterior (aus der A. ophthalmica) gelangt über das Foramen ethmoidale anterius in die vordere Schädelgrube. Sie verläuft epidural auf der Lamina cribrosa nach vorn bevor sie durch die Siebbeinplatte in die Nasenhöhle eintritt. Hier verzweigt sie sich und versorgt den vorderen Teil der Nasenhöhle, den Sinus frontalis sowie die vorderen Siebbeinzellen. Sie entlässt häufig einen Ast, der durch ein Foramen nasale nach außen zieht und den Nasenrücken mitversorgt. Venen. Die Venen ziehen parallel mit den Aa. ethmoidales hauptsächlich zur Orbita (Vv. ophthalmicae) oder zu Venen in der Fossa cranii anterior. Bei Kindern besteht häufig eine Anastomose über das offene Foramen caecum mit dem Sinus sagittalis superior. Lymphgefäße. Die Lymphe aus dem vorderen Teil der Nasenhöhle zieht gemeinsam mit der Lymphe von der äußeren Nase zu den Nll. submandibulares. Nerven. Der N. ethmoidalis anterior (aus dem N. ophthalmicus) gelangt zusammen mit der A. ethmoidalis anterior in die Nasenhöhle. Im vorderen Teil der Nasenhöhle teilt er sich in Rr. nasales interni, aus denen Rr. nasales laterales et mediales hervorgehen sowie in einen Ramus nasalis externus. Letzterer tritt an der Knorpel-Knochen-Grenze an die Oberfläche des Nasenrückens. Im Bereich des Nasenseptums zieht der N. nasopalatinus (aus dem N. maxillaris) zum Canalis incisivus.

4.15 Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales

319

Chiasma opticum Hypophysis Corpus mamillare, Infundibulum

Sinus frontalis

N. oculomotorius

Bulbus olfactorius N., A. ethmoidalis anterior (Rr. nasales laterales)

Pons, A. basilaris Sinus sphenoidalis

Nn. olfactorii

N. maxillaris, Nn. pterygopalatini N. canalis pterygoidei Ganglion pterygopalatinum R. pharyngeus Rr. et Aa. nasales posteriores sup. lat., Tonsilla pharyngea

Vestibulum nasi

A. palatina descendens, Nn. palatini Rr. et Aa. nasales posteriores inf. lat., Recessus pharyngeus

Palatum durum

Ostium pharyngeum tubae, Torus levatorius

Apex linguae, A. prof. linguae

Atlas, Axis [Epistropheus]

Ductus submandibularis

Foramen caecum linguae, Palatum molle

Glandula sublingualis

Radix linguae, Epiglottis Ductus submandibularis N. lingualis, A. profunda linguae Os hyoideum, Bursa retrohyoidea

M. mylohyoideus N., A. sublingualis

Cartilago thyroidea Lamina cartilaginis Plica vocalis Arcus cartilaginis cricoideae cricoideae

Ventriculus laryngis, M. arytenoideus

Abb.4.105: Nerven und Arterien der lateralen Nasenwand. Der Canalis palatinus major ist bis zum Beginn der Fossa pterygopalatina eröffnet (beachte den N. maxillaris). Regio sublingualis mit Glandula sublingualis, Gefäßen und Nerven

Hinteres Versorgungsgebiet (Abb. 4.105) Arterien. Hierbei handelt es sich überwiegend um Äste der A. maxillaris. w A. sphenopalatina. Sie entspringt in der Fossa

pterygopalatina aus der A. maxillaris und gelangt über das Foramen sphenopalatinum in die Cavitas nasi. Sie verzweigt sich in Aa. nasales posteriores laterales in der Seitenwand der Nasenhöhle sowie in die Rr. septales posteriores zur Versorgung des Nasenseptums. w Zusätzlich können Äste, die der A. palatina descendens, A. palatina major und Aa. palatinae minores entstammen, die hinteren Bereiche der Meatus nasi mitversorgen.

Die A. ethmoidalis posterior (aus der A. ophthalmica) tritt im hinteren Bereich der Siebbeinplatte in die Nasenhöhle ein. Venen. Die Venen in der Nasenschleimhaut bilden ein Geflecht, welches Grundlage für die oben beschriebenen Schwellkörper ist. Der Abstrom aus der Nasenhöhle erfolgt hauptsächlich über das Foramen sphenopalatinum in die Fossa pterygopalatina zum Plexus pterygoideus. Des Weiteren verlaufen Venen zum Pharynx, sowie über das Foramen palatinum majus und die Canales incisivi zum Gaumen. Lymphgefäße. Der Abfluß Lymphe erfolgt nach hinten zum Gebiet des Palatum molle und der

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

320

Bulbus olfactorius

Cellulae ethmoidales Tractus olfactorius

Sinus frontalis

Chiasma opticum

N., A. ethmoidalis anterior (Rr. nasales mediales)

Infundibulum

Nn. olfactorii Hypophysis, Diaphragma sellae

Ramus nasalis externus

Sinus sphenoidalis A. basilaris N. nasopalatinus, A. nasalis posterior septi Tonsilla pharyngea Torus tubarius Ostium pharyngeum tubae, Torus levatorius Atlas

Canalis incisivus, N. nasopalatinus

Palatum durum

Lingua

Palatum molle

Abb. 4.106: Arterien und Nerven der Nasenscheidewand

seitlichen Rachenwand. Ein Teil der Lymphe steht in Verbindung mit dem Lymphsystem der Tonsilla palatina und drainiert zu den kranialen tiefen Halslymphknoten, insbesondere zum Nl. jugulodigastricus. Die Lymphe, die zur seitlichen Rachenwand zieht, fließt nach dorsal zu den Nll. retropharyngeales sowie zu den tiefen Halslymphknoten, Nll. cervicales profundi. Nerven. Die Nerven für das hintere Versorgungsgebiet entstammen dem Ganglion pterygopalatinum und erreichen die Nasenhöhle auf zwei Wegen: w Rr. nasales posteriores. Sie gelangen über das

Foramen sphenopalatinum in die Nasenhöhle und teilen sich in Rr. nasales posteriores superiores laterales et mediales. Sie versorgen die obere und mittlere Nasenmuschel sowie die hinteren Siebbeinzellen. w Die Rr. nasales posteriores inferiores ziehen zunächst im Canalis palatinus major nach unten bevor sie sich vom N. palatinus major nach vorn zur Versorgung des unteren Teils der Nasenhöhle abzweigen. Über diese Nervenäste gelangen neben sensiblen Fasern des N. maxillaris auch parasympathische

und sympathische Fasern in die Nasenhöhle. Die präganglionären parasympathischen Fasern erreichen das Ganglion pterygopalatinum zusammen mit sympathischen Fasern aus dem Ganglion cervicale superius über den N. canalis pterygoidei. Klinik: Bei bestimmten rezidivierenden Rhinopathien kann eine operative Durchtrennung des N. canalis pterygoidei (Vividianus) bzw. eine Extirpation des Ganglion pterygopalatinum angezeigt sein. Der Zugang zur Fossa pterygopalatina kann über den Sinus maxillaris (transantral) oder transnasal über den Meatus nasi medius erfolgen. Nasenseptum (Abb. 4.106) Die Arterien entstammen der A. ethmoidalis anterior und der A. sphenopalatina. A. ethmoidalis anterior. Sie entläßt die Rr. septales mediales. Einer dieser Zweige zieht im unteren Teil des Nasenseptum nach vorn zu den Canales incisivi. Der venöse Abfluss entspricht dem der Seitenwände. Der N. ethmoidalis anterior entsendet Nervenfasern zur Versorgung des vorderen

4.15 Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales

321

Sinus frontalis

Cellulae ethmoidales

Sinus sphenoidalis Fossa sacci lacrimalis Canalis infraorbitalis

Sinus maxillaris

Abb. 4.107: Räumliche Darstellung der Schleimhaut der Nasennebenhöhlen nach Entfernung der Knochen. Ansicht von lateral

Teils des Nasenseptums. Der N. nasopalatinus, ein Ast aus dem Ganglion pterygopalatinum oder eine Abspaltung aus den Rr. nasales posteriores superiores mediales, versorgt den größeren hinteren Teil des Nasenseptums.

4.15.2 Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales Lernziele: Aufbau der Nasennebenhöhlen, Gefäß- und Nervenversorgung, Topographie und Funktion Die Nasenebenhöhlen gehören zusammen mit den Nebenräumen des Mittelohrs zu den pneumatischen Räumen des Schädels. Die Nasennebenhöhlen des Menschen sind: Sinus maxillaris, Sinus frontalis, Cellulae ethmoidales und Sinus sphenoidalis. Sie sind paarig angelegt und kommen in dieser Zusammensetzung nur beim Menschen und den afrikanischen Menschenaffen (Gorilla und Schimpanse) vor. £ Funktion

Die Funktionen der Nasennebenhöhlen sind nicht eindeutig geklärt. Von den zahlreichen z. T. wider-

sprüchlichen Theorien seien nachfolgend einige aufgeführt. So sollen die Nasennebenhöhlen: • der Erleichterung des Schädelgewichts dienen, • Resonanzräume darstellen, • zur Erwärmung und Anfeuchtung der Atemluft beitragen, • funktionell nicht beanspruchte Knochensubstanz verringern, • der Optimierung der Schädelarchitektur dienen und • in thermoregulatorische Kontrollmechanismen eingeschaltet sein. £ Schleimhaut

Da sich die Pars respiratoria der Nasenhöhlenschleimhaut in die Nasennebenhöhlen fortsetzt, ähnelt die maximal 1 mm dicke Schleimhaut der Nasennebenhöhlen prinzipiell der Nasenschleimhaut (Abb. 4.108). Die Kieferhöhlenschleimhaut ist dicker als die der anderen Nasennebenhöhlen und weist mitunter Schleimhautfalten auf. Ein mehrreihiges Flimmerepithel, das deutlich flacher ist als in der Nasenhöhle, sitzt einer dünnen Basalmembran auf. Neben wenigen Becherzellen, die sich insbesondere im Bereich der Ostien konzentrieren, werden vereinzelte Gll. nasales beobachtet. Die

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

322 Cavitas nasi Sinus maxillaris

lateral medial

Abb. 4.108: Links: Schematischer Frontalschnitt durch den rechten Sinus maxillaris. Der Zilienstrom (rote Pfeile) ist stets auf das natürliche Ostium gerichtet (nach L. Shankar). Rechts: Schematische Darstellung der Regio respiratoria der Nasenhöhle und der Kieferhöhle. Beachte die Unterschiede in der Dicke der Schleimhaut (verändert nach D. A. McGowan et al.)

Lamina propria besteht aus lockerem Bindegewebe und enthält viele elastische Fasern, welche in das Periost einstrahlen. Die Epithelzellen sind mit einem Ziliensaum besetzt, dessen Flimmerschlag Partikel in Richtung der natürlichen Ostien transportiert. Klinik: Der durch den Zilienschlag verursachte Sekretstrom in Richtung Ostien bleibt auch bei Anlegung künstlicher Öffnungen erhalten. Obgleich eine Punktion der Kieferhöhle über den unteren Nasengang bei einer eitrigen Sinusitis den Sekretabfluss fördert, führt eine operative Erweiterung des Hiatus semilunaris zu einer besseren Belüfung der Kieferhöhle als die Schaffung eines künstlichen Ostiums im unteren Nasengang.

4.15.2.1 Kieferhöhle, Sinus maxillaris Die Kieferhöhle des Erwachsenen ist mit einem Volumen von ca. 12–15 cm3 die größte der Nasennebenhöhlen. Die Form der Kieferhöhle gleicht der einer drei- bzw. vierseitigen Pyramide. Während die Basis dieser Pyramide der seitlichen Nasenwand entspricht, weist die Spitze in Richtung Os zygomaticum.

Der Sinus maxillaris (Klinik: Antrum) ist bereits bei Neugeborenen ausgebildet und wird dort mit der Größe einer Kaffeebohne verglichen (Länge: 10 mm; Breite: 3 mm; Höhe: 4 mm). Der Kieferhöhlenboden ist zu diesem Zeitpunkt durch Knochen und Bindegewebe deutlich von den Ersatzzahnkeimen getrennt. Mit dem Durchbruch des 1. Molaren setzt ein intensives Wachstum ein. Im Alter von 8 Jahren weist die Kieferhöhle bereits eine typische Pyramidenform auf und bei 12-Jährigen erreicht die Kieferhöhle nahezu ihre endgültige Größe und Form. Neben der Pneumatisation des Corpus maxillae kann der Sinus maxillaris durch verschiedene Recessus erweitert sein: Recessus zygomaticus (40 %), Recessus alveolaris (ca. 50 %). In einigen Fällen wird auch ein Recessus palatinus und ein Recessus frontalis beobachtet. Wände des Sinus maxillaris (Abb. 4.109) Dach. Das dünnwandige Dach der Kieferhöhle entspricht dem Boden der Orbita (Facies orbitalis maxillae). Es enthält eine Rinne, die sich als Canalis infraorbitalis bis zur vorderen Wand der Maxilla fortsetzt. Klinik: Druckerhöhungen des Orbitainhaltes, z. B. verursacht durch ein Schlag auf das Auge,

4.15 Nasenhöhle, Cavitas nasi, und Nasennebenhöhlen, Sinus paranasales

Foramen ethmoidale posterius Canalis opticus Processus clinoideus anterior Processus clinoideus posterior Fossa hypophysialis

323

Dach der Orbita Foramen ethmoidale anterius Lamina orbitalis ossis ethmoidalis (Siebbeinzellen durchscheinend)

Os lacrimale Fossa sacci lacrimalis

Processus orbitalis ossis palatini

Boden der Orbita

Fossa pterygopalatina Processus pterygoideus Sinus maxillaris Processus pyramidalis ossis palatini

Canalis infraorbitalis Hiatus maxillaris Schnittrand der Schleimhaut

Abb. 4.109: Mediale Wand der Augen- und Kieferhöhle von lateral. Die Siebbeinzellen sind durchscheinend dargestellt. Beachte die hohe Position des Hiatus maxillaris und die Beziehung der Wurzel des 1. Molaren zum Boden des Sinus maxillaris

führen leicht zum Einbruch des Kieferhöhlendachs (Blow-out-Fraktur). Ein Einklemmen von Orbitainhalt in die Frakturspalten hat Motilitätsstörungen des Augapfels zur Folge. Bedingt durch den Verlauf des N. infraorbitalis in der Kieferhöhlenwandung führen Tumoren häufig zu Sensibilitätsstörungen im Versorgungsbereich dieses Nerven. Boden. Der Boden der Kieferhöhle liegt über dem Processus alveolaris der Maxilla, den er mehr oder weniger stark pneumatisieren kann. Die Kieferhöhle hat hier einen engen Kontakt zu den Wurzeln der Prämolaren und Molaren. Die tiefste Stelle der Kieferhöhle liegt in der Regel über dem 1. Molaren. In einigen Fällen (ca. 2 %) können die Wurzel des 1. oder 2. Molaren den Kieferhöhlenboden perforieren. Extraktionen der Molaren und Prämolaren können eine Vertiefung des Recessus alveolaris nach sich ziehen. Vorder- und Seitenwand. Die vordere Wand der Kieferhöhle entspricht der Facies anterior der Maxilla und die hintere Wand dem Tuber maxillae.

Klinik: Operativ erreicht man über die hintere Wand der Kieferhöhle das Ganglion pterygopalatinum und die A. sphenopalatina. Mediale Wand. Die mediale Wand der Kieferhöhle liegt der seitlichen Wand der Nasenhöhle an. Über eine schlitzförmige Öffnung, Hiatus semilunaris, mündet die Kieferhöhle in das Infundibulum ethmoidale und von hier in den mittleren Nasengang. Zusätzliche Öffnungen zur seitlichen Nasenwand sind möglich. Da der Hiatus semilunaris höher liegt als der Boden der Kieferhöhle, kann es bei Entzündungen der Schleimhaut (Sinusitis) zu einem Sekretstau in der Kieferhöhle kommen.

4.15.2.2 Stirnhöhle, Sinus frontalis (Abb. 4.102) Das bei Erwachsenen unpaare Os frontale enthält die meist asymmetrischen Stirnhöhlen, welche durch ein häufig asymmetrisches Septum getrennt sind. Der Sinus frontalis ist bei Neugeborenen

324

kaum von Siebbeinzellen zu unterscheiden. Erst im Alter von 2 Jahren beginnt die Pneumatisation des Os frontale. Bei 7–8-Jährigen ist die Pneumatisation noch nicht über den Margo superior der Orbita hinausgegangen. Der Sinus frontalis dehnt sich mehr oder weniger stark in die Squama ossis frontalis aus. Bei starker Ausprägung kann sie das Orbitadach pneumatisieren. Neben dem oben genannten medianen Septum der Stirnhöhle kommen mitunter zusätzliche Septierungen vor. Der Sinus frontalis mündet in der Regel über einen Recessus in das Infundibulum ethmoidale und von hier in den mittleren Nasengang. Die Mündung über einen separaten Ausführungsgang in den Meatus nasi medius ist möglich. Varianten. Die Form der Stirnhöhle ist außerordentlich variabel. Auf Grund von Röntgenuntersuchungen im occipito-frontalen Strahlengang unterscheidet Szilvássy (1982) bei Europäern 4 Formtypen: Bohnenform (Männer 2,72 %; Frauen 3,86 %), Blattform (24,51 %; 18,45 %), Mitralform (44,36 %; 44,64 %), Pyramidenform (28,41 %; 33,04 %). Die Formvariabilität spiegelt sich auch in der Größe der Stirnhöhle wieder, die zwischen 0,05 cm3 und 7,78 cm3 schwankt. Hypoplasien und Aplasien sind nicht selten.

4.15.2.3 Siebbeinzellen, Cellulae ethmoidales (Abb. 4.103) Das Siebbein, Os ethmoidale, enthält ein Labyrinth von bis zu 16 Siebbeinzellen. Die Siebbeinzellen werden daher auch unter dem Begriff Siebbeinlabyrinth, Labyrinthus ethmoidale, zusammengefaßt. Nach der Nomina anatomica werden sie in 3 Gruppen von Zellen eingeteilt: Cellulae ethmoidales anteriores, Cellulae ethmoidales mediae und Cellulae ethmoidales posteriores. In der Klinik wird häufig einfach von vorderen und hinteren Siebbeinzellen gesprochen. Siebbeinzellen sind nicht immer vollständig von Knochen umgeben. Derartige Siebbeinzellen werden in der Klinik auch als extramurale Siebbeinzellen bezeichnet. Siebbeinzellen sind bereits bei Neugeborenen bzw. bei 6 Monate alten Kindern im Röntgenbild erkennbar. Im Alter von 12 Jahren haben die Siebbeinzellen weitgehend ihre endgültige Größe erreicht. Die Gesamtgröße der Siebbeinzellen einer Seite schwankt zwischen 0,73 cm3 und 9,32 cm3.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

Die Siebbeinzellen breiten sich zwischen der medialen Orbitawand und dem Nasenseptum aus. Sie stehen in enger Beziehung zur Maxilla und zum Os frontale. Varianten. Bei starker Pneumatisation ist eine Ausdehnung der Siebbeinzellen in benachbarte Knochen möglich. Somit können im Bereich der übrigen Nasennebenhöhlen aber auch in der Cavitas nasi zusätzliche pneumatische Räume ausgebildet sein. Diese können zu einer Einengung der Nasengänge führen. Die größte der vorderen Siebbeinzellen ist die Bulla ethmoidalis. Sie engt zusammen mit dem Processus uncinatus des Siebbeins das Ostium maxillae zum Hiatus semilunaris ein. Die vorderen Siebbeinzellen münden in das Infundibulum ethmoidale. Die mittleren Siebbeinzellen münden direkt in den mittleren Nasengang und die hinteren Siebbeinzellen in den Meatus nasi superior. Klinik: 1. Besonders häufig auftretende zusätzliche pneumatische Räume werden in der Klinik mit Eigennamen belegt. In 12 % werden OnodiZellen beobachtet. Diese posterior-superior auftretenden Siebbeinzellen penetrieren den Raum zwischen Canalis opticus und lateraler Wand des Sinus sphenoidalis. Haller-Zellen treten zu 4 % in Erscheinung. Hierbei handelt es sich um eine Erweiterung des Meatus nasi medius in den Orbitaboden. 2. Bedingt durch die z. T. nur papierdünne Lamina orbitalis des Os ethmoidale kommt es bei Entzündungen der Siebbeinzellen und bei Tumoren relativ rasch zu einem Übergreifen auf die Orbita.

4.15.2.4 Keilbeinhöhle, Sinus sphenoidalis (Abb. 4.102) Die Keilbeinhöhle ist bereits bei 4-Jährigen im Röntgenbild erkennbar. Die Pneumatisation des Keilbeinkörpers beginnt allerdings erst im Alter von 6 Jahren. Sie schreitet nach dorsal fort und erreicht das Gebiet der Fossa hypophysealis im Alter von ca. 8 Jahren. Beim Erwachsenen pneumatisiert der Sinus sphenoidalis den Keilbeinkörper. Ein medianes Knochenseptum, das häufig Perforationen aufweist, teilt die Keilbeinhöhle in zwei Räume. Zusätzliche Knochensepten können die Keilbeinhöhle weiter

4.16 Kehlkopf, Larynx

unterteilen. Die Keilbeinhöhle variiert erheblich in Form und Größe. Das Volumen einer Keilbeinhöhle beträgt 0,27 cm3 bis 11,31 cm3. Bei starker Pneumatisierung kann sich die Keilbeinhöhle bis in die Keilbeinflügel sowie den Processus pterygoideus ausdehnen. Das Ostium der Keilbeinhöhle liegt zumeist im oberen Teil und führt zum spaltförmigen Recessus sphenoethmoidalis. Klinik: Die engen Nachbarschaftsbeziehungen zwischen Keilbeinhöhle, Clivus, Sinus cavernosus sowie der Hypohyse erklären, warum sich Entzündungen oder Tumoren einer der genannten Strukturen auf die Nachbarstrukturen auswirken können. Klinisch bedeutsam ist, dass die Hypophyse transnasal über den Sinus sphenoidalis erreicht werden kann. £ Gefäße und Nerven

Arterien w Die arterielle Versorgung des Sinus maxillaris

erfolgt über Äste der A. sphenopalatina und der A. infraorbitalis. w An der Versorgung des Sinus frontalis beteiligen sich die A. supraorbitalis sowie die A. supratrochlearis. w Zweige der Aa. ethmoidales sowie der Aa. nasales posteriores laterales treten zu den Siebbeinzellen. w Der Sinus sphenoidalis wird von verschiedenen Arterien in der Umgebung versorgt wie der A. sphenopalatina und A. hypophysialis inferior.

4.16

325

Venen. Der venöse Fluß erfolgt meist parallel zu den Arterien. Praktisch bedeutsam sind die Vv. ethmoidales, die eine Ausbreitung von Entzündungen in die Orbita oder die Fossa cranii anterior ermöglichen. Obgleich die Venen in den Schleimhäuten der Nasennebenhöhlen keine Schwellkörper wie in der Nasenschleimhaut bilden, ist der Venenreichtum hier bemerkenswert. Die Blutdurchflussrate entspricht der der Nasenhöhle. Klinik: Bei einer akuten bakteriellen Infektion des Sinus maxillaris kommt es als Sofortreaktion zu einem signifikanten Anstieg der Durchblutungsrate. Die damit verbundene Sauerstoffsättigung des Blutes dient der Förderung der Zilienaktivität der Nebenhöhlenschleimhaut. Lymphgefäße. Der Lymphabfluss aus den Nasennebenhöhlen erfolgt entweder parallel mit den Blugefäßen in Richtung Nasenhöhle bzw. über den Knochen zu Lymphbahnen im Gesichtsbereich. Nerven w Die Siebbeinzellen werden überwiegend von

den Rr. nasales posteriores superiores laterales et mediales (N. maxillaris) versorgt. Zusätzlich treten zu den hinteren Siebbeinzellen sowie zum Sinus sphenoidalis die Rr. orbitales (N. maxillaris) sowie Äste des N. ethmoidalis posterior. w Kiefer- und Stirnhöhle werden sensibel über Nervenäste in der lateralen Wand der Nasenhöhle innerviert. Neben den Rr. nasales posteriores superiores laterales et mediales können sich auch Zweige der Nn. alveolares superiores an der Innervation der Kieferhöhlenschleimhaut beteiligen.

Kehlkopf, Larynx

Lernziele: Kehlkopfknorpel, Bänder, Muskeln, Etagengliederung, Gefäße, Lymphabfluss, Nerven

er sich im Alter etwas nach unten verschiebt. Beim Schlucken bewegt er sich auf- und abwärts. Die Prominentia laryngea ist gut zu tasten und springt beim Mann als „Adamsapfel“ hervor.

£ Lage

£ Embryologie

Der Kehlkopf liegt unterhalb des Zungenbeines in der Regio laryngea, die ein Teil der Regio cervicalis anterior darstellt. In Ruhestellung projiziert er sich beim Erwachsenen in Höhe des 5. und 6. Halswirbelkörpers. In der Jugend liegt er höher, während

Der Kehlkopf ist ein Derivat der Schlundbögen. Er entwickelt sich aus Entoderm und Mesoderm des laryngotrachealen Schlauchs des 4. bis 6. Schlundbogens. Unter starker Proliferation des Mesenchyms bilden sich die paarigen Arywülste, vor die

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

326

sich der Epiglottiswulst (aus 3. und 4. Schlundbogen) legt. £ Funktion

• Hauptaufgaben des Kehlkopfes sind der Verschluss der tiefen Luftwege und die Stimmbildung (Phonation). Im Rachen kreuzt der Speiseweg den Luftweg. Somit erfolgt eine Weichenstellung für die Nahrung in den Oesophagus und die Luft in die Trachea. • Beim Schlucken wird der Luftweg durch den Kehldeckel verschlossen, und die Nahrung gelangt durch die Schluckrinnen (Recessus piriformes) in den Oesophagus. Der Luftweg führt über die Stimmritze (Rima glottidis), die geschlossen oder verschieden weit geöffnet werden kann. • Eine geschlossene Stimmritze verschließt den Luftweg und dient zur Steigerung des intraabdominellen Druckes (Bauchpresse). • Die geöffnete Stimmritze ermöglicht die Atmung. • Die Stimmbildung erfolgt dadurch, dass die an den Stimmbändern vorbeistreichende Luft in Schwingung versetzt wird. Dabei können die Spannung und die Dicke der Stimmbänder durch Muskeln reguliert werden, so dass verschiedene Töne entstehen.

Cartilago epiglottica Cartilago cuneiformis Cartilago triticea Petiolus epiglottidis

Cornu superius Cartilago thyroidea

Incisura thyroidea superior

Linea obliqua Cartilagines corniculatae

Cornu inferius Facies articularis arytaenoideae

Arcus cartilaginis cricoideae

Cartilago arytaenoidea Proc. vocalis

Proc. muscularis Lamina cartilaginis cricoideae

Cartilago cricoidea Facies articularis thyroidea

Abb. 4.110: Kehlkopfknorpel (nach Gray’s Anatomy)

Man unterscheidet Schildknorpel (Cartilago thyroidea), Ringknorpel (Cartilago cricoidea), Stellknorpel (Cartilago arytaenoidea, paarig), Kehldeckelknorpel (Cartilago epiglottica) und weitere unbedeutende Knorpel: Weizenkornknorpel (Cartilago triticea, paarig), Keilknorpel (Cartilago cuneiformis, paarig), Spitzenknorpel (Cartilago corniculata, paarig) und Sesamknorpel (Cartilagines sesamoideae, inkonstant) (Abb. 4.110).

einem wechselnd großen Winkel zusammenstoßen und nach hinten auseinanderweichen. Der obere tiefe Einschnitt wird als Incisura thyroidea superior und die untere nur schwach ausgebildete Kerbe als Incisura thyroidea inferior bezeichnet. Der hintere Rand der Platten läuft nach oben in das lange Cornu superius und der untere in das kürzere Cornu inferius aus. Beide Unterhörner bilden mit dem Ringknorpel ein Gelenk (Articulatio cricothyroidea). Eine schräge Linie (Linea obliqua) auf dem hinteren Teil der Platten endet oben bzw. unten mit einer reliefartigen Verstärkung, dem Tuberculum thyroideum superius bzw. inferius. An der Linea obliqua setzt der M. sternothyroideus an, entspringen der M. thyrohyoideus und der M. constrictor pharyngis inferior. Gelegentlich ist seitlich des Tuberculum superius ein kleines Loch (Foramen thyroideum) vorhanden, durch das die A. und V. laryngea superior durchtreten kann. In der Embryonalzeit ist das Foramen immer vorhanden, da es die Nahtstelle zwischen dem 4. und 5. Schlundbogen darstellt.

£ Cartilago thyroidea. Aus 2 nahezu rechtecki-

£ Cartilago cricoidea. Ähnelt einem Siegelring,

4.16.1

Kehlkopfskelett

Das Skelett des Kehlkopfes besteht aus mehreren Knorpeln (Cartilagines laryngeales), die miteinander z. T. gelenkig verbunden sind. Dadurch können geringfügige Dreh- und Kippbewegungen durchgeführt werden. Diese resultieren u. a. in der Verengung oder Erweiterung der Stimmritze (Rima glottidis).

gen Platten (Laminae) bestehend, die vorn unter

dessen Platte (Lamina cartilaginis cricoideae)

4.16 Kehlkopf, Larynx

nach dorsal und dessen Bogen (Arcus cartilaginis cricoideae) nach ventral gerichtet ist. Nur der untere Rand liegt horizontal, er ist nahezu kreisförmig und mit der Trachea verbunden. Am Ring finden sich an jeder Seite lateral Ursprungsstellen für den M. cricothyroideus und M. constrictor pharyngis inferior und 1 Gelenkfläche, Facies articularis thyroidea. Sie dient für die gelenkige Verbindung mit dem Schildknorpel. Seitlich an der Oberkante der Lamina befindet sich die ovale Facies articularis arytaenoidea für die Artikulation mit einem Stellknorpel. An der Dorsalfläche der Lamina dienen 2 seitliche Gruben den Mm. cricoarytaenoidei posteriores als Ursprung. Von einer senkrecht verlaufenden Leiste in der Mitte der Lamina entspringt eine Sehne, die die Fasciculi der oesophagealen Längsmuskulatur (Lamina muscularis externa) fixiert. £ Cartilago arytaenoidea. Pyramidenförmiger Knorpel, dessen Basis (Basis cartilaginis arytaenoideae) ventral zum spitzen Processus vocalis für den Ansatz des Stimmbandes ausgezogen ist und nach lateral den stumpfen Processus muscularis für den Ansatz der Mm. cricoarytaenoideus posterior und lateralis bildet. Die Basis artikuliert auf dem oberen Rand der Ringknorpelplatte am Übergang zum Ring (Facies articularis). Die bogenförmige Crista arcuata teilt die Facies anterolateralis in eine untere Fovea oblonga (für den M. thyroarytaenoideus), die mittlere Fovea triangularis und die nach hinten abgebogene Spitze (Apex cartilaginis arytaenoideae). £ Cartilago corniculata (Spitzenknorpel; Santorini). Kleines Knorpelstückchen das dem Apex cartilaginis arytaenoideae aufsitzt. Es ist mit ihm durch eine Syndesmose verbunden. Es wirft in der Plica aryepiglottica das Tuberculum corniculatum auf (sichtbar bei Kehlkopfspiegelung) £ Cartilago epiglottica. Blattförmiger Knorpel, mit nach kaudal gerichtetem Stiel (Petiolus epiglottidis), der durch das Lig. thyroepiglotticum an der Rückfläche des Schildknorpels befestigt ist. Die Unterfläche des Kehldeckels zeigt viele kleine Grübchen (Foveolae) für Schleimhautdrüsen. An der rückseitigen Schleimhaut wirft der Petiolus ein kleines Höckerchen auf (Tuberculum epiglotticum). Vom seitlichen Kehldeckelrand ziehen Schleimhautfalten (Plicae aryepiglotticae) zu den Stellknorpeln. Der dorsale Teil des Kehldeckels ist frei beweglich und

327

kann beim Schluckakt den Kehlkopfeingang verschließen. £ Cartilago triticea (Weizenkornknorpel). Kleines Knorpelstückchen im Lig. thyrohyoideum; wird als Abschnürung des Cornu majus aufgefasst. £ Cartilago cuneiformis (Keilknorpel). Genetisch von der Epiglottis abzuleiten, ist länglich und liegt in der Plica aryepiglottica. Beim Kehlkopfspiegeln ist der Keilknorpel als Tuberculum cuneiforme sichtbar. £ Cartilagines sesamoideae (Sesamknorpel) können in verschiedener Zahl im vorderen Teil des Stimmbandes und in der Umgebung des Stellknorpels vorkommen. Schildknorpel, Ringknorpel und Stellknorpel bestehen aus hyalinem, Kehldeckelknorpel, Spitzenknorpel und übrige Knorpelstückchen aus elastischem Knorpel. Ab dem 18. Lebensjahr beginnt die Verkalkung der Knorpel, die individuell unterschiedlich stark ist. Klinik: Schildknorpelbruch: Durch Gewalteinwirkung oder Unfälle verursacht. Heftige Schluckbeschwerden sind die Folge, da der M. constrictor pharyngis inferior seinen festen Halt verloren hat, außerdem können lebensbedrohliche Blutungen auftreten.

4.16.2 Kehlkopfbänder Innere Kehlkopfbänder verbinden Teile des Kehlkopfskeletts miteinander. Über äußere Kehlkopfbänder wird der Kehlkopf zwischen Zungenbein und Luftröhre aufgehängt (Abb. 4.111, 4.112). Äußere Kehlkopfbänder £ Membrana thyrohyoidea. Viereckige Memb-

ran, die den Oberrand des Schildknorpels mit dem Zungenbein verbindet und die Durchtrittstellen für den R. internus des N. laryngeus superior und die gleichnamige Arterie und Vene aufweist £ Lig. thyrohyoideum medianum. Mediane Verstärkung der Membrana thyrohyoidea mit zahlreichen elastischen Fasern. £ Ligg. thyrohyoidea lateralia. Seitliche Verstärkungen der Membrana thyroidea, die elastische

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

328

  

Os hyoideum

Cornu minus

Cartilago epiglottica

Cornu majus

Cartilago triticea Cornu superius

Loch für R. int. N. laryngei sup. Membrana thyrohyoidea Petiolus epiglottidis

Cartilago arytaenoidea Lig. cricoarytaenoideum

Cartilago corniculata Lig. thyroepiglotticum

Cornu inferius Lamina cartilaginis cricoideae

Ligg. cricothyroidea

Lig. cricotracheale Membrana quadrangularis Cartilago thyroidea Lig. vestibulare

Abb. 4.111: Kehlkopfskelett und Bänder, Dorsalansicht

Fasern enthalten und vom Cornu superius zum großen Zungenbeinhorn ziehen. £ Lig. cricotracheale. Verbindung zwischen dem Unterrand des Ringknorpels und der ersten Knorpelspange der Trachea. Innere Kehlkopfbänder

Ventriculus laryngis Rima glottidis Processus vocalis Lig. vocale Conus elasticus Cartilago cricoidea

£ Membrana fibroelastica laryngis. Teil der

Lamina propria, der aus dichten elastischen Fasernetzen besteht. Die Membrana fibroelastica laryngis ist in den 3 Etagen des Larynx unterschiedlich stark ausgebildet. £ Conus elasticus. In der Schleimhaut der Cavitas infraglottica liegender Teil der Membrana fibroelastica laryngis. Er hat die Form eines kurzen Rohres, das mit rundem Lumen am Oberrand des Ringknorpels beginnt und sich nach oben verjüngt. Er endet mit verdickten Rändern (Stimmbänder) als schlitzförmiger, sagittal gerichteter Spalt unter der Schleimhaut der Plicae vocales. Der Conus elasticus umschließt den subglottischen Raum (Cavitas infraglottica), dessen Form von der Stellung der Stimmbänder abhängt.

Abb. 4.112: Bänder des Kehlkopfes. Rechtes Lig. vocale und Conus elasticus sind von rechts her durch Wegnahme der Schildknorpelplatte und der Muskeln dargestellt £ Lig. vocale. Zieht von der Spitze des Proc. voca-

lis des Stellknorpels zur Innenseite des Schildknorpelbugs und ist als oberer freier, verdickter Rand des Conus elasticus aufzufassen. Beide Stimmbänder bzw. die von ihnen aufgeworfenen Falten, Plicae vocales, begrenzen die Pars intermembranacea der Stimmritze (Rima glottidis), zu der außerdem die Spalte zwischen den beiden Aryknorpeln gerechnet wird (Pars intercartilaginea). Bei geschlossener Stimmritze gleichen

4.16 Kehlkopf, Larynx

die Stimmbänder zusammen mit dem Conus elasticus dem Mundstück einer Klarinette, bei maximaler Öffnung dagegen nahezu einem zylindrischen Rohr. £ Lig. cricothyroideum (Lig. conicum). Ventraler, derber tastbarer Faserzug des Conus elasticus in der Medianebene zwischen Oberrand des Ringknorpels und Unterrand des Schildknorpels. Klinik: Bei lebensbedrohlichen Verschluss der Stimmritze (z. B. bei Glottisödem nach Insektenstichen) kann ein Einschnitt dieses Bandes (Koniotomie) den Luftweg künstlich eröffnen. £ Membrana quadrangularis. Schwach ausge-

£

£

£

£ £

bildeter Teil der Membrana fibroelastica laryngis der Schleimhaut des Vestibulum laryngis. Lig. vestibulare, Taschenband. Unterer freier, bandartiger Rand der Membrana quadrangularis, in der Plica vestibularis liegend. Befestigt ist das Band an der Hinterseite des Schildknorpelbugs und an der anterolateralen Seite des Stellknorpels oberhalb des Stimmbandansatzes (Fovea triangularis). Lig. cricoarytaenoideum. Elastisches Band, das von der Ringknorpelplatte an den Stellknorpel zieht. Es ist ein wichtiges Verstärkungs- und Führungsband des Stellknorpel-Ringknorpelgelenkes. Lig. cricopharyngeum. Von den Cartilagines corniculatae zur Rückseite der Ringknorpelplatte und in das Bindegewebe der dahinterliegenden Rachenschleimhaut ziehend. Lig. thyroepiglotticum. Heftet den Kehldeckelstiel an die Innenseite des Schildknorpelbugs. Lig. hyoepiglotticum. Band zwischen Zungenbein und Kehldeckel.

4.16.3 Kehlkopfgelenke Über die Gelenkbewegungen kann der Abstand der Procc. vocales zum Schildknorpel oder der Abstand beider Stellknorpel und deren Procc. vocales zueinander reguliert werden. £ Articulatio cricothyroidea. Gelenk zwischen

Schild- und Ringknorpel. Hier erfolgt eine Kippbewegung des Schildknorpels um eine quere Achse und somit eine Veränderung des Abstandes zwischen den Procc. vocales und der

329

Innenseite des Schildknorpelbugs. Die Gelenkkapsel wird vorn, hinten und besonders unten durch Bänder verstärkt. £ Articulatio cricoarytaenoidea. Gelenk zwischen Ringknorpel und Stellknorpel. Da die Gelenkkapsel sehr schlaff ist, können die Stellknorpel um die Längsachse gedreht, einander genähert, voneinander entfernt und nach vorne/ hinten gekippt werden. Diese Bewegungen regeln die Stellung der Stimmbänder sowie die Form und Größe der Stimmritze.

4.16.4

Kehlkopfmuskeln, Musculi laryngis

Entsprechend der Lage und der Entwicklung existieren ein äußerer und innere Kehlkopfmuskeln. Äußerer Kehlkopfmuskel (Abb. 4.113) 1. M. cricothyroideus („Anticus“) O.: vorn neben der Mittellinie vom Bogen des Ringknorpels. I.: am Unterrand des Schildknorpels (steil nach oben ziehend, Pars recta) und am Vorderrand des Cornu inferius (schräg verlaufende Faserzüge, Pars obliqua) des Schildknorpels. L.: R. externus des N. laryngeus sup., A./V. laryngea sup. F.: bei Kontraktion des Anticus nähert sich ventral der Schildknorpel dem Ring des Ringknorpels (nach einigen Autoren auch umgekehrt: der Ring des Ringknorpels dem Schildknorpel). Dorsal dagegen entfernt sich die Lamina des Ringknorpels vom Schildknorpel. Dadurch wird der Abstand zwischen den Procc. vocales und dem Schildknorpelbug vergrößert. Da während der Phonation die Lamina des Ringknorpels durch Kontraktion des M. cricopharyngeus fixiert wird, ist auch eine Bewegung des Schildknorpels nach ventral möglich. Beide Möglichkeiten dienen der Spannung des Stimmbandes. Innere Kehlkopfmuskeln (Abb. 4.113, 115) 2. M. cricoarytaenoideus posterior („Posticus“) O.: an der Rückfläche der Ringknorpelplatte. I.: am auf- und lateralwärts gelegenen Proc. muscularis des Stellknorpels.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

330 Epiglottis Plica aryepiglottica

Os hyoideum Membrana thyrohyoidea M. arytaenoideus obliquus

M. arytaenoideus transversus

M. cricoarytaenoideus posterior

M. aryepiglotticus

M. thyroarytaenoideus

M. cricoarytaenoideus lateralis Facies articularis thyroidea, Cartilago cricoidea

Cartilagines tracheales

M. cricothyroideus

Abb. 4.113: Darstellung der Kehlkopfmuskeln, Ansicht von rechts dorsolateral; die rechte Schildknorpelplatte und der rechte M. cricothyroideus sind z. T. entfernt. Der Umriss der Cartilago thyroidea ist schwarz eingezeichnet

L.: N. laryngeus recurrens, A./V. laryngea superior. F.: Durch Kontraktion werden die Procc. musculares nach hinten und unten gezogen. Durch den Posticus kann die Stimmritze vollständig geöffnet werden. Klinik: Beidseitiger Ausfall des M. cricoarytaenoideus posterior führt zu schwerer Atemnot und kann zum Ersticken führen 3. M. cricoarytaenoideus lateralis („Lateralis“) O.: am Oberrand des seitlichen Teils des Ringknorpelbogens. I.: am Proc. muscularis des Stellknorpels. L.: N. laryngeus recurrens, A./V. laryngea sup. F.: Er schließt die Pars intermembranacea der Stimmritze, während die Pars intercartilaginea offen bleibt/geöffnet wird. Stellung der Stimmritze bei Flüstersprache. 4. M. arytaenoideus obliquus O.: in der Nähe des Proc. muscularis. I.: an der Spitze des gegenseitigen Stellknorpels.

L.: N. laryngeus recurrens, A.V. laryngea sup. F.: Die Stärke dieses Muskels schwankt erheblich. Zusammen mit M. arytaenoideus transversus am Schluss der Stimmritze beteiligt (s. u.). Einige Faserzüge des M. arytaenoideus obliquus, Pars aryepiglottica m. arytaenoidei, strahlen zur Epiglottis aus und bilden die muskuläre Grundlage der Plica aryepiglottica. Sie wirken beim Verschluss des Kehlkopfeinganges durch den Kehldeckel mit. 5. M. arytaenoideus transversus (unpaar) O.: an der Stellknorpelhinterfläche. I.: ebenfalls an der Stellknorpelhinterfläche des gegenseitigen Stellknorpels. L.: N. laryngeus recurrens, A./V. laryngea sup. F.: Synergistische Wirkung mit dem oberflächlich liegenden M. arytaenoideus obliquus beim Nähern der beiden Stellknorpel und somit Verschluss der Stimmritze. Beide sind Gegenspieler zu allen übrigen Stellmuskeln.

4.16 Kehlkopf, Larynx

331

Epiglottis Cornu majus ossis hyodei Corpus adiposum praeepiglotticum

Cornu superius cartilaginis thyroideae Plica aryepiglottica

Plica vestibularis Ventriculus laryngis

M. arytaenoideus transversus

Lig. vocale M. cricothyroideus Arcus cartilaginis cricoideae

M. vocalis M. cricoarytaenoideus lateralis Lamina cartilaginis cricoideae

Cartilagines tracheales

Abb. 4.114: Innenansicht des Kehlkopfes. Lig. vocale, M. vocalis, M. cricoarytaenoideus lateralis und M. cricothyroideus sind freipräpariert; Paramedianschnitt

6. M. thyroarytaenoideus O.: an der Innenfläche des Schildknorpels lateral vom M. vocalis. I.: an der Vorder-Seitenfläche des Stellknorpels (Fovea oblonga). L.: N. laryngeus recurrens, A./V. laryngea sup. F.: Der Muskel ist individuell verschieden differenziert. Nach hinten geht er z. T. in den M. arytaenoideus transversus über, außerdem können einzelne Fasern als Pars thyroepiglottica (M. thyroepiglotticus) die Epiglottis erreichen. Die beidseitigen Mm. thyroarytaenoidei umgreifen den oberen Teil des Conus elasticus wie ein Sphincter und helfen bei der Phonation die Stimmritze zu schließen. 7. M. vocalis O.: von der Rückfläche des Schildknorpelbugs. I.: am Proc. vocalis des Stellknorpels. L.: N. laryngeus recurrens, A./V. laryngea sup.

F.: Der Muskel liegt unter der Plica vocalis und kann als medialer Teil des M. thyroarytaenoideus angesehen werden, der auf dem Conus elasticus liegt. Seine medialen Fasern strahlen in das Stimmband ein. Der M. vocalis kann die Spannung der Stimmbänder regulieren. £ Wirkung der Kehlkopfmuskeln/Stimmbil-

dung (Abb. 4.115) Aufgrund ihrer Funktion werden die Kehlkopfmuskeln in Spann- und Stellmuskeln eingeteilt. Spannmuskeln sind der M. cricothyroideus und der M. vocalis, die die Spannung des Stimmbandes regulieren. Stellmuskeln sind alle übrigen. Sie sind in Öffner und Schließer der Stimmritze unterschieden.

1. Öffner der Stimmritze. Eine komplette Öffnung der Stimmritze bewirkt der M. cricoarytaenoideus posterior. Durch Zug an den Proc. musculares wird der Stellknorpel auf der Ringknorpelplatte um die vertikale Achse nach außen gedreht und etwas seitwärts gekippt. Die Procc. vocales werden mit den anheftenden Stimmbändern voneinander entfernt

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

332

b

a

e

c

d

g

f

h

i

Abb. 4.115: Verschiedene Stellungen der Stimmritze (a–d), Wirkung der Stellmuskeln auf die Weite der Stimmritze (E-G) und Wirkung der Spannmuskeln auf die Spannung der Stimmbänder (h, i). Stellung der Stimmritze bei ruhiger Atmung (a), bei forcierter Atmung (b), bei Flüstersprache (c) und in Phonationsstellung (d). e: die Procc. musculares werden durch Kontraktion des Posticus nach hinten und die Stellknorpel zur Seite gezogen. Die Stimmritze ist maximal geöffnet. F: Wirkung von Lateralis und M. thyroarytaenoideus. Die Procc. musculares werden nach vorn gezogen, die Stellknorpel zur Seite; Stimmritzenöffnung wie bei a. g: Wirkung der Mm. arytaenoidei: die Stellknorpel werden zur Medianebene gezogen; Schluss der Stimmritze. h: Durch Kontraktion des M. cricothyroideus wird der Ring des Ringknorpels der Schildknorpelplatte genähert und gleichzeitig die Platte mit den Stellknorpeln nach dorsal bewegt, wodurch eine Spannung der Stimmbänder erreicht wird. g: Eine Entspannung der Stimmbänder ist auch durch Ventralbewegung der Stellknorpel (durch die Mm. thyroarytaenoidei) möglich

und angehoben somit die Stimmritze erweitert. Der M. cricoarytaenoideus lateralis und der M. thyroarytaenoideus können die Pars intercartilaginea öffnen, in dem sie die Stellknorpel um die vertikale Achse nach innen und damit die Spitzen der Procc. vocales zur Mitte drehen. Die Pars intercartilaginea bildet eine dreieckige Öffnung, wie sie auch bei Flüstersprache vorkommt.

Die Form des Kehlkopfbinnenraumes wird wesentlich von der unter dem Epithel gelegenen Membrana fibroelastica laryngis bestimmt

2. Schließer der Stimmritze. Die Pars intermembranacea wird vom M. cricoarytaenoideus lateralis und vom M. thyroarytaenoideus durch Annäherung der Proc. vocales geschlossen. Durch Kontraktion der Mm. arytaenoideae (transversus und obliquus) wird die Stimmritze vollständig geschlossen.

1. Oberes Stockwerk, Cavitas laryngis superior (Vestibulum laryngis). Vom Kehlkopfeingang, Aditus laryngis (zwischen Kehldeckel, Plicae aryepiglotticae und Plica interarytaenoidea) bis zu den Plicae vestibulares, d. h. den Taschenfalten reichend. Die Taschenfalte entsteht durch das Lig.

4.16.5 Kehlkopfhöhle, Cavitas laryngis (Abb. 4.116) £ Einteilung in 3 Stockwerke

4.16 Kehlkopf, Larynx

333

Tabelle 4.3: Muskeln des Kehlkopfes Muskel

Ursprung

Ansatz

Funktion

Äußerer Kehlkopfmuskel (Innervation: R. externus des N. laryngeus superior) M. cricothyroideus („Anticus“); Pars recta, Pars obliqua

vorn vom Bogen des Ringknorpels

am Unterrand (Pars recta) und Vorderrand des Cornu inferius (Pars obliqua) des Schildknorpels

Ventrale Annäherung von Schild- und Ringknorpel; bei Kontraktion Spannung der Stimmbänder

Innere Kehlkopfmuskeln (Innervation: N. laryngeus recurrens) M. cricoarytaenoideus posterior („Posticus“)

von Hinterfläche der Ringknorpelplatte

am Proc. muscularis des Stellknorpels

Ziehen der Proc. musculares nach hinten und unten, dadurch vollständige Öffnung der Stimmritze und Anspannung der Stimmbänder

M. cricoarytaenoideus lateralis („Lateralis“)

am Oberrand des seitlichen Ringknorpelbogens

am Proc. muscularis des Stellknorpels

Verschluss der Pars intermembranacea der Stimmritze; die Pars intercartilaginea bleibt geöffnet, Entspannung der Stimmbänder

M. arytaenoideus obliquus

in der Nähe des Proc. muscularis

an der Spitze des kontralateralen Stellknorpels

Zusammen mit M. arytaenoideus transversus Verschluß der Stimmritze

M. arytaenoideus transversus

Stellknorpelhinterfläche

Hinterfläche des kontralateralen Stellknorpels

Synergistische Wirkung mit M. arytaenoideus obliquus beim Nähern der beiden Stellknorpel. Gegenspieler zu allen übrigen Stellmuskeln

M. thyroarytaenoideus

an der Innenfläche des Schildknorpels lateral vom M. vocalis

an der Vorder-Seitenfläche (Fovea oblonga) des Stellknorpels.

Unterstützung des M. cricoarytaenoideus lateralis

Pars thyroepiglottica des M. thyroarytaenoideus

an vorderer Innenfläche des Schildknorpels

an Epiglottis und Membrana quadrangularis

Erweiterung des Aditus laryngis

M. vocalis

Rückfläche des Schildknorpelbugs

Proc. vocalis des Stellknorpels.

Verschluss der Stimmritze bei Phonation; Feinregulation der Stimmbandspannung

Pars aryepiglottica m. arytaenoidei (M. aryepiglotticus)

Faserzüge aus dem M. arytaenoideus obliquus

Seitenrand der Epiglottis und Membrana quadrangularis

muskuläre Grundlage der Plica aryepiglottica. Verengung des Aditus laryngis

vestibulare. Der zwischen beiden Taschenfalten vorhandene Spalt ist die Rima vestibuli (Abb. 4.116). 2. Mittleres Stockwerk, Cavitas laryngis intermedia. Dieser Raum wird oben von den Plicae vestibulares und unten von den Plicae vocales begrenzt. Die Rima glottidis ist ein sagittaler Spalt zwischen den Plicae vocales und den Stellknorpeln. Sie lässt sich somit in die Pars intermembranacea (zwischen den Stimmfalten) und die Pars intercartilaginea (zwischen den Stellknorpeln) unterteilen. Als Glottis bezeichnet man den aus beiden Plicae vocales bestehenden, stimmbildenden Teil des Kehlkopfes. Vom mittleren Stockwerk gehen seitliche Ausbuchtungen, Ventriculi laryngis ab. Sie sind gelegentlich

kranialwärts zu Blindsäcken, Sacculi laryngis (Appendices ventriculi laryngis) ausgebuchtet. In seltenen Fällen durchbohren sie beim Menschen die Membrana thyrohyoidea und erscheinen unter der Haut des Halses. Bei manchen Affen erreichen sie eine gewaltige Ausdehnung und reichen als „Brüllsäcke“ bis zu den Schlüsselbeinen. Ob sie als Resonatoren dienen, ist nicht eindeutig geklärt (Abb. 4.116). 3. Unteres Stockwerk, Cavitas laryngis inferior (Cavitas infraglottica). Sie liegt unterhalb der Stimmritze, ist konisch und geht am Unterrand des Ringknorpels ohne sichtbare Grenze in die Luftröhre über (Abb. 4.116).

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

334

Epiglottis Os hyoideum Membrana thyrohyoidea Recessus piriformis

Plica aryepiglottica

Plica vestibularis

Cartilago thyroidea

Ventriculus laryngis

Cavitas laryngis superior

M. thyrohyoideus Cavitas laryngis intermedia M. thyroarytaenoideus Cavitas laryngis inferior

M. vocalis M. cricothyroideus Cartilago cricoidea

Cavitas laryngis inferior Trachea

Abb. 4.116: Etagengliederung des Kehlkopfes, Frontalschnitt, Dorsalansicht

£ Kehlkopfschleimhaut, Tunica mucosa laryngis.

Ursache der Rednerheiserkeit. Da die Stimmfalten drüsenfrei sind, müssen sie durch „Berieselung“ von den Taschenfalten und durch die Atemluft feucht gehalten werden. Im Epithel der Epiglottis kommen z. T. Geschmacksknospen vor.

1. Lamina epithelialis. Hier sind regionale Unterschiede vorhanden. An den Stimmfalten, der Innenflächen der Stellknorpel und an der Dorsalfläche der Epiglottis ist ein geschichtetes Plattenepithel vorhanden. Es ist stellenweise an den Plicae vocales verhornt. Die übrige Schleimhaut besteht aus zylindrischem Flimmerepithel, mit schlundwärts gerichtetem Flimmerschlag. Des Weiteren finden sich im Epithel auch M-Zellen (membranöse Zellen), spezielle zur Antigenaufnahme befähigte Zellen, die charakteristisch für das Ileum sind.

3. Im Bereich des Vestibulums, der Plica aryepiglottica und der Plica interarytaenoidea ist die Schleimhaut durch lockeres Bindegewebe an der Unterlage befestigt. Diese lockere Anheftung ermöglicht eine Verschieblichkeit der Schleimhaut. Bei Verengung des Vestibulums legt sich die Schleimhaut in Falten.

Sie besteht aus einer Lamina epithelialis und der darunter liegenden Lamina propria. Die Lamina propria heftet die Schleimhaut an das Perichondrium der Kehlkopfknorpel.

2. Lamina propria. Enthält reichlich elastische, außerdem kollagene und retikuläre Fasern. In unterschiedlicher Anzahl kommen Lymphozyten vor, die zu Solitärknötchen verdickt sein können („Larynxtonsille“) und seröse sowie gemischte Drüsen, Glandulae laryngeae. Diese Drüsen besitzen keine Schaltstücke und Sekretrohre und sind besonders häufig in grübchenförmigen Vertiefungen auf der Kehlkopfseite der Epiglottis, in den Taschenfalten und im Ventriculus laryngis, fehlen aber im Bereich der Stimmfalten. Die Drüsen halten die Schleimhaut feucht. Bei Rednern sind sie häufig hypertrophiert und bei Entzündung sind sie

Klinik: 1. Bei Entzündungen und Reizen verschiedenster Art kann die sehr lockere Lamina propria große Mengen an Gewebsflüssigkeit aufnehmen. Die Plicae aryepiglotticae können anschwellen und so den Kehlkopfeingang einengen, was zu Erstickungserscheinungen führt. Diese lebensbedrohliche Anschwellung wird fälschlich als Glottisödem bezeichnet und macht eine Intubation oder einen Luftröhrenschnitt notwendig. Echte Stimmbandödeme (Glottisödem, Reinke-Ödem) sind selten und entstehen meist bei starker Stimmbelastung. 2. Häufigster maligner Tumor des Kehlkopfes ist das Kehlkopfkarzinom, Larynxkarzinom. Meist ausgehend vom Plattenepithel im Bereich der Glottis (60 %), seltener vom supra- (30 %)

4.16 Kehlkopf, Larynx

oder subglottischen (10 %) Epithel. Adenokarzinome sind seltener. In 90 % der Fälle bei Männern; meistens im 6. Lebensjahrzehnt; in engem Zusammenhang mit Alkohol- und Nikotinkonsum. 3. Lähmung der Kehlkopfmuskeln. Häufigste Ursache ist der Ausfall des N. laryngeus recurrens. Einseitige Schädigung führt zum einseitigen Ausfall der inneren Kehlkopfmuskeln; beidseitiger Ausfall zur Lähmung aller inneren Kehlkopfmuskeln. Ursache meist iatrogen, v. a. nach Schilddrüsenoperationen, auch bei Mediastinaltumoren, Bronchial- und Oesophaguskarzinom. 4. Stimmlippenknötchen sind meist symmetrische bindegewebige Verdickungen am Übergang vom vorderen Drittel zum mittleren Drittel der Stimmlippen. Die Ursache liegt in Überbeanspruchung der Stimmlippen, z. B. bei Sängern (Sängerknötchen) oder laut schreienden Kindern (Schreiknötchen)

4.16.6

335 £ V. laryngea inferior → Plexus thyroideus impar

→ V. thyroidea inferior → V. brachiocephalica sinistra

Lymphgefäße. Bilden Gruppen ober- und unterhalb der Stimmritze und haben verschiedene Abflussrichtungen £ Lymphgefäße oberhalb der Stimmritze begleiten

£

£

Gefäße und Nerven

Arterien. Sie verlaufen mit den Nerven und sind Äste aus der A. thyroidea superior/inferior. Die A. laryngea superior entspringt kranial am Oberrand der Schildknorpelplatte aus der A. thyroidea superior und verläuft meist mit dem R. internus des N. laryngeus superior durch die Membrana thyrohyoidea. Sie versorgt den größten Teil der Schleimhaut und der Muskulatur des Kehlkopfes. Der R. cricothyroideus aus der A. thyroidea superior geht auf dem Lig. cricothyroideum eine Verbindung mit dem gleichnamigen Ast der anderen Seite ein. Die A. laryngea inferior zieht hinter der Luftröhre aufwärts, durchbohrt den unteren Schlundschnürer und tritt hinten unten in den Kehlkopf ein. £ A. carotis communis → A. carotis externa →

A. thyroidea sup. → A. laryngea superior £ A. carotis communis → A. carotis externa → A. thyroidea sup. → R. cricothyroideus £ A. subclavia → Truncus thyrocervicalis → A. thyroidea inferior → A. laryngea inferior Venen. Aus der oberen Kehlkopfhälfte/unteren Kehlkopfhälfte münden sie in die V. laryngea superior/V. laryngea inferior £ V. laryngea sup. → V. thyroidea sup → V. jugu-

laris interna

£

£

die A./V laryngea sup., durchbohren die Membrana thyrohyoidea, verlaufen, falls ausgebildet, z. T. über die Nodi lymphatici infrahyoidei und münden in der Nähe der Karotisgabel in tiefe Halslymphknoten, Nll. cervicales laterales profundi superiores. Die Stimmbänder besitzen nur wenige nach oben abfließende Lymphkapillaren (günstige Prognose bei Kehlkopfkarzinom). Lymphgefäße unterhalb der Stimmritze durchbohren das Lig. cricothyroideum, erreichen Lymphknoten vor dem Band, Nodi lymphatici praelaryngeales und Nll. prae- und paratracheales. Von hier gelangt die Lymphe weiter zu tiefen seitlichen Lymphknoten längs der V. jugularis interna, Nodi lymphatici cervicales laterales profundi inferiores . Lymphgefäße über der Glottis → (Nll. infrahyoidei) → Nll. cervicales laterales profundi superiores Lymphgefäße unterhalb der Glottis → Nll. praelaryngeales und Nll. prae- und paratracheales → Nodi lymphatici cervicales laterales profundi inferiores.

Nerven Motorische und sensible Fasern £ N. laryngeus superior aus dem N. vagus.

• Ramus externus. Versorgt den M. cricothyroideus und mit sensiblen Fasern (die durch das Lig cricothyroideum ziehen) den vorderen Teil der Stimmlippe. • Ramus internus. Zieht mit A. und V. laryngea superior durch die Membrana thyrohyoidea und versorgt die restliche Schleimhaut oberhalb der Stimmlippe, wobei auch ein Übergreifen der sensiblen Fasern auf den subglottischen Raum häufig ist. Nerv und Gefäße werfen im Recessus piriformis die Plica n. laryngei auf. Eine Anästhesie kann zwischen Schildknorpel und großem Zungenbeinhorn erfolgen.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

336

w N. laryngeus recurrens. Dieser ebenfalls aus

dem N. vagus stammende Nerv hat eine besondere Verlaufsform. Rechts schlingt er sich um die A. subclavia, links um den Aortenbogen. Beide Nerven ziehen dann in einer Rinne zwischen Oesophagus und Trachea zur Rückseite des Kehlkopfes.

Der N. laryngeus recurrens versorgt alle inneren Kehlkopfmuskeln und die Schleimhaut unterhalb der Stimmritze. Eine stets vorkommende Anastomose zwischen dem Endast des N. laryngeus recurrens und R. internus des N. laryngeus superior (Ansa Galeni) liegt auf der Dorsalfläche des M. cricoarytaenoideus posterior. Der motorische Kern beider Kehlkopfnerven ist der Nucleus ambiguus, der Impulse aus beiden Großhirnhälften erhält. Die doppelseitige Innervation sichert die Symmetrie der Stimmbandbewegungen. Vegetative Fasern. Sympathisch-vasomotorische Fasern stammen aus dem Grenzstrang, parasympathisch-sekretorische Fasern für die Schleimdrüsen stammen aus dem N. vagus.

4.16.7

Geschlechts- und Altersunterschiede des Kehlkopfes

Erwachsener Mann: Hier ist der Kehlkopf größer und kräftiger, die Schildknorpelplatten bilden vorn einen kleineren Winkel miteinander (90°), so dass ein größerer sagittaler Durchmesser auftritt. Die Stimmritze ist 2,0–2,4 cm lang. Der Kehlkopf der Frau und des Knaben ist kleiner und graziler. Da der Schildknorpelwinkel stumpfer ist (120°) sind Stimmritze, Stimmfalte und der sagittale Durchmesser um ca. 1/5 kürzer. Aus den kürzeren Stimmbändern resultiert eine höhere Stimmlage. Stimmbruch. Während der Pubertät verändert sich der männliche Kehlkopf unter dem Einfluss von Geschlechtshormonen. Erfolgt eine Kastration in der Jugend, bleiben die hohe Stimme und die weibliche Form des Kehlkopfes erhalten. Kalkeinlagerungen/Verknöcherungen. Sie treten bereits zur Pubertät im Schild- und Ringknorpel auf (im Stellknorpel meist später). Auftreten und Fortschreiten dieser Verkalkungsprozesse unterliegt großen individuellen Schwankungen, so dass die Skelettanteile des Kehlkopfes u. U. auch bis ins hohe Alter knorpelig bleiben können.

4.16.8 Nachbarschaftsbeziehungen des Kehlkopfes £ in der Mittellinie liegen die Kehlkopfknorpel

(Schild- und Ringknorpel) unter der Haut und der oberflächlichen und mittleren Halsfaszie. Vor der Prominentia laryngea kann in der Subcutis eine Bursa subcutanea praelaryngea liegen und vor dem Kehlkopf ein Lobus pyramidalis der Schilddrüse bis zum Zungenbein verlaufen (s. Kap. 4.17.3, S. 338). £ seitlich werden die Knorpel von den unteren Zungenbeinmuskeln überlagert und teilweise von der Schilddrüse umfasst. Seitlich vom Kehlkopf verläuft die Gefäß-Nervenstraße des Halses £ dorsal liegt die Pars laryngea des Schlundes, die am Unterrand des Ringknorpels in die Speiseröhre übergeht. £ kaudal geht der Kehlkopf in den Halsteil der Trachea über.

4.16.9 Lagebeziehungen des Kehlkopfes zum Skelett £ Sie zeigen erhebliche Alters- und Geschlechts-

unterschiede

£ Säugling. Beim normaler Haltung und Atmung

steht die Schildknorpelplatte vor dem 4. Halswirbelkörper. Das Zungenbein ist dem Schildknorpel stark genähert und der Unterrand steht auf Höhe des 3. Halswirbelkörpers. Durch den Kehlkopfhochstand wird beim Schluckakt der Kehldeckel nicht vollständig gesenkt und der Aditus laryngis nicht vollständig verschlossen. So kann der Säugling gleichzeitig Trinken/Schlucken und Atmen, was häufig zur Aspiration von Nahrung in die Luftröhre und anschließendem Hustenreiz führt. Während der Entwicklung verlagert sich der Kehlkopf nach distal (Descensus). £ Erwachsener Mann. Der Schildknorpel steht zwischen 5. und 6. Halswirbel £ Erwachsene Frau. Hier ist der Descensus geringer. Der Schildknorpel steht vor dem 5. Halswirbel. £ Die typische Ruhelage ändert sich beim Singen hoher und tiefer Töne, bei maximaler Ein- und Ausatmung, beim Schlucken und bei Vor- und Rückwärtsbewegungen der Halswirbelsäule.

4.17 Schilddrüse, Glandula thyroidea

337

Verschieblichkeit des Kehlkopfes

roepiglotticus) spielen beim Verschluss des Aditus laryngis nur eine untergeordnete Rolle.

Über das Zungenbein ist der Kehlkopf durch die oberen Zungenbeinmuskeln am Unterkiefer und an der Schädelbasis beweglich verankert. Nach unten ist er durch Luft- und Speiseröhre mit dem Mediastinum elastisch verbunden. Die unteren Zungenbeinmuskeln verändern den Abstand zwischen Zungenbein und Kehlkopf einerseits sowie Kehlkopf und Sternum andererseits und beeinflussen so die Länge des Resonanzrohres.

4.16.10 Leistungen des Kehlkopfes £ Durch Einstellung der Stimmritze kann die

Weite des Luftweges verändert werden. Neben der Stimmbildung ist die Stimmritze auch für den Schutz der Luftwege verantwortlich. £ Verschluss des Kehlkopfeinganges: 1. Beim Schluckakt wird u.a. einerseits der Zungengrund nach hinten unten verlagert und andererseits der Kehlkopf durch Anheben des Zungenbeines nach vorne oben unter den Zungengrund gezogen. Dieser drückt dabei den Kehldeckel über den Kehlkopfeingang (ZungengrundKehldeckelmechanismus) 2. Gleichzeitig wird der Kehlkopf (durch Kontraktion der Mm. thyrohyoidei) an das Zungenbein herangezogen. Das Corpus adiposum praeepiglotticum (ein im Bindegewebsraum zwischen Kehldeckel, Membrana thyrohyoidea und Lig. hyoepiglotticum liegender Fettkörper) (Abb. 4.114) weicht nach dorsal aus und verlagert den Kehldeckel kaudalwärts (Fettkörper-Kehldeckel-Mechanismus). Durch beide Mechanismen wird der Aditus laryngis verschlossen. Die Eigenmuskeln des Kehlkopfeinganges (M. aryepiglotticus, M. thy-

4.17

• Atmung. Die Stimmritze ist geöffnet, Respirationsstellung. Ihre Weite wird durch die Intensität der Atmung bestimmt. • Stimmbildung. Die Stimmritze ist weitgehend geschlossen, Phonationsstellung. Durch den Exspirationsstrom werden die gespannten Stimmbänder auseinandergedrängt, um dann zurückzuschnellen. Dieser Vorgang wiederholt sich, so dass durch die laufenden Unterbrechungen der Luftstrom im Kehlkopf in Schwingung versetzt wird. Die Plicae vocales schwingen dabei in horizontaler Richtung gegeneinander. Die Klangfarbe wird durch die Form des Ansatzrohres (Rachen, Nase, Mund) bestimmt. Die Höhe der einzelnen Töne hängt ab von der Länge, Dicke und Spannung der Stimmbänder. Kürzere Bänder (Frauen, Kinder) erzeugen höhere Töne. Bei Dickenzunahme der Stimmbänder ergibt sich eine Abnahme, bei Spannungserhöhung eine Steigerung der Tonhöhe. Durch die enge Verknüpfung von M. vocalis und Stimmband und die feine Innervation wird die Modulationsfähigkeit der menschlichen Stimme ermöglicht. Der M. vocalis regelt die Feineinstellung und die Feinspannung des Stimmbandes. Er kann die Stimmlippe zu einer dicken, mäßig gespannten Saite abrunden (tiefe Töne) oder zu einer dünnen, straff gespannten Saite verschmälern (hohe Töne). Möglicherweise beruht die Fähigkeit zur Stimmbildung des Menschen auf dem Vorkommen von sog. langsamen tonischen Muskelfasern im M. vocalis. Diese Fasern zeigen einzigartige Kontraktionseigenschaften und wurden bisher nur in Muskelspindeln und wenigen anderen Muskeln (z. B. äußere Augenmuskeln) nachgewiesen.

Schilddrüse, Glandula thyroidea

Lernziele: Gestalt, Lage, Feinbau, Topographie, Gefäße und Nerven, Bedeutung des Organs

4.17.1

£ Stellung der Stimmritze (Abb. 4.115)

Embryologie

Die Schilddrüse entwickelt sich in der 3. EW aus dem Entoderm des Zungengrundes als Epithelstrang. Dieser formt sich zum Ductus thyroglos-

sus um, der zwischen Haut und Halseingeweiden vorwächst. Das distale Ende teilt sich in 2 Lappen. Teile der ultimobranchialen Körper werden in die Entwicklung einbezogen; sie liefern die C-Zellen. Klinik: Akzessorisches Schilddrüsengewebe findet man im ursprünglichen Verlauf des Ductus thyroglossus als Lobus pyramidalis oder als versprengte Zellgruppen (Zungengrundkropf).

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

338

Funktion

Die Schilddrüse spielt eine wichtige Rolle im Inkretsystem des Menschen. • Thyroglobulinsekretion (PAS-positives Glykoprotein) in das Follikellumen • Schilddrüsenhormone. Tetraiodthyronin (T4, Thyroxin) und Triiodthyronin (T3) werden in das Gefäßsystem abgegeben • C-Zellen sezenerieren Calcitonin

Gestalt, Hüllen, Größe

£ Gestalt. Die Schilddrüse ist eine rotbraune,

leicht höckerige, innersekretorische Drüse. 2 seitliche, birnenförmige Lappen, Lobus dexter und sinister, sind durch ein schmales Querstück, den Isthmus, miteinander verbunden. Vom Isthmus oder einem der Lappen steigt häufig ein schmaler Fortsatz, Lobus pyramidalis, vor dem Kehlkopf aufwärts und ist mit einem Bindegewebsstreifen am Zungenbein befestigt. In seltenen Fällen kann er bis zum Zungengrund reichen (Rest des Ductus thyroglossus). £ Hüllen. Die Drüse wird von einer dünnen Organkapsel eingehüllt. Sie schickt mit den

Fascia cervicalis 

 

V. jugularis 





 

externa

Klinik: 1. Normale Schilddrüsen sind am Lebenden kaum sicht- und tastbar. Stärkere Vergrößerungen (Blähhals, Kropf, Struma, in

anterior

Spatium suprasternale



4.17.3

Gefäßästen Septen in die Tiefe und unterteilt die Drüse in Läppchen, Lobuli. Eine äußere aus mehreren Lamellen bestehende Hülle, die Capsula fibrosa, heftet die Drüse am Kehlkopf und der Luftröhre an. Stärkere bandartige Züge ziehen vom Isthmus und angrenzenden Bereich der Schilddrüse zum Ringkknorpel. Auch das perivaskuläre Bindegewebe der einstrahlenden Gefäße verstärkt die Capsula fibrosa. Mit der Umgebung ist sie durch lockeres Verschiebegewebe verbunden. Zwischen den beiden Kapseln (Abb. 4.117) verlaufen die größeren Schilddrüsengefäße und dort liegen die Epithelkörperchen. Die feste Verbindung mit dem Anfangteil der Luftröhre und die lockere mit der Umgebung erklärt, dass die Drüse allen Bewegungen des Kehlkopfes folgt. £ Größe. Nur wenige Organe sind so großen Gewichts- und Volumenschwankungen unterworfen wie die Schilddrüse, was natürlich die Lageverhältnisse zwangsläufig beeinflussen muss.



4.17.2

Lamina Lamina praetrachealis superficialis

Platysma Glandula thyroidea M. sternohyoideus Trachea M. sternothyroideus Schilddrüsengefäße M. sternocleidomastoideus

Capsula fibrosa

M. omohyoideus (Venter inferior)

Organkapsel

V. jugularis interna Glandula parathyroidea

A. carotis communis

Truncus sympathicus

prävertebrale Muskulatur

N. vagus

Oesophagus, Nn. laryngei recurrentes

Vertebra

Abb. 117: Topografie der Schilddrüse. Schematischer Querschnitt durch den Hals

Lamina praevertebralis fasciae cervicalis

4.17 Schilddrüse, Glandula thyroidea

manchen Gegenden endemisch) verdrängen die Nachbargebilde (Gefäß-Nervenstrang), komprimieren die Luftröhre (Säbelscheidentrachea), ziehen die unteren Zungenbeinmuskeln papierdünn aus. 2. Steht dabei die Schilddrüse besonders tief, so spricht man von retrosternalem oder Tauchkropf, der entsprechend der Raum-Enge frühzeitig Kompressionsbeschwerden macht.

4.17.4

Histologie

£ Drüsenepithel. Es ist in Form von Follikeln

angeordnet. Es handelt sich um zystenförmige Gebilde, deren Lumen mit einer gelatinösen, homogenen Substanz gefüllt ist (Kolloid). Zwischen den Follikeln findet man Bindegewebe mit Gefäßen und Nerven. £ Follikelepithel. Der Funktionszustand bestimmt die Zellform. Plattes bis kubisches Epithel: Phase relativer Ruhe; hochprismatisches Epithel: hohe synthetische Aktivität.

339 £ C-Zellen. Sie sind größer als die Follikelzellen

und im Parenchym verstreut. Funktionell gehören sie zum APUD-System.

Klinik: 1. Überfunktion (Hyperthyreose) und Unterfunktion (Hypothyreose, Myxödem) führen zu einer Steigerung bzw. Senkung der Stoffwechselprozesse. Die häufigsten Ursachen einer Hyperthyreose sind der Morbus Basedow, eine Autoimmunerkrankung, oder eine funktionelle Autonomie. 2. In Folge eines intrathyroidalen Iodmangels werden lokale wachstumsregulierende Faktoren aktiviert, so dass es zu einer Hyperplasie von Schilddrüsenepithelzellen kommt: Durch eine erhöhte hypophysäre Freisetzung von TSH wird eine Hypertrophie der Schilddrüsenepithelzellen bedingt. Schilddrüsenhyperplasie und -hypertrophie führen zum Bild des Iodmangelkropfes.

N. laryngeus superior, V. jugularis externa A. laryngea superior, R. int. n. laryng. sup. N. vagus Truncus sympathicus R. externus n. laryngei superioris M. levator scapulae N. cardiacus cervicalis superior M. cricothyroideus, Ramus muscularis M. trapezius

V. jugularis internna, N. accessorius A. carotis communis Mm. sternocleidomastoideus, sternohyoideus, omohyoideus M. thyrohyoideus, A. thyroidea superior N. vagus Truncus sympathicus N. cardiacus cervicalis superior R. cardiacus superior, M. sternothyroideus A. cervicalis ascendens Ganglion cervicale medium, A. thyroidea inferior

Plexus brachialis

(A. cervicalis superficialis)

Glandula thyroidea

Plexus brachialis, Ductus thoracicus A. transversa colli

N. phrenicus, M. scalenus anterior N. suprascapularis

Clavicula, A., V. suprascapularis

Ansa thyroidea, Truncus thyrocervicalis;

M. scalenus anterior

M. subclavius

N. vagus, A. vertebralis

Plexus brachialis

Costa I

A., V. subclavia

A. thoracica interna

Ganglion cervicothoracicum Ansa subclavia

A. carotis communis Truncus brachioce- N. laryngeus recurrens dexter, phalicus, V. thyroidea inferior Plexus cardiacus

Trachea, N. laryngeus recurrens sinister, A. carotis comm.

V. brachiocephalica N. phrenicus (Varietät; s. tiefe Lage,)

Abb. 118: Topografie der Eingeweide und der tiefen Nerven und Gefäße des Halses von vorn.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

340

4.17.5

Topographie

£ Die Schilddrüse umfasst in Form eines Halbrin-

ges die Luftröhre (Abb. 4.117), wobei der Isthmus vor dem 2. bis 4. Trachealring liegt. Die spitzen oberen Pole reichen bis in den unteren Winkel des Trigonum caroticum. £ Die Seitenlappen bedecken seitlich den Schildknorpel bis zur Linea obliqua, den Ringknorpel und die 6 oberen Luftröhrenringe. £ Vorn und seitlich wird die Schilddrüse vom mittleren Blatt der Halsfaszie und den in diese eingelagerten Unterzungenbeinmuskeln, lateral vom M. sternocleidomastoideus bedeckt. Diese Wand stellt eine elastisch-muskulöse Gurtung dar, die die Schilddrüse tragen hilft. Diese Gurtung setzt einer krankhaften Vergrößerung der Drüse einen Widerstand entgegen, der sich zunächst in einem Spannungsgefühl äußert. Die Schilddrüse sucht nach hinten und unten auszuweichen. Beim Kropf können Luft- und Speiseröhre von der Seite her stark komprimiert werden. Wird die Gurtung überdehnt, so verringert sich der Druck auf die Schilddrüse und damit auch die geschilderten Kompressionsbeschwerden; der Kropf wölbt sich stärker vor.

4.17.6

Gefäße und Nerven (Abb. 4.118)

Arterien. Das blutreiche Organ wird von 4 Arterien versorgt: w Aa. thyroideae superiores (aus der A. carotis

externa) treten an den oberen Pol und breiten sich vorwiegend auf der ventralen Fläche aus. w Aa. thyroideae inferiores (aus dem Truncus thyrocervicalis). Sie steigen lateral von der A. carotis communis senkrecht aufwärts bis zum 6. Halswirbel, biegen hier scharf nach medial um, verlaufen dabei hinter der A. carotis communis und vor der A. vertebralis und erreichen den unteren Pol der Drüse. Hier gabeln sie

sich meist in 2 Äste und verzweigen sich an der Dorsalfläche. w In 10 % der Fälle tritt eine unpaare A. thyroidea ima aus dem Truncus brachiocephalicus oder dem Aortenbogen von unten her an den Isthmus heran. Schließlich senken sich noch feine Äste aus den Unterzungenbeinmuskeln und den benachbarten Kehlkopf-, Luft- und Speiseröhrengefäßen in die Drüse. w Die 4 großen Schilddrüsenarterien gehen untereinander Anastomosen ein, die durch den Isthmus verlaufen. Sie besitzen große Reservelängen, die das Auf- und Absteigen ermöglichen. Je nach dem Stand der Drüse sind die oberen oder unteren gestreckt oder S-förmig gekrümmt. Klinik: Unterbindung der 4 großen Arterien führt nur sehr selten zur Nekrose des Organs, da die Nebenäste zur Versorgung ausreichen. Venen w Vv. thyroideae superiores. Sie begleiten die

gleichnamige Arterie und münden in die V. jugularis interna. w Vv. thyroideae mediae (ohne begleitende Arterien) verlaufen lateral, überkreuzen die A. carotis communis und fließen in Ringknorpelhöhe in die V. jugularis interna ab. w Vv. thyroideae inferiores. Sie beginnen am Isthmus und den unteren Polen und bilden zumeist vor der Luftröhre ein stärkeres Geflecht, aus dem mehrere Stämme zu den Vv. brachiocephalicae, seltener zur V. jugularis interna ziehen. Lymphbahnen. Sie verlaufen zum größten Teil zu den Nll. cervicales profundi superiores und inferiores, einige ziehen vor der Luftröhre abwärts zu den Nll. tracheales. Nerven (aus N. vagus und Truncus sympathicus, eventuell auch N. glossopharyngeus) bilden auf der Organoberfläche ein reiches Netzwerk.

4.19 Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel

4.18

Beischilddrüsen (Nebenschilddrüsen), Epithelkörperchen, Glandulae parathyroideae

Lernziele: Gestalt, Lage, Feinbau, Gefäße und Nerven, Bedeutung des Organs

4.18.1

341

Embryologie

Sie sind Abkömmling der dorsalen Abschnitte der 3. und 4. Schlundtasche (s. Kap. 4.1.1.2, S. 181).

4.18.2 Funktion Die Beischilddrüsen gehören zum Inkretsystem, sie produzieren Parathormon, welches die Kalziumkonzentration im Blut steigert.

4.18.3 Gestalt und Lage Sie sind linsengroße, gelbliche Körperchen, die an der Rückfläche der Schilddrüsenlappen zwischen der dünnen Organkapsel und der kräftigeren Capsula fibrosa liegen. Zumeist findet man 2 obere (am Übergang des Pharynx in den Oeseophagus) und 2 untere (nahe den unteren Schilddrüsenpolen) in der Nähe der A. thyroidea inferior. Das eine oder andere Epithelkörperchen kann auch fehlen. Am frischen Präparat heben sie sich durch ihre gelbliche Farbe recht deutlich von der braunroten Schilddrüse ab. Häufig sind sie in die Schilddrüsensubstanz eingebettet. Sie sind dabei aber immer durch die Organkapsel vom Schilddrüsengewebe getrennt.

4.18.4

Histologie

£ Helle und dunkle Hauptzellen repräsentieren

unterschiedliche Funktionszustände ein und desselben Zelltyps. Dunkle Hauptzellen sind die aktive Form. Sie sind miteinander verzahnt und durch Desmosomen verbunden. £ Oxyphile Zellen. Kommen nur in geringer Zahl vor. Ihre Funktion ist unbekannt. £ Altersgang. Mit dem Alter werden die Parenchymzellen durch Fettzellen ersetzt. Klinik: 1. Ein Hypoparathyroidismus führt aufgrund der Verringerung der Kalziumionenkonzentration im Blut zu einer erhöhten Erregbarkeit des Nervensystems. Dabei können spastische Kontraktionen der Skelettmuskulatur (hypokalzämische Tetanie) auftreten. 2. Überproduktion von Parathormon (primärer Hyperparathyroidismus) führt über eine erhöhte Freisetzung von Kalzium aus den Knochen zu einer Zunahme des Blut-Kalziumspiegels. Dies geht einher mit einer Entkalkung der Knochen, der Entstehung von Knochenzysten (v. Recklinghausen-Krankheit) und mit Kalkablagerungen in verschiedenen Organen und in der Muskulatur.

4.18.5 Gefäße und Nerven Wie die Schilddrüse, s. Kapitel 4.17, S. 337.

4.19

Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel

4.19.1

Kopfregionen

Lernziele: Topografische Anatomie von Schädeldecke und Gesicht; Begrenzung und Inhalt der einzelnen Regionen

4.19.1.1 Topografische Anatomie der Schädeldecke Knöcherne Grundlage. Sie umfasst die Bestandteile des Neurokraniums: Os frontale, Os sphenoidale (Ala major ossis sphenoidalis), Os temporale, Os parietale und Os occipitale. Der Zusammenhalt

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

342

dieser Knochen erfolgt über die Suturae coronalis, sagittalis und lambdoidea. Als sehnenartiger Überzug stellt die Galea aponeurotica eine Verbindung zwischen dem Venter occipitalis und Venter frontalis des M. occipitofrontalis dar, welche die gleichnamigen Regionen überdecken. Seitlich strahlt der M. auricularis superior in die Galea aponeurotica ein. Auf der Galea liegt Haut, darunter subaponeurotisches Bindegewebe. Vor dem Ohr liegt die oberflächliche A. temporalis superficialis. Arterien der Kopfschwarte. Sie entstammen der A. carotis externa und interna. Wir finden zahlreiche Anastomosen. Vorn: A. supraorbitalis (A. carotis interna) Seitlich: A. temporalis superficialis (Endast der A. carotis externa) Hinten: A. occipitalis und A. auricularis posterior (A. carotis externa) Klinik: 1. Aufgrund der reichlichen Vaskularisation besitzt die Kopfschwarte gute Heilungstendenzen. 2. Da die Arterien fest im Unterhautbindegewebe verankert sind, können sie sich schwer zusammenziehen und bluten bei Verletzungen daher stark. 3. Die digitale Kompression der A. occipitalis erfolgt durch Druck hinter dem Proc. mastoideus. Venen. Sie bilden ein Netz, aus welchem das Blut in die V. jugularis interna und externa abfliesst. Durch Vv. emissariae stehen sie mit den Vv. diploicae und den Sinus durae matris in Verbindung. Die V. supraorbitalis steht über die V. ophthalmica superior mit dem Sinus cavernosus und die Vv. temporales superficiales über die V. retromandibularis mit dem Plexus pterygoideus in Verbindung. Lymphgefäße. Diese sammeln sich vor dem Ohr in den Nll. parotidei superficiales und profundi; hinter dem Ohr in den Nll. mastoidei, auf dem Ursprung des M. trapezius in den Nll. occipitales. Nerven. Sensibel wird die Kopfschwarte vom Plexus cervicalis sowie vom R. dorsalis des 2. Zervikalnerven innerviert; die motorische Innervation der Muskulatur erfolgt durch Äste des N. facialis.

4.19.1.2 Topografische Anatomie des Gesichtes Arterien. Der gewundene Verlauf der A. facialis in Höhe des vorderen Unterrandes des M. mas-

seter um das Corpus mandibulae beim Übergang auf das Gesicht dient als Pulsmessstelle (Abb. 4.36). Sie geht im weiteren Verlauf am Mundwinkel vorbei und anastomosiert als A. angularis im Nasen-Augenwinkel mit der A. dorsalis nasi der A. ophthalmica. Die Arterie entlässt viele kleine Äste und unterhält Anastomosen mit den Gefäßen der Gegenseite und der A. transversa facei (A. temporalis superficialis). Weitere arterielle Zuflüsse kommen aus w der A. ophthalmica (A. carotis interna) für Stirn,

Augenlider und Außenseite der Nase

w der A. infraorbitalis (A. maxillaris) für die Haut

der Wange und das untere Augenlid

w der A. mentalis (A. maxillaris) für die Kinnge-

gend

w der A. temporalis superficialis (A. carotis

externa), die vor dem Ohr aufsteigt.

Venen. Die V. facialis verläuft hinter der A. facialis vom medialen Augenwinkel zum Trigonum submandibulare und mündet hier in die V. jugularis interna. Eine wichtige Anastomose besteht zwischen der V. facialis und der V. ophthalmica superior (→ Sinus cavernosus, s. Kap. 5.3.4.4, S. 454). Lymphgefäße. Die wichtigsten tastbaren Lymphknoten des Gesichtes im Falle einer Infektion sind die Nll. submandibulares (unterhalb und seitlich der Mandibula) zur Entsorgung des Gesichts, die Nll. parotidei superficiales (vor dem äußeren Gehörgang) zur Entsorgung von Wange, Parotis und Augenlidern. Eine weitere Entsorgung der Regio faciei erfolgt durch die Nll. buccales. Nerven. Die sensible Innervation erfolgt durch Äste des N. trigeminus und des Plexus cervicalis (Abb. 4.70). Am Gesicht spielen die Anästhesien der Trigeminusäste eine entscheidende Rolle, welche zumeist an den Austrittstellen des Gesichtsschädels durchgeführt werden. Dabei kann der N. supraorbitalis in der Mitte des Orbitaoberrandes, der N. infraorbitalis ca. 1 cm unter der Mitte des Orbitaunterrandes und der N. mentalis zwischen dem 1. und 2. Prämolar in der Mitte des Unterkieferastes subkutan anästhesiert werden. Die motorische Innervation der mimischen Muskulatur erfolgt durch den N. facialis.

4.19 Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel

4.19.2 Halsregionen 4.19.2.1 Relief und Einteilung in Regionen Bei geradeaus gerichtetem Blick und leicht erhobenem Kinn verlaufen die flachen Wülste der Mm. sternocleidomastoidei vom BrustbeinSchlüsselbeingelenk kranial- und dorsalwärts bis hinter das Ohr und fassen zwischen sich ein Dreieck, dessen Spitze gegen das Brustbein und dessen Basis gegen den Unterrand des Unterkiefers weist. Wir bezeichnen dieses dreieckige Feld als vordere Halsgegend, Regio colli anterior. Der hintere Rand des M. sternocleidomastoideus, der obere Rand des Schlüsselbeins und der vordere Rand des M. trapezius begrenzen die seitliche Halsgegend, die Regio colli lateralis. Unten ist ihre Begrenzung recht deutlich, nach oben verwischt sie sich. Das zwischen Regio colli anterior und Regio colli lateralis gelegene, schmale, vom M. sternocleidomastoideus eingenommene Feld bezeichnen wir als Regio sternocleidomastoidea. Haut des Halses. Sie ist dünn, gut verschieblich, lässt sich leicht in Längsfalten abheben und gut für plastische Operationen verwenden. Kontraktion des Platysma erzeugt senkrechte, zur Brust hin divergierende Hautfalten. Bei mageren älteren Menschen beobachten wir schon in der Ruhestellung konstante Längsfalten der Haut, wobei die durch die vorderen Ränder des Platysma erzeugten besonders typisch sind. Hautvenen. Wird bei körperlichen Anstrengungen (Laufen, Heben, Ringen, Schreien, Singen usw.) der Rückfluss des Blutes zeitweise erschwert, so schwellen die Hautvenen des Halses und Kopfes an. Am deutlichsten erscheint dann die V. jugularis externa, die zunächst am vorderen Rande des M. sternocleidomastoideus verläuft, ihn in der Mitte schräg abwärts ziehend überkreuzt und in die seitliche Halsgegend gelangt (Abb. 4.69).

4.19.2.2 Regio colli anterior Sie enthält median den Eingeweideschlauch, seitlich davon den Gefäß-Nervenstrang und unterhalb des Unterkiefers die Glandula submandibularis.

343

Entsprechend den in der Tiefe gelegenen Gebilden unterteilen wir diese in 2 Regionen. 1. Trigonum submandibulare (Abb. 4.119). Begrenzung. Unterkieferrand, Venter anterior des M. digastricus und dessen Venter posterior mit dem M. stylohyoideus (Abb. 4.53). Der Boden wird vom M. mylohyoideus, M. hyoglossus und hinten vom M. styloglossus und stylopharyngeus gebildet. Inhalt. Es enthält die Unterkieferdrüse, Glandula submandibularis, und Leitungsbahnen für Zunge, Gaumen, Gaumenmandeln und Gesicht. Der Bindegewebsraum wird vom oberflächlichen Blatt der Halsfaszie gebildet. Ihre tiefe dünne Lamelle bedeckt den Boden. Ihre stärkere oberflächliche Lamelle setzt am Kieferrand an. Sie wird beim Kauen, Schlucken, Heben des Kopfes und Senken des Zungenbeins gespannt. Klinik: 1. Bei der Tastuntersuchung entspannt man die Faszie durch Neigen des Kopfes nach vorne. Gleichzeitiges Abtasten von der Regio sublingualis und der Mundhöhle aus erleichtert die Untersuchung (Fremdkörper, Speichelsteine usw.). 2. Eine besonders derbe Bindegewebsplatte dichtet den Bindegewebsraum nach hinten gegen die Parotisloge ab. Dieser Tractus angularis verankert die oberflächliche Lamina der Halsfaszie am Kieferwinkel. Entlang den Gefäß- und Nervenstraßen hat der einheitliche Bindegewebs- und Erkrankungsraum wichtige Verbindungen zur Regio sublingualis (Mundbodenphlegmone), zur tiefen Gesichtsgegend, zur oberflächlichen Gesichtsgegend, zum Trigonum caroticum. 3. Bei der operativen Unterbindung der A. facialis am Unterkieferrand ist der Ramus marginalis mandibulae möglichst zu schonen. Da er zum Mundwinkel und zur Unterlippe ziehende Muskeln versorgt, ergibt seine Durchtrennung einen Hochstand des Mundwinkels. Nach der Durchtrennung des Platysma finden wir neben kleinen Gefäßen auf der Faszie den Ramus marginalis mandibulae und den Ramus colli n. facialis, der mit dem sensiblen Ramus superior des N. transversus colli zumeist eine Verbindung eingeht (früher Ansa cervicalis superficialis). Unter der Faszie verläuft am oberflächlichsten die V. facialis. Sie betritt am Unterkieferrand, hinter der A. facialis, das Dreieck, nimmt dann von dorsal

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

344 N. lingualis, Ganglion submandibulare

A., V. facialis, M. masseter

Ramus marginalis mandibulae n. facialis, M. depressor anguli oris

A. palatina ascendens, M. styloglossus Glandula parotidea (Rest) A. submentalis M. stylohyoideus

N. mylohyoideus

M. digastricus (Venter posterior)

M. mylohyoideus

N. glossopharyngeus, M. stylopharyngeus

Glandula et Ductus submandibularis N. hypoglossus, V. comitans n. XII

A. carotis interna, N. hypoglossus

M. stylohyoideus (Rest) et os hyoideum

M. sternocleidomastoideus

M. hyoglossus, A. lingualis

A. carotis externa, V. facialis

Ramus et m. thyrohyoideus

V. jugularis interna

A., N. laryng. superior (R. internus)

Radix superior ansae cervicalis A. carotis communis

R. externus n. laryngei superioris A. thyroidea superior

M omohyoideus (Venter superior)

M sternohyoideus

Abb. 4.119: Trigonum submandibulare (tief) und Trigonum caroticum. Glandula parotidea und Glandula submandibularis sind größtenteils entfernt. Die Mm. digastricus und stylohyoideus wurden teilweise reseziert, um den Verlauf der Gefäße und Nerven besser darzustellen

die V. retromandibularis auf und strebt über die Außenfläche des Venter posterior des M. digastricus (in seltenen Fällen von ihm verdeckt) der V. jugularis interna zu. Entlang dem Kieferrand finden wir 3–6 Nll. submandibulares. Sie nehmen die Lymphe von der Zunge, der Mundhöhle, dem Zahnfleisch des Unterkiefers, den Lippen und der äußeren Nase auf (Abb. 4.79). In der Hälfte der Fälle findet man auch noch in der Unterkieferdrüse vereinzelte Lymphknoten. Glandula submandibularis. Sie liegt in einer bindegewebigen Loge, die sich am Hinterrand des M. mylohyoideus gegen die Regio sublingualis öffnet. Hier gelangt die Drüse mit einem schmalen Fortsatz und ihrem Ausführungsgang, Ductus submandibularis, hakenförmig um den Hinterrand des M. mylohyoideus auf die orale Fläche des Muskels. Der Ausführungsgang zieht neben der Zunge, unterhalb der Glandula sublingualis, nach vorn und medial, um unter der Zungenspitze, neben dem zarten Zungenbändchen, Frenulum linguae, auf der Caruncula sublingualis auszumünden (Abb. 4.81).

Arterien. Die A. facialis betritt, verdeckt vom Venter posterior des M. digastricus, das Dreieck, windet sich mit mehreren starken Biegungen unter oder durch die Drüse (gibt hier an sie Äste ab) und gelangt am vorderen Rande des M. masseter über den Unterkieferrand ins Gesicht. Vorher gibt sie noch die kleine A. palatina ascendens zwischen M. styloglossus und M stylopharyngeus zur Gaumenmandel und zum weichen Gaumen sowie die stärkere A. submentalis auf die Unterfläche des M. mylohoideus ab. Die letztere verläuft neben dem N. mylohyoideus zum Kinn. Durch den Muskel hindurch steht sie mit der A. sublingualis in Verbindung. Klinik: 1. Bei besonders starken Windungen nähert sich die A. facialis der Außenfläche der Gaumenmandel. Starke arterielle Blutungen bei Tonsillektomie sind wohl auf Verletzungen dieses Gefäßes zurückzuführen. 2. Die starke Schlängelung der A. facialis ist zur Anpassung an die Bewegungen des Kopfes und des Unterkiefers erforderlich.

4.19 Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel

Die A. lingualis durchzieht ungefähr in gleicher Richtung wie die A. facialis, aber weiter ventral, das Dreieck. Um an die Arterie zu gelangen, müssen wir die Drüse unterkieferwärts verlagern. Nach Wegnahme der Drüse ist der Grund des Dreiecks, der senkrecht aufsteigende M. hyoglossus und der von hinten oben nach vorn und unten verlaufende M. mylohyoideus, gut zu übersehen. Nerven. Auf dem Grunde des Dreiecks finden wir die tiefen Nerven. Der N. hypoglossus betritt, verdeckt vom Venter posterior des M. digastricus, das Dreieck, um nach kurzem Verlauf oberhalb des M. mylohyoideus zu verschwinden. Der dünne N. mylohoideus zweigt sich am Foramen mandibulae vom N. alveolaris inferior ab, verläuft an der Innenfläche des Unterkiefers im Sulcus mylohyoideus, gelangt neben die A. submentalis und zerfällt hier in seine Äste für den M. mylohyoideus und den Venter anterior des M. digastricus. Der N. lingualis ragt nur mit einem kurzen, nach unten konvexen Bogen in das Unterkieferdreieck, um dann mit dem Ductus submandibularis in die Unterzungengegend einzutreten. In ihr unterkreuzt er den Gang, um die vorderen zwei Drittel der Zungenschleimhaut mit sensiblen und Geschmacksfasern zu versorgen. Vorher schickt er noch 2–3 Rami communicantes zum parasympathischen Ganglion submandibulare. Die sympathischen Fasern erreichen die Drüse über das sympathische Geflecht der A. facialis. Die parasympathischen Fasern gelangen über die Chorda tympani in den N. lingualis. Sie schalten im Ganglion um. Vom Ganglion submandibulare ziehen 1. mehrere Rami glandulares zur Glandula submandibularis, 2. rückläufige Äste zum N. lingualis, um in ihm zu den Zungendrüsen zu gelangen. Im hinteren, oberen Winkel des Dreiecks suchen wir den N. glossopharyngeus auf. Beim Vordringen in die Tiefe, gegen den Pharynx hin, ist er nicht zu verfehlen, wenn man sich an seinen Leitmuskel, den M. stylopharyngeus, hält. Der Nerv zieht an der lateralen Fläche des Muskels abwärts, überkreuzt ihn ventral und gelangt zwischen M. stylopharyngeus und M. styloglossus zur Schleimhaut des hinteren Drittels der Zunge. Vorher gibt er noch einen feinen Ast zum M. stylopharyngeus ab. 2. Trigonum caroticum (Abb. 4.119) Begrenzung. Es wird begrenzt oben vom Venter posterior m. digastrici, lateral vom vorderen Rande

345

des M. sternocleidomastoideus, medial vom Venter superior des M. omohyoideus (Abb. 4.53). Inhalt. Es stellt sich am Lebenden nur als eine seichte Grube dar, in der man die Pulsation der A. carotis communis fühlen, evtl. sehen kann. Unter dem Platysma und auf der Faszie trifft man die Verbindung zwischen N. transversus colli und R. colli n. facialis an. Nach der Durchtrennung der oberflächlichen Lamina der Halsfaszie treten (Abb. 4.53) die begrenzenden Muskeln (M. sternocleidomastoideus, Venter posterior des M. digastricus mit dem M. stylohoideus und der Venter superior des M. omohyoideus) deutlich zutage. Vor dem GefäßNervenstrang des Halses verlaufen die Vv. facialis, lingualis, thyroidea superior. Sie vereinigen sich in variabler Weise und münden in die V. jugularis interna. Der Gefäß-Nervenstrang betritt das Dreieck im unteren Winkel, am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus. Hier liegt die V. jugularis interna lateral und vor der A. carotis communis. Im weiteren Verlaufe gelangt die Vene an die dorsolaterale Seite der Arterie. Die Lage zum M. sternocleidomastoideus ändert sich mit der Kopfhaltung. Dorsal grenzt der Gefäß-Nervenstrang an das tiefe Blatt der Halsfaszie, die prävertebralen Muskeln und die Querfortsätze der Halswirbel, medial an den Pharynx. Eine derbe bindegewebige Scheide ermöglicht die Übertragung des Pulsdruckes der Arterie auf die dünnwandige Vene. Da diese Scheide nur an der mittleren Lamina der Halsfaszie verankert ist, ist der Strang gut verschieblich. Der Gefäß-Nervenstrang enthält: 1. medial, zwischen Arterie und Vene, den N. vagus, 2. medial, an der Arterie, den dünnen Ramus cardiacus n. vagi, 3. lateral, auf der Arterie, die Radix superior (R. descendens n. hypoglossi), 4. hinter der Vene oder zwischen Arterie und Vene, die Radix inferior (N. cervicalis descendens). Radix superior und inferior vereinigen sich vor den Gefäßen zur Ansa cervicalis (n. hypoglossi), die mit ihren Ästen die Unterzungenbeinmuskeln mit Ausnahme des M. thyrohyoideus versorgt. Der N. hypoglossus betritt unterhalb des Venter posterior des M. digastricus, zwischen V. jugularis interna und A. carotis interna das Dreieck, überkreuzt in nach unten konvexem Bogen die A.

346

carotis interna, die A. carotis externa sowie ihre Äste und verläuft mit der V. comitans n. hypoglossi auf der Außenfläche des M. hyoglossus zur Zungenmuskulatur. In seinem Verlauf gibt er außer der Radix superior noch den kleinen R. thyrohyoideus ab. Teilungsstelle der A. carotis communis. Sie liegt in verschiedener Höhe, oft am Oberrand des 4. Halswirbels. Die Lagebeziehung zum oberen Schildknorpelrand ist nicht konstant, weil der Kehlkopf während der Jugend einen Descensus erfährt. Die A. carotis communis ist beim Erwachsenen vor ihrer Teilung zum Sinus caroticus erweitert. Diese Ausweitung kann sich auch auf die A. carotis interna, seltener auf die A. carotis externa fortsetzen. Im Teilungswinkel (Abb. 4.52) liegt das reiskorngroße Glomus caroticum. Die Lage der A. carotis externa zur A. carotis interna ist für den Chirurgen von besonderem Interesse. In etwa 50 % steigt die A. carotis externa zunächst vor und medial von der A. carotis interna senkrecht aufwärts, wendet sich dann, vom M. digastricus verdeckt, schräg nach oben und außen zur Regio retromandibularis. Die A. carotis interna zieht mit der V. jugularis interna und dem N. vagus leicht S-förmig gekrümmt aufwärts zur Schädelbasis. Klinik: 1. Die A. carotis interna kann unterhalb der Schädelbasis eine Schlinge bilden (Tortuositas), die die Pharynxwand vorbuchten kann (Achtung bei Operationen im Pharynxbereich!). Da die Lage der Aa. carotides zueinander sehr variiert – nach A. Faller verläuft die A. carotis interna in 21 % dorsal, in 18 % dorsomedial, in 5 % medial und in 9 % ventromedial von der A. carotis externa –, beachte man bei der operativen Unterbindung, dass die A. carotis interna in der Regel astlos ist, die A. carotis externa dagegen dicht nebeneinander eine Reihe von Ästen abgibt. Man lege deshalb einige Äste (Aa. thyroidea superior, lingualis, facialis) frei, um die A. carotis externa einwandfrei zu bestimmen. 2. Bei der Karotisunterbindung sind nach dem Spalten der bindegewebigen Scheide die dünnwandige V. jugularis interna und die Nerven des Gefäß-Nervenstranges vorsichtig zu isolieren und zu schonen.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

Die zumeist starke A. thyroidea superior entspringt aus der A. carotis externa, selten aus der A. carotis communis. Sie wendet sich im Bogen abwärts zum oberen Pol und zur Vorderfläche der Schilddrüse. In ihrem Verlauf gibt sie oft die kleine A. laryngea superior ab, die mit dem R. internus des N. laryngeus superior durch die Membrana thyrohyoidea in das Innere des Kehlkopfes zieht. Unmittelbar kranial vom sicht- und tastbaren großen Zungenbeinhorn geht aus der A. carotis externa die kräftige A. lingualis nach ventral ab, verschwindet aber bald unter dem M. hyoglossus. Sie wird am Hinterrand dieses Muskels im Trigonum submandibulare unterbunden. In diesem Falle drängt man die Fasern des M. hyoglossus auseinander, nachdem man vorher die Glandula submandibularis nach oben und den Venter posterior m. digastrici nach unten gezogen hat. Die A. facialis entspringt häufig mit der A. lingualis aus einem gemeinsamen Stamm, Truncus linguofacialis, meist aber weiter kranial. Sie wendet sich ebenfalls ventralwärts, verschwindet bald unter dem Venter posterior m. digastrici in die Tiefe des Trigonum submandibulare. Drängen wir die V. jugularis interna und die A. carotis communis auseinander, so finden wir in der Tiefe zwischen ihnen den N. vagus. Der N. laryngeus superior, ein weiter kranial abgehender Ast des N. vagus, schickt seinen zarten R. externus mit der A. thyroidea superior abwärts zum M. cricothyroideus und M. constrictor pharyngis inferior und durchbohrt mit seinem R. internus (zusammen mit der A. laryngea superior) die Membrana thyrohyoidea, um die Schleimhaut des Kehlkopfes bis zur Stimmritze zu versorgen. Verdeckt vom Gefäß-Nervenstrang finden wir in der Tiefe noch den Grenzstrang des Sympathicus. Dünner als der N. vagus, liegt er etwas weiter medial in der tiefen Lamina der Halsfaszie. Außerdem ist er an seinem länglichen, platten Ganglion cervicale superius zu erkennen. Schließlich suchen wir im oberen spitzen Winkel des Dreiecks, hinter der V. jugularis interna, noch den N. accessorius auf (Abb. 4.53). Die kleineren Venen des Dreiecks verlaufen sehr variabel. 1–2 Vv. thyroideae superiores ziehen quer über die A. carotis communis zur V. jugularis interna. Oberflächlich, am Rande des M. sternocleidomastoideus, treffen wir die V. jugularis externa an. Über die Arterien hinweg verläuft noch die V. facialis, die zumeist die V. lingualis aufnimmt, zur V. jugularis interna.

4.19 Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel

Zahlreiche Lymphknoten, Nll. cervicales profundi, begleiten das Gefäß-Nervenbündel. 3. Regio colli mediana. Sie wird oben vom Unterkiefer, unten vom Oberrande des Brustbeins, seitlich von Senkrechten, die vom Sternoklavikulargelenk zum Unterkiefer gezogen werden, begrenzt. Sie enthält den Halsteil des Luft- und Speiseweges, die Schilddrüse und die Epithelkörperchen. Die Organe liegen in einem Gleitraum, dem Spatium viscerale colli, der vorn von den Unterzungenbeinmuskeln und dem mittleren Blatt der Halsfaszie, seitlich vom Gefäß-Nervenstrang, hinten vom tiefen Blatt der Halsfaszie begrenzt wird. In diesem Gleitraum können die Halseingeweide als einheitlicher Gleitkörper beim Schlucken, Sprechen und Singen auf- und abwärtsgleiten. Wir unterteilen die mittlere Halsgegend in 6 Regionen. •

Regio submentalis

In der Unterkinngegend, die vom Unterkiefer bis zum Zungenbein reicht, finden wir zwischen den Vorderbäuchen des rechten und linken M. digastricus auf dem M. mylohyoideus einige kleine Lymphknoten. Diese Nll. submentales nehmen die Lymphe von den Schneidezähnen und dem Zahnfleisch, der Unterlippe, der Haut des Kinnes und der Zungenspitze auf und fließen in die Nll. submandibulares ab (Erkrankung bei Karzinom der Unterlippe, Schwellung bei Herpes labialis usw.!). In der Mittellinie erkennen wir die vom Zungenbein zur Spina mentalis ziehende Raphe m. mylohyoidei. •

Regio hyoidea

Sie entspricht der Ausdehnung des Zungenbeins, welches sich bei Ruhestellung des Kehlkopfes und normaler Kopfhaltung vor dem 4. Halswirbelkörper befindet. Körper und großes Horn lassen sich beim Lebenden gut abtasten. •

Regio subhyoidea

Sie liegt zwischen Zungenbein und Oberrand des Schildknorpels und entspricht der Ausdehnung der Membrana thyrohyoidea, die von der A. laryngea superior und dem R. internus des N. laryngeus superior durchbohrt wird. Zwischen Zungenbein-

347

körper und Ansatz der Unterzungenbeinmuskeln findet sich die Bursa subhyoidea. •

Regio laryngea

Sie entspricht der Ausdehnung des Kehlkopfes und liegt in Ruhestellung vor dem 5. und 6. Halswirbelkörper. Im Alter reicht sie etwas mehr nach unten, bei Kindern liegt sie höher. •

Regio thyroidea

Sie entspricht der Ausdehnung der Schilddrüse. •

Regio trachealis

Entspricht der Ausdehnung der Trachea. In der Regio colli mediana ist außer der Drosselgrube besonders der vorspringende Schildknorpel leicht zu erkennen, sein Aufwärtsrücken beim Schlucken, Sprechen und Singen gut zu beobachten (Abb. 4.118). Beim Mann springt er kielartig vor und wird „Adamsapfel“ genannt. Das Zungenbein liegt etwa 3 Querfinger unterhalb des Kinnvorsprunges, an der Stelle, wo sich die Unterkinngegend in einem Winkel gegen den übrigen Hals absetzt. Sein Körper und die beiden großen Hörner lassen sich gut zwischen Daumen und Zeigefinger abtasten. Unterhalb des Schildknorpels lässt sich der Ringknorpel tasten. Nach kaudal folgt die Luftröhre, vor deren kranialen Knorpelringen der Isthmus der Schilddrüse liegt. Die Seitenlappen der Drüse sind durch die untere Zungenbeinmuskulatur verdeckt. Bei normaler Größe sind sie nicht zu erkennen. Doch schon leichte Vergrößerungen der Drüse wölben die Gegend vor (Blähhals, Kropf). Da die Drüse an Luftröhre und Kehlkopf fest angeheftet ist, nimmt sie an allen Bewegungen derselben teil. Klinik: Nottracheotomie. Zwischen Unterrand des Schildknorpels und Oberrand des Ringknorpels tastet man in der Medianebene eine seichte Grube. In der Tiefe verbindet hier das Lig. cricothyroideum die beiden Knorpel. Bei Erstickungsgefahr kann dieses Band quer durchtrennt werden (Koniotomie).

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

348

M. sternocleidomastoideus

A., V. occipitalis

V. jugularis externa

N. occipitalis major

N. auricularis magnus

N. occipitalis minor

N. transversus [cutaneus] colli

M. splenius capitis

Nn. supraclaviculares (abgeschnitten)

M. trapezius

N. phrenicus, A. cervicalis ascendens

M. levator scapulae

A. transversa colli (R. superficialis)

N. accessorius

Plexus brachialis

N. dorsalis scapulae

M. omohyoideus (abgeschnitten) (Venter inferior), M. scalenus anterior

R. muscularis [trapezius] N. thoracicus longus, M. scalenus medius

Nn. supraclaviculares laterales

M. scalenus posterior, A. transN., A., V. versa colli (R. profundus) suprascapularis

A., V. subclavia

Nn. supraclaviculares mediales

Abb. 4.120: Regio colli lateralis. Die Lamina superficialis der Halsfaszie, ein Teil der Clavicula und die Nn. supraclaviculares sind entfernt

4.19.2.3 Regio colli lateralis Die Regio colli lateralis besteht aus dem Trigonum omoclaviculare und dem Spatium scalenovertebrale. Begrenzung. Von der Clavicula, vom Hinterrand des M. sternocleidomatoideus und vom Vorderrand des M. trapezius (Abb. 4.120). Unter der Haut tref-

fen wir den kaudalen Teil das Platysma. Unter dem Platysma verlaufen die Hautnerven und -venen. Nach Wegnahme der Lamina superfacialis fasciae cervicalis erscheinen als Boden des Dreiecks der M. splenius capitis, der M. levator scapulae und die Mm. scaleni. Die Haut sinkt oberhalb der Clavicula individuell verschieden tief zur Fossa supraclavicularis major

4.19 Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel

ein (Abb. 4.46). In ihr kann man bei mageren Menschen, besonders wenn man den Kopf zur Gegenseite neigt, den unteren Bauch des M. omohyoideus als schräg nach medial aufsteigenden, schmalen Wulst erkennen. In dieser Stellung lassen sich in der Grube auch die Nerven des Plexus brachialis als derbe, von oben medial nach unten lateral verlaufende Stränge durchtasten. Schiebt man in der medialen, unteren Ecke der Grube den Finger in die Tiefe, so fühlt man deutlich den Puls der A. subclavia. Auf dem M. levator scapulae zieht der N. accessorius abwärts zum M. trapezius. Er wird meist vom gleich verlaufenden kleineren R. muscularis (aus dem Plexus cervicalis) begleitet. In der Rinne zwischen M. levator scapulae und M. scalenus medius zieht der N. dorsalis scapulae (aus dem Plexus brachialis) abwärts zum M. levator scapulae und M. rhomboideus. Der N. thoracicus longus verläuft oft auf dem M. scalenus medius, häufig vom übrigen Plexus brachialis verdeckt. Der N. suprascapularis zieht zum Oberrand des Scapula. 1. Trigonum omoclaviculare Begrenzung. Der untere Bauch des M. omohyoideus begrenzt mit der Clavicula und mit dem Hinterrand des M. sternocleidomastoideus eine kleine Teilregion, das Trigonum omoclaviculare. Inhalt. Unter der Lamina superficialis der Halsfaszie liegt zunächst eine stärkere Fettgewebsschicht, in der zahlreiche Lymphknoten eingebettet sind. Nach der Entfernung des Fettes erscheint die hier derbe Lamina praetrachealis der Halsfaszie. Tiefer, auf den Mm. scaleni, liegt schließlich die Lamina praevertebralis der Halsfaszie. Nach der Durchtrennung der Faszie finden wir zwischen M. scalenus anterior und medius (hintere Skalenuslücke) die starken Stämme des Plexus brachialis und ventrokaudal von ihnen die A. subclavia. Das begleitende Bindegewebe geht von der Lamina praevertebralis aus. In der vorderen Skalenuslücke (zwischen M. scalenus anterior, M. sternocleidomastoideus und Clavicula) verläuft die starke V. subclavia, die am dorsalen Rande des M. sternocleidomastoideus die V. jugularis externa aufnimmt. Das Bindegewebe der Lücke steht mit dem mittleren und tiefen Blatt der Halsfaszie in Verbindung. Die kleineren Arterien des seitlichen Halsdreiecks zeigen eine große Variabilität und ersetzen sich vielfach gegenseitig. Der R. superficialis

349

a. transversae colli (als Variation: A. cervicalis superficialis) und die A. suprascapularis kommen aus dem Truncus thyrocervicalis, verlaufen ventral vom M. scalenus anterior. Die A. suprascapularis verschwindet bald hinter der Clavicula, ist nur bei stark herabgezogener Schulter weiter zu verfolgen und gelangt mit dem N. suprascapularis zum Margo superior scapulae, wo sie in der Regel oberhalb des Lig. transversum scapulae (der Nerv unterhalb) zu den Mm. supraspinatus und infraspinatus gelangt. Der R. superficialis der A. transversa colli zieht, zumeist etwas ansteigend, oberflächlich durch die seitliche Halsgegend. Der R. profundus dieser Arterie entspringt oft direkt im Bereich der hinteren Skalenuslücke aus der A. subclavia, durchbohrt meist den Plexus brachialis und teilt sich in einen am Hals aufsteigenden und einen am Margo medialis scapulae absteigenden Ast. Über Plexusanästhesie nach Kuhlenkampff und Interskalenusblock s. Kap. 9.1.3.4.1, S. 729. 2. Spatium scalenovertebrale Begrenzung. Es ist ein schmaler, dreieckiger Raum, der lateral von dem M. scalenus anterior und medial von den Körpern der unteren Hals- und oberen Brustwirbel, dem Oesophagus und der Trachea begrenzt wird. Dorsal reicht es bis zur Lamina praevertebralis der Halsfaszie. Ventral ist er von der A. carotis communis, der V. jugularis interna, den unteren Zungenbeinmuskeln und dem M. sternocleidomastoideus bedeckt. Inhalt. In ihm finden wir den Anfangsteil der A. und V. subclavia, den Truncus thyrocervicalis, die A. vertebralis, die A. thoracica interna, den Truncus costocervicalis, den N. vagus, den N. laryngeus recurrens und den Truncus sympathicus. Links gelangt zwischen A. carotis communis und A. subclavia der Ductus thoracicus in die Region und wendet sich dann im Bogen über die A. vertebralis und A. thyroidea inferior, um im Venenwinkel in die venöse Blutbahn zu münden (s. Kap. 10.7.6.2, S. 896). Die A. subclavia (s. Kap. 10.7.2.1.1, S. 877) liegt rechts oberflächlicher, entspringt aus dem Truncus brachiocephalicus und steigt in einem flachen Bogen aufwärts. Die linke Arterie entspringt weiter dorsal, direkt aus dem Aortenbogen. Sie liegt deshalb tiefer und steigt steil bis zur Skalenuslücke kranialwärts. Der N. vagus liegt rechts ventral von der A. subclavia, um die er den N. laryngeus

350

recurrens dorsomedianwärts zur Rinne zwischen Oesophagus und Trachea schickt; links hält er sich an die ventral liegende A. carotis communis, mit der er zum Arcus aortae gelangt. Der Truncus sympathicus umfasst mit einem starken dorsalen und einem schwachen ventralen Stamm die A. subclavia (Ansa subclavia). Die A. vertebralis entspringt als erster Ast an der Konvexität der A. subclavia und steigt zum Foramen transversarium des 6. Halswirbels auf. Sie wird von der A. thyroidea inferior überkreuzt und von der starken gleichnamigen Vene begleitet. Links wird sie noch vom Ductus thoracicus überkreuzt. Klinik: 1. Dysphagia lusoria. Selten entspringt die A. subclavia dextra direkt aus der Aorta. Sie verläuft dann hinter der Speiseröhre nach rechts, engt diese von dorsal ein und verursacht Schlingbeschwerden (Dysphagie). 2. Wegen ihrer tiefen Lage ist die A. vertebralis in ihrem Anfangsteil schwer zu unterbinden. Leichter kann sie in ihrem weiteren Verlauf (zwischen den Foramina transversaria, vom lateralen Rande des Kopfnickers aus oder zwischen Atlas und Hinterhauptsbein) freigelegt werden. Sie ist stets doppelt zu unterbinden (Kollateralkreislauf durch den Circulus arteriosus cerebri, s. Kap. 5.3.4.1, S. 443). Der Truncus thyrocervicalis entspringt am medialen Rand des M. scalenus anterior aus der A. subclavia und zerfällt bald in seine Äste: A. cervicalis ascendens, A. transversa colli, A. suprascapularis, A. thyroidea inferior. Die letztere steigt lateral von der A. vertebralis bis zum Proccessus transversus des 6. Halswirbels kranialwärts, biegt hier nahezu rechtwinklig nach medial um, überkreuzt die A. vertebralis, unterkreuzt die A. carotis communis und erreicht den unteren Schilddrüsenpol. Der Truncus sympathicus kann dorsal oder ventral an ihr vorbeiziehen oder eine Schlinge (Ansa thyroidea) um sie bilden. Der N. laryngeus recurrens kann dorsal (65 %), ventral (26 %) oder zwischen ihren Ästen (9 %) verlaufen. Diese Variationen müssen bei Unterbindungen der A. thyroidea inferior beachtet werden. Die A. thoracica interna (s. Kap. 10.7.2.1.2, S. 881) entspringt gegenüber dem Truncus thyrocervicalis an der Konkavität der A. subclavia. Sie zieht neben dem N. phrenicus über die Pleurakuppel medianund abwärts und steigt fingerbreit neben dem

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

Sternum an der inneren Brustwand abwärts. Etwas lateral von der A. thoracica interna entspringt der kleine Truncus costocervicalis (A. cervicalis profunda zur Nackengegend und A. intercostalis suprema für den 1. und 2. Zwischenrippenraum). Links ist noch besonders auf den Ductus thoracicus zu achten (s. Kap. 10.7.6, S. 896). Nachdem er im Brustraum vor dem 4. Brustwirbel die Speiseröhre dorsal gekreuzt hat, steigt er zunächst links von ihr aufwärts, um am Hals in nach oben konvexem Bogen zum linken Venenwinkel zu gelangen, wo er meist in die V. subclavia einmündet. Er verläuft am Hals dorsal vom Gefäß-Nervenbündel und ventral von den Ästen der A. subclavia, vom Sympathicus und N. phrenicus. Er hat hier die Stärke eines Gänsefederkieles. Vielfach spaltet er sich in mehrere Gänge, was das Aufsuchen sehr erschwert.

4.19.2.4 Regio sternocleidomastoidea Begrenzung. Sie entspricht der Ausdehnung des M. sternocleidomastoideus, reicht vom Warzenfortsatz bis zum Manubrium sterni sowie zum sternalen Teil der Clavicula und trennt die Regio colli anterior von der Regio colli lateralis. Inhalt. In den unteren Zweidritteln wird der Muskel vom Platysma bedeckt. Unter dem Platysma verlaufen auf der oberflächlichen Lamina der Halsfaszie die V. jugularis externa, der N. transversus colli und der N. auricularis magnus. Die Lamina superficialis der Halsfaszie umscheidet den M. sternocleidomastoideus und liefert für ihn eine Führungsröhre. Zwischen dem sternalen und klavikulären Kopf des Muskels finden wir meist eine in der Größe variable Lücke, die sich am Lebenden als Fossa supraclavicularis minor abzeichnet. Der M. sternocleidomastoideus bedeckt in den unteren Zweidritteln das gesamte Gefäß-Nervenbündel (A. carotis communis, V. jugularis interna, N. vagus), den M. scalenus anterior, den N. phrenicus, die Äste des Truncus thyrocervicalis und das Spatium scalenovertebrale (s. o.). Im oberen Drittel, wo die A. carotis communis bereits in das Trigonum caroticum eingetreten ist, bedeckt der Muskel die Äste des Plexus cervicalis, den N. accessorius und zum Teil die V. jugularis interna. Gefäß-Nervenstrang des Halses. Die A. carotis communis dextra entspringt hinter dem Sternokla-

4.19 Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel

vikulargelenk aus dem Truncus brachiocephalicus. In ihrem kaudalen Drittel ist sie von den unteren Zungenbeinmuskeln und vom sternalen Kopf des Kopfwenders bedeckt. Sie liegt hier oberflächlicher als die A. carotis communis sinistra, die weiter dorsal, direkt aus dem Aortenbogen entspringt. Im mittleren Drittel grenzen beide Karotiden an die Schilddrüse und werden teilweise von ihr bedeckt. Im oberen Drittel treten sie in das Trigonum caroticum ein. Dorsolateral wird die A. carotis communis von der V. jugularis interna begleitet, die sich hinter dem Sternoklavikulargelenk mit der vor dem M. scalenus anterior verlaufenden V. subclavia zur V. brachiocephalica vereinigt. Der N. vagus verläuft tief in der Rinne zwischen V. jugularis interna und A. carotis communis, gibt in seinem Verlaufe Rr. cardiaci ab und betritt zwischen A. und V. subclavia den Brustraum. Vorher gibt der rechte N. vagus noch um die A. subclavia den N. laryngeus recurrens dexter ab. Der Truncus sympathicus steigt in der Lamina praevertebralis der Halsfaszie medial vom N. vagus, dorsal von der A. carotis communis, abwärts. Er hatte ursprünglich für jedes Segment ein Ganglion. Doch sind die 4 oberen zu dem länglichen, hinter der A. carotis interna gelegenen Ganglion cervicale superius, die beiden folgenden zu dem inkonstanten, in Höhe der Umbiegungsstelle der A. thyroidea inferior gelegenen Ganglion cervicale medium, die beiden unteren meist mit dem 1. und 2. Brustganglion zu dem vor dem Hals der 1. Rippe, hinter dem Ursprung der A. vertebralis gelegenen Ganglion cervicothoracicum (stellatum) verschmolzen. Klinik: 1. Bei einem Kropf werden die Karotiden verlagert. 2. Stellatumblockade. Der Halsteil des Sympathicus kann durch Injektion in das Ganglion stellatum temporär ausgeschaltet werden. Bei gelungenem Eingriff wird das Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enophthalmus) hervorgerufen (s. Kap. 6.1.3, S. 567). 3. Von praktischem Interesse ist die Lage des Grenzstranges zur A. thyroidea inferior. Er kann dorsal oder ventral von ihr verlaufen oder um sie eine Schlinge bilden. Unterbindet man möglichst lateral, um den N. laryngeus recurrens zu schonen, so gefährdet man den Sympathicus. Durchtrennung des Grenzstranges ergibt kranialwärts einen vollständigen Sympathikusausfall, das Horner-Syndrom und Gefäßerweiterung. Der Halssympathikus hat nämlich im Halsgebiet

351

keine Verbindungen zum Rückenmark (keine Rr. communicantes albi), steht vielmehr nur durch das Ganglion stellatum mit dem Rückenmark in Verbindung. Er entsendet lediglich Rami communicantes grisei aus den Ganglien in die Spinalnerven des Halses. In seinem Verlauf gibt der Halsgrenzstrang Nn. cardiaci cervicales (superior, medius, inferior) ab. Die A. subclavia umfasst er schlingenförmig (Ansa subclavia, Vieusseni), wobei der stärkere Ast dorsal von der Arterie verläuft. Ventrolateral zieht auf der A. carotis communis die Radix superior abwärts, um sich früher oder später mit der Radix inferior zur Ansa cervicalis zu verbinden. Der N. phrenicus aus dem Plexus cervicalis steigt neben der kleinen A. cervicalis ascendens auf der Vorderfläche des M. scalenus anterior abwärts, gelangt an die mediale Seite des Muskels und betritt zwischen A. und V. subclavia den Brustraum. Der Nerv liegt unter oder in der Faszie des M. scalenus anterior (wichtig für die Aufsuchung des N. phrenicus!). Ein Nebenphrenikus benutzt häufig die Bahn des N. phrenicus, die er kaudal wieder verlässt. Er kann vor oder hinter der V. subclavia verlaufen, um die Vene eine Schlinge bilden und sich anderen Nerven anschließen. Spätestens kranial vom Lungenhilus vereinigt er sich immer mit dem Hauptphrenikus. Auf der Vorderfläche des M. scalenus anterior finden wir noch 3 Äste des Truncus thyrocervicalis: die A. cervicalis ascendens, die A. transversa colli (R. superficialis) und die A. suprascapularis. Der N. laryngeus recurrens ist in der Rinne zwischen Oesophagus und Trachea nicht zu verfehlen.

4.19.3

Spatium lateropharyngeum

Lernziele: Begrenzung des Spatium lateropharyngeum, Inhalt, Verbindungen Es ist ein seitlich vom Pharynx gelegener, zum Teil von Bindegewebssepten ausgekleideter Raum, in dem zahlreiche wichtige Gefäße und Nerven zusammengedrängt sind.

4 Kopf, Cranium, und Hals, Collum

352

M. buccinator Mündung des Ductus parotideus

Raphe pterygomandibularis M. masseter, Ramus mandibulae

Arcus et M. palatoglossus

M. pterygoideus medialis

Tonsilla palatina

Spatium lateropharyngeum (Pars praestyloidea)

Fascia buccopharyngea

Proc. styloideus mit Stylomuskeln

M. palatopharyngeus Pharynx

Fascia parotidea (oberflächliches Blatt)

Aponeurosis stylopharyngea

A. carotis externa, Glandula parotidea

Spatium retropharyngeum, M. constrictor pharyngis Lamina praevertebralis Septum sagittale

V. retromandibularis, N. facialis N. vagus, V. jugularis interna

Spatium lateropharyngeum, (Pars retrostyloidea) A. carotis int.

Venter posterior m. digastrici M. sternocleidomastoideus

Truncus sympathicus, Lamina praevertebralis Atlas, A. vertebralis

M. longissimus capitis Fascia parotidea (tiefes Blatt)

Abb. 4.121: Schematischer Querschnitt durch das Spatium lateropharyngeum und die Parotisloge

Seine Grenzen (Abb. 4.121) bilden medial der Pharynx, lateral der M. pterygoideus medialis, der Processus styloideus und die Stylomuskeln, ferner die hier dünne Faszie der Gl. parotidea. Dorsolateral grenzt er an die am Processus mastoideus ansetzenden bzw. entspringenden Muskeln und dorsal an die Lamina praevertebralis der Halsfaszie. Eine derbe, vom Processus styloideus und vom M. stylopharyngeus zur seitlichen Pharynxwand ziehende Bindegewebsplatte (Aponeurosis stylopharyngea) teilt den Lateropharyngealraum in 2 voneinander getrennte Abschnitte. Vorderer Teil (Pars anterior s. praestyloidea). Er wird vom M. pterygoideus medialis von lateral her stark eingeengt und beinhaltet, von kleineren Gefäßen und Nerven abgesehen, den M. stylohyoideus, den M. styloglossus und vor allem fettreiches Bindegewebe. Hinterer Teil (Pars posterior s. retrosyloidea). Hier liegen relativ dicht nebeneinander, aber stets in einem deutlichen Abstand von der Pharynxwand, die Gefäße und Nerven des Lateropharyngealraumes. Die Grenzen dieses Teils bilden ventral des Proc. styloideus, seine Muskeln und die Aponeurosis stylopharyngea, dorsal die Lamina praevertebralis der Halsfaszie, medial das Septum sagittale

(Abb. 4.121) und lateral die Glandula parotidea mit ihrer schwachen inneren Faszie. Gefäße und Nerven des Lateropharyngealraumes: im hinteren Teil (Pars posterior, Pars retrostyloidea) liegen die V. jugularis interna, die A. carotis interna, der N. vagus, der N. glossopharyngeus, der N. accessorius, der N. hypoglossus und der Halsteil des Sympathicus. Die V. jugularis interna verlässt durch das Foramen jugulare den Schädel, die A. carotis interna tritt unmittelbar davor in den Canalis caroticus der Schädelbasis ein. Die Arterie liegt deshalb im kranialen Teil der Region (unterhalb der Schädelbasis) vor der Vene. Weiter kaudal lagert sich die Vene der Arterie mehr von lateral und dorsal an. Der N. vagus verlässt den Schädel im Foramen jugulare, liegt zunächst dorsal der A. carotis interna, legt sich weiter kaudal dieser an und liegt zwischen ihr und der V. jugularis interna. Der N. accessorius tritt ebenfalls durch das Foramen jugulare durch, liegt zunächst vor der V. jugularis interna, wendet sich aber bald nach dorsal, um unter dem M. sternocleidomastoideus zu verschwinden. Der N. hypoglossus verlässt den Schädel durch den Canalis n. hypoglossi. Dieser liegt medial und etwas dorsal vom Foramen jugulare. Daraus ergibt sich die anfänglich mediale Lage des 12.

4.19 Topografische und angewandte Anatomie des Kopfes und des Halses – ausgewählte Kapitel

Hirnnerven zu den oben beschriebenen Nerven, insbesondere zum N. vagus. Alsbald lagert er sich dem N. vagus dorsal an, um im weiteren Verlauf auf dessen laterale Seite zu kommen. Der N. glossopharyngeus hat seinen Durchtritt durch das Foramen jugulare am weitesten ventral. Er liegt deshalb zunächst vor dem N. vagus und hinter der A. carotis interna. Zwischen V. jugularis interna und A. carotis interna gelangt er in eine oberflächlichere Schicht und schließt sich unter Überkreuzung der genannten Arterie seinem Leitmuskel, dem M. stylopharyngeus, an. Der Truncus sympathicus mit seinem Ganglion cervicale superius liegt im Spatium lateropharyngeum am tiefesten, nämlich im Bereich der Lamina praevertebralis der Fascia cervicalis. Verbindungen des Spatium lateropharyngeum Nach ventral hat der Raum entlang der Fascia buccopharyngea (sie überzieht den Pharynx und setzt sich auf die Außenfläche des M. buccinator fort, Abb. 4.73, 121) Verbindung mit dem Bindegewebe zur Außenfläche des M. buccinator. Nach lateral besteht eine fast direkte Verbindung mit der Parotisloge, weil hier die Parotisfaszie sehr dünn ist. Nach unten hat der Lateropharyngealraum Verbindung mit dem Trigonum caroticum und dem Bindegewebsraum unter dem M. sternocleidomastoideus. Nach medial wird er durch einen zwischen Pharynxwand und tiefem Blatt der Halsfaszie ausgespannten Bindegewebszug (Septum sagittale, Abb. 4.121) vom Spatium retropharyngeum getrennt. Klinik: 1. Entzündungen im lateropharyngealen Raum können zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Sie können sich in die Parotisloge unter Einschmelzung des Septum sagittale im Retropharyngealraum ausbreiten oder in den Halsbereich senken. 2. Es können aber auch von den Tonsillen aus (durch die Pharynxwand hindurch) oder von der Parotis aus Eiterungen in diesen Raum durchbrechen.

4.19.4

Beziehungen des Halses mit der Lungenspitze und der Pleurakuppel

Lernziele: Topografie der Lungenspitzeund Pleurakuppel, Rolle der Mm. scaleni, Gefäße und Nerven, Fascia endothoracica

353

Als Lungenspitze bzw. Pleurakuppel bezeichnen wir jenen Teil der Lunge bzw. der Pleura, der den oberen Rand des Brustbeins und der Schlüsselbeine überragt. Die Lungenspitze liegt sowohl bei Einatmung als auch bei Ausatmung der Pleurakuppel an. Die Pleura reicht dorsal bis zum 7. Halswirbel, ventral überragt sie den Oberrand der Clavicula um 2–3, den Sternalansatz der 1. Rippe um etwa 4 cm. Diese Zahlen schwanken bei der In- und Exspiration und bei den verschiedenen Körperbautypen. Lungenspitze und Pleurakuppel grenzen lateral an den Muskelkegel der Mm. scaleni, medial an die großen Gefäßstämme, dorsal an den Hals der 1. Rippe und das ventral von ihm gelegene Ganglion cervicothoracium. Über die mediale Fläche zieht die A. subclavia zur hinteren Skalenuslücke. Über die Vorderfläche der Pleurakuppel verlaufen der N. phrenicus, die Vasa thoracica interna und die A. vertebralis. Kranial lagert sich der Plexus brachialis an. In einigem Abstand verlaufen ventral von der Lungenspitze noch die V. subclavia und der M. sternocleidomastoideus. Klinik: Ventral und lateral nur von Weichteilen bedeckt, ist die Lungenspitze hier Stichverletzungen leicht ausgesetzt, die zumeist mit Gefäßund Plexusverletzungen verbunden sind. Die Pleurakuppel ist bei der Atmung starkem Zug ausgesetzt. Da ihr eine feste Unterlage fehlt, ist die ihr außen anliegende Fascia endothoracica zur kräftigen Membrana suprapleuralis (GibsonFaszie) verstärkt. Unter dem Zug der Lungen bilden sich in variabler Weise bandartige Verstärkungen aus (Zuckerkandl-Bänder), die von den Wirbelkörpern und den Rippen zur Pleurakuppel ziehen und ihre Form und Lage erhalten. In etwa 50 % strahlt ein M. scalenus minimus (s. Kap. 4.8.2.2.3, S. 238) vom Querfortsatz des 7. Halswirbels in die Pleuralkuppel aus. Schließlich unterstützt noch der Zusammenhang mit dem Bindegewebe der großen Gefäße und Nerven und der Skalenusfaszie die Fixation der Pleuralkuppel.

5

Zentrales Nervensystem, Systema nervosum centrale, Gehirn, Encephalon, und Rückenmark, Medulla spinalis Ingo Bechmann und Robert Nitsch, unter Mitarbeit von Franz Pera, Andreas Winkelmann und Frank Stahnisch

5.1

Baueinheiten und Morphogenese des Zentralen Nervensystems

5.1.1

Allgemeine Einführung und Grundlagen der Neuroanatomie

einer Nervenzelle (s. Kap. 2.6.2, S. 92), der Zellkörper (Soma oder Perikaryon), sowie ihre meist kürzeren Fortsätze, die Dendriten, empfangen Signale anderer Nervenzellen über Synapsen. Der meist längere Fortsatz, das Axon, welches sich in seinem Verlauf vielfältig aufzweigt, leitet diese Informationen als elektrische Erregung zu nachgeschalteten Nervenzellen oder zu Effektorzellen (wie Muskel- oder Drüsenzellen) weiter. Die Signalweiterleitung zwischen Axon und nachgeschalteter Zelle, Innervation, wird in der Synapse durch eine Umwandlung der elektrischen Informationen in ein chemisches Signal erreicht. £ Auf diese Weise bildet sich ein Netzwerk von Nervenzellen aus, die miteinander im Informationsaustausch stehen. Netzwerke weisen typischerweise eine morphologisch spezifische neuronale Verschaltung auf und organisieren sich in funktionell hierarchisch übereinander angeordneten Einheiten.

Lernziele: Zentrales Nervensystem (ZNS), Peripheres Nervensystem (PNS), Entwicklungsvorgänge, Neuronentheorie Das Zentrale Nervensystem (ZNS) erlaubt es dem Organismus, über die Sinnesorgane Signale der äußeren Umwelt aufzunehmen, zu verarbeiten, zu speichern und auf diese Umweltreize adäquat zu reagieren. Als auffällige Besonderheit erfolgt im Nervensystem (z. B. im Gegensatz zum endokrinen System) die Signalweiterleitung entlang von Bahnen, die von Zellfortsätzen gebildet werden. Deshalb sind sämtliche direkt am Prozess der Informationsverarbeitung beteiligten Zellen des ZNS, die Nervenzellen oder Neurone, als Empfänger-Senderstrukturen ausgebildet (Abb. 5.1). Allgemeine Begriffe £ Neuron. Es stellt die funktionelle Grundeinheit

des Nervensystems dar. Die rezeptiven Anteile

Im Verlaufe der Ontogenese verschalten sich Input/Output-Systeme zunehmend zu komplexeren Schaltkreisen, die als Resultat das Gehirn und das Rückenmark, als die beiden Anteile Synapse

präsynaptisches Neuron

Axon

(Soma)

afferente Erregungsleitung (elektrisch)

Erregungsübertragung = Neurotransmission (chemisch)

Axon

postsynaptisches Neuron

efferente Erregungsleitung (elektrisch)

(Bouton)

Abb. 5.1: Einfaches Input/Output-Schema von Nervenzellen, die Teil eines neuronalen Netzwerkes sind

356

des ZNS, ergeben. Die so entstandenen neuronalen Netze stellen Korrelate der funktionellen Leistungen des ZNS dar. £ Im Verlauf der Phylogenese nimmt die Komple-

xität dieses Schaltsystems ständig zu. Finden wir bei einfachen Lebewesen Nervensysteme mit einer relativ geringen Anzahl von Nervenzellen (das Nervensystem der Nematode Caenorhabditis elegans hat z. B. nur etwa 2000 Nervenzellen), so enthält das zentrale Nervensystem des Menschen bis zu 1010-1012 Nervenzellen. Hinzu kommen noch etwa 10 mal mehr Gliazellen, die sich aus Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen zusammensetzen (siehe Lehrbuch der Histologie). £ Gliazellen nehmen direkt (durch die Metabolisierung von Überträgerstoffen, Neurotransmittern, oder die Bildung von Myelinscheiden) oder indirekt (durch die Produktion von Wachstumsfaktoren oder die Phagozytose absterbenden Materiales) auf die Funktion des Netzwerks „ZNS“ Einfluss. £ Die Nervenzellen müssen im Verlauf der Ontogenese ihren besonderen Ort und ihre spezifische Verschaltung mit anderen Nerven- und Effektorzellen finden. Gene steuern die Vermehrung der Neurone, Proliferation, die Wanderung an ihren Bestimmungsort, Migration, und ihre morphologische und funktionelle Reifung, Differenzierung. £ Somatotopik. Die spezifische Verschaltung von Nervenzellen führt häufig zu einer punktgenauen neuronalen Repräsentation von versorgtem Körpergebiet in definierten Arealen des ZNS: Somatotopik (gr. soma = Körper; topos = Ort). ´ Durch die Kombination funktioneller und topographischer Kenntnisse der Neuroanatomie kann aus dem neurologischen Befund (Frage: „Welche Systeme funktionieren nicht?“) häufig auf den Ort der Schädigung (Frage: „Wo liegen die ausgefallenen Systeme?“) geschlossen werden: Neurologisch-topische Diagnostik. £ Synaptische Kontakte. Ihre Ausbildung wird

während der Entwicklung von äußeren Einflüssen mitbestimmt (etwa durch Hormone, aber auch Medikamente, die die Mutter einnimmt und die über den fetalen Kreislauf ins embry-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

onale Gehirn gelangen). In welchem Maße die Ausbildung und Funktion des ZNS genetisch determiniert ist oder durch äußere Einflüsse geprägt wird, ist bis heute in der neurobiologischen Forschung umstritten. £ Plastizität. Neurone sind in der Lage, nach Schädigung (z. B. Schlaganfall oder SchädelHirn-Trauma, SHT) neue Verbindungen einzugehen, um ausgefallene Funktionen zu kompensieren. Diese Kompensationsfähigkeit ist Grundlage der neurologischen Rehabilitationsbehandlung. Schädigungen des ZNS im frühen Kindesalter können relativ gut kompensiert werden, während Läsionen beim Erwachsenen meist zu bleibenden und nicht kompensierbaren Funktionsausfällen führen. Zentrales und peripheres Nervensystem. Gehirn und Rückenmark, also das ZNS, und das periphere Nervensystem (PNS), welches sich aus den Nerven und deren Ganglien zusammensetzt, entstehen aus dem selben Ursprungsgewebe. Das PNS bringt Informationen aus dem Körper zum ZNS (afferente Bahnen) und leitet Informationen aus dem ZNS in die Organe und den Bewegungsapparat (efferente Bahnen) (Abb. 5.2). Dieses enge Zusammenspiel spiegelt sich in der Vernetzung beider Systeme wider, weshalb die Unterteilung in ZNS und PNS aus funktionellen Gründen nicht immer sinnvoll ist. So befinden sich etwa die Nervenzellkörper, deren Axone in peripheren Nerven die Muskeln des Bewegungsapparats erreichen, im Vorderhorn des Rückenmarks (α-Motoneuron). Demgegenüber befinden sich die Zellkörper der sensiblen, aufsteigenden Axone des Rückenmarkes teilweise in den Spinalganglien (s. Kap. 2.6.5.1, S. 94), die dem PNS zugerechnet werden. Deshalb wird in diesem Kapitel auch Bezug auf Anteile des PNS genommen. £ Somatisches und autonomes Nervensystem.

Neben der Unterteilung in ZNS und PNS fasst man die neuronalen Systeme der bewussten Sinneswahrnehmung und der willkürlichen Innervation der Skelettmuskulatur als somatisches Nervensystem zusammen. Davon abzugrenzen ist das autonome Nervensystem (s. Kap. 2.6.6, S. 98), welches die Funktion der inneren Organe weitgehend unbewusst steuert.

5.1 Baueinheiten und Morphogenese des Zentralen Nervensystems

Die übergeordneten Steuerzentren beider Systeme liegen im ZNS.

Verarbeitung Gehirn

motorische Signale

Rückenmark

sensible Signale

ZNS

Gehirn als Leitungsbahnen, Tractus, und sind nach Herkunft und Ziel gebündelt. Die Tractus können verschiedene Regionen im Gehirn und Rückenmark miteinander verbinden (also ausschließlich im ZNS verlaufen) oder als efferente und afferente Fasern eine Verbindung mit dem PNS herstellen. In der makroskopischen Ansicht zeigen sich solche Areale als weiße Substanz, Substantia alba. Die weiße Färbung entsteht durch die Umhüllung der Axone mit dem lipidreichen Myelin. Im Gehirn liegt die weiße Substanz unter der grauen Substanz des Cortex, im Rückenmark aber zur Oberfläche hin.

5.1.2

PNS

357

Frühe Entwicklung

Lernziele: Neuralplatte, Neuralrinne, Neuralrohr, Neuralleiste, Hirnbläschen £ Neuralplatte und Neuralrohr. Am Ende der

Haut (Rezeptoren)

/ Muskelfasern (Effektoren)

Abb. 5.2: Einfaches Schema zum peripheren/zentralen und somatischen Nervensystem

£ Graue Substanz. Die Nervenzellkörper lagern

sich im Laufe der Entwicklung zu mehr oder weniger großen Gruppen oder in Schichten zusammen. In der Hirnrinde, dem Cortex, in den Kerngebieten des ZNS, den Nuclei, oder den Säulen des Rückenmarks, Columnae, befinden sich die Zellkörper, Somata, der Nervenzellen dicht beieinander. Bei der makroskopischen Inspektion des Gehirns fallen diese Areale als graue Substanz, Substantia grisea, auf. Innerhalb der Substantia grisea verbleiben auch meist die kurzen afferenten Dendriten, die Informationen empfangen und zum Soma leiten. Sie sind Ziel verschiedenster Axone anderer Nervenzellen, die mit ihnen sowie mit den Somata synaptische Kontakte ausbilden. £ Weiße Substanz. Die Axone, welche die Informationen als efferente Fortsätze von Nervenzellkörpern oft über große Distanzen hinweg bis zu den nachgeschalteten Zellen leiten, verlaufen im

3. Schwangerschaftswoche bildet sich im Ektoderm, dorsal der Chordaplatte, die Neuralplatte. Die Chorda dorsalis (s. Kap. 3.5.1.2, S. 142) induziert die Proliferation ektodermaler Zellen, aus denen später sämtliche Bestandteile des ZNS mit Ausnahme der Mikrogliazellen (s. u.) hervorgehen. Durch Proliferation und Migration dieser ektodermalen Zellen kommt es zur Ausbildung von Neuralwülsten mit einer dazwischen gelegenen Neuralrinne, die etwa ab dem 20. Tag der Embryonalentwicklung gut erkennbar wird. Durch Verschmelzung der Neuralwülste ab dem 22. Tag verschließt sich die Neuralrinne zum Neuralrohr. Gleichzeitig kommt es zur Abtrennung der Neuralleisten, aus denen sich die sensiblen Ganglien entwickeln (s. u.). Die Bildung des Neuralrohres beginnt zentral, breitet sich sowohl in rostraler als auch in kaudaler Richtung aus und ist am 25. Tag abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt bleiben lediglich das rostrale Ende des Neuralrohres als Neuroporus anterior und das kaudale Ende als Neuroporus posterior geöffnet. Am 26. Tag kommt es zum Verschluss des Neuroporus anterior und 1 bis 2 Tage später zum Verschluss des Neuroporus posterior (Abb. 5.3).

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

358

�������� ��������

������������

��������

������������

a Neuralrinne

Neuralwülste

Gehirnanlage

Amnionepithel Ektoderm Seitenplattenmesoderm intermediäres Mesoderm

Mesoderm Ursegmentstiel

Mesoderm Chorda dorsalis Dottersackepithel

b Abb. 5.3: Querschnitt durch die frühe Keimscheibe (3 schematische Darstellungen). Diese Zeichnungen zeigen die Entwicklung des Neuralrohres: a) Neuralplatte (ca. am 16. Tag), b) Neuralrinne (ca. am 18. Tag) und c) Neuralrohr (ca. am 25. Tag)

5.1 Baueinheiten und Morphogenese des Zentralen Nervensystems

359

Hautektoderm

Neuroporus anterior

Neuralrohr Neuralleiste Mesoderm (Ursegment)

nephrogener Strang Amnion dorsale Aorta parietales Blatt des Mesoderms

Coelom Chorda dorsalis

Darmanlage Dottergang

5.3 c

viszerales Blatt des Mesoderms

Im Gefolge kommt es zu einer starken Proliferation der neuroektodermalen Zellen, die sich zunächst in neuronale, im 3. Trimenon auch in gliale Zellen (Astrozyten und Oligodendrozyten) ausdifferenzieren (Abb. 5.4). Die Mikrogliazellen entstammen dem Mesoderm und wandern im Rahmen der Vaskularisation in das ZNS ein. Sie sind die ortsständigen Makrophagen des Gehirns. Klinik: 1. Störung des Neuralrohrschlusses führt im rostralen Bereich, also im Bereich des Neuroporus anterior, zu Gehirnfehlanlagen, im drastischsten Fall zum Anenzephalus. Anenzephale Kinder werden zwar in seltenen Fällen geboren, sind aber nicht lebensfähig. 2. Verschlussstörungen des Neuroporus posterior führen zum Krankheitsbild der Spina bifida. Hierbei kommen sowohl die gedeckte Form, Spina bifida occulta, bei der es nur zu einem mangelnden Verschluß des späteren Wirbelka-

Dottersackrest

nals ohne funktionelle Ausfälle kommt, als auch die Spina bifida aperta vor, bei der sich die kaudalen Anteile des Rückenmarkes nicht ausbilden können. Durch diese schwerwiegenden Strukturveränderungen sind vielfältige funktionelle Störungen bedingt (s. Kap. 3.5.1.2, S. 142, Kap. 8.1, S. 629). £ Neuralleiste. Während des Neuralrohrschlus-

ses trennen sich dorsolateral gelegene Zellen ab, welche die Neuralleiste ausbilden (s. Kap. 3.5.1.2, S. 142). Aus diesem Zellmaterial entwickeln sich Zellgruppen, die sich später zu den sensiblen Spinal- und Hirnnervenganglien formieren. Andere Zellen wandern auf das innen gelegene Entoderm zu und entwickeln sich dabei zu den vegetativen (autonomen) Ganglien der Eingeweidenerven, den chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks und den Gliazellen des PNS (den Schwann-Zellen). Auch die Melanozyten der Haut entwickeln sich aus der Neuralleiste.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

360

apolarer Neuroblast

bipolarer Neuroblast

NisslSchollen

protoplasmatischer Astrozyt

eigentliche Nervenzellen

Abb. 5.4: Schema der zellulären Entwicklungslinien im ZNS (nach Moore 1990)

5.1.3

Entwicklung des Rückenmarks

Lernziele: Mantel- und Marginalzone, Grund-, Flügel-, Boden- und Deckplatte, Entwicklung der Spinalganglien und des Zentralkanals, Rückenmarksaszensus £ Neuralrohrschluss. Danach entwickelt sich der

rostrale (prächordale) Teil über die primären Hirnbläschen weiter zu den sekundären Hirnbläschen. Das Rückenmark bildet sich aus den kaudal der Hirnbläschen gelegenen Abschnitten des Neuralrohrs. In der Wand kommt es zur Ausbildung der zentral gelegenen ventrikulären Zone, in welcher sich die Zellen sehr schnell

teilen. Im Bereich dieser Proliferationszone wandern Zellen vom Boden des ventrikulären Anteils in Richtung der pialen Oberfläche. Die ventrikuläre Zone umgibt später im Bereich des Rückenmarks den Zentralkanal, Canalis centralis. Er stellt somit den Rest des Neuralrohrlumens dar. Die noch undifferenzierten neuroektodermalen Zellen teilen sich wiederholt mitotisch und verändern ihre Form, wobei sie schmale zytoplasmatische Fortsätze in Richtung der pialen Oberfläche ausbilden. Während der mitotischen Teilung wandern die Zellkörper dann in Richtung des Lumens. £ Nach abgeschlossener Zellteilung migrieren sie auf die Außenseite, wo sie die Mantelzone bilden. Die noch unreifen Neurone entwickeln

5.1 Baueinheiten und Morphogenese des Zentralen Nervensystems

Fortsätze, die in die Marginalzone auswachsen. Im ausgereiften Rückenmark findet sich schließlich die graue Substanz mit den Nervenzellsomata in der Mantelzone. Demgegenüber liegen in der Marginalzone die axonalen Fasertrakte des Rückenmarks, welche die weiße Substanz bilden. Durch unterschiedliches Dickenwachstum formiert sich an beiden Innenseiten des Neuralrohrs eine längs verlaufende Rinne, der Sulcus limitans, welcher nach ventral die Grundplatte und nach dorsal die Flügelplatte abtrennt (Abb. 5.5). dorsal

Deckplatte





 Flügelplatte

Matrix oder Keimschicht



Canalis centralis





Sulcus limitans

  Grundplatte 

Mantelzone (graue Substanz) Marginalzone (weiße Sustanz) Bodenplatte

ventral

Abb. 5.5: Querschnitt durch die Anlage des Rückenmarks. Die Zellen des Neuroektoderms haben sich ungleichmäßig vermehrt, wodurch die Deck- und Flügelplatte sowie die Grund- und Bodenplatte entstanden sind. Auswachsende Axone legen sich oberflächlich an die Zellschichten an und bilden die weiße Substanz der Marginalzone

£ Zwischen den beiden Grundplatten findet sich

die Bodenplatte. Die Flügelplatten sind durch die Deckplatte verbunden. Die Boden- und Deckplatte bleiben in der Entwicklung zurück.

Aus der Grundplatte entwickeln sich die größeren ventralen und kleineren lateralen Kernsäulen des Rückenmarks. Ventral ordnen sich die somatomotorischen Neurone und lateral die präganglionären viszeromotorischen (vegetativen) Neurone an. Die Zellkörper der Flügelplatte bilden weiter nach dorsal die Kernsäulen zunächst der viszero-, dann der somatosensiblen Neurone. Diese Gruppierung funktionell gleicher Neurone in abgrenzbare Kernsäulen bleibt im adulten Rückenmark erhalten (s. Kap. 5.2.7).

361

£ Rückenmarksform. Durch die Zellprolifera-

tion in Grund- und Flügelplatte, welche beim adulten Menschen die schmetterlingsförmige graue Substanz des Rückenmarkes (s. Kap. 5.2.7.4) ausmachen, sowie das Auswachsen axonaler Fortsätze, die als weiße Substanz der Marginalzone Verbindungen zu anderen Bereichen des ZNS aufnehmen, entsteht die endgültige Form des Rückenmarks. Von der zentralen Höhle des Neuralrohrs bleibt der mit Ependym ausgekleidete Canalis centralis übrig, welcher beim Erwachsenen weitgehend obliteriert ist. £ Spinalnerven. Die aus dem Material der Grundplatte entstehenden motorischen Nervenzellen im späteren Vorderhorn des Rückenmarks senden efferente Fasern in Richtung ihrer späteren Erfolgsorgane, der Skelettmuskeln. Zeitgleich entsteht aus dem Material der Neuralleiste eine lateral der Rückenmarksanlage gelegene Nervenzellansammlung, die sich zum Spinalganglion differenziert. Dort nehmen die zunächst bipolaren Zellen ihre typische Form als pseudounipolare Neurone an. Ihre Dendriten stellen Verbindungen zu spezialisierten Rezeptoren her oder enden als freie Nervenendigungen in verschiedenen Organen und der Haut. Die sensiblen Informationen gelangen über diese Dendriten zum Zellkörper. Die Axone der bipolaren Fortsätze treten über die Hinterwurzel ins Rückenmark ein, wo sie an Neuronen des Hinterhorns enden oder als Hinterstrangbahn ohne weitere Umschaltung bis ins verlängerte Mark, Medulla oblongata, aufsteigen. Gemeinsam mit den vorgenannten efferenten Axonen der Vorderhornneurone, die durch die Vorderwurzel das Rückenmark verlassen, bilden die afferenten Dendriten der Spinalganglienzellen am Foramen intervertebrale den Spinalnerven (s. Abb. 5.6 und Kap. 2.6.5.1, S. 94). Der Abschnitt des Rückenmarkes, dessen Wurzelfasern sich zu einem Spinalnerven vereinen, wird als Rückenmarkssegment bezeichnet (z. B. Segment L5: Der Abschnitt des Rückenmarkes, dessen Wurzelfasern den 5. lumbalen Spinalnerven bilden). £ Rückenmark/Wirbelkanal. Im dritten Embryo-

nalmonat befinden sich die jeweiligen Segmente des Rückenmarks und die dazu gehörigen Foramina intervertebralia zwischen 2 Wirbelkörpern

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

362

Rückenmark Radix dorsalis (Hinterwurzel)

Axon Spinalganglion

pseudounipolare Spinalganglienzelle Dendrit

Motoneuron

Nervus spinalis (Spinalnerv)

Radix ventralis (Vorderwurzel)

Haut

Eingeweide motorische Nervenfaser quergestreifte Muskelfasern

Muskel

sensible Nervenfasern (von Rezeptoren der Haut bzw. Muskelspindeln ausgehend)

Abb. 5.6: Rückenmark mit austretenden Vorder- und Hinterwurzelfasern

auf annähernd gleicher Höhe. Im Verlauf des Körperwachstums bleibt das Rückenmark in seiner Längenentwicklung im Vergleich zur knöchernen Wirbelsäule zurück und es kommt zum Aufsteigen des Rückenmarks im Spinalkanal, Ascensus medullae spinalis. Am Ende des fünften Monats liegt das Rückenmarkssegment S1 etwa 4 Wirbelkörper oberhalb des ersten Sakralwirbels. Zur Zeit der Geburt entspringen die Fasern, welche die Wirbelsäule zwischen den Wirbelkörpern S1 und S2 verlassen, etwa auf der Höhe des Wirbelkörpers L1 aus dem Rückenmark (Abb. 5.7). Beim Erwachsenen befindet sich das kaudale Ende des Rückenmarks, der Conus medullaris, etwa auf der Höhe der Wirbelkörper L1/L2. Auf dieser Höhe verjüngt sich der Conus medullaris abrupt zum nervenzellfreien Filum terminale, das am kaudalen Ende des Spinalkanals befestigt ist und so eine „Schleifspur“ des Ascensus medullae spinalis darstellt. Daneben ziehen die Wurzelfasern wie ein Pferdeschwanz als Cauda equina zu ihren Foramina intervertebralia, wo sich

ventrale und dorsale Spinalnervenwurzeln zum Spinalnerven vereinen (s. Kap. 2.6.5.1, S. 94). Klinik: Beim Neugeborenen liegt der Conus medullaris noch in Höhe des 3., beim Erwachsenen jedoch etwa in Höhe des 1. Lumbalwirbels. Auf Grund des Aszensus des Rückenmarks kann unterhalb des Conus medullaris (mit einem Sicherheitsabstand zwischen den Dornfortsätzen des 3. und 4. oder des 4. und 5. Lendenwirbels) der den Liquor cerebrospinalis enthaltende Subarachnoidealraum (s. Kap. 5.3.2) von dorsal punktiert werden. Hierdurch kann eine Verletzung des Rückenmarks vermieden werden, wobei die Spinalnervenwurzeln der Cauda equina von der Punktionsnadel allenfalls zur Seite verdrängt werden (s. Kap. 8.1.4, S. 635). Die Untersuchungstechnik der Lumbalpunktion ist für die Diagnose einer Vielzahl von Erkrankungen des ZNS (z. B. der Multiplen Sklerose) entscheidend.

5.1 Baueinheiten und Morphogenese des Zentralen Nervensystems Wirbelkörper

363

Rückenmark

L2

L1

S1 L1

S1

Spinalganglion der Radix dorsalis des 1. Sakralnerven

L3

Verlängerung der Wurzel des 1. Sakralnerven

Cauda equina = verlängerte Fila radicularia der Spinalnerven kaudal des Rückenmarks S1

a

b

c

Abb. 5.7: Längenwachstumsvergleich von Rückenmark und Wirbelsäule („Rückenmarksaszensus“) sowie Bildung der Cauda equina: a) Entwicklungsstadium ungefähr im 3. Schwangerschaftsmonat, b) am Ende des 5. Monats und c) beim Neugeborenen (nach L. Heimer, 1995)

5.1.4

Entwicklung des Gehirns und der Ventrikelräume

Lernziele: Hirnbläschen, Myelencephalon, Metencephalon, Mesencephalon, Diencephalon, Telencephalon. Scheitelbeuge, Nackenbeuge Hirnbläschen. Noch vor dem Schluss des Neuroporus anterior bilden sich in der dritten Embryonalwoche die 3 primären Hirnbläschen aus. Von kaudal nach rostral entwickeln sich dabei auf die Rückenmarksanlage folgend (Abb. 5.8 und 5.9): das Rautenhirnbläschen, das spätere Rhombencephalon, danach das Mittelhirnbläschen, das spätere Mesencephalon, und schließlich das Vorderhirnbläschen, das spätere Prosencephalon. In diesen 3 Bläschen hat sich der Hohlraum des ehemaligen Neuralrohrs stark erweitert und die Wandabschnitte zeigen ein unterschiedlich ausgeprägtes Wachstum. Am größten wird schließlich das Vorderhirnbläschen: Es buchtet sich beiderseits lateral aus und ergibt so die (paarigen) Endhirnbläschen des späteren Telenzephalons (gr. encephalón

= Gehirn; en- = innen, drin, kephalé = Kopf). Der mediale Abschnitt des Prosenzephalonbläschens bleibt dazwischen relativ klein und bildet das Zwischenhirnbläschen des späteren Dienzephalons. Das Mittelhirnbläschen zeigt nur ein geringes Wachstum. Hieraus entstehen später die Haube, Tegmentum, und das Dach, Tectum. Das Rhombenzephalonbläschen teilt sich später weiter in das Myelenzephalonbläschen, die spätere Medulla oblongata, sowie das Metenzephalonbläschen, aus dem das Kleinhirn, Cerebellum, und die Brücke, der Pons, hervorgehen. Das Telencephalon nimmt in der Folge so stark an Größe zu, dass es sich mit dem Diencephalon verbindet und auch das Mesencephalon überwölbt. Aus den Endhirnbläschen entwickeln sich später die Großhirnhemisphären und -Kerne. Das Rhombencephalon und Mesencephalon bilden den späteren Hirnstamm, Truncus encephali (cerebri). Somit entstehen aus den 3 primären später 5 sekundäre Hirnbläschen (ohne Berücksichtigung der Paarigkeit).

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

364 3 primäre Hirnbläschen

5 sekundäre Hirnbläschen

Derivate der Hirnbläschen beim Erwachsenen Wand

Hohlraumsystem

Großhirnhemisphären

Seitenventrikel (I. + II.)

Wand 1 a.

Lumen

1 b.

Telencephalon Vorderhirn (Prosencephalon) Mittelhirn (Mesencephalon) Rautenhirn (Rhombencephalon)

Thalamus III. Ventrikel

Diencephalon

2.

Mesencephalon

3.

Mittelhirn

4.

Cerebellum

  

oberer Teil

Medulla oblongata

  

unterer Teil

Metencephalon Myelencephalon

Hypothalamus

Pons

5.

Aquaeductus mesencephali

IV. Ventrikel

Rückenmark

Abb. 5.8 und 5.9: Entwicklungsschema der Hirnanlage (Bläschenstadien); nach K. L. Moore 1990

Aus dem Rhombenzephalonbläschen werden Myelencephalon und Metencephalon. Das Mesenzephalonbläschen bildet das Mesencephalon. Das Prosenzephalonbläschen formiert sich zu Telencephalon und Diencephalon. £ Ventrikel. Im Verlauf der Ontogenese verän-

dern die Hohlräume der Bläschen ebenso ihre Gestalt. Der Zentralkanal des Rückenmarks setzt sich kranial in den Ventriculus rhombencephali (quartus) fort, der durch 2 laterale Öffnungen, Aperturae laterales (Luschkae), und eine median liegende Öffnung, Apertura mediana (Magendii), mit dem äußeren Liquorraum verbunden ist. Der IV. Ventrikel geht rostral in den Hohlraum des Mittelhirnbläschens über, welcher sich zum späteren Aquaeductus cerebri röhrenförmig verengt und schließlich in den Ventriculus tertius des späteren Dienzephalons mündet. Der Ventriculus tertius ist beiderseits über das Foramen interventriculare (Monroi) mit dem rechten und linken Seitenventrikel, Ventriculi laterales, verbunden (s. Kap. 5.3.3, S. 441).

£ Hemisphärenwachstum. In vorwiegend fron-

totemporaler Wachstumsrichtung führt es zur ausgedehnten Bogenform der Seitenventrikel. Hierdurch reicht das Vorderhorn in den Frontallappen hinein, der zentrale Bereich in den

späteren Scheitellappen, das Hinterhorn in den Hinterlappen und das Unterhorn in den Schläfenlappen (s. u. und Abb. 5.73). £ Scheitelbeuge, Nackenbeuge (s. Abb. 5.10, 11). Nach Ausbildung der sekundären Hirnbläschen beginnt sich die Gehirnanlage zu krümmen. In der dritten Embryonalwoche entsteht im Bereich des Mittelhirnbläschens die Scheitelbeuge. Anschließend zeigt sich kaudal, am Übergang zwischen Rhombenzephalonbläschen und Rückenmark, die Nackenbeuge. Nur wenige Tage später kommt es ventral zwischen Scheitelbeuge und Nackenbeuge zu einer weiteren Krümmung, der Brückenbeuge. Hier bildet sich später der Pons. Hirnteile 1. Myelencephalon. Aus dem Myelencephalon entwickelt sich die Medulla oblongata, die sich ohne klare Begrenzung an das Rückenmark anschließt. Jedoch sind im verlängerten Mark weiße und graue Substanz anders angeordnet: Im Bereich des IV. Ventrikels kommt es nicht zu einer dorsalen Vereinigung der Flügelplatten, so dass die im Hinterhorn des Rückenmarks liegenden somato- und viszerosensiblen Kerngebiete im Myelencephalon nicht dorsal, sondern lateral liegen. Die aus der Bodenplatte

5.1 Baueinheiten und Morphogenese des Zentralen Nervensystems

Kleinhirnplatte Metencephalon

Scheitelbeuge

Scheitelbeuge Mesencephalon

Myelencephalon Nackenbeuge

Diencephalon Medulla spinalis

Telencephalon Augenblasenstiel

Brückenbeuge

365 Isthmus Kleinhirnplatte Metencephalon Myelencephalon

Mesencephalon Corpus pineale Diencephalon Hemisphärenblase Telencephalon

Nackenbeuge Sulcus limitans Medulla spinalis Lamina Infundi- Brückenterminalis bulum beuge

Abb. 5.10: Krümmung der Gehirnanlage bei der Entwicklung vom 3-Bläschen- zum 5-Bläschenstadium unter Ausbildung der Scheitel-, Brücken- und Nackenbeuge. Modell des Gehirns eines menschlichen Embryos von 7,8 mm Scheitel-Steiß-Länge (Lateral- und Medianansicht nach F. Hochstetter)

Medulla spinalis

Abb. 5.11: Modell des Gehirns eines Embryos von 19,4 mm ScheitelSteiß-Länge (Mediansagittalschnitt nach F. Hochstetter)

entstehenden somato- und viszeromotorischen Kerngebiete, welche im Rückenmark ventral liegen, finden sich im Myelencephalon demgemäß am weitesten medial. Dieses Prinzip hilft auch beim Einprägen der topographischen Lage der Hirnnervenkerne. 2. Metencephalon. Aus dem Metencephalon entsteht dorsal die Kleinhirnanlage, die aufgrund der Brückenbeuge ihre besondere Form ausbildet. Zunächst entwickelt sich das Kleinhirn, Cerebellum, beidseitig aus den Flügelplatten. Die Zellen wachsen einerseits in Richtung des späteren vierten Ventrikels, andererseits mit der größten Massenzunahme nach dorsal. Die beiden zerebellären Anlagen vereinigen sich dorsal in der Mittellinie und bilden den späteren Wurm, Vermis. Die lateral gelegenen Hemisphären zeigen zunehmend tiefe Einkerbungen, Fissurae, zwischen denen sich die für das Kleinhirn typischen Foliae erheben (Abb. 5.12). Somit entwickelt sich sowohl in der

Hemisphäre als auch im Vermis ein stark gefalteter Cortex cerebelli mit darunterliegenden subkortikalen Kerngruppen. Am rostrobasalen Rand des Metenzephalons entsteht der Pons, in dem sich die Brückenkerne, Nucll. pontis, befinden. Dort werden später Fasern aus dem Cortex cerebri in das Cerebellum umgeschaltet. Diese Axone aus dem Pons bilden dann beiderseits den Brückenarm, Pedunculus cerebellaris medius, aus. Im Boden des IV. Ventrikels entwickelt sich die Brückenhaube, Tegmentum pontis. Dieser Bereich grauer Substanz gliedert sich später in Kerngebiete der Hirnnerven und in die Formatio reticularis. 3. Mesencephalon. Aus dem Mesencephalon entwickeln sich Tectum und Tegmentum. Aus der Flügelplatte entsteht das Tectum mit den rostrokranial gelegenen Colliculi superiores und den kaudodorsal gelegenen Colliculi inferiores. Die Colliculi superiores stellen später wichtige Zentren für visuelle Reflexe und die Colliculi inferi-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

366 Lobus anterior (Palaeocerebellum)

Fissura prima Fissura prima Lobus caudatus Nodulus

Fissura secunda

Lobus medius (Neocerebellum) Lobus flocculonodularis (Archicerebellum) Palaeocerebellum Archicerebellum

Culmen

Fissura prima Declive

Neocerebellum

Folium Tuber

Lobulus centralis Lingula

Pyramis Nodulus Uvula

Fissura secunda

Fissura posterolateralis

Abb. 5.12: Ontogenese des Kleinhirns (nach K. Zilles 1994)

ores Umschaltstationen für das auditorische System dar. Ebenso entstehen Neurone um den Aquaeductus mesencephali, die das zentrale Höhlengrau bilden, aus der Flügelplatte. Aus der Grundplatte entsteht das Tegmentum mesencephali als rostrale Fortsetzung des Tegmentum pontis, das die Kerngebiete der oberen motorischen Hirnnervenkerne (Nucl. n. oculomotorii und Nucl. n. trochlearis) enthält. Aus dem Tegmentum gliedern sich der Nucl. ruber und die Substantia nigra nach rostral ab. Die noch weiter rostral liegenden Hirnstiele, Pedunculi cerebri, wachsen mit Zunahme der Faserverbindungen zwischen Cortex cerebri und Rückenmark ans Tegmentum an und treten in die Brücke ein. Dabei bilden die absteigenden Fasern aus dem Vorderhirn den Brückenfuß, Pes pedunculi, während die hinteren Anteile dieser Fasern durch das Tegmentum verlaufen, welches sowohl absteigende als auch aufsteigende Fasern enthält. 4. Diencephalon. Oberhalb des Mesenzephalons ist der Sulcus limitans (Abb. 5.13) noch als Sulcus hypothalamicus sichtbar. Aus der dienzephalen Grundplatte entstehen dann der Subthalamus (der spätere Ncl. subthalamicus) und der Hypothala-

mus. Dort befinden sich später Kerngebiete des autonomen Nervensystems. Aus der Flügelplatte geht als größter Anteil des Dienzephalons der Thalamus (dorsalis) hervor. Er entwickelt sich in der Wand des III. Ventrikels zeitgleich mit der Ausreifung des Cortex cerebri. In der zweiten Schwangerschaftshälfte lassen sich im Thalamus Kerngruppen abgrenzen, die sich parallel mit der Reifung spezifischer kortikaler Funktionen entwickeln. Am lateralen Rand der Deckplatte entsteht eine dritte Zwischenhirndach mit Ependym (= Tela choroidea)

Ventriculus tertius

Epithalamus Thalamus

Sulcus hypothalamicus

Neuroektoderm Hypothalamus

Abb. 5.13: Querschnitt durch das Diencephalon mit Epithalamus (dorsal), Thalamus (Flügelplatte/lateral) und Hypothalamus (Grundplatte/basal)

5.1 Baueinheiten und Morphogenese des Zentralen Nervensystems

Wachstumszone, aus der sich später der Epithalamus bildet. Hier entstehen der Nucl. habenularis und die Epiphyse. Sie liegt als unpaares Organ in der Mediansagittalebene. Etwa in der dritten Embryonalwoche wächst aus dem dorsobasalen Thalamusbereich (dem späteren Pulvinar) das Augenbläschen zur Linsengrube des Gesichts heran und bildet den Augenstiel aus. Der Augenstiel stülpt sich dort zum Augenbecher ein, dessen inneres Blatt durch die Zellen der späteren Netzhaut, Retina, gebildet wird. Der Augenstiel verlängert sich und wird zur Leitstruktur für die Fasern des N. opticus (vom Auge bis zum Chiasma) bzw. des Tractus opticus (vom Chiasma bis zum Thalamus). Durch das nach lateral gerichtete Wachstum thalamischer und hypothalamischer Areale des Randbereichs ensteht die spaltförmige Öffnung des III. Ventrikels. Nach kranial ist er nur von einer dünnen Ependymschicht und von mesodermalen Zellen bedeckt, die sich als Plexus choroideus in den dritten Ventrikel einstülpen. Der rostrale Abschluss des dritten Ventrikels ist die Lamina terminalis, eine dünne Schicht prosenzephalen Gewebes an der Stelle des vormaligen Neuroporus anterior. Aus der

367

Bodenplatte des Dienzephalons, dem Hypothalamus, wachsen im weiteren Verlauf der Entwicklung auch das Infundibulum und die Neurohypophyse sowie die Corpora mamillaria aus. 5. Telencephalon, Cortex. Im Bereich des Telenzephalons kommt es in den lateralen Abschnitten zur stärksten Massenzunahme des ZNS, wobei im erwachsenen Gehirn die Hirnrinde, Cortex cerebri, den größten Teil der anderen Hirnteile überdeckt. Hierbei lassen sich 3 Wachstumsrichtungen unterscheiden: nach rostral, lateral und dorsal. Die bei weitem größte Zunahme an kortikalen Zellen führt in rostraler Wachstumsrichtung zur Ausbildung des späteren Frontallappens. Besonders beim Menschen imponiert die Umschließung der späteren Insel und die Wachstumsausrichtung nach rostrobasal. Hierdurch trifft sich der untere Frontallappenanteil später mit dem rostralen Pol des Temporallappens. In dorsaler Richtung entwickelt sich der Okzipitallappen (Abb. 5.14). Der laterozentrale Anteil der Hemisphäre bleibt im Wachstum zurück und bildet später die Insel, Insula. Sie wird von rostralen, kranialen und dorsalen Anteilen der sich entwickelnden Hemisphäre überwachsen: Operkularisation.

Lobus frontalis

Bulbus olfactorius Sulcus lateralis (Sylvii) Cerebellum

Truncus encephali

Abb. 5.14: Schematische Darstellung der Überwachsung der Inselrinde (Operkularisation) durch Vergrößerung des Cortex cerebri. Entwicklung des Polus frontalis, occipitalis et temporalis der Gehirnhemisphäre (nach K. Zilles 1994)

368

Entwicklung der Oberfläche 1. Phyologenese des Cortex. Auf der basalen Oberfläche entsteht als ältester Teil der Hirnrinde der Palaeocortex (von gr. palaios = alt, s. Kap. 5.2.5.1, S. 395), aus dem sich schon sehr früh eine leichte Verdickung bildet, die sich zum Riechkolben, Bulbus olfactorius, entwickelt. Aus dem zentralen Anteil jeder Hemisphäre entsteht durch laterales Wachstum der Parietal- und Temporallappen, dessen basale Anteile (die spätere Area entorhinalis und der Hippocampus) sich als früheste Strukturen entwickeln und demnach als Archicortex bezeichnet werden (oder: Archipallium, gr. archaios = uranfänglich, alt). Alle sich später entwickelnden Hirnrindenteile werden dem Neocortex (Neopallium, gr. neos = neu, jung) zugerechnet. Der Neocortex ist einheitlich sechsschichtig und wird auch als Isocortex bezeichnet. Der phylogenetisch ältere Palaeo- und Archicortex zeigt eine heterogene Schichtung und wird deshalb als Allocortex bezeichnet. 2. Sulzifizierung und Entwicklung der Gyri. Eine weitere Größenzunahme der kortikalen Oberfläche ergibt sich durch Einfaltung, Sulzifizierung, und die dazwischen liegenden Windungen der Hirnrinde, Gyri. Als erste Kortexfurche wird der Sulcus lateralis cerebri zwischen Frontal- und Temporallappen sichtbar. Danach erscheint die Zentralfurche, Sulcus centralis, als Grenze zwischen Lobus frontalis und parietalis (s. Abb. 5.20). Auf der medialen Seite bilden sich zwei weitere tiefe Furchen, der Sulcus parietooccipitalis als Grenze zwischen Lobus parietalis und Lobus occipitalis, und der Sulcus calcarinus (Abb. 5.15). Am Ende des 1. Trimenons haben Gehirn und Rückenmark im wesentlichen schon die adulte Gestalt angenommen. Auffallend ist die relativ zum Endzustand überproportionale Größe der Ventrikelräume zu diesem Zeitpunkt. Mit der Reifung der Fasersysteme nimmt deren Lumen auf das adulte Maß ab.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

5.1.5

Entwicklung der weißen Substanz

Lernziele: Myelinisierung des Marklagers, Entwicklungsstörungen £ Myeliniserung. Die Entwicklung der weißen

Substanz erfolgt später als die Entwicklung der grauen Substanz und ist eng mit der funktionellen Reifung der Fasersysteme verknüpft. Die Myelinisierung der Axone beginnt erst im 3. Trimenon der Schwangerschaft und setzt sich postnatal in den ersten beiden Lebensjahren fort. Die Zunahme des Hirngewichts beruht dann weitgehend auf diesem Vorgang. Im Rückenmark verdicken sich die auf- und absteigenden Leitungsbahnen, wobei die phylogenetisch älteren Bahnsysteme des Hirnstamms früher reifen als die jüngeren kortikalen Bahnsysteme, die der Willkürmotorik dienen. £ Fasersysteme. Die meisten Fasern bilden sich als Verbindungen innerhalb einer Hemisphäre (Assoziationsfasern) oder zwischen den beiden Großhirnhemisphären (kommissurale Fasern) aus. Projektionsfasern, die den Cortex mit anderen Hirnteilen (z. B. dem Pons) verbinden, bilden den kleinsten Anteil und konvergieren in der inneren Kapsel, Capsula interna. Die kommissuralen Fasern stellen die nächst größere Gruppe dar und bilden in der Mittellinie den Balken, das Corpus callosum, aus. Die menschliche Hirnrinde zeichnet sich besonders durch große Masse an Assoziationsfasern aus. Alle 3 myelinisierten Fasersysteme (s. Kap. 5.2.5, S. 395) bilden zusammen das subkortikale Marklager, welches sich zwischen dem Cortex, den Telenzephalonkerngebieten und den Ventrikeln erstreckt. Im Cerebellum entwickelt sich verhältnismäßig wenig weiße Substanz, RechtsLinks-Verbindungen (kommissurale Fasern) zwischen den Kleinhirnhemisphären fehlen. Klinik: Die seltene kongenitale Balkenagenesie kann partiell oder komplett vorkommen und mit Läsionen (z. B. umschriebenen Tumoren, Blutungen oder degenerativen Prozessen) benachbarter Strukturen, wie der gürtelförmigen Windung, Gyrus cinguli, oder der durchscheinenden Scheidewand, Septum pellucidum, vergesellschaftet sein. Häufig sind Patienten mit

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

ausgedehntem oder in seltenen Fällen auch vollständigem Balkenmangel klinisch unauffällig. Es können jedoch Symptome wie psychomotorische Verlangsamung, epileptische Anfälle, mentale Retardierung, Störungen der Okulomotorik, motorische Koordinationsstörungen und Liquorzirkulationsstörungen auftreten. £ Postnatale Entwicklung, Hirngewicht. Auch

nach Abschluss der Morphogenese kommt es noch während der Schwangerschaft, Säuglings- und Kleinkindzeit zur weiteren Reifung

5.2

von Gehirn und Rückenmark. Dieser Vorgang besteht aber nachgeburtlich nicht wesentlich in der Zunahme der Anzahl, sondern in der Ausbildung der typischen Nervenzellmorphologie und synaptischer Strukturen. Dendritenwachstum, die Ausbildung langstreckiger Verbindungen, die Myelinisierung und die Zunahme des Extrazellularraums bringen das Gehirn auf seine adulte Größe. Es wiegt beim Erwachsenen etwa 1,1–1,3 kg (absolutes Hirngewicht) oder 20 g pro kg Körpergewicht (relatives Hirngewicht).

Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

Lernziele: Makroskopische Gliederung des ZNS, Großhirn in situ, Facies superolateralis, Facies medialis, Facies basalis; Lappengliederung, systematische und innere Gliederung des ZNS, CCT- und MRT-Schichtungen

5.2.1

369

Hirnteile und Achsen

Forel- und Meynert-Achse (Abb. 5.15, 16). Es ist allgemein üblich, sich zur Kennzeichnung der Lagebeziehungen des Großhirns auf die Forel-Achse

zu beziehen, die die Längsachse des Vorderhirns bildet. Für die Lage des Hirnstamms bezieht man sich auf die Meynert-Achse. Sie stellt eine Gerade dar, die in der Mediansagittalebene am Boden des IV. Ventrikels und durch das kraniodorsale Gefälle dieses Ventrikels verläuft. Die Richtungsbezeichnungen in diesem Kapitel sind daher im Einklang mit dieser Achseneinteilung so gewählt, dass für das Gehirn einschließlich der Medulla oblongata („am stehenden Patienten“) rostral = vorn, kranial = oben, dorsal = hinten und basal = unten bedeuten sollen. Beim Rückenmark wird hier dagegen weit-

IV. Ventrikel

Abb. 5.15: Mediansagittalschnitt des Gehirns. Die einzelnen Hirnteile sind farbig gekennzeichnet: Telencephalon = gelb; Diencephalon = blau; Mesencephalon = punktiert; Metencephalon = grün; Myelencephalon = gestrichelt

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

370

gehend ventral = vorn, dorsal = hinten und kaudal = unten verwendet.

rostral dorsal rostral

basal

Me.

al

ventr

al kaud

Abb. 5.16: Richtungsbezeichnungen im Gehirn: Endhirnachse = Forel-Achse (Fo) und Hirnstammachse = Meynert-Achse (Me)

5.2.2 Die äußere Gestalt des Großhirns Das Gehirn in situ. Das Gehirn liegt mit seinen Hirnhäuten (s. Kap. 5.3.2, S. 433) der Schädelbasis auf, so dass zahlreiche Windungen auf der Innenseite der Basis cranii als Eindrücke, Impressiones gyrorum, sichtbar werden. Den Hirnfurchen entsprechen einzelne Knochenerhebungen, Juga cerebralia. Diese finden sich nur am Dach der Augenhöhle, Orbita, und dem vorderen Abschnitt der mittleren Schädelgrube. Die Schädelkalotte ist innen, bis auf die Sulci arteriosi, glattwandig. Somit passt sich die Schädelform der Gehirnform an. Nach Entnahme aus der Schädelhöhle unterscheidet man 3 Ansichten des Gehirns: 1. die Ansicht von oben und seitlich, Facies superolateralis hemispherii cerebri (die Konvexität),

Subduralraum

Abb. 5.17: Facies superolateralis hemispherii cerebri. Ansicht des Gehirns von kranial nach Entfernung der Schädelkalotte und Abheben der Dura mater. Blick auf die Arachnoidea mater

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

2. die Ansicht von medial, Facies medialis hemispherii cerebri, 3. die Ansicht von basal, Facies inferior hemispherii cerebri (die Hirnbasis).

5.2.2.1 Ansicht von oben und seitlich (Facies superolateralis hemispherii cerebri) Von kranial betrachtet, erscheint das Gehirn als Ellipsoid mit einem Stirn- (Polus frontalis oder rostralis) und einem Hinterhauptspol (Polus occi-

371

pitalis). Median wird das Telencephalon durch die Fissura longitudinalis cerebri in die beiden Hemisphären geteilt (Abb. 5.17). Der Hemisphärenspalt wird durch eine Duraduplikatur, die Hirnsichel, Falx cerebri, eingenommen. Diese Falx stellt eine wichtige Struktur bei der Kammerung der Schädelhöhle dar (Abb. 5.18). Klinik: Durch die transfalxiale Einklemmung (Herniation), welche durch Volumenzunahme

Falx cerebri Arteria pericallosa Genu corporis callosi Tela choroidea ventriculi tertii

Arteria cerebri anterior Area subcallosa

Adhaesio interthalamica

Anteil des Gyrus frontalis inferior

Splenium corporis callosi

Dura mater cerebri Schädelkalotte

Hirnstamm (in Höhe des Mesencephalon durchtrennt

Abb. 5.18: Strukturen der Mediansagittalebene (in situ-Präparat) nach Entfernung der linken Hemisphäre

Arteria pericallosa

= Gefäße durch Hirnsichel eingeklemmt Gyrus cinguli

Truncus corporus callosi Falx cerebri (eröffnet)

Genu corporus callosi

Splenium corporis callosi

Arteria cerebri anterior

Fornix

Septum pellucidum

Epiphysis

Area subcallosa Recessus opticus

Lamina tecti

Chiasma opticum Infundibulum Recessus infundibularis

Abb. 5.19: Transfalxiale Einklemmung

Corpus mamillare Tegmentum

Aquaeductus mesencephali

Abb. 5.20: Gehirn von der rechten Seite (Lateralansicht)

Gyrus temporalis inferior

Gyrus frontalis medius

372 5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

(z. B. bei Hirntumoren oder Massenblutungen) des Gehirns bedingt wird, können Anteile des Gyrus cinguli unter der Hirnsichel, Falx cerebri, eingeklemmt werden. Hierbei werden leicht Äste der A. cerebri anterior gequetscht, so dass neurologische Ausfälle in ihrem Versorgungsgebiet (z. B. eine beinbetonte Hemiparese) auftreten können, obwohl der ursprüngliche pathologische Prozeß nicht dort lokalisiert ist (Abb. 5.19). Seitlich gesehen wird die enorme Massenentwicklung des menschlichen Großhirns besonders deutlich. Es überlagert sämtliche anderen Hirnteile. Nur die nach ventral weisende Brücke, Pons, das nach ventral weisende verlängerte Mark, Medulla oblongata, und das sich dorsal erstreckende Kleinhirn, Cerebellum, bleiben sichtbar. Eine horizontal verlaufende, tiefe Spalte, die Fissura transversa cerebri, trennt die Hinterhauptslappen des Großhirns vom Kleinhirn (Abb. 5.20).

373

Tentorium cerebelli. Dieses wird durch die am Zeltfirst angewachsene Falx cerebri etwas emporgehoben und seitlich zwischen Felsenbeinkante und Sinus transversus aufgespannt (Abb. 5.18). Das Tentorium lässt einen relativ engen Schlitz, die Incisura tentorii, offen, der nach rostral vom Keilbein, Os sphenoidale, begrenzt wird. Durch den Tentoriumschlitz tritt das Mesencephalon hindurch. Der verbleibende enge Zwischenraum ist die einzige Kommunikationsmöglichkeit zwischen den mit Nervenwasser, Liquor cerebrospinalis, gefüllten Subarachnoidealräumen oberhalb und unterhalb des Tentoriums: Supra- und infratentorieller Raum.

Tentoriumschlitz. Die Fissura transversa reicht tief nach rostral ins Gehirn hinein und trennt das Telencephalon vom Diencephalon ab. Deshalb wurde sie früher auch als Fissura telencephalicodiencephalis bezeichnet. Diese Spalte wird von einem Durablatt eingenommen, dem Kleinhirnzelt:

Klinik: 1. Durch raumfordernde supra- wie infratentorielle Prozesse kann es zum Hervortreten von Hirnteilen in den Tentoriumschlitz, Protrusion, und somit zur Tentoriumeinklemmung kommen. Hierbei sind insbesondere Uncus und Gyrus parahippocampalis betroffen (s. Abb. 5.21 und auch Abb. 5.77). 2. Als Folge können eine Verlegung des Aqueductus mesencephali, Aquäduktstenose, sowie eine Mittelhirnkompression auftreten. Wenn in diesem Stadium keine Möglichkeit zur neurochirurgischen Entlastung besteht, ist die Prognose für den Patienten infaust.

A. cerebri post. dextra Schnürfurche

Uncus Tentorium cerebelli

Mittellinienverlagerung ausgeprägter Substantia nigra raumfordernder Prozess

Einklemmung in den Tentoriumschlitz (Mittelhirneinklemmung)

belassener Tentoriumrand Schnittkante hämorrhagische Nekrosen im kontralateralen Hirnschenkel (Kernohans-Syndrom)

Nucleus ruber Gyrus parahippocampalis

Einklemmung von Kleinhirntonsillen in das Foramen magnum

sekundäre Mittellinienblutungen

Schnürfurche des Tentorium mit abgeknickten Gefäßen a

b

Abb. 5.21: Einklemmungen bei Hirndruck; a) schematisierter Frontalschnitt und b) Darstellung nach einem pathologisch-anatomischen Präparat, Ansicht von kaudal, links wurde ein Teil des Tentoriums belassen; Einklemmung des Mesenzephalons in den Tentoriumschlitz (nach P. Duus, 1990)

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

374

Mantelkante. Der Übergang von der Facies superolateralis zur Facies medialis wird als Mantelkante (lat. Pallium = Mantel) bezeichnet, wobei der Begriff „Hirnmantel“ ein älterer Name für den Cortex cerebri ist. Zieht man die Hemisphären auseinander, sieht man in der Tiefe des mittleren Abschnittes eine weiße Struktur, den Hirnbalken, das Corpus callosum. Er verbindet die beiden Hemisphären und stellt die größte Kommissur dar. Rostral und dorsal liegen die Hemisphären vollständig isoliert voneinander vor. Die gräuliche Oberfläche des Gehirns lässt die zahlreichen Windungen, Gyri cerebri, erkennen, welche durch Furchen, Sulci cerebri, begrenzt werden. Hauptfurchen (Abb. 5.22). Nur wenige Furchen und Windungen weisen eine konstante Lage auf. Es besteht nicht einmal eine Symmetrie zwischen den beiden Hemisphären eines Individuums. Aus Übersichtsgründen ist es jedoch wichtig, einige Hauptfurchen zu kennen. So sind aus der Vielzahl der Oberflächenstrukturen 2 besonders tiefe und charakteristische Furchen hervorhebenswert. Die Zentralfurche, Sulcus centralis (Rolandii), teilt eine Hemisphäre in ihre rostrale und ihre dorsale Hälfte und grenzt den Stirn-, Lobus frontalis, vom Scheitellappen, Lobus parietalis, ab (s. Abb. 5.15). Die Zentralfurche wird rostral von der vorderen

Polus frontalis

Zentralwindung, Gyrus praecentralis, und dorsal von der hinteren Zentralwindung, Gyrus postcentralis, eingefasst. Die Zentralfurche, Sulcus centralis, trennt die motorische Rinde des Gyrus praecentralis von der somatosensiblen Rinde des Gyrus postcentralis. Die Scheitelhinterhauptsfurche, Sulcus parietooccipitalis (s. Abb. 5.22), liegt nahe dem Hinterhauptspol. Sie grenzt den Hinterhauptslappen, Lobus occipitalis, vom Scheitellappen ab und zieht an der Medianfläche der Hemisphäre zur Vogelspornspalte, dem Sulcus calcarinus, hinab (s. Abb. 5.15). Die funktionelle Bedeutung dieser beiden Sulci liegt darin, dass der überwiegende Teil der Sehrinde von ihnen eingegrenzt wird. Der Rest des visuellen Cortex befindet sich in den beiden benachbarten Windungen (s. Kap. 5.4.2). Die Zentralfurche, der Sulcus centralis, läuft von okzipitodorsal nach rostrobasal. Nach basal wird er durch die seitliche Furche, den Sulcus lateralis (Sylvii), begrenzt, der den Temporal- vom Frontalund Parietallappen abtrennt. Er weist einen langen, nach dorsal ziehenden Ast, Ramus posterior, einen aufsteigenden Ramus ascendens sowie einen nach

Sulcus parietooccipitalis

Ramus ascendens

Ramus posterior

Incisura praeoccipitalis

Abb. 5.22: Schematische Seitenansicht des Gehirns. Stirnlappen (gelb): G. fr. s. = Gyrus frontalis superior; G. fr. m. = Gyrus frontalis medius; G. fr. i. = Gyrus frontalis inferior; G. pr. = Gyrus praecentralis Schläfenlappen (grün): G. t. s. = Gyrus temporalis superior; G. t. m. = Gyrus temporalis medius; G. t. i. = Gyrus temporalis inferior Scheitellappen (weiß): L. p. s. = Lobulus parietalis superior; G. sm. = Gyrus supramarginalis; G. a. = Gyrus angularis; G. po. = Gyrus postcentralis Hinterhauptslappen (blau)

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

rostral weisenden Ramus anterior auf. Der Sulcus lateralis erweitert sich nach medial zur Fossa lateralis. Spreizt man den Sulcus lateralis, so findet man in der Tiefe die Inselregion, Insula (Reili) oder Lobus insularis. Insula (Abb. 5.23). Die Insel (s. auch Abb. 5.16, 29 und 47) hat ungefähr die Form eines Dreiecks und wird auf allen Seiten vom Sulcus circularis insulae begrenzt, der lediglich am Limen insulae fehlt. Über diesen Sulcus circularis insulae geht der Inselkortex in die Rinde der Opercula über. Der durch die Insel hindurchziehende Sulcus centralis insulae trennt einen rostralen von einem basalen Abschnitt ab. Am Limen insulae geht die Inselregion ins Riechhirn, Rhinencephalon, über. Während der Ontogenese wurde die Inselregion von Stirn-, Scheitel- und Schläfenlappen überlagert und ist zum Zeitpunkt der Geburt bereits in der Tiefe verschwunden. Die frühen vergleichenden Anatomen sahen hier eine Analogie zum Kiemendeckel der Fische (Operculum), so dass nun das Operculum frontale (rostrale), das Operculum pari-

375

etale und das Operculum temporale unterschieden werden. Klinik: Auf der Innenseite des Operculum temporale liegen von außen unsichtbar die Heschl-Querwindungen, die einen großen Anteil der Hörrinde ausmachen. Die Funktion des Insellappens ist bisher kaum verstanden. Elektrophysiologische Untersuchungen legen jedoch nahe, dass es sich hier um einen Teil des viszerosensiblen Cortex handelt. Bei neurochirurgischen Eingriffen am Temporallappen (etwa zur Therapie der Ammonshornsklerose) muss beachtet werden, dass in der Tiefe der Fossa lateralis cerebri zwischen Insel und Opercula die mittlere Hirnarterie, A. cerebri media, verläuft. Ihre Äste treten im Sulcus lateralis an die Oberfläche und strahlen von dort über die Facies superolateralis aus (s. Abb. 5.74, 75). Durch den Sulcus lateralis wird der Stirnlappen vom Schläfenlappen abgegrenzt. Der Ramus posterior wird vom Gyrus supramarginalis umfasst (s. Abb. 5.20).

     Polus frontalis Operculum frontale

Gyri temporales transversi (= Heschl-Querwindungen)

Abb. 5.23: Insula Reili, Opercula auseinandergedrängt bzw. abgeschnitten

376

Klinik: Bei einer Läsion im Bereich des Gyrus supramarginalis, besonders der rechten Hemisphäre, kann das Gefühl für den eigenen Körper verlorengehen, was als Asomatognosie bezeichnet wird. Isoliert können auch Fingeragnosien oder eine Rechts-Links-Desorientierung auftreten, die meist Folge linksparietaler Läsionen sind (s. Kap. 5.4.10.2, S. 531). Der Ramus anterior und der Ramus ascendens unterteilen die angrenzende untere Stirnwindung, den Gyrus frontalis inferior (s. Abb. 5.20, 22). Der Sulcus parietooccipitalis zieht von der Facies medialis hemispherii cerebri herüber, kerbt die Mantelkante ein und setzt sich teilweise auf die Facies superolateralis fort. Hierdurch werden Scheitel- und Hinterhauptslappen getrennt. Die Verlängerung dieser Linie zur präokzipitalen Einkerbung wird dementsprechend Incisura praeoccipitalis genannt. An dieser Stelle steht das Gehirn mit der Felsenbeinpyramide in unmittelbarem Kontakt. Insgesamt lassen sich die durch Furchen abgrenzbaren Hirnlappen (gedanklich) in die Schädelhöhle projizieren, wodurch der Stirnlappen, Lobus frontalis, in der vorderen Schädelgrube, Fossa cranii anterior, der Schläfenlappen, Lobus temporalis, in der mittleren Schädelgrube, Fossa cranii media, und der Hinterhauptslappen, Lobus occipitalis, auf dem Kleinhirnzelt, Tentorium cerebelli, zu liegen kommt. Der Scheitellappen, Lobus parietalis, wird von der Schädelkalotte bedeckt (s. Kap. 4.3.1, S. 191).

5.2.2.2 Die Lappen des Telencephalon £ Stirnlappen, Lobus frontalis. In der Seiten-

ansicht wird der Lobus frontalis (s. Abb. 5.22) von den Sulci centralis et lateralis abgegrenzt. Der Sulcus praecentralis verläuft im Frontallappen parallel zum Sulcus centralis und besteht gewöhnlich aus den Sulci praecentrales superior et inferior. Gemeinsam begrenzen Sulcus centralis und praecentralis die vordere Zentralwindung, den Gyrus praecentralis. Vom Sulcus praecentralis abgehend, verlaufen die obere und untere Stirnfurche, die Sulci frontales superior et inferior, nach rostral. Hierdurch unterteilen sie die drei parallelen Stirnwindungen, die Gyri

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

frontales superior, medius et inferior. Die obere Stirnwindung geht auch in die Facies medialis cerebri über. Die untere Stirnwindung wird durch die Rami anterior et ascendens des Sulcus lateralis in drei Teile abgegrenzt, die Partes opercularis, triangularis et orbitalis. Basal liegt der Frontallappen dem Orbitadach als orbitofrontaler Cortex auf, wobei seine Windungen unregelmäßig verlaufen. An seiner medialen Seite wird vom Gyrus orbitalis durch den Sulcus orbitalis der Gyrus rectus abgetrennt. An der Basalseite findet sich auch der Bulbus olfactorius (Abb. 5.26). £ Scheitellappen, Lobus parietalis. Der Schei-

tellappen wird rostral durch den Sulcus centralis und dorsal durch den Sulcus parietooccipitalis sowie die präokzipitale Einkerbung abgegrenzt. Nach basal besteht eine Begrenzung durch den Ramus posterior sulci lateralis. Die dorsale Zentralfurche, Sulcus postcentralis, verläuft parallel zum Sulcus centralis und begrenzt mit diesem die dorsale Zentralwindung, den Gyrus postcentralis. Anschließend trennt sich der Sulcus postcentralis in den Sulcus postcentralis superior und den Sulcus postcentralis inferior auf. Der Sulcus postcentralis inferior geht meistens in den Sulcus intraparietalis über, der annähernd horizontal nach dorsal zieht. Durch ihn wird der Scheitellappen weiter in den Lobulus parietalis superior et inferior geteilt (s. Abb. 5.22). Der Lobulus parietalis inferior besteht aus 2 konkaven Windungen, dem rostralen Gyrus supramarginalis und dorsalen Gyrus angularis. Sie umfassen jeweils das Ende des Ramus posterior sulci lateralis und der oberen Schläfenfurche, des Sulcus temporalis superior.

Klinik: Bei einer Läsion im Bereich des linken Gyrus angularis sind die Patienten in vielen Fällen nicht mehr über die räumliche Stellung ihres Körpers oder über die Beziehung einzelner Körperteile zueinander orientiert. £ Schläfenlappen,

Lobus temporalis. Der Schläfenlappen wird vom Ramus posterior sulci lateralis bzw. dessen Verlängerung nach dorsal von Stirn- und Scheitellappen abgeteilt (s. Abb. 5.22). Die Grenze zum Lobus occipitalis bildet eine gedachte Linie, die vom Sulcus parietooccipitalis zur basalen Mantelkante verläuft. Der

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

Lobus temporalis weist 2 parallele Furchen, die Sulci temporales sup. et inf., und 3 Windungen auf: die Gyri temporales superior, medius et inferior. Der an den Sulcus lateralis und an die in der Tiefe liegende Insel angrenzende Gyrus temporalis superior weist auf seiner den Stirnund Scheitellappen zugewandten Fläche meist 3 konstante, auf die Insel schräg zulaufende Querwindungen auf, die Gyri temporales transversi (Heschl). Diese werden erst bei Spreizung des Sulcus lateralis sichtbar und stellen zusammen mit der Außenfläche des Gyrus temporalis superior das primäre Hörzentrum dar (s. Abb. 5.23). Klinik: Eine pathologische Destruktion des primären Hörzentrums führt zur seltenen kortikalen Taubheit. Sogar ihr einseitiger Ausfall macht sich in Hörstörungen auf beiden Ohren bemerkbar, da sich die Hörbahn von einem Ohr ausgehend zur Rinde beider Hemisphären erstreckt. Die kortikale Taubheit ist oft die Folge eines zweiten Schlaganfalles in der anderen Hemisphäre. Sie kann aber auch bei einer Enzephalitis oder einem schweren Schädel-HirnTrauma auftreten. An der basalen Mantelkante liegt der Gyrus temporalis inferior, der von der Sulci temporalis inferior et occipitotemporalis abgegrenzt wird. Es besteht eine Nachbarschaftsbeziehung zum Gyrus occipitotemporalis lateralis. Im Polus temporalis, an der Spitze des Unterhorns des Seitenventrikels, befindet sich auch der Mandelkern, das Corpus amygdaloideum. Weiter basal liegt die Hippokampus-Formation als Vorwölbung im Unterhorn des Seitenventrikels. Beide Strukturen gehören zum Limbischen System (s. Kap. 5.4.10.1, S. 521). £ Hinterhauptslappen, Lobus occipitalis. Der

Lobus occipitalis (s. Abb. 5.22) ist der kleinste der Hirnlappen. Gegen Scheitel- und Schläfenlappen wird er auf der Medianfläche durch die Fissura parietooccipitalis und auf der Facies superolateralis durch deren Verlängerung nach basal abgegrenzt. Aufgrund ihrer starken Variabilität werden die lateralen Windungen als Gyri occipitales laterales zusammengefaßt. Der auf der Medianfläche tiefe Sulcus calcarinus (s. Abb. 5.15, 24) greift in einzelnen Fällen als Varietät um den Okzipitalpol herum. Er buchtet sich als Calcar avis in das Hinterhorn des Sei-

377

tenventrikels (s. Abb. 5.25 und Kap. 5.3.3, S. 441). Im Hinterhauptslappen liegt der visuelle Cortex mit den Areae 17, 18 und 19 nach Brodmann (s. Kap. 5.4.2.4). Basal befinden sich die Gyri occipitotemporales lateralis et medialis. Sie werden je zur Hälfte dem Schläfenlappen und dem Hinterhauptslappen zugerechnet.

5.2.2.3 Ansicht von medial (Facies medialis hemispherii cerebri) Balken, Corpus callosum. Auf der Medianansicht des Gehirns (s. Abb. 5.24) erkennt man zentral, unter der Großhirnhemisphäre gelegen, eine große, von rostral nach dorsal verlaufende weißliche Struktur, den Hirnbalken oder das Corpus callosum. Der Balken verbindet beide Großhirnhemisphären über kommissurale Fasern und wird durch den Mediansagittalschnitt durchtrennt. Der Balken beginnt mit dem schiffsbugartigen „Schnabel“, Rostrum, geht über das Knie, Genu, in den Stamm, Truncus, über, um dorsal mit einem Wulst, Splenium, zu enden. Das Rostrum setzt sich in die Lamina terminalis fort, welche die dünne rostrale Wand des ehemaligen Prosenzephalonbläschens darstellt. Im adulten Hirn bildet sie die Vorderwand des III. Ventrikels und trägt das Organum vasculosum, das zu den zirkumventrikulären Organen (s. Kap. 5.4.11.3, S. 548, Abb. 5.138) gezählt wird. Die Sehnervenkreuzung, Chiasma opticum, ist mit ihr verwachsen. Gewölbe, Fornix. Basal des Corpus callosum verläuft ein noch stärker gekrümmter Bogen, das Gewölbe, der Fornix. Er erscheint makroskopisch ebenfalls als weiße Substanz und wölbt sich über den III. Ventrikel (Abb. 5.24). Er beginnt im Temporallappen als Fimbria hippocampi und endet an einem weißlichen Höcker der Basalfläche des Gehirns, dem Corpus mamillare der jeweiligen Hirnhälfte. Von dort verläuft er als Säule, Columna fornicis, nach oben, um sich bogenförmig nach dorsal zu wenden. Schließlich legt er sich als Corpus fornicis an die Unterfläche des Balkens an (Abb. 5.24). Der Schenkel des Gewölbes, Crus fornicis, ist auf der Medianansicht nicht erkennbar, da er nach laterobasal in die Tiefe des Temporallappens verläuft, um zum Unterhorn des Seitenventrikels zu gelangen. Insgesamt ist der basale Anteil der Columna fornicis von der grauen Substanz des Hypothalamus überdeckt und wird deshalb auch als

378

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark Sulcus centralis

Sulcus calcarinus Cingulum Corpus fornicis

Genu corporis

Sulcus hypothalamicus Lamina terminalis

Abb. 5.24: Medianansicht mit langen Assoziationsfasern (Cingulum) nach Entfernung des Gyrus cinguli

Pars tecta columnae fornicis bezeichnet. Demgegenüber ist die Pars libera columnae fornicis auf der Medianansicht gut zu erkennen. „Durchscheinende Scheidewand“, Septum pellucidum. Zwischen Corpus callosum und Fornix spannt sich rostral eine dreieckige, dünne, weißliche Platte, das Septum pellucidum, aus. Es bildet die mediale Wand beider Seitenventrikel und besteht oft aus 2 Lamellen, die eine schlitzartige Höhle, das Cavum septi pellucidi einschließen (Abb. 5.25). Basal des Septum pellucidum, welches keine Neurone enthält, liegen die Septumkerngebiete des basalen Telencephalons. Sie stellen Schaltstellen des Limbischen Systems dar (s. Kap. 5.4.10.1, S. 521). III. Ventrikel, Ventriculus tertius. Er reicht rostral bis zum Chiasma opticum und dorsal bis zum Aquaeductus mesencephali. Der III. Ventrikel gehört zum Diencephalon und trennt die rechte und die linke Zwischenhirnhälfte (s. Kap. 5.3.3, S. 441).

Gyri und Sulci. Oberhalb des Balkens verläuft parallel von rostral nach dorsal der Sulcus cinguli (Pars subfrontalis). Die Rinde von der Mantelkante bis zum Sulcus cinguli gehört dem Gyrus frontalis superior (Abb. 5.22) an. Der Lobulus paracentralis umfasst das die Mantelkante einkerbende Ende des Sulcus centralis und gehört zu den Gyri prae- et postcentrales. Letzterer ist schon Teil des Lobus parietalis, der auf der Facies medialis dorsal vom Gyrus cinguli parietalis ein großes Gebiet, den Praecuneus, ausbildet. Der Sulcus cinguli begrenzt von kranial den Gyrus cinguli (Abb. 5.15, 24, 41), der basal durch den Sulcus corporis callosi vom Balken getrennt ist. Gyrus cinguli. Die bogenförmige Windung erstreckt sich im Frontal- und Parietallappen parallel oberhalb des Corpus callosum. Im Temporallappen geht er in den Gyrus parahippocampalis über. Diese beiden Gyri bilden mit dem Hippocampus den limbischen Cortex aus (s. Kap. 5.4.10.1). Im Marklager des Gyrus cinguli verläuft eine lange Assoziationsbahn, das Cingulum (lat. Gürtel, zur Funktion s. Kap. 5.2.5, S. 395, sowie Abb. 5.24 und 5.43). Unterhalb des Balkenknies besteht

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

Fissura longitudinalis cerebri Teile des Genu corporis callosi Äste der Vena thalamostriata Columna fornicis Thalamus dorsalis (Lamina affixa) Lobus insularis

379

Vena septi pellucidi

Caput nuclei caudati Cavum septi pellucidi Insula Commissura fornicis (Schnittkante) Vena choroidea Crus fornicis

Lobus temporalis Pars centralis ventriculi lateralis

Glomus choroideum Sulcus calcarinus

Tela choroidea ventriculi tertii

Cornu posterius ventriculi lateralis Calcar avis

Venae cerebri internae

Lobus occipitalis

Abb. 5.25: Die Seitenventrikel sind mit einem Horizontalschnitt durch die Hemisphäre eröffnet; das Septum pellucidum und der Fornix sind nach Wegnahme des Balkens freipräpariert

eine Verbindung des Gyrus cinguli mit der Area subcallosa (Abb. 5.18), die rostral unmittelbar an den Gyrus paraterminalis grenzt. Im Anschluss an das dorsale Balkenende (Splenium corporis callosi) verdünnt sich der Gyrus cinguli zum Isthmus gyri cinguli und verschmilzt mit dem Gyrus lingualis zum Gyrus parahippocampalis (s. Abb. 5.42 und 5.118). Der Gyrus parahippocampalis schlägt rostral in einen konvexen Bogen um, welcher als Uncus bezeichnet wird (s. Abb. 5.77). Hier lassen sich kleine Vorwölbungen erkennen, nämlich der Gyrus uncinatus, der Gyrus intralimbicus und das Uncusbändchen (Limbus Giacomini).

Indusium griseum. Zur balkennahen Region der Hirnoberfläche zählt auch eine dünne Schicht grauer Substanz, die als grauer Schleier, Indusium griseum, bezeichnet wird. Das Indusium griseum stellt ein Relikt des (phylogenetisch alten) Archicortex dar und liegt dem Balken dorsal auf. Medial und lateral wird das Indusium durch zwei feine Längswülste verdickt, die Striae longitudinales medialis et lateralis (Lancisii). Balkenferne Strukturen. Die balkenfern gelegenen Hirnwindungen gehören zum (phylogenetisch neuen) Neopallium (s. Kap. 5.1.4). Hierzu zählt der Gyrus frontalis superior, der durch die Mantelkante und die Gürtelfurche, Sulcus cinguli, begrenzt wird. Seine dorsale Begrenzung wird durch den senkrecht nach basal verlängerten Sulcus

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

380

centralis gebildet. Der Gyrus paracentralis läuft um den Sulcus centralis herum bzw. stellt in einer hakenartigen Form die Verbindung zwischen den Gyri prae- et postcentrales her. Zum Scheitellappen wird das rostral des Sulcus parietooccipitalis gelegene, annähernd viereckige Feld gerechnet, das als Praecuneus bezeichnet wird. Die Fortsetzung der ursprünglichen Verlaufsrichtung des Sulcus cinguli nach dorsobasal wird Sulcus subparietalis genannt. Dorsal des Sulcus parietooccipitalis beginnt der Okzipitallappen. Sulcus calcarinus. Die schnabelförmige Furche zieht vom Okzipitalpol nach rostral und trifft dort im spitzen Winkel auf den Sulcus parietooccipitalis. Das von beiden eingeschlossene, keilförmige Rindengebiet wird als Cuneus bezeichnet. Auf der Facies inferior hemispherii cerebri gehören noch die Anteile des Gyrus occipitalis medialis et late-

ralis dem Hinterhauptslappen an. Sie liegen in situ dem Tentorium cerebelli auf.

5.2.2.4 Ansicht von basal (Facies inferior hemispherii cerebri) Den 3 Schädelgruben der Basis cranii interna entsprechen 3 Erhebungen, welche sich auf der Hirnbasis ausmachen lassen: der Stirnlappen, der Schläfenlappen und die Kleinhirnhemisphären. Frontallappen, Lobus frontalis. In der vorderen Schädelgrube liegen die Stirnlappen getrennt durch die Fissura longitudinalis cerebri. Der basale Frontallappen ist in seiner medialen Hälfte regelmäßiger strukturiert als in seiner lateralen (Abb. 5.26). Der

Polus frontalis Fissura longitudinalis cerebri Gyrus rectus Sulci et gyri orbitales Polus temporalis Chiasma opticum Infundibulum Pons N. abducens Pyramis Flocculus cerebelli Sulcus lateralis anterior Oliva Nervi vagus et glossopharyngeus Cerebellum Polus occipitalis

Abb. 5.26: Ansicht des Gehirns von basal (Facies inferior hemispherii cerebri); Hypophyse entfernt

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

381

Gyrus rectus wird entlang der Mantelkante von der Fissura longitudinalis cerebri und lateral vom Sulcus olfactorius begrenzt, in dem der Bulbus olfactorius liegt.

zusammengefasst. Die Gyri und Sulci der orbitofrontalen Hirnrinde modellieren das Orbitadach durch Ausbildung der Impressiones gyrorum und der Juga cerebralia.

Bulbus und Tractus olfactorius. Im Bulbus olfactorius enden die Fila olfactoria, welche als Afferenzen von der Riechschleimhaut der Nase einmünden und in ihrer Gesamtheit als erster Hirnnerv, N. olfactorius, bezeichnet werden (s. Kap. 5.4.4). Nach dorsal verbreitert sich der Tractus olfactorius zu einem dreieckigen Feld: Trigonum olfactorium. Es wird lateral von zwei weißen Streifen eingefaßt, der Stria olfactoria medialis und lateralis, wobei die Stria olfactoria medialis in den Gyrus paraterminalis und die Stria olfactoria lateralis über das Limen insulae in den Uncus ausläuft. Die Striae olfactoriae umgreifen die Substantia perforata anterior (Abb. 5.97), durch die Blutgefäße in die Hirnbasis eintreten. Die lateral an den Sulcus olfactorius grenzenden Windungen und Furchen werden als Gyri und Sulci orbitales

Schläfenlappen, Lobus temporalis. Er liegt in der mittleren Schädelgrube dem großen Keilbeinflügel und der Felsenbeinpyramide auf, wodurch über das Tegmen tympani eine enge Nachbarschaftsbeziehung zur Paukenhöhle besteht. Klinik: 1. Durch die engen Nachbarschaftsbeziehungen des Schläfenlappens zum Mittelohr können entzündliche Prozesse von dort aus auf das Gehirn übertreten (z. B. kann ein bakterieller Abszess im Mittelohr zur Meningoencephalitis führen). 2. Durch Stürze kommt es oft zu Felsenbeinfrakturen, die posttraumatische Meningitiden hervorrufen können. Das gilt insbesondere bei gleichzeitigem Liquor-/Blutaustritt aus dem Ohr (Otoliquorrhoe), der auf eine Fistel von der Cavitas cranii zur Außenwelt hinweist. Bulbus olfactorius

Septum pellucidum Thalamus Chiasma opticum Tractus opticus Infundibulum Hypophysis Corpus geniculatum laterale (CGL) Uncus Pons Nervus trigeminus Pedunculus cerebellaris medius Pyramis Pedunculus cerebellaris inferior Nervus hypoglossus Fissura mediana anterior

Insula Cavum septi pellucidi Lamina terminalis Tractus olfactorius Nervus opticus Nervus oculomotorius

Sulcus basilaris Nervus facialis Nervus vestibulocochlearis Oliva Medulla oblongata (Bulbus) Sulcus anterolateralis Decussatio pyramidum Medulla spinalis

Fila radicularia nervi cervicalis I

Abb. 5.27: Ansicht des Zwischen- und Mittelhirns (mit Hypophyse) von anterobasal; Zustand nach Entfernung des Cerebellum sowie des größten Teils der Großhirnhemisphären

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

382

Das viereckige Mittelfeld. Es wird rostral von den Frontallappen, lateral von den Schläfenlappen und dorsal vom Pons begrenzt und stellt den basalen Teil des Zwischen- und Mittelhirns dar (Abb. 5.27). Es liegt dem Clivus im mittleren Anteil der Fossa cranii media auf. Hier verlaufen die in rostrokranialer Richtung auseinander weichenden Hirnschenkel, Pedunculi cerebri, welche eine tiefe Grube begrenzen: die Fossa interpeduncularis. In den Boden dieser Grube, die vom Tegmentum gebildet wird, treten viele kleine Gefäße ein, so dass sie als Substantia perforata posterior bezeichnet wird. Rostral liegen die weißlichen Corpora mamillaria. Ihnen sind die graue Vorwölbung, das Tuber cinereum, und der Trichter, das Infundibulum, vorgelagert, der die Verbindung zur Hirnanhangdrüse, Hypophyse, darstellt (s. Kap. 5.4.11). Die Hirnanhangdrüse liegt eingebettet in der Fossa hypophysialis sellae turcicae. Bei präparatorischer Entnahme des Gehirns aus der Cavitas cranii reißt die Hypophyse meistens ab. Zur kontinuierlichen Darstellung ihrer Nachbarschaftsbeziehungen muss die Sella turcica zuvor eröffnet werden.

5.2.3 Systematische Gliederung des ZNS Aus dem oben Besprochenen ergibt sich die in Tabelle 5.1 zusammengefasste Gliederung der Abkömmlinge des Neuralrohrs. Weitere, zur systematischen Gliederung benutzte Begriffe sind die des Großhirns, der Basalganglien, des Hirnstamms und des Stammhirns, welche leider nicht immer einheitlich benutzt werden:

£ Großhirn. Im Allgemeinen werden hierunter

die beiden Hemisphären inklusive Cortex und Telenzephalonkerne verstanden. £ Basalganglien. Hierzu zählen die (meisten) subkortikalen Telenzephalonkerne, es werden aber auch einige Zwischenhirnkerne hinzugenommen. £ Hirnstamm. Hierzu gehören Mesencephalon, Pons sowie Medulla oblongata. £ Stammhirn. Dem Stammhirn werden Diencephalon, Mesencephalon und Rhombencephalon hinzugerechnet.

5.2.4 Zerebrale Computertomographie und Magnetresonanztomographie Lernziele: intravitale und postmortale Neuroanatomie; ZNS-Topographie in cCT- und MRTSchichtaufnahmen horizontaler, frontaler und sagittaler Orientierung Neuroanatomie in der Klinik. Das ZNS kann wegen der Strahlenabsorption der Schädelkalotte mit konventionellen Röntgenmethoden nicht dargestellt werden. Mit der Einführung der zerebralen Computertomographie (cCT) und der Magnetresonanztomographie (MRT) als neue bildgebende Verfahren ist es möglich geworden, detailreiche Schnittbilder des ZNS und der Schädelstrukturen zu erzeugen, was der Medizin völlig neue Dimensionen eröffnet hat. Für die Diagnostik verschiedener Erkrankungen des ZNS (einschließlich der häufigsten wie Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Bandscheibenvorfall) gehört heute die Arbeit mit diesen Schnittbildern zum klinischen Alltag.

Tabelle 5.1: Systematische Gliederung des ZNS Anlage Prosencephalon Mesencephalon Rhombencephalon Telencephalon Diencephalon Metencephalon Myelencephalon

Neuralrohr, kaudaler Abschnitt

Abschnitte des Ventrikelsystems I. und II. Ventrikel

III. Ventrikel

Aquaeductus cerebri

IV. Ventrikel

Canalis centralis

Wichtige Anteile Pallium (Cortex) Nucl. caudatus Putamen Pallidum, pars externa Hippocampus Amygdala

Epithalamus Lamina tecti Cerebellum Thalamus Nucl. ruber Pons Hypothalamus Substantia nigra Pallidum, pars interna Tegmentum

Medulla oblongata Hirnnervenkerne

Rückenmark

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

383

Foramen interventriculare (Monroi) Cornu ant. Ventriculus lateralis, ventriculi lat. Pars centralis Epiphysis

Aquaeductus mesencephali (Sylvii)

Deutsche Horizontale Ventriculus quartus Kanthomeatalebene Ventriculus tertius

Meatus acusticus externus

Cornu inf. ventriculi lat.

Abb. 5.28: Kanthomeatalebene und horizontale Schichtungsebenen 1–6 als Orientierungsschema für die folgenden Abbildungen

5.2.4.1 Intravitale versus postmortale Neuroanatomie: cCT und MRT Die neueren Methoden der Bildgebung haben Unterschiede zwischen der intravitalen und postmortalen Morphologie des ZNS dargestellt. Die Abgrenzung von grauer und weißer Substanz wird postmortal insbesondere im cCT unscharf. Im MRT fehlen dagegen die beim Lebenden sichtbaren Strömungssignale des Blutflusses. Des weiteren weisen postmortale MRT-Aufnahmen des in situ fixierten ZNS eine Vielzahl von Artefakten auf. Deshalb sind in vivo durchgeführte MRT-Aufnahmen als Schnittbildserien zur Darstellung der normalen ZNS-Morphologie geeigneter als solche des postmortalen Gehirns. Aus diesem Grund werden im folgenden Abschnitt makroskopische Schnitte fixierter Präparate in vivo-MRT- und -CT-Bildern gegenübergestellt. Deutsche Horizontale. Als Bezugsebene für CT- bzw. MRT-Schichtaufnahmen von Gehirn und Hirnnerven wird oft die Deutsche Horizontale gewählt. Sie bildet eine Tangente zum Boden der mittleren Schädelgrube und verbindet den Unterrand der Orbita mit dem Oberrand des

Meatus acusticus externus. Kanthomeatalebene. Für das cCT werden aus praktischen Gründen aber meist Schichtungen ausgewählt, die parallel zu einer Ebene verlaufen, welche vom äußeren Winkel des Augenlids, Canthus, zum Meatus acusticus externus gewählt wird. Schichtbilder parallel dieser Ebene schonen die Augenlinsen vor dem Strahlungseinfall (Gefahr der Kataraktbildung) und erfassen alle Teile des Gehirns mit relativ geringem Aufwand an Bildern (Abb. 5.28). Die Serienbilder dieses Abschnittes werden in folgender Ordnung beschrieben: Die Horizontalschichten von basal nach kranial, die Frontalschichten werden in der Reihenfolge von rostral nach dorsal (anterior-posterior, a.-p.) und die Sagittalschichten von medial nach lateral gezeigt. Insgesamt sind die Horizontalschichten in der Aufsicht von basal dargestellt, wir blicken also auf den mit den Füßen zu uns gerichteten, auf dem Rücken liegenden Patienten wie er vor uns im Tomographen läge. Die linke Körperhälfte erscheint somit in diesen Bildern immer rechts. Dies entspricht der üblichen Betrachtung des ZNS in der Bildgebung. 2 Überblicksdarstellungen jeder Schnittebene wer-

384

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark Gyrus frontalis superior Caput nuclei caudati

Thalamus mit Adhaesio interthalamica

mit Plexus choroideus

Splenum corporis callosi Sulcus calcarinus

4. Horizontalschicht (MRT), Schnittebene durch den basalen Lobus frontalis und die Basalganglien. (Die MRT-Schnittbilder dieser Atlasserie stammen sämtlich aus der Radiologischen Gem. Praxis in Coburg, Dr. med. J. Romahn, und sind hinsichtlich der Größenverhältnisse digital nachbearbeitet worden).

Abb. 5.29 Gyrus frontalis superior Gyrus frontalis medius Genu corporis callosi Caput nuclei caudati Septum pellucidum Capsula extrema Capsula interna, crus anterius Putamen

Globus pallidus Capsula interna, crus posterius Thalamus 4. Horizontalschicht (Frischpräparat), Schnittebene durch den basalen Lobus frontalis und die Basalganglien

Abb. 5.30

Splenium corporis callosi

Linsenkern

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

Abb. 5.31: Horizontalschichten 1–3: MRT und Frischpräparat

385

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

386

Caput nuclei caudati Columna fornicis

Ventriculus lateralis mit Plexus choroideus Splenium corporus callosi

Genu corporis callosi

5. Horizontalschicht, die Schittebene verläuft durch die beiden Seitenventrikel

Sulcus cinguli Gyrus praecentralis Sulcus centralis Gyrus postcentralis Ventriculus lateralis, pars centralis Centrum semiovale Splenium corporis callosi Gyri occipitales 6. Horizontalschicht, die Schnittebene durchläuft die Basalganglien, das Corpus callosum und den oberen Rand der beiden Seitenventrikel

Abb. 5.32: Horizontalschichten 4–6: MRT und Frischpräparat

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

387

den dem synoptischen Vergleich vorangestellt. Sie sollen die wichtigsten Strukturen benennen, die in den entsprechenden Ebenendarstellungen zu sehen sind, ohne dass hier schon MRT-Schichtaufnahmen und Frischpräparat parallelisiert worden sind.

und den Meatus acusticus internus. Die hintere Schädelgrube ist dicht oberhalb des Foramen occipitale magnum getroffen. Das Metencephalon (Brücke und Kleinhirn mit Tonsillen) ist angeschnitten.

5.2.4.2 Horizontale Schichten durch den Kopf

2. Schicht (Abb. 5.31). Sie liegt in Höhe der Orbita. Die Schnittebene trifft beide Temporallappen, kraniale Teile der Brücke, die oberen Kleinhirnstiele sowie den Lobus anterior cerebelli.

Horizontalschnitte (Abb. 29, 30). In der kernspintomograpischen Aufnahme 5.29 erscheint Wasser dunkel und Fett hell. Die myelinreiche weiße Substanz ist deshalb heller als die kortikalen und subkortikalen Kerngebiete, die mehr Neurone als myelinisierte Fasern enthalten. Der schwarze Saum um das Gehirn und in der Inselrinde entspricht dem mit Nervenwasser, Liquor cerebrospinalis, gefüllten äußeren Liquorraum, während die ebenfalls schwarzen Anschnitte der Ventrikel dem inneren Liquorraum entsprechen (s. Kap. 5.3, Abb. 5.69). Die bisher noch nicht besprochenen Funktionen der subkortikalen Kerngebiete (Nucleus caudatus, Putamen, Pallidum, Thalamus) sowie weiterer hier nur topographisch dargestellter Regionen und Strukturen werden später noch ausführlich erläutert. Entsprechend werden sich die folgenden Abbildungen erst im Laufe der Lektüre des gesamten Kapitels ganz erschließen. 1. Schicht (Abb. 5.31). Sie befindet sich am Unterrand der Orbita; das Cavum nasi ist getroffen. Die Schnittebene verläuft weiter durch das Felsenbein

3. Schicht (Abb. 5.31). Diese Schnittebene verläuft durch den Oberrand des Bulbus oculi und macht die Gyri recti lobi frontalis sichtbar, die mit dem Bulbus olfactorius über der Lamina cribrosa liegen. III. Ventrikel, Mesencephalon und Fissura transversa cerebri sind ebenfalls getroffen. 4. Schicht (Abb. 5.32). Sie zeigt den basalen Teil des Stirnlappens in der vorderen Schädelgrube, die Fissura longitudinalis cerebri, den Sulcus lateralis, die Insula, die Basalganglien, Temporal- und Okzipitallappen sowie dorsale Teile des III. Ventrikels, die vom Thalamus begrenzt werden. 5. Schicht (Abb. 5.32). Der kraniale Teil der Insel ist angeschnitten. Die Seitenventrikel, Partes centrales ventriculi lateralis, sind in typischer Größe und Form sichtbar. Die mediale Wand wird vom Septum pellucidum, die laterale Wand vom Nucl. caudatus gebildet. 6. Schicht (Abb. 5.32). In dieser Schicht erkennt man nur den Cortex und das Marklager (Centrum

DH

Kanthomeatalebene

Abb. 5.33: Kanthomeatalebene und senkrecht liegende, frontale Schichtungsebenen als Orientierung für die folgenden Abbildungen

388

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Cornu anterius Caput nuclei caudati Septum pellucidum Capsula interna, crus anterius Sulcus lateralis

2. Frontalschicht (MRT), Schichtebene durch das ventrale Corpuscallosum und das Chiasma opticum

Abb. 5.34 Gyrus frontalis superior Gyrus frontalis medius Corpus callosum, Truncus Ventriculus lateralis, Cornu anterius Caput nuclei caudati Septum pellucidum Gyrus frontalis inferior Lobus insularis Capsula interna, crus anterius Putamen Corpus callosum, Rostrum A. cerebri ant. Gyrus parahippocampalis 2. Frontalschicht (Frischpräparat), Schnittebene durch das ventrale Corpus callosum

Abb. 5.35

Gyrus rectus

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS Gyrus frontalis superior

1. Frontalschnitt, Schnittebene durch den Lobus frontalis Ventriculus lateralis, cornu anterius Caput nuclei caudati Capsula interna, crus ant. Putamen Gyrus rectus Gyrus parahippocampalis Polus temporalis 2. Frontalschicht, Schnittebene durch die Gyri recti (Hypophyse und Chiasma sind im Frischpräparat nicht dargestellt) Truncus corporis callosi Fornix Lobus insularis Putamen und Globus pallidus (Nucleus lentiformis) Ventriculus tertius Corpus amygdaloideum Ventriculus lateralis, cornu inferius 3. Frontalschicht, Schnittebene durch das Corpus amygdaloideum

Abb. 5.36

389

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

390

Ventriculus lateralis, pars centralis Thalamus

Hypothalamus Ventriculus tertius Substantia nigra Cisterna interpeduncularis Hippocampus Crus cerebri Pons 4. Frontalschicht, Schnittebene durch den Hippocampus Gyrus cinguli Ventriculus lateralis, pars centralis Pulvinar thalami Lamina tecti mesencephali Ventriculus quartus Cerebellum Pedunculus cerebelli sup. Tegmentum pontis 5. Frontalschicht, Schnittebene in Höhe des Mesenzephalons und des Pons

Cisterna venae cerebri magnae (Galeni) Lobus parietalis Ventriculus lateralis, cornu posterius Fissura transversa cerebri Sulcus calcarinus Vermis cerebelli Hemispherium cerebelli 6. Frontalschicht, Schnittebene durch Fossa cranii posterior, Lobus occipitalis und Cerebellum

Abb. 5.37

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

semiovale) der Hemisphären sowie die zentralen Teile der Seitenventrikel. Das Corpus callosum ist nur im mittleren Bereich getroffen, der am weitesten nach kranial reicht.

5.2.4.3

Frontale Schichten durch den Kopf

391

5.2.4.4 Sagittale Schichten durch den Kopf Sagittale Schnitte. Die Schichten verlaufen parallel zur Fissura longitudinalis (Abb. 5.38) und erlauben insbesondere im Mediansagittalschnitt eine gute Beurteilung auch der äußeren Ventrikelräume (Abb. 5.39, 40).

Frontale Schnitte. Sie führen senkrecht durch die Kanthomeatalebene (Abb. 5.33) und erlauben eine detailreiche Darstellung insbesondere des Telenzephalons (Abb. 5.34, 35). 1. Schicht (Abb. 5.36). Sie wird durch eine Schnittebene durch den Lobus frontalis gebildet. Das Corpus callosum ist noch nicht angeschnitten, aber der retrobulbäre Fettkörper der Orbita ist mitgetroffen. 2. Schicht (Abb. 5.36). Schnittebene durch die Gyri recti: In dieser Höhe sind der mittlere Anteil des Frontallappens sowie der Temporallappen mit angeschnitten. Im Zentrum des Schnitts sind die Basalganglien getroffen, an der Hirnbasis liegen die Area subcallosa und das Chiasma opticum. Im MRT-Bild ist die Hypophyse sichtbar. 3. Schicht (Abb. 5.36). Schnittebene durch das Corpus amygdaloideum: Hier sind Corpus callosum und Fornix sowie das Foramen interventriculare zwischen den Seiten- und dem III. Ventrikel getroffen. Außerdem sind die Seitenventrikel mit Mittelteil und Unterhorn sichtbar. 4. Schicht (Abb. 5.37). Schnittebene durch den Gyrus parahippocampalis und den Thalamus: Die Cisterna interpeduncularis und der Pons sind getroffen. 5. Schicht (Abb. 5.37). Schnittebene in Höhe des Mesenzephalons und des Pons: Die Commissura posterior ist sichtbar. Seitenventrikel mit Unterhorn sowie der Anfangsteil des Aquaeductus mesencephali sind zu erkennen. 6. Schicht (Abb. 5.37). Sie stellt eine Schnittebene durch die Fossa cranii posterior dar. Die Schnittebene führt durch den Cortex und das Marklager des Lobus occipitalis, in dem die Hinterhörner der Seitenventrikel zu sehen sind, sowie das Cerebellum. Das Tentorium cerebelli trennt vollständig den supra- vom infratentoriellen Raum ab.

Abb. 5.38: Facies superolateralis hemispherii cerebri mit 6 sagittalen Schichtungs- bzw. Schnittebenen (schematisch) als Orientierung für die folgenden Abbildungen

1. Schicht (Abb. 5.41). Die Schädelhöhle wurde in der Ebene der Crista galli und der Protuberantia occipitalis interna geschnitten, das Foramen magnum ist zu erkennen. Die Medianfläche des Gehirns sowie Furchen und Windungen des Telenzephalons sind sichtbar. Der III. Ventrikel, der Aquaeductus mesencephali, der IV. Ventrikel sowie die Mittellinienstrukturen des Dienzephalons und des Hirnstamms sind deutlich zu erkennen. 2. Schicht (Abb. 5.41). Der ca. 1 cm lateral von der Mediansagittalebene vorgenommene Schnitt liegt lateral der Fossa hypophysialis und stellt den Sinus cavernosus und das Foramen magnum dar. Rostraler und medialer Teil des Seitenventrikels sind

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

392

Sulcus centralis Corpus callosum Lipom (pathologischer Befund) Fornix

Lamina tecti, Aquaed. cerebri

1. Sagittalschicht (MRT) in der Mediansagittalebene (Liquorräume weiß, deshalb sind die Erweiterungen des Subarachnoidalraums, Zisternen, deutlich erkennbar)

Abb. 5.39 Sulcus centralis Corpus callosum Fornix Adhaesio interthalamica Commissura anterior Mesencephalon Corpus mamillare Chiasma opticum Ventriculus quartus Arbor vitae" cerebelli

"

Regio praepiriformis Pons 1. Sagittalschnitt (Frischpräparat) in der Mediansagittalebene

Abb. 5.40

Tractus olfactorius

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS Septum pellucidum Genu corporis callosi

Hypophysis et infundibulum Nervus opticus Pons 1. Sagittalschicht in der Mediansagittalebene

Medulla oblongata

Lobulus paracentralis Gyrus cinguli Truncus corporis callosi Caput nuclei caudati Sulcus parietooccipitalis Sulcus calcarinus Lamina tecti Tonsilla cerebelli 2. Sagittalschicht, Schnittebene ca. 1 cm lateral der Mediansagittalebene

Gyrus frontalis superior Sulcus parietooccipitalis Nucleus caudatus Thalamus Sulcus calcarinus Pons Cerebellum 3. Sagittalschicht, Schnittebene durch Sinus frontalis, Cellulae ethmoidales

Abb. 5.41

393

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

394

Gyrus praecentralis

retrobulbärer Fettkörper Hippocampus Gyrus parahippocampalis 4. Sagittalschicht, die Schnittebene liegt medial der Mittelebene des Bulbus oculi

Gyrus frontalis medius Lobus insularis Ventriculus lateralis, cornu inferius Gyrus temporalis superior Gyrus temporalis inferior Hemispherium cerebelli 5. Sagittalschicht, in dieser Schnittebene ist der Bulbus oculi lateral getroffen

Sulcus centralis Gyrus praecentralis Gyrus postcentralis Sulcus lateralis Lobus insularis Gyrus temporalis superior Gyrus temporalis inferior Kleinhirnhemisphäre

6. Sagittalschnitt, die Schnittebene liegt lateral der Orbita

Abb. 5.42

Os temporale, Übergang ins Cavum tympani

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

zu erkennen. Vom Hirnstamm sind die lateralen Anteile des Mesenzephalons getroffen. 3. Schicht (Abb. 5.41). Die Schnittebene verläuft durch die Siebbeinzellen und die mediale Orbita. Der Hirnstamm ist lateral der Mittellinie etwa in Höhe des Corpus geniculatum mediale getroffen. 4. Schicht (Abb. 5.42). Diese Schnittebene liegt medial der Mittelebene des Bulbus oculi. Es sind Cortex und Marklager des Telenzephalons deutlich, welche sich lateral von Cornu anterius und der Pars centralis ventriculi lateralis befinden. Die Nachbarschaftsbeziehungen zum Hippocampus, dem Corpus amygdaloideum und dem Unterhorn des Seitenventrikels sind zu erkennen. Im infratentoriellen Raum sind die Kleinhirnhemisphären angeschnitten. 5. Schicht (Abb. 5.42). Hier ist der laterale Anteil des Bulbus oculi angeschnitten worden; die Schädelbasis ist lateral der Sella turcica in der mittleren Schädelgrube getroffen. Der Insellappen ist tangential im Sulcus lateralis angeschnitten. 6. Schicht (Abb. 5.42). Diese Ebene liegt lateral der Orbita: Die Hirnrinde und das Cerebellum sind flach angeschnitten. Man erkennt die Gyri, die als Opercula den Sulcus lateralis umgeben.

5.2.5 Regionale Anatomie des Vorderhirns, Prosencephalon Lernziele: Endhirn, Palaeocortex, Mandelkernkomplex, Archicortex, Hippocampus, Basalganglien

5.2.5.1

Endhirn, Telencephalon

Das Endhirn bildet den weitaus größten Teil des menschlichen Gehirns, wobei die Hirnlappen große Teile des Zwischenhirns und des Hirnstamms überdecken. Sein Gewicht nimmt mehr als 80 % des gesamten Gehirns ein. Der größte Teil der grauen Substanz entfällt dabei auf den Cortex cerebri. Hinzu kommen die subkortikalen Kerngebiete (Nucl. caudatus, Putamen, Claustrum und Corpus amygdaloideum), die dem Cortex funktionell untergeordnet sind.

395

Palaeocortex Das Urhirn bildet die phylogenetisch älteste Rindenregion (s. Kap. 5.1.4, S. 363) des Telenzephalons, welches durch den Entwicklungsvorgang der Neenzephalisation (s. 5.4.10.2) auf die mediobasale Fläche des Temporallappens verlagert wurde. Es bildet mit seinen Strukturen vor allem das Riechhirn, Rhinencephalon (s. Kap. 5.4.4.2, S. 477). Die Rinden- und Kerngebiete des Palaeocortex bestehen aus folgenden Abschnitten: Bulbus et tractus olfactorius, Regio retrobulbaris, Regio praepiriformis, Regio periamygdalaris (Nucll. corticales des Mandelkernkomplexes), Septum pellucidum (zusammen mit den Regiones periseptalis et diagonalis), basales Vorderhirn, Mandelkernkomplex. £ Bulbus et tractus olfactorius. Der Bulbus olfac-

torius ist ein vorgeschobener Teil des Telenzephalons und liegt auf der Siebbeinplatte. Er ist die erste Verarbeitungsstation der Geruchsinformation aus den Nn. olfactorii. Dorsal schließt sich der Tractus olfactorius an, der im Sulcus rectus nach hinten zieht und sich kurz vor der Substantia perforata anterior in die Striae olfactoriae lateralis und medialis aufteilt. £ Regio retrobulbaris. Sie umfasst gering entwickelte Rindengebiete im Bereich des Tractus olfactorius, die dorsal in den Cortex praepiriformis übergehen. £ Regio praepiriformis. Der Cortex praepiriformis, vereinfachend Cortex piriformis genannt, liegt um die Stria olfactoria lateralis und in vorderen Teilen des Gyrus ambiens (s. unten) am Übergang der basalen Gehirnoberfläche auf den medialen Temporallappen (s. Abb. 5.40). Dorsal grenzt er an den Cortex periamygdaloideus. Diese dreischichtigen Kortexareale gehören zum olfaktorischen Cortex (s. Kap. 5.4.4.2, S. 477). Die topographische Nähe der Regio praepiriformis zum medialen Vorderhirnbündel (s. Kap. 5.4.10.1) bekräftigt die These, dass es sich um ein wichtiges Verbindungszentrum olfaktorischer Afferenzen zum Hypothalamus handelt, welches an der Modulation emotionaler Zustände beteiligt ist: So bewirkten elektrophysiologische Reizversuche bei den Versuchstieren tachykarde und hypertone

396

Reaktionen und es traten eine gesteigerte Peristaltik des Magen-Darm-Trakts sowie sympathotone Reaktionen hinsichtlich Atemfrequenz, Salivation und Pupillomotorik auf. £ Regio periamygdalaris. Basal des Mandel-

kerns liegen auf der medialen Oberfläche des Temporallappens 2 Windungen, Gyrus ambiens und Gyrus semilunaris, die allerdings nur am fetalen Gehirn und bei Tieren mit ausgeprägtem Geruchssinn (Makrosmatiker) regelmäßig klar abgegrenzt werden können. Der Gyrus semilunaris entspricht der Außenfläche des Nucl. corticalis des Corpus amygdaloideum (s. unten). Im Gyrus ambiens schließt sich dorsal an den Cortex praepiriformis der Cortex periamygdaloideus an, ein Kortexareal, das von Teilen des Mandelkerns vorgewölbt wird. Einige Autoren verwenden den Begriff Cortex periamygdaloideus allerdings auch synonym mit Nucl. corticalis. Die rein deskriptive Bezeichnung Lobus piriformis für den vorderen Teil des Gyrus parahippocampalis sollte nicht mit dem Cortex praepiriformis gleichgesetzt werden. Sie bezieht im Allgemeinen zusätzlich den Cortex periamygdaloideus und die Area entorhinalis (s. unten) mit ein. £ Septum pellucidum. Die mediale Wand der Vorderhörner beider Seitenventrikel wird vom Septum pellucidum gebildet, das vorwiegend aus Gliazellen besteht. Dieses verbreitert sich in Richtung Hirnbasis und geht unterhalb des Rostrum corporis callosi, noch vor der Commissura anterior, beiderseits in die Septumkerngebiete über, die auf der Medianfläche der Hemisphäre den Gyrus paraterminalis vorwölben. Diese Kerngebiete, Area septalis oder einfach Septum genannt, werden in eine mediale, eine laterale und eine basale Kerngruppe unterteilt. Zur medialen Kerngruppe zählt der Nucleus striae diagonalis, der eingebettet ist in die Stria diagonalis, das Broca-Diagonalband, das von der Unter- auf die Medianfläche des Gehirns umbiegt. Die basale Kerngruppe wird zur Pars basalis telencephali, dem basalen Vorderhirn, gerechnet, das zwar nicht vollständig zum Palaeocortex gehört, hier aber wegen der Topographie beschrieben wird. £ Basales Vorderhirn. Die Kerngebiete der Pars basalis telencephali liegen beiderseits unter den Fasern der Commissura anterior (s. Abb. 5.69). Basal grenzen sie an die Hemisphären-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

oberfläche im Bereich der Substantia perforata anterior, also zwischen dem Ende des Tractus olfactorius rostral, dem Tractus opticus medial und dem Uncus des Temporallappens lateral (s. Abb. 5.26, 51, 97). Kranial und rostral dieser Kerngebiete liegen das Vorderhorn des Seitenventrikels, das medial vor der Commissura anterior bis zum Septum herunterreicht, und die vordersten Anteile von Nucleus caudatus und Putamen. Letztere verschmelzen hier zum Nucleus accumbens, der unterhalb der Spitze des Seitenventrikels topographische Beziehung zu den lateralen Septumkernen gewinnt, weshalb er Nucleus accumbens septi genannt wurde (lat. accumbere: anlagern). Direkt oberhalb der Commissura anterior liegen hier auch rostrale Anteile des Globus pallidus und der Capsula interna. Dorsomedial schließen sich an das basale Vorderhirn die hypothalamischen Kerngebiete an, während basolateral am Übergang in den Temporallappen Beziehungen zum Mandelkern (s. u.) bestehen. Den zentralen Bereich des basalen Vorderhirns nimmt die nur vage definierte Substantia innominata (Reichert) ein, die aus mehreren Lamellen grauer Substanz besteht. Das auffälligste Kerngebiet innerhalb dieser Region stellt der Nucleus basalis Meynert dar. Dieser Kern besteht aus mehreren Gruppen großer cholinerger Neurone und ist beim Menschen besonders voluminös (s. Abb. 5.121). Außerdem liegen hier in die Stria diagonalis eingebettete Zellgruppen. £ Der Mandelkernkomplex, Corpus amygdaloideum, kurz: Amygdala. Das Corpus amygdaloideum liegt nahe dem Polus temporalis an der Spitze des Unterhorns des Seitenventrikels und an der medialen Fläche des Lobus temporalis und damit unterhalb von Putamen und Globus pallidus. Es besteht aus einer medialen Rindenregion im Bereich des Gyrus semilunaris (Nucl. corticalis) und einem lateralen Kernanteil, der an der Oberfläche den Cortex periamygdaloideus vorwölbt. Subnuclei der Amygdala. Der Mandelkernkomplex wird in mehrere Unterkerne gegliedert, in den oberflächlich gelegenen Nucl. corticalis, den Nucl. centralis, den Nucl. basalis sowie in den Nucl. lateralis. Aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen kann man diese Unterkerne in 2 Kategorien fassen, in die phylogenetisch ältere kortikomediale Gruppe (Nucl. cortica-

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

lis, Nucl. centralis) und in die phylogenetisch jüngere basolaterale Gruppe (Nucl. basalis, Nucl. lateralis). Dabei empfängt die kortikomediale Gruppe afferente olfaktorische Fasern des Bulbus olfactorius und stellt außerdem das Ursprungsgebiet der Stria terminalis dar. Die basolaterale Gruppe besitzt Faserverbindungen zum präpiriformen und entorhinalen Cortex und damit zum Limbischen System (s. Abb. 5.115 und 5.120). Kürzlich wurden auch Verbindungen zur Sehbahn postuliert. Archicortex und Periarchicortex Die Rinden- und Kerngebiete des Archiund Periarchicortex bestehen aus folgenden Abschnitten: 1. Archicortex Hippocampus retrocommissuralis (Subiculum, Cornu ammonis, Gyrus dentatus), Hippocampus supracommissuralis (rudimentär), Hippocampus praecommissuralis (rudimentär). 2. Periarchicortex Regio entorhinalis (Area 28 nach Brodmann), Regio praesubicularis, Regio cingularis. Hippocampus. Durch Zunahme des Größenwachstums des Neocortex wurden Gyrus dentatus, Cornu ammonis (Hippocampus proprius) sowie das Subiculum, die gemeinsam als Hippocampus bezeichnet werden, in den Temporallappen hineinverlagert. Der Begriff Hippokampusformation schließt zusätzlich Anteile des Gyrus parahippocampalis (Area entorhinalis) mit ein. Die Hippokampusformation stellt einen zentralen Abschnitt des Limbischen Systems dar (s. Kap. 5.4.10.1) und ist für bestimmte Gedächtnisfunktionen essentiell. Zum Neocortex hin wird der Hippocampus von einer breiten Übergangszone, dem Periarchicortex, umgeben. Dieser umgebende Ring wird vom Gyrus cinguli, dem Isthmus gyri cinguli und vom Gyrus parahippocampalis gebildet (s. Abb. 5.36). Die Grenze zum Neocortex wird dorsal durch den

397

Sulcus cinguli und basal durch den Sulcus collateralis markiert. 1. Archicortex £ Hippocampus

(retrocommissuralis). Der Hippocampus besteht aus Cornu ammonis, Gyrus dentatus (auch Fascia dentata genannt) und Subiculum. Er stellt beim Menschen eine ausgeprägte Vorwölbung des medialen Bodens des Cornu inferius ventriculi lateralis dar (s. Kap. 5.3, S. 433). Die Rinde des Gyrus parahippocampalis geht in die des Subiculum über, und diese wiederum in die Zellschichten des Cornu ammonis, welche sich einrollen und in den Ventrikel vorwölben. Aus ihnen geht die Fimbria hippocampi hervor, die den Beginn des Fornix darstellt. Der Gyrus dentatus (so bezeichnet wegen seiner gezähnelten Oberfäche im Sulcus hippocampi) wird zentral von einer Körnerzellschicht gebildet, die kappenartig auf dem Zellband des Cornu ammonis liegt (s. Abb. 5.122 und 123). Der Gyrus dentatus geht dorsal in den Gyrus fasciolaris über, wodurch er Kontakt zum Indusium griseum bekommt. Der Gyrus parahippocampalis läuft rostral in den Uncus aus, der vor dem Hirnstamm nach medial vorspringt. Besonders auf Frontalschnitten (s. Abb. 5.36) ist die Struktur des Hippocampus gut zu erkennen. Das griechische Wort hippokampos bedeutet „Seepferdchen“, dessen Ähnlichkeit zur eingerollten Struktur dieses Teils des Limbischen Systems betont werden soll. Gleichfalls beschreibt das lateinische Wort Cornu ammonis den Widderhorn-artig gedrehten Verlauf von Fornix und Hippocampus (die ägyptische Gottheit Ammon wurde mit Widderhörnern dargestellt).

£ Hippocampus supra- et praecommissura-

lis. Aus dem retrokommissuralen Teil geht in Höhe des Splenium corporis callosi der aus dem Indusium griseum und den Striae longitudinales bestehende rudimentäre Hippocampus supracommissuralis hervor (s. Abb. 5.124). Er zieht über den Balken hinweg nach rostral, um im Bereich des Balkenknies in den ebenfalls rudimentären Hippocampus praecommissuralis überzugehen. Diese Relikte beschreiben die phylogenetische Wanderung des Hippocampus in den Temporallappen.

398

2. Periarchicortex £ Regio entorhinalis. Sie liegt lateral des Hip-

pocampus (retrocommissuralis) sowie medial des Neocortex im Gyrus parahippocampalis und wird dem Periarchicortex zugezählt. Sie entspricht dem Brodmann-Areal 28 (s. Kap. 5.4.10.2, Abb. 5.127 und 128) und grenzt rostromedial an den Mandelkernkomplex . Die laterale Begrenzung wird vom temporalen Neocortex als Gyrus occipitotemporalis medialis bestimmt. Zwischen beiden Strukturen liegt der Sulcus rhinalis. Medial geht die entorhinale Rinde in die des Subiculum über, welche sich ihrerseits in das Pyramidenzellband des Cornu ammonis fortsetzt (Abb. 5.122). Der entorhinale Cortex stellt wegen seiner vielfältigen Nachbarschaftsbeziehungen und Verbindungen mit weiten Bereichen des Neocortex und des Limbischen Systems ein sehr wichtiges Integrationszentrum für multimodale sensorische Informationen dar. Dabei bestehen enge Verbindungen zum Limbischen System. £ Regio praesubicularis, Praesubiculum. Es bildet eine Übergangszone zwischen der Area entorhinalis und dem Subiculum des Hippocampus. Es ist ebenfalls als eine wichtige Relaisstation für die Fasern des Gyrus cinguli zur Area entorhinalis anzusehen, wodurch es funktionell zum Limbischen System und insbesondere zum Papez-Neuronenkreis gerechnet wird (s. Kap. 5.4.10.1, S. 521) £ Regio cingularis. Die balkennahen Anteile des Gyrus cinguli werden zum Periarchicortex gerechnet. Von der eigentlichen Area cingularis werden nach rostral die Area subcallosa und nach dorsal die hinter dem Splenium corporis callosi gelegene Area retrosplenialis abgegrenzt. Aufgrund ihrer morphologischen Nachbarschaftsbeziehungen und Verbindungen wird diesen Arealen eine funktionelle Vermittlerrolle zwischen dem Neocortex und dem Archicortex zugesprochen.

5.2.5.2 Basalganglien, Nuclei basales Lernziele: Nucl. caudatus, Striatum, Putamen, ventrales Striatum, Nucl. accumbens, Globus pallidus und Claustrum.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Als Basalganglien, Nucll. basales, bezeichnet man die großen grauen Kerngebiete, die sich in der weißen Substanz des Telenzephalons befinden. Sie stehen anatomisch, funktionell und pathologisch in enger Beziehung zueinander. Definition. Zu den Basalganglien zählen zunächst als Abkömmlinge des Ganglienhügels des Telenzephalonbläschens der Globus pallidus lateralis, der Nucl. caudatus, das Putamen, das Corpus amygdaloideum und das Claustrum. Funktionell (klinisch) werden zu den Basalganglien noch weitere Anteile des Extrapyramidalmotorischen Systems (s. Kap. 5.4.7.5.1, S. 497) gezählt: der Globus pallidus medialis und der Nucl. subthalamicus, die beide Derivate des Dienzephalonbläschens darstellen, sowie die Substantia nigra (s. Abb. 5.18, 31 und 52) und der Nucl. ruber als Derivate des Mesenzephalonbläschens. £ Schweifkern (Schwanzkern), Nucl. caudatus.

Dieser schwanzförmige Kern beschreibt einen Halbbogen in der Wand des Seitenventrikels, wobei sein Kopf, das Caput nucl. caudati, als rundliche, von Ependym bedeckte Vorwölbung die laterale Wand des Cornu anterius ventriculi lateralis einbuchtet (s. Abb. 5.32, 34, 35). Nach dorsal verjüngt er sich zum Körper, Corpus nucl. caudati, und legt sich als Schwanz, Cauda nucl. caudati, lateral an den Thalamus an. In der Rinne, die sich so zwischen Nucl. caudatus und Thalamus in der Wand der Pars centralis des Seitenventrikels ausbildet, verlaufen die Striae terminales (Verbindungen zwischen Amygdala und Hypothalamus) sowie die V. thalamostriata. Im Unterhorn des Seitenventrikels biegt der Nucl. caudatus nach rostrobasal in den Temporallappen ein, so dass er in Frontalschnitten stellenweise zweimal getroffen wird. Die Schwanzspitze des Nucl. caudatus gelangt rostral bis an den Mandelkernkomplex heran (s. Abb. 5.36). £ Streifenkörper, Corpus striatum. Als Corpus striatum (kurz: Striatum) werden traditionell der Nucl. caudatus und das Putamen (s. Abb. 5.47), in neuerer Zeit auch der Nucl. accumbens (als ventrales Striatum) und das Tuberculum olfactorium pars striata zusammengefasst. Der Name Streifenkörper leitet sich aus dem makroskopischen Aspekt alternierender Streifen weißer Faserbündel und grauer Kerngebiete ab. Das Putamen und der Nucl. caudatus sind im

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

rostralen Bereich miteinander verbunden und nur stellenweise von Fasern der Capsula interna getrennt. Gemeinsam werden sie auch als Neostriatum bezeichnet, weil sie ein phylogenetisch jüngeres, dem Neocortex zugeordnetes Kerngebiet darstellen. Sie bilden das wichtigste Zentrum für die Steuerung der Extrapyramidalmotorik, in das außerdem noch der Globus pallidus mit einbezogen ist (s. Kap. 5.4.7.5, S. 496). Klinik: 1. Schädigung und Atrophie des Striatum treten u.a. beim Morbus Huntington auf. Diese Erbkrankheit entsteht v. a. durch einen ausgeprägten degenerativen Verlust von Projektionsneuronen im Striatum. 2. Etwa in der Lebensmitte kommt es in zunehmendem Maße zu unwillkürlichen, choreatiformen (tanzenden) Bewegungen, die auch mit Veränderungen der Persönlichkeit und progredienter Demenz verbunden sind. £ Schale, Putamen. Es liegt lateral des Caput

nucl. caudati und medial der Capsula externa, die das Putamen vom Claustrum trennt. Auf das Claustrum folgen nach außen die Capsula extrema und die Inselrinde. Die Medianfläche des Putamens ist durch die Lamina medullaris lateralis vom äußeren Segment des Globus pallidus getrennt. Über die Capsulae interna et externa treten Fasern ins Putamen ein, während es basal einen Übergang zur Substantia innominata bildet. Relativ versteckt liegt hier das ventrale Putamen (Abb. 5.32). £ Ventraler Teil des Streifenkörpers, Striatum ventrale. Die Commissura anterior, deren hinterer Schenkel in der Basalfläche des Linsenkerns in einer Rinne verläuft, grenzt einen kleinen Anteil des Putamens und des Globus pallidus ab. Die so abgegrenzten Teile werden als ventrales Striatum bezeichnet und liegen in der Substantia innominata des basalen Telenzephalons. Zusammen mit den Nucll. accumbens et dorsomedialis thalami zählt das ventrale Striatum zum limbischen Teil der Basalganglien. £ Nucl. accumbens (septi). Der kleine rostrobasale Bereich des striatalen Kernkomplexes wird auch Nucl. accumbens (septi) genannt. Er liegt rostral zwischen Nucl. caudatus und Putamen und grenzt medial an den Nucl. septalis lateralis. Der Nucl. accumbens erhält, wie das

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Striatum, eine dopaminerge Projektion aus dem ventralen Tegmentum (s. Kap. 5.4.7.5). Klinik: Funktionell werden dem Nucl. accumbens die Integration von Informationen sowohl aus den Basalganglien als auch aus dem Limbischen System zugeschrieben. Neueste Forschungen sprechen ihm dabei eine große Bedeutung für die Entstehung von psychomotorischen Störungen, der Schizophrenie sowie anderer neuropsychiatrischer Erkrankungen zu. £ Blasser Kern, Globus pallidus. Namensge-

bend ist seine im Vergleich zum Putamen hellere Schnittfläche im makroskopischen Präparat (lat. pallidus = blass). Er wird an seiner lateralen Seite durch die Lamina medullaris externa vom Putamen abgegrenzt und durch die Lamina medullaris interna in ein inneres und äußeres Segment, Globus pallidus medialis et lateralis, geteilt (s. Abb. 5.29, 30). Die Segmente des Globus pallidus enthalten unterschiedliche Projektionsbahnen (s. Abb. 5.111).

Der Globus pallidus ist entwicklungsgeschichtlich dienzephaler Herkunft und durch die einwachsenden Fasern der Capsula interna nach lateral verlagert worden, so dass er an das Putamen gedrängt wurde. Beide Kerne werden wegen ihrer gemeinsamen Form als Linsenkern, Nucl. lentiformis, zusammengefasst. Klinik: 1. Der Globus pallidus gilt als Zentrum der Trieb- und primitiven Reaktionsbewegungen sowie des unmittelbaren motorischen Ausdrucks. So bewirkt eine doppelseitige Läsion des Globus pallidus eine starke Bewegungsarmut, Hypokinesie, und eine merkliche Abnahme der motorischen Geschicklichkeit, die sich in ataktischen Störungen äußert. 2. Allgemein kann dem Globus pallidus eine exzitatorische Funktion zugeschrieben werden, die aber ihrerseits einer inhibitorischen Kontrolle durch das Corpus striatum unterliegt. £ Vormauer, Claustrum. Das Claustrum liegt

lateral der Capsula externa an. Es stellt eine dünne Platte aus grauer Substanz medial der Inselrinde dar, von der es durch eine dünne Faserlamelle, die Capsula extrema, getrennt ist (s. Abb. 5.29). Auf Horizontalschnitten erscheint

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

400

es rostral breiter und basal schmaler. Sichere Daten zur Funktion des Claustrum beim Menschen liegen kaum vor. Aus tierexperimentellen Untersuchungen, insbesondere an Primaten, lässt sich jedoch entnehmen, dass eine vielfältige, ipsi- und kontralaterale Verschaltung mit dem Neocortex existiert. Außerdem zeichnet sich aus histologischen Untersuchungen ab, dass drei Viertel der Afferenzen des Claustrum multimodal (s. u.) sind, so dass diese Struktur wohl im Rahmen assoziativer Funktionen steht.

5.2.5.3 Das Großhirnmark: Fasersysteme Lernziele: Systematik der Fasersysteme, Assoziations-, Kommissurale und Projektionsfasern, große Projektionssysteme Die weiße Substanz unter dem Cortex telencephali enthält die markhaltigen Fasersysteme (Abb. 5.43). Nach Herkunft und Ziel der Fasersysteme werden 3 Typen unterschieden: Assoziations-, Kommissurale und Projektionsfasern.

Assoziationsfasern verbinden Rindenareale innerhalb der gleichen Hemispäre. Kommissurale Fasern verbinden die beiden Großhirnhemispären. Projektionsfasern verbinden verschiedene Hirnteile (z. B. Großhirn und Kleinhirn). 1. Assoziationsfasern Durch ihre topographische Anordnung kommt es zu einem gerichteten Fluss ankommender Signale aus den primären Sinnesarealen über sekundäre Rindenfelder zu höheren, der multimodalen Integration dienenden Arealen. Hierdurch werden höhere Gehirnfunktionen wie kognitive Prozesse möglich. Folgende Assoziationsfasersysteme werden unterschieden: £ Kurze Bogenfasern, Fibrae arcuatae breves.

Sie verbinden benachbarte Windungen miteinander (Abb. 5.44). £ Lange Bogenfasern, Fibrae arcuatae longae. Sie stellen längere Fasern dar, die jeweils eine Windung überspringen. £ Gürtel, Cingulum. Im Gyrus cinguli gelegen führt das Cingulum ebenfalls assoziative Fasern. In seinem Verlauf nimmt es durchgehend Fasern

Nucleus caudatus

Abb. 5.43: Fasersysteme in der weißen Substanz des Großhirns; Assoziationsfasern = rot; Kommissurenfasern = blau und Projektionsfasern = schwarz; schematisch in einen Frontalschnitt in Höhe der Adhaesio interthalamica eingetragen

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

401

Fasern der Radiatio thalami superior Fasern der Radiatio thalami inferior Hemispherium cerebelli mit dem Lobus simplex und dem Lobus semilunaris inferior Fissura horizontalis cerebelli

Abb. 5.44: Plastiniertes Faserpräparat der weißen Substanz der Großhirnhemisphäre. Zu sehen sind insbesondere die Radiatio thalami, aber auch Fibrae arcuatae breves

vom Cortex auf, gibt weitere Fasern an benachbarte Windungen ab und endet in der Rinde des Subiculum der Hippokampusformation. Letztere versorgt es im Nebenschluss mit Signalen der Sinnesbahnen und der motorischen Rinde. £ Weitere Assoziationsfasern. Über weitere Fasern erreichen Signale der multimodalen Assoziationskortizes, des präfrontalen und des parietotemporalen Neocortex die limbische Regio entorhinalis im Lobus temporalis. Dickere, gut präparierbare Bündel langer Assoziationsfasern durchziehen das Marklager der Hemisphäre, um die Hirnrinde der Lobi einer Seite miteinander zu verbinden: • Oberes Längsbündel, Fasciculus longitudinalis superior. Er liegt oberhalb der Insel in der weißen Substanz der Lobi frontalis et parietalis und verbindet v. a. die frontale Hirnrinde mit den Assoziationsfeldern der Scheitel- und Hinterhauptslappen. Eine bogenförmige Abzweigung dieses Bündels, der Fasciculus arcuatus, ermöglicht den Signaltransfer zwischen der rostralen und dorsalen Sprachregion der linken Hemisphäre. • Unteres Längsbündel, Fasciculus longitudinalis inferior. Er liegt zentral im Schläfenlappen, lateral vom Unterhorn des Seitenventrikels. Er verbindet den Schläfen- und Hinterhauptslappen, wobei sich seine Fasern in die Radiatio optica auffächern und dort das Stratum sagittale bilden. • Hakenbündel, Fasciculus uncinatus. Er kann nach Abschaben der Rinde des Limen insulae dargestellt werden. Dieses Bündel verläuft vom orbitalen Teil des Stirnlappens bis zum Polus temporalis des Schläfenlappens.

2. Kommissurale Fasern Die kommissuralen Fasern des Telencephalon stellen die Verbindung von Rindenregionen der rechten und linken Hemisphäre her. Folgende kommissurale Fasersysteme werden unterschieden: £ Balken, Corpus callosum. Er stellt die größte

Kommissur dar. Seine Fasern verbinden die Areale des Neocortex beider Hemisphären miteinander. Die vom Cortex ausgehenden, ins Marklager einstrahlenden Fasern konvergieren in der Mittellinie und werden deshalb auch Balkenstrahlung, Radiatio corporis callosi, genannt (zum Aufbau s. Kap. 5.2.2.3, S. 377, zur Funktion s. Kap. 5.4.10.2). Einige Rindenbezirke sind nicht über kommissurale Fasern miteinander verbunden z. B. die Area 17 (primäre Sehrinde) und die Area 3 (eine Region für die primäre taktile Repräsentation des Körpers). Die Kommunikation zwischen den Gehirnhemisphären erfolgt hier über die umgebenden sekundären Rindenareale. £ Vordere Querverbindung, Commissura anterior. Sie verbindet beide Bulbi olfactorii sowie paläokortikale Temporallappenanteile miteinander. £ Gewölbequerverbindung, Commissura fornicis. Die rechten und linken limbischen Rindengebiete (Gyrus cinguli, Gyrus parahippocampalis mit der Area entorhinalis sowie beide Hippokampusformationen) sind nur durch sie verbunden. £ Zügelquerverbindung, Commissura habenularum. Diese kleine Kommissurenbahn gehört

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zum Epithalamus des Dienzephalons und verbindet die Nucll. habenulares thalami miteinander. £ Hintere Querverbindung, Commissura posterior. Sie ist ein Teil des Mesenzephalons und ermöglicht insbesondere die Kreuzung von Fasern der Area praetectalis für die Pupillenreflexe (s. Kap. 5.4.2.4, S. 461). 3. Projektionsfasern Sie stellen Fasern dar, die von der Rinde zu tiefer gelegenen Hirnabschnitten ziehen und umgekehrt (kortikofugale und kortikopetale Fasern) (schwarz in Abb. 5.43). Unterschieden werden: £ Innere Kapsel, Capsula interna. Die Projek-

tionsfasern der Hirnrinde wachsen durch die zentralen Kerngebiete hindurch, wo sie die innere Kapsel bilden. Sie wird lateral vom Nucl. lentiformis und medial von Nucl. caudatus und Thalamus begrenzt (s. Abb. 5.30, 34, 46 und 110). Auf Horizontalschnitten (und nur auf diesen, die daran auch zu identifizieren sind) erscheint die Capsula interna V-förmig. So lässt sie einen schmalen vorderen Schenkel,

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Crus anterius (zwischen Caput nucl. caudati und Linsenkern), sowie ein breites Knie, Genu, erkennen, welches in Höhe des Foramen interventriculare (Monroi) liegt. Das Knie setzt sich in den hinteren Schenkel, Crus posterius, zwischen Thalamus und Linsenkern fort. Die Fasersysteme der Capsula interna unterliegen einer topischen Anordnung, wobei die kürzeren thalamokortikalen Projektionsfasern mehr medial und die längeren kortikospinalen Fasern mehr lateral verlaufen. In ihrer Gesamtheit werden die Fasern der Capsula interna als Strahlenkranz, Corona radiata, zusammengefasst. £ Thalamusstrahlung, Radiatio thalami. Hierunter versteht man die Projektionsfasern zwischen Thalamus und Cortex einer Hemisphäre, die nach Passage der engen Capsula interna strahlenartig auseinanderweichen und in die Rindenareale (und von dort zurück in den Thalamus) projizieren. In der Corona thalami verlaufen also kortikothalamische und thalamokortikale Fasern als Fasciculi thalamocorticales in topischer Anordnung. Die Corona thalami wird in einen vorderen (Abb. 5.45, gelb dargestellt), oberen (schwarz), hinteren (grün) und unteren (blau) Thalamusstiel unterteilt.

Abb. 5.45: Schema der Thalamusstiele (Radiationes thalami oder Fasciculi thalamocorticales; verändert nach Tandler). An einem durchsichtig gedachten Gehirn ist der Linsenkern entfernt und das Crus cerebri am Übergang in die Capsula interna durchtrennt. Gelb = vorderer, schwarz = oberer, grün = hinterer, und blau = unterer Thalamusstiel

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

403

(Putamen und Globus pallidus) Corpus geniculatum laterale

Tractus temporopontinus Radiatio acustica

Abb. 5.46: Horizontalschnitt durch das Gehirn in Höhe der Basalganglien (in der Capsula interna sind die Bahnen eingezeichnet)

Die doppelläufigen Verbindungen zwischen Cortex und Thalamus haben eine große Bedeutung für die menschlichen Bewusstseinsfunktionen. Deshalb wird der Thalamus auch als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet, da mit Ausnahme der olfaktorischen Impulse sämtliche Sinnesinformationen von den (Meta-)Thalamuskernen auf entsprechende Rindenareale projiziert werden. Zwischen den Thalamusstielen verlaufen die vom Cortex absteigenden Bahnen zur Capsula interna. Sie sollen wegen ihrer topographischen Nähe hier mit aufgeführt werden (Abb. 5.46): 1. Vorderer Thalamusstiel, der eine doppelläufige Verbindung zwischen dem Nucl. dorsomedialis thalami und der präfrontalen Rinde darstellt. 2. Frontale Brückenbahn, Tractus frontopontinus, die von der oberen und mittleren Stirnwindung

zu den Brückenkernen, Nucll. pontis, verläuft. Sie führt auch Fasern (rot in Abb. 5.46) vom frontalen motorischen Augenfeld zu den Colliculi superiores laminae tecti und zur paramedianen pontinen Formatio reticularis (PPFR). 3. Kortikonukleärer oder auch bulbärer Teil der Pyramidenbahn, Tractus corticonuclearis. Er liegt im Genu der Capsula interna. Der operkuläre Teil des Gyrus praecentralis projiziert zu den motorischen Ursprungskernen der Hirnnerven. 4. Spinaler Teil der Pyramidenbahn, Tractus corticospinalis, der vom Gyrus praecentralis zu den α-Motoneuronen in den Vordersäulen des Rückenmarks projiziert (s. Kap. 5.4.7.5.1, S. 497). Dieser Fasertrakt liegt im Crus posterius der Capsula interna, wobei rostral die Fasern für die Versorgung der Arm- und dorsal diejenigen für die Beinmuskulatur verlaufen.

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5. Oberer Thalamusstiel, der als Taststrahlung die sensiblen Informationen (s. Kap. 5.2.7.4, S. 427, Kap. 5.4.6.4, S. 484, Abb. 5.98) vom Nucl. ventralis posterior thalami zum Gyrus postcentralis des Parietallappens leitet. Der obere Thalamusstiel enthält außerdem Fasern des vestibulären und des gustatorischen Systems. 6. Okzipitotemporale Brückenbahn, Tractus temporopontinus et occipitopontinus, vom Schläfen- und Hinterhauptslappen zu den Nucll. pontis (auch: Türck-Bündel). Darunter finden sich Fasern zur Formatio reticularis, die der Steuerung der sakkadischen Blickmotorik dienen (rot kariert in Abb. 5.46). 7. Hinterer Thalamusstiel, der vom Pulvinar zur Assoziationsrinde des Temporallappens verläuft. 8. Sehstrahlung, Radiatio optica, vom Corpus geniculatum laterale (CGL) zur Umgebung des Sulcus calcarinus, der Area striata (Area 17 nach Brodmann, s. Abb. 5.127, 128). 9. Hörstrahlung, Radiatio acustica, die vom Corpus geniculatum mediale (CGM) zum Gyrus temporalis superior zieht. 10. Unterer Thalamusstiel, der als doppelläufige Verbindung vom Nucl. dorsomedialis thalami zum Mandelkernkomplex und zur periamygdalären Rinde gelangt. Klinik: 1. Großhirnmark und weiße Substanz des Rückenmarks sind bei der Multiplen Sklerose (MS), einer Autoimmunerkrankung gegen das die Nervenfasern umscheidende Myelin, betroffen. Die typischen Entmarkungsherde finden sich vorwiegend um die Seitenventrikel herum (periventrikulär). Je nach betroffenem Bahnsystem resultieren verschiedene Ausfallsymptome (z. B. Lähmungen, Sprachstörungen, Sehstörungenen). Bei Ausfall der Assoziations- und Projektionsfasern kann es auch zu kognitiven Defiziten kommen (Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen). 2. Die innere Kapsel und die umliegenden zentralen Kerngebiete sind häufig von Einblutungen in die Hirnsubstanz betroffen (Marklagerblutungen). Die Symptomatik ist durch den Ausfall der Pyramidenfasern sowie durch Anschluss der sich ausdehnenden Blutung an das Liquorsystem meist dramatisch. Ebenso können im Bereich der Capsula interna auch Verschlüsse kleinkalibriger Gefäße auftre-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

ten (lakunäre Marklagerinfarkte). Blutung und Infarkt schädigen die Fasersysteme in ähnlicher Weise, weshalb klinisch sehr ähnliche akute Symptome auftreten (Schlaganfall).

5.2.5.4 Zwischenhirn, Diencephalon Lernziele: Gliederung des Diencephalon: Thalamus (dorsalis), Metathalamus, Subthalamus, Hypothalamus und Hypophyse

5.2.5.4.1 Lage Das Diencephalon liegt zwischen den beiden Endhirnhemisphären, ist jedoch nur teilweise mit ihnen verwachsen. Der III. Ventrikel bildet den Hohlraum des Dienzephalons. An der Hirnbasis befindet sich der Hypothalamus oberflächennah. Basal liegen die Corpora mamillaria, rostral das Tuber cinereum mit dem Hypophysenstiel, Infundibulum. Weiter rostral lagert sich das Chiasma opticum an (s. Abb. 5.13, 26, 36, 39 und 40).

5.2.5.4.2 Gliederung Das Diencephalon gliedert sich in folgende Anteile: den Epithalamus, den Thalamus (auch: Thalamus dorsalis) mit dem Metathalamus (den Corpora geniculata), den Subthalamus (auch: Thalamus ventralis) und den Hypothalamus. Epithalamus Der Epithalamus liegt hinter dem Dach des III. Ventrikels und setzt sich aus der Zirbeldrüse, Corpus pineale, und dem Zirbelstiel, Habenulakomplex, zusammen (s. Abb. 5.50, 138). Rostral des Corpus pineale am Übergang des dritten Ventrikels in den Aquaeductus mesencephali befindet sich die Commissura epithalamica (posterior). £ Zirbeldrüse,

Corpus pineale (Epiphysis cerebri). Sie ist ein länglicher, abgeplatteter, an einen Pinienzapfen erinnernder Körper, der etwa erbsengroß ist und sich auf dem Zwischen-

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

hirndach nach dorsal entwickelt. Der III. Ventrikel hat einen kleinen Recessus pinealis an der Epiphyse (s. Abb. 5.73). Die Zirbeldrüse liegt der Vierhügelplatte auf und ist in Bindegewebstrabekel der weichen Hirnhaut eingewoben. Sie wird von sympathischen Nervenfasern aus dem Ganglion cervicale superius erreicht (zur Funktion s. Kap. 5.4.11.4, S. 549). Dieses unauffällige kleine Organ ist medizinhistorisch immer wieder Anstoß wissenschaftlicher Spekulationen gewesen, die im jeweiligen theoretischen Kontext der einzelnen Epochen standen. René Descartes lokalisierte hier im 17. Jahrhundert das Verbindungselement des somatischen Körpers mit einer immateriellen Seele. François Magendie nahm im 19. Jahrhundert an, dass die Zirbeldrüse ein Ventil darstelle, welches die Zirkulation des Liquor cerebrospinalis kontrollieren sollte. Heute geht man davon aus, dass es sich um ein endokrines Organ handelt. So hat etwa die vergleichende Physiologie festgestellt, dass das Corpus pineale bei primitiven Wirbeltieren lichtempfindlich ist (Parietalauge) und die zirkadiane Rhythmik der Hormonsekretion steuert.

Klinik: 1. Das Corpus pineale lagert im Lauf des Lebens häufig Kalksalze, Acervulus (lat. = Hirnsand), ein. Hierdurch wird es als median liegende Struktur in Röntgenbild und cCT sichtbar. Das Corpus pineale diente vor Einführung von cCT und MRT als topographischer Orientierungspunkt, da es sich annähernd zentral im kugelförmig gedachten Schädel befindet. Eine Lageverschiebung konnte daher sichtbar gemacht und als Zeichen von Massenverschiebungen des Hirnparenchyms gedeutet werden. 2. Pinealome stellen insbesondere frühkindliche Tumoren dar, die oft eine ernste Prognose haben. Durch Druckläsionen umgebender Strukturen (Commissura posterior, Area praetectalis, Colliculus superior) stellt sich zunächst eine vertikale Blickparese ein, da in der Commissura posterior auch Fasern der vertikalen Blickregulation des Mesenzephalons kreuzen: Parinaud-Syndrom. Anschließend kann es durch Druck auf die Area praetectalis zu einem Ausfall des Pupillenreflexes kommen. £ Habenulakomplex. Am mediodorsalen Thala-

mus liegt eine längliche, sich nach dorsal verbreiternde Vorwölbung, der Nucl. habenularis thalami, auch: Trigonum habenulare (s. Abb. 5.50). Medial verlaufen zwei dünne Markbündel, die Striae medullares thalami, die eine

405

Verbindung zur Zirbeldrüse herstellen. Der Habenulakomplex erhält Afferenzen aus den Septumkernen sowie aus dem rostralen Teil des Hypothalamus. Seine Efferenzen ziehen als Fasciculus retroflexus (Meynert), oder Tractus habenulointerpenduncularis, in die Tiefe zum Nucl. interpeduncularis und zur Formatio reticularis mesencephali. Die Habenulae (lat. = Zügel, Halter) stellen die Fortsetzung der Striae medullares zur Epiphyse dar. Klinik: Über den Fasciculus retroflexus können olfaktorische und limbische Impulse über Umschaltstationen im Mesencephalon Einfluss auf viszerale Funktionen nehmen. Das gilt insbesondere für die Bedeutung der Riechempfindung auf die Nahrungsaufnahme, so für die Speichelsekretion in der kephalen Phase oder den Brechreiz bei widerwärtigen Gerüchen. £ Epithalamische Querverbindung, Commis-

sura epithalamica (posterior). Sie ragt auf der Höhe zwischen Pinealorgan und Lamina tecti in den III. Ventrikel vor und beinhaltet kreuzende Fasern der Area praetectalis und der Colliculi superiores (s. Abb. 5.39).

Thalamus (Thalamus dorsalis) Der Thalamus dorsalis (im klinischen Sprachgebrauch wird auf den Zusatz „dorsalis“ verzichtet) ist ein Derivat der dienzephalen Flügelplatte und stellt funktionell die wichtigste Relaisstation der Sinnesbahnen des Körpers (kutan, gustatorisch, optisch, akustisch und vestibulär) dar. Das griechische Wort thalamos bedeutet „Kammer“. Ursprünglich wurde der Thalamus als nachgeschalteter Abschnitt der Sehbahn angesehen, was nach heutigem Wissensstand aber nur für das Corpus geniculatum laterale zutrifft. Topographische Lage (Abb. 5.47). Der Thalamus nimmt den größten Teil des Dienzephalons ein. Er bildet die laterale Wand des III. Ventrikel, in dessen Lumen er sich weit vorwölbt (s. Abb. 5.24, 29, 39, 40, 47). Auch an der Bildung des Bodens der Seitenventrikels ist er stellenweise beteiligt. In der Verlängerung der Haubenregion ins Diencephalon liegen beiderseits Kerne des zentralen thalamischen Höhlengraus (Nucll. mediani). Das Pulvinar (lat. n. = Sitzkissen) thalami und die Corpora geniculata

406

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Nucleus

Thalamus

Abb. 5.47: Horizontalschnitt durch das Gehirn in Höhe des Thalamus

liegen an der Oberfläche des Hirnstamms lediglich von der weichen Hirnhaut bedeckt. Häufig verbindet eine schmale Brücke von Gliazellen die Thalami beider Seiten als Adhaesio interthalamica (s. Abb. 5.29). Im Boden des Seitenventrikels liegt dem Thalamus der Nucl. caudatus dorsolateral auf (s. Abb. 5.25, 37 Mitte). Zwischen diesen beiden Kerngebieten verläuft die Stria terminalis, eine Faserbahn vom Corpus amygdaloideum zum Hypothalamus (Regio praeoptica et Nucl. ventromedialis hypothalami), sowie die Vena thalamostriata. Basal folgen dem Thalamus der Hypo- und der Subthalamus. Der rostrale Pol des Thalamus wölbt sich gegen das Foramen interventriculare (Monroi) vor. Den dorsalen Pol bildet das Polkissen, Pulvinar, das an der Hirnoberfläche in die Cisterna ambiens hineinragt. Lateral unter dem Pulvinar liegen die beiden Kniehöcker: Corpora geniculata laterale et mediale, welche als Metathalamus zusammengefasst werden. An der lateralen Seite

des Thalamus befindet sich die Capsula interna, was besonders auf Frontalschnitten gut zu sehen ist (s. Abb. 5.36). Beziehung zum III. Ventrikel. Dorsal liegt dem Thalamus die dünne Lamina affixa auf, ein Teil des Telenzephalonbläschens, welches zum Boden der Pars centralis ventriculi lateralis wird. An der Lamina affixa ist der Plexus choroideus ventriculi lateralis befestigt (Taenia choroidea). Am Thalamus selbst ist im Bereich der Stria medullaris die Plexus choroideus ventriculi tertii befestigt (Taenia thalami). Die darüber liegende Platte, Tela choroidea, ist mit dem Plexus zwischen beiden Thalami ausgespannt und bildet das Dach des III. Ventrikels. Beide Anheftungsstellen werden bei der Präparation des Thalamus und bei Entfernung des Plexus choroideus sichtbar (s. Abb. 5.18, 24, 25, 29, 39, 40 und 47). Innere Gliederung (Abb. 5.48). Der Thalamus ist ein großer, aus etwa 150 Kerngebieten bestehender

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

A Va Vl Vp MD CM Lp Ld Rth CGM CGL

Nucl. anterior Nucl. ventralis anterior Nucl. ventralis lateralis Nucl. ventralis posterior Nucl. mediodorsalis Nucl. centromedianus Nucl. lateralis posterior Nucl. lateralis dorsalis Nucl. reticularis thalami Corpus geniculatum mediale Corpus geniculatum laterale

407

Pallidum Ncl. basalis Meynert

Tr. mamillothalamicus

Amygdala Hypothalamus

A MD

CM

Va

Ld Lp

VI Vp

Pulvinar Area 18, 19 Tr. opticus

Basalganglien

CGL Rth

Colliculus inf.

Tractus opticus

Kleinhirn Lemniscus medialis u. Tr. spinothalamicus

Abb. 5.48: Thalamuskerne mit Hauptafferenzen und mit den Projektionen in die Großhirnrinde. Herkunftsgebiete und Zielorte sind in gleicher Farbe dargestellt

Komplex, der durch feine Marklamellen, die mit bloßem Auge gerade noch erkannt werden können, unterteilt wird. Durch die gebogene Lamina medullaris interna werden mediale, laterale und anteriore Kerngruppen getrennt. Hinsichtlich ihrer Funktion und Verschaltung werden (stark vereinfacht) Palliothalamus und Truncothalamus oder spezifische und unspezifische Thalamuskerne unterschieden: Spezifische Thalamuskerne: jede Kerngruppe ist mit einer bestimmten Region des Cortex verknüpft (Palliothalamus). Unspezifische Thalamuskerne: Es bestehen Faserbeziehungen zum Hirnstamm und zum Striatum, aber keine direkte Verbindung zum Cortex (Truncothalamus). Zum spezifischen Palliothalamus (spezifische Thalamuskerne) werden die Nucll. anterior, medialis, lateralis et ventralis sowie das Pulvinar gezählt. Ebenso rechnet man funktionsspezifische Zentren der Corpora geniculata dazu. Der

unspezifische Truncothalamus, (unspezifische Thalamuskerne) setzt sich hingegen aus den kleinen, in den Marklamellen gelegenen Nucll. mediani et intralaminares zusammen, wobei der Nucl. centromedianus den größten Anteil der letztgenannten Kerngruppe ausmacht. Der Thalamus wird von einer Marklamelle umgeben, deren Fasern als Lamina medullaris externa bezeichnet werden. Zwischen ihr und der Capsula interna liegt der Nucl. reticularis thalami, welcher basal mit der Zona incerta eine Verbindung zum Subthalamus herstellt. Afferenzen stammen insbesondere vom Globus pallidus, aber auch aus anderen Regionen. Vom Nucl. reticularis thalami werden sie zu den einzelnen thalamischen Kerngebieten weiterprojiziert, so dass ihm eine wichtige Integrationsfunktion thalamokortikaler und kortikothalamischer Aktivitäten zugesprochen wird. Zusätzlich bestehen diverse Verbindungen zwischen dem Nucl. reticularis thalami und dem Cortex cerebri, so vom rostralen Kernbezirk zum frontalen Cortex, vom mittleren Teil zum medial

408

gelegenen Cortex und vom kaudalen Abschnitt zum okzipitalen Cortex. 1. Spezifische Thalamuskerne £ Vorderer

Kernkomplex, Nucl. anterior thalami. Er liegt in der Gabelung der Lamina medullaris interna am rostralen Pol des Thalamus. Er erhält insbesondere über den Tractus mamillothalamicus (Vicq d‘Azyr) Afferenzen aus den Corpora mamillaria sowie Fasern aus dem aufliegenden Fornix und dem Subiculum zugeleitet (s. Abb. 5.119). Über das Crus anterius capsulae internae projiziert dieser Kernkomplex zum Gyrus cinguli und zur Area entorhinalis. Elektrische Reizungen des anterioren Kernkomplexes rufen vegetative Antworten (Veränderungen von Blutdruck und Atemfrequenz) hervor, welche im Zusammenhang mit hypothalamischen Verbindungen gesehen werden können. £ Medialer Kernkomplex. Er wird v. a. vom Nucl. mediodorsalis gebildet, der sich medial gegen den III. Ventrikel vorwölbt und in einen medialen großzelligen und einen lateralen kleinzelligen Teil untergliedert ist. Von diesem ist der Kernkomplex nur durch die Mittellinie getrennt und wird lateral durch die Lamina medullaris interna begrenzt wird. Er ist untergliedert in einen medialen großzelligen und einen lateralen kleinzelligen Teil. Seine Afferenzen stammen besonders aus dem Globus pallidus sowie dem Nucl. basalis (Meynert, s. Abb. 5.121) und werden ihm über den basalen Thalamusstiel zugeführt. Er selbst projiziert bevorzugt in den frontalen Cortex. Fasern aus dem Hypothalamus (Regio praeoptica und Tuber cinereum) und dem Corpus amygdaloideum erreichen das mediale großzellige Kernareal. Demgegenüber erhält der laterale kleinzellige Bereich insbesondere Fasern aus den Ventralkernen des Thalamus. Klinik: Dem medialen Kernkomplex sollen insbesondere somatische und viszerale Impulse aus dem Hypothalamus und den Ventralkernen zufließen, welche vom Thalamus verarbeitet und anschließend an den frontalen Cortex weitergegeben werden. Dies scheint seine Bedeutung für die affektive Grundstimmung zu erklären. Patienten mit schweren psychischen Erregungszuständen wurden im Rahmen einer präfrontalen Cingulotomie thalamokortikale Bahnen durchtrennt, was zu affektiver Indifferenz und

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

emotionaler Verflachung führte. Dies entspricht Befunden nach stereotaktischen Läsionen im Bereich des Nucl. anterior thalami. £ Lateraler Kernkomplex. Hierzu zählen der

Nucl. lateralis dorsalis sowie der Nucl. lateralis posterior. Der Nucl. lateralis dorsalis buchtet den Thalamus nach dorsal aus und erhält seine Afferenzen aus dem Fornixgebiet. Er sendet seinerseits efferente Fasern in den dorsalen Abschnitt des Gyrus cinguli. Der Nucl. lateralis posterior liegt im dorsalen Teil des Thalamus und wölbt sich schwach gegen den Fornix vor. Dem dorsalen Anteil des lateralen Kernkomplexes werden integrative Funktionen zugeschrieben, während der posterolaterale Anteil insbesondere Afferenzen aus den Tractus spinothalamicus et trigeminothalamicus (Schmerzbahn), dem Lemniscus medialis sowie den Tractus vestibulothalamicus et pallidothalamicus bekommt.

Klinik: 1. Der laterale Kernkomplex des Thalamus ist häufig bei ischämischem Insult betroffen. Durch die Störung des Tractus spinothalamicus werden die gegenüberliegenden Extremitäten deafferenziert, d. h. aufgrund einer kompletten Sensibilitätsstörung findet sich eine schwere Lagesinnstörung. Ohne Blickkontrolle verliert der Patient das Gefühl für die Position seiner Gliedmaßen. 2. Mit zeitlicher Latenz entwickelt sich ein unangenehmer, quälender und brennender Schmerz der betroffenen Körperhälfte: Thalamusschmerz. Aufgrund des Fehlens der sensiblen Afferenzen sind auch die Bewegungen unkoordiniert. £ Ventraler Kernkomplex. Im ventralen thalami-

schen Kerngebiet unterscheidet man einen anterioren, einen lateralen und einen posterioren Kern:

• Nucl. ventralis anterior. Er buchtet den Thalamus nach rostral aus und erhält vorwiegend Afferenzen aus den Basalganglien, dem Globus pallidus medialis, der Substantia nigra (Pars reticularis), dem Nucl. subthalamicus sowie der Formatio reticularis (Nucl. interstitialis Cajal – über den Fasciculus longitudinalis medialis). Nach ihrer Umschaltung im Kern ziehen die Fasern weiter zum primär motorischen Cortex

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

(PMA) und zum supplementmotorischen Areal (SMA) (s. Kap. 5.4.7.5.2, S. 503, und Abb. 5.105). • Nucl. ventralis lateralis. Er erhält seine Afferenzen v. a. aus dem Kleinhirn über die gekreuzten Fasern des Pedunculus cerebellaris superior sowie aus dem Globus pallidus über den Fasciculus thalami zugeleitet. Er projiziert anschließend somatotopisch geordnet in die Rinde des Gyrus praecentralis (lateral liegt die Beinregion, anschließend Rumpf-, Arm- und medial die Kopfregion), wodurch das Cerebellum Einfluss auf die Willkürmotorik nehmen kann. Der kaudale Nucl. ventralis intermedius erhält Zugänge über den Fasciculus tegmentalis dorsolateralis (Forel) aus den gleichseitigen Vertebraliskernen. • Nucl. ventralis posterior. Hier enden gekreuzte sensible Fasern (aus dem Nucl. gracilis lateral und dem Nucl. cuneatus medial), sowie aus dem Lemniscus medialis, dem Tractus trigeminothalamicus, dem Nucl. ventralis posteromedialis und dem Tractus spinothalamicus. Die sensiblen Informationen werden nach einer somatotopischen Ordnung im kraniomedialen Abschnitt (Nucl. ventralis posteromedialis) für den Kopfbereich und im basolateralen Abschnitt (Nucl. ventralis posterolateralis) für Rumpf und Extremitäten umgeschaltet. Anschließend werden sie in somatotopischer Ordnung in den Gyrus postcentralis weiter geleitet. £ Pulvinar. Die Kerne des Pulvinar schließen

sich dorsobasal den vorgenannten an, wobei das Pulvinar beim Menschen das größte relative Volumen und den höchsten Differenzierungsgrad aufweist. Bevorzugt treten hier afferente Fasern aus dem Tractus opticus, der Hörbahn, dem Hirnstamm und der Sehrinde ein. Nach Umschaltung im Pulvinar werden sie in die visuellen Areae 18 und 19, in multimodale Assoziationsgebiete um den Gyrus temporalis superior und in den Sulcus intraparietalis projiziert (s. Abb. 5.48). Fasern aus dem CGM gelangen zur Hörrinde.

2. Unspezifische Thalamuskerne Kerne der Mittellinie. Hier liegt als größter trunkothalamischer Kern der Nucl. centromedianus (Corpus médian de Luys). Er projiziert direkt zu den Basalganglien und indirekt (nach Verschaltung

409

im Palleothalamus) in weite Bereiche des Cortex und besitzt eine generelle Aktivierungsfunktion. Seine Zuflüsse erhält er v. a. aus dem Nucl. emboliformis cerebelli über den Pedunculus cerebellaris superior (gekreuzt), aus der Formatio reticularis sowie dem Globus pallidus (über das Forel-Feld H2). Klinik: 1. Aufgrund der weitgehend somatotopen Ordnung (bes. Nucl. ventralis lat.) sowie den Beobachtungen nach neurochirurgischen Läsionsbefunden im Thalamusgebiet werden stereotaktische Eingriffe insbesondere bei therapieresistenten extrapyramidalmotorischen Bewegungsstörungen (bes. Hyperkinesien) sowie besonderen Schmerzsyndromen durchgeführt. So werden bei nachlassender L-DopaWirkung beim Parkinson-Syndrom v. a. die pallidofugalen Bahnen durchtrennt. Sie verlaufen vorwiegend über den Nucl. ventralis anterior thalami sowie die subthalamische Zona incerta, wo sie sich relativ treffsicher ausschalten lassen. Eine symptomatische Besserung des ParkinsonSyndroms, insbesondere des Tremors, tritt in 75–80 % der Fälle auf. Da es sich bei diesen Eingriffen jedoch um irreversible Schädigungen handelt, wird dieses Verfahren zunehmend von Elektrostimulationsverfahren verdrängt werden (s. den klinischen Hinweis zum Nucl. subthalamicus). 2. Ein weiteres stereotaktisches Operationsverfahren dieser Region stellen die Schmerzthalamotomien dar, die bei konservativ nicht beeinflussbaren Schmerzzuständen Anwendung finden (etwa bei Anaesthesia dolorosa, postherpetischen Neuralgien, Stumpfund Phantomschmerzen sowie dem Thalamusschmerz). Die günstigsten Ergebnisse wurden hierbei mit einer kombinierten Ausschaltung des basalen Anteils des Nucl. ventralis posterior, des Nucl. centromedianus bzw. der Kerne der Mittellinie erreicht. 3. Eine wichtige Beobachtung war darüber hinaus, dass Läsionen oder intraoperative Stimulationen des Pulvinars beim Menschen zu Sprachstörungen führen, so dass diese Region bei stereotaktischen Operationen besonderen Schutz erfahren muss.

410

Metathalamus Als Metathalamus werden die Kniehöcker, Corpora geniculata mediale und laterale, zusammengefasst. £ Mittlerer Kniehöcker, Corpus geniculatum

mediale, CGM. Der mediale Kniehöcker liegt zwischen dem Pulvinar des Thalamus und dem Colliculus inferior des Mesenzephalons (s. Abb. 5.47 und 92). Er ist als kleiner Höcker von dorsal sichtbar und über das Brachium colliculi inferioris mit dem Colliculus inferior verbunden (s. Abb. 5.50). In Brachium colliculi inferioris sowie CGM verlaufen Fasern der Hörbahn, wobei der mediale Kniehöcker die thalamische Umschaltstation des akustischen Systems darstellt (s. Kap. 5.4.2.3, S. 459) und Signale auf die primäre Hörrinde projiziert. £ Seitlicher Kniehöcker, Corpus geniculatum laterale, CGL. Das CGL wölbt sich weniger deutlich vor. Es liegt lateral vom CGM zwischen dem Pulvinar und dem Tractus opticus, der im CGL endet (s. Abb. 5.51, 85). Das CGL stellt eine wichtige Umschaltstation der Sehbahn (s. Kap. 5.4.2.2, S. 456) dar und bildet ein subkortikales Zentrum für die visuelle Reflexsteuerung. Hier enden die meisten Sehnervenfasern des Tractus opticus und bilden Synapsen mit den Relaisstellen des CGL aus, welche die visuellen Signale als Gratiolet-Sehstrahlung auf die primäre Sehrinde projizieren. Subthalamus (Thalamus ventralis) Der Subthalamus ist ein Derivat der Grundplatte des Dienzephalons und steht im Dienst der Motorik. Er stellt eine Region basal des Thalamus dorsalis und lateral des Hypothalamus dar. Der größte Kern dieser Region ist der Nucl. subthalamicus (Luys-Körper, s. Abb. 5.111). Dieser längliche, etwa linsengroße Kern wird durch die Capsula interna vom Globus pallidus getrennt, welcher über den Fasciculus subthalamicus quer durch die Capsula interna zum Nucl. subthalamicus projiziert. Unmittelbar benachbart findet sich die Zona incerta, die eine dienzephale Fortsetzung der Formatio reticularis mesencephali darstellt. Die gesamte Region ist sehr faserreich, da sich unter den Nucll. laterales thalami der Fasciculus

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

lenticularis mit dem Tractus dentatothalamicus als Fasciculus thalamicus vereinigt. Der Fasciculus lenticularis tritt von basal in den Thalamus ein. Der Subthalamus und der Globus pallidus medialis teilen eine gemeinsame Entwicklungsgeschichte und werden aus diesem Grund manchmal zusammengefasst. Da der Subthalamus jedoch komplexe Verbindungen mit anderen Kerngebieten des Basalganglien-Systems unterhält, wird er dort abgehandelt (s. Kap. 5.4.7.5, S. 496). Zwischen dem Nucl. subthalamicus, der Zona incerta und dem Thalamus befinden sich Faserbündel und verstreute, abgesprengte Zellgruppen, die als Forel-Campus (auch Forel-Feld) bezeichnet werden. Hypothalamus Der Hypothalamus des Dienzephalons ist die übergeordnete Schaltstelle vieler vegetativer und hormoneller Regulationssysteme. Der Hypothalamus stellt den kleineren Teil des Dienzephalons dar, welcher an der seitlichen Wand und am Boden des III. Ventrikels gelegen ist (s. Abb. 5.36). £ Lage. Der Hypothalamus grenzt rostral an die

Lamina terminalis und die Commissura anterior an, während basal das Chiasma opticum angelagert ist. Dorsal befindet sich der dünne Hypophysenstiel und das Tuber cinereum, das ebenfalls an der Bildung des Bodens des III. Ventrikels beteiligt ist. Basal sind hier die Corpora mamillaria angelagert, und der Boden des III. Ventrikels geht in das Tegmentum mesencephali über (s. Abb. 5.26, 136). In der lateralen Wand des III. Ventrikels erfolgt die Abgrenzung vom Thalamus durch den Sulcus hypothalamicus (Abb. 5.24). Die Furche ist vom Foramen interventriculare in einem leicht basal-konvexen Bogen bis zum Eingang in den Aquaeductus mesencephali zu verfolgen. Lateral erstreckt sich der Hypothalamus bis zum Nucl. subthalamicus, wo er an die Capsula interna grenzt. £ Hypothalamus und Hypophyse. Basal sind Tuber cinereum und Infundibulum mit der Hirnanhangsdrüse, Hypophysis cerebri, verbunden. Beide Strukturen sind morphologisch und funktionell so eng miteinander verknüpft, dass sie am besten zusammen als Zwischenhirnhypophysensystem (Konzept Bargmanns) besprochen werden (s. Kap. 5.4.11.2, S. 544).

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

411

Diaphragma sellae

Septum sinuum sphenoidalium

Nasenhöhlen

2 Blätter der Dura mater encephali

Abb. 5.49: Schematischer Frontalschnitt durch Hypophyse, Sinus cavernosus und Keilbeinhöhlen. Beachte die klinisch wichtige topographische Beziehung der Hirnnerven zum Sinus cavernosus (vgl. Abb. 5.70)

£ Hirnanhangsdrüse, Hypophysis. Die boh-

nenförmige, ca. 0,6–0,8 g schwere Drüse liegt in der durch die Sella turcica gebildeten Fossa hypophysialis des Keilbeins und hängt mit einem trichterförmigen Stiel am Hypothalamus (s. Abb. 5.26, 27, 34, 69). Dieser Stiel zieht durch ein Loch im von der harten Hirnhaut gebildeten Diaphragma sellae hindurch (Abb. 5.49). Man unterscheidet eine vordere, makroskopisch bräunlich gefärbte Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen) und eine hintere, gräuliche Neurohypophyse (Hypophysenhinterlappen).

• Adenohypophyse. Sie bildet den Hypophysenvorderlappen, der 3⁄4 des Organs einnimmt. Auf das Infundibulum legt sich die Pars tuberalis; den Hauptteil bildet die Pars distalis, und zur Neurohypophyse hin lässt sich die Pars intermedia abgrenzen. Neben anderen Wirkungen ist die Adenohypophyse den Gonaden, der Schilddrüse und den Nebennieren übergeordnet, deren Funktion sie durch gonadotrope und glandotrope Hormone steuert. • Neurohypophyse. Diese bildet den Hypophysenhinterlappen, die Pars nervosa oder den „Lobus nervosus“ und geht als Hypophysenstiel, Infundibulum, ins Diencephalon über. In der Neurohypophyse werden keine Hormone gebildet. Sie dient als Speicher- und Abgabeort derjenigen Hormone, die ihr durch axonalen Transport aus dem Hypothalamus über den Hypophysenstiel zugeführt werden

(s. Abb. 5.136, 137, 138, sowie Kap. 5.4.11, S. 543). Dorsal der Ansatzstelle des Hypophysenstiels verdickt sich der Zwischenhirnboden zur Eminentia mediana. Sie ist Teil des Tuber cinereum, das die Umrandung des Infundibulum bildet (s. Abb. 5.26).

5.2.6 Regionale Anatomie des Hirnstamms Lernziele: Hirnstammgliederung, regionale und topographische Anatomie des Hirnstamms, Mittelhirn, Vierhügelplatte, Mittelhirnhaube, Rautenhirn, Hirnnerven im supra- und infratentoriellen Raum, verlängertes Mark Der Hirnstamm, Truncus encephali, wird aus Mesencephalon, Pons und Medulla oblongata (Bulbus) gebildet. Lagebeziehungen des Hirnstamms. Sie richten sich nach der Meynert-Achse (s. Abb. 2.16). Mit Ausnahme des I. und II. gehen alle Hirnnerven aus dem Hirnstamm hervor, bzw. treten in ihn ein. Nach einer anderen Sichtweise werden dem Hirnstamm auch sämtliche Anteile zugerechnet, die aus der aufrecht erhaltenen Unterscheidung von Grund- und Flügelplatte bis zur Lamina terminalis im Diencephalon hervorgehen. Danach bleibt der Hirnstamm übrig, wenn man die Cortices cerebri et

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

412

cerebelli entfernt, wodurch die telenzephalen Kerne und das Diencephalon ebenfalls zu Hirnstammgebieten, bzw. seinem rostralen Anteil, werden. Diese Sichtweise findet immer noch in der klinischen Verwendung des Begriffs der Stammganglien für die Basalganglien ihren Ausdruck. Lage und Form Hirnstamm und Kleinhirn füllen die hintere Schädelgrube, Fossa cranii posterior, aus, wobei der Hirnstamm in situ mit Pons und Fossa interpeduncularis schräg aufsteigend auf dem Clivus ruht. Der Hirnstamm ist etwa 8 cm lang. Er reicht vom Foramen magnum bis zur Incisura tentorii. Als basale Begrenzung des Hirnstamms wird die oberste Wurzel der Zervikalnerven bzw. die Decussatio pyramidum herangezogen (s. Abb. 5.26). Die kraniale Begrenzung verläuft dorsal der Corpora mamillaria, dann laterobasal des Tractus opticus und schließlich rostral der Vierhügelplatte (Abb. 5.50, 51).

Crus fornicis

Thalamus

Ventriculus tertius

Klinik: Bei akuter Hirndrucksteigerung kann es zum so genannten Klivuskantensyndrom kommen. Es ist insbesondere durch eine Mydriasis auf der Läsionsseite gekennzeichnet, da durch die druckbedingte Verlagerung des Hirnstammes der N. oculomotorius in seinem Verlauf über die Klivuskante gequetscht werden kann. Zuerst betroffen sind die parasympathischen Begleitfasern. Hierdurch überwiegt die pupillenerweiternde sympathische Innervation. Später kommen Augenmuskellähmungen hinzu.

5.2.6.1 Mittelhirn, Mesencephalon Übersicht und Gliederung s. Abb. 5.52, 53 Auf Querschnitten durch das Mittelhirn lassen sich von dorsal nach rostral 3 Ebenen abgrenzen: 1. Vierhügelplatte, Lamina tecti, Tectum, 2. Mittelhirnhaube, Tegmentum mesence-

Trigonum habenulare (Tela aufgerissen)

Stabkranz (Corona radiata) Lamina affixa Taenia choroidea Stria medullaris thalami Corpus pineale Colliculi superiores et inferiores (Lamina tecti) Lingula cerebelli auf dem Velum medullare superius Colliculus facialis Flocculus Tubercula nuclei cuneati et gracilis Sulcus medianus posterior

Abb.5.50: Diencephalon, Mesencephalon und Rhombencephalon nach Entfernung des Kleinhirns von dorsal gesehen, so dass die Rautengrube frei liegt (s. Kap. 5.2.6.2, S. 415)

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

413

Corpora mamillaria

Substantia perforata anterior

Plexus choroideus ventriculi IV, N. X Oliva

Abb. 5.51: Das Gehirn von rechts und basal gesehen. Durch Entfernung des rechten Schläfenlappens werden der gesamte Verlauf des Tr. opticus und die Corpora geniculata sichtbar. Die Hirnnerven-Austrittsstellen am seitlichen Hirnstamm werden deutlich

phali, auch Pars dorsalis pedunculi cerebri, 3. Großhirnschenkel, Crura cerebri, auch: Pars ventralis pedunculi cerebri (vom Cortex absteigende Bahnen: Tractus pyramidalis und die Tractus corticopontini, die sich dem Mesencephalon angelagert haben). Vierhügelplatte, Lamina tecti (Corpora quadrigemina). Nach Entfernung des Kleinhirns ist das Mittelhirn von dorsal gut zu erkennen (s. Abb. 5.50). Diese Ansicht zeigt die Lamina tecti mit den Colliculi superiores und den Colliculi inferiores, welche durch kreuzförmige Furchen voneinander getrennt sind. Der Furche zwischen den beiden oberen Hügeln liegt das Corpus pineale auf. Zwischen den beiden unteren Hügeln beginnt ein feiner weißer Streifen, das Frenulum veli medullaris superioris, das nach basal in das Velum medullare superius des Kleinhirns übergeht. Lateral des Frenulums tritt am basalen Rand des Colliculus inferior der dünne N. trochlearis aus (s. Abb. 5.53),

um sich nachfolgend um den Pedunculus cerebri nach rostral zu wenden. Vom unteren Hügel zieht ein deutlicher Wulst, das Brachium colliculi inferioris, schräg lateral und aufwärts zum CGM, während vom oberen Hügel das schmale Brachium colliculi superioris zum CGL führt. In der Dorsalansicht (s. Abb. 5.50) überblickt man das Crus cerebri sowie das Trigonum lemnisci, ein von Brachium colliculi inferioris, Crus cerebri und Pedunculus superior cerebelli begrenztes Dreieck. In ihm verläuft der Lemniscus lateralis, die laterale Schleife der Hörbahn (s. Abb. 5.53 und Kap. 5.4.3.3, S. 470). Der Lemniscus lateralis verläuft zum Colliculus inferior und zum CGM. Rostral legt sich der Tractus opticus dem Pedunculus cerebri an, um mit seiner breiten Radix lateralis zum CGL sowie mit seiner schmaleren Radix medialis zum Colliculus superior zu gelangen (s. Abb. 5.51, 85).

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

414

Lamina tecti

Tegmentum mesencephali

Crus cerebri

Substantia nigra

N. oculomotorius

Abb. 5.52: Querschnitt durch das Mesencephalon in Höhe der Colliculi superiores Aquaeductus cerebri

Tractus corticopontinus

Abb. 5.53: Querschnitt durch das Mesencephalon in Höhe der Colliculi inferiores (stark schematisiert)

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

415

Mittelhirnhaube, Tegmentum mesencephali. Das Tegmentum mesencephali tritt außer im Trigonum lemnisci nur in der Fossa interpeduncularis auf der Hirnbasis an die Oberfläche. Es wird lateral von den Crura cerebri bedeckt, durch den Sulcus medialis der Fossa verlässt der N. oculomotorius den Hirnstamm (s. Abb. 5.27, 51, 52). Das Tegmentum mesencephali stellt die mittlere Ebene des Mesenzephalons dar und ist die rostrale Fortsetzung des Tegmentum rhombencephali, der Brückenhaube im Rhombencephalon. In der Mittelhirnhaube befinden sich neben den Kerngebieten der III. und IV. Hirnnerven auch diejenigen phylogenetisch älterer motorischer Systeme. Hierunter zählen der Nucl. ruber und die Substantia nigra.

Großhirnstiel, Pedunculus cerebri. Damit bezeichnet man die Summe der in eine Hemisphäre eintretenden und aus ihr austretenden Faserbündel.

£ Roter Kern, Nucl. ruber. Er ist Ursprung

5.2.6.2 Rautenhirn, Rhombencephalon

des Tractus rubrospinalis, der als Decussatio tegmenti ventralis (Forel-Haubenkreuzung) auf die Gegenseite kreuzt (s. Abb. 5.52). Seine Afferenzen erhält er aus dem Kleinhirn über den Pedunculus cerebellaris superior (s. Kap. 5.4.8.5, S. 514). £ Schwarzer Kern, Substantia nigra. Dieser Kern besteht aus mehreren Zellgruppen, die dorsomedial an der Grenze von Crus cerebri und Tegmentum liegen. Es handelt sich um einen Kern, der sich über die ganze Länge des Mesenzephalons ausdehnt und aus zwei Anteilen besteht (s. Abb. 5.18, 31, 37 und 52): • Pars compacta. Sie ist durch dicht beieinander liegende Neurone charakterisiert, welche mit schwarzem, makroskopisch sichtbarem Neuromelanin-Pigment angefüllt sind. • Pars reticularis. Sie enthält keine melaninhaltigen Zellen und liegt zwischen der Pars compacta und den Fasern der Crura cerebri, wobei sie rostral bis an den Nucl. subthalamicus reicht. Beide Teile stellen wichtige Schaltstellen für die Funktion der Basalganglien dar (s. Kap. 5.4.7.5.2, S. 503). Großhirnschenkel, Crus cerebri, Pars ventralis pedunculi cerebri. Die vorn vorspringenden Teile der Großhirnstiele, Pedunculi cerebri, sind während der Neuhirnentwicklung angelegte Bahnen. Beiderseits der Fossa interpeduncularis konvergieren die Hirnschenkel, in denen die kortikalen Projektionsbahnen zum Hirnstamm und ins Rückenmark ziehen (s. Abb. 5.52).

Die aufsteigenden Fasern ziehen als Lemniscus durch das Tegmentum, die absteigenden Fasern bilden das Crus cerebri. Die Grube an der Basis des Tegmentum zwischen den beiden Crura cerebri heißt deshalb Fossa interpeduncularis. Da hier von der Hirnbasis aus zahlreiche Gefäße zur Versorgung des Tegmentum eintreten, wird diese Stelle auch Substantia perforata posterior genannt.

Übersicht Das Rautenhirn besteht aus Myelencephalon (verlängertes Mark, Medulla oblongata oder Bulbus cerebri) sowie rostral dem Pons des Metencephalon. Das ebenfalls zum Metencephalon gehörende Cerebellum wird meist nicht zum Rautenhirn hinzugezählt. Das Rhombencephalon umschließt den IV. Ventrikel, dessen rautenförmiger Boden die Rautengrube, Fossa rhomboidea, darstellt (s. Abb. 5.50, 54–58). £ Rautengrube, Fossa rhomboidea, Ansicht.

Der durch das Mesencephalon verlaufende Aquaeductus mesencephali erweitert sich im Metencephalon zum IV. Ventrikel, auf dessen Boden man nach Entfernung des Kleinhirns sieht (s. Abb. 5.50). Dieser Boden der Rautengrube wird vom Tegmentum rhombencephali gebildet. Die Rautengrube wird rostral von den oberen Kleinhirnstielen, Pedunculi cerebellares superiores, und basal von den unteren Kleinhirnstielen, Pedunculi cerebellares inferiores, eingefasst und durch den Sulcus medianus in zwei Hälften geteilt (s. Abb. 5.58). An der Stelle ihrer größten Breite ziehen die weißen Striae medullares ventriculi quarti (eine Verbindung vom Ncl. cochlearis posterior zu den Ncll. corporis trapezoidei, s. Abb. 5.92) häufig bereits makroskopisch sichtbar über das Tegmentum hinweg. Sie trennen die basale, der Medulla oblongata zugerechnete Hälfte der Rautengrube vom rostralen, zum Pons gerechneten Teil ab.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

416

Die Oberfläche der Rautengrube wird von Ependym und einer schmalen Schicht des zentralen Höhlengraus gebildet. Die unmittelbar dahinter gelegenen Kerne und Faserbahnen wölben die Oberfläche stellenweise sichtbar vor (s. u.). £ Rautenhaube, Tegmentum rhombencephali. Der Boden der Rautengrube wird vom Tegmentum rhombencephali eingenommen. Es enthält vegetative und somatische Faserbahnen verschiedener Herkunft, die Formatio reticula-

ris, das Olivensystem sowie unterschiedliche Neuronengruppen und Bahnen spezifischer Transmittersysteme. £ Kerngebiete der Rautengrube (s. Abb. 5.54). Unmittelbar unter der Rautengrube liegen viele Hirnnervenkerne, die sich gegen den IV. Ventrikel vorwölben. Basal der Striae medullares neben dem Sulcus medianus liegt das Trigonum n. hypoglossi. Darunter befindet sich der Nucl. n. hypoglossi, und rostral liegt der Nucl.

Nuclei vestibulares VI

Nucleus salivatoris

Nuclei cochleares

Superior inferior IX XII X XII X XI XII Nucleus olivaris

Nucleus dorsalis n. vagi

Nucleus tractus spinalis n. V Nucleus (motorius) n. accessorii

Abb. 5.54: Räumliche Darstellung der Hirnnervenkerne. Motorische Kerne = rot, sensible Kerne = blau, Vestibulariskerne = hellgrün, Cochleariskerne = dunkelgrün, parasympathische Kerne = gelb (nach Braus und Elze, 1960)

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

praepositus n. hypoglossi. Laterobasal des Trigonum n. hypoglossi befindet sich ein längliches, vertieft liegendes Feld, das Trigonum n. vagi, worunter der Nucl. n. vagi liegt. An der kaudalen Spitze der Rautengrube am Eingang in den Zentralkanal (Obex, S. Abb. 5.58) liegt die Area postrema, ein Brechzentrum (s. Kap. 5.4.11.2, S. 544, und Abb. 5.117, 138). An der breitesten Stelle der Rautengrube, medial vom Eingang in den Recessus lateralis ventriculi quarti, erhebt sich die Area vestibularis mit den Nucll. vestibulares (s. Abb. 5.57). Rostral von den querliegenden Striae medullares wird die Rautengrube durch den Nucl. n. abducentis und das innere Knie des Fazialisnerven, Genu internum n. facialis, zum Colliculus facialis vorgebuchtet. Rostral davon, jedoch lateral des Sulcus limitans liegt ein graubläuliches Feld (Locus coeruleus) an, dessen Eisenpigmente durch das Ependym schimmern (s. Kap. 5.4.9.2, S. 518, Abb. 5.117). £ Brücke, Pons

Der Pons erstreckt sich zwischen der Fossa interpeduncularis und der Medulla oblongata und geht lateral in den Pedunculus cerebellaris medius zur Verbindung mit dem Kleinhirn über. Rostral des Tegmentum erkennt man auf Schnitten durch das Rhombencephalon die Brücke. Sie besteht aus dem Brückenfuß, der Pars basilaris pontis, welcher einen queren Wulst darstellt. In Höhe der Nucll. facialis et trigemini geht letzterer in die Brückenarme, Pedunculi cerebellares medii, über (s. Abb. 5.27). Außerdem wird die Pars dorsalis (auch: Pars tegmentalis) dazu gezählt, die an den rostralen Teil der Rautengrube angrenzt. £ Hirnnerven, Nn. craniales

Nach ihrem Austrittsort werden supra- und infratentorielle Hirnnerven unterschieden, deren Faserzusammensetzung und intrakranieller Verlauf hier besprochen wird. Der periphere Hirnnervenverlauf nach Durchtritt durch die Schädelbasis wird im Kapitel Kopf und Hals (s. Kap. 4.12.1, S. 255), funktionelle Details in den Kapiteln Sinnesorgane (Kap. 6, S. 555 und 7.1.2.1, S. 600) und am Ende dieses Kapitels mit den funktionellen Systemen (s. Kap. 5.4, S. 456) dargestellt. Über Unterschiede zu den Nn. spinalies s. Kap. 2.6.5, S. 94

417

Supratentorielle Hirnnerven Das Tentorium cerebelli, die mittlere Schädelgrube, die Sella turcica und die vordere Schädelgrube bilden die Basis des supratentoriellen Raums. Die Schädelkalotte stellt seine obere Begrenzung dar, wobei er durch die Falx cerebri partiell unterteilt wird (s. Abb. 5.18). Inhalt des supratentoriellen Raums sind das Vorderhirn, Prosencephalon, und die Hypophyse. Im supratentoriellen Raum verlaufen die Hirnnerven I–IV. I. Hirnnerv, N. olfactorius. Er besteht aus den Fila olfactoria, die in ihrer Gesamtheit als N. olfactorius bezeichnet werden. Die Fila olfactoria sind die zentripetalen Fortsätze der primären Riechsinneszellen der Nasenschleimhaut, die durch die Lamina cribrosa treten (Kap. 4.4.2.1, S. 209), um im Bulbus olfactorius zu enden. Der Bulbus olfactorius stellt die primäre Riechrinde des I. Hirnnerven dar und zählt zum basalen Telencephalon (s. Kap. 5.4.4, S. 477). II. Hirnnerv, N. opticus. Er tritt mit seinen sensorischen Fasern als zentralen Fortsätzen der Ganglienzellen der Retina über den Canalis opticus in die mittlere Schädelgrube ein (Kap. 4.4.2.2, S. 210). Seine Fasern kreuzen zum Teil im Chiasma opticum und verlaufen danach als Tractus opticus bis zum Corpus geniculatum laterale des Dienzephalons (s. Kap. 5.4.2 und Kap. 6.1.3.2, S. 567). III. Hirnnerv, N. oculomotorius. Dieser enthält somatomotorische Fasern vom Nucl. n. oculomotorii (für die äußere Augenmuskulatur außer M. rectus lateralis und M. obliquus sup.) und viszeromotorische Fasern vom paarigen Nucl. EdingerWestphal (für den M. sphincter pupillae) sowie vom unpaarigen Nucl. Perlia (für den M. ciliaris) und tritt in der Fossa interpeduncularis aus, durchläuft die gleichnamige Zisterne (s. Kap. 5.3.2.1, Abb. 5.69), um zwischen A. cerebri posterior und A. cerebelli superior zum Sinus cavernosus zu ziehen und zur Fissura orbitalis superior zu gelangen (s. Kap. 4.4.2.2, S. 210, 6.4.2, S. 588). IV. Hirnnerv, N. trochlearis. Er enthält ausschließlich Fasern des rein somatomotorischen Nucl. n. trochlearis (für den M. obliquus sup.) und verlässt als einziger Hirnnerv den Hirnstamm an der Dorsalfläche, und zwar an der Grenze zwischen

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

418

infra- und supratentoriellem Raum. Er tritt unterhalb des Colliculus inferior aus dem Mittelhirn aus (s. Abb. 5.50), um in seinem weiteren Verlauf in der Cisterna ambiens das Mesencephalon zu umlaufen. Sein Eintritt in die Dura befindet sich innerhalb des Anheftungsbereichs der Incisura tentorii am Processus clinoideus post. Anschließend verläuft der IV. Hirnnerv im Dach des Sinus cavernosus (s. Abb. 5.49) und tritt durch die Fissura orbitalis superior (s. Kap. 4.4.2.2, S. 210) in die Orbita ein. Infratentorielle Hirnnerven Im infratentoriellen Raum befindet sich der Hirnstamm bestehend aus Mesencephalon, Pons und Medulla oblongata, zusammen mit dem Kleinhirn. Basal läuft der infratentorielle Raum ins Foramen magnum aus. Im infratentoriellen Raum verlaufen die Hirnnerven V–XII.

Klinik: Bei intrakraniellem Druckanstieg kann eine Verlagerung bzw. Einklemmung der Medulla oblongata sowie der Kleinhirntonsillen im Foramen magnum resultieren. In der Folge kommt es zur Entstehung eines Druckkonus aus absinkenden Kleinhirnanteilen, welcher die Medulla oblongata einklemmen kann. Da hier Atem- und Kreislaufzentrum lokalisiert sind, besteht akute Lebensgefahr! Der Patient bedarf einer dringenden intensivneurologischen oder neurochirurgischen Versorgung. V. Hirnnerv, N. trigeminus. Er tritt lateral aus dem Pons aus (Abb. 5.55). Er nimmt Fasern des viszerosensiblen Nucl. mesencephalicus n. trigemini (direkte Afferenz von den Muskelspindeln der Kaumuskulatur, also hier als Ausnahme keine periphere Verschaltung in einem Ganglion!), des gemischt somato/viszerosensiblen Nucl. pontinus (principa-

Sulcus medianus

Abb. 5.55: Querschnitt durch die Mitte des Pons in Höhe des Trigeminusaustritts

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

lis) n. trigemini (für die Berührungsempfindung des Gesichts), des somatomotorischen Nucl. motorius n. trigemini (für die Kau- und Mundbodenmuskulatur und den M. tensor tympani) sowie des gemischt somato/viszerosensiblen Nucl. spinalis n. trigemini (für die Schmerz- und Temperaturempfindung der Mundhöhle und der Zähne) auf. Er verläuft in der hinteren Schädelgrube und tritt durch den Porus n. trigemini über der Impressio trigemini des Felsenbeins in eine Duratasche der mittleren Schädelgrube (Meckel-Cavum) ein. Rostral seines Ganglion trigeminale (Gasseri) spaltet sich der V. Hirnnerv in seine drei Hauptäste auf: den N. ophthalmicus (sensible Fasern), den N. maxillaris (sensible Fasern) und den N. mandibularis (gemischt sensibel, Radix sensoria, und somatomotorisch, Radix motoria). Sie verlassen die mittlere Schädelgrube in gleicher Folge über die Fissura orbitalis superior, das Foramen rotundum und das Foramen ovale (s. Kap. 4.4.2.2, S. 210, und Kap. 6.4.2, S. 588).

419

Klinik: Irritationen im Verlauf von Hirnnerven können zu Neuralgien führen. Die häufigste Hirnnerven-Neuralgie ist die idiopathische Trigeminusneuralgie: der Tic douloreux. Es bestehen bis Minuten lang anhaltende Schmerzattacken von fast unerträglicher Intensität. Neben medikamentösen Behandlungsformen (Carbamazepin), kommt dabei die neurochirurgische mikrovaskuläre Dekompression der Trigeminuswurzel zum Einsatz. Ältere, heute nur noch selten angewandte Behandlungsformen waren die temperaturgesteuerte Elektrokoagulation und die Blockade des Ganglion Gasseri etwa mit Glycerin-Lösung. Dabei wird die Injektionsnadel vom Gesicht aus durch das Foramen ovale einen Zentimeter nach kranial geführt. VI. Hirnnerv, N. abducens. Er verlässt mit seinen somatomotorischen, aus dem Nucl. n. abducentis stammenden Fasern (für den M. rectus lateralis) die basale Hirnstammfläche zwischen Pons und

Tractus olivocerebellaris

Hemisphaerium cerebelli Pedunculus cerebellaris superior Ventriculus IV Nuclei vestibulares Pedunculus cerebellaris inferior

Pedunculus cerebellaris medius

Nucleus n. abducentis Nucleus n. facialis Tractus rubrospinalis Tractus vestibulospinalis

Tractus corticonuclearis et corticospinalis

Formatio reticularis

Corpus trapezoideum et lemniscus medialis

Abb. 5.56: Querschnitt durch das Metencephalon in Höhe des Nucl. abducens und des inneren Fazialisknies; die Kleinhirnhemisphären sind nur zum Teil dargestellt (stark schematisiert)

420

Medulla oblongata (Abb. 5.56). Er durchzieht die Cisterna basalis rostral des Pons, um an der Klivuskante durch die Dura mater in den Sinus cavernosus einzutreten (s. Abb. 5.49). Dabei beträgt seine intrazisternale Länge nur etwa 1,5 cm, während er seinen längeren Weg im Sinus cavernosus zurücklegt. Über diesen erreicht er die Fissura orbitalis superior und tritt in die Orbita über. (s. Kap. 4.4.2.2, S. 210, 6.4.2, S. 588). Klinik: Sein Verlauf macht den N. abducens bei Massenbewegungen des Gehirns sehr anfällig, so dass eine Abduzensparese als frühes Hirndrucksymptom zu werten ist. VII. Hirnnerv. Dieser besteht aus dem N. facialis, mit seinen somatomotorischen Fasern aus dem Nucl. n. facialis (für die mimische Muskulatur und den M. stapedius), sowie dem N. intermedius, der basal und parallel zum N. facialis verläuft und viszeromotorische Fasern aus dem Nucl. salivatorius sup. (für die Gll. lacrimales, nasales, sublinguales und submandibulares) und viszerosensible Fasern zum Nucl. solitarius sup. (für die Geschmacksempfindung der vorderen 2/3 der Zunge) enthält. Die Fasern aus dem Nucl. nervi facialis ziehen zunächst nach dorsal als inneres Fazialisknie (Abb. 5.56) zum Nucl. n. abducentis, den sie dann umlaufen, um in der Seitenwand zwischen Pons und Medulla oblongata auszutreten. 1,5 cm nach seinem Austritt erreicht der N. facialis den Porus acusticus internus (s. Kap. 4.4.2.3, S. 213). Im Felsenbein hat der Nerv dann 3 Verlaufsstrecken (s. Kap. 7.1.2.1, S. 600). Im klinischen Sprachgebrauch bezeichnet man beide Anteile des VII. Hirnnerven als N. facialis. Klinik:. 1. Bei den Gesichtslähmungen wird eine peripherer von einer zentralen Faziallähmung unterschieden. Nach peripherer Fazialislähmung tritt eine Lähmung der gesamten mimischen Gesichtsmuskulatur auf. Die idiopathische periphere Fazialislähmung wird nach Charles Bell benannt, der sie 1827 an sich selbst beschrieb (Bell’s palsy). Nach zentraler Fazialislähmung (supranukleäre Läsion, also zwischen Hirnnervenkernen und Cortex gelegene Schäden, z. B. bei Schlaganfall auf einer Seite) ist insbesondere die orale mimische Muskulatur

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

betroffen, während die von beiden Hemisphären innervierte Stirnmuskulatur weiterhin beweglich bleibt. Dieser Unterschied stellt ein wichtiges Kriterium in der neurologisch-topischen Diagnostik dar. Oft bleibt die Ursache einer peripheren Fazialisparese ätiologisch ungeklärt, so dass sie dann als „idiopathische Fazialisparese“ bezeichnet wird. 2. Bei jedem dritten Menschen besteht eine Gefäßaberration der A. cerebelli inferior anterior, die in unmittelbare Nachbarschaft zum N. facialis geraten kann. Hieraus vermag sich eine pathologische Gefäßschlinge zu bilden, die den VII. Hirnnerven komprimiert und starke Zuckungen einer Gesichtshälfte auslöst: hemifazialer Spasmus. Zur Separation beider Strukturen kann – analog der Trigeminusneuralgie – ein neurochirurgischer Eingriff notwendig werden. VIII. Hirnnerv, N. vestibulocochlearis. Er enthält sensible Axone aus dem Hör- und Gleichgewichtsorgan und erreicht die laterale Medulla oblongata an der Grenze zum Pons. Die Fasern ziehen zu den Nucl. cochlearis anterior et posterior bzw. den Nucll. vestibulares superior, medius, lateralis et inferior, welche am weitesten lateral in der Medulla oblongata liegen. Er verläuft ebenfalls ca. 1,5 cm intrazisternal, um dann in den Porus acusticus internus einzutreten (s. Kap. 4.4.2.3, S. 213). Klinik: Der vestibuläre Anteil des VIII. Hirnnerven stellt das bevorzugte Gebiet der Entstehung von Neurinomen dar. Sie werden Akustikusneurinom genannt, sind benigne und wachsen in den Kleinhirnbrückenwinkel infiltrierend ein. Neurinome gehen von den Schwann-Zellen der Nervenscheiden aus, weshalb man sie oft auch als Schwannome bezeichnet. Durch Kompression entstehen Hirnnervenausfälle, Hydrocephalus (Wasserkopf durch Liquorabflussstörungen) oder zerebelläre bzw. Ponsläsionen. Leitsymptome sind Hypakusis und Tinnitus. Die Symptome entwickeln sich oft über viele Jahre in einer charakteristischen Reihenfolge: zunächst Schwindel, dann Blickrichtungsnystagmus (s. Kap. 5.4.2.4, S. 461). Schließlich kann eine Störung des V. Hirnnerven mit Erlöschen des Kornealreflexes sowie eine periphere Fazialisparese hinzutreten. Häufig kommen auch Kopfschmerzen und andere Hirndrucksymptome vor.

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS Nucleus dorsalis n. X (Pars parasympathica)

421 Tractus solitarius et Nucleus tractus solitarii Nucleus cuneatus et Nucl. cuneatus accessorius

Tractus olivocerebellaris et Tr. spinocerebellaris posterior

Abb. 5.57: Querschnitt durch das Myelencephalon (Medulla oblogata) in Höhe der Olive und des Austritts der Nn. glossopharyngeus et vagus

IX. und X. Hirnnerv, N. glossopharyngeus und N. vagus, s. Abb. 5.57. Sie weisen eine Vielzahl unterschiedlicher Faserqualitäten auf (somato- und viszerosensibel, somato- sowie viszeromotorisch) und haben als Schlundbogennerven mehrere morphologische Gemeinsamkeiten. Im IX. Hirnnerven verlaufen Fasern des viszerosensiblen Nucl. spinalis n. trigemini (für Schmerz- und Temperaturempfindung des Gaumens und des Rachens), des viszerosensiblen Nucl. solitarius inf. (für die Geschmacksempfindung des hinteren 1/3 der Zunge), des viszeromotorischen Nucl. salivatorius inf. (für die Gl. parotidea) sowie des viszeromotorischen Nucl. ambiguus (für die Pharynxmuskulatur). Beide Hirnnerven treten aus der Medulla oblongata aus und verlassen die Schädelhöhle durch das Foramen jugulare (s. Kap. 4.4.2.3, S. 213). X. Hirnnerv, N. vagus. Dieser verlässt die Medulla oblongata lateral mit etwa 10–18 feinen Wurzelfäden. Bis zum Porus duralis beträgt seine intrazisternale Verlaufsstrecke ca. 1,5 cm. Er enthält Fasern zum viszerosensiblen Nucl. spinalis n. trigemini (für Schmerz- und Temperaturempfindung des

äußeren Gehörgangs), zum viszerosensiblen Nucl. solitarius inf. (für die Geschmacksempfindung des Rachens), des viszeromotorischen Nucl. ambiguus (für die Pharynxmuskulatur) sowie des großen viszeromotorischen Nucl. dorsalis n. vagi (für die Innervation der Eingeweidemuskulatur bis zum Cannon-Böhm-Punkt (s. Kap. 12.3.5.1, S. 996) und verläßt die Cavitas cranii durch das Foramen jugulare (s. Kap. 4.4.2.3, S. 213). XI. Hirnnerv, N. accessorius. Er stammt aus 2 Wurzeln, die somatomotorische Fasern (für den M. trapezius und M. sternoleidomastoideus) führen. Seine spinale Wurzel entspringt aus den Rückenmarkssegmenten C1–C5, verläuft dann kranial aus dem Canalis vertebralis durch das Foramen magnum in die hintere Schädelgrube. Die kraniale Wurzel tritt hingegen mit 3–6 Wurzelfäden aus der Medulla oblongata aus (s. Abb. 5.58). Hiernach vereinigen sich die beiden Anteile nahe dem Porus duralis, um mit dem IX. und X. Hirnnerven, um durch das mediale Foramen jugulare zu ziehen (s. Kap. 4.4.2.3, S. 213).

422

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

int.

Sinus transversus

Abb. 5.58: Hirnstamm in situ mit Austritten der Hirnnerven

XII. Hirnnerv, N. hypoglossus. Er verlässt die Medulla oblongata mit seinen 12–16 somatomotorischen Wurzelfäden aus dem Nucl. n. hypoglossi (für die Zungenmuskulatur) zwischen der Pyramide und der Olive, wonach sich die einzelnen Radices zu mehreren Bündeln vereinigen. Diese Bündel lagern sich meist dorsal der A. vertebralis an, um dann zum Canalis nervi hypoglossi zu ziehen (s. Kap. 4.4.2.3, S. 213). Verlängertes Mark, Medulla oblongata Die Medulla oblongata ist der unscharf begrenzte Bereich zwischen Pons und Rückenmark. £ Allgemeines. Das verlängerte Mark ist rostral-

wärts in zunehmendem Maße zwiebelförmig verdickt und wird deshalb auch Bulbus genannt. Von diesem Namen leiten sich auch einige anatomische und neurologische Begriffe ab, wie Tractus corticobulbaris (vom Cortex zu den Hirnnervenkernen), Tractus spinobulbaris oder die Bulbärparalyse. £ Topographie (s. Abb. 5.27). Kaudal geht die Medulla oblongata in Höhe des 1. Zervikalnerven bzw. der Pyramidenkreuzung ohne eine scharfe Grenze in das Rückenmark, Medulla

spinalis, über. Kranial endet die Medulla oblongata am basalen Brückenrand sowie dorsal etwa in der Mitte der Rautengrube, in Höhe der Striae medullares ventriculi quarti. Die ventrale Fläche ruht auf der Pars basilaris ossis occipitalis und lässt eine Fissura mediana anterior erkennen. Beiderseits der Fissur liegen medial die Pyramiden, deren Fasern zum größten Teil in der Pyramidenkreuzung, Decussatio pyramidum, über die Mittellinie hinweg nach kontralateral ziehen. Lateral der Pyramide wölbt sich die Olive vor. £ Hirnnervenaustrittspunkte (s. Abb. 5.51, 54). Zwischen Pyramide und Olive treten die Wurzelfasern des XII. Hirnnerv, N. hypoglossus, aus der Medulla aus. Weiter lateral findet sich der Pedunculus cerebellaris inferior und zwischen beiden Strukturen treten von kranial nach basal die folgenden Hirnnerven aus: direkt am Winkel zwischen Medulla, Pons und Cerebellum (auch: Kleinhirnbrückenwinkel) treten als kompakte, dicke Nerven der VII. Hirnnerv, N. facialis, und der VIII. Hirnnerv, N. vestibulocochlearis, aus, um gemeinsam dem Porus acusticus internus zuzustreben. Im Sulcus retroolivaris erkennt man anschließend die Wurzelfäden der Nerven der Vagusgruppe, des N. glossopharyngeus,

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

IX. Hirnnerv, des N. vagus, X. Hirnnerv, und des N. accessorius, XI. Hirnnerv (s. Abb. 5.26), die sich dem Foramen jugulare (Pars nervosa) zuwenden. £ Dorsalansicht (Abb. 5.50, 58). Sie zeigt den Sulcus medianus posterior und den Sulcus lateralis posterior. Der Fasciculus gracilis des Hinterstrangs (s. Kap. 5.4.6.2, S.482, Abb. 5.98) verdickt sich rostralwärts keulenförmig zum Tuberculum nucl. gracilis und der Fasciculus cuneatus zum Tuberculum nucl. cuneati. Lateral hiervon bildet der Vorderseitenstrang des Rückenmarks, insbesondere bei Kindern, häufig einen dunklen Höcker aus: das Tuberculum cinereum. Unter diesem liegt der Nucl. spinalis n. trigemini, die kraniale Fortsetzung der Substantia gelatinosa des Rückenmarks. Einen wichtigen Orientierungspunkt stellt der Querbalken, Obex, als der am weitesten kaudal gelegene Punkt der Rautengrube dar. Hier liegt die Area postrema, und in der Tela choroidea die Apertura mediana ventriculi quarti. Teile des Vorderseitenstranges, die zum Rückenmark ziehen, gehen in den Pedunculus cerebellaris über und treten ins Kleinhirn ein, wobei sich ihnen Teile des Hinterstrangs und auch olivozerebelläre Bahnen anschließen. Als Fibrae arcuatae externae, die manchmal an der Oberfläche der Medulla sichtar sind, verlaufen Axone von Neuronen der Nucll. pontis. Klinik: Aufgrund der topographischen Nachbarschaft zwischen den Hirnnervenkernen und den langen Bahnen des Hirnstamms rostral der Decussatio pyramidum führen Schädigungen in diesem Gebiet zu so genannten Alternanssyndromen. Diese sind durch umschriebene ipsilaterale Hirnnervenausfälle und kontralaterale periphere Lähmungen, Hemiparesen, gekennzeichnet, die meist nach vaskulären unilateralen Hirnstammläsionen auftreten. Durch eine nukleäre Läsion bedingt liegt der Hirnnervenausfall jedoch ipsilateral. Die durch Läsion der langen Bahnen zusätzlich auftretenden Symptome (in Abhängigkeit von der Einbeziehung kortikonukleärer Bahnen) imponieren hingegen auf der kontralateralen Seite. Die 4 häufigsten Alternanssyndrome sind das dorsolaterale Oblongata-Syndrom, Wallenberg-Syndrom (ohne Hemiparese), das Syndrom des Mittelhirnfußes, Weber-Syndrom, das Syndrom des basalen Brü-

423

ckenfußes, Millard-Gubler-Syndrom, sowie das Syndrom der ventralen paramedianen Medulla Oblongata, Jackson-Syndrom.

5.2.7 Rückenmark, Medulla spinalis Lernziele: Morphologie und Topographie der Medulla spinalis, regional typische Rückenmarksquerschnitte, laminäre Gliederung nach Rexed, Cornua, Columnae, Tractus, Eigenapparat, Spinalnerv, segmentale Innervation

5.2.7.1 Übersicht Die Wirbelsäule bildet mit dem Wirbel- oder Spinalkanal, Canalis vertebralis, einen schützenden Raum für das Rückenmark mit seinen Häuten und Gefäßen. Er reicht vom Foramen magnum bis zum Hiatus sacralis, dem kaudalen Ende des Kreuzbeinkanales. Das Rückenmark hat eine Länge von ungefähr 50 cm und einen Durchmesser von bis zu 2 cm. Es endet beim Erwachsenen ungefähr in Höhe des 1. lumbalen Wirbelkörpers. Kaudal davon verlaufen die Wurzelfasern als Cauda equina zu ihren Austrittsorten aus dem Spinalkanal, den Foramina intervertebralia (s. Kap. 8.1.1, S. 632). Spinalkanal. Er wird von den Dorsalflächen der Wirbelkörper und der Zwischenwirbelscheiben sowie den Wirbelbögen gebildet (s. Kap. 8.1, S. 629). Durch die Bänder der Wirbelsäule ist er bis auf die ventral der Processus transversi vertebrae gelegenen Foramina intervertebralia abgedichtet, durch welche die Rückenmarksnerven, Nn. spinales, ein- bzw. austreten (s. Kap. 2.6.5.1, S. 94). In der Hals- und Lendenregion ist der Kanal weit und besitzt im Lumen einen dreieckigen Querschnitt. In der Thorakalregion ist er hingegen eng und im Querschnitt kranial rund, nach kaudal queroval; auf der Höhe des Os sacrum ist er halbmondförmig.

5.2.7.2

Rückenmarksquerschnitte

Das Volumen der weißen Substanz nimmt von kaudal nach kranial fortlaufend zu, da immer mehr

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

424

dorsal

ventral

Halswirbelsäule (Wirbel I_VII)

Halsmark (Segmente 1_8)

Brustmark (Segmente 1_12)

Dura mater spinalis mit Schnittrand

Brustwirbelsäule (Wirbel I_XII)

Lendenmark (Segmente 1_5) Sakralmark (Segmente 1_5)

Lendenwirbelsäule (Wirbel I_V)

Steißmark (1 Segment)

Kreuzbein (Wirbel I_V)

Steißbein (Wirbel I_III)

Abb. 5.60: Lagebeziehung der Rückenmarkssegmente zur Wirbelsäule. Wirbel = römische Zahlen; Rückenmarkssegmente und Spinalnerven = arabische Zahlen. Beachte die nach kaudal zunehmende Höhendifferenz zwischen Rückenmarkssegment und zugehörigem Wirbelkörper

Abb. 5.59: Rückenmark im Wirbelkanal. Durasack von dorsal eröffnet und teilweise entfernt

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

425

Funiculus posterior

Funiculus lateralis

Abb. 5.61: Weiße und graue Substanz des Rückenmarks

zervikal

thorakal

lumbal

sakral

Abb. 5.62: Querschnitt durch das Rückenmark in verschiedenen Höhen. Rostral überwiegt die weiße Substanz. Rückenmarkssegmente, die viele Muskeln versorgen besitzen ein breites Vorderhorn: Zervikal: Schnitt durch den Übergang des 5. auf das 6. Zervikalsegment (C5–6) Thorakal: Schnitt in Höhe des 5. Thorakalsegments (Th5) Lumbal: Schnitt durch das 5. Lumbalsegment (L5) Sakral: Schnitt auf Höhe des Übergangs des 4. zum 5. Sakralsegment (S 4–5)

aufsteigende sensible Bahnen den Faserumfang vermehren und absteigende motorische Fasern im Rückenmark enden. Ebenso verändert sich die Form der Schmetterlingsfigur der grauen Substanz auf unterschiedlichen Niveaus des Rückenmarks in Abhängigkeit der zu versorgenden Muskulatur: Zwischen den Segmenthöhen C4 und Th2 sowie L3 und S3 sieht man die Intumescentia cervicalis bzw. lumbalis (Intumescentia = Anschwellung), die die Masse an Fasern und Neuronen für die Extremitätenversorgung widerspiegelt (s. Abb. 5.59, 62). Durch den Ascensus medullae spinalis (s. Kap. 5.1.3) liegen die Intumescentiae weiter kranial als die Foramina intervertebralia, durch die die aus ihnen stammenden Spinalnerven den Wirbelkanal verlassen (s. Abb. 5.7).

5.2.7.3 Morphologie und Topographie des Rückenmarks Topographie. Das Rückenmark, Medulla spinalis, liegt im Wirbelkanal umgeben von der weichen Hirnhaut, die im Cavum subarachnoideale den Liquor cerebrospinalis enthält (s. Kap. 5.3.2). Das Rückenmark reicht beim Erwachsenen vom Foramen magnum bis etwa zum 1. oder 2. Lendenwirbelkörper (LWK), wo es als Conus medullaris ausläuft (s. Abb. 5.60). Je nach Körpergröße kann es bei Frauen auch bis zum 3. LWK, bei Kindern sogar bis zum 4. LWK reichen. Nach kaudal setzt es sich in einen nervenzellfreien, gliösen Endfaden, Filum terminale, fort, der am kaudalen Ende des Spinalkanals befestigt ist. Beidseits lateral des Filum terminale verlaufen die Wurzelfasern, Fila radicularia, nach kaudal, wobei sie in ihrer Gesamtheit einem Pferdeschwanz, Cauda equina, gleichen (s. Abb. 5.59, 63). Durch die Fissura

426

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

mediana anterior an der ventralen und den Sulcus medianus dorsalis (posterior) an der Dorsalseite des Rückenmarks werden die beiden symmetrischen Rückenmarkshälften markiert (s. Abb. 5.61). Spinalwurzeln und Spinalnerven. Zu beiden Seiten des Rückenmarks treten Nervenfasern dorsolateral ein und ventromedial aus. Die Hinterwurzeln, Radices posteriores, und die Vorderwurzeln, Radices anteriores, vereinigen sich seitlich zu 31 (32) Nervenpaaren (bei fehlenden oder zusätzlichen Wirbelkörpern entsprechend mehr bzw. weniger), Nn. spinales, die sich nach ca. 1 cm Länge in ihre Äste aufteilen (s. Kap. 2.6.5.1 mit Abb. 2.27, S. 94 und Abb. 5.6). In den Hinterwurzeln liegen im Bereich der Foramina intervertebralia und sacralia die Spinalganglien. Sie enthalten sensible pseudounipolare Nervenzellen. Der erste zervikale Spinalnerv besitzt meist kein oder nur ein rudimentäres Spinalganglion, denn der Ramus dorsalis des 1. Spinalnerven ist rein motorisch: N. suboccipitalis. Eine Wurzel setzt sich aus 5 bis 10 Wurzelfäden zusammen, den Fila radicularia. Die Fila radicularia radicis posterioris n. spinalis bestehen aus den Axonen der Spinalganglienzellen und treten ins Rückenmark ein (Radix sensibilis). Die Fila radicularia radicis anterioris enthalten die austretenden Axone der α- und γ-Motoneurone und der viszeromotorischen (= vegetativen) Neurone der Columna lateralis (Radix motoria, die auch die vegetativen Fasern mitnimmt). Die Trennung der Faserqualitäten entspricht dem Bell-Magendie-Gesetz, wonach die vorderen Wurzeln motorisch und die hinteren sensibel sind. Erst durch die Bündelung der Nervenfasern zum Spinalnerven entstehen Nerven mit Fasern gemischter Qualitäten. Durch den Faseraustausch in den Plexus entsteht eine weitere Mischung hinsichtlich der segmentalen Herkunft der Axone im peripheren Nerven. Unterteilung. Die Spinalnerven werden von kranial den Wirbelsäulenteilen ihres Austritts entsprechend in Nn. cervicales, Nn. thoracici, Nn. lumbales, Nn. sacrales und Nn. coccygei unterteilt (s. Abb. 5.60, s. Kap. 2.6.5.1, S. 94): £ 8 Halsnerven, Nn. cervicales, die sich aus den

8 Zervikalsegmenten (C1–C8) bilden; mit Wir-

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£

£

£

belsäulendurchtritt des 1. Paars zwischen Os occipitale und Atlas und des 8. Paares zwischen dem 7. zervikalen und dem 1. thorakalen Wirbelkörper. 12 Brustnerven, Nn. thoracici, aus den 12 Thorakalsegmenten (Th1–Th12); mit Austritt des ersten Paares zwischen dem 1. und 2. Thorakalwirbel. 5 Lendennerven, Nn. lumbales, die aus den 5 Lumbalsegmenten (L1–L5) stammen; Austritt des 1. Nervenpaares zwischen 1. und 2. Lumbalwirbel. 5 Kreuzbeinnerven, Nn. sacrales, aus den 5 Sakralsegmenten (S1–S5); Austritt des 1. Nervenpaares durch die oberen Foramina sacralia. 1 (2) Steißbeinnerv, N. coccygeus, aus dem Kokzygealsegment (Co1); mit Austritt zwischen dem 1. und 2. Kokzygealwirbel, insofern diese Wirbel tatsächlich abgrenzbar sind und nicht als Blockwirbel vorliegen.

Cave: Der Spinalnerv C1 tritt oberhalb des 1. zervikalen Wirbelkörpers aus, die Spinalnerven Th1 und L1 jeweils unterhalb des 1. thorakalen bzw. lumbalen Wirbelkörpers. Aufgrund des Rückenmarksaszensus projizieren sich die Rückenmarkssegmente nicht auf die zugehörigen Wirbelkörper, wobei diese Verschiebung nach kaudal zunimmt (s. Abb. 5.7). Eine Angabe wie „L5“ kann deshalb missverständlich sein, da je nach Zusammenhang das Rückenmarkssegment L5, das etwa auf Höhe des 12. Brustwirbels liegt, oder der 5. Lumbalwirbel gemeint sein können. Wurzelfäden. Die dorsalen Wurzelfäden treten in einer Linie, Linea radicularis posterior, in das Rückenmark ein. Die etwas dickeren Vorderwurzelfäden verlassen es hingegen in einer breiten Zone, Area radicularis anterior. Wegen der Längendifferenz zwischen Rückenmark und Wirbelsäule verlaufen die oberen Wurzelfäden innerhalb des Durasacks annähernd horizontal, während die unteren immer länger und steiler werdend fast vertikal verlaufen. Die unteren Sakralsegmente und das Kokzygealsegment liegen im Conus medullaris, also etwa auf Höhe des 1. Lumbalwirbels. In ihrem gesamten Verlauf bis in die Foramina intervertebralia auch unterhalb des Conus medullaris werden die Wurzelfäden von Liquor umgegeben und von den Hirnhäuten umhüllt. Distal des Gan-

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

Radices nervi spinalis Arachnoidea spinalis Spatium subdurale (zwischen Dura mater und Arachnoidea) Ganglion sensorium nervi spinalis Conus medullaris Filum terminale Dura mater spinalis Cauda equina Filum durae matris spinalis

Os coccygis

Abb. 5.63: Cauda equina und kaudales Ende der Medulla spinalis in situ im eröffneten Wirbelkanal. Die Dura wurde aufgeschnitten, so dass im Subarachnoidalraum die Cauda equina und der Conus medullaris sichtbar sind

glion spinale geht die Dura ins Epineurium, die Arachnoidea ins Perineurium des Spinalnerven über (s. Kap. 5.3.2.2 und Abb. 5.63 und 5.72). Klinik: 1. Laterale Bandscheibenvorfälle (Hernien des Nucleus pulposus durch den Anulus fibrosus und den Bandaparat) treten meist einseitig an Stellen auf, an denen die Längsbänder der Wirbelsäule schwach ausgeprägt sind. Durch Druck auf die Spinalnervenwurzeln (s. Kap. 8.1.1, S. 632) rufen sie Schmerzen, Sensibilitätsausfälle im Dermatom (s. Kap. 2.6.5.4, S. 97) und Muskelschwächen der entsprechenden segmentalen Versorgung hervor. 2. Mediale Bandscheibenvorfälle, die aufgrund der Sicherung durch das Ligamentum longitudinale posterius relativ selten vorkommen, können nicht nur die Nervenwurzeln komprimieren, sondern auch das Rückenmark selbst. Geschieht dies am Conus medullaris und der Cauda equina, kommt es zu einer neurologischen Notfallsituation,

427

dem Konus-Kauda-Syndrom. Es ist neben einer „Reithosenanästhesie“ von Miktions-, Defäkations- und Sexualfunktionsstörungen sowie von radikulären motorischen und sensiblen Ausfällen bestimmt. Insgesamt ist ein isoliertes Konussyndrom jedoch selten und dann meist Folge eines intramedullären Tumors.

5.2.7.4 Graue und weiße Substanz des Rückenmarks Graue Substanz Im Rückenmarksquerschnitt hat die graue Substanz eine H-Form und erinnert dabei an einen aufgespannten Schmetterling (s. Abb. 5.62 und 64). In der grauen Substanz des Rückenmarks liegen Projektions- und Interneurone, die innerhalb des ZNS verschaltet sind, sowie nach peripher projizierende Neurone. Die Projektionsneurone sind die Strangzellen in der Columna posterior (Abb. 5.65), deren Axone die aufsteigenden Tractus des Vorderseitenstrangs bilden. Die peripheren Neurone senden ihre Axone über die Vorderwurzel aus dem Rückenmark zum Spinalnerven, mit dessen Ästen sie ihr Innervationsgebiet außerhalb des ZNS erreichen. Die präganglionären sympathischen Neurone liegen in der Columna lateralis der Rückenmarkssegmente C8–L2, die präganglionären parasympathischen Neurone in der Columna lateralis der Segmente S2–S4. Schließlich sind die Interneurone in allen 3 Columnae zu finden (s. Abb. 5.102). Sie dienen dabei funktionell als Assoziations-, Kommissuren-, Reflex- oder Feedback-Zellen (Renshaw-Zellen der α-Motoneurone; siehe Lehrbücher der Histologie und Physiologie). Die im Querschnitt erkennbaren Kerngebiete oder Hörner, Cornua, entsprechen im Längsschnitt den Säulen, Columnae (Abb. 5.65): Hintersäule, Columna dorsalis, bzw. Hinterhorn, Cornu dorsale; Vordersäule, Columna ventralis, bzw. Vorderhorn, Cornu ventrale; seitliche Säule, Columna lateralis, bzw. Seitenhorn, Cornu laterale (nur im Brustmark sowie dem angrenzenden Hals- (C8) und Lendenmark (L1–2)). Zentrales Verbindungsstück, bestehend aus dem Zentralkanal, Canalis centralis, mit der umgebenden Substantia grisea centralis.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

428

Sulcus intermedius posterior

Sulcus medianus posterior

Fasciculus gracilis (Goll) Fasciculus cuneatus (Burdach)

Wurzeleintrittszone und Radix dorsalis Fasciculus interfascicularis (Schultze-Komma)

Zona terminalis Zona spongiosa

Nucl. proprius

Substantia gelatinosa Tr. corticospinalis lat. (Pyramidenseitenstrangbahn)

Nucleus dorsalis (Clarke-Säule) Tr. spinocerebellaris dorsalis (Flechsig)

Tr. spinocerebellaris ventralis (Gowers)

c

a

Gr. B

Gr. B

Tr. rubrospinalis

Gr. B

Tr. vestibulospinalis lateralis

b

Substantia intermedia

Tr. tectospinalis Radix ventralis

Tr. reticulospinalis lat. Tr. olivospinalis (Helweg) Fasciculus longitudinalis medialis Fissura mediana anterior

Tr. vestibulospinalis anterior Tr. reticulospinalis med.

Tr. corticospinalis anterior (Pyramidenvorderstrangbahn)

Abb. 5.64: Querschnitt durch das Rückenmark. Es sind schematisiert links die Zellen und Zellgruppen der grauen Substanz, rechts die Strangzellen (blau), die Vorderwurzelzellen (rot) sowie die Assoziationszellen und Kommissurenzellen (schwarz) eingezeichnet. Die Felder der Rückenmarksbahnen sind als Umriss wiedergegeben. Assoziationszellen = vollschwarz; Kommissurenzellen = schwarz gestrichelt; blau = a: Neurit des Tractus spinocerebellaris posterior; b: Neurit des Tr. spinocerebellaris anterior; c: Neurit des Tr. spinothalamicus lateralis; Gr. B: Grundbündel; O: ovaläres Hinterstrangfeld. Die römischen Zahlen geben die aufsteigenden Bahnen, die arabischen Zahlen die absteigenden Bahnen an

£ Hinterhorn, Cornu posterius. Es wird insbe-

sondere vom Nucl. proprius columnae posterioris gebildet. Als weiteres großes Kerngebiet liegt die Columna dorsalis (Clarke-Säule) in Höhe C8–L2 an der Basis des Hinterhorns und entsendet den Tractus spinocerebellaris posterior zum Kleinhirn. Dem Nucl. proprius liegt dorsal die Substantia gelatinosa (Rolandi) an, der wiederum kappenartig die Substantia spongiosa folgt. Von der Oberfläche des Rückenmarks trennt der Tractus dorsalis (Lissauer) das Hinterhorn von der Redlich-ObersteinerWurzeleintrittszone ab (siehe Lehrbücher der Histologie). Zwischen dem Hinterhorn und dem Seitenhorn liegt die lockere Substanz der Formatio reticularis spinalis. £ Vorderhorn, Cornu anterius. Hier sind die motorischen Neurone in Kerngruppen angeordnet. Neben einer medialen Kerngruppe

(Nucl. anteromedialis sowie Nucl. posteromedialis) und einer lateralen Kerngruppe (Nucl. anterolateralis, Nucl. posterolateralis sowie Nucl. retrodorsolateralis) bildet eine zentrale Kerngruppe des Halsmarks zusätzlich den Nucl. phrenicus (Motoneurone für das Zwerchfell) und Nucl. accessorius. In der Versorgungsregion der oberen Extremität (C5-Th1) ist das Vorderhorn wegen der zu versorgenden Muskelmasse viel stärker differenziert als im Brustmark und nimmt im Lumbal- und Sakralmark (Beinmuskulatur) an Masse zu, wobei sich auch hier wieder vermehrt Kerngruppen für einzelne Muskeln differenzieren lassen. Die Gruppen der Motoneurone für proximale Muskeln liegen medial, für distale Muskeln lateral in der Columna anterior. £ Seitenhorn, Cornu laterale. Es erreicht seine größte Ausdehnung im kaudalen Halsmark (C8 und Th2, Centrum ciliospinale mit prägang-

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS

lionären Zellen für den Halsgrenzstrang und oberen thorakalen Grenzstrang. Insbesondere liegen hier die 1. Neurone zur Versorgung des M. dilatator pupillae (s. Kap. 6.4.2, S. 588), die im Ganglion cervicale superius umgeschaltet werden, und mehrere Kerne mittelgroßer sympathischer Nervenzellen (s. Abb. 5.61, 62). Hierunter zählen die mediale Kerngruppe, Nucl. intermediomedialis (Interneurone), und die laterale Kerngruppe, Nucl. intermediolateralis (präganglionäre Neurone). Klinik: 1. Das Vorderhorn ist somatotopisch gegliedert, wobei die Zellen der medialen Kerngruppen die axiale Nacken-, Rücken-, Interkostal- und Abdominalmuskulatur versorgen. Die Zellen des Nucl. ventrolateralis im Halsmark versorgen hingegen die Extremitätenmuskeln von Schultergürtel und Oberarm, während die Zellen des Nucl. dorsolateralis die Extremitätenmuskulatur von Unterarm und Hand innervieren. Der Nucl. retrodorsolateralis versorgt die kleinen Fingermuskeln. Im ventralen Bereich des Vorderhorns liegen insbesondere Zellen für die Streck-, im dorsalen Bereich für die Beugemuskulatur. 2. Zusätzlich besteht eine höhenspezifische somatotope Gliederung. Dabei liegen Zellen für die Innervation des Schultergürtels höher als die für den Oberarm, gefolgt von Unterarm und Hand (s. Abb. 5.65). Die Kenntnis der Somatotopik des Rückenmarks lässt sich diagnostisch nutzen, um pathologische Prozesse des Wirbelkanals oder des Rückenmarks zu lokalisieren. Gliederung der grauen Substanz nach Rexed. Die regionalen Unterschiede von Häufigkeit und Verteilung der Zelltypen der grauen Substanz mit den markscheidenfreien Endverzweigungen der Nervenfasern, Telodendria, und ihren verschiedenen synaptischen Verschaltungstypen lassen histologisch eine charakteristische Zytoarchitektonik der grauen Substanz erkennen. Diese Lamination bildet die Grundlage der Rexed-Gliederung: Dabei werden 10 Laminae (LI–LX) in der grauen Substanz des Rückenmarks unterschieden, welche in Richtung von dorsal nach ventral klassifiziert werden (Abb. 5.65).

429

£ Lamina I entspricht der Zona spongiosa (neue

£

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£ £

Terminologie: Nucl. marginalis), die die Waldeyer-Marginalzellen enthält. Sie ist der am weitesten dorsal gelegene Teil des Hinterhorns. Lamina II ist die äußere Zone der Substantia gelatinosa, die besonders glasig erscheint, da große Neurone fehlen. Das Gewebe ist mit radiär auf die kleine Einbuchtung, Hilus, ausgerichteten Axonendigungen, Synapsen und Dendriten ausgefüllt. Lamina III ist die innere Zone der Substantia gelatinosa, welche durch kleinere Interneurone bedingt etwas mehr körnig wirkt. Lamina IV stellt den Hilus der Substantia gelatinosa dar; kleine und große Nervenzellen kommen hier nebeneinander vor. Lamina V nimmt die engste Stelle, den Hals, des Hinterhorns ein. Die laterale Zone dieser Lamina enthält große Strangzellen mit reichlich Nissl-Substanz. Diese Strangzellen stellen sehr dendritenreiche Zellen der grauen Substanz dar, deren Neuriten in die weiße Substanz der gleichen oder der Gegenseite gelangen; sie steigen in den Seitensträngen des Rückenmarks auf oder geben Kollateralen ab, um als Tractus das Rückenmark mit dem Gehirn zu verbinden. Die großen Zellen der medianen Zone enthalten weniger Nissl-Substanz, so dass diese Zone in der Nissl-Färbung blasser erscheint. Lamina VI bildet die Basis des Hinterhorns und ist in den Intumescentiae cervicalis et lumbalis besonders breit angelegt. Lamina VII stellt die mittlere Zone des Vorderhorns, Zona intermedia oder Substantia intermedia, dar. In ihr liegen die Kernsäulen der Motoneurone wie Inseln eingebettet vor. Lamina VIII ist ein medialer Teil des Vorderhorns und umschließt die Zellsäulen der Motoneurone der Rückenmuskulatur und die Nucll. commissurales. Der Aufbau dieser Lamina wird durch diejenigen Fasern bestimmt, welche die Motoneurone versorgen. Lamina IX umfasst alle Zellsäulen der multipolaren somatischen Motoneurone im Vorderhorn. Lamina X bildet das um den Zentralkanal gelegene Gebiet der Substantia grisea centralis.

430

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Abb. 5.65: Rückenmarksquerschnitt mit Somatotopik des Vorderhorns (rechts) und Gliederung der grauen Substanz in zehn Laminae nach Rexed (links)

Weiße Substanz Die graue Substanz ist von auf- und absteigenden Nervenfasern umgeben, welche sie wie ein weißer Mantel umkleiden. £ Gliederung

Die weiße Substanz des Rückenmarks wird durch die Ein- bzw. Austrittszone der hinteren und vorderen Wurzelfasern in 3 Stränge, Funiculi, unterteilt: der Hinterstrang, Funiculus posterior; liegt zwischen dem Septum medianum posterius und der Linea radicularis posterior (bzw. der Hintersäule), der Seitenstrang, Funiculus lateralis, befindet sich zwischen den vorderen und hinteren Wurzelfasern, der Vorderstrang, Funiculus anterior, liegt zwischen den vorderen Wurzelfasern und der Fissura mediana anterior (s. Abb. 5.65). Der Seitenstrang wird außerdem in einen Funiculus dorso(postero-)lateralis und in einen Funiculus ventro(antero-)lateralis unterteilt. Teilweise fasst man ihn auch mit dem Funiculus anterior zum Vorderseitenstrang zusammen (s. Kap. 5.4.6.3). Die innerhalb der Stränge verlaufenden Fasern mit gemeinsamem Ziel und gemeinsamer Funktion

werden entweder als Bündel, Fasciculi, oder als Bahnen, Tractus, bezeichnet (s. Abb. 5.66). Eigenapparat. Am Übergang von grauer zu weißer Substanz befinden sich die Grundbündel, Fasciculi proprii. Sie bestehen aus auf- und absteigenden Neuriten von Assoziationszellen, die den Eigenapparat des Rückenmarks bilden (s. Abb. 5.64). Durch den Eigenapparat werden komplexe Bewegungen schon auf Rückenmarksebene gesteuert und synchronisiert. In den Grundbündeln des Vorderstrangs sind die Neuriten lang und überbrücken große Rückenmarksabschnitte. Dabei verknüpfen sie mehrere Segmente. In den dorsolateralen Grundbündeln sind die Neuriten hingegen kürzer und ermöglichen dadurch eine relativ eigenständige Funktion der Segmente. Die von den Grundbündeln übermittelten exzitatorischen und inhibitorischen Impulse richten sich insbesondere an die motorischen Vorderhornzellen. Durch Ergebnisse vergleichender Untersuchungen an Vierfüßern, Quadrupeden, geht man davon aus, dass die Grundbündel für die Bewegungskoordination von oberen und unteren Extremitäten von großer Bedeutung sind.

5.2 Allgemeine Topographie, Präparation und Bildgebung des ZNS Schultze-Komma (zervikal)

431 Phillippe-Gombault Triangel (sakral) (thorakal)

Abb. 5.66: Somatotope Gliederung der weißen Substanz des Rückenmarks, Ansicht von oben. 1. rezeptives Neuron und 2. Neuron, die Strangzellen der Vorderseitenstrangbahn, sind eingezeichnet. Die Grundbündel (Fasciculi proprii) rechts punktiert (Schema nach O. Förster und M. Clara). Im Hinterstrang sieht man zum Eigenapparat gehörende rekurrente Faserbündel, die sakral die Phillippe-Gombault Triangel, thorakal das ovale Flechsig-Feld und zervikal das Schultze-Komma bilden, die hier zur Vereinfachung gemeinsam in einem Schnitt dargestellt wurden

Auf die Grundbündel folgen nach außen die langen Leitungsbahnen (Tractus). Im Hinterstrang befinden sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aufsteigende Bahnen. Im Vorderseitenstrang kommen auf- und absteigende Bahnen gemeinsam vor. Alle Bahnen werden zusammen mit den dazugehörigen Systemen in Kapitel 5.4 detailliert besprochen.

5.2.7.5 Segmentale Gliederung des Rückenmarks Spinalnerv. Die motorischen Vorder- und die sensiblen Hinterwurzeln des Rückenmarks vereinigen sich während der gemeinsamen Strecke durch das Foramen intervertebrale und bilden den etwa 1 cm langen Spinalnerven des jeweiligen spinalen Segments (s. Kap. 2.6.5.1, S. 94 und Kap. 5.1.3). Der Spinalnerv teilt sich nach Durchtritt durch das Foramen intervertebrale in einen vorderen Ast, Ramus anterior, der seine Richtung fortsetzt und einen hinteren Ramus posterior, der nach dorsal umbiegt und die autochthone Rückenmuskulatur innerviert (s. Kap. 2.6.5.1, S. 94, Kap. 8, S. 629). Radikuläre sensible Hautinnervation und periphere sensible Hautinnervation. Aus einem Segment wird ein für den jeweiligen Spinalnerven charakteristisches Gebiet versorgt (s. Abb. 5.67), wozu

neben der sensiblen Versorgung der Haut (Dermatom) auch die Muskel- und Eingeweideinnervation gehört. Da durch die Plexusbildung der Rami ventrales ein peripherer Nerv Fasern verschiedener Segmente führt und umgekehrt Fasern aus einem Segment in verschiedenen Nerven verlaufen, sind Dermatome und Innervationsgebiete bestimmter peripherer Nerven nicht deckungsgleich. Folglich unterscheidet man: Radikuläre oder segmentale sensible Hautinnervation und periphere sensible Hautinnervation Sowohl die Dermatome als auch die sensiblen Innervationsgebiete eines Nervs überlappen sich an ihren Rändern. Das ausschließlich von einem bestimmten Hautnerven innervierte Areal bezeichnet man als Autonomiegebiet. Klinik: 1. Bei Sensibilitätsstörungen wird das ausgefallene Areal genau bestimmt, um dann zu überprüfen, ob es dem Dermatom eines Segmentes oder dem Autonomiegebiet eines Nerven entspricht. Auf diese Weise können segmentale Störungen (z. B. bei Bandscheibenvorfall, s. Kap. 8.2.1, S. 638) von peripheren Nervenläsionen (z. B. Engpasssyndromen wie Einklemmung des N. medianus im Canalis

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

432

C2

V1 V2 V3

C3

HN V C2 C3 C4

C5 C7

C6 T1

C8

L1

C4_6

Extensoren C5_7(8)

C5_7

C(5)6_8

L4

L5

S2

S3

S4

C(6)7_T1

Flexoren L(1)2_4

Flexoren L3_5

L2 L3

C6_8 C(6)7_T1

T2 T3 T4 T5 T6 T7 T8 T9 T10 T11 T12

L4_S(S1)

S1

L5_S2 L4_S1

L4_S1

Extensoren

L5_S2

Abb. 5.67: Vereinfachte Darstellung der Segmentgrenzen (Dermatome) mit muskulären Versorgungsgebieten (unten rechts); nach April (1997) und P. Duus (1990). Im Gesicht ist die Versorgung durch den N. trigeminus (V. Hirnnerv) dargestellt

carpi: Karpaltunnelsyndrom, s. Kap. 9.2.9, S. 760) unterschieden werden. 2. Ebenso wie jeder sensiblen Wurzel ein Hautdermatom zugeordnet werden kann, so kann vielen motorischen Wurzeln ein Leitmuskel zugeordnet werden, der sich mehr oder weniger vollständig aus dem

Myotom dieses Segmentes entwickelt hat (siehe Abb. 5.67). Durch Testung der adäquaten Muskeleigenreflexe (z. B. Bizepssehnenreflex für C5/6 oder Patellarsehnenreflex für L3/4) können Schäden daher auf segmentaler Ebene lokalisiert werden.

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

£ Head-Zonen. Über die Rami communicantes

der Rückenmarksnerven entstehen segmentale Zuflüsse zu und aus dem autonomen Nervensystem. Durch die gemeinsame Verschaltung somatosensibler und viszerosensibler Signale in den Segmenten können Schmerzreize, Algesie, oder eine Überempfindlichkeit, Hyperästhesie, aus den Eingeweiden in dem entsprechenden Hautdermatom empfunden werden. Teilweise lassen sich bestimmte Hautareale bestimmten inneren Organen zuordnen: Head-Zonen (s. Kap. 2.6.5.4, S. 97). Diese Zuordnung ist für

5.3

433

die Diagnostik sowie für physiotherapeutische Behandlungsmethoden unentbehrlich. So stellt z. B. die Segmenttherapie eine Reizbehandlung erkrankter innerer Organe dar, welche auf der Nutzung kutiviszeraler Reflexe basiert, die sich aus der segmentalen Gliederung des Körpers ergeben. Entsprechende Methoden sind die Reflexzonenmassage (Bindegewebs-, Nervenpunkt- oder Periostmassage), die Applikation thermischer und elektrotherapeutischer Reize sowie die lokale Anästhetikainfiltration.

Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

Lernziele: Leptomeninx (weiche Hirnhaut): Pia mater und Arachnoidea mater; Pachymeninx (harte Hirnhaut): Dura mater; Liquor cerebrospinalis: Bildung und Resorption, Räume und Zisternen, Liquorpunktion; Circulus arteriosus cerebri (Willisii), Sinus durae matris, Gefäßund Nervenversorgung der Hirn- und Rückenmarkshäute

5.3.1 Übersicht Gehirn und Rückenmark füllen die knöchernen Höhlen des Schädels und der Wirbelsäule nicht vollständig aus, sondern sie sind von Häuten umgeben und in einer Flüssigkeit gelagert. Hierdurch ist die empfindliche Nervensubstanz von Gehirn und Rückenmark vor Erschütterungen geschützt. Liquor cerebrospinalis (kurz: Liquor, lat. liquidus: flüssig). Der Liquor füllt die Hohlräume im und um das ZNS. Der das ZNS umgebende Flüssigkeitsraum wird als äußerer Liquorraum bezeichnet. Er ist mit dem von den Ventrikelräumen, Aquädukt und Canalis centralis des Rückenmarks, gebildeten inneren Liquorraum durch 3 Öffnungen, Aperturae, im IV. Ventrikel verbunden. Klinik: 1. Die Kenntnis der topographischen Lage der Liquorräume und der Blutgefäße zu

den Häuten des Gehirnes ist wichtig für das Verständnis zahlreicher Erkrankungen, wie intrakranieller Blutungen und Hydrocephalus, sowie diagnostischer Eingriffe, z. B. der Liquorpunktion und verschiedenen Anästhesieverfahren. 2. Es gibt Störungen der Bildung und Resorption des Liquors, die zu neurologischen Erkrankungen führen können. Der Druck im Liquorraum unterliegt großen physiologischen Schwankungen, so dass der diagnostische Wert einer einmaligen Druckmessung gering ist. Eine solche Liquordruckmessung erfolgt, wie die normale Liquorpunktion, am liegenden Patienten. Dabei werden eine entsprechend weite Kanüle und ein Steigrohr verwendet, so dass puls- und atemsynchrone Schwankungen sichtbar werden können (Normwerte: 65–195 mmH2O oder 5–15 mmHg).

5.3.2 Hirn- und Rückenmarkshäute, Meninges Der das Gehirn nach außen begrenzenden Membrana limitans gliae superficialis liegt die Pia mater auf, die das innere Blatt der weichen Hirnhaut, Leptomeninx, darstellt. Das äußere Blatt wird als Arachnoidea mater bezeichnet, die über das Neurothel in die Dura mater übergeht. Zwischen Pia mater und Arachnoidea mater liegt der äußere Liquorraum, Sub-

434

arachnoidealraum, Spatium subarachnoideum, der an Orten, an denen Gehirn und umgebende Knochen inkongruent verlaufen, zu Zisternen erweitert wird. Die Dura bildet an bestimmten Stellen Duplikaturen, in denen sich die Sinus durae matris befinden. Über diese erfolgt der venöse Abfluss aus dem Gehirn. In diese Sinus reichen Ausstülpungen der Arachnoidea mater, Arachnoidealzotten, hinein, welche für den Abfluss des Liquors wichtig sind.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

5.3.2.1 Die Hüllen des Gehirns Arachnoidea mater und Pia mater, Leptomeninx Einteilung. Die weiche Hirnhaut, Leptomeninx, gliedert sich in 2 Blätter: • Das äußere Blatt ist die der Dura mater anliegende Arachnoidea mater, • das innere Blatt die der Oberfläche des Gehirns unmittelbar folgende Pia mater.

Spatium subarachnerideum mit Liquor cerebrospinalis Membrana limitans gliae superficialis

*

Astrozyten (bilden Membrana limitans gliae superficialis und perivascularis) Markrophage (perivaskuläre Zelle) Membrana limitans gliae perivascularis perivaskulärer Raum (Virchow-Robin)

p

Neuropil

Abb. 5.68: Schematische Darstellung der Ultrastruktur der Hirnhäute mit den Virchow-Robin-Räumen Gelb Subarachnoidal-perivaskulärer Raum mit Liquor. Blau Basalmembranen auf der Membrana limitans gliae perivascularis et superficialis und um Perizyten Rot Blutgefäße Grau Neuropil Zwischen der Basalmembran der Glialimitans und der Blutgefäße liegt der liquorgefüllte Virchow-Robin-Raum. In der Tiefe verschmelzen die Basalmembranen, der Raum existiert dort nicht mehr (∗).

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

£ Aufbau der Leptomeninx. Die Oberfläche des

zentralnervösen Gewebes wird von der Membrana limitans gliae superficialis abgeschlossen. Diese besteht aus einer dichten Schicht von Zellfortsätzen von Astrozyten und einer darauf liegenden Basalmembran, welche die äußerste Begrenzung des ZNS darstellt. Auf dieser Basalmembran befindet sich dann das zarte Bindegewebe der Pia mater. Die flachen Bindegewebszellen der Pia mater können in mehreren Lagen übereinanderliegen, zwischen und über denen viele Makrophagen vorkommen.

Die Pia mater folgt der Oberfläche in jede Vertiefung hinein, während die Arachnoidea mater als äußeres Blatt der Leptomeninx Vertiefungen und Krümmungen in großem Bogen überbrückt. Zwischen beiden Blättern liegt so der liquorgefüllte Subarachnoidalraum, Spatium subarachnoideum. Er wird von zahlreichen bindegewebigen Bälkchen, Trabeculae arachnoideae, durchzogen, welche die Pia und Arachnoidea mater verbinden. Die Trabeculae geben der Arachnoidea mater (= spinnengewebeähnliche Hüllschicht) den Namen, weil sie wie Spinnweben radial verlaufen. Die Arachnoidea mater geht über das so genannte Neurothel in die Dura mater über, von der sie sich jedoch leicht trennen lässt. Dura und Arachnoidea geben also das Innenrelief der Schädelkapsel wieder, während die Pia mater das Außenrelief des Gehirns nachzeichnet. £ Virchow-Robin Räume (s. Abb. 5.68). Die

Pia mater folgt auch den Blutgefäßen, die von der Oberfläche ins Gehirn eintreten. Zwischen einer das Gefäß umgebenden Basalmembran und der die Gehirnoberfläche begrenzenden Membrana limitans gliae entstehen so die mit pialen Zellen und etwas Liquor aufgefüllten Virchow-Robin-Räume. Sie bleiben mindestens bis in den präkapillären Raum erhalten. Dann wird die Basalmembran der Blutgefäße direkt von der Membrana limitans gliae perivascularis eingehüllt. Sie besteht wie die Membrana limitans gliae superficialis aus astrozytären (aber auch aus einigen) mikroglialen Fortsätzen.

435

Die Virchow-Robin-Räume stellen eine Verbindung des leptomeningealen Bindegewebes und des äußeren Liquorraums mit tief im Gehirnparenchym gelegenen perivaskulären Zonen dar, so dass die Makrophagen der weichen Hirnhaut unschwer in diese Bereiche vordringen können. Die Makrophagen der Virchow-Robin-Räume werden auch als perivaskuläre Zellen bezeichnet. Sie scheinen eine wichtige Rolle bei der Antigenpräsentation im ZNS wahrzunehmen. £ Zisternen. Da die Arachnoidea über ihre Ver-

bindung mit der Dura dem Relief der Schädelkapsel folgt, variiert die Breite des zwischen ihr und Gehirn gelegenen Subarachnoidalraumes beträchtlich. Sie schwankt zwischen einigen Millimetern und mehreren Zentimetern an solchen Orten, an denen die Gehirnoberfläche starke Krümmungen vom Schädel weg aufweist. So entstehen die klinisch wichtigen Zisternen, die also Erweiterungen des liquorgefüllten Subarachnoidalraumes darstellen.

Die wichtigsten Zisternen sind (s. Abb. 5.69): • Cisterna cerebellomedullaris: zwischen Kleinhirnunterseite und Medulla oblongata über dem Foramen magnum. In sie mündet die Apertura mediana ventriculi quarti (Magendi). Aus ihr kann durch eine Subokzipitalpunktion Liquor gewonnen werden. • Cisterna corporis callosi verläuft über dem Balken und geht rostral über in die an der Hirnbasis gelegene • Cisterna chiasmatis, welche das Chiasma opticum umschließt. Sie geht über in die • Cisterna interpeduncularis, die die Fossa interpeduncularis erfüllt. Lateral davon beginnt die • Cisterna ambiens, die beidseits um die Crura cerebri herumreicht und dorsal übergeht in die • Cisterna venae cerebri magnae (Cisterna quadrigeminalis), die die Vierhügelplatte und die Epiphyse umgibt. An der Hirnbasis folgt die • Cisterna pontis, in die im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels beidseits die Aperturae laterales ventriculi quarti (Luschkae) münden und so den inneren Liquorraum (Ventrikel) mit dem äußeren Liquorraum (Subarachnoidealraum) verbinden. Schließlich liegt die • Cisterna fossae lateralis cerebri (Inselzisterne) zwischen Insel und den die Inselrinde

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

436

Corpus callosum

Recessus suprapinealis Sinus sagittalis superior in der Falx V. cerebri magna Cisterna v. cerebri magnae Aquaeductus cerebri

Cisterna chiasmatis Recessus infundibuli

Sinus rectus im First des Tentorium cerebelli Ventriculus quartus Aperta mediana ventriculi quarti Cisterna cerebellomedullaris

Falx cerebelli

Hypophysis A. basilaris

Cisterna interpeduncularis

Abb. 5.69: Die Hirnventrikel (dunkelblau) und ihre Verbindung mit dem Cavum subarachnoideale (hellblau und grau) auf einem Medianschnitt des Kopfs. Falx am Rand der Sinus entfernt

bedeckenden Abschnitten des Frontal-, Parietal und Temporallappens. In der Inselzisterne verlaufen die Aa. insulares aus der A. cerebri media. Dura mater cranialis (encephali), Pachymeninx £ Aufbau der Dura mater. Die dünne Neuro-

thelschicht verbindet die Arachnoidea mit dem straffen kollagenen Bindegewebe der Dura mater (lat. durus = hart, fest), welche auch als Pachymeninx (gr. pachys = stark, derb, meninx = Hirnhaut) bezeichnet wird. Neurothel und Dura mater sind nur unvollständig verklebt, so dass leicht Spalträume entstehen können. Die Dura mater wiederum ist fest mit dem Periost der Schädelknochen verwachsen oder ist untrennbarer Bestandteil des inneren Periosts. So besteht normalerweise weder ein Subduralraum, zwischen arachnoidealem Neurothel und Dura mater, noch ein Epiduralraum, zwischen Dura mater und Schädelknochen. Die Dura selbst ist eine derbe, reißfeste, sehnig glänzende Haut, welche die Schädelkapsel auskleidet (s. Abb. 5.17). Durch 3 Duplikaturen, in denen große venöse Blutleiter, die Sinus durae

matris, verlaufen (s. Abb. 5.70 und Kap. 5.3.4.3, S. 451), unterteilt sie den Schädelinnenraum und gibt dem Gehirn Halt. £ Bildungen der Dura mater cranialis

1. Falx cerebri ist eine in der Mediansagittalebene gelegene Duraplatte, welche die Großhirnhemisphären bis nahezu herunter zum Balken trennt (s. Abb. 5.18). Sie ist rostral an der Crista galli, dorsolateral an den Rändern des Sulcus sagittalis und der Protuberantia occipitalis interna befestigt und geht über in das mehr horizontal sich ausbreitende 2. Tentorium cerebelli. Es liegt in der Fissura transversa und trennt so die Okzipitallappen des Großhirns vom darunter liegenden Kleinhirn. Im Giebel, wo die Falx cerebri das Tentorium cerebelli anhebt, verläuft der Sinus rectus zum Confluens sinuum auf der Protuberantia occipitalis interna (s. Abb. 5.69, 70). Das Tentorium cerebelli ist jeweils lateral an der Felsenbeinoberkante und rostral an den Processus clinoidei anteriores befestigt. Zwischen linkem und rechtem Ansatzpunkt und dem Giebel bleibt eine enge Lücke zum Durchtritt des Hirnstamms, die Incisura tentorii, die also supra- und infratentoriellen Raum verbindet.

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

3. Falx cerebelli. Sie ist eine inkonstante kleine Duraplatte kaudal des Tentorium cerebelli, welche die Kleinhirnhemisphären unvollständig abtrennt und den Sinus occipitalis umschließt. 4. Cavum trigeminale (Meckeli). Auf der Vorderseite der Felsenbeinpyramide bildet die Dura beidseits eine abgeflachte Tasche aus, die die austretenden Fasern des N. trigeminus begleitet: das Cavum trigeminale, welches das Ganglion trigeminale (Gasseri) umkleidet. 5. Diaphragma sellae. Eine horizontale Duraplatte bedeckt als Diaphragma sellae die Fossa hypophysialis des Türkensattels und wird vom Hypophysenstiel (Infundibulum) durchbohrt. Lateral des Türkensattels bildet die Dura beiderseits den Sinus cavernosus aus. Durch ihn werden die Pulsationen der A. carotis interna in ihrem Verlauf durch den Sulcus caroticus wie durch ein Polster aufgefangen. Beachte die durch die Wand des Sinus cavernosus hindurch ziehenden Hirnnerven (s. Abb. 5.49). Klinik: Die Kenntnis des topographischen Verlaufs der Hirnnerven III, IV, V2 in der Dura

437

und VI frei im Sinus cavernosus ist wichtig, um neurologische Komplikationen bei Läsionen in diesem Bereich verstehen zu können. £ Arachnoidalzotten, Granulationes arachnoi-

deae, (s. Abb. 5.71). Durch die Dura ragen in die großen venösen Sinus, insbesondere in den Sinus sagitallis sup. entlang der Falx, die Arachnoidalzotten hinein. Diese Zotten stellen liquorgefüllte Ausstülpungen der Arachnoidea ins venöse Blut der Sinus dar und spielen eine wichtige Rolle bei der Resorption des Liquor cerebrospinalis. Sie können auch die in den einzelnen Schädelknochen liegenden DiploëVenen erreichen und werden dann als Pacchioni-Granulationen bezeichnet.

An der fixierten Leiche lässt sich die Dura relativ leicht vom Knochen trennen. Wenn man die Dura unter Schonung der darunterliegenden Arachnoidea mit dem von ihr umhüllten Liquorraum schlitzt, sieht man in den physiologisch nicht vorhandenen Subduralraum hinein (s. Abb. 5.17, 71).

Abb. 5.70: Die Sinus durae matris. Schema der wichtigsten Verbindungen der intrakraniellen (blau) mit den extrakraniellen (schwarz gestrichelt) Venen. 1. Fissura orbitalis superior. 2. Fissura orbitalis inferior. 3. Foramen ovale. 4. Foramen spinosum. 5. Foramen lacerum. 6. Canalis caroticus. 7. Foramen jugulare. 8. Canalis hypoglossi. 9. V. emissaria condylaris. 10. V. emissaria mastoidea. Vgl. auch Abb. 5.79

438

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Dura mater zurückgeschlagen Subduralraum, durch eine Sonde markiert

Granulationes arachnoideae

Venae cerebri superiores (Brückenvenen) feine Spinngewebshaut (Arachnoidea); erst unter dieser Hirnhaut befindet sich der Liquor cerebrospinalis und füllt den Subarachnoidalraum aus

Abb. 5.71: Granulationes arachnoideae. Ansicht des Gehirns von oben; Blick auf die Arachnoidea. Im physiologischen Zustand ist der Subduralraum (Sonde) nicht vorhanden. Einzig die Brückenvenen verlassen den Subarachnoidalraum, um in den Sinus sagittalis superior zu drainieren (vgl. Abb. 5.17)

Klinik: Eine Vernarbung der Leptomeningen, wie sie z. B. als Zustand nach einer Meningitis auftreten kann, führt (wahrscheinlich wegen einer Schädigung der Arachnoidealzotten) zu Liquorresorptionsstörungen und damit zum Druckanstieg im Schädelinneren. Das Krankheitsbild bezeichnet man deshalb als Hydrocephalus aresorptivus (gr. hydor = Wasser, kephale = Kopf). £ Gefäßversorgung der Hirnhäute

Arterien. In den weichen Hirnhäuten sind ausschließlich Äste der hirnversorgenden intrakraniellen Blutgefäße (Äste des Circulus arteriosus) zu finden (s. Kap. 5.3.4). Demgegenüber liegen in der Dura mater die meningealen Arterien, welche auch Äste zum Diploë-Knochenmark abgeben. Die Dura mater hat 3 Arterien: die kleine A. meningea anterior aus der A. ethmoidalis anterior, die wichtige A. meningea media aus der A. maxillaris und die kleine A. meningea posterior aus der A. pharyngea ascendens. Venöser Abfluss. Er erfolgt über die Vv. diploicae und die Vv. emissariae (s. Abb. 5.70, s. Kap. 4.10.1, S. 250).

Klinik: Die Topographie der Blutgefäße zu den Hirnhäuten erklärt die Symptomatik von Blutungen. 1. Epidurale Blutungen entstehen durch mechanisch verursachte Risse zumeist der A. meningea media. Da sich die Dura durch den arteriellen Druck erst langsam vom Schädelknochen ablösen muss, besteht zunächst ein beschwerdefreies Intervall. Die Blutung dauert so lange an, bis die Dura entsprechend stark gespannt ist, um dem systolischen Blutdruck zu widerstehen. Dieser Prozess kann bei Kindern wegen der Elastizität der Dura relativ lange dauern, so dass die Einklemmung von großen Hirnarealen gegen Falx und Tentorium droht. Eine schnelle Eröffnung des Schädelknochens, eine Notfalltrepanation, kann deshalb therapeutisch zur Druckentlastung nötig werden. 2. Subdurale Blutungen entstehen durch Abriss der Brückenvenen (s. u.). Dies kann bei älteren Menschen spontan geschehen. Bei Kindern treten sie gehäuft durch Schütteln des Körpers und Schläge auf. Bei Erwachsenen sind subdurale Blutungen häufig Folge von Beschleunigungsoder Bremsmanövern beim Verkehrsunfall (Rückstoß durch Airbag), wenn der Kopf abrupt hin- und hergerissen wird. Die resultierenden

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

venösen Sickerblutungen führen oft zu einem langen beschwerdefreien Intervall, welches graduell in Bewusstseinstrübungen übergehen kann. 3. Eine subarachnoideale Blutung entsteht durch Einriss der basalen intrakraniellen Gefäße vor dem Eintritt ins Gehirn. Häufig sind angeborene oder erworbene (Arteriosklerose) Gefäßaussackungen, Aneurysmen (gr. aneuryno = erweitern), und/oder Bluthochdruck, Hypertonie, die Ursache. Da es dann unter dem systolischen Blutdruck zu einer fast ungehinderten Einblutung in den Liquorraum kommt, verläuft die Symptomatik äußerst akut. Zumeist steht ein schlagartig beginnender Vernichtungsschmerz mit Bewusstseinsstörung und Erbrechen am Anfang. Je nach Blutungsort kann es zu fokalen neurologischen Ausfällen kommen. Innervation der Hirnhäute. Dura und Pia mater sind im Gegensatz zum Gehirn gut sensibel und vegetativ innerviert. Die sensible Innervation erfolgt aus allen 3 Ästen des N. V, aus den Nn. IX und X. Die vegetativen Versorgungswege sind recht kompliziert: Die Fasern des Sympathicus stammen aus den Ganglien des Halsgrenzstrangs und verlaufen zusammen mit den Arterien. Parasympathische Fasern werden von folgenden Hirnnerven abgegeben: Rr. meningei des N. ophthalmicus, N. maxillaris, N. mandibularis, N. glossopharyngeus und N. vagus. Vereinfacht kann man sich folgendes sensibles Innervationsschema merken: vordere Schädelgrube: Rr. meningei aus dem N. ethmoidealis ant. (N. V1), mittlere Schädelgrube: Rr. meningei aus Nn. V1 und V2, hintere Schädelgrube: Rr. meningei aus Nn. IX und X. Klinik: 1. Kopfschmerz ist meist Duraschmerz, der aus der sensiblen Innervation der Dura erfolgt. 2. Eine Reizung vegetativer Neurone führt zu einer Dilatation der meningealen Blutgefäße, die für die Entstehung der Migräne und anderer Kopfschmerzformen verantwortlich gemacht wird. Dabei wird u. a. Serotonin freigesetzt, dessen Antagonisierung an bestimmten Serotoninrezeptoren zur Schmerztherapie erfolgreich angewendet wird.

439

5.3.2.2 Hüllen des Rückenmarks Auch das Rückenmark ist von 3 Häuten, der Dura mater spinalis, der Arachnoidea mater spinalis und der Pia mater spinalis, umgeben. Anders als im Gehirn besteht jedoch zwischen dem Durasack und dem knöchernen Spinalkanal ein breiter Raum, der mit Fett und Venen ausgefüllte Epiduralraum. £ Topographie der Rückenmarkshäute (s. Abb.

5.59, 72). Die Dura mater teilt sich am Foramen magnum in 2 Blätter, von denen das dünnere äußere das Periost des Wirbelkanals bildet, während das dickere innere Blatt als Sack den äußeren Liquorraum und das Rückenmark enthält. Zwischen den beiden Blättern der Dura liegt der mit Fettgewebe und vielen großen Venen (Plexus vertebralis internus) gefüllte Epiduralraum, Spatium epidurale, der in der Klinik auch als Periduralraum bezeichnet wird (aufgrund seiner Lage zwischen 2 Durablättern müsste er streng genommen Interduralraum heißen). Zwischen Arachnoidea mater spinalis und Pia mater spinalis befindet sich der Subarachnoidalraum. £ Durataschen. Die große subarachnoideale Cisterna lumbalis füllt den durch die wachstumsbedingte relative Verkürzung des Rückenmarks frei gewordenen Teil des Wirbelkanals (s. Abs. 1.3) zwischen dem Ende des Rückenmarks, also kaudal des Conus medullaris auf der Höhe der Wirbelsegmente L1–2, und dem Ende des Durasacks auf der Höhe der Os sacrum (S2–3) aus. Dort verjüngt sich der Durasack zum Filum terminale durae matris, welches am 1. Steißbeinwirbel befestigt ist (s. Abb. 5.63). Vom Durasack gehen segmental sackförmige Ausstülpungen, Recessus durae matris spinalis, bis in die Foramina intervertebralia ab. Sie umhüllen die vordere und die hintere Wurzel sowie das Spinalganglion und gehen in die bindegewebige Nervenscheide, Epi- und Perineurium, über. Diese Durataschen verankern den Durasack auch in der Frontalebene. Zusätzlich erfolgt eine Befestigung durch epidurales Bindegewebe, das Durasack und Periost des Wirbelkanals verbindet. Das Rückenmark ist durch die in der Mitte zwischen Vorder- und Hinterwurzel liegenden, von der Pia gebildeten Ligg. denticulata freischwebend im Durasack aufgehängt).

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

440

Plexus venosus vertebralis internus Periost (äußeres Durablatt)

R. spinalis a. intercostalis

Ggl. spinale (im Durasack) For. intervertebrale

A. sulcocommissuralis

Abb. 5.72: Die Hüllen und Arterien des Rückenmarks. Querchnitt durch den Wirbelkanal in Höhe des 2. Brustwirbels. Links ist die Wurzeltasche geöffnet

Klinik: Zur Darstellung intraspinal raumfordernder Prozesse, wie den Rückenmarkstumoren, oder zur Diagnostik der Bandscheibenvorfälle bedient man sich neben den modernen CT- und MRT-Verfahren auch besonderer Röntgenaufnahmen nach Kontrastmittelinjektion in den epi-, subduralen oder subarachnoidealen Raum: Myelographie (gr. myelós = Mark; graphein = schreiben, darstellen). Dabei lassen sich eventuelle Konturunterbrechungen bis zum Kontrastmittelstopp im Spinalkanal wie auch unvollständige oder fehlende Füllungen der Wurzeltaschen nachweisen. Gefäße und Rückenmarkhäute Arterien und Venen des Rückenmarks (s. Kap. 5.3.4.2, S. 450) versorgen auch die Häute. Innervation der Rückenmarkshäute. Die sensible Innervation der Dura und des Periosts erfolgt über die Rr. meningei der Spinalnerven (s. Kap. 2.6.5.1, S. 94), die rückläufig durch die Foramina intervertebralia ziehen. Sie teilen sich in einen auf- und einen absteigenden Ast, welche sich mit benachbarten Ästen zu einem Geflecht verbinden.

Klinik: 1. Entzündungen der Meningen führen zum klinisch beeindruckenden Bild des Meningismus. Der Patient ist nackensteif und versucht jede Bewegung zu vermeiden, da die gereizte Dura sonst heftigste Schmerzen hervorruft. Dieser Bewegungsschmerz läßt sich klinisch durch Kopf- (Brudzinski-Zeichen) oder Beinanhebung (Lasègue-Zeichen) auslösen. 2. Bei der Epiduralanästhesie (= Periduralanästhesie) wird in das peridurale Fettgewebe ein Lokalanästhetikum injiziert, das dann die Spinalnerven im gewünschten Areal betäubt. Bei der Spinalanästhesie wird dagegen der Subarachnoidealraum mit einer Nadel erreicht. Um zu verhindern, dass das Anästhetikum aufsteigt und dann lebensnotwendige Zentren ausschaltet, ist eine besondere Lagerung sowie ein hohes spezifisches Gewicht des Anästhetikums notwendig. 3. Bei der diagnostischen Lumbalpunktion wird zur Liquorgewinnung ebenfalls der Subarachnoidealraum punktiert. Dies geschieht kaudal des Conus medullaris im Bereich der Cauda equina, um Verletzungen des Rückenmarks zu verhindern. Üblicherweise wird am sitzenden, nach vorne gebeugten Patienten eine Nadel unterhalb

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

des 4. Lendenwirbeldorns durch das kräftige Lig. interspinale sowie das ventral davon liegende Lig. flavum gestoßen (s. Kap. 8.1.4, S. 635). Die Punktionsnadel wird dann weiter durch den Epiduralraum und den Durasack in den Subarachnoidealraum (also den äußeren Liquorraum) geführt.

5.3.3 Ventrikelsystem Lernziele: Ventrikel, Liquor cerebrospinalis, Plexus choroideus, Apertura mediana ventriculi quarti (Magendii), Aperturae laterales ventriculi quarti (Luschkae) Allgemeine Übersicht £ Innerer Liquorraum (s. Abb. 5.73). Die Ventri-

kel des Gehirns mit dem Aquädukt und der beim Erwachsenen oft obliterierte Zentralkanal des Rückenmarks bilden den inneren Liquorraum. Er ist von einem Ependym ausgekleidet. Die Form der Hirnventrikel spiegelt die Wachstums-

Foramina interventricularia

Ventriculus tertius

441

prozesse der Hirnbläschen aus dem Neuralrohr wider. Das gilt auch für den Plexus choroideus, der durch das embryonale Wachstum des Telencephalonbläschens einmal am Dach und einmal am Boden der Seitenventrikel zu liegen kommt (s. Kap. 5.1.4, S. 363, Abb. 5.14, Tab. 5.1, S. 382). Das Ependym stellt in der Entwicklungsgeschichte die Proliferationszone der Zellen des ZNS dar, und es mehren sich experimentelle Hinweise, dass von dort aus auch beim Erwachsenen eine Neubildung von Gliazellen und Neuronen erfolgen kann (Stammzellen). £ Plexus choroideus. Das in die Ventrikel hineinragende Adergeflecht bildet den Liquor cerebrospinalis, der als klare, eiweiß- und zellarme Flüssigkeit in einer Menge von etwa 150 ml innere und äußere Liquorräume ausfüllt. Da insgesamt ca. 500 ml Liquor am Tag gebildet werden, wird das Volumen etwa dreimal täglich ausgetauscht. Nach der Bildung in den Seitenventrikeln gelangt er über die Foramina interventricularia in den III. Ventrikel und von dort über den Aquaeductus mesencephali (Sylvii) in den IV. Ventrikel. Der Abfluss erfolgt über die Apertura mediana ventriculi quarti (Magen-

Partes centrales

Cornua inferiora

Abb. 5.73: Darstellung der Hirnventrikel (Ausgusspräparat)

Recessus suprapinealis

Recessus pinealis

442

dii) und die paarigen Aperturae laterales ventriculi quarti (Luschkae) in die Zisternen des äußeren Liquorraums. Schließlich wird der Liquor über die Granulationes arachnoideae ins Venensystem und über die Durataschen der Hirnnerven und Spinalnerven auch ins Lymphsystem abgeleitet. Durch Interzellularräume im Ependym besteht ein Austausch mit der interstitiellen Flüssigkeit des Gehirns, weshalb sich Neurotransmitter auch im Liquor nachweisen lassen. Mit dem Blutraum ist dagegen kein ungehinderter Austausch möglich (Blut-Hirnund Blut-Liquorschranke s. u.). Einteilung der Ventrikel Am Ventrikelausgusspräparat (s. Abb. 5.73) lassen sich die äußeren Konturen der Ventrikel darstellen. Man unterscheidet die telenzephalen Seitenventrikel, den dienzephalen Ventriculus tertius und den rhombencephalen Ventriculus quartus. Vor Einführung des cCT und MRT wurden die Ventrikel luftgefüllt im traditionellen Röntgenbild zur Darstellung gebracht: Pneumencephalographie (gr. pneuma = Luft; enkephalon = Gehirn). Seitenventrikel, Ventriculi laterales. Sie werden auch als I. (links) und II. (rechts) Ventrikel bezeichnet und ziehen als bogenförmige Hohlräume durch alle Lappen des Endhirns. Die Seitenventrikel sind wie folgt gegliedert: £ Cornu anterius (oder frontale). Es ist im

Frontalschnitt dreieckig, beginnt am Foramen interventriculare und dringt etwa 3 cm weit in den Stirnlappen vor. Das Dach wird vom Corpus callosum, die mediale Wand vom Septum pellucidum und den Columnae fornicis und die laterale Wand vom Caput nucl. caudati gebildet. Das Cornu anterius enthält keinen Plexus choroideus. Der Übergang des großen Cornu anterius in die abgeflachte Pars centralis wird radiologisch als Thalamustaille bezeichnet. £ Pars centralis (oder parietalis). Sie ist etwa 4 cm lang, liegt im Scheitellappen und reicht vom Foramen interventriculare bis in die Höhe des Splenium corporis callosi, wo sie sich in das Hinter- und das Unterhorn fortsetzt. Sein Dach stellt der Balken dar, die laterale Wand wird vom Corpus des Ncl. caudatus gebildet. Ihren Boden bilden der Thalamus bedeckt von der Lamina affixa sowie Corpus und Crus fornicis. Am Eck-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

punkt zwischen lateraler Wand und Boden liegt die Stria terminalis. Vom Boden aus stülpt sich der Plexus choroideus ventriculi lateralis in den Ventrikel vor (s. Abb. 5.25). £ Cornu posterius (oder occipitale). Dieses erstreckt sich individuell unterschiedlich weit in den Hinterhauptslappen hinein. An seiner medialen Wand wölbt sich der Calcar avis als Einbuchtung des Sulcus calcarinus vor (s. Abb. 5.24, 25). £ Cornu inferius (oder temporale), 3–4 cm lang, erstreckt sich in einem nach laterokaudal gerichteten Bogen in den Schläfenlappen, dessen Pol es sich bis auf 2 cm nähert. An seiner medialen Wand erhebt sich der mächtige Längswulst des Hippocampus, über dem die schmale Fimbria hippocampi verläuft. Zwischen ihr und dem Dach (gebildet von der Cauda nuclei caudati) stülpt sich der Plexus choroideus gegen den Ventrikel vor (s. Abb. 5.25). Cornu anterius und Cornu posterius entstehen erst mit der Ausbildung des Stirn- und Hinterhauptslappens. Nur die Pars centralis und das Cornu inferius besitzen als die älteren Abschnitte einen Plexus choroideus. Dritter Ventrikel, Ventriculus tertius. Er stellt einen median gelegenen spaltförmigen Raum dar, der rostrolateral durch die Foramina interventricularia mit den Seitenventrikeln und dorsal durch den Aquaeductus mesencephali (Sylvii) mit dem IV. Ventrikel in Verbindung steht. Das dünne epitheliale Dach, die Tela choroidea ventriculi tertii, spannt sich zwischen den Striae medullares der beiden Thalami aus (s. Kap. 5.2.5.4, S. 404). Aus der auf ihr liegenden Schicht weicher Hirnhaut stülpen Blutkapillaren die dünne Epithellage gegen den Ventrikel vor und bilden so den Plexus choroideus ventriculi tertii, der am Foramen interventriculare in den Plexus choroideus der Seitenventrikel übergeht. Die Wände des III. Ventrikels setzen sich wie folgt zusammen (vgl. z. B. Abb. 5.29, 30, 36, 39, 50, 69): £ Seitenwände. Sie werden dorsal vom Thalamus

und ventral vom Hypothalamus gebildet, die durch den Sulcus hypothalamicus getrennt sind. Im vorderen Teil sind sie meist (in ca. 50 %) durch die Adhaesio interthalamica verbunden, die aus Gliazellen besteht und somit keine neuronale Kommissur darstellt.

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

£ Boden. Der dünnwandige Boden besteht aus

dem Chiasma opticum, dem Tuber cinereum, den Corpora mamillaria und der Substantia perforata posterior. Hinter dem Chiasma ist er zum Recessus infundibuli, vor ihm zum Recessus opticus ausgebuchtet, in dessen lateraler Wand der Nucl. supraopticus liegt. £ Vorderwand. Sie ist schmal und wird von der dünnen Lamina terminalis, der Commissura anterior und den Columnae fornicis gebildet. £ Hinterwand. Sie ist ebenfalls schmal und zeigt den Recessus pinealis und den Recessus suprapinealis. Der Wandabschnitt zwischen dem Corpus pineale und der Area praetectalis (Eingang in den Aquaeductus mesencephali) ist durch die Fasern der Commissura posterior verdickt. Der vordere, zwischen den Foramina interventricularia gelegene Teil des III. Ventrikels gehört entwicklungsgeschichtlich zum Endhirn. Aquaeductus mesencephali (cerebri). Er verbindet III. und IV. Ventrikel miteinander und ist der engste Teil des Ventrikelsystems. Er durchzieht das Mittelhirn und wird ventral vom Tegmentum und dorsal von der Vierhügelplatte, Tectum, begrenzt. IV. Ventrikel, Ventriculus quartus. Er hat einen rautenförmigen Boden, ein zeltförmiges Dach und liegt im Rhombencephalon. £ Den „Boden“ (die Bezeichnung erfolgt aufgrund

der Lage der Hirnstammachse und meint hier die vordere Wand) bildet die Rautengrube (s. Kap. 5.2.6.2 und Abb. 5.50, 58). An seiner breitesten Stelle ist der Ventrikel zu den nach ventral abbiegenden Recessus laterales ventriculi quarti ausgebuchtet, die zum Kleinhirnbrückenwinkel zeigen (s. Abb. 5.69 und 5.73). Die freien Enden der Recessus laterales ventriculi quarti münden mit den Aperturae laterales ventriculi quarti (Luschkae) in das Cavum subarachnoideale (Cisterna pontis). Ein kleiner Teil des Plexus choroideus ventriculi quarti stülpt sich durch die Aperturae laterales nach außen. Wegen der roten Farbe der blutgefüllten Plexusgefäße wird dieser an der äußeren Hirnoberfläche sichtbare Teil des Plexus choroideus auch BochdalekBlumenkörbchen genannt (beim fixierten Gehirn ist die rote Farbe allerdings meist nicht mehr zu erkennen). £ Das Dach. Es ist abgeknickt und besteht aus dem Kleinhirn und aus den lateral liegenden,

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oberen Kleinhirnstielen, Pedunculi cerebellares superiores. Es beginnt rostral mit dem Velum medullare superius, das bis zum Dachgiebel, dem Fastigium, reicht. Der anschließende dorsale Teil wird von dem schmalen Velum medullare inferius und der dünnen Tela choroidea ventriculi quarti gebildet. Diese wölbt sich, von Ependym überzogen, gegen den Ventrikelraum als Plexus choroideus ventriculi quarti vor. £ Plexus. Er ist paarig, hat beiderseits die Form eines Winkels. Rechter und linker Plexus bilden zusammen eine M-Form. An der Vereinigungsstelle der beiden Plexus liegt die Apertura mediana ventriculi quarti (Magendii). Sie stellt eine Verbindung zwischen dem Ventrikelsystem und der Cisterna cerebellomedullaris her. Die Topographie der Ventrikel und ihrer begrenzenden Strukturen können Sie sich in den MRT- und cCT-Bildern in Kapitel 5.2.4 verdeutlichen. Klinik: Nicht nur wenn der Aqueductus cerebri z. B. durch Tumoren eingeengt ist, sondern auch wenn die Aperturae ventriculi quarti verlegt sind (z. B. bei Meningitis), können die Ventrikel durch den gestauten Liquor zum Hydrocephalus internus ausgeweitet werden.

5.3.4 Gefäßversorgung von Gehirn und Rückenmark Lernziele: Aa. carotides internae, Aa. vertebrales, A. basilaris, Circulus arteriosus (Willisii); A. spinalis anterior aus den Aa. vertebrales, der A. subclavia, den Aa. intercostales sowie der A. radicularis magna (Aorta abdominalis). Vv. cerebri superiores, Sinus durae matris, Vv. basalis (Rosenthalii), Vv. internae cerebri, V. cerebri magna (Galeni), Plexus vertebralis

5.3.4.1 Arterien des Gehirns 2 paarige Arterien, die Aa. carotides internae und die Aa. vertebrales, die einen Circulus arteriosus cerebri bilden, versorgen das Gehirn.

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5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

1. Circulus arteriosus cerebri (Willisii), Abb. 5.74

Klinik: 1. Die A. communicans ant. aus dem Circulus arteriosus stellt ein wichtiges Kollateralgefäß dar, um die Durchblutung beider Hirnhemisphären auch im Falle eines Gefäßverschlusses oder einer hochgradigen Stenose der A. carotis interna (klinisch oft abgekürzt: ACI) aufrechtzuerhalten. Hierbei kommt es zu einer Füllung des Kreislaufs durch die kontralaterale, intakte A. carotis int.: Crossfilling. 2. Das Crossfilling lässt sich mittels transkranieller Doppler-Sonographie nachweisen. Die Kompensation einer Stenose durch Crossfilling ist auch eine Erklärung dafür, dass viele Verschlüsse der A. carotis interna asymptomatisch bleiben können.

Die beiden Aa. vertebrales (aus der A. subclavia, s. 10.7.2.1.2, S. 881) vereinigen sich am Oberrand der Medulla oblongata zur A. basilaris, die dem Pons entlang verläuft, bis sie sich am Übergang in die Fossa interpeduncularis in die beiden Aa. cerebri posteriores aufteilt. Sie werden durch die paarige, den Sehnerv unterkreuzende A. communicans posterior mit den Karotiden verbunden, die wiederum über die Aa. cerebri anteriores durch die unpaare, rostral des Chiasma opticum gelegene A. communicans anterior kommunizieren. So wird ein an der Hirnbasis gelegener Gefäßring, der Circulus arteriosus cerebri (Willisii), geschlossen. Er muss den Blutbedarf des sehr empfindlichen Gehirns auch bei Schwankungen des Bedarfs und der Zufuhr sicherstellen. Der Circulus arteriosus cerebri und seine Äste liegen geschützt im Flüssigkeitspolster des liquorgefüllten Subarachnoidalraums (s. Abb. 5.74).

2. A. carotis interna und ihre Äste Die A. carotis interna verläuft von lateral betrachtet von der Schädelbasis bis in den Sinus cavernosus in einer S-Form, die am Sinus als Karotissiphon bezeichnet wird (s. Abb. 5.78, 79).

A. cerebelli inferior anterior

Abb. 5.74: Basalansicht des Gehirns mit den Zerebralarterien (Circulus arteriosus cerebri in situ). Teile des linken Stirn- und Schläfenlappens sind entfernt, um die A. cerebri anterior und media und den Plexus choroideus des Unterhorns darzustellen

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

Verlauf Die A. carotis interna gibt noch im Sinus cavernosus je ein Ästchen zur Hypophyse und zum Ganglion trigeminale ab und tritt lateral des Chiasma opticum durch die Dura. Diese Lagebeziehung erklärt den Ausfall der nicht kreuzenden, im Chiasma lateral verlaufenden Opticusfasern bei einem Karotisaneurysma. Unterhalb des Sehnervs gibt sie die A. ophthalmica zur Augenhöhle ab. Ein größerer Ast dringt als A. choroidea anterior in das Unterhorn des Seitenventrikels ein und versorgt den Plexus choroideus der Seitenventrikel (der auch aus der A. cerebri post. über Rami choroidei versorgt wird). Schließlich teilt sie sich in ihre Endäste, die Aa. cerebri anterior und media. Zusammen mit der rückläufigen A. recurrens (Heubneri) geben die 3 letztgenannten Gefäße kleinere Äste ab, die durch die Substantia perforata anterior (Kap. 5.2.2.4 und Abb. 5.26) ins basale Telencephalon eindringen. Diese ziehen als Rami centrales senkrecht aufwärts zum Thalamus, Nucl. caudatus, Nucl. lentiformis sowie zur Capsula interna (Versorgungsgebiete auch der nachfolgend besprochenen Arterien: s. Abb. 5.75–77). Klinik: Den Ramus centralis, der über die Außenfläche des Linsenkerns, Nucl. lentiformis, hinweg die innere Kapsel versorgt, bezeichnet man auch als Arterie der Gehirnhämorrhagie. Bei der häufigen Ruptur dieses Gefäßes (blutiger Insult) werden die Bahnen der inneren Kapsel komprimiert, wodurch eine Lähmung der motorischen Bahnen entsteht (s. Abb. 5.75). Größere Stammganglieninfarkte und Stammganglienblutungen bewirken schwer wiegende Halbseitenlähmungen ohne Arm- oder Beinbetonung. Typischerweise führen diese „subkortikalen“ Läsionen nicht zu neuropsychologischen Ausfällen (wie z. B. aphasischen oder apraktischen Störungen). Hauptäste w A. cerebri anterior. Sie zieht über den N. op-

ticus schräg medialwärts zur Fissura longitudinalis cerebri, wo sie über die kurze A. communicans anterior mit der A. cerebri ant. der kontralateralen Seite eine Verbindung besitzt. Sie folgt dann als A. pericallosa der Rundung des Balkens und versorgt den Cortex der medialen Hemisphärenfläche des Lobus frontalis und

445

parietalis bis zum Sulcus parietooccipitalis. Die A. callosomarginalis versorgt noch über die Mantelkante hinweg einen ca. 1 cm breiten Streifen der Konvexität, der im Gyrus praecentralis das motorische Feld für die unteren Gliedmaßen enthält. Klinik: In ihrem Verlauf über den Balken sind A. cerebri anterior (und A. pericallosa) in der angiographischen anterior-posterioren Aufnahmen nur für ein kurzes Stück vor dem Genu corporis callosi zu sehen, bevor sie einen zum Strahlenverlauf parallelen Weg über das Corpus callosum nehmen. Durch leichte Neigung des Kopfes zur Brust kann der Verlauf besser dargestellt werden (s. Abb. 5.78). w A. cerebri media. Sie wendet sich als unmit-

telbare Fortsetzung von der A. carotis interna aus nach lateral und zieht über die Substantia perforata anterior hinweg zur Fossa lateralis cerebri, wo sie sich in 2 bis 4 Äste teilt, welche die Konvexität der Großhirnhemisphären (mit Ausnahme des Okzipitallappens und eines schmalen Streifens an der Mantelkante) und den oberen Schläfenlappenrand versorgen. 10–20 Aa. centrales anterolaterales durchbrechen die Substantia perforata anterior und ziehen zum Thalamus, zum Ncl. caudatus, Ncl. lentiformis und zur Capsula interna. In einigen Fällen entspringt auch die A. choroidea anterior aus der A. cerebri media. Der Abgang liegt dann etwas weiter distal (s. Abb. 5.74).

Klinik: 1. Durchblutungsstörungen im Versorgungsgebiet der A. cerebri media sind die häufigste Ursache von ischämischen Hirninfarkten. Bei Verlegung der A. cerebri media kommt es zu einem weitgehenden Ausfall des sensomotorischen Rindenfelds mit geringer Beteiligung der unteren Gliedmaßen (entsprechend der somatotopischen Gliederung des Homunculus). 2. Eine Durchblutungsstörung im Bereich der dominanten Gehirnhemispäre führt zum Ausfall der Sprachzentren. w A. communicans posterior. Sie verläuft nach

dorsomedial und stellt jederseits die Verbindung zwischen A. carotis interna und A. cerebri posterior her. Diese schickt zahlreiche feine Rami centrales durch die Substantia perforata poste-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

446

Gebiet der A. cerebri anterior

A. cerebri anterior

Nucleus caudatus Nucleus caudatus Thalamus

Gebiet der A. cerebri media

Putamen

Claustrum A. cerebri media Putamen Globus pallidus Rami centrales a. cerebri mediae et a. cerebri anterioris

Gebiet der A. cerebri posterior A. cerebri media

A. cerebri anterior

Gebiet der A. choroidea anterior

Abb. 5.75: Die arterielle Versorgung des Großhirnes auf Frontalschnitten. Rechter Schnitt durch die Mitte des Thalamus, linker Schnitt weiter rostral, durch Nucl. caudatus und Putamen

rior (s Kap. 5.2.2.4) zum Tegmentum mesencephali und zu den Crura cerebri. Über feine Äste versorgt sie die basalen Teile des Striatums und des Thalamus und mit der A. choroidea posterior den Plexus choroideus des III. Ventrikels. Das der A. choroidea post. zugeleitete Blut stammt zum größeren Teil aus der A. basilaris bzw. den Aa. vertebrales, jedoch nur zu einem geringeren Teil aus der A. communicans posterior. 3. A. vertebralis und ihre Äste • Die A. vertebralis (s. Kap. 10.7.2.1.2, S. 881) durchbohrt die Membrana atlantooccipitalis posterior und die Dura mater und gelangt durch das Foramen magnum in die Schädelhöhle, wo sie sich mit jener der Gegenseite an der Grenze zwischen Brücke und Medulla oblongata zur A. basilaris vereinigt (s. Abb. 5.31, 74). Vorher gibt sie noch folgende Äste ab: w die kleine A. spinalis anterior rückläufig zum

Rückenmark und

w die A. cerebelli inferior posterior. Sie versorgt

v. a. den Nucl. dentatus des Kleinhirns und dessen Unterseite sowie ein Gebiet der dorsolateralen Medulla oblongata in der Umgebung der Olive.

4. A. basilaris und ihre Äste Die Arterie versorgt w mit der A. cerebelli inferior anterior die Unter-

und Seitenfläche des Kleinhirns,

w mit zahlreichen Rr. ad pontem (auch Aa.

pontis) den medialen Teil des Pons und der Medulla oblongata, w mit der A. labyrinthi zum Porus acusticus internus das Innenohr, w mit der A. cerebelli superior die obere Fläche des Kleinhirns. w A. cerebri posterior. Schließlich gabelt sich die A. basilaris vor der Brücke in die rechte und linke A. cerebri posterior. Diese Arterien stellen durch die A. communicans posterior die Verbindung zum Stromgebiet der A. carotis interna her, wenden sich dann um die Pedunculi cerebri zur Facies inferior hemispherii cerebri, versorgen hier den gesamten Okzipitallappen mit der Sehrinde und bis auf den Schläfenpol die basale Fläche des Schläfenlappens (s. Abb. 5.76 und Abb. 5.77; die klinisch wichtigen Versorgungsgebiete der Hirnarterien sind auch in Abb. 5.75 schematisch abgegrenzt).

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

447

Gyrus frontalis superior Gyrus postcentralis

Ramus posterior sulci lateralis

Gyrus praecentralis Sulcus centralis Gyrus frontalis medius

Gyrus temporalis superior Gyrus temporalis medius

Abb. 5.76

Sulcus centralis Corpus callosum Fornix Septum pellucidum Commissura anterior

Sulcus cinguli

Sulcus parietooccipitalis Cuneus

Uncus

Sulcus calcarinus

Abb. 5.77: Die arterielle Versorgung des Cortex cerebri (Facies superolateralis). Weiß = A. cerebri media, hellblau = A. cerebri anterior und dunkelblau = A. cerebri posterior

Klinik: 1. Durchblutungsstörungen im Bereich der A. cerebri post. führen zu Gesichtsfeldausfällen (s. Kap. 5.4.2.3). Die röntgenologische Darstellung der Hirnarterien nach Einführung eines Kontrastmittels, Arteriographie (auch als digitale Subtraktionsangiographie, DSA, möglich), gestattet ihre Beobachtung hinsichtlich topographischer Lage und funktionellem Verhalten (Spasmen, Aneurysmen, Verdrängungen durch Geschwülste usw.) am lebenden Patienten (s. Abb. 5.78, 79). 2. Mittlerweile sind solche Gefäßdarstellungen auch im Magnetresonanztomogramm als Angio-MR möglich. Dabei können die entstandenen Bilder in der digitalen Computerbearbeitung beliebig im Raum gedreht

und dreidimensional rekonstruiert werden. 3. Mangeldurchblutung (Ischämie): Die Äste der Aa. cerebri sind funktionelle Endarterien. Ein lokales thrombotisches Gerinnsel oder ein Embolus (ein durch die Blutbahn verschleppter Gefäßpfropf) führen zu einem lokalen Gefäßverschluss und zum Ausfall der von diesem Gefäß versorgten Zentren distal des Verschlusses: Territorialinfarkt. Eine Mangeldurchblutung, durch Blutdruckabfall und Atherosklerose bedingt, führt dagegen in den Grenzzonen zwischen den Versorgungsgebieten zweier Endäste („Areal der letzten Wiesen“) zu Ausfallerscheinungen: Hämodynamischer Infarkt. Wird die Durchblutung schnell wieder hergestellt, sind die Ausfälle

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

448

A. cerebri ant. (A. pericallosa) A. cerebri ant. Äste der A. cerebri media A. ophthalmica A.carotis int. im Sinus cavernosus ( Siphon”) ” A. carotis int. im Canalis caroticus

A. cerebri ant. (A. pericallosa) Aufzweigungen der A. cerebri media im Inselbereich Aa. centrales A. cerebri ant. A. cerebri media A. ophthalmica A. carotis int. im Sinus cavernosus ( Siphon”) ” A. carotis int. im Canalis caroticus

Abb. 5.78: Karotisarteriogramm. Röntgenologische Darstellung der Arteria carotis interna durch Kontrastmittelfüllung (Digitale Subtraktionsangiographie), Seitenaufnahme (oben) und anterior-posteriore (a.-p.)-Aufnahme. Vor allem im a.-p.-Bild sind die beiden Endäste der A. carotis int. gut zu differenzieren, während sich ihre Stämme in Seitenansicht übereinander projizieren. Die A. cerebri ant. kann hier an ihrem geschwungenen Verlauf um den Balken herum erkannt werden. Der hintere, ausgesparte Hirnbezirk entspricht dem Versorgungsgebiet der Aa. vertebrales

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

449 Sinus sagittalis sup. Vv. cerebri sup. ( Brückenvenen”) ” V .cerebri int. V. cerebri magna Sinus rectus Sinus cavernosus Sinus transversus Confluens sinuum Sinus sigmoideus Sinus occipitalis

Sinus sagittalis sup. Sinus sagittalis inf. V. cerebri magna (Galeni) Confluens sinuum

Sinus transversus Sinus sigmoideus Sinus cavernosus V. jugularis int.

Abb. 5.79: Röntgenologische Darstellung der Gehirnvenen und der Sinus durae matris (Phlebogramm), Seitenaufnahme (oben) und a.-p.-Aufnahme. Es handelt sich um spätere Aufnahmen aus der selben Untersuchung wie in Abb. 5.78. Hier ist das Kontrastmittel über die Kapillaren bereits in die Venen abgeflossen. Die Seitenaufnahme ist zeitlich kurz vor der a.-p.-Aufnahme angefertigt, weshalb sich hier die oberflächlichen Venen besser, Sinus sigmoideus und Vena jugularis int. aber noch nicht oder nur flau darstellen

450

nur temporär: Transitorische Ischämische Attacke (TIA). Gelingt die Wiederherstellung eines ausreichenden Blutflusses nicht, droht der dauerhafte Funktionsverlust des betroffenen Gebietes: ein kompletter Schlaganfall, Ischämischer Insult. 4. Als Schlaganfall bezeichnet man aber auch ein durch Einblutungen entstandenes neurologisches Krankheitsbild: Hämorrhagischer Insult, der meist Hirnmassenblutungen entspricht. Hinsichtlich der klinischen Symptomatik können zerebrale Ischämie und Hirnblutung jedoch nicht sicher voneinander unterschieden werden. Die Diagnose wird mit Hilfe der cerebralen Computertomographie (cCT) gestellt. Einblutungen sind oft Folge eines Bluthochdrucks und können prinzipiell alle Strömungsabschnitte der arteriellen Bahn betreffen. Dabei treten sie gehäuft im Stromgebiet der A. cerebri media auf. In der Klinik werden die hirnzuführenden Arterien oft abgekürzt. Gebräuchliche Abkürzungen sind z. B. A.c.c. = Arteria carotis communis, A.c.i. = Arteria carotis interna, A.c.e. = Arteria carotis externa, A.c.a. = anteriore Cerebralarterie, M.c.a. = mediale Cerebralarterie, P.c.a. = posteriore Cerebralarterie oder V.a. = Vertebralarterie.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

A. vertebralis A. spinalis anterior A. cervicalis ascendens R. spinalis Truncus thyreocervicalis

Aorta descendens

Medulla spinalis Ramus spinalis

Aa. intercostales posteriores A. radicularis magna

A. lumbalis

5.3.4.2 Arterien des Rückenmarks Das Rückenmark wird arteriell aus verschiedenen Quellen versorgt: aus den Aa. vertebrales und den Aa. intercostales aus der Aorta descendens. Oberhalb von Th3 tragen auch kleinere Äste der A. subclavia (aus dem Truncus thyround costocervicalis) zur Versorgung bei. Die Arterien treten durch die Foramina intervertebralia in den Wirbelkanal ein. w Zuflüsse aus der A. vertebralis. Die Aa. ver-

tebrales geben in Höhe der Decussatio pyramidum jeweils einen nach basal verlaufenden Ast ab. Diese beiden Äste vereinigen sich zur A. spinalis anterior (s. Kap. 10.7.2.1.2, S. 881), die am Vorderrand der Fissura mediana anterior verläuft (s. Abb. 5.80). Sie gibt zahlreiche Äste, Aa. sulcocommissurales, in die Tiefe der Fissura anterior ab. Im Zervikal- und Thorakalmark treten sie dort alternierend links und rechts ins

Abb. 5.80: Blutzufuhr zu den Rückenmarkssegmenten über die Arteria spinalis anterior (nach P. Duus, 1990)

Rückenmark ein, während sie sich im Lumbalund Sakralmark in 2 Äste teilen. w Zuflüsse aus den Aa. intercostales. Aus diesen Segmentarterien treten Rr. spinales durch die Foramina intervertebralia hindurch, um sich mit den Spinalwurzeln in ventrale und dorsale Äste zu teilen (s. Abb. 5.81). Von den ursprünglich angelegten 31 segmentalen Spinalarterien erreichen nur etwa 4–10 das Rückenmark. Die übrigen versorgen die Spinalganglien, die Radices dorsalis et ventralis sowie die Rückenmarkshäute (s. Kap. 10.5.3, S. 819).

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS Processus spinosus Arcus vertebrae

451

Medulla spinalis Ramus spinalis

Processus transversus Canalis vertebralis

Arteria segmentalis Ramus dorsalis

Corpus vertebrae Aorta

Abb. 5.81: Zuführende Blutwege zum Rückenmark (nach Kahle, 1991)

w Zuflüsse aus der A. radicularis magna. Meist

über die zweite lumbale Wurzel erreicht, von links oder rechts kommend, eine größere Arterie, die A. radicularis magna, das Lumbalmark. Sie entstammt den Arteriae lumbales, dorsalen Ästen der Aorta abdominalis, und teilt sich in einen aszendierenden und deszendierenden Ast, der die A. spinalis anterior darstellt. Diese ist also eine Anastomose zwischen der A. vertebralis und der A. radicularis magna. Anastomosen zwischen Ästen der A. spinalis anterior und den mit der dorsalen Wurzel ans Rückenmark herantretenden Ästen bilden zahlreiche Gefäßschlingen um das Rückenmark.

Klinik: 1. Bei Verschluss der A. spinalis anterior kommt es zu apoplektiform (schlagartig) auftretenden Schmerzen und Empfindungsstörungen: A. spinalis anterior-Syndrom. Später treten durch Schädigung des Vorderhorns kaudal des Verschlusses schlaffe, durch isolierte Schädigung der Pyramidenbahn (bei erhaltenem Vorderhorn) spastische Lähmungen auf. 2. Durch Läsion des Vorderseitenstrangs ist außerdem mit herabgesetzter Schmerz- und Temperaturempfindung zu rechnen. Die im Hinterstrang lokalisierte Sensibilität und Propriozeption bleibt dagegen erhalten.

5.3.4.3 Venen des Gehirns Innere Hirnvenen Hirnvenen sind klappenlos, dünnwandig und verlaufen zumeist unabhängig von den Arterien. Sie lassen sich in oberflächliche und tiefe Venen unterteilen. Sie sammeln das Blut aus den zentralen Teilen des Gehirns. Nach Ferner findet sich in der äußeren Zone der weißen Substanz des Großhirns eine „venöse Wasserscheide“ (s. Abb. 5.82). Das venöse Blut aus dem Marklager fließt durch 5 große innere Hirnvenen ab: w V. septi pellucidi. Sie empfängt trotz ihrer

Lokalisation nur wenig Zufluss vom Septum pelludicum, sondern sammelt das venöse Blut hauptsächlich aus dem Marklager des vorderen Frontalhirns. w V. thalamostriata (wegen ihres Verlaufs an der Grenzlinie zwischen Diencephalon und Telencephalon wird sie auch Vena terminalis genannt). Diese nimmt das Blut aus dem Marklager des dorsalen Frontalhirns und des rostralen Parietalhirns, aber nicht aus dem Striatum und Thalamus auf. Das Caput nucl. caudati und der Thalamus besitzen einen eigenen Venenbaum (V. thalamica in Abb. 5.82), der direkt in die V. cerebri interna einmündet.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

452

w V. parietooccipitalis interna. Sie sammelt das

Blut aus dem Marklager des dorsalen Parietalund dem Okzipitalhirn. Sie mündet in das dorsale Ende der V. cerebri interna oder auch direkt in die V. cerebri magna. w V. temporalis interna. Das Gefäß aus dem inneren Marklager des Schläfenlappens mündet in die von der unteren Hirnoberfläche kommende V. basalis (Rosenthalii). Die letztere erreicht über den medialen Kniehöcker und die Seitenfläche des Mittelhirns ziehend die V. cerebri magna. w V. choroidea. Sie nimmt das Blut aus den Plexus choroidei auf und fließt in Höhe des Foramen interventriculare in die V. cerebri interna. w Rechte und linke V. cerebri interna. Sie verlaufen in der Leptomeninx auf dem Dach des III. Ventrikels nach dorsal und vereinigen sich zur unpaaren, kurzen V. cerebri magna (Galeni), die sich dorsal des Splenium corporis callosi aufwärts wendet und in den Sinus rectus einmündet (s. Abb. 5.69, 70, 79). Das Blut aus der subkortikalen Region fließt also über die V. cerebri magna in den Sinus rectus ab. Er verläuft in der Anheftungslinie der Falx cerebri am Giebel des Tentorium cerebelli (s. Abb. 5.18, 69).

V. thalamica

Zuflüsse zur V. frontoparietalis interna (V. terminalis sive thalamostriata)

Äußere Hirnvenen Sie sammeln das Blut von der Oberfläche des Gehirns und leiten es in die benachbarten Sinus durae matris. w Vv. cerebri superiores (ca. 8–12 pro Hemi-

sphäre) ziehen von der Außenfläche der Hemisphären zum Sinus sagittalis superior (s. Abb. 5.17, 70, 71). Dabei durchqueren sie den Subarachnoidealraum, durchbohren dann die Arachnoidea, um als „Brückenvenen“ in den Sinus zu gelangen. Zwischen Austrittspunkt aus der Arachnoidea und dem Eintrittspunkt in den Sinus kann sich ein schmaler Subduralraum bilden. w Die V. cerebri media profunda verläuft in Begleitung der A. cerebri media und sammelt das Blut aus dem Gebiet der Fossa lateralis cerebri. Sie vereinigt sich mit der V. cerebri anterior und bildet die V. basalis (Rosenthalii), die meist in die Vena cerebri magna (Galeni) mündet. Bei fehlender Anlage des rostralen Anteils der Vena basalis (etwa bei 15 %) mündet sie in den Sinus cavernosus. w Die V. cerebri media superficialis sammelt das Blut aus den Opercula der Insel und verläuft nach medial zum Sinus cavernosus oder Sinus sphenoparietalis. Sie kann durch eine V. anastomotica superior (Trolard) mit den Vv. cerebri superiores und durch eine quer über den Schläfenlappen ziehende V. anastomotica inferior (Labbé) mit den Vv. cerebri inferiores in Verbindung stehen. w Die Vv. cerebri inferiores (von der Hirnbasis) sowie die Vv. cerebelli superiores et inferiores ziehen in variabler Zahl und Größe vorwiegend zum Sinus transversus, aber auch zum Sinus petrosus inferior und Sinus rectus. Das Blut vom Cortex fließt also zu verschiedenen Sinus durae matris.

V. temporalis interna

Abb. 5.82: Zuflussgebiete der inneren Hirnvenen

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

Blutleiter der harten Hirnhaut Die Blutleiter, Sinus durae matris (Abb. 5.69, 70), sind die Hauptabflussleiter des venösen Blutes aus dem Gehirn. Sie verlaufen zwischen den beiden Durablättern und nehmen das Blut der Venen des Gehirns, der Augenhöhle, des Labyrinths und der Schädelknochen auf. Die Blutleiter münden in die V. jugularis interna, die am Foramen jugulare in der hinteren Schädelgrube beginnt. Der Abfluss des Venenblutes aus den Sinus durae matris kann aber auch durch Vv. emissariae erfolgen. Wandaufbau. Von den Venen unterscheiden sich die Blutleiter durch ihren Wandbau. Sie besitzen eine Intima, jedoch enthalten ihre starren Wände keine Muskelzellen, so dass sie sich nicht dehnen und kontrahieren können. Dadurch wird ein gleichmäßiger Rückstrom des Blutes gesichert und verhindert, dass bei der Zirkulation auftretende Volumenschwankungen auf das Gehirn übertragen werden.

w Sinus transversus. Er folgt beiderseits dem w

w

w

Die einzelnen Sinus w Sinus sagittalis superior. Er beginnt am Fora-

men caecum vor der Crista galli, wo er bei Neugeborenen noch mit den Nasenvenen in Verbindung steht. Er zieht dann am Ansatz der Hirnsichel nach hinten und mündet in Höhe der Protuberantia occipitalis interna in den Confluens sinuum. In seine seitlichen Ausbuchtungen, Lacunae laterales, münden die oberen Venen der Hirnrinde. w Sinus sagittalis inferior. Dieser zieht am unteren Rand der Hirnsichel nach hinten und mündet in den Sinus rectus. Er nimmt die Venen aus dem Gebiet des Balkens und der benachbarten Hirnteile auf. w Sinus rectus ist die Fortsetzung des Sinus sagittalis inferior. Er verläuft in der Verwachsungslinie zwischen Kleinhirnzelt und Hirnsichel zum Confluens sinuum. In ihn mündet die V. cerebri magna, die das Blut der tiefen Hirnvenen ableitet. w Confluens sinuum. Er liegt an der Protuberantia occipitalis interna. Hier vereinigen sich der Sinus sagittalis superior, Sinus rectus, Sinus occipitalis und Sinus transversus.

453

w

w

Ansatz des Kleinhirnzelts bis zur oberen Kante der Felsenbeinpyramide. Sinus sigmoideus. Als vordere Fortsetzung des Sinus transversus verläuft er S-bogenförmig zum Foramen jugulare, wo er in den Bulbus v. jugularis superior einmündet. Durch die dünne Wand, die ihn von den Zellen des Warzenfortsatzes trennt, können infektiöse Prozesse leicht auf den Blutleiter übergreifen. Sinus occipitalis. Er beginnt am Venengeflecht des Foramen magnum und zieht in der Wurzel der Kleinhirnsichel zum Confluens sinuum. Sinus cavernosus. Er umgibt den Türkensattel und ist durch Bindegewebszüge gekammert. Beide Seiten sind vorn und hinten durch die Sinus intercavernosi verbunden. Der Sinus cavernosus erhält Zuflüsse vom Sinus sphenoparietalis, von den unteren Hirnvenen und der V. ophthalmica superior (via V. angularis = Infektionspforte, s. Kap. 4.19.1.2, S. 342). Außerdem anastomosiert der Sinus cavernosus mit allen extrakraniellen Venen der Schädelbasis sowie über den Plexus basilaris mit den Venengeflechten des Wirbelkanals. Sein Abfluss erfolgt durch die Sinus petrosus superior und inferior. Durch den Sinus cavernosus laufen die A. carotis interna, die Augenmuskelnerven (Nn. III, IV, VI) sowie die Nn. V1, V2 (s. Abb. 5.49). Sinus petrosus superior. Er verläuft vom Sinus cavernosus auf der oberen Kante des Felsenbeins zum Sinus sigmoideus, der Sinus petrosus inferior an der hinteren Unterkante des Felsenbeins zum Foramen jugulare. Letzterer nimmt die Vv. labyrinthi auf. Sinus sphenoparietalis. Er läuft am hinteren Rand des kleinen Keilbeinflügels zum Sinus cavernosus.

Klinik: 1. Nach dopplersonographischen Befunden (Valdueza) erfolgt die venöse Drainage aus der Schädelhöhle nur in horizontaler Körperlage überwiegend über die Venae jugulares internae. Bei aufgerichtetem Körper kollabieren diese Gefäße und das Blut wird über die vertebralen Venenplexus (s. u.) abgeleitet. 2. Über die V. dorsalis nasi, angularis und V. ophthalmica besteht eine Verbindung zwischen Gesicht (V. facialis) und intrakraniell-venösem Kreislauf (s. Kap. 4.19.1.2, S. 342, und Abb. 5.70). Normalerweise ist die Strömungsrichtung von innen

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

454

nach außen gerichtet, sie kann sich aber wegen des Fehlens von Venenklappen auch umkehren. Um eine Weiterleitung des infizierten Materials in die Sinus durae matris zu vermeiden, ist bei Furunkeln des Gesichts zumeist eine antibiotische Therapie erforderlich, um eine septische Sinusvenenthrombose zu vermeiden. Diese äußert sich in einer Symptomatik aus Kopfschmerzen, generalisierten Krampfanfällen und Paresen. Da das Blut nicht durch den venösen Schenkel abfließen kann, entstehen bilaterale Stauungsblutungen, die im cCT oder MRT gesehen werden können.

durch die Vv. intervertebrales mit den segmentalen Vv. intercostales et lumbales in Verbindung (s. Abb. 5.83 und 5.84).

5.3.4.4 Venen des Rückenmarks w Plexus venosus vertebralis internus. Er ist

ein im Spatium epidurale des Wirbelkanals gelegenes klappenloses Venengeflecht, welches über das Formanen magnum mit den intrakraniellen Sinus in Verbindung steht. Über seine Vv. radiculares fließt das Blut aus dem Rückenmark ab. Durch die Vv. basivertebrales steht er mit dem Plexus vertebralis externus anterior und

V.c.p.

Abb. 5.83: Venengeflechte der Wirbelsäule (schematisierter Querschnitt im Halsgebiet) Vv.v.: Venae vertebrales mit A. vertebralis; V.c.p.: V. cervicalis profunda; 2 Äquivalente R. dorsalis der Segmentalgefäße; 3 V. intervertebralis; 4 Plexus venosus vertebralis externus anterior; 5 Vv. basivertebrales; 6 Plexus venosus vertebralis externus posterior in zwei Schichten; 7 Plexus venosus vertebralis internus; 8 Vv. radiculares

Abb. 5.84: Der Plexus venosus vertebralis internus (Mediansagittalschnitt durch die Wirbelsäule)

5.3 Hirn- und Rückenmarkshäute, Ventrikelräume und Gefäßversorgung des ZNS

w Plexus venosus vertebralis externus poste-

rior. Der innere Wirbelsäulenplexus ist über zahlreiche das Ligamentum flavum durchbrechende Anastomosen mit dem äußeren Plexus verbunden. Dieser liegt zwischen Dorn- und Querfortsätzen der Wirbel und der autochthonen Rückenmuskulatur. Kranial geht er in den Plexus suboccipitalis über, der über die Vv. emissiariae mastoideae, condyloideae et occipitales mit dem Schädelinneren in Verbindung steht.

Klinik: Die vertebralen Venenplexus stellen einen wichtigen Umgehungsweg bei Verschluss oder Kompression der Vena cava inferior (Kavokavale-Anastomosen) dar, wie er z. B. bei Hepatopathien, bei Vena-cava-inferior-Thrombose oder bei Schwangerschaften auftreten kann.

5.3.4.5 Lymphabflüsse von Gehirn und Rückenmark Lymphgefäße gibt es weder im Gehirn noch im Rückenmark. Antigene aus dem ZNS drainieren aber durch die Lamina cribrosa des Siebbeines und entlang der Perineuralscheiden der Hirn- und Spinalnerven in die zervikalen bzw. paraaortalen Lymphknoten. Dort können Immunreaktionen gegen Antigene im Gehirn induziert werden.

5.3.4.6 Blut-Hirn-Schranke, Blut-Liquor-Schranke und Immunprivileg des ZNS Die Funktion des Gehirns ist offenbar abhängig von der Homöostase des Nervengewebes. So können Änderungen der Ionenkonzentration, des Blutoder osmotischen Drucks wie auch des pH-Wertes zu Bewusstseinsverlust oder sogar zum Tode führen. Hinzu kommt, dass Neurone zum größten Teil postmitotische Zellen sind. Ein Ersatz bereits verlorener Nervenzellen findet nach heutigem Kenntnisstand beim Erwachsenen nicht mehr oder nur in sehr geringem Ausmaß statt. Deshalb muss die Homöostase im Gehirn in besonderer Weise gesichert werden:

455

£ Blut-Hirn- sowie Blut-Liquor-Schranke. Die

Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranke stellen mechanische Barrieren dar, welche das Eintreten unerwünschter Substanzen aus dem Blut ins Gehirn verhindern sollen. Morphologisch entspricht ihnen die besondere Struktur der Blutgefäße im ZNS, die durch tight junctions des Endothels abgedichtet sind. Hierdurch wird der parazelluläre Transport inhibiert. Zudem sind die Kapillaren nicht fenestriert, so dass insgesamt eine Permeabilitätsbarriere für wasserlösliche Substanzen besteht. Solche Moleküle, etwa Aminosäuren und Glukose, müssen erst über spezifische Transportersysteme eingeschleust werden. Zusätzlich wird der Eintritt größerer Moleküle durch die Glia limitans (Membrana limitans gliae perivascularis) behindert. Gase und fettlösliche Moleküle wie Nikotin oder Alkohol können dagegen per diffusionem ins Gehirn gelangen.

Klinik: Zur medikamentösen Therapie der Parkinson-Krankheit, einem Mangel an Dopamin, kann die fehlende Substanz selbst nicht verabreicht werden, da sie weder „schranken“- noch „liquorgängig“ ist. Statt dessen verabreicht man das chirale L-Dopa, welches die Blut-HirnSchranke leichter zu überqueren vermag. £ Immunprivileg. Wie andere besonders schüt-

zenswerte bzw. schlecht regenerierende Organe (Hoden und Ovar, vordere Augenkammer, Plazenta) ist das Gehirn immunprivilegiert, d. h. Immunreaktionen werden durch Blut-GewebeBarrieren (Blut-Hirn- oder Blut-Hodenschranke) und durch die Freisetzung anti-inflammatorischer Botenstoffe des Immunsystems (Zytokine) unterdrückt. Dadurch laufen auch im ZNS entzündliche Prozesse abgeschwächt ab, so dass die postmitotischen Nervenzellen weitgehend geschont werden. Der Preis hierfür ist, dass sich viele neurotrope Viren dauerhaft im ZNS vor dem Zugriff des Immunsystems „verstecken“ können. Offenbar ist deren latenter Verbleib im ZNS für das Inviduum günstiger als eine Elimination infizierter Neurone.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

456

5.4

Funktionelle Systeme des ZNS

5.4.1

Was ist funktionelle Neuroanatomie?

Nachdem die Morphogenese des Zentralen Nervensystems, dessen regionale und topographische Anatomie sowie seine Blutversorgung besprochen sind, sollen nun funktionell zusammenwirkende Regionen zu Systemen zusammengefasst und erörtert werden. Hierbei werden informationsleitende und modulierende Systeme unterschieden: Informationsleitende Systeme leiten Informationen im engeren Sinne (z. B. visuellen Input) und verarbeiten sie im Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen; modulierende Systeme wie das ARAS (s. Kap. 5.4.9.2) verändern dagegen die Aktivierbarkeit von neuronalen Netzen häufig durch präsynaptische Innervation. Auch wenn diese Unterscheidung nicht immer scharf ist, können insbesondere höhere kognitive Funktionen als Ergebnis sowohl informationsleitender als auch modulierender Systeme verstanden werden. Die Kenntnis darüber, wie und wo Informationen von der Rezeption bis zur Wahrnehmung zunehmend prozessiert werden, erleichtert den klinisch Tätigen die Lokalisation von Schädigungen anhand charakteristischer Ausfallssymptome. Dies wird schon im nächsten Abschnitt deutlich: Eine Schädigung am Beginn der Sehbahn in der Retina führt zu deutlich anderen klinischen Symptomen als eine Schädigung am Ende der Sehbahn im visuellen Cortex.

5.4.2 Visuelles System Lernziele: Sehbahn, Nervus und Tractus opticus, Gesichtsfelddefekte, visueller Cortex (Brodmann-Areale 17, 18, 19), Okulomotorik und beteiligte Hirnnerven, sympathische und parasympathische Innervation des Auges, optische Schutzreflexe

5.4.2.1 Definition Das visuelle System enthält einen rezeptiven Anteil, der insbesondere aus den Sinneszellen

der Netzhaut, Retina (s. Kap. 6.1.3.2, S. 567), besteht, sowie einen integrativen Abschnitt, der einzelne Retinaneurone und Teile des Gehirns umfasst. Funktionell kann dem visuellen System auch die Okulomotorik hinzugerechnet werden. Vor der Besprechung der visuellen Kortexareale im Lobus occipitalis soll hier nochmals eine knappe Zusammenfassung der Sehbahn erfolgen (s. Kap. 6.1.3.2, S. 567).

5.4.2.2 Sehbahn £ Die Sehbahn bis zur Sehnervenkreuzung

(Chiasma opticum) Die ersten 3 Neurone der Sehbahn liegen innerhalb der Retina. Ganz außen, d.h. dem ins Auge einstrahlenden Licht am weitesten abgewandt, befinden sich die Stäbchen- und Zapfenzellen (1. Neuron), deren Erregung von den bipolaren Zellen (2. Neuron) an die retinalen Ganglienzellen (RGC oder Optikusganglienzellen, 3. Neuron) weitergeleitet werden (s. Kap. 6.1.3.2 und Abb. 6.20, S. 567). Die Axone der RGCs verlaufen nach Passage der Area cribrosa etwa 4,5 cm als N. opticus bis zum Chiasma opticum. Distal des Chiasma werden sie als Tractus opticus bezeichnet.

Jüngste Arbeiten (2002) haben ergeben, dass nicht nur die Photorezeptoren (Stäbchen und Zapfen), sondern auch eine Subpopulation der RGCs direkt auf Licht reagieren. Ihre Axone zweigen am Chiasma ab und verlaufen im Tractus retinohypothalamicus zum Nucl. suprachiasmaticus, wo sie die dort generierten zirkadianen Rhythmen dem Tag-Nacht-Rhythmus anpassen.

Klinik: 1. Unter einer Optikusatrophie werden sämtliche Formen der Degeneration von Markscheiden und Axonen des N. opticus verstanden. Sie ist also als eine Läsion des dritten Neurons der Sehbahn aufzufassen, wie sie etwa bei Glaukom oder nach toxischer Einwirkung zustande kommt. Das charakteristische Merkmal einer Optikusatrophie ist die Abblassung der Papille, die ophthalmoskopisch erkennbar wird. Eine Optikusatrophie geht schließlich in einen irreversiblen gliösen Umbau des Sehnerven über.

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Je nachdem welche und wieviele dritte Neurone geschädigt sind können die Gesichtsfelddefekte von einem Zentralskotom bis hin zur kompletten Erblindung reichen. 2. Da die Hirnhäute den N. opticus durch den Canalis nervi optici bis zum Auge begleiten, können Drucksteigerungen im Liquor cerebrospinalis die Optikus-Papille in den Augeninnenraum hinein vorwölben, was als Stauungspapille bezeichnet wird. Häufig sind Tumoren in der vorderen Schädelgrube die Ursache. £ Chiasma opticum und Tractus opticus. Ca.

1 cm nach Durchtritt des N. opticus durch den

457

Canalis opticus in die Cavitas cranii erreichen beide Sehnerven die Hirnbasis, wo sie die Sehnervenkreuzung, das Chiasma opticum, bilden. Im Chiasma opticum kreuzen die Optikusnervenfasern aus den nasalen Retinahälften in den kontralateralen Tractus opticus. Die Fasern aus den temporalen Retinahälften verlaufen außen ungekreuzt im ipsilateralen Tractus opticus weiter (s. Abb. 5.86). Der Tractus opticus verläuft um das Crus cerebri bis zum Corpus geniculatum laterale (CGL)

N. oculomotorius, Tractus opticus Nucl. accessorius n. oculomotorii

Meyer-Schleife (Capsula interna)

Pulvinar thalami Radiatio optica (Gratiolet) entlang des Sulcus calcarinus

Radiatio optica (gefasert)

Abb. 5.85: Halbschematische Darstellung der Sehbahn und des Wegs des Pupillenlichtreflexes von der Hirnbasis aus gesehen. Das Mittelhirn ist in Höhe der Colliculi superiores (Area praetectalis) durchtrennt. Hinterhaupts- und Schläfenlappen sind nach einem horizontalen Schnitt teilweise entfernt. An der rechten Hirnhälfte sind die Sehstrahlung und der hintere Teil des Balkens herausgefasert, an der linken Hirnhälfte ist die Sehstrahlung schematisch eingezeichnet. Fasern von der jeweils rechten Netzhauthälfte = schwarz, von der linken = rot

458

(s. Abb. 5.85). Im Chiasmabereich treten schon einzelne Fasern in den unmittelbar benachbarten Hypothalamus ein, wo sie lichtabhängige endokrine Funktionen beeinflussen können. Klinik: Die Sehnervenkreuzung hat für die neurologisch-topische Diagnostik einen hohen Stellenwert, da hier sämtliche Fasern beider medialer (nasaler) Retinahälften, die die lateralen Gesichtsfeldhälften repräsentieren, zur Gegenseite kreuzen. Demgegenüber setzen sich die Fasern beider lateraler (temporaler) Retinahälften, die das mediale Sehfeld repräsentieren, ungekreuzt in den Tractus opticus fort. Das heißt, dass sich im Tractus opticus sowohl Fasern der ipsilateralen temporalen als auch der kontralateralen nasalen Retinahälften befinden. Auf diese Weise werden Signale aus dem rechten Gesichtsfeld der linken Hirnhälfte und Signale aus dem linken Gesichtsfeld entsprechend der rechten zugeleitet. Aufgrund dieser Faserkreuzung kann mit einfachen Methoden zwischen einer Schädigung proximal oder distal des Chiasma unterschieden werden. £ Sehbahn distal des Chiasma opticum

Corpus geniculatum laterale. Der Tractus opticus endet im CGL des Metathalamus. Dort wird die Sehbahn auf das 4. Neuron umgeschaltet. Zuvor zweigen Kollateralfasern zur Area praetectalis und Lamina tecti ab. Diese Kollateralfasern ermöglichen die Aufrechterhaltung einzelner optischer Reflexe auch bei Läsionen des CGL. Das CGL bildet 5 mit weißer Substanz alternierende Schichten grauer Substanz aus. Hier enden die ipsilateralen Fasern in den Schichten 1, 3 und 5, die kontralateralen Fasern in den Schichten 2 und 4. £ Sehstrahlung. Vom CGL ausgehend setzt sich die Sehbahn als weit auslaufende GratioletSehstrahlung, Radiatio optica, fort, die von den Axonen der Relaiszellen des CGL gebildet wird. Die Fasern des unteren kontralateralen Gesichtsfeldes liegen in der Gratiolet-Strahlung im oberen Bereich. Die Fasern des oberen kontralateralen Gesichtsfelds liegen im unteren Anteil der Sehstrahlung. Diese Kenntnis ermöglicht die topische (ortsbezogene) Diagnostik spezifischer Gesichtsfeldausfälle, die Quadrantenanopsien (s. unten). Die Fasern aus der Retinaperipherie bilden im Lobus temporalis einen nach rostral

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

gerichteten Bogen, während die Fasern aus dem Punkt des schärfsten Sehens, der Macula lutea (s. Kap. 6.1.3.2, S. 567), auf kürzestem Weg zur Sehrinde ziehen (s. Abb. 5.86). Hirnhäute des N. opticus. Die Axone der Ganglienzellen verlassen die Retina in der Papilla n. optici, die dem „blinden Fleck“ des Gesichtsfelds entspricht, und erhalten hier eine Markscheide. In der Orbita ist der Sehnerv bereits von Hirnhäuten umgeben, und zwar als Vagina interna n. optici von Pia mater und Arachnoidea mater sowie als Vagina externa nervi optici von der Dura mater, die am Augapfel in die Sklera übergeht. Der N. opticus und die Retina sind embryonal nach peripher verlagerte Hirnabschnitte, die sich aus Anteilen des Dienzephalons entwickeln (Augenbecher und Augenstiel, s. Kap. 6, Abb. 6.5, S. 553, und Abb. 5.10, 11). Klinik: Gesichtsfelddefekte (s. Abb. 5.86): 1. Eine Unterbrechung des N. opticus, etwa bei Optikusatrophie (s. o.), führt zum monokularen Gesichtsfeldausfall, Amaurose (vollständige Blindheit). Der II. Hirnnerv stellt also ein „Nadelöhr“ dar, durch das sämtliche Fasern der Netzhaut eines Augapfels hindurchtreten müssen. 2. Eine heteronyme binasale Hemianopsie (der Begriff der Hemianopsie bezeichnet eine Halbseitenblindheit, die sich auf das Blickfeld eines Auges bezieht) entsteht durch beidseitige Kompression des Chiasmas von lateral, wie sie z. B. (selten) bei Tumoren oberhalb der Sella turcica auftreten kann. 3. Die häufigere heteronyme bitemporale Hemianopsie („Scheuklappenblindheit“) ist Folge einer mediodorsalen Kompression des Chiasmas, die z. B. durch Tumoren der Hypophyse (häufig: Hypophysenadenome) bedingt wird. 4. Bei Läsion des CGL oder der Radiatio optica entsteht oft eine homonyme Hemianopsie zur Gegenseite (der Begriff homonym meint die sich entsprechenden Bilder gleicher Netzhauthälften; heteronym sind ungleiche Netzhauthälften), die sich jedoch durch erhaltene optische Reflexe (Pupillenreflex) auszeichnet, da die hierfür notwendigen Fasern bereits vor dem Metathalamus ins Mesencephalon abgehen. Läsionen im Verlauf der Sehstrahlung im dorsalen Teil der Capsula interna kommen als Folge eines Infarkts der A. cerebri media vor. Da das relativ kleine CGL schnell vollständig geschädigt wird, kommt es bei

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

459 1. Monokularer Gesichtsfeldausfall Amaurose nach Durchtrennung oder Kompression des Nervus opticus 2. Heteronyme binasale Hemianopsie nach bilateraler Kompression des Chiasma opticum, etwa als Folge eines suprasellären Tumors

Retina

1

Nervus opticus

2

Chiasma opticum Tractus opticus Meyer-Schleife Gratiolet Sehstrahlung

3

4

5

6 visueller Cortex (Area striata)

7

3. Heteronyme bitemporale Hemianopsie nach mediodorsaler Kompression des Chiasma opticum, beispielsweise als Folge eines Hypophysenadenoms 4. Homonyme Hemianopsie Sie tritt einerseits bei chiasmanahen Läsionen (Tractus opticus oder CGL) häufig inkongruent auf 5. Homonyme Hemianopsie Sie tritt andererseits auch bei Läsion der gesamten Sehstrahlung in ihrem intrakapsulären Verlauf auf, etwa nach einem Infarkt der Arteria cerebri media 6. Quadrantenanopsie nach oben entsteht nach kortexnahen Läsionen der Sehstrahlung unterhalb des Sulcus calcarinus oder durch Läsion der Meyer-Schleife im Temporalpol, beispielweise als Folge Folge eines Infarktes der Arteria cerebri posterior 7. Quadrantenanopsie nach unten Sie tritt bei kortexnahen Läsionen der Sehstrahlung oberhalb des Sulcus calcarinus auf und ist dann beispielsweise Folge eines parietalen Tumors

Abb. 5.86: Synopsis der Gesichtsfelddefekte. Verschiedene Schädigungsorte ergeben jeweils typische Gesichtsfeldausfälle. Diese werden klinisch bestimmt, um im Umkehrschluss den Ort der Läsion zu bestimmen

seiner Läsion häufig zu einer kompletten Hemianopsie. Im Gegensatz dazu stellen 6. Quadrantenanopsien die Folgen inkompletter Läsionen der Sehstrahlung dar. Eine Quadrantenanopsie nach oben stellt sich nach rindennahen Läsionen unterhalb des Sulcus calcarinus oder nach Läsion der Meyer-Schleife (weit lateral ziehende Fasern aus dem CGL) im Temporalpol ein, wie sie bei einem Infarkt der A. cerebri posterior entsteht. 7. Eine Quadrantenanopsie nach unten ist als Folge kortexnaher Läsionen oberhalb des Sulcus calcarinus aufzufassen und geht meistens auf einen parietalen Tumor zurück. 8. Kortikale Blindheit. Da die Areae 17 beider Seiten im Interhemisphärenspalt nahe beieinander liegen, entsteht bei pathologischen Prozessen häufig eine gemeinsame Schädigung. Hieraus resultiert das seltene Krankheitsbild einer vollständigen kortikalen Blindheit, obwohl eine unbeschädigte

Sehbahn mit elektrophysiologisch nachweisbarer Impulstätigkeit vorliegt. Gleichzeitig bleiben einige optische Reflexe erhalten.

5.4.2.3 Visueller Cortex Der visuelle Cortex liegt in der Rinde des Lobus occipitalis und wird zytoarchitektonisch in die Brodmann-Areale 17, 18 und 19 gegliedert. Die Area 17 ist das primäre, die Areae 18 und 19 sind die sekundären visuellen Rindenfelder. In den letzten Jahren beschreibt man unterschiedliche Felder (V1-V6), die durch funktionelle Charakteristika (z. B. aus funktionellen MRT-Studien, mit denen sich kortikale Aktivierung sichtbar machen lässt) voneinander abgegrenzt werden. Sie gehen jedoch teilweise über die Brodmann-Areale (s. Kap. 5.4.10.2, S. 531, Abb. 5.127,

460

128) hinaus. Ähnliches gilt für den auditiven Cortex, den sensiblen und den motorischen Cortex.

£ Primäre Sehrinde. Der physiologisch wich-

tigste Teil des visuellen Cortex ist das primäre optische Rindenfeld (Area 17 nach der zytoarchitektonischen Felderung Brodmanns, in dem die Sehstrahlung endigt. Die Area 17 grenzt an den Sulcus calcarinus und erstreckt sich größtenteils über die mediale Wand des Okzipitallappens. Dagegen setzt sie sich nur zu einem geringen Teil auf den konvexen Okzipitalpol fort (s. Abb. 5.15). In der Rinde von Area 17 ist bereits makroskopisch ein weißer Streifen erkennbar (Gennari- oder Vicq d’Azyr-Streifen). Wegen dieser intrakortikalen Assoziationsfasern, die oberflächenparallel verlaufen, wird die Area 17 auch als Area striata bezeichnet. Hauptsächlich kommen die Afferenzen des visuellen Cortex aus dem CGL, von wo aus sie in retinotopischer Ordnung zur Sehrinde ziehen. Dabei entspricht jeder Netzhautregion ein korrespondierendes Rindenareal. Die Macula lutea als Ort des schärfsten Farbensehens projiziert auf besonders große Areale der gesamten dorsalen Rinde oberhalb des Sulcus calcarinus bis hin zum Okzipitalpol. Die Signale von der Retinaperipherie werden von der rostralen Hälfte der Area 17 verarbeitet. So scheint das Bild des Gesichtsfelds Punkt für Punkt übertragen zu werden, wobei der Makula lupenartig vergrößert wird. Die primäre Sehrinde sendet eine Vielzahl kortikaler Efferenzen aus. Eine ihrer Hauptbahnen zieht hierbei zum frontalen Augenfeld des Frontallappens. Dieses Kortexareal ist insbesondere für Blickwendungen und Korrekturbewegungen der Augen verantwortlich.

In elektrophysiologischen Experimenten sind bei Reizung der primären Sehrinde optische Wahrnehmungen auslösbar. Im Bereich dieses Kortexareals liegen besonders durch Hell-/Dunkelkontrast erregbare zusammenhängende Neuronenketten, die jeweils Signale ihrer rezeptiven Felder in der Retina verarbeiten. Besonders interessant ist, dass manche Neurone spezifisch auf die räumliche Orientierung von Lichtstreifen reagieren. So genannte einfache Zellen (simple cells) reagieren auf Orientierungsunterschiede sowie auf Hell-/DunkelkontrastLinien. Komplexe Zellen (complex cells) sind im Zusammenhang eines überregionalen Neuronennetzes aktiv und reagieren auf bestimmte Winkelmuster. Überdies reagieren bewegungs- und richtungsabhängige Zellen (direction-selective cells) viel sensitiver auf dynami-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

sche Veränderungen des Gesichtsfelds als auf statische Formen und Muster. Dies hat zur Annahme einer modularen Organisation des visuellen Cortex geführt. Außerdem geht man von der Existenz so genannter okulärer Dominanzsäulen aus, die eine vorwiegende Verarbeitung aus dem linken oder dem rechten Auge aufweisen. Eine weitere Interpretation roher Sehdaten, insbesondere die Bilderkennung selbst, scheint in der primären Sehrinde aber noch nicht zu erfolgen.

£ Sekundäre Sehrinde. Die primäre Sehrinde ist

efferent hauptsächlich mit den Areae 18 und 19 verknüpft, die die Area 17 umgeben. Area 18 und 19 bilden die sekundäre Sehrinde, in der die integrative Verarbeitung optischer Impulse sowie die Bilderkennung erfolgt (s. Abb. 5.87). In Area 18 liegt funktionell das Feld V2, in Area 19 die Felder V3-V6, die aber interindividuell variieren. Ihre Afferenzen erhält die sekundäre Sehrinde hauptsächlich aus der Area 17. Zusätzlich zur Integration optischer Impulse spielt sie eine wichtige Rolle als Relaisstation für die Weitergabe der visuellen Informationen an weitere Kortexareale mit assoziativen und integrativen Funktionen für die Bilderkennung und -deutung.

Aufgrund der retinotopen Gliederung der Sehstrahlung ist man früher davon ausgegangen, dass die beiden striatalen Felder des visuellen Cortex einzig für die Formation der Bildwahrnehmung zuständig seien. Dieses Konzept wurde auch als kortikale Retina bezeichnet. Es erwies sich jedoch als eine zu starke Vereinfachung und so nimmt man heute eine Vielzahl von zusätzlichen visuellen Feldern in der sekundären Sehrinde oder anderen Kortexarealen an, die außerhalb der Area striata liegen (deshalb auch: extrastriate areas). Sie weisen eine weitgehende Spezialisierung für diverse Sehqualitäten auf, so z. B. V2 für Konturen, V3 und V5 für Bewegungen sowie V4 für Farben. Neben V2 bis V5 haben andere sekundäre Sehareale spezifische Namen erhalten, wobei bislang bei Affen etwa zwanzig unterschiedliche Felder experimentell entdeckt worden sind, von denen ein jedes über eine annähernd vollständige Repräsentation des visuellen Feldes verfügt.

Klinik: 1. Aufgrund der Vielzahl morphologischer Verbindungen spezialisierter Neuronengruppen mit der primären Sehrinde können bei Punktläsionen in den Areae 18 und 19 unterschiedliche neurologische Ausfälle auftreten. Diese gehen meistens mit dem Verlust selektiver Wahrnehmungsprozesse einher. Betroffene Patienten vermögen z. B. keine Gesichter,

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

461

B

A

horizontaler und vertikaler Meridian

Bewegung

MT/Mst V5

V3A

V2 V1 V2

V3

Abb. 5.87: Funktionelles MRT der visuellen Areale des menschlichen Cortex. Dem Probanden werden (A) horizontale und vertikale Balken (Meridiane) bzw. (B) Bewegungsmuster dargeboten. Die funktionelle Aktivierung visueller Areale ist auf den kortikalen Landkarten farbkodiert dargestellt (aus der Neurologischen Klinik der Charité, Prof. Dr. med. A. Villringer)

Farbmuster oder bestimmte Gegenstände mehr zu erkennen. Die isolierte Erregbarkeit spezifischer Neuronengruppen (durch Schachbrettmuster) macht man sich etwa bei der Auslösung und Bestimmung visuell evozierter Potenziale (VEP) zunutze, wobei nach Musterpräsentation (Kontrastumkehr) die positiven Potenziale und Latenzen über dem okzipitalen Cortex bestimmt werden. Das Ziel ist die Untersuchung der Sehbahn von der Retina bis zur Sehrinde, wobei die VEPs insbesondere in der Diagnostik umschriebener Markscheidenläsionen zum Tragen kommen, z. B. bei der Multiplen Sklerose. Durch den Verlust von Myelin ist ein verzögerter Informationsfluss in die Sehrinde nachweisbar. 2. Wenn die sekundäre Sehrinde, die optische Erinnerungsbilder bewahren kann, durch einen pathologischen Prozeß zerstört wird, entsteht Seelenblindheit, optische Agnosie. Dabei besteht eine Unfähigkeit, gesehene Gegenstände wiederzuerkennen und zu deuten, weil die Vergleichsmöglichkeit mit früheren optischen Eindrücken entfällt. Beeinträchtigungen des Gyrus angularis im Lobus parietalis inferior,

meist durch Infarkt der Arteria cerebri media, können zu zentraler Alexie (mit Agraphie) führen: Patienten mit einer zentralen Alexie haben die Fähigkeit verloren, mit Schriftsprache umzugehen, wobei der Ausfall nicht allein auf die visuelle Modalität beschränkt bleibt, sondern auch vorbuchstabierte Worte und taktil empfundene Hautschrift umfasst.

5.4.2.4 Okulomotorik Der Bewegungsapparat des Auges besteht aus 4 geraden (M. rectus superior, inferior, medialis und lateralis) und 2 schrägen Muskeln (M. obliquus superior, inferior). Der M. rectus lateralis wird vom N VI., der M. obliquus superior vom N IV., alle anderen äußeren Augenmuskeln vom N III. innerviert. (s. Kap. 6.2, S. 575). Zentren der Koordination Damit die Sehachsen beider Augen sich im visuellen Objekt treffen können, müssen beide Augen-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

462

bulbi entsprechend koordiniert bewegt werden. Das ZNS steuert die Okulomotorik durch die simultane Innervation der äußeren Augenmuskeln. An diesem Vorgang sind mehrere Strukturen beteiligt: 1. Kortexareale: frontales und okzipitales Augenfeld, 2. die Area praetectalis und der Colliculus superior, 3. die Hirnnervenkerne III, IV und VI. Kortexareale. Das kleine frontale Augenfeld, das im dorsalen Bereich der mittleren Frontalwindung liegt, entspricht etwa dem Brodmann-Areal 8 (s. Abb. 5.127, 128). Seine physiologische Funktion besteht in der Steuerung von Willkürbewegungen der Augäpfel sowie im periodischen Abtasten des Gesichtsfelds auf neue visuelle Reize hin. Außerdem fällt die Integrationsfunktion unwillkürlicher Folgebewegungen der Augen auch in den Bereich der Sehrinde bzw. des okzipitalen Augenfelds, das sich aus den Brodmann-Arealen 17, 18 und 19 zusammensetzt.

Nervus oculomotorius

M. rectus med.

Area praetectalis und Colliculus superior. Efferente kortikofugale Bahnen ziehen von den o. g. frontalen und okzipitalen Kortexfeldern zunächst zur Area praetectalis und zum Colliculus superior. Diese Zentren sind für sakkadische Blickfolgebewegungen (die schnelle Komponente des Nystagmus) zuständig. Zusätzlich zu diesen Relaisstationen finden sich weitere präokulomotorische Umschaltzentren im Nucleus interstitialis (Cajal) des medialen Mesenzephalons („mesenzephales Blickzentrum“ für vertikale Blickbewegungen) sowie in der Formatio reticularis. Hierzu gehört das pontine Blickzentrum rostral des Nucl. n. hypoglossi (Nucl. praepositus n. hypoglossi) für horizontale Blickbewegungen (Abb. 5.88). Von hier aus bestehen Verbindungen zu den Kernen der Nn. III, IV, und VI, die außerdem durch den Tractus corticonuclearis beider Hemisphären mit Willkürimpulsen aus dem Gyrus praecentralis versorgt werden. Hirnnervenkerne III, IV und VI. Die Axone dieser Hirnnerven stammen von Motoneuronen in

M. rectus lat. Nervus abducens Motoneuron im N. VI

Ncl. n. oculomotorii

VI, III internukleäres Neuron (im Fasciculus longitudinalis medialis)

Ncl. n. abducentis

P.P.R.F. hemmendes Interneuron Ncl. praepositus nervi hypoglossi

erregendes Neuron

Abb. 5.88: Regulation der horizontalen Blickbewegung (P. P. R. F. = paramediane pontine (parapontine) retikuläre Formation). Beim Blick nach außen erregt ein Neuron aus der P. P. R. F. Motoneurone für den in Blickrichtung zielen M. rectus medialis im Nucl. n. III und den M. rectus lateralis im Nucl. n. VI, hemmt aber gleichzeitig über ein Interneuron im Nucl. praepositus die Aktivität des gegen die Bewegung arbeitenden M. rectus lateralis der anderen Seite

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

463

den entsprechenden Hirnnervenkernen. Die Nuclei des N. III befinden sich im Tegmentum mesencephali am Boden des Aquaeductus mesencephali auf der Höhe der Colliculi superiores, die Kerne des N. IV in Höhe der Colliculi inferiores. Der Nucl. n. VI liegt weiter kaudal im pontinen Abschnitt des Tegmentums (s. Abb. 5.54, 89).

• M. rectus inferior (für den kontralateralen Bulbus). £ Kern von Perlia. Zwischen den beiden Haupt-

£ III. Hirnnerv. Die motorische Kernsäule des

N. oculomotorius gliedert sich in mehrere Einzelkerne für die inneren glatten und für die äußeren quergestreiften Augenmuskeln. So lässt sich ein mediales parasympathisches Kerngebiet mit den Edinger-Westphal-Kernen, den Nucll. accessorii autonomici (des III. Hirnnerven), ausmachen. Die parasympathischen viszeromotorischen Fasern verlaufen ipsilateral zu den inneren Augenmuskeln M. ciliaris und M. sphincter pupillae. Daneben besteht ein beidseits lateral gelegenes größeres motorisches Kerngebiet für die externen Augenmuskeln (s. Kap. 6.2.1, S. 575):

• M. levator palpebrae superioris und • M. rectus superior (des ipsilateralen Bulbus), • M. rectus medialis und M. obliquus inferior (beider Bulbi) und

kerngebieten des N. III liegt der unpaare PerliaKern. Funktionell ist er an der Innervation des M. ciliaris beteiligt. Die Fasern des okulomotorischen Kerngebietes verlaufen zusammen mit den parasympathischen Fasern aus den Edinger-Westphal-Kernen nach rostral, durchziehen dabei manchmal den Nucl. ruber, um in der Fossa interpeduncularis zwischen Crus cerebri und Tegmentum den Hirnstamm als N. oculomotorius zu verlassen (s. Abb. 5.52). Nach Durchtritt durch die Fissura orbitalis superior zweigen in der Augenhöhle die parasympathischen Nervenanteile ab und ziehen zum Ganglion ciliare. Hier werden die präganglionären auf kurze postganglionäre Fasern umgeschaltet, welche in den Bulbus eintreten und in der Choroidea bis zum Corpus ciliare und zur Iris verlaufen, wo sie die o. g. inneren Augenmuskeln innervieren (s. Kap. 6.3.1, S. 581).

Ganglion ciliare Radix oculomotoria [parasympathica] Westphal-Edinger-Kern (M. sphincter pupillae)

III

Perlia-Mediankern (M. ciliaris)

IV

Nucleus n. oculomotorii (großzelliger Lateralkern)

Nucleus n. trochlearis Fasciculus longitudinalis medialis Nucleus n. abducentis kortikales Blickzentrum

Abb. 5.89: Schema der Kerne und Nerven für die glatten und quergestreiften Augenmuskeln. Im Nucl. n. oculomotorii liegen die Neurone für: 1. M. levator palpebrae superioris; 2. M. rectus superior; 3. M. rectus medialis; 4. M. obliquus inferior; 5. M. rectus inferior. Die Verschaltung aus den 6 Unterkernen des Nucl. oculomotorius ist vereinfacht dargestellt. Die Fasern des N. III verlaufen nur teilweise gekreuzt (für M. rectus med. und M. obliquus inferior), dieFasern zum N. IV kreuzen vollständig (vgl. Abb. 5.53), während die Axone aus dem Nucl. n. VI ungekreuzt zum N. VI zielen (vgl. Abb. 5.54)

464

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

£ IV. Hirnnerv. Das motorische Kerngebiet des

zephalons; gleiches gilt für Läsionen im Verlauf des medialen Längsbündels, Fasciculus longitudinalis medialis (s. Abb. 5.91). 3. Augenmuskelparesen. Oft ist es nur bei akuten Lähmungen eines einzelnen Augenmuskels möglich, mit Hilfe der neurologisch-topischen Diagnostik gezielt das geschädigte Kerngebiet oder die okulomotorischen Nervenfasern auszumachen, weil die Schädigung mit der Zeit teilweise kompensiert wird. Bei älteren Lähmungen oder solchen in übergreifenden Kerngebieten benötigt man zusätzlich ein ausgefeiltes diagnostisches Instrumentarium (Maddox-Kreuz oder HessSchirm). Eine komplette Okulomotoriusparese zieht die Lähmung der von ihm innervierten äußeren Augenmuskeln nach sich. Sie ist durch drei Symptome gekennzeichnet. Erstens kommt es durch die Lähmung des M. levator palpebrae zu einem Herabsinken des oberen Augenlids, Ptosis. Zweitens besteht eine fixierte Augenstellung nach kaudolateral durch ein Überwiegen der Mm. recti lateralis et obliquus superior. Drittens findet sich eine Dilatationsstellung der Pupille (Mydriasis) bei fehlendem Lichtreflex und aufgehobener Akkomodation. Hierfür ist die Lähmung der parasympathischen Begleitfasern des N. oculumotorius verantwortlich, die die Mm. sphincter pupillae et ciliaris innervieren. In vielen Fällen besteht diese Symptomatik beidseits, was durch die topographische Nähe des rechten und linken Okulomotoriuskerngebiets bedingt ist (s. Abb. 5.52, 90). 4. Störungen der Pupillomotorik sind auch auf Beeinträchtigung der Reflexwege zurückzuführen. Seitengleich weite Pupillen sind Ausdruck von Mittelhirnläsionen. Eine Seitendifferenz der Pupillen, Anisokorie, entsteht bei Schädigung der den N. oculomotorius begleitenden parasympathischen Fasern oder der komplementären sympathischen Innervation. Wenn alle Muskeln, die vom N. oculomotorius innerviert werden, gelähmt sind, Ophthalmoplegia totalis, dann handelt es sich zumeist um eine periphere Lähmung. Ist dagegen nur ein einzelner Muskel gelähmt, besteht meistens eine nukleäre Läsion, die häufig bilateral ist. 5. Trochlearisparese. Hierbei kommt es vor allem bei Neigung des Kopfes zur erkrankten Seite zu einer Abweichung des Auges nach medial und kranial, da der M. obliquus superior im Normalfall neben der Innenrotation des Bulbus (Ausgleichsbewe-

N. IV befindet sich kaudal des Okulomotoriuskerngebiets in Höhe der Colliculi inferiores. Seine Wurzelfasern ziehen um das zentrale Höhlengrau, die Substantia grisea centralis, herum, verlaufen im Velum medullare superius nach kontralateral, um basal der Colliculi inferiores als einziger Hirnnerv den Hirnstamm dorsal zu verlassen (s. Abb. 5.50, 5.51 und 5.53). In der Augenhöhle erreicht der N. IV den M. obliquus superior, den er innerviert. £ VI. Hirnnerv. Das Kerngebiet des N. abducens befindet sich kaudal des Colliculus facialis in der Fossa rhomboidea des Tegmentum pontis. Es wird von den Fasern des N. facialis im inneren Fazialisknie umfasst. Seine Fasern treten zwischen Pons und Medulla oblongata als N. abducens aus (s. Abb. 5.54). Im Fasciculus longitudinalis medialis (s. u.) verlaufende Kollateralen bewirken eine Abstimmung der Mm. recti mediales, so dass von einer gekreuzten Innervation gesprochen werden kann. Zusammen mit der dabei mitwirkenden Paramedianen Pontinen Retikulären Formation (PPRF) und dem Nucl. praepositus (N. XII) wird der Nucl. N. VI auch als selbständiges „pontines Blickzentrum“ aufgefasst (s. Abb. 5.88). Klinik: 1. Augenbewegungsstörungen sind häufig klinisch relevant und haben eine große Bedeutung für die neurologisch-topische Diagnostik. Es werden Blicklähmungen von Störungen der Pupillomotorik abgegrenzt. 2. Blicklähmungen. Bei den Blicklähmungen im engeren Sinn sind die konjugierten Augenbewegungen betroffen und das Blickfeld eingeschränkt, während meist subjektiv keine Doppelbilder bestehen. Die Läsionen sind bei diesen Blicklähmungen meist supranukleär, das heißt, sie liegen oberhalb der entsprechenden Hirnnervenkerne in der Verbindung zwischen Cortex und Nucleus. Einseitige supranukleäre Läsionen führen wegen der bilateralen Verschaltung der Kerngebiete selten zu größeren Defekten der Okulomotorik. Einseitige Läsionen im Kerngebiet selbst bedingen dagegen, je nach der oben dargestellten Verschaltung, entweder ipsilaterale oder kontralaterale Ausfälle. Die enge Nachbarschaft der Okulomotorius- und Trochleariskerne erklärt die oft beträchtlichen Ausfälle bei Läsionen im Bereich des Mesen-

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Okulomotoriusparese Blick geradeaus herunterhängendes Augenlid (Ptosis)

465

Trochlearisparese Blick geradeaus

Blick nach links

Bulbusstand laterokaudal und Pupillenerweiterung (Mydriasis)

Blick nach links

Abduzensparese Blick geradeaus

Blick nach links

Blick nach rechts Blick nach rechts Blick nach oben

Blick nach rechts Blick nach unten

Bulbusstand laterokranial mit Mydriasis

Blick nach oben

Blick nach unten

Abb. 5.90: Okulomotorius-, Trochlearis- und Abduzensparese des rechten Auges (nach J. Klingelhöfer/M. Spranger, 1997)

gung bei Kopfneigung) auch für die Abduktion und die Blickwendung nach unten zuständig ist. Beim Blick des Patienten nach kaudomedial fällt die lähmungsbedingte Einschränkung am meisten auf, weil am gesunden Auge in Adduktionsstellung die senkende Wirkung des M. obliquus sup. am größten ist. Um Doppelbilder zu vermeiden, neigt der Patient den Kopf zur kontralateralen Schulter. 6. Abduzensparese. Eine Läsion des N. abducens führt zum Einwärtsschielen, Strabismus convergens, da der Patient das Auge nicht mehr nach lateral bewegen kann. Der Patient vermeidet Doppelbilder, indem er den Kopf zur kranken Seite dreht. Willkürliche und reflektorische Innervation der Augenmuskeln Beteiligte Strukturen. Die kombinierte Aktion der einzelnen Muskeln beider Augen führt zu konjugierten (= zugeordneten, gepaarten), fein abgestuften Augenbewegungen. Verantwortlich hierfür sind

die integrativen Fasern des medialen Längsbündels, Fasciculus longitudinalis medialis, der die verschiedenen Hirnnervenkerne des Hirnstammes miteinander verbindet (Abb. 5.91). Der Fasciculus longitudinalis medialis bildet jedoch kein einheitliches Fasersystem, vielmehr treten multiple Faserstränge auf unterschiedlichen Ebenen des Hirnstamms ins mediale Längsbündel ein und aus. Das mediale Längsbündel liegt beiderseits der Mittellinie in der Formatio reticularis und erstreckt sich rostral vom Mesencephalon bis nach kaudal in die Medulla oblongata (s. Abb. 5.52, 55, 56). Ansammlungen von Neuronen, die am weitesten rostral zwischen den Fasern gelegen sind, werden als Nucl. interstitialis (Cajal) bezeichnet. Am Fasciculus longitudinalis medialis lassen sich ein vestibulärer und ein internukleärer Anteile unterscheiden. Dabei verbindet der vestibuläre Anteil die Vestibularis- mit den Augenmuskelkernen, wodurch er das morphologische Korrelat des vestibulookulären Reflexes (VOR, s. u.) bildet. Der internukleäre Anteil verbindet die einzelnen

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

466

willkürliche Blickbewegungen

Sulcus centralis

Verbindung von Area 18 u. 19 zur Area 8 reflektorische Augenbewegungen

Area 8 Area 19 18 17

Fasciculus longitudinalis medialis

visueller Cortex

vestibuläre Verbindungen

Bahn für reflektorische Blickbewegungen

Bahn für willkürliche Blickbewegungen

N. oculomotorius tektales Feld für vertikale Blickbewegungen

N. abducens

Nucleus Darkschewitsch

von der Retina Ncl. n. III kommend

Nucleus interstitialis (Cajal) Colliculus superior Colliculus inferior

Ncl. n. IV

Corpus geniculatum laterale

zum Cerebellum führend Nuclei vestibulares:

Fasciculus longitudinalis medialis

Ncl. n. VI pontines Feld für horizontale Blickwendungen (Nucleus praepositus nervi hypoglossi)

Nucleus superior Nucleus lateralis Nucleus medialis Nucleus inferior

vom Halsmark kommend

Tractus vestibulospinalis lateralis

Abb. 5.91: Fasciculus longitudinalis medialis mit Verschaltung (nach P. Duus, 1990)

Augenmuskelkerne untereinander. Die internukleären Neurone liegen verstreut zwischen den Motoneuronen des Nucl. n. abducentis. Sie senden ihre Axone über den Fasciculus longitudinalis medialis zu den kontralateralen Motoneuronen im Nucl. n. oculomotorii zur Versorgung des M. rectus medialis (s. Abb. 5.88). Zusätzlich fließen propriozeptive

Impulse von der Hals- und Nackenmuskulatur dem pontinen Zentrum für vertikale Blickbewegungen zu. £ Formatio reticularis (s. Kap. 5.4.9.2, S. 518). Sie ist mit dem Nucl. praestitialis, dem Nucl. commissurae posterioris, dem Nucl. interstitialis und dem Nucl. Darkschewitsch als hori-

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

zontales Zentrum der Blickbewegungen eingeschaltet. Durch diese spezifischen Verschaltungen können die Augen sowohl willkürlich als auch reflektorisch konjugiert bewegt und zur Stellung des Körpers hin ausgerichtet werden. Die Blickstabilisierung von Eigenbewegungen des Kopfs oder Körpers wird über den VOR vermittelt. Dabei reicht der Reflexbogen vom pontomedullären Übergang zum Mittelhirn. Weitere Vestibularisafferenzen stehen über den Fasciculus longitudinalis medialis mit den okulomotorischen Hirnnerven in Verbindung, wobei eine durch Kopfbewegung ausgelöste Reizung der Bogengänge des Labyrinths zu einer reflektorisch-kompensatorischen Augenbewegung führt. Klinik: 1. Die Prüfung des vestibulookulären Reflexes (VOR) durch Kaltwasserspülung des äußeren Gehörgangs erlaubt am bewusstlosen Patienten Hinweise auf Komatiefe und Lokalisation einer Hirnstammschädigung zu erhalten. Physiologisch kommt es zu einem Nystagmus nach kontralateral, der in tiefen Komastadien abwesend ist. Ist im tiefen Koma der Hirnstamm intakt, erfolgt eine tonische Augenbewegung zum gespülten Ohr hin. 2. Zwischen den Hirnnervenkernen besteht eine Vielzahl von Reflexbögen, die insbesondere in der Formatio reticularis generiert und koordiniert werden. Wenn sich der M. rectus lateralis kontrahiert, sorgen die internukleären Neurone dafür, dass sich komplementär der M. rectus medialis des kontralateralen Auges ebenfalls kontrahiert. Sind die Fasern des Fasciculus longitudinalis, etwa bei Multipler Sklerose oder lakunären Hirnstamminfarkten, geschädigt, entsteht das Krankheitsbild der internukleären Ophthalmoplegie. Bei einseitiger Schädigung tritt ein monokulärer Nystagmus auf. Da die Fasciculi beider Seiten jedoch eng benachbart sind, entsteht meist ein doppelseitiges Krankheitsbild, wobei es sich bei den hier beschriebenen neurologischen Krankheitsbildern in der Hauptsache um horizontale Ausfallerscheinungen handelt. Konvergenz- und Akkomodationsreaktionen Beim Fixieren eines nahe gelegenen Objektes werden die Augen unwillkürlich durch reflektorische Vorgänge so ausgerichtet, dass das Objekt auf

467

der Fovea centralis beider Augen fixiert wird. Drei unterschiedliche Vorgänge sind hierzu notwendig: 1. Konvergenz. Beidseits werden gleichzeitig die Mm. recti mediales über die Nn. III innerviert, um so das Objekt mit beiden Augenachsen fixieren zu können. Hierdurch wird seine Abbildung auf korrespondierenden Retinaabschnitten gewährleistet. 2. Akkomodation. Eine scharfe Abbildung naher Objekte auf der Netzhaut wird durch Kontraktion des M. ciliaris, nach Innervation durch den parasympathischen Anteil des N. III, erreicht, so dass die Linsenspannung nachläst und sie sich passiv abrunden kann. Beim Blick in die Ferne erschlafft der M. ciliaris und die Linse wird durch die Zugkräfte der elastischen BruchMembran erneut abgeflacht (s. Kap. 6.1.2.2, S. 561). 3. Pupillenverengung. Die Pupille verengt sich, ähnlich der Blende einer Fotokamera, um die Bildschärfe auf der Retina zu erhöhen. Ihre Motilität wird durch den vom N. oculomotorius parasympathisch innervierten M. sphincter pupillae und den vom Sympathicus innervierten M. dilatator pupillae gewährleistet (s. Abb. 6.15, S. 562). Diese 3 Vorgänge werden reflektorisch ausgelöst, wenn sich ein Gegenstand im Gesichtsfeld plötzlich nähert. Die Sehimpulse verlaufen hierbei afferent zur Sehrinde, um dann efferent über die Area praetectalis zum parasympathischen Perlia-Kern und anschließend zu den Edinger-Westphal-Kernen zu gelangen. Von dort erreichen sie über das Ganglion ciliare den M. ciliaris für die Akkomodation sowie den M. sphincter pupillae für die Pupillenverengung. Diese Verbindungen weisen aber eine unterschiedliche Topographie auf und können isoliert voneinander ausfallen. Die Konvergenz der Augäpfel wird über die äußeren Augenmuskeln realisiert. Klinik: Bei der Neurosyphilis und anderen Krankheitsprozessen des Tectums (Encephalitis, Multiple Sklerose, Tumor) findet sich ein Syndrom, das als Argyll Robertson-Pupille bezeichnet wird: Es ist durch eine erloschene Lichtreaktion gekennzeichnet, wobei Konvergenz und Akkomodation jedoch intakt bleiben.

468

£ Pupillenreflex. Lichteinfall auf die Netzhaut

führt zu einer Anpassung der Pupillenweite, wobei Helligkeit eine Pupillenverengung und Dunkelheit eine Pupillenweitung bewirkt. Der Pupillenreflex reguliert durch diese Anpassungsreaktionen die Lichtmenge, um einerseits die Fotorezeptoren vor einer Blendung zu schützen und um andererseits Objekte im Gesichtsfeld schärfer („tiefenschärfer“) auf der Netzhaut abbilden zu können. Der Pupillenreflex verläuft im afferenten Schenkel (Retina, N. opticus, Chiasma opticum, Tractus opticus) zu den Colliculi superiores. Diese weisen eine sechsschichtige Zytoarchitektonik auf, wobei in die oberen Schichten Afferenzen aus Retina und visuellem Cortex eingehen. Die tiefen Schichten der Colliculi superiores nehmen Projektionen aus den oberflächlichen Schichten auf und dienen hauptsächlich der Integration der Sinnesdaten, wobei sie Verbindungen multimodaler und motorischer Eingänge herstellen. Nach den Colliculi superiores verläuft der Pupillenreflex weiter über die Area praetectalis, die o. g. Schaltstationen in Mittel- und Stammhirn und von dort im efferenten Schenkel zum Auge (über die Nucll. n. oculomotorii Edinger Westphal, N. oculomotorius, Ganglion ciliare und Nn. ciliares breves zum M. sphincter pupillae).

Klinik: Eine Störung des Pupillenreflexes (s. Kap. 6.1.3, S. 567) kann in sämtlichen Abschnitten des Reflexverlaufes auftreten. Bei Unterbrechung des efferenten Schenkels im Verlauf des N. oculomotorius oder durch Schädigung des Ganglion ciliare können Impulse aus den Edinger-Westphal-Kernen nicht mehr zum M. sphincter pupillae fortgeleitet werden. Hieraus resultieren eine Mydriasis (weite Pupille) durch Überwiegen der sympathischen Innervation sowie ein fehlender Lichtreflex; vollkommene Erblindung des Auges führt zu amaurotischer Pupillenstarre. Dennoch kann vom gesunden Auge her der Pupillenreflex auf beiden Augen ausgelöst werden. Sind beide Augen erblindet, so lässt sich immer noch durch die Konvergenzreaktion der Bulbi eine Pupillenverengung herbeiführen. Ist die Area praetectalis des Mittelhirns geschädigt, kommt es ebenfalls zum Ausfall der Lichtreaktion, obwohl beide Augen sehen und die Pupillen sich bei Naheinstellung verengen können; dieses

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Phänomen wird als reflektorische Pupillenstarre (ähnlich der Argyll Robertson-Pupille) bezeichnet. Bei einer Läsion des efferenten Schenkels, vom Okulomotoriuskerngebiet zu den inneren Augenmuskeln, fehlt ebenfalls die Überleitung entsprechender Impulse, was zum Ausfall der Licht- und Naheinstellungsreaktion am betroffenen Auge führt. Die Pupillenreaktion wird nicht nur vom Lichteinfall ins Auge bedingt, sondern kann auch durch extraokuläre Reize, wie starke Schmerzen oder psychische Erregung, hervorgerufen werden. £ Sympathische Augeninnervation. Das Sym-

pathicus-Kerngebiet, Centrum ciliospinale, liegt im Cornu laterale des Rückenmarks in der Höhe von C8 bis Th 2. Von hier aus erreichen Fasern über den Halsgrenzstrang das Ganglion cervicale superius, wo eine Umschaltung auf postganglionäre Fasern erfolgt. Anschließend verlaufen die sympathischen Fasern gemeinsam mit der A. carotis interna nach kranial, um mit der A. ophthalmica in die Augenhöhle einzutreten. Dort gelangen sie über die Arterien im Inneren des Bulbus oculi bis in die Iris zum M. dilatator pupillae, den sie innervieren (s. Kap. 6.1.3, S. 573). Außerdem ist der Sympathicus in dieser Region für die Innervation des M. tarsalis superior (Müller-Muskel) und des M. tarsalis inferior, des M. orbitalis (in der Knochenhaut der Fissura orbitalis inferior), der Schweißdrüsen sowie der Gefäße der entsprechenden Gesichtshälfte verantwortlich.

Klinik: Eine Läsion der zentralen Sympathikusbahn (Tractus hypothalamospinalis), des Centrum ciliospinale, des Halsgrenzstrangs, des Ganglion cervicale superius oder im Verlauf der postganglionären sympathischen Fasern führt zum so genannten peripheren Horner-Syndrom. Es ist durch eine Symptomentrias bestimmt: Herabhängen des Oberlides (Ptosis palpebrae) durch Ausfall des M. tarsalis superior, eine enge Pupille (Miosis) durch Ausfall des M. dilatator pupillae und Übergewicht des M. sphincter pupillae sowie einen tiefliegenden Bulbus (Enophthalmus) durch Ausfall des M. orbitalis. Zusätzlich können eine Anhidrosis sowie eine Vasodilatation in der betroffenen Gesichtshälfte hinzutreten. Ein zentrales Hornersyndrom kommt beim Infarkt der A. cerebelli posterior

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

inferior (Wallenberg-Infarkt) vor. Hierbei bestehen zusätzlich eine ipsilaterale Ataxie sowie eine dissoziierte Sensibilitätsstörung der kontralateralen Körperhälfte. £ Optischer Schutzreflex. Bei überraschendem

Auftauchen eines visuellen Objekts kommt es reflektorisch zu einem schützenden Lidschluss. Die afferenten Impulse dieses Reflexes gelangen von der Retina über die Lamina tecti und den Tractus tectonuclearis zum Fazialiskerngebiet, da der N. facialis für die Innervation der Mm. orbiculares oculi beider Seiten und damit für den Lidschluss verantwortlich ist. Ebenfalls können Impulse über tektospinale Fasern die Vorderhornzellen des Halsmarks erreichen, um durch Innervation der Hals- und Nackenmuskulatur das schützende Abwenden des Kopfs auszulösen. £ Begleitende Lidbewegung. Die Größe der Lidspalte wird auf dem gleichen Weg der Position der Bulbi angepasst. Beim Blick nach oben hebt sich das Lid, beim Blick nach unten senkt es sich.

5.4.3 Auditorisches (akustisches) und vestibuläres System Lernziele: Corti-Organ, Hörbahn, auditiver Cortex: Bau und Funktion, vestibuläres System, afferente und efferente Bahnsysteme

5.4.3.1 Definition Das auditorische und das vestibuläre System stellen phylogenetisch sehr alte Systeme dar, die zwar morphologisch eng benachbart sind, aber beim Menschen unterschiedliche Funktionen erfüllen. Wie das visuelle System bestehen auch diese sensorischen Systeme aus rezeptiven und integrativen Anteilen, die in den jeweiligen Abschnitten näher besprochen werden. Das auditorische System (Hörorgan; s. Kap. 7.1, S. 593) dient der Schallaufnahme und -analyse. Dabei werden die rohen Sinnesdaten in einer tonotopen Anordnung sowohl über den Hörnerven zum Cortex geleitet als auch über Kollateralfasern in den Hirnstamm projiziert,

469

um dort insbesondere mit der Motorik, aber auch mit vegetativen Zentren, integriert zu werden. Das Vestibularsystem (Gleichgewichtsorgan; s. Kap. 7.2, S. 611) ist für die Übermittlung von Informationen über Kopfposition und -bewegung im Raum verantwortlich. Über seine Verbindungen zur Motorik sorgt es für die Aufrechterhaltung des Körpergleichgewichts und trägt zur Beeinflussung vegetativer Funktionen bei. Es ist in die Steuerung der Augenmuskeln mit einbezogen. Außerdem bestehen Verbindungen mit der Motorik über Kerne in der Formatio reticularis sowie eine enge Koordination mit dem Kleinhirn. Im Rahmen der neuroanatomischen Erörterung des auditorischen und des vestibulären Systems wird, wie auch schon im vorherigen Abschnitt, nur kurz auf die jeweiligen Sinnesorgane, wie Bogengänge und Macula oder das Corti-Organ eingegangen (s. Kap. 7.2, S. 611). Die statische Funktion des vestibulären Systems wird mit dem Kleinhirn in Kap. 5.4.8 besprochen.

5.4.3.2 Spiralorgan, Corti-Organ, Organum spirale und Hörnerv, N. cochlearis (s. Kap. 7.2.2.2, S. 620) Das Corti-Organ besitzt sowohl Afferenzen als auch Efferenzen. Afferenzen. Die 30 000 bis 40 000 bipolaren Nervenzellen des Ganglion spirale bilden die afferenten Neurone, welche die Erregungen der äußeren Haarzellen dendritisch aufnehmen und axonal weiterleiten. Sie stellen also das 1. Neuron der Hörbahn dar. Ab dem Eintritt in den Modiolus (s. Kap. 2.1.3, S. 17) sind die Fortsätze der bipolaren Ganglienzellen von Markscheiden umgeben, wobei sie am Fundus meatus acustici interni des Felsenbeins den N. cochlearis ausbilden. Dieser tritt gemeinsam mit dem N. vestibularis am Kleinhirnbrückenwinkel in den Hirnstamm ein (s. Abb. 5.51, 54, 58), wo es zu einer Trennung der Fasern des N. cochlearis kommt. Ein Teil der Axone endet im Nucl. cochlearis posterior, der andere Teil im Nucl. cochlearis anterior. Die Neurone dieser beiden Kerngebiete bilden das 2. Neuron der Hörbahn. Sie liegen lateral der Kerngebiete des N.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

470

vestibularis an der breitesten Stelle im Boden der Rautengrube (s. Abb. 5.54 und 5.56–58). Efferenzen. Die Efferenzen zu den Haarzellen des Corti-Organs werden vom Tractus olivocochlearis (Rasmussen-Bündel) gebildet, der vom Nucl. olivaris superior aus über den N. cochlearis ins CortiOrgan gelangt. Der Nucl. olivaris superior stellt ein kleines Kerngebiet lateral des Trapezkörpers dar. Die den Nucl. olivaris superior erreichenden Informationen aus den Nucll. cochleares werden zu den Haarzellen zurückgesandt und können ihre Empfindungsfähigkeit modulieren. Experimentell lassen sich durch Reizung des Tractus olivocochlearis Impulse des Hörnerven abschwächen. Im Allgemeinen dienen die efferenten Anteile der Hörbahn der Filterung und Adaptation akustischer Sinnesdaten, so etwa dem Heraushören von bestimmten Signalen aus Hintergrundgeräuschen bzw. Umgebungslärm.

5.4.3.3 Hörbahn Zu den zentralen Schaltstellen der Hörbahn zählen: Kochleariskerne, Nucl. cochlearis anterior und Nucl. cochlearis posterior, Obere Olive, Nucl. olivaris superior, Trapezkörperkerne, Nucll. corporis trapezoidei anterior et posterior, Kerne der lateralen Schleife, Nucll. lemnisci laterales, Untere Hügel, Colliculi inferiores der Lamina tecti, Corpus geniculatum mediale (CGM) des Metathalamus sowie Hörrinde, auditiver Cortex im Lobus temporalis.

Gyrus temporalis superior

Radiatio acustica (Hörstrahlung)

Gyri transversi (Heschl-Querwindungen am Gyrus temporalis superior)

Colliculus superior Colliculus inferior

CGM Nucleus colliculi inferioris

Nucleus lemnisci lateralis dorsalis Lemniscus lateralis

Formatio reticularis, Kerngebiet für akustischvestibuläre Raumorientierung

Stria acustica dorsalis am Unterrand der Striae medullares ventriculi quarti

Nucleus cochlearis dorsalis Tractus olivocochlearis Cochlea (Corti-Organ)

Oliva superior Pyramidenbahn

Nucleus cochlearis ventralis Corpus trapezoideum (kreuzende Hörbahnfasern)

Nervus cochlearis

Abb. 5.92: Schema der Hörbahn; „ventrale Hörbahn“ = schwarz, „dorsale Hörbahn = blau und Tractus olivocochlearis = rot; Kerngebiete der Formatio reticularis = schwarz gepunktet. Vom ventralen Kern kreuzt eine Faserplatte, Corpus trapezoideum, zum Lemniscus lateralis, in die die Kerngebiete der oberen Olive und des Nucl. corporis trapezoidei eingelagert sind

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Diese Strukturen sollen im Folgenden unter Zuordnung zu den Hauptkerngebieten der Hörbahn, Nucl. cochlearis posterior und Nucl. cochlearis anterior, besprochen werden: £ Nucl. cochlearis posterior (dorsalis), dorsale

Hörbahn. Die von den Perikarya der Neurone im Nucl. cochlearis posterior (2. Neuron) ausgehenden Axone ziehen als Stria acustica dorsalis oberflächlich über den Boden der Fossa rhomboidea, wobei sie sich kaudal den Striae medullares ventriculi quarti anlagern. Sie kreuzen größtenteils in der Tiefe auf die Gegenseite, wo ein kleiner Teil der Fasern in den Nucll. corporis trapezoidei anterior et posterior und im Nucl. olivaris superior umgeschaltet wird. Teilweise ziehen sie direkt als Lemniscus lateralis weiter. Alle Fasern verlaufen dann als laterale Schleife, Lemniscus lateralis, zum Colliculus inferior des Mesencephalon, wobei in den Nucll. lemnisci laterales ein zusätzliches Neuron eingeschaltet sein kann. Anschließend projiziert das 3. Neuron (oder 4.) durch das Brachium colliculi inferioris zum CGM des Diencephalon. Nach der Umschaltung auf die 4. Neurone projizieren deren Axone als Hörstrahlung, Radiatio acustica, zur primären Hörrinde des temporalen Cortex (Brodmann-Areale 41 und 42, s. Abb. 5.23, 92, 127, 128). £ Nucl. cochlearis anterior (ventralis, ventrale Höhrbahn). Die Neuriten der Perikarya dieses Kerns ziehen als Corpus trapezoideum zu kontralateralen Trapezkörperkernen oder zur oberen Olive. Sie nehmen danach den gleichen Verlauf im kontralateralen Lemniscus lateralis wie der dorsale Anteil der Hörbahn. Lediglich ein kleinerer Teil der ventralen Hörbahn gelangt ipsilateral über die oben genannten Zentren zum primären akustischen Cortex. Kreuzende Fasern der Hörbahn bilden im Rhombencephalon den quer zwischen Tegmentum und Pons liegenden Trapezkörper, Corpus trapezoideum (s. Abb. 5.92). Die teilweise Kreuzung der Fasern ist Voraussetzung für das Richtungshören. Durch die Konvergenz der Sinnesdaten beider Seiten können bereits auf Hirnstammebene, vor allem im Nucl. olivaris superior und im Colliculus inferior, die unterschiedlichen Informationen beider Seiten verrechnet und zum Eindruck des räumlichen Hörens integriert werden.

471

Klinik: Die Untersuchung der unteren Hörbahnabschnitte, beginnend vom Hörnerven bis zum Mesencephalon, wird mittels akustisch evozierter Potenziale (AEP) durchgeführt. Nach Reizgabe per Kopfhörer werden über beiden Processus mastoidei die unterschiedlichen Latenzen bestimmt, welche auch getrennt als Kochleogramm abgelesen werden können. Mit dieser Untersuchung lassen sich häufig Läsionen im Kleinhirn-Brücken-Winkel (Akustikus-Neurinom) oder im Hirnstamm (Multiple Sklerose) nachweisen. £ Kollateralfasern. Von den höheren subkorti-

kalen Zentren der Hörbahn, insbesondere aus den Colliculi inferiores, gelangen kollaterale Fasern zur kontralateralen Seite zurück (s. Abb. 5.92). Sie ziehen durch das Mesencephalon, das Rhombencephalon und als Tractus tectospinalis bis ins Rückenmark zu den motorischen Neuronen, deren Muskelinnervation Bewegungen der Augen oder des Kopfs zur Schallquelle hin ermöglichen („Zuwendereflex“ oder „akustische Reflexbahn“). Zusätzlich sind Neurone der Formatio reticularis zu den eigentlichen Fasern der Hörbahn parallel geschaltet.

Klinik: Schäden des Innenohres. 1.1 Bei einseitiger Destruktion des Ganglion spirale der Cochlea oder auch der Nucll. cochleares kommt es zu ipsilateraler Taubheit. 1.2 Wenn einseitig höhere subkortikale oder kortikale Zentren betroffen sind, entsteht demgegenüber keine vollständige (kontralaterale) Taubheit, da nicht alle Fasern der Hörbahn kreuzen. 2.1 Nicht nur tumoröse oder traumatische Ursachen vermögen die bipolaren Zellen des Corti-Organs zu zerstören, sondern auch funktionelle. So kommt es insbesondere bei Durchblutungsstörungen der A. labyrinthi zum Krankheitsbild des Hörsturzes, der mit oder ohne Ohrgeräusche, Tinnitus, auftreten kann. 2.2 Die Haarzellen des Corti-Organs werden durch Dauerlärm mit Schalldrücken über 90 Phon irreversibel zerstört (berufsbedingter Lärm, Rock-Konzerte und Diskotheken, Walkman etc.): Lärmtaubheit. 3. Seit ca. 10 Jahren werden bei Läsion des CortiOrgans bzw. bei Destruktion der dort endigenden bipolaren Neurone Mikrophone implantiert und mit dem N. cochlearis verbunden. Derartige

472

Cochlea-Implantate dienen somit im Sinne eines direkten Akustikwandlers als Prothese des Corti-Organs.

5.4.3.4 Hörrinde, Auditiver Cortex £ Primäre Hörrinde (Funktionell: A1, oder

zytoarchitektonisch: Brodmann-Areal 41; dieses und die nachfolgend erwähnten BrodmannAreale s. Abb. 5.129). In der Tiefe des Sulcus lateralis bzw. in der Rinde des Operculum temporale liegen zwei bis vier Hirnwindungen, die quer zu dem lateral sichtbaren Gyrus temporalis superior verlaufen. Diese Gyri temporales transversi werden nach ihrem Erstbeschreiber Heschl-Querwindungen genannt (s. Abb. 5.23 und 93). Hier endet die Hörstrahlung, Radiatio acustica, welche die Hauptafferenz der primären Hörrinde darstellt.

In jeder Hemisphäre werden Signale beider Ohren verarbeitet, wobei jedoch die Signale der kontralateralen Seite überwiegen. Jede Tonfrequenz besitzt ein korrespondierendes Kortexareal. Physiologische Experimente haben ergeben, dass die afferenten Fasern der Hörbahn und der Area 41 tonotop (oder: cochleotop) angeordnet sind.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Anterolateral liegen eher tiefe Frequenzen (ab 200 Hz) und posteromedial vermehrt hohe Frequenzen (bis 20 000 Hz). Ähnlich dem primären somatosensiblen (Areae 1, 2, 3) oder dem visuellen Cortex (Area 17) bildet die primäre Hörrinde (Area 41) ein morphologisches Areal, das für die Primärwahrnehmung roher, im Falle der Hörrinde akustischer Sinnesdaten verantwortlich ist. Dieser Wahrnehmungsmodus scheint sich relativ interpretations- und integrationsfrei abzuspielen. Reizexperimente der primären Hörrinde haben bei Probanden oder Patienten lediglich zur subjektiven Wahrnehmung einzelner Lautfrequenzen (Töne) geführt. Es wurden keine größeren syntaktischen Einheiten, wie Worte oder Sätze, und auch keine melodischen Anteile wahrgenommen. £ Sekundäre Hörrinde (Funktionell: A2, oder

zytoarchitektonisch: Brodmann-Areale 22 und 42). Im Gyrus temporalis superior und dorsal anschließenden Rindenarealen liegt das sekundäre Hörzentrum gemeinsam mit dem sensorischen Sprachzentrum (s. Abb. 5.131). Letzteres wird auch als Wernicke-Sprachregion bezeichnet. Die sekundäre Hörrinde empfängt, analog der sekundären Sehrinde, größtenteils Afferenzen aus der primären Hörrinde, die aber nicht mehr tonotop gegliedert sind. Daneben laufen ihr auch Afferenzen aus dem CGM zu. Die integrative und interpretative Verarbeitung akustischer Signale hat hier ihre hauptsächliche

Lobus insularis

Sulcus lateralis A2 (Areae 22 + 42) A1 (Area 41) Gyrus temporalis superior Lobus temporalis

Abb. 5.93: Der auditive Cortex beim Menschen

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Lokalisation. In den nachgeschalteten Hörrinden werden größere syntaktische Einheiten aus kleineren zusammengesetzt und semantische Einheiten, wie Wörter oder Melodien, explizit wahrgenommen. Im Temporallappen liegt auch der Bereich für das akustische Erinnerungsvermögen. • Afferente Verbindungen der sekundären Hörrinde. Der akustische Cortex erhält Afferenzen insbesondere aus dem Gyrus angularis, der außerdem eine wichtige Rolle für die Integration visueller Reize mit Gedächtnisleistungen und sprachlichen Äußerungen zu besitzen scheint. So erhält der Gyrus angularis die Mehrzahl seiner afferenten Zuflüsse aus dem Bereich der sekundären Sehrinde. Aufgrund der afferenten Faserverbindungen mit dem sekundären Hörzentrum wird dem Gyrus angularis rechts die Leistung des Erinnerns von Tönen, links die des Hörvergleichs mit gesprochener Sprache zugeschrieben. Bei der engen strukturellen und funktionellen Verschränkung von Sprache und Hören beim Menschen resultieren aus pathologischen Prozessen in diesen Rindenbereichen vielfältige neuropsychologische Symptome, wie Probleme des Sprachverständnisses, Wortfindungsstörungen oder Leseschwäche. Sie werden von den Patienten meist bewusst als Störung erlebt und deshalb als sehr belastend empfunden. Klinik: Eine linksseitige, totale Destruktion der sekundären Hörzentren führt zu Seelentaubheit, auditiver Agnosie, das heißt zur Unfähigkeit, Worte, Töne, Geräusche etc. zu verstehen. Neuropsychologisch wird davon ausgegangen, dass die akustischen Engramme, die für das Erkennen notwendig sind, bei diesem pathologischen Prozess verlorengehen. Dies ist insbesondere bei Verschluss oder Ruptur der A. temporalis posterior, einem Ast der A. cerebri media, der Fall (s. Kap. 5.3.4.1). • Efferente Verbindungen der sekundären Hörrinde. Das Wernicke-Areal des akustischen Cortex ist efferent mit zahlreichen anderen kortikalen Assoziationsfeldern verbunden. So bestehen insbesondere Verbindungen über Assoziationsfasern zum motorischen BrocaSprachzentrum in der Pars triangularis gyri frontalis inferioris (s. Kap. 5.4.10.2).

473

5.4.3.5 Afferenzen der Vestibulariskerne In den Ampullen der Bogengänge sowie in den Maculae von Sacculus und Utriculus des Labyrinthorgans liegen die sensorischen Rezeptorzellen des vestibulären Systems, die Haarzellen der Maculae staticae und der Cristae ampullares (s. Kap. 7.2.2, S. 615). Der charakteristische Reiz für die Sinneszellen der Bogengänge sind Drehbeschleunigungen des Kopfs, während die Sinneszellen des Sacculus und des Utriculus auf Linearbeschleunigungen und auf die Schwerkraft reagieren. Die Perikarya des ersten Neurons liegen im Ganglion vestibulare, wobei sich im kraniodorsalen Teil des Ganglions die Perikarya der die Ampullae anterior et lateralis versorgenden Neurone befinden. Im rostrobasalen Bereich liegen hingegen die Perikarya, die den Sacculus, den Utriculus und die Ampulla posterior versorgen. Somit ergibt sich auch für das Ganglion vestibulare eine somatotopische Anordnung. Die zentripetalen Fortsätze des ersten peripheren Neurons der Gleichgewichtsbahn verlaufen als Pars vestibularis im VIII. Hirnnerven zum Kleinhirnbrückenwinkel. Die zentripetalen Fortsätze des N. vestibulocochlearis enden am Boden der Fossa rhomboidea in der Area vestibularis in vier Vestibulariskerngruppen: Nucl. vestibularis superior (Bechterew-Kern), Nucl. vestibularis medialis (Schwalbe-Kern), Nucl. vestibularis lateralis (Deiters-Kern) und Nucl. vestibularis inferior (Roller-Kern). Zusätzlich besteht eine direkte Projektion von Fasern aus dem Ganglion vestibulare zum Lobus flocculonodularis cerebelli. Die Nucll. vestibulares liegen an der breitesten Stelle im Boden der Fossa rhomboidea (s. Abb. 5.50, 54, 56, 57 und 94). Der Nucl. vestibularis lateralis erhält primäre vestibuläre Afferenzen aus der Macula utriculi. Demgegenüber erhalten der Nucl. vestibularis medialis und der Nucl. vestibularis superior ihre Afferenzen vornehmlich von den Cristae ampullares der Bogengänge. Schließlich ist der Nucl. vestibularis inferior afferent mit den Maculae utriculi und sacculi verbunden.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

474

Nuclei nervi oculomotorii

externe Augenmuskulatur

Nucleus nervi cochlearis Fasciculus longitudinalis medialis Nucl. nervi abducentis

Vestibularorgan

Nucl. vestibularis sup. (Bechterew) Nucl. vestibularis lat. (Deiters) Nucl. vestibularis med. (Schwalbe) Nucl. vestibularis inf. (Roller)

Tractus vestibulospinalis Muskelspindelapparate Substantia grisea medullae spinalis

Abb. 5.94: Kontrolle der Augenstellung durch Auswertung der Informationen im vestibulären System (nach K. Zilles 1984)

Klinik: Die Informationseingänge aus den Bogengängen sind insbesondere für die Kontrolle der Augenbewegungen notwendig, damit bei Kopfbewegungen gewährleistet werden kann, dass die optischen Achsen beider Bulbi auf das Objekt gerichtet bleiben. Die Vestibulariskerne und ihre Reflexbögen bilden auch die Grundlage des vestibulären Nystagmus (s. Kap. 5.4.2.4).

5.4.3.6 Efferenzen der Vestibulariskerne Das zweite Neuron des vestibulären Systems liegt in den Vestibulariskernen. Die Neurone der Nucll. vestibulares sind mit ihren Axonen verbunden mit:

• den Kleinhirnhemisphären (dem Nodulus des Vermis und dem Flocculus, die Gleichgewichtssignale verarbeiten und deshalb auch als Vestibulocerebellum bezeichnet werden), • den α- und γ-Motoneuronen des Rückenmarkes über den ipsilateralen Tractus vestibulospinalis, • den Augenmuskelkernen über den Fasciculus longitudinalis medialis, • den Kernen der Formatio reticularis und • ventralen Anteilen des Thalamus. £ Verbindungen mit dem Kleinhirn. Mit dem

Kleinhirn sind die Vestibulariskerne über den Pedunculus cerebellaris inferior verbunden. Ein Teil der Fasern aus den Nucll. vestibulares superior, medialis et inferior gelangt ipsilateral

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

475

• Tractus vestibulospinalis medialis. Dabei bilden die Efferenzen hauptsächlich des Nucl. medialis den Tractus vestibulospinalis medialis, der sein Terminationsgebiet an den Motoneuronen der Nackenmuskulatur im Zervikalmark hat. Auf diesem Wege können Augen- und Kopfbewegungen miteinander abgestimmt werden. • Tractus vestibulospinalis lateralis. Die Efferenzen des Nucl. vestibularis lateralis bilden den Tractus vestibulospinalis lateralis, der bis ins Sakralmark reicht. Sein Terminationsgebiet stellen (über weitere Interneuronen vermittelt) die α- und γ-Motoneurone der Extensorenmuskulatur von Rumpf und Extremitäten dar. Der Tonus der Extensoren wird erhöht, während der der Flexoren vermindert und somit die Standsicherheit verbessert wird. Hierdurch können über den Tractus vestibulospinalis lateralis Stand und Gang bzw. die feinere Abstimmung der Extremitäten- zu den Rumpfbewegungen beeinflusst werden.

Abb. 5.95: Efferenzen der Vestibulariskerne

zu archi- und paläozerebellären Anteilen des Kleinhirns (Lobus flocculonodularis, s. Kap. 5.4.8, S. 509). Dabei erreichen den Flocculus neben ipsilateralen auch kontralaterale Zuflüsse, die dem zerebellären Moosfasersystem zuzurechnen sind. Des weiteren ziehen Fasern aller drei Kerne zum Nucl. olivaris inferior, von dem aus das Kletterfasersystem das Kleinhirn erreicht. Umgekehrt projizieren die PurkinjeZellen des Lobus flocculonodularis direkt als kortikovestibuläre Fasern zu den Vestibulariskernen. Dabei versorgen sie insbesondere diejenigen Kerngebiete, die ihrerseits Fasern zu den Kerngebieten der Nerven der äußeren Augenmuskeln entsenden, weniger jedoch Kerngebiete des Tractus vestibulospinalis. £ Verbindungen mit dem Rückenmark. Efferente Bahnen erreichen auch das obere Rückenmark über den Fasciculus longitudinalis medialis, dessen Fasern aus den Nucll. vestibulares superior, medialis et inferior hervorgehen.

Noch im Vestibulariskerngebiet kommt es zu einer Konvergenz mit Signalen von Kollateralfasern aus dem Tractus spinocerebellaris posterior. Diese Fasern vermitteln Informationen des propriozeptiven Systems über die Stellung der Extremitäten im Raum, was für die Koordination der Extremitäten von großer Wichtigkeit ist. Gleichzeitig sind die Neurone der Nucll. vestibulares laterales direkt mit Efferenzen aus dem Vermis cerebelli verbunden, welcher die Feinabstimmung des Tonus der axialen Muskulatur bewirkt. £ Verbindungen mit den Kernen der Okulomo-

torik. Efferente Fasern der Nucll. vestibulares, insbesondere aus dem Nucl. vestibularis inferior, gelangen aufsteigend über den Fasciculus longitudinalis medialis ipsi- und kontralateral zum Nucl. n. III. Ausschließlich kontralateral wird der Nucl. n. IV erreicht, während die Nucll. n. VI ipsi- und kontralateral innerviert werden. Aus den letztgenannten Kernen kreuzen jeweils kontralaterale Fasern auf die Nucll. n. III zurück (s. Kap. 5.4.2.4). Solche Schaltmuster lassen sich schwer merken; sie können aber klinisch relevant sein und sind deshalb hier zum Nachschlagen angeführt (s. Abb. 5.96).

476

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Abb. 5.96: Schematische Darstellung der wichtigsten zentralen Leitungsbahnen des Gleichgewichtssystems

Klinik: Die efferenten Bahnsysteme, die zum Teil nicht mehr als 2 synaptische Unterbrechungen aufweisen, führen zu einer besonders effektiven und schnellen Kontrolle der Okulomotorik durch Gleichgewichtssignale. So bleiben im Kippversuch eines Patienten auf der Krankenliege die Augen nahezu zeitgleich in der Senkrechten fixiert. Diese physiologischen Anpassungsreaktionen sind jedoch beim dienzephalen Syndrom, das bei einer Einklemmungssymptomatik durch Hirnschwellung vorkommt, aufgehoben. In diesem Zustand ist der okulozephale Reflex gestört und es kommt zum Puppenkopfphänomen: Die gegenläufig koordinierte Mittelstellung des Bulbus bei passiven Kopfdrehungen wird erst sehr langsam erreicht, was man sich diagnostisch zunutze macht. £ Verbindungen

zur Formatio reticularis. 2 Kerngebiete der Formatio reticularis werden auch von efferenten Bahnen des vestibulären Systems angesteuert: Der Nucl. interstitialis Cajal, zusammen mit dem Nucl. interstitialis rostralis des Fasciculus longitudinalis medialis, und der Nucl. praepositus (N. XII). Beide Kerngebiete stellen jeweils mit der umgebenden Formatio reticularis das mesenzephale bzw. das

pontine Blickzentrum dar. Darüber hinaus ist der Nucl. interstitialis auch Ursprungsgebiet des kleinen Tractus interstitiospinalis mit seinen zum Rückenmark hin absteigenden Bahnen. Der Nucl. praepositus (N. XII) hat mit dem N. hypoglossus keine funktionellen Gemeinsamkeiten, sondern wird lediglich so genannt, weil er topographisch neben dem Kerngebiet des XII. Hirnnerven liegt (lat. praeponere = voranstellen). £ Verbindungen zum Thalamus. Die Nucll. vestibulares superior, medialis et lateralis projizieren zum Thalamus. Diese Fasern kreuzen auf die Gegenseite und ziehen als Tractus vestibulothalamicus zum Nucl. ventralis posterior thalami. Dieser Kern stellt eine Relaisstation des somatosensorischen Systems in das entsprechende Primärgebiet der Hirnrinde (Area 3a, s. Abb. 5.35) dar. Nach Umschaltung setzt sich die Gleichgewichtsbahn bis zum Kortex der in der Tiefe des Sulcus centralis gelegenen Areae 3a und 2 fort, wobei sie in der Regio postcentralis nahe dem sensiblen Gesichtsbezirk endet. Dieses Kortexareal scheint an der Bewusstwerdung der vestibulären Informationseingänge beteiligt zu sein. Auch über den Nucl. ventralis posterior ziehen Bahnverbindungen zum Cortex cerebri im Übergangsbereich vom Gyrus post-

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

centralis zum rostralen Ende des Sulcus intraparietalis, der Area 2. In diesen Kortexarealen konvergieren also vestibuläre mit propriozeptiven und zerebellären Fasersystemen. Das vestibuläre System weist nur wenige afferente Verbindungen zum Cortex cerebri auf, während die Verknüpfungen im Hirnstamm sehr vielfältig sind. Dadurch werden Gleichgewichtsimpulse ohne Mitwirkung des Bewusstseins meist reflektorisch für Korrekturen der Körperhaltung wirksam. Klinik: 1. Akute Läsionen des vestibulären Systems führen zu starken Gleichgewichtsstörungen mit ausgeprägten Schwankbewegungen und Fallneigung. Subjektives Leitsymptom ist der Schwindel, der aber vielfältige weitere Ursachen haben kann. Außerdem kann ein vestibulärer Nystagmus auftreten. 2. Bei peripherer Destruktion des Vestibularorgans (z. B. bei Durchblutungsstörung oder Felsenbeinfraktur) tritt ein horizontaler, häufig rotatorischer Nystagmus zur gesunden Seite auf. 3. Zentrale Läsionen im Hirnstamm oder dem Kleinhirn (z. B. bei lakunären Infarkten oder bei der Multiplen Sklerose) können auch zu einem vertikalen Nystagmus führen. 4. Bei peripheren Läsionen wie dem Morbus Menière, dem akuten Labyrinthausfall oder einem Akustikusneurinom findet sich in der kalorischen Prüfung oft eine verminderte Labyrintherregbarkeit. Demgegenüber weisen ein Richtungsüberwiegen des Nystagmus oder zusätzlich bestehende Augenmotilitätsstörungen auf eine zentrale Störung hin.

5.4.4 Olfaktorisches System Lernziele: Sinnesepitel der Nase, Riechbahn, Riechhirn: Aufbau und Funktion

5.4.4.1 Riechhärchen, Fila olfactoria Das olfaktorische System dient der Geruchswahrnehmung. Die primären Sinneszellen (Sinnesepithelzellen, 1. Neuron) liegen in der Regio olfactoria der Nasenschleimhaut (Riechschleimhaut) und sind bipolar.

477

Die Dendriten der Neurone der Riechschleimhaut stellen die rezeptiven Zellabschnitte des Organum olfactorium dar. Sie ziehen an die Oberfläche des Epithels, während ihre Axone die feinen Fila olfactoria bilden, die durch die Lamina cribrosa des Siebbeins (s. Kap. 4.15.1.3, S. 315) in die Schädelhöhle gelangen und im Bulbus olfactorius enden. Die Summe der Fila olfactoria wird als N. olfactorius (I. Hirnnerv) bezeichnet, auch wenn sie nicht gemeinsam als 1 Nerv bindegewebig ummantelt sind. Das olfaktorische Sinnesepithel ist zeitlebens mitoseaktiv und regenerationsfähig, so dass ständig neue Axone in den Bulbus einwachsen können. Entsprechend ihrer Eigenart, Informationen am Dendriten aufzunehmen und mit einem eigenen Axon nach zentral weiterzuleiten, werden sie als primäre Sinneszellen bezeichnet.

5.4.4.2 Riechhirn, Rhinencephalon Der Bulbus olfactorius als primäre Riechrinde, der Tractus olfactorius, das Trigonum olfactorium, die beiden Striae olfactoriae und die Substantia perforata anterior (auch: Area olfactoria) an der Hirnbasis bilden zusammen das Riechhirn, Rhinencephalon. Riechkolben, Bulbus olfactorius Während das Rhinencephalon beim menschlichen Feten noch deutlich ausgeprägt entwickelt ist, kommt es während der Ontogenese zu seiner Involution. Dabei ist der Bulbus olfactorius wie bei anderen Mikrosmatikern (geringes Riechvermögen) nur unscharf in einzelne Schichten gegliedert. Die auffälligsten Zellen sind die großen Mitralzellen, mit deren Dendriten die Axone der Riechzellen Synapsenfelder, Glomerula, bilden. Beim Menschen enden die Axone vieler Riechsinneszellen konvergent an den Dendriten einer Mitralzelle. Afferenzen aus verschiedenen Regionen des Gehirns enden dagegen an den Körnerzellen (eine Schicht sehr kleiner Neurone im Bulbus olfactorius). Eine wichtige Rolle bei der Geruchswahrnehmung spielen außerdem periglomeruläre dopaminerge Zellen. Bei makrosmatischen Tieren (gutes Riechvermögen) wie dem Igel ist das Rhinencephalon im Verhältnis zum übrigen Gehirn stark

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

478

ausgeprägt. Bei ihnen divergiert eine Riechsinneszelle auf mehrere Mitralzellen und die Fläche des Riechepithels ist wesentlich größer (beim Menschen 2–4 cm2, beim Hund etwa 100 cm2).

5.4.4.3 Riechstrang, Tractus olfactorius Die Axone der Mitralzellen des Bulbus (2. Neuron) bilden den Tractus olfactorius, welcher an der orbitalen Fläche des Frontallappens liegt und zu den sekundären Riechrinden zieht. Der Tractus olfactorius teilt sich in die Stria olfactoria lateralis und die Stria olfactoria medialis. Die beiden Striae umfassen das Trigonum olfactorium, unter dem der Nucl. olfactorius als Schaltstelle liegt. Eine schwach ausgeprägte Stria olfactoria medialis erreicht die Septumkerne (s. Abb. 5.121). Hier werden die Fasern auf Neurone umgeschaltet, deren Axone im Fasciculus telencephalicus medialis verlaufen, welcher rostral in das Cingulum übergeht (Anschluss an das limbische System). Fasern der Stria olfactoria medialis kreuzen auch über die Commissura anterior zum Bulbus olfactorius der Gegenseite.

5.4.4.4 Verschaltung der Riechsignale Die größte Teil der Efferenzen des Bulbus olfactorius zieht über die Stria olfactoria lateralis zur Area praepiriformis und zur Regio periamygdalaris des Lobus temporalis. Area praepiriformis und Regio periamygdalaris gehören zum Palaeocor-

tex, dem ältesten Rindenbezirk des Telenzephalons. Hier, über dem Gyrus ambiens und Gyrus semilunaris und der Amygdala (s. Kap. 5.4.10.1, S. 521), soll der Ort der bewussten Wahrnehmung von Gerüchen liegen. Die Riechbahn ist die einzige sensorische Bahn, die ohne Umschaltung im Thalamus kortikale Areale erreicht. Unangenehme Gerüche aktivieren über die Amygdala Unlustgefühle und Abwehrverhalten. Zum Riechsystem gehören die mediokortikalen Kerne der Amygdala. Von ihnen sollen Riechsignale über die Stria terminalis in den Hypothalamus ziehen, von wo aus vegetative Reaktionen (Übelkeit, Erbrechen) ausgelöst werden können. Von der periamygdalären Rinde gelangen Signale zum basolateralen Kernkomplex der Amygdala und über die Area entorhinalis, einem Übergangsgebiet zwischen Archi- und Neocortex, auch zum Hippocampus. Diese Verbindung zum Limbischen System erklärt den engen Zusammenhang zwischen Geruchseindrücken und vegetativen sowie emotionalen Reaktionen. Von der Area praepiriformis und der Amygdala gelangen Fasern via Thalamus außerdem zu einem umschriebenen Gebiet im orbitofrontalen Cortex, der damit auch an das olfaktorische System angeschlossen ist. Schließlich verbinden Fasern aus den Septumkernen und dem Hypothalamus zu den Nucll. habenulares und der Formatio reticularis das olfaktorische System mit dem Hirnstamm. Diese verlaufen im Fasciculus

Bulbus olfactorius Tractus olfactorius Stria olfactoria medialis Stria olfactoria lateralis Limen insulae Substantia perforata anterior Gyrus ambiens Gyrus semilunaris

Polus temporalis Area praepiriformis Regio periamygdalaris Corpus amygdaloideum Bandaletta diagonalis (Broca-Band) Uncus

Abb. 5.97: Rhinencephalon in der Ansicht von basal. Der rechte Schläfenlappen ist entfernt (nach P. Duus, 1990)

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

longitudinalis dorsalis (Schütz-Bündel) und im medialen Vorderhirnbündel (medial forebrain bundle). Über diese Verbindung soll die salivatorische Reaktion (Speichelfluss) auf den Geruch von Nahrung zu Stande kommen. Klinik: 1. Bei Störungen des olfaktorischen Systems sind eine fehlende, eine zu geringe, eine falsche oder falsch-unangenehme Geruchsempfindung möglich (An-, Hyp-, Par- und Kakosmie; gr. osmé = Geruch, Duft). Bei Hypund Anosmie liegt der Läsionsort meist peripher im Bereich der Riechschleimhaut, der Fila oder des Bulbus. Hierfür sind meist das Rauchen, Rhinitiden oder Schädel-Hirn-Traumata (SHT) verantwortlich. Bei letztgenannten kommt es infolge der Kopfbeschleunigung zu einem Abscheren der Fila olfactoria mit Zerreißung. Deshalb gehört bei jedem Schädel-Hirn-Trauma die Riechprüfung zur obligatorischen Standarduntersuchung. 2. Par- und Kakosmien (Wahrnehmung falscher und/oder übler Gerüche) werden meist durch zentraler gelegene Läsionen hervorgerufen, wobei häufig Verbindungen mit Geschmacksstörungen bestehen. Ursache hierfür sind meist degenerative ZNS-Erkrankungen, Diabetes mellitus, frontobasale Tumoren, basale Meningitiden oder die Paget-Krankheit.

5.4.5 Gustatorisches System Lernziele: Sensorische Innervation der Zunge, Geschmacksbahn Der Geschmacksinn dient v. a. der Überprüfung der Nahrung. Obwohl diese Funktion von olfaktorischen und visuellen Eindrücken unterstützt wird, beruht die Geschmackswahrnehmung letztlich auf chemorezeptiven Vorgängen im Mund. Emotionale Zustände zwischen höchstem Genuss und akuter Übelkeit steuern die Nahrungsauswahl und sind von großer Bedeutung für die Lebensqualität insgesamt. Schon wenige Tage alte Neugeborene können zwischen süß und bitter unterscheiden und drücken ihren Genuss bzw. ihr Unbehagen über diese Geschmackssensationen aus. Abhängig vom jeweiligen Organismus und der ökologischen Nische, die er besetzt, variieren solche Emoti-

479

onen teilweise erheblich, was die Bedürfnisse einer bestimmten Spezies widerspiegeln dürfte. Wie sich die Wahrnehmung in Abhängigkeit vom Nahrungsangebot entwickelt hat, bleibt eine offene Frage (B. Lindemann).

5.4.5.1 Geschmacksknospen, Caliculi gustatorii Geschmacksreize werden von Geschmacksknospen rezipiert, deren Zellen wie die des Riechepithels zu den Chemorezeptoren gehören. Geschmacksknospen sind Differenzierungen des mehrschichtigen Plattenepithels und somit sekundäre Sinneszellen. Anders als die primären Sinneszellen des olfaktorischen Systems leiten die Sinneszellen der Geschmacksknospen ihre Informationen also nicht selbst ins ZNS, sondern werden von Nervenfasern des 1. Neurons der gustatorischen Bahn kontaktiert. Die Geschmacksknospen liegen in den Wänden der Zungenpapillen, Papillae linguales (Papillae vallatae, fungiformes und foliatae) sowie vereinzelt in der Gaumen- und Rachenschleimhaut (Kehldeckel) (s. Kap. 4.13.1.1.2, S. 274, Kap. 4.14.2.2, S. 305). Die Zellen der Knospen exprimieren Rezeptoren, die jeweils spezifisch die Eindrücke süß, sauer, bitter, salzig und umami vermitteln. (Umami, japanisch für köstlich, ist ein dominanter Eindruck, der durch Speisen ausgelöst wird, die reich sind an L-Glutamat, etwa Fleischextrakt und reifer Käse). Die verschiedenen Rezeptoren kommen in allen Knospen vor. So kann jede einzelne Geschmacksknospe alle Geschmacksqualitäten rezipieren. Die häufig zitierte regionenspezifische Wahrnehmung von süß auf der Zungenspitze über salzig, sauer und bitter bis zur Zungenwurzel kann also bestenfalls als geringgradige Bevorzugung, nicht aber als ausschließliche Wahrnehmung einer einzigen Qualität durch eine bestimmte Zungenregionen angesehen werden.

5.4.5.2 Geschmacksnerven und Geschmacksbahn £ Die Dendriten des 1. Neurons der Geschmacks-

bahn verlaufen mit den Hirnnerven (s. Kap.

480

5.2.6.2), die die Geschmacksfasern führen: die Chorda tympani des Intermediusanteils des N. facialis (N. VII), der N. glossopharyngeus (N. IX) und der N. vagus (N. X). £ Die dazugehörigen pseudounipolaren Nerven-

zellen liegen in den sensiblen Ganglien dieser Nerven:

• Ganglion geniculi, sensibles Ganglion des sensiblen und parasympathischen N. intermedius. Dieser Nerv legt sich dem N. facialis auf einer Strecke von 1,5 cm vom Kleinhirn-BrückenWinkel bis zum Porus acusticus internus an. Vom Ganglion geniculi aus werden die vorderen 2/3 der Zunge über die Chorda tympani innerviert, die neben dem N. petrosus major den Intermediusanteils des N. facialis bildet (s. Kap. 7.1.2.1, S. 600). • Ganglion superius und inferius n. IX. Von hier werden insbesondere die Papillae vallatae des dorsalen Drittels der Zunge über die Rr. linguales und mit den Rr. tonsillares der weiche Gaumen erreicht. • Ganglion superius et inferius n. X. Von hier erreichen sensorische Fasern über die Rr. pharyngei den Rachen und den Kehlkopfeingang. £ Die Axone der pseudounipolaren Nervenzellen

der Ganglien projizieren mit den zugehörigen Hirnnerven in den Hirnstamm, wo sie im Nucl. solitarius (s. Abb. 5.54) das 2. Neuron der Geschmacksbahn erreichen. Vom Nucl. solitarius gelangen Kollateralen zum Nucl. salivatorius superior und inferior wie auch zum Nucl. dorsalis n. X, die die reflektorische Speichelund Magensaftsekretion ermöglichen. Über die Formatio reticularis gelangen Informationen zu den Motoneuronen des N. phrenicus im Zervikalmark, die Husten- und Brechreflexe zur Abwehr ungeeigneter Nahrung vermitteln. £ Im Lemniscus medialis (s. Abb. 5.98) werden die Axone der 2. Neurone teilweise kontralateral zum Nucl. ventralis posterior thalami weitergeleitet und dort auf das 3. Neuron umgeschaltet. Dieses projiziert zum Gyrus postcentralis im Bereich des Operculum parietale, welches sich nahe dem somatosensorischen Gebiet der Zunge im Gyrus postcentralis befindet. Ein zweites Geschmackszentrum liegt im Bereich des Lobus insularis. Abzweigungen aus dem Lemniscus medialis erreichen über den Pedunculus mamillaris die Corpora mamillaria. Hierdurch

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

bekommen sie Anschluss an das Limbische System. Der Hypothalamus wird nach Umschaltung im ventralen Haubenkern über den Fasciculus longitudinalis dorsalis erreicht. Klinik: 1. Geschmacksstörungen treten als Hypo- oder Ageusie auf (gr. geusis = Geschmack). Aufgrund der Zungeninnervation aus verschiedenen Hirnnerven (vordere 2/3: N. facialis, hinteres 1/3: N. glossopharyngeus, Zungengrund: N. vagus, Kap. 4.13.1.2, S. 276) dient die Geschmacksprüfung der neurologischtopischen Diagnostik. Für die Untersuchung bedient man sich entsprechender Sets mit unterschiedlichen Geschmacksstoffen. 2. Zur Lokalisation der Schädigung bei einer Fazialisparese kann man sich die Prüfung der Geschmackswahrnehmung ebenfalls zu Nutze machen: Bei einer Läsion distal des Abgangs der Chorda tympani bleibt die Geschmackswahrnehmung in den vorderen 2/3 der Zunge erhalten. Ist die Geschmackswahrnehmung der vorderen 2/3 dagegen ausgefallen, muss der N. facialis proximal des Abganges der Chorda tympani (etwa im Porus acusticus internus) geschädigt sein. Trotz der topographisch exponierten Lage der Chorda tympani medial des Kiefergelenks tritt eine umschriebene Schädigung selten auf.

5.4.6

Topographie und funktionelle Gliederung der sensiblen Systeme und Bahnen

Lernziele: Hinterstrangbahn, anterolaterales System, spinozerebelläre Bahnen, trigeminales System Als Grundbauplan sensibler Bahnen gilt, dass bis zum Thalamus mindestens 3 Neurone in Reihe geschaltet sind. Das 1. Neuron liegt mit Ausnahme der Afferenz aus der Kaumuskulatur in einem Ganglion. Das 2. Neuron kann im Hinterhorn oder in Kernbieten der Medulla oblongata oder des Pons liegen. Das 3. Neuron liegt in der Regel im Thalamus und projiziert in den sensiblen Cortex (Gyrus postcentralis). Nach der Qualität der Informationen lassen sich epikritische (Vibration, Druck, Berührung, Punktzu-Punkt-Diskrimination) und protopathische

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Sensibilität (emotional gefärbte Wahrnehmung von Schmerz und Temperatur) unterscheiden, die über verschiedene Bahnen geleitet werden.

5.4.6.1 Allgemeiner Bauplan der sensiblen Bahnen Gemischte periphere Nerven. Sie enthalten marklose, markarme und markreiche, der Qualität nach vegetative und somatische sensible und motorische Nervenfasern. Der afferente Anteil erreicht entweder über die Radix dorsalis (s. Kap 2.6.5.1, S. 94 und 5.2.7.5, S. 496) das Rückenmark oder als sensibler Hirnnervenanteil das Gehirn, von wo aus die Informationen über aufsteigende Bahnen weitergeleitet werden. Die meisten Fasersysteme kreuzen in ihrem Verlauf auf die kontralaterale Seite. Nach mehreren Umschaltungen gelangen sie in den Thalamus und von dort in den Cortex, wo sie bewusst wahrgenommen werden können, oder die Fasern projizieren in das Kleinhirn und in die Formatio reticularis des Hirnstamms, von wo aus wichtige Reflexe und das Gleichgewicht gesteuert werden. Unterschiedliche Empfindungsqualitäten werden in topographisch verschiedenen Tractus vom Rückenmark bis zum Cortex geleitet (s. Abb. 5.98 und Tab. 5.3). Epikritische und protopathische Sensibilität. Diese Unterscheidung stammt aus der klassischen Sinnesphysiologie: • Mit epikritischer Sensibilität ist die genau lokalisierbare Empfindung von Vibration, Druck und Berührung gemeint sowie die Fähigkeit, Berührungen von zwei eng beieinanderliegenden Punkten getrennt wahrzunehmen (Punktzu-Punkt-Diskrimination). • Unter protopathischer Sensibilität fasst man die emotional gefärbte, weniger gut lokalisierbare Empfindung von Schmerz-, Temperaturund grober Druckwahrnehmung zusammen. Auch komplexere Empfindungen wie das Jucken gehören in diese Kategorie. £ Rezeption. Die sensiblen Informationen werden

zunächst von Rezeptoren aufgenommen.

481

Wir unterscheiden verschiedene Rezeptoren: 1. Propriozeptoren. Sie erteilen epikritisch als Sehnenorgan oder Muskelspindel Auskunft über Bewegungen und die Lage des Körpers im Raum (s. Kap. 5.4.7, S. 489): Lagesinn. 2. Interozeptoren. Sie messen als Viszerozeptoren bestimmte physiologische Parameter (Osmo-, Chemo-, Barorezeptoren) oder leiten als protopathische Mechanorezeptoren viszerosensible Schmerzempfindungen aus dem Körperinneren (z. B. bei Koliken). Die Viszerosensibilität wird meist dem vegetativen Nervensystem zugeordnet. Häufig findet sich auch die Unterscheidung zwischen einem bewussten somatischen und einem unbewussten vegetativen Nervensystem. Die Einteilung in bewusst = somatisch und unbewusst = vegetativ ist aber unscharf und problematisch: In der Tat bleibt die Koordination der Organe, etwa die Darmperistaltik, durch das vegetative Nervensystem weitgehend unbewusst und willentlich nicht beeinflussbar (Viszeromotorik), während der Bewegungsapparat durch das somatische Nervensystem größtenteils bewusst gesteuert wird (Somatomotorik). Afferenzen aus beiden Systemen (Somatosensibilität und Viszerosensibilität) können aber z. B. als Schmerz bewusst werden.

3. Exterozeptoren. Sie sprechen als epikritische Mechanorezeptoren auf Berührung, Vibration und Druck an. Für diese Qualitäten sind die eingekapselten, stärker differenzierten Rezeptoren zuständig (etwa Meißner-Tastkörperchen der Palma manus und Planta pedis; Vater-Pacini-Tastkörperchen der Subkutis oder die Merkel-Tastscheiben der Epidermis) (s. Kap. 15.6, S. 1226). Dagegen sprechen die ebenfalls zu den Mechanorezeptoren gehörigen freien Nervenendigungen protopathisch als Thermorezeptoren auf Temperaturveränderungen und als Nozizeptoren auf potenziell gefährliche und deshalb zentral zu Schmerzempfindung führende Reize an. Myelinisierung und Leitgeschwindigkeit. Den verschiedenen Qualitäten lassen sich jeweils andere Nervenleitgeschwindigkeiten zuordnen, die sich histologisch in unterschiedlich ausgeprägten Myelinisierungsgraden der Nervenfasern widerspiegeln. Nach Erlanger und Gasser unterscheidet man verschiedene Fasertypen (Tab. 5.2):

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

482 Tabelle 5.2: Fasertypen und Nervenleitgeschwindigkeiten

Fasertyp

Funktion



Primäre Muskelspindelafferenz, Motorisch zum Skelettmuskel Hautafferenz für Berührung und Druck Motorisch zur Muskelspindel Hautafferenz für Temperatur, Druck und hellen Schmerz Sympathisch präganglionär Dumpfer Schmerz

Aβ Aγ Aδ B C

Neben dieser Klassifkation ist auch eine Einteilung der Fasern nach Leitungsgeschwindigkeiten von I–IV üblich, wobei I der schnellsten (Aα) Faser entspricht. Als Regel gilt, dass die Propriozeption am schnellsten, die protopathische Sensibilität am langsamsten von den Nervenfasern geleitet wird. Die schnell leitenden, stark myeliniserten Fasern treten an der medialen Seite der Hinterwurzel ins Rückenmark ein und reichen in die tiefen Schichten, die langsamen, schwach myelinisierten Fasern treten dagegen an der ventrolateralen Seite der Radix posterior ins Rückenmark ein und erreichen dort die oberflächlichen Schichten (s. zytoarchitektonische Rexed-Gliederung, Kap. 5.2.7.4). Vor dem Eintritt ins Hinterhorn liegt die Redlich-Obersteiner-Zone, in der die Fasern marklos erscheinen. Distal davon wird die Markscheide von SchwannZellen, proximal davon von Oligodendrozyten gebildet. Das primäre Neuron (1. Neuron) der sensiblen Bahn ist immer eine pseudounipolare Nervenzelle und liegt – mit Ausnahme der primär sensorischen Nervenzellen der Kaumuskulatur im Nucl. mesencephalicus n. trigemini – in einem Ganglion: Im Falle peripherer Nerven im Spinalganglion, bei Hirnnerven in den entsprechenden Hirnnervenganglien. Dendrit und Axon des primären Neurons. Die Dendriten (Fortsätze, die Informationen zum Soma hin leiten) dieser pseudounipolaren Neurone können sehr lang sein (z. B. vom Spinalganglion L5

Mittlerer Durchmesser der Nervenfasern (Axon + Myelinscheide) in µm 15 8

Leitungsgeschwindigkeit in m/s 70–120 30–70

5 < 3 3 1 (marklos)

15–30 12–30 3–15 1

zum großen Zeh etwa 1 m) und sind myelinisiert. Sie werden deshalb auch als dendritische Axone bezeichnet. Das weitergeleitete Potential wird im entsprechenden Rezeptor oder in einer freien Nervenendigung generiert. Das eigentliche Axon (Fortsatz, der Informationen vom Soma weg leitet) führt dann ins ZNS, wo die systemspezifische Umschaltung auf das 2. Neuron erfolgt. Die multipolaren sekundären Neurone (2. Neuron) der sensiblen Bahn befinden sich in den Kernen des Rückenmarks oder der Medulla oblongata. Sie projizieren größtenteils ins Kleinhirn oder den Thalamus. Im Thalamus liegen die tertiären Neurone (3. Neurone) der sensiblen Bahn, deren Axone als Radiationes thalamicae in die sensorischen Felder des Gyrus postcentralis des Cortex ziehen. Dieser Bauplan ist durch Divergenz (ein vorgeschaltetes Neuron endet an mehreren nachgeschalteten Neuronen) und Konvergenz (ein nachgeschaltetes Neuron erhält Informationen aus mehreren vorgeschalteten Nervenzellen) sehr komplex gestaltet. Über Interneurone und direkte Einflüsse übergeordneter Zentren kann der Informationsfluss moduliert werden.

5.4.6.2 Hinterstrangbahn Die Hinterstrangbahn leitet Informationen über die Intensität und Lokalisation von Vibrations- und Tastempfindungen von der Körper-

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

oberfläche (exterozeptiv) sowie Informationen über den Muskel- und Sehnentonus aus dem Körperinneren (propriozeptiv). Sie stellt demnach die Bahn der exterozeptiven und propriozeptiven epikritischen Sensibilität dar. Verschaltung. Die Leitung erfolgt im peripheren Nerven über myelinreiche Fasern. Das im Spinalganglion liegende 1. Neuron der sensiblen Bahn sendet sein Axon ohne Umschaltung im Rückenmark zu den Hinterstrangkernen der Medulla oblongata. Die Fasern der unteren Körperhälfte verlaufen ipsilateral als Fasciculus gracilis zum Nucl. gracilis (Goll). Lateral schließen sich ebenfalls ipsilateral die Fasern aus den Segmenten Th3 bis C2 als Fasciculus cuneatus an, der zum Nucl. cuneatus (Burdach) zieht (s. Abb. 5.50). Erst nach der Umschaltung auf das 2. Neuron in diesen Hinterstrangkernen kreuzt die epikritische Bahn in der Decussatio lemniscorum der Medulla oblongata. Anschließend erreicht sie als Lemniscus medialis den Ncl. ventralis posterior thalami der Gegenseite. Die dort gelegenen 3. Neurone der sensiblen Bahn projizieren dann in die sensiblen Felder des Gyrus postcentralis des Parietallappens (s. Abb. 5.98 und 5.99). Dabei sind sie in einer somatotopischen Ordnung gegliedert (sensibler Homunculus: s. Abb. 5.107). Klinik. 1. Der in der Klinik verwendete Begriff der „Tiefensensibilität“ beschreibt die Propriozeption und das Vibrationsempfinden und wird der „Oberflächensensibilität“ gegenübergestellt. Diese Begrifflichkeit ist jedoch missverständlich, da sie suggeriert, dass es keinen Unterschied zwischen Propriozeption und Interozeption gibt. Tiefensensibilität und Oberflächensensibilität haben epikritische und protopathische Komponenten (s. Tab. 5.3). 2. Das Begriffspaar epikritisch versus protopathisch ist ebenfalls nicht ganz scharf getrennt. Es drückt einen Unterschied der genauen Lokalisierbarkeit (epikritisch) versus der emotionalen Einfärbung (protopathisch) einer Empfindung aus. Der protopathische Schmerz ist jedoch teilweise gut lokalisierbar. 3. Deutlich werden die Unterschiede zwischen den sensiblen Informationen der Hinterstrang- und der Vorderseitenstrangbahn bei selektivem Ausfall nur einer Bahn. Die Hinterstränge können etwa bei der Tabes dorsalis als Spätkomplikation der Neurosyphilis und

483

bei der Funikulären Myelose bei Vitamin B12Mangel geschädigt werden. Es kommt dann zum klinischen Bild der spinalen Ataxie, wobei die Informationen aus den Muskelspindeln fehlen. Schließt ein stehender Patient die Augen, dann kann er sich nicht mehr räumlich orientieren und stürzt (positives Romberg-Zeichen). Zudem ist die Punkt-zu-Punkt Diskriminierung und die Vibrationsempfindung gestört, was man klinisch leicht mit zwei Nadeln und einer Stimmgabel nachweisen kann.

5.4.6.3 Anterolaterales System Das anterolaterale System leitet Schmerz-, Temperatur- und grobe Druckempfindungen zentralwärts und stellt somit die Bahn der exterozeptiven und interozeptiven protopathischen Sensibilität dar. Das System besteht aus 3 Anteilen: £ Tractus spinothalamicus anterior et lateralis.

Hier verlaufen aus der Haut, den Gelenken, den Muskeln und Eingeweiden stammende Fasern. Die Axone des 1. Neurons im Spinalganglion enden in allen Laminae des Hinterhorns, wo die Umschaltung auf das 2. Neuron der sensiblen Bahn stattfindet. Die Axone dieser Hinterhornzellen kreuzen in der Commissura alba (meist des nächsthöheren Segments, s. Abb. 5.98) und steigen im Vorderseitenstrang der Gegenseite als Tractus spinothalamicus anterior (angeblich hauptsächlich für die grobe Druck- und Tastempfindung) und Tractus spinothalamicus lateralis (für die Schmerzafferenzen) auf. Im vorderen Hirnstamm legt sich diese Bahn dem Lemniscus medialis als Lemniscus spinalis an. Im Pons tritt der Lemniscus trigeminalis zu diesen beiden hinzu. Der Tractus spinothalamicus endet im ventralen kleinzelligen Teil des Ncl. ventralis posterior thalami und im Ncl. posterior thalami. Lemniscus medialis und trigeminalis erreichen die großzelligen Anteile der Thalamuskerne. Die 3. Neurone dieser Thalamuskerne projizieren zum primär sensiblen Cortex (s. Abb. 5.98, 99). £ Tractus spinoreticularis. Er soll hauptsächlich Informationen von C-Fasern weiterleiten, die

484

das Substrat des dumpfen, lang anhaltenden Schmerzes bilden. Die Axone des 1. Neurons im Spinalganglion werden in der Substantia gelatinosa (s. Abb. 5.64) umgeschaltet. Die Weiterleitung in der Substantia gelatinosa wird durch Opiatrezeptoren moduliert. Die Axone der 2. Neurone verlaufen sowohl gekreuzt als auch ungekreuzt mit dem Tractus spinothalamicus aufwärts. In der Medulla oblongata trennen sie sich, um in der Formatio reticularis zu enden, wo sie das aufsteigende retikuläre aktivierende System, ARAS (s. Kap. 5.4.9.2), aktivieren. Diese Projektion scheint auch für die Schmerzverarbeitung eine besondere Rolle zu spielen (Schlafhemmung bei Schmerzen). £ Tractus spinotectalis. Er legt sich medial an den Tractus spinothalamicus lateralis an und führt Fasern zum Mittelhirndach. Er soll für die Pupillenerweiterung bei Schmerzen verantwortlich sein. Klinik: 1. Bei Schädigungen des anterolateralen Systems kommt es zu Ausfällen der Schmerzund Temperaturempfindung. Der getrennte Verlauf der epikritischen (im Hinterstrang) und protopathischen (im Vorderseitenstrang) Bahn kann zu dissoziierten Empfindungsstörungen bei umschriebenen Läsionen des Rückenmarks führen. Beispielsweise kommt es bei einer Höhlenbildung im Canalis centralis, Syringomyelie, zu einer Schädigung der in der Commissura alba kreuzenden Fasern, woraus in frühen Krankheitsstadien eine segmentale dissoziierte Sensibilitätsstörung resultieren kann. Die protopathische Empfindung ist dann kaudal der Läsion bilateral zerstört, während die epikritischen Bahnen vollkommen erhalten sind. 2. Zu einem Brown-Séquard-Syndrom kommt es bei halbseitiger Rückenmarksläsion. Hier findet sich kaudal der Läsion ein Ausfall der ipsilateralen epikritischen und der kontralateralen protopathischen Empfindung. Wegen der Pyramidenbahnläsion besteht zudem eine ipsilaterale spastische Lähmung unterhalb der Läsionshöhe. Im Segment der Schädigung ist die Lähmung durch die Schädigung der Vorderhörner schlaff, während das theoretisch zu erwartende hypästhetische Areal im Segment durch das Überlappen der Dermatome klinisch meist nicht nachweisbar ist (Zu den Schäden des ischämisch bedingten A. spinalis anterior-Syndroms, s. Kap. 5.3.4.2).

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

3. Bei der palliativen Chordotomie wird der Tractus spinothalamicus durchtrennt, um unheilbar Kranken mit nicht behandelbaren Schmerzen Linderung zu verschaffen. Auch nach diesem Eingriff bleiben Schmerzen bestehen, was für eine zusätzliche Schmerzleitung im dorsalen Rückenmark spricht.

5.4.6.4 Spinozerebelläre Bahnen Die spinozerebellären Bahnen leiten Informationen zum Cerebellum, wo sie zu einem Gesamtbild des Körpers im Raum integriert werden. Tractus spinocerebellares. Sie leiten propriozeptive Informationen ins Kleinhirn. Im Rückenmark verlaufen sie als Tractus spinocerebellaris posterior (Flechsig-Strang) und Tractus spinocerebellaris anterior (Gowers-Strang). Die verantwortlichen Propriorezeptoren befinden sich in den Gelenkkapseln, in den Muskel- und Sehnenspindeln, im Unterhautgewebe sowie an der Hautoberfläche und werden von dendritischen Axonen der 1. Neurone im Spinalganglion kontaktiert. Die Erregungsleitung im Rückenmark erfolgt über myelinreiche Fasern. Beide Bahnen informieren das Kleinhirn über die muskuläre Situation (Tonus, Extremitäten- und Gelenkstellung), was als Afferenzkopie bezeichnet wird. £ Tractus spinocerebellaris posterior (Flech-

sig). Seine Fasern kommen von 2. Neuronen im Nucl. dorsalis der Segmente C8–L2, der Stilling-Clarke-Säule (auch: Nucleus thoracicus post.). An dieser Zellgruppe enden Afferenzen aus der unteren Körperhälfte. Der entsprechende Kern für die Afferenz der oberen Körperhälfte ist der Ncl. cuneatus accessorius in der Medulla oblongata. Die Neurone der Stilling-ClarkeSäule besitzen dicke, schnell leitende Axone, die ungekreuzt ipsilateral zum äußeren Rand des Rückenmarkseitenstrangs verlaufen und dann als Tractus spinocerebellaris posterior aufsteigen (s. Abb. 5.99). Diese Bahn gelangt über den unteren Kleinhirnstiel (s. Kap. 5.4.8.5, S. 514, Tab. 5.7) zum spinozerebellären Teil des Kleinhirns auf dem Lobus posterior vermis cerebelli und zeigt eine somatotopische Anordnung.

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

485

G

s trali cen ost p s yru

I Ncl. ventralis post. thalani

Fasciculus thalamocorticalis, capsula interna

II Lemniscus medialis

Lemniscus spinalis

III N. trigeminus Tractus spinalis n. V

IV

N. vagus Nccl. gracilis et uneatus Fibrae arcuatae internae

V

Decussatio lemniscorum Hinterstrangbahn

Vorderseitenstrangbahn

Radix dorsalis

VI

 

 n. spinalis Columna post. Radix dorsalis

VII

Commissura alba

Abb. 5.98: Schema der beiden sensiblen Systeme: Blau = Lemniscus medialis als Fortsetzung der Hinterstrangbahn. Schwarz = Lemniscus spinalis als Fortsetzung der aufsteigenden Fasern des Vorderseitenstrangs (auch: Fasc. anterolateralis)

486

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark ) Fasc. interfascicularis (Schultze-Komma)

Tr. spinocerebellaris posterior (Flechsig) Tr. spinocerebellaris anterior (Gowers) Tr. spinothalamicus lateralis

Abb. 5.99: Lage der großen Bahnen in der weißen Substanz des Rückenmarks. Absteigende Bahnen = rot, aufsteigende Bahnen = blau. Grundbündel (Fasciculi proprii) hellgrau punktiert. Der Tr. spinothalamicus anterior ist im Vorderstrang in mehrere Gruppen gebündelt und deshalb nicht eingetragen

£ Tractus spinocerebellaris anterior (Gowers).

Er nimmt seinen Ursprung von Strangzellen der Substantia intermedia und des basolateralen Hinterhornes. Die Axone des 2. Neurons dieser sensiblen Bahn kreuzen teilweise in der Commissura alba auf die kontralaterale Seite, verlaufen aber auch ipsilateral. Die Fasern steigen am Rand des Rückenmarkseitenstrangs ventral der dorsalen Kleinhirnbahn bis zum Hirnstamm auf. Sie durchlaufen den Pons, um im Mittelhirn über den oberen Kleinhirnstiel umzubiegen, von wo aus sie das Cerebellum erreichen. Gekreuzte Fasern gelangen wieder nach ipsilateral zurück. Wie bei der dorsalen Kleinhirnseitenstrangbahn enden sie im spinozerebellären Teil des Kleinhirns und führen diesem Informationen der ipsilateralen unteren Körperhälfte zu.

Weitere, indirekte Verbindungen zum Kleinhirn bestehen über den Tractus spino-olivo-cerebellaris und den Tractus spino-reticulo-cerebellaris. Diese Verbindungen dienen ebenfalls der Orientierung des Körpers im Raum (s. u.).

Die spinozerebellären Bahnen liegen an der Oberfläche des Seitenstrangs zwischen dem Ein- bzw. Austrittsort von Hinter- und Vorderwurzel. Die Grenze zwischen den Tractus spinocerebellares anterior und posterior wird durch den Ansatz des Lig. denticulatum der Arachnoidea markiert.

5.4.6.5 Trigeminales System Auch die Afferenzen aus der Gesichtsregion verlaufen nach Sinnesqualitäten getrennt. Alle Fasern erreichen das Gehirn in der Portio major n. trigemini (N. V) (s. Kap. 5.2.6.2, S. 415). £ Epikritische Bahn. Sie hat ihr 1. (pseudo-

unipolares) Neuron im Ganglion trigeminale (Gasseri). Die Axone ziehen zum Nucl. pontinus (principalis) n. V. Die Axone der dort gelegenen 2. Neurone der sensiblen Bahn kreuzen größtenteils auf die Gegenseite und schließen sich als Lemniscus trigeminalis dem Lemniscus medialis an, mit dem sie zum 3. Neuron im Thalamus ziehen. Die Hauptfelder im Gesicht

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

487

entsprechen den Versorgungsgebieten der 3 Trigeminusäste: N. V1 zwischen Scheitel und Lidspalte, N. V2 zwischen Lidspalte und Mundspalte und N. V3 zwischen Mundspalte und Unterkieferrand (s. Abb. 4.70). £ Protopathische Bahn. Auch die 1. Neurone der protopathischen Bahn liegen im Ganglion trigeminale. Von dort steigen die Fasern als Tractus spinalis n. V zum langgestreckten Nucl. spinalis n. trigemini herab, wo die Verschaltung auf das 2. Neuron erfolgt. Die Fasern sind somatotopisch gegliedert, wobei die Endigungen der perioralen Fasern (Zähne!) am weitesten kranial liegen (s. Abb. 5.100). Die Fasern des zweiten Neurons kreuzen in der Medulla oblongata und lagern sich als Tractus trigeminothalamicus lateralis dem Tractus spinothalamicus lateralis an, mit dem sie zum Thalamus und damit zum 3. Neuron der sensiblen Bahn ziehen. Klinik: Eine Konvergenz von Fasern des zweiten Spinalganglions (N. occipitalis major) und von trigeminalen Afferenzen auf ein gemeinsames zweites Neuron soll die Ausstrahlung von Nackenschmerzen ins Gesicht erklären. Dies wird auch für die Schmerzprojektion komplexer Gesichtsschmerztypen verantwortlich gemacht. Die Perikarya der propriozeptiven Afferenzen der Kaumuskulatur liegen als einzige sensible Afferenzen nicht in einem Ganglion, sondern im

Nucl. mesencephalicus n. trigemini. Über eine Verschaltung mit dem Nucl. motorius n. V wird der monosynaptische Masseterreflex ausgelöst. Auch mit dem N. X und N. IX gelangen sensible Afferenzen ins Gehirn. Sie werden mit den Hirnnerven besprochen (s. Kap. 4.12.1, S. 255, Kap. 5.2.6.2, S. 415). Schmerzreize werden von freien Nervenendigungen aufgenommen und nach zentral weitergeleitet (nozizeptiver Schmerz). Auch die Irritation und Schädigung eines Nerven kann zu Schmerzen führen (neuralgischer Schmerz). Zu unterscheiden sind somatischer und viszeraler Schmerz: Beim somatischen Schmerz kann ein Oberflächenschmerz (aus der Haut) von einem Tiefenschmerz aus dem Bindegewebe, der Muskulatur, den Knochen und den Gelenken unterschieden werden. Der Hautschmerz besteht aus einer gut lokalisierbaren, schnell abklingenden „hellen“ Komponente und einer langanhaltenden, schlecht lokalisierbaren „dumpfen“ Komponente. Der viszerale Schmerz ist ebenfalls dumpf und schwer lokalisierbar. Er kann ausstrahlen und mit vegetativen Begleiterscheinungen einhergehen. Ursachen können Sauerstoffmangel und Spasmen der glatten Muskulatur sein. Somatischer und viszeraler Schmerz werden auch als peripherer Schmerz zusammengefasst. Dem steht ein zentraler Schmerz gegenüber, der bei Schädigung der

sensible Kerngebiete des Nervus trigeminus Ncl. mesencephalici

3

2 epikritisch

Ncl. sensorius principalis

Ncl. spinalis

propriozeptiv Kaumuskulatur

1

protopathisch

Abb. 5.100: Somatotopische Gliederung des Nucl. tractus spinalis n. trigemini (nach M. Trepel, 1995)

C, Aδ5

freie Nervenendigung Haut

Aβ (II)

RA (Berührung): MeissnerKörperchen, Krause-Endkolben, Haarfollikel-Rezeptoren; SA (Druck): Merkel-Zellen, Ruffini-Körperchen

mechanozeptiv (grob)

Aβ (II)

Vater-PaciniKörperchen, Golgi-Mazzoni-Körperchen

Vibration3 (Pallästhesie)

mechanozeptiv (fein)1



Aβ (Ib)

Muskel- Sehnenspinorgane, deln Gelenkrezeptoren

propriozeptiv („Tiefensensibilität“)2

epikritisch (Hinterstrangsystem, lemniskal)

C

Dehnungs-, Osmo-, Chemo-, Barorezeptoren

freie Nervenendigung in Organen

nozizeptiv (viszeraler Schmerz)

viszerosensibel (vegetativ)

viszerosensibel = viszeroafferent

interozeptiv (aus dem Körperinneren)

1 hohe 2-Punkt-Diskriminierung 2 Weiterleitung zusätzlich im Tr. spinocerebellaris 3 von Klinikern oft zur Propriozeption gezählt (da Verlauf mit den gleichen Bahnen und einfacher zu untersuchen) 4 Aδ: gut lokalisierbare, schnell abklingende „helle“ Komponente; C: langanhaltende, schlecht lokalisierbare “dumpfe” Komponente 5 Aδ: Kaltsensoren, C: Warmsensoren RA = „rapidly adapting“-Rezeptoren, SA = „slowly adapting“-Rezeptoren

C, Aδ4

C, Aδ

Fasertyp

Oberflächenschmerz

freie Nervenfreie Nervenendigung in endigung Bindegewebe, Haut Gelenken, Muskeln, Knochen

Tiefenschmerz

thermozeptiv

somatosensibel = somatoafferent

exterozeptiv (von der Körperoberfläche = Hautsinne)

protopathisch (anterolaterales System)

nozizeptiv (somatischer Schmerz)

sensibel interozeptiv

Rezeptoren

Faserqualität/ Modalität

Tabelle 5.3: Übersicht der sensiblen Systeme

488 5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

schmerzverarbeitenden Zentren und Bahnen (am häufigsten als Thalamusschmerz) auftreten kann. Der psychische Schmerz entsteht bei psychischen, nicht bewältigten Problemen. Zusammenfassung sensibler Systeme s. Tab.5.3.

5.4.7 Motorisches System Lernziele: Monosynaptisches spinales System, polysynaptisches spinales System; übergeordnete motorische Systeme, Pyramidalmotorisches System, Motokortex, Pyramidenbahn; Extrapyramidalmotorisches System

5.4.7.1 Übersicht Das motorische System erlaubt es dem Organismus, seinen eigenen Standort in der Dreidimensionalität des Raums zu verändern. Diese Fähigkeit, die sich im Laufe der Evolution als ein bedeutender Selektionsfaktor erwiesen hat, unterscheidet tierisches von pflanzlichem Leben. Bewegung läuft dabei als Regelkreis im Sinne eines Reiz-Reaktionsgeschehens ab. Das

489

bedeutet, dass motorische efferente Systeme, die die Bewegung ermöglichen, im engen Zusammenhang mit sensorischen afferenten Systemen gesehen werden müssen, welche Anlass zu einer solchen Bewegung geben. Reflex. Der einfachste sensorisch-motorische Regelkreis findet sich im menschlichen Organismus auf der Ebene des Rückenmarks und seiner Verbindung mit der Muskulatur. Die Verschaltung der afferenten mit den efferenten Neuronen des Rückenmarkvorderhorns ermöglicht eine einfache Bewegung (Eigenreflex). Diese primitivste Art von Bewegungsmustern ist die funktionelle Grundeinheit der Motorik. Klinik: Im Rahmen der motorischen Reifung des Menschen beobachtet man in den ersten Wochen nach der Geburt das Überwiegen solcher einfachen Systeme. In der Säuglingsphase finden sich verschiedene Primitivreflexe, die später durch zunehmende Ausreifung hierarchisch übergeordneter motorischer Systeme unterdrückt werden. Bei Schädigungen dieser höheren motorischen Systeme kann es zum Wiederauftreten solcher, dann pathologischer Primitivreflexe kommen (z. B. Babinski-Reflex).

Tabelle 5.4: Einteilung der motorischen Funktionsebenen (nach J. Rohen) Systeme

Lokalisation

Funktion

Afferenzen

1. Monosynaptisches spinales System

Rückenmark (gleiches Segment) (Eigenreflexapparat)

Eigenreflexe (bevorzugt Streckreflexe) unbewusst

Muskelspindeln, Sehnenorgane

2. Polysynaptisches spinales System

Rückenmark (mehrere Segmente) (Fremdreflexapparat)

Fremdreflexe, isolierte, zweckbezogene Einzelbewegungen (bevorzugt Beugereflexe) unbewusst

Muskel- und Hautrezeptoren

3. Statisch-vestibuläres System

Rückenmark, Kleinhirn und Rautenhirn

Gleichgewichts- und Tonusregulation (Stell- und Haltereflexe) zunehmend bewusst

Gleichgewichtsrezeptoren, Haut- und Muskelrezeptoren

4. Extrapyramidalmotorisches System

Zentren in Zwischenund Mittelhirn, Kleinhirn, Basalganglien, Großhirnrinde Großhirnrinde

Affektive und erlernte Bewegungen, bewusst beeinflussbar

Indirekt alle Sinnesrezeptoren

Freie Bewegungsformen, willkürliche Zielmotorik, bewusste Steuerung

Indirekt alle Sinnesrezeptoren

5. Pyramidalmotorisches System

490

5.4.7.2 Funktionsebenen der Motorik Nach funktionellen Gesichtspunkten, die sich auch in ihrer anatomischen Lokalisation nachvollziehen lassen, bildet das motorische System 5 hierarchische Funktionsebenen aus, in denen die Steuerung der Motorik vom Rückenmark über Hirnstamm und Basalganglien bis zur Großhirnrinde zunehmend komplexer erfolgt und letztlich bewusst beeinflusst werden kann. Zwar sind einzelne Funktionsebenen in der Lage, auch isolierte Grundfunktionen auszuüben, jedoch ist immer ein Zusammenwirken sämtlicher Funktionsebenen erforderlich, wenn harmonische Bewegungen erreicht werden sollen. Zur Einteilung motorischer Systeme s. Tabelle 5.4. Erklärung der Funktionsebenen 1. Monosynaptisches spinales System. Der primäre Reflexbogen des motorischen Systems realisiert eine einfache Bewegung (Muskelzuckung) unter Beteilung von lediglich zwei Neuronen. Als Rezeptor dient ihm die im Muskel gelegene Muskelspindel, deren Dehnung das afferente Neuron (pseudounipolare Zelle) erregt und welches monosynaptisch auf das α-Motoneuron umschaltet. Das α-Motoneuron sendet sein Axon über die Vorderwurzel zum Spinalnerven und über periphere Nerven weiter zu den Skelettmuskelfasern, die sie über motorische Endplatten (s. Abb. 5.105) zur Kontraktion bringen. Da der Muskel hier sowohl Rezeptor als auch Effektor ist, wird dieser Reflexbogen auch Muskeleigenreflex genannt. Alle anderen motorischen Systeme können funktionell wie auch phylo- und ontogenetisch als hierarchisch übergeordnete Kontrollsysteme des primären motorischen Systems verstanden werden. Diese basale Funktionseinheit bildet die Endstrecke jeglicher motorischer Aktivität (s. Abb. 5.101, 116). 2. Polysynaptisches spinales System. Im Eigenreflexapparat findet die Verschaltung nur auf der Ebene eines Rückenmarkssegmentes statt und die Kontraktion des Muskels antagonisiert den Dehnungsreiz. Demgegenüber wird auf der Ebene des zweiten Systems (der Fremdreflexe) die Verschaltung über Interneurone in mehreren Rückenmarkssegmenten realisiert, wobei auch Verbindungen mit einer Erregungsausbreitung zur kontralateralen

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Seite vorkommen. Der adäquate Reiz ist hier eine Berührung der Haut, die Reflexantwort eine Bewegung und das Zurückziehen des Körperteils als Schutzreaktion (s. Abb. 5.101). Das α-Motoneuron und die von ihm versorgten Muskelfasern bilden eine motorische Einheit. Durch die polysynaptische Verschaltung solcher Einheiten ist der Organismus in der Lage, nicht nur durch direkte Kontraktion auf einen Außenstimulus zu reagieren, sondern auch zweckmäßige Bewegungen auszuführen. Ein Reiz führt etwa zur gegensinnigen Innervation antagonistischer Beugeund Streckmuskeln und erlaubt so eine Bewegung hin zu oder weg von einem Stimulus. Klinik: 1. Bei weitgehendem Funktionsausfall des Gehirns (etwa nach einem Schädel-HirnTrauma) mit Zeichen des organischen Hirntods gelingt es teilweise durch äußere Stimuli (etwa Kneifen am Bein) beim Patienten Bewegungen auszulösen. Diese oft rhythmischen Schreitbewegungen sind jedoch nicht als Korrelat des funktionsfähigen Gehirns anzusehen, sondern spiegeln die Innervation von Beuge- und Streckmuskulatur durch den spinalen Eigenapparat wider. 2. Durch Wegfall hierarchisch höher angeordneter motorischer Systeme steht dieses spinale System nicht mehr unter übergeordneter Kontrolle, wodurch sich bei solchen Patienten noch (häufig gesteigerte) Eigenreflexe und pathologische Fremdreflexe auslösen lassen. 3. Statisch-vestibuläres System. Im Laufe der Phylogenese entwickelte sich für Lebewesen zunehmend die Notwendigkeit, nicht nur in direktem Kontakt zu einer gegebenen Oberfläche, das heißt im zweidimensionalen Raum, Bewegungen auszuführen. Statt dessen wurde durch die Aufrichtung ihres Körperbaus und die Fortbewegung in Medien ohne feste Bezugsgröße (Wasser, Luft) auch eine Ausrichtung ihrer Bewegungen in der dritten Dimension erforderlich. Für entsprechende Leistungen war die Entwicklung eines Gleichgewichtssystems (vestibuläres System) und des Zerebellums nötig. Diese Leistungen werden vom 3. motorischen System, dem statisch-vestibulären System, übernommen, das aufgrund seiner engen Beziehung zum Cerebellum mit ihm gemeinsam besprochen wird (s. Kap. 5.4.8, S. 509).

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

491

Dehnungsrezeptor Muskelspindel

Haut

sensible Afferenz motorische Efferenz

α

Abb. 5.101: Reflexe. Links: monosynaptischer Eigenreflex; rechts: polysynaptischer Reflex

4. Extrapyramidalmotorisches System. Dem statisch-vestibulären System ist die motorische Steuerung unwillkürlicher (wie Mimik und Gestik), aber auch aller erlernten Bewegungen als 4. motorisches System übergeordnet. Anatomische Korrelate dieses Systems bilden Anteile des Hirnstamms, der Basalganglien, des Zerebellums sowie spezialisierter Großhirnrindenanteile. Die Entwicklung dieses 4. motorischen Systems lässt sich gut im Verlauf des Heranwachsens eines Menschen verfolgen. Die „Geschmeidigkeit“ von Bewegungen, das Erlernen bestimmter Bewegungsmuster (koordinierte Bewegungen beim Gehen, Stehen oder Sitzen und bei allen anderen Verrichtungen des täglichen Lebens, auch im Sport oder beim Spielen eines Musikinstruments) werden von diesem System gesteuert. Hierbei kommt es zu starken interindividuellen Unterschieden. Darüber hinaus gelingt das Einüben komplexer Bewegungsmuster für bestimmte Körperregionen unterschiedlich. Klinik: Erkrankungen im Bereich der Extrapyramidalmotorik führen zu typischen Bewegungsstörungen, wie sie bei der Parkinson-Krankheit, der Huntington-Chorea und dem Hemiballismus auftreten, bei denen Bewegungen noch möglich, aber in ihrer Initiierung und ihrem Ablauf gestört sind. 5. Pyramidalmotorisches System. Die bewusste Steuerung spezifischer Bewegungen (Willkürmotorik) kooperiert eng mit dem 4. motorischen System und stellt die oberste Hierarchie-Ebene der motorischen Systeme dar. Phylogenetisch am weitesten ausgebildet findet sich dieses 5. motorische System bei Primaten und beim Menschen. Diese Leistungen beziehen sich vornehmlich auf die distalen Extremitätenregionen, v. a. für die Bewe-

gungsfreiheit der Hand, und sind anatomisch in den primären motorischen Arealen der Großhirnrinde angesiedelt (s. Abb. 5.105). Im Folgenden werden die neuroanatomischen Grundlagen der motorischen Systeme detailliert besprochen.

5.4.7.3 Monosynaptisches spinales System (Muskeleigenreflex) £ Das α-Motoneuron und die motorische Ein-

heit. Das α-Motoneuron im Vorderhorn des Rückenmarks bzw. in den motorischen Kerngebieten der Hirnnerven mit motorischen Anteilen (Nn. III, IV, V, VI, VII, IX, X, XI, XII) ist die gemeinsame motorische Endstrecke für sämtliche Impulse, welche die Kontraktionen der quergestreiften Muskulatur bewirken. Die αMotoneurone befinden sich im Rückenmarkvorderhorn in der Lamina IX in somatotoper Ordnung (s. Kap. 5.2.7.4, Abb. 5.65). Nervenzellen, die die axiale Muskulatur (Brust, Bauch und authochthone Muskulatur) innervieren, finden sich dabei ventromedial, während die Zellen für die Innervation der Extremitäten weiter lateral lokalisiert sind. Die ventromediale Zellsäule ist deshalb über die ganze Länge des Rückenmarks vorhanden, während sich die lateralen Zellgruppen (in größeren Gruppen konzentriert) im Bereich der zervikalen und lumbalen Intumeszenzen finden. Diese Zellgruppen können wiederum in eine zentrale, ventrolaterale und dorsolaterale Säule unterteilt werden. Die zentrale Säule ist für die Versorgung der proximalen Schultergürtel- und Hüftmuskulatur, die ventrolaterale Zellsäule für die Innervation der proximalen Extremitätenmuskulatur (Oberarm und Oberschenkel) und die dorsolaterale

492

Zellsäule für die Innervation der distalen Extremitätenmuskulatur (Unterarm und Hand sowie Unterschenkel und Fuß) zuständig. Klinik: Die somatotopische Lokalisation der α-Motoneurone ist für segmentale Paresen nach umschriebenen Läsionen des Vorderhorns verantwortlich. £ Axone

der α-Motoneurone, motorische Nervenfasern des schnell leitenden Typs Aα, verlassen das Vorderhorn durch die Radix anterior. Nach Vereinigung mit der Radix posterior verlaufen die Fasern im Spinalnerven und gelangen im Ramus ventralis n. spinalis zu den segmentalen (Interkostal-) Nerven (s. Kap. 10.5.3, S. 819) oder zu den Plexus und von dort in die peripheren Nerven. Über die Rr. dorsales n. spinalis verlaufen Fasern zur Innervation der autochthonen Muskulatur (s. Kap. 8.8, S. 654). Dabei innerviert ein α-Motoneuron eine unterschiedliche Anzahl von Muskelfasern.

Die Gesamtheit aller Muskelfasern, die von einem α-Motoneuron innerviert werden, bilden mit diesem gemeinsam eine motorische Einheit (s. Kap. 2.2.3.4, S. 70). £ Größe der motorischen Einheiten. Sie steht

in Abhängigkeit zu den spezifischen Aufgaben der Muskulatur: Je feiner ein Muskel bewegt werden muss, desto weniger Muskelfasern werden von einem Motoneuron innerviert. So wird die Innervation der Handmuskulatur durch kleine motorische Einheiten geleistet, die weniger als hundert Muskelfasern umfassen. αMotoneurone für die äußere Augenmuskulatur bilden die kleinsten motorischen Einheiten mit weniger als zehn Muskelfasern pro Neuron. Im Gegensatz dazu finden sich jedoch bei den großen Muskeln des Körpers (z. B. M. gluteus maximus) motorische Einheiten, die mehrere tausend Muskelfasern umfassen. Sämtliche axonalen Aufzweigungen stellen mit der jeweiligen Muskelfaser einen synaptischen Kontakt an der motorischen Endplatte her. Dabei werden sowohl mit weißen (schnell zuckenden = phasischen; Typ II) als auch mit roten (langsam zuckenden = tonischen; Typ I) Muskelfasern motorische Einheiten gebildet (s. Lehrbücher der Physiologie).

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

£ Rezeptoren der Muskulatur. Die Aktivi-

tät der α-Motoneurone wird durch afferente Fasern beeinflusst, welche ihnen Erregungen von Rezeptoren im Muskel und seinen Sehnen zuleiten. Die Muskelspindel (s. Abb. 5.102), die intrafusale Fasern (Kernketten- und Kernsackfasern nach der Anordnung der Zellkerne innerhalb der Faser) enthält und parallel zu den extrafusalen Fasern (den eigentlichen Muskelfasern) organisiert ist, misst die Länge der Muskulatur als statische Größe. Ebenso kann die Muskelspindel auch die Längenänderung der Muskulatur als dynamische Größe registrieren. Hierbei wird die Längenmessung durch dünne intrafusale Fasern, die Geschwindigkeitsmessung der Dehnungsänderung durch dickere intrafusale Fasern aufgenommen. Die afferenten Nervenfasern der Muskelspindeln werden in 2 Gruppen unterteilt: 1. Die schnell leitenden Aα-Fasern gehen von der Mitte der intrafusalen Muskelfasern aus und dienen der Messung der Geschwindigkeit der Dehnungsänderung. 2. Die langsamer leitenden Aβ-Fasern gehen von den Enden der intrafusalen Muskelfasern aus und registrieren die Muskellänge (s. Tab. 5.3, S. 499, Kap. 5.4.6.1, S. 481). £ γ-Motoneurone. Die dünnen intrafusalen Muskelfasern werden von fusimotorischen Nervenfasern, den Axonen der γ-Motoneurone, innerviert. Die Perikarya der γ-Motoneurone liegen in direkter Nachbarschaft zu denen der αMotoneurone im Vorderhorn des Rückenmarks. Die Axone der γ-Motoneurone verlaufen mit den α-Fasern in die entsprechenden Muskeln. Sie enden an den intrafusalen Muskelfasern mit kleinen motorischen Endplatten und regulieren die Länge der Spindel. Hierdurch ist es möglich, dass während der gesamten Kontraktionsdauer eines Muskels die Sensitivität der Muskelspindel entsprechend eingestellt werden kann. Je kürzer die Spindel ist, desto empfindlicher reagiert sie auf Dehnungsreize durch die Kontraktion der Antagonistenmuskulatur. £ Spindelaktivität. Sie wird über die sensiblen Afferenzen von der Spindel auf die α-Motoneurone übertragen. Je stärker oder schneller die Dehnung des Muskels war, umso schneller feuern die α-Motoneurone und die Fasern der Arbeitsmuskulatur kontrahieren sich. Dieser Mechanismus verhindert eine Überdehnung und

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

493

γ

Abb. 5.102: Schematische Darstellung von Typen intrafusaler Muskelfasern in der Muskelspindel (nach R. F. Schmidt/G. Thews, 1990).

das Reißen der Muskelfasern. Die Spindelaktivität erleichtert außerdem die Ausführung willkürlicher Bewegungen („Anlasserfunktion“). £ Golgi-Sehnenorgane. Neben den Muskelspindeln befinden sich auch in den Sehnen Dehnungsrezeptoren, Golgi-Sehnenorgane, die ihre Signale über schnell leitende Typ AαFasern weiter leiten. Sie sind im Regelfall in Kollagenfaserbündeln am Übergang zwischen Muskulatur und Sehne lokalisiert. Dort sind etwa 10 Muskelfasern mit einem Sehnenorgan verbunden. Hierdurch kann das Sehnenorgan Informationen über die Spannung aufnehmen, die vom sich kontrahierenden (oder passiv gedehnten) Muskel auf die Sehne weitergegeben wird. Funktionell weisen die Sehnenorgane vielfältige Parallelen mit den Muskelspindeln auf. £ Verschaltung des Eigenreflexes. Die afferenten Fasern aus den beiden Muskelrezeptorsystemen treten in das Spinalganglion ein, wo sich ihr Perikaryon, die pseudounipolare Nervenzelle, befindet, über deren zentralen Neuriten der entsprechende Reiz ohne Umschaltung weiter geleitet wird (an der motorischen Vorderhorn-

zelle befindet sich die einzige neuro-neuronale Synapse des Schaltkreises, die dem monosynaptischen Reflexbogen seinen Namen gibt). Das α-Motoneuron im Vorderhorn des Rückenmarks innerviert dann die entsprechenden Muskelfasern über sein Axon. Dieses Axon verläuft über den Spinalnerven und anschließend im peripheren Nerv bis zur motorischen Endplatte (neuromuskuläre Synapse, s. Abb. 5.103). Dort wird über eine elektrochemische Kopplung mit Acetylcholin (Ach) als Transmitter der Impuls auf den Muskel übertragen, wodurch sich der monosynaptische Reflexbogen schließt und der Muskeleigenreflex zustande kommen kann. £ Monosynaptischer Reflex. Die klassische Bezeichnungist ist insofern missverständlich, als auch Interneurone durch Kollateralen der den Reflex auslösenden afferenten Faser innerviert werden. Diese Interneurone hemmen zeitgleich zur Kontraktion eines Muskels αMotoneurone der entsprechenden Antagonisten. Diese Antagonistenhemmung erfolgt also reflektorisch über mindestens 2 Synapsen. Als Charakteristikum für den monosynaptischen

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

494

Motoneuron

Schwann-Zell-Scheide Präsynapse Mitochondrion synaptische Vesikel aktive Zone (ACh) präsynaptische Membran synaptischer Spalt Postsynapse postsynaptische Zellmembran mit ACh-Rezeptoren postsynaptische Einfaltungen

Abb. 5.103: Die motorische Endplatte als Grundlage der Willkürmotorik. Die Kästchen zeigen an, welcher Ausschnitt darunter stärker vergrößert dargestellt wurde. Das unterste Kästchen zeigt schematisch die neuromuskuläre Synapse, wie sie unter dem Elektronenmikroskop erscheint

Reflex bleibt aber, dass die primär reflektorische Kontraktion nach Muskeldehung über 1 einzige Synapse vermittelt sein kann. £ Kontrolle des Eigenreflexes. Für die Motorik ist dieser Reflexbogen von grundsätzlicher Bedeutung, da übergeordnete motorische Systeme als Regulationssysteme des Reflexgeschehens angesehen werden können. Fallen solche übergeordneten Kontrollzentren aus, verbleibt lediglich ein ungeregeltes Reflexgeschehen auf der Ebene des monosynaptischen Rückenmarksapparats zurück. Durch die hohe Aktivitätsrate der α-Motoneurone kommt es zu ungeordneten Entladungen in diesem Reflexbogen, während

die zielgerichtete Bewegung des Einzelmuskels nur erreicht werden kann, wenn viele motorische Einheiten in Koordination aktiviert und gleichzeitig die motorischen Einheiten der Antagonisten gehemmt werden. Klinik: 1. Elektromyographische Untersuchungen (EMG) haben gezeigt, dass auch in Ruhe nur bei sehr wenigen Individuen eine komplette Unterdrückung der Aktivität von α-Motoneuronen zu beobachten ist. In diesem Falle kommt es zu einem vollständig schlaffen Muskeltonus. 2. Geringgradige Aktivität von α-Motoneuronen, wie sie im Normalfall auftritt, führt jedoch nicht zu einer klinisch feststellbaren Erhöhung des Muskeltonus. 3. Beim Wegfall spezieller übergeordneter motorischer Systeme, welche die Spontanaktivität von α-Motoneuronen kontrollieren, erhöht sich jedoch dieser Muskeltonus, wobei als klinisches Phänomen eine Spastik auftritt. Durch Reizung der muskulären Rezeptoren (etwa durch die Muskeldehnung nach einem Schlag mit dem Reflexhammer auf seine Sehne) lassen sich beim Menschen typische monosynaptische Reflexe auslösen, die in genau definierten Segmenthöhen des Rückenmarks geschaltet werden (s. Abb. 5.104). Klinisch wichtige monosynaptische Reflexe 1. Bizepssehnenreflex (BSR): Beugung des Ellenbogens nach Dehnung des M. biceps brachii; Segmenthöhe: C5/C6. 2. Brachioradialissehnenreflex: (BRR) – auch: Radiusperiostreflex (RPR) Beugung des Ellenbogens und Supination des Unterarms nach Schlag auf den Processus styloideus radii; Segmenthöhe: C5/C6. 3. Trizepssehnenreflex (TSR): Streckung des Ellenbogens nach Dehnung des M. triceps brachii; Segmenthöhe: C7/C8. 4. Patellarsehnenreflex (PSR): Streckung des Knies nach Schlag auf das Ligamentum patellae: Segmenthöhe: L3/L4. 5. Achillessehnenreflex (ASR): Plantarflexion des Fußes nach Dehnung der Mm. gastrocnemii et soleus; Segmenthöhe: S1

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

495 Spinalganglion (Perikaryon des pseudounipolaren 1. Neurons der sensiblen Bahn)



M. quadriceps femoris

αDehnungsreiz



Reflexhammer

Abb. 5.104: Patellarsehnenreflex: Verschaltung (nach J. Nolte, 1993)

Klinik: 1. Die Erhebung des Reflexstatus ist eine Grundlage der neurologischen Untersuchung. Hierbei können Informationen über den Muskeltonus und die funktionelle Integrität der motorischen Systeme gewonnen werden. 1.1 Bei Totalausfall eines Reflexes ist von der Störung des primären motorischen Regelkreises auszugehen. Ursache kann die Läsion eines peripheren Nerven, Spinalnerven oder einer Nervenwurzel (efferent oder afferent) sein. 1.2 Ebenso kann ein solcher Funktionsausfall durch primäre Schädigung der Muskulatur, des α-Motoneurons oder der Muskelrezeptoren bedingt sein. 1.3 Eine Erhöhung des Reflexniveaus (überschießende Reflexe, Erweiterung der Reflexzonen) deutet auf die Schädigung übergeordneter motorischer Regelkreise hin (Spastik). 2. Hinsichtlich des Reflexniveaus bestehen beachtliche interindividuelle Unterschiede. Klinisch ist es daher wichtig, Reflexe jeweils im Seitenvergleich, sowie im Vergleich oberer gegen untere Extremitäten zu untersuchen.

5.4.7.4 Polysynaptisches spinales System (Hautreflexe, Fremdreflexe) £ Polysynaptische Regelkreise. Bei monosyn-

aptischen Regelkreisen endigt die Efferenz in demselben Organ, aus dem die Afferenz stammt, wobei Afferenz und Efferenz über eine einzige Synapse verbunden sind. Dagegen beziehen polysynaptische Systeme Interneurone des Rückenmarks ein und verschalten einerseits verschiedene monosynaptische Systeme miteinander. Andererseits nutzen sie afferente Stimuli, die von weiteren rezeptiven Strukturen des Körpers auch außerhalb der Muskulatur (z. B. aus der Haut) stammen, um eine Bewegung auszulösen. Auch auf dieser Ebene der Motorik bleibt das Reiz-Reaktions-Schema erhalten. Die ipsilaterale Hemmung und kontralaterale Innervation antagonistischer Muskeln bilden ebenso wie die Mitinnervation anderer, in höher oder tiefer gelegenen Segmenten gelegener α-Motoneurone die Grundlage für rhythmische Muskelbewegungen. Typischerweise sind nicht nur direkte muskuläre Reize Auslöser solcher rhythmischer Bewegungen, sondern auch afferente Informationen, die das Hinterhorn

496

von der Körperoberfläche erreichen. So können die Sinnesorgane der Haut (s. Kap. 5.4.6.1, S. 481) z. B. beim Kontakt mit einem heißen Gegenstand einen Schutzreflex (Zurückziehen des gefährdeten Körperteils) auslösen. Aufgrund der polysynaptischen Signalweiterleitung ist die Reflexzeit (vom Reiz bis zur Antwort) deutlich länger als bei Eigenreflexen. £ Verschaltung. Dendritische Axone (s. Kap. 5.4.6.1, S. 481) aus der Haut bringen die Information zu pseudounipolaren Nervenzellen im Spinalganglion. Deren Axone treten über die Hinterwurzeln ins Rückenmark ein. Dort können sie entweder im Bereich des Hinterhorns umgeschaltet werden, oder als Hinterstrangbahn zur Medulla oblongata verlaufen (s. Kap. 5.4.6.1, S. 481). Für das polysynaptische spinale System ist die Verschaltung der Afferenzen im Rückenmark durch die Interneurone des Eigenapparates (s. Kap. 5.2.7.4, S. 427) entscheidend. Die Schaltzellen eines Segments können hierbei als Assoziationszellen polysynaptische Netzwerke ipsilateral über mehrere Segmente hinweg oder als Kommissurenzellen zur kontralateralen Seite hin (z. B. zur Antagonistenhemmung) ausbilden. Typische polysynaptische Reflexe werden durch die Stimulation eines Hautareals ausgelöst und führen zur Kontraktion eines diesem Segment zugehörigen Muskels (Haut-MuskelReflex oder Fremdreflex). Klinisch wichtige polysynaptische Reflexe

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

5.4.7.5 Übergeordnete motorische Systeme Auf der Ebene des Rückenmarks besteht aufgrund der Verschaltung von Afferenzen und Efferenzen durch den Eigenapparat und die Interneurone ein System, das bereits komplexe Bewegungen ausführen kann. Übergeordnete Systeme sind jedoch zusätzlich notwendig, um im Gehirn initiierte und willkürliche Bewegungen auszuüben, in eingeübte Bewegungsmuster umzusetzen sowie die Koordination dieser Bewegungen im dreidimensionalen Raum unter Berücksichtigung der Ausgangsstellung zu ermöglichen. Alle hemmenden und aktivierenden Einflüsse der übergeordneten Systeme verlaufen über deszendierende (absteigende) supraspinale (vom Gehirn – inklusive Medulla oblongata – ausgehende) Bahnen, deren Axone indirekt (über Interneurone) oder direkt am α-Motoneuron enden, das deshalb als gemeinsame motorische Endstrecke aller Einflüsse bezeichnet wird (s. Kap. 5.4.8.7, Abb. 5.116). Innerhalb der deszendierenden supraspinalen Bahnen werden unterschieden: eine laterale Gruppe, in der unter anderem der Tractus corticospinalis lateralis (als Teil der Pyramidenbahn) sowie der Tractus rubrospinalis verläuft, sowie eine ventromediale Gruppe, in der außer dem Tractus corticospinalis anterior auch vestibulospinale, tektospinale und verschiedene retikulospinale Fasersysteme verlaufen (s. Abb. 5.99). Letztere sind die phylogenetisch älteren.

1. Bauchdeckenreflex Bestreichen der Bauchdecke in verschiedenen Höhen führt zur Kontraktion der Bauchdeckenmuskulatur. Segmenthöhe: Th8–L1.

Tabelle 5.5

2. Cremasterreflex Bestreichen der Innenseite des Oberschenkels führt zur Kontraktion des M. cremaster. Segmenthöhe: Th12–L1.

Tractus corticospinalis Tractus corticospinalis anterior lateralis Tractus vestibulospinalis Tractus rubrospinalis Tractus tectospinalis Tractus reticulospinalis

3. Analreflex Bestreichen der perianalen Hautregion führt zur Kontraktion des M. sphincter ani externus. Segmenthöhe S4–S5.

Die Fasern der lateralen Gruppe leiten im wesentlichen Informationen zur willkürlichen Kontrolle der Extremitätenmuskulatur, besonders der Handbewegungen. Fasern in der ventromedialen Gruppe kontrollieren Bewegungen der axialen Rumpfmuskulatur, sind für die Balance, den aufrechten Gang und die Tonuskontrolle der Muskulatur innerhalb einer Extremität verantwortlich.

Darüber hinaus gibt es komplexe polysynaptische Fremdreflexe wie die Schutzreflexe, Fluchtreflexe, vegetativen Reflexe und die Beugereflexe.

Laterale Gruppe (oder Seitenstrang)

Ventromediale Gruppe (oder Vorderstrang)

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

497

£ Tractus rubrospinalis. Er verläuft neben der

Pyramidenbahn in der lateralen Gruppe. Seine Fasern reichen nur zu den oberen spinalen Segmenten. Afferenzen für diesen Fasertrakt stammen im Wesentlichen aus dem Spinocerebellum, welches über den Pedunculus cerebellaris superior zum Nucl. ruber projiziert.

Klinik: Der Tractus rubrospinalis dient hauptsächlich der erlernten (willkürlichen) Feinmotorik. Läsionen dieses Trakts, ebenso wie des Nucl. ruber führen kontralateral zum Intentionstremor und weisen hierdurch auf eine Funktionsstörung des Neuronenkreises vom Kleinhirn über den Nucl. ruber auf die Olive und zurück hin.

5.4.7.5.1 Pyramidalmotorisches System Das pyramidalmotorische System entspricht weitgehend der „Willkürmotorik“, indem es Informationen direkt aus dem Cortex über die Pyramidenbahn ohne weitere Umschaltung zu den motorischen Hirnnervenkernen (als Tractus corticonuclearis) und ins Vorderhorn des Rückenmarks (als Tractus corticospinalis) trägt. 1. Ursprungsgebiete des pyramidalmotorischen Systems. Kortikale Ursprunggebiete sind die motorischen Areale 4 und 6 des Gyrus praecentralis im Lobus frontalis (Abb. 5.105, 127, 128). Dort

liegen in den Schichten III und V (s. Abb. 5.106 und Lehrbuch der Histologie) die großen Pyramidenzellen, deren Axone als kortikofugale Fasern des Tractus corticonuclearis zu den motorischen Hirnnervenkernen und als Fasern des Tractus corticospinalis zu den Kernsäulen im Vorderhorn des Rückenmarks verlaufen. Die prominentesten dieser Nervenzellen, Betz-Riesenpyramidenzellen, liegen auschließlich im Motocortex (BrodmannAreal 4). Im Tractus corticospinalis verlaufen etwa 1 Million Axone, im menschlichen Cortex kommen aber nur etwa 30 000 Betz- Riesenpyramidenzellen vor, so dass nur etwa 2–5% der Pyramidenbahnfasern axonale Projektionen der Riesenpyramidenzellen darstellen. Der Begriff „Pyramidenbahn“ beschreibt die Tatsache, dass der Tractus corticospinalis in der Pyramide der Medulla oblongata verläuft und große Teile des Tractus oberflächlich sichtbar als Decussatio pyramidum auf die Gegenseite kreuzen (s. Abb. 5.27). Die Bezeichnung bezieht sich also nicht auf die Pyramidenzellen als Ursprungszellen der Pyramidenbahn; diese sind auch an der Bildung von Kommissuren- und Assoziationssystemen beteiligt.

2. Faserzusammensetzung der Pyramidenbahn. Etwa 80 % der kortikospinalen Fasern stammen aus der Area 4 (=Motocortex) und der sich rostral davon über die Mantelkante erstreckende Area 6 (= Supplementärmotorisches Areal, SMA). Die verbleibenden 20 % der Fasern enstammen dem unterhalb des SMA gelegenen prämotorischen Cortex (PMA) sowie der im ventralen Gyrus cinsupplementärmotorischer Cortex (SMA)

prämotorischer Cortex (PMA)

Motocortex (Area 4)

Sulcus centralis posteriorer parietaler Cortex (Area 5,7)

Sulcus parietooccipitalis

frontales Augenfeld

Broca-Sprachzentrum (Area 44, 45)

Abb. 5.105: Motorische Areale auf der Kortexoberfläche (nach K. Zilles, 1994)

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

498

ß

ß

äußerer (Grennari) Baillarger-Streifen innerer

Abb. 5.106: Histologisches Schichtenbild der Zytoarchitektur des Motocortex (nach K. Brodmann). A: Silberimprägnation; B: Zellfärbung (Nissl); C: Markscheidenfärbung. Der äußere Baillarger-Streifen entsteht durch die thalamokortikalen Afferenzen (im visuellen Cortex als Gennari-Streifen vom CGL besonders ausgeprägt). Der innere Baillarger-Streifen stellt intrinsische und assoziative Fasern dar (zur Schichtung s. Kap. 5.4.10.2, Abb. 5.126)

guli liegenden cingular motor area (CMA). Mit der Pyramidenbahn ziehen auch afferente Fasern zu sensorischen Arealen (Area 3a; Areale: s. Abb. 5.105, 127–130). Diese sensorischen Areale stehen in direkter Beziehung zu motorischen Funktionen. Insbesondere enden hier die Bahnen von Muskelspindeln und anderen Rezeptorsystemen. Die Tatsache, dass auch sensorische Fasern teilweise mit der Pyramidenbahn verlaufen, macht deutlich, dass das kortikospinale motorische System ein komplexes sensomotorisches Funktionssystem ist. 3. Motocortex Im Motocortex, Area 4, liegen die Ursprungsneurone der Willkürmotorik.

Lage und Verbindungen. Das primäre motorische Areal (Area 4) befindet sich in der Rinde des Gyrus praecentralis. Dieser breitet sich von medial oberhalb des Gyrus cinguli (Lobulus paracentralis) über die Mantelkante nach lateral hinab zum Sulcus lateralis aus (s. Abb. 5.17, 20, 24). Der motorische Cortex bezieht insbesondere afferente Zugänge aus prämotorischen Arealen (Areae 6–8) und aus den somatosensorischen Arealen des Gyrus postcentralis (Areae 1, 2 und 3). Darüber hinaus erhält er Informationen vom Nucl. ventralis lateralis thalami. Von den Pyramidenneuronen der Laminae III und V des motorischen Cortex entspringen etwa 50 % der Fasern der Pyramidenbahn. Diese Neurone benutzen Glutamat und Aspartat als exzitatorischen Transmitter.

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

499

Somatotopie, Homunculus. Der Motocortex ist in seiner gesamten Ausdehnung somatotopisch gegliedert, wobei die einzelnen Repräsentationsfelder der motorischen Körperfunktionen eine unterschiedliche Größe einnehmen. Ihre Verteilung wird durch den „motorischen Homunculus“ (lat. = Menschlein) dargestellt, welche über den Cortex gelegt die einzelnen Innervationsbereiche (Muskeln des Körpers) repräsentieren soll (Abb. 5.107). Dabei gilt: Je feiner und differenzierter die Muskelfunktion ist, desto größer ist auch das Kortexareal, welches sie steuert. Die Bereiche für die axiale Muskulatur und die Muskulatur der unteren Extremität werden folglich in relativ kleinen kortikalen Arealen repräsentiert, wohingegen Hand und Mund als Bereiche hoher motorischer Funktionspräzision vergleichsweise große Kortexflächen einnehmen. Die Areale der unteren Extremität sind im Gyrus praecentralis über der Mantelkante lokalisiert und nehmen eine vergleichsweise kleine Fläche ein. Unterschenkel und Fuß liegen auf der Medianfläche der Hemis-

phäre, während der Oberschenkel auf die Facies superolateralis übergeht. Es folgen nacheinander Rumpf- und Oberarmmuskulatur, dann das große Hand- und Gesichtsareal sowie das Areal für den Mund-, Zungen- und Kehlkopfbereich am Sulcus lateralis. Die Informationen vom präzentralen Cortex gelangen also als Tractus corticonuclearis (Verschaltung in den motorischen Hirnnervenkernen) und Tractus corticospinalis (Verschaltung im Vorderhorn) zu den Muskeln, die vom kortikalen Herkunftsareal repräsentiert werden. 4. Pyramidenbahn, Tractus corticospinalis et corticonuclearis Zur Pyramidenbahn zählt man funktionell sowohl den Tractus corticospinalis als auch den Tractus corticonuclearis (auch corticobulbaris), obwohl nur der Tractus corticospinalis durch die Pyramide der Medulla oblongata zieht (Abb. 5.108).

supplementär motorischer Cortex

frontales Augenfeld

primär motorischer Cortex

sekundär sensibler Cortex (Sm II)

Abb. 5.107: Darstellung des Homunculus der Großhirnrinde. Rostral des Sulcus centralis liegt der motosensorische (Ms I) Cortex, dorsal des Sulcus centralis der sensomotorische Homunculus (Sm I), denn auch der Gyrus postzentralis ist somatotopisch gegliedert. Beide Kortexabschnitte reichen über die Mantelkante hinweg, wo jeweils lateral der Falx cerebri die Repräsentationsgebiete der Füße liegen. Das sensomotorische Feld (Sm II) liegt in der Tiefe der Insel und reicht z. T. bis rostral des Sulcus centralis. Er ist teilweise somatotopisch gegliedert

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Gy

500 tralis cen rae p rus

zentrale motorische Neurone (kortikale Pyramidenzellen)

Capsula interna

Crus cerebri N. oculomotorius

periphere motorische Neurone in Hirnnervenkernen Pons

N. trigeminus

N. hypoglossus Pyramide

N. accessorius Decussatio pyramidum Tractus coticospinalis lat. (Pyramidenseitenstrangbahn) Tractus corticospinalis ant. (Pyramidenvorderstrangbahn) periphere motorische Neurone (α-Motoneurone) Radix ventralis n. spinalis

Abb. 5.108: Verlauf der Pyramidenbahn; Tractus corticospinalis (= rot) und Tractus corticonuclearis (= schwarz)

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

501

Cauda nuclei caudati Thalamus Tractus parietooccipitotemporopontinus (hintere Brückenbahn) Tractus frontopontinus (vordere Brückenbahn)

Tractus parietopontinus (Sensibilität) Tractus corticospinalis Tractus corticonuclearis Caput nuclei caudati Nucleus lentiformis (Putamen et Globus pallidus)

Abb. 5.109: Schema der Topographie der Capsula interna (nach P. Duus, 1990). Die Capsula interna hat die Form eines Winkels, dessen hinterer Schenkel (Crus posterius) medial vom Thalamus und dessen vorderer Schenkel (Crus anterius) medial vom Kopf des Nucleus caudatus begrenzt wird. Zwischen beiden Schenkeln liegt das Knie (Genu capsulae internae). Lateral wird die Capsula interna vom Linsenkern (Putamen und Globus pallidus) begrenzt (vgl. Abb. 5.34, 43, 46, 47). Die Pyramidenbahn verläuft im Crus posterius bis ans Genu der Capsula interna

Verlauf durch die Capsula interna. Fächerförmig vom prämotorischen, primären motorischen und dem supplementärmotorischen Areal ausgehend konvergieren die Fasern zu einem dichten, geschlossenen Bündel, das die Capsula interna am Knie, Genu, und dem sich dorsal anschließenden Crus posterius passiert. Der Tractus corticonuclearis verläuft in der Capsula interna rostral der Fasern des Tractus corticospinalis. Im Gegensatz zu früheren Vorstellungen nehmen die Fasern einen sehr umschriebenen Bereich innerhalb der Capsula interna ein, wobei sie nach rostral nicht über den Bereich des Genu capsulae internae ins Crus anterius reichen (Abb. 5.109). Am Eingang in die Capsula interna verläuft der Tractus corticospinalis direkt am Knie, im unteren Abschnitt weiter dorsal im Crus posterius.

Klinik: 1. Einblutungen und Infarkte im Bereich der Capsula interna sind ein häufiges klinisches Ereignis. Hiervon sind im Regelfall (bis auf kleine lakunäre Infarkte) nicht allein die Fasern des Tractus corticospinalis und des Tractus corticonuclearis befallen. Typischerweise kommt es zur Mitschädigung der weiter rostral in der Capsula interna gelegenen frontopontinen Bahnen des extrapyramidalmotorischen Systems sowie weiter dorsal gelegener Fasern. Letztere sind Bestandteil der hinteren Brückenbahn, der Tast-, seltener der Seh- und Hörbahn. Hierdurch erklärt sich die oft komplexe Symptomatik einer solchen Schädigung. 2. Bei einer (seltenen) isolierten Schädigung der Pyramidenbahn (z. B. der Area 4 oder der Pyramide) tritt eine rein schlaffe Lähmung auf, während Blutungen und Infarkte in der Capsula interna durch den Befall auch der extrapyramidalmotorischern Fasern zur Entwicklung spastischer Lähmungen führen.

502

Weiterer Verlauf des Tractus corticospinalis. Beim Austritt aus der Capsula interna verlaufen die Fasern des Tractus corticospinalis lateral des Tractus corticonuclearis und durchziehen die Crura cerebri des Mesencephalon, den Pons und die Medulla oblongata, bis sie in die Medulla spinalis gelangen: • Crura cerebri (Abb 5.108 II). Die Fasern ziehen durch den mittleren Bereich des Hirnstiels, Crus cerebri (s. Abb. 5.51), und werden hier von der vorderen (Tractus frontopontinus) und der hinteren (Tractus parieto-occipito-temporopontinus) Brückenbahn (Tractus corticopontinus) begleitet (s. Abb. 5.52-53). Die verschiedenen Bündel der Pyramidenbahn verlaufen weiterhin in somatotopischer Ordnung, wobei Fasern zu αMotoneuronen der oberen Extremität innerhalb des Crus cerebri mehr medial, Fasern zu denen der unteren Extremität mehr lateral liegen. • Pons (Abb. 5.108 III–IV). Am Unterrand des Mesenzephalons treten die Fasern des Tractus corticospinalis in den Pons ein. Hier fächert sich der Trakt in Bündel auf, die zwischen den Nucll. pontis verlaufen (s. Abb. 5.55). Am basalen Ende der Brücke tritt der Tractus corticospinalis wieder geschlossen als Pyramide an die Oberfläche der Medulla oblongata (s. Abb. 5.56, 57). • Decussatio pyramidum: Aufteilung in den Tractus corticospinalis anterior und lateralis (Abb. 5.108 V–VII). Im kaudalen Abschnitt der Pyramide kreuzen etwa 80 % der Fasern in die Pyramide der Gegenseite und verlaufen weiter als Tractus corticospinalis lateralis im Vorderseitenstrang des Rückenmarks. Etwa 20 % der Fasern des Tractus corticospinalis kreuzen nicht in der Pyramide. Sie verlaufen als Tractus corticospinalis anterior im ipsilateralen Vorderseitenstrang des Rückenmarks direkt an der Fissura mediana, kreuzen größtenteils im Segment und innervieren dort beidseitig die Lamina VIII (s. Abb. 5.65) und ventromediale Anteile des Vorderhorns. Der Tractus corticospinalis anterior innerviert vornehmlich die axiale Muskulatur, wodurch er bei der Steuerung von Körperstammbewegungen eine wichtige Rolle spielt. An der Feinmotorik der distalen Extremitäten ist er im Gegensatz zum Tractus corticospinalis lateralis nicht beteiligt. In jedem Segment scheren dann Fasern zu den Vorderhornarealen der α-Motoneurone aus. Dort innervieren sie zu

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

einem großen Anteil direkt α-Motoneurone, zu einem weiteren Anteil aber auch Interneurone, so dass erst indirekt die α-Motoneurone erreicht werden. Eine solche direkte kortikospinale Innervation von α-Motoneuronen findet sich erst bei höheren Primaten und besonders beim Menschen. Bei der Katze beispielsweise ist eine solche direkte Innervation der α-Motoneurone noch nicht nachweisbar. Besonders für die Bewegungsfähigkeit der kontralateralen Hand ist der Tractus corticospinalis lateralis von entscheidender Bedeutung. Phylogenetisch handelt es sich dabei um einen relativ neuen Evolutionsschritt. Frühere Durchschneidungsexperimente haben gezeigt, dass die Durchtrennung der Pyramidenbahn auf Höhe des Hirnstamms bei einer Katze nicht zu nennenswerten motorischen Ausfällen führt. Bei Affen kam es nach Läsion der Pyramidenbahn dagegen zu einer auf die Handmotorik begrenzten Bewegungseinschränkung, die besonders bei Greif- und Fassbewegungen auffällig wurde. Die Bewegung von Daumen und kleinem Finger sowie das koordinierte Bewegen der Finger waren gestört.

Verlauf des Tractus corticonuclearis. Die Ursprungsneurone dieser auch als Tractus corticobulbaris bezeichneten Bahn liegen im Gesichtsareal des Motocortex und des SMA, also im mittleren Bereich der lateralen Cortexoberfläche von Area 4 und Area 6. Weiterhin treten Fasern aus dem frontalen Augenfeld in Area 8 und aus der Area 46 im Gyrus frontalis medius für die Bewegungen der willkürlichen Augenmuskulatur hinzu (s. Abb. 5.105, 107). Diese innervieren Blickzentren im Mesenzephalon und im Pons. Der Tractus corticonuclearis verläuft medial in der Pyramidenbahn und gibt Fasern zu den motorischen Hirnnervenkernen (Nucll. motorii oder Nucll. origines) ab, die die Muskeln an Kopf und Hals innervieren. Im Gegensatz zum Tractus corticospinalis, der fast vollständig (80 %, s. o.) auf die Gegenseite kreuzt, gibt es beim Tractus corticonuclearis eine bilaterale Projektion: Gekreuzte und ungekreuzte Fasern erreichen die Kerne der Nn. III, IV und VI (äußere Augenmuskeln und Lidheber) sowie kraniale Anteile des Nucl. n. VII (Mm. frontalis et orbicularis oculi). Zur klinisch wichtigen Topographie und zum Verlauf der Pyramidenbahn über die Capsula interna

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

503

DIG 5

DIG 4

DIG 3

DIG 2

DIG 1

Abb. 5.110: Aktivierungsmuster des primär somatosensorischen Cortex im funktionellen MRT (fMRT) bei Stimulation einzelner Finger (Digiti 1–5; in der Abbildung Dig 1–5 abgekürzt). Diese Untersuchungsmethode erlaubte in den letzten Jahren eine genauere somatotope und funktionelle Gliederung des Cortex. Auf bestimmte Reize oder Befehle hin werden die hiervon aktivierten Kortexabschnitte im fMRT sichtbar (aus der Neurologischen Klinik der Charité, Prof. Dr. med. A.Villringer)

zu den Hirnnervenkernen bzw. bis ins Rückenmark siehe auch Abb. 5.43, 46, 47, 52, 53, 55–57, 64, 108, 109. Klinik: Bei einer einseitigen Läsion der Capsula interna sind durch die bilaterale Versorgung die von diesen Motoneuronen versorgten Augenmuskeln nicht vollständig gelähmt, sondern nur geschwächt. Da die ipsilaterale Projektion erhalten bleibt, zeigt sich in Ruhestellung eine Abweichung beider Augen zur betroffenen Seite hin, was als Deviation conjuguée („der Kranke blickt den Herd/die Läsion an“) bezeichnet wird. Dies ist insbesondere bei ausgeprägten Mediainfarkten, aber auch bei akuten Frontalhirnsyndromen der Fall, wenn das frontalmotorische Augenfeld in Mitleidenschaft gezogen wird.

5.4.7.5.2 Extrapyramidalmotorisches System (EPS) Im EPS sind Kerngruppen verschaltet, die für die Steuerung der Begleitmotorik (Mimik, Gestik und Körperhaltung) sowie eingeübter Bewegungsmuster verantwortlich sind. Definiton des EPS. Lange Zeit ging man von einem selbstständigen und unabhängig vom pyramidalmotorischen System fungierenden, also eigentlich „extra“-pyramidalmotorischen System aus. Aus

heutiger Sicht kann dieses System aber nur in enger funktioneller Verknüpfung mit dem System der pyramidalen Willkürmotorik gesehen werden. Aus diesem Grund wird es verschiedentlich (etwa in der Neurophysiologie) auch parapyramidalmotorisches System genannt. In der Klinik ist aber der Begriff Extrapyramidalmotorik noch immer in Gebrauch und soll daher auch hier verwendet werden. Beim Menschen koordiniert das EPS die für die Bewegungsabläufe der pyramidalen Willkürmotorik eingeübten Grundmuster des Bewegungsablaufs. Klinik: 1. Der Ausreifungsprozess des EPS lässt sich anhand der Entwicklung der Motorik des heranwachsenden Kindes sehr gut studieren. Die Geschmeidigkeit der Bewegung, das Erlernen komplexer Bewegungsmuster durch sportliche Aktivität und die Entwicklung komplexer Bewegungsaufgaben unter bewusster Kontrolle repräsentieren die Ausreifung der Extrapyramidalmotorik, die also Jahre in Anspruch nimmt, sich aber doch – im Gegensatz zu den monound polysynaptischen Reflexen – im funktionellen Sinne trainieren lässt. 2. Schädigungen im Rahmen eines Infarkts oder einer Hirnblutung betreffen meist sowohl das pyramidal- als auch das extrapyramidalmotorische System. Des-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

504

halb lassen sich sowohl Einschränkungen der bewussten Zielmotorik als auch von eingeübten, koordinierten Bewegungsabläufen beobachten. Zentren des extrapyramidalmotorischen Systems Das EPS wird aus mehreren Kerngebieten der Großhirn- und Kleinhirnhemisphären und des Hirnstamms aufgebaut, die aber strukturfunktionell so eng miteinander vernetzt und verschaltet sind, dass sie als einheitliches System aufgefasst werden. Zum EPS zählen: £ die prämotorischen Areale des frontalen

Cortex cerebri,

£ die Basalganglien:

Nucl. caudatus, Putamen, Globus pallidus, Nucl. subthalamicus, Substantia nigra, – Pars compacta und – Pars reticularis, • Nucl. ruber. • • • • •

£ die Area tegmentalis ventralis (VTA) des

Metenzephalons und

£ das Neocerebellum.

Häufig werden auch hinzu gezählt: • der Nucl. vestibularis lateralis (Deiters) und • das gesamte Cerebellum £ Prämotorischer Cortex. Unter diesem Begriff

fasst man das prämotorische Areal, PMA, das supplementärmotorische Areal, SMA, sowie das im vorderen Gyrus cinguli gelegene zinguläre motorische Areal, CMA, zusammen (s. Abb. 5.105). Das PMA liegt in der Area 6 auf der lateralen Oberfläche des Frontallappens rostral des Gyrus praecentralis. Das SMA erstreckt sich nach medial über die Mantelkante ebenfalls rostral des Motocortex und zählt noch zur Area 6. Das Gebiet des CMA befindet sich in Anteilen der rostralen zingulären Areae 23 und 24. Fasern aus diesen Arealen projizieren direkt in den Motocortex. Fasern aus dem SMA verlaufen allerdings auch ohne Umschaltung im Tractus corticospinalis. Ebenso wie der Motocortex sind diese Felder somatotopisch organisiert. Es

findet sich aber im Gegensatz zum Motocortex eine doppelte und weniger genaue Organisation dieser Somatotopik. Neben der direkten Innervation des Motocortex durch PMA und SMA zeigen diese Areale spezifische Projektionen zu subkortikalen Kerngebieten des motorischen Systems. • PMA. Das auf der dorsolateralen Seite des Frontallappens gelegene PMA projiziert auch zum medialen Anteil der Formatio reticularis (Nucl. reticularis magnus) des Hirnstamms (s. Kap. 5.4.9.2, S. 518). Über diese Verschaltung und den Tractus reticulospinalis ist das PMA in die Stabilisation des aufrechten Gangs und die Kontrolle der axialen und der proximalen Extremitätenmuskulatur eingebunden. Es selbst bekommt afferente Zuflüsse aus den Areae 5 und 7 des oberen Parietallappens (sekundäre sensible Rinde). Das PMA spielt eine wichtige Rolle bei willkürlichen Bewegungen, die von taktilen (Area 5) oder multimodalen (Area 7) sensorischen Informationen ausgelöst werden. Hierbei scheint es besonders die sensomotorische Integration bei hochkomplexen Bewegungsmustern umzusetzen. Ebenso wie der Motocortex erhält das PMA Eingänge von ventrolateralen und ventroanterioren Kerngruppen des Thalamus (s. Abb. 5.48). • SMA. Das supplementärmotorische Areal ist eine Integrationsstation vielfältiger Eingänge aus anderen kortikalen Arealen des Frontal-, Temporal- und des Parietallappens. Ebenso erhält dieses Areal Informationen aus subkortikalen Kerngebieten wie dem Corpus amygdaloideum und dem Thalamus. Das SMA integriert auf diese Weise verschiedene Einflüsse auf die motorischen Funktionen. Im Besonderen beeinflusst es die proximale Extremitätenmuskulatur und den Bewegungsentwurf, wobei es für die Initiation von Bewegungen von großer Bedeutung ist. Die kortikalen Areale des EPS grenzen somit unmittelbar an die Bereiche des Motocortex an, wobei insbesondere das SMA eine Schnittstelle von Pyramidal- und Extrapyramidalmotorik darstellt. Ebenso gehören die Bereiche des PMA, des frontalen Augenfeldes, der Area 8 und der Parietallappenfelder 3, 5a und 5b funktionell zum EPS. Kortikofugale Fasern aus diesen Arealen ziehen zu den Basalganglien des Telenzephalons.

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

505

£ Basalganglien, Nuclei basales (s. Kap. 5.2.5.2,

S. 398). Der Begriff wird uneinheitlich verwendet. In funktioneller Hinsicht zählt man den Nucl. caudatus und das Putamen sowie den Globus pallidus lateralis (als Anteilen des Telenzephalons), den Globus pallidus medialis und den Nucl. subthalamicus (als Anteilen des Dienzephalons) sowie den Nucl. ruber und die Substantia nigra (als Anteilen des Mesenzephalons) zu den Basalganglien (oder: Kerngebieten des EPS). Klinisch wird mit dem Begriff der „Basalganglien“ aber oft nur Bezug auf die Telenzephalonkerne genommen. Entwicklungsgeschichtlich bezeichnet der Terminus die Telenzephalonkerne, einschließlich des Corpus amygdaloideum.

Nucl. caudatus und Putamen werden häufig als Streifenkörper, Striatum, Putamen und Pallidum als Linsenkern, Nucl. lentiformis, zusammengefasst. (Zur Lage der Basalganglien s. auch Abb. 5.29, 34, 36, 43, 46.) • Nucl. caudatus und Putamen. Das Striatum erhält glutamaterge Afferenzen aus dem

Cortex sowie dopaminerge Afferenzen aus der Substantia nigra, pars compacta (Abb. 5.111). Letztere innervieren im Striatum mittelgroße Neurone, deren Dendriten einen starken Dornenbesatz aufweisen. Diese endostriatalen Neurone (spiny neurons) sind die Projektionsneurone des Striatums, die den Globus pallidus lateralis und die Substantia nigra, pars reticularis, innervieren und dabei Gamma-Aminobuttersäure (GABA) als inhibitorischen Neurotransmitter benutzen. Diese Projektionsneurone sind vielfältig über auffällig große Interneurone im Striatum miteinander verschaltet, die Acetylcholin als exzitatorischen Neurotransmitter verwenden. Im Striatum bildet sich eine Matrix aus, die sich histochemisch aufgrund ihrer Acetylcholinesterase- und Tyrosinhydroxylase-Aktivität anfärben lässt. Es finden sich jedoch kleine, fleckförmig verteilte Areale eingelagert, die sich kaum mit diesen Techniken anfärben lassen und die den Namen Striosomen tragen. Ihre funktionelle Relevanz ist bisher nicht eindeutig geklärt. Sie repräsentieren eine morphologische Organisation, die der kolumnären Organisation des Cortex cerebri vergleichbar ist.

Striatum (Nucleus caudatus et Putamen) Globus pallidus (Pars lateralis et medialis) Nucleus subthalamicus Thalamus Substantia nigra (Pars compacta) GABA

Glutamat

Dopamin

Substantia nigra (Pars reticularis)

Abb. 5.111: Schematische Darstellung der wichtigsten motorischen Verschaltungen der Basalganglien (nach K. F. Masuhr/M. Neumann, 1992)

506

• Globus pallidus. Er bildet den medialen Abschnitt des Nucl. lentiformis (s. Abb. 5.47) und gliedert sich in 2 Anteile. Der laterale Anteil erhält vielfältige Zuflüsse aus dem Striatum. Projektionsneurone in diesem Teil des Globus pallidus benutzen ebenfalls GABA als inhibitorischen Transmitter und innervieren den Nucl. ventralis anterior thalami. Der Globus pallidus medialis steht auch in enger Verbindung mit der Substantia nigra, pars reticularis. • Nucl. subthalamicus. Der Nucl. subthalamicus liegt medial der Capsula interna an der Grenze zwischen Di- und Mesencephalon direkt über der Substantia nigra, pars reticularis. Seine Projektionsneurone benutzen Glutamat als exzitatorischen Transmitter. Direkte afferente Eingänge stammen aus motorischen Kortexarealen; aus dem Globus pallidus lateralis kommen inhibitorische Zuflüsse. Der Nucl. subthalamicus beeinflusst die motorische Aktivität hauptsächlich durch Innervation des Globus pallidus und der Substantia nigra, pars reticularis. Auf diese Weise stellt der Nucl. subthalamicus eine wichtige Station in der Endkontrolle des motorischen Regelkreises der Basalganglien durch den Cortex dar (s. Abb. 5.111). Klinik: 1. Aufgrund des Verschaltungsmusters der Basalganglien mit dem Nucl. subthalamicus sowie Läsionsbefunden ist der neurochirurgische Therapieansatz der Elektrostimulation beim therapierefraktären Parkinson-Sysndrom und verschiedenen Dystonieformen entstanden: Hier werden in den Globus pallidus medialis oder in den Nucl. subthalamicus beider Gehirnhäften Stimulationselektroden eingeführt, die über einen subkutanen Schrittmacher versorgt werden. Die Stimulation verursacht eine Hyperpolarisationsblockade, so dass die Neurone in den stimulierten Regionen keine Aktionspotentiale mehr generieren. So ist die Bewegungsinhibition aus diesen Zentren gedämpft, was klinisch zu einer deutlichen Besserung führen kann. 2. Bei zumeist vaskulären Schädigungen des Nucl. subthalamicus kommt es zum Krankheitsbild des Hemiballismus. Hierbei treten unwillkürliche ausladende Bewegungen der Extremitäten kontralateral zur Läsionsseite auf. £ Substantia nigra und ventrales tegmentales

Areal (VTA). Die Substantia nigra liegt direkt

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

über dem Crus cerebri im Tegmentum mesencephali und erstreckt sich von der rostralen Grenze des Pons bis zum Nucl. subthalamicus. Durch die schwarze Färbung seines zellreichen Anteils, der Pars compacta, lässt sich die Substantia nigra im Hirnschnitt bereits mit dem bloßen Auge erkennen (s. Abb. 5.37, 52, 53). Diese durch ihren Neuromelaningehalt (eisenhaltiges Pigment) dunkel erscheinenden Neurone der Pars compacta projizieren über den Tractus nigrostriatalis zum Nucl. caudatus und Putamen (Striatum) und benutzen Dopamin als inhibitorischen Transmitter. Weiter zur Mittellinie hin liegen im VTA dopaminerge Zellen, die zum ventralen Striatum, zum Nucl. accumbens, aber auch zur Amygdala und zum frontalen und limbischen Cortex projizieren und so die so genannte mesolimbische dopaminerge Projektion bilden. Rostral der zelldichten, Neuromelanin-enthaltenden Pars compacta findet sich die im makroskopischen Schnitt gräuliche Pars reticularis. Die Pars reticularis enthält GABAerge Projektionsneurone, deren Afferenzen aus dem Striatum stammen. Genauso wie der Globus pallidus stellt sie ein wichtiges Zentrum des motorischen Regelkreises der Basalganglien dar. Aus diesem Grund werden beide Kerne oft als funktionelle Einheit gesehen. Klinik: 1. Die dopaminergen Zellen des VTA, die zur Amygdala und zum zerebralen Kortex projizieren, spielen eine wichtige Rolle als unspezifisch aszendierendes dopaminerges System. Störungen dieses Systems werden für viele psychiatrische Erkrankungen (insbesondere Depression und Schizophrenie) verantwortlich gemacht. 2. Im Rahmen der ParkinsonErkrankung (auch: Paralysis agitans) kommt es zur Degeneration der Dopamin-haltigen Ursprungszellen des Tractus nigrostriatalis in der Substantia nigra, Pars compacta. Diese zumeist im mittleren und höheren Alter beginnende Erkrankung äußert sich in der Symptomentrias Rigor, (Ruhe-) Tremor, Akinese. Klinisch zeigt sich eine Steifheit der Muskulatur, die mit einem typischen Fehlen der Gesichtsmimik (Maskengesicht) einhergeht. Des weiteren besteht ein besonders die Hand betreffender Ruhetremor sowie ein typisches Gangbild mit kurzen, trippelnden Schritten (Marche à petit pas). Da in einigen Fällen auch kognitive Einbußen auftre-

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

ten, scheint der Morbus Parkinson nicht nur das nigrostriatale System, sondern auch andere Systeme zu betreffen. Die medikamentöse Therapie der Parkinson-Krankheit basiert auf dem Ersatz des Neurotransmitters Dopamin durch seine Vorläufersubstanz L-Dopa, auf der Gabe weiterer Dopaminagonisten und auf dem Einsatz von Anticholinergika. In den letzten Jahren hat es darüber hinaus neurochirurgische Therapieversuche auf der Basis von Transplantationen Dopamin-produzierender Zellen aus fetalem Hirngewebe gegeben. In jüngster Zeit traten durch das Nebenprodukt einer Designerdroge, dem (1)-Methyl-4-Phenyl-1,2,3,6,-Tetrahydropyridin (MPTP) schwere Parkinson-Syndrome bei den Konsumenten, meist jungen Menschen, auf. Auch bei Primaten lässt sich durch MPTP der motorische Symptomkomplex des Morbus Parkinson auslösen. Hierdurch ist ein experimentelles Modell für die Untersuchung der Erkrankung verfügbar.

Verbindungen des extrapyramidalmotorischen Systems • Motorischer Schaltkreis der Basalganglien (s. Abb. 5.111). Aus dem Bereich des gesamten Cortex cerebri entstammen Fasern, die das Striatum unter Beibehaltung ihrer Somatotopik innervieren. Den Hauptanteil stellen Fasern aus dem frontalen Motocortex zum Caput und Corpus nucl. caudati sowie zum Putamen dar. Die Projektion aus dem sensorischen Cortex zur Cauda nucl. caudati ist geringer ausgeprägt. Die letztgenannten Fasern benutzen Glutamat als exzitatorischen Transmitter und innervieren hemmende GABA-erge Neurone des Striatum. Diese hemmenden Neurone wiederum projizieren zum Globus pallidus lateralis, zum Globus pallidus medialis und zur Substantia nigra. Striatale GABA-erge Neurone, die den Globus pallidus lateralis innervieren, enthalten zusätzlich das Neuropeptid Encephalin als Co-Transmitter (s. u.). Demgegenüber weisen GABA-erge Neurone des Striatums, die den Globus pallidus medialis und die Substantia nigra innervieren, auch das Neuropeptid Substanz P als Co-Transmitter oder Neuromodulator auf. Im Globus pallidus lateralis innervieren diese Fasern GABA-erge Neurone, welche die Nucll. ventralis anterior et lateralis thalami erreichen. Von dort aus projizieren thalamische

507

Neurone, die Glutamat als exzitatorischen Transmitter benutzen, zurück in den Motocortex sowie die prämotorischen Areale, inklusive dem SMA. Auf diese Weise schließt sich ein Neuronenschaltkreis im motorischen System, der als Parallelschaltkreis zum pyramidalmotorischen System eine zentrale Rolle bei der Regulation und Optimierung von motorischen Abläufen spielt. Beide Systeme werden während des motorischen Lernens maximal beansprucht; hinzu kommen Leistungen des kortiko-ponto-zerebellären Systems. Sobald komplexe Bewegungsmuster durch Einüben erworben worden sind, steuert das EPS die Bewegung selbsttätig und ist von der Mitwirkung des Bewusstseins weitgehend unabhängig. Transmitter und Co-Transmitter. Im Gegensatz zur elektrischen Synapse, die Zellen über Poren koppelt, kann die synaptische Transmission der chemischen Synapse z. B. durch Modifizierung der Rezeptormoleküle fein moduliert werden. Hierbei spielen Co-Transmitter oder Modulatoren, die neben den Neurotransmittern mit in den synaptische Spalt freigesetzt werden und lange wirksam sind, eine zentrale Rolle. Die Einteilung in schnell wirksame Neurotransmitter („klassische Transmitter“) und langsam wirksame Neuromodulatoren ist nicht immer scharf durchzuhalten, aber aus historischen Gründen immer noch gebräuchlich. Trennschärfer ist jedoch eine Unterteilung nach direkt auf Ionenkanäle wirksamen ionotropen Transmitter/Rezeptorsystemen und den über intrazelluläre Signalkaskaden (Second-Messenger) indirekt wirksamen metabotropen Transmitter/ Rezeptorsystemen (s. Lehrbücher der Physiologie). Für viele Neurotransmitter (z. B. Glutamat) gibt es sowohl metabotrope als auch ionotrope Rezeptoren (s. Tab. 5.6). • Tractus reticulospinalis und Tractus tectospinalis. Neurone im Bereich des Globus pallidus medialis und der Substantia nigra, pars reticularis, senden auch Axone zu den Colliculi superiores und zur Formatio reticularis im mesopontinen (gr. meso- = mitten, zwischen) Tegmentum. Von dort aus entspringen Fasern, die als retikulospinaler Trakt, Tractus reticulospinalis medialis et lateralis, und als tektospinaler Trakt,

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

508

Tabelle 5.6: Übersicht der wichtigsten Transmitter und Co-Transmitter im ZNS Wirkung und Lokalisation der Transmitter und Co-Transmitter des Nervensystems Transmitter

Co-Transmitter

Lokalisation

Rezeptor

Wirkung

Acetylcholin (Ach)

Substanz P

aszendierende Faserbahnen des Rhombencephalon veg. Ganglien, Cortex prägangl. sympath. Neurone Tr. septohippocampalis Hirnnervenkerne

muskarinerg (mAChR)

Exzitation, Inhibition

nikotinerg (nAChR)

Exzitation

VTA Hypothalamus Sympathische Ganglien Ganglion cervicale superius Locus coeruleus Sympathisches NS Locus coeruleus

D1 D2 α1 α2

Erregungszunahme Erregungsabnahme Erregungszunahme Erregungsabnahme

β1 β2

Erregungszunahme Erregungszunahme

Nucll. raphae, RM Rhombencephalon, RM Nucll. raphae, RM Rhombencephalon, RM dorsaler Hypothalamus

5-HT1

Inhibition

5-HT2

Zunahme von Inhibition und Exzitation Exzitation, Mastzelldegranulation

VIP Encephalin Galanin CGRP Monoamine – Katecholamine Dopamin CCK Neurotensin Noradrenalin Somatostatin (Norepinephrin, Encephalin NE) Neurotensin Adrenalin Neuropeptid Y Vasopressin – Indolamine Serotonin Substanz P (5-Hydroxytrypt- CCK amin, 5-HT) Encephalin TRH Histamin Aminosäuren γ-Aminobuttersäure (GABA)

Glutamat

Encephalin VIP β-Endorphin Somatostatin CCK Substanz P

Corpus striatum, Amygdala GABAA Hippocampus, Neocortex Corpus striatum, Amygdala Hippocampus, Neocortex GABAB Hippocampus, Neocortex Nucl. gracilis und Nucl. cuneatus ubiquitär, Cortex NMDA AMPA L-AP4

Glycin

Hirnstamm und RM

schnelle Inhibition

langsame Inhibition

Exzitation, synapt. Plastizität Exzitation Hemmung der Glutamatfreisetzung

Kainat metabotroper Exzitation Rezeptor Erregungszunahme GlycinInhibitorisch Rezeptoren

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Tractus tectospinalis, bis in die Vorderhörner des Rückenmarkes projizieren, wo sie über Interneurone vermittelt die motorische Aktivität der α-Motoneurone beeinflussen. Während das retikulospinale System besonders bei der Regulation von Muskeltonus und Körperhaltung eine wichtige Rolle spielt und in engem Zusammenhang mit dem vestibulospinalen System gesehen werden muss (s. Abs. 5.4.3), stellt die Umschaltung im mesopontinen Tegmentum die Einbindung der sog. mesenzephalen lokomotorischen Regionen der Formatio reticularis dar. Die Projektion zum Colliculus superior führt zu einer Verknüpfung mit okulomotorischen Funktionen (s. Abs. 5.4.2.4). Auf diese Weise gelingt die koordinierte Einbindung von Augenund Kopfmotorik im Rahmen extrapyramidalmotorischer Bewegungsmuster. Ebenso ist dieses Areal in die Integration autonomer und somatomotorischer Aktivitäten im Rahmen des emotionalen Verhaltens eingebunden. Es ist offensichtlich, dass die menschlichen Bewegungen sehr komplex organisiert sein müssen, wenn man an solche herausragenden Leistungen eines Dirigenten der Berliner Philharmoniker, einer Ski-Abfahrtsläuferin bei 120 km/h oder eines Fahrradfahrers der Tour de France denkt. Jeder Leserin und jedem Leser werden sofort Beispiele aus dem eigenen Leben einfallen, in dem durch unterschiedliche Außeneinflüsse höchste Anforderungen an die Lokomotorik gestellt werden, wie z. B. beim Fahrradfahren auf vereisten Straßen. Aus Beobachtungen bei depressiv gestimmten Patienten wie auch der Körperhaltung bei „schlechter Laune“ wird darüber hinaus deutlich, dass die Psyche ebenfalls einen großen Einfluss auf die menschliche Motorik besitzt. • Nigrostriatales System. Zellen in der Substantia nigra, pars compacta, sind Teil des dopaminergen Projektionssystems. Zu diesem gehören auch die dopaminergen Zellen im VTA. Die Zellen der Pars compacta projizieren zum Striatum und innervieren dort GABA-erge Projektionsneurone (s. Abb. 5.111). Hierbei wird einerseits der exzitatorisch wirkende D1-, andererseits aber auch der inhibitorisch wirkende D2-Rezeptor angesteuert. Zwischenzeitlich konnten weitere Dopaminrezeptortypen gefunden werden. Vom VTA verläuft auch eine Projektion in die Substantia innominata des basalen

509

Telenzephalons und zum Nucl. accumbens septi. Es bestehen weiterhin Verbindungen einerseits über den Tractus tegmentalis centralis zur Oliva inferior und von dort zum Kleinhirn, andererseits auch zum Nucl. accumbens und zum Cortex. Auf der Grundlage dieser unterschiedlichen Dopamineffekte im Striatum wie auch im frontalen und limbischen Cortex ergeben sich neue Erklärungsansätze des differenten Symptomenbildes der Parkinson-Krankheit (s. o.).

5.4.8 Funktionelle Anatomie des Kleinhirns, Cerebellum Lernziele: Gliederung des Kleinhirns; statisch-vestibuläres System, Afferenzsysteme des Cortex cerebelli, Kleinhirnkerne, efferente Fasersysteme, Kleinhirnfunktionen und Verbindungen zum Rückenmark Die Regulation des Muskeltonus, das Ausführen unwillkürlicher, der Gleichgewichtssitutation dienender „Mitbewegungen“ und damit die Feinabstimmung der Körperhaltung sind Aufgaben des Kleinhirns. Sowohl die pyramidale Willkürmotorik als auch eingeübte extrapyramidalmotorische Bewegungsmuster können nur realisiert werden, wenn es dem Organismus gelingt, seine Motorik im dreidimensionalen Raum auszurichten. Eine zentrale Rolle spielt hier das enge Zusammenwirken des vestibulären Systems (s. Kap. 5.4.3, S. 469) mit dem Cerebellum. Afferenz- und Efferenzkopie. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, benötigt das Kleinhirn einerseits eine Informationskopie der in den motorischen Arealen induzierten Willkürbewegung (als Efferenzkopie) sowie genaue Informationen über die aktuelle Stellung und den Muskeltonus der Extremitäten (als Afferenzkopie). Das Cerebellum stellt somit einen der Motorik beigeordneten Hirnteil dar, der die Informationsverarbeitung für eine zielgerichtete Bewegungsoptimierung in Raum und Zeit leistet. Insofern bildet das Cerebellum eine Schnittstelle zwischen EPS (4. motorisches System) und dem statisch-vestibulären System (3. motorisches System).

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

510

Klinik: 1. Das anlagebedingte Fehlen des Cerebellum, Kleinhirnaplasie, ist durchaus mit dem Leben vereinbar und wird gelegentlich bei radiologischen Routineuntersuchungen entdeckt. Bei der angeborenen Aplasie und auch bei frühkindlichen Schädigungen des Kleinhirns können andere Gehirnteile die Aufgaben des Kleinhirns weitgehend übernehmen. 2. Spätere degenerative (Kleinhirnhypoplasie) oder läsionsbedingte Schädigungen (Kleinhirnblutungen oder -infarkte) werden dagegen schlecht kompensiert und klinisch insbesondere durch motorische und statisch-vestibuäre Symptome manifest.

5.4.8.1 Funktionelle und entwicklungsgeschichtliche Gliederung des Cerebellum Das Cerebellum erhält seine Afferenzen über die Kleinhirnstiele, Pedunculi cerebellares superior, medius und inferior. Die Informationsverarbeitung findet in der Kleinhirnrinde statt, die dann die Kleinhirnkerne ansteuert. Von hier gehen alle Efferenzen aus, die das Kleinhirn über den oberen und unteren Kleinhirnstiel verlassen und motorische Zentren in Hirnstamm und Diencephalon erreichen (s. Tab. 5.7, S. 515). Die Informationsverarbeitung in der Kleinhirnrinde wird abhängig von der geleiteten Information in verschiedenen Abschnitten durchgeführt. Es hat L II III IV V

Entwicklungsgeschichte Archicerebellum

VII P

Neocerebellum

T F

£ Vestibulocerebellum. Es ist für die Abstim-

mung der Motorik auf die Informationen aus dem Vestibularorgan zuständig (Körperhaltung, Augenbewegungen) und wird daher zum statisch-vestibulären motorischen System gezählt (s. auch Abb. 5.56). Es entspricht anatomischtopographisch dem Lobus flocculonodularis und kaudalen Anteilen des Vermis, die Afferenzen direkt aus dem Labyrinth und den Vestibulariskernen empfangen. Efferenzen aus dem ganzen Vermis projizieren auf die Vestibulariskerne. Dieser funktionell definierte Teil entspricht weitgehend dem Archicerebellum, dem phylogenetisch ältesten Teil des Kleinhirns, £ Spinocerebellum. Es erhält über das Rückenmark Informationen aus dem Bewegungsapparat und ist für Stützmotorik und Feinabstimmung von Bewegungen zuständig und wird ebenfalls zum statisch-vestibulären System gezählt. Es ist vor allem in der Pars intermedia (den medialen Anteilen der Hemisphären) und dem Vermis kranial der Fissura prima, aber auch in entsprechenden kaudalen Abschnitten (Pyramis) lokalisiert. Im kranialen Teil terminieren Fasern

afferente Verbindungen

VI

Paleocerebellum

sich eine funktionelle Dreiteilung bewährt, wobei die anatomischen Grenzen der 3 Anteile nicht ganz scharf sind. Außerdem gibt es geringfügige Unterschiede in der topographischen Zuordnung, je nachdem ob die Entwicklungsgeschichte, der Zielort der Afferenzen der Kleinhirnrinde (vgl. Abb. 5.112) oder der Ursprungsort der Efferenzen zur Grundlage der Einteilung gemacht wird.

über

Vestibulocerebellum

Tr. vestibulocerebellaris bzw. N. vestibularis

Spinocerebellum

Tr. spinocerebellaris anterior (Gowers) et posterior (Flechsig)

Pontocerebellum

Tr. corticopontinus Tr. pontocerebellaris

VIII

U

IX

N

X

Abb. 5.112: Schema der entfalteten Kleinhirnoberfläche mit Topographie der Projektionen auf Archi-, Palaeo- und Neocerebellum und somatotopischer Organisation des Cortex cerebellaris, (I–XII: Transversale Läppchengliederung nach Larsell, L = Lingula, P = Pyramis, U = Uncus, T = Tonsilla, N = Nodulus und F = Flocculus). Vgl. Abb. 5.12

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

aus dem Tractus spinocerebellaris anterior, im kaudalen Teil Fasern aus dem Tractus spinocerebellaris posterior sowie Fasern aus dem Tractus trigeminocerebellaris. Die Fasern des Tractus spinocerebellaris anterior sind entwicklungsgeschichtlich älter und vermitteln Informationen von Mechanorezeptoren. Die Fasern des Tractus spinocerebellaris posterior sind entwicklungsgeschichtlich jünger (bei Fischen noch nicht vorhanden) und vermitteln Informationen der Muskelspindeln ans Kleinhirn. Zusätzlich erhalten diese Kleinhirnabschnitte Fasern aus der kortikopontozerebellären Projektion, also indirekt aus dem SMA des Kortex. Das Spinocerebellum entspricht weitgehend dem Palaeocerebellum, dem phylogenetisch mittelalten Kleinhirnanteil. £ Pontocerebellum. Sein Name rührt her vom Ursprungsort seiner Afferenzen, der Brücke. Zu ihm zählen die gesamten lateralen Anteile der Kleinhirnhemisphären, aber auch kleinere mittlere Anteile des Wurms, Vermis. Die Ursprungsgebiete seiner Zuflüsse von der Großhirnrinde liegen in frontalen, parietalen und temporalen Assoziationsarealen. Diese kortikopontinen Fasern verlaufen im Tractus frontopontinus, im Tractus parietopontinus und im Tractus temporopontinus gemeinsam mit der Pyramidenbahn durch die Capsula interna (s. Abb. 5.109) zur Brücke. Dort werden sie in den Nucll. pontis umgeschaltet und erreichen das kontralaterale Kleinhirn über den mittleren Kleinhirnstiel (s. Abb. 5.55). Über den ventrolateralen Thalamus hat dieser Kleinhirnabschnitt wiederum Einfluss auf die motorischen Areale der Großhirnrinde. Er ist in die Planung höherer motorischer Leistungen der frontalen Hirnrinde eingebunden und stellt einen Teil des EPS dar. Er entspricht dem Neocerebellum, dem phylogenetisch jüngsten Anteil des Kleinhirns. Entsprechend seiner Verbindung mit der Großhirnrinde und deren Vergrößerung im Laufe der Evolution macht das Neocerebellum beim Menschen den größten Teil des Kleinhirns aus. Zum statisch-vestibulären System gehören zusammenfassend folgende Strukturen: das Gleichgewichtsorgan (mit dem Nucl. vestibularis), das Vestibulo- und das Spinocerebellum, der Nucl. ruber und die Oliva inferior.

511

5.4.8.2 Organisation der Afferenzsysteme des Cortex cerebelli Bis auf die aus der Oliva inferior stammenden Fasern enden sämtliche in das Cerebellum eintretenden Axone als so genannte Moosfasern in der Körnerzellschicht der Kleinhirnrinde. Die aus der Oliva inferior stammenden Fasern enden als Kletterfasern direkt an den Purkinje-Zellen des Kleinhirns (s. Abb. 5.113). In der Kleinhirnrinde werden die afferenten Moosfasern auf Körnerzellen umgeschaltet, deren Axone als Parallelfasern bezeichnet werden. Sie bilden an den distalen Dendriten der Purkinje-Zellen Synapsen aus. £ Zytoarchitektur. Die Afferenzen und Efferen-

zen des Cortex cerebelli sind in zwei senkrecht zueinander stehenden Ebenen organisiert. Die Purkinje-Zellen liegen mit ihren spalierbaumartig geformten Dendritenbäumen in der Ebene, die senkrecht zum Verlauf der schmalen Windungen des Kleinhirns, Foliae cerebelli, orientiert sind. Dagegen verlaufen die Parallelfasern – deshalb der Name – parallel zur Längsrichtung der Windungen und treffen so auf die senkrecht zu ihnen angeordneten Purkinje-Zelldendriten (s. Abb. 5.113). Mit Ausnahme der Grenze zwischen Wurm und Hemisphäre sind diese Schichten makroskopisch nicht sichtbar. Die Axone der Purkinje-Zellen, welche das einzige Efferenzsystem des Cortex cerebelli darstellen, projizieren vornehmlich zum Nucl. dentatus des Kleinhirns. £ Somatotopische Organisation. Auch im Cerebellum besteht eine hohe somatotopische Organisation des kortikopontozerebellären Eingangs (s. Abb. 5.112). Zusätzlich zu diesen Fasersystemen erreichen den Cortex cerebelli auch serotoninerge Fasern aus dem Nucl. raphe und noradrenerge Fasern aus dem Locus coeruleus. £ Gekreuzte und ungekreuzte Afferenzen. Die Fasersysteme aus der Oliva inferior (Kletterfasern) sowie aus den Nucll. pontis (Moosfasern) kreuzen in der Mittellinie und erreichen die kontralaterale Seite des Cortex cerebelli. Fasern aus dem Rückenmark sowie dem vestibulären System weisen sowohl eine ipsilaterale als auch bilaterale Termination auf. Ebenso enden Moosfasern aus der Formatio reticularis, Tractus reticulocerebellaris, sowohl ipsi- als auch

512

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Golgi-Zelle Purkinje-Zelle Purkinje-Zelle

Neurit einer Körnerzelle

Neurit einer Purkinje-Zelle Glomerulus cerebellaris Golgi-Zelle

Abb. 5.113: Innerer Kleinhirnaufbau. Die vordere Schnittfläche ist quer durch eine Windung gelegt, während die seitliche in Längsrichtung verläuft. Moos- und Kletterfasern = rot; Neurit einer Purkinje-Zelle = schwarz; PurkinjeZelle = grau; Körnerzelle = blau; Korb-, Stern- und Golgizellen = schwarz. Zu erkennen ist die Schichtengliederung, die sich uniform im Cerebellum findet. Der schmalen Schicht weißer Substanz (Substantia medullaris) folgt die dreischichtige Rinde mit der Körnerschicht (Stratum granulosum), der Purkinje-Schicht (Stratum gangliosum) und der Molekularschicht (Stratum moleculare)

kontralateral. Der Tractus spinocerebellaris anterior kreuzt auf der Ebene des RückenmarksEintrittssegments und dann wieder zurück beim Eintritt ins Cerebellum, der Tractus spinocerebellaris posterior hingegen kreuzt in seinem ganzen Verlauf nicht zur Gegenseite. Das Kleinhirn ist also überwiegend mit der ipsilateralen Körperseite und der kontralateralen Großhirnrinde verbunden.

zu den Zuflüssen von den GABAergen Purkinje-Zellen erhalten die Kleinhirnkerne exzitatorische Zuflüsse über Kollateralen aus den Kleinhirnafferenzen (Moos- und Kletterfasern).

5.4.8.3 Kleinhirnkerne, Nuclei cerebellares

Die Benennung der Kleinhirnkerne erfolgt teils nach ihrer Gestalt, teils nach ihrer Lage (s. Abb. 5.114): 1. Nucl. dentatus (= gezähnt), 2. Nucl. emboliformis (embolus = Pfropfen), 3. Nucl. globosus (= kugelförmig), und 4. Nucl. fastigii (fastigium = Dachgiebel; hier: Dach des IV. Ventrikels).

£ Definition. In der weißen Substanz des Klein-

£ Verbindungen. Axone von Purkinje-Zellen

hirns finden sich Ansammlungen grauer Substanz, die als Kleinhirnkerne bezeichnet werden. Hier enden die Neuriten der großen Purkinje-Zellen der Kleinhirnrinde. Zusätzlich

erreichen die jeweils nächstgelegenen Kleinhirnkerne, wobei der Nucl. vestibularis lateralis (Deiters-Kern) im Hirnstamm funktionell als zusätzlicher Kleinhirnkern angesehen werden

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

513 Lobulus centralis Nucleus fastigii Nucleus globosus Nucleus emboliformis Nucleus dentatus Arbor vitae"

"

Vallecula cerebelli Tonsilla cerebelli

Abb. 5.114: Kleinhirnkerne (nach W. Kahle, 1991)

kann. Der Vermis ist also überwiegend mit dem Nucl. fastigii und auch direkt mit dem DeitersKern verschaltet (Vestibulocerebellum). Von der an den Vermis angrenzenden intermediären Zone der zerebellären Hemisphäre (Spinocerebellum) bestehen Verbindungen mit dem Nucl. emboliformis und dem Nucl. globosus, die auch als Nucl. interpositus zusammengefasst werden. Die große laterale Zone mit der restlichen Hemisphäre (Pontocerebellum) ist mit dem Nucl. dentatus verbunden.

5.4.8.4 Efferente Fasersysteme des Kleinhirns Das Cerebellum übt seinen Einfluss auf die Motorik nicht durch eine direkte Verschaltung mit den motorischen Neuronen im Vorderhorn aus. Statt dessen enden die efferenten Fasern aus dem Cerebellum in den Nucll. vestibulares, in der Formatio reticularis und in okulomotorischen Zentren des Hirnstamms (vom Vestibulocerebellum ausgehend), im Nucl. ruber des Mesencephalon (vom Spinocerebellum ausgehend) und im ventrolateralen Thalamus (vom Pontocerebellum ausgehend). £ Efferenzen zum Hirnstamm. Die Fasern zu

den Nuclei vestibulares verlassen das Kleinhirn durch den Pedunculus cerebellaris inferior und sind in zwei Fasersystemen organisiert:

• Über den Nucl. fastigii erreichen Fasern aus dem Lobus flocculonodularis, als Teil des Vestibulocerebellums, alle vier Nucll. vestibulares.

• Fasern aus dem Lobulus centralis des kranialen Kleinhirnwurms, als Teil des Spinocerebellums, erreichen den Nucl. vestibularis lateralis. Aus dem Nucl. fastigii entstammen außerdem zerebelloretikuläre Fasern, die die Formatio reticularis im Pons und in der Medulla oblongata erreichen. £ Efferenzen zum Nucl. ruber. Über den Pedun-

culus cerebellaris superior verlassen Fasern des Nucl. dentatus, Nucl. emboliformis und Nucl. globosus das Cerebellum. Sie kreuzen in der Mittellinie auf die Gegenseite und erreichen den Nucl. ruber, die okulomotorischen Areale des Mesenzephalons sowie den ventrolateralen Thalamuskern.

Klinik: 1. Nach Läsion des Nucl. ruber entsteht kontralateral ein Intentionstremor bei willkürlichen Bewegungen sowie eine Hypotonie (Abnahme des Muskeltonus). Außerdem kommt es bei Schädigung des Nucl. ruber zu choreatisch-athetotischen Bewegungen, die sich in unkontrollierbaren, weit ausladenden, aber auch engen schraubenhaften Bewegungen äußern, welche bis zu stärksten Verrenkungen der Extremitäten gehen können. 2. Da die Fasern des N. oculomotorius auf dem Weg zur Hirnaustrittsstelle den Nucl. ruber teilweise durchziehen, kann bei Schädigung dieses Kerns auch eine Okulomotoriuslähmung auftreten (Nothnagel-Syndrom). £ Efferenzen zum Thalamus. Informationen aus

dem Neocerebellum (Pontocerebellum) werden im Nucl. dentatus umgeschaltet, der wichtigsten Schaltstelle innerhalb des Kleinhirns. Seine

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

514

Axone verlassen das Cerebellum im Pedunculus cerebellaris superior und enden, wie auch Fasern aus den Basalganglien, im ventrolateralen und im ventroanterioren Thalamus (Tractus dentatothalamicus). Es kommt jedoch nicht zu einer Überschneidung, da die zerebellären Fasern mehr dorsal gelegene Bereiche dieser Thalamuskerne innervieren, während die aus den Basalganglien stammenden Fasern eher rostral enden. Die Abschnitte des ventrolateralen Thalamus, welche vom Cerebellum innerviert werden, projizieren hauptsächlich zum Motocortex. Die aus den Basalganglien innervierten Regionen projizieren hingegen hauptsächlich zum SMA. £ Motorische Schaltkreise (s. Abb. 5.115). Fasern aus dem Cerebellum, die über den ventrolateralen Thalamus den Motocortex erreichen, schließen auf diese Weise über den Tractus corticopontocerebellaris einen neuronalen Regelkreis, wodurch das Kleinhirn direkt Einfluss auf die höheren Steuersysteme der Motorik nimmt. Des weiteren reichen Fasern aus dem Nucl. ruber über den Tractus rubrospinalis bis zu den Rückenmarkssegmenten. Über den Tractus tegmentalis centralis erreichen Fasern aus dem Nucl. ruber den Nucl. olivaris inferior, der wie-

derum im Rückschluss über Kletterfasern die Kleinhirnrinde erreicht. Somit wird ein weiterer neuronaler Regelkreis geschaltet, welcher auf die motorischen Systeme des Hirnstamms Einfluss nehmen kann.

5.4.8.5 Kleinhirnstiele Die schon mehrfach erwähnten Pedunculi cerebellares sollen hier noch einmal zusammengefasst werden (s. Tab. 5.7). Der größte, am weitesten lateral gelegene Pedunculus cerebellaris medius führt die Afferenzen von der Brücke zur Kleinhirnrinde und enthält keine Efferenzen. Der obere Kleinhirnstiel enthält vor allem Efferenzen in Hirnabschnitte oberhalb der Brücke (Mesencephalon und Thalamus). Diese Bahnen werden hier auch Brachium conjunctivum genannt und kreuzen in Höhe der Colliculi inferiores auf die Gegenseite (Decussatio pedunculorum cerebellarium superiorum, auch: Stilling-Schere). Der untere Kleinhirnstiel verbindet das Kleinhirn mit Arealen unterhalb der Brücke, also Medulla oblongata und Rückenmark. Nur der Tractus spinocerebellaris anterior weicht von diesem Grundschema ab.

Cortex cerebri

Tractus corticorubralis Tractus corticospinalis Thalamus

Nucleus ruber Nuclei pontis

Tractus tegmentalis centralis

Nucleus dentatus Oliva

Cortex cerebelli Moosfasern

Kletterfasern

Abb. 5.115: Schema der Verbindungen vom Kleinhirn zum Nucl. ruber und zum Thalamus (nach P. Duus, 1990)

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

515

Tabelle 5.7: Wichtigste Bahnen in den Kleinhirnstielen Afferenzen

Efferenzen

Pedunculus cerebellaris superior

Tr. spinocerebellaris ant.

Tr. dentatothalamicus Tr. cerebellorubralis

Pedunculus cerellaris medius Pedunculus cerebellaris inferior

Tr. pontocerebellaris Tr. spinocerebellaris post. Tr. reticulocerebellaris Tr. olivocerebellaris Tr. vestibulocerebellaris

5.4.8.6 Funktionen des Kleinhirns Insgesamt ist das Kleinhirn ein übergeordnetes motorisches Zentrum, das Informationen aus dem Vestibular- und dem Bewegungsapparat und aus höheren bewegungsplanenden Zentren integriert und durch Rückmeldung zum Motocortex und zu motorischen Hirnstammzentren die Motorik beeinflusst. Es sorgt für eine allgemeine Kontrolle des Muskeltonus, für die Erhaltung des Gleichgewichts und für eine präzise räumliche und zeitliche Koordination von Bewegungen. Die 3 Anteile des Cerebellums wirken dabei in unterschiedlicher Weise auf die motorischen Funktionen ein: £ Vestibulocerebellum. Dieser funktionelle Anteil

koordiniert die Motorik mit den Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan. Es nimmt vor allem Einfluss auf die Ausgleichsbewegungen der Augen bei Veränderung der Kopfstellung (vestibulo-okuläre Reflexe). Beim Stehen und Gehen wirkt es gleichgewichtserhaltend auf die der Schwerkraft entgegenwirkenden Muskeln ein (Stützmotorik). In dieser Funktion ist es nur unscharf abgrenzbar vom £ Spinocerebellum, das bei dieser Aufgabe zusätzlich die propriozeptiven Informationen über die aktuelle Stellung der Glieder im Raum verarbeitet. So kann im Zusammenwirken dieser Systeme bei jeder Bewegung, die den Körperschwerpunkt verlagert (z. B. Vorstrecken des Wurfarms beim Speerwurf), die übrige Muskulatur so beeinflusst werden, dass das Gleichgewicht erhalten bleibt. Vestibulo- und Spinocerebellum kommt damit eine wichtige Rolle in der Kontrolle des allgemeinen Muskeltonus zu. Die propriozeptiven Informationen ermöglichen dem Spinocerebellum außerdem eine Beteili-

fastigiobulbäre Fasern direkte Fasern zum Nucl. vestibularis lat.

gung an der Ausführung und der Feinabstimmung von Bewegungen, insbesondere einfacher Bewegungen, die noch nicht eingeübt sind. £ Pontocerebellum oder Neocerebellum. Es erhält über die Brückenkerne die Efferenzkopie, eine Art Vorab-Information aus der Großhirnrinde über intendierte Bewegungen (Zielmotorik). Insbesondere komplexe zusammengesetzte Bewegungen werden vom Neocerebellum durch die präzise zeitliche Koordination der beteiligten Muskelgruppen (Synergie) mitgesteuert. Die geschieht einerseits durch den ständigen „Vergleich“ mit der Afferenzkopie, also mit den Informationen über den aktuellen Zustand des Bewegungsapparates, die dem Motocortex nicht im gleichen Maße zur Verfügung stehen wie dem Kleinhirn. Andererseits können hier Bewegungsprogramme angelegt und abgerufen werden (motorisches Lernen). Komplizierte schnelle Bewegungsmuster, z. B. beim Klavierspielen oder auch beim Sprechen, können so nach einer Phase der Einübung von der Großhirnrinde initiiert und im Kleinhirn abgerufen werden, ohne dass jeder einzelne Schritt der laufenden bewussten Kontrolle unterliegen muss. Klinik: 1. Kleinhirnläsionen führen typischerweise zu Ataxie, Nystagmus und dysarthrischer Sprache (Charcot-Trias). In diesen Symptomen spiegelt sich die Einbindung des Kleinhirns in die Gang-, Stand- und Blickmotorik sowie die Feinabstimmung von Präzisionsbewegungen wider. Weitere Kleinhirnsymptome sind die Abnahme der Muskelspannung und -kraft (Hypotonie) und das Auftreten überschießender Bewegungen (Hypermetrie). In Abhängigkeit von den Läsionsorten kommt es zu unterschiedlichen klinischen Symptomen. 2. Das Archicerebellum und das Palaeocerebellum sind für

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

516

die achsengerechte Orientierung des Körpers im Raum zuständig. Schädigungen im Bereich des Wurms und medialer Anteile des Kleinhirns führen dementsprechend zu einer Unfähigkeit gerade zu stehen oder zu sitzen (Stand- und Gangataxie). Wenn die Patienten passiv aufgerichtet werden, fallen sie hin. Kleinhirnwurmatrophien kommen bei degenerativen Erkrankungen, bei toxischen Hirnschäden und beim chronischen Alkoholismus vor. Ein weiteres auffallendes Symptom ist der Intentionstremor der Willkürmotorik. 3. Eine Ataxie wird nicht allein durch Kleinhirnschädigungen hervorgerufen: So führt eine Schädigung des spinozerebellären Systems, etwa der Hinterstrangbahn bei der Tabes dorsalis, ebenso zu Koordinationsstörungen der Gang- und Standmotorik. Diese wird als sensorische Ataxie von der zerebellären Ataxie abgegrenzt. Die Kleinhirnataxie wird mit dem Finger-Nasen-Versuch und dem Knie-HackenVersuch geprüft.

5.4.8.7 Verbindungen der motorischen Systeme zum Rückenmark: motorische Endstrecke Die Struktur, die im menschlichen ZNS sämtliche motorischen Informationen integriert und als motorisches Signal abgestimmt an die Muskulatur weiterleitet, ist das α-Motoneuron. An dieser Zelle müssen alle efferenten Fasersysteme höherer motorischer Systeme konvergieren, so dass man die „motorische Einheit“ (Abb. 5.116) auch als gemeinsame motorische Endstrecke aller motorischen Bahnen bezeichnen kann. Output, Input. Die Gesamtheit aller efferenten spinalen Fasersysteme stellt den „Output“ der zentralnervösen Motorik und somit den „Input“ der αMotoneurone dar. Letztere erhalten außerdem noch Signale über Reflexkollateralen von sensiblen, pseudounipolaren Neuronen und von Interneuronen des Rückenmarkeigenapparats.

Tractus corticospinalis anterior

Tractus rubrospinalis Tractus olivospinalis

Tractus tectospinalis absteigende sensible Hinterwurzelfaser Tractus reticulospinalis

Tractus corticospinalis lateralis Tractus vestibulospinalis Anulospirale Faser (Ia)

Fasciculus interfascicularis (Schultze-Komma)

Golgi-Faser (Ib)

-

Abb. 5.116: Schematische Darstellung der die Motorik beeinflussenden Fasersysteme im Rückenmark in ihrer Konvergenz auf das α-Motoneuron als gemeinsame motorische Endstrecke (nach P. Duus, 1990)

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

517

Tabelle 5.8: Zusammenfassung der efferenten motorischen Bahnen Bahn

1. Neuron

2. Neuron

Zielneuron

Kreuzung Decussatio pyramidum

Tractus cortico- Gyrus praeSchaltzellen nuclearis (auch: centralis (Betzim Hirncorticobulbaris) Pyramidenzellen) stamm

α-Motoneuron des Rückenmarks, Interneurone α-Motoneuron des Rückenmarks, Interneurone α-Motoneurone der motorischen Hirnnervenkerne

Tractus corticopontocerebellaris

Nucll. pontis

Körnerzellen (Moosfasern) im Neocerebellum

Tractus cerebel- Purkinje-Zellen lorubralis und des Kleinhirns dentatothalamicus

Nucl. dentatus

Nucl. ruber (Neorubrum), Thalamus

Tractus rubrospinalis



α- u. γ-Motoneurone im Rückenmark α- u. γ-Motoneurone im Rückenmark

Tractus cortico- Gyrus praeSchaltzellen spinalis lateralis centralis (Betzim RückenPyramidenzellen) mark Tractus corticospinalis anterior

Gyrus praeSchaltzellen centralis (Betzim RückenPyramidenzellen) mark

Cortex

Nucl. ruber (Palaeorubrum)

∅ Tractus reticulo- Formatio reticuspinalis laris (Nucl. reticularis magnocellularis) Tractus vestibu- Nucl. vestibularis ∅ lospinalis lat. (Deiters) (N. VIII)

Klinik: 1. Bei der spinalen Kinderlähmung, der Poliomyelitis (epidemica anterior acuta), werden die α-Motoneurone durch Viren zerstört. Dabei kommt es zu atonischen (schlaffen) Lähmungen mit nachfolgender Muskelatrophie, die bei Einbeziehung der Atemmuskulatur sogar letal verlaufen können. 2. Solche periphermotorischen Lähmungen stehen im Gegensatz zu zentralen motorischen Lähmungen, wie sie bei Ausfall der Pyramidenbahn und des EPS auftreten. Wegen der hier noch funktionstüchtigen α-Motoneuronen mit zahlreich vorhandenen Afferenzen steigt deren Empfindlichkeit, so dass

α- u. γ-Motoneurone im Rückenmark

Funktion

Pyramidalmotorik von Rumpf und Extremitäten (hauptsächlich Hand und Fuß) im ZielsegPyramidalmotorik ment des von Rumpf und ExtreRückenmarks mitäten im Hirnstamm Pyramidalmotorik der Kopfmuskulatur (Ausnahme: Augenmuskulatur) in der Brücke Kleinhirnafferenzen für die motorische Koordination zwischen pyramidalem und extrapyramidalem System Decussatio efferente Hauptbahpedunculonen des Kleinhirns für rum cerebel- die motorische Koorlarium superi- dination zwischen orum pyramidalem und extrapyramidalem System ventrale alte, efferente Bahn Haubender extrapyramidalen kreuzung Motorik nicht neue Bahn der extragekreuzt pyramidalen Motorik

nicht gekreuzt

Gleichgewichtsregulation

sie daueraktiv werden, was eine spastische Lähmung ohne Muskelatrophien nach sich zieht. Am Beispiel der Spastik wird deutlich, dass die motorischen Systeme nicht nur sichtbare Bewegungen, sondern auch die Statik als Funktion des Muskeltonus regulieren. Entsprechend sind inhibitorische Einflüsse auf das α-Motoneuron keineswegs weniger wichtig als exzitatorische! Tabelle 5.8 fasst alle wichtigen efferenten Bahnen des Motorischen Systems zusammen.

518

5.4.9 Vegetative Steuersysteme Lernziele: Formatio reticularis, Kreislaufzentrum, Atemzentrum, Brechzentrum, Miktionszentrum, Hypothalamus, Fasciculus longitudinalis dorsalis (Schütz-Bündel)

5.4.9.1 Organisation und Hierarchie vegetativer Zentren Die vielfältigen Anpassungsreaktionen des Organismus an äußere Umweltbedingungen sowie die Steuerung physiologischer Vorgänge wie der Atmung und der Kreislaufregulation setzen das enge Zusammenwirken von Rezeptor- und Effektorsystemen voraus. Die meisten dieser Vorgänge beanspruchen das menschliche Bewusstsein für ihre Regulationsaufgaben nicht. Sie können aber zum Teil in ihrem Ergebnis, u. a. als beschleunigter Herzschlag oder Schwitzen wahrgenommen werden (s. Kap. 2.6.6, S. 98). Auch wenn die Vernetzung der beteiligten Zentren komplex und stark ausgebildet ist, lassen sich doch nach funktionellen, neurochemischen und topographischen Kriterien verschiedene Systeme voneinander abgrenzen. Als übergeordnetes Zentrum vieler solcher Prozesse kann der Hypothalamus aufgefasst werden, der direkt über den Tractus hypothalamospinalis oder indirekt über die Formatio reticularis vegetative Funktionen reguliert. Hypothalamus und vegetative Zentren sind aufund absteigend über den Fasciculus longitudinalis dorsalis (Schütz-Bündel) miteinander verbunden. Im Schütz-Bündel verlaufen auch absteigende Fasern aus dem gustatorischen und olfaktorischen System zu den Nucll. salivatorii.

5.4.9.2 Formatio reticularis Die Formatio reticularis nimmt das Tegmentum des gesamten Hirnstamms ein und erstreckt sich von den Nucll. intralaminares des Thalamus bis zur Zona reticularis des Rückenmarks (s. Abb. 5.117). 1. Kerngebiete. In wechselnder Dichte liegen Neuronenfelder beieinander, so dass nur wenige

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

umschriebene Kerngebiete, etwa die Nucll. raphe und der Locus coeruleus, abgegrenzt werden können. Zahlreiche lokale Verschaltungen der Neuronengruppen untereinander und kurze Fasersysteme zu den Kernen der Hirnnerven bilden das neuronale Netzwerk dieser Struktur aus. 2. Fasersysteme. Die Formatio reticularis ist Ausgangsort zweier Fasersysteme, des aufsteigenden und des absteigenden Retikularissystems: £ Aufsteigendes Retikularissystem. Es erhält

Afferenzen aus vielen Regionen, v. a. über die spinoretikulären Bahnen des Vorderseitenstrangs aus dem Rückenmark, aber auch von den Hirnnervenkernen und der Hirnrinde. Die aufsteigenden Fasern enstammen hauptsächlich dem Tegmentum, besonders dem Locus coeruleus (noradrenerge Neurone), der Area tegmentalis ventralis (VTA, dopaminerge Neurone) und dem Ncl. raphe dorsalis (serotoninerge Neurone). Die Axone dieser Kerngebiete verlaufen mit dem aufsteigenden Fasciculus longitudinalis dorsalis, der im rostralen Mesencephalon nach ventral an die Hirnbasis umbiegt und als mediales Vorderhirnbündel, Fasciculus telencephalicus medialis, durch das basale Telencephalon nach rostral zieht. Im Bereich der Septumkerne wendet sich das Bündel als Tractus diagonalis (Broca-Bündel) nach dorsal, zieht um das Genu corporis callosi und geht mit Anteilen seiner Fasern in das Cingulum über. Vom Cingulum geht eine diffuse Projektion in die entsprechenden kortikalen Terminationsgebiete aus. Im ganzen Verlauf der aufsteigenden Fasern zweigen Verbindungen zu den Basalganglien, dem Cerebellum und u. a. auch zu den Kerngebieten des Mesenzephalons ab. Gleichermaßen treten Fasern hinzu, insbesondere im basalen Telencephalon aus dem Ncl. basalis (Meynert), dem Ncl. praeopticus magnocellularis und dem Ncl. septi medialis, deren Axone eine diffuse cholinerge Projektion in weite Bereiche des Cortex ausbilden.

Bei Aktivierung des Systems kommt es innerhalb kürzester Zeit durch diese Projektionen in den Cortex zu einem Zustand hellwachen Bewusstseins. Das aufsteigende Retikularissystem wird deshalb auch als ARAS „aufsteigendes retikuläres aktivierendes System“ bezeichnet.

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Klinik: Bei Schädigung der Formatio reticularis (im Rahmen einer Hirnstammläsion) kommt es zunehmend zur Bewusstseinseintrübung, die vom somnolenten über das soporöse bis hin zum komatösen Stadium verlaufen kann. £ Absteigendes Retikularissystem. Es leitet

Impulse aus verschiedenen Regionen über die Formatio reticularis ins Rückenmark, wo es vegetative und motorische Funktionen sowie die Schmerzleitung moduliert.

3. Zonen der Formatio reticularis Die Neurone der Formatio reticularis lassen sich auf der Grundlage ihrer Zellgröße entlang ihrer kraniokaudalen Achse in 3 Zonen einteilen: Die mediane Zone, die mediale magnozelluläre Zone und die laterale parvozelluläre Zone. Anhand der verwendeten Neurotransmitter lassen sich serotoninerge (5-HT), noradrenerge (NA) und (acetyl-) cholinerge (Ach) Systeme unterscheiden. £ Mediane Zone. Hier finden sich direkt an der

Mittellinie die Nucll. raphe, die serotoninerge Verbindungen zum Cortex und zum Limbischen System und via absteigendem Retikularissystem zum Rückenmark unterhalten. Die Projektionen in den Cortex und ins Limbische System scheinen eine Rolle bei der Generation von Gemütslagen sowie der Schlafregulation zu spielen. Gesichert ist eine Schmerz-supprimierende Wirkung im Rückenmark, die durch die Freisetzung von körpereigenen Opiaten, den Endorphinen, erklärt wird („Zentrales Analgesiesystem“). Durch eine Verbindung zum thorakalen Rückenmark werden auch sympathische Funktionen beeinflusst. £ Mediale magnozelluläre Zone. Hier liegen große Neurone mit horizontal orientierten Dendritenbäumen, deren Axon sich in einen auf- und einen absteigenden Ast gabelt. Diese Neurone scheinen an der Integration von Informationen beteiligt zu sein, die vom Tractus spinoreticularis und als Kollateralen vom Lemniscus medialis eintreffen. Zudem ist die mediale Zone durch den Tractus reticulospinalis anterior an der Extrapyramidalmotorik und der Regulation des Muskeltonus beteiligt und beinhaltet die Zentren zur Koordination der Augenbewegungen und des (physiologischen) Nystagmus (s. Kap. 5.4.2.4, S. 461).

519

£ Laterale Zone. In dieser Zone befinden sich

adrenerge und cholinerge Zellgruppen sowie der wichtige noradrenerge Locus coeruleus. Der Locus coeruleus liegt am Boden des kranialen Teils der Rautengrube (s. Kap. 5.2.6.2, S. 415) im Winkel neben dem Pedunculus cerebellaris superior und dem Nucl. tractus mesencephali n. V. Er enthält Neuromelanin-haltige Neurone und erscheint in der Aufsicht am frischen Präparat dunkelblau.

Der Locus coeruleus ist das Hauptkerngebiet des noradrenergen Systems. Die noradrenergen Fasern projizieren über das mediale Vorderhirnbündel unter anderem ins Limbische System und in den Cortex, wo sie eine modulierende Wirkung haben (Bestandteil des ARAS). Neben ihrem Einfluss auf vegetative Funktionen werden in der lateralen Zone auch bulbäre Reflexe reguliert. Das sind komplexe polysynaptische Schutz- oder Abwehrreflexe wie die Schluck-, Saug- und Speichelsekretionsreflexe, Nies- und Husteneflexe sowie das Gähnen. Die Afferenzen verlaufen hauptsächlich in den Nn. V, IX und X und werden an die Formatio reticularis weiter geleitet. Auch aus dem N. facialis und dem N. olfactorius sind Afferenzen in die laterale Zone beschrieben. Von dort aus werden komplexe Bewegungsmuster über die verschiedenen motorischen Hirnnervenkerne und über spinale Motoneurone induziert, welche die Atemmuskulatur (Interkostalmuskeln und Zwerchfell) innervieren. Weitere von der Formatio reticularis kontrollierte polysynaptische Reflexe sind der Kornealreflex, der vestibulo-okuläre (VOR) und der okulo-zephale Reflex (OZR).

5.4.9.3 Vegetative Zentren Unter dem Einfluss von Hypothalamus und Formatio reticularis werden vegetative Funktionen in den Kreislaufzentren, dem Atemzentrum, dem Brechzentrum und dem Miktionszentrum reguliert. £ Kreislaufzentren. Diese liegen in der Formatio

reticularis der Medulla oblongata unterhalb des Nucl. ambiguus und damit kaudal des Atemzent-

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

520

Nucleus raphe dors.

Nucleus raphe pontis Nucleus raphe magnus

Nucleus raphe obscurus

hypothalamische Kerne

optische Raumorientierung, übergeordnete vegetative Koordination der Nahrungsaufnahme (Kauen, Lecken, Saugen) pneumotaktisches Kerngebiet, vegetative Koordination von Atmung und Kreislauf, Niesen, akustisch-vestibuläre Raumordnung Schlucken vegetative Koordinationsgebiete für Blutdruck, Herztätigkeit, Gefäßweite, Exspiration, Inspiration, somatische Reflexe, Schlucken, Würgen, Erbrechen

vasomotorische Kontrolle Kerngebiet für Exspiration Kerngebiet für Inspiration

Area postrema ( Brechzentrum") "

Abb. 5.117: Formatio reticularis mit schematischer Darstellung der wichtigsten Regulationszentren von Medulla oblongata, Pons und Mesencephalon. Ansicht von dorsal und lateral. Die römischen Zahlen bezeichnen die motorischen Kerngebiete der Hirnnerven, die mit der Formatio reticularis verschaltet sind (nach P. Duus, 1990).

rums. Sie erhalten Informationen über Blutdruck und Gefäßtonus aus den Nn. IX und X über den Nucl. solitarius und den Nucl. dorsalis n. X. Man unterscheidet pressorische und depressorische Zentren, die beide auch auf die Herzfrequenz einwirken können. Die Efferenzen erreichen ihr Ziel über den Nucl. dorsalis n. X (Parasympathi-

kus) und über den Tractus reticulospinalis zur Columna lateralis des Thorakalmarks. £ Atemzentrum. Dieses Zentrum findet sich in der lateralen Zone der Formatio reticularis in der Medulla oblongata (parvozelluläre Gruppen rostral des Nucl. ambiguus und des Nucl. solitarius). In Abhängigkeit von O2- und CO2-

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Partialdruck werden über die retikulospinale Bahn motorische Neurone des N. phrenicus im Halsmark (C2–C4) angesteuert. Das Ende der Einatmung wird über im N. X verlaufende Informationen durch den Dehnungszustand der Lunge reguliert. £ Brechzentrum. Es befindet sich in der Area postrema, die unmittelbar unter der Oberfläche des IV. Ventrikels in Höhe der Apertura mediana ventriculi quarti liegt. Sie erhält Afferenzen aus dem Nucl. dorsalis n. X und dem Tractus solitarius. Die Area postrema gehört zu den zirkumventrikulären Organen, in denen keine BlutHirn-Schranke besteht (s. Kap. 5.3.4.5, S. 455, und 5.4.11.3, S. 548). Man vermutet deshalb, dass über noch unbekannte, mit dem Blutstrom herangeführte Signale Chemorezeptoren das Erbrechen auslösen. Klinik: 1. Die topographische Nähe zum IV. Ventrikel bedingt, dass es bei Anstieg des Liquordrucks zum Nüchternerbrechen kommen kann. Übelkeit und Erbrechen stellen teilweise das einzige Symptom in der Frühphase eines gesteigerten intrakraniellen Druckes dar. 2. Die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin scheinen beim Auslösen des Brechreflexes eine wichtige Rolle zu spielen, da sich durch ihre Antagonisierung gute therapeutische Effekte erzielen lassen.

521

5.4.10

Integrative und kognitive Systeme

Lernziele: Limbisches System, Papez-Neuronenkreis, Corpus amygdaloideum (Mandelkernkomplex), Septumkerne, Hippokampusformation, Brodmann-Kartierung der Kortexareale

5.4.10.1 Limbisches System 1. Übersicht Unter dem Sammelbegriff „Limbisches System“ fasst man sowohl kortikale als auch subkortikale Regionen zusammen (s. Abb. 5.118). Diese umfassen (Anteile von): Gyrus cinguli, Gyrus parahippocampalis, Hippokampusformation, Nucll. septales, Corpora mamillaria, Corpus amygdaloideum, Nucl. anterior thalami. Darüber hinaus werden u. a. Kerngebiete im Hirnstamm (Nucll. raphe) und im Diencephalon (Nucl. accumbens, Habenula) sowie das mediale Vorderhirnbündel und der Fasciculus longitudinalis dorsalis (Schütz-Bündel) zum „Limbischen System“ gerechnet. Man geht davon aus, dass das Verschaltungssystem dieser Kerngruppen eines der wichtigsten morphologischen Substrate für Gedächtnisleistungen und emotionale Zustände darstellt.

£ Miktionszentrum. Neben einem Miktionszent-

£ Limbisches System: Ein funktionelles Modell-

Die Formatio reticularis hat also eine funktionelle Bedeutung: bei der Bildung der Weckreaktion im ARAS, bei der Bildung der absteigenden Fasersysteme ins Rückenmark zur Schmerzunterdrückung und zur Tonusregulation der Muskulatur, beim Aufbau von Schutz- und Abwehrreflexen, bei der Ausbildung lebenswichtiger Atemzentren und Kreislaufregulationszentren.

Vielmehr scheint das Limbische System eine neuronale Verschaltungskette zu bilden, die ihre Funktionsaufgaben nur als komplexer Schaltkreis für o. g. Leistungen des ZNS wahrnimmt.

rum im Conus medullaris des Rückenmarks findet sich in der lateralen Zone der Formatio reticularis das pontine Miktionszentrum. Bei gefüllter Harnblase wird es über aufsteigende, viszerosensible Fasern aktiviert und fördert die Blasenentleerung. Willkürliche (kortikale) Afferenzen vermögen diesen Vorgang durch Hemmung des pontinen Miktionszentrums zeitweise zu blockieren.

konzept. Bereits im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Vorstellung, dass diese Hirngebiete, die sich wie in einem Saum oder einer Bordüre, Limbus („Le grand lobe limbique“ nach Broca), an der Medianfläche um den Balken herum gruppieren, funktionell zusammengehören. Dabei können definierte Leistungen nicht einfach bestimmten Abschnitten dieses Systems zugeordnet werden.

Da die Neurone des Limbischen Systems mit verschiedenen anderen Arealen des ZNS, besonders mit dem Hypothalamus und dem Cortex cerebri, in enger funktioneller Verbindung stehen und eine

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

522 Gyrus cinguli

Fornix

Nuclei septales

Amygdala Regio entorhinalis

Uncus

Hippocampus Gyrus parahippocampalis

Abb. 5.118: Kortikale Anteile des Limbischen Systems (nach P. Brodal, 1992).

abgrenzbare Struktur des „Limbischen Systems“ nicht nachgewiesen werden konnte, ist der Begriff von verschiedenen Autoren als überflüssig bezeichnet worden. Dass „Limbische System“ ist also eher ein funktionelles Modellkonzept als ein strukturell klar abgrenzbarer Anteil des ZNS. £ Papez-Neuronenkreis.

Gut präparierbare, massive Faserbündel, die Teile des Limbischen Systems miteinander verbinden, haben zur Vorstellung der spezifischen Verschaltung von Nervenzellgruppen des Limbischen Systems zum Papez-Neuronenkreises geführt. Dabei wird davon ausgegangen, dass die efferenten Fasern aus der Hippokampusformation über die Fimbria und den Fornix die Corpora mamillaria erreichen, die wiederum über das Vicq-d’AzyrBündel (Tractus mamillothalamicus) mit dem Nucl. anterior thalami in Verbindung stehen. Von dort aus erreichen Fasern über die Capsula interna die Nervenzellgruppen im Gyrus cinguli, welche selbst wieder in die Hippokampusformation projizieren und so den Kreis schließen.

Klinik: Dieses nicht unumstrittene Konzept wurde mit neurochirurgischen Operationen in Verbindung gebracht. So traten nach Läsionen des Neuronenkreises mnestische Störungen auf, wobei insbesondere der Lernvorgang, die Erinnerungsfähigkeit und die Emotionalität verändert waren. Das Konzept erklärt, warum bei

Degeneration der Corpora mamillaria (Korsakow-Syndrom) oder der Hippokampusformation (Alzheimer-Krankheit) Gedächtnisstörungen als gemeinsames Symptom auftreten. Inzwischen haben viele Untersuchungen zur Verschaltung der neuronalen Zellgruppen innerhalb des Limbischen Systems zeigen können, dass diese erheblich komplexer ist als man zunächst annahm. Vor allen Dingen wurde deutlich, dass der entorhinale Cortex den Hauptzugang zum Hippocampus darstellt, und dass die Zellgruppen innerhalb des Limbischen Systems nicht nur in einer Kreisverbindung miteinander stehen, sondern vielfältig-reziproke interne Verbindungen und auch solche zum Cortex und zum Hirnstamm ausbilden. Darüber hinaus sind auch Korrekturen an der bisherigen Vorstellung über die Verschaltung innerhalb des Limbischen Systems nötig geworden. So sind etwa an der Innervation der Mamillarkörper nicht nur der Hippocampus, sondern auch direkt angrenzende Gebiete des Subiculum beteiligt. £ Verbindungen zum Cortex cerebri. Der Gyrus

cinguli, der Gyrus parahippocampalis mit dem entorhinalen Areal und der Hippocampus, mit dem Gyrus dentatus und dem Cornu ammonis, stellen den limbischen Cortex dar. Der Gyrus cinguli und die Area entorhinalis weisen gesonderte kortikale Verbindungen mit der Hemisphäre auf. Der Gyrus cinguli erhält neben den

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Afferenzen aus dem Nucl. anterior thalami auch solche aus den Nucll. septales sowie aus frontalen, parietalen und temporalen Abschnitten des Cortex cerebri. Besonders die Verschaltungen zum Cortex sind reziprok ausgebildet (s. Abb. 5.119). Dabei ist der anteriore Anteil des Gyrus cinguli in die Verhaltenssteuerung eingebunden, weil er ein motorisches Areal, das CMA, ausbildet (s. Kap. 5.4.7.5, S. 496). Auf diese Weise wird der Einfluss des Papez-Neuronenkreises auf den Muskeltonus, die Motorik und die Sprachmelodie, Prosodie, verständlich. Man geht davon aus, dass durch die Verschaltung frontaler und parietaler Assoziationsfelder des Cortex mit dem Gyrus cinguli neokortikale Erregungsmuster der Sinneswahrnehmungen und ihrer motorischen Reaktionen dem Limbischen System zugeführt werden. So können kortikale Einflüsse auf das autonome Nervensystem und das endokrine System erklärt werden.

523

Klinik: 1. Beidseitige Entfernung des Gyrus cinguli führt bei Affen zu einem zahmen Verhaltensmuster, welches von sozialer Gleichgültigkeit begleitet ist. 2. Durch eine Cingulotomie, die chirurgische Entfernung von Teilen des Gyrus cinguli, kann bei Patienten mit chronischen Schmerzen, die nicht konventionell zu therapieren sind, eine Besserung erzielt werden. Hierbei scheint besonders die Schmerzbeurteilung verändert zu sein. 2. Corpus amygdaloideum, Amygdala, Mandelkernkomplex Die Amygdala (= Mandel) befindet sich im anteromedialen Teil des Temporallappens, direkt unter dem Gyrus ambiens und dem Gyrus semilunaris. Sie ist eine zentrale Schaltstelle vieler vegetativer Funktionen.

Tractus mamillothalamicus (Vicq d'Azyr-Bündel)

Nuclei septales

Abb. 5.119: Hauptverbindungen des Gyrus cinguli mit den kortikalen und dienzephalen Anteilen des Limbischen Systems (Papez-Neuronenkreis) (nach P. Brodal, 1992). Blau: Afferenzen, rot: Efferenzen

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

524

Lobis frontalis Cortex cerebri

Nuclei septales

Lobus temporalis Cortex cerebri

Abb. 5.120: Verbindungen des Amygdala-Kernkomplexes (nach P. Brodal, 1992). Blau: Afferenzen, rot: Efferenzen

£ Gliederung. Die Amygdala wird in verschie-

dene Unterkerne eingeteilt, welche jeweils über eine spezifische Zytoarchitektonik, Verschaltung und Funktion verfügen. Dabei kann man von einer kleinen kortikomedialen und einer größeren basolateralen Zellgruppe sprechen. Bei Primaten und dem Menschen ist die basolaterale (= limbische) Kerngruppe besonders stark entwickelt. Zwischen diesen beiden Gruppen liegt der Nucl. centralis. £ Verbindungen und Funktion (Abb. 5.120). Die kortikomedialen Kerne sind v. a. mit Riechhirnanteilen (Bulbus olfactorius), über die Stria terminalis mit dem Hypothalamus sowie einigen Hirnstammkernen verbunden. Demgegenüber weist der basolaterale Kernkomplex Verschaltungen mit dem Nucl. dorsomedialis thalami und dem frontalen Cortex cerebri über den Fasciculus uncinatus auf und besitzt eine Verbindung zum ventralen Striatum. Über diese Wege kann die Amygdala extrapyramidalmotorische Funktionen beeinflussen.

Funktionell kann man somit den kortikomedialen Anteil der Amygdala mit der Steuerung autonomer Funktionen und den basolateralen Anteil mit der Beeinflussung höherer kortikaler Leistungen in Verbindung bringen: £ Parasympathische Steuerung. Durch Sti-

mulationsexperimente bei höheren Primaten konnte gezeigt werden, dass die Amygdala eine wichtige Rolle für autonome Funktionen sowie emotionale Zustände spielt. Dabei führen Stimulationen der kortikomedialen Zellgruppe zu starken parasympathischen Effekten wie Speichelfluss, Kaubewegungen und Erhöhung der Darmmotilität bis hin zur Defäkation.

Eine wichtige Verbindung besteht zwischen der Amygdala und dem Hypothalamus. Auch vom basolateralen limbischen Teil ziehen Fasern in die Stria terminalis, welche in der Wand des Seitenventrikels zwischen Nucl. caudatus und Thalamus verläuft. Sie enden in den Nucll. ventromediales hypothalami. Einige Fasern treten in die Stria

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

medullaris und den Thalamus ein, wo sie v. a. den Nucl. dorsomedialis innervieren. Auf diese Weise können Signale von der Amygdala ausgehend den präfrontalen Kortex erreichen. Besonders ausgeprägte Verbindungen der Amygdala finden sich dabei mit der Hippokampusformation und den Nucll. septales. £ Aufmerksamkeitsreaktion. Stimulation der

basolateralen (limbischen) Zellen führt zu einer charakteristischen Erhöhung der Aufmerksamkeit. Dabei kommt es zur Pupillenerweiterung und einer Exploration der Umwelt, die typischerweise in Richtung der stimulierten Seite besonders stark ausgeprägt ist. Im EEG finden sich Aktivierungszeichen. Bei Zunahme der Stimulation kommt es jedoch zum Auftreten von Angst- und Erregtheitszuständen (beim Tier Angriffsverhalten). Auch beim Menschen lassen sich der Amygdala ähnliche Symptomkomplexe zuordnen, wobei typischerweise Stimulationen der Amygdala (im Rahmen von hirnchirurgischen Eingriffen) zu Halluzinationen und Déjàvu-Erlebnissen führen.

Klinik: 1. Der Mandelkernkomplex ist im Zusammenhang mit anderen Teilstrukturen des Temporallappens, insbesondere der parahippokampalen Region, im letzten Jahrzehnt stark ins allgemeine Forschungsinteresse der Neurowissenschaften gerückt. So scheint diese Struktur eine wichtige Rolle bei diversen Hirnfunktionen zu spielen, wie etwa dem Lern- und Gedächtnisvorgang, der Emotionsbildung sowie der Entstehung von komplexen Verhaltensmustern. Außerdem sind diese Regionen wohl auch an unterschiedlichen und teilweise schwer wiegenden pathologischen Prozessen beteiligt, wie z. B. der Alzheimer-Erkrankung, der Schizophrenie oder auch der Epilepsie. 2. Als typische Prodromi (Frühsymptome) eines epileptischen Anfalls, der vom Temporallappen ausgeht, werden Déjà-entendu-, Déjà-vu- und Déjà-vecu- („schon einmal gehört“, bzw. gesehen und erlebt) Erlebnisse berichtet, wie sie auch bei Erschöpfung und im Traum auftreten. Diese führt man auf eine Mit- und Übererregung der Amygdala zurück. Daneben bestehen teilweise olfaktorische, auditorische und epigastrische Halluzinationen neben psychischen Auren. Darüber hinaus zeigen Läsionsstudien an Affen, dass die Amygdala, aber auch angren-

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zende allokortikale Areale für die Steuerung des Sexualverhaltens von Bedeutung sind. Hierbei spielt besonders die Verbindung zum Nucl. ventromedialis hypothalami eine Rolle. 3. Bezug nehmend auf solche Befunde wurden stereotaktische Läsionen der Amygdala (und des Nucl. ventromedialis hypothalami) bei Sexualstraftätern durchgeführt. Dieser als „Psychochirurgie“ bezeichnete Ansatz führte jedoch zu keiner spezifischen Verhaltensänderung bei diesen Menschen. Solche Eingriffe sind als moralisch höchst zweifelhaft zu beurteilen, insbesondere auch deshalb, weil hier voreilig wissenschaftliche Hinweise in den Status vollgültiger theoretischer Erklärungen erhoben wurden. Des weiteren kam diesen Praktiken eine eindeutig amputierende und strafende Funktion zu (ähnlich den Zwangssterilisationen der NS-Zeit), was ihre medizinisch-therapeutische Bedeutung äußerst fragwürdig erscheinen lässt. 3. Septumkerne Rostral der Commissura anterior an der Basis des Septum pellucidum liegen Kerngebiete des basalen Vorderhirns (s. Abb. 5.121), die als Nucll. septales et basales (Meynert) das Ursprungsgebiet cholinerger Afferenzsysteme zum Hippocampus und zum Cortex cerebri darstellen. Dabei fungieren sie als Relaisstation für die Verbindung zum Hypothalamus. Verschaltung. Die Nucll. septales sind in beide Richtungen intensiv mit der Hippokampusformation und dem Hypothalamus verschaltet. Darüber hinaus bestehen Verbindungen mit dem Gyrus cinguli, dem Thalamus und der Amygdala. Limbische Strukturen im basalen Telenzephalon sind über das mediale Vorderhirnbündel miteinander verschaltet. Dies gilt für die Septumkerne, den Nucl. basalis (Meynert), für hypothalamische Kerngebiete sowie Bereiche bis hinab zum periaquäduktalen Grau im Mesenzephalon. Aufsteigende Fasersysteme monoaminerger Zellgruppen im Hirnstamm (Nucl. coeruleus) erreichen den Cortex cerebri einschließlich der Hippokampusformation über das mediale Vorderhirnbündel.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

526

Claustrum

Capsula interna

Nuclei septales

Fornix

Area praeoptica

Capsula externa

Capsula extrema

Commissura anterior (Crus posterius)

Nucleus centralis Nucleus medialis

Amygdala

Nucleus basolateralis

Abb. 5.121: Schema der Strukturen des Basalen Telenezephalons mit den Neuronen der Septumkerne und ihrer topographischen Beziehungen zur Commissura anterior und zum Nucl. lentiformis (nach L. Heimer, 1995)

Klinik: Die Septumregion stellt eine wichtige Verbindung zwischen Hypothalamus und Hippocampus dar. 1. Läsionen in diesem Bereich führen zu Abschwächung und Verlust des ThetaRhythmus im EEG, der von der Hippokampusregion generiert wird. 2. Die Formatio reticularis erreicht mit ihren adrenergen Neuronen über das mediale Vorderhirnbündel die Septumregion und den Hippocampus. Dem medialen Septum wird eine Schrittmacherfunktion für den Hippocam-

pus sowie dessen physiologischen Beitrag zum Lernvorgang zugeschrieben. 3. Schädigung der Septumkerne führen in experimentellen Untersuchungen zu ähnlichen Symptomen, wie sie bei Läsionen des Hippocampus, der Amygdala oder des rostralen Teils des Gyrus cinguli auftreten. Hierbei kommt es zu einer Hemmung von Aggressionsverhalten und zur Hypersexualität. 4. Auch die cholinergen Neuronenverbände sind in den letzten Jahren besonders stark beforscht

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

527

worden, wobei man herausfand, dass die Zellen in den Nucll. septales mediales und im Nucl. basalis (Meynert) Acetylcholin als Neurotransmitter benutzen. Diese Projektion erreicht den Hippocampus und den Cortex auf unspezifische Weise, so dass sie dort zu einer Stimulation und Modulation der Signalübertragung spezifischer Verschaltungen aus der Hirnrinde führt. 5. Bei Patienten mit präsenilen und senilen Demenzen, wie dem Morbus Pick und dem Morbus Alzheimer, konnte man postmortal eine starke Neuronendegeneration im Kerngebiet des Nucl. basalis beobachten. Außerdem fanden sich in diesen Kerngebieten des basalen Vorderhirns und des Cortex cerebri eine Reduktion des Acetylcholingehaltes sowie eine veränderte Rezeptorausstattung. Der modulatorische Effekt von Acetylcholin auf die Erregbarkeit kortikaler Neurone scheint also beim Morbus Alzheimer reduziert zu sein, was bei den demenziellen Erkrankungen wohl auch im Zusammenhang mit diffusen Atrophien weiter Großhirnareale sowie des Limbischen Systems steht. Hierdurch ergibt sich auch eine Erklärung für den bei dieser Erkrankung auftretenden Gedächtnisverlust. 6. Die Acetylcholinhypothese des Morbus Alzheimer hat inzwischen zu einer Substitutionstherapie durch zentralwirksame Acetyl-

CA2

Sulcus hippocampi

4. Hippokampusformation Die Hippokampusformation ist ein Teil des Archicortex und umfasst den Gyrus dentatus, das Cornu ammonis (die CA-Region) und das Subiculum. Nach der Ansicht einiger Autoren wird außerdem die Area entorhinalis (Area 28) des Gyrus parahippocampalis zur Hippokampusformation gezählt (s. Abb. 5.122–124).

Hippocampus (Sektoren CA1-CA3)

Fimbria hippocampi

Gyrus dentatus

cholinesterase-Hemmer geführt, wobei dieser Ansatz rein symptomatischen Charakter hat. Die morphologischen Veränderungen, wie sie beim Morbus Alzheimer auftreten, gehen weit über eine Schädigung des cholinergen Systems im basalen Vorderhirn hinaus, wobei weitläufige Kortexatrophien entstehen. 7. Demenzielle Erkrankungen stellen eine so gravierende Abnahme intellektueller Fähigkeiten dar, dass die soziale und berufliche Situation der betroffenen Patienten stark beeinträchtigt werden. Bei voller Ausprägung des Krankheitsbilds bestehen Gedächtnis- und Denkstörungen, eine Abnahme des Urteilsvermögens, Persönlichkeitsveränderungen sowie zeitliche und räumliche Desorientierung mit Verlust der Sprache und schließlich auch körperliche Pflegebedürftigkeit.

CA3

Ventriculus lateralis, Cornu temporale

3

CA3 2

CA1

CA1 4

Subiculum

5

1 Regio entorhinalis, Gyrus parahippocampalis

abgesetzt im Sulcus rhinalis

Abb. 5.122: Korrespondierende Frontalschnitte durch die Hippokampusformation und den Gyrus parahippocampalis. Die rechte Abbildung zeigt einen von mehreren Impulsleitungswegen durch den Hippocampus: 1 = Pyramidenzelle in der Regio entorhinalis, 2 = Körnerzelle im Gyrus dentatus, 3 = Pyramidenzelle in CA3, 4 = Pyramidenzelle in CA1 (nach P. Brodal, 1992). Beim Menschen wird häufig noch eine CA4 Region unterschieden

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

528 RE

S

CA

GD

Gyrus dentatus (GD)

CA

Sulcus hippocampi

S

RE

CA GD RE S -

Cornu ammonis Gyrus dentatus Regio entorhinalis Subiculum

Abb. 5.123: Lageverschiebungen der Hippokampusformation in der Ontogenese durch die Ausbildung des Temporallappens (linke Seite, Ansicht von vorn). Von oben nach unten: zunehmende Einrollung der Rindenzellschicht zum Ammonshorn (CA) und kappenartige Umhüllung durch die Körnerzellschicht des Gyrus dentatus (nach K. Zilles, 1994)

£ Topographie. Das Cornu ammonis erstreckt

sich medial im Temporallappen entlang des Cornu inferius ventriculi lateralis. Auf seiner Medianseite findet sich der Gyrus dentatus aufgelagert. Die Area entorhinalis legt sich mit einer schmalen Übergangszone, dem transentorhinalen Cortex, aber getrennt durch den Sulcus rhinalis, an den Neokortex an. Im Gegensatz zum sechsschichtigen Neocortex finden wir in dieser Region einen allokortikalen Rindenaufbau (3 Schichten). £ Entorhinaler Cortex (Area 28). In der Area entorhinalis findet sich ein modifizierter dreischichtiger Aufbau als Übergangszone zwischen Neocortex und Hippokampusformation. Dieses

im Gyrus parahippocampalis direkt neben dem Uncus gelegene Gebiet ist die Hauptumschaltstelle für polysensorische isokortikale Informationen zur Hippokampusformation. Dabei bilden sich Zellinseln in der Schicht II und der Schicht III des entorhinalen Cortex aus, die diese sensorischen Informationen (optische, olfaktorische, auditorische, polymodal assoziative) integrieren und sie über einen gebündelten Fasertrakt in den Hippocampus weiter leiten. Diese Faserverbindung wird Tractus perforans genannt, da ihre Fasern die Zellschichten des Subiculum in Richtung zum Gyrus dentatus durchdringen (s. Abb. 5.122 rechts). Diese Verbindung stellt ein „Nadelöhr“ für sämtliche

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

sensorischen Informationen dar, die den für Gedächtnisleistungen wichtigen Hippocampus (und damit das Limbische System) erreichen. Die Fasern des Tractus perforans benutzen Glutamat als exzitatorischen Neurotransmitter (s. u.). Entwicklung (s. Abb. 5.123). Als archikortikaler Bereich laufen die Zellschichten des Cortex cerebri in der Hippokampusformation aus und stülpen sich C-förmig ineinander. Entwicklungsgeschichtlich stammen kortikale Neurone von so genannten Matrixzellen ab. Dabei hat sich in jüngster Zeit gezeigt, dass aus dem Bereich der ventrikulären Zone des Gyrus dentatus (unterhalb der Körnerzellschicht) auch bei adulten Organismen noch neuronale Vorläuferzellen heranreifen können. Die Wanderung dieser neuronalen Vorläuferzellen von der ventrikulären Platte zur pialen Oberfläche findet während des gesamten adulten Lebens statt und kommt nicht zum Abschluss. Auf der Basis solcher Befunde sind in jüngster Zeit Hoffnungen formuliert worden, neuronales Ersatzmaterial aus diesen Vorläuferzellen gewinnen zu können (Stammzelltherapie). Außerdem wurde vermutet, dass diese Zellen reparative Kapazität bei Schädigung des ZNS aufweisen könnten. Experimente mit neuronalen Stammzellen und der Stimulation der Neurogenese im Gyrus dentatus befinden sich jedoch noch im Entwicklungsstadium. Insbesondere bleibt die Frage offen, ob sich Stammzellen als Neurone in die bestehenden Schaltkreise integrieren. £ Cornu ammonis und Gyrus dentatus. Auf

Frontalschnitten verlaufen die Zellbänder des entorhinalen Cortex über das Subiculum in die Pyramidenzellschicht der Regionen CA1 (Cornu ammonis 1), CA2 und CA3 sowie in einer CForm in den Hilus gyri dentati. Das Zellband des Gyrus dentatus, das aus Körnerzellen besteht, bildet eine weitere C-förmige Struktur, die kappenartig dem Pyramidenzellband der CA3-Region aufsitzt (s. Abb. 5.122). £ Tractus perforans. In ihrer Entwicklung erreichen die Fasern des Tractus perforans aus dem entorhinalen Cortex im Gyrus dentatus die Dendriten von Körnerzellen, aber auch von Pyramidenzellen des Cornu ammonis. Es bildet sich eine Verschaltungskette zwischen entorhinalem Cortex, Gyrus dentatus, Cornu ammonis, Subiculum und entorhinalem Cortex (s. Abb. 5.122

529

rechts). Diesem neuronalen Schaltkreis wird eine wichtige Funktion bei der Generation von Gedächtnisinhalten zugeschrieben. Dabei ist dem Hippocampus weniger die Speicherfunktion an sich, als vielmehr die Selektion von Gedächtnisinhalten und somit die Ablage von Informationen in kortikalen Gedächtnisspeichern zuzuordnen. Durch seine efferente Faserverbindung (s. Kap. 5.2.5.1, S. 395) zu den Corpora mamillaria und dem Hypothalamus (mit Umschaltung in der Septumregion) stellt der Hippocampus eine Verbindung zwischen dem Cortex cerebri (über die Area entorhinalis) und dem vegetativen Nervensystem her (s. Abb. 5.124). Schichtenspezifität. Gyrus dentatus und Cornu ammonis zeigen eine sehr klare anatomische Gliederung. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass sowohl die Verschaltung der Körnerzellen als auch die der Pyramidenzellen in Schichten entlang ihrer Dendriten organisiert ist. So enden Fasern des Tractus perforans an den distalen Abschnitten der Dendriten von Körner- und Pyramidenzellen (äußeres und mittleres Drittel), wohingegen Fasern aus den Nucll. septales und dem Nucl. basalis (Meynert) weiter proximal, Assoziations- und kommissurale Fasern aber zellkörpernah am Stamm der Dendriten enden. Hierbei findet sich die kortikale Schichtung vereinfacht wieder. Gyrus dentatus und Hippocampus sind Gegenstand vielfältiger neurobiologischer Untersuchungen. Die Möglichkeit, auf experimentellem Weg unterschiedliche Afferenzen des Hippocampus zu schädigen und somit eine partielle, selektive Deafferenzierung zu induzieren, erlaubt ein modellhaftes Studium der Umbauvorgänge nach Hirnschädigungen. Plastizität. Läsionsstudien zeigen, dass nach Schädigung des entorhinalen Fasersystems diese Fasern durch andere verbliebene hippokampale Afferenzen ersetzt werden, etwa aus dem Septumgebiet oder dem kontralateralen Hippocampus. Dabei verweisen sowohl die normale Schichtung als auch der Reorganisationsprozess nach Läsion, der wiederum schichtenspezifisch verläuft, auf genetische molekulare Mechanismen, die auch der Entwicklungsmorphologie des Gyrus dentatus und des Hippocampus zugrundeliegen. An diesem System sind beispielhaft die Konzepte der neuronalen Plastizität und die Vorstellung formuliert worden, dass auch das adulte Nervensystem nach Verlust von synaptischen Eingängen diese durch reaktive Synaptogenese ersetzen kann. Hoffnungen, dass dieser Prozess auch klinisch-therapeutisch erfolgreich genutzt werden könnte, sind bis heute allerdings nicht eingelöst.

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5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Striae longitudinales (Lancisi)

Nuclei septales med. et lat.

Abb. 5.124: Hauptverbindungen des Hippocampus (nach P. Brodal, 1992). Erläuterung der Afferenzen und Efferenzen des Hippocampus im Text. Blau: Afferenz, rot: Efferenz

LTP. Neben dem Nachweis, dass das ZNS nach einer Schädigung plastisch reagieren kann und neue Synapsen bildet, ist am Hippocampus auch das physiologische Phänomen der Langzeitpotenzierung (Long-term potentiation - LTP) nachgewiesen worden. Hierbei kommt es zu einer anhaltenden Verstärkung der synaptischen Signalübertragung bei repetitiver oder paralleler Stimulation. Dieses Phänomen wird als zelluläres Korrelat von Gedächtnisfunktionen betrachtet.

Klinik: 1. Die Hippokampusregion erfüllt vielfältige Funktionen im Rahmen von emotionalem Verhalten (Affektionen, Sexualverhalten), der Integration vegetativ-somatischer Reaktionen sowie Gedächtnis- und Bewusstseinsfunktionen. Nach beidseitiger Läsion medialer Temporallappenanteile (Amygdala und Hippokampusformation), z. B. nach Traumata, Herpes-simplex-Encephalitis oder paraneoplastischen Syndromen, kann sich ein Klüver-BucySyndrom entwickeln. Es ist von Hypersexualität, emotionaler Verflachung, Furchtlosigkeit und Gedächtnisverlust gekennzeichnet. 2. Im Rahmen von epileptischen Anfallserkrankungen

kommt es häufig zur Ammonshornsklerose mit einer Induration sowie weißlichen Verfärbung des Hippocampus. Histologisch findet man eine Gliose (Vermehrung von Gliazellen) mit Verlust von Nervenzellen. 3. Die Ursprungsneurone des Tractus perforans in Schicht II und III des entorhinalen Cortex sind frühzeitig bei der Alzheimer-Erkrankung betroffen. Hierdurch kommt es zu einer Unterbrechung der Signalweiterleitung in den Hippocampus. 4. Afferenzsysteme aus den Nucll. raphe, mit Serotonin als Transmitter, und dem Nucl. coeruleus, mit Noradrenalin als Transmitter, sind modulatorisch auf die Aktivität hippokampaler Signalweiterleitung wirksam. Schädigungen dieser Gebiete können so auf eine Beeinflussung von Lern- und Gedächtnisfunktionen bezogen werden, für die der Hippocampus eine wesentliche Rolle spielt. 5. Ischämische Episoden im Stromgebiet der Arteria cerebri posterior können sehr frühzeitig zu Schädigung des hippokampalen Sektors CA1 (Sommer-Sektor) führen. Die Empfindlichkeit dieser Neurone auf Blutunterversorgung ist ein auffallendes, aber

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

bis heute ungeklärtes Phänomen. Dafür werden einerseits die Verschaltung dieser Nervenzellen, etwa besonders starke exzitatorische Eingänge bzw. geringgradig hemmende (GABAerge) Interneuronverschaltungen, sowie andererseits intrazelluläre Eigenschaften (niedrige Reizschwelle und Spontanaktivität) verantwortlich gemacht. 6. In der Area entorhinalis finden sich häufig Zonen von Übererregbarkeit, die epileptische Anfälle auslösen können. Etwa 20 % solcher epileptischer Areale zeigen sich gegenüber einer pharmakologischen Therapie resistent. Aus diesem Grund führt man neurochirurgische Eingriffe durch, bei denen der entorhinale Cortex (zum Teil mit angrenzendem Temporallappen und Hippocampus) entfernt wird. Diese Eingriffe dürfen jedoch nur unilateral durchgeführt werden: 7. Bei bilateraler Entnahme dieser Hirnteile kommt es zu einer ausgeprägten anterograden Amnesie (was nach dem Eingriff passiert, kann nicht erinnert werden, was zuvor geschah, bleibt im Gedächtnis). Ebenso tritt eine leichtere retrograde Amnesie (entsprechend: Was zuvor geschah, wird vergessen) auf. Im Jahre 1957 berichteten die kanadischen Chirurgen W. Scoville und B. Milner von ihrem Patienten H. M., dem sie wegen therapieresistenter Epilepsie die Hippokampusformation und die Amygdala beidseitig operativ entfernt hatten: H. M. konnte nach der Operation zwar alte Gedächtnisinhalte abrufen, aber keine neuen mehr hinzu gewinnen. So erinnerte er sich an seine alte Adresse, konnte aber nach einem Umzug nicht mehr seine neue Adresse erlernen. Tätigkeiten des täglichen Lebens waren ihm kurz danach nicht mehr verfügbar, während seine abstrakte Intelligenz nicht eingeschränkt war. 5. Bedeutung des Limbischen Systems für Lernen und Gedächtnis Schädigungen des Temporallappens im Allgemeinen und der Hippokampusformation im Besonderen wurde aufgrund experimenteller Befunde eine besondere Bedeutung für die Entwicklung von Störungen der Gedächtnisleistung zugeschrieben. Es hat sich herausgestellt, dass das Gedächtnis eine komplexe Hirnfunktion darstellt, also nur im Gefüge aller beteiligten Strukturen seine Leistung vollbringt. Dabei müssen sowohl ein Kurz- als auch

531

ein Langzeitgedächtnis, ein Arbeits- und Ortsgedächtnis sowie unterschiedliche Gedächtnisinhalte voneinander abgegrenzt werden. Es gibt vielfältige experimentelle und klinische Befunde, die eine Zuordnung der verschiedenen Gedächtnisleistungen zu bestimmten Abschnitten des Temporallappens nahelegen. Dem Hippocampus werden besonders die Bildung von Gedächtnisinhalten zugesprochen, die Objektzuordnungen und das Erinnern von komplexen Abläufen beinhalten (s. Patientenkasuistik H. M.). Außerdem sind andere Strukturen des Temporallappens und auch des übrigen Cortex cerebri für die Ausbildung von Gedächtnisfunktionen von entscheidender Bedeutung. Hierzu zählen insbesondere Bereiche des präfrontalen Cortex.

5.4.10.2 Kortikale Systeme Lernziele: Neocortex: Struktur und Funktionen; Hirnrinde: Zytoarchitektur, Assoziationsareale höherer kognitiver Leistungen (parietealer, frontaler, temporaler Assoziationskortex), motorisches und sensorisches Sprachzentrum, Hemisphärendominanz 1. Struktur und Funktionen des Neocortex Im Verlaufe der Phylogenese hat sich der Neocortex als der größenmäßig dominierende Anteil des ZNS herausgebildet. Bei höheren Primaten, besonders beim Menschen, überdeckt der Neocortex praktisch das gesamte andere Hirnparenchym. Dieses Phänomen wird Ne(o)encephalisation genannt. Der menschliche Cortex cerebri enthält beim Erwachsenen etwa 1012 (1 Billion) Nervenzellen und bildet damit mehr als die Hälfte der grauen Substanz des ZNS. Diese enorme phylogenetische Massenzunahme legt eine Verbindung des Neocortex mit den typischen Eigenschaften und Potenzialen höherer Primaten und besonders des Menschen nahe. Diese Massenzunahme ist von einer enormen Vergrößerung der Oberfläche des Neocortex begleitet. Sie beträgt beim Menschen etwa 0,2 m2. Dabei sind nur 1/3 dieser Fläche auf der freien Oberfläche vorzufinden, während der Rest in der Tiefe der Sulci liegt. Während sich der

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

532

Lobus olfactorius

Bulbus olfactorius

Bulbus olfactorius

Cortex cerebri bei Nagetieren noch als eine Struktur mit glatter Oberfläche darstellt (lissenzephaler Cortex; gr. lissos = glatt), finden sich bei höheren Säugetieren, bei Primaten und dem Menschen die typischen Vertiefungen, welche die Oberflächenvergrößerung ermöglicht haben (gyrenzephaler Cortex, gr. gyros = Windung, s. Abb. 5.125). 2. Innere Struktur des Neocortex Alle neokortikalen Areale zeigen eine typische sechsschichtige Gliederung. £ Organisation in Schichten und Kolumnen.

Die Nervenzellen der Hirnrinde befinden sich in abgrenzbaren Schichten, Laminae, parallel

Abb. 5.125: Die Phylogenese des Cortex cerebri. Palaeoencephalon = grau, Neencephalon = schwarz. Medianschnitte durch die Gehirne von Hai, Eidechse, Kaninchen und Mensch

zur Hirnoberfläche angeordnet (s. Abb. 5.106, 126). Austretende (efferente) Fasern und eintretende (afferente) Fasern enden in spezifischen Schichten. Daneben ordnen sich Nervenzellen verschiedener Laminae gemeinsam in vertikalen Säulen, Columnae oder Kolumnen, an, die einen Durchmesser von ca. 0,5 mm haben. Die Kolumnen, Columnae, spiegeln funktionelle Einheiten wider. Kortikale Laminae Nach zytoarchitektonischen Gesichtspunkten wird der Isokortex in 6 Schichten eingeteilt, die in der Reihenfolge von außen nach innen, also

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

533

assoziatives und Kommunikationssystem

Lamina molecularis (I) Lamina granularis externa (II) Lamina pyramidalis externa (III)

Körnerzelle

(IVA) Lamina granularis (IVB) interna

Projektionsfasern

(IVCα) (IVCβ) Lamina pyramidalis interna (V)

Lamina multiformis (VI)

Abb. 5.126: Organisationsschema des Isokortex (am Beispiel der primären Sehrinde, Area 17)

von der Hirnoberfläche bis zur Rinden-MarkGrenze, üblicherweise mit römischen Ziffern bezeichnet und ggf. weiter unterteilt werden. Von der Hirnoberfläche zur weißen Substanz unterscheidet man: • Lamina I: Molekularschicht (Lamina molecularis oder Lamina plexiformis): enthält neben wenigen Perikaryen (Nervenzellkörpern) überwiegend horizontal verlaufende Axone und die apikalen Dendriten von Pyramidenzellen tieferer Schichten. • Lamina II: äußere Körnerzellschicht (Lamina granularis externa): enthält dicht gepackte Zellen mit einem zumeist runden und kleinen Zellkörper.

• Lamina III: äußere Pyramidenzellschicht (Lamina pyramidalis externa): besteht aus mittelgroßen Nervenzellen mit einem im Schnittpräparat dreieckigen „pyramidalen“ Zellkörper, deren apikale Dendriten bis in Lamina I reichen. • Lamina IV: innnere Körnerzellschicht (Lamina granularis interna): enthält (ähnlich wie die Lamina III) Nervenzellen mit einem kleinen runden Zellkörper. Diese Schicht ist besonders in den primärsensorischen kortikalen Arealen (Areae 3, 17 und 41) stark ausgebildet. In Area 17 (deshalb auch: Area striata) ist die Lamina IV durch ein breites Faserband, dem makroskopisch sichtbaren Gennari-Streifen (auch Vicq d‘Azur: die Afferenz vom CGL;

534

nicht verwechseln mit dem Vicq d‘Azur-Bündel: Tractus mamillothalamicus, Abb. 5.119), in 2 Abschnitte unterteilt (s. auch Abb. 5.106). Die Lamina IV ist zelldicht mit wenig Neuropil, die Zellkörper sind relativ klein. • Lamina V: innere Pyramidenzellschicht (Lamina pyramidalis interna): besteht aus großen Nervenzellen mit einem pyramidalen Zellkörper, deren apikale Dendriten bis zur Kortexoberfläche reichen. Außerdem bilden sie Lateraldendriten und einen Kranz von Basaldendriten aus. In den primären motorischen Arealen (Area 4) ist dieser Neuronentyp besonders ausgeprägt. Dort befinden sich auch die Betz-Riesenpyramidenzellen (s. Kap. 5.4.7.5.1, S. 497). Die Lamina V ist wegen der starken Ausprägung der Dendritenbäume und ihrer Synapsen eine neuropilreiche Schicht. • Lamina VI: multiforme Schicht (Lamina multiformis): enthält nur wenige mittelgroße Nervenzellen, die zumeist einen spindelförmigen Zellkörper aufweisen. In dieser Schicht finden sich sehr viele senkrecht verlaufende Axone, die zu den Columnae auf- bzw. von ihnen kommend absteigen. Unterhalb der multiformen Schicht befindet sich die weiße Substanz. Sie besteht aus den Fasersystemen (Tractus) der Projektions-, Assoziations- und Kommissuralfasern. Diese Fasern erreichen meist gebündelt ihre Kolumnen. Alle Kortexschichten enthalten neben den Prinzipalzellen auch hemmende und erregende Interneurone. 3. Generelle Organisation der kortikalen Verschaltungen Die Laminae II und IV können als afferente Schichten des Neocortex angesehen werden. £ Sie sind deshalb besonders stark in den primär

sensorischen Arealen (granuläre Rinde) ausgebildet, während sie in den primärmotorischen Arealen (agranuläre Rinde) sehr reduziert sind. In der Lamina II treffen hauptsächlich Afferenzen aus anderen kortikalen Arealen ein (Assoziations- und Kommissuralfasern), während in der Lamina IV vor allem Fasern aus dem Thalamus, d. h. Fasern der langen afferenten Projektionsbahnen enden.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Die Laminae III und V sind hingegen die efferenten Schichten des Neocortex und aus diesem Grund in den primär motorischen Arealen besonders gut entwickelt. In primär sensorischen Arealen sind sie sehr reduziert. Die Nervenzellen von Lamina III senden ihre Axone hauptsächlich als Assoziations- und Kommissuralfasern in andere kortikale Areale. Die aus Lamina V entstammenden Fasern bilden die langen, vom Cortex absteigenden Projektionsbahnen in tiefer liegende Abschnitte des ZNS. Die Lamina VI ist ebenfalls hauptsächlich efferent und Ursprungsgebiet für die Fasern zum Thalamus. £ Brodmann-Areale (Abb. 5.127 und 128).

Histologische Präparate mit einer Zellkörperfärbung der Nervenzellen erlauben eine Unterteilung der verschiedenen Abschnitte des Neocortex. Eine solche Klassifizierung stützt sich auf Unterschiede in der Dicke der Laminae, des Neuropilreichtums oder der Zellausstattung. Diese zytoarchitektonische Einteilung, welche zuerst von K. Brodmann (1908) durchgeführt worden ist, wurde seitdem mit funktionellen Unterschieden isolierter Kortexareale in Verbindung gebracht. Neuere funktionelle Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren (fMRT, PET) haben unsere Kenntnisse über die Funktionseinteilung des Neocortex weiter entwickelt (ein Beispiel zeigt das fMRT in Abb. 5.110). Zunehmend werden heute auch andere Charakteristika neokortikaler Areale, etwa die Rezeptorausstattung und die Verschaltungseigenschaften herangezogen, um den Neocortex funktionell besser verstehen und damit auch noch genauer klassifizieren zu können.

4. Zelluläre Organisation des Neocortex Die neuronalen Zelltypen des Neocortex lassen sich in 3 Klassen unterteilen: Pyramidenzellen, Körnerzellen und kortikale Interneurone. £ Pyramidenzellen (in den Laminae III und V)

senden ihre Axone in die weiße Substanz und innervieren entweder andere kortikale Areale oder subkortikale Strukturen. Dabei bilden ihre Axone regelmäßig rekurrente Kollateralen aus,

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

535

3

18

Abb. 5.127 und 5.128: Die zytoarchitektonische Kartierung der lateralen (oben) und medialen (unten) Hirnrinde nach K. Brodmann

die benachbarte Zellen, zumeist Interneurone, erreichen. Pyramidenzellen machen etwa die Hälfte aller kortikalen Neurone aus und benutzen meist Glutamat als exzitatorischen Transmitter. Sie erregen ihr Zielgebiet sowohl direkt als auch indirekt durch rekurrente Kollateralen. £ Körnerzellen befinden sich vornehmlich in den Laminae II und IV und stellen die afferenten Neurone des Neocortex dar. Sie empfangen sowohl Fasern aus subkortikalen Arealen, besonders dem Thalamus (hauptsächlich in Lamina IV), als auch Assoziationsfasern anderer

kortikaler Areale (vornehmlich in Lamina II), und sind mit Pyramidenzellen verschaltet. Diese Verschaltung bildet stellenweise das Korrelat einer sensomotorischen Interaktion, also einer Verschaltung zwischen sensorischen Afferenzen und den Ursprungszellen motorischer Efferenzen (den Pyramidenzellen). £ Kortikale Interneurone sind Nervenzellen mit Axonen, die in einem bestimmten, eng umschriebenen kortikalen Areal verbleiben. Sie finden sich in allen Schichten des Neocortex. Die meisten Interneurone benutzen

536

γ-Aminobuttersäure (GABA) als inhibitorischen Transmitter. Auf diese Weise hemmen sie direkt benachbart liegende Pyramidenzellen. Vertikal organisierte Interneurone führen zu einer Hemmung innerhalb einer Kolumne, horizontal organisierte Interneurone zu einer lateralen Inhibition (s. Abb. 5.126). Im somatosensorischen Cortex spielt diese laterale Inhibition eine entscheidende Rolle für die Abgrenzung von Kolumnen, die sich in Feldern anordnen (barrel fields). Diese werden für die räumliche Auflösung des sensorischen Eindrucks im Cortex cerebri verantwortlich gemacht. Die laterale Ausdehnung dieser horizontalen Axone ist auf 1-2 mm beschränkt. Kolumnen, die weiter entfernt voneinander liegen, sind durch Assoziationsfasern (innerhalb einer Hemisphäre) oder kommissurale Fasern (zur kontralateralen Hemisphäre) verschaltet. GABAerge Interneurone enthalten häufig auch Neuropeptide als Co-Transmitter. Der Gehalt an Neuropeptiden, die als Co-Transmitter oder Neuromodulatoren fungieren, kann mit der spezifischen Funktion verschiedener Subklassen von Interneuronen in Verbindung gebracht werden. Eine besondere Gruppe kortikaler Interneurone zeigt morphologisch einen sternförmigen Zellkörper. Diese Sternzellen bilden entlang ihrer Dendriten Dornen aus, worin sie den Pyramidenzellen ähneln. Sie benutzen ebenso wie Pyramidenzellen Glutamat oder Aspartat als exzitatorischen Transmitter. Somit haben sie andere funktionelle Aufgaben als typische GABAerge Interneurone.

Klinik: 1. Die Veränderung der kortikalen Hemmung spielt bei der Epilepsie eine entscheidende Rolle. Als ätiopathologische Mechanismen werden Verlust von inhibitorischen GABAergen Interneuronen, unterschiedliche Rezeptorausstattung und Veränderungen der membranständigen Kanäle des inhibitorischen Systems diskutiert. 2. Ein unterschiedlicher Gehalt an Neuropeptiden und Kalzium-bindenden Proteinen wird mit der Empfindlichkeit GABAerger Interneurone gegenüber hypoxischen Schäden und Temperaturschwankungen (im Vorfeld einer Epilepsie) in Verbindung gebracht. 3. Der Wegfall kortikaler Hemmung führt nach dieser Vorstellung zu unkontrollierter Übererregbarkeit von Pyramidenzellen und klinisch zum epileptischen Anfallsgeschehen.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

5. Funktionelle Bedeutung der zellulären Organisation Wir können davon ausgehen, dass ein aus dem Thalamus stammendes Axon, das die Lamina IV einer Kolumne des Neocortex erreicht, sich hier mit den Dendriten von etwa 5 000 kortikalen Neuronen verbindet. Die induzierte Erregung in diesen Neuronen wird durch rekurrente Kollateralen auf inhibitorische Interneurone weitergegeben. Die genaue Verschaltung in den verschiedenen Arealen mit ihren jeweiligen Kolumnen ist unterschiedlich, was mit der spezifischen Funktion in Zusammenhang gebracht wird. In den verschiedenen Schichten findet man einen unterschiedlicher Grad an Konvergenz (viele Neurone projizieren auf wenige) oder Divergenz (wenige Neurone projizieren auf viele). Jeweils eine Betz-Riesenpyramidenzelle des Motocortex (Area 4) besitzt etwa 60 000 Synapsen und integriert die Informationen von annähernd 600 benachbarten kortikalen Zellen. Die Axone inhibitorischer Neurone enden vornehmlich somanah und bilden axosomatische Synapsen aus, wohingegen exzitatorische Eingänge anderer Pyramidenzellen an den Dendritendornen (axodendritische Synapsen) Kontakte ausbilden. Neben der letztgenannten exzitatorischen Innervation aus spezifischen Arealen, die der funktionsorientierten Signalweiterleitung (Information im engeren Sinne) dienen, enden an diesen Zellen auch Axone aus subkortikalen Kerngebieten: Afferenzen aus dem Nucl. coeruleus (adrenerg), aus dem Nucl. raphe (serotoninerg), aus dem VTA (dopaminerg) und aus den Nucll. septales et basales (cholinerg) wirken modulatorisch, indem sie den Aktivitätszustand kortikaler Zellen beeinflussen (s. Kap. 5.4.1, S. 456). Auf diese Weise wird die spezifische Informationsweiterleitung durch die vorgenannten aufsteigenden Fasersysteme aktivitätsmoduliert. Ebenso kann auch GABAerge Inhibition (ausgehend von Interneuronen) eine schnelle Hemmung kortikaler Neurone bewirken oder (zumeist durch Co-Transmission von Neuropeptiden) den Charakter einer langsamen Hemmung aufweisen. Hierbei spielen unterschiedliche Rezeptorsysteme des GABAergen Systems eine entscheidende Rolle.

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

6. Höhere kognitive Leistungen Kortikale Areale, die nicht dem primär motorischen Kortex (Area 4) oder dem primär sensorischen Kortex (Areae 3, 17 und 41) zugerechnet werden, kann man als Assoziationskortex zusammenfassen. Assoziationskortizes sind multimodal, d. h. sie verarbeiten Informationen mehrerer Sinneskanäle und integrieren sie zu einer Objektwahrnehmung. £ Areale des Assoziationskortex finden sich in

allen 4 Lobi des Telencephalon. Dort werden in sekundären und tertiären Assoziationsfeldern

• entweder die primären sensorischen Informationen weiterverarbeitet (parietal, okzipital und temporal) • oder motorische Bewegungsmuster entworfen (im Lobus frontalis), die an das primärmotorische Areal weitergegeben werden. £ Lokalisationshypothese (s. Abb. 5.129 und

5.130). Im Verlauf der Phylogenese entwickelte sich die Ausdehnung der kortikalen Areale, die dem Assoziationskortex zuzuordnen sind, dramatisch. Selbst zwischen (Menschen-)Affenund Menschengehirnen existiert noch ein deutlicher Unterschied. Somit scheint man die Areale des Assoziationskortex mit den höheren kognitiven Leistungen des Menschen in Verbindung bringen zu können. Medizinhistorisch gesehen, hatte man insbesondere seit dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert versucht, innerhalb dieser Assoziationskortizes Areale zu definieren, die als Zentren bestimmter Hirnfunktionen dienen sollten. Diese Vorstellung wird als Lokalisationshypothese bezeichnet (s. Abb. 5.139).

Für einige Areale der Assoziationskortizes gelingt in der Tat eine vergleichsweise präzise Funktionszuschreibung. Darüber hinaus ist allerdings die Vorstellung von kortikalen Zentren, in denen auch höhere kognitive Leistungen bis hin zu Bewusstseinsvorgängen und spezifischen Fähigkeiten des menschlichen Gehirns lokalisiert seien, nicht belegbar. Hierbei spielt eine Rolle, dass Areale in unterschiedlichen Abschnitten des Gehirns ähnliche Funktionen übernehmen oder sogar regelmäßig mehrere Funktionen gleichzeitig ausführen können. Es bestehen sehr starke interindividuelle (auch interkulturelle) Unterschiede in der genauen

537

Lokalisation solcher Areale. Entsprechend findet sich in den Verschaltungen der Assoziationskortizes ein hoher Grad von Divergenz und Konvergenz. Überdies stehen die Bereiche des Assoziationskortex in enger Verbindung zu subkortikalen Zentren (Thalamus und Limbisches System). Durch das Wechselspiel des Informationsaustauschs zwischen den Assoziationskortizes einerseits sowie solchen subkortikalen Strukturen andererseits entsteht nach heutiger Vorstellung ein neuronales Netzwerk, welches die Voraussetzung für höhere kognitive Leistungen und mentale Funktionen beim Menschen darstellt. Für die Untersuchung höherer kognitiver Leistungen des menschlichen Gehirns sind besonders in jüngster Zeit Messungen des zerebralen Blutflusses und des Glukoseverbrauchs unter Zuhilfenahme bildgebender Verfahren (fMRT und PET) vorgenommen worden. Es hat sich gezeigt, dass bei verschiedenen Aufgaben mehrere Areale des Assoziationskortex gleichzeitig aktiviert sein können. Gleiches gilt etwa auch für die Sprach- und somatosensorischen Zentren des Cortex (s. Abb. 5.110, 132). £ Parietaler Assoziationskortex. Im Gyrus post-

centralis des Lobus parietalis liegen als wichtiges Primärgebiet die Areae 3, 1 und 2 („Körperfühlsphäre“), in denen die sensiblen Bahnen enden. Von dort erhalten die Areae 5 und 7 im kranialen Lobus parietalis, die 2 wichtige Assoziationsfelder des Cortex für die Integration sensibler Informationen darstellen, ihre Eingänge. Zusätzlich erhalten diese Areale Informationen aus extrastriatalen visuellen Bereichen und sind wiederum mit dem Supplementär-Motorischen Areal (SMA) und dem Primär-Motorischen-Areal (PMA) verbunden. Ebenso sind sie über lange Assoziationsfasern, wie dem Fasciculus longitudinalis superior, mit präfrontalen Arealen verschaltet und verfügen über eine Verbindung zum Gyrus cinguli. Auf diese Weise scheinen parietale Assoziationsfelder den Einfluss somatosensorischer und visueller Stimuli auf emotionale Zustände, Aufmerksamkeit und Motivation zu vermitteln.

Klinik: 1. Bei Schädigung des posteroparietalen Cortex treten Schwierigkeiten bei der Umsetzung sensorischer Stimuli in adäquate motorische Abläufe auf. Dabei ist auch die

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

538

ß

ß

Abb. 5.129: Lokalisation der Hirnfunktionen nach K. Kleist (1934); laterale Ansicht

Bedeutungszuschreibung zu sensorischen Stimuli gestört. Dieses Symptom wird als Agnosie (gr. gnosis = Erkenntnis) bezeichnet und tritt jeweils in Bezug auf eine bestimmte sensorische Qualität auf, z. B. als visuelle Agnosie oder taktile Agnosie. Des weiteren kann eine Apraxie (gr. praxis = Tun) auftreten, bei der der Patient früher beherrschte Tätigkeiten nicht mehr ausführen kann. Unilaterale Läsionen führen häufig zu einem kontralateralen Neglect, bei dem der Patient die kontralaterale Körperseite nicht mehr wahrnehmen kann. 2. Bei bilateraler Schädigung des parietalen Cortex besteht häufig eine Unfähigkeit, visuelle Informationen und Bewegungen aufeinander abzustimmen. Beispielsweise gelingt das Füllen einer Kaffeetasse nicht mehr, da der Patient den Kaffee nicht in die Tasse, sondern daneben gießt oder das Auffüllen der Tasse nicht beenden kann. Dabei ist die Sehfähigkeit vollkommen ungestört und es liegen auch keine Paresen (= Lähmungen) vor.

£ Frontaler Assoziationskortex. Im Frontallap-

pen liegt als wichtiges Primärgebiet der Gyrus praecentralis, Area 4, der Beginn der willkürmotorischen Bahnen. Der frontale Assoziationskortex erhält seine Eingänge aus den primären oder sekundären motorischen Arealen

• PMA, SMA sowie • aus dem frontalen Augenfeld (Area 8). Diese Informationen werden vom frontalen Assoziationskortex integriert (s. Abb. 5.105). Innerhalb des frontalen Assoziationskortex befinden sich unterschiedliche zytoarchitektonische Gebiete, die jeweils spezifische Verschaltungen aufweisen. Der frontale Assoziationskortex erhält afferente assoziative Verbindungen von • den okzipitalen, den parietalen und den temporalen Kortexbereichen, • dem Gyrus cinguli, • dem Thalamus; diese Fasern entstammen überwiegend dem Nucl. mediodorsalis thalami, der seine Afferenzen selbst hauptsächlich aus der Amygdala erhält (s. Abb. 5.48).

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

539

ß,

z

Abb. 130: Lokalisation der Hirnfunktionen nach K. Kleist (1934); mediale Ansicht

Somit werden Informationen sämtlicher sensorischer Modalitäten in den präfrontalen Cortex geleitet. Efferente Verbindungen aus dem präfrontalen Cortex bestehen • zu den sekundär- und primärmotorischen Arealen, • zum Nucl. caudatus und • zum Hypothalamus. Auf diese Weise kann der präfrontale Kortex unmittelbar auf die motorischen Funktionen und das vegetative Nervensystem Einfluss nehmen. Klinik: 1. Schädigungen des präfrontalen Cortex, Frontalhirnsyndrom, betreffen v. a. die Persönlichkeitsmerkmale des Patienten. Um pathologische Veränderungen exakt beschreiben zu können, ist besonders bei unilateralen Schädigungen eine genaue Kenntnis der Primärpersönlichkeit wichtig. Solche Veränderungen zeigen sich in emotionaler Verflachung, Verlust des Kritikvermögens sowie der Lern- und Adap-

tationsfähigkeit. 2. Deutlich werden diese Symptome oft erst bei bilateraler Läsion des präfrontalen Cortex. Ein typisches Phänomen ist die so genannte verbale oder taktile Perseveration, ein krankhaftes Verweilen bei ein und demselben Denkinhalt, eine Art „Klebrigkeit“ der Sprache und des Verhaltens, die wenig Anpassungsfähigkeit an neue Situationen erlaubt. Darüber hinaus sind Veränderungen des präfrontalen Kortex im Rahmen psychiatrischer Erkrankungen (etwa der Schizophrenie) vermutet worden. Gesicherte Erkenntnisse hierzu gibt es allerdings bislang nicht. £ Temporaler Assoziationskortex. Im Lobus

temporalis liegen als wichtige Primärgebiete die Gyri transversi (Heschl-Querwindungen des Gyrus temporalis superior = Areae 41 und 42 = primärer auditorischer Kortex). Ein weitaus größerer Teil des Lobus temporalis wird dem temporalen Assoziationskortex zugerechnet.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

540 Gyrus praecentralis

Sulcus centralis

PMA

motorisches Sprachzentrum nach Broca

sensorisches Sprachzentrum nach Wernicke

Die temporalen Assoziationsareale im Gyrus temporalis superior weisen starke Verbindungen mit dem primären auditorischen Cortex (Area 41, 42) auf. Abschnitte im inferioren Anteil des Temporallappens sind hingegen besonders mit den extrastriatalen visuellen Arealen verschaltet (s. Abb. 5.133). Ausgeprägte Verbindungen bestehen zwischen den temporalen Arealen mit limbischen Strukturen. Der perirhinale (Area 35) und der entorhinale Cortex (Area 28) stellen Eingangspforten in das Limbische System dar. Ebenso finden sich Verbindungen zum Corpus amygdaloideum, das im rostralen Temporallappen liegt. Klinik: 1. Eine bilaterale Schädigung des Temporallappens führt zum Gedächtnisverlust, während unilaterale Schädigungen des Temporallappens Konzentrationsstörungen und visuelle Agnosie bewirken. 2. Resektionen des Temporallappens (unilateral) werden therapeutisch im Rahmen nicht medikamentös behandelbarer Epilepsien durchgeführt. 3. Bei beiderseitigen Läsionen der Sehrinde kann es zur Rindenblindheit (optische Agnosie, auch Seelenblindheit), bei Läsionen der Hörrinde zu Rindentaubheit (akustische Agnosie) kommen. £ Motorisches und sensorisches Sprachzent-

rum

Unterhalb der prämotorischen Areale findet sich in der Pars opercularis des Gyrus frontalis inferior die Area 44, die auch als Broca-Sprachzentrum („motorisches Sprachzentrum“) bezeich-

Abb. 5.131: Die Lage der kortikalen Sprachzentren, die über den Fasciculus arcuatus reziprok miteinander verschaltet sind (nach P. Brodal, 1992)

net wird. Der dorsale Teil der Area 22, die Area 39 (Gyrus angularis) und die Area 40 (Gyrus supramarginalis) bilden das ausgedehnte Wernicke-Sprachzentrum (sensorisches Sprachzentrum). Motorisches und sensorisches Sprachzentrum sind über den Fasciculus arcuatus reziprok miteinander verschaltet (Abb. 5.131). • Broca-Sprachzentrum. Dabei handelt es sich um einen Anteil des Assoziationskortex, der für die Zusammenführung motorischer Sprachmuster wichtig ist. Die Area 44 projiziert über den PMA und dem SMA zu den primärmotorischen Arealen. Sie nimmt daher keinen direkten Einfluss auf die motorischen Hirnnervenkerne, die bei der Sprachbildung beteiligt sind. Zur Initialisierung sinnvoller motorischer Sprachfunktionen ist die Broca-Region außerdem auf den ungestörten Input von Informationen aus dem sensorischen Sprachzentrum, der Wernicke-Region (s.u.), angewiesen, da die Sprachbildung funktionell neben dem Hörvermögen auch auf das Sprachverständnis angewiesen ist. Die Verbindungen werden der Area 44 über den Fasciculus arcuatus zugeführt. • Wernicke-Sprachzentrum. Es handelt sich um einen Bereich des sensorischen Assoziationskortex des Temporallappens, der zusammen mit umliegenden kortikalen Bereichen die Integration roher Sprachlaute und phonetischer Einheiten in Verständniskontexte umsetzt. Die Aktivierung der Sprachzentren kann im fMRT sichtbar gemacht werden (Abb. 5.132).

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

541

Abb. 5.132: Kortexareale im fMRT bei Sprachaktivierung im Sagittalschnitt (SAG), Frontalschnitt (FRO) und Horizontalschnitt (HOR); rostral = Ro, dorsal = D, rechts = R und links = L (Aus der Neurologischen Klinik der Charité, Prof. Dr. med. A. Villringer)

Klinik: 1. Bei Läsionen in den unterschiedlichen Arealen entstehen spezifische Sprachstörungsmuster, die zur neurologisch-topischen Diagnostik benutzt werden können. Dabei bilden Aphasien etwa 3 Viertel aller neuropsychologischen Syndrome. 2. Bei Läsionen des motorischen Broca-Zentrums steht die Störung der expressiven Sprachbildung im Vordergrund, während das Sprachverständnis selbst ungestört ist. Insbesondere die Spontansprache ist verlangsamt und die Sätze in einem Telegrammstil verkürzt. Die Patienten wollen sprechen, was durch eine vermehrte Sprachanstrengung gekennzeichnet ist. Sie sind aber meist nicht im Stande, längere Sätze hervorzubringen, was als motorische Aphasie bezeichnet wird. 2. Bei Ausfall der sensorischen Sprachregion, bzw. des Wernicke-Areals, nehmen die Patienten Gesprochenes akustisch wahr, ohne aber den tieferen Sinn zu begreifen. Der Sprachfluss selbst ist nicht beeinträchtigt. Dieses Krankheitsbild wird als sensorische Aphasie bezeichnet. Häufig ist die sensorische Aphasie mit einer Unfähigkeit zu Lesen, Alexie, verbunden. Da solche Prozesse oft inkomplett ablaufen und zudem nur im Wernicke- oder umgebenden Arealen auftreten, wirken die Patienten stark verwirrt oder erleben ihre Beeinträchtigung bewusst, ohne sie verändern zu können. Dies führt nicht selten zu erheblichen Frustrationen oder sogar Depressionen. Eine Läsion des Gyrus angularis äußert sich insbesondere in Lese- und Rechtschreibstörungen wie Dyslexie und Dysgraphie. Oft sind entsprechende Patienten zwar in der

Lage, den semantischen Gehalt von präsentierten Gegenständen zu erfassen, ohne diesen aber „auf den Begriff bringen“ zu können. Sie benutzen umständliche Umschreibungen und Neologismen, für eine dargebotene Uhr z. B. „etwas, das die Zeit misst“. 3. Beide Aphasieformen können auch, etwa bei ausgedehnten Hemisphären-Infarkten, kombiniert auftreten: globale Aphasie. Die Verbindung beider Sprachzentren über Assoziationsfasern bedingt auch, dass sie morphologisch intakt bleiben können, während ihre Verbindungsfasern destruiert wurden: Leitungsaphasie. £ Kommissurale Verschaltungen

der Hemisphären

Die Areale beider Hemisphären sind durch Kommissurenfasern verbunden. Diese kreuzen die Mittellinie als Corpus callosum. Nur 2 % der Fasern kreuzen in der Commissura anterior, verbinden den Palaeocortex beider Temporallappen und gehören überwiegend zum olfaktorischen System. In der Commissura posterior kreuzen überwiegend Fasern der prätektalen Kerngebiete. Nicht alle kortikalen Areale sind bilateral miteinander verschaltet. Gebiete des primärmotorischen und -sensorischen Kortex für die distalen Extremitätenabschnitte weisen ebenso wie die Area striata (Area 17, primäres optisches Rindenfeld, s. Abb. 5.133) keine kommissuralen Verbindungen auf. Kommissurenfasern bestehen hingegen in den

542

Assoziationskortizes und solchen Arealen, die für die koordiniert-bilateralen Abläufe verantwortlich sind.

Abb. 5.133: Assoziative Verbindungen des visuellen Cortex des Primaten (nach P. Brodal, 1992)

£ Hemisphärendominanz

Einige Leistungen des Cortex cerebri sind in einer Hemisphäre dominant. Lateralisation von Funktionen. Sie betrifft v. a. die Sprache, wobei die linke Hemisphäre bei etwa 95 % aller Menschen für Sprachverständnis und -produktion verantwortlich ist. Dies gilt für alle Rechtshänder, aber auch für eine große Zahl von Linkshändern, von denen nur 30 % eine rechtshemisphärische Sprachdominanz besitzen. Bei diesen kommt es allerdings gehäuft zu einer bilateralen Lokalisation der Sprachfähigkeit. Ebenso ist die Händigkeit (Links- oder Rechtshändigkeit) durch die Lateralisation der Hemisphärenfunktion zu erklären. Die Kombination von Sprachdominanz und Händigkeit ist quantitativ häufig. Dennoch gibt es keine klare Einteilung von spezifischen Leistungen der linken oder rechten Hemisphäre, sondern eher einen kontinuierlichen Übergang.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Aus funktionellen MRT-Studien (fMRI) wie auch aus Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Untersuchungen an Probanden geht hervor, dass auch die O2- und Glucose-Versorgung der sekundären Hörrinden beider Hemisphären von unterschiedlichen Impulsangeboten abhängt. In Übertragung auf die funktionelle Bedeutung beider Regionen geht man inzwischen davon aus, dass in der meist linksseitig gelegenen sprachdominanten Hemisphäre eher rationale Aufgaben gelöst werden und ein semantisches Erinnerungsvermögen für Zeichen und Symbole lokalisiert ist. Demgegenüber gewährleistet die nicht-sprachdominante Hemisphäre (meist rechts) die Integration musischer Sinnesdaten sowie die phantasievolle Assoziation und bildliche Mustererkennung. Gelegentlich wurden auch geschlechtsspezifische Unterschiede der Wahrnehmungsintegration postuliert, aufgrund der gewählten Untersuchungsverfahren bleiben diese Behauptungen jedoch umstritten. Klinik: 1. Der Zustand nach Balkendurchtrennung (split brain, s. Abb. 5.134) ist nicht durch eine Veränderung der Persönlichkeit oder der Intelligenz gekennzeichnet, so dass Patienten nach Durchtrennung des Corpus callosum, Kallosotomie, wie sie heute nur noch sehr selten praktiziert wird, im Alltag unauffällig erscheinen. Dieser chirurgische Ansatz sollte früher der Verhinderung des Überspringens eines epileptischen Fokus von der einen zur anderen Hirnseite dienen. 2. Lediglich durch besondere Testung des visuellen und taktilen Systems lassen sich Anomalien beobachten. Zunächst ist festzuhalten, dass das Tastempfinden der Hände in den jeweils kontralateralen Hemisphären verarbeitet wird, und die optischen Reize aus dem betreffenden Gesichtsfeld kontralateral registriert werden. 3. Da entsprechend der Hemisphärendominanz bei Rechtshändern das Sprachvermögen zu etwa 90 % in der linken Hemisphäre lokalisiert ist, können diese, bei entsprechender Testung, nur noch mit ihren linken Netzhauthälften lesen und Gegenstände, die sie in die linke Hand nehmen, nicht benennen: partielle Agnosie. Das heißt, Wahrnehmungen der einen Hemisphäre werden der anderen nicht mehr mitgeteilt, so dass etwa das Greifen eines Gegenstands mit der linken Hand nur zu einem Wahrnehmungskonzept auf der rechten

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

543

Seite führt. Dennoch vermögen sie durch entsprechende Handbewegungen den Gebrauch der Gegenstände zu veranschaulichen. 4. Das gleiche Phänomen tritt auch bei verdeckter Sicht auf, wenn die Patienten Gegenstände in die linke Hand nehmen (s. Abb. 5.134). Bewegungen der einen Extremität können darüber hinaus nicht von der kontralateralen Seite wiederholt werden, da sich die eine Hemisphäre nicht an die Impulse der anderen Hemisphäre „erinnert“.

5.4.11 Neuroendokrine Systeme Lernziele: Hypothalamo-hypophysäres System, zirkumventrikuläre Organe, Zirbeldrüse

5.4.11.1 Überblick Für die Regulation von Stoffwechsel- und Organfunktionen bildet der Hypothalamus des Dienzephalons die zentrale Struktur. Der Hypothalamus steuert diese Vorgänge über 2 Wege: nerval über die Bahnen und Neurone des vegetativen Nervensystems und neurohumoral über das neuroendokrine System. Dem Hypothalamus hierarchisch untergeordnet ist die Hypophyse. Das Corpus pineale steuert zirkadiane Rhythmen in Abhängigkeit vom Tageslicht. Die Informationsübertragung zwischen Neuronen und peripheren Effektorzellen, aber auch innerhalb des Gehirns, ist nicht auf die Baueinheit Synapse/ Neurotransmitter beschränkt. Einige Neurone sind zusätzlich in der Lage, Hormone zu bilden

Abb. 5.134: Darstellung der Untersuchung eines „Split Brain“-Patienten, die Einsichten in die Lateralisation der Hemisphärenfunktion ergab. Der Patient sieht oder tastet einen Gegenstand, kann ihn aber nicht benennen, da die optischen und taktilen Informationen in die rechte Hemisphäre gelangen und der Weg zum links lokalisierten Sprachzentrum durch die Balkendurchtrennung nicht mehr zur Verfügung steht (nach W. Kahle, 1991)

Abb. 5.135: Wege neuronaler und neuroendokriner Kommunikation (nach W. Kahle, 1991). Ein Aktionspotential bewirkt die Freisetzung von neurosekretorischen Vesikeln ins Blut. Die darin enthaltenen Neurohormone induzieren eine Änderung der Zielzellen, etwa die Kontraktion einer Muskelzelle. Dabei wird kein Aktionspotential ausgelöst.

544

und ins Blut freizusetzen. Solche Neurone haben Eigenschaften von Drüsenzellen und werden als neuroendokrine Zellen, der Vorgang als Neurosekretion bezeichnet (s. Abb. 5.135). Im Gegensatz zu Drüsenzellen besitzen neuroendokrine Zellen aber Dendriten und ein Axon, über welches das Hormon zum Blutgefäß transportiert wird. Die Trennung zwischen Neurotransmitter und Hormon ist nicht scharf. Zahlreiche Substanzen wirken als Transmitter, indem sie über synaptische Rezeptoren eine Veränderung des postsynaptischen Membranpotentials erzeugen. Klassische Transmitter können aber auch, nachdem sie über den Blutweg zu den Erfolgsorganen gelangt sind, Effekte auf nicht-neuronale Zellen erzielen, z. B. das Adrenalin und Noradrenalin auf nicht-gestreifte Muskelzellen. Umgekehrt können klassische Hormone, wie das Östrogen, Effekte auf die synaptische Transmission haben. Während zahlreiche Neuronenpopulationen des Gehirns Rezeptoren für Hormone haben (z. B. für Östrogen, Testosteron und Schilddrüsenhormone), ist die Bildung und Neurosekretion von Hormonen im wesentlichen auf 2 Regionen beschränkt, das hypothalamo-hypophysäre System und die Zirbeldrüse. Einschränkend muss bemerkt werden, dass in den letzten Jahren die Bildung von Sexualhormonen (Steroiden) in beträchtlichem Maße auch im Hippocampus gezeigt wurde.

5.4.11.2 Hypothalamo-hypophysäres System Die Hirnanhangsdrüse, Hypophyse, besteht aus 2 funktionell und entwicklungsgeschichtlich verschiedenen Regionen, dem Hypophysenvorderlappen (HVL, Adenohypophyse), dem Hypophysenhinterlappen (HHL, Neurohypophyse) sowie der dazwischen liegenden Pars intermedia als Rest des Hohlraums der Rathke-Tasche. £ Zwischenhirnhypophysensystem. Hypothala-

mus und Hypophyse bilden ein eng zusammen arbeitendes System: das Zwischenhirnhypophysensystem (ein Begriff von W. Bargmann), welches zahlreiche endokrine Funktionen im Körper durch Hormonfreisetzung steuert.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Diese Freisetzung wird durch positive und negative Rückkopplungskreisläufe (feedback-loops) reguliert, die im Detail noch nicht genau verstanden sind. Über besondere Rezeptoren, insbesondere im Hypothalamus, werden Änderungen von Messgrößen (z. B. Hormon-, Glucose- und Ionenkonzentrationen, Osmolarität, Temperatur) ermittelt. Danach werden die Messgrößen in einer mehrere Schritte umfassenden Signalweiterleitung durch Sekretion (oder Einstellung der Sekretion) zum Richtwert hin beeinflusst. Die Signalweiterleitung vom Hypothalamus zur Hypophyse erfolgt entlang von Axonen (in die Neurohypophyse) und über Hormone des Hypothalamus, welche als Releasing- oder Inhibiting Factors auf die Hormonfreisetzung der Adenohypophyse wirken. Die Hormone der Adenohypophyse wirken als glandotrope Hormone auf die großen Drüsen des Körpers (Schilddrüse, Nebennierenrinde), als gonadotrope Hormone auf die Gonaden (Eierstock und Hoden) und andere Reproduktionsorgane sowie als somatotrope Hormone auf zahlreiche im Körper verteilte Gewebe und Organsysteme. £ Komplexität des Systems. Sie ist dadurch

gesteigert, dass eine physiologische Stellgröße (z. B. das Wachstum der Epiphysenfugen) der Freisetzung mehrerer Hormone unterliegen kann. Umgekehrt kann auch die Freisetzung eines Hormons durch mehrere Signale reguliert werden (z. B. Kortisolausschüttung durch Schmerzreize). Hinzu kommt, dass ein Hormon an verschiedenen Erfolgsorganen und sogar an unterschiedlichen Zellen innerhalb eines Gewebes verschiedene Wirkungen aufweisen kann. So wird eine feinabgestimmte Kontrolle des inneren Milieus und des Stoffwechsels sowie eine enge Kontrolle der Reproduktionszyklen möglich.

Klinik. 1. Der Hypothalamus als übergeordnetes endokrines Regulationssystem bildet das zentrale Steuerungsorgan der neuroendokrinen Systeme. Über vielfältige Verbindungen ist er mit weiteren Hirnregionen verknüpft. Erkrankungen des Hypothalamus können zu definierten Stoffwechselstörungen wie Diabetes insipidus, Adipositas und Anorexie führen. 2.

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

Außerdem können endokrine Entwicklungsstörungen sowie sexuelle Störungen auftreten (z. B. Pubertas praecox und Hypogonadismus). Entwicklung der Hypophyse Das ektodermale Epithel des Rachendachs senkt sich beim ca. 4 Wochen alten Keimling zu einer Grube, Rathke-Tasche, ein. Diese wächst als Epithelsäckchen nach kranial der trichterförmigen Ausstülpung des Zwischenhirnbodens entgegen. Die zunächst schlauchförmige Verbindung zur primitiven Mundhöhle obliteriert zu einem soliden Zellstrang, der durch den Canalis craniopharyngeus des Keilbeinkörpers zieht. Das Hypophysensäckchen legt sich an die Neurohypophyse und wächst mit einem Fortsatz, der Pars tuberalis, am Infundibulum herauf bis zum Zwischenhirnboden. Die Hinterwand des Säckchens und der sich allmählich verkleinernde Hohlraum liefern die Pars intermedia. Die dicke Vorderwand differenziert sich zum Lobus anterior, Adenophyse. Die Ausstülpung des Zwischenhirnbodens differenziert sich in den Hypophysenstiel, Infundibulum, und den Hinterlappen, Lobus posterior, Neurohypophyse. Die Adenohypophyse entwickelt sich zu einer endokrinenen Drüse, die Neurohypophyse dagegen stellt einen Hirnabschnitt dar, in dem die Axone neuroendokriner hypothalamischer Neurone enden. Hypophysenhinterlappen, Neurohypophyse Lage und Verschaltung. Die Neurohypophyse ist ein ca. 0,15 g schweres, grauweißliches Organ, das den dorsalen Teil der Hypophyse und Teile des Infundibulums (Hypophysenstiel) einnimmt. Darin finden sich eine besondere Art von Gliazellen (die mit den Astrozyten verwandten Pituizyten) und die zumeist marklosen Fasern des Hypothalamus, die an den Basallaminae der gefensterten Blutkapillaren enden. Die Axone stammen aus dem Nucl. supraopticus und dem Nucl. paraventricularis und gelangen als Tractus supraopticohypophysialis und Tractus paraventriculohypophysialis vom Hypothalamus zur Neurohypophyse (s. Abb. 5.136, 137).

545

Die Neurone, deren Axone in die Neurohypophyse ziehen, produzieren das antidiuretische Hormon Adiuretin (ADH oder wegen der Wirkung auf den Tonus von Blutgefäßen Vasopressin) und Oxytocin. Transport der Hormone. ADH wird zum größten Teil von Neuronen im Ncl. supraopticus und das Oxytocin vorwiegend von Neuronen im Ncl. paraventricularis gebildet. Beide Hormone erreichen die Neurohypophyse über einen anterograden axonalen Transport, wobei sie an so genannte Neurophysine gebunden sind. Die in den Axonen tropfenartig gespeicherten Hormon- und Neurophysingranula fallen lichtmikroskopisch in axonalen Auftreibungen als Gomori-positive HerringKörper auf. Stimulation der Ursprungsneurone führt zur Freisetzung der gespeicherten Hormone in die Kapillaren, von wo aus sie auf humoralem Wege die Erfolgsorgane im Körper erreichen. Klinik: 1. ADH fördert die Rückresoprtion von Wasser in der Niere. Das adäquate Signal für die Ausschüttung ist der Anstieg der Osmolarität der Körperflüssigkeiten. Osmorezeptoren werden an verschiedenen Orten (Vena portae hepatis und direkt im Hypothalamus) vermutet, wobei die Informationen peripherer Rezeptoren wahrscheinlich über den N. vagus geleitet werden. Es kommt dann über eine noch unbekannte Verschaltung zur Stimulation der ADH-produzierenden Neurone. Lösen solche erregenden Potentiale ein Aktionspotential aus, so wird das gespeicherte Hormon ins Blut freigesetzt. Eine Störung dieses Regelkreises kann zum Diabetes insipidus führen, einem Wasserverlust über die Niere, der nur durch Zufuhr großer Mengen von Wasser (bis zu 20 l/d) überlebt wird. 2. Oxytocin verursacht den Wehenbeginn durch direkte Wirkung auf die nicht-gestreifte Uterusmuskulatur, weshalb eine Oxytocin-Infusion auch zur Geburtseinleitung benutzt wird. Außerdem wirkt Oxytocin auf das Myoepithel der Brustdrüse und reguliert so den Milchfluss. Der Sekretionsreiz ist hier das Saugen an der Brustdrüse. Über mechano-sensible Bahnen kommt es zur Reizung hypothalamischer Kerngebiete, so dass man vom Milchejektionsreflex als einem nervalhormonellen Reflexbogen sprechen kann.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

546

Nucleus paraventricularis Hypothalamus

Nucleus supraopticus Nucleus tuberalis

Chiasma opticum

Tractus tuberoinfundibularis

Tractus hypothalamohypophysialis Arteria hypophysialis superior

Adenohypophysis (Lobus anterior)

Vv. hypophysiales

venöse Portalgefäße

Neurohypophysis (Lobus posterior)

Arteria hypophysialis inferior

Abb. 5.136: Das Hypothalamus-Hypophysen-System (nach K. Zilles 1994). Hypothalamische Axone sezernieren Hormone in Kapillaren, die nach Zusammenschluss zu venösen Portalgefäßen ein zweites Kapillarbett in der Adenohypophyse bilden. Dort steuern die releasing und inhibiting factors die Sekretion der Hormone der Adenohypophyse

Hypophysenvorderlappen, Adenohypophyse Lage und Afferenz. Die Adenohypophyse ist ein gelbliches, ca. 0,45 g schweres Organ. Sie besteht aus einer größeren Pars distalis und einer rostral den Hypophysenstiel teilweise umgebenden kleineren Pars tuberalis. Die Drüsenzellen der Adenohypophyse lassen sich aufgrund bestimmter Färbeeigenschaften einteilen (chromophile, chromophobe, azidophile, basophile Zellen) und einigen Hormonen zuordnen. Eine wesentlich bessere Zuordnung gelingt mit der Technik der Immunzytochemie, die den Nachweis der Hormone selbst erlaubt. Anders als in der Neurohypophyse werden in den Zellen der Adenohypophyse selbst Hormone gebildet (s. Abb. 5.137). Ihre Freisetzung ins Blut unterliegt der hormonellen Steuerung durch den Hypothalamus. Die Steuerhormone (inhibiting und releasing factors) werden v. a. im vorderen

und medialen Hypothalamus (Ncll. infundibularis et paraventricularis) gebildet und über Axone, welche sich zum Tractus tuberoinfundibularis vereinigen, über die Eminentia mediana zum Infundibulum geleitet. Von hier aus gelangen sie über das hypophysäre Pfortadersystem (s. u.) zu den Zellen der Adenohypophyse. £ Pars intermedia. Der Zwischenlappen macht

etwa 2% der Hypophyse aus und ist durch kolloidgefüllte Hohlräume (Zysten, Follikel) charakterisiert. Daneben kommen tubulöse Drüsen vor. £ Hormone des Zwischenhirnhypophysensystems. Die Hormone des Hypothalamus und der Hpophyse sind ihrer chemischen Struktur nach Peptide (Abb 5.137).

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

547

Nucleus supraopticus et paraventricularis

Hypothalamus periventrikulärer Hypothalamus

Wasserresorption

Eminentia mediana Neurohypophyse

Portalgefäßsystem

ADH

Niere Kontraktion

Adenohypophyse chromophobe Zelle

Oxytocin

basophile Zelle Glucocorticoid Mineralocorticoid Androgen -Sekretion

azidophile Zelle

ACTH

Thyroxin Trijodthyronin -Sekretion

Uterus Pigmentierung

Melanotropin

Nebennierenrinde TSH

Melanozyten Thyroidea

Östrogen -Produktion

Brustdrüse Kontraktion

Wachstum STH

Follikelentwicklung Ovar

FSH (ICSH)

Epiphysenplatte Wachstum

Testosteron Spermatogenese Ovulation Progesteron -Produktion

Muskel

STH

Hoden

Hyperglykämie

LH Ovar

Fettgewebe Sekretion

Testosteron -Sekretion Hoden

Prolactin Brustdrüse

Steuerungshormone

Effektorhormone

Abb. 5.137: Die physiologische Wirkung verschiedener Hypophysenhormone (nach T. H. Schiebler/W. Schmidt, 1991). Die Hormone des Hypothalamus und der Hypophyse sind ihrer chemischen Struktur nach Peptide, während die Hormone der Gonaden und der Nebennierenrinde Steroide sind

548

Es sind noch zahlreiche weitere Hormone in diesem System bekannt. Ihre Wechselwirkungen und Rückkopplungsmechanismen werden intensiv erforscht. So ist z. B. bis heute die genaue Verschaltung unklar, die als positiver und negativer Feedbackmechanismus die Freisetzung von LH und FSH in Abhängigkeit von der Östrogenkonzentration reguliert. Die LHRH-produzierenden Zellen des Hypothalamus, deren Steuerhormon die Freisetzung von LH und FSH reguliert, besitzen jedenfalls keine Östrogenrezeptoren, so dass sie wohl selbst die Östrogenkonzentration nicht „messen“ können. Über teilweise unbekannte Regelkreise der hormonellen Steuerung sind Anteile des posterioren Hypothalamus ebenfalls an der Steuerung komplexer Vorgänge wie Hunger/Sättigung (u. a. durch das Hormon Leptin), Sexualverhalten und Aggression beteiligt. Dieser Abschnitt des Hypothalmus ist eng mit dem limbischen System (Hippokampusformation und Nucl. anterior thalami) verbunden. Blutgefäße der Hypophyse Die arterielle Versorgung erfolgt aus paarigen Gefäßen der A. carotis interna: • A. hypophysialis superior: Zum Infundibulum.

Die rechte und die linke Arterie bilden einen Ring. • A. hypophysialis inferior: Zur Neurohypophyse (die Adenohypophyse erhält demnach keinen direkten arteriellen Zufluss!) Sowohl aus den Infundibulum als auch aus der Neurohypophyse gelangen Portalgefäße in das Kapillarnetz der Adenophypophyse. Pfortadersystem. Kapillarkonvolute breiten sich nach Vereinigung zu größeren Gefäßen als zweites Kapillarsystem in Sinusoiden um die Drüsenzellen der Adenohypophyse aus (s. Abb. 5.136). Aufgrund der Analogie zum doppelten Kapillarsystem des Darms und der Leber bezeichnet man diesen Weg als Portalgefäßsystem der Hypophyse. An den Zellen der Adenohypophyse regulieren die Steuerhormone die Freisetzung der glandotropen, gonadotropen und somatotropen Hormone ins venöse Blut der Hypophyse. £ Venöser Abfluss: Er erfolgt vorwiegend über

die Sinus durae matris.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Klinik: 1. Primär gutartige Tumoren kommen in allen neuroendokrinen Zellpopulationen vor. Dabei sind benigne Hypophysenadenome im Krankengut neurochirurgischer Stationen relativ häufig. Sie machen etwa 7–8 % aller Hirntumoren aus, die zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr diagnostiziert werden. Oftmals fallen die Patienten durch Symptome auf, die durch die Überproduktion von Hormonen entarteter Zellpopulationen ausgelöst wurden, z. B. erhöhtes Wachstum bei STH-Überschuss Dieser äußert sich bei Kindern vor dem Epiphysenschluss als Riesenwuchs, beim Erwachsenen als Akromegalie. 2. Beim Prolaktinom besteht bei Frauen eine Unfähigkeit schwanger zu werden. Es gilt aber zu beachten, dass nicht alle Hypophysentumoren hormonell aktiv sind. Auf Grund verdrängenden Wachstums und Tumoreinblutungen kann auch eine hormonelle Unterfunktion auftreten, wodurch bei Frauen eine pathologisch verfrühte Menopause ausgelöst werden kann (vorzeitiger LH- und FSH-Konzentrationsabfall). 3. Durch die topographische Lage der Hypophyse dorsal des Chiasma opticum werden bei Tumoren zunächst die kreuzenden Fasern des N. opticus gequetscht (bitemporale Hemianopsie, s. Abb. 5.86). Bei Einwachsen des Tumors in den Sinus cavernosus besteht die Gefahr einer Mitschädigung von Hirnnerven. Dabei ist der N. VI aufgrund seiner Lage besonders gefährdet (s. Abb. 5.49); es können aber auch Läsionen der Nn. III und V auftreten. 4. Reste der Rathke-Tasche können als Rachendachhypophyse verbleiben und Tumoren, Kraniopharyngeome, bilden, die zu typischen hypophysären Störungen, etwa dem Diabetes inspidus, führen.

5.4.11.3 Zirkumventrikuläre Organe Neurohypophyse, Plexus choroideus, Organum vasculosum laminae terminalis, Organum subfornicale und Organum subcommissurale, Area postrema, Teile des Hypothalamus und die Epiphyse werden als zirkumventrikuläre Organe zusammengefasst (Abb. 5.138). Gemeinsames Kennzeichen der zirkumventrikulären Organe ist die Aufhebung der selektiven Filterfunktion der Blut-Hirnschranke in diesen Regi-

5.4 Funktionelle Systeme des ZNS

549

Corpus callosum

Fornix Organum subfornicale

Commissura anterior Organum vasculosum laminae terminalis Chiasma opticum Infundibulum

Corpus pineale

Organum subcommissurale

Liquor cerebrospinalis

Adenohypophysis (Lobus anterior) Neurohypophysis (Lobus posterior)

Area postrema

Abb. 5.138: Lage der neuroendokrinen und zirkumventrikulären Organe (nach Benninghoff, 1994)

onen. Rezeptorsysteme zur Messung von Blutparametern (pH, Osmolarität, CO2-Gehalt, Angiotensin II-Gehalt u. a.) sind dort lokalisiert. Die Organa vasculosum laminae terminalis, subfornicale und subcommissurale scheinen an der Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes beteiligt zu sein. Zum Brechzentrum in der Area postrema s. Kap. 5.4.9.3, S. 519, Abb. 5.117.

5.4.11.4 Zirbeldrüse, Corpus pineale, Glandula pinealis, Epiphyse Das ca. 1 cm lange, ca. 120 mg schwere, zwischen den Colliculi superiores der Vierhügelplatte aufliegende Corpus pineale enthält modifizierte Photorezeptorzellen, Pinealozyten. Im Gegensatz zu niederen Wirbeltieren (Parietalauge) reagieren diese nicht direkt auf Licht. Statt dessen erhalten sie ihre Informationen über den Tag-Nacht-Wechsel von retinalen Ganglienzellen nach komplizierter Weiterleitung, an der Nucleus suprachiasmaticus, Nucleus paraventricularis und das sympathische Nervensystem beteiligt sind.

£ Lage und Aufbau. Das Pinealorgan ist ein

länglicher, an einen Pinienzapfen erinnernder Körper, der durch die Habenulae mit den Trigona habenularia verbunden ist (s. Abb. 5.50). Da es sich aus dem Zwischenhirndach nach dorsal entwickelt, wird es auch als Epiphysis cerebri bezeichnet. Die Epiphyse ist in die weiche Hirnhaut gebettet, von der aus sie Blutgefäße und sympathische Nervenfasern erreichen. Histologisch besteht sie aus Zellhaufen, die bindegewebig voneinander abgegrenzt sind. Sie bestehen aus nervenzellähnlichen, verzweigten Pinealozyten, die in einem Gerüst von Gliazellen liegen. Daneben kommen maulbeerförmige, konzentrisch geschichtete, bis zu 1 mm dicke Kalkkonkremente (Hirnsand, Acervulus) vor. £ Sympathische Innervation, zirkadiane Rhythmik, Melatonin. Der endogene Oszillator im Nucl. suprachiasmaticus (biologische Uhr) wird durch retinale Afferenzen nach den aktuellen Tag-Nacht-Rhythmen synchronisiert. Er projiziert zum Nucleus paraventricularis, der Informationen über den Tractus hypotha-

550

lamospinalis (Zentrale Sympathikusbahn) zu den sympathischen Neuronen des Zervikalmarks (C8–Th1) weiterleiten kann. Deren präganglionäre Fasern werden im Ganglion cervicale superius umgeschaltet. Die postganglionären sympatischen Fasern gelangen als Nervengeflecht um die A. carotis interna und entlang ihrer Äste im Subarachnoidalraum zur Epiphyse, wo sie die Pinealozyten innervieren. Bei Säugetieren stimuliert diese noradrenerge Innervation bei Dunkelheit die Synthese des Pinealozyten-Hormons Melatonin (gr. mela = schwarz, lat. tonia = Spannung, Druck). Nach der Abgabe des Hormons ins Blut erreicht es Rezeptoren im Nucl. suprachiasmaticus und wirkt somit auf die biologische Uhr zurück.

5 Zentrales Nervensystem, Gehirn und Rückenmark

Klinik: 1. Dem Melatonin werden weiterere Wirkungen zugeschrieben: Es soll immunologische Vorgänge modulieren, wegen seiner antioxidativen Effekte vor Krebs schützen, den Schlaf steuern, Müdigkeit auslösen und verantwortlich für die abgeschwächte Schmerzwahrnehmung bei Nacht sein. Keine dieser Wirkungen ist jedoch gesichert. 2. Da der Acervulus konventionell radiologisch sichtbar ist, diente die Lagebestimmung der Epiphyse vor Einführung der Computertomographie als wichtiger diagnostischer Hinweis für Raumforderungen und damit einhergehende Massenverschiebungen im Gehirn.

Abb. 5.139: Beschrifteter phrenologischer Schädel: Der deutsche Arzt Franz Josef Gall (1758–1828) unterschied 27 affektive und intellektuelle Fähigkeiten, die in bestimmten Gehirnbereichen lokalisiert seien. Ihre jeweilige Ausprägung habe Einfluss auf die äußere Gestalt des Schädels, wodurch der jeweilige Charakter eines Menschen (als Ergebnis der individuellen Ausprägung der 27 Fähigkeiten) aus der Schädelform ersichtlich sei. Auch wenn letzteres heute sicherlich nicht mehr haltbar ist, war die Idee der Lokalisierbarkeit bestimmter menschlicher Eigenschaften in umschriebenen Regionen des Gehirns sehr fruchtbar für die Neurowissenschaften. Galls Schüler Johann Christoph Spurzheim (1776–1832) entwickelte dieses Konzept weiter und prägte den Begriff der Phrenologie entscheidend mit. Von ihm wurde der abgebildete Schädel markiert. (Aus dem Besitz des Institutes für Anatomie der Charité)

6

Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes Richard H. W. Funk

Übersicht, Einteilung Bulbus oculi. Aus der Embryonalentwicklung leiten sich 3 zwiebelschalenartig (Bulbus = Zwiebel) ineinander geschachtelte Hüllen ab: Tunica interna, media und externa oculi. Der vordere Teil der Tunica interna, der im Gegensatz zum hinteren (Pars optica) nicht mehr von dem durch die Pupille fallenden Licht erreicht wird, ist die Pars caeca (blinder Teil) (Abb. 6.7). £ Die Tunica interna oculi bildet sich aus den

beiden Blättern des Augenbechers, die Retina (innen) und das Pigmentepithel (außen), das sich aus primärem Nervengewebe entwickelt. Beide Schichten bleiben zeitlebens voneinander trennbar (Netzhautablösung, s. Retina) (Abb. 6.8). Aus dem ursprünglichen äußeren Blatt des Augenbechers wird vorn in der Irisanlage das Muskelblatt (M. sphincter und M. dilatator pupillae), aus dem inneren Blatt (Pars iridica retinae) das Pigmentblatt der Iris (Abb. 6.5, 6.8), in der Übergangsregion das Epithel der Ziliarfortsätze. £ Die Tunica medica oculi bildet in der Pars optica die Aderhaut, im Übergangsbereich den Ziliarmuskel (M. ciliaris) und in der Pars caeca das Irisstroma (Abb. 6.7). £ Die Tunica externa oculi ist im hinteren Bulbusabschnitt Grundlage von Sklera, Limbus corneae am Übergang, und vorn der Kornea. Funktionell unterscheidet man 5 Systeme, die sich vielfach in ihrer Funktion überschneiden: £ Lichtrezeption: Retina, N. opticus und beige-

ordnete Elemente wie Gefäße, Pigmentepithel, Aderhaut

£ Lichtleitende Medien und die Akkommodation

des Lichtstrahls: Kornea, Vorderkammer mit Kammerwasser, Iris (Blende), Linse, ZonulaApparat, Ziliarmuskel (Akkommodationsapparat), Glaskörper £ Flüssigkeitssystem (Kammerwasserzu- und -abfluss, Aufrechterhaltung eines konstanten Augendrucks, Lymphäquivalent) £ Lid- und Tränenapparat: Lider, Tränendrüse, Tränenfilm, Tränenabflusswege £ Bewegungsapparat: Sklera, äußere Augenmuskeln, Orbita, Tenon-Kapsel, Orbitafettkörper. Leitungsbahnen. Am Auge finden wir Leitungsbahnen wie an anderen Organen auch. Um jedoch dem Licht freien Zugang bis zur Netzhaut zu gewähren, sind Hornhaut, Vorderkammer, Linse und Glaskörper im erwachsenen Auge gefäßfrei. An der Stelle des schärfsten Sehens (Fovea centralis) werden sogar die Retinakapillaren wie auch die inneren Schichten der Netzhaut zur Seite geschoben. So kann das Licht ungehindert auf die Rezeptoren treffen, die nach außen (vom Licht weg) gewandt sind (Inversion der Netzhaut, siehe Entwicklung des Auges).

Lymphgefäße. Als weitere Besonderheit besitzt der Bulbus innen keine Lymphgefäße. Diese treten erst wieder in der Bindehaut (Konjunktiva) sowie rund um das Auge in der Orbita und den Lidern auf. Das Flüssigkeitssystem des Auges (Kammerwasser, Glaskörper) übernimmt die Funktion der Lymphgefäße. Hieraus resultieren auch Besonderheiten des immunologischen Status. Entwicklung, Fehlbildungen Lernziele: Augenblase, Augenbecher (-spalte), Linsengefäßnetz, Tunica interna, media und externa oculi

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

552

Primäre Augenblase. In der 3. Entwicklungswoche (EW) entsteht im Neuroektoderm die Augenanlage, bevor sich die Neuralwülste (s. Kap. 3.5.1.2, S.142) geschlossen haben: eine Furche in der Medullarplatte, Augen- oder Sehgrube (Sulcus opticus, Fovea optica). In der 3.–4. EW wandelt sich die Augengrube zur primären Augenblase um (Vesicula optica). Ihr Hohlraum, der sog. Sehventrikel (Ventriculus opticus), steht über den Innenraum des Augenblasenstiels in breiter Verbindung mit dem Ventrikel des Vorderhirns. Der Augenblasenstiel wird zum Sehnerv (Abb. 6.1).

anlagen) und stülpt sich konkav in den Hohlraum der Augenblase ein. Gleichzeitig bildet sich aus der Linsenplakode eine grübchenartige Vertiefung, die der Augenbecher umgreift. Schließlich tropft das Linsengrübchen in den Augenbecher und schließt sich vom distalen Ektoderm ab, das die Hornhaut (Cornea) bildet (Abb. 6.3). Wand des Zwischenhirns Lamina externa Linsengrube Glaskörperraum Lamina interna

Ektoderm Zwischenhirnventrikel

Canalis opticus

Sehventrikel

Abb. 6.3: Entwicklung des Auges. III. Augenbecher, Linsengrube. Schema

Linsenplatte Augenblase Sehventrikel

Abb. 6.1: Entwicklung des Auges. I. Anlage der Augenblase und der Linsenplatte. Schema

Linse. In der 4. EW berührt die distale Wand der Augenblase das Ektoderm. Hier entsteht die Linsenanlage als Verdickung des Ektoderms (Linsenplakode) (s. Kap. 3.5.3.1, S.153). Aus der Linsenanlage leiten sich ab: Linse, Hornhautepithel, Bindehaut, Lidhaut (Abb. 6.2). Ektoderm Wand des Zwischenhirns

Augenbecherspalte. Im mittleren Bereich der ventralen Augenblasenwand entwickelt sich in der 5. EW vom Augenbecherrand bis zum Sehstiel die Augenbecherspalte als Einfaltung (Abb. 6.4). Der Augenbecher wird vom Rand her spaltförmig geöffnet, wobei die tiefste Stelle des Spaltes den Ort des späteren Sehnervenabgangs (Papilla nervi optici) markiert. Die Augenbecherspalte erlaubt den Eintritt der embryonalen Gefäße und ermöglicht den retinalen Ganglienzellen Anschluss an das ZNS zu gewinnen, ohne dass die Optikusfasern nach vorne über den späteren Pupillenrand hinweg zur Augenbecherbildung wachsen müssen. Je mehr Axone sich hier anschichten, umso enger wird das Lumen des Augenbecherstiels (des späteren Sehnervs). Sobald diese Vorgänge abgeschlossen

Sehventrikel Augenbecherspalte Augenbecherstiel Linsengrube

Augenbecherrand

Augenblasengrube

Linse

Abb. 6.2: Entwicklung des Auges. II. Bildung des Augenbechers; Linsengrube. Schema

Augenbecher. Die primäre Augenblase wandelt sich in der 4.–7. EW in den Augenbecher (sekundäre Augenblase) um, das Kernstück des Sehorgans, dem sich alle anderen Gewebe hüllenartig angliedern. Die distale Wand der Augenblase verdickt sich zum Netzhautdiskus (5–6 Zellkern-

Augenbecherstiel

Abb. 6.4: Entwicklung des Auges. IV. Modell der Augenanlage eines 12,5 mm langen menschlichen Embryos. Von lateral und ventral gesehen (nach Dedekind-Hochstetter)

6 Sehorgan, Auge, Organum visus

sind, verschließen sich die Lippen der Augenbecherspalte – etwa in der 6. EW. Durch die Umstülpung kommen zwei Wände des ursprünglichen Augenbläschens in Kontakt: innere und äußere Wand des Augenbechers. Die äußere Wand wird zum Pigmentepithel, die innere hinten zur Retina und vorne zu Ziliarepithel und Irisrückseite. Durch diesen Stülpungsvorgang stehen die Photorezeptoren lichtabgewandt nach außen: Inversion der Netzhaut. Eine Eversion der Netzhaut mit nach außen ableitenden Nervenzellen und Axonen kommt z. B. bei Tintenfischen vor. Bulbus, Orbita, Retina. Nach dem AugenbecherSpalten-Verschluss erfolgt die Differenzierung der Anlagen des Bulbus, seiner Anhangsorgane und der Orbita. Die Retina beginnt sich weiter zu untergliedern. Choroidea. Schon Augenblase und -becher werden von einem Kapillarnetz umgeben. Dieses stellt die erste Anlage der Choroidea dar. Anschließend entwickelt sich ein zweites venöses Gefäßnetz, das eine weitere Hüllschicht ausbildet und dann an die 4 Vortexvenen Anschluss gewinnt.

553 Tabelle 6.1: Stadien der Augenentwicklung Alter 3.–4. EW 4.–5. EW

Augenlid Glaskörper Umschlagsrand

– Linsenplakode wird zum Linsenbläschen – Augenbecher mit erstem Pigment in äußerem Blatt – A. hyaloidea in der fetalen Augenspalte – Retina bildet Zilien und Neuroepithel – Ektoderm formt Oberlid

6. EW

– – – –

7.–10. EW

– Kornea besteht aus Endothel, Epithel und einigen Reihen Stromazellen mit wenig Kollagen – beginnende Verdichtung der anterioren Sklera – Entwicklung der Linsenzellen

3. Monat

– Entstehung der Linsennähte – Tunica vasculosa lentis voll entwickelt – ektodermale Schichten der Iris werden gebildet – beginnende Entwicklung von Kammerwinkel und Kammerwasserabflusssystem

4. Monat

– Sklera und Choroidea verdichten sich – Ziliarfortsätze beginnen Kammerwasserproduktion – Schlemm-Kanal entsteht – Rückbildung der A. hyaloidea

7. Monat

– Retina differenziert sich (bis auf Makula) vollständig – Rückbildung der Pupillarmembran

9. Monat

– Markscheidenreifung des Sehnervs erreicht die Papille

Um die 20. EW sind alle Schichten der Choroidea nachweisbar. Sklera. Wie in der Hirnentwicklung sich das umgebende Mesenchym zu den Hirnhäuten entwickelt, so verdichtet sich das Mesenchym um die Augenanlage zu Sklera, Ziliarkörper und Bindegewebe der Iris und Hornhaut.

Entwicklung – Sehgrube formt sich zur Augenblase

Mesenchym formt Iris Verschluss der fetalen Augenspalte beginnende Retinadifferenzierung erste Anlage der äußeren Augenmuskulatur

Neonatalperiode – Entstehung der Macula lutea (4.-6. Monat – Pigmentation der Iris nach der Geburt)

Linsenfasern Linsenepithel inn. Blatt des Augenbechers Sehventrikel äuß. Blatt des Augenbechers Augenbecherstiel A. hyaloidea

Augenlid

Abb. 6.5: Entwicklung des Auges. V. Weitere Differenzierung des Augenbechers und der Linse. A. hyaloidea, Bildung der Augenlider. Schematisierter Schnitt

Linsengefäßnetz. Die Linse wird während ihrer Entwicklung von einem sehr dichten Gefäßnetz umgeben, das von der A. hyaloidea, den beiden hinteren langen Ziliararterien und den vorderen Ziliararterien gespeist wird. Dieses Linsengefäßnetz ist um die 9. EW am stärksten differenziert. Es bildet eine Gefäßkapsel (Capsula vasculosa lentis), die an der Linsenvorderfläche als Pupillarmembran zu erkennen ist (Abb. 6.5). Die Linsengefäße verkümmern wieder in der 28.–32. EW (Tab. 6.1).

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

554

Klinik: 1. Kolobom (= Coloboma). Angeborene Spaltbildung von Iris, Linse (im unteren Quadranten), Aderhaut und Discus nervi optici durch unvollständigen Verschluss der embryonalen Augenbecherspalte; vollständig ausgebildet oder partielles Kolobom, das nur einige Abschnitte betrifft; 2. Aniridie. Fehlende Iris durch ausbleibende Verdichtung der mittleren Augenhaut (Tunica media oculi) im vorderen Bulbus. 3. Pupillarmembran. Reste des Gefäßsystems der Linse können sich als Überbleibsel der A. hyaloidea auf der Papilla n. optici (Bergmeister-Papille) als in den Glaskörper vorragender Gliazapfen manifestieren. Die Persistenz der Pupillarmembran zeigt sich in Zellresten auf der Linsenvorderfläche bis hin zu einem Bindegewebegitter, das von der Iris ausgeht (Abb. 6.6).

Abb. 6.6: Beim Iriskolobom (Abb.) reicht der unvollständige Verschluss der fetalen Augenbecherspalte bis zur Iris vor – daher die nach unten gerichtete Vergrößerung der Pupille (Quelle: Prof. Dr. F. W. Wilhelm, Halle/Saale)

A. ciliaris ant.

Ziliarkörper Iris V. vorticosa Linse Hornhaut

Sklera

A. ciliaris post. longa

Sehnerv A. centalis retinae Aa. ciliares post. breves

V. vorticosa Pigmentepithel

siehe Abb. 6.9 Retina

Aderhaut Sklera

Abb. 6.7: Übersicht über die Gewebe und das Gefäßsystem des Auges. Die äußere Augenhaut ist eröffnet, das vordere Auge ist sagittal geschnitten, am hinteren Auge wird die Choroidea (Aderhaut), das Pigmentepithel und die Retina (Netzhaut) sichtbar.

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

555

6.1 Augapfel, Bulbus oculi 6.1.1

Äußere Augenhaut, Tunica fibrosa bulbi

Lernziele: Aufbau der Sclera, Hornhautschichten, Hornhauttransparenz, Kammerwasserproduktion und -abfluss, Entstehung des Augeninnendrucks Die äußere Augenhaut setzt sich zusammen aus der £ Lederhaut, Sclera £ Hornhaut, Cornea

6.1.1.1 Lederhaut, Sclera Die Sklera, das Weiße im Auge, stellt mehr als 4/5 der äußeren Wand dar. Äußeren und inneren Augenmuskeln bietet sie als Grundskelett Ansatz (Abb. 6.7).

Dabei ist sie gegen die Hornhaut hin 0,8 mm dick, am dünnsten hinter den Ansätzen der geraden Muskeln (0,3 mm), am Äquator 0,6 mm und 1 mm am hinteren Pol in der Nähe des N. opticus. 3 Schichten werden von außen nach innen unterschieden: £ Episklera (außen) als vaskuläre Bindegewebe-

schicht mit elastischen Fasern, Makrophagen, Melanozyten und Lymphozyten £ Stroma aus kollagenen Fasern (Typ I, III und V), die in unterschiedlich dicken Bündeln in einem rautenförmigen Muster angeordnet sind. Diese relativ unregelmäßige Anordnung und der höhere Wassergehalt machen die Sklera im Gegensatz zur Hornhaut undurchsichtig. £ Lamina fusca mit feinen kollagen Lamellen suprachoroidal und supraziliar – liegen jeweils der Choroidea bzw. dem Ziliarkörper außen an.

vorderer Bulbusabschnitt

äußere Schicht Augenbecher innere Schicht Augenbecher



Übergangszone

 pars caeca



pars optica hinterer Bulbusabschnitt

Abb. 6.8: Schichtengliederung des Auges. Das vordere Auge ist median halbiert, die Schichtengliederung ist hervorgehoben: dunkelgrün = äußere Augenhaut; fleischfarben = mittlere Augenhaut (Ziliarmuskel, Stroma, Gefäße der Ziliarfortsätze, Stroma der Iris); innere Augenhaut mit den beiden Schichten des Augenbechers (dunkelbraun – Pigmentepithel, hellbraun – Retina).

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

556

Irisarteriolen Zonulafasern

Circulus arteriosus iridis major

Ziliarkörpergefäße

Kollektorkanal Schlemm'Kanal episklerale Vene

lange hintere Ziliararterie Pars plana Venolen

Trabekelwerk intramuskulärer Gefäßring vom Augenmuskel kommende perforierende vordere Ziliararterie

Abb. 6.9: Gefäß- und Flüssigkeitssystem des Auges. Das vordere Auge ist median halbiert, um die Gefäße und Kammerwasserabflusswege (Trabekelwerk, Schlemm-Kanal, Kollektorkanal, episklerale Venen) zu zeigen.

Durch alle Schichten laufen Kanäle (Emissarien) für Gefäße und Nerven. Im Kammerwinkel ist der Schlemm-Kanal zwischen Trabekelwerk und Skleralstroma eingebettet. Zahlreiche Kollektorkanäle führen durch das Stroma zur episkleralen Schicht, wo sie in die episkleralen Venen einmünden. Diese haben über arteriovenöse Anastomosen

Verbindungen zum episkleralen Arteriensystem (Abb. 6.9). An der Austrittsstelle der Optikusfasern ist die Sklera durch elastische und kollagene Fasern in die siebförmige Lamina cribrosa umgeformt.

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

557

6.1.1.2 Hornhaut, Cornea Die Hornhaut als transparenter, vorderer Teil der äußeren Augenhaut ist stärker gekrümmt als die Sklera (Krümmungsradius 7–8 mm). Diese Wölbung bedingt eine Brechkraft > 40 dptr, das entspricht 2/3 der Gesamtbrechkraft. Der vertikale Durchmesser beträgt 10,6 mm, der horizontale 11,6 mm, wobei diese Maße kaum variieren. Zentral beträgt die Hornhautdicke 0,52 mm, zum Limbus hin 0,67 mm (Abb. 6.9)

Hornhauttransparenz. Die Cornea ist aus 2 Gründen transparent, sie ist 1. gefäßlos (avaskulär) und 2. von homogener Struktur (Ähnlichkeit des Lichtbrechungsindex). Dies gilt für alle Elemente: Tränenfilm, Epithel, Bowman-Lamelle, Stroma, Descemet-Membran, Endothel. In einem solchen System dürfen also keine Dichteinhomogenitäten, die größer als die halbe Wellenlänge des Lichtes (200–300 nm) sind, auftreten, da es sonst zu Streuung und damit zu einer Trübung kommt. So wird das Bindegewebestroma der Hornhaut ständig entwässert, damit der Dichteunterschied der Grundsubstanz zu den kollagenen Fasern und zu den Zellen nicht zu hoch wird. Tränenfilm. Der Flüssigkeitsfilm sorgt für eine glatte optische Oberfläche und für die Ernährung der oberflächlichen Hornhautschichten. Mit jedem Lidschlag wird der Tränenfilm in folgenden 3 Schichten neu geformt: £ Äußere Lipidschicht, die von den Meibom- und

Talgdrüsen produziert wird. Sie verhindert eine zu starke Abdunstung und reduziert die Oberflächenspannung. £ Mittlere, wässrige Schicht mit Abwehrstoffen wie Lysozym und Immunglobulin A. Diese Schicht wird von der Tränendrüse produziert. £ Innere Muzinschicht aus Glykoproteinen, die aus den konjunktivalen Becherzellen und teilweise aus der Tränendrüse stammen. Die Glykokalix auf den Mikrovilli der Epithelzellen verbindet sich mit dieser Schicht. 5 Hornhautschichten (Abb. 6.10) £ Epithelium corneae. Das vordere Hornhaut-

epithel (50–100 µm dick) mit hoher Mitoserate ist aus 5–6 Zelllagen aufgebaut. Der Umsatz der

vorderes Hornhautepithel (Epithelium corneae) Bowman-Lamelle (Lamina limitans anterior) Hornhaut-Stroma (Substantia propria)

Descemet-Membran (Lamina limitans posterior)

Endothel-Zellen (Endothelium corneae) Tränenfilm

Abb. 6.10: Schichten der Hornhaut. Querschnitt durch die Hornhaut zur schematischen Darstellung der Schichtengliederung

Zellen beträgt 7–10 Tage. Die basalen Zellen erscheinen kubisch, die mittleren, höheren werden Flügelzellen genannt, die beiden oberen Schichten bestehen aus abgeflachten Zellen. Am Rand der apikalen Zellmembran liegt die für den Ionenfluss wichtige Barriere der Zonulae occludentes (Tight junctions) (Abb. 6.11). In der Hornhautperipherie liegen zwischen den Epithelzellen pigmentierte Melanozyten und Langerhans-Zellen (Abwehrfunktion). Vom Rande her ziehen zahlreiche feine Nerven in das Hornhautepithel. Die Innervationsdichte der aus dem oberen Ast des N. trigeminus (V1) stammenden Fasern ist sehr hoch. £ Lamina limitans anterior. Die BowmanLamelle ist eine zellfreie 8–14 µm dicke Stromagrenzschicht, die ausschließlich aus kollagenen Fasern und Grundsubstanz besteht und vom Hornhautstroma gebildet wird. Sie ist daher nicht mit der Basalmembran des Epithels (die wesentlich schmaler ist) zu verwechseln. £ Substantia propria. Das Hornhautstroma ist die zentrale Bindegewebeschicht und nimmt 90 % der Hornhautdicke ein. Hier ordnen sich kollagene Fibrillen in Lamellen von 2 µm Dicke an. Innerhalb dieser Lamellen liegen die Fibrillen parallel und regelmäßig angeordnet. Zwischen den Lamellen sind die Fibrozyten

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

558

Tight junctions Flügelzellen Desmosomen

Nervenfaser

Basalzellen Hemidesmosomen Basalmembran Bowman-Lamelle Schwann-Zelle

Stroma

Hilfe durch gründliches Ausspülen mit Wasser oder (besser) neutralisierender Pufferlösung, notfalls mit Getränken, 2. Hornhautdystrophie. Beidseitige Trübungen von Hornhautschichten: 2.1 epitheliale (vordere) H., 2.2 stromale H.: knötchenförmige, gitterartige oder bröckelige (Typ Groenouw) Formen bzw. fleckige Form, 2.3 endotheliale H. (= Fuchs-Hornhautdystrophie). Dystrophie des Hornhautendothels mit Zusammenbruch der Endothelschranke zunächst im Zentrum; Verlauf über Jahrzehnte mit fortschreitendem Stromaödem und bläschenförmiger Abhebung des Epithels, zunehmender Sehverschlechterung und Schmerzen beim Platzen der Epithelbläschen, 3. Keratitis (= Hornhautentzündung). Einwanderung von Entzündungszellen aus den hyperämischen Gefäßen des Limbus und aus der Tränenflüssigkeit.

Abb. 6.11: Schema des Hornhautepithels. Schematischer Querschnitt durch die Epithelschicht der Hornhaut

eingelegt, die sich bei Wundheilungsprozessen in Fibroblasten umwandeln können. £ Lamina limitans posterior. Als Basallamina des Hornhautendothels entsteht die elastische Descemet-Membran, wobei ihre Dicke von 3–4 µm bei Geburt auf 10–12 µm im Alter zunimmt. £ Endothelium corneae. Die Endothel-Zellen bilden eine 3–4 µm dicke Platte aus hexagonal geformten Zellen (Abb. 6.10). Die Interzellulärräume sind durch Zonulae occludentes abgedichtet. Gap junctions ermöglichen eine Kommunikation von Zelle zu Zelle. Auf eine aktive Pumpfunktion weist neben den Zellverbindungen auch die große Anzahl von Mitochondrien und die Anwesenheit der Enzyme Carboanhydrase und ATPase hin. Die Zahl der Hornhautendothelzellen nimmt im Laufe des Lebens von 5000/mm2 (1. Lebensjahr) auf 2000/mm2 (80. Lebensjahr) ab. Unter einer Zahl von 1000/mm2 ist eine ausreichende Pumpfunktion nicht mehr möglich und es kommt zur Hornhautquellung. Klinik: 1. Hornhauttrübung, -verätzung. Hornhautnekrose nach Einbringen von Kalk, Laugen, Säuren mit Narbenbildung der Binde- und Hornhaut, Hornhauttrübung. Therapie: Erste

Abb. 6.12: Bei der hinteren Hornhautdystrophie kommt es zu irregulären Veränderungen der Hornhautrückfläche (graue netzförmige Veränderungen im Bild) und zu Bläschen auf dem Hornhautepithel (helle Flecken im Bild) (Quelle: Prof. Dr. F. W. Wilhelm, Halle/Saale).

6.1.1.3 Vordere und hintere Augenkammer (Vorderkammer, Hinterkammer), Camera bulbi anterior et posterior und Kammerwasser, Humor aquosus Camera bulbi anterior (Abb. 6.9). Sie wird durch Hornhaut, Kammerbucht, Iris und Linse begrenzt. Über die Pupille kommuniziert sie mit der kleineren Hinterkammer (Camera bulbi posterior). Die Vorderkammer ist mit dem wasserklaren Kammerwasser vollkommen ausgefüllt (Vorderkammervolumen 200 µl).

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

Camera bulbi posterior. Begrenzung: Rückfläche der Iris, Ziliarfortsätze, Zonula, vordere Glaskörpergrenzfläche, Linse. Die Biologie der Vorderkammer kann nur verstanden werden in Verbindung mit der Hinterkammer: Hier liegen die Ziliarfortsätze, die das Kammerwasser bilden, das durch die Pupille in die Vorderkammer strömt. Humor aquosus. Das Kammerwasser ernährt die gefäßlosen Gewebe: Hornhautinnenfläche, Linse und Strukturen des Kammerwinkels. 120 µl Kammerwasser werden pro Stunde gebildet und fließen über den Kammerwinkel ab. Das Kammerwasser enthält kein Eiweiß – allenfalls freie Aminosäuren. Die Konzentration von Natrium- und Chlorionen, Bicarbonat, Aminosäuren und Askorbinsäure entspricht dem Blutplasma. In der Hinterkammer wird das Kammerwasser über die Gefäße des Ziliarkörpers mit Sauerstoff angereichert. Der Sauerstoff für die Vorderkammer wird von den zahlreichen Gefäßen der Irisvorderfläche abgegeben (s. u.). Augeninnendruck (intraokulärer Druck). Durch das Gleichgewicht von Kammerwasserproduktion und -abfluss wird ein konstanter intraokulärer Druck von 15–20 mmHg gewährleistet, wobei der Druck durch den Widerstand im Trabekelwerk (kribriforme Zone, s. u.) aufrecht erhalten wird und den gerichteten Abfluss in die episkleralen Venen (ca. 5–10 mmHg Innendruck, s. auch 6.1.1.1 Sklera) ermöglicht. Abflüsse des Kammerwassers £ Schlemm-Kanal. Die Hauptmenge des Kammer-

wassers fließt über Kammerwinkel und Trabekelwerk in den ringförmigen Schlemm-Kanal. Vom Schlemm-Kanal aus führen Kollektorkanäle durch die Sklera und münden episkleral in die Kammerwasservenen und von dort aus in das allgemeine Venensystem des Auges. £ Uveoskleraler Fluss. Ein kleinerer Anteil des Kammerwassers fließt in Richtung Ziliarkörper und Choroidea und wird von den venösen Gefäßen in dieser Zone resorbiert (sog. uveoskleraler Fluss). Trabeculum corneosclerale. Das Trabekelwerk (Abb. 6.9) als Filter des abfließenden Kammerwassers im Kammerwinkel (Angulus iridocornealis) besteht aus einem/einer:

559 £ iridialen innersten Teil aus vernetzten rundlichen

Gewebssträngen mit Lücken von 25–75 µm

£ korneoskleralen Teil. Ein Filternetz, das zum

Schlemm-Kanal hin enger wird (20 µm). Das Netz ist aus Bindegewebefasern aufgebaut, die von phagozytotisch aktiven Endothelzellen umgeben sind. £ kribriformen Zone, Teil der Innenwand des Schlemm-Kanals. In der dritten Zone kommt das Kammerwasser in direkten Kontakt mit Fasern und Grundsubstanz. Dieses Maschenwerk und die endotheliale Auskleidung des SchlemmKanals stellt den Hauptort des Kammerwasserabflusswiderstandes dar. Über glatte Muskeln, die direkt im Sklerasporn ansetzen und über den M. ciliaris kann die Spannung des Trabekelwerks verändert werden. Klinik: 1. Glaukom (= Glaucoma). Augenkrankheit mit erhöhtem (meist > 22 mmHg) Augeninnendruck (normal: 17 ± 3 mmHg, gemessen mit dem Applanationstonometer) und vergrößerter Excavatio papillae nervi optici und fortschreitendem Gesichtsfeldverfall; sog. grüner Star, weil die Augenlinse grünlich gefärbt erscheint. Die aktiven Pumpen im Hornhautendothel können einem Augeninnendruck bis max. 40 mm/Hg entgegen wirken. Übersteigt der intraokulare Druck diese Werte (Glaukom), entsteht ein Hornhautödem. Die Druckerhöhung führt längerfristig zu Schäden in der Netzhaut und den von den Optikusganglienzellen abgehenden Neuriten zur Papille. In Mitteleuropa ist das Glaukom die häufigste Erblindungsursache; 1.1 Glaukomanfall. Primäres G. mit verschlossenem Kammerwinkel (Winkelblockglaukom); anfallartige starke Erhöhung des Augeninnendrucks auf 50–80 mmHg infolge eines Winkelblocks: Sehen von Nebeln u. Regenbogenfarben; sehr starke Kopfschmerzen mit Übelkeit bis zum Erbrechen (Vagusreiz); enge Vorderkammer, Kammerwinkel durch Regenbogenhaut verlegt; Bulbus palpatorisch steinhart, oft Bindehauthyperämie, Hornhautödem, lichtstarre Pupille – ein medizinischer Notfall! 1.2 Primäres G. mit offenem Kammerwinkel (Glaucoma chronicum simplex) in höherem Lebensalter manifest werdend, allmählicher Funktionsverlust des Auges als Normaldruckglaukom (< 20 mmHg) oder Weitwinkelglaukom (weiter Kammerwinkel).

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

560

Cornea Randschlingennetz Circulus arteriosus iridis minor Sinus venosus sclerae Circulus arteriosus iridis major Aa. conjunctivales posteriores Aa. ciliares anteriores M. rectus medialis Aa. episclerales V. vorticosa

Aa. ciliares posteriores breves [choroideae] A. ciliaris posterior longa [iridis] Sclera Eintrittstelle für den N. opticus

Abb. 6.13: Gefäße der Aderhaut und ihre Verbindungen mit den Bindehaut- und episkleralen Gefäßen

6.1.2

Mittlere Augenhaut, Tunica vasculosa bulbi

Lernziele: Iris (Aufbau, Funktion), Ziliarfortsätze (Kammerwasserproduktion), Ziliarmuskel (Akkommodation), Linse, Glaskörper, Aderhaut Tunica vasculosa bulbi (= Uvea) (Abb. 6.7, 6.13). Sie besteht aus Iris, Ziliarkörper und Aderhaut. Sie ist entstanden durch Verdichtung des Mesenchyms um den embryonalen Augenbecher herum. In der Augenheilkunde hat sich die Bezeichnung Uvea für die mittlere Augenhaut durchgesetzt – das isolierte, anatomische Präparat gleicht von der Form und Farbe tatsächlich einer blauen Weinbeere (Uvea), daher der Name. Die wichtigsten Funktionen: • Blutversorgung bzw. Ernährung • Sekretion und Abfluss des Kammerwassers • Anpassung der Lichtstrahlen an den Rezeptorapparat in der Netzhaut (Akkommodation und Blendenapparat). Die Uvea ist daher reich an Gefäßen, Nerven, Bindegewebe und glatten Muskelzellen.

6.1.2.1 Regenbogenhaut, Iris Blendenapparat. Die aus dem vorderen Augenbecherrand (Irisrückfläche) und dem Mesoderm (Irisvorderfläche) gebildete Iris stellt einen Blendenapparat dar, der die Pupille (Sehloch) von einer Neutralstellung von 4 mm Durchmesser entweder auf 1,5 mm verengen bzw. auf 8 mm erweitern kann. Dadurch wird die Beleuchtungsintensität für die Netzhaut in Grenzen geregelt (um den Faktor 25, während die Photorezeptoren, s. u., die Empfindlichkeit durch molekulare Prozesse um den Faktor 105 anpassen können) und die Schärfentiefe eingestellt (Abb. 6.6 und Abb. 6.8). Feinbau. Um das Licht abzuhalten, ist die Rückseite der Iris von 2 Lagen dunkel pigmentierter Zellen überzogen: 1. Stratum pigmenti iridis, 2. Pars iridica retinae. Sie gehen am Pupillenrand ineinander über, säumen hier den Rand ein und geben ihm seine bräunliche Farbe. Blendenfunktion. Die Hauptmasse des Gewebes ist verschieblich angeordnet: Das Bindegewebegerüst (Stroma iridis) besteht aus einem Netz kollagener Fasern, das scherengitterartig angeordnet ist und sich entsprechend der Pupillenöffnung umlagern kann. Eine wichtige Stütze dieses Bindegewebegitters sind die großen Gefäße der Iris. Diese gehen aus vom Circulus arteriosus iridis major, der seine Versorgung von den beiden langen hinteren

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

Ziliararterien (s. Kap. 6.1.4, S. 573) bekommt. Von dem Circulus arteriosus iridis major aus ziehen radiär Arterien in Richtung Pupille. Diese Arterien laufen geschlängelt und liegen in den Kreuzungspunkten des bindegewebigen Gitterwerks. Am Übergang der größeren Außenzone (Pars ciliaris) zur Pars pupillaris findet man einen unvollständigen Gefäßring (Circulus arteriosus iridis minor). Irisvorderfläche. Sie ist sehr locker strukturiert, mit vielen weiten Lücken (Fuchs-Krypten am Übergang der Pars ciliaris zur Pars pupillaris). Die Vorderfläche besitzt kein Epithel, vielmehr bilden die Fibroblasten, die durch verzweigte Fortsätze miteinander verbunden sind, einen geschlossenen mesothelartigen Überzug. Die Iris ist also die einzige Stelle am Körper, bei der ohne vorherige Präparation direkt auf lockeres Bindegewebe geblickt werden kann. Irisfarbe. Sie wird durch die Zellen des hinteren Epithels, die dicht mit Melaningranula gefüllt sind (s. o.) und durch die Pigmentierung der Irisvorderfläche bestimmt: £ Rote Augen. Beim albinotischen Auge (Albi-

nismus) fehlt das Pigment im hinteren Epithel und die Iris hat wegen der durchschimmernden Gefäße eine rötliche Farbe. £ Blaue Augen. Sind nur die beiden hinteren Schichten pigmentiert und ist das Irisstroma und die Vorderfläche frei von Melanozyten, so ergibt sich eine bläuliche Farbe, bei lockerem Bindegewebe (Kinder) dunkel, bei dichtem Bindegewebe (ältere Menschen) hellblau bis graublau. Dunkle Flächen, die von diffus streuenden Schichten bedeckt sind, führen generell zu bläulichen Farbtönen z. B. blaue Flecken durch Blut unter der Haut, da die längerwelligen Lichtstrahlen durch das dunkle Pigment im Hintergrund absorbiert werden und die kurzwelligen Lichtstrahlen durch die davor liegenden Schichten zu einem größeren Anteil reflektiert werden. Dies bewirkt eine Verschiebung des Spektrums ins Bläuliche. £ Grüne bis dunkelbraune Augen. Je nachdem wie viele zusätzliche pigmentierte Zellen im Stroma und an der Vorderfläche vor diesem blauen Hintergrund hinzukommen, entstehen die Irisfarben grünlich bis dunkelbraun. Sauerstoffabgabe. Der aus der Iris stammende Sauerstoff versorgt Hornhautendothel und Struk-

561

turen des Kammerwinkels, die sonst ohne direkte Gefäßversorgung sind. Irisgefäße haben eine starke bindegewebige Gefäßscheide. Dieses mechanische Grundgerüst wird aktiv bewegt durch 2 Muskeln: £ M. dilatator pupillae (Pupillenöffner), läuft

radiär und erstreckt sich auf die äußere Iris.

£ M. sphincter pupillae (Pupillenschließmuskel).

Wie jeder Schließmuskel von Körperöffnungen ist er ringförmig um den Pupillenrand angeordnet. Die Irisgefäße sind biomikroskopisch kaum sichtbar außer bei pathologischen Veränderungen des Füllungszustandes (Iritis s. u.) oder durch Gefäßneubildungen (Rubeosis iridis).

Klinik: 1. Iritis (= Regenbogenhautentzündung). Meist rheumatische Ursache und im Zusammenhang mit einer Keratitis, seltener bei Gicht, Gonorrhoe, Syphilis, Tuberkulose, Katarakt oder länger bestehender Netzhautablösung (s. Kap. 6.1.3.2, S. 567), 2. Iridozyklitis. Entzündung von Iris und Ziliarkörper, v. a. bei juveniler rheumatoider Arthritis, Spondylitis ankylopoetica und Allgemeinerkrankungen (Sarkoidose); auch begleitend bei schweren Entzündungen anderer Augenhäute (Skleritis, Keratitis, Chorioretinitis) mit Lichtscheu, ziliarer Injektion der Bindehaut, Trübung von Kammerwasser und vorderem Glaskörper.

6.1.2.2 Ziliarkörper, Strahlenkörper, Corpus ciliare Das Corpus ciliare besteht aus £ Ziliarfortsätzen £ Ziliarmuskel

1. Ziliarfortsätze Pars plicata des Ziliarkörpers (Abb. 6.14): wird der Pars plana des Ziliarkörpers (zwischen Ora serrata und Ziliarfortsätzen) gegenübergestellt. Die Pars plicata besteht aus 70–80 Ziliarfortsätzen, zwischen denen die Zonulafasern (Aufhängefasern der Linse) liegen. Hauptbestandteile der Ziliarfortsätze sind die Strukturen der Kammerwasserproduktion:

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

562 Orbiculus ciliaris Plicae ciliares Sclera Choroidea Retina Processus ciliares Zonula ciliaris Pupilla Margo pupillaris Ora serrata Pars optica retinae

Abb. 6.14: Vordere Hälfte eines rechten Auges von hinten gesehen. Corpus ciliare, Linse und ihr Aufhängeapparat

£ Blutgefäße £ aktiv sezernierendes Ziliarepithel.

Kapillarsystem der Ziliarfortsätze. Sehr dicht und hat pro Fortsatz 2–3 Arteriolen, die in weite gefensterte Kapillaren übergehen. Die Kapillaren sammeln sich in einer Randvenole, die in Richtung Pars plana weiterfließt und dort in die Schicht der größeren Gefäße der Choroidea einmündet. Der Blutfluss innerhalb der Ziliarfortsätze ist sehr hoch, die Sauerstoffausschöpfung aus dem Blut daher relativ gering. Ähnlich wie bei der Niere wird hier das Ultrafiltrat für den aktiven Transport durch das Ziliarepithel bereitgestellt. Ziliarepithel. Es besteht aus einer pigmentierten (Fortsetzung des Pigmentepithels aus der Pars optica) und einer unpigmentierten Schicht (Fortsetzung der Retina aus der Pars optica). Für den aktiven Transport besitzt das pigmentierte, v. a. das unpigmentierte Ziliarepithel eine Zellmembran, die zur Vergrößerung und Unterbringung von Ionenpumpen eingefaltet ist. Zwischen den Einfaltungen liegen viele Mitochondrien, besonders basal. • Blut-Kammerwasser-Schranke. Durch mäßig durchlässige tight junctions, das Korrelat der Blut-Kammerwasser-Schranke, wird die freie Diffusion des Plasmafiltrats durch das Epithel verhindert und in die Kontrolle des Epithels gebracht. Pumpsysteme sind ATPasen und Karboanhydrasen. Durch diese Pumpen werden

Ionen in Richtung Hinterkammer (der Spaltraum zwischen Glaskörper und Ziliarkörper mit Kommunikation über die Pupille zur Vorderkammer) transportiert und das hypertone Milieu zieht Flüssigkeit nach. Die Pars plana ist außer den breiten Venolen durch die Verankerung der Zonulafasern an der Basalmembran des Ziliarepithels charakterisiert. 2. Ziliarmuskel, Musculus ciliaris Funktion des M. ciliaris: Formveränderung der Linse (Akkommodation) und damit Schärfeneinstellung des Auges. Akkommodation. Das Auge arbeitet über die elastisch verformbare Linse (Foto- und Videokameras stellen über die Verschiebung der Linse gegenüber der lichtempfindlichen Schicht scharf). Von sich aus ist die Linse bestrebt, von der Flachform in Kugelform zu gelangen. Dieser Tendenz wirkt die Spannung des gesamten Bulbus entgegen. Die Spannung wird über den Aufhängeapparat der Linse (Zonula ciliaris) vermittelt. Es überträgt sich die über den intraokulären Druck aufgebaute Spannung von der elastischen Aderhaut- und Grenzmembran des Ziliarepithels auf die Zonula ciliaris. Die Fasern des Zonulaapparats sind daher gespannt und die Linse wird abgeflacht (Abb. 6.15).

Abb. 6.15: Akkommodationsschema nach Rohen. Obere Hälfte: Akkomodation, untere Hälfte: Desakkommodation. Gestrichelte Linie: Lamina elastica Waldeyer/Mayet, 17. Aufl. choroidea

Abb. 6.15

Die Akkommodation i. e. S. bewirkt der Ziliarmuskel, der antagonistisch zu diesem System arbeitet, das die Linse flach und damit die Brechkraft niedrig hält.

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

Diese Funktionen werden gewährleistet: • Veränderung des Strahlenganges durch Erhöhung der Brechkraft. Der ringförmige Ziliarmuskel übernimmt durch Kontraktion die gesamte Bulbusspannung, indem er den Ansatz der Zonulafasern nach vorne innen schiebt. Somit entspannt er den Zonulaapparat, wodurch ein Rückstellen der Linse in Richtung Kugelform erlaubt wird. • Die Kugelform bringt die Erhöhung der Brechkraft (Akkommodation = Naheinstellung des Auges, Sehen bei Entfernungen unter 6 m). Desakkommodation ist die Flachstellung der Linse bei nichtkontrahiertem M. ciliaris (Ferneinstellung, 6 m bis unendlich). Feinbau des Ziliarmuskels. Der M. ciliaris besteht aus glatten Muskelzellen. Allerdings sind in diesen Muskelzellen die kontraktilen Filamente parallel angeordnet. Viele Mitochondrien und ein ausgeprägtes endoplasmatisches Reticulum sind charakteristisch. • Dadurch wirkt er von allen im Körper vorkommenden glatten Muskeln dem quergestreiften Muskel am ähnlichsten. Der Ziliarmuskel (Abb. 6.9) entspringt am Skleralsporn und strahlt in 3 Teile aus: £ Brücke-Muskel. Äußere Fasern verlaufen meri-

dional nach hinten und dringen in die Choroidea ein, wo sie sich an der elastischen Aderhautmembran (→ Bruch-Membran) befestigen, die zwischen Choriocapillaris und Pigmentepithel liegt. £ Müller-Muskel. Vorne und nach innen in Richtung Ziliarfortsätze reichend, ziehen seine zirkulären Bündel. £ Zwischen beide Muskelportionen schieben sich schräg verlaufende Faserzüge. Bei der Akkommodation lagern sich die Fasern dieses Scherengitters um, so dass die zirkuläre Portion sich im Durchmesser verkleinert und der Ziliarkörper insgesamt nach vorne innen verlagert wird (s. o. Akkommodation).

6.1.2.3 Linse, Lens Entwicklung. Der Aufbau ist nur aus der Entwicklung her verständlich. Nach dem Stadium der Linsenplakode und der Linsengrube (s. Kap. 3.5.3.1,

563

S. 153) schnürt sich die Linse als Bläschen vom Epithel ab (Abb. 6.1–3). Linsenkapsel. Nach außen wird vom Linsenepithel eine Basalmembran abgesondert, die zur Grundlage der Linsenkapsel wird. Im Inneren des Linsenbläschens verlängern sich am hinteren Pol die Linsenzellen zu langgestreckten faserartigen Gebilden (was zu der missverständlichen Bezeichnung „Linsenfasern“ geführt hat). Schließlich füllen die Zellen von dorsal her den gesamten Hohlraum aus. Die Zellen am vorderen Pol bleiben kubisch und führen im Äquatorbereich ständig Mitosen durch, d.h. es schieben sich ständig neue Zellen nach. Der Durchgang durch die Äquatorzone und die Verlängerung der Linsenzellen bewirkt eine bogenförmige Verteilung der Zellkerne (Abb. 6.16 a). Ursprünglich reichen die Linsenzellen vom vorderen bis zum hinteren Pol (Embryonalkern; Abb. 6.16 b), später reichen sie nicht mehr so weit, so dass Zwischenräume auftreten, in die sich Interzellularsubstanz einlagert. Linsenstern. Je mehr Zellen sich appositionell am Äquator bilden, desto größer wird der sog. Linsenstern, der durch diese Interzellularsubstanz (Kittlinie) gebildet wird. Zunächst ist er dreizackig, später verzweigt er sich durch die Anlagerung weiterer Zellen in mehr und mehr Äste (Abb. 6.16 c, d). Als Derivat des Ektoderms hat die Linse eine zeitlebens erhaltene Wachstumstendenz. Dadurch vergrößert sie sich, vor allem aber wird sie unelastischer, rigider. Linsenzellen (Abb. 6.17) haben ein sechseckiges Querschnittsprofil und sind über druckknopfartige Interdigitationen miteinander verbunden. Durch die intrazelluläre Einlagerung des hochsymmetrischen Proteins Crystallin und die regelmäßige Ausrichtung des Zytoskeletts entsteht 1. ein hoher refraktärer Index (Proteine höher als Wasser), 2. die Struktur bleibt homogen. Da die Ernährung über das Kammerwasser teilweise über viele Zellen hinweg erfolgt und kaum Interzellularraum besteht, sind die Zellen u. a. mit Gap junctions eng miteinander gekoppelt. Klinik: 1. Katarakt (= Cataracta, grauer Star). Augenlinsentrübung mit Blendungsgefühl, Abnahme der Sehschärfe: 1.1 erworbene Linsentrübung von Rinde (Cataracta corticalis) oder Kern (Cataracta nuclearis), 1.2 Altersstar

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

564 vorderer Pol Zellen des Linsenepithels

a) Linsenbläschen

hinterer Pol

b) Linsenbläschen mit vollständiger Obliteration des Lumens

Kittlinien

c) dreizackiger Linsenstern der jugendlichen Linse; die Linsenzellen reichen von der vorderen bis zur hinteren Kittlinie

d) verzweigte Kittlinien bei der Linse eines Erwachsenen

Abb. 6.16: Linse in verschiedenen Entwicklungsstadien

(Abb. 6.19) (Cataracta senilis, häufigste Form), Kombination von Rinden- und Kernstar; 1.3 angeborene K. (Cataracta congenita), 1.4 K. bei Stoffwechselerkrankungen (Cataracta diabetica, Cataracta tetanica, Cataracta myotonica, Cataracta hypothyreotica), bei Hauterkrankungen (Cataracta syndermatica), nach Contusio bulbi oder Augapfelperforation (Cataracta traumatica). Therapie.: Staroperation, 2. Ametropie. Fehlsichtigkeit infolge Brechungsfehler (Refraktionsanomalie) des Auges. 2.1 Hypermetropie (= Hyperopie). Übersichtigkeit. Parallel verlaufende Strahlen im nicht akkom-

modierenden Auge werden hinter der Retina vereinigt: Achsenhypermetropie mit zu kurzer Bulbusachse, Brechungshypermetropie mit zu geringer Brechkraft des optischen Apparats, z. B. bei Abflachung der Hornhaut od. Verlust der Linse. 2.2 Myopie (= Kurzsichtigkeit). Parallel einfallende Strahlen vereinigen sich vor der Netzhaut durch zu starke Brechkraft von Hornhaut od. Linse (Brechungsmyopie) bzw. überdurchschnittliche Länge des Augapfels (Achsenmyopie), Therapie: Konkavgläser, 2.3 Presbyopie (Alterssichtigkeit). Erschwerung des Nahsehens durch Elastizitätsverlust (Skle-

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

565

rosierung) der Linse und nachlassende Akkommodation. Der Nahpunkt rückt mit dem Alter in die Ferne; eine latente Hyperopie kann durch P. manifest werden. Therapie.: Sammelgläser. Die Linse als ektodermales Derivat ist hier im Zusammenhang mit dem Ziliarkörper besprochen worden. Dieser gehört wie die Choroidea zur Tunica oculi media. Ebenso entsteht der Glaskörper (s. u.) aus dem embryonalen Ektomesenchym.

Abb. 6.17: Querschnitt und Oberfläche einer Linsenzelle. Die Linsenzellen verbinden sich mit Spezialeinrichtungen der Zellmembran: Druckknopfverbindungen (Pfeile) und Leisten (Pfeilspitzen), die in entsprechende Aussparungen passen

Abb. 6.19: Die „reife“ Katarakt (grauer Star) (Bild) ist durch eine durchgehende Trübung der Augenlinse gekennzeichnet (Quelle: Prof. Dr. F. W. Wilhelm, Halle/ Saale)

Anulus iridis minor

Anulus iridis major

Margo pupillaris

Iris

Zonula ciliaris

Processus ciliares

Linse

Schnittrand der Sclera

Abb. 6.18: Linse und Iris durch Wegnahme der Hornhaut (links) bzw. der Hornhaut und Iris (rechts) von vorn dargestellt

566

6.1.2.4 Glaskörper, Corpus vitreum Das Corpus vitreum füllt den 4 ml fassende Raum zwischen Linse, Hinterkammer und Netzhaut aus. Es besteht zu 99 % aus Wasser und wird durch Hyaluronsäurekomplexe zu einem Gel hoher Viskosität strukturiert. Zusätzlich findet man ein locker strukturiertes Kollagenfasergerüst, jedoch kaum Zellen. Durch den Quelldruck des Glaskörpers wird die Netzhaut gleichmäßig an das Pigmentepithel und die außen folgenden Schichten gelegt. Gleichzeitig erfüllt das Gel des Glaskörpers eine „Stoßdämpferfunktion“. Embryonal wird der Glaskörper bis zur 6. EW aus dem Gefäßsystem der A. hyaloidea gebildet, die vermutlich aus dem Ektomesenchym stammt. Bis zur 12. EW wird der sekundäre Glaskörper von Gliazellen abgegeben, die mit den Gefäßen ins Auge gewandert sind. Der tertiäre Glaskörper wird ab 12. EW von der Retina (v. a. von Müller-Zellen) produziert. Das neu gebildete Glaskörpergerüst verdrängt den sekundären Glaskörper in Richtung auf die Hyloideagefäße. Reste dieser Entstehung bleiben als Bahnen („Tractus“) des Glaskörpers erhalten, wovon der wichtigste der Cloquet-Kanal ist (Abb. 6.7), der vom Sehnerv bis zu der Fossa patellaris des Glaskörpers zieht. In der Fossa liegt die Linsenrückfläche.

Klinik: 1. Glaskörpertrübung. Verminderte Durchsichtigkeit des Corpus vitreum. Ursachen sind: Uveitis, Retinitis, Glaskörperblutungen, Traumen, 2. Glaskörperabhebung. Lösung des oberen und hinteren Glaskörpers von der Netzhautinnenfläche bei Glaskörperdestruktion; besonders im Alter, bei Myopie, nach Trauma, Blutung, Op., Entzündung (z. B. Chorioiditis) mit Blitzen, Flusen (Mouches volantes = Mückensehen), 3. Glaskörperblutung. Blutung in das Corpus vitreum; z. B. nach Trauma, bei Glaskörperabhebung, Ablatio retinae, Gefäßneubildungen durch Retinopathia diabetica, retinalen Venenverschluss.

6.1.2.5 Aderhaut, Choroidea Die Choroidea (Abb. 6.7) liegt zwischen Sklera und den beiden Schichten des embryonalen Augenbechers: Pigmentepithel und Netzhaut. Als am besten vaskularisiertes Gewebe des gesamten Organismus wird sie hauptsächlich von Gefäßstrukturen dominiert.

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

3 Schichten (von innen nach außen): £ Bruch-Membran als Basalmembran von/für:

1. Endothel der Choriocapillaris, 2. retinales Pigmentepithel. £ Lamina vasculosa als Gefäßschicht der Kapillaren (Choriocapillaris) und der weiter außen gelegenen zu- und abführenden größeren Gefäße (die Lamina vasculosa wird von manchen Autoren getrennt von der Choriocapillaris aufgeführt). £ Suprachoroidea mit einem aus Bindegewebefasern aufgebauten elastischem Lamellenwerk (Ort des uveoskleralen Kammerwasserabflusses) und der großen einstrahlenden Gefäße (Haller-Schicht). Arterien. 6–20 kurze hintere Ziliararterien (Aa. ciliares posteriores breves), die als Zinn-HallerRing um den Sehnerv liegen, perforieren mit dem N. opticus die Sklera und verästeln sich rasch in kleinere Stämme der Choroidea. Von den vorderen Ziliararterien gehen vom sog. intramuskulären Ring 10–12 rekurrente Äste ab, um die vorderen Bereiche der Choriocapillaris zu versorgen. Charakteristisch sind sehr kurze Arteriolenstrecken, die senkrecht zur Schicht der Choriocapillaris liegen. Choriocapillaris. Sie bildet im hinteren Bereich lobuläre Muster mit einer Arteriole im Zentrum. Die hohe Kapillarisierung (mehr Gefäßfläche als bindegewebige Zwischenräume) und der enorme Blutfluss führt dazu, dass die Sauerstoffausschöpfung sehr gering ist (nur 3 %, < 1/10 der Sauerstoffausschöpfung in den Retinagefäßen). Weitere Aufgaben der Kapillaren: Wärmeabfuhr (beim Blick in helle Objekte), Flüssigkeitsaustausch, Volumenpuffer. Venen. Der venöse Rückfluss der Choroidea erfolgt über kurze Venolen, die in Venen übergehen, die konzentrisch auf die 4–6 Vortexvenen (Vv. vorticosae) münden. Generell sind die Choroideagefäße reich mit autonomen Nerven, die mit verschiedensten Transmittern wie Peptide und Stickoxid arbeiten, versorgt. Die innervierten Melanozyten der Suprachoroidea bilden ein zweidimensionales Netz. Klinik: Uveitis. Entzündung der Uvea: 1. Anteriore U. (Iritis, Iridozyklitis), 2. Intermediäre U. mit Beteiligung der Pars plana corporis ciliaris, der peripheren Retina und Glaskörperbasis

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

(Pars-planitis), 3. Posteriore U. (Chorioiditis, Chorioretinitis), 4. Panuveitis.

6.1.3

Innere Augenhaut, Augenbecherschichten, Tunica interna bulbi

Lernziele: Pigmentepithel, Netzhautschichten, Retinazellen, Stäbchen, Zapfen, Fovea centralis, Papilla nervi optici, Netzhautgefäße Die Tunica oculi interna besteht aus dem Pigmentepithel (Derivat des äußeren Blattes des Augenbechers) und der Netzhaut (Derivat des inneren Blattes).

6.1.3.1 Pigmentepithel Die Choroidea ernährt das äußere Drittel der Netzhaut. Austauschvorgänge zwischen Choroidea und Netzhaut müssen durch das Pigmentepithel vermittelt werden. Blut-Retina-Schranke. Das Pigmentepithel ist apikal durch Zonulae occludentes abgedichtet. So entsteht die Blut-Retina-Schranke für die äußeren Bereiche der Netzhaut. Die Blut-Retina-Schranke für die inneren Bereiche der Netzhaut liegt im Endothel der Retinakapillaren. Zahlreiche Mitochondrien und zytoplasmatische Strukturen im Pigmentepithel deuten auf einen aktiven Stoffwechsel und Flüssigkeitsaustausch hin. Phagozytose. Für die Photorezeptoren übernimmt das Pigmentepithel die kontinuierliche Phagozytose der ständig sich erneuernden äußeren Segmente, die in scheibenartigen Membranstrukturen das Sehpigment enthalten. Pigmentierung. Pigmentzellen sind nicht gleichmäßig pigmentiert, so entsteht die Granulierung des Augenhintergrundes. Nach innen (apikal) besitzt jede Pigmentepithelzelle zahlreiche Mikrovilli, die sich zwischen die Außenglieder der Photorezeptoren hinein schieben. Auf diese Weise werden die beiden Blätter des ehemaligen embryonalen Augenbechers verzahnt.

567

Klinik: Ablatio retinae (= Amotio retinae, Netzhautablösung). Trennung von Netzhaut und Pigmentepithel und Bildung von subretinaler Flüssigkeit. Da keine direkte Verbindung der beiden Schichten des embryonalen Augenbechers durch Zellhaften besteht, kommt es durch Zug innerhalb des Glaskörpers oder Scherkräfte (Trauma) zur Wiedereröffnung des Hohlraums des embryonalen Augenbechers. Nur im Bereich des Sehnervenkopfes und an der Ora serrata, am Übergang zur Pars caeca, ist die Netzhaut fest mit dem Pigmentepithel verbunden.

6.1.3.2 Netzhaut, Retina Die Retina ist eine Wandausstülpung des zweiten sekundären Hirnbläschens (Zwischenhirn) (Abb. 6.16). Ähnlich diesem Ursprung entwickelt sich die Schichtengliederung: 1. Nervenzellen inklusive Photorezeptoren (1. Neuron), 2. Gliazellen (Müller-, Astrogliazellen), 3. Gefäßzellen. Retinaschichten (Abb. 6.20) Nervenzellen. Innerhalb der Ganglienzellen existiert eine projektive Verknüpfung, die direkt von den Photorezeptoren über die bipolaren Zellen (→ 2. Neuron) zu den Optikusganglienzellen (→ 3. Neuron) führt. Daneben existieren horizontale Verknüpfungen durch Horizontalzellen, die außen (in Richtung der Photorezeptoren) liegen und amakrine Zellen (Bezeichnung für „neuritenfreie“ Zellen), die innen liegen. 9 Schichten entstehen durch diese Zelltypen und ihre Verbindungen, mehr oder weniger scharf begrenzt: 1. Äußerste Schicht der Photorezeptoren (Stratum nervosum). Hier liegen die Außenglieder der Rezeptoren, die Disci mit dem Sehpigment enthalten. Die Außenglieder sind mit dem Pigmentepithel verzahnt. 2. Äußere Grenzmembran: Hauptzellleib der Photorezeptoren, die mit den Müller-Zellen über Desmosomen verknüpft sind (lichtmikroskopisch hat man diese Reihe der Desmosomen als Grenzmembran fehlgedeutet: Membrana limitans externa).

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

568 parvozelluläre Optikusganglienzellen

magnozelluläre Optikusganglienzelle

verschiedene Typen amakriner Zellen

innere Grenzschicht Nervenfaserschicht Optikusganglienschicht innere retikuläre Schicht innere Körnerschicht

Müller-Zellen Horizontalzelle

äußere retikuläre Schicht Stäbchenbipolare Zelle äußere Körnerschicht

verschiedene Typen bipolarer Zellen

Außensegmente der Photorezeptoren interplexiforme Zelle

Pigmentepithel Bruch-Membran Choriocapillaris

Abb. 6.20: Schichtengliederung und Zellarten der Netzhaut. Schematische Darstellung der Netzhautschichten

3. Äußere Körnerschicht, Stratum nucleare externum, Schicht der Zellkerne der Photorezeptoren. 4. Äußere plexiforme Schicht, Stratum plexiforme externum. Die äußere Schicht der Synapsen wird gebildet zwischen Photorezeptoren und projektiven Verbindungen durch bipolare Zellen und Verbindungen durch horizontale, bipolare und amakrine Zellen (Abb. 6.20). 5. Innere Körnerschicht, Stratum nucleare internum. Innere Körnerschicht mit Kernen von bipolaren, amakrinen, Horizontal-, Müller- und interplexiforme Zellen. Diese verbinden die innere plexiforme Schicht mit der äußeren plexiformen Schicht (Bipolare, Horizontalzellen). 6. Innere plexiforme Schicht (Stratum plexiforme internum). Die Schicht der Synapsen zwischen den genannten Zelltypen und Optikusganglienzellen (s. u.) lagert sich nach innen an. 7. Ganglienzellschicht, Stratum ganglionare mit Optikusganglienzellen. 8. Die innere Grenzmembran, Nervenfaserschicht (Stratum neurofibrorum) wird von den Neuriten der Optikusganglienzellen gebildet. 9. Die Membrana limitans interna grenzt die Retina basalmembranartig gegen den Glaskörper ab.

Das Licht fällt von innen durch die oben genannten Schichten auf die Außenglieder der Photorezeptoren, dem Ort der Phototransduktion (Auslösung molekularer Vorgänge durch Photonen), die letztlich der Auslöser der Rezeptor- und Nervenzellerregung ist. Viele Autoren betonen den histologischen Aufbau in 10 Schichten; hier wird jedoch das Pigmentepithel dazu gezählt, das keine eigentliche Retinaschicht ist. Retinagefäße Die Gefäße bilden in der Innenschicht der Netzhaut ein Netz aus dünnen Kapillaren. In der Maschenweite des Kapillarnetzes ist ein Kompromiss gebildet worden zwischen den metabolischen Anforderungen der Netzhautzellen und der Lichtdurchlässigkeit: Aufgrund dieser Anordnung erfährt das Blut in den Netzhautgefäßen eine höhere Sauerstoffausschöpfung (> 30 %) als in den angrenzenden Geweben, insbesondere der Choroidea.

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

569

Die Netzhautkapillaren selbst sind geschlossene Kapillaren (innerer Teil der Blut-Retina-Schranke) mit vielen Perizyten (dicht an dicht).

Endkolben

Axon

Neben diesen Gefäßzellen arbeiten in der Retina die über Kapillaren eingewanderten Mikrogliazellen, die abgestorbenes Gewebe phagozytotisch abräumen.

Zellkern

Retinazellen

Einschnürung

£ Müller-Zellen. Die Retina wird in ganzer

Innensegment

Dicke von den Müller-Zellen durchzogen. Sie sorgen für den mechanischen Zusammenhalt der Schichten, deshalb spricht man auch von MüllerStützzellen. Die Müller-Zellen selbst haben einen bizarren Aufbau und füllen mit teilweise längeren Fasern den größten Teil des interzellulären Raums zwischen den retinalen Nervenzellen aus. Wie generell im Nervensystem existiert daher kaum freier Interzellularraum. Neben den Müller-Zellen finden wir Astrozyten als Gliazellen besonders um Gefäße. £ Photorezeptoren: Stäbchen, Zapfen. Unterschiede bestehen funktionell und morphologisch (Tab. 6.2). Sie differieren auch im Absorptionsspektrum ihres Sehpigmentes, wobei die Stäbchen bei einer niedrigen Lichtintensität arbeiten, während die Zapfen helles Licht und Farben perzipieren. Stäbchen und Zapfen haben ihre photoempfindliche Schicht in den Außengliedern, die aus einer Reihe von mehreren hundert Scheiben Membranmaterial bestehen. Innerhalb dieser Scheiben oder Disci ist bei den Zapfen Iodopsin eingebaut, bei den Stäbchen Rhodopsin, jeweils in Kombination mit 11-cis-Retinal, das nach Lichteinfall zu 11-trans-Retinal umgelagert wird und eine Membranpotentialverschiebung in den Membranen induziert. Der Unterschied zwischen den Innengliedern besteht darin, dass die Membrandisci bei den Stäbchen innerhalb

Mitochondrium Zentriol Verbindungsstück (Zilie) Außensegment

Abb. 6.21: Aufbau der Photorezeptoren. Darstellung der Zellorganellen in Zapfen (links) und Stäbchen (rechts).

der Zellmembran liegen, bei den Zapfen haben sie Verbindungen zum Extrazellulärraum (Abb. 6.21). Darüber hinaus haben die Stäbchen nur ein Band in ihrer Synapse während die Zapfen mehrere Bänder haben. Zapfen sind mit sehr viel mehr Mitochondrien ausgestattet als Stäbchen. Daher sind auch die Innenglieder der Zapfen dicker. Zwischen Innen- und Außenglied der Photorezeptoren liegt ein dünner Verbindungsstiel nach Art eines Ziliums mit neun Paaren von Mikrotubuli. Es schließen sich die Kerne der Photorezeptoren an. Der Endkolben des Photorezeptors reicht in das Stratum plexiforme externum. Dort verbindet sich der Photorezeptor über Bändersynapsen mit je 2 Horizontalzellen und 1 bipolaren Zelle, deren Synapse in der Mitte dieser Triade liegt. Darüber hinaus gibt es

Tab. 6.2: Gegenüberstellung der Charakteristika von Stäbchen (Dämmerungssehen) und Zapfen (Tagessehen)

Lichtempfindlichkeit

Stäbchen

Zapfen

hoch, keine Farbselektivität; Maximum der Empfindlichkeit im blauen Spektralbereich

niedrig, Farbselektivität für Rot, Grün, Blau; Maximum der Empfindlichkeit im roten Spektralbereich

Topographie der Disci Membrandisci innerhalb der Zellmembran

Membrandisci mit Verbindungen zum Extrazellulärraum

Organellenverteilung

wenige Mitochondrien

sehr viele Mitochondrien

Synapsenform

Synapse mit einem Band

Synapse mit mehreren Bändern

570

aber auch konventionelle Synapsen in Richtung dieser Zelltypen. Ribbon-Synapsen. An den Synapsen mit integrierten Bandstrukturen (Ribbon-Synapsen) wird die Hyperpolarisation, die bei den Photorezeptoren durch Lichteinfall ausgelöst wird, in eine Depolarisation der bipolaren Zellen umgewandelt. Bei konventionellen Synapsen führt dies zu einer Hyperpolarisation der nachgeschalteten bipolaren Zellen, was sich in einer Hemmung ausdrückt. Die Erregungsleitung kann von den Rezeptorzellen direkt über bipolare Zellen zu den Ganglienzellen (Online-Verschaltung) oder von den Rezeptorzellen zu den Horizontalzellen und weiter zu bipolaren Zellen bis zu den Ganglienzellen führen (OfflineVerschaltung). Durch diese Verschaltungsarten lassen sich Phänomene komplexer Reizverarbeitung der Netzhaut z. B. die Steigerung des Kontrastes durch laterale Hemmung erklären. £ Bipolare Zellen sind Hauptmasse der inneren

Körnerschicht. Ihre Fortsätze verlaufen vertikal zur Retinaoberfläche und verbinden Photorezeptoren und Ganglienzellen.

Zelltypen: • Amakrine Zellen liegen an der inneren Oberfläche der inneren Körnerschicht und besorgen die horizontale assoziative Verknüpfung. Amakrine haben keine direkten Neuriten und können die Information jeweils von der erregten Synapse aus leiten. • Horizontalzellen sind in der äußeren Randzone der inneren Körnerschicht angeordnet und gewährleisten assoziative Verknüpfungen in der Ebene der Netzhaut. Charakteristisch für das Zytoplasma der Horizontalzellen ist ein Kristalloid (1 µm dick, 10–20 µm lang). • Interplexiforme Zellen liegen in der innersten Zone der inneren Körnerschicht. Die Fortsätze verbinden die innere plexiforme Schicht mit Synapsen zu den bipolaren und horizontalen Zellen der äußeren plexiformen Schicht (→ FeedbackMechanismus). Bipolare Zellen bilden in der inneren plexiformen Schicht Synapsen: eine Ganglienzelle und eine amakrine Zelle (Dyaden).

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

Axone der Optikusganglienzellen führen bis zum Corpus geniculatum laterale des Zwischenhirns (Kap. 5.4.2.3, S. 459). • M-Zellen. Aus den bis zu 20 Subtypen der Optikusganglienzellen seien die M-Zellen hervorgehoben, die in die magnozelluläre Schicht des Corpus geniculatum laterale projizieren. Sie reagieren schnell, haben eine hohe Kontrastempfindlichkeit, sind jedoch nicht farbenempfindlich. • P-Zellen verbinden sich mit der parvozellulären Schicht des Corpus geniculatum laterale. Sie reagieren langsamer, sind farbempfindlich und liegen weiter innen in der Netzhaut. Der Verlauf der Nervenfasern der Optikusganglienzellen wird weiter unten beschrieben. Netzhautperipherie, Fovea centralis Die Netzhaut beherbergt 110–125 Mio. Stäbchenund 6,3–7 Mio. Zapfenrezeptoren, sie ist in der Nähe der Ora serrata 0,12 mm dick, um die Stelle des schärfsten Sehens (Fovea centralis) 0,23 mm und in dem Areal der Fovea centralis, in dem die Zapfen völlig frei liegen (Foveola) 0,1 mm (Abb. 6.22). Diese Verteilung erklärt sich daraus, dass die menschliche Netzhaut unter den Primaten die stärkste Fokussierung auf eine Stelle optimalen Sehens aufweist.

Foveola. Genau in der Sehachse liegt die Foveola (0,4 mm Durchmesser), die aus schlanken, dicht gedrängten, dem Licht direkt ausgesetzten Zapfen besteht (150 000/mm2), wobei die einer scharfen Abbildung hinderlichen Innenschichten nach der Seite verlagert worden sind (Abb. 6.22). Innerhalb der Foveola sind die Rezeptoren (→ ausschließlich Zapfen) nahezu 1 : 1 mit den Optikusganglienzellen verschaltet. Die weiterleitenden Zellen lagern sich um die Fovea (parafoveal), so dass dieser Netzhautteil am dicksten ist. Die Gelbfärbung (Macula lutea) wird durch die Pigmente in den verschaltenden Nervenzellen bewirkt. Die Foveola selbst erscheint farblos, da die Schichten der verarbeitenden Zellen fehlen. Netzhautperipherie. Hier findet man mehr Stäbchen (ca. 160000/mm2) und die Dichte der Zapfen nimmt auf ca. 5000/mm2 ab. Die Stäbchen werden durch Horizontal- und amakrine Zellen zu größeren Einheiten zusammengefasst (Konvergenzprinzip), so dass nach peripher hin die Anzahl der Opti-

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

571 Foveola

Fovea

Parafovea

Optikusfaserschicht

Optikusganglienschicht innere retikuläre Schicht äußere retikuläre Schicht







innere Körnerschicht

  

äußere Körnerschicht Außenglieder der Photorezeptoren Pigmentepithel Choroidea

Abb. 6.22: Netzhautschichten im Bereich der Fovea centralis der Netzhaut. Im Zentrum der Stelle des schärfsten Sehens sind die Netzhautschichten zur Seite verlagert, d. h. aus dem Weg des Lichtstrahls herausgenommen.

kusganglienzellen immer stärker abnimmt und die zunächst mehrreihigen Ganglienzellen (parafoveolar 6–8 Lagen) nur noch einlagig werden. Die starke Konvergenz (v. a. der Stäbchen) zeigt sich auch in der geringen Zahl der Optikusganglienzellen (1,2 Mio.) im Vergleich zu Stäbchen (110–125 Mio.) und Zapfen (6,3–7 Mio.).

Die Papille liegt medial von der optischen Achse und enthält keine Photorezeptoren, da hier die Neuriten der retinalen Optikusganglienzellen zusammenlaufen und dicht gedrängt in der Lamina cribrosa durch die Sklera laufen. In der Übergangszone zwischen Retina und dem Sehnervenkopf findet man einige wenige differenzierte Zellen, die sich

Sehschärfe. Physiologisch drückt sich die Zentralisation der Retina darin aus, dass nur in der Foveola 100 % Sehschärfe existiert; sie fällt rapide zum Rand der Retina ab und erreicht dort nur wenige Prozent. Die Netzhautperipherie hat die Aufgabe, der Fovea centralis zuzuarbeiten und z. B. Gegenstände als solche und in ihrer Bewegung zu registrieren, um sie dann über die Fovea einer genaueren Analyse zu unterziehen. Für den Organismus bedeutet das, dass Gegenstände durch aktive Mitbeteiligung der Augenmuskeln erfasst und je nach Größe „nachgezeichnet“ werden müssen. Dies gilt auch für das räumliche Erfassen des stereoskopischen Bildes (s. u.), wobei beide Augen jeweils nur einen kleinen räumlichen Bezirk der größten Schärfe fixieren.

1

2

3

4

5

6

Sehnervenkopf, Papilla nervi optici Papilla nervi optici. Die Neuriten der Optikusganglienzellen laufen an der Papille (= Sehnervenkopf) zusammen, wobei die Nervenfasern eine charakteristische Figur mit horizontaler Raphe bilden (Abb. 6.23). Sehnervenabgang. Neben der Macula lutea mit Fovea und Foveola ist der Sehnervenabgang ein besonderer Bereich des Augenhintergrundes.

Abb. 6.23: Nervenfaserverlauf in der retinalen Nervenfaserschicht: Die Axone der nasalen Retina (1) ziehen direkt zur Papille (2); die Axone des papillomakulären Bündels (3) ziehen direkt zum temporalen Rand der Papille. Die Fasern der temporalen Retina laufen bogenförmig um die Fovea und Area centralis (4) und zum oberen und unteren Rand der Papille. Die horizontale Raphe (5) beginnt temporal der Fovea und teilt diese Zone in ein oberes und unteres Einzugsgebiet der Papille.

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

572

retrobulbärer Fettkörper

Sehnerv

Spatium intervaginale (Tenon)

Siebbeinzellen Anulus tendineus (Zinni)

M. rectus bulbi lat. M. rectus bulbi med.

Abb. 6.24: Magnet-Resonanz-Tomographie-Horizontalschnitt Kopf (Ausschnitt) in Höhe des maximalen Durchmessers des Auges

unmittelbar an die Photorezeptoren anschließen und gegeneinander mit Desmosomen verbunden sind. Hier wird auch die von den inneren Fortsätzen der Müller-Zellen gebildete Membrana limitans interna durch eine dünnere Membrana limitans (Elschnig) abgelöst, die von den Astrozyten der Papille selbst gebildet wird. Der Gliaüberzug bildet auch als zentraler Bindegewebemeniskus den Abschluss des Bindegewebestranges, der die Zentralgefäße (A.,V. centralis retinae) begleitet. Lamina cribrosa. Die Durchtrittsstelle durch die Sklera (2,9 mm2 Fläche) hat im Mittel 230 Poren mit 0,04 mm2 Größe. Hinter der Lamina cribrosa erhalten die Optikusfasern Markscheiden und der Durchmesser des Sehnervs nimmt von 1,5 mm (Papille) auf 3,6 mm zu. Klinik: 1. Der Verlauf der Optikusneuriten erklärt die typischen Gesichtsfeldausfälle bei Erkrankungen der Ganglienzellen sowie die strichförmige Form von Blutungen und Extravasaten in diese Schicht. 2. Retinopathia

diabetica Bei Diabetes mellitus auftretende Störung der kleinsten Gefäße (Mikroangiopathie) der Netzhaut. Formen: 2.1 Nichtproliferative Retinopathia diabetica: Netzhautblutungen, Mikroaneurysmen, Lipidablagerungen, Ödem, meist bei Typ II Diabetes verstärkt durch Hypertonie; 2.2 Proliferative Retinopathia diabetica: zusätzlich Auftreten von ischämisch, exudativ veränderten Bezirken (Cotton Wool Herde), Gefäßneubildungen, Blutungen; meist Typ I Diabetes. 3. Retinopathica hypertensiva. Bei Hypertonie unterschiedlicher Genese auftretende Netzhautveränderungen, Engstellung aller Gefäße, strichförmige Netzhautblutungen, harte Exsudate (Sternfigur der Makula), Cotton wool Herde, Ödem. Sehnerv, N. opticus Der N. opticus besteht aus den Neuriten der Optikusganglienzellen und geht zum Chiasma opticum und von dort gekreuzt bzw. ungekreuzt (weiterer

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

Verlauf der Sehbahn s. Kap. 5.4.2.3, S. 459) im Tractus opticus zum lateralen Kniehöcker (Corpus geniculatum laterale). Tractus retinohypothalamicus. Im Chiasma opticum zweigen dünne markarme Optikusfasern vom Sehnerv ab, die in den Hypothalamus einstrahlen. Hier gewinnt der Sehapparat Anschluss an die übergeordneten Zentren des vegetativen Nervensystems. Colliculus superior. Ein weiterer kleinerer Teil des Tractus opticus zieht am Corpus geniculatum laterale vorbei und endet an den vorderen der 4 Hügel. Über das Mittelhirn werden so Pupillen- und Akkommodationsreflexe vermittelt.

6.1.4

Gefäße und Nerven des Bulbus oculi

Lernziele: Retinales, ziliares Gefäßsystem, sympathische, parasympathische Innervation, Reflexe 1. Blutgefäße Arterien (Abb. 6.7, 6.13). Die arterielle Versorgung erfolgt durch die A. ophthalmica, die sich in 2 Gefäßsyteme aufteilt, die außergewöhnlich getrennt voneinander laufen: w A. centralis retinae, versorgt die inneren Schich-

ten der Netzhaut

w Ziliares System, versorgt hauptsächlich die

Uvea.

Die A. centralis retinae tritt als erster Ast der A. ophthalmica 6–8 mm hinter dem Bulbus in den Sehnerv ein und verbindet sich hinter der Lamina cribrosa über Seitenäste mit dem Circulus arteriosus sclerae (Zinn-Gefäßkranz, s. u.). Innerhalb des Auges, auf der Papilla nervi optici teilt sich die Arterie in Hauptäste zur Versorgung der inneren Retinaschichten: w A. temporalis retinae superior, A. temporalis

retinae inferior, A. nasalis retinae superior, A. nasalis retinae inferior (Abb. 6.18).

Äste des ziliaren Systems w 16–20 Aa. ciliares posteriores breves ziehen

zum Auge und bilden den Zinn-Gefäßkranz, wobei sie sich in kleinere Ästchen aufteilen.

573

Diese durchstoßen die Sklera und laufen in der Schicht der größeren Gefäße der Choroidea und versorgen die Choriocapillaris. w 2 Aa. ciliares posteriores longae. Zusätzlich ziehen die beiden langen hinteren Ziliararterien ohne Verzweigung zum vorderen Augensegment und bilden dort mit den vorderen Ziliararterien (Aa. ciliares anteriores) Gefäßkränze. w Aa. ciliares anteriores ziehen meist in Zweizahl in jedem der 4 geraden Augenmuskeln (s. u.), der M. rectus lateralis besitzt nur eine. Die vorderen Ziliararterien bilden auf der Außenseite der Sklera zunächst den episkleralen Ring, nach Perforation bilden sie im Ansatzbereich der Ziliarmuskeln einen intramuskulären Ring und ziehen weiter zum Circulus arteriosus major. Hier verbinden sie sich mit den beiden langen hinteren Ziliararterien, die temporal und nasal nach vorne gelangen. Vom Circulus arteriosus iridis major zweigen Äste ab, die zu den vorderen Anteilen des Ziliarmuskels, der Iris und den Ziliarfortsätzen führen (Abb. 6.9). Venen w Die V. centralis retinae erhält Zuflüsse aus

Venen, die parallel mit den Arterien (A. temporalis sup. und inf., A. nasalis sup. und inf. sowie A. macularis und A. med. retinae) ziehen und entsprechend benannt werden. Sie mündet in die V. ophthalmica superior oder direkt in den Sinus cavernosus. w Ziliare Venen laufen zusammen mit den vorderen Ziliararterien, die auch die Konjunktiva und Episklera drainieren. Alle anderen Venen der mittleren Augenhaut (Iris, Ziliarkörper, Choroidea) münden in die 4 Vv. vorticosae (Wirbelvenen), die jeweils in der Äquatorzone angeordnet sind. 2. Nerven Das Auge wird sensibel, sympathisch und parasympathisch innerviert. Die sensible Innervation erfolgt w über Äste, die sich dem N. nasociliaris (Durch-

gang durch die Fissura orbitalis superior) als Nn. ciliares longi (2–3 Äste) anschließen oder w durch Fasern, die als Nn. ciliares breves ohne Umschaltung durch das lateral vom Sehnerv liegende Ganglion ciliare gehen (10 Äste).

574

Sympathische Fasern stammen vom Ganglion cervicale superius. Der sensorischen Innervation ähnlich verlaufen die Fasern als: w Nn. ciliares longi zum M. dilatator pupillae; sie

treten hinten durch die Sklera ein, verzweigen sich in der Uvea in Höhe des Ziliarkörpers und erreichen das vordere Augensegment und die Hornhautperipherie als 70–80 markhaltige Nerven. Schon am Rande der Hornhaut verlieren sie ihre Myelinhülle. In Iris und Ziliarkörper begleiten diese Nerven v. a. Gefäße. w Nn. ciliares breves, die v. a. Vasokonstriktion vermitteln. Parasympathische Fasern stammen w von den parasympathischen Ursprungskernen

des N. oculomotorius

w oder als VIP-haltige Nerven aus dem Ganglion

pterygopalatinum.

Fasern des N. oculomotorius werden im Ganglion ciliare umgeschaltet und erreichen als „echte“ Nn. ciliares breves ebenfalls in Umgebung des Sehnervs das Auge, durchbohren die Sklera und gehen bis zum M. sphincter pupillae und zum Ziliarmuskel. Akkommodation, Pupillarreflexe. N. oculomotorius und Sympathikus bewirken Akkommodationsund Pupillenreflexe: £ Mydriasis (= Pupillenerweiterung) veranlasst

der Sympathikus, wie aus der Innervation der inneren Augenmuskeln abzuleiten ist (→ „sympathische“, also „große“ Augen). £ Miosis (= Pupillenverengung) vermittelt der Parasympathikus durch Kontraktion von M. ciliaris und M. sphincter pupillae. Akkommodation und Pupillenverengung sind gekoppelt. Transmitter. Neben den klassischen Transmittern findet man sowohl am vorderen Auge die Transmitter wie Substanz P, Neuropeptid Y (NPY) und Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP) und stickoxidsynthetasehaltige (NOS) Nerven (nitrerge Nerven). In der Choroidea kommt der Transmitter VIP (vasointestinales Polypeptid) gehäuft vor.

Klinik: I. Pupillenreflexe (= Pupillenreaktionen, P). Physiologische Veränderungen der Pupillenweite (Pupillomotorik, s. auch Kap.

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

5.4.2.3, S. 459), 1. Lichtreaktion (P. bei Lichteinfall): 1.1 direkte Lichtreaktion: Pupillenverengung bei Belichtung der gleichseitigen Retina (Helladaptation), 1.2 indirekte (konsensuelle) Lichtreaktion: Pupillenverengung bei Belichtung der gegenseitigen Retina; fehlt u. a. bei zentralem Reflexbahnausfall, 2. Synergische P. (Naheinstellungsreaktion): Pupillenverengung bei Akkommodation u. Konvergenz, 3. Lidschlussreaktion, 4. Psychisch ausgelöste P.: Pupillenerweiterung bei gesteigertem Sympathikotonus, Pupillenverengung bei Überwiegen des Parasympathikotonus. II. Pupillenanomalie, 1. Mydriasis durch Parasympatholytika (Pethidin, Phenothiazine, Antidepressiva), 1.1 Einseitige Mydriasis. Ihr kommt die größte praktische Bedeutung zu, meist durch Reizung des N. III. (Urs.: Raumforderung, intrakranielles Karotisaneurysma (Rupturgefahr bei fehlender Lichtreaktion), Adie-Syndrom, Trauma des N. III), 1.2 Bilaterale Mydriasis. Vielfältiges Symptom, z. B. bei Intoxikation, Grand-Mal-Anfall, allgemeiner Hypoxie, Komastadien III, IV, 2. Miosis durch Miotika (Opiate, Reserpin, Cholinesterasehemmer), 2.1 Einseitige Miosis beim Horner-Syndrom: Trias aus Miosis (Lähmung des M. dilatator pupillae), Ptosis (Oberlid hängt herab, sympathische Innervation des M. tarsalis superior ist unterbrochen) und Hebung des Unterlids mit scheinbarem Enophthalmus (das Auge liegt tiefer, Innervation von Gefäßen und M. orbitalis sind unterbrochen), 2.2 Einseitige Miosis bei pontiner Hirnstammschädigung (meist Blutung mit max. Miosis ohne Lichtreaktion), 3. Anisokorie. Seitendifferente Weite der Pupillen (Pupillendifferenz > 1 mm). Ursache: 3.1 angeborene Anomalie bei 4 % der Bevölkerung, 3.2 Störung der parasympathischen Efferenz (Sphinkterstörung) bei Okulomotoriuslähmung od. Pupillotonie (s. u.), 3.3 Störung der sympathischen Efferenz (Dilatatorstörung) bei Horner-Syndrom, 3.4 Ophthalmologische (z. B. Iritis, Glaukom) oder neurologische Erkrankungen (intrakranielle Raumforderung, Mittelhirnläsion), 4. Pupillotonie. Störung der Pupillenmotorik mit träger oder fehlender Licht- und langsam tonisch ablaufender Konvergenzreaktion, meist ein-, selten beidseitig. Ursache: nach Ganglionitis ciliaris acuta, bei Adie-Syndrom.

6.2 Bewegungsapparat des Augapfels

6.2

575

Bewegungsapparat des Augapfels 6.2.1 Augenmuskeln, Musculi oculi

Lernziele: Augenmuskeln: Lage, Funktion, Innervation, Augenbewegungen, Orbitaler Fettkörper, Tenon-Kapsel, Tenon-Raum, Periorbita, Septum orbitale

Von 6 am Augapfel ansetzenden Musculi oculi (Abb. 6.25 – 6.30) entspringen 5 an einem ovalen Sehnenring, Anulus tendineus communis (Zinnii), der sich an der Spitze der Orbitapyramide befindet. Er umgibt den Canalis opticus und den angrenzenden Teil der Fissura orbitalis superior. Durch diesen Ring treten in die Augenhöhle:

Um einen Gegenstand im Raum mit den Augen zu erfassen, müssen die Sehlinien beider Augen auf den Gegenstand gerichtet werden. Diese Richtbewegung erfolgt durch : 1 Einstellung des Kopfes (Halsmuskeln), 2 Einstellung der Bulbi (6 Augenmuskeln). Wie in einem Kugelgelenk können Bewegungen nach allen Richtungen hin ausgeführt werden. Dafür sorgen 3 Paare antagonistischer Muskeln: 4 gerade (= Mm. recti) und 2 schräge (Mm. obliqui).

V 1b

IV

w N. opticus, N. oculomotorius, N. abducens,

N. nasociliaris; A. ophthalmica. Nur der M. rectus lateralis hat noch einen zusätzlichen Ursprung (Lacertus m. recti lat.) vom großen Keilbeinflügel (Abb. 6.25, 6.26).

Wir unterscheiden 4 gerade und 2 schräge Augenmuskeln.

V 1a

VI

III

A. ophthalmica

M. levator palpebrae superioris M. rectus superior V 1c N. opticus M. obliquus superior V. ophthalmica superior M. rectus lateralis

Fissura orbitalis superior

M. rectus medialis M. rectus inferior Fossa sacci lacrimalis M. obliquus inferior

Fissura orbitalis inferior

Abb. 6.25: Rechte Orbita mit den Ursprüngen der Augenmuskeln (rot) und den Eintrittsstellen der Nerven. III = N. oculomotorius; IV = N. trochlearis; V 1a = N. nasociliaris; V 1b = N. frontalis; V 1c = N. lacrimalis; VI = N. abducens

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

576 £ Gerade Augenmuskeln: M. rectus superior,

M. rectus inferior, M. rectus medialis und M. rectus lateralis.

1. M. rectus superior O.: Anulus tendineus communis I.: Sklera, oberer Quadrant, vor Äquator L.: N. oculomotorius, A. V. ophthalmica F.: Heben, Innenrollen, Adduzieren 2. M. rectus inferior O.: Anulus tendineus communis I.: Sklera, unterer Quadrant, vor Äquator L.: N. oculomotorius, A. V. ophthalmica F.: Senken, Außenrollen, Adduktion 3. M. rectus medialis O.: Anulus tendineus communis I.: Sklera, innerer Quadrant, vor Äquator L.: N. oculomotorius, A. V. ophthalmica F.: Adduktion 4. M. rectus lateralis O.: Anulus tendineus communis I.: Sklera, äußerer Quadrant, vor Äquator L.: N. abducens, A. V. ophthalmica F.: Abduktion

Sie ziehen als 1 cm breite, platte Muskeln an der oberen, unteren, medialen und lateralen Wand der Orbita zum Augapfel, wo sie in verschiedener Entfernung vom Hornhautrand (M. rectus sup. 7,7 mm, M. rectus lateralis 7 mm, M. rectus inferior 6 mm, M. rectus medialis 5,5 mm) in die Sklera einstrahlen (Abb. 6.26). Sie umschließen einen pyramidenförmigen Raum, der mit Baufett, Corpus adiposum orbitae, ausgefüllt ist; darin verläuft der Sehnerv zum Bulbus. £ Schräge Augenmuskeln: M. obliquus superior,

M. obliquus inferior.

Sie treten jeweils oben und unten von vorn medial nach hinten lateral an den Bulbus. 1. M. obliquus superior O.: Anulus tendineus communis I.: Sklera, oberer Quadrant, hinter Äquator L.: N. trochlearis, A. V. ophthalmica superior F.: Innenrollen, Abduktion, Senken Der Muskel entspringt gemeinsam mit den geraden Muskeln, verläuft oberhalb des M. rectus medialis an der medialen Orbitawand bis zur Fovea trochlearis, wo seine runde (oft von einem Schleimbeutel

M. obliquus superior M. rectus superior M. levator palpebrae superioris M. rectus medialis

Sinus frontalis Trochlea

N. opticus Anulus tendineus communis

Schnittrand der Tunica conjunctiva bulbi

Fossa hypophysialis M. rectus lateralis (Ursprünge) Foramen rotundum Fissura pterygomaxillaris M. rectus inferior

M. obliquus inferior Foramen infraorbitale Sinus maxillaris

Processus pterygoideus

Abb. 6.26: Muskeln des Augapfels von lateral gesehen. M. levator palpebrae superioris zum Teil entfernt

6.2 Bewegungsapparat des Augapfels

577

umgebene) Sehne durch einen knorpeligen Halbring, die Trochlea, zieht, um sich im spitzen Winkel (50°) nach hinten lateral zu wenden und unter dem M. rectus superior zum hinteren, oberen, lateralen Quadranten des Augapfels zu gelangen. 2. M. obliquus inferior O.: Maxilla, hinter medialem Orbitarand I.: unterer, äußerer Quadrant, hinter Äquator L.: N. oculomotorius, A. V. ophthalmica F.: Außenrollen, Abduktion, Heben

M.r.m.

Der Muskel entspringt als einziger Muskel vorn am Boden der Orbita, neben dem Eingang in den Canalis nasolacrimalis (Abb. 6.25) und verläuft in gleicher Richtung wie die Endsehne des M. obliquus superior nach hinten lateral und setzt am hinteren, unteren, lateralen Quadranten des Bulbus an.

M.r.l.

M.r.s. M.r.i.

Wirkung der Muskeln. Abb. 6.27 orientiert über die Primärstellung: geradeaus gerichteter Blick, Sehlinie sagittal.

M.o.i.

Abb. 6.28 gibt die Länge der Pfeile die Kraft der einzelnen Muskeln wieder. M. rectus medialis, M. rectus lateralis bewirken eine reine Seitwärtsbewegung: • M. rectus medialis adduziert (konvergiert), er kann mehr Kraft ausüben. • M. rectus lateralis abduziert (divergiert). M. rectus superior: hebt die Sehlinie, rotiert nach innen und adduziert. M. rectus inferior: senkt die Sehlinie, rotiert nach außen und adduziert. Beide Muskeln bilden in der Primärstellung mit der Sehlinie einen Winkel von 25°. Dies erklärt die zusätzliche Adduktion und Außen- bzw. Innenrotation durch M. rectus inferior und superior. Wird das Auge um 25° abduziert, kommt damit die Sehlinie in die Verlaufsrichtung der Muskeln, so sind sie nahezu reine Heber bzw. Senker. M. obliquus superior senkt die Sehlinie, rotiert nach innen und abduziert. M. obliquus inferior: hebt die Sehlinie, rotiert nach außen und abduziert. Beide Muskeln bilden in der Primärstellung mit der Sehlinie einen Winkel von 40°. Wird das Auge um

M.o.s.

Abb. 6.27: Wirkung der Bulbusmuskeln. Die Wirkung auf die 3 Achsen ist durch Pfeile dargestellt. M. r. m. = M. rectus medialis; M. r. l. = M. rectus lateralis; M. r. s. M. rectus superior; M. r. i. = M. rectus inferior; M. o. s. M. obliquus superior; M. o. i. = M. obliquus inferior

M. obliquus inferior

M. rectus superior

M. rectus lateralis

M. rectus medialis

M. obliquus superior

M. rectus inferior

Abb. 6.28: Funktion der Bulbusmuskeln. Schema nach Marquez-E. Fuchs. Die Pfeile geben die Richtung und ihre Länge die Kraft der Muskeln an.

578

40° abduziert, so verlaufen die Muskeln senkrecht zur Sehlinie und werden zu reinen Rollern. Augenbewegungen. Um eine bestimmte Stellung des Bulbus zu erreichen, müssen oft 2 oder 3 Muskeln zusammenarbeiten. Sollen beide Augen als ein einheitliches Organ benützt werden, so müssen sie gleichsinnig bewegt werden. Die Bewegungen beider Augen sind über die Innervation zwangsläufig gekoppelt. Sie können daher nicht unabhängig voneinander benützt werden. Über die Steuerung der Augenbewegungen siehe Kap. 5.4.2.3, S. 459. Da die 4 geraden Augenmuskeln von hinten nach vorn an den Bulbus gelangen, ziehen sie auch den Bulbus in Richtung Augenhöhle. Dieser Zugkraft wirken der Fettkörper des Auges und die beiden schrägen, von vorn nach hinten verlaufenden Muskeln entgegen. Innervation w N. oculomotorius. Der III. Hirnnerv (15 000

w

w

w

w

Axone) versorgt die meisten Augenmuskeln: M. rectus superior, M. rectus inferior, M. rectus medialis, M. obliquus inferior und M. levator palpebrae superioris. Sein motorischer Kern liegt in der Haube des Mittelhirns. N. trochlearis. Der IV. Hirnnerv (2 500 Axone) innerviert den M. obliquus superior. Er ist der dünnste Hirnnerv und hat seinen Kern ebenfalls im Mittelhirn in Höhe der unteren 2 Hügel der Vierhügelplatte. N. abducens. Der VI. Hirnnerv (6 000 Nervenfasern) hat seinen motorischen Kern im Boden der Rautengrube und versorgt den M. rectus lateralis. N. trigeminus. Allen Augenmuskelnerven lagern sich Äste des V. Hirnnervs (V/1, N. ophthalmicus) an. Diese führen die Afferenzen aus den Rezeptoren in den Augenmuskeln dem V. Hirnnerv zu. Sympathikusfasern erhalten die Augenmuskeln aus den vegetativen Plexus, die die Orbitalarterien begleiten.

Ihrer Funktion, der fein abgestuften Bewegung entsprechend, haben Augenmuskeln eine reichhaltige Innervation. Jeweils wenige Muskelzellen werden von einen Axon versorgt. Die Augenmuskeln haben weit mehr Muskelspindeln als andere quergestreifte Muskeln. Hirnnervenlähmungen s. Kap. 5.4.2.3, S. 459.

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

6.2.2 Fettkörper, Corpus adiposum orbitae, Bindegewebeapparat der Augenhöhle Fettkörper (Abb. 6.29, 6.30). Der nicht von Muskeln, Gefäßen und Nerven eingenommene Raum der Augenhöhle ist von einem mit Bindegewebe durchsetzten Fettkörper ausgefüllt. Innerhalb der 4 geraden Augenmuskeln bildet dieser einen pyramidenförmigen Körper, Corpus adiposum orbitae (Abb. 6.29). Das den Fettkörper durchsetzende Bindegewebe verdichtet sich gegen die Muskeln, v. a. aber gegen den Bulbus hin zu einer festeren Haut, die ein Widerlager für den Augapfel bildet. 1. Tenon-Kapsel. Diese den Bulbus umgebende Hülle, Vagina bulbi (Tenon-Kapsel), ist mit dem N. opticus fest verwachsen, liegt in seiner Umgebung dicht der Sklera auf und entfernt sich dann von ihr (Abb. 6.29). 2. Tenon-Raum. Es entsteht so zwischen Kapsel und Sklera das Spatium intervaginale (circumbulbare, subcapsulare, Tenon-Raum), eine Verschiebespalte für den Bulbus. Sie wird von zarten Bindegewebefasern durchzogen, welche die bei den Bulbusbewegungen auftretenden Spannungen auffangen. Vagina und Spatium intervaginale reichen nach vorn bis in die Nähe des Hornhautrandes (Abb. 6.29). Die 6 Augenmuskeln ziehen auf ihrem Wege zum Bulbus durch schlitzförmige Öffnungen der Kapsel. Von der Rückfläche der Kapsel setzt sich das Bindegewebe auf die Muskeln fort, bildet um sie Scheiden, Fasciae musculares, die gegen den Ursprung der Muskeln hin dünner werden und sich schließlich verlieren. Periorbita. Sie kleidet als Periost die knöcherne Augenhöhle aus. Durch den Canalis opticus und die Fissura orbitalis superior geht sie in die Dura mater über. Im Bereich der Fissura orbitalis inferior sind in die Periorbita glatte Muskelzellen (M. orbitalis) eingewebt. Der glatte M. orbitalis ist beim Menschen das Rudiment einer Muskelplatte, die bei vielen Säugern die fehlende laterale Knochenbegrenzung ersetzt.

Septum orbitale. Es schließt den Augenhöhleninhalt nach vorne ab. Es zieht als ringförmige nahezu vertikal gestellte Bindegewebeplatte vom Orbitalrand zum Tarsus superior und inferior und wird von Nerven und Gefäßen durchbohrt (Abb. 6.31).

6.2 Bewegungsapparat des Augapfels A. ophthalmica, N. trochlearis

Anulus tendineus comm., M. levator palp. sup.

579

Vagina ext. A. ophthalmica, Sclera, Vagina n. optici, M. rectus superior bulbi (Tenon) N. frontalis

Discus n. optici, A. centralis retinae Retina, Choroidea Periorbita Fornix conjunctivae superior

N. oculomotorius

Septum orbitale M. tarsalis superior Tendines m. levatoris palpebrae superioris Angulus iridocornealis, Gll. conjunctivales M. dilatator pupillae M. sphincter pupillae Camera anterior bulbi, Cornea, Saccus conjunctivae Tarsus superior, Gll. tarsales, M. orbicularis oculi Iris, M. ciliaris Ora serrata, Orbiculus ciliaris Fornix conjunctivae inferior, M. tarsalis inferior M. obliquus inferior, Septum orbitale Periorbita

N. maxillaris, Ggl. ciliare

Venenplexus, Ggl. pterygopalatinum, A. maxillaris

Sinus maxillaris

M. rectus inferior

N. infraorbitalis

Abb. 6.29: Sagittalschnitt durch die Augenhöhle mit Inhalt. Von lateral gesehen. Verändert nach E. Pernkopf

M. obliquus superior M. levator palpebrae superioris, M. rectus superior M. rectus medialis M. rectus lateralis N. opticus M. rectus inferior

Concha nasalis



superior



media



inferior

Crista galli

Sinus frontalis

N. frontalis Cellulae ethmoidales Lamina orbitalis ossis ethmoidalis N. infraorbitalis Hiatus maxillaris Sinus maxillaris Septum nasi Processus palatinus maxillae

Abb. 6.30: Frontalschnitt durch Augen- und Nasenhöhle. Die topographischen Beziehungen zwischen Nasennebenhöhlen und Augenhöhlen

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

580 Rami palpebrales n. supraorbitalis Septum orbitale Rami palpebrales n. lacrimalis Tarsus superior

Rami laterales Rami mediales

  

n., a., v. supraorbitalis

N. supratrochlearis V. angularis

A. palpebralis lateralis N. infratrochlearis Lig. palpebrale laterale A. palpebralis medialis Arcus palpebralis inferior Tarsus inferior Rr. palpebrales n. infraorbitalis

Lig. palpebrale mediale A. palpebralis medialis

Abb. 6.31: Tarsi, Lidplatten und Septum orbitale mit hindurchtretenden Nerven und Gefäßen. Der M. orbicularis oculi ist entfernt

Sinus frontalis

Periost Knochen

Crista galli

N., A. supraorbitalis

N. trochlearis, M. obliquus superior

Glandula lacrimalis

Cellulae ethmoidales Schnittrand der Dura mater N. opticus A. carotis interna Chiasma opticum, Recessus opticus Diaphragma sellae N. oculomotorius

M. rectus superior M. levator palpebrae superioris R. communicans cum n. zygomatico N., A. lacrimalis Periorbita N. frontalis Fossa cranii media A. meningea media

Mesencephalon

Abb. 6.32: Nerven und Gefäße einer rechten Orbita in situ nach Entfernung des Augenhöhlendaches. I. Oberflächliche Lage

6.3 Schutzeinrichtungen des Auges

Im vorderen Gebiet ziehen von der Vagina bulbi plattenartige Bindegewebezüge zur Orbitawand und zum unteren Augenlid. Sie sind unter dem Einfluss des Muskelzuges entstanden, bremsen als Retinacula stärkste Bewegungen ab. Klinik: Enophthalmus. Zurücksinken des Augapfels in die Orbita durch Schwund des orbitalen Fettgewebes (Wasserverlust, verminderter Gewebedruck) infolge Abmagerung, malignen

6.3

581

Tumors (tiefliegende Augen des Schwerkranken), Alter oder narbige Schrumpfung, nach Verletzung und Dislokation der knöchernen Wand (E. traumaticus), z. B. bei Blow-out-Fraktur. Scheinbarer E. beim Horner-Syndrom durch schmale Lidspalte. Exophthalmus = Hervortreten des Bulbus endokrin (M. Basedow), tumorgefäß- oder entzündungsbedingt.

Schutzeinrichtungen des Auges

Lernziele: Lidapparat, Bindehaut, Tränendrüse, Tränenwege

6.3.1 Augenlider, Palpebrae und Augenbrauen, Supercilia 6.3.1.1 Augenlider Die Augenlider sind dem Augapfel als muskelhaltige Weichteilfalten vorgelagert (Abb. 6.31, 6.33). £ Oberlid. Die Palpebra superior ist durch den

Sulcus palpebralis superior gegen die Stirn abgegrenzt und bei geöffneter Lidspalte weitgehend durch eine Deckfalte überlagert. £ Unterlid. Die Palpebra inferior ist durch den Sulcus palpebralis inferior gegen die Wange getrennt. Einzelne Bestandteile

Facies anterior palpebrarum. Die Außen- oder Hautfläche der Lider ist von der dünnen Lidhaut überzogen. Sie ist mit feinen Lanugohärchen besetzt und mit kleinen Schweiß- und Talgdrüsen versehen. Ihr fettloses, zartes und lockeres Subkutangewebe erklärt die gute Verschieblichkeit der Lidhaut. In ihr bilden sich leicht Ödeme (z. B. bei Nierenkrankheiten, allergisches Lidödem – Quincke-Ödem). Limbus palpebralis anterior (Abb. 6.33). An der abgerundeten vorderen Lidkante, geht das verhornte Plattenepithel der Lidhaut in das nicht

verhornte geschichtete Plattenepithel des 2 mm breiten, freien Lidrandes über. Wimpernhaare, Cilia. Nahe der vorderen Lidkante stehen die starren, dicken Wimpernhaare in 2–3 Reihen. Sie unterstützen das Abblenden des Auges, schützen vor Fremdkörpern und lösen bei Berührung reflektorisch Lidschluss aus. Drüsen. An den Haarbälgen finden wir kleine holokrine Talgdrüsen, Glandulae sebacea (ZeisDrüsen), aber keine Mm. arrectores pilorum. Daneben kommen großlumige apokrine Schweißdrüsen, Wimperndrüsen, Glandulae ciliares (Moll-Drüsen) vor. Lidspalte, Rima palpebrarum. Die freien Ränder beider Lider gehen (Abb. 6.33) lateral in einem spitzen Winkel (Angulus oculi lateralis), medial abgerundet (Angulus oculi medialis) ineinander über und umrahmen die Lidspalte. Tränenpunkt, Punctum lacrimale. Nahe dem medialen Augenwinkel liegt auf jedem Lidrand ein kraterförmiger Tränenpunkt. Medial davon fehlen die Wimpern. Tränensee, Lacus lacrimalis. Der mediale Augenwinkel wird hier zum Tränensee mit der rötlichen Caruncula lacrimalis. Lateral vom Tränensee läuft die halbmondförmige Bindehautfalte, die Plica semilunaris conjunctivae. Das Tränenwärzchen, Caruncula lacrimalis, ist wechselnd von verhornendem und nicht verhornendem Plattenepithel überzogen. Neben konjunktivalen Schleimhautinseln finden sich Lanugohaare, Schweiß-, Talg- und akzessorische Tränendrüsen direkt benachbart.

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

582

Sulcus palpebralis superior

Deckfalte

Supercilium

Palpebra superior Pupilla

Papilla lacrimalis mit Punctum lacrimale

Iris

Plica semilunaris conjunctivae Caruncula lacrimalis

Angulus oculi lateralis

Angulus oculi medialis Tunica conjunctiva



Limbus palpebralis 

Papilla lacrimalis mit Punctum lacrimale

anterior

Cilia

 posterior Palpebra inferior

Sulcus palpebralis inferior

Abb. 6.33: Rechtes Auge bei geöffneter Lidspalte Rr. palpebrales n. supraorbitalis

Rr. laterales

Schnittrand des Septum orbitale

Rr. mediales

Pars orbitalis glandulae lacrimalis Sehne des M. levator palpebrae superioris

  

n., a., v. supraorbitalis

N. supratrochlearis N. infratrochlearis

Rr. palpebrales n. lacrimalis, A. palpebralis lateralis

Canaliculus lacrimalis

Pars palpebralis glandulae lacrimalis

Fornix sacci lacrimalis

Tarsus superior

Punctum lacrimale

Tarsus inferior

Canaliculus lacrimalis

M. obliquus inferior

Ductus nasolacrimalis

Rr. palpebrales n. infraorbitalis N., A. infraorbitalis

Schnittrand des Septum orbitale Schleimhaut der Nasenhöhle

Abb. 6.34: Tränendrüse, Glandula lacrimalis, durch Fensterung des Septum orbitale freigelegt; Tränensack, Saccus lacrimalis und Tränennasengang, Ductus nasolacrimalis, durch Fensterung des Stirnfortsatzes des Oberkiefers freigelegt

Die Caruncula wird an ihrer temporalen Seite von einer zarten Falte der Bindehaut, Plica semilunaris (Rudiment der Nickhaut der Reptilien und Vögel = „3. Augenlid“) begrenzt. Beim Menschen enthält sie gelegentlich ein elastisches Knorpelblättchen. Unter der Lidhaut verläuft der feinfaserige Lidteil des M. orbicularis oculi (s. Kap. 4.8.1.1, S. 225). Tarsi, Lidplatten und Septum orbitale liegen hinter dem Muskel (Abb. 6.31, 6.34).

Lidplatten, Tarsi Die Tarsi versteifen die Augenlider. Sie bestehen aus dicht verfilztem Bindegewebe und sind der Krümmung des Augapfels angepasst. Glandulae tarsales (Meibom-Drüsen). In ihr Bindegewebegerüst sind im Oberlid 30–40, im Unterlid 20 verzweigte tubuloalveoläre MeibomDrüsen eingebettet. In ihrer Größe sind sie der Form der Tarsi angepasst, im Bau gleichen sie den Talgdrüsen. Mit nadelstichgroßen Öffnungen

6.3 Schutzeinrichtungen des Auges

münden sie auf der hinteren Lidkante, Limbus palpebralis posterior. Sie fetten den Lidrand ein und verhindern das Überlaufen der Tränenflüssigkeit. Ihre Lebensdauer 4–5 Monate. Kehrt man das Augenlid nach außen um (→ Ektropium), so kann man die Meibom-Drüsen als gelbliche, gekörnte Linien erkennen (s. Klinik). Die Lidplatten sind in der Mitte breiter. Medial sind sie durch das kräftige, vor dem Tränensack verlaufende Lig. palpebrale mediale am Stirnfortsatz des Oberkiefers, lateral durch das schwächere Lig. palpebrale laterale am Jochbein befestigt (Abb. 6.34). Das Septum orbitale wird von den Nerven und Gefäßen, die zu Augenlidern und Stirn treten, durchbrochen. Medial sind es die Rami laterales und mediales der Nn., Aa., Vv. supraorbitalis, des N. supratrochlearis und des N. infratrochlearis, lateral die feinen Endäste des N. und der A. lacrimalis (Abb. 6.31). Mediale und laterale Lidarterien bilden je einen Gefäßbogen, Arcus palpebralis superior und inferior. Klinik: 1. Ektropium (= Ektropion). Umstülpung des Lids nach außen, z. B. zur ophthalmologischen Untersuchung oder infolge Narbenzugs (E. cicatriceum), Fazialislähmung (E. paralyticum), Gewebeerschlaffung im Alter (E. senile), 2. Hordeolum (= Gerstenkorn). Abszess der Liddrüsen, 2.1 H. externum: akut-eitrige, bakterielle Entz. der Zeis- (Talgdrüsen) oder Moll-Drüsen (Schweißdrüsen); auch multipel und rezidivierend vorkommend (Hordeolosis), 2.2 H. internum: eitrige Entz. der Meibom-Drüsen am Tarsus (Lidinnenseite), 3. Chalazion (= Hagelkorn). Bis erbsengroßes, an den Augenlidern lokalisiertes Granulom, meist von den Glandulae tarsales (MeibomDrüsen) ausgehend durch Sekretstauung nach entzündlichen Verschluss der Ausführungsgänge, 4. Brillenhämatom. Bluterguss der Ober- und Unterlider, ein- (Monokelhämatom) oder beidseitiges Auftreten v. a. bei Schädelbasisfrakturen. Die Tatsache, dass die meisten und stärkeren Gefäß- und Nervenäste von medial her das Septum orbitale durchbohren, erklärt, dass Blutergüsse in die Orbita (Schädelbasisbruch!) zuerst am medialen Augenwinkel erscheinen,

583

sich dann im unteren Augenlid ausbreiten und schließlich beide Lider als „Brillenhämatom“ ausfüllen. Da vom Margo supraorbitalis und infraorbitalis stärkere Bindegewebezüge zur Haut und zum M. orbicularis ziehen, senken sich Lidergüsse nicht in die Wange. Umgekehrt lassen Blutergüsse (Hämatome) der Stirn und der Wange die Lider frei. Bewegungsapparat der Lider 1. M. orbicularis oculi. Verlauf und Wirkung s. Kap. 4.8.1.1, S. 225. 2. M. levator palpebrae superioris Der quergestreifte, vom N. oculomotorius versorgte M. levator palpebrae superioris entspringt in der Nähe des Canalis opticus vom kleinen Keilbeinflügel, verläuft zwischen M. rectus superior und Orbitadach. Er durchsetzt mit breiter, platter Sehne (Abb. 6.34, 6.35) die Tränendrüse und strahlt mit feinen Fasern vor dem Tarsus in die Muskulatur und das Bindegewebe des Lides aus. Funktionell vermag er das Lid etwa 1 cm willkürlich heben. 3. M. tarsalis superior, der von den Sehnen des Levator und der Sehne des M. rectus superior entspringt und am Tarsus superior ansetzt (Abb. 6.29), unterstützt den Levator. Er wird sympathisch versorgt. Zusammen mit dem am Tarsus inferior ansetzenden, ebenfalls glatten M. tarsalis inferior hält er durch seinen Tonus die Lidspalte offen (Ptosis s. Horner-Komplex).

6.3.1.2 Augenbrauen, Supercilia Die Supercilia umrahmen in Höhe des oberen Randes des Augenhöhleneinganges die Augen im nach oben konvexen Bogen (Abb. 6.33). Die starren, mehr oder minder buschigen Haare sind schräg nach außen gerichtet. Durch diese Anordnung dämmen sie den Stirnschweiß vom Auge ab und leiten ihn seitlich an ihm vorbei.

6.3.2 Bindehaut, Tunica conjunctiva Die Tunica conjunctiva verbindet die Augenlider mit dem Bulbus oculi, beginnt an der hinteren Lidkante und überzieht als Tunica conjunctiva palpebrarum die Rückfläche der Augenlider.

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

584

M. tarsalis superior Levatoraponeurose Glandula lacrimalis mit Ductuli excretorii

  

Pars orbitalis Pars palpebralis

Lig. palpebrale laterale M. obliquus inferior Foramen infraorbitale

Trochlea, Tendo m. obliqui superioris Canaliculus lacrimalis Lacus lacrimalis Lig. palpebrale mediale Saccus lacrimalis Ductus nasolacrimalis Schleimhaut des Sinus maxillaris

Abb. 6.35: Übersicht über den Tränenapparat nach Entfernung der Lidmuskeln (nach Eisler)

Unter Bildung des Bindehautscheitels (Fornix conjunctivae superior und inferior) geht sie auf die Sklera über, die sie als Tunica conjunctiva bulbi bis zum Hornhautrand überzieht (Abb. 6.29). Mit dem Tarsus ist sie fest verbunden. Im Bereich des Septum orbitale, des Fornix conjunctivae und der Tunica conjunctiva bulbi ist sie locker und verschieblich auf der Unterlage befestigt. Reservefalten ermöglichen Bewegungen des Augapfels und der Lider. Klinik: Chemosis. Ödem der Bulbusbindehaut mit blasenartiger Abhebung von der Lederhaut bei Entzündung und Bluterguss; die Bulbusbindehaut überragt den Hornhautrand wulstförmig. Bindehaut-, (= Konjunktival-)sack. Tunica conjunctiva palpebrarum und bulbi begrenzen einen kapillaren Spalt, Bindehautsack. Glandula lacrimalis (Abb. 6.34, 6.35) (s. Kap. 6.3.3, S. 585). Im lateralen Teil des Fornix conjunctivae superior münden die Tränendrüsen mit 7–15 Ductuli excretorii. Von dort wird die Tränenflüssigkeit im kapillaren Bindehautsack zum Tränensee geführt. Im medialen Augenwinkel bildet die Bindehaut die Plica semilunaris. Von der inneren Lidkante nach innen liegt wie am freien Lidrand noch eine schmale Zone unverhornten geschichteten Plattenepithels, das in geschichtetes Zylinderepithel und im Fornix in kubisches Epithel übergeht. Auf dem Bulbus weicht es geschichtetem Plattenepithel. Im Lidteil treffen wir neben schlauchförmigen Epitheleinsenkungen mit Becherzellen, im Fornix noch

tubuloazinöse Glandulae lacrimales accessoriae an. Die zahlreichen Becherzellen bilden die Glykosaminoglykane des Tränenfilms. Am Limbus corneae geht das Bindehautepithel in das Hornhautepithel über. Hier findet man reichlich ATPasen und Karboanhydrase, die die Flüssigkeit aus der Kornea in die Kapillarschleifen am Limbus transportieren.

In der Tunica propria der Bindehaut kommen reichlich Plasmazellen und Lymphozyten vor. Die Lymphozyten können im subkonjunktivalen Bindegewebe (besonders des Fornix) zu einzelnen Noduli lymphatici zusammenfließen. Gefäße. Die Conjunctiva palpebrarum wird von Ästen der w Aa. palpebrales mediales und laterales versorgt.

Die Arterien der Conjunctiva bulbi stammen aus den w Aa. ciliares anteriores, Ästen der Arterien der 4 geraden Augenmuskeln. Sie bilden am Hornhautrand ein Randschlingennetz. Bei Bindehautentzündungen sind sie erweitert, so dass man sie gut mit bloßen Augen erkennen kann. Die Gefäße lassen sich leicht mit der Bindehaut verschieben und durch Druck entleeren. Die etwas stärkeren Venen verlaufen meist unabhängig von den Arterien. Klinik: 1. Konjunktivitis. Augenbindehautentzündung mit Rötung, Schwellung, starker Sekretion, Lichtscheu, Blepharospasmus (= Lidkrampf, Krampf des M. orbicularis oculi bei Reizerscheinungen des Auges) durch Fremdkörper, Verletzung, Staub, Infektion durch Neisseria

6.3 Schutzeinrichtungen des Auges Trochlea, M. obliquus superior

585 Sinus frontalis

N. supratrochlearis

R. medialis 

 n., a. supraorbitalis R. lateralis  Venter frontalis m. occipitofrontalis

N. infratrochearis N., A. ethmoidalis anterior N. nasociliaris Cellulae ethmoidales N., A. ethmoidalis posterior M. rectus medialis mit R. muscularis M. obliquus superior, N. trochlearis R. communicans cum n. nasociliari N. frontalis R. superior n. III, Mm. levator palpebrae superioris et rectus superior

Septum orbitale M. levator palpebrae superioris Glandula lacrimalis

M. rectus superior Bulbus oculi R. communicans cum n. zygomatico Nn., Aa. ciliares breves N. ciliaris longus

N. opticus, A. ophthalmica

R. inferior n. oculomotorii, Radix oculomotoria

A. carotis interna

Ganglion ciliare

Chiasma opticum, Recessus opticus

N. abducens

Tractus opticus Diaphragma sellae

N., A. lacrimalis

N. oculomotorius

N.ophthalmicus N. maxillaris mit. R. meningeus

N. trochlearis

N. mandibularis

N. abducens

A. meningea media, R. meningeus n. mandibularis Mesencephalon

N. trigeminus

R. tentorii n. ophthalmici

Ganglion trigeminale

Abb. 6.36: Nerven und Gefäße einer rechten Orbita in situ von der Schädelhöhle aus gesehen. II. Tiefe Lage

(Gonoblennorrhoe), Chlamydien (Einschluss-, Schwimmbadkonjunktivitis), Viren, Benetzungsstörungen infolge verminderter Tränensekretion (Keratoconjunctivitis sicca), Allergie, 2. Keratoconjunctivitis epidemica (= Keratoconjunctivitis nummularis, Viruskeratitis). Adenoviridae-Infektion von Cornea und Conjunctiva, oft einseitig mit Fremdkörpergefühl, heftigem Tränen, Rötung der Plica semilunaris, Schwellung der Karunkel, Lidödem, geringe Chemose, eiförmig durchschimmernde Follikel in der Bindehaut, Schwellung der präaurikulären Lymphknoten ab dem 7. Krankheitstag; Keratitis mit münzenförmigen Infiltrationen, meist in Hornhautmitte. Lymphgefäße von Lidern und Bindehaut ziehen größtenteils zu den Nll. parotidei (Kap. 4.11.2, S. 253), außerdem mit der V. angularis zu den Nll. submandibulares. Nerven Sensible Nerven für das Oberlid stammen aus N. V/1, für das Unterlid aus N. V/2. Sie enden frei im Epithel.

Motorisch versorgt der w N. facialis den M. orbicularis oculi w N. oculomotorius den M. levator palpebrae

superioris,

w Sympathicus die Mm. tarsales.

6.3.3 Tränenapparat, Apparatus lacrimalis Unter dem Tränenapparat versteht man die Tränendrüse und die ableitenden Tränenwege. 1. Tränendrüse, Glandula lacrimalis Die Glandula lacrimalis liegt oberhalb des lateralen Augenwinkels in der Fossa glandulae lacrimalis des Stirnbeins (Abb. 6.34, 6.36). Die Sehne des M. levator palpebrae superioris teilt sie in eine 1. Pars orbitalis, dem Knochen anliegend, 2. Pars palpebralis, weiter nach vorn reichend, dem Lid anliegend. 6–12 kleine Ausführungsgänge, Ductuli excretorii, leiten die Tränenflüssigkeit oberhalb des lateralen Augenwinkels in den Fornix conjunctivae superior.

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

586

N. opticus, A. ophthalmica

Radix oculomotoria

R. superior n. oculomotorii

Ganglion ciliare

N. trochlearis M. obliquus superior

N. nasociliaris

N. oculomotorius

N. opticus, Nn., Aa. ciliares post. breves

N. ophthalmicus

N., A. supraorbitalis Sinus frontalis

A. carotis interna N. abducens

M. levator palpebrae superioris

N. abducens, M. rectus lateralis

Glandula lacrimalis

N. trigeminus N. A. lacrimalis

Ganglion trigeminale N. maxillaris

M. rectus lateralis

N. mandibularis

R. communicans cum n. zygomatico

N. zygomaticus A. sphenopalatina A. maxillaris Processus pterygoideus

Nn., Aa. alveolares N., A. infraorbitalis superiores posteriores

M. rectus inferior mit R. muscularis

M. obliquus inferior, R. inferior n. oculomotorii

Abb. 6.37: Nerven und ein Teil der Arterien einer rechten Augenhöhle von lateral dargestellt

Histologie. Rein seröse Drüse. Die zusammengesetzte tubulo-azinöse Drüse hat einen lobulären Aufbau mit langen Schaltstücken. Den Endstücken anliegende Korbzellen fördern die Entleerung des Sekretes. Das lockere Bindegewebe enthält reichlich Lymphozyten und Plasmazellen.

Arterien. Die arterielle Versorgung entstammt der A. lacrimalis, einem Ast der A. ophthalmica. Venen. Der Abfluss erfolgt durch die V. lacrimalis in die V. ophthalmica superior. Lymphabfluss: über Nll. parotidei Nerven 1. N. lacrimalis mit sensiblen Fasern, 2. Sympathische Fasern aus dem Ganglion cervicale superius gelangen gefäßbegleitend zur Drüse, 3. N. intermedius, parasympathischer Weg: w N. petrosus major → Ganglion pterygopala-

tinum → N. zygomaticus → Ramus communicans zum N. lacrimalis, zwischen Knochen und Periorbita der lateralen Orbitalwand (Abb. 6.37).

Klinik: Die selbstständige vegetative Nervenversorgung erklärt, dass bei Sensibilitätsausfall (N. V/1) die Tränensekretion erhalten bleibt. 2. Tränenwege, Viae lacrimales Lacus lacrimalis, Tränensee. Die Tränenflüssigkeit wird bei Bewegung der Augenlider (Wischbewegung in Richtung medialer Lidwinkel) durch den Bindehautsack zum medialen Augenwinkel in den Lacus lacrimalis geführt. Hier wird sie durch die Tränenpunkte, Puncta lacrimalia, in die Canaliculi lacrimales, die Tränenröhrchen, angesaugt. Diese ziehen am Oberlid aufbzw. am Unterlid abwärts, wenden sich mit scharfer Biegung medialwärts, um einzeln oder gemeinsam (Abb. 6.35) in den Tränensack zu münden. Tränenkanälchen werden von Muskelfasern umgeben, die aus dem Horner-Muskel des M. orbicularis oculi stammen (s. Kap. 4.8.1.1, S. 225). Beim Lidschluss kippen die Tränenpünktchen nach innen und tauchen in den Tränensee ein. Dabei wirkt die Muskulatur als Saug- und Druckpumpe,

6.4 Gefäße und Nerven der Orbita

587

so dass die Tränenflüssigkeit aktiv aus dem Tränensee abtransportiert werden kann. Klinik: Schneller Lidschlag steigert Abtransport der Tränenflüssigkeit!

den

Der Saccus lacrimalis (Tränensack), liegt in der Fossa sacci lacrimalis zwischen der Crista lacrimalis anterior und posterior. Seine Kuppe, Fornix sacci lacrimalis, überragt nach oben das vor dem Sack verlaufende Lig. palpebrale mediale. Hinter dem Tränensack zieht der Horner-Muskel von den Lidern zur Crista lacrimalis posterior. Der Ductus nasolacrimalis (Tränennasengang) verläuft vom Tränensack ab-, medial- und rückwärts, um unter der unteren Muschel in die Nasenhöhle zu münden. Die Mündung wird meist von einer kleinen Schleimhautfalte, Plica lacrimalis (Hasner-Falte), verdeckt. Histologie. Tränenröhrchen sind mit geschichtetem Plattenepithel, Tränensack und Tränenkanälchen mit mehrreihigem Zylinderepithel ausgekleidet. Direkt unter dem Epithel liegt ein lockeres Bindegewebe mit einem ausgedehnten Plexus von weiten Venen, der von zahlreichen arteriovenösen Anastomosen versorgt wird (peristaltische Unterstützung des Tränenflusses).

Klinik: Epiphora. Tränenträufeln, spontanes Überlaufen der Tränen über den Lidrand durch:

6.4

6.3.4 Orbita und Nasennebenhöhlen Orbitagrenzen. Sie zeigen die Beziehungen zu den Nasennebenhöhlen (NNH). Weiteres s. Kap. 4.6.1.1, S. 217. £ Medial: Die Wand ist nur durch eine papier-

dünne Knochenlamelle von den Cellulae ethmoidales getrennt (Abb. 6.30). £ Boden: grenzt an den Sinus maxillaris und hier verlaufen die Vasa infraorbitalia und der N. infraorbitalis. £ Dach: Der Sinus frontalis kann sich bei starker Ausbildung weit in das Orbitadach vorschieben (Abb. 6.32). £ Canalis opticus: Bei starker Pneumatisation kann der Sinus sphenoidalis den N. opticus im Canalis opticus vollständig umgeben. Beziehungen der Orbita zu NNH sind von großer klinischer Bedeutung. Entzündungen und Geschwülste der NNH können leicht auf Augenhöhle und N. opticus übergreifen.

Gefäße und Nerven der Orbita

Lernziele: Topographie der Augen- und Orbitagefäße, Nerven, Ganglion ciliare

6.4.1

1. Vermehrte Tränenbildung (= Dakryorrhoe): Fremdkörper oder psychisch bedingt, 2. Abflussbehinderung in den Tränenwegen: Abstehen des unteren Tränenpunkts, Stenose der Tränenkanälchen oder des Tränennasengangs (Dakryostenose) und Entzündung.

Augenschlagader, A. ophthalmica, Augenvenen, Vv. ophthalmicae, Lymphgefäße, Vasa lymphatici

A. ophthalmica. Sie geht aus der letzten, nach vorn konvexen Krümmung der A. carotis interna hervor (Kap. 4.9.1, S. 244, Kap. 5.3.4.1, S. 456). Sie tritt unterhalb des N. opticus durch den Canalis opticus, beschreibt um den Sehnerven eine Schraubentour, indem sie sich nach lateral, dann über ihn nach medial wendet, wo sie entlang dem M. obliquus

superior nach vorn verläuft, um sich in der Nähe der Trochlea des M. obliquus superior in 2 Endäste aufzuteilen: w A. dorsalis nasi w A. supratrochlearis.

Die A. centralis retinae, ein kleiner Ast der A. ophthalmica, entspricht einer Hirnarterie. Sie tritt 10–15 mm vom Bulbus entfernt von unten her in den Sehnerv ein und gelangt durch die Papilla n. optici zur Netzhaut.

Mit den übrigen Ästen versorgt die Augenschlagader: • den gesamten Inhalt der Augenhöhle: mittlere und äußere Augenhaut, Muskeln, Fett

588 • Teile der Nasenhöhle: vorderes und oberes Gebiet

der lateralen Wand und Septum, Siebbeinzellen, Keilbeinhöhle • Stirn, Augenlider, Nasenwurzel und Teile der Dura mater. Astfolge der A. ophthalmica: w A. lacrimalis, längs des oberen Randes des

M. rectus lateralis zur Tränendrüse und zum lateralen Augenwinkel ziehend. Ein kleiner Ast der A. lacrimalis erreicht durch die Fissura orbitalis superior die Dura der mittleren Schädelgrube.

w A. supraorbitalis, der stärkste Ast, zieht dicht

unter der Periorbita zur Stirn.

w A. ethmoidalis posterior, gelangt mit dem

gleichnamigen Nerv durch das Foramen ethmoidale posterius zu den Siebbeinzellen. w A. ethmoidalis anterior, verläuft mit dem gleichnamigen Nerv durch das Foramen ethmoidale anterius zur Schädelhöhle, wo sie die A. meningea anterior an die Dura abgibt und durch die Lamina cribrosa zur Nasenhöhle gelangt. w Rami musculares erreichen von benachbarten, größeren Ästen die Augenmuskeln. Aa. ciliares anteriores sind Äste zu den 4 geraden Augenmuskeln. Sie ziehen durch die Sklera.

w Aa. ciliares posteriores breves und Aa. cilia-

res posteriores longae entspringen meist mit 2 Stämmchen im Canalis opticus und gelangen unter mehrfacher Teilung bis zum Bulbus, wo 16–20 Aa. ciliares posteriores breves und 2 (eine mediale, eine laterale) Aa. ciliares posteriores longae in der Umgebung des Sehnervenaustritts die Sklera durchbohren und zur Gefäßhaut des Auges gelangen (Abb. 6.37).

Augenvenen, Vv. ophthalmicae. Sie sammeln sich in 2 Stämmen (Abb. 6.36): w V. ophthalmica superior, sammelt das Blut aus:

1. Augapfel (Vv. vorticosae), 2. Sinus venosus sclerae, 3. oberhalb des N. opticus gelegenen Muskeln, 4. Augenlidern, 5. Tränendrüse, 6. der Schleimhaut der Siebbeinzellen und der Nasenhöhle.

Anastomosen bestehen zu: V. facialis, V. ophthalmica inferior, Sinus sagittalis inferior. Sie verläuft zunächst medial vom Bulbus, überkreuzt, wie die Arterie, den Sehnerv, zieht lateral von ihm zur Fis-

6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

sura orbitalis superior, wo sie am weitesten lateral liegt, und mündet in den Sinus cavernosus. w V. ophthalmica inferior. Die kleinere Vene ent-

steht am Boden der Orbita und führt das Blut aus den unteren Augenmuskeln. Sie hat Verbindungen zur Nasenhöhle und mündet teils in die V. ophthalmica superior, teils durch die Fissura orbitalis inferior in den Plexus pterygoideus (Kap. 4.10.3, S. 252)

Beide Venen sind klappenlos. Das Blut kann in beiden Richtungen strömen (s. Klinik!). Klinik: 1. Lippenfurunkel. Eitrige Entzündung v. a. der Oberlippe, oft als Komplikation bei Acne vulgaris, mit Gefahr der Thrombophlebitis der V. angularis und des Sinus cavernosus mit Kavernosusthrombose und Meningitis (Hirnhautentzündung). Das Blut fließt aus der V. facialis über Anastomosen (V. angularis) zur V. ophthalmica, von dort in den Sinus cavernosus, 2. Nasenfurunkel. Komplikation sind ebenfalls Thrombophlebitis der V. angularis und V. ophthalmica, Orbitalphlegmone, Kavernosusthrombose, Meningitis. Lymphwege. Bulbus und Nervus opticus verhalten sich wie Hirnteile. Sie werden nur von Spalträumen umgeben. w Die Spalträume des N. opticus stehen mit denen

des Gehirns in Verbindung. Erkrankungen werden daher vorwiegend zu den Hirnhäuten hin fortgeleitet. w Die Abkömmlinge der Haut (Lider, Bindehaut und Tränenorgane) haben geschlossene, von Endothel ausgekleidete Lymphgefäße, die mit denen des Gesichtes in Verbindung stehen und hauptsächlich zu den Nll. parotidei superficiales und vom medialen Augenwinkel und den Tränenabführwegen zu den Nll. submandibulares ziehen.

6.4.2 Nerven, Ganglion ciliare Die Nerven (Abb. 6.32, 6.36, 6.37) treten mit Ausnahme des N. opticus durch die Fissura orbitalis superior in die Orbita ein. Beim Eintritt bilden sie 2 Gruppen:

6.4 Gefäße und Nerven der Orbita

w N. oculomotorius, N. abducens, N. nasociliaris

treten in den von den geraden Muskeln beschriebenen Muskelkegel ein. w N. lacrimalis, N. frontalis, N. trochlearis liegen außerhalb des Muskelkegels (ebenso die V. ophthalmica superior). Topographisch gesehen liegen sie in verschiedenen Schichten. 1. Schicht. N. trochlearis, N. frontalis und N. lacrimalis findet man nach der Entfernung des dünnen Orbitadaches direkt unter der Periorbita, außerhalb des Muskelkegels in Fettgewebe eingebettet (Abb. 6.32). Der dünne N. trochlearis, der sich nach medial zum M. obliquus superior wendet, ist bei Aufmeißelung des Orbitadachs wegen seiner oberflächlichen Lage besonders gefährdet. Der kräftige N. frontalis spaltet sich in seinem Verlauf in den Ramus lateralis und medialis n. supraorbitalis auf. Der zarte N. supratrochlearis zieht von ihm oberhalb der Trochlea des M. obliquus superior zum medialen Augenwinkel. Der N. lacrimalis verläuft entlang des Oberrandes des M. rectus lateralis zur Tränendrüse und durch diese hindurch zur Haut und Bindehaut am lateralen Augenwinkel. 2. Schicht (zwischen M. rectus superior und N. opticus). Der schwächere obere Ast des N. oculomotorius liegt zwischen M. rectus superior und N. opticus, er zieht zum M. rectus superior und zum M. levator palpebrae superioris. Der N. nasociliaris verläuft neben dem M. rectus medialis (Abb. 6.36) nach vorn, gibt nach medial durch das Foramen ethmoidale posterius den N. ethmoidalis posterior zur Schleimhaut der Keilbeinhöhle und der hinteren Siebbeinzellen. Der N. ethmoidalis anterior zweigt weiter vorn durch das Foramen ethmoidale anterius zur Schädelhöhle ab und zieht von dort durch die Lamina cribrosa zur Schleimhaut der Nasenhöhle und Haut der Nasenspitze (R. nasalis externus). Sein Endast,

589

N. infratrochlearis, gelangt unterhalb der Trochlea zum medialen Augenwinkel: Haut, Bindehaut, Tränensack. Der N. nasociliaris gibt nach lateral weiterhin ab: w R. communicans cum ganglione ciliari (Radix

longa). Die Fasern treten ohne Unterbrechung durch das Ganglion hindurch und ziehen in den Nn. ciliares breves zum Bulbus. w Nn. ciliares longi, 2–3 dünne Äste zum Bulbus. In der 2. Schicht liegen auch die Hauptverzweigungen der A. ophthalmica (s. o.). 3. Schicht (tiefste Schicht: entlang des N. opticus). Der stärkere untere Ast des N. oculomotorius und der N. abducens ziehen neben und unter dem N. opticus entlang. Der untere Ast des N. oculomotorius gibt je einen Ast zum M. rectus medialis und inferior ab, schickt darauf die kurze, kräftige Radix oculomotoria zum Ganglion ciliare und verläuft am lateralen Rande des M. rectus inferior zum M. obliquus inferior (Abb. 6.36, 37). Der N. abducens, lateral vom N. opticus gelegen, senkt sich nach kurzem Verlauf in den M. rectus lateralis. Ganglion ciliare. Das kleine, ca. 2 mm lange, nicht immer vorhandene Ganglion ist parasympathisch; lateral neben dem N. opticus, ca. 2 cm hinter dem Augapfel, gelegen. w Parasympathische Fasern des N. oculomotorius

gelangen über die Radix oculomotoria (brevis) in das Ganglion, werden auf das postganglionäre Neuron umgeschaltet und versorgen über die Nn. ciliares breves (Abb. 6.36, 37) den M. ciliaris und den M. sphincter pupillae. w Sensible Fasern aus dem R. communicans cum n. nasociliari w Sympathische Fasern (R. sympathicus ad ganglionem ciliare, aus dem Geflecht der A. ophthalmica, die im Ganglion cervicale superius umgeschaltet werden) ziehen ohne Umschaltung im Ganglion über die Nn. ciliares breves zum Augapfel (M. dilatator pupillae) (s. Kap. 5.2.7.4, S. 427).

7

Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare Gebhard Reiss

Übersicht, Einteilung Wir unterscheiden am Ohr 3 getrennte Abschnitte: 1. äußeres Ohr, Auris externa, 2. Mittelohr, Auris media, 3. Innenohr, Auris interna. Äußeres Ohr. Es fängt mit der Ohrmuschel, Auricula, Schallwellen auf und leitet sie über den äußeren Gehörgang, Meatus acusticus externus, zum Trommelfell, Membrana tympanica. Mittelohr. Es besteht aus lufthaltigen, mit Schleimhaut ausgekleideten Räumen, die durch die Ohrtrompete, Tuba auditoria, mit dem Nasenteil des Schlundes, Epipharynx, verbunden sind. £ Paukenhöhle, Cavitas tympanica, ist der Hauptraum mit den Gehörknöchelchen, die Schallwellen vom Trommelfell auf das Innenohr übertragen. £ Nebenräume stehen mit dem Hauptraum in Verbindung, v. a. Warzenfortsatzzellen, Cellulae mastoideae Innenohr. Es ist anatomisch und entwicklungsgeschichtlich (s. u.) eine Einheit. Funktionell besteht es aus 2 Organen: £ Gehörorgan, Organum cochleare £ Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulare. Unter Betonung des höheren Sinnesorgans wird seit altersher kurzweg vom Innenohr gesprochen. Weitere Begriffe Schallleitungsapparat. Äußeres Ohr, Trommelfell und Mittelohr bilden eine funktionelle Einheit, den Schallleitungsapparat. Schallaufnahme- oder Schallempfindungsapparat ist das Innenohr.

Innenohr (= Labyrinth). Das Innenohr liegt im Knochen der Felsenbeinpyramide und besteht aus Hohlräumen, die wegen ihrer Vielgestaltigkeit als Labyrinth bezeichnet werden. Man unterscheidet 2 flüssigkeitsgefüllte Binnenräume: £ Perilymphraum

£ Endolymphraum. Der Perilymphraum schließt

den Endolymphraum ein.

Diese Anordnung findet sich im Gleichgewichtsorgan als Teil des Innenohres und im Gehörorgan. Peri- und Endolymphraum bestehen aus: £ 2 bläschenartigen Strukturen, Sacculus und

Utriculus

£ 3 Bogengängen, Ductus semicirculares £ Schneckengang, Ductus cochlearis.

Utriculus, Sacculus und die 3 Ductus semicirculares enthalten Sinnesepithel, das 1. Lage- und Bewegungsänderungen von Kopf und Körper registriert, 2. Empfindung von Beschleunigung und Verzögerung (= negative Beschleunigung) vermittelt. Körperlage. Erregt durch die bei Kopf- und Körperbewegung ausgelösten relativen Strömungen der Endolymphe löst diese reflektorische Muskelbewegungen aus, die die Kopf-, Augen-, Rumpfhaltung aufrechterhalten oder wiederherstellen.

Cochlea. Die Schnecke enthält im Schneckengang, Ductus cochlearis, Sinnesepithel für Schallreize, die durch den Schallleitungsapparat auf die Perilymphe und von dieser auf das Sinnesepithel übertragen werden. Zentrale Verschaltung. Sie erfolgt für beide Sinnesorgane über den N. vestibulocochlearis zu Kerngebieten im Hirnstamm.

592

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

Entwicklung, Fehlbildungen Lernziele: Entwicklung von äußerem Ohr, Mittel- und Innenohr, Schlunddarm, Fehlbildungen Die 3 Anteile des äußeren Ohres (Ohrmuschel, äußerer Gehörgang und Trommelfell) entwickeln sich aus Mesenchymverdickungen um die 1. Kiemenfurche herum sowie 6 Aurikularhöckern. An der Bildung des Trommelfelles ist zudem die 1. Schlundtasche bzw. die 1. Schlundfurche beteiligt. Das Mittelohr entsteht insgesamt aus der 1. Schlundtasche, die darin befindlichen Gehörknöchelchen Hammer und Amboss aus dem 1. Schlundbogenknorpel, der Steigbügel aus dem 2. Schlundbogenknorpel. Das Innenohr nimmt, wie im folgenden beschrieben, seinen Ursprung aus Ohrplakode und Ohrbläschen, die sich weiter in den ventralen Saccus cochlearis (für den Sacculus und den Ductus cochlearis) sowie den dorsalen Saccus vestibularis (für den Utriculus und die Bogengänge) differenzieren. Im Carnegie-Stadium 9 (20. ET), vor Schluss des Neuralrohres, ist das Innenohr (hier als Ohrplakode bezeichnet) eine Verdickung des Ektoderms: Ohr- oder Labyrinthplatte, otic zone (Kap. 3.5.3.1, S. 153). Ohrplakode. Sie senkt sich zur Ohrgrube in das darunter liegende Mesenchym ein und erscheint als Ohrhöhle (otic pit). Eine Gangverbindung zur Oberfläche (= Ektoderm) besteht (24. ET). Ohrbläschen. Es entsteht mit der Abschnürung vom Ektoderm. In diesen Schritten ist die Entwicklung des Ohrbläschens mit der des Linsenbläschens vergleichbar, die einige Tage später, aber in ähnlichen Schritten erfolgt (Kap. 6, S. 555). Am oberen dorsalen Pol des Ohrbläschens bildet sich der Recessus labyrinthi, später Ductus endolymphaticus. Durch beschleunigtes Wachstum der lateralen Wand des Ohrbläschens kommt der Abgang des Ductus anschließend mehr medial zu liegen. Bogengänge, Ductus semicirculares, und Schneckengang, Ductus cochlearis, differenzieren sich danach zur Pars utriculovestibularis, oberer, dorsaler, kanalikulärer Abschnitt, woraus Utriculus und Bogengänge entstehen, und zur Pars sacculocochlearis, unterer, kochleärer Abschnitt mit

mesenchymaler Kapsel (im Sinne eines vorknorpeligen Blastems), aus dem Sacculus und Ductus cochlearis werden. Am 43. ET gliedert sich der Ductus endolymphaticus in: Saccus endolymphaticus, sakkulärer Anteil, Ductus endolymphaticus, duktulärer Anteil. Am 47. ET manifestiert sich eine L-förmige Spitze im Ductus cochlearis, woraus sich die erste Windung bildet. Eine halbe Windung und die knorpelige Schädelbasis sind am 50. ET ausgebildet. Das Labyrinthepithel differenziert sich zum Sinnesepithel. Gleichzeitig bilden Wandanteile des Labyrinthbläschens das Ggl. vestibulocochleare. Maculae utriculi et sacculi. Die übrigen epithelialen vestibulären Anteile lassen in der Umgebung der Sinneszellen eine primär häutige Macula entstehen, aus der Macula utriculi und Macula sacculi werden. Cristae ampullares. Sie entstehen in Aufweitungen der Bogengänge. Utriculus und Sacculus entfernen sich voneinander, bis sie ein eigenes Gangsystem (Ductus utricularis bzw. Ductus saccularis) als Verbindung zum erweiterten (Sinus endolymphaticus) Ductus endolymphaticus ausgebildet haben. Diese endolymphatischen Hohlräume werden von sich aufweitenden perilymphatischen Bläschen und einem kompletten Hohlraum umgeben, beginnend im vestibulären Anteil. N. vestibulocochlearis. Das primäre Ggl. vestibulocochleare teilt sich parallel zu den häutigen Hohlräumen in 2 Teile (utrikulovestibulärer, sakkulokochleärer) und enthält bipolare Proneurone, die zur Peripherie hin Kontakt mit den Sinneszellen aufnehmen, in zentraler Richtung ebenfalls aussprossen und als N. VIII zu Kerngebieten im Rautenhirn Kontakt aufnehmen. Hauptteil des Nervs sind jetzt vestibuläre Fasern. Cochlea. Mit dem 56. ET entstehen 11⁄2 kochleäre Windungen. Die Kapsel des Innenohres ist an 4 Stellen durchbrochen für Ductus endolymphaticus, Foramen rotundum, Foramen ovale und Porus acusticus internus; sie ähnelt dem späteren Felsenbein (Pars petrosa des Os temporale). Corti-Organ, N. cochlearis: 2 epitheliale Wülste haben sich in

593

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

das lang gestreckte und zirkulär um den N. cochlearis verlaufende Corti-Organ bzw. den Limbus spiralis differenziert. In der 12. EW sind die kompletten 21⁄2 Windungen der fetalen Cochlea mit Sinneszellen entstanden. Die Verbindung zwischen Sacculus und Ductus cochlearis ist jetzt der Ductus reuniens. In der 14. EW beginnt die Verknöcherung der Ohrkapsel zum harten, markarmen Felsenbein. In der Cochlea hat sich der Perilymphraum unterhalb des CortiOrgans (→ Scala tympani) erweitert, dann oberhalb desselben (→ Scala vestibuli). Das zwischen beiden Scalae verbliebene Gewebe bildet unterhalb des Organs die Basilarmembran (Lamina basilaris), oberhalb die Reissner-Membran (Lamina vestibularis), seitlich das Lig. spirale. Der dazwischen liegende Spalt füllt sich mit Endolymphe, bläht sich zu einem Dreieck auf und stellt den späteren Ductus cochlearis dar. Die Verknöcherung der Ohrkapsel ist in der 20. EW abgeschlossen, der Perilymphraum ausgebildet mit

Verbindung zum Subarachnoidalraum (Aquaeductus cochleae). Klinik: Hereditäre Innenohrschwerhörigkeit. Ursache: 1. Monosymptomatisch (selten) durch Labyrinthaplasie (Michel-, Scheibe-, MondiDysplasie), 2. Syndromisch (Innenohrschwerhörigkeit im Rahmen von Syndromen) bei Alport-, Pendred-, Usher-Syndrom. In der Stammesgeschichte tritt das Gleichgewichtsorgan, wie in der Individualentwicklung, vor dem Gehörorgan auf. Schon bei den niederen Wirbeltieren ist es als Seitenlinien- oder Otolithenapparat vorhanden und zentraler Bestandteil des Nervensystems. Das Gehörorgan fehlt bei Fischen. Als Schnecke taucht es bei Wirbeltieren und wenigen Insekten auf. Fische weisen als primitives Gehörorgan mit der Papilla lagenae eine Struktur auf, die hinsichtlich ihres Bau eher Teilen der späteren Gleichgewichtsorgane (Macula sacculi) ähneln. Erst höhere Vertebraten besitzen ein schlauchförmiges Gehörorgan, das bei Säugetieren Schneckenform annimmt.

7.1

Schallleitungsapparat des Ohres

7.1.1

Äußeres Ohr, Auris externa

Lernziele: Auricula. Meatus acusticus externus: Anteile, Verlauf. Membrana tympani: Feinbau, Stellung. Gefäße, Nerven Die Auris externa (Abb. 7.1, 2–6) besteht aus: 1. Ohrmuschel (Auricula), 2. äußerem Gehörgang (Meatus acusticus externus), 3. Trommelfell (Membrana tympanica) als medialer Grenze. Entwicklungsgeschichtlich ist der äußere Gehörgang Teil der 1. Schlundfurche. Die angrenzenden Mandibular- und Hyoidbögen bilden 6 Höcker, aus denen die Ohrmuschel und das Ohrläppchen entstehen.

Klinik: 1. Präurikuläre Ohrfistel. Mangelnde Schlundbogenverschmelzung, inkomplette Fistel meist zwischen Haut und Tragusknorpel. Abgegrenzt werden verschiedene Typen von Ohr-Hals-Fisteln, die einer Duplikatur des äußeren Gehörganges (1. Schlundfurche) entspre-

chen; sie reichen vom Gehörgangsboden zur Haut vor dem kranialen Teil des M. sternocleidomastoideus. 2. Angeborene Dysplasien der Ohrmuschel. 2.1 Mikrotie. Angeborene Kleinheit der Ohrmuschel u. a. bei HMC-Syndrom (= Fehlbildungskomplex mit Schädelanomalie, Mikrotie, Gesichtsspalte). 2.2 Anotie. Angeborene Anomalie des äußeren Ohrs mit ein- oder beidseitig rudimentärer oder fehlender Ohrmuschel, oft verbunden mit Gehörgangatresie und Mittelohrfehlbildung, z. B. bei Retinoid-Embryopathie. Ohrmuschel, Auricula Die Auricula ist eine trichterförmige, in Form und Größe variable Hautfalte, gestützt durch ein Gerüst aus gleich gestaltetem, elastischem Knorpel (Cartilago auricularis). Dem Ohrläppchen (Lobulus auricularis) fehlt die knorpelige Stütze.

594

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

M. temporalis

Meatus acusticus externus

Malleus et Lig. mallei superius

Lig. mallei anterius, Tendo m. tensoris tympani

Auricula Manubrium mallei auf dem Trommelfell, Stapes A. carotis interna

Sinus sphenoidalis M. tensor tympani Tuba auditiva (aufgeschnitten) Recessus pharyngeus Torus tubarius Torus levatorius M. levator veli palatini Recessus pharyngeus mit Ästen d. A. pharyngea ascendens Cartilago meatus acustici

Gld. parotis

Palatum molle

N. facialis, M. digastricus Mm. (Venter A. auricularis stylohyoideus, posterior) mit -pharyngeus, profunda R. muscularis -glossus

A. carotis interna, V. jugularis interna, A. palatina ascendens

Abb. 7.1: Schnitt durch äußeres Ohr (Ohrmuschel und äußerer Gehörgang), Trommelfell und Mittelohr (Paukenhöhle mit Gehörknöchelchen und Ohrtrompete)

Funktion. Schallwellen werden durch Erhebungen und Vertiefungen von Ohrmuschel und -knorpel reflektiert und in Richtung äußerer Gehörgang geleitet. Die Namen sind Abb. 7.2–4 zu entnehmen. Von orientierender Bedeutung sind: £ Helix, bogenförmig verlaufende Ohrkrempe

£ Anthelix, kleinere vordere Ohrkrempe £ Tragus und Antitragus oder Antihelix an Vorder-

und Unterseite des Eingangs zum äußeren Gehörgang.

Muskeln. Vom Schädel an die Ohrmuschel herantretende Muskeln, die sie insgesamt verschieben, sind an anderer Stelle besprochen (Kap. 4.8.1.1.5, S. 230).

An der Außen- (Abb. 7.3) und Hinterfläche (Abb. 7.4) existieren rudimentäre, kleine Muskeln, die bei manchen Tieren den äußeren Gehörgang zirkulär verschließen können, beim Menschen jedoch diese Funktion verloren haben. Andere Muskeln können die Muschel nur in geringem Maße bewegen, da das knorpelige Gerüst in das des äußeren Gehörganges übergeht und wenig Bewegungsspielraum übrig lässt. Bei Tieren haben diese Muskeln die Aufgabe, die Ohrmuschel auf eine Schallquelle auszurichten, „die Ohren zu spitzen“. Manche Menschen sind mit Hilfe dieser Muskeln zumindest in der Lage, die Ohrmuschel etwas gegenüber dem Schädel zu bewegen.

Haut der Ohrmuschel. Sie ist dünn und fettarm. Sie enthält Schweiß- und Talgdrüsen und ist besonders

595

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

Tuberculum auriculare Crura antihelicis Cymba conchalis

Helix

Crus helicis Scapha

Porus acusticus externus Tragus

Anthelix

Cavitas conchalis Incisura intertragica Antitragus

Abb. 7.2: Rechte Ohrmuschel, Auricula

Lobulus auricularis

M. auricularis superior

Helix Scapha

M. helicis major

Anthelix

Fossa triangularis M. auricularis anterior

Crus helicis

Spina helicis

M. auricularis posterior

M. helicis minor

Concha auricularis

M. tragicus, Tragus

M. antitragicus, Antitragus

Abb. 7.3: Knorpel und Muskeln der rechten Ohrmuschel. Außenfläche

Meatus acusticus externus

Cauda helicis

Incisura intertragica

Eminentia fossae triangularis Eminentia scaphae

M. auricularis superior

M. obliquus auriculae

Eminentia conchae

M. transversus auriculae

M. auricularis anterior

M. auricularis posterior

Tragus

Abb. 7.4: Knorpel und Muskeln der rechten Ohrmuschel. Hintere Fläche

Cauda helicis

Cartilago meatus acustici Incisura terminalis auris

Fissura antitragohelicina

596

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

an der Außenfläche fest mit dem Perichondrium des Knorpelgerüstes verbunden. Am Eingang zum äußeren Gehörgang finden wir Schutzhaare (Tragi), besonders bei älteren Menschen. Varianten: 1. Tuberculum auriculare. Am oberen, hinteren Helixrand (Abb. 7.2) wird ein sog. Darwin-Höckerchen sichtbar, das der Spitze der tierischen Ohren entspricht; ein atavistisches Merkmal, 2. Katzenohr. Schüsselförmige Concha, einwärts geklappter oberer Helixrand. Klinik: 1. Abstehende Ohren (= Apostasis). Häufigste Stellungsanomalie, oft mit mangelhafter Anthelixfaltung und starker Conchawölbung (→ Löffelohr). Hohe Rückstellkräfte des elastischen Knorpels machen eine äußere Fixation der Ohrmuschel sinnlos, daher Op. im 5. LJ mit Ausdünnung des Knorpels und Fixierung mit Haltenähten. 2. Othämatome. Einblutung zwischen Haut und Knorpelgerüst der Ohrmuschel (→ Schlag auf das äußere Ohr) verursacht einen schmerzhaften Bluterguss (subperichondrales Hämatom), der chirurgisch eröffnet wird, um Knorpelentzündung (= Perichondritis), -nekrose und dauerhafter Verunstaltung vorzubeugen. Äußerer Gehörgang, Meatus acusticus externus Der Meatus acusticus externus, ein ca. 3,5 cm langer, S-förmiger Gang bis zum Trommelfell (Abb. 7.1), verstärkt durch seine Form und sein Resonanzverhalten die von der Ohrmuschel kommenden Luftschwingungen in den Frequenzen der menschlichen Sprache. Beim Erwachsenen besteht er im lateralen Drittel aus Knorpel, in den medialen zwei Dritteln aus Knochen. Im Alter von 5–6 Jahren sind beide Teile gleich lang. Beim einjährigen Kind ist nur ein Drittel knöchern. £ Der knorpelige, äußere Gehörgang, Meatus

acusticus externus cartilagineus, ist eine Fortsetzung des elastischen Ohrmuschelknorpels (Abb. 7.1). Durch derbes Bindegewebe ist er mit dem knöchernen Teil des Ganges verbunden. Er zeigt verschiedene, durch Bindegewebe verschlossene Löcher und Einschnitte (Santorini-Spalten), die die Verformbarkeit des

äußeren Gehörganges erhöhen. Er bildet kein geschlossenes Rohr, sondern eine bindegewebig verschlossene Rinne. Vorn liegt er unmittelbar der Ohrspeicheldrüse an. £ Der knöcherne, äußere Gehörgang, Meatus acusticus externus osseus, hat im Querschnitt die Form einer Ellipse, deren Längsachse von hinten oben nach vorn unten verläuft. Der knorpelige Teil ist von innen gesehen nach oben, hinten und lateral gerichtet und verengt sich trichterförmig gegen den knöchernen Teil. An der Verbindungsstelle ist er am engsten (Isthmus), um sich im knöchernen Teil abwärts, vorwärts, medial zu wenden. Gegen das Trommelfell wird er wieder weiter.

Klinik: 1. Bei Ohrspiegeluntersuchung (→ Otoskopie) wird die Muschel nach hinten, oben gezogen, um die Achse des äußeren knorpeligen Ganges dem knöchernen Abschnitt anzugleichen, das Trommelfell wird einsehbar. 2. Otitis externa diffusa. Entzündung des äußeren Gehörganges mit Juckreiz, Rötung, Schwellung, Schuppen- und Krustenbildung, Tragusdruckschmerz, regionärer Lymphadenitis, evtl. retroaurikulärer Schwellung (Pseudomastoiditis). Ursachen: 2.1 bakteriell (Erysipel = Wundrose als Sonderform), 2.2 viral (Herpes zoster oticus), gefährlich bei Hirnnervenbeteiligung (Nn. V–VIII), 2.3 allergisch/toxisch oder endogen, z. B. Gehörgangsekzem. Topographie/Wände. 1. Boden, Vorderwand: Pars tympanica. Unterhalb des Bodens liegen Ohrspeicheldrüse, M. sternocleidomastoideus. Die dünne Vorderwand liegt der Kiefergelenkpfanne (Fossa mandibularis) an. 2. Hinterwand: Pars petrosa, 3. Dach: Pars squamosa des Schläfenbeins (Os temporale). Hinterwand und Dach sind kürzer und setzen sich in die Ebene des schräg gestellten Trommelfells fort; sie grenzen an: pneumatisierte Mittelohrräume, kleine Höhlen von Warzenfortsatz (Cellulae mastoideae) und Eingangshöhle (Antrum mastoideum). Haut. Sie ist eine Fortsetzung der äußeren Haut und besitzt, wie diese, ein geschichtetes, verhorntes Plattenepithel, Talgdrüsen und Haare, die gegen den knöchernen Teil kleiner und spärlicher werden und schließlich fehlen. Ohrschmalzdrüsen (Glandulae ceruminosae et sebaceae) sind großlumige, apokrine, tubulöse Knäueldrüsen, liegen in der Subkutis, münden bei Kindern in die Haarbalg-

597

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

lichtung, bei Erwachsenen neben den Haarbälgen, produzieren Talg, Hauptbestandteil des Ohrenschmalzes (Cerumen), das zusätzlich abgeschilferte Epidermisschuppen, Bitterstoffe und Pigmente enthält. Derbe Retinakula heften die Haut fest an der Unterlage, der Knorpel- (Perichondrium) bzw. Knochenhaut (Periost), an. Klinik: 1.: Cerumen hat die Aufgabe, kleine Fremdkörper zum Abtransport einzuhüllen; es ist kein Schmutz, der ständig entfernt werden müsste. Cerumen obturans (= Ceruminalpfropf: gequollenes, verhärtetes Ohrenschmalz). Ein Ohrenschmalzpfropf kann den Gehörgang partiell oder total verlegen: dumpfes Gefühl im Ohr, Schwerhörigkeit. Ther.: Ohrspülung; dazu den Mund öffnen (die Nachbarschaft zum Kiefergelenk erklärt, dass der Gang beim Öffnen des Mundes – Processus condylaris der Mandibula rückt nach vorn – erweitert wird). 2. Otitis externa circumscripta. Gehörgangfurunkel (= Ohrfurunkel) mit der Symptomtrias: Ohrmuschelzug-, Tragus-, Kauschmerz, evtl. periaurikuläre Lymphadenitis. 3. Otitis externa maligna (= progressive nekrotisierende Otitis). Pseudomonaden-Infektion infiziert den knöchernen Gehörgang, ggf. auch das Trommelfell (→ Myringitis) mit erheblicher Schwellung, ggf. Ausbreitung in umgebendes Weichteilgewebe, Einbruch in das Kiefergelenk, Osteomyelitis der Schädelbasis mit Hirnnervenausfällen.

Gefäße und Nerven der Ohrmuschel und des äußeren Gehörganges Arterien der Ohrmuschel. Sie stammen aus der A. auricularis posterior (Äste der A. carotis externa) und den Aa. auriculares anteriores (Ast der A. temporalis superficialis), selten aus der A. occipitalis. Die Arterien anastomosieren untereinander. Den äußeren Gehörgang versorgt zusätzlich die A. auricularis profunda. Venen von Ohrmuschel und äußerem Gehörgang. Sie transportieren das Blut zur V. temporalis superficialis und V. facialis (in die V. jugularis interna). Die Hinterfläche der Ohrmuschel gibt ihr Blut über die V. auricularis posterior in die V. jugularis externa ab.

Lymphgefäße von Ohrmuschel und knorpeligem äußeren Gehörgang ziehen zu den 1. oberen Halslymphknoten (→ Nll. cervicales laterales superficiales et profundi), 2. regionären Lymphknoten: w vor dem Ohr → Nll. parotidei superficiales et

profundi

w hinter dem Ohr → Nll. retroauriculares w auf dem Warzenfortsatz → Nll. mastoidei.

Nerven: Der N. facialis versorgt die äußeren Ohrmuskeln motorisch. Sensible Innervation durch: w N. auricularis magnus, N. occipitalis minor:

Hinterfläche der Ohrmuschel

w N. auriculotemporalis (V3): vordere Außenflä-

che der Ohrmuschel, vorderer oberer Teil des äußeren Gehörgangs, vorderer oberer Teil der Außenfläche des Trommelfells w Rr. auriculares des N. VII, N. IX und N. X: Boden des äußeren Gehörganges, angrenzender Teil der Hinterwand des äußeren Gehörganges, Außenfläche des Trommelfells. Trommelfell, Membrana tympanica Das Trommelfell ist eine sehnige Haut zwischen äußerem Gehörgang und Paukenhöhle mit dreischichtigem Bau (Abb. 7.1, 5, 13); sie ist Grenze zwischen äußerem und Mittelohr. Die Ohrspiegelung (Otoskopie) offenbart eine perlgraue, ovale Membran (Abb. 7.5), die in der Mitte trichterförmig zum Nabel (Umbo membranae tympanicae) eingezogen ist, dahinter liegen im Mittelohr die Gehörknöchelchen (s. Kap. 7.1.2.1, S. 600). Der Umbo entspricht dem unteren Ende des Hammergriffes (Manubrium mallei), der von vorn oben nach hinten unten verläuft und als helle Knochenstruktur (Stria mallearis) durchschimmert. Vom Nabel zieht bei auffallendem Licht ein dreieckiger Lichtreflex nach vorn unten. Am oberen Ende der Stria mallearis springt der kurze Fortsatz des Hammers knopfartig nach außen vor: Prominentia mallearis. Von hier aus ziehen 2 Falten (Plica mallearis anterior und posterior) nach vorn bzw. hinten oben und fassen zwischen sich den schlaffen Teil des Trommelfells: Pars flaccida (= Shrapnell-Membran).

598

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare Crus longum incudis

Plica mallearis posterior

Pars flaccida Prominentia mallearis Plica mallearis anterior IV Stria mallearis I Pars tensa

Umbo membranae tympanicae

III

II

Lichtreflex

Abb. 7.5: Außenfläche eines rechten Trommelfells. Die römischen Ziffern geben die Quadranten an

Klinik: 1. Einführen eines Ohrtrichters und Entfernung von Cerumen obturans kann reflektorisch Husten (und Übelkeit) auslösen, weil der äußere Gehörgang durch den R. auricularis n. vagi versorgt wird. 2. Den gespannten Hauptteil (Pars tensa) teilt man durch 2 Linien, von denen die eine durch den Hammergriff, die andere senkrecht darauf durch den Umbo verläuft, in die Quadranten I–IV (Abb. 7.5). Im hinteren oberen Quadrant (IV. Quadrant) scheinen Anteile der Gehörknöchelchen des Mittelohres, z. B. der lange Fortsatz des Amboss (Crus longum incudis) und der Steigbügelkopf (Caput stapedis), durch. Das Trommelfell ist durch einen fibrösen Haltering (Anulus fibrocartilagineus) in einem knöchernen Rahmen (Anulus tympanicus osseus) des Mittelohranteils (Pars tympanica) des Schläfenbeines aufgespannt. Dieser Ring ist im Bereich der Pars flaccida unterbrochen. Stellung. Das Trommelfell steht schräg. Seine laterale Fläche schaut nach unten, vorn und bildet einen Winkel mit der Horizontalen von 45°, mit der Sagittalen von 50°. Verlängert man beide Trommelfelle nach unten, so schneiden sie sich in einem nach oben offenen Winkel von 90°. Verlängert man sie nach vorne, so bilden sie einen nach hinten offe-

nen Winkel von 100°. Infolge dieser Schrägstellung ist die hintere obere Gehörgangwand 6 mm kürzer als die vordere untere. Feinbau. Die Membran ist 0,1 mm dick und besteht aus 3 Schichten: £ Äußere Haut (Stratum cutaneum), verdünnte

Fortsetzung der Haut des äußeren Gehörganges ohne Haare und Drüsen, mit hoher Tendenz zur Proliferation; im Gegensatz zum verhornten Plattenepithel der äußeren Körperoberfläche schilfern die apikalen Areale jedoch nicht ab, sondern die Epidermisschichten wandern vom Zentrum des Trommelfelles in Richtung Peripherie und schieben dadurch im Sinne eines Selbstreinigungsmechanismus auch oberflächliche Hautbestandteile des äußeren Gehörganges nach draußen. £ Grundschicht (Lamina propria), mechanisch wirksam, mit äußeren, radiären (Stratum radiale) und inneren, zirkulären (Stratum circulare) kollagenen Faserzügen, die der Pars tensa die Grundspannung bringen; auch in der Pars flaccida findet sich eine locker aufgebaute Lamina propria ohne radiärer und zirkulärer Faseranordnung. £ Schleimhaut (Stratum mucosum), verdünnte einschichtige Fortsetzung der Auskleidung des Mittelohres mit Submucosa.

599

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

Der als Bindegewebering (Anulus fibrocartilagineus) ausgebildete laterale Rand der Lamina propria ist in einer Rinne des Schläfenbeines (Sulcus tympanicus des Os temporale) eingelassen und in ihr befestigt. Trommelfellspannung. Sie wird durch den am Hammer angreifenden M. tensor tympani (s. u.) geregelt, der Nabel bewegt sich nach medial, der Trichter wird vertieft (Abb. 7.1, 13) Gefäße (Abb. 7.6) und Nerven des Trommelfells Arterien. An der Außenseite stammen sie aus der A. auricularis profunda, an der Innenseite aus der A. tympanica anterior sowie A. stylomastoidea und verlaufen radiär. Ein Randnetz wird zusätzlich von Arterien des äußeren Gehörgangs gespeist. Stärkere Äste verlaufen in der Stria mallearis. Auch in der Mittelohrschleimhaut finden sich wenige kleine Arterien. Venen. Die Venengeflechte am Rand des Trommelfelles anastomosieren zwischen Innen- und Außenseite und transportieren Blut in die V. meningea media, venöse Plexus in der Umgebung der A. carotis interna und den Bulbus venae jugularis ab. Lymphgefäße. Subkutane bzw. -muköse stehen mit den Gefäßen des äußeren Gehörgangs in Verbindung und besitzen gleiche Abflussgebiete. Randnetz Gefäße der Stria mallearis

radiäre Gefäße

Nerven w Außenfläche: N. auriculotemporalis (vom N.

V3), R. auricularis (vom N. X). Vereinzelte Äste der Nn. VII und IX w Innenfläche: Geflecht der Paukenhöhle (Plexus tympanicus, sensible Fasern der Nn. VII und IX). Klinik: 1. Prussak-Tasche – Pars flaccida. Die Pars flaccida als laterale Begrenzung der Prussak-Tasche kann sich bei Drucksteigerung in der Paukenhöhle (z. B. bei Eiteransammlung) nach außen vorwölben. Sie besitzt eine locker aufgebaute Lamina propria (Locus minoris resistentiae). Durch ein Zusammenspiel unterschiedlicher Mechanismen kann es in anderen Fällen zu einer Einwölbung der Pars flaccida in die Paukenhöhle kommen mit sukzessiver Entwicklung eines Cholesteatoms. 2. Parazentese. Inzision der Pars tensa des Trommelfelles (hinterer oder vorderer unterer Quadrant) bei eitriger Otitis media (s. u.), Tubenkatarrh und Paukenerguss lässt Sekret nach außen abfließen und trägt zur Ausheilung bei; cave: Gefahr der Verletzung der Gehörknöchelchen. Hohe Proliferationstendenz des Trommelfellepithels lässt die Stichinzision in 1–2 Tagen verheilen, 3. Paukenröhrchen. Garnrollenähnliche Röhrchen, in die Parazenteseöffnung platziert, dienen der Dauerdrainage der Paukenhöhle (z. B. bei Gaumenspaltenträgern, hartnäckiger Entzündung), und verbleiben durchschnittlich 6 Monate, bevor sie spontan abgestoßen werden.

7.1.2

Mittelohr, Auris media

Lernziele: Cavitas tympanica: Wände, Stockwerke. Ossicula auditoria: Aufbau, Gelenke, Binnenmuskeln. Schleimhautfalten, Gefäße, Nerven (N. facialis!). Cellulae mastoideae. Tuba auditoria: Anteile, Verlauf

Abb. 7.6: Gefäße eines linken Trommelfells. Nach einem Injektionspräparat von Prof. Kolmer (aus J. Tandler)

Die Auris media besteht aus lufthaltigen Räumen, die mit Schleimhaut ausgekleidet, durch die Ohrtrompete mit dem Schlund verbunden sind und durch das Trommelfell gegen den äußeren Gehörgang abgegrenzt werden. 3 Mittelohranteile: 1. Paukenhöhle (Cavitas tympanica) mit Gehörknöchelchen, 2. Pneumatische Nebenräume, 3. Ohrtrompete (Tuba auditoria).

600

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

7.1.2.1 Paukenhöhle, Cavitas tympanica Die Cavitas tympanica (Abb. 7.1, 8, 13, 32) ist ein hoher schmaler Raum, dessen mittlerer und engster Teil (Mesotympanon) zwischen Trommelfell und vorgewölbter Basalwindung der Schnecke (Promontorium cavitatis tympanicae) liegt. An ihrer engsten Stelle ist sie 2–3 mm breit. Topographie. 3 Stockwerke (Sicht durch das Trommelfell): £ Oberes Stockwerk (→ Epitympanon, Pauken-

höhlenkuppelraum), liegt höher als das Trommelfell. Zu ihm gehört der Recessus epitympanicus, der nach dorsal in den Eingang zum Warzenfortsatz (Antrum mastoideum) übergeht und Verbindung zu den Warzenfortsatzzellen hat. £ Mittleres Stockwerk (→ Mesotympanon, Paukenhöhlenmittelteil) zwischen Trommelfell und Promontorium. £ Unteres Stockwerk (→ Hypotympanon, Paukenhöhlenkeller), liegt tiefer als der untere Trommelfellrand; hier mündet von vorn, unten, medial die Ohrtrompete (→ Tuba auditiva, Verbindung zum Nasenrachen). Klinik: 1. Otitis media, Mittelohrentzündung. Formen: 1.1 Akute aszendierende Infektion (→ u. a. Streptokokken, Grippeviren) aus dem Nasenrachen via Ohrtrompete, beim Kind durch eine kurze, weite Tuba auditori Eustachii begünstigt, mit Fieber, Ohrenschmerzen, evtl. Ohrgeräuschen, Schwerhörigkeit, druckschmerzhaftem Processus mastoideus mit spontaner Trommelfellperforation (Abb. 1.36, s. Parazentese, s. o.), ggf. mit Komplikationen: Labyrinthitis, Fazialisparese, endokranielle Komplikation (s. u.), 1.2 Chronisch anhaltende Infektion bei Tubenfunktionsstörung, meist schlechte Pneumatisation des Schläfenbeins. 2. Cholesteatom (Perlgeschwulst). Chronische Otitis media mit Knochenbeteiligung. Das Trommelfell ist Grenze zwischen Plattenepithel des äußeren Gehörganges und Mittelohrschleimhaut. Wird diese, z. B. durch perforierende Verletzung, Zerstörung des Anulus fibrocartilagineus oder eine Einziehung im Bereich der Pars flaccida (→ Tubenbelüftungsstörung!)

aufgehoben, kann Plattenepithel in das Mittelohr eindringen und führt zu einem gutartigen, wachsenden Pseudotumor (Cholesteatom), der operativ entfernt wird, bevor ein fortgesetzter Knochenabbau zu weiteren Komplikationen (u. a. Destruktion der Ossicula) führt. Wände der Paukenhöhle 1. Dach (Paries tegmentalis). Es wird durch das Tegmen tympani, eine dünne Knochenplatte, gebildet, die die Paukenhöhle von der mittleren Schädelgrube und dem Schläfenlappen des Gehirns trennt. 2. Boden. Er ist durch eine dünne Knochenplatte von der Fossa jugularis und dem Bulbus v. jugularis superior getrennt und heißt deshalb Paries jugularis. Die nur wenige Millimeter dicke Knochenlamelle des Tegmen tympani ist ein möglicher Infektionsweg: Entzündungen erweichen knöcherne Strukturen und verbinden die Paukenhöhle mit der mittleren Schädelgrube → Hirnabszess. Gleiches gilt für den Paries jugularis als Boden der Paukenhöhle. Die Nähe zum Bulbus v. jugularis ermöglicht die Ausbreitung von Mittelohrinfektionen: z. B. Meningitis, Sinusthrombose. 3. Vordere Wand (Paries caroticus) ist die Wand des Canalis caroticus. Auf ihr münden (Abb. 7.7, 8, 32): £ die Tuba auditiva (Ohrtrompete) in der oberen

Hälfte

£ der Semicanalis m. tensoris tympani, halbmond-

förmiger Kanal des M. tensor tympani, oberhalb der Ohrtrompete.

4. Hintere Wand (Paries mastoideus; Abb. 7.8). Sie grenzt an den Warzenfortsatz und erhält dadurch ihren Namen. Sie zeigt in ihrem oberen Teil den Zugang (Aditus) zum Antrum mastoideum. In Höhe des ovalen Vorhoffensters befindet sich ein kegelförmiger Knochenvorsprung (Eminentia pyramidalis). Auf ihm liegt eine schmale Öffnung für den Durchtritt der Sehne des Steigbügelmuskels (M. stapedius), der selbst in der Erhebung liegt und mit seiner Sehne zum Köpfchen des Steigbügels zieht. 5. Laterale Wand (Paries membranaceus). Sie wird gebildet aus:

601

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

Pars squamosa

Tegmen tympani

Recessus epitympanicus Corpus incudis Caput mallei Chorda tympani M. tensor tympani mit Sehne Semicanalis tubae auditoriae Manubrium mallei Membrana tympanica Processus lenticularis incudis

Canalis facialis Processus styloideus

Processus mastoideus mit Cellulae mastoideae

Abb. 7.7: Schnitt durch ein rechtes Felsenbein in der Ebene der Cavitas tympanica. Blick auf die laterale Wand. Laterale Hälfte des in Abb. 7.8 dargestellten Präparates

£ Trommelfell (Abb. 7.7, 13)

£ Schuppenteil des Felsenbeines (das Trommelfell

reicht nicht bis zum Dach der Paukenhöhle).

Recessus epitympanicus (Abb. 7.7, 13) ist der den Ansatz des M. tensor tympani bzw. die Chorda tympani nach oben überragende kuppelförmige Raum und beherbergt: Hammerköpfchen, Körper und kurzen Fortsatz des Ambosses. Nach hinten hat er Verbindung zum Antrum mastoideum. 6. Mediale Wand (Abb. 7.8, 32). Sie trennt die Paukenhöhle vom Innenohr und heißt Paries labyrinthicus. Beteiligt sind £ das Promontorium, eine flache Erhebung, verur-

sacht durch die Ausdehnung der basalen Schneckenwindung;

£ die Fenestra vestibuli (ovales oder Vorhoffens-

ter), die hinter und oberhalb des Promontorium in das Vestibulum führt und die Steigbügelplatte aufnimmt; £ die Fenestra cochleae (rundes oder Schneckenfenster), die von einer kleinen Bucht (Rundfensternische) hinter und unterhalb des Promontorium abgeht. Sie mündet am Knochenpräparat in die Schnecke, ist beim Lebenden durch die Rundfenstermembran (Membrana tympani secundaria) verschlossen, eine bindegewebige Haut, die das Ausschwingen der Perilymphe gestattet. £ Die Prominentia canalis facialis (knöcherne Wand des Fazialiskanals) wulstet sich oberhalb des ovalen Fensters vor. Der in Abb. 7.8 eröffnete Fazialiskanal verläuft oberhalb des Fensters

602

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

Antrum mastoideum

Tegmen tympani

Prominentia canalis semicircularis lateralis Sehne des M. tensor tympani zieht um den Proc. cochleariformis Hiatus canalis facialis Stapes in der Fenestra vestibuli Canalis caroticus

(Apertura int. canaliculi n. petrosi superfic. minoris) Semicanalis m. tensoris tympani Semicanalis tubae auditoriae Promontorium Cellulae mastoideae

Canalis facialis

Eminentia pyramidalis

Fenestra cochleae

Canalis caroticus

Abb. 7.8: Schnitt durch ein rechtes Felsenbein in der Ebene der Cavitas tympanica. Blick auf die mediale Wand. Mediale Hälfte des in Abb. 7.7 dargestellten Präparates

nach lateral und hinten, um sich bald im Bogen abwärts zu wenden. In Höhe der Eminentia pyramidalis führt ein kleiner Seitenkanal einen Ast des N. facialis zum M. stapedius. £ Die Prominentia canalis semicircularis lateralis (knöcherne Wand des lateralen Bogenganges) wölbt sich oberhalb des Fazialiswulstes vor. Sie grenzt an den Eingang zum Warzenfortsatz (Aditus ad Antrum mastoideum) £ Der Semicanalis m. tensoris tympani (Kanal des Trommelfellspanners) verläuft oberhalb des Promontorium. An seiner Mündung windet sich die Sehne des M. tensor tympani um den Proc. cochleariformis zum Hammergriff (Abb. 7.8) £ Der Semicanalis tubae auditoriae (knöcherner Teil der Ohrtrompete) liegt unterhalb des vorigen, nur durch eine dünne Knochenplatte von ihm getrennt (Abb. 7.8).

Klinik: 1. Endokranielle Komplikationen der Otitis media (= Fortleitung der Entzündung in das Gehirn). 1.1 Otogene eitrige Meningitis (am häufigsten!), 1.2 Epi-, subduraler Abszess, 1.3 Sinusthrombose, 1.4 Hirnabszess (Schläfenlappen, Kleinhirn). 2. Mastoiditis. Fortschreiten der Mittelohrentzündung (Komplikation der Otitis media) in den pneumatischen Räumen des Mittelohres, der Cellulae mastoideae mit Einschmelzung von knöchernen Septen. Ther.: Mastoidektomie (Ausschleifen aller Mastoidzellen mit dem Bohrer unter dem Op.-Mikroskop). 3. Tympanogene Labyrinthitis. Komplikation der Otitis media. Toxin- oder Bakterienübertritt (selten) via Fenestra vestibuli ins Innenohr mit Drehschwindel, Reiznystagmus, Übelkeit, Erbrechen, Hörminderung, Ther.: Paukenröhrchen, Mastoidektomie (bei eitriger Labyrinthitis), ggf. Adenotomie.

603

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

Gehörknöchelchen, Ossicula auditoria

Corpus incudis Crus breve

Die 3 Ossicula auditoria (Abb. 7.1, 5, 7, 9–13) liegen im oberen Teil der Paukenhöhle. Sie übertragen und verstärken die Energie der Schwingungen des Trommelfells auf die Perilymphe des Innenohres.

Facies articularis

Crus longum Processus lenticularis

Caput mallei Collum mallei Processus lateralis Processus anterior Manubrium mallei

Abb. 7.9: Rechter Hammer (Malleus). Von vorn und medial gesehen

1. Hammer, Malleus (Abb. 7.9, 13). Er ist der größte Knochen. Sein abgerundeter Kopf (Caput mallei) artikuliert mit dem Körper des Ambosses (Abb. 7.12). Er liegt im Recessus epitympanicus und ist durch das obere Hammerband (Lig. mallei superius) an der Decke der Paukenhöhle befestigt. £ Der dünne Hals (Collum mallei) ist durch das

seitliche Hammerband (Lig. mallei laterale) mit der oberen Wand des äußeren Gehörganges verbunden. £ Der Handgriff (Manubrium mallei) ist in ganzer Ausdehnung in das Trommelfell eingewoben und scheint als Stria mallearis durch dieses durch (Abb. 7.5). £ Der kurze seitliche Hammerfortsatz (Processus lateralis) wölbt das Trommelfell leicht nach außen vor (Abb. 7.5). £ Der lange vordere Hammerfortsatz (Processus anterior) ist nach vorn und unten gerichtet, zieht in eine Spalte zwischen Mittelohrhöhle und Felsenbein (Fissura petrotympanica) und ist durch das vordere Hammerband (Lig. mallei anterius) befestigt (Abb. 7.1). 2. Amboss, Incus (Abb. 7.10). Er hat die Form eines zweiwurzeligen Zahnes, dessen Krone dem Ambosskörper (Corpus incudis) entsprechen würde. £ Der Körper trägt eine Gelenkfläche (Facies

articularis) für den Hammer und ist durch das

Abb. 7.10: Rechter Amboss (Incus). Von vorn und seitlich gesehen

obere Ambossband (Lig. incudis superius) am Paukenhöhlendach aufgehängt. £ Der lange Schenkel (Crus longum incudis) verläuft hinter dem Hammergriff (Abb. 7.13) parallel zu diesem senkrecht nach unten. Sein freies Ende biegt nach medial um und trägt ein ovales Köpfchen, Processus lenticularis, das sich mit dem Steigbügelkopf verbindet. £ Der nach hinten gerichtete kurze Schenkel (Crus breve incudis) ist durch das hintere Ambossband (Lig. incudis posterius) am Boden des Antrum mastoideum befestigt. Caput stapedis

Crus posterius Crus anterius

Basis stapedis

Abb. 7.11: Rechter Steigbügel (Stapes). Von medial gesehen

3. Steigbügel, Stapes. Der lateralwärts gerichtete Kopf (Caput stapedis) (Abb. 7.11) verbindet sich mit dem Proc. lenticularis des Ambosses. £ Der fast gerade, kürzere Schenkel (Crus anterius) weist nach vorn, der gebogene, längere Schenkel (Crus posterius) nach hinten. £ Die Steigbügel(fuß)platte (Basis stapedis) ist durch das ringförmige Steigbügelband (Lig. anulare stapedis) in das ovale Fenster eingelassen (Abb. 7.1). Gelenke (Abb. 7.12) 1. Hammer-Ambossgelenk (Articulatio incudomallearis; Abb. 7.12). Es entspricht dem primären Kiefergelenk der Nichtsäuger. Verzahnte, selbst sperrende Gelenkflächen (Sattelgelenk) mit viel

604

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare 3

1 2 4

1

Abb. 7.12: Gehörknöchelchen mit den Hauptachsen der Bewegungen. 1 im Hammerambossgelenk; 2 u. 3 in der Stapesfußplatte; 4 Zugrichtung des M. stapedius. Umgezeichnet nach Neubert-Wüstenfeld

Kontaktfläche zwischen beiden Knöchelchen und eine straffe Gelenkkapsel lassen nur geringe federnde Bewegungen von etwa 5° zu. 2. Amboss-Steigbügelgelenk (Articulatio incudostapedia). Der konvexe Proc. lenticularis incudis und das konkave Caput stapedis werden durch eine zarte Kapsel als Kugelgelenk beweglich miteinander verbunden. Bewegungsachse, Mechanik Hammer und Amboss sind durch Bänder so aufgehängt, dass ihr Schwerpunkt mit der Drehachse zusammenfällt. Beide können ohne großen Energieverlust die Bewegungen des Trommelfells an den Steigbügel weitergeben. Um diese Drehachse (1 in Abb. 7.12, Proc. anterior → Collum mallei → Crus breve incudis) bewegen sich Hammer und Amboß wie ein zweiarmiger Hebel mit ungleichen Hebelarmen. Wird das Trommelfell durch Schallwellen nach innen getrieben, so macht der Hammergriff die gleiche Bewegung mit, da er fest mit der Innenseite des Trommelfelles verbunden ist. Der oberhalb der Achse gelegene Hammerkopf bewegt sich nach außen und nimmt mittels der Sperreinrichtung im Hammer-Ambossgelenk den Ambosskörper mit. Der unterhalb der Achse gelegene, lange Ambossschenkel wird dadurch parallel zum Hammergriff nach innen bewegt und drückt dabei den Steigbügel in das ovale Fenster, wodurch die Perilymphe in Vorhof und Schnecke in Bewegung gesetzt wird. Während in Ruhe die Fußplatte des Steigbügels in der Ebene des ovalen Fensters liegt, kippt sie nach Békésy

bei mittleren Schalldrücken um eine vertikale Achse (3 in Abb. 7.12), so dass ihr unterer Rand tiefer in das ovale Fenster eintaucht und ihr oberer Rand aus dem ovalen Fenster heraus kommt. Bei max. Schalldrücken dagegen schwingt der Steigbügelkopf und damit auch die Fußplatte im ovalen Fenster wie ein Kolben aufund abwärts, was nur möglich ist, wenn die Basis des Steigbügels gleichzeitig um ihre horizontale Längsachse (2 in Abb. 7.12) kippt. Hierdurch werden die effektiven Verschiebungen des Perilymphvolumens im Innenohr gering gehalten und damit das Gehörorgan vor hoher Schallintensität geschützt. Von außen kommender Druck wird im Frequenzbereich der menschlichen Sprache unter 22facher Verstärkung (Verhältnis der Fläche des Trommelfelles zur Fußplattenfläche des Steigbügels 17 : 1) auf die Fußplatte und damit auf die Perilymphe übertragen (weiterer Verstärkungsfaktor 1,3 durch die Hebelmechanik der Gelenke). Die Druckverstärkung ist notwendig, um die Schwingungen des Trommelfells in wirksame Flüssigkeitsbewegungen umzuwandeln. Fehlte sie (direkte Schalleinwirkung auf das ovale Fenster), käme es zu einer erheblichen Reflexion des Schalles von der Flüssigkeitsoberfläche der Perilymphe.

Klinik: 1. Otosklerose. Hereditäre Krankheit der knöchernen Labyrinthkapsel. Knöcherne Fixierung der Stapesfußplatte im ovalen Fenster (Stapesankylose) mit progredienter Schwerhörigkeit (→ Schallleitungsstörung: Schallwellen werden nur noch über die Knochenleitung wahrgenommen), konstantem Tinnitus aurium, Paracusis Willisii. Ther.: Stapesplastik. 2. Tympanoplastik. Op. zur Beseitigung von Defekten des Trommelfells oder der Gehörknöchelchenkette bzw. zur Wiederherstellung der Schallleitung zum Innenohr. Zugang zum Mittelohr durch den äußeren Gehörgang oder retroaurikulär durch verschiedene Methoden. Binnenmuskeln des Mittelohres Die quergestreiften Mittelohrmuskeln halten Trommelfell und Gehörknöchelchen reflektorisch in einem Spannungszustand für die Schallübertragung. 1. M. tensor tympani O.: oberhalb der Ohrtrompete von den Wänden des Semicanalis m. tensoris tympani (Abb. 7.8). I.: Die Sehne wendet sich um den Löffelfortsatz (Processus cochleariformis) nahezu rechtwink-

605

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

lig nach lateral zum Ansatz am oberen Ende des Hammergriffes (Abb. 7.7). L.: N. pterygoideus medialis (vom 3. Ast des N. V), A. tympanica superior F.: Hammergriff und Trommelfell werden durch seinen bogenförmigen Verlauf um den Processus cochleariformis (Hypomochlion) nach innen gezogen. Das Trommelfell wird so gespannt und der Hammer für die Schallübertragung in eine optimale Position gebracht. Dehnung der Muskelspindeln (durch höhere Schalldruckpegel) verursacht eine beidseitige Kontraktion dieses Muskels. Wegen der relativ langen Latenz zwischen Schallereignis und Kontraktion des Muskels ist eine effektive Schutzwirkung für das Innenohr eher unwahrscheinlich. Vermutlich wird durch ihn das Klirren bei Beschallung mit hohen Frequenzen vermindert.

2. M. stapedius O.: im Hohlraum (Cavum m. stapedii) neben der Eminentia pyramidalis. I.: am Kopf und hinteren Schenkel (Crus posterius) des Steigbügels (4 in Abb. 7.12). L.: Ramus stapedius des N. facialis, A. stylomastoidea. F.: Kopf des Steigbügels wird nach hinten gezogen, wodurch der vordere Teil der Steigbügelfußplatte aus dem ovalen Fenster herausgehebelt wird und sich verkantet, der hintere Teil wird hineingepresst. Er bremst zu starke Exkursionen des Steigbügels durch Anspannung des Lig. anulare stapedis ab, schützt damit das Innenohr vor hoher Schallintensität. Klinik: Die Bedeutung der beiden Mittelohrmuskeln für den Schalltransport ist nicht geklärt („Schutztheorie“: Schutz vor lauter Beschallung). Bestimmte Formen von Ohrgeräuschen können durch rhythmische, unwillkürliche Kontraktionen eines oder beider Muskeln ausgelöst werden. Nach längerem Aufenthalt in lauter Umgebung bleibt der Tonus der Binnenmuskeln des Mittelohres noch für einige Zeit erhöht, so dass Schall zunächst „wie durch Watte“ wahrgenommen wird und sich das Hörvermögen anschließend nur langsam wieder normalisiert. Gähnen führt zu einer Kontraktion des M. stapedius und damit zur kurzfristigen Hörminderung.

Schleimhaut Eine dünne, gefäßreiche Mucosa bekleidet die Paukenhöhlenwände und überzieht die in sie eingestülpten Gebilde: Gehörknöchelchen mit Bändern, Sehnen, Muskeln, Chorda tympani (s. u.). Dabei entstehen neben zahlreichen variablen 5 konstante Schleimhautfalten (Abb. 7.13) £ Vordere Hammerfalte (Plica mallearis ante-

£

£

£ £

rior), enthält den vorderen Hammerfortsatz, A. tympanica anterior, Lig. mallei anterius, zieht vom Hals des Hammers nach vorn. Zwischen ihr und dem Trommelfell liegt die nach unten offene vordere Trommelfelltasche (Recessus membranae tympanicae anterior). Hintere Hammerfalte (Plica mallearis posterior), zieht vom Hammerhals nach hinten und enthält die A. tympanica posterior. Zwischen ihr und dem Trommelfell liegt die enge hintere Trommelfelltasche (Recessus membranae tympanicae posterior). Durch die beiden Hammerfalten verläuft die Chorda tympani. Die Falten scheinen auf der Außenfläche des Trommelfells durch (Abb. 7.5). Ambossfalte (Plica incudis), zieht vom Crus longum incudis zur hinteren Paukenhöhlenwand. Steigbügelfalte (Plica stapedis), hüllt Steigbügel und Sehne des M. stapedius ein. Obere Trommelfelltasche (Recessus membranae tympanicae superior, Prussak-Raum), blindsackförmiger, nach hinten sich öffnender Raum, der nach medial vom Kopf und Hals des Hammers und dem Körper des Ambosses, nach lateral von der Pars flaccida des Trommelfells (Shrapnell-Membran) und oben von der Schuppe des Schläfenbeins begrenzt wird (→ Hammer-Amboss-Schuppen-Raum).

Feinbau. Eine dünne gefäßreiche Bindegewebelage (Periost, Schleimhaut) ist von einem einschichtigen, meist isoprismatischen Epithel bekleidet. Auf den Falten und Gehörknöchelchen geht es in ein ein- bis mehrschichtiges Plattenepithel, auf dem Trommelfell in ein einschichtiges über. In Hypotympanon und Tube findet sich ein mehrreihiges Flimmerepithel. Die dünne, blassere (gefäßärmere) Schleimhaut der Cellulae mastoideae ist ebenfalls mit einschichtigem Plattenepithel bekleidet. Die unter dem Epithel gelegene Lamina propria enthält

606

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare Recessus epitympanicus

Malleus (Caput)

Lig. mallei superius

Tegmen tympani

Antrum mastoideum

Chorda tympani

Plica mallearis anterior

M. tensor tympani

Tuba auditiva

Incus (Crus breve)

Plica mallearis posterior

Schnittrand der Sehne des M. tensor tympani

Processus lenticularis des Crus longum incudis Manubrium mallei auf dem Trommelfell

Processus styloideus Cellulae mastoideae

Abb. 7.13: Schleimhaut eines stark pneumatisierten Felsenbeins. Blick auf die laterale Paukenhöhlenwand. Trommelfell, Gehörknöchelchen, Chorda tympani in situ. Trommelfelltaschen durch Pfeile angedeutet

zahlreiche feine Blut- und Lymphgefäße sowie im vorderen Bereich der Paukenhöhle Drüsen (Glandulae tympanicae). Gefäße und Nerven der Paukenhöhle Gefäße Arterien (Aa. tympanicae) sind überwiegend Seitenäste der A. carotis externa (Ausnahmen: A. subarcuata, Rr. caroticotympanici): w A. tympanica anterior (aus der A. maxillaris)

durch die Fissura petrotympanica zum Epitympanon, Antrum mastoideum, Hammer und Amboss w A. tympanica posterior (aus der A. stylomastoidea) durch den Canalis facialis in Begleitung der Chorda tympani zu Trommelfell und Hammer

w A. tympanica superior (aus der A. meningea

media) durch den Canalis n. petrosi minoris zum Epitympanon, Steigbügel, M. tensor tympani w A. tympanica inferior (aus der A. pharyngea ascendens) durch den Canaliculus tympanicus zum Hypotympanon, Promontorium, Steigbügel w A. stylomastoidea (aus der A. auricularis posterior) durch den Fazialiskanal zu Warzenfortsatzzellen, hinterer Paukenhöhle, Steigbügel, M. stapedius. Weitere Arterien anderen Ursprungs: w A. petrosa superficialis (aus der A. meningea

media) zum Steigbügel, Ggl. geniculi des N. VII

607

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

w A. tubaria (aus der A. meningea accessoria) zum

knöchernen Anteil der Tube w A. subarcuata (aus der A. labyrinthi) zu Warzenfortsatzzellen w Rr. caroticotympanici (aus der A. carotis interna) zur vorderen Paukenhöhlenwand und Tube. Diese zahlreichen Arterien führen zu einer guten Durchblutung der Mittelohrschleimhaut und gehen untereinander mehrere Verbindungen ein.

Venen von Paukenhöhle und Warzenfortsatz führen das Blut zum Plexus pharyngeus und zur V. meningea media ebenso ab wie in das Sinussystem des Schädelinneren. Lymphgefäße kommunizieren mit denen des äußeren Ohres und Trommelfells. Klinik: Lymphknotenschwellung. Vor allem prä(vor dem äußeren Gehörgang), infraaurikulär (unterhalb der Ohrmuschel) und in der Parotis sind Lymphknoten bei Entzündung von äußerem Gehörganges (Otitis externa), Trommelfell (Myringitis) und Otitis media tastbar; im weiteren Sinne vergrößern sich bei diesen Erkrankun-

N. facialis

gen auch die submandibulären, oberflächlichen und tiefen Halslymphknoten. Nerven Die Nerven versorgen nur zum geringen Teil die Paukenhöhle. In der Hauptsache streben sie anderen Versorgungsgebieten zu (Abb. 7.14, 15). Muskelinnervation. 1. N. facialis: M. stapedius, 2. N. trigeminus: M. tensor tympani. Schleimhautinnervation. Plexus tympanicus, auf dem Promontorium gelegen. Der N. tympanicus (präganglionär parasympatisch) zieht aus dem Ganglion inferius des N. IX zum Paries labyrinthicus der Paukenhöhle, tauscht hier Fasern mit dem Plexus tympanicus aus und gelangt als N. petrosus minor zum Ganglion oticum und von dort (postganglionär) über N. auriculotemporalis und N. VII als sekretorischer Nerv zur Glandula parotis. Die Nn. caroticotympanici (aus dem sympathischen Geflecht der A. carotis interna) beteiligen

N. petrosus N. trigeminus, major et minor Ganglion trigeminale N. ophthalmicus N. maxillaris N. supraorbitalis Orbita et A. ophthalmica N. infraorbitalis Fossa sacci lacrimalis Ggl. pterygopalat., Nn. palatini R. alveolaris superior posterior, Sinus maxillaris

N. tympanicus Plexus caroticus internus N. vagus N. accessorius R. lingualis Rr. pharyngei

    

Ggl. cervicale superius, Truncus sympathicus

n. glossopharyngei

N. alveolaris inferior

N. lingualis, Chorda tympani

N. canalis pterygoidei N. mandibularis

A. meningea media, N. auriculotemporalis

Abb. 7.14: Die Nerven der Paukenhöhle und ihre topographischen Beziehungen zu den Ästen des N. trigemi-nus. Von lateral her dargestellt. Nach eigenen Angaben präpariert und modelliert von Oberpräparator O. Seifert

608

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare N. trigeminus

Hiatus canalis facialis

N. petrosus minor N. petrosus major N. petrosus profundus

Ganglion geniculi

A. carotis interna N. ophtalmicus

Plexus tympanicus

A. ophthalmica

N. facialis mit N. stapedius

N. maxillaris

Chorda tympani

Nn. pterygopalatini Ganglion pterygopalatinum

N. tympanicus

N. canalis pterygoidei

Plexus caroticus internus

Nn. palatini N. mandibularis, Ganglion oticum

Ramus auricularis n. vagi

Ganglion inferius n. glossopharyngei

N. auriculotermporalis

N. auricularis posterior n. VII

Chorda tympani N. lingualis

R. digastricus et stylohyoideus Ganglion inferius n. vagi

N. alveolaris inferior

N. facialis N. accessorius

Ganglion cervicale superius N. vagus

Truncus sympathicus

Ramus lingualis n. glossopharyngei

Rami pharyngei n. glossopharyngei

Abb. 7.15: Die Nerven der Paukenhöhle, Ausschnitt aus Abb. 7.14 bei stärkerer Vergrößerung. Weitere Teile des Knochens und ein Teil des N. trigeminus sind entfernt

sich als postganglionäre vasomotorische Fasern des Sympathikus an der Bildung des Plexus tympanicus. Die Chorda tympani (Paukensaite) (aus dem N. intermedius, s. Kap. 4.12.1, S. 255) benutzt die Paukenhöhle als Durchgangsgebiet. Sie verlässt den absteigenden Teil des Fazialiskanales, zieht zwischen Hammergriff und langem Fortsatz des Ambosses (Crus longum incudis) durch die freie Paukenhöhle (Abb. 7.7), und gelangt – zusammen mit dem vorderen Hammerfortsatz (Proc. anterior mallei) und dessen Ligament – in bzw. durch die Fissura petrotympanica zur äußeren Schädelbasis; sie enthält: w Geschmacksfasern der vorderen 2/3 der Zunge w präganglionäre parasympathische Fasern für das

Ggl. submandibulare (s. Kap. 4.13.1.2, S. 276).

Klinik: Geschmacksstörung (= Dysgeusie). Störung der Geschmackswahrnehmung, z. B.

herabgesetzt (= Hypogeusie) oder verfälscht (= Parageusie) und Mundtrockenheit (Ausfall von Speicheldrüsen), häufig kombiniert mit Geschmacksstörung durch Schädigung der Chorda tympani (z. B. perforierende Verletzung des Trommelfells). Parazentese: An der Stelle der stärksten Vorwölbung des Trommelfells bei einer Mittelohrentzündung (in der Regel im hinteren unteren Quadranten) kann eine Stichinzision in Lokalanästhesie dem Patienten deutliche Linderung verschaffen. Hier ist zudem die Gefahr einer Läsion der Chorda tympani gering. N. facialis und N. intermedius laufen als makroskopisch nicht trennbarer Nerv durch den Canalis facialis zu anderen Versorgungsgebieten (s. Kap. 4.12.1, S. 255).

609

7.1 Schallleitungsapparat des Ohres

Canalis semicircularis anterior

Canalis semicircularis lateralis Canalis semicircularis posterior

Linea temporalis

Fossa mandibularis

Sinus petrosus superior Canalis facialis Sinus sigmoideus Foramen stylomastoideum

Processus mastoideus

Fenestra vestibuli

Promontorium Fenestra cochleae Processus styloideus

Abb. 7.16: Lage des Labyrinthes, des N. facialis und des Sinus sigmoideus nach Wegnahme der hinteren Gehörgangswand und der Cellulae mastoideae

3 Verlaufsstrecken im Felsenbein: 1. Strecke: Die Nerven verlaufen mit dem N. vestibulocochlearis im inneren Gehörgang (Meatus acusticus internus) nach lateral und vorn und treten am Grund desselben in den Canalis facialis ein (Area n. facialis, s. Abb. 7.34). Bald darauf biegen sie nach lateral und hinten im Knie (Geniculum) um. Am Knie liegt das sensible Ganglion geniculi (Abb. 7.15). Hier verlässt ein Teil des N. intermedius als N. petrosus major durch den Hiatus canalis nervi petrosi majoris das Felsenbein, zieht durch den Sulcus n. petrosi majoris zur äußeren Schädelbasis und von dort durch den Canalis pterygoideus zum parasympathischen Ganglion pterygopalatinum, wo seine Umschaltung erfolgt. w Die postganglionären Fasern versorgen sekre-

torisch Tränendrüse (via N. zygomaticus, R. communicans, N. lacrimalis) und Drüsen von Nasenhöhle und Gaumen.

2. Strecke. Verlauf oberhalb des ovalen Fensters nach lateral und hinten (Abb. 7.15). Keine Äste. 3. Strecke (nach kaudal, Abb. 7.16). Der Ramus stapedius verlässt als kleiner motorischer Ast (Abb. 7.15) den N. VII für den M. stapedius. Kaudal zieht der restliche Teil des N. intermedius als Chorda tympani rückläufig durch die Paukenhöhle.

Klinik: 1. Nur durch zarte Scheidewände vom Mittelohrraum getrennt, werden die Nerven nicht selten bei Affektionen des Mittelohres mitbetroffen. Kenntnis der Topographie, der wichtigsten Äste und ihrer Versorgungsgebiete ermöglicht eine Lokalisation des Schadens. 2. Bei Verletzung des N. facialis nach dem Abgang des N. petrosus major ist die Tränensekretion erhalten. 3. Fazialisparese (= Fazialislähmung). 3.1 Durch Komplikation der Otitis media (Felsenbeinfrakturen oder iatrogene Verletzungen), 3.2 Bei N.-facialis-Verletzung im Felsenbein (z. B. bei Ausräumung der Warzenfortsatzzellen), 3.3 Bei Fazialisneurinom (seltener gutartiger Tumor des N. facialis). Schlaffe Lähmung aller vom N. VII innervierten Muskeln (mimische Muskulatur): unvollständiger Lidschluss einseitig (Bell-Phänomen), Herabhängen des Unterlids, verstrichene Nasolabialfalte, Lidspaltendifferenz, Stirnrunzeln nicht möglich. Liegt die Verletzung in der 1. Strecke (bis zum Ggl. geniculi), so kommen hinzu: Störung von Tränendrüsen-, Nasendrüsen- und Speicheldrüsensekretion (N. petrosus major), Störung der Geschmacksempfindungen (Chorda tympani) und fehlender Reflex des M. stapedius. Je weiter peripher die Verletzung, um so geringer die Ausfallserscheinung (s. Abb. 7.15). Ther.: Mastoidektomie, Nervendekompression oder -rekonstruktion.

610

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

7.1.2.2 Warzenfortsatzzellen, Cellulae mastoideae Beim Neugeborenen ist nur das Antrum mastoideum vorhanden, der Warzenfortsatz, der sich aus der Pars squamosa und Pars petrosa ossis temporalis entwickelt hat, ist noch nicht pneumatisiert. Das mit Paukenhöhlenschleimhaut ausgekleidete Antrum mündet nach vorn in den Recessus epitympanicus. Eine dünne Knochenlamelle, Fortsetzung des Tegmen tympani nach hinten, trennt ihn von der mittleren Schädelgrube und dem Schläfenlappen des Gehirns (Abb. 7.7, 13). Von der Hinterwand aus entwickeln sich in den ersten LJ parallel mit dem Warzenfortsatz die Warzenfortsatzzellen (Cellulae mastoideae). Variabel in Form, Zahl und Größe (vgl. Abb. 7.7, 13, 32) münden sie direkt oder indirekt in das Antrum und damit in die Paukenhöhle. Die Durchströmung des Warzenfortsatzes mit Luft (Pneumatisierung) kann gehemmt sein (spongiöser oder kompakter Knochen statt der lufthaltigen Cellulae mastoideae) oder sich auch auf andere Teile des Schläfenbeins (Schuppe, Proc. zygomaticus, selbst die Pyramide) ausdehnen. Nachbarschaftsbeziehung. Auf die Außenfläche projiziert liegt das Antrum dicht hinter und oberhalb des äußeren Gehörganges, dicht hinter der Spina supra meatum. Die vom Jochbogen nach hinten verlaufende Linea temporalis entspricht dem Boden der mittleren Schädelgrube und damit der oberen Begrenzung der Warzenfortsatzzellen. Gegen den hinteren Teil des Warzenfortsatzes wulstet sich der Sinus sigmoideus vor (Abb. 7.16). Er kann steiler oder schräger stehen, oberflächlicher oder tiefer liegen. Klinik: 1. Da alle lufthaltigen, mit Schleimhaut ausgekleideten Räume von der Paukenhöhle ausgehen, bilden sie mit ihr einen einheitlichen Erkrankungsraum. Mittelohreiterungen können sich in ihnen ausbreiten. 2. Umgeben von Warzenfortsatzzellen, kann der Sinus sigmoideus (Kap. 5.3, S. 433) bei deren Ausräumung (als Therapie einer chronischen Entzündung) verletzt werden. Die enge Nachbarschaft zu den Cellulae mastoideae erklärt die häufige Infektion des Sinus bei Mittelohrentzündungen (mit

der möglichen Folge einer Sinusthrombose oder eines Kleinhirnabszesses). Bei der Eröffnung des Antrums und der Ausräumung der Cellulae mastoideae sind außerdem besonders der laterale Bogengang (s. u.) und der N. facialis gefährdet (Abb. 7.16).

7.1.2.3 Ohrtrompete, Tuba auditoria, Eustachio-Röhre Die Ohrtrompete, Tuba auditoria (sive Tuba auditiva), Abb. 7.1; ist ein knapp 4 cm langer Gang, der in der Pars nasalis des Pharynx mit dem Ostium pharyngeum tubae auditoriae beginnt, nach lateral hinten und oben ansteigt und auf der Vorderwand der Paukenhöhle mit dem Ostium tympanicum tubae auditoriae mündet. Beim Neugeborenen verläuft die Tuba auditoria nahezu horizontal. Gliederung 1. Laterales Drittel (1,3 cm lang). Es ist beim Erwachsenen knöchern (Pars ossea tubae auditoriae), liegt ventrolateral vom Canalis caroticus und entspricht dem Semicanalis tubae auditoriae. Vom Mittelohr aus gesehen bildet es den trichterförmigen Conus tympanicus als knöcherne Abflussregion. Oberhalb des knöchernen Abschnittes befindet sich der M. tensor tympani in seinem Kanal (Semicanalis musculi tensoris tympani), nur durch eine dünne Knochenlamelle voneinander getrennt. Dieser Abschnitt der Tube ist durchgehend geöffnet. 2. Mediale Zweidrittel (2,7 cm) enthalten als knorpelige Stütze (Pars cartilaginea tubae auditoriae) eine hakenförmig gebogene Knorpelplatte (Cartilago tubae auditoriae). Sie bildet als lateral offene Röhre die mediale Wand, das Dach und einen Teil der lateralen Wand. Lateral wird sie durch eine dünne Membran (Lamina membranacea tubae auditoriae) verschlossen. Beim Kleinkind ist das Längenverhältnis zwischen knöchernem und knorpeligem Anteil umgekehrt. Das laterale Ende des Knorpels ist fest an der Pars ossea und an den angrenzendem Knochen angeheftet. Der Rest der lateralen Wand und der Boden sind membranös und damit erweiterungsfähig. Am

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna

Übergang vom knöchernen in den knorpeligen Teil liegt die Tubenenge (Isthmus tubae auditoriae). Von ihr aus erweitert sich das Lumen gegen den Schlund hin zu einem hohen, schmalen Raum (vom Rachen aus gesehen bildet es den knorpeligen Conus pharyngeus als Eingang in die Tube), der durch die angrenzenden Muskeln in seiner Weite beeinflusst werden kann. Die sich zum Rachen erweiternde Form des knorpeligen Tubenabschnittes führte zur Bezeichnung „Ohrtrompete“.

Der knorpelige Abschnitt der Tube ist geschlossen oder lediglich als feiner Schlitz offen. Kontrahiert sich jedoch beim Schlucken der ventrolateral von der pharyngealen Tubenöffnung gelegene M. tensor veli palatini und der medial und kaudal von ihr gelegene M. levator veli palatini (s. Kap. 4.13.4.1, S. 299), so wird das Lumen erweitert, Luft strömt in die Paukenhöhle. Unterstützt wird dies vermutlich durch den in der Pharynxwand gelegenen M. salpingopharyngeus. Schleimhaut der knöchernen Tube. Sie trägt ein einschichtiges Flimmerepithel mit Becherzellen. Der schlundwärts gerichtete Flimmerschlag fördert den Abfluss des Sekretes in den Nasenrachenraum. Im knorpeligen Teil besitzt die Schleimhaut zahlreiche gemischte Schleimdrüsen (Glandulae tubariae) und ein mehrreihiges Flimmerepithel, das verschieblich auf einer Lamina propria sitzt. Gegen das Schlundende finden sich Lymphozyten, die Follikel oder eine mit den Rachenmandeln vergleichbare Struktur (Tonsilla tubaria, s. Kap. 4.14.5, S. 311) bilden können. Die lockere Anheftung der Schleimhaut am Perichondrium führt im knorpeligen Teil zur Bildung von Längsfalten, die bei der Öffnung der Tube verschwinden. Im knöchernen Teil ist die Schleimhaut fest mit dem Periost verbunden.

7.2

611

Funktion: Lüftung und Drainage der Mittelohrräume. Sie gleicht den Luftdruck im Mittelohr dem auf dem Trommelfell lastenden, äußeren Luftdruck an. Klinik: 1. Die Mündung der Ohrtrompete liegt nahe dem Dach der Paukenhöhle (Abb. 7.7, 13). Der horizontale Verlauf bei Kleinkindern begünstigt aufsteigende Infektionen aus dem Nasenrachenraum in das Mittelohr. Hier begünstigen hypertrophierte Rachenmandeln („Polypen“) den Verschluss der Ohrtrompete im Nasenrachen und die Entstehung von Infektionen. 2. Abrupte Luftdruckänderung (Sturzflug, Tauchen) führt zu schmerzhafter Ein- oder Ausbuchtung des Trommelfells, wenn die Druckdifferenz nicht durch Schlucken ausgeglichen wird. Bei einer andauernd gestörten Belüftung des Mittelohres (z. B. durch Tubeninfektion mit Schleimhautschwellung) kommt es durch Luftresorption zum Unterdruck. Hierdurch wird die Auslenkung des Trommelfells behindert, so dass eine Hörminderung resultiert. Sekundär kommt es zu einer Sekretansammlung hinter dem Trommelfell und zur Verstärkung der Höreinschränkung. 3. Tubenkatarrh. Sind bei einer Entzündung die Tubenwände durch Sekret verklebt, so nehmen wir beim Schlucken ein Knistern oder Knacken wahr (Sprengung des Verschlusses). Gute Tubenventilation ist für Piloten und Taucher essentiell (→ Start- bzw. Tauchverbot bei Tubenkatarrh), 4. Einheitlicher Erkrankungsraum. Die engen Nachbarschaftsbeziehungen zwischen Nasenrachenraum und Nase einerseits und Mittelohr andererseits erklären, dass nicht selten, besonders beim Kleinkind (enger Nasenrachenraum, kurze, weite Tube), ein einheitlicher Erkrankungsraum vorliegt.

Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna

Lernziele: Knöchernes Labyrinth: Vorhof, 3 Bogengänge, Knöcherne Cochlea: Windungen; Häutiges Labyrinth: 3 Bogengänge, Utriculus, Sacculus: Neuroepithel. Häutige Cochlea: Anteile, Corti-Organ. Perilymphatische Räume. Meatus accusticus internus: Inhalt

Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat liegen in der Felsenbeinpyramide zwischen Mittelohr (Auris media) und innerem Gehörgang (Meatus acusticus internus) und stellen zusammen das Innenohr (Auris interna) dar.

612

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

Die spezifischen Sinnesapparate befinden sich innerhalb des häutigen Labyrinthes (Labyrinthus membranaceus), das mit Endolymphe gefüllt ist. Es liegt, umgeben von den Perilymphräumen (Spatium perilymphaticum), im knöchernen Labyrinth (Labyrinthus osseus), einer Kapsel aus festem Knochen (Abb. 7.17). Der innere Gehörgang führt die Nerven (N. vestibulocochlearis) von den Sinnesrezeptoren des Innenohres zum Gehirn und enthält den N. facialis sowie die Innenohrgefäße.

Der Vorhof steht nach vorn (Abb. 7.31) mit der Schnecke (Cochlea), nach hinten mit den Bogengängen in Verbindung. Wände: £ Die mediale Wand weist gegen den inneren

Gehörgang und zeigt 2 Buchten, Recessus sphaericus (für den Sacculus) und Recessus ellipticus (für den Utriculus, Abb. 7.29). Von dieser Wand geht der Aquaeductus vestibuli (für die Aufnahme des Ductus endolymphaticus) als knöcherne Furche und Gang ab, um an der Hinterwand der Felsenbeinpyramide (Pars petrosa ossis temporalis) unter der Dura zu enden. Im Bereich des Recessus sphaericus und ellipticus ist die knöcherne Wand als Siebplatte (Macula cribrosa superior et media) für den Durchtritt der Fasern des N. utriculoampullaris (Versorgung für Utriculus und anteriore/laterale Bogengangsampulle) bzw. N. saccularis (Versorgung des Sacculus) perforiert.

£ Die laterale Wand weist gegen die Paukenhöhle

Abb. 7.17: Präparation eines rechten Felsenbeines. Herauslösung der knöchernen Umrisse der Cochlea sowie des lateralen und anterioren Bogenganges

7.2.1

Knöchernes Labyrinth, Labyrinthus osseus

Das Labyrinthus osseum wiederholt die Form des häutigen; es ist größer. Auf diese Weise bleiben zwischen häutigem und knöchernem Labyrinth zum Teil weite, mit Perilymphe gefüllte Hohlräume ausgespart. Die Form des knöchernen Labyrinthes kann am ehesten an Metallausgüssen (Abb. 7.29, 30) oder dem aufgemeißelten Felsenbein (Abb. 7.31) bzw. aus dem Knochen herauspräparierten Labyrinth (Abb. 7.17) verstanden werden.

7.2.1.1 Vorhof, Vestibulum Das Vestibulum (Abb. 7.29, 30) ist die Höhle (Ausmaße 6 × 4 × 6 mm Höhe/Breite/Tiefe) für Utriculus und Sacculus und erscheint als Vorraum (Atrium) zu den Bogengängen. Er hat dem Gleichgewichtsorgan den Namen Vestibularapparat gegeben.

(Abb. 7.17, 30) und hat 2 Öffnungen: • die Fenestra vestibuli, obere ovale Öffnung (für die Aufnahme der Steigbügelplatte). Hier steht die Scala vestibuli als Perilymphraum der Cochlea mit dem Vorhof in direkter Verbindung (Recessus cochlearis). • die Fenestra cochleae, untere runde Öffnung, die beim Lebenden durch die Rundfenstermembran (Membrana tympanica secundaria) verschlossen ist (s. Kap. 7.1.2.1, S. 600). Die Scala tympani der Cochlea endet als Blindsack neben dem runden Fenster. £ Promontorium. Sucht man die beiden Fenster

an einem Längsschnitt durch die Felsenbeinpyramide (Abb. 7.32) auf, so findet man zwischen ihnen einen Wulst, das Promontorium. Es entspricht einer Ausbuchtung der basalen Schneckenwindung gegen das Mittelohr.

7.2.1.2 Knöcherne Bogengänge, Canales semicirculares ossei Die 3 Canales semicirculares ossei (Abb. 7.16, 17, 29–32) gehen C-förmig vom Vorhof ab und münden in ihn. Sie sind bedeutend weiter als die häutigen. Nach der Lage im Felsenbein unterscheidet man: vorderer, hinterer, seitlicher Bogengang.

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna

Jeder erweitert sich an einem Ende (Crus ampullare) zu einer knöchernen kleinen Höhle (Ampulla ossea; Abb. 7.29, 30). Das andere Ende (Crus osseum simplex) mündet ohne Erweiterung in das Vestibulum. • Lage im Raum. Die 3 Bogengänge stehen senkrecht aufeinander und sind gegenüber den Körperachsen um 45° verdreht. Zusätzlich sind sie leicht (30°) nach hinten aus der Horizontalen herausgekippt. Hierdurch kommt der vertikal angeordnete vordere Bogengang in die gleiche Position wie der vertikale hintere Bogengang der Gegenseite. £ Vorderer Bogengang. Der vertikale Canalis

semicircularis anterior steht senkrecht zur Längsachse der Felsenbeinpyramide (Abb. 7.30) und bildet einen Bogen von 260° bei einer Länge von 20 mm. Er reicht weit über die Höhe des Vorhofes hinaus (frühere Bezeichnung: oberer Bogengang) und ruft, v. a. bei Kindern, auf der Großhirnfläche der Felsenbeinpyramide einen bogenförmigen Wulst hervor: Eminentia arcuata (Abb. 7.32). Seine Ampulle (Ampulla ossea anterior) liegt vorn oben. Hinten vereinigt er sich mit dem hinteren Bogengang zum Crus osseum commune (Abb. 7.29). £ Hinterer Bogengang. Der ebenfalls vertikale Canalis semicircularis posterior ist gegenüber dem vorderen um 90° versetzt, verläuft parallel der Kleinhirnfläche der Felsenbeinpyramide (Abb. 7.31) und bildet beinahe einen kompletten Kreisbogen bei einer Länge von 22 mm. Seine Ampulle (Ampulla ossea posterior) liegt hinten unten. Die knöcherne Wand der Ampulle ist für den Durchtritt des N. ampullaris posterior perforiert (Macula cribrosa inferior). Das andere Ende vereinigt sich mit dem vorderen Bogengang zum Crus osseum commune (Abb. 7.29, 30). £ Lateraler Bogengang. Der seitliche, horizontale Canalis semicircularis lateralis verläuft bei aufrechter Körperhaltung horizontal, weist mit seiner Konvexität gegen Antrum und Paukenhöhle und erzeugt oberhalb des Canalis facialis die Prominentia canalis semicircularis lateralis (Abb. 7.8). Er beschreibt einen halben Bogen und ist 15 mm lang. In Abb. 7.16 ist er durch Wegnahme der Warzenfortsatzzellen von lateral her freigelegt. Seine Ampulle liegt vorn neben der des oberen Bogenganges (Abb. 7.30).

613

Hinten mündet er mit einem Crus osseum simplex in das Vestibulum. Klinik: 1. Antrotomie und Radikaloperation des Ohres gefährden den lateralen Bogengang und den unter ihm verlaufenden N. facialis, 2. Peripher-vestibulärer Schwindel. Kardinalsymptom ist der Drehschwindel, Diagnostik durch Nystagmusanalyse (Nystagmus = Augenzittern, unwillkürliche rhythmische okuläre Oszillation mit langsamer und schneller Komponente). Unterschieden werden: 2.1 Spontannystagmus, Nystagmus unter einer 15 Dioptrien starken „Leuchtbrille nach Frenzel“ (Ausschalten der okulären Fixation, die einen Nystagmus unterdrücken kann). 2.2 Lage- oder Lagerungsnystagmus. 2.3 Kalorischer Nystagmus: okuläre Oszillation nach thermischer Reizung des horizontalen Bogenganges durch Wasser- oder Luftspülung im äußeren Gehörgang (Kaltspülung: 30 °C oder Warmspülung: 44 °C). Der horizontale Bogengang wird durch entsprechende Kopflagerung („Optimumposition“: im Sitzen Kopf 60° nach hinten neigen) in die Vertikale gebracht. Eine temperaturbedingte Volumenänderung der Endolymphe im Bogengang löst über eine Konvektionsströmung eine Reizung der Cupula aus. Mit der thermischen Prüfung können die peripheren vestibulären Rezeptoren seitengetrennt beurteilt werden.

7.2.1.3 Knöcherne Schnecke, Cochlea Die Cochlea (Abb. 7.33) steht mit breiter Basis (Basis cochleae) senkrecht auf dem inneren Gehörgang (Meatus acusticus internus, Abb. 7.31). Die Spitze (Cupula cochleae) weist nach vorn, unten und lateral in Richtung des Semicanalis m. tensoris tympani. Kaudal von der Schnecke, nur durch eine dünne Knochenwand von ihr getrennt, liegt der Canalis caroticus (Abb. 7.32). Basal-, Mittel- und Spitzenwindungen heißen die 21⁄2 Spiralwindungen (Abb. 7.30), die rechts mit und links gegen den Uhrzeiger verlaufen (Blick von der Schneckenspitze). Die inneren Hohlräume (30–37 mm) enden apikal blind, während die Basalwindung in das Vestibulum

614

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare Dura mater Saccus endolymphaticus Ductus endolymphaticus

Ductus semicircularis anterior Spatium perilymphaticum

Cupula ampullaris Crista ampullaris (Membrana limitans)

Utriculus

Ductus utricularis

Sacc.

Stapes Ductus saccularis

Fenestra cochleae

Ductus reuniens

Scala vestibuli Scala tympani Ductus perilymphaticus Ductus cochlearis Paries vestibularis ductus cochlearis [Membrana vestib.]

Membrana spiralis (Lamina basilaris)

Cupula cochleae, Helicotrema

Abb. 7.18: Schema des häutigen Labyrinthes und der perilymphatischen Räume beim Menschen. Macula sacculi und Macula utriculi sind fein schraffiert. Der Knochen ist durch feine Punktierung angedeutet. Sacc. = Sacculus. Pfeile geben die Bewegung der Perilymphe an. Nach de Burlet, verändert

mündet. Der Verlauf der Windungen ist nicht exakt parallel um ein Zentrum gewunden: die Mittelwindung ist leicht in die Basalwindung eingesenkt, die Spitzenwindung in die Mittelwindung.

(Lamina basilaris, Membrana spiralis) sowie dem darauf liegenden häutigen Endolymphschlauch (Ductus cochlearis, Abb. 7.22) die Schneckenwindung in 2 Treppen:

Modiolus (= Spindel). Auf einem Längsschnitt durch die Mitte der Cochlea (Abb. 7.33) wird die kegelförmige Achse aus dünnem Knochen erkennbar.

£ Scala vestibuli. Die obere Treppe (bei senk-

Lamina spiralis ossea. Um den Modiolus läuft wie eine frei tragende Wendeltreppe eine feine Knochenlamelle. Sie besteht aus 2 parallelen Blättern (Abb. 7.22). In der Spitzenwindung endet sie außen mit einem Haken (Hamulus laminae spiralis) und einer zentralen, trichterförmigen Abschlussplatte (Lamina modioli). Scalae (=Treppen). Die Lamina spiralis ossea unterteilt zusammen mit der an ihrem freien Rande befestigten häutigen Lamina spiralis membranacea

rechter Stellung der Schnecke) mündet in das Vestibulum. £ Scala tympani. Die untere Treppe grenzt am runden Fenster an den Mittelohrraum (Cavitas tympanica). £ Über das Helicotrema stehen beide Scalae an der Spitze der Cochlea in Verbindung. Zwischen den Blättern der Lamina spiralis ossea finden sich senkrechte, plattenförmige Knochenstege, die zwischen sich nach außen gerichtete Kanäle (Habenula perforata) für den Durchtritt von Nervenfasern und Gefäßen freilassen.

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna

Eine zweite Knochenlamelle (Septum cochleae) zieht vom Modiolus rechtwinklig zu seiner Achse bis zur Außenwand und stellt damit die obere und zugleich untere Grenze einer einzelnen Windungen zur nächsten dar. Modiolus und Lamina spiralis ossea bestehen aus zartem Knochen und enthalten feine Kanäle und Hohlräume, die die Pars cochlearis n. vestibulocochlearis und sein Ggl. spirale aufnehmen. An der Basis modioli ist dieser Knochen als Area cochleae (Abb. 7.33) wie ein Sieb perforiert (Tractus spiralis foraminosus), um die Fasern des Ggl. spirale in den inneren Gehörgang eintreten zu lassen. Canaliculus cochleae (Abb. 7.18, 29). Vom Anfangsteil der Scala tympani, nahe dem runden Fenster, geht ein feiner Knochenkanal ab, der auf der Unterfläche der Felsenbeinpyramide, medial vom Foramen jugulare, mit der trichterförmigen Apertura externa canaliculi cochleae mündet und über den darin enthaltenen häutigen Ductus perilymphaticus (Aquaeductus cochleae) die perilymphatischen Räume des Labyrinthes mit dem Cavum subarachnoidale verbindet.

7.2.2 Häutiges Labyrinth, Labyrinthus membranaceus Der längliche Utriculus (= kleiner Schlauch) und rundliche, kleinere Sacculus (= Säckchen) sind mit Endolymphe gefüllte Bläschen (Abb. 7.18–25). Sie liegen in einer knöchernen Höhle (Vestibulum) und sind durch den Ductus utricularis bzw. Ductus saccularis (Abb. 7.18) mit dem Ductus endolymphaticus verbunden. £ Vom Sacculus führt der kleine Ductus reuni-

ens in den spiralig gewundenen, ebenfalls mit Endolymphe gefüllten Schneckengang (Ductus cochlearis). Nur dieser dient der Hörempfindung. £ Vom Utriculus gehen 3 halbringförmige Bogengänge (Ductus semicirculares) ab, die mit dem Sacculus das Gleichgewichtsorgan bilden. Das häutige Labyrinth bestimmt bereits während der Embryonalentwicklung die Form des Felsenbeines (s. o.), das postnatal kaum wächst: Das Erwachsenenlabyrinth ist nur wenig größer. Die Struktur des umgebenden Knochens dagegen verfestigt sich nach der Geburt rasch, weist bald eine besonders dichte Matrix auf und dehnt sich bis zum Ende des Wachstums kontinuierlich aus.

615

7.2.2.1 Gleichgewichtsanteil, Labyrinthus vestibularis Während die zum Vestibularapparat (Abb. 7.18) gehörigen 3 häutigen Bogengänge (Ductus semicirculares) jeweils eine eigene äußere Knochenkapsel (Canales semicirculares ossei) besitzen, befinden sich die beiden Vorhofsäckchen (Utriculus, Sacculus) in einem knöchernen Hohlraum, dem Vorhof (Vestibulum). Über häutige Ausführungsgänge (Ductus utricularis bzw. Ductus saccularis) stehen sie mit dem Anfangsteil (Sinus endolymphaticus) des Endolymphganges (Ductus endolymphaticus) in Verbindung, der den Knochen des Felsenbeines gangförmig perforiert (Aquaeductus vestibuli) und an seiner Hinterfläche im Endolymphsack (Saccus endolymphaticus) endet. Die Endolymphräume sind vom umgebenden Knochen durch schmale Perilymphräume getrennt. 7.2.2.1.1 Bogengänge, Ductus semicirculares

Ductus semicirculares. Sie stehen senkrecht aufeinander. Ihre Bezeichnung richtet sich nach der Lage im Raum: vorderer, hinterer, seitlicher Bogengang (Ductus semicircularis anterior, posterior, lateralis). Sie sind mit ihrem konvexen Rand in den knöchernen Bogengängen (s. u.) exzentrisch aufgehängt (Abb. 7.18) und vom Perilymphraum umgeben. Ampullae membranaceae. Ein Ende eines jeden Bogenganges ist kolbig zu einem häutigen Hohlraum (Ampulla membranacea anterior, posterior, lateralis) erweitert. Crista ampullaris. In jeder Ampulle (Abb. 7.19) findet sich eine quergestellte, gegen das Ampullenlumen vorragende Leiste, die Crista ampullaris. Von jeder Ampulle führt ein N. ampullaris zum Ggl. vestibulare und dann zur Pars vestibularis des N. vestibulocochlearis (Abb. 7.21). Feinbau. Siehe unten. Wirkungsmechanismus. Da sich das spezifische Gewicht der Cupulae der Cristae nicht von dem der Endolymphe unterscheidet, ist Winkelbeschleunigung der adäquate Reiz für diese Organe. Wird der Kopf in der Ebene eines Bogenganges gedreht, verharrt die träge Endolymphe. Da die Crista ampullaris und damit auch die Cupula mit der sich drehenden Wand des Bogenganges verwachsen sind,

616

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

Erst zeitlich versetzt kommt auch die Endolymphe in Bewegung, wodurch Deflektion der Sinneshaare in der Cupula und Reizintensität nachlassen. Die Kopfbewegung muss nicht exakt in der Ebene eines Bogengangs verlaufen, löst aber in einem solchen Fall die stärksten Reaktionen hervor. Durch Anordnung der Bogengänge in 3 aufeinander senkrecht stehenden Ebenen werden alle Drehbewegungen des Kopfes erfasst.

Abb. 7.19: Rasterelektronenmikroskopie einer Crista mit (präparationsbedingt geschrumpfter) Cupula und ihrer Ampulla. Vergr. 65-fach.

Hält die Drehbewegung gleichmäßig an, gleicht sich die Endolymphströmung an und kommt relativ zu Bogengängen zum Stillstand. Damit kann die Drehbewegung durch das Bogengangssystem nicht mehr wahrgenommen werden. Verlangsamt sich die Drehbewegung, bleibt die Endolymphe noch eine Weile in der vorherigen Geschwindigkeit, während die Cupulabewegung relativ dazu abbremst (→ negative Beschleunigung). Dies wird subjektiv als eine Beschleunigung in die Gegenrichtung empfunden (→ Schwindel nach längeren Drehbewegungen wie Karussellfahrten). Die Erregung wird dem ZNS durch die Pars vestibularis n. vestibulocochlearis zugeleitet. Von dort aus werden reflektorisch Muskelgruppen in Bewegung gesetzt, die der Lageänderung entgegenzuwirken suchen.

7.2.2.1.2 Vorhofsäckchen, Utriculus und Sacculus a

b Abb. 7.20: Rasterelektronenmikroskopie: a. Bündel von Sinneshaaren auf einer vestibulären Haarzelle; b. Otolithen einer Macula, Vergr. a. 4500-fach, b. 6500-fach.

wird die Cupula durch die verharrende Endolymphe hindurch bewegt und biegt sich entgegen der Drehbewegung um. Resultat ist eine Deflektion (= Umbiegung) der in die Cupula eingelassenen Sinneshaare (Abb. 7.20 a), eine adäquate Reizung der Haarzellen. Die Polarisation der Sinneshaare der Haarzellen zeigt dem ZNS Richtung und Ausmaß der Drehbewegung an.

Utriculus und Sacculus sind langgestreckte membranöse Hohlräume, die miteinander über Gänge kommunizieren und mit Endolymphe gefüllt sind. Sie zeigen makroskopisch jeweils einen grauweißlichen durchschimmernden Fleck (Macula), ein ovales (2 × 3 mm Durchmesser), verdicktes Sinnesfeld. Utriculus. Hier wird das Sinnesfeld als Macula utriculi bezeichnet und stellt den Beginn des N. utricularis dar. Diese liegt bei erhöhtem vorderen und tiefer gelegenem hinteren Rand nur beinahe horizontal und ist damit in der Ebene des lateralen Bogenganges ausgerichtet (Abb. 7.21). In den Hohlraum des Utriculus mündet von oben die Ampulle des vorderen Bogenganges, dicht darunter die Ampulle des lateralen Bogenganges. Im mittleren Abschnitt münden das Crus commune des vorderen und hinteren Bogenganges sowie lateral davon das Crus simplex des lateralen Bogenganges. Am unteren Pol des Utriculus mündet die Ampulle des lateralen Bogenganges in sein Lumen. Im unteren Abschnitt der Hinterwand des Utriculus beginnt der Ductus utricularis, der später in den Ductus endolymphaticus übergeht und über einen Klappen-

617

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna Ductus semicircularis lateralis Saccus endolymphaticus Crista ampullaris lateralis

Crus membranaceum commune Crista ampullaris anterior Ganglion vestibulare

N. vestibulocochlearis

 Pars vestibularis   Pars cochlearis

Utriculus Crista ampullaris posterior Macula

Sacc.

(Macula neglecta)

Ductus cochlearis Ganglion spirale

Abb. 7.21: Verzweigung des N. vestibuloccochlearis an den Sinnesendstellen des häutigen Labyrinthes. Nach de Burlet

mechanismus den Abstrom der Endolymphe vom Utriculus und den Bogengängen regulieren soll. Sacculus. Sein Hohlraumsystem ist deutlich kleiner (vor allem flacher) als das des Utriculus. Es steht über den Ductus saccularis mit dem Ductus endolymphaticus und über den Ductus reuniens mit den Endolymphräumen der Cochlea in Verbindung. Die Macula sacculi als Beginn des N. saccularis steht senkrecht, in der Ebene des hinteren Bogenganges und befindet sich an der sakkulären Wand des inneren Gehörganges (Meatus acusticus internus). Feinbau. Da der Bau des häutigen Gleichgewichtsorganes gleich ist, werden an dieser Stelle Maculae, Cristae und die übrigen Anteile des Labyrinths gemeinsam besprochen. Die Wände des häutigen Labyrinths werden innen von einem meist einschichtigen Plattenepithel ausgekleidet, das auf einer Lamina propria liegt und von ihr durch eine durchgehende Basalmembran getrennt ist. Lediglich in der Nähe der Sinnesfelder (Maculae, Cristae) wird das Epithel erst iso-, dann hochprismatisch, um zwischen den Sinneszellen einen mehrreihigen Bau zu zeigen. Hier soll es an der Produktion der Mucopolysaccharide für den Bau der Cupulae (Cristae ampullares der Bogengänge, Abb. 7.19) bzw. der Statolithenmembranen (Utriculus, Sacculus) beteiligt sein.

Neuroepithel. Auch das mehrreihige Neuroepithel der Maculae ist dem der Cristae ampullares ähnlich und besteht aus 2 Zellarten auf einer gemeinsa-

men Basalmembran: 1. Sinnes- (Haarzellen) mit afferenten und efferenten synaptischen Nervenendigungen von Ausläufern des N. vestibularis, 2. Stützzellen, die die Haarzellen umgeben. Sinneszellen, Haarzellen. Nach Form und Anordnung der Synapsen werden diese sekundären Sinneszellen unterschieden: £ Typ-I-Haarzellen (bauchig, dünner Hals, eine

kelchförmige Synapse mit einem afferenten Dendriten = Calix, efferente Synapsen außen am Calix) £ Typ-II-Haarzellen (zylindrisch, höher gelegener Kern, zahlreiche afferente und efferente Synapsen am Zellkörper). Auf der Oberfläche finden sich ein einzelnes randständiges Kinozilium und Sinneshaare (Stereozilien, Abb. 7.20 a). Die Stereozilien werden in Richtung des Kinoziliums länger (bis 100 µm) und reichen apikal in eine gallertige Membran (Statolithenmembran der Maculae bzw. Cupula der Cristae). Die Position des Kinoziliums bewirkt eine polare Organisation der ganzen Zelle: Durch Linearbzw. Rotationsbeschleunigung kommt es zu einer Umbiegung (Deflektion) der Sinneshaare mit Erhöhung der Impulsfrequenz im N. vestibularis (→ Deflektion in Richtung Zilium) oder Erniedrigung (→ Deflektion in Gegenrichtung). Stützzellen. Sie umgeben die Haarzellen.

618

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

Besonderheiten der Maculae. In die freie Oberfläche der Statolithenmembran der Maculae sind mehrere Lagen kleiner Kalkkristalle (Statoconia, Stato- oder Otolithen, Abb. 7.20 b) eingelagert. Sie besitzen ein höheres spezifisches Gewicht als die umgebende Endolymphe oder die Statolithenmembran. Von der Macula utriculi kommt der N. utricularis, von der Macula sacculi der N. saccularis als Teil des N. vestibularis. Besonderheiten der Cristae. Die 30–40 µm langen Stereozilien der Sinneszellen ragen in die gallertige, kappenförmige Masse der Cupula hinein, die im Gegensatz zu den flachen Maculae bis fast zum Dach der Ampulle reicht. Auf ihrer freien Oberfläche befinden sich keine Otolithen. Ihr jeweiliger N. ampullaris ist Bestandteil des N. vestibularis. Wirkungsmechanismus der Maculae. Da die Otolithen spezifisch schwerer als die Endolymphe sind, drücken sie bei aufrechter Kopfhaltung auf die Sinneshaare der horizontal stehenden Macula utriculi und ziehen an den Sinneshaaren der senkrecht stehenden Macula sacculi. Durch diese andauernde Einwirkung entsteht die Empfindung der ,,regelrechten“ Lage. Beschleunigung des Kopfes, z. B. beim Abwärtsfahren im Fahrstuhl, entlastet die vertikal stehende Macula sacculi, Aufwärtsfahren belastet sie. Es entsteht das Gefühl des Fallens und Steigens. Ähnlich verhält es sich mit linearen Beschleunigungen in horizontaler Ebene (z. B. Anfahren und Abbremsen im Auto) mit Reizung der Macula utriculi. Linearbeschleunigung bewirkt eine verstärkte Abscherung der Statolithenmembran als adäquater Reiz für die Sinneszellen. Dabei spricht die Macula utriculi aufgrund ihrer Lage auf horizontale, die Macula sacculi auf vertikale Beschleunigungen an. Bleibt die erreichte Geschwindigkeit in horizontaler oder vertikaler Richtung konstant, wird sie von den Maculae nicht mehr wahrgenommen („fährt der Fahrstuhl noch?“).

Die ausgelöste Erregung wird dem ZNS via Vestibularisfasern zugeleitet, das darauf reflektorisch Tonusänderungen und Korrekturbewegungen der Muskeln auslöst (Kap. 5.4.1, S. 456). Macula neglecta. Sie ist eine rudimentäre Crista ampullaris im Utriculus mancher Säugetiere (Abb. 7.21).

7.2.2.1.3 Endolymphatischer Gang und Sack, Ductus et Saccus endolymphaticus (Abb. 7.18)

Ductus endolymphaticus ist der Zusammenschluss von Ductus utricularis und Ductus saccularis. Er beginnt mit einer Erweiterung (Sinus endolymphaticus) innerhalb des Vorhofes, zieht in den knöchernen Kanal des Aquaeductus vestibuli, wo er seine engste Stelle (Isthmus endolymphaticus) aufweist. Saccus endolymphaticus. Von hier verläuft er zur Kleinhirnfläche der Felsenbeinpyramide, wo er sich zu einer platten, 10 mm langen, 5–8 mm breiten Tasche (Saccus endolymphaticus) erweitert (Abb. 7.18). In unmittelbarer Nähe befindet sich der Sinus petrosus superior (oberhalb) bzw. der Sinus sigmoideus (unterhalb des Saccus) (Kap. 5.3, S. 433). Ob sich der Saccus zwischen 2 Blättern von harter Hirnhaut (Dura mater) oder Dura und Periost des Felsenbeinknochens befindet, wird kontrovers diskutiert.

Feinbau. Das einschichtige Epithel des Ductus endolymphaticus ändert seine Höhe: Der Anfangsteil innerhalb des Vorhofes weist ein iso- bis hochprismatisches Epithel auf; die hochprismatischen Zellen des Mittelabschnitts innerhalb des knöchernen Kanals zeigen zahlreiche Mikrovilli auf ihrer luminalen Oberfläche. Hier ist das Epithel beim Übergang in den von Knochen umgebenen Abschnitt des Saccus endolymphaticus stark gefaltet. Die flacheren Zellen des glattwandigen Endabschnittes des Saccus endolymphaticus erscheinen elektronenmikroskopisch als helle und dunkle Zellen. Funktion. Aufgrund von experimentellen Verschlüssen des Ductus endolymphaticus bzw. operativen Entfernung des Saccus endolymphaticus mit Endolymphstau (Hydrops endolymphaticus) des Innenohres geht man heute davon aus, dass der Ductus und Saccus endolymphaticus dem Druckausgleich im häutigen Labyrinth und der Resorption der in der Stria vascularis der Cochlea gebildeten Endolymphe dienen.

Klinik: Menière-Krankheit (= Morbus Menière). Hydrops (= vermehrte Flüssigkeitsansammlung) des häutigen Labyrinths mit Störung der Produktion und Resorption der Endolymphe. Symptomentrias aus anfallsartigem Drehschwindel mit Spontannystagmus, Ohrgeräusch und einseitiger Schwerhörigkeit.

619

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna

Scala vestibuli

Paries vestibularis ductus cochlearis Stria vascularis

Ganglion spirale cochleae im Modiolus

Ductus cochlearis

Lig. spirale cochleae Organum spirale (Corti) Pars cochlearis n. vestibulocochlearis [N. cochleae]

Scala tympani

Lamina spiralis ossea mit zum Organum spirale ziehenden Nervenfasern

Abb. 7.22: Querschnitt durch 2 Schneckenwindungen aus einem axialen Längsschnitt durch die Schnecke

Stria vascul.

Paries [Membrana] vestibularis ductus cochlearis

Ductus cochlearis

Prom. spir.

Lig. spirale cochleae

M. tectoria

Limbus laminae spiralis osseae Lab. vestib.

Nerveneintritt Labium limbi Nerventympanicum fasern in das Organum spirale

Lamina spiralis ossea

Membrana spiralis (Lamina basilaris) mit Organum spirale und tympanaler Belegschicht

Abb. 7.23: Ductus cochlearis mit Organum spirale im Querschnitt. Nach Held

620

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

7.2.2.2 Gehöranteil, Labyrinthus cochlearis Die häutige Schnecke (Ductus cochlearis, Cochlea) ist ein 3 cm langer, im Querschnitt dreieckiger (Abb. 7.22, 23), an beiden Enden blind endender, mit Endolymphe gefüllter Gang, der durch den kurzen, feinen Ductus reuniens mit dem Sacculus in Verbindung steht (Abb. 7.18, 21). Der Gang liegt in der knöchernen Schnecke und bildet wie diese 2 1⁄2 Spiralwindungen. Ihr basaler Anfang (Caecum vestibulare) weist in Richtung Sacculus. Ihr Caecum cupulare liegt in der Schneckenspitze (Abb. 7.18). Der Schneckengang ist an der Lamina spiralis ossea und an der gegenüberliegenden Wand befestigt (Abb. 7.22): £ Hierdurch wird der Perilymphraum in eine Scala

tympani und eine Scala vestibuli unterteilt.

Meist wird in Abbildungen die Schneckenspitze nach oben orientiert und ergibt so eine tympanale (an die Scala tympani grenzende), eine vestibulare (an die Scala vestibuli grenzende) und eine äußere oder gefäßführende Wand (Abb. 7.23): Wände des Ductus cochlearis £ Paries vestibularis ductus cochlearis. Die

Reissner-Membran (Abb. 7.24) ist zum knöchernen Zentrum der Schnecke (Modiolus) hin am Periost der Lamina spiralis ossea befestigt, lateral am Lig. spirale. Sie besteht aus 2 endothelartig abgeplatteten Zelllagen, die eine dünne Bindegewebeschicht zwischen sich fassen. Die

endolymphatische Oberfläche der Zellen ist reich mit Mikrovilli besetzt und vermutlich an Transportvorgängen beteiligt. Diese Zellen bilden durch dichte Zell-Zell-Verbindungen (tight junctions) eine undurchlässige Schicht. Die perilymphatische Oberfläche wird von extrem platten Zellen gebildet, die zwischen sich weite Lücken und Löcher frei lassen. Zwischen beiden Zelllagen befinden sich eine gemeinsame Basalmembran und wenige Bindegewebefasern. £ Paries externus ductus cochlearis. Sie besteht aus einem mit dem Periost verbundenen Bindegewebepolster, Lig. spirale cochleae. Dieses ist in seinem medialen Kontaktbereich mit der Endolymphe von einem mehrschichtigen Epithel bekleidet. In den weiten, von Perilymphe durchströmten Bindegeweberäumen des Lig. spirale befinden sich größere Gefäße, die mit Ausläufern in das Epithel hineinreichen. Die Besonderheit der Gefäßversorgung führte zu seiner Bezeichnung Stria vascularis. Die luminalen Zellen (Marginalzellen) des Epithels sind kubisch, die basalen in mehreren Schichten platt. Marginal- und Basalzellen gehen untereinander dichte Zell-Zell-Verbindungen ein. Hierdurch entsteht ein abgeschlossener Raum (→ intrastriales Kompartiment) zwischen beiden Zellgruppen mit eigener Gefäßversorgung. Die stoffwechselaktiven Marginalzellen sind für die Produktion der Endolymphe verantwortlich. Am Unterrand der Stria vascularis wölbt sich ein größeres Gefäß zur Prominentia spiralis vor. £ Paries tympanicus ductus cochlearis, Dach

R

T

C

Abb. 7.24: Rasterelektronenmikroskopie des CortiOrganes C einer kochleären Windung mit nach oben geklappter Tektorialmembran T und Reissner-Membran R. Vergr. 120-fach.

der Scala tympani. Zwischen dem freien Rand der Lamina spiralis ossea und dem Lig. spirale ist die Basilarmembran (Membrana spiralis oder Lamina basilaris) ausgespannt. Sie trägt auf ihrer Oberseite das Corti-Organ (Organum spirale cochleae; Abb. 7.24), den Schallaufnahmeapparat des Gehörorgans. Grundlage dieser Membran sind starre, fächerförmig nach außen verlaufende Bindegewebefasern. Sie sind in der Basalwindung 100–200 µm lang, werden gegen die Spitzenwindung hin länger (≤ 500 µm).

Auf der perilymphatischen Fläche der Membran befindet sich die tympanale Belegschicht, eine individuell wechselnd dicke Lage von Epithelzellen,

621

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna Löcher der Membrana reticularis für äußere Haarzellen äußere Haarzellen

innere Haarzelle

Membrana spiralis (Lamina basilaris)

DeitersZellen

äußere innere

Vas spirale

Nervenfaser

  

tympanale Belegschicht

Lamina spiralis ossea

Lig. spirale cochleae

Grenzzelle

Pfeilerzelle

Abb. 7.25: Corti-Organ. In das Schema des Stützapparates (nach Held) wurden die Haarzellen und die ableitende Nervenfaser schematisch eingetragen. Das Zytoplasma der Stützzellen ist punktiert, die Stützfibrillen in ihnen sind vollschwarz

die nach medial den Modiolus und nach lateral das Lig. spirale und den Boden der Scala tympani überzieht. Spiralorgan, Corti-Organ, Organum spirale cochleae Das Organum spirale cochleae (Abb. 7.22 bis 25) läuft durch die ganze Länge des Ductus cochlearis spiralig um den Modiolus herum und lässt, wie jedes Neuroepithel, Stütz- und Sinneszellen unterscheiden. 1. Stützzellen £ Deiters-Zellen. Die mit besonderen intrazellulä-

ren Stützfasern (schwarz in Abb. 7.25) versehenen Zellen sitzen basal auf der Basilarmembran und bilden mit ihren langgestreckten apikalen Ausläufern die durchlöcherte Membrana reticularis. Sie sind in 3, in der Spitzenwindung in 4–5 Reihen angeordnet und besitzen eine Auskehlung zur Aufnahme der äußeren Haarzellen (Abb. 7.26). £ Pfeilerzellen. Weiter medial stoßen innere und äußere Pfeilerzellen mit ihren Köpfen wie die Sparren eines Daches gegeneinander und bilden einen im Querschnitt dreieckigen, mit einer

Abb. 7.26: Rasterelektronenmikroskopische Aufsicht auf das Corti-Organ mit 3 Reihen äußerer und einer Reihe innerer Haarzellen, sowie umgebender Stützzellen. Vergr. 560-fach

der Perilymphe ähnlichen Flüssigkeit (CortiLymphe) gefüllten Tunnel (Corti-Tunnel). £ Nach dem Lig. spirale hin gehen die Stützzellen in indifferente Epithelzellen über: 1. hohe Hensen-Zellen, 2. niedrige Claudius-Zellen. 2. Sinneszellen £ Äußere Sinnes- oder Haarzellen (Abb. 7.26, 27

a, b) sind hochprismatisch, apikal mit Sinneshaaren (Stereozilien) versehen. Sie ruhen mit ihrer Basis in den Auskehlungen der Deiters-

622

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

a

b

c Abb. 7.27: Rasterelektronenmikroskopie: a. Kutikularplatte einer äußeren Haarzelle mit drei W-förmig angeordneten Reihen von Sinneshaaren unterschiedlicher Länge; b. eröffnetes Corti-Organ mit zylindrischen Zellkörpern äußerer Haarzellen. Im Hintergrund die Stereozilien innerer Haarzellen; c. Aufsicht auf die Kutikularplatte einer inneren Haarzelle mit bürstenförmig hochstehenden Sinneshaaren, Vergr. a. 4800-fach, b. 1650-fach, c. 4600-fach.

Zellen und ragen mit ihren apikalen Anteilen (Kutikularplatte) in die Löcher der Membrana reticularis hinein. Durch dichte Zell-Zell-Verbindungen mit Ausläufern der Deiters-Zellen ist die Membrana reticularis eine wirksame Barri-

ere zwischen Endo- und Corti-Lymphe. Auf der endolymphatischen Oberfläche einer einzelnen äußeren Haarzelle sind 3 Reihen unterschiedlich langer Stereozilien W-förmig angeordnet (Abb. 7.27 a). Sie sind untereinander durch feine Plasmamembranbrücken (tip links, side links) verbunden. Es findet sich hier – im Vergleich zu den Haarzellen des Vestibularapparates – ein lediglich rudimentäres Kinozilium (Basalkörperchen). Die äußeren Haarzellen stehen in 3–5 Reihen lateral der äußeren Pfeilerzellen (s. Abb. 7.26). £ Innere Sinnes- oder Haarzellen. Medial der inneren Pfeilerzellen befindet sich eine Reihe innerer Haarzellen. Auch sie besitzen eine apikale Kutikularplatte, in die meist 2 Reihen bürstenförmig hochstehender Stereozilien eingelassen sind (Abb. 7.27 c). Tektorialmembran (= Membrana tectoria; Abb. 7.24). Über den Haarzellen schwebt die gallertige Deckmembran. Sie ist eine gallertig-faserige Struktur, die von benachbarten Epithelzellen ausgeht. Mit dem einen Rand ist sie am Labium limbi vestibulare angeheftet; der andere reicht bis über die äußeren Haarzellen hinaus. Die längsten Stereozilien der äußeren Haarzellen sind in der Unterseite der Tektorialmembran verankert, während die inneren Haarzellen keinen Kontakt zu ihr besitzen. Funktion. Der vom Steigbügel über die Scala vestibuli eintreffende Schalldruck löst in Ductus cochlearis und Basilarmembran eine Wanderwelle aus, die entsprechend der Reizfrequenz an bestimmten Abschnitten der Basilarmembran Amplitudenmaxima auslöst (Abb. 7.28). Durch Schwingungen kommt es zu einer Deflektion der Stereozilien der äußeren Haarzellen relativ zur Tektorialmembran. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Stereozilien werden vermutlich gedehnt und die K+-reiche Endolymphe kann über sich öffnende Ionenkanäle in die Zelle eindringen und sie depolarisieren. Das eingedrungene Kalium kann anschließend über in der seitlichen Zellwand (Abb. 7.27 b) befindliche Ionenkanäle wieder in die K+-arme Corti-Lymphe ausgestoßen werden.

Die Reizung der äußeren Haarzellen bewirkt eine aktive Bewegung dieser Zellen, die vermutlich zu einer forcierten Endolymphströmung unterhalb der Tektorialmembran und Deflektion der Stereozilien der inneren Haarzellen eines sehr umschriebenen Abschnittes des Corti-Organes führt. Erst diese Haarzellen geben, nachdem sie ebenfalls depola-

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna

623

7.2.3 Perilymphatische Räume, Spatium perilymphaticum Reissner-Membran Membrana tectoria Limbus

Basilarmembran Lig. spirale

Sulcus spiralis internus

Abb. 7.28: Schwingungsverhalten der beiden Trennwandmembranen. Hauptauslenkungsort der Basilarmembran außerhalb des Cortischen Organes. Schwingungsbereich der Reissnerschen Membran in der Nähe ihres axialen Ansatzes. Die punktierten Linien geben schematisch die Ausschwingungsgröße wieder. (Nach K. Neubert, 1950)

risiert wurden, das Signal über basale Synapsen an den afferenten Teil des Hörnerven weiter und wirken wie ein kochleärer Frequenzverstärker. Klinik: 1. Hörsturz. Plötzliche, meist einseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit oder Taubheit, die mit Ohrgeräusch verbunden ist, spontan oder z. B. nach Einnahme von Schleifendiuretika, Aminoglykosid-Antibiotika, Zytostatika (→ ototoxische Wirkung). Dabei werden, ähnlich wie bei Lärm, die Sinneszellen des Corti-Organes vorübergehend oder dauerhaft geschädigt. Auch Durchblutungsstörung des Innenohres (Hörsturz durch Stress, Infektion, Hyperlipämie) können zur Schallempfindungsstörung führen, da die Haarzellen als stoffwechselaktive Zellen von einer guten Sauerstoff- und Nährstoffversorgung abhängig sind, 2. Presbyakusis (= Altersschwerhörigkeit). Herabgesetztes Hörvermögen bei hohen, später auch bei mittleren Frequenzen, das sich oft im 50.–60. LJ manifestiert; Ursache: Degeneration von Stria vascularis, Corti-Organ, kochleären Neuronen, Schädigung des Innenohrs durch Lärm, Diabetes mellitus. Therapie: Hörgerät. Über weitere Schäden s. Kap. 5.4.3.3, S. 470.

Zwischen dem häutigen und dem knöchernen Labyrinth bleiben weite Räume frei, die mit Perilymphe gefüllt sind. £ In Bogengängen und Utriculus sind sie von

zarten Bindegewebefasern und Zellfortsätzen durchzogen. Eine feine Grenzmembran (Membrana limitans; Abb. 7.18) trennt diesen Abschnitt von dem den Sacculus und Ductus cochlearis umgebenden (in Abb. 7.18 gestrichelten) Teil. £ In der Cochlea bildet dieser Teil die Scala vestibuli und Scala tympani, deren Lumen nicht von einem Maschenwerk aus Fasern durchzogen wird. • Die Scala vestibuli beginnt in der Cisterna vestibuli hinter der Fußplatte des Steigbügels, bildet den oberen Perilymphraum einer Schneckenwindung und kommuniziert an der Schneckenspitze durch ein feines Loch (Helicotrema) mit der Scala tympani. • Die Scala tympani verläuft innerhalb der einzelnen Windungen der Cochlea unterhalb der Lamina spiralis ossea bzw. Lamina basilaris und endet an der runden Fenstermembran blind. Peri- und Endolymphräume sind durch dichte ZellZell-Verbindungen zwischen den begrenzenden Epithelzellen strikt voneinander getrennt. Funktion. Die Perilymphe ist für das Hören essentiell. Wird der Steigbügel in der Fenestra vestibuli bewegt, so gerät die Perilymphe der Scala vestibuli in eine pendelnde Bewegung, die sich durch das Helicotrema in die Scala tympani fortsetzt. Da die Perilymphe nicht komprimierbar ist, kommt die Bewegung nur zustande, wenn die Flüssigkeit ausweicht via rundes Fenster (Membrana tympanica secundaria). Die Membran buchtet sich jedes Mal gegen die Paukenhöhle vor, wenn der Steigbügel in die Fenestra vestibuli gepresst wird, und umgekehrt (Abb. 7.18). Durch ihre ionale Zusammensetzung (Na+-reich, K+-arm) entspricht die Perilymphe am ehesten dem Liquor cerebrospinalis und stellt damit einen Gegenpol zur Zusammensetzung der Endolymphe (K+-reich und Na+-arm) dar. Dies hat Bedeutung für den Hörvorgang und den Aufbau eines endokochleären Potentials. Gebildet wird die Perilymphe vermutlich als Ultrafiltrat der Gefäße der Perilymphräume.

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare

624

Canalis semicircularis anterior Ampulla ossea anterior Canalis semicircularis lateralis

Cochlea

Crus osseum commune

 Recessus sphaericus [sacculi] Vestibulum   Recessus ellipticus [utriculi]

Canaliculus Aquaeductus cochleae vestibuli

Ampulla ossea posterior

Canalis semicircularis posterior

Abb. 7.29: Ausguss eines rechten knöchernen Labyrinthes (vergrößert). Von medial her gesehen

Canalis semicircularis anterior [superior]

Ampulla ossea anterior [superior] Ampulla ossea lateralis

Crus osseum commune

Recessus ellipticus [utriculi]

Canalis semicircularis lateralis

Fenestra vestibuli Canalis semicircularis posterior

Ampulla osea posterior

Recessus sphaericus [sacculi]

Fenestra cochleae

Lamina spiralis

basale Cupula cochleae Schneckenwindung

Abb. 7.30: Ausguss eines rechten knöchernen Labyrinthes (vergrößert). Von lateral her gesehen

625

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna

7.2.4

Innerer Gehörgang, Meatus acusticus internus

Der Meatus acusticus internus (Abb. 7.31–34) verbindet das Labyrinth mit der Schädelhöhle. Verlauf. 1 cm lang, durchsetzt der Gang in lateraler Richtung (Abb. 7.31) das Felsenbein.

Porus acusticus internus. Mit ihm mündet der innere Gehörgang in die hintere Schädelgrube (Kap. 4.4.2.3, S. 213). Die Hirnhäute ziehen von dort in den Meatus hinein. Auch das Spatium subarachnoidale dehnt sich bis hierhin aus und kommuniziert mit den Perilymphräumen des Innenohres.

Inhalt: Vasa labyrinthica, N. facialis, N. intermedius, N. vestibulocochlearis.

Cochlea Canalis semicircularis anterior Canalis semicircularis lateralis Canalis semicircularis posterior Porus et meatus acusticus internus

Abb. 7.31: Lage des Innenohres im Felsenbein. Rechts knöchernes Labyrinth herauspräpariert und eröffnet. Links Ausguss des knöchernen Labyrinthes in das durchsichtig gedachte Felsenbein eingezeichnet Canalis semicircularis lateralis

Canalis semicircularis anterior, Eminentia arcuata

Fenestra vestibuli

Antrum mastoideum Cochlea Canalis semicircularis posterior

Semicanalis m. tensoris tympani

Cellulae mastoideae

Canalis facialis Fenestra cochleae

Semicanalis tubae auditivae V. jugularis interna A. carotis interna Promontorium

Abb. 7.32: Lage des Labyrinthes (rot), der A. carotis interna (rot) und der V. jugularis interna. Vom Paries labyrinthicus der Paukenhöhle aus gesehen

626

7 Gehör- und Gleichgewichtsorgan, Organum vestibulocochleare Helicotrema

Hamulus laminae spiralis

Modiolus

Scala vestibuli

Lamina spiralis ossea

Scala tympani Canalis spiralis modioli

Septum cochleae

Basalwindung Area cochleae [Tractus spiralis foraminosus]

Meatus acusticus internus

Abb. 7.33: Längsschnitt durch die knöcherne Schnecke und den inneren Gehörgang

Area n. facialis [Introitus canalis n. facialis] Area vestibularis superior [utriculoampullaris] Crista transversa Area vestibularis inferior [saccularis] Foramen singulare Area cochleae [Tractus spiralis foraminosus]

Abb. 7.34: Grund des inneren Gehörganges, Fundus meatus acustici interni, eines rechten Felsenbeines

7.2 Innenohr, Gleichgewichts- und Schallempfindungsapparat, Auris interna

627

Auf dem Grund, Fundus meatus acustici interni, sehen wir die in Abb. 7.34 wiedergegebenen 4 Regionen mit Nerven:

lis und dem N. vestibulocochlearis) gelangen durch diese Area in den Canalis facialis, dessen Verlauf im Kap. 7.1.2.1, S. 600, geschildert wurde.

Area vestibularis superior für den N. utriculoampullaris (von der Macula utriculi und den Cristae ampullares des vorderen und lateralen Bogenganges; Abb. 7.21).

Außer den oben genannten Nerven verlaufen durch den Meatus acusticus internus die aus der A. cerebelli inferior anterior, seltener aus der A. basilaris entspringende A. labyrinthi zum Innenohr und mit feinen Ästen zur Dura, sowie die Vv. labyrinthi vom Labyrinth zum Sinus petrosus inferior.

Area vestibularis inferior für den N. saccularis (von der Macula sacculi; Abb. 7.21). und das Foramen singulare für den N. ampullaris posterior (von der Crista ampullaris des hinteren Bogenganges; Abb. 7.21). Ganglion vestibulare. Die 3 Nerven bilden am Fundus meatus acustici interni das Ggl. vestibulare, bipolare Ganglienzellen, deren zentrale Neuriten sich zur Pars vestibularis n. vestibulocochlearis (N. VIII) zusammenfinden. Area cochleae (Tractus spiralis foraminosus), entspricht der Basis der Schnecke und lässt durch kleine Öffnungen die Fasern der Pars cochlearis n. vestibulocochlearis treten. Diese beginnt (Abb. 7.25) mit feinen Netzen von Nervenfasern in bzw. an den Haarzellen des Organum spirale. Die marklosen Neuriten ziehen zur Lamina spiralis ossea, erhalten hier ihre Markscheiden und streben dem im Modiolus gelegenen Ggl. spirale zu. Area n. facialis. Der am kaudalen Rande des Brückenarmes verlaufende N. facialis und der selbständige kleine N. intermedius (zwischen dem N. facia-

Klinik: Labyrinthitis (= Innenohrentzündung) mit Schwindel, Reiz- oder Ausfallnystagmus (s. peripher-vestibulärer Schwindel). Formen: 1. umschrieben bei Cholesteatom (s. o.; Arrosion des lateralen Bogengangs), 2. diffus: akute Otitis media, Mastoiditis. Infektionswege für das Innenohr sind rundes, ovales Fenster, Lücken im knöchernen Labyrinth (Verletzung und Knochenarrosion von infizierten pneumatischen Räumen aus). Infektionsfortleitung über Nerven und Gefäße, Canaliculus cochleae, Canaliculus vestibuli zu den Hirnhäute. Folgen: Verlust der Schallwahrnehmung, Zerstörung des Gleichgewichtsapparates.

7.2.5 Hör- und Gleichgewichtsbahn Der Verlauf des N. vestibulocochlearis im ZNS wird im Kap. 5.4.1, S. 456, beschrieben.

8

Rücken, Dorsum Jürgen Koebke und Holger Bade

Der Rücken, Dorsum, umfasst die hintere Partie von Hals und Rumpf. Er reicht kranial von der Protuberantia occipitalis externa bis kaudal zur Spitze des Os sacrum. Die Nackenregion, Regio nuchae, die sich vom Hinterhaupt bis zum Dornfortsatz des 7. Halswirbels erstreckt, kann vom eigentlichen Rücken abgegliedert werden. Seitlich geht der Rücken kontinuierlich in die vorderen Rumpfpartien und kaudal in die Gesäßregion, Regio glutealis, über. Oberflächenanatomie des Rückens (Abb. 8.1). Sie wird hauptsächlich durch die Dornfortsätze der Wirbel, durch das paarige Schulterblatt, durch Anteile des knöchernen Beckens sowie durch mehrere Muskeln geprägt. Längs der medianen Rückenfurche sind die Spitzen der Dornfortsätze tast- und zum Teil sichtbar. Der 7. Halswirbel, Vertebra prominens, weist einen besonders vorspringenden Dornfortsatz auf. Von ihm ausgehend, ist die palpierende Orientierung nach kranial und kaudal gut möglich. Die beiden Wülste der autochthonen Rückenmuskeln flankieren die Rücken-

8.1

furche. Die Rückenfurche läuft im Sakraldreieck bzw. in der Michaelis-Raute aus. Indem die Haut an den beiden Spinae iliacae posteriores superiores und der Kreuzbeinspitze unmittelbar befestigt ist, ergibt sich das Bild eines Dreiecks. Eine zusätzliche, besonders bei Kindern und Frauen erkennbare Hauteinziehung auf Höhe des Dornfortsatzes des 5. Lendenwirbels erweitert das Dreieck zur Raute. Schulterblatt, Scapula, und mehrere, funktionell dem Schultergürtel sowie dem Schultergelenk zugeordnete Muskeln (s. Kap. 9.1.2.2, S. 695) prägen die Oberfläche der mittleren Rückenregion. Klinik: 1. Die äußere Inspektion des Rückens ist sehr wichtig. Sie kann eine seitliche, pathologische Krümmung der Wirbelsäule, Skoliose, erkennen lassen. 2. Ein Hoch-, Tief- oder Abstehen der Skapula weist auf Muskellähmungen hin. 3. Beim bettlägerigen Patienten kann die Haut dort, wo sie ohne nennenswerte Unterpolsterung Knochen (Kreuzbein, Schulterblatt) bedeckt, durch Druck geschädigt werden (Dekubitalgeschwüre).

Wirbelsäule

Lernziele: Entwicklung der Wirbelsäule, allgemeiner Wirbelaufbau, spezieller Aufbau einzelner Wirbel, Kopfgelenke, Anomalien Die Wirbelsäule, Columna vertebralis, ist das bezeichnende Merkmal aller Wirbeltiere, Vertebrata, einschließlich des Menschen. Sie hat zwei auf den ersten Blick sich widersprechende Aufgaben zu erfüllen. Zum einen ist sie Stütze des Rumpfes, zum anderen ermöglicht sie ausgiebige Bewegungen desselben. Der Begriff

„Säule“ ist irreführend. Es handelt sich nicht um ein in sich festes, starres Gebilde, sondern um eine vielgliedrige Knochengelenkkette, die passiv durch Bänder und aktiv durch Muskeln stabilisiert wird, aber durch letztere auch bewegt werden kann. Entwicklung Die Wirbelsäulenelemente entwickeln sich frühembryonal aus dem von den mesodermalen

8 Rücken, Dorsum

630 Processus spinosus (C7)

Pars descendens m. trapezii

Rautenförmiges Sehnenfeld Pars horizontalis m. trapezii Spina scapulae Acromion M. deltoideus M.infraspinatus Margo medialis scapulae M. teres major M. rhomboideus M. latissimus dorsi (Oberrand) Angulus inferior scapulae M. serratus anterior unter dem M. latissimus dorsi Caput laterale m. tricipitis brachii M. latissimus dorsi (Unterrand)

Caput longum m. tricipitis brachii

M. erector spinae

M. obliquus externus abdominis

Crista iliaca

M. gluteus medius Fossula lumbalis M. gluteus medius

Os sacrum M. gluteus maximus

Trochanter major

Sulcus gluteus

Abb. 8.1: Oberflächenanatomie des Rückens eines 30-jährigen Mannes

Somiten sich abgliedernden Sklerotomen (Kap. 3.5.1.5, S. 147). Diese bilden, nachdem sie primär eine Verschmelzung zeigen, eine axiale und eine paraxiale Mesenchymzone (Kap. 3.5.1.3, S. 145). Deren weiteres Schicksal ist different. Das paraxiale Mesenchym liefert, indem es sich spaltet, kraniale und kaudale Sklerotomiten. Während die kranialen Sklerotomiten an der späteren Wirbelbil-

dung unbeteiligt bleiben (sie liefern die bindegewebigen Scheiden um die Spinalnervenäste), geht aus den kaudalen die Anlage für die Wirbelbögen, deren Wurzeln und Fortsätze sowie die der Rippen hervor. Die axiale Mesenchymzone ist letztlich Bildner der Zwischenwirbelscheibe und des Wirbelkörpers. Die Zwischenwirbelscheibe nimmt in Form ihres inneren Gallertkerns Reste der Chorda

8.1 Wirbelsäule

631

dorsalis (Kap. 3.5.1.1, S. 140) auf. Durch die Spaltung in kraniale und kaudale Sklerotomiten geht die ursprüngliche Segmentierung (Metamerie) der Wirbelsäulenanlage verloren, während die der Muskelanlagen (Myotome) erhalten bleibt. Die Zwischenwirbelscheiben werden von den segmentalen Muskelplatten der Myotome überbrückt, dies ist Grundvoraussetzung für die aktive Bewegung zwischen 2 Wirbeln. Die Wirbel verknöchern aus 2 perichondralen Manschetten des Wirbelbogens und dem enchondralen Knochenkern des Wirbelkörpers. Der Schluss der Wirbelbogenfugen beginnt im ersten Lebensjahr und die Verschmelzung mit dem Wirbelkörper erfolgt zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr.

Halslordose

Th1

Klinik: Der sog. offene Rücken (Spina bifida) ist eine embryonale Hemmungsfehlbildung, die auf einem Nichtverschluss der Wirbelbogenfugen beruht. Die Fehlbildung kann auf die Wirbelbögen beschränkt bleiben, aber auch die Hüllen des Rückenmarks und das Rückenmark selber betreffen (Kap. 3.5.1.2, S. 142, Kap. 5.1.2, S. 357).

Brustkyphose

Systematische Anatomie Die Wirbelsäule des Menschen besteht normalerweise aus 24 freien oder präsakralen Wirbeln (Vertebrae), die durch 23 Zwischenwirbelscheiben (Disci intervertebrales) beweglich miteinander verbunden sind (Abb. 8.2). Auf 7 Halswirbel (Vertebrae cervicales, C1–C7) folgen 12 Brustwirbel (Vertebrae thoracales, Th1–Th12) und 5 Lendenwirbel (Vertebrae lumbales, L1–L5). Das mit dem 5. Lendenwirbel beweglich verbundene Kreuzbein, Os sacrum, geht aus der Verwachsung von 5 Wirbelelementen und 4 Zwischenwirbelscheiben hervor. Die knöcherne Verschmelzung (Synostosierung) der 5 Sakralwirbel (Vertebrae sacrales, S1–S5) ist erst mit dem 17.–20. Lebensjahr beendet. Das Steißbein, Os coccygis, ist das Rudiment einer Schwanzwirbelsäule und wird von 3–6 kleinen Elementen gebildet. Lediglich das erste, kraniale zeigt noch typische Wirbelmorphologie. Die Gesamtzahl der Wirbel wie auch die Grenze zwischen den einzelnen Abschnitten können variieren.

L1

Lendenlordose

L5

Promontorium Basis ossis sacri

Os coccygis

Abb. 8.2: Wirbelsäule von links. Der dicke Pfeil zeigt zum Dornfortsatz des 7. Halswirbels (Vertebra prominens) hin

8 Rücken, Dorsum

632 Proc. articularis superior

Proc. spinosus

Proc. articularis superior

Proc. transversus

Fovea costalis superior et inferior Proc. transversus et Fovea costalis

Foramen vertebrale

Fovea costalis

Proc. articularis inferior Incisura vertebralis inferior

Fovea costalis inferior

Proc. spinosus

Fovea costalis superior Corpus

Abb. 8.3: Brustwirbel von kranial und von rechts

8.1.1

Grundform des Wirbels

Im folgenden wird am Beispiel eines Brustwirbels (Abb. 8.3) der generelle Aufbau eines Wirbels dargestellt. Auf die morphologische Spezialisierung (d. h. das Abweichen) einzelner Wirbel von der Grundform wird an entsprechender Stelle eingegangen. Ein Wirbel besteht aus Körper (Corpus) und Bogen (Arcus). Der ventrale Wirbelkörper (Corpus vertebrae) ist mechanisch fest und belastbar. Er hat eine dünne, kompakte Außenschicht und eine dichte innere Spongiosa. An der kranialen und kaudalen Endfläche des Körpers ist der zentrale Teil porös, nur der Rand (Randleiste) besteht aus festerem Knochen. An 2 sich zugewandten Endflächen erfährt jeweils eine Zwischenwirbelscheibe ihre Verankerung. Der Wirbelbogen (Arcus vertebrae) entspringt mit 2 Wurzelanteilen (Pediculi arcus vertebrae) der Dorsalfläche des Körpers. Der Bogen trägt 2 seitliche Querfortsätze (Processus transversi), 2 obere und 2 untere Gelenkfortsätze (Processus articulares superiores und inferiores) sowie einen unpaaren, nach dorsal gerichteten Dornfortsatz (Processus spinosus). Wirbelbogen und Körperrückfläche umrahmen das Wirbelloch (Foramen vertebrale), welches das Rückenmark mit seinen Hüllen aufnimmt. Die Fortsätze des Wirbelbogens dienen einerseits zur Befestigung von Bändern und Muskeln, andererseits als gelenkbildende Elemente. Der Wirbelbogen ist dort, wo er dem Körper entspringt, am oberen Rand seicht, am unteren Rand tief eingekerbt (Incisura vertebralis superior und inferior). Diese Inzisuren ergänzen sich mit den zugekehrten des nächst oberen und unteren Wirbels zu den Zwischenwirbellöchern, Foramina intervertebra-

lia. Form und Größe der Zwischenwirbellöcher und ihre Lage zu den Zwischenwirbelscheiben sind in den einzelnen Abschnitten der Wirbelsäule unterschiedlich. Die Größe der Löcher nimmt von kranial nach kaudal zu. Klinik: Ausgehend von einer mechanisch bedingten, degenerativen Höhenminderung eines Discus intervertebralis kann es zur Verengung des Foramen intervertebrale kommen. Dies führt zum Druck auf die durchtretenden Spinalnerven und zu Störungen in deren Innervationsgebiet. Häufig betroffen sind die Halsund Lendenwirbelsäule. Die Gelenkfortsätze, Processus articulares superiores und inferiores, tragen überknorpelte Artikulationsflächen und bilden mit den entsprechenden Processus des benachbarten kranialen und kaudalen Wirbels die Wirbelbogengelenke (Abb. 8.2). Neben den Zwischenwirbelscheiben sind es die Wirbelbogengelenke, Articulationes zygapophyseales, die Bewegungen der Wirbelsäule ermöglichen. Durch unterschiedliche räumliche Position der Artikulationsflächen ergeben sich für die einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule bevorzugte Bewegungsmöglichkeiten.

8.1.2

Halswirbel, Vertebrae cervicales

Die Halswirbelsäule (HWS) gliedert sich in 2 Abschnitte, wobei die obere HWS die Elemente C1 und C2 und die untere HWS C3 bis C7 umfasst. Diese Gliederung ist morphologisch und funktionell vorgegeben.

8.1 Wirbelsäule

633 Tuberculum posterius

Arcus posterior atlantis Facies articulares superiores (Var.)

Sulcus arteriae vertebralis Fovea articularis superior Foramen transversarium

Foramen vertebrale

Processus transversus Fovea dentis

Arcus anterior atlantis

Fovea articularis inferior

Tuberculum anterius

Fovea dentis Tuberculum anterius

Abb. 8.4: Atlas von kranial und von kaudal Apex dentis Dens axis

Facies articularis posterior

Facies articularis anterior

Facies articularis anterior Facies articularis superior

Processus spinosus

Processus transversus Processus articularis inferior Corpus

Abb. 8.5: Axis von ventral und von rechts

Atlas. Der erste Halswirbel, Atlas, besitzt keinen Körper. Vorderer Bogen, Arcus anterior, und hinterer Bogen, Arcus posterior, formen einen Ring (Abb. 8.4). Die beiden Bögen vereinigen sich in den dicken Seitenteilen, den Massae laterales, die sich in die seitlich stark ausladenden Processus transversi fortsetzen. Die Querfortsätze weisen ein Foramen transversarium auf. Der Dornfortsatz ist zu einem kleinen Höcker, Tuberculum posterius, reduziert. Eigentliche Gelenkfortsätze fehlen. Die Massae laterales tragen lediglich obere, ovale oder schuhsohlenförmige, sagittal konkave und leicht nach medial geneigte Gelenkflächen, Facies articulares superiores. Nicht selten sind die oberen Gelenkflächen (ein- oder beidseitig) geteilt. Die Facies articulares inferiores sind mehr plan und rund. Das Foramen vertebrale ist groß. Das fehlende Corpus atlantis wird durch den kranial gerichteten Zahn des 2. Halswirbels, Dens axis, repräsentiert. Der Dens axis artikuliert mit der Fovea dentis, die an der Innenseite des Arcus anterior gelegen ist. Der Axiszahn ist die eigentliche Anlage des Atlaskörpers. Das Foramen transversarium des Atlas nimmt die aufsteigende A. vertebra-

Arcus Processus articularis inferior

Foramen transversarium

lis auf, die sich dann nach hinten und medial zum Hinterhauptsloch wendet. Sie erzeugt dabei auf dem hinteren Atlasbogen eine Rinne, Sulcus arteriae vertebralis, die gelegentlich zu einem Kanal, Canalis a. vertebralis, geschlossen sein kann. Axis. Der zweite Halswirbel (Abb. 8.5) trägt auf seinem Körper den Axiszahn, Dens axis. Der Dens axis besitzt eine vordere und eine hintere überknorpelte Gelenkfläche. Die vordere Gelenkfläche, Facies articularis anterior, artikuliert mit der Fovea dentis des vorderen Atlasbogens, die hintere, Facies articularis posterior, mit dem Ligamentum transversum atlantis (Abb. 8.15). Rundliche, nach außen, dorsal und ventral abfallende obere Gelenkflächen erlauben eine Drehung von Atlas und Kopf um 40° zu jeder Seite, was die Hälfte der gesamten HWS-Rotation ausmacht. Der kräftige Dornfortsatz ist mehr oder minder deutlich gegabelt, die Querfortsätze sind klein. Untere HWS. Die Elemente der unteren HWS, C3–C7, haben einen relativ niedrigen Körper, der dorsal höher als ventral ist (Abb. 8.6). Die Endflächen sind sattelförmig gekrümmt, wobei die obere

8 Rücken, Dorsum

634 Processus spinosus

Foramen vertebrale

Arcus

Facies articularis superior Processus articularis inferior

Sulcus nervi spinalis

Tuberculum posterius Processus transversi Tuberculum anterius

Foramen transversarium Corpus

Processus articularis superior Facies articularis superior Foramen transversarium

Arcus

Sulcus nervi spinalis

Processus spinosus

Corpus Incisura vertebralis inferior

Processus articularis inferior

seitlich in einem hakenförmigen Fortsatz, Uncus corporis, endet. Der grazile Bogen läuft im deutlich gegabelten Dornfortsatz aus. Das von Körper und Bogen begrenzte Foramen vertebrale ist dreieckig und groß (zur Aufnahme der Halsanschwellung des Rückenmarks, Intumescentia cervicalis). Die Querforsätze tragen ein Foramen transversarium und sind rinnenförmig gestaltet (Sulcus n. spinalis). Die vordere, in einem Tuberculum anterius auslaufende Rinnenbegrenzung stellt ein Rippenrudiment dar, während die hintere Spange mit dem Tuberculum posterius der eigentliche Querfortsatz ist. Das Tuberculum anterius des 6. Halswirbels, Tuberculum caroticum, ist besonders kräftig. Die Gelenkfortsätze tragen fast plane Artikulationsflächen, die leicht – nach kaudal zunehmend – schräg nach hinten abfallen. Klinik: Bei Blutungen aus Ästen der Halsschlagader, A. carotis communis (s. Kap. 4.9, S. 244), kann man zwecks temporärer Blutstillung das Gefäß gegen das Tuberculum caroticum pressen.

8.1.3

Brustwirbel, Vertebrae thoracicae

Gemäß der anwachsenden mechanischen Belastung werden die 12 Brustwirbel kaudalwärts größer und massiger (Abb. 8.2). In der Aufsicht erkennt man,

Abb. 8.6: Halswirbel von kranial und von rechts

dass die oberen und unteren Brustwirbelkörper einen größeren Durchmesser aufweisen, während die mittleren mehr kartenherzförmig sind. Ventral ist der Wirbelkörper niedriger als dorsal. Die Brustwirbel (Abb. 8.3) stehen mit voll ausgebildeten Rippen in Verbindung. Die Brustwirbelkörper II– IX haben seitlich am Ober- und Unterrand je eine Fovea costalis. Die Foveae costales benachbarter Wirbel bilden zusammen mit der eingefassten Zwischenwirbelscheibe die Gelenkfläche für einen Rippenkopf. Der 1. Brustwirbelkörper hat eine ganze obere Gelenkgrube für die 1. Rippe und eine halbe untere für die obere Hälfte des Kopfes der 2. Rippe. Der 10. Wirbelkörper hat nur eine halbe, obere Gelenkfläche; 11. und 12. Wirbelkörper schließlich besitzen je eine ganze Fovea costalis für die 11. und 12. Rippe. Das Foramen vertebrale ist rund und klein. Die Dornfortsätze sind lang und nach abwärts gerichtet. Sie überlagern sich dachziegelartig. Beim Abtasten ist darauf zu achten: Die Spitze eines Dornfortsatzes liegt mit dem zugehörigen Wirbelkörper nicht auf gleicher Höhe, sondern um fast ein Element tiefer. Die Querfortsätze weisen bei den oberen Wirbeln nach lateral, bei den mittleren und unteren mehr nach lateral und hinten. Bei den 10 kranialen Brustwirbeln tragen die Querfortsätze eine Fovea costalis transversalis zur Verbindung mit dem Rippenhöckerchen, Tuberculum costae.

8.1 Wirbelsäule

Processus spinosus Processus mammillaris Processus accessorius

635 Processus articularis superior

Processus articularis inferior Processus articularis superior

Incisura vertebralis superior Processus costalis

Foramen vertebrale Processus costalis Processus spinosus

Incisura vertebralis inferior Processus articularis inferior

Corpus

Abb. 8.7: Lendenwirbel von kranial und von rechts

8.1.4

Lendenwirbel, Vertebrae lumbales

Die 5 kräftigen Lendenwirbel (Abb. 8.7) haben einen querovalen, großen Körper, ein dreieckiges, relativ großes Foramen vertebrale und hohe, horizontal nach hinten gerichtete, seitlich abgeplattete Dornfortsätze. Wie an den Halswirbeln gibt es auch an den Lendenwirbeln Rippenrudimente. Diese als Processus costales bezeichneten Fortsätze („Lateralfortsätze“) werden fälschlich oft als Querfortsätze angesprochen. Die eigentlichen Querfortsätze sind unauffällig als Processus accessorii dem vorderen Wurzelbereich des Rippenfortsatzes aufgesetzt. Die medialwärts gerichteten Gelenkflächen der kranialen Gelenkfortsätze stehen annähernd senkrecht mit einer geringen (L1) bis deutlichen (L5) dorsalen Neigung (Abb. 8.7) und sind von ventral nach dorsal konkav. Die kaudalen Gelenkfortsätze stehen näher beieinander. Ihre Artikulationsflächen weisen nach lateral und sind konvex. Es umfassen so die kranialen Gelenkfortsätze die kaudalen des nächst höheren Wirbels, wobei die dorsale Neigung der Artikulationsflächen zum einen die Aufnahme von sagittalen Schubkräften erlaubt. Zum anderen schränkt die grundsätzlich sagittale Orientierung eine Drehung und Seiteneigung ein, während Beugung und Streckung gut möglich sind. Klinik: Bei der Lumbalpunktion, bei der mittels einer entsprechend langen Kanüle bis in den das Rückenmark schützend umgebenden Flüssigkeitsraum (Subarachnoidalraum, Kap. 5.3.2.2,

S. 439) vorgedrungen wird, nutzt man die anatomischen Gegebenheiten. Die gestreckten, plumpen Dornfortsätze lassen zwischen sich viel Raum frei (durch Vorbeugen des meist sitzenden Patienten wird dieser noch weiter), so dass die Punktionsnadel ohne knöchernes Hindernis zwischen 4. und 5. Processus spinosus eingebracht werden kann (s. Kap. 5.4.2.2, S. 456).

8.1.5

Kreuzbein, Os sacrum

Das aus 5 Einzelwirbel und 4 Zwischenwirbelscheiben entstandene Kreuzbein, Os sacrum, hat die Form eines Keiles (Abb. 8.8, 9). Die Spitze des Keiles ist als Apex ossis sacri nach kaudal orientiert und steht mit dem Steißbein in Verbindung. Die glatte, vordere Fläche, Facies pelvina, ist konkav (Abb. 8.8). Sie weist 4 quere Lineae transversae als ursprüngliche Grenzen der Wirbelkörper auf. Die rechten und linken 4 Foramina sacralia führen zum dorsal gelegenen sakralen Wirbelkanal. Die konvexe, rauhe Rückfläche des Kreuzbeins, Facies dorsalis ossis sacri (Abb. 8.9), weist eine median gelegene unpaare Leiste, Crista sacralis mediana (verschmolzene Reste der Dornfortsätze), 2 Cristae sacrales intermediae (Reste der Gelenkfortsätze) und 2 äußere Cristae sacrales laterales (Reste der Querfortsätze) auf. Zwischen der medianen und den beiden intermediären Leisten liegen die Foramina sacralia dorsalia.

8 Rücken, Dorsum

636 Processus articularis superior Basis

Pars lateralis

Foramina sacralia pelvina

Lineae transversae

Abb. 8.8: Os sacrum, Facies pelvina

Apex

Canalis sacralis

Processus articularis

Tuberositas sacralis

Facies auricularis

Crista sacralis mediana Crista sacralis lateralis Crista sacralis intermedia

Foramen sacrale dorsale

Cornu sacrale Hiatus sacralis

Abb. 8.9: Os sacrum, Facies dorsalis

8.1 Wirbelsäule

637

Die Cristae intermediae laufen kranial in die Processus articulares superiores, nach kaudal in die Cornua sacralia aus (Abb. 8.9). Die schräg dorso-medial gerichteten oberen Gelenkfortsätze artikulieren mit dem letzten Lendenwirbel. Der Sakralkanal, Canalis sacralis, läuft im Hiatus sacralis aus. Klinik: 1. Der sehr variabel ausgebildete Hiatus sacralis dient als Zugang bei der sog. Sakralanästhesie. Ein Anästhetikum wird epidural, d. h. zwischen meningealem und periostalem Durablatt, gespritzt und erreicht so Spinalnervenwurzeln, die im Canalis sacralis durch die harte Rückenmarkshaut austreten. 2. Das kindliche Kreuzbein zeigt im Röntgenbild dort, wo die noch nicht verknöcherten Zwischenwirbelscheiben liegen, radiologische Lücken. Das Kreuzbein ist straff-gelenkig mit den beiden Darmbeinen über die seitlich gelegene Facies auricularis (Abb. 8.9) verbunden. Starke Bandmassen sichern das Sakroiliakalgelenk. An der oberflächenrauhen Tuberositas sacralis sind solche Bänder befestigt. Das männliche Kreuzbein ist lang, schmal und stärker gekrümmt; das weibliche Os sacrum ist kürzer, breiter und schwächer gekrümmt.

8.1.6

8.1.7

Es kann sowohl die Zahl der Wirbel verändert als auch die Grenze zwischen benachbarten Wirbelsäulenabschnitten verschoben sein. £ Atlasassimilation. Der erste Halswirbel kann

£

£

£

Steißbein, Os coccygis, coccyx

Als Rudiment einer Schwanzwirbelsäule besteht das Os coccygis aus 3–6 Elementen, wobei nur noch das erste Wirbelcharakter hat (Abb. 8.10). Wirbelkörper, Querfortsätze und kleine kraniale Gelenkfortsätze, Cornua coccygea, sind erkennbar. Die übrigen, untereinander gelenkig, knorpelig oder knöchern verbundenen, stellen nur noch kleine Knochenstücke dar.

£

£

Cornu coccygeum

£

Abb. 8.10: Os coccygis von ventral und von dorsal

Variationen der knöchernen Wirbelsäule

partiell oder vollständig mit dem Hinterhaupt knöchern verschmolzen sein. Während der Bewegungsverlust zwischen Hinterhaupt und Atlas von der HWS kompensiert wird, kann eine assimilationsbedingte Verengung des Hinterhauptsloches (Foramen magnum) neurologische Störungen bedingen. Die Atlasassimilation ist selten. Proatlas. Die knöcherne Begrenzung des Hinterhauptsloches zeigt deutliche Wirbelgestalt. Es manifestiert sich ein Okzipitalwirbel. Sehr selten. Blockwirbel. Die HWS zeigt eine angeborene Verschmelzung von 2 oder mehr benachbarten Wirbeln. Liegt eine Blockwirbelbildung vor, betrifft sie meist C2–C3. Erkrankungsbedingte, sekundäre Blockbildungen sind häufiger. Halsrippe. Das Rippenrudiment von C7 (selten von C6 oder C5) kann zur Rippe auswachsen, die entweder stummelförmig frei endet, oder aber die (eigentliche) erste Rippe oder das Brustbein erreicht. Durch Druck auf Gefäße und Nerven kann eine Halsrippe zu Ausfällen im Bereich von Schulter und Arm führen. Sie muss dann operativ entfernt werden (s. Kap. 10.2.2.1.2, S. 796). Lendenrippe. Das Rippenrudiment von L1, Processus costalis, kann auswachsen und die Gestalt einer unteren, thorakalen Rippe annehmen. Lumbalisation. Der erste Sakralwirbel geht nicht mit in die Bildung des Kreuzbeins ein, sondern liegt faktisch als ein 6. Lendenwirbel vor. Sakralisation. Der 5. Lendenwirbel kann vollständig (dann meist symmetrisch) oder partiell (einseitig und dann asymmetrisch) mit dem Kreuzbein verschmolzen sein. Eine asymmetrische Sakralisation von L5 kann eine Skoliose induzieren und durch Verengung des betreffenden Zwischenwirbellochs neurologische Störungen bedingen. Auch der erste Steißbeinwirbel kann knöchern mit dem kaudalen Ende des Kreuzbeins verschmolzen sein.

8 Rücken, Dorsum

638

8.2

Bänder und Gelenke der Wirbelsäule

Lernziele: Bewegungssegment, Bänder, Bandscheibe, Bandscheibenschaden. Zwischenwirbelgelenke, Kopfgelenke, Bewegungsmuster

8.2.1 Zwischenwirbelscheiben, Bandscheiben, Disci intervertebrales Die Zwischenwirbelscheiben beteiligen sich zum einen sehr wesentlich am Gestaltbau der Wirbelsäule. So tragen sie zu einem Viertel an der Gesamtlänge der präsakralen Wirbelsäule bei. Indem sie in sagittaler Richtung keilförmig sind, konsolidieren sie die natürlichen Krümmungen der Wirbelsäule. Eine lumbale Zwischenwirbelscheibe (insbesondere die zwischen L5 und S1) ist beispielsweise vorn höher als hinten. Zum anderen tragen die Disci intervertebrales passiv zur Mobilität der Wirbelsäule bei. Der Discus intervertebralis besteht £ aus einem äußeren Faserring, Anulus fibrosus £ und einem zentralen Gallertkern, Nucleus pulpo-

sus (Abb. 8.11).

Anulus fibrosus. Er ist fest und besteht aus 10 bis15 konzentrisch angeordneten Lagen kollagener Faserbündel (Kollagen Typ I und II). In geringer Menge (10 %) kommen elastische Fasern vor. Die Faserrichtung zweier aufeinanderfolgender Lamel-

len ist gekreuzt. Die Verankerung der Fasern erfolgt unmittelbar an den Randleisten der Wirbelendplatten und mittelbar über eine dünne, zentrale Hyalinknorpelschicht (Synchondrose). Nucleus pulposus. Er enthält Glykosaminoglykane, die wasserbindend sind. Der Gallertkern steht unter permantem Quellungsdruck, der von den zugfesten Kollagenlamellen des äußeren Rings aufgefangen wird (Wasserkissenprinzip).Unter der täglichen Belastung gibt der Gallertkern Wasser ab, was eine Höhenminderung der Wirbelsäule bis zu 3 cm zur Folge haben kann, die aufgrund adäquater Entlastungsphasen (liegen) reversibel ist. Zwei über eine Zwischenwirbelscheibe miteinander verbundene Wirbel gehören zu einem sog. Bewegungssegment. Die Definition des Bewegungssegments (zu diesem gehören des weiteren die Gelenke und sämtliche zuzuordnende Weichteile zweier benachbarter Wirbel einschließlich der Muskeln) hat wesentlich zum funktionellen Verständnis der Wirbelsäule und pathologischen Erscheinungen beigetragen.

8.2.2 Bänder Ligamentum longitudinale anterius und posterius. Die durch die Zwischenwirbelscheiben gegebene Festigkeit der Wirbelsäule wird durch Bänder erhöht, die ventral und dorsal über Wirbelkörper und Zwischenwirbelscheiben hinwegziehen (Abb. Lig. interspinale

Corpus vertebrae Processus spinosus Nucleus pulposus

Lig. supraspinale

Anulus fibrosus Lig. flavum Lig. longitudinale anterius Lig. longitudinale posterius

Foramen intervertebrale

Abb. 8.11: Medianschnitt durch die Lendenwirbelsäule. Wirbelkörper, Dornfortsätze und Bandapparat

8.2 Bänder und Gelenke der Wirbelsäule

639

8.11). Das breitere, anteriore Band ist hauptsächlich an den Wirbelkörpern, das schmalere posteriore an den Zwischenwirbelscheiben verankert. Der von den Zwischenwirbelscheiben ausgehende Druck spannt beide Bänder, die somit ihrerseits zur Aufrechterhaltung der Eigenform der Wirbelsäule beitragen. Ligamenta flava. Die gelben, vorwiegend aus elastischen Fasern bestehenden Bänder verknüpfen die Bögen benachbarter Wirbel. Schon in der Ruheoder Eigenform der Wirbelsäule sind sie gespannt. Ihre weitere Dehnung bei Ventralflexion lässt sie Energie speichern, die bei der Rückführung in die Ausgangslage eingesetzt wird. Sie unterstützen passiv die Rückenmuskulatur. Ligamenta intertransversaria. Es handelt sich um rundliche Bänder (Abb. 8.12) zwischen benachbarten Querfortsätzen. An der HWS können sie fehlen. Processus articulares superiores

Costa

Processus transversus Ligg. costotransversaria superiora Lig. flavum

Ligamentum supraspinale nach kranial bis an das Hinterhaupt fortsetzt. Es besitzt noch elastische Bauelemente, was auf die Tragfunktion bei Vierfüßlern hinweist. Beim Menschen ist es ein Muskelseptum (Septum nuchae). Klinik: 1. Degenerativ bedingte Schwächung des äußeren Faserrings einer Zwischenwirbelscheibe und belastungsbedingte, starke Druckerhöhung können zur Verlagerung von Nukleusanteilen führen (Abb. 8.13). Zu unterscheiden ist beim vom Laien als Bandscheibenvorfall bezeichneten Krankheitsbild, ob (meistens nach dorso- lateral) weggedrängte Nukleusanteile den Faserring und das Lig. longitudinale posterius durchbrechen (Nukleusprolaps mit Sequesterbildung) oder diese buckelig vorwölben (Nukleusprotrusion). Erfolgt die Raumforderung nach laterodorsal, kann durch Kompression des Ganglion spinale im Foramen intervertebrale eine entsprechende neurologische Symptomatik ausgelöst werden (s. Kap. 5.2.7.3, S. 425). 2. Bei der Scheuermann-Erkrankung brechen Teile des Gallertkerns kranial oder kaudal in den Wirbelkörper ein, die im Röntgenbild als „SchmorlKnoten“ mit Knochenmetastasen verwechselt werden können.

Lig. interspinale Lig. supraspinale Lig. costotransversarium laterale

Canalis vertebralis

Lig. intertransversarium Proc. spinosus L4

Abb. 8.12: Bänder der Brustwirbelsäule von dorsal und rechts

Ligamenta interspinalia. Sie verbinden benachbarte Dornfortsätze. Ihr schräger, nach hintenoben gerichteter Verlauf sichert den jeweiligen kranialen Wirbel gegen eine Dorsalverschiebung (Abb. 8.11). Ligamentum supraspinale. Es ist an den Spitzen der Dornfortsätze verankert und erstreckt sich vom 7. Halswirbel bis zum Kreuzbein (Abb. 8.11). Ligamentum nuchae. Das sog. Nackenband (Abb. 8.19) ist ein dünne Bindegewebsplatte, die in der Mittellinie die Ligamenta interspinalia und das

Protrusion der Bandscheibe Lig. longitudinale posterius L5

Abb. 8.13: Magnetresonanztomogramm der lumbosakralen Wirbelsäule eines Erwachsenen mit Protrusion der Bandscheiben zwischen L3 und L4 sowie zwischen L4 und L5. Abgehobenes, aber intaktes Lig. longitudinale posterius (Prof. Dr. N. Hosten, Greifswald)

8 Rücken, Dorsum

640

8.2.3 Zwischenwirbelgelenke, Wirbelbogengelenke, Articulationes zygapophysiales Die Gelenkfortsätze benachbarter Wirbel bilden diese Gelenke. Die Orientierung des Gelenkspaltes sowie die Gelenkkapsel bestimmen Art und Ausmaß der Bewegungen in den Gelenken der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte. An der HWS sind die Gelenkflächen plan, zwischen 30–50 Grad gegen die Horizontale von vorn- oben nach hinten-unten geneigt und von einer schlaffen Kapsel eingehüllt. Vor- und Rückwärtsbeugen, Seiteneigung und Drehung sind gut möglich, so dass die HWS der beweglichste Teil der Wirbelsäule ist. Im Bereich der BWS stehen die Artikulationsflächen mehr frontal, die Kapseln sind straffer. Drehung und Seiteneigung sind gut, Vor- und Rückbeugung nur wenig ausführbar. Die Gelenkflächen der Wirbelbogengelenke der LWS sind nahezu sagittal eingestellt, so dass praktisch keine Rotation und Seitenneigung, wohl aber Vorund Rückbeugung möglich sind. Die vorderen, kleineren Gelenkflächenanteile (Abb. 8.7) zeigen frontale Ausrichtung; sie sind somit in der Lage, sagittale Schubkräfte aufzunehmen.

8.2.4 Kopfgelenke Die beiden Kopfgelenke bestimmen Morphologie und Funktion der oberen HWS. Oberes Kopfgelenk, Articulatio atlantooccipitalis (Abb. 8.15–17.). In ihm artikulieren die beiden Hinterhauptskondylen, Condyli occipitales, mit den konkaven, oberen Gelenkflächen des Atlas. Die beiden Teilgelenke, jeweils von einer schlaffen Kapsel umgeben, bilden zusammen funktionell ein Eigelenk, Articulatio ellipsoidea (Kap. 2.2.2.2.2, S. 35). Bänder, die sich zwischen der Umrandung des Hinterhauptsloches sowie vorderem und hinterem Atlasbogen als Membrana atlantooccipitalis anterior und posterior (Abb. 8.14) ausspannen, sichern das Gelenk. Die vordere Membran stellt die kraniale Fortsetzung des vorderen Längsbandes dar und liegt vor dem Lig. apicis dentis. Sie wird aus oberflächlichen und tiefen Fasern gebildet und bremst die Reklination im oberen Kopfgelenk. Die Membrana atlantooccipitalis posterior entspricht dem Lig. flavum und wird von der A. vertebralis nebst Begleitvenen und dem N. suboccipitalis durchbrochen. Hauptbewegung im oberen Kopfgelenk ist das Nicken um eine quere Achse, gelegen hinter dem

N. abducens N. facialis, N. intermedius, N. vestibulocochlearis Sinus sphenoidalis

N. glossopharyngeus, N. vagus, N. accessorius

Os occipitale Membrana atlantooccipitalis anterior Lig. apicis dentis Lig. cruciforme Atlas Articulatio atlantoaxialis mediana Lig. transversum atlantis

N. hypoglossus A. vertebralis, N. cervicalis I Membrana atlantooccipitalis posterior Lig. denticulatum N. cervicalis II Membrana tectoria N. cervicalis III

Lig. longitudinale anterius Lig. longitudinale posterius

Lig. denticulatum N. cervicalis IV Dura mater spinalis

Abb. 8.14: Medianschnitt durch das Hinterhauptsbein und die obere Halswirbelsäule von links

8.2 Bänder und Gelenke der Wirbelsäule

641

äußeren Gehörgang. Um insgesamt etwa 9–15 Grad kann der Kopf nach vorne und hinten (Inklination und Reklination) bewegt werden. Darüber hinaus ist eine geringe Seiteneigung von je 4 Grad um eine sagittale Achse und eine Rotation von insgesamt 4 Grad möglich. Isolierte Bewegungen im oberen Kopfgelenk werden normalerweise nicht ausgeführt, sondern zusammen mit solchen der gesamten HWS. Klinik: 1. Die genaue Erfassung der isolierten atlantookzipitalen Bewegungen ist schwierig, aber z. B. bei Verdacht auf Luxationstendenz von C1 erforderlich. 2. Subokzipitalpunktion. Für die Gewinnung von Liquor cerebrospinalis wird eine Kanüle zwischen Hinterhaupt und hinterem Atlasbogen mittig eingestochen, wobei die Membrana atlantooccipitalis posterior einen Widerstand spüren lässt (Abb. 8.14). Die Punktion muss in der Mittellinie durchgeführt werden, da sonst die A. vertebralis gefährdet ist (s. Kap. 5.3.4.1, S. 443, Kap. 10.7.2.1.2, S. 881). Unteres Kopfgelenk. Articulatio atlantoaxialis. Es besteht aus 4 Teilgelenken: Der Dens axis artikuliert vorn mit der Fovea dentis, hinten mit dem Lig. transversum atlantis (Abb. 8.14, 15). Hinzu kommt die paarige Articulatio atlantoaxialis lateralis. Die recht weiten Gelenkkapseln erlauben ausgiebige Bewegung, vor allem die Drehung von Kopf und Atlas um den Dens axis (bis 40 Grad zu jeder Seite). Der Dens axis ist das mechanische Zentrum des unteren Kopfgelenkes, durch ihn verläuft die Drehachse. Ein starker, komplexer Bandapparat

Tuberculum anterius atlantis vorderes Gelenk Dens axis

hinteres Gelenk

Articulatio atlantoaxialis mediana

Lig. transversum atlantis

Abb. 8.15: Atlas und Axis von kranial, Teilgelenke und Ligamentum transversum atlantis

sichert die Lage des Dens und limitiert die Bewegungsausschläge. Die Ligg. alaria, vom Zahn zum seitlichen Rahmen des Hinterhauptsloches ansteigend (Abb. 8.16, 17), hemmen zu starke Drehung und Seiteneigung. Das Lig. transversum atlantis (Abb. 8.14, 15) wird durch einen oberen und unteren Schenkel zum Lig. cruciforme ergänzt (Abb. 8.16, 17) und sichert zusammen mit der kräftigen Membrana tectoria (Abb. 8.14, 16, 17) die Lage des Zahnes. Das dünne Lig. apicis dentis (Abb. 8.17) hat keine mechanische Bedeutung. Neben der dominierenden Drehung im unteren Kopfgelenk ist, besonders bei Kindern und Jugendlichen, eine Inklination und Reklination möglich. So kann der vordere Atlasbogen bei der Reklination bis zur Spitze des Dens axis hochgleiten.

Membrana tectoria Foramen jugulare

Clivus Canalis hypoglossi

Lig. alare Atlas Lig. cruciforme

Articulatio atlanto-axialis Axis

Abb. 8.16: Bänder zwischen Os occipitale, Atlas und Axis von dorsal durch Eröffnung des Wirbelkanals freigelegt. Rückenmark mit Hüllen und Membrana tectoria sind entfernt

8 Rücken, Dorsum

642 Membrana tectoria (abgeschnitten) Lig. apicis dentis

Lig. cruciforme (oberer Schenkel abgeschnitten)

Lig. alare Atlas Lig. cruciforme

Klinik: 1. Zervikogener Kopfschmerz. Das vordere Densgelenk ist mechanisch stark beansprucht. Im Alter ist es wesentlich häufiger als angenommen arthrotisch verändert und kann Schmerzen verursachen. 2. Bei einer Fraktur des Dens luxiert dieser gewöhnlich nicht, da er durch die Bänder (Lig. transversum, Ligg. alaria) gehalten wird. Deren Riss ist äußerst selten.

Axis

Abb. 8.17: Bänder zwischen Os occipitale, Atlas und Axis. Lig. cruciforme teilweise entfernt

8.3

Wirbelsäule als Ganzes

Lernziele: Eigenform der Wirbelsäule, Alterungsprozesse, Lordose, Kyphose, Skoliose Die Ausprägung der Lordosen und Kyphosen ist eng an die motorische Entwicklung des Menschen geknüpft. Neugeborenes. Die Krümmungen sind nur angedeutet. Ein erster funktioneller Reiz für die Ausbildung der Halslordose ist beim Säugling das Anheben des Kopfes in Bauchlage. Kleinkind. Beim Sitzen lordosiert die HWS, während BWS und LWS erst durch das Stehen und Gehen formenden mechanischen Reizen ausgesetzt werden (das Hüftgelenk wird gestreckt). Jugendlicher. Die Konsolidierung der normalen Wirbelsäulenkrümmungen ist erst beim pubertären Jugendlichen erreicht. Erwachsener. Die Wirbelsäule zeigt in sagittaler Ebene typische Krümmungen (Abb. 8.2). HWS und LWS sind nach vorn konvex (Lordose), BWS und SWS nach hinten konvex (Kyphose). Durch die Doppel- S- Form bekommt die Wirbelsäule elastische Eigenschaften. Sie federt Stöße beim Gehen, Laufen, Springen ab. Insbesonders die Lendenlordose lässt das Schwerpunktslot des Körpers nahe an die Wirbelsäule herantreten, eine wichtige Voraussetzung für die aufrechte Haltung und Fortbewegungsweise des Menschen. Beim Erwachsenen werden die Krümmungen der Wirbelsäule noch zusätzlich durch die Form der

Wirbel und der Zwischenwirbelscheiben sowie durch die Eigenspannung der Wirbelsäulenbänder aufrecht erhalten. Die mit Bändern isolierte Wirbelsäule behält ihre natürlichen Krümmungen (Eigenform der Wirbelsäule). Alterungsprozesse führen zu Formveränderungen der Wirbelsäule. So verlieren die Zwischenwirbelscheiben an Höhe, die gesamte präsakrale Wirbelsäule wird kürzer. Nachlassen der Bänderspannung und des Muskeltonus verstärkt die Krümmungen (Alterskyphose). Klinik: 1. Die HWS ist besonders mobil, so dass der Kopf ausgiebig beweglich wird. Das Blickfeld ist groß. Die HWS ist leicht verletzlich (sog. Schleuder- oder Beschleunigungstrauma) und unterliegt häufig (berufsspezifischen) Verschleißprozessen. 2. Die LWS ist einerseits mechanisch stark druckbelastet; andererseits wirken auf sie, bedingt durch die ihr durch die Bipedie „aufgezwungene“ starke Lordosierung, beachtliche Schwerkräfte, die insbesondere die Gelenkfortsätze und die Zwischenwirbelscheiben belasten. Es kann (häufig L4 oder L5) zum Wirbelgleiten (Spondylolisthese) kommen. Krümmungen. Eine geringgradige Krümmung der Wirbelsäule in der Frontalen (Brust- und Lendenwirbelsäule) ist normal. Sie etabliert sich im früheren Schulalter und kann im Zusammenhang mit kleinen Beinlängendifferenzen gesehen werden. Allerdings entwickelt sich gehäuft während der

8.4 Bewegungen der Wirbelsäule

Adoleszenz auch die Skoliose, worauf geachtet werden muss. Haltungsschwächen und Fehlbelastungen bei Jugendlichen müssen deshalb erkannt und behandelt werden (sog. Rückenschule). Der Begriff Skoliose beschreibt immer das pathologische Bild einer Wirbelsäule mit seitlicher Verkrüm-

8.4

643

mung und Rotationsfehlstellung. Es wird zwischen funktionellen und statischen Skoliosen unterschieden. So führt eine Beinlängendifferenz von mehr als 2 cm zu einer funktionellen Skoliose, die durch Schuherhöhung ausgeglichen werden kann. Eine halbseitige Anlage eines Wirbels (Keilwirbel) beispielsweise führt zur statischen Skoliose.

Bewegungen der Wirbelsäule

Lernziele: Beugung, Seitneigung, Drehung der Wirbelsäule, Bewegungsumfang Die Wirbelsäule hat statische und dynamische Funktionen. Ihre Aufgabe als tragendes und stabilisierendes Achsenorgan erfüllt sie unter Einsatz ihrer Knochenelemente und ihrer Bänder. Sehr wichtig ist allerdings auch der unterstützende Einsatz der Rückenmuskulatur. Denn Muskelkräfte sind es, die im Zusammenspiel mit zu tragenden Körperteilgewichten ein Gleichgewicht in den Gelenken der Wirbelsäule herstellen. Darüber hinaus verspannen und stabilisieren Muskelzüge die sagittalen Krümmungen der Wirbelsäule nach dem sog. Bogen-SehnenPrinzip. Häufig werden an der Wirbelsäule ein vorderer und ein hinterer Pfeiler angesprochen. Der vordere Pfeiler wird von den Wirbelkörpern und den Zwischenwirbelscheiben gebildet. Während dieser vornehmlich statische Funktion hat, kommt dem hinteren Pfeiler, aufgebaut von den Gelenkfortsätzen, dynamische Funktion zu. Jede Bewegung zwischen 2 benachbarten Wirbeln (mit Ausnahme von C1 und C2) ist gering. Die Summe der Teilbewegungen der aus 24 Gliedern bestehenden Kette aber ist groß. Die folgenden Hauptbewegungen der Wirbelsäule können frei miteinander kombiniert werden, was die Vielgestaltigkeit der mobilen Wirbelsäule verständlich macht. Vor- und Rückbeugung (110 bzw. 30–35 Grad) (Beugung und Streckung, Ventral- und Dorsalfle-

xion, Inklination und Reklination) erfolgen hauptsächlich in der HWS und LWS, wobei im lumbalen Abschnitt die ventrale Flexion deutlich geringer als die dorsale ist. Bei der Vorbeugung werden die lordotischen Krümmungen aufgehoben, bei Rückbeugung verstärkt. Im Brustgebiet ist die Beugung größer als die Streckung, da letztere durch die dachziegelartig gelagerten Dornfortsätze gehemmt wird. Im unteren HWS- Bereich, zwischen 11. Brust- und 2. Lendenwirbel und im lumbosakralen Übergang ist die Reklination besonders ausgiebig möglich. Belastungsbedingte Verletzungen kommen in diesen drei Bereichen besonders häufig vor. Seiteneigung (30–40 Grad) (Lateralflexion) der Wirbelsäule findet in der HWS und in der LWS ausgiebig statt. Die Brustwirbelsäule kann dabei gestreckt bleiben. Biegt sie sich mit, entsteht ein vollständiger harmonischer Bogen. Limitiert wird die thorakale Seiteneigung durch die gleichseitigen Rippen, die zusammengedrängt werden. Drehung (90 Grad) (Längsrotation) der Wirbelsäule um eine longitudinale Achse ist im Halsgebiet am ausgiebigsten, nimmt nach kaudal allmählich ab und ist in der LWS wegen der sagittal gestellten Gelenkflächen minimal. Im Stand wird bei stärkerer Rumpfdrehung das Becken mit genommen. Bewegungsumfang der Wirbelsäule. Er ist von Mensch zu Mensch verschieden und vom Alter, vom Geschlecht, vom Konstitutionstyp sowie von den Lebensgewohnheiten (Beruf) abhängig. Sportliche Aktivität führt nicht unbedingt zu einer Steigerung der Wirbelsäulenbeweglichkeit.

8 Rücken, Dorsum

644

8.5

Rückenmuskulatur

Lernziele: Muskelsysteme, Ursprung, Ansatz, Verlauf der Muskeln, Gefäß- und Nervenversorgung Herkunft. Die in der Nacken-Rückenregion (z. T. in mehreren Schichten) gelegenen Muskeln haben unterschiedliche entwicklungsgeschichtliche Herkunft und verschiedene Funktion. Der Ursprung eines Muskels lässt sich immer eindeutig von seiner Innervation her ableiten. Der Aufzweigung eines Spinalnerven in einen Ramus ventralis und einen Ramus dorsalis sind entsprechende ventrale und dorsale Myotomabschnitte (Kap. 3.5.1.5, S.147) zugeordnet. Die aus diesen Myotomanteilen hervorgehende dorsale (epaxonische) Muskulatur lässt sich bei ursprünglicheren Wirbeltieren, z. B. beim Fisch, noch deutlich von der ventralen (hypaxonischen) Muskulatur abgrenzen. Die beiden Extremitätenpaare als Anhangsgebilde der ventralen Körperregion erfahren eine Muskelausstattung ventraler (hypaxonischer) Herkunft. Die obere Extremität des Menschen, durch seine bipede Fortbewegungsweise von der Aufgabe des Körperlasttragens befreit, wird zum frei und ausgiebig beweglichen Greif- und Handlungsorgan. Muskeln des Schultergürtels und der Schulter/des Schultergelenks (ventrale Herkunft) breiten sich auf der dorsalen und ventralen Seite des Rumpfes aus und überdecken die ursprüngliche Muskulatur teilweise. Unterscheidung. Am Rücken gilt es, eingewanderte, durch ventrale Spinalnervenäste innervierte, sog. zonale Muskeln und ortsständige, autochthone (durch dorsale Spinalnervenäste versorgte) Muskulatur zu unterscheiden. Diese Unterscheidung berücksichtigt genetische (differente Innervation) und funktionelle Merkmale. Die eingewanderten Muskeln liegen oberflächlich. Wir unterteilen • Schultergürtel- und Schultermuskeln • Spinokostale Muskeln

8.5.1 Schultergürtelund Schultermuskeln 1. M. trapezius (Abb. 8.18, linke Seite). 3 Anteile nach der Faserrichtung: £ Pars descendens (absteigende Fasern vom

Ursprung zum Ansatz).

O.: Hinterhaupt bis Dornfortsatz des 6. Halswirbels, Lig. nuchae I.: Laterales Drittel der Clavicula F.: Zur Mittellinie hin gerichtetes Anheben des Schultergürtels. £ Pars transversa (starker Mittelteil)

O.: Sehnenspiegel 7. Halswirbel- bis 3. Brustwirbeldornfortsatz I.: Acromion F.: Schulterblatt wird zur Mittellinie gezogen. £ Pars ascendens

O.: 4. bis 11. (12.) Brustwirbeldornfortsatz I.: Sehnig an der Spina scapulae F.: Ziehen der Scapula nach kaudal- medial Der Muskel insgesamt zieht das Schulterblatt nach medial. Oberer und unterer Muskelteil drehen die Scapula so, dass die Schultergelenkspfanne nach oben- außen gerichtet ist: Voraussetzung für die hohe Armerhebung (Elevation über 90 Grad). Bei feststehendem Schultergürtel wird der Kopf nach dorsal gebracht (beidseitige Kontraktion), einseitige Kontraktion bewirkt Drehung zur Gegenseite. L. (alle Teile): Ramus externus des N. accessorius und Äste aus C2–C4 (Plexus cervicalis). Können getrennt in den Muskel eintreten oder sich vorher vereinigen (Plexus accessoriocervicalis). Die Pars ascendens wird nur durch den N. accessorius, die Pars transversa durch die Halsnerven und die Pars descendens von beiden versorgt. A. transversa colli, A. cervicalis superficialis und entsprechende Venen. Varianten. Die Pars ascendens reicht mit Ursprung (meist rechts) einen Wirbeldorn tiefer. Teilweises Zusammenfließen mit M. sternocleidomastoideus (ein Blastem, gleiche Innervation).

8.5 Rückenmuskulatur

N. occipitalis major (R. cutaneus posterior CII) Ligamentum (Septum) nuchae N. occipitalis minor (Plexus cervicalis) M. trapezius

645

M. semispinalis capitis M. splenius capitis M. sternocleidomastoideus M. levator scapulae M. supraspinatus M. trapezius (Schnittrand)

Vertebra prominens C VIII

Fascia m. infraspinati M. deltoideus

Th I

M. teres major M. latissimus dorsi (Schnittrand)

M. latissimus dorsi Th VII

M. serratus anterior

Rr. cutanei laterales (abgeschnitten)

M. rhomboideus major

R.cutaneus posterior n. thoracici XII

M. serratus posterior inferior M. obliquus externus abdominis M. latissimus dorsi

N. iliohypogastricus Nn. clunium superiores Trigonum lumbale Fascia thoracolumbalis M. gluteus medius M. gluteus maximus

Abb. 8.18: Oberflächliche Rückenmuskulatur. Links: Rr. dorsales der Spinalnerven. Rechts: M. trapezius, M. latissimus dorsi gefenstert

646

Klinik: Lähmung des Muskels infolge Läsion des relativ oberflächlich laufenden N. accessorius im Bereich des lateralen Halsdreiecks bei operativen Eingriffen. Scapula steht tiefer und (medial) ab, Scapula alata. Schulter-Halskontur wird eckig (Atrophie der Pars descendens), hohe Armerhebung ist nicht mehr möglich. Einseitiger Ausfall = Muskelungleichgewicht, Skoliosegefahr. 2. M. latissimus dorsi (Abb. 8.18) O.: Mit breiter Sehne, Fascia (Aponeurosis) thoracolumbalis von den Dornfortsätzen der unteren 6 Brustwirbel, sämtlicher 5 Lendenwirbel, der Facies dorsalis des Os sacrum, dem Labium externum der Crista iliaca und den 3–4 unteren Rippen. Ein weiterer Ursprung an der Spitze des Angulus inferior der Scapula ist nicht konstant. I.: konvergierend an der Crista tuberculi minoris des Humerus L.: N. thoracodorsalis (C6–8), A. und V. thoracodorsalis, bilden mit dem Nerven ein Bündel, unterhalb der Achselhöhle in den Muskel eintretend. F.: Adduktion und Innenrotation im Schultergelenk. Bei festgestelltem Schultergelenk Anheber des Rumpfes (Hang an der Reckstange). Rippenursprung kann Inspiration unterstützen. Varianten. Untere Fasern des Muskels können über die Gefäße und Nerven der Achselhöhle zum Rand des M. pectoralis major oder an den langen Kopf des M. triceps brachii ziehen (muskulärer Achselbogen) und dabei die Leitungsbahnen komprimieren. Klinik: 1. Muskelfunktion wird durch den sog. Schürzengriff geprüft: Treffen der Hände auf dem Rücken. Der Muskel ist für den Querschnittsgelähmten wichtig: mit ihm kann er sich aus dem Rollstuhl heben. 2. Für den plastischen Chirurgen ist der Muskel das „Arbeitspferd“: Bei vielen Rekonstruktionen wird er gestielt oder frei verpflanzt (z. B. Mammarekonstruktion). 3. M. levator scapulae (Abb. 8.18–20). O.: Tubercula posteriora der Querfortsätze der oberen 4 Halswirbel

8 Rücken, Dorsum

I.: Angulus superior scapulae, angrenzender Margo medialis scapulae L.: N. dorsalis scapulae (C3–5), direkte Äste aus C3–4, Rr. profundus und superficialis der A. transversa colli, entsprechende Venen F.: Zieht den oberen Schulterblattwinkel nach oben vorn und medial; hilft bei Drehung der Scapula 4. M. rhomboideus (Abb. 8.18, rechts) O.: Procc. spinosi der unteren 2 Hals- und 4 oberen Brustwirbel; Muskel besteht meist aus zwei Anteilen: M. rhomboideus minor (kleinere kraniale Portion) und major I.: Margo medialis scapulae L.: N. dorsalis scapulae, R. profundus der A. transversa colli, entsprechende Venen F.: Bringt die Scapula nach medial-kranial; dreht die Scapula.

8.5.2 Spinokostale Muskeln Sie werden wie die Schultergürtel- und Schultermuskeln von ventralen Spinalnervenästen versorgt; sie haben ihren Ursprung an den Dornfortsätzen und ihren Ansatz an den Rippen. 1. M. serratus posterior superior (Abb. 8.19), bildet unter den Mm. trapezius und rhomboideus eine dritte Muskelschicht. O.: Dornfortsätze der 2 unteren Halswirbel und 2 oberen Brustwirbel I.: Mit 4 Zacken an der 2.–5. Rippe L.: Ventrale Spinalnervenäste C6–C8; Äste der obersten Interkostalnerven, R. superficialis der A. transversa colli, entsprechende Venen 2. M. serratus posterior inferior (Abb. 8.18) O.: Fascia thoracolumbalis in Höhe der 2 unteren Brust- und 2 oberen Lendenwirbeldornfortsätze. I.: Mit 4 Zacken an den 4 untersten Rippen L.: Ventrale Spinalnervenäste L1 und L2, Äste aus 11.–12. Interkostalnerven, Rr. spinales der Aa. lumbales, entsprechende Venen F: Beide Muskeln leisten einen (relativ geringen) Beitrag zur Inspiration: der obere zieht die Rippen direkt nach oben; der untere wirkt einer Verengung der unteren Thoraxapertur durch das sich kontrahierende Zwerchfell entgegen und unterstützt somit indirekt die Einatmung.

8.5 Rückenmuskulatur

647

M. semispinalis capitis M. splenius capitis Lig. (Septum) nuchae

M. sternocleidomastoideus M. splenius capitis M. levator scapulae M. scalenus medius et posterior M. supraspinatus M. trapezius (Schnittrand) M. serratus anterior Fascia infraspinata

M. serratus posterior superior

Margo medialis scapulae M. deltoideus

M. splenius cervicis

M. iliocostalis

M. longissimus

Angulus inferior scapulae M. intercostalis externus

Abb. 8.19: Spinokostale Muskeln und Muskeln der autochthonen Rückenmuskulatur. Der Schultergürtel ist nach lateral gezogen

Varianten. In ihrer Ausbildung sind die beiden Muskeln, die ursprünglich eine Muskelplatte darstellen, sehr variabel. Der obere kann zu einer Sehnenplatte reduziert sein, bei beiden kann die Zahl der Zacken größer oder kleiner als 4 sein.

8 Rücken, Dorsum

648

8.6

Autochthone Rückenmuskeln

Lernziele: Muskelsysteme, Ursprung, Ansatz der Muskeln, Gefäß- und Nervenversorgung, funktionelle Aspekte Die ursprüngliche, primäre oder autochthone Rückenmuskulatur wird von dorsalen Spinalnervenästen versorgt. Sie hat eine unmittelbare Funktionsbeziehung zur Wirbelsäule. Von daher wird auch die (eher globale) Sammelbezeichnung M. erector spinae verständlich. Die autochthone Rückenmuskulatur erstreckt sich in Form eines paarigen, vom Hinterhaupt bis zum Os sacrum reichenden Muskelwulstes rechts und links der Mittellinie. Jeder Muskelwulst setzt sich aus einer Vielzahl von einzelnen Muskeln zusammen, die – unmittelbar an der Wirbelsäule gelegen – noch kurz und ursprünglich sind und nur von einem zum nächsten Wirbel ziehen. Oberflächlich und mehr seitlich gelegene längere Muskelzüge sind aus der Verschmelzung vieler kleiner Muskelelemente hervorgegangen. Die beiden Muskelwülste werden in einer osteofibrösen Loge geführt, die zum einen von den Dorn- und Querfortsätzen (HWS), zusätzlich den Rippen (BWS) oder Rippenfortsätzen (LWS) gebildet wird. Zum anderen treten Faszienhüllen hinzu (s. Kap. 8.7, S. 652, und Abb. 8.23). Eine Systematisierung der primären Rückenmuskulatur sollte nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen: £ Innervation der einzelnen Muskeln: Die Rami

dorsales der Spinalnerven verzweigen sich in einen lateralen und einen medialen Ast für die Muskulatur: Lateraler und Medialer Trakt. Gefäßversorgung aus der Aa. intercostales posteriores und lumbales sowie den entsprechenden Venen £ Funktion der einzelnen Muskeln: Gerader oder schräger Verlauf (System) zur Wirbelsäule – Streckung oder Drehung. Unmittelbare Lage an der Wirbelsäule oder seitlich verlagert – Streckung, Drehung – Seiteneigung. Demnach unterscheiden wir (Abb. 8.19 bis 22) 1. Lateraler Trakt • Sakrospinales System • Spinotransversales System • Intertransversales System • Mm. levatores costarum

2. Medialer Trakt • Spinales System • Transversospinales System 3. Nackenmuskeln (tiefe Nackenmuskulatur) • Spinales System • Intertransversales System • Spinotransversales System 1. Lateraler Trakt Sakrospinales System - M. sacrospinalis £ M. iliocostalis (Hals-, Brust-, Lendenteil, M. ilio-

costalis cervicis (colli), M. iliocostalis lumborum mit Pars thoracica und Pars lumborum)

O.: Darmbeinkamm, Os sacrum, 12.–3. Rippe I.: Alle Rippen, Tuberculum posterius Querfortsatz 6.–3. Halswirbel F: Einseitige Kontraktion: Seiteneigung; beidseitige Kontraktion: Streckung der WS £ M. longissimus (Kopf-, Hals-, Brustteil, M. lon-

gissimus capitis, M. longissimus cervicis (colli), M. longissimus thoracis, Pars lumbalis)

O.: Os sacrum, Procc. costales obere Lendenwirbel, Querfortsätze Brustwirbel, untere und mittlere Halswirbel I.: Procc. costales und accessorii der Lendenwirbel; Rippen und Querfortsätze der Brustwirbel, Querfortsätze mittlere und obere Halswirbel, Proc. mastoideus F: Einseitige Kontraktion: Seiteneigung; beidseitige Kontraktion: Streckung. Zusammen mit dem M. iliocostalis bildet er für die Lendenlordose die Sehne der sog. Bogen-Sehnenkonstruktion. Spinotransversales System £ M. splenius (Kopf- und Halsteil)

O.: Dornfortsätze 3. Hals- bis 6. Brustwirbel I.: Querfortsätze der 3 oberen Halswirbel; laterale Linea nuchae superior, Proc. mastoideus F.: Einseitige Kontraktion: Drehung von Kopf und HWS zur gleichen Seite; beidseitige Kontraktion: Dorsalflexion von Kopf und Hals

8.6 Autochthone Rückenmuskeln

649

M. rectus capitis posterior minor M. semispinalis capitis M. rectus capitis posterior major M. obliquus capitis superior Atlas

M. longissimus capitis

Lig. (Septum) nuchae

M. obliquus capitis inferior M. multifidus

M. semispinalis capitis

M. longisssimus cervicis

M. intercostalis externus M. iliocostalis thoracis

M. spinalis

M. longissimus thoracis

M. levator costae brevis Mm. levatores costarum longi

M. multifidus M. obliquus abdominis externus M. iliocostalis lumborum oberflächliches Blatt, Schnittkante Fascia thoracolumbalis tiefes Blatt

M. longissimus

M. intertransversarius M. gluteus medius

M. gluteus maximus

Abb. 8.20: Autochthone Rückenmuskulatur. Rechts: Longitudinalsystem (M. spinalis, M. longissimus, M. iliocostalis) und M. semispinalis capitis. Links: M. multifidus, Mm. levatores costarum, kurze tiefe Nackenmuskeln

8 Rücken, Dorsum

650

M. rectus capitis lateralis M. longissimus capitis M. longissimus cervicis M. iliocostalis cervicis

M. transversooccipitalis Mm. intertransversarii M. interspinalis

M. levator costae brevis

M. iliocostalis thoracis M. levator costae longus M. longissimus dorsi

Transversospinales System (Schema für Semispinalis, Multifidus und Rotatores)

M. spinalis

M. iliocostalis lumborum

Mm. intertransversarii

Abb. 8.21: Autochthone Rückenmuskulatur (Schema). Links: Longitudinalsystem. Rechts: Transversospinalsystem und kurze Muskeln

8.6 Autochthone Rückenmuskeln

651

Intertransversales System – Mm. intertransversarii

F.: Einseitig: geringe Seiteneigung; beidseitig: Streckung

£ Mm. intertransversarii mediales lumborum £ Mm. intertransversarii thoracis £ Mm. intertransversarii posteriores cervicis

£ Mm. interspinales (Hals-,Brust-,Lendenbereich)

O.: und I.: Verbinden benachbarte Querfortsätze in den genannten Bereichen. F.: Neigen bei einseitiger Kontraktion seitwärts. Processus spinosus

O.: und I.: Sie spannen sich zwischen benachbarten Dornfortsätzen aus (HWS doppelt!) F.: wie M. spinalis Transversospinales System (Abb. 8.22) £ Mm. rotatores breves et longi (Hals-, Brust-,

Lendenbereich)

Lig. supraspinale

O.: Querfortsatz I.: nächst oder übernächst höherer Dornfortsatz F.: Einseitig: Drehung; beidseitig: Streckung

M. rotator longus

£ M. multifidus (Hals-, Brust-, Lendenbereich)

M. rotator brevis M. levator costae brevis M. intercostalis externus

Abb. 8.22: Autochthone Rückenmuskulatur, tiefe Schicht (Mm. rotatores) und Mm. levatores costarum breves

Mm. levatores costarum (Abb. 8.22) £ Mm. levatores longi £ Mm. levatores breves

O.: Querfortsätze 7. Hals- und 1.–11. Brustwirbel I.: Medial des Angulus costae an der Außenfläche der nächsten (kurze Mm.) oder übernächsten (lange Mm.) Rippe F.: Trotz ihrer Bezeichnung weniger Rippenhebung; mehr Seiteneigung und Drehung. Die Muskeln weisen eine Doppelinnervation (sowohl dorsale als auch ventrale Spinalnervenäste) auf. Ob es ursprünglich rein epaxonische oder hypaxonische Muskeln sind, ist nicht geklärt. 2. Medialer Trakt Spinales System £ M. spinalis O.: Dornfortsätze 2., 3. Lendenwirbel und 11., 12. Brustwirbel. I.: Dornfortsätze 3.–9. Brustwirbel Inkonstant kann im Hals- und im Hals-Kopfbereich ein M. spinalis ausgebildet sein.

O.: Dorsale Sakrumfläche, Querfortsätze I.: Kraniale Dornfortsätze, 2 bis 5 Wirbel überspringend F.: wie Mm. rotatores £ M. semispinalis (Kopf-, Hals-, Brustteil)

O.: 11.–7. Brustwirbel- und 7.–3. Halswirbelquerfortsätze I.: Dornfortsätze der oberen Brust- und unteren Halswirbel; unterhalb Linea nuchae superior, 4–6 Wirbel überspringend. F.: Seiteneigung, Drehung, Streckung 3. Tiefe Nackenmuskulatur Die autochthone Rückenmuskulatur ist besonders stark im Bereich der Hals- und Lendenlordose ausgebildet. Während die Muskeln im Lendenbereich wesentlich für die Gleichgewichtsregulierung im Stand und beim Gehen sind, ist die Hauptfunktion der Nackenmuskeln die Ausführung und Kontrolle der weiträumigen Hals- und Kopfbewegungen. Für die beiden Kopfgelenke sind spezifische autochthone Muskelindividuen ausgebildet, die sog. tiefen Nackenmuskeln, Mm. suboccipitales (Abb. 8.20). Diese gehören dem spinalen, intertransversalen und dem spinotransversalen System an und werden vom ersten dorsalen Spinalnervenast, N. suboccipitalis, versorgt. Spinales System £ M. rectus capitis posterior major

O.: Dornfortsatz C2 I.: Linea nuchae inferior, lateral

8 Rücken, Dorsum

652

F.: Einseitig: Drehung, Neigung des Kopfes zur selben Seite. Beidseitig: Streckung £ M. rectus capitis posterior minor

O.: Tuberculum posterius C1 I.: Linea nuchae inferior, medial F.: Einseitig: Neigung; beidseitig: Streckung Intertransversales System £ M. obliquus capitis superior

O.: Proc. transversus C1 I.: Linea nuchae inferior F.: Einseitig: Neigung; beidseitig: Streckung Spinotransversales System £ M. obliquus capitis inferior

O.: Dornfortsatz C2 I.: Querfortsatz C1 F.: Einseitig: Drehen zur gleichen Seite; beidseitig: geringe Extension im unteren Kopfgelenk, Stabilisierung des Gelenks Funktionelle Gesichtspunkte der autochthonen Muskulatur • Die tiefen Nackenmuskeln sind Feinregulato-

ren der Kopfbewegung. Sie weisen eine hohe Dichte an Muskelspindeln auf. • Die ortsständige Muskulatur des Rückens ist gleichermaßen für die Haltung und die Bewegung der Wirbelsäule wichtig. Die in der Sagittalen gelegenen Krümmungen werden ständig unterstützt und kontrolliert. Die Bewe-

8.7

gungsausschläge, die von den tief gelegenen, kleinen Muskeln hervorgerufen werden, sind gering, addieren sich aber über einen größeren Wirbelsäulenabschnitt. Die Muskulatur streckt und dreht nicht nur die Wirbelsäule, sondern startet auch eine Seiteneigung durch ipsilaterale Kontraktion insbesondere des lateralen Traktes. Gleichzeitig erfolgt eine Kontrolle der Seiteneigung durch die kontralateralen Muskeln, die erst durch Dehnung nachgeben und sich dann zunehmend kontrahieren. Dies gilt auch für die Ventralbeugung: Die Rückenmuskeln verhindern ein „auf die Nase-Fallen“. Einige wenige der Wirbelsäule zugeordnete Muskeln werden von ventralen Spinalnervenästen versorgt: Mm. intertransversales anteriores finden sich zwischen den Rippenrudimenten (HWS und LWS) als Reste der Zwischenrippenmuskeln. Zu ihnen gehört auch der M. rectus capitis lateralis (Abb. 8.21). Klinik: Eine umgrenzte Schädigung der Muskulatur (z. B. bei operativem Eingriff an Rückenmark oder Wirbelsäule) wird kompensiert. Ein einseitiger langstreckiger Ausfall bedeutet muskuläres Ungleichgewicht, es entwickeln sich Skoliosen. Beidseitige Lähmung führt zur Verstärkung der sagittalen Krümmungen. Der Patient kann nur aufrecht stehen, indem er mit verstärkter Lendenlordose den Rumpf nach dorsal verlagert, d. h. das Schwerpunktslot des zu tragenden Körpers nach hinten bringt.

Faszien des Rückens

Lernziele: Faszienapparat, Aufbau, Funktion Fascia nuchae, ein kräftiges Bindegewebsblatt, das unter den Mm. trapezius und rhomboideus die Nackenmuskeln einhüllt. Kranial endet sie an der Linea nuchae superior, in der Mittelinie ist sie mit dem Lig. nuchae (Abb. 8.18) verbunden. Am Vorderrand des M. trapezius geht sie in die Lamina superficialis der Fascia colli (oberflächliche Halsfaszie) über. Nach kaudal findet sie ihre Fortsetzung in der

Fascia thoracolumbalis (Abb. 8.18, 20, 23, 24). Diese Faszie besteht aus einem oberflächlichen und einem tiefen Blatt. Beide Blätter beteiligen sich an der Bildung des osteofibrösen Führungskanals für die beiden Wülste der ortständigen Rückenmuskulatur. £ Das oberflächliche Blatt, Lamina superficialis,

die nach kaudal sehnigen (aponeurotischen) Charakter annimmt, entspringt von den lumbalen und den unteren Brustwirbeldornfortsätzen, dem Kreuzbein und der Crista iliaca. In ihrem unteren Abschnitt dient sie dem M. latissimus

8.7 Faszien des Rückens

Processus costalis

653

Processus spinosus

Fascia thoracolumbalis, Lamina superficialis

M. erector spinae Fascia thoracolumbalis, Lamina profunda M. latissimus dorsi M. quadratus lumborum Fascia lumbalis Ren et Capsula adiposa M. obliquus externus abdominis M. obliquus internus abdominis M. transversus abdominis Colon descendens

Peritoneum Hepar

V. cava inferior

M. psoas major et Fascia psoica Aorta

Fascia transversalis Peritoneum

Abb. 8.23: Schematischer Querschnitt durch den Rücken in der Lendengegend. Faszien und Muskellogen

M. erector spinae Fascia thoracolumbalis, Schnittkante Fascia thoracolumbalis, tiefes Blatt M. obliquus externus abdominis M. obliquus internus abdominis M. transversus abdominis

M. erector spinae Fascia thoracolumbalis, M. serratus posterior inferior Costa XII Fascia thoracolumbalis, tiefes Blatt; Schnittkante Fascia renalis Capsula adiposa Ren M. quadratus lumborum M. intertransversarius

M. gluteus medius

M. multifidus

M. gluteus maximus

Abb. 8.24: Tiefe Lendengegend. Fascia thoracolumbalis und die autochthone Rückenmuskulatur zum größten Teil entfernt. Links ist das tiefe Blatt der Fascia thoracolumbalis (Lamina profunda) dargestellt, rechts der M. quadratus lumborum (nach medial gezogen) und die Nieren mit ihren Hüllen

8 Rücken, Dorsum

654

dorsi und dem M. serratus posterior inferior als Ursprung. £ Das tiefe Blatt, Lamina profunda, ist an der 12. Rippe, den lumbalen Rippenfortsätzen und am Darmbeinkamm befestigt und zieht bis zum lateralen Rand des Muskelwulstes, wo es mit dem oberflächlichen Blatt verschmilzt (Abb. 8.23). Hier entspringen Teile des M. transversus abdominis und des M. obliquus internus abdominis.

8.8

Gefäß- und Nervenversorgung des Rückens

Lernziele: Nerven, Arterien, Venen, Anordnung 1. Gefäße Segmentale Arterien, Aa. intercostales posteriores. Sie geben einen Ramus dorsalis zum Rücken ab, der zwischen Wirbelkörper und Lig. costotransversarium post. dorsalwärts verläuft, einen R. spinalis in den Wirbelkanal schickt und mit Rr. mediales et laterales die Muskeln und Haut des Rückens versorgt. Venöser Rückfluss. Er erfolgt über Rami dorsales der Vv. intercostales posteriores, V. subcostalis und Vv. lumbales in die V. lumbalis ascendens, V. azygos, V. hemiazygos und V. hemiazygos accessoria.

8.9

Klinik: Über die Fascia thoracolumbalis und die eingehüllte Muskulatur erreicht man die Niere, wobei das tiefe Blatt eine wichtige Orientierung darstellt (Abb. 8.24). Bei dieser Form des Zugangs bleibt die Bauchhöhle geschlossen.

2. Nerven Die motorische Innervation der autochthonen Muskeln und die sensible (und vegetative) Hautversorgung des Rückens übernehmen die Rami dorsales der Spinalnerven (s. Kap. 2.6.5.1, S. 94). Ein Ramus dorsalis teilt sich in einen lateralen und medialen Ast, um mit diesen den lateralen und medialen Muskeltrakt zu versorgen und als Ramus cutaneus lateralis und medialis zu enden. w Die Hautäste des 1.–3. Lumbalnerven versorgen

als Nn. clunium superiores die kraniolaterale Gesäßregion. w Die Hautäste des 1.–3. Sakralnerven, Nn. clunium medii, innervieren die Haut der medialen Gesäßregion. w Nn. clunium inferiores als ventrale Spinalnervenäste vervollständigen die Hautversorgung der Regio glutealis.

Nackenregion, Regio nuchae

Die Topographie der Nerven- und Gefäßbahnen in der Regio nuchae (Abb. 8.25) ist komplexer als im eigentlichen Rückenbereich. Bedingt ist dies zum einen durch die generelle Vermittlerfunktion des Halses (Nacken = dorsaler Hals) zwischen Kopf und Rumpf. Zum anderen weist der Kopf-Nackenübergang Spezialisierungen des passiven und aktiven Bewegungsapparates auf (Kopfgelenke). Begrenzungen der Nackenregion £ Kranial: Linea nuchae superior, Protuberantia

occipitalis externa

£ Lateral: Linie zwischen Proc. mastoideus und

Acromion

£ Kaudal: Linie zwischen Dornfortsatz C7 und

Acromion

Arterien w A. occipitalis, Ast der A. carotis externa, liegt

medial der Incisura mastoidea im Sulcus a. occipitalis, tritt seitlich in die Nackenregion und geht hier wechselnd starke Verbindungen mit der A. vertebralis ein. Sie gibt Äste an die Nackenmuskulatur ab, verläuft unter dem M. splenius capitis und auf dem M. semispinalis und erreicht

8.9 Nackenregion, Regio nuchae Venter occipitalis m. occipitofrontalis

655 N. occipitalis major

A. occipitalis

M. trapezius

N. occipitalis major A. occipitalis M. splenius capitis

M. auricularis superior

N. occipitalis minor

M. auricularis posterior

M. semispinalis capitis

N. occipitalis minor

M. obliquus capitis superior

M. semispinalis capitis

N. suboccipitalis A. vertebralis Arcus posterior atlantis M. rectus capitis posterior minor

N. auricularis magnus

M. rectus capitis posterior major

M. splenius capitis

M. obliquus capitis inferior

N. occipitalis tertius

N. occipitalis major M. sternocleidomastoideus

M. multifidus

M. trapezius

N. occipitalis tertius M. semispinalis capitis N. cervicalis IV

Rr. cutanei mediales

M. splenius capitis M. semispinalis cervicis A. cervicalis profunda

Abb. 8.25: Regio nuchae. Links oberflächliche, rechts tiefe Schicht(en) mit Muskeln, Arterien und Nerven

nach Durchtritt durch den M. trapezius das Hinterhaupt. w A. vertebralis, Ast der A. subclavia, wird im Subokzipitaldreieck (gebildet von den Mm. rectus capitis posterior major, obliquus capitis superior und obliquus capitis inferior) sichtbar, dem Arcus posterior atlantis aufliegend. w A. cervicalis profunda, Ast des Truncus costocervicalis, verläuft zwischen den Mm. splenius und semispinalis. Venen. Gleichnamige Venen begleiten die Arterien, welche mit zahlreichen Verästelungen einen im Subokzipitaldreieck liegenden Plexus venosus suboccipitalis bilden. Lymphknoten, Nll. occipitales (1–3), welche die Lymphe aus dem Hinterhauptsgebiet und der Nackenregion aufnehmen, liegen dem Hinter-

hauptsursprung des M. trapezius auf → Nll. cervicales profundi (s. Kap. 4.11, S. 253). Nerven w Rr. cutanei mediales, treten paramedian durch

den M. trapezius (Pars descendens und Sehnenspiegel des Muskels). w N. suboccipitalis (R. dorsalis C1), tritt zwischen Hinterhaupt und Arcus posterior in die tiefe Nackenregion ein und innerviert die Mm. capitis (tiefe, kleine Nackenmuskeln). Er hat meist keine sensiblen Anteile, beteiligt sich demnach auch nicht an der Hautinnervation. w N. occipitalis major (R. dorsalis C2), sensibler Hautast, verläuft zwischen Atlas und Axis, erscheint unter dem M. obliquus capitis inferior, durchbohrt die Mm. semispinalis capitis und trapezius. Er versorgt die Haut am Hinterkopf bis

656

auf Scheitelhöhe. Meist geht er mit dem N. occipitalis minor (aus dem Plexus cervicalis) Verbindungen ein. Es besteht ein Faseraustausch (Abb. 8.25, rechts) mit dem N. suboccipitalis und dem w N. occipitalis tertius (R. dorsalis C3). Dieser kann als Hautnerv das Hinterhaupt erreichen. Nur dann sollte er als N. occipitalis tertius bezeichnet werden, andernfalls als Nn. cervicalis III. Klinik: 1. Der N. occipitalis major kann bei seinem Durchtritt durch den derben aponeurotischen Trapeziusursprung mechanisch gereizt werden (Okzipitalisneuralgie). Eine Schmerzausstrahlung in sein Versorgungsgebiet (evtl. auch in Trigeminusgebiete) hat allerdings häu-

8 Rücken, Dorsum

figer ihre Ursache in einer Degeneration des Knochens und des Knorpels der Kopfgelenke (Osteochondrose). 2. Der Kapselbandapparat der Kopfgelenke wird von Ästen des N. occipitalis major versorgt. 3. Der im Subokzipitaldreieck liegende Abschnitt der A. vertebralis (Pars atlantica) ist relativ ungeschützt. Bei Verletzung muss die A. vertebralis doppelt unterbunden werden, weil rechte und linke Arterie anastomotisch verbunden sind (A. basilaris, Circulus arteriosus cerebri; s. Kap. 5.3, S. 433). 4. Subokzipitalpunktion s. Kap. 8.2.3, S. 640. 5. Die Nll. occipitales schwellen bei Furunkulose im Hinterhaupt-Nackenbereich, bei schwerer Infektion der Rachenmandel und bei Röteln an.

9

Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius Andreas Prescher und Hans-Martin Schmidt

Gliederung: Die obere Extremität gliedert sich in Schultergürtel (Cingulum membri superioris) und freie obere Extremität (Pars libera membri superioris), den eigentlichen Arm. Topographie und Funktion erfordern eine gemeinsame Betrachtung, obwohl der Schultergürtel topographisch zum Rumpf gehört. Der Arm gliedert sich in: £ Oberarm (Brachium, Stylopodium) und Unter-

arm (Antebrachium, Zeugopodium)

£ Hand (Manus, Autopodium) mit 1. Handwurzel

(Carpus, Basipodium), 2. Mittelhand (Metacarpus, Metapodium) und 3. Fingern (Digiti manus, Acropodium).

Durch den aufrechten, bipeden Gang des Menschen wurden die vorderen Extremitäten für neue Aufgaben frei und ganz in den Dienst des Greifens und Tastens gestellt. Mit diesem Funktionswandel sind anatomische Veränderungen verbunden: • das Schulterblatt gelangt aus einer lateralen

Lage in eine dorsale

• das Oberarmbein bekommt eine Anteversion • das Unterarmskelett ermöglicht Umwendebe-

wegungen: Pronation und Supination.

Entwicklung, Fehlbildungen Armknospe. Am Ende der 4. EW treten im Bereich der kaudalen Halssegmente (C5–Th1) die Armknospen auf. Sie bestehen aus einem mesenchymalen Gewebe, das vom parietalen lateralen Mesoderm der Leibeswand stammt und von einer Ektodermschicht überzogen wird (s. Kap. 3.5.1.3, S.145, Kap. 3.5.3.2, S. 156). Randleiste. Apikal ist das Ektoderm zur Randleiste verdickt. Diese induziert im Inneren der

Knospe erhebliche Proliferationen, so dass die gesamte Anlage in die Länge wächst. In ihrem distalen Abschnitt wird eine paddelartige Handplatte (6. EW) ausgebildet, in der sich anschließend Fingerstrahlen bilden. Interdigitale Apoptosezone. Das zwischen den Strahlen liegende Gewebe wird zunehmend reduziert (interdigitale Apoptosezonen), so dass sich isolierte Finger formieren. In der 8. EW ist das Brachium vom Antebrachium abgrenzbar. Extremitätenrotation. Mit der Gliederung der Extremitätenanlage in ihre Abschnitte ist eine Rotation verbunden. Sind die Streckseiten der Arme zuerst nach lateral gerichtet, werden sie später nach dorsal orientiert (der spiralige Verlauf des N. radialis um den Humerus ist die unmittelbare Folge dieser Rotation). Hyalinknorpelige Knochenvorläufermodelle. Im Innern der Extremitätenanlage verdichtet und differenziert sich das Mesenchym zu einem Knorpelblastem, aus dem hyalinknorpelige Knochenvorläufermodelle gebildet werden. Am Ende der 7. EW ist das knorpelige Skelett fast komplett ausgebildet. Die hyalinknorpeligen Vorläufer werden schließlich durch enchondrale und perichondrale Ossifikation in regelrechten Knochen umgebildet und am Ende der 12. EW sind die Diaphysen der langen Röhrenknochen ossifiziert. Muskeln. Die teilungsfähigen Stammzellen für die quergestreifte Skelettmuskulatur der oberen Extremitäten wandern aus den Dermatomyotomen in die Extremitätenanlage ein und differenzieren sich hier zu einkernigen Myoblasten, die zu mehrkernigen Muskelfasern (Synzytium) verschmelzen: w Das Muskelgewebe der oberen Extremität hat

eine andere Herkunft als das aus dem Mesenchymkern stammende Sehnen- und Bindegewebe.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

658

Vormuskelmasse. Während der Ausbildung ordnet sich das Muskelblastem in eine dorsale und eine ventrale Vormuskelmasse für Extensoren und Flexoren. Diese beiden Blasteme sind nach der Knorpelbildung in der Extremitätenachse vor (präaxial) und hinter (postaxial) der primitiven Skelettanlage lokalisiert und stehen bereits in der 5. EW mit ihren Nerven in Verbindung. Die Muskelentwicklung verläuft von proximal nach distal, so dass sich die Handmuskeln zum Schluss bilden (10. EW). Man beachte, dass sich von den Muskelanlagen der oberen Extremität Muskelgruppen sekundär auf den Rumpf vorschieben und sowohl ventral als auch dorsal die Mittellinie erreichen. Diese Muskeln liegen oberhalb der autochthonen dorsalen und ventralen Rumpfmuskulatur. • Von der Extensorenanlage geht nach Starck

die Gruppe der spinohumeralen Muskeln aus: M. latissimus dorsi, M. teres major, M. levator scapulae, M. serratus anterior, Mm. rhomboidis major et minor. • Aus der Flexorenanlage bildet sich die thorakohumerale Muskelgruppe: Mm. pectorales, M. subclavius. Die Muskeln können auch nach ihrer ursprünglichen Herkunft eingeteilt werden: trunkofugale Muskeln wandern vom Rumpf zum Gliedmaßenskelett (M. levator scapulae, Mm. rhomboidei,

9.1

M. serratus anterior, M. subclavius), trunkopetale Muskeln wandern sekundär von der Gliedmaße auf den Rumpf (M. latissimus dorsi, Mm. pectorales) und kraniofugale Muskeln wandern vom Kopf in das Gliedmaßengebiet (M. sternocleidomastoideus, M. trapezius). Nerven. Die Gliederung der Muskelblasteme in Extensoren und Flexoren spiegelt sich auch bei den Nerven wieder, so dass Rr. extensorii (hinter der A. axillaris) und Rr. flexorii (vor der A. axillaris) unterschieden werden. w Aus den Rr. extensorii werden der N. axillaris

und der N. radialis, aus den Rr. flexorii der N. musculocutaneus, der N. ulnaris und der N. medianus.

Die sensible Hautinnervation folgt einem ähnlichen Schema: Die Segmente C5–C7 innervieren die Haut an der radialen Seite, wohingegen die ulnare von den Segmenten C8–Th1 übernommen wird. Fehlbildungen: Amelie (Extremität fehlt komplett), Phokomelie (= Robbengliedrigkeit, Oberund Unterarm fehlen, Hand ist ausgebildet), Radiusaplasie (Klumphand), Diplocheirie (Doppelhand), Polydaktylie (überzählige Finger), Syndaktylie (Verschmelzung von Fingern), Oligodaktylie (Fehlen von Fingern), Spalthand (Mittelfingerstrahl fehlt, dadurch krebsscherenartige Spaltung der Handanlage in zwei Partien), Brachydaktylie (zu kurze Finger).

Systematische Anatomie

Das Kapitel beschreibt Knochen (Form, Relief), Muskeln (Ansatz, Ursprung, Versorgung, Funktion) und Leitungsbahnen (Herkunft und Ramifikation). Die systematische Beschreibung ist Grundlage für die topographische Betrachtung: Lage und Lagebeziehungen der Strukturen.

9.1.1

Passiver Bewegungsapparat

9.1.1.1

Osteologia, Knochenlehre

Die Osteologie beschreibt Oberflächenstruktur, ontogenetische Entwicklung und Varietäten der

Knochen und ist Grundlage von Arthrologie (Gelenklehre) und Syndesmologie (Bänderlehre). Lernziele: systematische Beschreibung, Entwicklung und Varietäten von Scapula, Clavicula, Humerus, Ulna, Radius, Ossa carpi, Ossa metacarpi und Ossa digitorum manus.

9.1.1.1.1 Schulterblatt, Scapula Die Scapula ist ein dreieckiger, platter Knochen mit typischer Rahmenkonstruktion, 3 Rändern, 3 Winkeln und 2 Flächen (Abb. 9.1, 2).

9.1 Systematische Anatomie

659

Angulus superior

Margo superior

Processus coracoideus Incisura scapulae Acromion

Fossa supraspinata

Angulus acromii

Spina scapulae

Angulus lateralis

Trigonum spinae

Cavitas glenoidalis

Tuberculum deltoideum

Fossa infraspinata

Collum scapulae

Margo medialis Margo lateralis

Abb. 9.1: Rechte Scapula, Facies dorsalis

Angulus inferior

Facies articularis clavicularis Acromion

Margo superior Incisura scapulae

Angulus superior

Processus coracoideus Fossa subscapularis Cavitas glenoidalis Margo medialis

Collum scapulae Tuberculum infraglenoidale

Lineae musculares Margo lateralis

Abb. 9.2: Rechte Scapula, Facies costalis

Angulus inferior

660

Margines: Margo medialis, lateralis, superior. Der laterale ist der stabilste Rand. Anguli: Angulus inferior, superior, lateralis. Facies: Facies costalis (sive anterior) und Facies posterior. £ Die Facies costalis ist zur seichten Fossa

subscapularis vertieft, in der sich 3–4 Lineae musculares befinden. £ Die Facies posterior wird durch die Spina scapulae in die tiefe Fossa supraspinata und die flache Fossa infraspinata unterteilt.

Die Spina scapulae biegt lateral am Angulus acromii etwa rechtwinklig nach ventral ab, um im Acromion (Schulterhöhe) auszulaufen. Medial läuft die Spina in das kleine Trigonum spinae am Margo medialis aus. Lateral endet sie ~ 1 cm vor dem Margo lateralis, so dass zwischen der Rückseite der Cavitas glenoidalis und der Basis der Spina am Collum scapulae ein rinnenartiger Durchtritt, Incisura spinoglenoidalis, entsteht, der Leitungsbahnen (A., V., N. suprascapularis) enthält. An der knorrigen Verdickung der Spina, dem Tuberculum deltoideum, inserieren v. a. Fasern des M. trapezius (französische Nomenklatur besser: Tubercule du trapèze). Acromion. Es trägt eine kleine, plane Facies articularis clavicularis für die gelenkige Verbindung mit der Clavicula. Cavitas glenoidalis. Der Angulus lateralis ist zur birnenförmigen, leicht konkaven, 8 cm2 großen Gelenkpfanne umgestaltet. Am ventralen Rand weist sie häufiger (> 50 % n. Prescher) eine Pfannenrandkerbe auf (s. Abb. 9.15). Zentral findet man gelegentlich ein diskretes Tuberculum glenoidale (Verdichtung des subchondralen Knochens). Tuberculum supra- und infraglenoidale. Unmittelbar oberhalb der Cavitas glenoidalis befindet sich das intraartikulär gelegene Tuberculum supraglenoidale, der Ursprung des Caput longum m. bicipitis und deutlich unterhalb der Cavitas glenoidalis das extraartikulär gelegene Tuberculum infraglenoidale, Ursprung des Caput longum m. tricipitis. Collum scapulae. Dies ist der schmale Übergang zwischen Cavitas glenoidalis und Scapula. Incisura scapulae, Processus coracoideus. Der schneidenartig zugespitzte Margo superior weist

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

einen variablen Einschnitt, die Incisura scapulae, auf, die dem N. suprascapularis zum Durchtritt dient. Lateral dieser Inzisur springt der Proc. coracoideus (Rabenschnabelfortsatz) mit einer breiten Basis nach ventral vor, um fast rechtwinklig nach lateral abzubiegen (Ursprung von Caput breve m. bicipitis und M. coracobrachialis. Ansatz des M. pectoralis minor). Entwicklung: Zahlreiche Ossifikationszentren. Der Proc. coracoideus hat allein 3 Knochenkerne: Apophysis corporis 1. LJ, curvaturae 15.–16. LJ, apicis 15.–16. LJ. Weitere Kerne: Acromion: 15.–18. LJ, Margo medialis 18.–19. LJ, Angulus inferior 15.–18. LJ, Zentrum der Scapula 8. LW, Os subcoracoideum (bildet oberen Anteil der Cavitas glenoidalis) 10.– 12. LJ, Cavitas glenoidalis (unterer Anteil) 18. LJ. Varianten: 1. Os acromiale (7–15 %, erst nach dem 25. LJ diagnostizierbar!). Die Akromionspitze ist ein dreieckiger, isolierter Knochen, der eine Fraktur vortäuschen kann. 2. Foramen scapulae statt Incisura scapulae (verknöchertes Lig. transversum scapulae superius). Klinik: 1. Sprengel-Deformität. Angeborene Deszensionshemmung des Schulterblatts mit Schulterblatthochstand und Kyphoskoliose, 2. Frakturen (Körper, Hals, Pfanne, Acromion, Proc. coracoideus) sind selten, 3. Subkorakoidpektoralis-minor-Syndrom (= Hyperabduktionssyndrom oder Korakopektoralsyndrom). Seltenes Thoracic-outlet-Syndrom mit Kompression des Plexus brachialis am Proc. coracoideus des Schulterblatts durch den bei Hyperelevation des Arms angespannten M. pectoralis minor.

9.1.1.1.2 Schlüsselbein, Clavicula Die Clavicula (Abb. 9.3) ist ein S-förmig gekrümmter, 12–15 cm langer Knochen. Die medialen Zweidrittel sind nach ventral konvex, das laterale Drittel nach ventral konkav gebogen. Extremitas sternalis. Das mediale Ende besitzt einen runden Querschnitt und trägt die annähernd sattelförmige Facies articularis sternalis. Extremitas acromialis. Das laterale Ende ist spatelförmig zur Facies articularis acromialis abgeflacht.

9.1 Systematische Anatomie

Facies articularis acromialis

661

Extremitas sternalis

Extremitas acromialis Sulcus m. subclavii

Facies articularis sternalis

Foramen nutricium

Impressio ligamenti costoclavicularis Tuberculum conoideum  Tuberositas ligamenti   coracoclavicularis

Linea trapezoidea

Abb. 9.3: Rechte Clavicula, obere und untere Fläche

Corpus claviculae. Es ist das schlanke Mittelstück. Oberseite. Sie enthält unregelmäßige Knochenrauhigkeiten für die Mm. deltoideus et trapezius. Unterseite. Medial befindet sich die variabel gestaltete Impressio lig. costoclavicularis zum Ansatz des gleichnamigen, sehr kräftigen Bandes. Lateral schließt sich der seichte Sulcus m. subclavii an, in dem sich konstant ein Foramen nutricium befindet. An der Unterseite der Extremitas acromialis liegt eine wechselnd ausgebildete Rauhigkeit, die Tuberositas lig. coracoclavicularis. Diese Struktur wird in ein nach dorsal gerichtetes Tuberculum conoideum und eine mehr ventral liegende Linea trapezoidea unterteilt, an denen gleichnamige Bandzüge inserieren. Entwicklung: Die Clavicula hat nur eine sternale Epiphyse. Knochenkerne: Corpus claviculae 7. EW, Extremitas sternalis 18.–20. LJ. • Das Corpus claviculae ist der einzige desmal

ossifizierende Knochen des postkranialen Skelettes!

Varianten: 1. Knöcherner Kanal (6 %) für Nn. supraclaviculares mediales. 2. Zusätzliche Gelenke

(selten!): Gelenk zwischen Clavicula und Proc. coracoideus (Articulatio coracoclavicularis) oder Clavicula und 1. Rippe (Articulatio costoclavicularis). Klinik: 1. Klavikulafrakturen sind sehr häufig, bes. im Jugendalter: Sturz auf die Schulter oder extendierte Hand führt zum Biegungsbruch im mittleren Drittel. Frakturen im lateralen Drittel gehen meist auf direkte Gewalt zurück, 2. Luxatio acromioclavicularis. Durch Bandrupturen (Ligg. acromioclaviculare et coracoclaviculare) bedingte Verrenkung mit Bewegungsschmerz, Klavikulahochstand, Klaviertastenphänomen (Zug des M. trapezius → Hochstand der Extremitas acromialis claviculae), 3 Schweregrade (Tossy I–III), 3. Dysostosis cleidocranialis. Angeborene desmale Ossifikationsstörung: das Corpus claviculae ist nicht angelegt, so dass die Schultern vor der Brust zusammengeführt werden können, gleichzeitig bestehen Schädelabnormitäten. Röntgenanatomie des Schultergürtels (Abb. 9.4). In der a.-p.-Aufnahme sind alle beteiligten Knochen abzugrenzen.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

662

c

b

a g h

d o

i n

e m

f

j k

l a b c d e

Clavicula Acromion Art. acromioclavicularis Caput humeri Costa prima (I)

f g h i j

Costa secunda (II) [dorsaler Teil] Collum anatomicum Tuberculum majus Tuberculum minus Art. humeri

k l m n o

Tuberculum infraglenoidale Margo lateralis scapulae Spina scapulae Processus coracoideus Margo superior scapulae

Abb. 9.4: Röntgenbild eines linken Schultergelenkes (a. p.-Aufnahme des Institutes für Röntgendiagnostik der Charité Berlin)

Articulatio acromioclavicularis. Der Gelenkspalt ist 2–4 mm breit (zwischengeschalteter Discus articularis oder meniskusähnliche Falten!), er wird von glatten Gelenkflächen begrenzt. Das laterale Klavikulaende ist der höchste Punkt der Schulterkontur.

tubercularis erkennen. Oftmals findet sich in der Spongiosa im Bereich der Tubercula ein verstärkt strahlendurchlässiges Areal, das als „Pseudozyste“ bezeichnet wird, aber eine regelrechte Struktur darstellt.

Das Schulterblatt stellt sich v. a. mit seinen lateralen Anteilen dar, wobei die Cavitas glenoidalis, das Korakoid und das Acromion beurteilbar sind. Die unterhalb der Cavitas glenoidalis am Margo lateralis auftretende Konturunregelmäßigkeit entspricht dem Tuberculum infraglenoidale. Das Acromion ist eine äußerst variable Struktur, da der laterale Rand sehr unterschiedlich ausgebildet sein kann: glatte, wellige und unregelmäßig zerklüftete Ausprägungen kommen vor.

Der radiologische Gelenkspalt ist 4–6 mm breit und übertrifft damit die anatomische Gelenkspaltenbreite (tatsächlicher Raum zwischen den Knorpeloberflächen der Gelenkkörper), da sich der Gelenkknorpel im Röntgenbild nicht darstellt!

Der Proc. coracoideus kann bei orthograder Projektion im Röntgenbild einen auffälligen Kortikalisring ergeben. Am Humeruskopf lassen sich die beiden Tubercula mit dem dazwischenliegenden Sulcus inter-

9.1.1.1.3 Oberarmbein, Humerus Der Humerus (Abb. 9.5 a) ist ein schlanker Röhrenknochen mit proximaler und distaler Epiphyse, die durch die Diaphyse, Corpus humeri, verbunden werden. Caput humeri. Das halbkugelige Caput humeri ist 20–30 cm2 groß, es wird gegenüber dem Schaft durch eine seichte Einschnürung, Collum anatomi-

9.1 Systematische Anatomie

663 Caput humeri

Collum anatomicum

Collum anatomicum

Tuberculum majus Tuberculum majus

Tuberculum minus Sulcus intertubercularis

Collum chirurgicum Crista tuberculi minoris Crista tuberculi majoris

Foramen nutricium

Tuberositas deltoidea

Sulcus n. radialis

Corpus humeri

Margo medialis Margo lateralis Facies anteromedialis

Facies posterior

Facies anterolateralis

Crista supracondylaris medialis Crista supracondylaris lateralis

Fossa coronoidea

Fossa olecrani

Fossa radialis Epicondylus lateralis

Epicondylus lateralis Capitulum humeri

Abb. 9.5 a: Rechter Humerus, von vorn und von hinten

Trochlea humeri

cum, abgesetzt, in dem zahlreiche Foramina nutricia liegen. Distal des anatomischen Halses befinden sich 2 Knochenhöcker, die durch den Sulcus intertubercularis (enthält die Sehne des langen Bizepskopfs) getrennt werden: £ Tuberculum minus, nach ventral gerichtet

(Ansatz: M. subscapularis)

Sulcus Epicondylus medialis n. ulnaris

Trochlea humeri

£ Tuberculum majus, nach lateral gerichtet,

besitzt eine obere (M. supraspinatus), mittlere (M. infraspinatus) und untere Facette (M. teres minor).

Cristae tuberculi majoris et minoris. Beide Höcker laufen am Humerusschaft in 2 Leisten aus: Crista

664

tuberculi majoris (M. pectoralis major) und minoris (Mm. latissimus dorsi und teres major). Collum chirurgicum. Proximal vom Ansatz des M. teres major kann der Humerusschaft brechen (→ Collum chirurgicum, s. Klinik). Tuberositas deltoidea, Sulcus n. radialis. An der lateralen Rauigkeit sind die kräftigen Sehnenfasern des M. deltoideus befestigt. Unterhalb von ihr liegt der flache Sulcus n. radialis, der spiralförmig über die Seiten- und Rückfläche des Schaftes verläuft und Leitungsbahnen (N. radialis, A. profunda brachii) enthält.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

Capitulum humeri 1. LJ, Epicondylus medialis 5. LJ, Epicondylus lateralis 8.–13. LJ, Trochlea humeri 12. LJ. Varianten. Proc. supracondylaris (Vorkommen: ~ 1 %). Krallenförmiger, nach distal gekrümmter und 6 cm oberhalb des Epicondylus medialis liegender Vorsprung (Abb. 9.5 b). Von der Spitze zieht ein Bandzug (Struther-Band) zum Epicondylus medialis und überbrückt die A. brachialis und den N. medianus (→ Kompressionssyndrom: Nerv kann an anatomischer Engstelle geschädigt werden!).

Humerusschaft. Distal nimmt der Schaft einen dreieckigen Querschnitt an, wobei der Margo medialis und der Margo lateralis in die scharfkantige Crista supracondylaris medialis und lateralis übergehen. Diese Cristae laufen in die Epicondyli medialis und lateralis aus. Das distale Humerusende zeigt 3 Flächen: Facies anteromedialis, anterolateralis, posterior. Der mächtige Epicondylus medialis weist an seiner Rückseite den tiefen Sulcus n. ulnaris auf, in dem der N. ulnaris leicht gegen den Knochen gepresst werden kann (→ Musikantenknochen, Sulcusulnaris-Syndrom, s. Klinik). Das distale Ende des Humerus trägt den Condylus humeri. Dieser Gelenkkopf wird durch eine Führungsleiste und den schwachen Sulcus capitulotrochlearis in das lateral gelegene Capitulum humeri und die mediale Trochlea humeri unterteilt. Die Trochlea humeri reicht an der ulnaren Seite gewöhnlich tiefer herab als an der radialen. Dadurch bildet der außenrotierte, supinierte und gestreckte Unterarm mit der Längsachse des Oberarms einen nach außen offenen Winkel (→ Kubitalwinkel) von ~ 170°. Fossae. Proximal der Trochlea humeri liegen auf der ventralen Fläche die Fossa coronoidea (medial) und die Fossa radialis (lateral). Dorsal findet sich nur die große Fossa olecrani zur Aufnahme des Olekranons (Ellenbogenhöckers). Torsion. Das Caput humeri ist gegenüber der Trochlea humeri nach dorsal verdreht: beim Feten (12. EW) ~ 90°, beim Neonaten ~ 60°, beim Erwachsenen ~ 16°. Entwicklung. Knochenkerne: Caput humeri 12.–15. LM, Tuberculum majus 2.–3. LJ, Tuberculum minus 2.–4. LJ, Humerusschaft 7.–8. LW,

Abb. 9.5 b: Typischer Processus supracondylaris auf der Facies anteromedialis (männlich, 66 Jahre, Präparat A. Prescher)

Klinik: 1. Frakturen des proximalen Humerus. Prädilektionsstelle ist das Collum chirurgicum (→ Fractura colli chirurgici, subkapitale Humerusfraktur). Die dünne Kompaktalamelle ist ein Locus minoris resistentiae. Im Alter dehnt sich der Markraum in das Caput humeri aus, was eine zusätzliche Schwächung bedeutet. 2. Bei Humerusschaftfrakturen wird häufig der N. radialis im Sulcus n. radialis verletzt (→ Fallhand), 3. Fractura supracondylica. Häufigste Fraktur im Bereich des Ellenbogens beim Kind. Meistens typische Extensionsfraktur nach Sturz auf die Hand bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogengelenk.

9.1 Systematische Anatomie

665 Olecranon

Fovea articularis

Processus coronoideus

Caput radii Circumferentia articularis Collum radii

Olecranon

Incisura trochlearis

Incisura radialis

Incisura radialis Caput radii mit Circumferentia articularis

Crista m. supinatoris

Collum radii

Tuberositas ulnae

Tuberositas radii

Tuberositas radii Foramen nutricium

Facies medialis

Margo interosseus

Margo posterior

Facies anterior

Facies posterior

Foramen nutricium Margo interosseus

Facies lateralis Margo posterior Facies posterior

Margo interosseus Margo interosseus

Facies anterior

Facies medialis

Margo anterior

Margo anterior

Radius

Radius

Ulna

Ulna

Facies lateralis Incisura ulnaris Caput ulnae Circumferentia articularis Processus styloideus radii

Processus styloideus ulnae

Tuberculum dorsale (Lister)

Circumferentia articularis Processus styloideus ulnae

Extensorenfurchen

Processus styloideus radii

Abb. 9.6: Rechter Radius und rechte Ulna, von vorn gesehen

Abb. 9.7: Rechter Radius und rechte Ulna, von hinten gesehen

9.1.1.1.4 Elle, Ulna

Crista m. supinatoris (Ursprung des M. supinator) nach distal. Die kräftige Tuberositas ulnae (Ansatz des M. brachialis) liegt ~ 1,5 cm distal der Incisura trochlearis.

Das proximale, kräftige Ende der Ulna (Abb. 9.6, 7) bildet die tiefe halbmondförmige Incisura trochlearis, die dorsal vom Olecranon (Ellenbogenhöcker) und ventral vom Proc. coronoideus (Kronenfortsatz) begrenzt wird. Auf der überknorpelten Facies articularis der Inzisur verläuft ein medianer First, der als Führungsleiste in eine entsprechende Führungsrinne der Trochlea humeri eingreift. An der lateralen Seite des Proc. coronoideus befindet sich eine kleine Incisura radialis zur Aufnahme des Radiuskopfes. Von dieser Inzisur zieht die

Das Corpus ulnae zeigt 3 Flächen (Facies posterior, anterior, medialis) und 3 Kanten (Margo interosseus, posterior, anterior). 1–2 cm vor dem distalen Ende nimmt der Ulnaschaft einen runden Querschnitt an, um mit dem Caput ulnae, welches die Circumferentia articularis trägt, zu enden. Der stiftartige Proc. styloideus ulnae (Griffelfortsatz) überragt das Caput ulnae nach distal.

666

Entwicklung: Knochenkerne: Olecranon 8.–12. LJ, Corpus ulnae 7. LW, Caput ulnae 5.–7. LJ, Proc. styloideus 7.–8. LJ. Varianten: Die Gelenkfläche der Incisura trochlearis ist bei zwei Dritteln der Erwachsenen vollständig in eine proximale und eine distale Teilfläche getrennt, bei einem Drittel ist diese Trennung unvollständig.

9.1.1.1.5 Speiche, Radius Der Radius (Abb. 9.6, 7) zeigt proximal das tellerförmige Caput radii, welches kranial zu einer flachen Fovea articularis eingedellt ist und von der Circumferentia articularis umrundet wird. Die Lunula obliqua ist eine diskrete Abschrägung der kranialen Kante, an der sich Capitulum radii und Sulcus capitulotrochlearis berühren. An den Radiuskopf schließt sich das Collum radii an und leitet zum Corpus radii über. In diesem Übergangsbereich liegt medial die kräftige Tuberositas radii (Ansatz des M. biceps brachii). Das Corpus radii hat 3 Flächen (Facies posterior, anterior, lateralis) und 3 Kanten (Margo posterior, anterior, interosseus). In der Mitte befindet sich auf der Facies lateralis die Tuberositas pronatoria (Ansatz des M. pronator teres). Distal trägt der Radiusschaft die elliptischkonkave Facies articularis carpalis mit einer viereckigen, ulnaren Facette für das Os lunatum und einer radialen, dreieckigen Facette für das Os scaphoideum. Zwischen den Facetten liegt eine flach erhabene Trennleiste. Die Facies articularis carpalis steht nicht horizontal, sondern steigt nach radial um ~ 30° an und fällt nach palmar um ~ 10° ab. Auf der medialen Seite biegt die Facies articularis carpalis zur Aufnahme des Caput ulnae in die Incisura ulnaris um. Lateral zeigt das distale Radiusende den mächtigen Proc. styloideus radii. Die palmare Fläche des distalen Radiusendes ist glatt gestaltet, weist jedoch über der Basis des Proc. styloideus die Crista suprastyloidea auf. Die dorsale Seite wird durch knöcherne Rinnen, Sulci tendinum musculorum extensorum, für die Sehnen der Extensoren gegliedert. Ein auffallend prominenter Höcker (tastbar!), das Tuberculum dorsale radii (Lister), trennt die Sehnen von

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

M. extensor carpi radialis brevis und M. extensor pollicis longus. Vergleich Radius versus Ulna. Beide Knochen verhalten sich in der Formgestaltung antagonistisch. £ Radius: proximal schlank, distal kräftig

(Hauptanteil am Handgelenk), reicht weiter nach distal. £ Ulna: proximal kräftig (Hauptanteil am Ellenbogengelenk), distal schlank, reicht weiter nach proximal. Bei den Umwendebewegungen des Unterarmes (Pronation, Supination) ist die Ulna fixiert, während der Radius um die Ulna herumgeführt wird. Beide Knochen besitzen auf der Vorderfläche etwa in der Mitte ihr Foramen nutricium (der Canalis nutricius verläuft nach distal!). Entwicklung: Knochenkerne: Caput radii 5.–7. LJ, Tuberositas radii 10.–12. LJ, Corpus radii 7. EW, Epiphysis distalis 8.–16. LM, Proc. styloideus 10.–12. LJ. Klinik: 1. Fractura radii in loco typico. Ein Locus minoris resistentiae (dünne Kompaktalamelle, im Alter zusätzliche Schwächung durch sich ausdehnende Markhöhle und Osteoporose) befindet sich 2 cm proximal der distalen Gelenkflächenregion → Prädilektionsstelle für die häufige, typische Radiusfraktur, meist mit Abbruch des Proc. styloideus ulnae durch Sturz auf die ausgestreckte, dorsalflektierte Hand (Extensionsfraktur, Colles-Fraktur), 2. Die Radiusflexionsfraktur (Smith-Fraktur) ist eine Sonderform, die durch Sturz auf den gebeugten Handrücken mit Verschiebung des distalen Fragments nach palmar und radial entsteht.

9.1.1.1.6 Handwurzelknochen, Ossa carpi, Ossa carpalia Den Carpus (Handwurzel; Abb. 9.8 bis 12) bilden 8 unregelmäßige kurze Knochen, Ossa carpi, die in einer proximalen und einer distalen Reihe angeordnet sind. In der proximalen Reihe liegen von radial nach ulnar:

9.1 Systematische Anatomie

667

Ulna Epiphysenfuge

Radius Epiphysenfuge

Circumferentia articularis capitis ulnae Processus styloideus ulnae

Processus styloideus radii

Os lunatum Os triquetrum

Os scaphoideum

Os pisiforme

Os trapezoideum

Os capitatum

Os trapezium

Os hamatum Os metacarpi I Os metacarpi V

Processus styloideus ossis metacarpi tertii [III]

Abb. 9.8: Handwurzelknochen (Ossa carpi) der rechten Hand mit angrenzenden Unterarmund Mittelhandknochen. Dorsalansicht

£ Os scaphoideum (Schiffbein), Os lunatum

(Mondbein), Os triquetrum (Dreieckbein) und Os pisiforme (Erbsenbein).

In der distalen Reihe liegen von radial nach ulnar: £ Os trapezium (großes Vieleckbein), Os trape-

zoideum (kleines Vieleckbein), Os capitatum (Kopfbein) und Os hamatum (Hakenbein).

Details • Tuberculum ossis trapezii (Abb. 9.10), auf der • • • •

palmaren Seite des Os trapezium gelegener Knochenhöcker. Hamulus ossis hamati (Abb. 9.10), nach palmar gerichteter, nach radial konkaver, hakenförmig gekrümmter Knochenfortsatz des Os hamatum. Tuberculum ossis scaphoidei (Abb. 9.10), bei Radialduktion (früher: Radialabduktion) deutlich vorspringender Knochenhöcker. Eminentia carpi radialis, knöcherne Erhebung, bestehend aus Tuberculum ossis trapezii und Tuberculum ossis scaphoidei. Eminentia carpi ulnaris, ulnar gelegene Erhebung, gebildet aus Os pisiforme und Hamulus ossis hamati.

Zwischen diesen beiden Erhebungen entsteht eine knöcherne Rinne, Sulcus carpi. Durch das kräftige Retinaculum flexorum wird dieser Sulcus zum osteofibrösen Canalis carpi geschlossen. Inhalt: Sehnen der Mm. flexores digitorum superficialis et profundus, Sehne des M. flexor pollicis longus, M. flexor carpi radialis; N. medianus. Entwicklung: Die Handwurzelknochenkerne sind für Altersbestimmungen in Rechtsmedizin und Kinderheilkunde (Spezialatlanten!) von Bedeutung. Auftreten der Knochenkerne: Os trapezium 4.–7. LJ, Os trapezoideum 4.–6. LJ, Os capitatum 1.–6. LM, Os hamatum 1.–7. LM, Os scaphoideum 4.–6. LJ, Os lunatum 4.–5. LJ, Os triquetrum 1.–3. LJ, Os pisiforme 8.–12. LJ. Varietäten: Neben den regulären 8 Handwurzelknochen (kanonische Handwurzelknochen) kommen zahlreiche akzessorische Elemente vor: • Os styloideum (Abb. 9.9), zwischen Os capi-

tatum, Os trapezoideum und Os metacarpale II und III gelegen; mit 3–4 % (n. Pfitzner) am häufigsten vorkommend.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

668

• Os hamuli proprium, der Hamulus ossis hamati

kann ein eigenständiger Knochen sein (keine Fraktur!). • Os centrale carpi (selten!), zwischen Os capitatum, Os trapezoideum und Os scaphoideum gelegen. Gewöhnlich ist es mit dem Os scaphoideum verschmolzen. Klinik: 1. Kahnbeinfraktur. Häufigste Fraktur (> 60 %) der Handwurzelknochen mit langer Heilungsdauer und häufigen Komplikationen (z. B. Pseudarthrose) 2. Im klin. Sprachgebrauch wird häufig Os naviculare manus statt Os scaphoideum verwendet. 3. Lunatummalazie (→ Kienböck-Krankheit). Aseptische Knochennekrose mit spontaner Mondbeindestruktion. 4. Karpaltunnelsyndrom. Häufiges peripheres Kompressionssyndrom. Abb. 9.9: Großes Os styloideum (Pfeil) (männlich, 92 Jahre, Präparat A. Prescher)

Radius

Epiphysenfuge Facies articularis carpalis Processus styloideus radii Os scaphoideum Tuberculum ossis scaphoidei

Os trapezium

Ulna

Epiphysenfuge Circumferentia articularis Processus styloideus ulnae Os lunatum Os triquetrum

Os pisiforme Os capitatum Os hamatum

Tuberculum ossis trapezii Os trapezoideum

Os metacarpi I

Hamulus ossis hamati

Os metacarpi V

Abb. 9.10: Handwurzelknochen (Ossa carpi) der rechten Hand mit angrenzenden Unterarmund Mittelhandknochen. Palmaransicht

9.1 Systematische Anatomie

669

Ulna

Radius

Processus styloideus ulnae Os lunatum

Processus styloideus radii

Os triquetrum

Os scaphoideum

Os pisiforme

Tuberculum ossis trapezii

Os hamatum Hamulus ossis hamati

Os trapezium Os trapezoideum

Basis

Os capitatum Ossa sesamoidea

Corpus

ossis metacarpi V

Caput Basis Corpus

phalangis proximalis V

Caput Basis Corpus Caput Basis Corpus Tuberositas

phalangis mediae V

phalangis distalis V

Abb. 9.11: Die Knochen der rechten Hand mit den distalen Enden der Unterarmknochen. Palmaransicht

9.1.1.1.7 Mittelhandknochen, Ossa metacarpi, Ossa metacarpalia 5 kurze Röhrenknochen (Abb. 9.11, 12), die von radial nach ulnar mit den (röm.) Ziffern I–V belegt sind und 3 Abschnitte aufweisen: £ Basis ossis metacarpi (proximal) £ Corpus ossis metacarpi (Mitte) £ Caput ossis metacarpi (distal).

Die Basen der Metakarpalknochen II–V sind untereinander gelenkig verbunden, liegen also dicht zusammen. Nach distal divergieren die Ossa metacarpi, so dass die Mittelhand distal deutlich breiter

ist als proximal. Außerdem sind die Mittelhandknochen leicht gekrümmt (nach palmar konkav). Details • Os metacarpale I → am kürzesten und kräftigs-

ten, proximale Gelenkfläche sattelförmig, keine gelenkige Verbindung mit Os metacarpale II. • Os metacarpale II → längster Mittelhandknochen. Basis zeigt einen V-förmigen Einschnitt. • Os metacarpale III → die Basis weist an der radiodorsalen Ecke einen Proc. styloideus ossis metacarpi tertii (Abb. 9.8) auf (Ansatz des M. extensor carpi radialis brevis).

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

670

Radius Epiphysis distalis radii Os scaphoideum Os trapezium (multangulum majus) Os trapezoideum (multangulum minus)

Ulna Epiphysis distalis ulnae

Os lunatum Os pisiforme Os triquetrum Os hamatum Os capitatum

Epiphysis ossis metacarpalis I Corpus

phalangis proximalis pollicis

phalangis distalis pollicis

Epiphysis Epiphysen der Ossa metacarpi III_V Corpus Epiphysis

Corpus

Epiphysen des Zeigefingers (Index)

Abb. 9.12: Röntgenbild der Hand eines 14-Jährigen (dorsopalmare Aufnahme des Institutes für Röntgendiagnostik der Charité Berlin)

Gelenkige Verbindungen der Ossa metacarpi mit den Ossa carpi: £ Os metacarpale I £ Os metacarpale II

→ Os trapezium → Os trapezoideum und

£ Os metacarpale III £ Os metacarpale IV

→ Os capitatum → Os capitatum und

£ Os metacarpale V

→ Os hamatum.

Os capitatum Os hamatum

Entwicklung: Die Ossa metacarpi II–V haben nur eine distale Epiphyse, das Os metacarpale I nur eine proximale (wie ein Fingerglied). Knochenkerne in den Schäften I–V treten um die 9. LW herum auf. Klinik: Carpal-Bossing. Vorspringen des Proc. styloideus ossis metacarpi III nach dorsal, kann Druckschmerz und Reizerscheinungen verursachen.

9.1 Systematische Anatomie

9.1.1.1.8 Fingerknochen, Ossa digitorum manus Ossa digitorum manus (Abb. 9.11, 12) sind die kurzen Röhrenknochen der Finger. Der Daumen hat 2 Skelettteile (Phalanx proximalis et distalis), die übrigen Finger 3: zwischen der Phalanx proximalis und distalis liegt die Phalanx media. Die Fingerknochen haben 3 Abschnitte, Basis phalangis, Corpus phalangis, Caput phalangis; sie werden von proximal nach distal kleiner. Details • Phalanx proximalis, die Basis trägt eine flach-

ovale Gelenkfläche für den kugeligen Kopf des Os metacarpale. Der Schaft ist nach palmar konkav gekrümmt und weist palmar kräftige Randleisten für die Anheftung der Beugesehnenscheiden auf. Das Caput ist zu einer Trochlea phalangis umgestaltet. • Phalanx media, palmar sind Randleisten ausgebildet. Das Caput zeigt eine Trochlea. • Phalanx distalis, diese Phalanx trägt distal eine spatelartige Verbreiterung, die Tuberositas phalangis distalis, an der die Bindegewebezüge von Nagelbett und Fingerkuppe inserieren. Ossa sesamoidea (Sesambeine). An den Beugeseiten der Fingergelenke kommen kleine zusätzliche Knochen vor, die als Schaltknochen in Sehnen und Bändern eingelagert sind: Ossa sesamoidea. Am Grundgelenk des Daumens liegt regelmäßig ein radiales und ein ulnares Sesambein. Der Daumen zeigt häufig auch ein interphalangeales Sesambein (~ 70 %). An der ulnaren Seite des metakarpophalangealen Gelenkes des Dig. V liegt ebenfalls häufig ein Sesambein (~ 80 %). Entwicklung: Ossa digitorum manus haben nur eine proximale Epiphyse! Knochenkerne treten in den Schäften der proximalen Glieder um die 9. EW, der Mittelglieder zwischen der 11. und 12. EW und der Endglieder zwischen der 7. und 8. EW auf.

9.1.1.2

Gelenk- und Bänderlehre, Systema articulare (juncturae)

Lernziele: Systematischer Aufbau, Bänder, Schleimbeutel, Gelenkmechanik und wichtige klinische Aspekte von Art. sternoclavicularis, Art. acromioclavicularis, Art. humeri, Art.

671

cubiti, Art. radioulnaris distalis und Artt. manus. Verständnis der Neutral-Null-Methode. Das Systema articulare beschreibt den Aufbau der Gelenke und die geometrischen Eigenschaften der Gelenkkörper. Von diesen Grundlagen ausgehend wird die Gelenkfunktion erklärt. Funktionsprüfung von Gelenken. Man bedient sich der Neutral-Null-Methode um das Bewegungsausmaß im Winkelmaß anzugeben. Grundstellung: aufrechter Stand, hängende Arme, Daumen nach vorn gerichtet, parallel gestellte Füße, Blick nach vorn. Das erste Maß gibt die Bewegung vom Körper weg an (z. B. Abduktion, Außenrotation), das zweite ist die Grundstellung (Null-Durchgang), und das dritte gibt die Bewegung zum Körper hin an (z. B. Adduktion, Innenrotation).

9.1.1.2.1 Articulatio sternoclavicularis In der Articulatio sternoclavicularis (Abb. 9.13) findet die alleinige gelenkige Befestigung der gesamten oberen Extremität am Rumpf statt. Gelenkkopf: Extremitas sternalis claviculae, Gelenkpfanne: Incisura clavicularis des Sternums. Gelenktyp: modifiziertes Kugelgelenk. Die erhebliche Inkongruenz wird durch einen faserknorpeligen, 3–5 mm dicken Discus articularis ausgeglichen, der das Gelenk vollständig in zwei Kammern teilt (dithalamisches Gelenk). Da es sich entwicklungsgeschichtlich um ein Anlagerungsgelenk handelt, sind die Gelenkenden mit Faserknorpel belegt. Die Gelenkkapsel ist dick, aber schlaff. Vorn und hinten ist sie besonders verstärkt. Das Gelenk hat wie ein Kugelgelenk 3 Freiheitsgrade. Die Clavicula kann aus der horizontalen Ruhelage (bei frei herabhängendem Arm) um 50° gehoben, um 5° gesenkt und um je 30° nach vorn bzw. nach hinten geführt werden. Bei Schwenkung des Schulterblattes findet in ihm eine Rotation um 30° statt. Bänder £ Lig. sternoclaviculare anterius, verstärkt die

Gelenkkapsel ventral und hemmt die Rückführung der Schulter.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

672

Ligamentum sternoclaviculare anterius Ligamentum interclaviculare

Clavicula

Ligamentum costoclaviculare Costa I Discus articularis

Manubrium sterni

Costa II

Abb. 9.13: Articulatio sternoclavicularis. Rechts Flachschnitt durch Brustbein, Schlüsselbein und Rippenknorpel

£ Lig. sternoclaviculare posterius, verstärkt die

Gelenkkapsel dorsal. £ Lig. costoclaviculare, sehr kräftig, zieht von der 1. Rippe zur Tuberositas lig. costoclavicularis an der Unterfläche des Schlüsselbeins; hemmt alle Bewegungsrichtungen des Gelenks. £ Lig. interclaviculare, liegt dorsal in der Incisura jugularis des Sternums, spannt sich zwischen den sternalen Enden der Claviculae aus; hemmt das Senken der Clavicula. Es handelt sich um ein entwicklungsgeschichtliches Relikt des Episternums.

9.1.1.2.2 Schultereckgelenk, Articulatio acromioclavicularis Die Articulatio acromioclavicularis (Abb. 9.14) bildet den höchsten Punkt der Schulterkontur und weist zwei variable, oval geformte und von Faserknorpel überzogene Gelenkflächen (Facies articularis acromii et acromialis) auf. Im schräg gestellten Gelenkspalt befindet sich ein unvollständiger faserknorpeliger Discus articularis. Das Gelenk ist plan, verfügt aber wie ein Kugelgelenk über 3 Freiheitsgrade, wobei die Bewegungen immer mit solchen in der Articulatio sternoclavicularis kombiniert sind. Es werden translatorische Bewegungen nach kranial,

kaudal, ventral und dorsal ausgeführt. Zusätzlich ist eine Rotation möglich. Bänder £ Lig. acromioclaviculare, verstärkt die Gelenk-

kapsel kranial.

£ Lig. coracoclaviculare, dieser kräftige Bandzug

wird unterteilt in: – Lig. conoideum (bremst die Schulterblattbewegung nach vorn), liegt dorsal und wird nach kranial breiter. – Lig. trapezoideum (bremst die Schulterblattbewegung nach hinten), liegt ventral und ist sagittal gestellt. Beide Bandzüge gehen vom Proc. coracoideus aus und inserieren am Tuberculum conoideum bzw. an der Linea trapezoidea. Zwischen den Bändern liegt die kleine Bursa lig. coracoclavicularis.

9.1.1.2.3 Eigenbänder der Scapula 3 Eigenbänder (Abb. 9.14) entspringen und inserieren an der Scapula. £ Lig. coracoacromiale. Löst sich von der Spitze

des Akromions, um breitflächig am Proc. coracoideus zu inserieren. Der zentrale Bandteil ist manchmal rudimentär angelegt, so dass zwei

9.1 Systematische Anatomie

673

Processus coracoideus

Lig. trapezoideum







Lig. coracoclaviculare Lig. conoideum

Clavicula

Lig. acromioclaviculare Acromion Lig. coracoacromiale

Angulus superior

Bursa subacromialis Lig. coracohumerale

Lig. transversum scapulae superius

M. subscapularis Lig. transversum humeri

Incisura scapulae

Vagina tendinis intertubercularis

Verbindung der Bursa subtendinea m. subscapularis mit der Cavitas articularis

Capsula articularis articulationis humeri

Fossa subscapularis

Recessus axillaris

Facies costalis

Caput longum m. tricipitis brachii Caput longum m. bicipitis brachii

Margo medialis

Humerus

Margo lateralis

Angulus inferior

Abb. 9.14: Rechtes Schultergelenk und Bänder des Schultergürtels von vorn

voneinander getrennte Faserzüge entstehen. Nach Putz stellt das Band eine Zuggurtung des Akromions dar. Fornix humeri. Das Lig. coracoacromiale und dessen knöcherne Ansatzpunkte (Acromion, Proc. coracoideus) bilden über dem Schultergelenk einen osteofibrösen Bogen (Fornix humeri), der das Aufwärtsbewegen des Humeruskopfes bei ausgestrecktem Arm verhindert. £ Lig. transversum scapulae superius. Kurzer

Bandzug, der die Incisura scapulae überbrückt und einen osteofibrösen Durchtritt für den N. suprascapularis bildet (cave: A. et V. suprascapularis liegen über diesem Bandzug!). In etwa 10 % ist das Band ossifiziert, so dass ein Foramen scapulae resultiert.

£ Lig. scapulae inferius. Nicht immer ausgebil-

det. Das Band erstreckt sich von der Hinterflä-

che der Cavitas glenoidalis zur lateralen Kante der Basis der Spina scapulae und überbrückt und fixiert das neurovaskuläre Bündel (N., A., V. suprascapularis) im Bereich der Incisura spinoglenoidalis (Abb. 9.63).

9.1.1.2.4 Schultergelenk, Articulatio humeri (sive glenohumeralis) Gelenkkörper (Abb. 9.14 bis 17). Im Schultergelenk artikulieren das Caput humeri und die länglich-ovale Cavitas glenoidalis und bilden das beweglichste Kugelgelenk des Körpers. Durch das Flächenmissverhältnis (4 : 1) zwischen Gelenkkopf und -pfanne fehlt eine knöcherne Führung. Die Gelenkkörper sind mit hyalinem Knorpel belegt, der zentral in der Cavitas glenoidalis dünner ist (~ 1,3 mm) und am Rande dicker wird (~ 3,5 mm), während der Gelenkknorpel des

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

674

Clavicula (Extremitas acromialis)

Tendo m. supraspinati Lig. coracoacromiale

Lig. coracohumerale, Lig. glemohumerale superius

Lig. acromioclaviculare Bursa subacromialis Acromion

Lig. conoideum Lig. trapezoideum Bizepssehne

M. infraspinatus

Eingang zur Bursa subtendinea m. subscapularis (Foramen ovale) Lig. glenohumerale medium

Cavitas glenoidalis

Pfannenrandkerbe Lig. glenohumerale inferius

M. teres minor Labrum glenoidale

M. subscapularis Recessus axillaris

M. triceps brachii (Caput longum)

Scapula (Margo lateralis)

Abb. 9.15: Rechte Schultergelenkspfanne nach Entfernung des Humerus von lateral gesehen. Osteofibröses Schutzdach, Bänder und Sehnenmuskelmantel in ihrer Lage zur Gelenkkapsel

Humeruskopfes sich umgekehrt verhält: zentral ~ 2 mm, peripher ~ 1 mm. Labrum glenoidale (Gelenklippe). Die Fläche der Cavitas glenoidalis wird durch ein faserknorpeliges, 3–4 mm breites Labrum glenoidale (Abb. 9.15, 17) vergrößert, das ventral am kräftigsten ist. Die Gelenklippe ist mit der breiten Basis zirkulär am Rande der Cavitas glenoidalis befestigt und ihr Rand ragt frei und wulstig in die Gelenkhöhle. Nach kranial und dorsal wird das Labrum durch die Ursprungssehne des langen Bizepskopfes gesichert. Klinik: 1. Bankart-Läsion. Ventraler Abriss des Labrum glenoidale bei ventraler Schultergelenkluxation, 2. Hill-Sachs-Läsion. Impressionsfraktur am dorsolateralen Rand des Humeruskopfes nach Schulterluxation. Gelenkkapsel. Der enorme Bewegungsumfang des Schultergelenkes erfordert eine schlaffe, geräumige Capsula articularis, die kaudal eine ~ 1 cm

lange Reservefalte bildet, Recessus axillaris (Abb. 9.15, 17). Die Kapsel entspringt an der Außenseite des Labrum glenoidale, schließt das Tuberculum supraglenoidale ein und inseriert am Collum anatomicum. Die Tubercula majus et minus bleiben extraartikulär. Medial greift die Kapsel jedoch ~ 1 cm auf den Humerusschaft über, so dass hier die Epiphysenlinie überschritten wird. Klinik: 1. Bewegungsausmaß: Retro- und Anteversion (40/0/160°), Ab- und Adduktion (170/0/ 40°), Außen- und Innenrotation (bei anliegendem, im Ellenbogengelenk 90° gebeugtem Arm; 80/0/60°), 2. Druckschmerzhaftigkeit der Rotatorenmanschette, 3. Painful arc. Schmerzhafter (Abduktions-) Bogen (zwischen 50 und 100°) bei Impingementsyndrom durch Druck auf die Supraspinatussehne in der Enge zwischen Acromion und Tuberculum majus. Bänder (schwacher Bandapparat, kaum Bandführung des Schultergelenkes).

9.1 Systematische Anatomie

675 Acromion

Lig. coracoacromiale Tendo capitis longi m. bicipitis brachii

M. supraspinatus

Processus coracoideus M. infraspinatus

Lig coracohumerale Lig. glenohumerale medium

M. teres minor

Lig. glenohumerale inferius Caput longum m. tricipitis brachii

M. subscapularis

Abb. 9.16: Sicherung des Schultergelenks durch osteofibröses Schutzdach (Acromion, Lig. coracoacromiale, Processus coracoideus), Sehnenmuskelmantel (Rotatorenmanschette) und Bänder. Pfeile weisen auf die schwachen Stellen der Gelenkkapsel. Nach T. v. Lanz u. W. Wachsmuth verändertes Schema

£ Lig. coracohumerale (Abb. 9.14), entspringt an

der Basis des Proc. coracoideus, zieht über den Humeruskopf und inseriert an den Tubercula majus et minus. Das Band liegt zwischen den Sehnen von M. supraspinatus und M. subscapularis im Rotatorenintervall und ist bei Innenrotation und Anteversion entspannt. £ Ligg. glenohumeralia superius, medium et inferius (Abb. 9.15), variabel ausgebildete, nur vom Gelenkinnenraum sichtbare Kapselbänder, die bei Innenrotation und Anteversion entspannt sind. Sie sollen das Einklemmen von Kapselfasern verhindern und den Kapsel-Labrum-Komplex stabilisieren. £ Lig. coracoglenoidale, entwicklungsgeschichtlicher Rest der ursprünglich am Humerus inserierenden Sehne des M. pectoralis minor. Entspringt vom Proc. coracoideus und verliert sich in den kranialen Abschnitten der Gelenkkapsel. £ Lig. transversum humeri, besteht aus Fasern, die sich von der Sehne des M. subscapularis über den Sulcus intertubercularis fortsetzen und am Tuberculum majus inserieren. Das konstante Band schließt den Sulcus zu einer osteofibrösen Röhre und fixiert dadurch die Sehne des Caput longum m. bicipitis brachii im Sulcus intertubercularis. Schleimbeutel (Bursae articulares): zahlreich! Für die Praxis sind 4 große Bursae von Bedeutung, 2 kommunizieren mit der Gelenkhöhle und 2 haben keine Verbindung.

Kommunizierende Bursen £ Bursa subtendinea m. subscapularis, unter der

Sehne des M. subscapularis gelegen, mindert deren Reibung an der Vorderkante der Cavitas glenoidalis. Foramen ovale (Weitbrecht): ventral gelegene, geräumige, ovale Öffnung dieser Bursa zur Gelenkhöhle (Abb. 9.15). £ Bursa subcoracoidea, unterhalb des Proc. coracoideus gelegen, kommuniziert sie entweder über eine eigene Öffnung mit der Gelenkhöhle oder sekundär über die Bursa subtendinea m. subscapularis. Diese beiden Schleimbeutel sind als Nebenräume (Recessus) des Schultergelenkes anzusehen. Ein weiterer Recessus ist die 2–5 cm lange Vagina tendinis intertubercularis, welche die Sehne des langen Bizepskopfs bis zum Ende des Sulcus intertubercularis umscheidet.

Nichtkommunizierende Bursen (Abb. 9.17). Die beiden folgenden, für die Funktion wichtigen Bursen werden nach W. Pfuhl auch als Nebengelenk des Schultergelenks bezeichnet: £ Bursa subacromialis, synovialer Verschiebespalt

direkt unter dem Acromion, der bei Abduktion und Elevation des Armes die Einschiebung des Tuberculum majus mit der Supraspinatussehne unter das Acromion gewährleistet. £ Bursa subdeltoidea, dieser geräumige Gleitraum unter dem M. deltoideus hat häufig eine Verbindung zur Bursa subacromialis.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

676 Articulatio acromioclavicularis

Clavicula

Acromion, Lig. coracoacromiale

Lig. conoideum M. supraspinatus

Bursa subacromialis

Lig. transversum scapulae superius

Tendo capitis longi m. bicipitis brachii

Caput humeri Scapula Vagina synovialis intertubercularis

Cartilago articularis

M. deltoideus, Bursa subdeltoidea

Labrum glenoidale

Tendo m. latissimi dorsi

Recessus axillaris

Bursa subtendinea m. latissimi dorsi

M. teres minor

Tendo m. teretis majoris

Caput longum m. tricipitis brachii

Tendo m. pectoralis majoris M. deltoideus Caput longum m. bicipitis brachii

Humerus

Caput laterale m. tricipitis brachii

Abb. 9.17: Frontalschnitt durch das Schultergelenk von vorn gesehen

Beide Bursae sind in das Corpus adiposum subacromiale eingelagert. Es dient als zusätzliche Verschiebe- bzw. Polstereinrichtung der periartikulären Strukturen.

• Vertikale Achse. Innen- (30°), Außenrotation

Weitere kleine, nichtkommunizierende Schleimbeutel zwischen Pfannenrand und Sehnen der Schultermuskeln: Bursa subtendinea m. infraspinati, teretis majoris, latissimi dorsi.

1. Elevation ist bei Anteversion und Abduktion möglich, nicht bei Retroversion! 2. Das Caput humeri bewegt sich bei Abduktion auf der Cavitas glenoidalis nach kaudal und gleitet in den Reserveraum des Recessus axillaris hinein. Nur durch diese Bewegung wird unter dem Fornix humeri Platz geschaffen, um das Daruntergleiten des Tuberculum majus und der Supraspinatussehne zu gewährleisten. Die Sehne des langen Bizepskopfs unterstützt dies durch Druck auf das Caput humeri und verhindert ein zu starkes Aufsteigen des Oberarmkopfes.

Mechanik: Kugelgelenk mit Bewegung um 3 Achsen (Abb. 9.18). • Transversale Achse. Ante- und Retroversion.

Reine Anteversion bis zur Horizontalen, weitere Elevation (= Erhebung des Armes über die Horizontale hinaus, 150–170°) durch Mitwirken des Schultergürtels, vollständige Elevation (180°) durch Dorsalextension der Wirbelsäule. Retroversion eingeschränkt (40–50°). • Sagittale Achse. Reine Abduktion bis zur Horizontalen, bis 150° mit Beteiligung des Schultergürtels, bis 180° durch Außenrotation des Humerus und Beteiligung der Wirbelsäule. Adduktion nach geringer Anteversion bis zu 45°.

(60°) aus der Neutral-Null-Stellung.

Klinik: 1. Schultergelenkluxation (Luxatio humeri). Häufigste Verrenkung. 4 Formen (Luxatio subcoracoidea, infraglenoidalis, infraspinata und erecta) werden unterschieden. Bei der häufigen Luxatio subcoracoidea gleitet der Humeruskopf nach vorn und unter

9.1 Systematische Anatomie

677

Normalwerte Schultergelenk:

Skapula beim Impingement-Syndrom (Einklemmung der subakromialen Weichteile zwischen Tuberculum majus und Acromion), 3.2 Horizontaladduktionstest. Schmerz im Akromioklavikulargelenk durch passive Adduktion der Schulter zur Gegenseite, z. B. bei degenerativen Veränderungen des Akromioklavikulargelenkes, 4. Isometrische Funktionstests. 4.1 Null-GradAbduktionstest (fehlende oder schmerzhafte Abduktion gegen Widerstand) und Supraspinatustest (Schmerzauslösung durch abwärts gerichteten Druck auf den gestreckten, 90° abduzierten und 30° nach vorn gerichteten Arm mit Außenrotation). Beide Tests sind bei Supraspinatussehnenläsion positiv, 4.2 Yergason-Test mit Schmerzprovokation durch Supination gegen Widerstand bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogen. Bei Läsion der langen Bizepssehne positiv, 5. Nachweis von Muskel-Sehnen-Läsionen der Rotatorenmanschette durch Schmerzprovokation bei selektiver Anspannnung: M. supraspinatus: Abduktion gegen Widerstand, M. supraspinatus und M. teres minor: Außenrotation gegen Widerstand bei hängendem Arm und gebeugtem Ellenbogen, M. subscapularis: Innenrotation gegen Widerstand bei hängendem Arm und gebeugtem Ellenbogen.

Anteversion / Retroversion 150–170/0/40 Adduktion / Abduktion 20–40/0/180 150–170˚ 180˚

90˚

20–40˚

40˚





Innenrotation/Außenrotation bei anliegendem Oberarm

40–60/0/95

Innenrotation/Außenrotation bei seitwärts um 90˚ gehobenem Oberarm

70/0/70

70˚

40–60˚

95˚



70˚

Abb. 9.18: Bewegungsausmaße des Schultergelenkes nach der Neutral-Null-Methode (n. H. U. Debrunner)

den Proc. coracoideus. Das unverletzte Lig. coracohumerale hält den Arm in Abduktion, 2. Habituelle Luxation. Bei Insuffizienz von Ligg. glenohumeralia, Abriss des Labrum glenoidale oder Fehlstellungen der Gelenkkörper. 3. Funktionelle Schultergelenkuntersuchung → klin. Routinetests; 3.1 Impingement-Test nach Neer. Provokationsschmerz im subakromialen Raum durch Flexion im Schultergelenk mit fixierter

Zusammenspiel mit den Articulationes sternoclavicularis et acromioclavicularis. Der große Bewegungsumfang wird durch Einbeziehung beider Gelenke in die Bewegungsabläufe des Schultergelenks ermöglicht. Selten erfolgt eine Bewegung nur in einem dieser drei Gelenke; z. B. wird bei stärkerer Innenrotation des Armes im Schultergelenk der Margo medialis scapulae vom Rumpf abgehebelt und die Clavicula nach vorn geführt. Umgekehrt werden bei stärkerer Außenrotation Clavicula und Scapula rückwärts geführt und der Margo medialis an den Rumpf gelegt. Diese Bewegungen erfolgen ausschließlich in den Articulationes sternoclavicularis et acromioclavicularis.

9.1.1.2.5 Ellenbogengelenk, Articulatio cubiti Die Articulatio cubiti (Abb. 9.19 bis 25, Abb. 66) ist ein zusammengesetztes Gelenk (Articulatio composita) mit gemeinsamer Gelenkkapsel. Die funktionelle Einheit bilden: 1. Articulatio humeroulnaris, 2. Articulatio humeroradialis, 3. Articulatio radioulnaris proximalis.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

678

Humerus

Processus coronoideus ulnae

Caput radii Fossa coronoidea Epicondylus medialis et lateralis Incisura trochlearis ulnae

Olecranon

Abb. 9.19: Röntgenbild eines rechtwinklig gebeugten Ellenbogengelenkes. (Seitenaufnahme des Institutes für Röntgendiagnostik der Charité Berlin)

Fossa olecrani

Humerus

Olecranon

Epicondylus medialis

Trochlea humeri

Articulatio humeroulnaris

Processus coronoideus

Articulatio radioulnaris proximalis

Ulna

Epicondylus lateralis Capitulum humeri

Articulatio humeroradialis Caput radii

Tuberositas radii

Radius

Abb. 9.20: Röntgenbild eines Ellenbogengelenkes in Streckstellung. (a. p.-Aufnahme des Institutes für Röntgendiagnostik der Charité Berlin)

9.1 Systematische Anatomie

679

Oberarm-Ellen-Gelenk Articulatio humeroulnaris (Abb. 9.19). Gelenkkörper sind Trochlea humeri und Incisura trochlearis ulnae. £ Die Trochlea humeri ist ein Doppelkegel, wobei

der laterale (radiale) Kegel kürzer als der mediale (ulnare) ist. Die Führungsrinne ist nicht exakt kreisförmig, sondern entspricht einem Schraubengewinde und erzwingt bei Beugung und Streckung eine Lateral- bzw. Medialverschiebung der Unterarmknochen. Die Trochlea grenzt sich durch den Sulcus capitulotrochlearis gegen das Capitulum humeri ab. £ Die Incisura trochlearis ulnae (zangenförmig) weist eine Führungsleiste auf, die in die Führungsrinne der Trochlea eingreift. Dadurch erhält das Ellenbogengelenk eine solide Knochenführung. Die Bewegung erfolgt um die Querachse der Trochlea und verläuft unmittelbar unterhalb der Epikondylen. Es handelt sich um ein Scharniergelenk mit um die Mittelachse schwankenden Momentachsen (R. Fick).

Oberarm-Speichen-Gelenk, Articulatio humeroradialis (Abb. 9.20). Das kugelförmige Capitulum humeri ruht in der flachen Fovea articularis radii, die ulnar die sichelförmige Lunula obliqua aufweist. Zusammen mit dem Sulcus capitulotrochlearis bildet diese ein Übergangsgelenk. Geometrisch handelt es sich bei der Art. humeroradialis um ein Kugelgelenk mit 2(!) Freiheitsgraden (Einschränkung durch Bandapparat), das an Beugung und Streckung um eine quere Achse teilnimmt, die sie mit der Articulatio humeroulnaris gemeinsam hat. Ebenso ist es über die schräg durch den Unterarm verlaufende Achse zwischen proximalem und distalem Radioulnargelenk an den Umwendebewegungen der Hand (Pronation, Supination) beteiligt. Proximales Speichen-Ellen-Gelenk, Articulatio radioulnaris proximalis. Geometrisch handelt es sich um ein Rad- oder Zapfengelenk (Articulatio trochoidea). Die überknorpelte Circumferentia articularis radii bewegt sich in der Incisura radialis ulnae und wird von dem ~ 1 cm breiten, starken Lig. anulare radii umfasst (Abb. 9.21, 22). Das

Humerus

Capsula articularis

Lig. collaterale radiale

Epicondylus lateralis

Lig. anulare radii Recessus sacciformis

Capsula articularis Radius

Olecranon Ulna

Abb. 9.21: Rechtes Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) von lateral gesehen. Gelenkhöhle gefüllt

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

680

Humerus Lig. anulare radii Recessus sacciformis Capsula articularis (Schnittrand) Processus coronoideus Radius Tendo m. bicipitis brachii Fossa olecrani Olecranon (Spitze)

Epicondylus medialis Lig. collaterale ulnare Ulna

Membrana interossea antebrachii

Chorda obliqua

Tuberositas ulnae

Cooper-Streifen

Abb. 9.22: Rechtes Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) von medial und hinten gesehen. Gelenkkapsel gefenstert

ringförmige Band setzt vor und hinter der Incisura radialis an der Ulna an. Nach distal wird es beim Erwachsenen enger und weist somit eine trichterförmige Gestalt auf (günstig für Zugbeanspruchungen am Unterarm). Der Bandabschnitt gegenüber der Incisura radialis ulnae unterliegt einer starken Druckbeanspruchung, so dass hier Knorpelzellen eingelagert werden und das Band einer Gleitsehne entspricht. In der Articulatio radioulnaris proximalis finden Umwendebewegungen statt. Das Lig. quadratum ist ein dünner Faserzug, der sich vom distalen Rand der Incisura radialis ulnae zum Collum radii erstreckt und sich distal an das Lig. anulare radii anschließt.

Gelenkkapsel (Abb. 9.21–23). Sie schließt die drei Gelenke ein und umfasst die Fossae coronoidea, radialis und olecrani. Die beiden Epikondylen bleiben frei. Die Kapsel ist vorn kräftiger als hinten und wird vorn bei Streckung und hinten bei Beugung angespannt. Der Recessus sacciformis ist eine zarte Aussackung distal des Unterrandes des Lig. anulare radii.

Bänder. 2 seitliche Bänder verstärken die Gelenkkapsel. £ Lig. collaterale radiale (Abb. 9.21), entspringt

am Epicondylus lateralis humeri, strahlt in zwei Schenkel aus, die den Radiuskopf vorn und hinten umfassen, mit dem Lig. anulare radii verschmelzen und vorn und hinten an der Ulna ansetzen. £ Lig. collaterale ulnare (Abb. 9.22), entspringt am Epicondylus medialis humeri und zieht fächerförmig in Richtung Ulna. Der dorsale Zug inseriert am Olecranon, während der ventrale, sehr kräftige Anteil an der Basis des Proc. coronoideus ansetzt. Beide Züge werden durch den horizontalen Cooper-Streifen (Abb. 9.22) verbunden. Durch die Fächerform ist in jeder Gelenkstellung ein Bandanteil gespannt. Mechanik: 1. Beugung, 2. Streckung, 3. Umwendebewegung: • Supination → Außendrehung der Hand: Daumen

nach lateral, Hohlhand nach ventral („Suppe löffeln“).

9.1 Systematische Anatomie

681

Humerus

Capsula articularis (Schnittrand)

Fossa radialis

Fossa coronoidea

Epicondylus lateralis

Epicondylus medialis

Capitulum humeri

Trochlea humeri

Lig. collaterale radiale

Lig collaterale ulnare

Caput radii

Processus coronoideus

Lig. anulare radii

Capsula articularis

Recessus sacciformis Tuberositas ulnae Tendo m. bicipitis brachii

Chorda obliqua Radius

Abb. 9.23: Rechtes Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) von vorn. Gelenkkapsel gefenstert, um die Gelenkkörper zu zeigen

• Pronation → Innendrehung („Brot schnei-

den“).

Bewegungsumfang: 120–140°. Aus der Streckstellung von 175° (bei der Frau 180°) kann bis zu einem Winkel von 35° gebeugt werden (Abb. 9.24 a). Die Streckung über die Neutral-Null-Stellung hinaus (5–15°) gelingt Frauen besonders gut. Umwendebewegungen erfolgen um eine Achse, die von der Mitte des Radiuskopfes zum Kopf der Ulna verläuft. Prinzip: Rotationsbewegung um eine schräge Achse (Kreiselung in Radgelenken), denen die Hand passiv folgt (Abb. 9.24 b). Bei Supination stehen die Unterarmknochen parallel, bei Pronation überkreuzen sie sich. In der Mittelstellung ist der Zwischenknochenraum am größten.

Physiologischer X-Arm. Bei gestrecktem Arm bilden Ober- und Unterarm meist einen nach radial offenen Winkel (→ Kubital- oder Valguswinkel) von 165–170°. Ursache: Die Schaftachsen von Humerus und Ulna stehen nicht senkrecht auf der

Ulna

Membrana interossea antebrachii

Gelenkachse. Bei Frauen ist dieser Winkel um einige Grade kleiner. Klinik: 1. Klinische Untersuchung auf Extension, Flexion (5/0/140°), Supination, Pronation (90/0/90°). Palpation von Extensoren- und Flexorenursprüngen (bei Druckschmerz lateral → Tennisellenbogen, bei Druckschmerz medial: Golferellenbogen als Ausdruck einer Sehnenansatzüberlastung, sog. Insertionstendopathie), 2. Hueter-Linie (Abb. 9.25). Beim intakten gestreckten Ellenbogengelenk liegen 3 Knochenpunkte auf einer Linie: Epicondylus medialis, lateralis, Olekranonspitze. In rechtwinkliger Beugestellung: gleichschenkliges Dreieck (→ Hueter-Dreieck), 3. Cubitus valgus. Verstärkte Radialabweichung des Unterarms gegenüber dem Oberarm, oft als Verletzungsfolge, bei Frauen physiologisch (geringgradig), 4. Cubitus varus. Posttraumatisch verstärkte Ulnarabweichung der Unterarmachse, 5. Ent-

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

682 Normalwerte Ellbogengelenk: Flexion / Extension 150/0/5–10 90˚ 150˚

a 0˚ 10˚

b

Abb. 9.25: Die Lage des Olecranon zu den Epikondylen. a. Streckstellung von dorsal: Hueter-Linie. b. rechtwinklige Beugestellung von dorsal: HueterDreieck

9.1.1.2.6 Speichen-Ellen-Syndesmose,

a

Syndesmosis radioulnaris

Unterarmdrehung einwärts/auswärts

Membrana interossea antebrachii, Zwischenknochenmembran (Abb. 9.26). Radius und Ulna werden durch eine kräftige Bindegewebeplatte aneinander befestigt, die fast den ganzen Raum zwischen Radius und Ulna verschließt. Der Hauptteil der Fasern steigt vom Radius distalwärts zur Ulna ab. Funktion:

80–90/0/80–90 0˚

• Sicherung der Knochen gegen Längsverschie80–90˚

80–90˚

b

Abb. 9.24 a, b: Bewegungsausmaße des Ellenbogengelenkes nach der Neutral-Null-Methode (n. H. U. Debrunner)

lastungsstellung. Leichte Beugung (Semiflexion), weil die Kapsel in dieser Mittelstellung am wenigsten gespannt ist, 6. Ellenbogenverrenkung. Zweithäufigste Luxation nach der Schultergelenkluxation! Meistens nach dorsal (→ Luxatio posterior), oft mit Knochenverletzungen, A. brachialis und große Nervenstämme können mitverletzt sein, 7. Ruhigstellung erfolgt in Mittelstellung; der Zwischenknochenraum ist so am größten und beugt Brückenkallusbildung vor, 8. Subluxatio radii per anularis (→ nurse luxation, Chassaignac-Lähmung). Pseudoparese des Unterarms kleiner Kinder infolge Subluxation des Radiuskopfes aus dem Lig. anulare radii beim plötzlichen Hochreißen der Kinder am Arm (Therapie: ruckartige Extension bei gleichzeitiger Supination).

bung.

• Ursprungsfläche für Unterarmmuskeln.

Bei Umwendebewegungen bleibt immer ein Teil der Fasern gespannt, die meisten sind jedoch in der Mittelstellung zwischen Pronation und Supination angespannt. Chorda obliqua. Flacher Faserzug am proximalen Ende der Membrana interossea, der in Gegenrichtung verläuft und die Supination bremst. Unmittelbar proximal der Chorda obliqua liegt die Ansatzsehne des M. biceps brachii, die sich bei der Pronation um den Radius wickelt.

9.1.1.2.7 Distales Speichen-Ellen-Gelenk, Articulatio radioulnaris distalis Die Articulatio radioulnaris distalis (Abb. 9.26, 27) ist gleichfalls ein Radgelenk. Incisura ulnaris radii. Die überknorpelte Inzisur bewegt sich bei Supination und Pronation um die feststehende, überknorpelte Circumferentia articularis ulnae. Discus ulnocarpalis (Abb. 9.26, 27). Der dreieckige, zwischen Handwurzelknochen und Ulna

9.1 Systematische Anatomie

683 Olecranon Lig. collaterale radiale

Incisura trochlearis Processus coronoideus

Caput radii Lig. anulare radii

Tendo m. brachialis

Recessus sacciformis (eröffnet)

Chorda obliqua

Tendo m. bicipitis brachii et Bursa bicipitoradialis

Facies medialis Margo anterior

Margo anterior Radius

ulnae

Facies anterior

Facies anterior Facies lateralis

Membrana interossea antebrachii

Articulatio radioulnaris distalis (Kapsel eröffnet)

Processus styloideus ulnae Processus styloideus radii Facies articularis carpalis

Abb. 9.26: Radius und Ulna mit Bandverbindungen in Supinationsstellung. Ansicht von vorn

gelegene Discus articularis ist breitbasig an der distalen ulnaren Radiuskante und mit seiner Spitze am Proc. styloideus ulnae verwachsen. Er wird bei den Umwendebewegungen mit dem Radius mitgeführt. Recessus sacciformis. Die schlaffe Gelenkkapsel setzt an den Knorpelrändern und am Discus ulnocarpalis (Discus articularis) an und bildet proximal zwischen Radius und Ulna eine Reservefalte (Recessus sacciformis) für die Umwendebewegungen.

9.1.1.2.8 Handgelenke, Articulationes manus Am Übergang vom Unterarm zur Hand und an der Hand befinden sich zahlreiche neben- und hintereinander geschaltete Gelenkformationen. Da die Handwurzelknochen bei allen Bewegungen ständig ihre Position ändern, passen sich die korrespondierenden Gelenkpartner jeder Stellung und Belastung durch exakte Bandführungen optimal an. Articulatio radiocarpalis, proximales Handgelenk (Abb. 9.27). Diese typische Articulatio ellipsoidea

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

684 Membrana interossea antebrachii

Radius

Ulna Recessus sacciformis

Articulatio radiocarpalis Articulatio mediocarpalis Processus styloideus radii Os scaphoideum Os trapezium Os trapezoideum Articulatio carpometacarpalis pollicis

Articulatio radioulnaris distalis Processus styloideus ulnae Discus articularis Os lunatum Os triquetrum Os hamatum Os capitatum Lig. intercarpale interosseum

Articulatio carpometacarpale Os metacarpi I

Ligg. metacarpalia interossea

Abb. 9.27: Flachschnitt durch eine rechte Hand. Darstellung der Handgelenke. Palmaransicht

(Eigelenk) verbindet die Handwurzel mit dem Unterarm. £ Gelenkkopf: Os scaphoideum, Os lunatum und

Os triquetrum.

£ Gelenkpfanne: Facies articularis carpalis, Discus

ulnocarpalis.

Das radiokarpale Kompartiment des proximalen Handgelenks besteht aus 2 Abschnitten, die durch eine Knorpelleiste auf der distalen Gelenkfläche des Radius voneinander getrennt werden:

• lateraler Abschnitt → radiale Facette des Radius (Fovea scaphoidea) → Os scaphoideum • medialer Abschnitt → ulnare Facette des Radius (Fovea lunata) → Os lunatum (radialer Teil). Ulnares Kompartiment des proximalen Handgelenks. Das distale Ulnaende beteiligt sich nicht am proximalen Handgelenk, da der Discus ulnocarpalis den Raum zwischen distalem Ulnaende, Os lunatum (ulnarer Teil) und Os triquetrum ausfüllt. Der Diskus dient der Übertragung von Druckkräften und kann durch Degeneration perforiert oder zerstört werden.

Die buchtenreiche Gelenkhöhle steht gelegentlich mit der Articulatio mediocarpalis (meist zwischen Os scaphoideum und Os lunatum) in Verbindung. Recessus ulnaris. Palmare, am Proc. styloideus ulnae gelegene synoviale Aussackung der Gelenkhöhle der Articulatio radiocarpalis. Stellt sich in Arthrographien als tropfenförmiges Gebilde dar. Articulatio mediocarpalis, distales Handgelenk (Abb. 9.27). Das verzahnte Scharniergelenk liegt zwischen proximaler und distaler Reihe der Handwurzelknochen. Größenunterschiede der beteiligten Ossa carpalia bedingen eine geschwungene, wellenförmige Gelenklinie (→ umgedrehter Napoleonshut der Radiologen), die nach distal wie folgt gekrümmt ist: • ulnare zwei Drittel konkav, radiales Drittel

konvex.

Das „verzahnte Scharniergelenk“ wird durch die folgenden Gelenkkörper gebildet:

9.1 Systematische Anatomie

685

£ proximale Gelenkpfanne (Os scaphoideum, Os

lunatum, Os triquetrum): artikuliert mit dem distalen Gelenkkopf (Os hamatum, Os capitatum). £ proximaler Gelenkkopf (Os scaphoideum): artikuliert mit der distalen Gelenkpfanne (Os trapezium, Os trapezoideum). Die Gelenkhöhle weist zahlreiche Seitenbuchten auf, die sich zwischen die Handwurzelknochen erstrecken. In vielen Fällen besteht sogar eine kontinuierliche Verbindung zu den Articulationes carpometacarpales, oft zwischen Os trapezium und Os trapezoideum.

Bewegungen finden immer kombiniert im proximalen und distalen Handgelenk statt (Abb. 9.28): • Palmarflexion, Dorsalextension (quere Achse):

50–60/0/35–60° • Randbewegungen: Radial- und Ulnarduktion (dorsopalmare Achse): 25–30/0/30–40°.

Articulationes intercarpales. In der proximalen und der distalen Reihe sind die Handwurzelknochen Normalwerte Handgelenk Palmarflexion/Dorsalextension

50–60/0/35–60

35–60˚

untereinander gelenkig verbunden. Diese Gelenke erlauben unterschiedlich weite Ausschläge, v. a. zwischen Os lunatum und Os scaphoideum im Sinne einer Rotation. Bandapparat des Carpus (Abb. 9.29, 30). Die in der Terminologia Anatomica aufgeführten Namen reichen zur Beschreibung nicht aus und sind in der Literatur oft auch unklar definiert. 3-Schicht-Gliederung. Hier wird die Klassifikation von Schmidt u. Lanz übernommen. Danach gliedert sich der karpale Bandapparat in eine oberflächliche, mittlere und tiefe Schicht. Oberflächliche Schicht £ Retinaculum flexorum, spannt sich zwischen der Eminentia carpi radialis und der Eminentia carpi ulnaris aus und schließt den Sulcus carpi zum Canalis carpi. £ Retinaculum extensorum, besteht aus zwei Bindegewebeschichten: einer oberflächlichen (supratendinösen) und einer tiefen (infratendinösen). Das Retinaculum extensorum bildet mit 6 vertikal gestellten Septen die 6 Logen für die Extensorensehnen. Mittlere Schicht. Zusammengesetzt aus 3 Bandgruppen.



50–60˚ Radialduktion/Ulnarduktion

25–30/0/30–40



£ Ligg. radiocarpalia, diese werden unterteilt in: Ligg. collaterale carpi radiale, Lig. radiocarpale palmare (wiederum unterteilt in: unbenannte oberflächliche und 3 benannte tiefe Faserzüge: Lig. radioscaphocapitatum, Lig. capitatohamatotriquetrum, Lig. radioulnotriquetrum) und Lig. radiocarpale dorsale (wiederum unterteilt in: Lig. radioscaphoideum, Lig. radiolunatum und Lig. radiotriquetrum). £ ulnokarpaler Komplex mit: Discus articularis, Ligg. radioulnare palmare und dorsale, Lig. ulnolunatum, Lig. ulnotriquetrum, Ligg. ulnocarpale palmare et dorsale, Lig. collaterale carpi ulnare und Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris. £ Lig. intercarpale dorsale (Lig. carpi arcuatum dorsale oder Fick-Bogenband). Tiefe Schicht

25–30˚ 30–40˚

Abb. 9.28: Bewegungsausmaße des Handgelenkes nach der Neutral-Null-Methode (n. H. U. Debrunner)

£ Ligg. intercarpalia palmaria, dorsalia et interossea, verbinden die Ossa carpi kurzstreckig untereinander. Von diesen Bändern werden einzelne gut präparierbare oder funktionell wichtige Vertreter besonders benannt: – Ligg. trapezotrapezoideum palmare, dorsale, interosseum – Ligg. trapezoideocapitatum palmare, dorsale, interosseum

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

686 Ligg. metacarpalia palmaria

Lig. metacarpale dorsale I

Ligg. carpometacarpalia palmaria

Lig. trapeziometacarpale ("volar ligament")

Lig. pisometacarpale Lig. pisohamatum

Lig. carpometacarpale obliquum anterius

Lig. capitatohamatotriquetrum Lig. scaphotrapezium Lig. collaterale carpi ulnare

Lig. collaterale carpi radiale

Lig. ulnotriquetrum Lig. ulnolunatum Lig. radioscaphocapitatum Lig. radioulnare palmare Lig. radiolunotriquetrum

*

= proximales V-Band = distales V-Band = Poirier-Raum

Abb. 9.29: Karpale Bandsysteme der rechten Hand und des Daumensattelgelenks. Palmaransicht. Das Lig. radioscaphocapitatum ist zweigeteilt (Var.). Beachte die Anordnung des proximalen und distalen V-Bandes (rosa). Die Binnenbänder sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt und der Canalis carpi ist durch Entfernung des Retinaculum flexorum eröffnet (n. H. M. Schmidt und U. Lanz)

– Ligg. hamatocapitatum palmare, dorsale, interosseum – Lig. lunotriquetrum palmare – Ligg. scapholunatum palmare, interosseum – Lig. scaphotrapezium palmare – Lig. radioscapholunatum palmare (Testut-Band) – Lig. pisohamatum. Das Lig. carpi radiatum ist eine palmare variable Struktur und wird hier nicht, wohl aber in der Terminologia anatomica berücksichtigt.

In der Klinik wird neben dieser anatomischen Einteilung eine vereinfachte Bänderklassifikation verwendet. Zwei palmare V-Bänder (proximal, distal) stehen einem dorsalen V-Band gegenüber.

£ Proximales palmares V-Band: Lig. radiolu-

notriquetrum und Lig. ulnolunatum.

£ Distales palmares V-Band: Lig. radioscapho-

capitatum und Lig. capitatohamatotriquetrum. £ Dorsales V-Band: Lig. intercarpale dorsale, Lig. radiolunatum und Lig. radiotriquetrum dorsale. Klinik: 1. perilunäre Handwurzelluxation. Handwurzel unter Aussparung des Os lunatum nach dorsal luxiert, 2. De-Quervain-Fraktur. Bei gleichzeitig vorliegender Fraktur des Os scaphoideum verbleibt das proximales Fragment mit dem Os lunatum in gehöriger Position, während das distale mit der übrigen Handwurzel nach dorsal luxiert.

9.1 Systematische Anatomie

687 Ligg. metacarpalia dorsalia

Lig. metacarpale dorsale I

Lig. carpometacarpale obliquum posterius

Ligg. carpometacarpalia dorsalia

Lig. carpometacarpale dorsoradiale

Lig. intercarpale dorsale

Lig. radioscaphoideum

Lig. collaterale carpi ulnare Lig. ulnolunatum

Lig. radiolunatum

Lig. radioulnare dorsale

Lig. radiotriquetrum dorsale

*

= dorsales V-Band

Abb. 9.30: Karpale Bandsysteme der rechten Hand und des Daumensattelgelenks. Dorsalansicht. Beachte das dorsale V-Bandes (rosa). Die Binnenbänder sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt (n. H. M. Schmidt und U. Lanz)

Daumensattelgelenk, Articulatio carpometacarpalis I (pollicis) (Abb. 9.10, 11). Gelenkige Verbindung zwischen Os trapezium und Basis ossis metacarpi I. Die einzigartige Flächenform durch gegensinnige Krümmungen erlaubt den großen Bewegungsumfang des Daumens, ähnlich wie in einem Kugelgelenk: • Extension, Flexion, palmare und radiale Abduk-

tion, Adduktion und Rotation sind möglich (Abb. 9.31).

Bei der Rotation um die Längsachse des Os metacarpale I wird der Gelenkflächenkontakt bis auf zwei kleine Berührungsflächen aufgehoben. Dadurch entsteht eine punktuell sehr hohe Belastung. Die Rotation ist Voraussetzung für die Opposition, die sich aus Extension, Abduktion, Flexion,

Adduktion und Innenrotation zusammensetzt. Die Opposition stellt den Daumen dem Kleinfinger gegenüber, so dass sich Daumen- und Kleinfingerkuppe berühren. Bänder des Daumensattelgelenkes: £ £ £ £

Lig. carpometacarpale dorso-radiale Lig. carpometacarpale obliquum anterius Lig. carpometacarpale obliquum posterius Lig. trapeziometacarpale.

Klinik: Rhizarthrose. Arthrose (degenerative Gelenkerkrankung, Gelenkverschleiß) des Daumensattelgelenks durch hohe Belastung bei Opposition (Rotation!); Schmerzen strahlen ggf. in den Unterarm aus.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

688 Finger Daumensattelgelenk Abduktion/Adduktion in Palmarebene

70/0

70˚



Handwurzel-Mittelhandgelenke, Articulationes carpometacarpales II–V (Abb. 9.27). Die Amphiarthrosen haben einen zickzackförmigen, einheitlichen Gelenkspalt zwischen den Ossa metacarpalia II–V und der distalen Handwurzelknochenreihe. Der Gelenkspalt kommuniziert mit den Articulationes intermetacarpales und der Articulatio mediocarpalis. Gelenkkapsel und Bänder sichern die Gelenke: £ Ligg. carpometacarpalia dorsalia, palmaria et

Abduktion/Adduktion senkrecht zur Palmarebene

interrossea. Sie ziehen von den Ossa carpi zu den Ossa metacarpi. Besonders benannt: das Lig. pisometacarpale zwischen Os pisiforme und Basis ossis metacarpi V.

70/0

70˚



Daumengrundgelenk Flexion/Extension

50/0



Bänder und knöcherne Verzahnung bewirken eine straffe Verbindung der Ossa metacarpalia II und III mit den Handwurzelknochen. Die Ossa metacarpalia IV und V sind lockerer befestigt (geringe Oppositionsmöglichkeit des Dig. V). Gelenke zwischen Mittelhandknochen, Articulationes intermetacarpales (Abb. 9.27). Amphiarthrosen. Drei Gelenke zwischen den seitlichen Flächen der Ossa metacarpalia II–V. Straffer Bandapparat, bestehend aus: £ Ligg. metacarpalia dorsalia, palmaria et intero-

ssea. Sie spannen sich zwischen den Basen der Ossa metacarpi aus.

50˚

Daumenendgelenk Flexion/Extension

80/0



Fingergrundgelenke, Articulationes metacarpophalangeae (Abb. 9.11). Es handelt sich um eingeschränkte Kugelgelenke mit den Capita ossium metacarpalium als Gelenkköpfen und den Bases phalangium proximalium als Gelenkpfannen. Die Gelenkkapsel ist geräumig, schlaff. Es besteht ein komplexer Bandapparat: £ Ligg. collateralia, liegen radial (stärker) und

80˚

Abb. 9.31: Bewegungsausmaße der Daumengelenke nach der Neutral-Null-Methode (n. H. U. Debrunner)

ulnar (schwächer). Diese Kollateralbänder bestehen aus 3 Anteilen (Lig. collaterale proprium, Lig. collaterale accessorium und Lig. phalangoglenoidale), führen die Gelenkpartner während der Fingerexkursionen und verhindern ein Klaffen des Gelenkspaltes (Abb. 9.32 a–c). £ Ligg. sagittalia, an ulnarer bzw. radialer Seite des Gelenkes liegende Bandzüge, die von der Dorsalaponeurose ausgehen und sich mit dem Lig. metacarpale transversum profundum verbinden (Abb. 9.33).

9.1 Systematische Anatomie

689 Lig. collaterale accessorium

Lig. collaterale

Lig. phalangoglenoidale

A2

A1 FDP

FDS

palmare Platte

a

Lig. metacarpale transversum profundum

A2 A1

b

Abb. 9.32 a: Kapselbandapparat der Articulatio metacarpophalangealis. FDP: Sehne des M. flexor digitorum profundus, FDS: Sehne des M. flexor digitorum superficialis, A1: Ringband A1, A2: Ringband A2 (n. H. M. Schmidt und U. Lanz). b: Streckstellung. Das Lig. collaterale ist entspannt. Das Lig. collaterale accessorium und das Lig. phalangoglenoidale sind gespannt und begrenzen die Streckung. c: Beugestellung. Alle Bänder sind gespannt. Beachte, dass sich der Zwischenraum bei den Ringbändern A1 und A2 verengt hat (Abb. 9.32 a–c n. H. M. Schmidt und U. Lanz).

A1

c

A2

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

690

£ Palmare Platte. Es handelt sich um eine palmar

gelegene, die Gelenkpfanne vergrößernde Platte. Diese Struktur besteht, wie auch an den Fingergelenken, aus einer annähernd rechteckigen, distal verdickten Faserknorpelplatte (Fibrocartilago palmaris), proximal aus einem dünnen bindegewebigen Anteil. Dieser geht in 2 Zügelbänder (check-rein-ligaments) über, die unmittelbar proximal vom Caput ossis metacarpi am Schaft befestigt sind. Die palmaren Platten vergrößern den Abstand der Beugesehnen von der Drehachse der Grundgelenke (→ Drehmomenterhöhung), verhindern das Einklemmen der Beugesehnen im Grundgelenkspalt und hemmen die Hyperextension. Die Terminologia Anatomica (1998) ist in bezug auf die palmare Platte unzureichend und ungenau, da sie den früher verwendeten falschen Terminus „Lig. palmare“ übernommen hat.

£ Lig. metacarpale transversum profundum (cave:

Mm. interossei liegen dorsal des Bandes, Mm. lumbricales palmar!), das Band verbindet die Faserknorpelplatten von Digg. II–V miteinander, wodurch eine übermäßige Spreizung der Hand verhindert wird.

Zirkulärer metakarpophalangealer Halteapparat (Zancolli-Komplex; Abb. 9.33). Dieser kompliziert gebaute Bandapparat umhüllt das gesamte Grundgelenk und setzt sich im Wesentlichen aus den oben genannten Bandstrukturen zusammen. Die radial und ulnar neben der Beugesehnenscheide gelegene komplexe Vereinigungszone wird als metakarpophalangealer Vereinigungskern (Zancolli) (Abb. 9.33) bezeichnet. Der Zancolli-Komplex stabilisiert den Bewegungsablauf, führt die Gelenkstrukturen und die palmare Platte.

Sehne des M. extensor digitorum

Lamina intertendinea (Pars transversa)

Ligg. collateralia M. interosseus dorsalis (Strecksehnenansatzfasern)

Lig. sagittale

Caput metacarpale

M. interosseus (Knochenansatzfasern) palmare Platte Lig. metacarpale transversum profundum

metacarpophalangealer "Vereinigungskern" (ZANCOLLI) Sehnen des M. flexor digitorum superficialis u. profundus

A. u. N. digitalis palmaris proprius M. lumbricalis

Ringband A1

Abb. 9.33: Zirkulärer metakarpophalangealer Halteapparat (Zancolli-Komplex). Ansicht von proximal. Der „metakarpophalangeale Vereinigungskern“ ist durch einen roten Kreis hervorgehoben (n. H. M. Schmidt und U. Lanz)

9.1 Systematische Anatomie

Mechanik. Die Bewegung erfolgt um 2 Hauptachsen: • Flexion und Extension um eine quere radioul-

nare Achse (Neutral-Null-90°)

• Abduktion (Fingerspreizen) und Adduktion um

eine dorsopalmare Achse

• Rotation (Drehung) ist nur passiv möglich, da

691

(brachioradiale Muskeln, dorsale Extensoren und ventrale Flexoren), Handmuskeln (Thenarmuskeln, mittlere Handmuskeln, Hypothenarmuskeln). Zu allen Muskeln: Ursprung, Ansatz, Innervation, Gefäßversorgung, Wirkung. Faszien, Sehnenscheiden und Schleimbeutel.

entsprechende Muskeln fehlen.

Spreizen gelingt nur in Streckstellung, da bei der Beugung die Kollateralbänder stark gespannt werden.

Zirkumduktion heißt die Kombination aus den Hauptbewegungen. Das Grundgelenk des Daumens nimmt eine Sonderstellung ein, indem es nur Scharnierbewegungen gestattet (0–80°). Weiterhin weist es palmar in der Gelenkkapsel regelmäßig ein radiales und ein ulnares Sesambein auf. Articulationes interphalangeae manus. Scharniergelenke mit einem Freiheitsgrad. Gelenkkörper. Der rollenförmige Kopf (Caput sive Trochlea phalangis) des Grund- und Mittelgliedes liegt in der flachen, mit einer Führungsleiste versehenen Gelenkpfanne an der Basis des Mittel- und Nagelgliedes. Gelenkkapsel. Wird durch Bänder und Bindegewebestrukturen verstärkt: £ Ligg. collateralia, Ligg. collateralia accessoria

und Ligg. phalangoglenoidalia. Sie sind in Mittelstellung der Gelenke entspannt, bei starker Beugung oder Streckung maximal gespannt. £ Dorsalaponeurose der Streckmuskeln £ kleine palmare Platte „Ligg. palmaria“ £ Das Interphalangealgelenk des Daumens (Neutral-Null-80°) weist häufig ein interphalangeales Sesambein auf.

Bewegung. Articulatio interphalangea proximalis: Beugung Neutral-Null-100°, Articulatio interphalangea distalis: Beugung Neutral-Null-90°. Interphalangealgelenk des Daumens: Neutral-Null-80°.

9.1.2

Aktiver Bewegungsapparat

Die dorsale Rumpf-Gliedmaßenmuskulatur wird im Kap. 8.5.1, S. 664, besprochen.

Lernziele: Muskelgruppen: ventrale RumpfGliedmaßenmuskeln, Schultermuskeln, ventrale und dorsale Oberarmmuskeln, Unterarmmuskeln

9.1.2.1

Ventrale Rumpf-Gliedmaßenmuskulatur

1. M. pectoralis major (Abb. 9.35, 36). 3 Anteile (nach dem Ursprung). £ Pars clavicularis. O.: mediale Hälfte der Clavi-

cula.

£ Pars sternocostalis. O.: Manubrium und Corpus

sterni, 2.–7. Rippenknorpel.

£ Pars abdominalis. O.: vorderes Blatt der Rek-

tusscheide.

I.: Crista tuberculi majoris, wobei sich die unteren ansteigenden Fasern unter die von oben herabsteigenden Fasern legen, so dass auf der Dorsalfläche des Muskels die nach kranial offene Pektoralistasche entsteht. L.: Nn. pectorales mediales, laterales (C6–C8, Th1); A. thoracoacromialis, A. thoracica lateralis, Aa. intercostales. F.: Adduktion, Innenrotation, Anteversion im Schultergelenk. Zieht den Schultergürtel nach vorn und hebt bei festgestelltem Arm die Rippen, dadurch Brustraumerweiterung (→ Atemhilfsmuskel!) (s. Kap. 10.4, S. 808). Klinik: Poland-Symptomenkomplex. Angeborene Fehlbildung: einseitige Anomalie der Hand (Syndaktylie, Symbrachydaktylie), homolaterale Aplasie des M. pectoralis und fakultativ einseitige Hypo- oder Aplasie der Mamille oder Mamma. 2. M. pectoralis minor (Abb. 9.35, 36). O.: Mit 3 Zacken 1–2 cm lateral der Knochenknorpelgrenze der 3.–5. Rippe. I.: Proc. coracoideus. L.: Nn. pectorales mediales, laterales (C6–C8, Th1); A. thoracoacromialis, Aa. intercostales. F.: Muskel verwächst bei seiner Insertion mit dem M. coracobrachialis, zieht den Schultergürtel nach vorn und unten. Bei festgestelltem Arm

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

692

N. occipitalis major (R. cutaneus posterior C II) Lig. (Septum) nuchae N. occipitalis minor (Plexus cervicalis) M. trapezius

M. semispinalis capitis (M. transversooccipitalis) M. splenius capitis M. sternocleidomastoideus M. levator scapulae M. supraspinatus M. trapezius (abgeschnitten) Fascia m. infraspinati

Vertebra prominens

M. deltoideus

C VIII Th I

M. teres major M. latissimus dorsi Th VII

M. latissimus dorsi (abgeschnitten)

Rr. cutanei thoracales laterales (abgeschnitten)

M. serratus anterior M. rhomboideus major M. serratus posterior inferior

R. dorsalis Th XII

N. iliohypogastricus

M. latissimus dorsi (abgeschnitten) M. obliquus externus abdominis Trigonum lumbale

M. gluteus medius

Nn. clunium superiores

Fascia thoracolumbalis (Lamina superficialis) M. gluteus maximus

Abb. 9.34: Gliedmaßenmuskeln des Rückens. Links: oberflächliche Lage und Rr. dorsales der Spinalnerven; rechts: M. trapezius entfernt, M. latissimus dorsi gefenstert

M. serratus anterior

Umbilicus

V. iugularis anterior

Vagina m. recti abdominis (Lamina posterior)

M. transversus abdominis

Arcus costalis

Mm. intercostales

M. rectus abdominis (usertio)

M. latissimus dorsi

Pars abdominalis m. pectoralis majoris

Pars sternocostalis m. pectoralis majoris

Pars clavicularis m. pectoralis majoris

M. deltoideus

Extremitas acromialis claviculae

Trigonum clavipectorale

V. cephalica

Fossa supraclavicularis major

M. obliquus internus abdominis

Fossa supraclavicularis minor

Abb. 9.35: Die ventralen Rumpf-Gliedmaßenmuskeln. Links oberflächliche Lage; rechts M. pectoralis major zur Darstellung der tiefen Lage gefenstert

M. obliquus internus abdominis

Vagina m. recti abdominis (Lamina anterior)

Linea alba

M. transversus abdominis

M. obliquus externus abdominis

M. subscapularis

M. teres major

M. latissimus dorsi

M. pectoralis minor M. pectoralis major (Pars costalis) M. deltoideus

V. cephalica

V. axillaris

M. subclavius

Corpus claviculae

M. trapezius

M. omohyoideus

V. iugularis externa

M. sternocleidomastoideus (Origines)

9.1 Systematische Anatomie 693

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

694 Trigonum deltoideopectorale M. coracobrachialis N. musculocutaneus

M. trapezius, Clavicula M. deltoideus

Mm. scaleni medius et posterior Plexus brachialis M. pectoralis minor M. omohyoideus M. scalenus anterior

A. axillaris

M. sternocleidomastoideus

Medianusschlinge (mediale und laterale Medianuszinke) M. subclavius M. intercostalis externus M. intercostalis internus M. pectoralis major M. pectoralis minor

Rippenursprünge des M. pectoralis major (Pars sternocostalis) M. coracobrachialis Gefäss-Nervenstrang M. latissimus dorsi

M. pectoralis major (Pars abdominalis) M. rectus abdominis

M. teres major M. subscapularis Angulus inferior scapulae

M. obliquus externus abdominis Mm. intercostales interni

M. serratus anterior M. transversus abdominis M. latissimus dorsi M. obliquus externus abdominis

Lamina anterior vaginae m. recti abdominis

M. obliquus internus abdominis

Abb. 9.36: Rumpf-Gliedmaßenmuskeln von vorn und seitlich gesehen. Die Achselhöhle mit dem Gefäß-Nervenbündel und der M. serratus anterior durch Fenstern der Mm. pectorales major und minor und Abhebeln des M. latissimus dorsi dargestellt

bewirkt er eine Hebung der Rippen (→ Atemhilfsmuskel!) (s. Kap. 10.4, S. 808). Spannt die Fascia clavipectoralis. 3. M. subclavius (Abb. 9.35, 36). O.: Knochenknorpelgrenze der 1. Rippe (lateral vom Lig. costoclaviculare). I.: Untere Fläche der Clavicula (gelegentlich am Proc. coracoideus oder Lig. coracoclaviculare).

L.: N. subclavius (C5, C6); A. suprascapularis. F.: Die Clavicula wird gegen das Sternum gezogen und der Zusammenhalt der Articulatio sternoclavicularis gesichert. Auf Grund seiner Fiederung ist der Muskel trotz seiner schlanken Gestalt recht kräftig. Der spindelige M. subclavius liegt im Sulcus subclavius und wird von der derben Fascia clavipectoralis eingeschlossen, die er anspannt. Die durch den M. subclavius und M. pectoralis minor

9.1 Systematische Anatomie

stets gespannte Faszie hält das Lumen der V. subclavia, die mit der Faszie fest verbunden ist, stets geöffnet. 4. M. serratus anterior (Abb. 9.35, 36). 3 Anteile (nach der Lokalisation bzw. Faserrichtung). £ Pars superior: vom Ursprung zum Ansatz

ansteigende Fasern. O.: 1. und 2. Rippe. I.: Angulus superior scapulae. F.: geringe Hebung der Scapula, Rückführung des Arms aus der Elevation. £ Pars intermedia (sive media sive divergens): horizontale Fasern. O.: 2. und 3. (4.) Rippe. I.: Margo medialis scapulae. F.: Verlagerung der Scapula nach vorn und lateral. £ Pars inferior (sive convergens): schräg ansteigende Fasern. O.: 5.–9. Rippe. I.: Angulus inferior scapulae. F.: Skapulasenkung. Verlagerung des Angulus inferior nach vorn, wodurch die Scapula so gedreht wird, dass das Acromion nach dorsal verlagert und dadurch die Erhebung des Armes über die Horizontale (bei gleichzeitig kontrahiertem M. deltoideus) ermöglicht wird. Der Muskel fixiert den Margo medialis am Rumpf. L.: N. thoracicus longus (C5–C7); A. thoracica lateralis, A. thoracodorsalis, A. thoracica suprema, Aa. intercostales, A. transversa colli. Oft existieren 10 Ursprungszacken, da von der 2. Rippe häufig 2 Zacken entspringen.

F.: Der Gesamtmuskel fixiert den Margo medialis am Rumpf. Bei festgestellter Scapula hebt er die Rippen (Inspiration) (s. Kap. 10.4, S. 808). Klinik: Scapula alata (Engelflügelstellung). Flügelförmig abstehendes Schulterblatt bei Serratuslähmung, jedoch auch bei leptosomem (schlankwüchsigem) Körperbau.

9.1.2.2

Schultermuskeln

1. M. deltoideus (Abb. 9.34 bis 40). 3 Anteile (nach dem Ursprung). £ Pars spinalis (schräg absteigende Fasern). O.:

unterer Rand der Spina scapulae und Fascia infraspinata. F.: adduziert, außenrotiert und retrovertiert bei herabhängendem Arm. Bei bereits abduziertem Arm wird die weitere Abduktion unterstützt.

695

£ Pars acromialis (senkrecht absteigende Fasern).

O.: äußerer Rand des Akromions. F.: außenrotiert und abduziert bei herabhängendem Arm. £ Pars clavicularis (schräg absteigende Fasern). O.: laterales Drittel der Clavicula. F.: innenrotiert und adduziert ebenfalls bei herabhängendem Arm. Bei bereits abduziertem Arm wird die weitere Abduktion unterstützt. I.: Tuberositas deltoidea. L.: N. axillaris (C5, C6); A. circumflexa humeri posterior, A. thoracoacromialis, A. profunda brachii. F.: Die komplizierte Innenarchitektur mit Fiederung und Sehneninterkalation dient der Halteund Bewegungsfunktion. Die verschiedenen Partien des Muskels wirken antagonistisch. Bei gemeinsamer Kontraktion heben sich die rotierenden Komponenten der Pars clavicularis und der Pars spinalis auf; Resultante ist die kräftige Abduktion bis zur Horizontalen. Der Gesamtmuskel trägt das Gewicht des Arms. 2. M. supraspinatus O.: In der gesamten Fossa supraspinata und von seiner derben Fascia supraspinata. I.: Obere Facette des Tuberculum majus, Gelenkkapsel. L.: N. suprascapularis (C4–6); A. suprascapularis, A. circumflexa scapulae. F.: Startermuskel der Abduktion und Außenrotator. Unterstützt den M. deltoideus und verhindert die Einklemmung der Gelenkkapsel auf Grund seiner Kapselinsertion. Klinik: Rutscht bei der Abduktion der Humeruskopf nach kaudal, so legt sich der obere Kapselanteil in Falten, da er nicht mehr durch den Knochen unterpolstert wird → Kapselfalten können zwischen den Gelenkkörpern eingeklemmt werden. 3. M. infraspinatus O.: Fossa infraspinata (ohne Collum scapulae) und Fascia infraspinata. I.: Mittlere Facette des Tuberculum majus und Gelenkkapsel. L.: N. suprascapularis (C4–C6); A. suprascapularis, A. circumflexa scapulae.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

696

F.: Stärkster Außenrotator, abduziert bei erhobenem Arm, adduziert bei gesenktem und verhindert Gelenkkapseleinklemmung. 4. M. teres minor O.: Mittlere Partie des Margo lateralis scapulae. I.: Untere Facette des Tuberculum majus und Gelenkkapsel. L.: N. axillaris (C4, C5); A. circumflexa scapulae. F.: Außenrotation, Adduktion, verhindert Einklemmung der Gelenkkapsel. Am Ursprung ist der Muskel oft stark mit dem M. infraspinatus verwachsen.

5. M. subscapularis O.: Fossa subscapularis (ohne Collum scapulae), der Muskel wird durch eingeschobene Sehnen, die an den Lineae musculares befestigt sind, mehrfach gefiedert und ragt breit über den unteren Rand des Margo lateralis hinaus. I.: Tuberculum minus, proximaler Teil der Crista tuberculi minoris und Gelenkkapsel. Die Sehne überbrückt den Sulcus intertubercularis und bekommt daher auch Anschluss an die Crista tuberculi majoris. L.: N. subscapularis (C5–C8); Aa. subscapulares. F.: Stärkster Innenrotator (hoher physiologischer Querschnitt mit großer Kraftentfaltung durch starke Fiederung), verhindert Gelenkkapseleinklemmung (kranialer Anteil: Abduktion, bei eleviertem Arm: Adduktion). 6. M. teres major O.: Untere Partie des Margo lateralis scapulae und dorsal vom Angulus inferior scapulae. I.: Crista tuberculi minoris. Von der ebenfalls hier inserierenden Sehne des M. latissimus dorsi ist er durch die Bursa subtendinea m. teretis majoris getrennt. L.: N. thoracodorsalis (C6, C7) und/oder N. subscapularis (C5, C6); Aa. subscapulares. Die Innervation weist daraufhin, dass der M. teres major zusammen mit dem M. subscapularis und dem M. latissimus dorsi aus einem gemeinsamen Blastem entsteht.

F.: Innenrotation, Adduktion und Retroversion im Schultergelenk.

Rotatorenmanschette (Abb. 9.16). Die breiten Sehnen von M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor, M. subscapularis und Lig. coracohumerale verwachsen zu einer derben, gerundeten, nach unten offenen Sehnenplatte, die das Schultergelenk kranial, ventral und dorsal einhüllt. Da diese Platte aus den Sehnen der kurzen Schulterrotatoren gebildet wird, hat sich der Begriff „Rotatorenmanschette“ eingebürgert. Die Rotatorenmanschette liegt im Spatium subacromiale, einer osteofibrösen Loge zwischen Fornix humeri und Caput humeri; sie wird vom Corpus adiposum subacromiale bedeckt. Klinik: Rotatorenmanschettenruptur. 1–2 cm vor der knöchernen Insertion wird die Manschette infolge ungünstiger mechanischer Faktoren schlecht durchblutet und neigt daher zu Degeneration und Sehneneinriss.

9.1.2.3

Leistungen der Schultermuskeln

Komplexe Bewegungsmuster. Kein Muskel arbeitet für sich alleine. Bereits bei einfachen Bewegungen von Schulter oder Arm sind zahlreiche Muskeln oder Teile von ihnen tätig, andere stehen in Reserve, um helfend einzugreifen. Eine Bewegung wird von einem Muskel begonnen und von einem anderen weitergeführt. Während die einen sich kontrahieren, werden andere gedehnt und beeinflussen damit den Ablauf der Bewegung. Von besonderer Bedeutung ist die Ausgangsstellung des Gelenks: Derselbe Muskel kann je nach Ausgangsposition entgegengesetzte Bewegungen ausführen. Die wichtigsten werden im Folgenden dargestellt. Verlagerungen des Schultergürtels Heben (z. B. beim Lastentragen auf der Schulter) erfolgt durch die zum Schultergürtel bzw. Humerus absteigenden Muskeln oder durch Teile von diesen Muskeln: • Pars descendens m. trapezii, M. levator scapu-

lae, Pars clavicularis m. sternocleidomastoidei, Mm. rhomboidei,

9.1 Systematische Anatomie

697

Pars descendens m. trapezii

Spina scapulae

Acromion

Pars transversa m. trapezii

M. deltoideus

Pars ascendens m. trapezii

Fascia infraspinata

M. teres major Caput longum m. tricipitis brachii

M. latissimus dorsi

Caput laterale m. tricipitis brachii

Caput mediale m. tricipitis brachii

Tendo m. tricipitis brachii

Septum intermusculare brachii mediale

M. brachioradialis

N. ulnaris

Caput mediale m. tricipitis brachii

Epicondylus medialis humeri

M. flexor carpi ulnaris

Epicondylus lateralis humeri M. anconeus Bursa subcutanea olecrani

Abb. 9.37: Schulter- und Oberarmmuskeln, von dorsal gesehen. I. Oberflächliche Lage

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

698 Angulus superior scapulae

Articulatio acromioclavicularis

Acromion

Bursa subacromialis

M. supraspinatus

Bursa subdeltoidea Spina scapulae M. deltoideus (Pars acromialis) Humerus M. infraspinatus Laterale Achsellücke M. teres minor

Mediale Achsellücke

Angulus inferior scapulae

M. triceps brachii (Caput laterale)

M. teres major N. radialis (im Sulcus n. radialis)

M. serratus anterior M. latissimus dorsi

M. triceps brachii (Caput laterale) M. triceps brachii (Caput longum) Septum intermusculare brachii laterale M. brachioradialis M. triceps brachii (Caput mediale) M. extensor carpi radialis longus N. ulnaris Epicondylus medialis humeri

Epicondylus lateralis humeri

Bursa subcutanea olecrani Ulna

Abb. 9.38: Schulter- und Oberarmmuskeln von dorsal gesehen. II. Spina scapulae zum Teil entfernt, die Pars spinalis des M. deltoideus abgetragen. Caput laterale des M. triceps brachii gefenstert, um den Verlauf des N. radialis im Sulcus n. radialis zu zeigen

9.1 Systematische Anatomie

• zeitweise durch Pars clavicularis m. pectoralis

majoris und Pars divergens des M. serratus anterior.

Senken oder Tragen des Rumpfes bei aufgestützten Armen oder Hochziehen des Rumpfes beim Seilklettern bewirken Muskelzüge, die zum Schultergürtel bzw. Humerus aufsteigen: • Pars descendens m. trapezii, untere Teile des

M. pectoralis major, M. pectoralis minor, M. subclavius, Pars convergens des M. serratus anterior und M. latissimus dorsi.

Vorwärtsführen (z. B. bei Wurfbewegungen) geschieht durch die Pars divergens und Pars convergens des M. serratus anterior, die Mm. pectorales und teilweise den M. levator scapulae. Zurückführen (z. B. das Ausholen zu Wurfbewegungen) bewirken sämtliche Teile des M. trapezius, die Mm. rhomboidei und die oberen Teile des M. latissimus dorsi. Drehen der Scapula oder Schwenken des Angulus inferior scapulae erfolgt: • ventralwärts (beim Erheben des Armes über die Horizontale) durch die am Angulus inferior inserierende Pars convergens des M. serratus anterior. Unterstützend wirken die am Acromion bzw. an der Spina scapulae ansetzenden, ab- und ansteigenden Teile des M. trapezius. • dorsalwärts durch die Mm. rhomboidei. Unterstützend wirken der M. pectoralis minor, indem er den Proc. coracoideus senkt, und der M. levator scapulae, indem er den Angulus superior hebt. Bewegungen im Schultergelenk £ Um die transversale Achse wird der Arm vor-

wärts und rückwärts gehoben.

Vorwärtsheben (Beugung, Anteversion) bewirken die Partes clavicularis et acromialis m. deltoidei, M. supraspinatus und M. pectoralis major. Ferner folgende Armmuskeln: • M. coracobrachialis, M. biceps brachii. In gerin-

gerem Grade helfen Teile des M. infraspinatus, des M. subscapularis und des M. teres minor.

Rückwärtsziehen des Armes (Streckung, Retroversion) erfolgt durch die Pars spinalis des M. deltoideus, den M. teres major, den M. latissimus

699

dorsi und v. a. durch das Caput longum m. tricipitis brachii. Zeitweise unterstützend wirken M. subscapularis und M. teres minor.

£ Um die sagittale Achse erfolgt die Ab- und

Adduktion des Armes.

Abduktion. Der stärkste Abduktor ist die stark gefiederte Pars acromialis des M. deltoideus, sekundiert durch den M. supraspinatus (Startermuskel der Abduktion). Zeitweise unterstützend wirken Pars clavicularis und Pars spinalis des M. deltoideus, der M. infraspinatus, der M. subscapularis und das Caput longum m. bicipitis brachii.

Adduktion. Der stärkste Adduktor ist der M. pectoralis major. Wenig schwächer sind die Mm. teres major et latissimus dorsi und das Caput longum m. tricipitis brachii. Zeitweise unterstützend wirken Pars clavicularis und Pars spinalis m. deltoidei, Caput breve m. bicipitis brachii und die Mm. coracobrachialis, infraspinatus et teres minor.

Die Adduktoren leisten nahezu doppelt soviel wie die Abduktoren (→ Nehmen ist häufiger als Geben). £ Um die vertikale Achse wird der Arm im Schul-

tergelenk nach innen oder außen rotiert.

Innenrotation oder -kreiselung. Hauptinnenkreiseler ist der M. subscapularis, unterstützt durch den M. pectoralis major und das Caput longum m. bicipitis brachii. Zeitweise unterstützend wirken Pars clavicularis m. deltoidei, M. teres major und M. latissimus dorsi.

Außenrotation oder -kreiselung. Hauptaußenkreiseler ist der M. infraspinatus (zwei Drittel der Leistung). Unterstützt wird er von den Mm. supraspinatus, teres minor, deltoideus (Pars spinalis) und dem Caput longum m. tricipitis brachii.

Unterstützung der Atemexkursionen s. Kap. 10.4, S. 808. Klinik: Die Innenkreiseler entwickeln doppelt soviel Kraft wie die Außenkreiseler → entsprechend werden Bruchstücke bei Frakturen

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

700

verschoben! Mit innenrotiertem Arm erfolgt ein großer Teil der manuellen Arbeiten. Zusammenspiel der Schultergürtel- und Schultergelenkbewegungen (Beispiel: Erhebung des Armes): • M. supraspinatus („Startermuskel“ der Abduk-

tion) und M. deltoideus heben den Arm bis zur Horizontalen. • M. serratus anterior und ab- und aufsteigende Teile des M. trapezius schwenken den Angulus inferior scapulae zusätzlich ventrolateralwärts, wenn der Arm über die Horizontale gelangt. • M. erector spinae beugt bei stärkster Erhebung die Wirbelsäule zur Gegenseite. Dynamik des Bewegungsablaufes. Der Bewegungsumfang einer Gruppe wird nicht ausgeschöpft, bevor die andere in Tätigkeit tritt. Vielmehr kommt gerade durch das frühzeitige Eingreifen der anderen Gruppe der flüssige Ablauf der Bewegung zustande.

9.1.2.4

Oberarmmuskeln

Die Muskeln des Oberarmes sind in zwei Logen, der Beuger- und der Streckerloge, untergebracht. Die Beuger (M. biceps brachii, M. coracobrachialis, M. brachialis) werden alle vom N. musculocutaneus, die Strecker (M. triceps brachii, M. anconaeus) vom N. radialis innerviert. 1. M. biceps brachii (Abb. 9.39, 40). Nach der Länge der Ursprungssehnen werden 2 Köpfe unterschieden: £ Caput longum. O.: Tuberculum supraglenoidale

scapulae, Labrum glenoidale.

£ Caput breve. O.: kurzsehnig vom Proc. coraco-

ideus (dort mit M. coracobrachialis untrennbar verwachsen).

I.: Tuberositas radii und mit der flachen Aponeurosis m. bicipitis brachii (sive Lacertus fibrosus = Nebensehne) an der Fascia antebrachii. L.: N. musculocutaneus (C5, C6); Rr. musculares der A. axillaris, Rr. bicipitales der A. brachialis. F.: Da der M. biceps ein zweigelenkiger Muskel ist, muss seine Funktion getrennt für das Schulter- und Ellenbogengelenk betrachtet werden. Schultergelenk. Das Caput longum

abduziert und innenrotiert den Humerus. Das Caput breve adduziert und innenrotiert. Beide Köpfe sind an der Hebung des Arms nach vorn (bis zu 90°) beteiligt. Da die Sehne des langen Bizepskopfs durch den Sulcus intertubercularis geführt wird und intraartikulär über das Caput humeri zum Tuberculum supraglenoidale verläuft, wird ein Hochsteigen und Anstoßen des Humerus am Fornix humeri verhindert. Ellenbogengelenk. Der Bizeps ist der kräftigste Beuger, Supinator (bei Beugung) und Spanner der Unterarmfaszie. Bemerkenswert ist, dass die Fasern des Caput longum m. bicipitis kürzer sind als diejenigen des Caput breve. An der Tuberositas radii schiebt sich immer die Bursa bicipitoradialis zwischen Bizepssehne und Knochen. Bei Pronation wird die Bizepssehne um den Radius gewickelt, bei Supination wieder abgerollt (Prinzip Rollentrieb!). Bei Beugung entfernt sich der Bizeps von der queren Ellenbogengelenkachse und wulstet sich nach ventral vor. Dadurch wird dem M. brachialis Raum für seine eigene Kontraktion gegeben.

Varianten: Verminderung der Köpfe ist selten, eine Vermehrung häufig. 2. M. coracobrachialis (Abb. 9.39, 40). O.: Spitze des Proc. coracoideus. I.: Vorderfläche des Humerus distal der Crista tuberculi minoris und am Septum intermusculare mediale. L.: N. musculocutaneus (C6, C7); Aa. circumflexae humeri. F.: Haltemuskel, der besonders die Subluxation des Humeruskopfes nach kaudal verhindert. Außerdem adduziert und innenrotiert er den erhobenen Arm und ist an der Anteversion und Elevation des Armes beteiligt. Der M. coracobrachialis ist der Leitmuskel für das Gefäß-Nervenbündel des Oberarmes und wird vom N. musculocutaneus durchbohrt, weshalb er früher auch M. perforatus brachii hieß.

3. M. brachialis (Abb. 9.39, 40). O.: Vorderfläche der distalen Humerushälfte, Septa intermuscularia. I.: Tuberositas ulnae, Gelenkkapsel des Ellenbogengelenkes. L.: N. musculocutaneus, N. radialis (in 75 % laterale Randpartie; C5, C6); Aa. collateralis ulnaris superior und inferior, Rr. musculares aus A. brachialis.

9.1 Systematische Anatomie

701 Trigonum omoclaviculare [Fossa supraclavicularis major]

Articulatio acromioclavicularis

M. trapezius M. sternocleidomastoideus

Acromion M. subclavius Trigonum clavipectorale [Trigonum deltoideopectorale]

M. deltoideus

Tendo m. pectoralis minoris

Sulcus deltoideopectoralis

M. pectoralis major

M. coracobrachialis M. pectoralis major (Insertio) M. subscapularis Caput longum

M. latissimus dorsi

M. biceps brachii

Caput breve

Caput longum m. tricipitis brachii

Caput laterale m. tricipitis brachii

M. brachialis

Caput mediale

Septum intermusculare brachii mediale

N. medianus, A. brachialis Tendo m. bicipitis brachii Epicondylus medialis humeri M. brachioradialis Aponeurosis m. bicipitis brachii (Lacertus fibrosus) M. extensor carpi radialis longus M. extensor carpi radialis brevis

A. radialis M. pronator teres

Abb. 9.39: Oberflächliche Schulter- und Oberarmmuskeln. Ansicht von vorn

F.: reiner Beuger im Ellenbogengelenk sowohl bei Pro- als auch bei Supination. Verhindert die Einklemmung der Gelenkkapsel. 4. M. triceps brachii. 3 Köpfe (nach den Ursprüngen; Abb. 9.37, 38). £ Caput longum. O.: extraartikulär vom Tubercu-

lum infraglenoidale scapulae (zweigelenkig).

£ Caput laterale. O.: dorsale Fläche des Humerus

proximal des Sulcus n. radialis, proximale zwei Drittel des Septum intermusculare brachii laterale (eingelenkig). £ Caput mediale. O.: dorsale Fläche des Humerus distal des Sulcus n. radialis, Septum intermusculare brachii mediale und distales Drittel des

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

702 M. deltoideus et Bursa subacromialis

M. trapezius

M. sternocleidomastoideus M. subclavius M. pectoralis major

Processus coracoideus

Facies articularis sternalis claviculae

Bursa subdeltoidea

M. levator scapulae Vagina synovialis intertubercularis

M. omohyoideus

M. deltoideus

M. serratus anterior

Tendo capitis longi m. bicipitis brachii

M. pectoralis minor

Caput breve m. bicipitis brachii

M. coracobrachialis

M. coracobrachialis

M. subscapularis

M. pectoralis major M. serratus anterior M. latissimus dorsi M. teres major M. triceps brachii M. triceps brachii M. brachialis

Septum intermusculare brachii laterale

Septum intermusculare brachii mediale

Tendo et aponeurosis m. bicipitis brachii M. brachioradialis

Epicondylus medialis

M. extensor carpi radialis longus

M. pronator teres

M. extensor carpi radialis brevis

M. flexor carpi ulnaris

Abb. 9.40: Tiefe Schulter- und Oberarmmuskeln. Ansicht von ventral. M. deltoideus, M. biceps brachii, M. pectoralis major, M. pectoralis minor sind größtenteils abgetragen. Das Schlüsselbein ist nach dorsal verlagert

9.1 Systematische Anatomie

Septum intermusculare brachii laterale (eingelenkig). I.: Olecranon, Fascia antebrachii und Gelenkkapsel des Ellenbogengelenkes. L.: N. radialis (C6–C8, evtl. Th1); A. circumflexa humeri posterior, A. profunda brachii, Aa. collaterales ulnares. F.: Das Caput longum bewirkt im Schultergelenk eine Retroversion, Adduktion und schwache Außenrotation; im Ellenbogengelenk ist der Muskel der einzige Strecker, wobei das Caput mediale die Hauptarbeit leistet. Die an der Gelenkkapsel inserierenden Fasern verhindern die Einklemmung und werden bei kräftiger Ausbildung auch als M. articularis cubiti bezeichnet. 5. M. anconaeus (griech. ancon [αγκων] = Ellenbogen) (auch Caput quartum oder Anconaeus quartus des Triceps genannt, da Fortsetzung des Caput mediale, dreieckige Form; Abb. 9.41). O.: Dorsal vom Epicondylus lateralis humeri, von der Gelenkkapsel und vom Lig. collaterale radiale. I.: Dorsoradiale Kante des Olekranons. L.: N. radialis (C7, C8); A. interossea recurrens. F.: Unterstützt die Streckung im Ellenbogengelenk und verhindert die Einklemmung der Gelenkkapsel. Zusätzlich sichert er durch seine starke radiale Komponente den Zusammenhalt der beiden Unterarmknochen. Da der Muskel entwicklungsgeschichtlich zum M. triceps brachii gehört, wird er bei den Oberarmmuskeln besprochen, topographisch ist er Teil des Unterarms.

Wirkung der Oberarmmuskeln auf das Ellenbogengelenk • Die zweigelenkigen Muskeln (M. biceps bra-

chii, Caput longum m. tricipitis brachii) entfalten bei gleichzeitiger Wirkung auf Schulter- und Ellenbogengelenk nicht ihre volle Kraft, weil die Ursprünge frühzeitig genähert werden. Vielmehr beugt der Bizeps bei Streckung im Schultergelenk (rückwärts gehobener Arm) am besten im Ellenbogengelenk. • Der M. trizeps brachii streckt bei Beugung und Abduktion im Schultergelenk am besten im Ellenbogengelenk. Beispiel: ein kräftiger Hammerschlag wird mit vor- und seitwärts gehobenem Arm ausgeführt.

703

Die Beugung im Ellenbogengelenk wird unterstützt durch die am Oberarm entspringenden Muskeln des Unterarmes: die radiale Gruppe (→ M. brachioradialis, Mm. extensor carpi radialis longus et brevis) und die ulnare Gruppe (→ M. pronator teres, M. palmaris longus, M. flexor carpi radialis). Diese Muskeln sind an der Gesamtbeugung mit etwa 30 % beteiligt. Exakt um diese 30 % sind die Beuger den Streckern überlegen (→ erklärt die Beugung bei spastischer Lähmung und die Fechterstellung von Brandleichen).

9.1.2.5

Unterarmmuskeln

19 Muskeln (Abb. 9.41–47) werden unterschieden! Die oberflächliche Schicht entspringt vom Humerus, die tiefe an der proximalen Hälfte von Radius, Ulna und Membrana interossea antebrachii. Distal gehen die Muskeln in Sehnen über, die gestaffelt an Unterarmknochen, Handwurzel- bzw. Mittelhandknochen und Fingern ansetzen. Diese Anordnung entlastet die Hand von überflüssiger Muskelmasse, gibt ihr Kraft und eine schlanke Form und qualifiziert sie so zum Greif- und Tastorgan. Die große Zahl der Muskeln ist morphologischer Ausdruck einer differenzierten, wohl abgestuften Bewegung in vielen Gelenken.

Einteilung 1. dorsale Extensorengruppe (→ N. radialis). 2. ventrale Flexorengruppe (→ N. medianus, N. ulnaris). 3. radiale Muskelgruppe oder Gruppe der brachioradialen Muskeln (→ N. radialis). In der Phylogenese hat sich ein Teil der dorsalen Extensoren nach ventral verschoben und ist zu Beugern im Ellenbogengelenk geworden. Die streckende Wirkung auf das Handgelenk ist jedoch nur bei zweien (Mm. extensores carpi radialis longus et brevis) erhalten geblieben, die somit auch als Radialextensoren bezeichnet werden. Die Anwendung des Begriffes „Radialextensoren“ für die gesamte radiale (= brachioradiale) Muskelgruppe ist abzulehnen.

9.1.2.5.1 Extensoren Die Extensoren (Abb. 9.41, 42) sind in Schichten angeordnet, wobei die oberflächlichen eher gerade und die tiefen eher schräg verlaufen.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

704

Tendo et caput mediale m. tricipitis brachii

M.biceps brachii M. brachialis

Septum intermusculare brachii laterale M. brachioradialis Epicondylus lateralis humeri

Olecranon M. anconaeus

M. extensor carpi radialis longus M. extensor carpi radialis brevis

Septa intermuscularia

M. extensor carpi ulnaris M. extensor digitorum [communis] Margo posterior ulnae

M. extensor digiti minimi M. abductor pollicis longus M. extensor pollicis brevis Radius

Tendo m. extensoris carpi ulnaris

M. abductor digiti minimi

Retinaculum musculorum extensorum [Lig. carpi dorsale] Tendo m. extensoris pollicis longi Tendo m. extensoris carpi radialis brevis Tendo m. extensoris carpi radialis longi Tendines m. extensoris digitorum

Tendo m. extensoris digiti minimi M. interosseus dorsalis I Connexus intertendinei Tendo m. extensoris indicis Lig. metacarpale transversum profundum

Abb. 9.41: Unterarm- und Handmuskeln eines supinierten rechten Armes. Dorsalansicht. Oberflächliche Lage

9.1 Systematische Anatomie

705

M. triceps brachii

M. brachialis M. biceps brachii

Septum intermusculare brachii laterale

M. brachioradialis

Epicondylus lateralis humeri M. extensor carpi radialis longus Capitulum humeri

Olecranon

Caput radii

M. anconaeus

M. supinator M. extensor carpi radialis brevis

R. profundus n. radialis

Corpus ulnae

M. extensor pollicis longus

M. abductor pollicis longus M. extensor pollicis brevis

M. extensor indicis

Radius

Tendo m. extensoris digiti minimi Processus styloideus ulnae

Retinaculum extensorum Os trapezoideum

Tendo m. extensoris carpi ulnaris Os capitatum Os hamatum Articulatio carpometacarpalis M. abductor digiti minimi Mm. interossei dorsales III et IV

Tendo m. extensoris pollicis longi, Os trapezium Tendo m. extensoris carpi radialis longi et brevis Tendo m. extensoris pollicis brevis Mm. interossei dorsales I et II Tendo m. extensoris indicis

Connexus intertendineus

Tendines m. extensoris digitorum

Aponeuroses dorsales digitorum Articulatio interphalangea pollicis

Abb. 9.42: Unterarm- und Handmuskeln eines supinierten rechten Armes. Dorsalansicht der tiefen Lage. Oberflächliche Muskeln sind zum Teil entfernt. Ellenbogengelenk und Handwurzelknochen sind freigelegt, um ihre Lage zu den Muskeln und Sehnen zu zeigen

706

Oberflächliche Schicht: M. extensor digitorum, M. extensor digiti minimi, M. extensor carpi ulnaris. Tiefe Schicht: M. abductor pollicis longus, M. extensor pollicis brevis, M. extensor indicis. 1. M. extensor digitorum communis (4. Sehnenfach) O.: Epicondylus lateralis humeri, Lig. collaterale radiale, Lig. anulare radii, Fascia antebrachii. I.: Dorsalaponeurose Digg. II–V. Die Sehnen sind in Höhe der Köpfe der Ossa metacarpalia durch Connexus intertendinei (sive Juncturae tendineae) verbunden, wodurch die Eigenständigkeit der Fingerbewegungen eingeschränkt wird. L.: Rr. musculares des R. profundus n. radialis (C6–C8), die in die Unterfläche des Muskels eintreten; A. interossea posterior. F.: Streckt das 2.–5. Fingergrundgelenk bei beliebiger Stellung des Handgelenkes, streckt im Mittel- und Endgelenk bei flektiertem Handgelenk. Spreizt Digg. II–V, streckt im Handgelenk, bewirkt Ulnarduktion. 2. M. extensor digiti minimi (5. Sehnenfach) O.: Epicondylus lateralis humeri, mit dem M. extensor digg. comm. untrennbar verwachsen. I.: Mit häufig zweigeteilter Sehne an der Dorsalaponeurose des Dig. V. L.: Rr. musculares des R. profundus n. radialis (C6–C8); A. interossea posterior. F.: Streckung und Abspreizung von Dig. V, Streckung und Ulnarduktion im Handgelenk. 3. M. extensor carpi ulnaris (6. Sehnenfach), nach dem Ursprung werden 2 Köpfe unterschieden: £ Caput humerale. O.: Epicondylus lateralis

humeri, Lig. collaterale radiale, Lig. anulare radii. £ Caput ulnare. O.: Olecranon, Facies dorsalis ulnae, Margo posterior ulnae, Fascia antebrachii. I.: Dorsal an der Basis ossis metacarpi quinti. L.: Ein Ast des R. profundus n. radialis (C7, C8) tritt an der breitesten Stelle des Muskels in die Unterfläche ein; A. interossea posterior. F.: Streckt im Ellenbogengelenk, starke Ulnarduktion und schwache Extension im Handgelenk.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

4. M. anconaeus s. Kap. 9.1.2.4, S. 700. M. abductor pollicis longus (1. Sehnenfach) O.: Facies dorsalis ulnae, Membrana interossea, Facies dorsalis radii im Anschluss an den M. supinator. I.: Radial an der Basis ossis metacarpi I. L.: R. profundus n. radialis (C7, C8), wobei die Rr. musculares in die Vorderfläche des Muskelbauches eintreten; A. interossea anterior und posterior. F.: Abduktion und Streckung des Daumens im Sattelgelenk, Beugung und Radialduktion im Handgelenk, schwacher Supinator. 5. M. extensor pollicis brevis (1. Sehnenfach) O.: Facies dorsalis ulnae, Membrana interossea, Facies dorsalis radii unterhalb des M. abductor pollicis longus. I.: Dorsal an der Basis der Grundphalanx des Daumens. L.: R. profundus n. radialis (C8); A. interossea anterior und posterior. F.: Strecker und Abduktor im Sattelgelenk des Daumens, Radialduktor im Handgelenk, schwacher Supinator. Der Muskel überkreuzt im distalen Drittel zusammen mit dem M. abductor pollicis longus die brachioradialen Muskeln! 6. M. extensor pollicis longus (3. Sehnenfach) O.: Facies dorsalis ulnae und Membrana interossea im Anschluss an den M. extensor pollicis brevis. I.: Dorsal an der Basis der Endphalanx des Daumens. L.: R. profundus n. radialis (C8), wobei die Rr. musculares in die Oberfläche des Muskelbauches eintreten; A. interossea anterior und posterior. F.: Streckung im Daumengrund- und Endgelenk, Adduktion und Reposition im Sattelgelenk des Daumens, Dorsalextensor und Radialduktor im Handgelenk. Schwacher Supinator. Cave: Das Tuberculum dorsale radii (Listeri) dient dem Extensor pollicis longus als Hypomochlion! 7. M. extensor indicis (4. Sehnenfach) O.: Facies dorsalis ulnae und Membrana interossea unterhalb des M. extensor pollicis longus. I.: Dorsalaponeurose des Zeigefingers.

9.1 Systematische Anatomie

L.: R. profundus n. radialis (C8); A. interossea anterior und posterior. F.: Isolierte Streckung des Zeigefingers, führt diesen an den Mittelfinger und streckt im Handgelenk.

707

9.1.2.5.2 Flexoren, Beuger Die Flexoren (Abb. 9.44 bis 47) sind in 4 Schichten angeordnet: 1. Schicht (oberflächlich): M. pronator teres, M. flexor carpi radialis, M. palmaris longus, M. flexor carpi ulnaris 2. Schicht: M. flexor digitorum superficialis 3. Schicht: M. flexor digitorum profundus, M. flexor pollicis longus 4. Schicht (tief): M. pronator quadratus 1. Schicht (oberflächlich) 1. M. pronator teres. 2 Köpfe (nach dem Ursprung).

M. extensor digiti brevis manus

Lig. radiocarpale dorsale

atypischer M. extensor indicis

Abb. 9.43: Atypischer M. extensor indicis mit Einstrahlung in einen M. extensor digiti brevis manus (abgewandelt n. H. M. Schmidt und U. Lanz)

8. M. extensor digiti brevis manus (meist des Zeigefingers, Abb. 9.43) O.: Distale Reihe der Handwurzelknochen. I.: Dorsalaponeurose des Zeigefingers. L.: N. interosseus dorsalis; A. interossea posterior. F.: Streckung des Zeigefingers. Der Muskel ist sehr variabel und nur in ~ 10% angelegt.

£ Caput humerale (kräftig). O.: Epicondylus

medialis humeri und Septum intermusculare brachii mediale. £ Caput ulnare (schwach). O.: Proc. coronoideus ulnae. I.: Facies dorsalis und lateralis radii distal der Insertion des M. supinator (mittleres Radiusdrittel), Tuberositas pronatoria. L.: Rr. musculares des N. medianus (C6, C7), die vor dem Eintritt des Nerven in den Pronatorkanal abzweigen und in den oberen Muskelrand eintreten; Rr. musculares aus A. brachialis, A. radialis, A. ulnaris. F.: Pronator und Beuger im Ellenbogengelenk. Klinik: Pronatorkanal. Zwischen den beiden Ursprungsköpfen des M. pronator liegt der Pronatorkanal (Medianustunnel). Der hindurch ziehende N. medianus kann durch Druck geschädigt werden (→ peripheres Kompressionssyndrom!). 2. M. flexor carpi radialis O.: Epicondylus medialis humeri, Septa intermuscularia, Fascia antebrachii. I.: Palmar an der Basis ossis metacarpi II (manchmal auch III). L.: N. medianus (C7, C8); Rr. musculares der A. radialis. F.: Schwacher Beuger im Ellenbogengelenk, Pronator, Beuger und Radialduktor im Handgelenk.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

708

M. biceps brachii

M. triceps brachii Septum intermusculare brachii mediale

M. brachialis

N. medianus A. brachialis

Tendo m. bicipitis brachii

Epicondylus medialis

Aponeurosis m. bicipitis brachii A. brachialis

M. pronator teres

M. extensor carpi radialis longus M. brachioradialis

M. flexor carpi radialis M. palmaris longus M. extensor carpi radialis brevis

M. abductor pollicis longus

M. flexor carpi ulnaris

M. extensor pollicis brevis M. flexor digitorum superficialis M. flexor pollicis longus N. medianus Tendo m. abductoris pollicis longi

Tendo m. palmaris longi

Tendo m. extensoris pollicis brevis [ Lig. carpi palmare ] Thenarmuskulatur M. palmaris brevis Hypothenarrmuskulatur

Aa. digitales palmares communes, Nn. digitales palmares proprii

Lig. metacarpale transversum profundum

Fasciculi longitudinales Aponeurosis palmaris Fasciculi transversi

Aa. digitales palmares propriae

Abb. 9.44: Unterarm- und Handmuskeln eines supinierten rechten Armes. Ansicht von vorn. I. Schicht

9.1 Systematische Anatomie

709

N. medianus A. brachialis M. brachialis M. brachioradialis M. extensor carpi radialis longus M. supinator R. profundus n. radialis R. superficialis n. radialis M. extensor carpi radialis brevis

Caput longum m.tricipitis brachii Caput mediale m.tricipitis brachii Septum intermusculare brachii mediale N. ulnaris M. pronator teres (Origo) M. palmaris longus (Origo) Epicondylus medialis Olecranon

Bursa bicipitoradialis Tendo m. bicipitis brachii

N. medianus A. ulnaris M. flexor carpi ulnaris

M. pronator teres (Insertio)

Caput radiale m. flexoris digitorum superficialis

M. abductor pollicis longus M. flexor digitorum superficialis

M. pronator quadratus Lig. carpi palmare

Tendo m. flexoris carpi radialis N. medianus

M. abductor pollicis brevis

Os pisiforme Retinaculum musculorum flexorum manus

M. opponens pollicis M. flexor pollicis brevis M. adductor pollicis M. interosseus dorsalis I

M. abductor digiti minimi M. flexor digiti minimi brevis M. opponens digiti minimi Tendines m. flexoris digitorum superficialis Mm. lumbricales Vaginae fibrosae digitorum manus Partes cruciformes vaginae fibrosae

Tendo m. flexoris digitorum superficialis Chiasma tendinum

Partes anulares vaginae fibrosae

Tendo m. flexoris digitorum profundi

Abb. 9.45: Unterarm- und Handmuskeln eines supinierten rechten Armes. Ansicht von vorn. II. Schicht. Die oberflächliche Schicht ist z. T. entfernt

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

710

Caput longum m. tricipitis brachii N. medianus

Caput mediale m. tricipitis brachii

A. brachialis

Septum intermusculare brachii mediale

M. brachialis

N. ulnaris

M. pronator teres (Origo) Epicondylus medialis M. palmaris longus (Origo)

Olecranon

M. brachioradialis

Caput humerale m. flexoris digitorum superficialis

Bursa bicipitoradialis Tendo m. bicipitis brachii

N. ulnaris R. muscularis n. ulnaris

M. supinator, R. profundus n. radialis R. superficialis n. radialis

Caput ulnare m. flexoris digitorum superficialis

M. extensor carpi radialis longus

M. flexor carpi ulnaris

M. pronator teres (Insertio) M. extensor carpi radialis brevis

M. flexor digitorum profundus

M. flexor pollicis longus M. abductor pollicis longus M. pronator quadratus [Lig. carpi palmare] M. abductor pollicis brevis M. opponens pollicis M. flexor pollicis brevis Tendo m. abductoris pollicis brevis

Caput radiale m. flexoris digitorum superficialis (Schnittrand) Tendo m. flexoris carpi radialis Tendines m. flexoris digitorum superficialis N. medianus Os pisiforme Retinaculum flexorum M. abductor digiti minimi (Origo) M. flexor digiti minimi brevis M. opponens digiti minimi brevis M. abductor digiti minimi (Insertio)

M. adductor pollicis

M. interosseus dorsalis I Vagina fibrosa digiti manus (eröffnet)

Mm. lumbricales Tendines m. flexoris digitorum superficialis Tendines m. flexoris digitorum profundi

Abb. 9.46: Unterarm- und Handmuskeln eines supinierten rechten Armes. Ansicht von vorn. III. Schicht. I. u. II. Schicht z. T. entfernt

9.1 Systematische Anatomie

711

M. flexor pollicis longus (durchtrennt)

Corpus radii

M. flexor digitorum profundus (durchtrennt)

Corpus ulnae

Membrana interossea antebrachii

M. pronator quadratus

Tendo m. flexoris carpi radialis

Tendo m. flexoris carpi ulnaris

Retinaculum flexorum Tendo m. abductoris pollicis longi M. abductor pollicis brevis

Os pisiforme M. abductor digiti minimi M. flexor digiti minimi brevis

Caput superficiale m. flexoris pollicis brevis M. opponens pollicis Caput profundum m. flexoris pollicis brevis Tendo m. abductoris pollicis brevis Tendo capitis superficialis m. flexoris pollicis brevis Caput obliquum m. adductoris pollicis Caput transversum m. adductoris pollicis

M. opponens digiti minimi Mm. interossei M. flexor digiti minimi brevis M. abductor digiti minimi Lig. metacarpeum transversum profundum Vaginae synoviales digitorum manus Mm. interossei palmares Mm. interossei dorsales

M. interosseus dorsalis I

Abb. 9.47: Unterarm- und Handmuskeln eines supinierten rechten Armes. Palmaransicht. IV. Schicht

3. M. palmaris longus O.: Epicondylus medialis humeri und Fascia antebrachii. I.: Aponeurosis palmaris. L.: N. medianus (C8, Th1); Rr. musculares aus A. ulnaris. F.: Schwacher Beuger im Ellenbogen- und Handgelenk, spannt die Aponeurosis palmaris, geringe Pronation.

Klinik: 1. Die Sehne wird als autologes Transplantatmaterial (Ersatzgewebe) verwendet, 2. In ca. 14 % (n. Prescher) fehlt der Muskel (starke Rassenunterschiede). Die Aponeurosis palmaris ist immer vorhanden, auch bei Nichtanlage des Muskels.

712

4. M. flexor carpi ulnaris. 2 Köpfe (nach dem Ursprung £ Caput humerale. O.: Epicondylus medialis

humeri und Fascia antebrachii.

£ Caput ulnare. O.: dorsale Fläche des Olekranons

und proximale zwei Drittel des Margo posterior ulnae.

I.: Nach Zwischenschaltung des Os pisiforme (nach Pfitzner kein Sesambein sondern ein kanonisches Os carpale!) findet eine Zweiteilung der Sehne statt. Der eine Anteil erreicht als Lig. pisohamatum den Hamulus ossis hamati, die andere Partie zieht als Lig. pisometacarpale zur Basis ossis metacarpi quinti. L.: 2 Rr. musculares des N. ulnaris (C7, C8, evtl. Th1), die vom Canalis cubitalis aus in die Unterfläche des Muskels eintreten; A. collateralis ulnaris superior und inferior. F.: Schwacher Beuger im Ellenbogengelenk, Beuger und Ulnarduktor im Handgelenk. Klinik: Canalis cubitalis. Zwischen den beiden Ursprungsköpfen entsteht ein muskulärer Tunnel (Abb. 9.46), der den N. ulnaris von der Streckseite des Ober- auf die Beugeseite des Unterarmes führt: Prädilektionsstelle für Kompression des N. ulnaris (→ peripheres Kompressionssyndrom!). 2. Schicht M. flexor digitorum superficialis. 3 Köpfe (nach Lage und Ursprüngen) £ Caput humerale. O.: Epicondylus medialis

humeri.

£ Caput ulnare. O.: Proc. coronoideus ulnae. £ Caput radiale. O.: Facies anterior radii unter-

halb der schrägen Insertionslinie des M. pronator teres.

I.: Mit 4 Sehnen an seitlichen knöchernen Leisten im mittleren Bereich der Phalanx media von Digg. II–V. Kurz vor Erreichen des Insertionspunktes spaltet sich jede Sehne in zwei Schenkel auf (Bifurcatio tendinis), so dass ein hülsenförmiger Durchtritt für die Sehne des M. flexor digitorum profundus entsteht. Distal dieses Schlitzes vereinigen sich die beiden Sehnenschenkel partiell unter Bildung des

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

Chiasma tendinum Camperi, welches in Höhe des Gelenkes zwischen Grund- und Mittelphalanx liegt. Aus diesem Verhalten leitet sich die alte Bezeichnung M. perforatus ab. Der M. flexor digitorum prof. wurde entsprechend M. perforans genannt. L.: Rr. musculares des N. medianus (C7, C8, Th1); Rr. musculares der A. radialis und ulnaris. F.: Schwacher Beuger im Ellenbogengelenk, Beuger im Handgelenk (Retinaculum flexorum dient als Hypomochlion!) und sehr kräftiger Beuger in den Grund- und Mittelgelenken der Finger II–V. £ Sehnenarkade. Zwischen humeraler und radialer Ursprungspartie spannt sich eine kräftige Sehnenarkade aus, die den N. medianus und die Vasa ulnaria überbrückt. £ Komplizierte Innenarchitektur! In einer oberflächlichen Schicht liegen die Muskelbäuche für Digg. III und IV und überdecken dachziegelartig die darunter liegenden für Digg. II und V. Im weiteren Verlauf überkreuzt die Sehne von Dig. III diejenige von Dig. II. Der Muskelbauch für Dig. II (wenn selbständig: M. flexor indicis superficialis) ist oft ein zweibäuchiger Muskel, der eine deutliche Zwischensehne aufweisen kann. In diesen Fällen erhält sowohl der obere als auch der untere Muskelbauch eine eigene Nervenversorgung.

3. Schicht 1. M. flexor digitorum profundus O.: Proximale zwei Drittel der Facies anterior ulnae und angrenzende Partie der Membrana interossea. Der Ursprung umgreift mit zwei Zacken die Tuberositas ulnae. I.: Die 4 aus den Muskelbäuchen hervorgehenden Sehnen liegen in einer Ebene parallel nebeneinander, treten durch die Sehnenschenkel des M. flexor digitorum superficialis und inserieren an der Basis der Endphalanx von Digg. II–V. L.: N. medianus und N. ulnaris (C7, C8, Th1). Dabei wird der Zeigefingerbauch meist nur durch den N. medianus versorgt. Rr. musculares der A. ulnaris und A. interossea anterior. F.: beugt die Finger II–V in den Grund-, Mittelund Endgelenken, wobei die Kraftentfaltung bei dorsalflektierter Hand größer wird. Beugt und ulnarduziert im Handgelenk.

9.1 Systematische Anatomie

2. M. flexor pollicis longus. 2 Köpfe (nach dem Ursprung) £ Caput radiale. O.: Facies anterior radii von der

Insertionslinie des M. pronator teres bis zum Oberrand des M. pronator quadratus und Membrana interossea antebrachii. £ Caput humerale (inkonstant in 30 % n. Prescher). O.: Epicondylus medialis humeri. I.: Palmar an der Basis der Endphalanx des Daumens. L.: N. interosseus anterior (C8, Th1) des N. medianus; Rr. musculares der A. radialis, A. interossea anterior. F.: Beugt Grund- und Endglied des Daumens, opponiert im Sattelgelenk des Daumens, beugt und radialduziert im Handgelenk. 4. Schicht (tief) M. pronator quadratus. 2 Köpfe (nach der Lage) £ Caput superficiale. O.: Facies anterior ulnae

(distales Viertel), greift auf die Dorsalseite über. Dreieckig, da Ursprung schmaler als Ansatz. £ Caput profundum. O.: Facies anterior ulnae (distales Viertel).

I.: Facies anterior radii (distales Viertel). L.: N. interosseus anterior (C8, Th1) des N. medianus; A. interossea anterior. F.: kräftiger Pronator, sichert den Zusammenhalt von Radius und Ulna, Kapselspanner für das distale Radioulnargelenk. £ Zwischen den Köpfen liegt eine lockere Bindegewebeschicht, in der sich der N. interosseus anterior verzweigt.

Klinik: Unterarmfraktur. Der Muskel disloziert die distalen Bruchfragmente von Radius und Ulna.

9.1.2.5.3 Brachioradiale Muskelgruppe Diese Gruppe umfasst 4 Muskeln (Abb. 9.41, 42, 44 bis 46), die in einer oberflächlichen und einer tiefen Schicht angeordnet sind: £ oberflächliche Schicht: M. brachioradialis, M.

extensor carpi radialis longus, M. extensor carpi radialis brevis. £ tiefe Schicht: M. supinator.

713

Alle Muskeln werden vom N. radialis innerviert. 1. M. brachioradialis O.: Margo lateralis humeri (manchmal bis zum Ansatz des M. deltoideus), Epicondylus lateralis humeri, Septum intermusculare brachii laterale. I.: Facies lateralis radii proximal der Basis des Proc. styloideus radii. L.: Rr. musculares des N. radialis (C5, C6) treten proximal der Ellenbeuge in die Unterfläche des Muskels ein; A. collateralis radialis, A. recurrens radialis. F.: Bringt den Arm in Mittelstellung zwischen Pronation und Supination, ist bei Pronation Supinator, bei Supination Pronator. Bei proniertem Arm: kräftiger Beuger im Ellenbogengelenk. 2. M. extensor carpi radialis longus (2. Sehnenfach) O.: Margo lateralis humeri (distal des M. brachioradialis), Epicondylus lateralis humeri, Septum intermusculare brachii laterale. I.: Dorsal an der Basis ossis metacarpi II. L.: Rr. musculares des N. radialis (C6, C7) treten oberhalb des Ellenbogengelenkes in den vorderen Muskelrand ein; A. collateralis radialis, A. recurrens radialis. F.: Beugung im Ellenbogengelenk, Streckung und Radialduktion im Handgelenk, bei gebeugtem Arm Pronator, bei gestrecktem Supinator. 3. M. extensor carpi radialis brevis (2. Sehnenfach) O.: Epicondylus lateralis humeri, Lig. collaterale radiale, Lig. anulare radii. I.: Dorsal an der Basis ossis metacarpi III und am Proc. styloideus ossis metacarpi III. L.: R. profundus n. radialis (C7, C8); A. collateralis radialis, A. recurrens radialis. F.: Beugung im Ellenbogengelenk, Streckung und Radialduktion im Handgelenk. 4. M. supinator O.: Freie Kante des Epicondylus lateralis humeri, Lig. collaterale radiale, Lig. anulare radii, Crista m. supinatoris ulnae. I.: An der dorsalen, lateralen und ventralen Fläche des Radius zwischen Tuberositas radii und Ansatz des M. pronator teres.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

714

L.: R. profundus n. radialis (C5, C6, evtl. C7). Cave: Die Muskeläste verlassen den Hauptstamm vor Eintritt in den Supinatorkanal! A. recurrens radialis, A. interossea recurrens. F.: Kräftige Supination in allen Stellungen des Ellenbogengelenkes, wirkt nach Duchenne weder beugend noch streckend. Frohse-Arkade. Der M. supinator besteht aus einer oberflächlichen und tiefen Schicht, wobei der superfizielle Anteil nach distal verschoben ist. Dadurch liegt der kraniale Rand der oberflächlichen Partie auf dem Muskelfleisch des tiefen Anteiles. Dieser Rand ist häufig sehnig ausgebildet und heißt Frohse-Arkade.

Klinik: Frohse-Arkade. Prädilektionsstelle für Kompression des R. profundus n. radialis am Eingang in den Supinatorkanal (→ peripheres Kompressionssyndrom!). Supinatorkanal (Supinatorschlitz). Zwischen oberflächlichem und tiefem Anteil liegt der Supinatorkanal, in dem der R. profundus n. radialis verläuft.

9.1.2.6

Kurze Handmuskeln

Einteilung: 3 Gruppen werden unterschieden (Abb. 9.45 bis 49): 4 Thenarmuskeln (= Daumenballenmuskeln). 3 mittlere Handmuskeln. 4 Hypothenarmuskeln (= Kleinfingerballenmuskeln). Thenar- oder Daumenballenmuskeln (Abb. 9.45 bis 47) 1. M. abductor pollicis brevis O.: Retinaculum flexorum, Tuberculum ossis scaphoidei. I.: Über das radiale Sesambein seitlich am Rand der Grundphalanx des Daumens. L.: N. medianus (C6, C7); R. palmaris superficialis a. radialis. F.: Abduktion und Opposition im Sattelgelenk des Daumens, Beugung im Grundgelenk, evtl. Streckung im Endgelenk (über die Dorsalaponeurose). 2. M. opponens pollicis O.: Retinaculum flexorum, Tuberculum ossis trapezii.

I.: Gesamter radialer Rand des Os metacarpale I. L.: N. medianus (C6, C7); R. palmaris superficialis a. radialis, A. princeps pollicis, Arcus palmaris profundus. F.: Beugt und adduziert den Daumen im Sattelgelenk, dreht das Os metacarpale I bei der Opposition um seine Längsachse. 3. M. flexor pollicis brevis. Nach den Ursprüngen werden 2 Köpfe unterschieden: £ Caput superficiale. O.: Retinaculum flexorum. £ Caput profundum. O.: Os trapezium, Os trapezo-

ideum und Os capitatum.

I.: Beide Köpfe setzen am radialen Sesambein und an der Grundphalanx des Daumens an. L.: 1. Caput superficiale: N. medianus (C6, C7), 2. Caput profundum: R. profundus n. ulnaris (C6, C7); R. palmaris superficialis a. radialis, A. princeps pollicis, Arcus palmaris profundus. F.: Das Caput superficiale abduziert, opponiert und beugt im Sattelgelenk. Das Caput profundum adduziert, opponiert und beugt im Sattelgelenk. Der Gesamtmuskel beugt im Grundgelenk. 4. M. adductor pollicis. Nach den Ursprung und Verlauf werden 2 Köpfe unterschieden £ Caput transversum. O.: palmare Fläche des Os

metacarpale III.

£ Caput obliquum. O.: palmare Basis des Os meta-

carpale II und III, Os capitatum, Os hamatum und Lig. carpi radiatum.

I.: Beide Köpfe setzen gemeinsam am ulnaren Sesambein, an der Gelenkkapsel und an der Basis der Grundphalanx des Daumens an. L.: R. profundus n. ulnaris (C8, Th1); Arcus palmaris profundus. F.: Adduziert und opponiert im Sattelgelenk des Daumens, beugt im Grundgelenk. Mittlere Handmuskeln (Abb. 9.45 bis 49) 1. Mm. lumbricales. 4 Muskelindividuen, die von radial nach ulnar gezählt werden: £ I, II sind einköpfig, £ III, IV zweiköpfig. Äußerst variable Muskeln!

O.: I und II: von den radialen, sehnenscheidenfreien Flächen der 2. und 3. Sehne des M. flexor digitorum profundus. III und IV: von

9.1 Systematische Anatomie

den einander zugekehrten Flächen der 2. und 3. sowie der 3. und 4. Sehne des tiefen Beugers. I.: Strahlen am radialen Rand von Digg. II–V in die Dorsalaponeurose ein. L.: Mm. I, II: N. medianus (C8, Th1), Mm. III, IV: N. ulnaris (C8, Th1); die Medianusäste treten von palmar, die Ulnarisäste von dorsal in die Muskelbäuche ein; Arcus palmaris superficialis. F.: Beugung in den Fingergrundgelenken (Startermuskeln), Streckung im Mittel- und Endgelenk. Ihr transportabler Ursprung verhindert eine frühzeitige Insuffizienz!

715

L.: R. profundus n. ulnaris (C8, Th1); Arcus palmaris profundus. F.: Beugung im Grundgelenk und Streckung im Mittel- und Endgelenk (in Zusammenarbeit mit den Mm. interossei dorsales). Sie adduzieren den Zeige-, Ring- und Kleinfinger auf den Mittelfinger. 3. Mm. interossei dorsales (Abb. 9.49). 4 zweiköpfige Muskeln zwischen den Ossa metacarpalia I–V; Zählweise von radial nach ulnar. O.: Von den jeweils einander zugekehrten Flächen der Ossa metacarpalia I–V. I.: • I strahlt an der Radialseite in die Dorsalaponeurose von Dig. II ein. • II strahlt an der Radialseite in die Dorsalaponeurose von Dig. III ein. • III strahlt an der Ulnarseite in die Dorsalaponeurose von Dig. III ein. • IV strahlt an der Ulnarseite in die Dorsalaponeurose von Dig. IV ein.

Abb. 9.48: Mm. interossei palmares (n. H. M. Schmidt und U. Lanz)

2. Mm. interossei palmares (Abb. 9.48). 3 einköpfige Muskelindividuen an Digg. II, IV, V; Zählweise von radial nach ulnar. O.: M. interosseus I: ulnare Fläche des Os metacarpale II. M. interosseus II und III: radiale Fläche des Os metacarpale IV bzw. V. I.: Strahlen an der Basis der Grundphalanx in die Dorsalaponeurose von Digg. II, IV bzw. V ein.

Abb. 9.49: Mm. interossei dorsales (n. H. M. Schmidt und U. Lanz)

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

716

L.: R. profundus n. ulnaris (C8, Th1), Arcus palmaris profundus. F.: Beugung im Grundgelenk und Streckung im Mittel- und Endgelenk (in Zusammenarbeit mit den Mm. interossei palmares). Spreizung der Finger II, III und IV: Radialduktion des Zeigefingers, Ulnarduktion des Ringfingers, Ulnar- und Radialduktion des Mittelfingers. Hypothenar- oder Kleinfingerballenmuskeln (Abb. 9.44 bis 47) 1. M. palmaris brevis O.: Ulnarer Rand der Aponeurosis palmaris, Retinaculum flexorum. I.: In der Haut über dem Kleinfingerballen. L.: R. superficialis n. ulnaris (C8, Th1); A. ulnaris. F.: Schützt die unter ihm verlaufenden Leitungsbahnen (Vasa ulnaria, N. ulnaris), Hautanspannung. 2. M. abductor digiti minimi O.: Retinaculum flexorum, Os pisiforme, Lig. pisohamatum und Sehne des M. flexor carpi ulnaris. I.: Am ulnaren Rand der Basis der Grundphalanx des 5. Fingers. L.: R. profundus n. ulnaris (C8, Th1); R. palmaris profundus a. ulnaris. F.: Abduziert und beugt im Kleinfingergrundgelenk, streckt im Mittel- und Endgelenk. 3. M. flexor digiti minimi brevis O.: Retinaculum flexorum, Hamulus ossis hamati. I.: Palmar an der Basis und ulnaren Kante der Grundphalanx des Kleinfingers. L.: R. profundus n. ulnaris (C8, Th1); A. ulnaris. F.: Beugt den Kleinfinger im Grundgelenk, streckt im Mittel- und Endgelenk. 4. M. opponens digiti minimi O.: Retinaculum flexorum, Hamulus ossis hamati. I.: Ulnarer Rand des Os metacarpale V. L.: R. profundus n. ulnaris (C8, Th1); R. palmaris profundus a. ulnaris. F.: Opponiert (gering) den Kleinfinger im Karpometakarpalgelenk und beugt im Grundgelenk.

9.1.2.7

Faszien, Sehnenscheiden

Oberarmfaszie, Fascia brachii. Eine bindegewebige Umhüllung der Oberarmmuskulatur, die sich proximal in die Oberflächenfaszien der Schulter und distal in die Fascia antebrachii fortsetzt. Compartimentum brachii flexorum und extensorum. An der medialen und lateralen Seite des Oberarms wird je ein Septum intermusculare brachii mediale und laterale in die Tiefe zum Humerus geschickt. Dadurch entsteht je eine osteofibröse Loge für die Beuger (Compartimentum brachii flexorum) und die Strecker (Compartimentum brachii extensorum). £ Septum intermusculare brachii mediale. Das

mediale Septum ist kräftiger als das laterale und erstreckt sich vom Ansatz des M. coracobrachialis bis zum Epicondylus medialis; es dient als Muskelursprung und wird vom N. ulnaris und den Aa. collaterales ulnaris superior et inferior durchbohrt. £ Septum intermusculare brachii laterale, erstreckt sich vom Ansatz des M. deltoideus bis zum Epicondylus lateralis; es wird vom N. radialis und der A. collateralis radialis perforiert. Unterarmfaszie, Fascia antebrachii. Die 3 Muskelgruppen des Unterarmes werden von einer gemeinsamen Faszie, Fascia antebrachii, umschlossen. Proximal ist diese sehr derb und dient vielen Muskeln als zusätzlicher Ursprung. In der Mitte des Unterarmes wird sie dünner, um distal durch zusätzliche Ringfasern wieder an Stärke zu gewinnen. Die Fascia antebrachii ist am Olecranon, an der subkutanen Kante der Ulna und am distalen Drittel des Radius befestigt. Retinaculum musculorum extensorum. Die Ringfasern bilden dorsal das Retinakulum. Dieses schickt Septen zum darunterliegenden Knochen, wodurch 6 osteofibröse Logen (Sehnenfächer) entstehen, durch die die Streckersehnen mit ihren Sehnenscheiden zur Hand geführt werden. Sehnenfächer. Sie werden von radial nach ulnar gezählt und enthalten die Sehnen folgender Muskeln: 1. Fach: M. abductor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis 2. Fach: M. extensor carpi radialis longus und M. extensor carpi radialis brevis

9.1 Systematische Anatomie

3. Fach: M. extensor pollicis longus 4. Fach: M. extensor digitorum communis und M. extensor indicis 5. Fach: M. extensor digiti minimi 6. Fach: M. extensor carpi ulnaris. Lig. carpi volare (sive palmare). Palmar wird von der Fascia antebrachii das oberflächliche Lig. carpi volare gebildet, das sich zwischen der Sehne des M. flexor carpi ulnaris und dem radialen Rand der Sehne des M. palmaris longus ausspannt. Es fixiert die nicht durch den Canalis carpi ziehende Sehne des M. palmaris longus und die ulnaren Leitungsbahnen. Muskellogen. Die Fascia antebrachii schickt 3 stärkere bindegewebige Septen in die Tiefe, die gemeinsam mit den Unterarmknochen und der Membrana interossea 3 Muskellogen begrenzen: £ Compartimentum antebrachii flexorum mit Pars

superficialis und Pars profunda

£ Compartimentum antebrachii extensorum £ Compartimentum antebrachii extensorum pars

lateralis.

In der Ellenbeuge setzt sich die Faszie kontinuierlich in die Oberarmfaszie fort; sie besitzt hier Schlitze für den Durchtritt von Venen und Hautnerven. Aponeurosis dorsalis digiti manus (Abb. 9.50 a). Dreieckige, kompliziert aufgebaute Bindegewebeplatte auf der Dorsalseite des Fingers, die sich von den Grund- bis zu den Endgliedern erstreckt. Sie ist mit der Gelenkkapsel des Grundgelenkes nicht, mit denjenigen der Mittel- und Endgelenke jedoch fest verwachsen. £ Tractus intermedius, die Dorsalaponeurose

weist Längszüge auf (gemeinsam als Tractus intermedius bezeichnet) die als Fortsetzung der Sehnen der extrinsischen Handmuskeln (M. extensor digitorum, M. extensor indicis, M. extensor digiti minimi) anzusehen sind: • Pars medialis (mittlerer Längszug), inseriert an der Basis der Grund- und Mittelphalanx. • Pars lateralis (paarig; radialer und ulnarer seitlicher Längszug). Diese Züge divergieren und vereinigen sich mit den Sehnen der Mm. lumbricales et interossei zum Tractus lateralis, um dann gemeinsam an der Basis des Endglieds zu inserieren.

717

£ Tractus lateralis, von radial und ulnar wird

der Tractus intermedius von je einem Randzug (Tractus lateralis) flankiert, an dem die Binnenmuskeln der Hand (Mm. lumbricales et interossei) inserieren. Da der Randzug beim Mittelund Endgelenk dorsal der Bewegungsachse der beiden Gelenke verläuft, bewirken die Muskeln hier eine Streckung. Beim Grundgelenk liegt der Randzug palmar der Bewegungsachse, so dass eine Beugung resultiert. £ Lamina intertendinea superficialis Landsmeer (Abb. 9.50 a), zwischen Tractus intermedius und Tractus lateralis gelegene, dreieckige Faserplatte (angloamerik. extensor hood oder interosseus hood). Wird in eine proximale Pars transversa und eine distale Pars obliqua unterteilt. £ Lamina triangularis (sive Lig. triangulare). Dreieckige, dünne Faserplatte zwischen dem Ansatz des Tractus intermedius an der Basis des Mittelgliedes und den zusammenlaufenden Anteilen des Tractus lateralis. Sehnenscheiden der Handwurzel, Vaginae tendinum carpales (Abb. 9.50 b). Um ein reibungsfreies Gleiten der Sehnen zu erreichen, sind auf der Flexoren- und Extensorenseite Sehnenscheiden vorhanden. Auf der Extensorenseite liegen die Sehnenscheiden in den Strecksehnenfächern (s. Kap. 9.1.2.5.1, S. 703).

2 Sehnenscheiden finden sich auf der Beugeseite im ulnaren Fach des Canalis carpi: £ Vagina communis tendinum musculorum flexo-

rum, ulnar gelegene Scheide, die die 8 Sehnen der Mm. flexores digitorum superficialis et profundus mit einem gemeinsamen Mesotendineum umfasst. Sie beginnt proximal von der oberen Handwurzelbeugefalte und endet distal vom Retinaculum flexorum über den Basen der Mittelhandknochen. Beim Erwachsenen steht die digitale Sehnenscheide des Kleinfingers gewöhnlich mit ihr in Verbindung. £ Vagina tendinis musculi flexoris pollicis longi, liegt radial neben der vorigen und enthält die Sehne des langen Daumenbeugers. Beim Erwachsenen reicht sie bis zur Basis der Nagelphalanx.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

718

Tractus lateralis Pars terminalis Lamina triangularis Pars lateralis Pars medialis

Lig. retinaculare obliquum (Landsmeer) Tractus intermedius Pars lateralis Pars medialis

M. lumbricalis

Pars obliqua und Pars transversa der Lamina intertendinea superficialis (Landsmeer)

M. interosseus

Lig. sagittale

Sehnen des M. extensor digitorum

1

2

Abb. 9.50 a: Aponeurosis dorsalis. 1: Ansicht von dorsal und 2: Ansicht von palmar; rot: Insertionsstellen der Dorsalaponeurose am Knochen (n. H. M. Schmidt und U. Lanz)

1 Sehnenscheide liegt im radialen Fach des Canalis carpi £ Vagina tendinis musculi flexoris carpi radialis,

verläuft in eigenem osteofibrösen Kanal.

Sehnenscheiden der Finger, Vaginae synoviales digitorum manus (Abb. 9.50 b). Liegen im

Bereich der Finger, beginnen über den Köpfen der Mittelhandknochen und reichen bis zur Basis der Nagelphalanx. Die Scheide des Dig. V hängt meist mit der Vagina communis tendinum mm. flexorum zusammen. Diese Sehnenscheiden werden durch die Vaginae fibrosae digitorum manus verstärkt, die über den Schaftbereichen der Fingerknochen

9.1 Systematische Anatomie

719

Radius

Ulna Vagina communis tendinum mm. flexorum

Vagina tendinis m. flexoris pollicis longi

Restricta

Tuberculum ossis scaphoidei

Rascetta

Tuberculum ossis trapezii

Os pisiforme Hamulus ossis hamati

Retinaculum flexorum [Lig. carpi transversum]

Linea vitalis Linea cephalica Linea mensalis Monticuli

Vaginae synoviales digitorum manus

Abb. 9.50 b: Sehnenscheiden (blau) in der Beugefläche der Hand. Zur topographischen Orientierung sind Beugefalten, Skelett und Retinaculum flexorum eingezeichnet

Lig. collaterale der Articulatio interphalangea distalis

Articulatio interphalangea proximalis

Dorsalaponeurose

Articulatio metacarpophalangea Tendo m. extensoris digitorum Os metacarpale M. lumbricalis

Tendo m. flexoris digitorum profundi (Ansatz)

M. interosseus Vincula brevia tendinis

Vinculum longum tendinis

Tendo m. flexoris digitorum profundi Tendo m. flexoris digitorum superficialis

Abb. 9.51: Vincula tendinum. Lage der Sehnen zu den Achsen der Fingergelenke. Die Lage der Achsen ist durch Punkt und Kreis markiert

besonders kräftig ausgebildet sind und die Ringbänder (Partes anulares vaginae fibrosae, annular pulleys, A1–A5) und die Kreuzbänder (Partes cruciformes vaginae fibrosae, cruciform pulleys, C1–C3) ausbilden.

Sehnenfesseln, Vincula tendinum. Im Bereich der Grund- und Mittelphalanx führen die Vincula (Vinculum longum und Vincula brevia, Abb. 9.51) Blutgefäße aus dem Periost zur Sehne. Diese Vincula sind als Reste des Mesotenons aufzufassen und

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

720

stellen den einzigen Versorgungsweg der Sehnen dar. Sie sind deshalb bei Operationen zu erhalten! Klinik: 1. Panaritium tendinosum. Eitrige Entzündung einer Sehnenscheide. Sehnenscheiden haben eine große praktische Bedeutung, da sich Entzündungen in ihnen rasch ausbreiten. 2. V- oder Y-Phlegmone. Überspringen eines Panaritium tendinosum von einem randständigen Finger auf den anderen. Vom Daumen oder Kleinfinger wird die Entzündung in den Canalis carpi fortgeleitet, wo die Sehnenscheiden der beiden Finger sehr dicht beieinander liegen. Die dünne Trennwand wird eingeschmolzen, so dass sich die Entzündung auf die Sehnenscheide des gesunden randständigen Fingers und danach wieder nach distal ausbreitet, 3. Ganglion. Überbein, Zystenbildung von Gelenkinnenhaut oder Sehne, v. a. an der Streckseite des Handgelenks. 4. Schnellender Finger. Verengung der Pars anularis vaginae fibrosae tendinum oder knötchenartige Verdickung der Beugesehnen über den Fingergrundgelenken mit Einschränkung der Gleitfähigkeit der Beugesehnen und typischem Schnapp-Phänomen bei Beugung und Streckung in den Mittel- und Endgelenken (→ Missverhältnis zwischen Raumangebot und -inhalt). Therapie: Spaltung des fibrösen Anteiles der Verstärkungsbänder der Sehnenscheide.

9.1.3.1.1 Achselarterie, A. axillaris Die A. axillaris ist die Fortsetzung der A. subclavia (s. Kap. 10.7.2.1.2, S. 881) unterhalb der Clavicula und des M. subclavius. Sie verläuft durch die Achselhöhle, verlässt diese am unteren Rande des M. pectoralis major und wird fortan A. brachialis genannt. Ihre Äste versorgen das Schultergebiet und gehen mit den Ästen der A. subclavia wichtige Anastomosen ein. Dadurch entstehen arterielle Kollateralen, die für die Versorgung des Armes wichtig sein können. Astfolge w Rr. subscapulares, kleine Äste zur Versorgung

des M. subscapularis.

w A. thoracica superior, entspringt oberhalb des

w





9.1.3

Leitungsbahnen



9.1.3.1

Arterien, Arteriae membri superioris



Lernziele: A. axillaris, A. brachialis, A. radialis, A. ulnaris, Arterien der Hand: Verzweigungen, Kollateralkreisläufe. Die obere Gliedmaße wird von einem großen Arterienstamm (Abb. 9.52) versorgt, der die A. subclavia fortsetzt → A. axillaris → A. brachialis (am Oberarm). Diese gibt die A. radialis (am Ellenbogengelenk) ab und zerfällt in 2 Endäste: A. ulnaris und A. interossea communis.

w

w



M. pectoralis minor, versorgt die Mm. pectorales, den M. subclavius, die oberen Serratuszacken und die Mm. intercostales I und II. A. thoracoacromialis, geht am Oberrand des M. pectoralis minor ab, durchbricht die Fascia clavipectoralis und teilt sich dann in der Mohrenheim-Grube in: R. acromialis, verläuft unter dem M. pectoralis major und dem M. deltoideus lateralwärts, versorgt diese Muskeln und endet im Rete acromiale. R. clavicularis, versorgt Articulatio sternoclavicularis, Clavicula und M. subclavius. R. deltoideus, steigt im Sulcus deltoideopectoralis abwärts und versorgt den M. deltoideus. Rr. pectorales, verlaufen zwischen den beiden Mm. pectorales und versorgen diese. A. thoracica lateralis, entspringt hinter dem M. pectoralis minor und versorgt die Muskeln der seitlichen Brustwand. Am unteren Rande des M. pectoralis major ziehen Zweige zur Haut der Brust und zur Brustdrüse (Rr. mammarii laterales). A. subscapularis, entspringt am lateralen Rand des M. subscapularis und teilt sich nach der Abgabe kleiner Äste zum gleichnamigen Muskel in: A. circumflexa scapulae, erreicht durch die mediale, dreieckige Achsellücke die Dorsalfläche des Schulterblattes, wo sie unter dem M. infraspinatus eine Anastomose mit der A. suprascapularis eingeht.

9.1 Systematische Anatomie

721

R. clavicularis

A. thoracoacromialis A. axillaris

R. acromialis R. deltoideus

Rr. subscapulares

Rr. pectorales

A. thoracica lateralis A. circumflexa humeri posterior A. subscapularis

A. circumflexa humeri anterior

A. circumflexa scapulae A. brachialis A. thoracodorsalis

A. profunda brachii

A. collateralis media A. collateralis radialis

A. recurrens radialis

A. collateralis ulnaris superior A. collateralis ulnaris inferior A. recurrens ulnaris

A. recurrens interossea

A. interossea communis A. interossea posterior

A. radialis

A. interossea anterior A. ulnaris

R. carpalis palmaris a. radialis R. palmaris superficialis a. radialis

R. carpalis palmaris a. ulnaris R. carpalis dorsalis R. palmaris profundus a. ulnaris

A. princeps pollicis A. radialis indicis

R. palmaris superficialis a. ulnaris Arcus palmaris profundus Arcus palmaris superficialis

Aa. digitales palmares communes Aa. metacarpales palmares

Aa. digitales palmares propriae

Abb. 9.52: Schema der Arterienversorgung des Armes

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

722

– A. thoracodorsalis, verläuft mit dem gleichnamigen Nerven zwischen M. latissimus dorsi und M. serratus anterior am lateralen Rand der Scapula nach kaudal und versorgt beide Muskeln. w A. circumflexa humeri anterior, schlingt sich ventral um das Collum chirurgicum humeri, zieht unterhalb des M. coracobrachialis zum Sulcus intertubercularis, in dem sie mit einem Ast zum Schultergelenk gelangt. Versorgt auch den M. deltoideus und die lange Bizepssehne. w A. circumflexa humeri posterior, stärker als die vorige, zieht mit dem N. axillaris durch die viereckige laterale Achsellücke, schlingt sich, dem Knochen direkt anliegend, dorsal um das Collum chirurgicum humeri und versorgt den M. deltoideus, den lateralen und langen Trizepskopf, das Schultergelenk und das subakromiale Gleitlager. Im Bereich der Scapula kommen 2 Gefäßnetze vor, die für die Ausbildung von Kollateralkreisläufen wichtig werden können: • Rete arteriosum acromiale, Gefäßnetz auf

dem Acromion, hauptsächlich gespeist vom R. acromialis der A. thoracoacromialis, kleinen Ästchen der A. suprascapularis und Zuflüssen aus der A. circumflexa humeri posterior. • Rete arteriosum scapulare, Gefäßnetz direkt auf der Scapula, hauptsächlich gespeist von A. transversa colli, A. suprascapularis und A. circumflexa scapulae.

9.1.3.1.2 Oberarmarterie, A. brachialis Die A. brachialis ist die Fortsetzung der A. axillaris ab Unterrand des M. pectoralis major. Sie zieht unter Abgabe von Muskelästen im Sulcus bicipitalis medialis nach distal bis zur Ellenbeuge. Hier wird sie von der Aponeurosis m. bicipitis brachii (sive Lacertus fibrosus) überbrückt und gibt in Höhe des Gelenkspaltes der Articulatio cubiti die A. radialis ab, um anschließend in ihre beiden Endäste zu zerfallen: A. ulnaris und A. interossea communis. Astfolge w A. profunda brachii, entspringt knapp distal

der Ansatzsehne des M. teres major und zieht zwischen lateralem und medialem Trizepskopf zur Streckseite des Oberarmes. Hier verläuft sie

• • • •

w

w

mit dem N. radialis durch den Sulcus n. radialis, dem Knochen der Humerusrückfläche direkt anliegend. Außer mehreren Rr. musculares werden 4 Äste abgegeben: Aa. nutriciae humeri, ziehen in das proximale Foramen nutricium. R. deltoideus, versorgt den gleichnamigen Muskel. A. collateralis media, erreicht unter dem medialen Trizepskopf das Olecranon. A. collateralis radialis, verläuft mit einem R. anterior in Begleitung des N. radialis zur Beugeseite und mit einem R. posterior zur Streckseite des Ellenbogengelenkes. A. collateralis ulnaris superior, entspringt nur wenig distal der A. profunda brachii, erreicht in Begleitung des N. ulnaris hinter dem Septum intermusculare brachii mediale die Rückseite des Ellenbogengelenkes und beteiligt sich an der Bildung des Rete articulare cubiti. A. collateralis ulnaris inferior, entspringt kurz oberhalb des Gelenkes, verläuft zuerst auf dem M. brachialis, perforiert dann das Septum intermusculare brachii mediale und mündet distal in das Rete articulare cubiti.

Rete articulare cubiti: die 4 beschriebenen Aa. collaterales bilden mit 3 rückläufigen Arterien, Aa. recurrentes, aus der A. radialis und A. ulnaris ein arterielles Gefäßnetz für das Ellenbogengelenk. Klinik: Diese Arterienanastomosen sind so erweiterungsfähig, dass die A. brachialis distal vom Abgang der A. profunda brachii ohne Gefahr für den Unterarm unterbunden werden kann (→ doppelte Unterbindung ist bei Verletzungen notwendig!).

9.1.3.1.3 Speichenarterie, A. radialis Die A. radialis setzt die Richtung der A. brachialis fort und folgt dem Verlauf des Radius. An der Handwurzel wendet sie sich durch die Tabatière zum Handrücken und dringt zwischen den Basen der Mittelhandknochen I und II in die Hohlhand ein. Dort bildet sie mit dem tiefen Ast der A. ulnaris den tiefen Hohlhandbogen, Arcus palmaris profundus. In der ganzen Länge des Unterarmes liegt sie oberflächlich:

9.1 Systematische Anatomie

– im proximalen Drittel zwischen M. brachioradialis und M. pronator teres. – in den distalen Zweidritteln zwischen M. brachioradialis und M. flexor carpi radialis.

723

9.1.3.1.4 Ellenarterie, A. ulnaris und Zwischenknochenarterie, A. interossea communis A. ulnaris. Dieser Endast der A. brachialis verschwindet unter dem M. pronator teres und strebt zwischen oberflächlichen und tiefen Beugern zur Ulnarseite, um dort in Begleitung des N. ulnaris an der radialen Seite des M. flexor carpi ulnaris (Leitmuskel!) zur Handwurzel herabzuziehen. Hier verläuft sie über dem Retinaculum flexorum und unter der Palmaraponeurose zum oberflächlichen Hohlhandbogen. Nur im distalen Drittel des Unterarms ist sie tastbar und aufzusuchen!

Sie wird vom R. superficialis n. radialis begleitet. Astfolge w A. recurrens radialis, läuft neben dem N. radialis w w w

w

w w

w

w

w

zurück zum Oberarm und anastomosiert mit der A. collateralis radialis (Rete articulare cubiti). A. nutricia radii, zieht in das Foramen nutricium des Radius. R. carpalis palmaris, kleiner, dem Knochen aufliegender Ast zum Rete carpale palmare. R. palmaris superficialis, meist sehr dünner Ast, der über oder durch den M. abductor pollicis brevis zum Arcus palmaris superficialis zieht. R. carpalis dorsalis, zieht zum Rete carpale dorsale, das noch Äste des R. carpalis dorsalis a. ulnaris und die Endäste der A. interossea anterior und posterior erhält. Aus dem Handrückennetz gehen hervor: Aa. metacarpales dorsales II–V, die sich in je 2 Aa. digitales dorsales für den 2.–5. Finger teilen. A. metacarpalis dorsalis I, kommt direkt aus der A. radialis. A. princeps pollicis, entspringt nach dem Durchtritt der A. radialis durch den M. interosseus dorsalis I und teilt sich in zwei Aa. digitales palmares propriae für den Daumen. Außerdem gibt sie die A. radialis indicis für die radiale Seite des Zeigefingers ab. Dieses Gefäß kann auch selbständig aus dem Arcus palmaris profundus entspringen (~ 12 %). Arcus palmaris profundus, tiefer Hohlhandbogen, liegt proximal vom oberflächlichen auf den Basen der Mittelhandknochen. Den Hauptblutstrom liefert die A. radialis, den geringeren der R. palmaris profundus der A. ulnaris. Äste: 3–4 Aa. metacarpales palmares, versorgen die Mm. interossei. Ihre Endäste münden meist in die Aa. digitales palmares communes. Rr. perforantes, anastomosieren zwischen den Mittelhandknochen mit den Aa. metacarpales dorsales.

Astfolge w A. recurrens ulnaris, verläuft mit ihrem R. ante-

w w

w w w

w



rior vor und mit ihrem R. posterior hinter dem Epicondylus medialis zum Rete articulare cubiti und anastomosiert mit den Aa. collaterales ulnares. A. nutricia ulnae, zieht in das Foramen nutricium der Ulna. A. comitans n. mediani (entspringt oft auch aus der A. interossea anterior), ein zartes Ästchen, das den N. medianus begleitet. Sie ist als Rest einer ehemaligen großen Arterie des Unterarmes anzusehen. Nur selten (~ 8 %) bleibt dieses große Gefäß als A. mediana erhalten und ersetzt die A. radialis. R. carpalis dorsalis, zieht zum Rete carpale dorsale. R. carpalis palmaris, zieht zum Rete carpale palmare. R. palmaris profundus, durchbohrt distal vom Os pisiforme die Hypothenarmuskulatur und bildet in der Tiefe mit der A. radialis den Arcus palmaris profundus. Arcus palmaris superficialis. Endast der A. ulnaris. Er erhält einen spärlichen Zufluss durch den R. palmaris superficialis a. radialis und liegt distaler als der tiefe Hohlhandbogen zwischen der Palmaraponeurose und den Beugersehnen. Sehr variabel, zahlreiche Sonderfälle. Nur in ~ 40 % ist überhaupt ein geschlossener Bogen ausgebildet. In ~ 60 % kommt ein unvollständiger Bogen vor. Äste: Aa. digitales palmares communes, teilen sich auf Höhe der Basen der Grundphalangen in je 2 Aa. digitales palmares propriae.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

724

A. interossea communis. Dieser starke Endast teilt sich bald in: w A. interossea anterior, verläuft auf der Memb-

rana interossea antebrachii bis zum M. pronator quadratus, durchbohrt hier die Membran und endet im Rete carpale dorsale. w A. interossea posterior, tritt durch die Membrana interossea antebrachii zur Streckseite, durchbohrt dort den M. supinator, gibt die A. interossea recurrens ab und verläuft zum Rete carpale dorsale. Die A. interossea recurrens zieht lateral vom Olecranon unter dem M. anconaeus zum Rete articulare cubiti und anastomosiert mit dem R. posterior der A. collateralis radialis. Klinik: 1. Unterbindung. Die Arterien von Unterarm und Hand gehen zahlreiche Verbindungen ein. Bei Verletzung beide Enden unterbinden! 2. Radialispuls. Die A. radialis ist wegen der oberflächlichen Lage ideal, um den Puls zu palpieren → Pulsader. Beurteilt werden: Regelmäßigkeit (→ Extrasystolie?) und Frequenz (Brady-, Tachykardie, ggf. Pulsdefizit), 3. Provisorische Blutstillung bei Arterienverletzung. Durch digitale Kompression des Gefäßes (A. axillaris, A. brachialis) gegen den Knochen, 4. Esmarch-Blutleere ist conditio sine qua non in der Handchirurgie, Ischämietoleranz ≤ 1,5 Std., 5. Raynaud-Syndrom. Sporadische Gefäßkrämpfe mit Ischämie, meist an den Arterien der Finger (Digg. II–V), besonders bei Frauen.

9.1.3.2

Venen, Venae membri superioris

Lernziele: Vv. superficiales (V. cephalica, V. basilica, Venenvarietäten der Ellenbeuge), Vv. profundae, wichtige klinische Aspekte. Das venöse Blut der oberen Extremität wird über zwei Systeme (Abb. 9.53, 54) nach zentral abgeführt: 1. Vv. superficiales membri superioris (sive Vv. subcutaneae, Hautvenen), liegen oberflächlich und epifaszial, 2. Vv. profundae membri superiores (sive Vv. comitantes, Begleitvenen), liegen tief und subfaszial. Beide Venensysteme haben Klappen und stehen durch Rr. perforantes miteinander in Verbindung.

Vv. superficiales. Das Hautvenensystem bildet sehr variable Netze aus, die oft bläulich durchscheinen. Diese sind am Handrücken weit- und in der Hohlhand wegen der Druckbelastung engmaschig. An der Hand wird das Blut gesammelt im: £ Rete venosum dorsale manus, erhält Zuflüsse

von klappenlosen Vv. intercapitulares (liegen zwischen den Köpfchen der Mittelhandknochen) und Vv. metacarpales dorsales. £ Arcus venosus palmaris superficialis, erhält Zuflüsse von den Vv. digitales palmares. Aus dem Rete venosum dorsale manus entwickeln sich 2 größere am Unterarm liegende Venenstämme: w V. basilica antebrachii (ulnare Seite) w V. cephalica antebrachii (radiale Seite) w Fakultativ kann noch eine V. mediana antebra-

chii oder eine V. cephalica accessoria antebrachii (liegt zuerst auf der Dorsalseite des Unterarms und mündet dann in die V. cephalica ein) ausgebildet sein.

V. mediana cubiti. In der Ellenbeuge werden die Hauptvenen durch eine von radial und distal nach ulnar und proximal verlaufende V. mediana cubiti verbunden, die meist zur Blutentnahme und zur i. v. Injektion verwendet wird. V. mediana antebrachii. Ist diese Vene an der Unterarmbeugeseite entwickelt, so gabelt sie sich in der Ellenbeuge V-förmig in eine V. mediana cephalica und in eine V. mediana basilica, die die V. mediana cubiti ersetzen. V. basilica, verläuft am Oberarm im Sulcus bicipitalis medialis, durchbohrt bereits in der Mitte des Oberarms die oberflächliche Faszie (Hiatus basilicus) und mündet in die V. brachialis. Die V. cephalica liegt meist an der lateralen Fläche des M. biceps brachii oder aber im Sulcus bicipitalis lateralis, zieht dann zwischen M. deltoideus und M. pectoralis major zum Trigonum deltoideopectorale, um nach Durchbohrung der Fascia clavipectoralis in die V. axillaris einzumünden. Diese setzt sich in die V. subclavia fort. Vv. profundae. Die tiefen Venen begleiten die Arterien und sind mit ihnen durch eine gemeinsame Gefäßscheide verbunden. Nur die proximalen Abschnitte der V. brachialis, V. axillaris und V.

9.1 Systematische Anatomie

725

M. trapezius Acromion

M. deltoideus

Clavicula

V. cephalica im Sulcus deltoideopectoralis

M. pectoralis major

V. cephalica

N. cutaneus brachii medialis M. biceps brachii N. cutaneus antebrachii medialis

M. brachialis

V. basilica

R. posterior n. cutanei antebrachii medialis N. cutaneus antebrachii lateralis V. mediana cephalica

R. anterior n. cutanei antebrachii medialis

V. mediana basilica Ulnare Muskelgruppe

Radiale Muskelgruppe V. mediana antebrachii V. cephalica antebrachii

V. basilica antebrachii

R. superficialis n. radialis

R. palmaris n. mediani

R. palmaris n. ulnaris Lig. carpi palmare

Aponeurosis palmaris

Abb. 9.53: Hautnerven und Hautvenen eines rechten Armes von vorn (G. Wilcke, präp., H. Link del.)

Nn. digitales palmares proprii

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

726

M. trapezius

N. supraclavicularis Acromion

M. infraspinatus M. deltoideus M. teres major M. latissimus dorsi

N. cutaneus brachii lateralis superior

N. cutaneus brachii lateralis inferior V. cephalica

Oberarmbeuger

N. cutaneus brachii posterior M. triceps brachii

N. cutaneus antebrachii posterior

Olecranon

radiale Muskelgruppe

dorsale Muskelgruppe V. cephalica antebrachii

V. basilica antebrachii

R. superficialis n. radialis

R. dorsalis n. ulnaris

Nn. digitales dorsales n. ulnaris

Vv. metacarpales dorsales manus

Nn. digitales dorsales n. radialis

Abb. 9.54: Hautnerven und Hautvenen eines rechten Armes von hinten (G. Wilcke, präp., H. Link, del.)

9.1 Systematische Anatomie

subclavia sind einfach, alle übrigen paarig. Die paarigen Venen haben so zahlreiche Anastomosen, dass ein langmaschiges Venennetz um die gleichnamigen Arterien entsteht. Werden die tiefen Venen bei starker Muskelarbeit komprimiert, so strömt das Blut aus der Tiefe zu den Hautvenen, die entsprechend anschwellen. Äste w Vv. brachiales, Vv. ulnares, Vv. radiales w Vv. interosseae anteriores, Vv interosseae poste-

riores

w Arcus venosus palmaris profundus, in diesen

Venenbogen münden die Vv. metacarpales palmares.

9.1.3.3

Lymphgefäße und Lymphknoten, Vasa lymphatica und Nodi lymphoidei (lymphatici) membri superioris

Lernziele: Systematik der Vasa lymphatica superficialia, Vasa lymphatica profunda, Nodi lymphoidei axillares, Drainagegebiete und wichtige klinische Aspekte. Wie bei den Venen werden unterschieden: 1.Vasa lymphatica superficialia und 2. Vasa lymphatica profunda. Die Vasa lymphatica superficialia (Abb. 9.55 a) bilden an der Hohlhand ein fein-, am Handrücken ein grobmaschiges Netzwerk, aus dem sich am Unterarm zahlreiche Längsstämme entwickeln, die hauptsächlich mit der V. cephalica und der V. basilica bis zur Ellenbeuge verlaufen. Hier sind in ~ 30 % in ihren Verlauf 1–2 Nll. cubitales superficiales und Nll. supratrochleares eingeschaltet. Von der Ellenbeuge aus begleiten nur wenige Äste die V. cephalica bis zum Trigonum deltoideopectorale. Die meisten folgen der V. basilica. Doch nur der kleinere Teil senkt sich mit der Vene in die Tiefe, der größere erreicht extrafaszial im Sulcus bicipitalis medialis verlaufend schließlich die Nll. axillares superficiales. Die Vasa lymphatica profunda (von den Knochen, Sehnen und Muskeln) folgen am Unterarm der A. radialis, A. ulnaris und den Aa. interosseae. In der Ellenbeuge können einige Nll. cubitales profundi eingeschaltet sein. Am Oberarm verlaufen sie

727

mit dem Gefäßnervenstrang im Sulcus bicipitalis medialis, um sich in der Achselhöhle in die Nll. axillares superficiales zu ergießen. Nodi lymphoidei axillares Die Lymphknoten der Achselhöhle variieren in Zahl (8–50) und Größe und sind durch ein Geflecht von Lymphgefäßen (Plexus lymphaticus axillaris) miteinander verbunden. Es werden Nodi lymphoidei axillares superficiales (regionäre Lymphknoten) und Nodi axillares profundi (Sammellymphknoten) unterschieden. Abgrenzung und Bezeichnung variieren. Nodi lymphoidei axillares superficiales (5 Gruppen im Spatium axillare und der unmittelbaren Umgebung, die topographisch jedoch nicht immer oberflächlich liegen) (Abb. 9.55 b): w Nll. axillares pectorales (sive anteriores), hinter

und am Rande des M. pectoralis minor. Einzugsgebiet: seitliche und vordere Brustwand, Brustdrüse.

Der Sorgius-Lymphknoten ist ein größerer, inkonstanter, auf der 3. Serratuszacke gelegener Lymphknoten dieser Gruppe.

w Nll. axillares subscapulares (sive posteriores),

am Margo lateralis scapulae zwischen den Mm. subscapularis und teres major sowie entlang der Vasa subscapularia lokalisiert. Einzugsgebiet: hintere Schultergegend, hintere Brustwand, unterer Nackenbereich. w Nll. axillares brachiales (sive humerales sive laterales), an der V. cephalica im Sulcus deltoideopectoralis und in der Fascia axillaris gelegen. Einzugsgebiet: der gesamte Arm. w Nll. axillares thoracoepigastrici, begleiten den N. thoracicus longus und liegen auf der Faszie des M. serratus anterior. Einzugsgebiet: seitliche und vordere Brustwand. w Nll. axillares interpectorales, zwischen den Mm. pectoralis major und minor gelegen. Einzugsgebiet Mamma; führen die Lymphe zu den Nll. apicales ab.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

728

1

3 7

6 5

2 4

Hiatus basilicus Nodi lymphatici cubitales superficiales Vasa lymphatica superficialia ulnaria

c

V. mediana cubiti

V. basilica

b

V. cephalica

Rete palmare

Vasa lymphatica digitalia a

Abb. 9.55: Lymphbahnen (a) und Lymphknoten (b) der oberen Extremität. 1: Nodi lymphoidei axillares pectorales, 2: Nodi lymphoidei axillares subscapulares, 3: Nodi lymphoidei axillares brachiales, 4: Nodi lymphoidei axillares thoracoepigastrici, 5: Nodi lymphoidei axillares interpectorales, 6: Nodi lymphoidei axillares centrales, 7: Nodi lymphoidei axillares apicales

9.1 Systematische Anatomie

729

Nodi lymphoidei axillares profundi. Liegen innerhalb der Achselhöhle medial am Gefäßnervenstrang und bilden 2 Gruppen: w Nll. axillares centrales, am Gefäßnervenstrang

zentral hinter dem M. pectoralis minor in der Achselhöhle gelegen. Einzugsgebiet: sammeln die Lymphe aus den übrigen Gruppen. w Nll. axillares apicales (sive infraclaviculares), direkt unterhalb der Clavicula, an der V. axillaris und oberhalb des M. pectoralis minor gelegen. Einzugsgebiet: nehmen die Lymphe aus den Nodi lymphoidei centrales auf. Weiterhin gelangen direkte Bahnen von der Brustdrüse (s. Kap. 10.2.1.2, S. 786) und die spärlichen, oberflächlichen Lymphgefäße, die mit der V. cephalica verlaufen (radiale Seite des Arms und der Hand) in diese Lymphknoten. Die abführenden Lymphgefäße vereinigen sich zum Truncus subclavius, der somit die gesamte Lymphe von der oberen Gliedmaße und der Brustwand aufnimmt. Rechts kann er durch Vereinigung mit dem Truncus jugularis einen Ductus lymphaticus dexter Nn. supraclaviculares (C3–C4) N. cutaneus brachii posterior (C5–C8, N. radialis) N. cutaneus brachii medialis (C8–Th1, Fasciculus medialis)

N. cutaneus antebrachii medialis (C8–Th1, Fasciculus medialis)

N. cutaneus brachii lateralis superior (C5–C6, N. axillaris) N. cutaneus brachii lateralis inferior (C5–C6, N. radialis)

N. cutaneus antebrachii posterior (C5–C8, N. radialis) N. cutaneus antebrachii lateralis (C5–C6, N. musculocutaneus)

N. ulnaris (C8–Th1, Fasciculus medialis)

N. radialis (C6–C8, Fasciculus posterior) dorsal

ausbilden, der in den rechten Venenwinkel (Angulus venosus) mündet. Auf der linken Seite mündet er in den Ductus thoracicus oder selbständig in den linken Venenwinkel (s. Kap. 2.5.4.2, S. 88).

9.1.3.4

Nerven der oberen Gliedmaße, Nervi membri superioris

Lernziele: Plexus brachialis (Pars supraclavicularis, Pars infraclavicularis), N. musculocutaneus, N. medianus, N. ulnaris, N. cutaneus antebrachii medialis, N. cutaneus brachii medialis, N. radialis: Astfolgen, Versorgungsgebiete, Autonomgebiete, motorische Muskelinnervation, wichtige klinische Aspekte (Nervenausfälle).

9.1.3.4.1 Armnervengeflecht, Plexus brachialis Die obere Gliedmaße entsteht als Knospe der ventralen Rumpfwand im Bereich der Segmente Nn. supraclaviculares (C3–C4)

N. cutaneus brachii lateralis superior (C5–C6, N. axillaris)

Nn. intercostobrachiales (Th2)

N. cutaneus brachii lateralis inferior (C5–C6, N. radialis)

N. cutaneus brachii medialis (C8–Th1, Fasciculus medialis)

N. cutaneus antebrachii lateralis (C5–C6, N. musculocutaneus) N. radialis (C6–C8, Fasciculus posterior)

N. cutaneus antebrachii medialis (C8–Th1, Fasciculus medialis)

N. ulnaris (C8–Th1, Fasciculus medialis)

N. medianus (C6–C8, Fasciculi medialis et lateralis)

ventral

Abb. 9.56: Übersicht über die Innervationsgebiete der Hautnerven des Armes (nach J. Sobotta)

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

730

C5–Th1. Bei der Differenzierung der Gliedmaße werden die Skelett-, Muskel- und Hautbestandteile der Segmente aufgelöst und zu neuen funktionellen Einheiten zusammengebaut. Da die Nerven ihre ursprünglichen Beziehungen beibehalten, führt die Umlagerung des Baumateriales zu einem Geflecht der Rr. ventrales der Spinalnerven C5–Th1, Plexus brachialis (Abb. 9.57, 58). Der Nervenplexus hat am Hals Verbindungen zum Plexus cervicalis und in der Achselhöhle mit 1–2 Nn. intercostobrachiales. Versorgungsgebiet: sensibel (Abb. 9.56) Arm und motorisch alle Muskeln von Arm und Schultergürtel mit Ausnahme des M. trapezius (kraniofugaler Muskel, daher vom N. accessorius innerviert). Architektur (Abb. 9.57). Die Rr. ventrales von C5-Th1 bilden 3 Trunci (Stämme): 1. Truncus superior, C5, C6, 2. Truncus medius, C7, 3. Truncus inferior, C8, Th1. Jeder dieser Trunci teilt sich in einen ventralen und einen dorsalen Ast (Divisiones ventrales und dorsales), die sich zu 3 Fasciculi zusammenschließen: – Fasciculus lateralis: Divisiones ventrales von Truncus superior und Truncus medius – Fasciculus medialis: Divisio ventralis des Truncus inferior

S e g me nt C

– Fasciculus posterior: alle 3 Divisiones dorsales. Die 3 Fasciculi werden nach ihrer Lage zur A. subclavia bzw. A. axillaris benannt, aus ihnen gehen die großen Nervenstämme des Armes hervor. Topographie. Der Plexus liegt z. T. oberhalb der Clavicula (→ Pars supraclavicularis) und z. T. in der Achselhöhle (→ Pars infraclavicularis): Die Pars supraclavicularis zieht kranial und dorsal von der A. subclavia durch die Skalenuslücke und umfasst die Trunci, die Divisiones und den Ursprung verschiedener Nerven. Die Pars infraclavicularis beinhaltet die Fasciculi und die großen Nervenstämme des Arms. Die Pars supraclavicularis entlässt (Abb. 9.58): Rr. musculares. Direkte Äste aus den Wurzeln des Plexus brachialis zum M. longus colli und zu den Mm. scaleni. Ventrale Äste w N. subclavius (C4, C5), kurzer Ast, zieht ventral

von der A. subclavia zum M. subclavius; kann den Nebenphrenikus abgeben. w Nn. pectorales medialis und lateralis (C5–Th1), verlaufen hinter der Clavicula, wo sie in meh-

4

C4

C5

Segm

ent C

S

eg

me

5

C6

nt C6

Truncus superior

eg

S

nt me Se

gm e

nt

Fasciculus

C8

Th1 inferior

n t Th1

Nervus

ventralis

C7

medius

me

Divisio

dorsalis

C7

Se g

Pars infraclavicularis

Pars supraclavicularis

lis ventra

dorsalis

N. musculocutaneus (C5–C7) lateralis

N. axillaris (C5, C6) posterior

is d or s al ventralis

Radix lat. n. mediani N. radialis (C6–Th1)

N. medianus (C6–Th1)

Radix med. n. mediani medialis

N. cut. brachii med. (Th1, Th2) N. cut. antebrachii med. (C8, Th1) N. ulnaris (C5, Th1)

Abb. 9.57: Architektur des Plexus brachialis (n. A. Prescher und K. Bohndorf)

9.1 Systematische Anatomie

731 Segment

Wirbel C4

N. dorsalis scapulae

C5

N. subscapularis

C6

N. suprascapularis

C7

Fasciculus lateralis

C4 C5 C6

Truncus superior

C7

Truncus medius

Fasciculus posterior

C8

Th1

Th1

Fasciculus medialis

Th2

N. cutaneus brachii lateralis superior Truncus inferior N. axillaris Radix medialis und Radix lateralis n. mediani ( Medianusgabel") " N. musculocutaneus durchbohrt M. coracobrachialis

Nn. pectorales

N. thoracicus longus N. thoracodorsalis

N. radialis N. cutaneus brachii medialis

R. profundus n. radialis R. superficialis n. radialis N. cutaneus antebrachii lateralis

N. cutaneus antebrachii medialis Supinatorkanal Pronatorkanal (s. Medianustunnel)

N. ulnaris A. ulnaris N. interosseus anterior N. medianus

R. dorsalis n. ulnaris A. radialis R. thenaris

Canalis carpi Loge de Guyon R. profundus n. ulnaris R. superficialis n. ulnaris R. communicans Nn. digitales palmares communes

Arcus palmaris profundus

Muskulatur zieht nach dorsal

Abb. 9.58: Schema der Nervenversorgung des Armes

Engpass, prädestiniert zu einem Kompressionssyndrom Nn. digitales palmares proprii

732

rere Äste für den M. pectoralis major und minor zerfallen. Dorsale Äste

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

Kopf, Druckschaden in Seitenlage; am häufigsten ist der N. ulnaris im Ellenbogengelenk betroffen (s. N. ulnaris)

w N. dorsalis scapulae (C4, C5), durchbohrt meist w

w

w w

den M. scalenus medius und versorgt den M. levator scapulae und die Mm. rhomboidei. N. suprascapularis (C4–C6), zieht unter dem Lig. transversum scapulae durch die Incisura scapulae zum M. supraspinatus und M. infraspinatus. N. thoracicus longus (C5–C7/C8), durchbohrt mit 2–3 Zweigen den M. scalenus medius. Die Äste vereinigen sich bald zu einem Stamm, der dorsal vom Plexus brachialis zur Achselhöhle gelangt, dem M. serratus anterior anliegt und sich in der Versorgung dieses Muskels erschöpft. N. subscapularis (C5–C6/C7), versorgt den M. subscapularis und M. teres major. N. thoracodorsalis (C6–C8), versorgt den M. latissimus dorsi und zieht an der Innenfläche des Muskels abwärts.

Die Pars infraclavicularis (Abb. 9.57, 58) liegt in der Achselhöhle und umgibt mit den 3 Fasciculi die A. axillaris. Aus den Fasciculi gehen die großen Nervenstämme des Armes hervor. £ Fasciculus lateralis → N. musculocutaneus und

Radix lateralis n. mediani.

£ Fasciculus medialis → Radix medialis n. medi-

ani, N. ulnaris, N. cutaneus antebrachii medialis und N. cutaneus brachii medialis. £ Fasciculus posterior → N. axillaris und N. radialis. Klinik: 1. Plexusanästhesie nach Kulenkampff. Einstich am Oberrand der Clavicula (in der Medioklavikularlinie), dann lateral der pulsierenden A. subclavia in Richtung Dornfortsatz des 3. Brustwirbels. Heute selten durchgeführt, da hohe Komplikationsrate, z. B. Pneumothorax, 2. Axillärer Block. Zur Op. an Unterarm und Hand (häufige Anästhesielücke → N. musculocutaneus), 3. Interskalenusblock. Eingang in die Skalenuslücke (Komplikation: hohe Periduraloder totale Spinalanästhesie), 4. Druck- oder Überdehnungsschaden in Narkose. Dehnung bei Hochlagerung des Rumpfes gegen fixierte Schultern oder Arme, Abduktion des supinierten Arms > 80–90°, Fixierung des Arms über dem

9.1.3.4.2 Astfolgen der großen Nervenstämme (Abb. 9.58) N. musculocutaneus (C5–C7). Durchbohrt den M. coracobrachialis und versorgt diesen, den M. biceps brachii und den M. brachialis mit Rr. musculares. Er gelangt zwischen M. biceps brachii und M. brachialis von der medialen auf die laterale Seite des Armes, wo er in der Ellenbeuge die oberflächliche Faszie durchbohrt und als N. cutaneus antebrachii lateralis die Haut an der radialen Seite des Unterarms innerviert. N. medianus (C6–Th1). Entsteht mit einer Radix lateralis und einer Radix medialis aus den Fasciculi lateralis et medialis. Beide Wurzeln umfassen als Medianusgabel (Medianusschlinge) die A. axillaris. Der einheitliche Stamm verläuft am Oberarm ohne Astabgabe im Sulcus bicipitalis medialis. Er beschreibt eine Schraubentour um die A. brachialis, indem er zunächst lateral, in der Mitte des Oberarmes vor und in der Ellenbeuge medial von der Arterie liegt. In der Ellenbeuge passiert er den Pronatorschlitz (Medianustunnel) und verläuft dann in der Mitte des Unterarmes zwischen M. flexor digitorum superficialis und profundus. Unter dem Retinaculum flexorum erreicht er die Hohlhand, wo er in seine Endäste zerfällt. Varietäten: In ~ 95 % verläuft der N. medianus durch den Pronatorschlitz, in ~3% perforiert er das Caput humerale und in ~ 2 % verläuft er unter dem Caput ulnare.

Astfolge w Rr. musculares (gehen bereits in der Ellenbeuge

ab), versorgen M. pronator teres, M. flexor carpi radialis, M. palmaris longus und M. flexor digitorum superficialis. w Rr. articulares n. mediani, versorgen das Ellenbogengelenk sensibel. w N. interosseus antebrachii anterior, zieht auf der Membrana interossea neben der gleichnamigen Arterie nach distal; versorgt den M. flexor pollicis longus, den M. pronator quadratus und den radialen Teil des M. flexor digitorum profundus.

9.1 Systematische Anatomie

w R. palmaris n. mediani, sensibel für die Haut w

w

– – w

über der Handwurzel. R. communicans cum nervo ulnari, Verbindung mit dem N. ulnaris in Höhe des oberflächlichen Hohlhandbogens. R. thenaris, motorischer Ast für die Daumenballenmuskeln. Ausnahmen: Der tiefe Kopf des M. flexor pollicis brevis und der M. adductor pollicis werden vom N. ulnaris innerviert. Der R. thenaris zieht in einem nach distal konvexen Bogen (früher: R. recurrens n. mediani) nach radial und zerfällt in 3 Äste: ein oberflächlicher versorgt den M. abductor pollicis brevis zwei tiefere gelangen zum M. opponens pollicis und zum Caput superficiale des M. flexor pollicis brevis. 3 Nn. digitales palmares communes, diese Endäste versorgen die Mm. lumbricales I und II (III) und teilen sich in Nn. digitales palmares proprii für die Haut der 31⁄2 radialen Finger der Hand.

Klinik: Der R. thenaris ist für die Handchirurgie bedeutsam und zeigt zahlreiche Variationen. Besonders beachtet werden muss die frühe Abzweigung des R. thenaris im Canalis carpi. In diesen Fällen kann der Nerv durch einen kleinen Kanal (Thenartunnel n. Johnson und Shrewsbury) im Retinaculum flexorum ziehen und ist dadurch bei der operativen Spaltung des Bandes (Therapie des Karpaltunnelsyndroms) gefährdet. Inkonstante Anastomosen des N. medianus: 1. zum N. musculocutaneus am Oberarm (in ~ 30 %), 2. zum N. ulnaris am Oberarm, 3. zum N. ulnaris im mittleren Drittel des Unterarms (Martin-GruberAnastomose), 4. zum N. ulnaris im Bereich der Hohlhand. Diese Anastomose liegt an der radialen Seite des M. flexor pollicis brevis und verbindet den R. thenaris n. mediani mit dem R. profundus n. ulnaris (Ansa thenaris oder Cannieu-Riche-Anastomose). Nervus-medianus-Versorgungsgebiet • alle Beuger des Unterarmes. Ausnahmen:

M. flexor carpi ulnaris, ulnarer Teil des M. flexor digitorum profundus (für Digg. IV, V).

733

Daumenballenmuskeln. Ausnahmen: M. adductor pollicis und Caput profundum m. flexoris pollicis brevis. • Mm. lumbricales I und II. • Die Haut über der Handwurzel, über der Palma manus und an der Beugefläche der 31⁄2 radialen Finger. • alle

Autonomgebiet. Von dem o. g. Schema der Hautinnervation gibt es Abweichungen. Regelmäßig versorgt der N. medianus nur die Haut über dem Mittel- und Endglied von Digg. II und III.

Abb. 9.59: Medianuslähmung. Faustschluss der 3 radialen Finger mangelhaft (Schwurhand). Umgezeichnet nach T. v. Lanz u. W. Wachsmuth

Klinik: 1. Schwurhand (Abb. 9.59) durch N.-medianus-Totalausfall. Beim Faustschluss bleiben die 3 radialen Finger gestreckt (→ zum Schwur erhoben), während Digg. IV, V durch den ulnaren Teil des M. flexor digitorum prof., der 5. Finger außerdem durch den M. flexor digiti minimi brevis gebeugt werden. Eine gewisse Beugung aller Grundglieder erfolgt durch die Mm. interossei et lumbricales. Daumen-Kleinfingerprobe. Der Daumen kann nicht opponiert werden (→ Ausfall des M. opponens pollicis), er ist durch den vom N. ulnaris versorgten M. adductor pollicis adduziert (→ Geburtshelferhand) und durch die Strecker dorsalflektiert. Die Pronation erfolgt nur durch die radiale Muskelgruppe bis zur Mittelstellung. Palmarflexion der Hand ist nur noch an der Ellenseite möglich, die Sensibilität über dem Daumenballen und an der Beugeseite der 31⁄2 radialen Finger ist aufgehoben. 2. Affenhand. Ist nach einiger Zeit die Daumenballenmuskulatur atrophiert, so spricht man von einer „Affenhand“, 3. Medianusverletzung oberhalb des Handgelenkes: Ausfall der Sensibilität und Opposition des Daumens,

734

herabgesetzte Beugekraft des Daumens, 4. Narkosebedingte Nervenläsion (→ Druckschaden in Operationslage) an der Oberarminnenseite möglich, 5. Suizidversuch. Beim Versuch die Pulsader aufzuschneiden, werden in dieser Reihenfolge durchtrennt: N. medianus, Sehnen der Handbeuger, A. radialis. Die sehr schmerzhafte Verletzung des N. medianus ist häufig Anlass, die Selbsttötungsabsicht aufzugeben. N. ulnaris (C5–Th1). Entspringt aus dem Fasciculus medialis und verläuft zunächst medial von der A. brachialis, um durch das Septum intermusculare brachii mediale auf die Streckseite zu gelangen, wo er im Sulcus n. ulnaris humeri, hinter dem Epicondylus medialis, gut zu tasten ist. Zwischen den beiden Köpfen des M. flexor carpi ulnaris gelangt er wieder auf die Beugeseite, wo er ulnar von der A. ulnaris, unter dem M. flexor carpi ulnaris (Leitmuskel!) bis zur Handwurzel herabzieht. Hier verläuft er außerhalb des Canalis carpi in der Guyon-Loge zur Hohlhand. Astfolge w Rr. musculares, ziehen zum M. flexor carpi w w

w

w

ulnaris und ulnaren Teil des M. flexor digitorum profundus (Digg. IV und V). R. palmaris n. ulnaris, zur Haut der Handwurzel an der ulnaren Seite. R. dorsalis n. ulnaris, geht ca. 5 cm oberhalb des Handgelenks zur Dorsalseite des Handgelenks ab, wo er in 5 Nn. digitales dorsales für die Streckseiten der 21⁄2 ulnaren Finger zerfällt. Er hat meist eine Verbindung zum R. superficialis n. radialis. R. superficialis, versorgt den M. palmaris brevis. Dann bildet er einen N. digitalis palmaris communis, welcher sich in zwei Nn. digitales palmares proprii für die einander zugewandten Seiten des Digg. IV und V teilt. Der Rest des R. superficialis zieht als N. digitalis palmaris proprius zur ulnaren Seite des Dig. V. Der N. ulnaris versorgt somit die Haut an der Beugeseite der 11⁄2 ulnaren Finger. R. profundus, durchbohrt und versorgt die Kleinfingerballenmuskeln, die Mm. lumbricales III und IV, sämtliche Mm. interossei, den M. adductor pollicis und das Caput profundum m. flexoris pollicis brevis.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

Nervus-ulnaris-Versorgungsgebiet • Alle Muskeln an der Beugeseite des Unterarms

und der Hand, die nicht vom N. medianus versorgt werden: M. flexor carpi ulnaris, ulnarer Teil des M. flexor digitorum profundus, Mm. lumbricales III und IV, alle Mm. interossei, M. adductor pollicis, Caput prof. m. flexoris pollicis brevis und die Hypothenarmuskeln. • Haut an der ulnaren Seite der Hand, 21⁄2 Finger dorsal, 11⁄2 Finger palmar. • Autonomgebiet. Der Nerv versorgt in jedem Falle die Haut des kleinen Fingers.

Abb. 9.60: Ulnarislähmung. Skizze nach einer Fotografie von O. Foerster. Durch Ausfall der Mm. interossei Überstreckung in den Grundgelenken. Beugung in den Mittel- und Endgelenken der Finger (Krallen- oder Klauenhand). Durch Ausfall des M. adductor pollicis steht der Daumen abduziert

Klinik: 1. Krallen- oder Klauenhand (Abb. 9.60). Ausfall aller Mm. interossei und der 2–3 ulnaren Mm. lumbricales (→ beugen Grundund strecken Mittel- und Endglieder). Grundgelenke sind überstreckt, Mittel- und Nagelglieder durch das Übergewicht der Beuger flektiert. Fingerspreizen und Adduktion des Daumens sind unmöglich, (→ pos. Froment-Zeichen: Festhalten eines Gegenstandes zwischen Daumen und Zeigefinger ist erschwert). Beim Faustschluss bleiben Digg. IV und V gestreckt (→ Ausfall des ulnaren Teiles des M. flexor digitorum profundus und des M. flexor digiti minimi brevis). Bei der Daumen-Kleinfingerprobe kann der 5. Finger dem Daumen nicht genähert werden (→ Ausfall des M. opponens digiti minimi!). Nach längerer Lähmung atrophieren die Muskeln, die Haut sinkt am Handrücken zwischen den Mittelhandknochen zu tiefen Furchen ein. Beugung und Ulnarduktion der Hand sind an der Ellenseite herabgesetzt (→ Ausfall von M. flexor carpi ulnaris und ulnarem Teil des M. flexor digitorum

9.1 Systematische Anatomie

prof.), 2. Sensibilitätsausfall über dem Kleinfingerballen (R. palmaris) und an den Fingern (dorsal 21⁄2 ulnare, palmar 11⁄2 ulnare Finger), 3. Sulcus-ulnaris-Syndrom. Druckschädigung des N. ulnaris im Sulcus n. ulnaris, 4. N.-ulnarisKompression in Narkose an der Innenseite des Oberarms (→ Herabhängen des Armes) oder hinter dem Epicondylus medialis (häufiger!), 5. Guyon-Tunnelsyndrom. Kompression des N. ulnaris in der Guyon-Loge mit Parästhesie der Digg. IV, V, später Handgelenkschmerz, 6. Ursachen der Ulnarislähmungen: Trauma, distale Humerusfraktur, Druckschaden im Sulcus n. ulnaris oder der Guyon-Loge. N. cutaneus antebrachii medialis (C8, Th1). Kommt aus dem Fasciculus medialis, verläuft mit den Vv. axillaris, brachialis und basilica distalwärts, tritt mit der letzteren durch die Oberarmfaszie und teilt sich in einen R. anterior für die vordere Fläche der Haut des Unterarms und einen R. posterior für die ulnare Fläche der Haut des Unterarms. N. cutaneus brachii medialis (Th1, Th2). Entspringt aus dem Fasciculus medialis, verbindet sich mit dem N. intercostobrachialis des 2. Interkostalnerven und versorgt die Haut der medialen Seite des Oberarms bis zur Ellenbeuge. N. axillaris (C5, C6). Verlässt den Fasciculus posterior in der Achselhöhle, verläuft mit der A. circumflexa humeri posterior durch die laterale Achsellücke und versorgt den M. deltoideus und M. teres minor mit Rr. musculares. Ein Hautast, der N. cutaneus brachii lateralis superior, zieht um den hinteren Rand des M. deltoideus zur Haut der seitlichen Schultergegend. N. radialis (C6–Th1). Bildet den Endast des Fasciculus posterior, windet sich im Sulcus n. radialis, dem Knochen dicht anliegend, in Begleitung der A. profunda brachii schraubenförmig um das mittlere Drittel des Humerus und gelangt zwischen M. brachioradialis und M. brachialis in die Ellenbeuge, wo er sich in seine Endäste aufteilt: w R. profundus, zieht durch den M. supinator zur

dorsalen Gruppe der Unterarmmuskeln.

w R. superficialis, verläuft radial von der A. radialis, bedeckt vom M. brachioradialis (→

Leitmuskel!) nach distal und wendet sich im distalen Drittel des Unterarmes unter dem M.

735

brachioradialis zur Haut der Streckseite der Hand. Astfolge w N. cutaneus brachii posterior, versorgt sensibel

die Rückseite des Oberarmes.

w N. cutaneus brachii lateralis inferior, geht w

w

w

w

w

w

bereits in der Achselhöhle ab und versorgt die Haut an der lateralen Seite des Oberarms. Rr. musculares, für den M. triceps brachii gehen sie vor dem Eintritt in den Canalis n. radialis ab. N. cutaneus antebrachii posterior, entspringt im Sulcus n. radialis, durchbohrt am Oberarm die Faszie und versorgt die Haut der Unterarmstreckseite bis zur Handwurzel. Rr. musculares, für die radialen Unterarmmuskeln entspringen sie in der Ellenbeuge vor der Aufteilung in die Endäste. R. profundus, tritt in den M. supinator ein und windet sich in ihm spiralig um den Radius zur Streckseite, wo er die gesamte dorsale Muskelgruppe des Unterarmes versorgt. N. interosseus antebrachii posterior, dünner Ast für die tiefe Muskellage und für das Handgelenk. Verläuft auf der Rückfläche der Membrana interossea antebrachii. R. superficialis, Hautast, zieht begleitet von der A. radialis und dem M. brachioradialis auf der Beugeseite des Unterarmes herab und wendet sich erst im distalen Drittel unter der Sehne des M. brachioradialis zur Streckseite. Dort besteht durch den R. communicans ulnaris eine Verbindung mit dem R. dorsalis n. ulnaris. Der R. superficialis zerfällt in 5 N. digitales dorsales für die Streckseiten der 21⁄2 radialen Finger.

Versorgungsgebiet des N. radialis • motorisch alle Strecker des Oberarmes und

die radialen und dorsalen Unterarmmuskeln

• sensibel die Streckseite von Ober- und Unter-

arm, die radiale Seite des Handrückens und die 21⁄2 radialen Finger.

Die Haut der Mittel- und Endglieder aller Finger wird dorsal auch von den palmaren Ästen versorgt, die stärker als die dorsalen sind. Kein Autonomgebiet! Alle vom N. radialis versorgten Hautgebiete können auch von anderen Nerven innerviert werden.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

736

Abb. 9.61: Radialislähmung. Skizze nach einer Fotografie von O. Foerster. Durch Ausfall des R. profundus n. radialis ist die Dorsalflexion der Hand nicht möglich (Fallhand)

Klinik: 1. Fallhand (→ klassisches Symptom!) (Abb. 9.61). Durch Verletzung des R. profundus. Die Hand kann weder dorsalflektiert (→ Ausfall der dorsalen Muskelgruppe!) noch bei gestrecktem Unterarm supiniert werden (→ Ausfall des M. supinator!); bei gebeugtem Unterarm Supi-

9.2

Topographische und Angewandte Anatomie

Topographisch unterschieden werden Schulter (→ Regio infraclavicularis, axillaris, deltoidea, scapularis und das Spatium axillare), Oberarm (→ Regio brachii anterior und posterior), Ellenbogen (→ Regio cubitalis anterior und posterior), Unterarm (→ Regio antebrachii anterior und posterior), Hand (→ Regio carpi anterior, Palma manus, Dorsum manus und Digiti). Man präge sich die tastbaren Knochenpunkte ein (Abb. 9.62).

9.2.1

nation durch den M. biceps brachii möglich, 2. Streckung im Ellenbogengelenk unmöglich bei Verletzung proximal vom Sulcus n. radialis (→ Ausfall des M. triceps brachii!). Außerdem fällt die Hautversorgung an der dorsoradialen Fläche des Oberarms aus, 3. Erschwerte Radialduktion der Hand bei Verletzung im Sulcus n. radialis (→ Humerusschaftfraktur → Ausfall der radialen Muskelgruppe!). Außerdem fällt die Hautversorgung der dorsoradialen Fläche des Unterarms aus (→ N. cutaneus antebrachii posterior), 4. Cheiralgia paraesthetica. Sehr seltene isolierte Schädigung des R. superficialis mit Sensibilitätsausfall, Parästhesie und Schmerzen im sensiblen Ausbreitungsgebiet (→ radiale Hälfte des Handrückens, Streckseiten der Grundglieder von Daumen, Zeigefinger und radialer Seite des Mittelfingers). Ursache: z. B. zu enge Handschellen, sog. Arrestantenlähmung, 5. Schädigung bei Kompression der Außenseite des Oberarms in Operationslage möglich. Ursache: Druckschädigung (sog. Parkbanklähmung).

Unterschlüsselbeinregion, Regio infraclavicularis

Lernziele: Grenzen, tast- und sichtbare Landmarken, Inhalt, Gliederung in oberflächliche und tiefe Region, Beziehungen der Leitungsbahnen, Faszien, Muskeln und Knochen zueinander.

Grenzen (Abb. 9.63). Kranial: Clavicula, medial: lateraler Rand des Sternum, kaudal: Übergang ohne scharfe Grenze in die Regio mammaria, lateral: Rand des M. deltoideus. Man differenziert eine oberflächliche und eine tiefe Region, die von der kräftigen Fascia clavipectoralis getrennt werden. Inspektion, Palpation. Die Haut über Schlüsselbein und großem Brustmuskel ist gut verschieblich und muss bei Hautschnitten gespannt werden. Oberhalb der Clavicula sinkt sie zur Fossa supraclavicularis, unterhalb zur Fossa infraclavicularis (sive Mohrenheim-Grube) ein. Die Fossa infraclavicularis entspricht dem Trigonum clavipectorale (sive deltoideopectorale), der individuell sehr variablen Muskellücke zwischen M. deltoideus und M. pectoralis major. Sie setzt sich nach unten in den Sulcus deltoideopectoralis fort.

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

737

Clavicula Acromion

Spina scapulae

Processus coracoideus Tuberculum majus

Trigonum spinae

Tuberculum minus

Margo medialis scapulae Margo lateralis

Angulus inferior scapulae

Margo medialis

Epicondylus lateralis

Epicondylus medialis

Caput radii

Olecranon

Epicondylus medialis Processus coronoideus

Margo posterior ulnae

Corpus ulnae Processus styloideus ulnae Os capitatum

ossis metacarpalis

Basis Corpus Caput

phalangis proximalis

Basis Corpus Caput

Corpus radii

Corpus ulnae

Processus styloideus Os scaphoideum

Os pisiforme

Os trapezium

Processus styloideus ulnae

Hamulus ossis hamati

Eminentia carpi medialis

Caput ossis metacarpalis Basis Corpus phalangis proximalis Caput

Phalanx media

Phalanx media

Phalanx distalis

Phalanx distalis

Abb. 9.62: Armskelett von dorsal und von ventral. Praktisch wichtige, direkt tastbare Knochenteile schwarz. Durch dünne Muskeln oder Sehnen hindurch indirekt tastbare Teile grau. In Anlehnung an T. v. Lanz u. W. Wachsmuth

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

738 M. deltoideus

R. deltoideus

M. pectoralis minor

A. thoracoacromialis

R. acromialis

Nn. pectorales V. cephalica

Rr. pectorales

Nn. supraclaviculares M. pectoralis major R. clavicularis M. sternocleidomastoideus Fascia clavipectoralis

Rr. cutanei anteriores

Rr. perforantes a. thoracicae internae M. latissmus dorsi V. thoracoepigastrica

M. pectoralis major

R. cutaneus lateralis n. thoracici M. serratus anterior M. obliquus externus abdominis

Abb. 9.63: Regio infraclavicularis. Die Pars clavicularis m. pectoralis majoris ist teilweise entfernt. V. cephalica, A. thoracoacromialis und Nn. pectorales durchbohren die Fascia clavipectoralis

Zu tasten sind: 1. Proc. coracoideus (am vorderen Rande in der Tiefe der Grube), 2. Clavicula. Das Schlüsselbein lässt sich vollständig abtasten und ist bei mageren Personen durch die Haut zu erkennen. Bei herabhängendem Arm steht sie fast horizontal. Brüche, Kallus und Formveränderungen sind gut festzustellen (Seitenvergleich!). Oberflächliche Region. Nach Entfernung der Haut erscheinen die Muskelfasern des Platysmas und darunter die sensiblen Nn. supraclaviculares. Beide Strukturen kommen aus der Halsregion und ziehen über die Clavicula in die Regio infraclavicularis. Unter der Subkutis liegt die kräftige Fascia pecto-

ralis, die den M. pectoralis major bedeckt und sich mit bindegewebigen Septen zwischen seine Muskelfasern erstreckt. Die Fascia pectoralis zieht von der Clavicula über den M. pectoralis major, senkt sich am Sulcus deltoideopectoralis in die Tiefe und geht am unteren Rande des großen Brustmuskels in die Fascia abdominis superficialis und weiter lateral in die kräftige Fascia axillaris über. Im mediokaudalen Teil liegen die feinen Rr. cutanei anteriores und laterales aus den Interkostalnerven und die gleichnamigen Gefäßäste auf der Fascia pectoralis. Im Sulcus deltoideopectoralis liegt die V. cephalica in Begleitung des R. deltoideus der A. thoracoacromialis. Oberhalb des M. pectoralis minor wird die Fascia clavipectoralis von V.

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

cephalica, Nn. pectorales und Ästen der A. thoracoacromialis (→ Rr. pectorales, R. deltoideus, R. acromialis, R. clavicularis) durchbohrt. Die V. cephalica mündet hinter der Faszie in die V. axillaris, die Nn. pectorales (medialis und lateralis) und die arteriellen Rr. pectorales verzweigen sich in dem Verschiebespalt zwischen den beiden Brustmuskeln. Tiefe Region. Nach Entfernung der Pars clavicularis des M. pectoralis major kann die darunter gelegene, eigenständige, derbe Fascia clavipectoralis (sive Broesike-Faszie) gut überblickt werden. Sie spannt sich zwischen dem Unterrand des Schlüsselbeins und dem M. coracobrachialis aus, umscheidet die Mm. subclavius und pectoralis minor und erstreckt sich bis zum Proc. coracoideus. Kaudal geht sie in die Fascia axillaris über. Als Tractus coracoclavicularis werden besonders kräftige Faserzüge zwischen Proc. coracoideus und Clavicula bezeichnet. Gefäßnervenstrang. Nach Entfernung der Fascia clavipectoralis liegen frei (von kraniolateral nach kaudomedial): w Plexus brachialis (→ Fasciculus posterior, lateralis, medialis) w A. axillaris w V. axillaris.

Klinik: Der ventrale Zugang zum Schultergelenk führt durch das Trigonum clavipectorale.

9.2.2

Regio axillaris, Achselregion

739

Inspektion, Palpation. Bei etwa horizontal abduziertem Arm hat die Achselgrube ihre größte Tiefe. Der kaudale, freie Rand des M. pectoralis major springt als vordere, der laterale Rand des M. latissimus dorsi und des M. teres major als hintere Achselfalte mächtig vor. An der medialen Wand erscheinen zwischen den beiden Achselfalten die Zacken des M. serratus anterior (Pars convergens), unter denen die Rippen getastet werden können. An der lateralen Wand (Arm) erkennt man von ventral nach dorsal den Wulst des M. biceps brachii, den flacheren Wulst des M. coracobrachialis und den Gefäßnervenstrang, der sich bei stärkerer Abduktion noch deutlicher vorwulstet. Zu tasten sind: 1. Collum chirurgicum, 2. Bei anliegendem Arm und dadurch entspannter Fascia axillaris und Haut: mediale Anteile des Humeruskopfes. In dieser Stellung wird allerdings auch der Gefäßnervenstrang nicht geschützt, so dass er gegen den Humerus komprimiert werden kann (z. B. durch den Gebrauch einer Gehhilfe, sog. Krückenlähmung mit Ausfall des N. radialis einschließlich Trizepsbeteiligung). Klinik: Lymphknoten sind nur zu tasten, wenn sie vergrößert oder verhärtet sind (z. B. bei Entzündungen, malignen Tumoren, Metastasen). Cave: Tastuntersuchung immer bei hängendem Arm durchführen, da hierbei die Fascia axillaris entspannt wird!

Grenzen. Ventral: Plica axillaris anterior (→ freier Rand des M. pectoralis major), dorsal: Plica axillaris posterior (→ freier Rand von M. latissimus dorsi und M. teres major), medial: Thoraxwand, lateral: mediale Fläche des Oberarmes.

Achselhaut. Dünn, oft bräunlich pigmentiert, enthält neben Talgdrüsen zahlreiche kleine und große Schweißdrüsen, welche die Haut dauernd feucht halten. Die Verdunstung des durch seinen charakteristischen, stechenden Geruch ausgezeichneten Achselschweißes wird durch ein Haarpolster gefördert, das sich mit der Geschlechtsreife entwickelt. Die großen apokrinen Schweißdrüsen liegen in dem fest mit der Fascia axillaris verbundenen Unterhautfettgewebe.

Fossa axillaris (Achselgrube), eine mit Haut ausgekleidete Vertiefung zwischen diesen Strukturen, die mit der Armstellung ihre Form und Größe wechselt. Sie ist eindeutig von dem in der Tiefe gelegenen, mit Fettgewebe, Gefäßen, Nerven und Lymphknoten ausgefüllten Spatium axillare (Achselhöhle) zu unterscheiden.

Fascia axillaris. Spannt sich als Fortsetzung der Oberflächenfaszie am Boden der Achselgrube aus und stellt eine Grenze zum Spatium axillare dar. Im Bereich des Schweißdrüsenfeldes weist sie zahlreiche rundlich-ovale Löcher auf (Gitterfaszie), so dass eine Lamina cribrosa axillaris (Eisler) entsteht. Durch diese mit Fettpfröpfchen verschlos-

Lernziele: Grenzen, tast- und sichtbare Landmarken, Achselhaut.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

740

senen Löcher treten oberflächliche kleine Arterien und Venen sowie Lymphbahnen. Die sensiblen kleinen Nerven bilden sich aus dem N. cutaneus brachii medialis und aus dem N. intercostobrachialis II (R. cutaneus des N. intercostalis II). Die Lamina cribrosa axillaris wird von verstärkten Bindegewebezügen, den faszialen Achselbögen, eingefasst. Medial wird ein Arcus axillaris (v. Langer-Achselbogen) und lateral ein Arcus brachialis (v. Langer-Armbogen) beschrieben.

Das Spatium axillare ist ein pyramidenförmiger Bindegeweberaum zwischen seitlicher Thoraxwand und Arm bei mäßiger Abduktion. Die Pyramidenspitze liegt in der Mitte hinter der Clavicula, die Basis bildet die Fascia axillaris. Grenzen. Ventrale Wand: Fascia clavipectoralis, Mm. pectoralis major und minor. Dorsale Wand: kraniomedial M. subscapularis, kaudolateral M. teres major und Ansatz des M. latissimus dorsi. Mediale Wand: M. serratus anterior, laterale Wand: Humerus, Caput breve m. bicipitis brachii und M. coracobrachialis.

Besonderheiten. Im Bereich der Fascia axillaris kommen aberrierende und sehr variable Muskelfaserbündel (v. Langer-Muskelbögen) vor: £ Latissimusachselbogen (hinterer Achselbogen),

in 7–8 % zieht ein aberrierendes Muskelfaserbündel vom lateralen Rand des M. latissimus dorsi über den Gefäßnervenstrang zur Sehne des M. pectoralis major, zum Proc. coracoideus oder zur Fascia brachii (Innervation: N. thoracodorsalis). £ Pektoralisachselbogen (vorderer Achselbogen), spaltet sich vom lateralen Rand des M. pectoralis major ab, zieht über den Gefäßnervenstrang zum M. latissimus dorsi, zur Rumpfwand oder zur Fascia brachii. Wird als Rest des Panniculus carnosus angesehen. Klinik: 1. Schweißdrüsenabszess. Hyperhidrosis und Kontaktekzem (bes. bei Verlust der Terminalbehaarung) können eine abszedierende Entzündung des apokrinen Schweißdrüsenfeldes verursachen. Der Abszess überschreitet die Fascia axillaris nicht, so dass sich eine Faszienspaltung erübrigt, 2. Spaltlinien (s. Kap. 15.2, S. 1221). Chirurgische Schnittführung immer gemäß der ventrodorsal orientierten Linien, 3. Muskuläre Achselbögen können die chirurgische Orientierung erschweren und Leitungsbahnen der Achselhöhle komprimieren!

9.2.3

Achselhöhle, Spatium axillare

Lernziele: Grenzen, Gefäßnervenstrang mit seinen drei Verlaufsstrecken, Verbindungen zu Nachbarregionen, Achsellücken (mediale und laterale): Grenzen und Inhalt, wichtige klinische Aspekte.

Inhalt (Abb. 9.64). Das Spatium axillare hat die Aufgabe, den mächtigen Gefäßnervenstrang ohne Druck und Zerrung zum Arm zu führen und gleichzeitig ausgedehnte Bewegungen von Schultergürtel und Arm zu ermöglichen. Die Grundform einer Pyramide entsteht nur bei mäßig abduziertem Arm. Der darin exzentrisch von der Mitte des Schlüsselbeins zum Sulcus bicipitalis medialis verlaufende Gefäßnervenstrang ist von einer bindegewebigen Hülle umgeben. Von dieser ziehen bindegewebige Stränge und Lamellen zu benachbarten Wänden und gewährleisten bei der Verformung eine zweckmäßige Verlagerung des Gefäßnervenstrangs. Das in den Bindegewebemaschen untergebrachte Fettgewebe ist Reservefett und schwindet bei starker Abmagerung nahezu vollständig. Gefäßnervenstrang. 3 Verlaufsstrecken werden unterschieden. £ Proximale Strecke: zwischen Clavicula und

oberem Rande des M. pectoralis minor.

£ Mittlere Strecke: vom M. pectoralis minor

– –



£

bedeckt. Hier erfolgt die Umordnung des Gefäßnervenstrangs, aus Trunci werden Fasciculi. Der Fasciculus medialis wendet sich dorsal um die Arterie und erscheint zwischen Arterie und Vene. Die Arterie wird jetzt lateral vom Fasciculus lateralis flankiert. Die A. axillaris schickt die A. thoracica lateralis am unteren Rande des M. pectoralis minor abwärts. Der aus dem 2., evtl. 3. Zwischenrippenraum kommende N. intercostobrachialis (häufig 2–3 Nerven) zieht frei durch die Achselhöhle zum N. cutaneus brachii medialis. Distale Strecke: vom M. pectoralis minor bis zum unteren Rande des M. pectoralis major

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

741

Plexus brachialis, R. profundus a. transversae colli M. levator scapulae, N. XI M. scalenus medius N. dorsalis scapulae A., V. subclavia M. scalenus posterior, N. thoracicus longus N., A. suprascapularis, Pars superior m. serrati anterioris M. trapezius, Venter inferior m. omohyoidei Clavicula, M. subclavius

V. iugularis M. scalenus anterior, interna N. phrenicus M. subclavius

V. cephalica Pars infraclavicularis plexus brachialis, A., V. axillaris M. pectoralis minor R. deltoideus et R. acromialis a. thoracoacromialis Nn. pectorales, Rr. pectorales a. thoracoacromialis Radix lateralis et medialis n. mediani [Medianusschlinge] Fasciculus posterior, N. axillaris A. circumflexa humeri anterior M. coracobrachialis N. musculocutaneus N. intercostobrachialis (II) A. circumflexa humeri posterior N. thoracicus longus N. radialis 2. Medianusschlinge (Var.) M. pectoralis major N. et M. subscapularis Latissimusachselbogen, R. muscularis A. circumflexa scapulae, M. teres major A. profunda brachii N. radialis N. cutaneus brachii medialis N. medianus N. ulnaris N. cutaneus antebrachii medialis M. biceps brachii

N. intercostobrachialis (III) M. latissimus dorsi

N., A. thoracodorsalis

V. thoracoepigastrica, A. thoracica lateralis M. serratus anterior

M. pectoralis major

Abb. 9.64: Gefäße und Nerven der rechten Achselhöhle. Clavicula, M. pectoralis major und minor sind teilweise entfernt und zurückgeschlagen. Latissimusachselbogen (Varietät) überkreuzt den Gefäß-Nervenstrang. Als weitere Varietät eine doppelte Medianusschlinge

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

742









entwickeln sich aus den Fasciculi die langen Nervenstämme des Armes: Fasciculus lateralis und medialis schicken je eine Wurzel, Radix medialis und lateralis, zum N. medianus. Die Medianusgabel ist nicht selten doppelt. Der Nerv wendet sich bald an die laterale Seite der Arterie. Der Rest des lateralen Faszikels zieht als N. musculocutaneus durch den M. coracobrachialis. Der N. cutaneus antebrachii medialis (aus dem Fasciculus medialis) verläuft auf der Vorderfläche der Arterie distalwärts. Der N. ulnaris, die Fortsetzung des Fasciculus medialis, liegt etwas weiter dorsal und wird von der V. axillaris verdeckt. Der Fasciculus posterior behält seine Lage dorsal von der Arterie bei. Er schickt den N. axillaris in Begleitung der A. circumflexa humeri posterior durch die laterale Achsellücke. Die aus der A. axillaris entspringende A. subscapularis teilt sich in die A. thoracodorsalis (für den M. latissismus dorsi) und die A. circumflexa scapulae, die durch die mediale Achsellücke zur Rückfläche der Scapula zieht, wo sie mit der A. suprascapularis in sehr variabler Weise anastomosiert (in ~ 15 % fehlt jegliche Anastomose).

Verbindungen des Spatium axillare

• entlang der kleinen, die Brustwand durchboh-

renden Nerven und Gefäße in den Brustraum.

Mediale und laterale Achsellücke (Abb. 9.65 a, b). In der dorsalen Wand befindet sich zwischen M. teres minor, M. teres major und Collum chirurgicum des Humerus ein spitzwinkliges Dreieck, das durch den langen Kopf des M. triceps brachii in ein mediales, dreieckiges (Foramen axillare mediale) und ein laterales, viereckiges Loch (Foramen axillare laterale) unterteilt wird. Grenzen 1. Foramen axillare mediale (dreieckig). Lateral: Caput longum m. tricipitis brachii, kranial: M. teres minor, kaudal: M. teres major. 2. Foramen axillare laterale (viereckig). Medial: Caput longum m. tricipitis brachii, lateral: Collum chirurgicum humeri, kranial: M. teres minor, kaudal: M. teres major. Die beiden Foramina verbinden die Achselhöhle mit der dorsalen Schultergegend und dem Spatium subdeltoideum. Sie führen Gefäße und Nerven vom großen Gefäßnervenstrang der Achselhöhle nach dorsal. In der Ansicht von ventral werden die Achsellücken proximal nicht vom M. teres minor, sondern vom M. subscapularis begrenzt (Abb. 9.65 b). Inhalt der Achsellücken

• hinter der Clavicula entlang der Vasa subclavia

und des Plexus brachialis zum Hals durch die mediale Achsellücke zur Regio scapularis durch die laterale Achsellücke zum Spatium subdeltoideum entlang dem Gefäßnervenstrang zum Oberarm durch die Fascia clavipectoralis zum Spatium subpectorale und zur Regio infraclavicularis

• • • •

• Mediale, dreieckige Achsellücke: A. und

V. circumflexa scapulae gelangen in die Faszienloge des M. infraspinatus und M. teres minor. • Laterale, viereckige Achsellücke: N. axillaris, A. und V. circumflexa humeri posterior ziehen in das Spatium subdeltoideum. M. subscapularis

M. teres minor laterale Achsellücke mediale Achsellücke Humerus M. teres major

laterale Achsellücke Caput longum m. tricipitis brachii mediale Achsellücke M. teres major

Caput longum m. tricipitis brachii

a

Humerus

b

Abb. 9.65: Schematische Darstellung der Begrenzung der Achsellücken. a: Ansicht von dorsal. b: Ansicht von ventral

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

Lage der Lymphknoten s. Kap. 9.1.3.3. Klinik: 1. Berg-Einteilung. In der Klinik ist folgende Einteilung der regionalen Lymphknoten üblich (z. B. bei der Lymphknotenexstirpation): Level I → Lymphknoten lateral und kaudal des M. pectoralis minor Level II → Lymphknoten hinter dem M. pectoralis minor Level III → Lymphknoten medial und oberhalb des M. pectoralis minor. 2. Die Lymphknotenexstirpation gefährdet eher den frei durch die Achselhöhle ziehenden N. thoracodorsalis als den N. thoracicus longus, der an der seitlichen Brustwand geschützt in der Serratus-anterior-Faszie liegt, 3. SorgiusLymphknoten (auf der 3. Serratuszacke in unmittelbarer Nachbarschaft zum N. intercostobrachialis gelegen). Beim Mammakarzinom sind in ihm oft zuerst Metastasen nachzuweisen. Die ausstrahlenden Schmerzen im Versorgungsgebiet des N. intercostobrachialis (→ Innenseite des Oberarms bis in die Ellenbogengegend) können erster Hinweis auf ein Brustdrüsenkarzinom sein, 4. Armplexuslähmungen (Ursache: Geburtstrauma, Unfall, z. B. bei Motorradfahrern, nach Schlüsselbeinfraktur oder Röntgenbestrahlung wegen Mammakarzinom): • Obere Armplexuslähmung (→ Duchenne-Erb-

Lähmung, C4–C6; häufiger Lähmungstyp!). Lähmung der Abduktion und Außenrotation im Schultergelenk und der Flexion im Ellenbogengelenk, Zwerchfelllähmung. Sensibilitätsstörung über dem M. deltoideus möglich. • Mittlere Armplexuslähmung (C5–C6). Lähmung von Flexion und Extension im Ellenbogen, den Fingern sowie der Dorsalextension der Hand. • Untere Armplexuslähmung (→ DéjerineKlumpke-Lähmung, C8–Th1, evtl. C7; selten!). Ausgefallen sind die kleinen Handmuskeln (Daumen-, Kleinfingerballenmuskeln, die Mm. interossei et lumbricales), manchmal auch die langen Fingerbeuger, selten die Beuger des Handgelenkes. Sensibilitätsausfälle im ulnaren Handbereich und an der ulnaren Unterarmkante.

743

9.2.4

Seitliche Schulterregion, Regio deltoidea

Lernziele: tast- und sichtbare Strukturen, Spatium subdeltoideum, Bursa subacromialis, Bursa subdeltoidea, Leitungsbahnen und wichtige klinische Aspekte. Inspektion, Palpation (Abb. 9.64, 66). Die Ausdehnung entspricht dem M. deltoideus. Kranial wird die Region durch Spina scapulae, Acromion und Clavicula begrenzt. Der M. deltoideus umhüllt von vorn, von lateral und von hinten das Schultergelenk und wird dadurch konturgebend. Der unter dem Muskel gelegene Humeruskopf gibt der Schulter die Rundung. Zu tasten sind: 1. Tuberculum majus, meist lässt es sich durch den M. deltoideus, lateral und hinten tasten, 2. vorn der Sulcus intertubercularis mit der Sehne des langen Bizepskopfes, 3. Tuberculum minus (Außen- und Innenrotation erleichtern das Abtasten, da die Strukturen unter dem palpierendem Finger gleiten), 4. Processus coracoideus (bei abduziertem Arm) im Trigonum clavipectorale. 5. vom Rabenschnabelfortsatz aus ist das Lig. coracoacromiale eine Strecke weit zu verfolgen. Subkutis. Ventrolateral verlaufen die Nn. supraclaviculares. Am dorsalen Rand des M. deltoideus erscheint der Hautast des N. axillaris, der N. cutaneus brachii lateralis superior, um auf die laterale Seite des Oberarmes zu gelangen. Oft befindet sich unter der Haut eine Bursa subcutanea acromialis. Spatium subdeltoideum. Zwischen M. deltoideus und Schultergelenk liegt ein mit lockerem Bindegewebe gefüllter Verschieberaum, das Spatium subdeltoideum. In ihm sind meist 2 große, mit dem Schultergelenk nichtkommunizierende Schleimbeutel entwickelt: £ Bursa subacromialis (unter dem Acromion gele-

gen)

£ Bursa subdeltoidea (unter dem M. deltoideus

gelegen).

Diese können jedoch untereinander kommunizieren und ermöglichen die bei dem großen Verkehrsraum der oberen Extremität notwendigen ausgedehnten Verschiebungen zwischen Muskel

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

744

und Gelenk (→ subakromiales Nebengelenk des Schultergelenkes n. Pfuhl).

als Übergangsregion des Rückens zur freien oberen Extremität angesehen (Abb. 9.66, 69).

Das Spatium steht durch die laterale Achsellücke mit der Achselhöhle sowie unter dem Acromion mit dem Corpus adiposum subacromiale auf dem M. supraspinatus und dem fetthaltigen Bindegewebe auf dem M. infraspinatus in Verbindung. N. axillaris und begleitende A. circumflexa humeri posterior treten durch die laterale Achsellücke aus der Achselhöhle in den subdeltoidalen Gleitraum ein, verlaufen fingerbreit unterhalb des Kapselansatzes auf dem Collum chirurgicum und verzweigen sich im M. deltoideus. Der Nerv gibt vorher regelmäßig einen R. muscularis zum M. teres minor ab. Die Arterie anastomosiert mit der kleineren A. circumflexa humeri anterior und versorgt mit ihr den M. deltoideus und das Schultergelenk.

Inspektion, Palpation. Die Haut über der hinteren Schulterblattgegend ist, als typische Rückenhaut, dick und derb. Sie enthält zahlreiche große Talgdrüsen und ist reich mit Unterhautfettgewebe unterpolstert. An der Spina scapulae ist sie unverschieblich fixiert. In der Subkutis verlaufen kranial Ausläufer der Nn. supraclaviculares aus dem Plexus cervicalis, medial die Rr. dorsales der Nn. thoracici und lateral die Rr. cutanei laterales der Nn. intercostales.

Klinik: 1. Erhebliche Gefährdung des N. axillaris und der A. circumflexa humeri posterior durch Fraktur des Collum chirurgicum und Luxation des Schultergelenkes. Vor der Reposition prüfe man deshalb die Sensibilität im Hautfeld des N. cutaneus brachii lateralis superior! 2. Schultergelenkluxation. Hat das Caput humeri seine normale Lage verlassen, springt das Dach des Schultergelenkes epaulettenartig vor, darunter ist die leere Gelenkpfanne tastbar, 3. Schultergelenkpunktionen werden von dorsal, dicht unterhalb des Akromions mit aufsteigender Stichrichtung durchgeführt. Anatomisch günstig, da so Schleimbeutel (→ Infektionsgefahr) und Leitungsbahnen vermieden werden, 4. Entzündungen der Schleimbeutel (→ Bursitis) setzen die Bewegungsfähigkeit des Schultergelenkes herab und werden leicht mit Gelenkprozessen verwechselt.

9.2.5

Schulterblattregion, Regio scapularis

Lernziele: Grenzen, tast- und sichtbare Strukturen, Gliederung in eine oberflächliche und eine tiefe Muskelschicht, Leitungsbahnen und wichtige klinische Aspekte. Grenzen. Entspricht im streng topographischen Sinne der Ausdehnung des Schulterblattes und wird

Zu tasten sind: 1. Spina scapulae (unmittelbar unter der Haut, biegt am Angulus acromii in das Acromion um), 2. medialer und lateraler Rand der Scapula (→ Bewegung, v. a. Erheben des Armes erleichtert die Palpation). Oberflächliche Muskelschicht M. trapezius, M. deltoideus, M. teres major, M. latissimus dorsi. Die Fasern der Pars descendens und transversa m. trapezii inserieren am kranialen Rand der Spina scapulae. Die Pars spinalis des M. deltoideus entspringt am kaudalen Rand, so dass die Spina scapulae als Inscriptio ossea aufgefasst werden kann. Die oberen Anteile des M. latissimus dorsi ziehen meist über den Angulus inferior scapulae und pressen diesen an die Rumpfwand. Der M. teres major schließt sich an den kranialen Rand des M. latissimus dorsi an, um ventral des langen Trizepskopfes zum Arm zu ziehen. Zwischen den Muskeln bleibt ein dreieckiger Bezirk muskelfrei, in dem die Fascia infraspinata und kaudale Anteile des M. rhomboideus major unmittelbar unter der Haut liegen. Tiefe Muskelschicht M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor, M. subscapularis. Der M. supraspinatus füllt die Fossa supraspinata, der M. infraspinatus die Fossa infraspinata aus. Fascia supra- und infraspinata sind gleichzeitig Ursprung der gleichnamigen Muskeln und bedecken sie. Da diese Faszien an der Scapula befestigt sind, werden beide Fossae zu osteofibrösen Logen

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie N. accessorius

M. levator scapulae

M. trapezius, Pars descendens

M. rhomboideus minor R. superficialis a. transversae colli N. dorsalis scapulae, R. profundus arteriae transversae colli

745 N. dorsalis scapulae R. profundus a. transversae colli M. supraspinatus Vasa suprascapularia Lig. transversum scapulae superius N. suprascapularis Spina scapulae

M. deltoideus (weggeklappt) Lig. transversum scapulae inferius M. infraspinatus N. suprascapularis Vasa suprascapularia M. teres minor N. axillaris

M. rhomboideus major

A. circumflexa humeri posterior

M. trapezius, Pars transversa

M. infraspinatus

Rr. cutanei posteriores

Vasa circumflexa scapulae

M. rhomboideus major

N. cutaneus brachii lateralis superior M. teres major

M. trapezius, Pars ascendens

Caput laterale m. tricipitis brachii Caput longum m. tricipitis brachii Angulus inferior scapulae, M. latissimus dorsi N. ulnaris Caput mediale m. tricipitis brachii

Abb. 9.66: Regio scapularis und dorsaler Teil der Regio deltoidea. Spina scapulae teilweise entfernt. M. trapezius, M. supraspinatus, M. infraspinatus gefenstert. M. deltoideus dicht an der Spina scapulae durchtrennt und nach lateral geklappt

geschlossen. Nach lateral gehen diese Logen in das Spatium subdeltoideum über und kommunizieren im Bereich des Collum scapulae untereinander. Der M. subscapularis füllt die Fossa subscapularis aus, unterpolstert die Rippenfläche der Scapula und gleitet in einer lockeren, bindegewebigen Verschiebeschicht auf dem M. serratus anterior. Er zieht als stärkster Innenrotator des Armes ventral über das Schultergelenk zum Tuberculum minus humeri. Leitungsbahnen £ N. acessorius und R. superficialis der A. trans-

versa colli verzweigen sich zwischen oberflächlicher und tiefer Muskellage an der Unterfläche des M. trapezius.

£ N. dorsalis scapulae (aus dem Plexus brachi-

alis) und R. profundus der A. transversa colli versorgen den M. levator scapulae und die Mm. rhomboidei und verlaufen medial vom Margo medialis scapulae abwärts. Man sucht sie in der Lücke zwischen M. levator scapulae und M. rhomboideus minor auf. Entspringt der R. profundus der A. transversa colli selbständig aus dem Truncus thyrocervicalis, so wird er A. descendens scapulae genannt. £ N. suprascapularis (aus dem Plexus brachialis) und A. suprascapularis (aus dem Truncus thyrocervicalis) gelangen mit dem Venter inferior des M. omohyoideus zur Incisura scapulae, wobei der Nerv unterhalb, die Arterie oberhalb des Lig. transversum scapulae superius in die

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

746

Fossa supraspinata zieht. Hier versorgen beide Strukturen den M. supraspinatus und ziehen, der Dorsalfläche des Collum scapulae aufliegend, zur Fossa infraspinata, wo sie den M. infraspinatus versorgen. £ Im Bereich des Collum scapulae fixiert das Lig. transversum scapulae inferius den Gefäßnervenstrang am Knochen. £ In der Fossa infraspinata geht die A. suprascapularis eine Anastomose mit der A. circumflexa scapulae (aus der A. subscapularis) ein. Diese gelangt durch die mediale, dreieckige Achsellücke unter dem M. teres minor zur Fossa infraspinata. Klinik: 1. Aufsuchung der A. axillaris. Leitmuskel für den Gefäßnervenstrang ist der M. coracobrachialis. In Abduktionsstellung wird der Gefäßnervenstrang aufgesucht und seine Umscheidung gespalten. Man trifft dann auf folgende Situation: oberflächlich: N. medianus, medial: V. axillaris und N. cutaneus antebrachii medialis. Verzieht man den N. medianus nach lateral, so liegt hinter ihm die A. axillaris, 2. Kollateralkreisläufe. Bei proximalem Verschluss der A. axillaris kann ein Umgehungskreislauf zum Arm gebildet werden: über A. subclavia, Truncus thyrocervicalis, A. suprascapularis, Rete arteriosum scapulare, A. circumflexa scapulae und A. subscapularis zur distalen A. axillaris. Ein weiterer, weniger effektiver Weg führt über die A. subclavia, A. thoracoacromialis, R. acromialis, Rete acromiale, A. circumflexa humeri posterior zur distalen A. axillaris. Kein suffizienter Kollateralkreislauf besteht im distalen Abschnitt zwischen den Aa. circumflexae humeri und der A. profunda brachii.

9.2.6

Oberarmregionen, Regiones brachii

Lernziele: Oberflächenrelief, Regio brachii anterior (Grenzen, Muskeln, Leitungsbahnen in ihren Beziehungen zueinander), Regio brachii posterior (Grenzen, Muskeln, Leitungsbahnen in ihren Beziehungen zueinander), wichtige klinische Aspekte.

Grenzen und allgemeine Aspekte (Abb. 9.68, 69). Da der proximale Humerus der Schulter und der distale dem Ellenbogengelenk angehört, wird topographisch unter „Oberarm“ nur das zylindrische Mittelstück verstanden. Grenzen: proximal: Achselfalten, Ansatz von M. pectoralis major, M. teres major, M. latissimus dorsi. Distal: fließender Übergang in die Ellenbogengegend. Als künstliche Grenze wird eine Linie angenommen, die eine Handbreit proximal von den Kondylen liegt. £ Die Grenze zwischen Beugern und Streckern

wird durch 2 längs verlaufende Hautfurchen markiert: £ Im tiefen Sulcus bicipitalis medialis fühlt man in ganzer Ausdehnung den Puls der A. brachialis. £ Der flache Sulcus bicipitalis lateralis teilt sich am Ansatz des M. deltoideus in zwei Furchen, die den Muskel einrahmen. Nach distal fließen die Sulci bicipitales in der Ellenbeuge zusammen. An der lateralen Oberarmseite wulsten sich proximal der M. deltoideus und distal die brachioradialen Muskeln vor. Subkutane Leitungsbahnen £ Im Sulcus bicipitalis medialis liegen: V. basi-

lica, superfizielle Lymphbahnen, N. cutaneus antebrachii medialis. Distal der Mitte des Oberarmes durchbohrt die V. basilica am Hiatus basilicus schräg die Oberarmfaszie und gelangt in die Tiefe £ Im Sulcus bicipitalis lateralis liegen: V. cephalica und superfizielle Lymphbahnen. Die Vene wendet sich proximal dem Sulcus deltoideopectoralis zu und erreicht in ihm die Fossa infraclavicularis, wo sie sich in die Tiefe senkt, um in die V. axillaris zu münden. £ Ventral und medial treten weiter proximal der N. cutaneus brachii medialis und der N. intercostobrachialis durch die Faszie zur Haut. £ Die Haut der Dorsalseite wird vom N. cutaneus brachii posterior (aus dem N. radialis) versorgt. Distal von ihm tritt noch der N. cutaneus antebrachii posterior (aus dem N. radialis) durch die Faszie. Die Fascia brachii (Abb. 9.53, 54) hüllt als derbes, hauptsächlich aus Ringfasern bestehendes Bindegewebe die Muskeln ein, senkt sich jeweils lateral und medial als Septum intermusculare brachii laterale und mediale in die Tiefe und setzt an den Seitenrändern des Humerus an. Das laterale Septum

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

747

Sulcus deltoideopectoralis

M. deltoideus

M. pectoralis major

A., V., N. thoracodorsalis M. latissimus dorsi N. thoracicus longus N. radialis Vasa profunda brachii V. cephalica A. brachialis M. coracobrachialis N. musculocutaneus N. cutaneus antebrachii medialis N. ulnaris Caput longum m. bicipitis brachii Caput breve m. bicipitis brachii

Caput longum m. tricipitis brachii Caput mediale m. tricipitis brachii

N. medianus Septum intermusculare brachii mediale

N. ulnaris A. collateralis ulnaris superior

A. brachialis M. brachialis N. cutaneus antebrachii lateralis V. mediana cephalica

A. collateralis ulnaris inferior N. medianus N. cutaneus antebrachii medialis

N. cutaneus antebrachii lateralis M. brachioradialis

V. mediana basilica Lacertus fibrosus [Aponeurosis m. bicipitis brachii]

Abb. 9.67: Regio brachii anterior von medial gesehen. M. biceps brachii nach ventral und lateral gezogen

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

748

erstreckt sich vom Ansatz des M. deltoideus bis zum Epicondylus lateralis, das mediale vom Ansatz des M. coracobrachialis bis zum Epicondylus medialis. Dadurch entsteht ventral die Regio brachii anterior (Beugerloge) und dorsal die Regio brachii posterior (Streckerloge). Die Beugerloge setzt sich proximal in das Spatium axillare und distal in die Fossa cubitalis fort. Die Streckerloge endet distal am Olecranon.

9.2.6.1

Beugerloge, Regio brachii anterior

Grenzen (Abb. 9.67, 68). Nach dorsal: Humerus, Septa intermuscularia, zur Subkutis: Fascia brachii. Inhalt £ M. biceps brachii, M. brachialis, M. coracobra-

chialis

£ Gefäßnervenstrang des Armes.

Muskulatur. 2 Schichten: Der spindelige M. biceps brachii bedeckt den tiefer gelegenen und breiteren M. brachialis. Caput longum m. bicipitis brachii

Gefäßnervenstrang Im Sulcus bicipitis brachii medialis liegend, schließt er sich proximal dem ulnaren Rand des M. coracobrachialis und distal dem des M. biceps brachii an. Das neurovaskuläre Bündel besteht aus der A. brachialis mit Abzweigungen und den 3 großen Nervenstämmen → N. medianus, N. radialis, N. ulnaris. Während des Verlaufs nach distal scheren aus: £ N. musculocutaneus, bereits im Spatium axillare

verläuft er nach lateral, perforiert den M. coracobrachialis, gelangt zwischen M. brachialis und M. biceps brachii, um distal am lateralen Rand des M. biceps brachii zu liegen. Während dieses Verlaufes gibt er mehrere Rr. musculares zu den Beugern ab. Sein sensibler Endast perforiert als N. cutaneus antebrachii lateralis die Fascia brachii oberhalb des Epicondylus lateralis. £ N. radialis, A. profunda brachii, am unteren Rand der Sehne des M. latissimus dorsi treten Nerv und Arterie zwischen Caput mediale und laterale des M. triceps brachii (→ Trizepsschlitz) Caput breve m. bicipitis brachii N. musculocutaneus

V. cephalica

M. coracobrachialis

Sulcus bicipitalis lateralis

A. brachialis, Vv. brachiales

M. brachialis N. cutaneus antebrachii medialis

Humerus

N. medianus

Septum intermusculare brachii laterale

Sulcus bicipitalis medialis V. basilica

N. cutaneus brachii lateralis superior

Septum intermusculare brachii mediale

N. cutaneus antebrachii posterior

N. ulnaris

A. collateralis radialis, V. collateralis radialis [V. comitans]

A., V. collateralis ulnaris superior Caput mediale m. tricipitis brachii

N. radialis, Rr. musculares n. radialis Fascia brachii

Caput longum m. tricipitis brachii

A. collateralis media N. cutaneus brachii posterior

Abb. 9.68: Schematischer Querschnitt durch die Mitte des Oberarmes

Caput laterale m. tricipitis brachii

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

in den Sulcus n. radialis und damit in die Streckerloge ein. Distal perforiert der N. radialis das Septum intermusculare brachii laterale (in Begleitung der A. collateralis radialis), um zwischen dem M. brachioradialis und dem M. brachialis in die Fossa cubitalis einzutreten. Die Rr. musculares verlassen den N. radialis, bevor dieser in den Sulcus n. radialis eintritt. Daher hat eine Schädigung des N. radialis bei einer Humerusschaftfraktur keine Trizepslähmung zur Folge. £ N. ulnaris, mit der A. collateralis ulnaris superior durchstößt der Nerv das Septum intermusculare brachii mediale und gelangt in die Streckerloge. Von jetzt an besteht der Gefäßnervenstrang nur noch aus A. brachialis, lateraler (schwächerer) und medialer (stärkerer) V. brachialis, tiefen Lymphgefäßen und N. medianus. £ N. medianus, im proximalen Drittel ventral und

lateral der Arterie gelegen, überkreuzt er in der Mitte des Oberarmes die Arterie von lateral nach medial, um sich distal medial und dorsal des Gefäßes zu positionieren.

Varianten: 1. A. brachialis superficialis: In ca. 15 % (re. doppelt so häufig wie li.) zweigt dieses Gefäß in der Achselhöhle von der A. brachialis ab, verläuft vor der Medianusgabel in den Sulcus bicipitalis medialis und liegt hier ventral des N. medianus. In der Ellenbeuge kann dieses Gefäß oberhalb des Lacertus fibrosus liegen. Die A. brachialis kann in solchen Fällen stark zurückgebildet sein. Ist sie regelrecht ausgebildet, können die beiden arteriellen Gefäße die Medianusgabel oder den N. medianus zwischen sich fassen. Sind beide Gefäße etabliert, geht die A. radialis meist aus der A. brachialis superficialis (→ hoher Abgang der A. radialis = hohe Teilung) hervor. Von diesem Grundschema gibt es zahlreiche Abwandlungen. 2. Anastomose zwischen N. medianus und N. musculocutaneus. Diese Verbindung (bei jedem dritten vorhanden) führt die zunächst mit dem N. musculocutaneus verlaufenden Medianusfasern wieder zum N. medianus zurück. Klinik: 1. Ruptur der Sehne des langen Bizepskopfes. Durch Degeneration begünstigter Riss im Sulcus intertubercularis. Da der Bizeps keine knöcherne Befestigung am Humerus

749

aufweist, kontrahiert sich der Muskelbauch sehr stark und bildet oberhalb der Ellenbeuge eine deutlich sichtbare Anschwellung, 2. Proc. supracondylaris (Abb. 9.5 b). In ~ 1 % liegt proximal des Epicondylus medialis und ventral des Septum intermusculare brachii mediale ein krallenförmig nach distal zeigender atavistischer Knochenfortsatz. Von der Spitze spannt sich oft ein Band (Struther-Ligament) zum Epicondylus medialis aus. Unter diesem Fortsatz liegt der von den Vasa brachialia begleitete N. medianus, der hier Druckschäden erleiden kann.

9.2.6.2 Streckerloge, Regio brachii posterior Grenzen (Abb. 9.68, 69). Ventral: Humerus, Septa intermuscularia, gegen die Subkutis: Fascia brachii. Inhalt £ M. triceps brachii £ N. radialis und Vasa profunda brachii £ N. ulnaris und Vasa collateralia ulnaria superi-

ora.

M. triceps brachii. Zwischen der Insertionssehne des Triceps und dem proximalen Anteil des Olekranons liegt eine Bursa subtendinea olecrani. Innerhalb der Insertionssehne kann eine Bursa intratendinea olecrani vorkommen. Das Caput laterale und mediale m. tricipitis sowie der Sulcus n. radialis des Humerus bilden einen osteofibrösen Kanal, Canalis n. radialis. Leitungsbahnen N. radialis. Proximal des Septum intermusculare brachii mediale betritt der N. radialis zusammen mit der A. profunda brachii die Loge und tritt in den Canalis n. radialis ein. Unmittelbar davor gibt er neben den Rr. musculares zum M. triceps brachii ab: N. cutaneus brachii lateralis inferior, N. cutaneus brachii posterior. In der Mitte des Kanals verlässt der N. cutaneus antebrachii posterior den N. radialis, um die Fascia brachii am distalen Ende des Canalis n. radialis zu durchbrechen.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

750 M. trapezius

Spina scapulae N. suprascapularis A. suprascapularis

M. infraspinatus Clavicula Acromion M. deltoideus

N. axillaris A. circumflexa humeri posterior

A. circumflexa scapulae Caput longum m. tricipitis brachii A. profunda brachii Caput laterale m. tricipitis brachii

M. rhomboideus major M. teres minor

N. cutaneus brachii posterior

M. teres major M. latissimus dorsi A. collateralis media Rr. musculares n. radialis N. cutaneus antebrachii posterior

M. biceps brachii M. brachialis N. cutaneus brachii posterior

N. radialis A. collateralis radialis Caput longum m. tricipitis brachii Tendo m. tricipitis brachii

N. radialis N. cutaneus antebrachii posterior M. brachioradialis M. extensor carpi radialis longus

N. ulnaris A. collateralis ulnaris superior

Epicondylus lateralis humeri

Epicondylus medialis humeri Olecranon

Fascia antebrachii

Abb. 9.69: Regio scapularis und Regio brachii posterior. M. infraspinatus durchtrennt; M. teres minor gefenstert; M. deltoideus teilweise am Ursprung abgelöst und nach lateral geklappt. Caput laterale m. tricipitis brachii bis zum Septum intermusculare laterale durchtrennt, um den Verlauf des N. radialis und der A. profunda brachii zu zeigen

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

Die A. profunda brachii liegt innerhalb des Canalis n. radialis distal des Nerven. Äste: w A. nutricia humeri (entspringt am Beginn) w A. collateralis media (entspringt in der Mitte).

Der Endast der A. profunda brachii, die A. collateralis radialis, verlässt distal den Kanal. N. ulnaris. Nach Perforation des Septum intermusculare brachii mediale ist der Nerv in das Caput mediale des M. triceps eingebettet und gelangt in den Sulcus n. ulnaris an der Hinterfläche des Epicondylus medialis humeri, wo er leicht gegen den Knochen gequetscht werden kann (→ Musikantenknochen, s. Klinik Kap. 9.1.3.4). Klinik: 1. N.-radialis-Schädigung. Der Nerv liegt im Canalis n. radialis dem Humerusschaft unmittelbar an und ist bei Frakturen gefährdet (→ primäre Radialisschädigung). Kallusbildung oder Repositionsmanöver bei Frakturen können ihn an dieser Stelle ebenso schädigen wie Druck gegen eine feste Unterlage (→ sekundäre Radialisschädigung). Kennt man die gestaffelte Astabgabe, gelingt eine genaue Lokalisation der Schädigung, 2. Olekranonfraktur. Häufiger, intraartikulärer Ellenbogenbruch mit Abriss des Hakenfortsatzes der Ulna und Gelenkverletzung; der M. triceps bewirkt eine breite Diastase des Frakturspalts (→ Operationsindikation!).

9.2.7

Ellenbogenregionen, Regiones cubitales

Lernziele: Oberflächenrelief, Regio cubitalis anterior (Grenzen, subkutane Gebilde, Muskeln, Leitunsbahnen in ihren Beziehungen zueinander), Regio cubitalis posterior (Grenzen, Muskeln, Leitungsbahnen in ihren Beziehungen zueinander), wichtige klinische Aspekte. Grenzen, allgemeine Aspekte (Abb. 9.70 bis 72). Die Abgrenzung ist willkürlich und wird proximal und distal durch eine Linie markiert, die eine Handbreit proximal (entspricht der Verbindungslinie der Epikondylen) bzw. distal von der queren Beugefalte liegt. Der Ellenbogen der Umgangssprache ist der Vorsprung des Olekranons!

751

Gegenüber dem mehr zylindrischen Oberarm ist der Ellenbogen von vorn nach hinten abgeplattet. Die Abplattung entsteht durch die seitliche Ausladung der Epikondylen und durch die Umordnung der Muskulatur. Fossa cubitalis. Die Beuger des Oberarms, M. biceps brachii und M. brachialis, verjüngen sich gegen ihren Ansatz spindelförmig und verschwinden zwischen den Muskelwülsten des Unterarms in der Tiefe. Die vom Epicondylus medialis entspringenden Beuger und die vom Epicondylus lateralis und weiter proximal vom Humerus entspringenden brachioradialen Muskeln springen bei gestrecktem Arm als Wülste vor. Es entsteht so in der Ellenbeuge eine V-förmige Grube (→ Fossa cubitalis). Die beiden Schenkel des V laufen in die Bizepsfurchen aus. Dorsal geht die Muskelmasse des M. triceps brachii in eine flache Sehne über, die am Olecranon ansetzt. Die Muskelanordnung ergibt die exzentrische Lage des Ellenbogengelenkes, das ventral von den Ober- und Unterarmmuskeln überlagert wird (Abb. 9.72). Dorsal liegt das Gelenk unmittelbar unter der Haut und ist der Untersuchung und Operationen leicht zugänglich. Topographisch unterscheidet man eine Regio cubitalis anterior und Regio cubitalis posterior.

9.2.7.1

Ellenbeuge, Regio cubitalis anterior

Grenzen. Proximal: Bauch des M. biceps brachii, medial: oberflächliche Flexoren des Unterarms, lateral: brachioradiale Muskeln, gegen die Subkutis: Fasciae brachii et antebrachii. Inspektion, Palpation (Abb. 9.70, 71). Zwischen dem medianen Wulst der Oberarmbeuger und den seitlichen (ulnaren und radialen) Unterarmmuskelwülsten senkt sich die Haut zur Fossa cubitalis ein. Zu tasten sind: 1. Ansatzsehne des M. biceps brachii (bei Beugung), 2. Aponeurosis m. bicipitis brachii (sive Lacertus fibrosus). Der medial der Sehne in die Unterarmfaszie ausstrahlende Lacertus fibrosus lässt sich mit zwei Fingern

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

752

V. basilica N. medianus V. cephalica

A. brachialis

N. cutaneus antebrachii lateralis

N. cutaneus antebrachii medialis, R. posterior (R. ulnaris)

M. biceps brachii

N. cutaneus antebrachii medialis, R. anterior V. mediana basilica

N. cutaneus antebrachii lateralis

V. basilica antebrachii

V. mediana cephalica

Aponeurosis m. bicipitis brachii [Lacertus fibrosus]

V. cephalica antebrachii V. anastomotica V. mediana antebrachii

M. pronator teres M. flexor carpi radialis M. palmaris longus

M. brachioradialis

M. flexor carpi ulnaris R. superficialis n. radialis

N. ulnaris

Vasa radialia

M. extensor carpi radialis longus M. extensor carpi radialis brevis

Vasa ulnaria

M. abductor pollicis longus M. extensor pollicis brevis

R. dorsalis n. ulnaris

R. superficialis n. radialis Tendo m. brachioradialis Tendo m. flexoris carpi radialis

M. flexor digitorum superficialis

Vasa radialia N. medianus Lig carpi palmare [Lig carpi volare]

R. palmaris n. ulnaris Canalis ulnaris (GUYON)

Abb. 9.70: Oberflächliche Regio cubitalis anterior und Regio antebrachii anterior. In der Ellenbeuge ist die Oberfächenfaszie erhalten und teilweise gefenstert

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

753

M. biceps brachii Vasa brachialia N. medianus

A. collateralis ulnaris superior N. ulnaris Septum intermusculare brachii mediale

Epicondylus medialis R. superficialis n. radialis R. profundus n. radialis

M. supinator

Lacertus fibrosus [Aponeurosis m. bicipitis brachii] N. ulnaris

M. brachioradialis R. superficialis n. radialis Vasa radialia

A. interossea communis A. interossea posterior A. interossea anterior

M. pronator teres M. flexor carpi ulnaris M. flexor digitorum superficialis (Schnittkante)

N. ulnaris Vasa ulnaria

M. flexor pollicis longus N. medianus

Membrana interossea

Vasa interossea anteriora N. interosseus anterior

R. superficialis n. radialis Tendo m. brachioradialis

R. dorsalis n. ulnaris M. pronator quadratus

Tendo m. flexoris carpi radialis

R. palmaris n. ulnaris

Tendines m. flexoris digitorum superficialis Tendo m. palmaris longi R. palmaris n. mediani M. palmaris brevis R. superficialis n. ulnaris N. medianus Arcus palmaris superficialis

Retinaculum flexorum

Abb. 9.71: Tiefe Regio cubitalis anterior und tiefe Regio antebrachii anterior. M. brachioradialis und M. extensor carpi radialis longus nach radial, M. flexor carpi ulnaris nach ulnar verlagert; M. flexor digitorum superficialis und profundus weitgehend entfernt, M. pronator teres gefenstert

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

754 Humerus

Tendo m. tricipitis brachii

M. biceps brachii M. triceps brachii N. cutaneus antebrachii lateralis Membrana fibrosa

M. brachialis

capsulae articularis N. radialis

Membrana synovialis

M. brachioradialis

Trochlea humeri

Lig. anulare radii

Olecranon

Caput radii

Bursa subcutanea olecrani

M. extensor carpi radialis longus

Articulatio radioulnaris proximalis Recessus sacciformis

M. supinator

Tendo m. bicipitis brachii et bursa bicipitoradialis

M. extensor carpi radialis brevis

M. extensor carpi ulnaris Radius

M. flexor digitorum profundus M. flexor pollicis longus Ulna

umfassen und überbrückt den Gefäßnervenstrang. Cutis. Die Haut ist dünn, elastisch, haarlos und leicht auf der Unterlage verschieblich. Bei Venenpunktion muss sie deshalb über der Vene gespannt werden. In Beugestellung erscheint eine quere Beugefurche, die bei Streckung verschwindet. Die Lage der Beugefurche variiert und lässt keinen Schluss auf die Position des Gelenkspaltes zu. Meist liegt sie ~ 2 cm proximal von diesem. Bei Männern und älteren Menschen (geringeres Fettpolster!) scheinen die oberflächlichen Venen als bläuliche Stränge durch die Haut. Subkutane Leitungsbahnen (Abb. 9.53, 54) w V. basilica. Nimmt das Blut von der palmaren

Seite der Hand und aus dem medialen Teil des Unterarmes auf. Sie liegt ulnar und strebt dem Hiatus basilicus zu.

Abb. 9.72: Sagittalschnitt durch das Ellenbogengelenk. Blick auf die laterale Hälfte

w V. cephalica. Nimmt das Blut von der dorsalen

Handseite und vom lateralen Unterarmgebiet auf. Sie liegt radial und verläuft epifaszial am Oberarm nach proximal. w V. mediana antebrachii. Liegt zwischen den beiden vorigen und sammelt das Blut aus der Unterarmvorderseite. In der Ellenbeuge teilt sie sich Y-förmig in die V. mediana cephalica und die V. mediana basilica. Oft senkt sich noch eine V. mediana profunda in die Tiefe, um mit den tiefen Venen zu anastomosieren. w V. mediana cubiti. Schräg verlaufende Verbindungsvene zwischen V. basilica und V. cephalica, die oft beim Fehlen einer V. mediana antebrachii auftritt. Beide Venen ziehen über die Aponeurosis m. bicipitis brachii hinweg und werden durch diese von dem in der Tiefe gelegenen Gefäßnervenstrang getrennt. w N. cutaneus antebrachii medialis. Durchsetzt die Fascia brachii mit der V. basilica im Hiatus

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

basilicus und zerfällt in einen R. anterior und R. posterior. w N. cutaneus antebrachii lateralis. Durchstößt die Faszie am distalen Ende des Sulcus bicipitalis lateralis und zieht zur Radialseite des Unterarms.

755

w A. interossea anterior. Bleibt zunächst auf der

£ Fossa cubitalis. Im Bindegeweberaum der

Fossa cubitalis findet eine Umordnung der großen Leitungsbahnen des Oberarmes statt. Aus dem Sulcus bicipitalis medialis streben A. und V. brachialis mit dem N. medianus und aus dem Sulcus bicipitalis lateralis der N. radialis in die Fossa cubitalis.

w

Tiefe Leitungsbahnen w A. brachialis. Die Armschlagader liegt bei

Eintritt in die Fossa cubitalis lateral des N. medianus und entfernt sich deutlich von ihm. Vor dem Ellenbogengelenk gibt die A. brachialis die A. radialis ab. Diese verläuft schräg nach lateral, überkreuzt die Sehne des M. biceps brachii und tritt in die Speichenstraße zwischen M. brachioradialis und M. flexor carpi radialis ein. Sie gibt in der Ellenbeuge die kräftige A. recurrens radialis ab, die medial neben dem N. radialis und zwischen dem M. brachioradialis und dem M. brachialis liegend nach proximal verläuft, um mit der A. collateralis radialis zu anastomosieren. Unmittelbar oberhalb des Caput ulnare des M. pronator teres zerfällt die A. brachialis in ihre beiden Endäste: A. ulnaris und A. interossea communis. w A. ulnaris. Zieht hinter dem ulnaren Kopf des M. pronator teres schräg nach distal, um in die Ellenstraße des Unterarms einzutreten. In der Fossa cubitalis zweigt die A. ulnaris die A. recurrens ulnaris ab, die zwischen dem M. brachialis und dem M. pronator teres liegend nach proximal zieht. w A. recurrens ulnaris. Der R. anterior liegt vor dem Epicondylus medialis, der R. posterior dahinter und neben dem N. ulnaris. Der R. anterior anastomosiert mit der A. collateralis ulnaris inferior und der R. posterior mit der A. collateralis ulnaris superior. w A. interossea communis. Ist ganz kurz und liegt ebenfalls hinter dem ulnaren Kopf des Pronator teres, um in die A. interossea anterior und posterior zu zerfallen.

w





Vorderseite der Membrana interossea, wohingegen die A. interossea posterior durch eine Dehiszenz der Membran nach dorsal zieht. Aus der A. interossea anterior kann die kleine, entwicklungsgeschichtlich interessante A. comitans n. mediani entspringen. Neben diesen Hauptstämmen geben alle erwähnten Arterien Rr. musculares ab. N. medianus. Betritt medial der A. brachialis die Ellenbeuge und gibt proximal des Epicondylus medialis Rr. musculares an das Caput commune der Beuger ab. Der Hauptstamm überkreuzt die A. recurrens ulnaris, um zwischen dem Caput ulnare und humerale des M. pronator teres (sog. Medianustunnel, Pronatorschlitz) nach distal zu ziehen, wobei die A. ulnaris überkreuzt wird. N. radialis. Betritt zusammen mit der A. collateralis radialis aus dem Sulcus bicipitalis lateralis kommend die Fossa cubitalis. Hier entlässt er Rr. musculares zu den brachioradialen Muskeln, um in Höhe der Epikondylenlinie in die Rr. superficialis et profundus zu zerfallen. Der R. superficialis (sensibel) liegt dicht am M. brachioradialis und gelangt im Sulcus antebrachii radialis an die laterale Seite der A. radialis. Der R. profundus (motorisch) zieht durch eine sehnig umrandete Öffnung (→ Frohse-Arkade) in den Radialistunnel des Supinator und windet sich um das proximale Ende des Radius, um so in die Extensorenloge des Unterarms zu gelangen.

Rete articulare cubiti. Das Ellenbogengelenk wird von einem arteriellen Gefäßnetz umsponnen, das besonders dorsal stark ausgeprägt ist und gespeist wird von: w 4 Kollateralarterien: A. collateralis ulnaris

superior, A. collateralis ulnaris inferior, A. collateralis media, A. collateralis radialis w 3 Aa. recurrentes: A. recurrens radialis, A. recurrens ulnaris, A. interossea recurrens. Das Rete articulare cubiti kann eine Unterbindung der A. brachialis distal des Abganges der A. profunda brachii kompensieren.

Klinik: 1. Intravenöse Injektion. Streckung im Ellenbogengelenk spannt die oberflächliche Faszie und die Aponeurosis m. bicipitis brachii. Beide dürfen nicht durchstochen werden, um eine Verletzung von N. medianus und A.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

756

brachialis zu vermeiden. Man führt deshalb die i. v. Injektion nicht direkt über dem Lacertus fibrosus, sondern weiter lateral durch, 2. Peripherer Venenzugang für Kavakatheter. V. basilica der V. cephalica vorziehen (→ Erfolgsrate bei V. cephalica nur ~ 30 % bedingt durch anatomische Varianten, z. B. sehr dünne Ausprägung, fehlende Einmündung in die V. axillaris oder Nichtanlage!). Cave: Verletzungsgefahr von A. brachialis und N. medianus, 3. A. brachialis superficialis. Bei Punktionen in der Ellenbeuge an eine oberhalb des Lacertus fibrosus verlaufende A. brachialis superficialis (Variante) denken (Pulsation!), 4. Adelmann-Beugung. Bei max. Beugung wird die A. brachialis vollständig komprimiert. Dies kann in der Ersten Hilfe zur Blutstillung am Unterarm verwendet werden, 5. Periphere Kompressionssyndrome. N. medianus im Pronatorschlitz (→ Pronator-teres-Syndrom) und R. profundus n. radialis beim Durchtritt durch den M. supinator (→ Supinatortunnelsyndrom), 6. Fraktur oder Luxation des proximalen Radius gefährdet den R. profundus n. radialis. Bei Supination liegt er eng am Gelenk, bei Pronation entfernt er sich. Operationen am Ellenbogengelenk werden deshalb bei maximaler Pronation ausgeführt.

9.2.7.2

Hintere Ellenbogenregion, Regio cubitalis posterior

bei leicht gebeugtem Arm). Bei Pronation und Supination gleitet das Caput radii unter dem tastenden Finger. Auch bei sonst gutem Fettpolster fehlt das subkutane Fett an dieser Stelle (→ Schönheitsgrübchen des weiblichen Armes!) Das besonders lockere, über dem Olecranon fettgewebefreie, subkutane Bindegewebe ermöglicht starke Verschiebungen des Knochens unter der Haut. Meist entwickelt sich eine Bursa subcutanea olecrani (→ chronische Bursitis!). Leitungsbahnen N. ulnaris. Der von der A. collateralis ulnaris superior begleitete Nerv ist zwischen Epicondylus medialis und Olecranon nach Spaltung der Faszie leicht auffindbar. Distal verschwindet er zwischen dem Caput humerale und dem Caput ulnare des M. flexor carpi ulnaris. A. interossea recurrens. Entspringt aus der A. interossea posterior, nachdem diese oberhalb der Membrana interossea antebrachii auf die Streckseite gelangt ist. Sie verläuft dann unter dem M. anconaeus lateral vom Olecranon aufwärts, liegt auf der hinteren Partie des Lig. anulare radii, anastomosiert mit dem R. posterior der A. collateralis radialis und speist das Rete articulare cubiti. Klinik: 1. Gelenkerguss. Das Ellbogengelenk liegt exzentrisch und wird dorsal nur von Haut und Oberflächenfaszie bedeckt. Ergüsse zeigen sich daher zuerst dorsal und wölben die Gelenkkapsel zwischen Epikondylen und Olecranon vor. Die Ergusspunktion ist hier besonders leicht; medial beachte man den N. ulnaris, 2. Sulcus-ulnaris-Syndrom (s. Klinik im Kap. 9.1.3.4, S. 729).

Inspektion, Palpation (Abb. 9.69, 72). Das gut sicht- und tastbare Olecranon bildet den eigentlichen Ellenbogen und liegt bei gestrecktem Arm mit dem kleineren Epicondylus lateralis und dem stärker ausladenden Epicondylus medialis in einer Linie (Hueter-Linie, s. Abb. 9.25). Bei Beugung wandert die Olekranonspitze nach distal und bildet bei rechtwinkliger Beugung mit den Epikondylen 9.2.8 ein gleichschenkliges Dreieck (Hueter-Dreieck). Zu tasten sind: 1. Margo posterior ulnae (distal vom Olecranon), 2. N. ulnaris (zwischen Olecranon und Epikondylen sinkt die Haut zu Grübchen ein, die sich bei Streckung vertiefen. Im medialen Grübchen liegt der Nerv direkt unter der Haut im Sulcus nervi ulnaris des Epicondylus medialis), 3. Gelenkspalt der Articulatio humeroradialis (im lateralen Grübchen

Unterarmregionen, Regiones antebrachii

Lernziele: allgemeine Gliederung: Compartimentum antebrachii extensorum, Compartimentum antebrachii flexorum und Compartimentum antebrachii extensorum pars lateralis. Regio antebrachii anterior: Grenzen, Gefäß-Nervenstraßen (Speichenstraße, Ellenstraße, Medianusstraße, palmare Zwischenknochenstraße), Lagebeziehungen der Gebilde zueinander,

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

757

wichtige klinische Aspekte. Regio antebrachii posterior: Grenzen, dorsale Zwischenknochenstraße. Knochen, Muskeln und Leitungsbahnen in ihren Beziehungen zueinander, wichtige klinische Aspekte.

2. Compartimentum antebrachii flexorum (→ Flexorenloge). £ Pars superficialis (oberflächliche Schicht):

M. flexor digitorum superficialis, M. flexor carpi radialis, M. palmaris longus, M. flexor carpi ulnaris. £ Pars profunda (tiefe Schicht): M. flexor digitorum profundus, M. flexor pollicis longus, M. pronator quadratus.

Allgemeine Gliederung (Abb. 9.53, 54, 70, 71, 73, 74). Der Unterarm, Antebrachium, ist konisch, da die Muskelmasse der Extensoren und Flexoren hauptsächlich proximal liegt und nach distal in schlanke Sehnen übergeht. Eine oberflächliche Fascia antebrachii umhüllt den gesamten Unterarm und schickt bindegewebige Septen in die Tiefe zu den Knochen, wodurch 3 osteofibröse Logen abgetrennt werden, in denen Muskeln liegen:

3. Compartimentum antebrachii extensorum pars lateralis (→ brachioradiale Loge). £ M. supinator, M. brachioradialis, M. extensor

carpi radialis longus, M. extensor carpi radialis brevis.

1. Compartimentum antebrachii extensorum (→ Extensorenloge).

Oberflächliche und tiefe Schichten werden durch ein zartes Faszienblatt voneinander getrennt. Innerhalb dieser 3 Logen werden 5 separate Räume (sog. Straßen nach v. Lanz und Wachsmuth) für die Leitungsbahnen gebildet:

£ Oberflächliche Schicht: M. extensor digito-

rum, M. extensor digiti minimi, M. extensor carpi ulnaris. £ Tiefe Schicht: M. extensor indicis, M. extensor pollicis longus, M. abductor pollicis longus, M. extensor pollicis brevis.

mediane Gefäß-Nervenstraße (Medianusstraße) radiale Gefäß-Nervenstraße

M. flexor carpi radialis

A. radialis, Vv. radiales, R. superficialis n. radialis

N. medianus, A. comitans n. mediani Tendo m. palmaris longi M. flexor digitorum superficialis V. basilica antebrachii N. cutaneus antebrachii medialis ulnare Gefäß-Nervenstraße

V. cephalica antebrachii M. brachioradialis Tendo m. pronatoris teretis

A. ulnaris, Vv. ulnares N. ulnaris

Radius

M. flexor carpi ulnaris M. flexor pollicis longus

Tendo m. extensoris carpi radialis longi

M. flexor digitorum profundus

M. extensor carpi radialis brevis Ulna

M. abductor pollicis longus M. extensor pollicis longus et brevis

M. extensor indicis

M. extensor digitorum Fascia antebrachii vordere Zwischenknochenstraße N. interosseus anterior, A. interossea anterior, V. interossea anterior Membrana interossea antebrachii

M. extensor carpi ulnaris hintere Zwischenknochenstraße R. profundus n. radialis, A. interossea posterior, Vv. interosseae posteriores M. extensor digiti minimi

Abb. 9.73: Schematischer Querschnitt durch die Mitte des Unterarmes

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

758

A. collateralis media Caput laterale m. tricipitis brachii

M. biceps brachii Caput mediale m. tricipitis brachii

M. brachialis M. brachioradialis

Epicondylus lateralis M. anconaeus M. extensor carpi radialis longus

A. interossea recurrens

M. extensor carpi radialis brevis

R. profundus n. radialis

A. interossea posterior

Rr. musculares n. radialis

M. extensor digitorum

M. abductor pollicis longus M. extensor pollicis brevis R. perforans arteriae interosseae anterioris

M. extensor pollicis longus N. interosseus posterior M. extensor carpi ulnaris Tendines m. extensoris digitorum Processus styloideus ulnae Tendo m. extensoris digiti minimi

Retinaculum extensorum Tendo m. extensoris pollicis longi Tendo m. extensoris carpi radialis brevis Tendo m. extensoris carpi radialis longi

Abb. 9.74: Regio antebrachii posterior. M. extensor digitorum und M. extensor pollicis longus sind nach ulnar gezogen

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

£ Speichen-, Ellen-, Medianus-, palmare und dor-

sale Zwischenknochenstraße. Jeder Straße ist ein Muskel als Leitmuskel (s. u.) zugeordnet.

Topographisch unterscheidet man eine Regio antebrachii anterior (Beugeseite) und eine Regio antebrachii posterior (Streckseite).

9.2.8.1

Beugeseite des Unterarms, Regio antebrachii anterior

Grenzen. Proximal: 3 Querfinger distal der Epikondylenlinie, distal: Verbindungslinie zwischen den Spitzen von Proc. styloideus radii und Proc. styloideus ulnae. Inspektion, Palpation (Abb. 9.53, 70, 71, 73). Auf der ulnaren Seite wulsten sich die Flexoren, auf der radialen die brachioradialen Muskeln vor. Zwischen dem Muskelbauch des M. brachioradialis und dem des M. flexor carpi radialis zeichnet sich eine schwache Furche ab, der Sulcus antebrachii radialis. Ulnar hingegen sieht man einen Sulcus antebrachii ulnaris nur distal zwischen den Sehnen des M. flexor digitorum superficialis und dem Muskelbauch des M. flexor carpi ulnaris. Zu tasten sind: 1. Radius (distales Ende), 2. Processus styloideus radii, 3. Proc. styloideus ulnae (besonders bei Beugung, da Verdrängung der Sehnen nach radial!). Subkutane Leitungsbahnen Im subkutanen Fettgewebe finden sich wechselnd stark ausgebildete Strukturen: 3 Venenstämme w V. basilica antebrachii (ulnar) w V. cephalica antebrachii (radial) w V. mediana antebrachii (in der Mitte). Grobmaschige, netzartige Anastomosen gewährleisten den Blutaustausch zwischen den Venenstämmen.

5 Hautnerven w N. cutaneus antebrachii lateralis (radiale Seite) w R. anterior des N. cutaneus antebrachii medialis

(ulnare Seite) w R. posterior des N. cutaneus antebrachii medialis (ulnare Kante)

759

w R. palmaris n. mediani (in der Mitte proximal

des Handgelenks)

w R. palmaris n. ulnaris (ulnar proximal des Hand-

gelenks).

Die tiefen Leitungsbahnen verlaufen innerhalb der 4 ventralen Straßen (Abb. 9.70): Speichen-, Ellen-, Medianus- und palmare Zwischenknochenstraße. Speichenstraße (radiale Gefäßnervenstraße). Leitmuskel: M. brachioradialis. • Inhalt: A. radialis, Vv. radiales, R. superficialis

n. radialis, tiefe Lymphbahnen.

Die A. radialis zieht bis zur Basis des Proc. styloideus radii und wendet sich hier auf die Streckseite. Vor ihrem Austritt aus der Speichenstraße entlässt sie den R. carpalis palmaris zum Rete carpale palmare. Der R. superficialis n. radialis schiebt sich in der Mitte des Unterarmes unter der Sehne des M. brachioradialis hindurch auf die Streckseite. Ellenstraße (ulnare Gefäßnervenstraße). Leitmuskel: M. flexor carpi ulnaris. • Inhalt: A. ulnaris, Vv. ulnares, N. ulnaris.

Medianusstraße (mittlere Gefäßnervenstraße). Leitmuskel: distaler Teil des M. flexor carpi radialis. • Inhalt: N. medianus, A. comitans n. mediani,

A. mediana (Varietät).

Palmare Zwischenknochenstraße. Leitmuskel: ulnarer Rand des M. flexor pollicis longus. • Inhalt: A., V. interossea antebrachii anterior,

N. interosseus antebrachii anterior (aus dem N. medianus).

9.2.8.2 Streckseite des Unterarms, Regio antebrachii posterior Inspektion, Palpation (Abb. 9.54, 73, 74). Durch eine seichte, auf den Proc. styloideus radii gerichtete Furche wird die radiale Muskelgruppe von der Extensorengruppe getrennt. Zu tasten sind: 1. Margo posterior ulnae (über die gesamte Unterarmlänge, da von Muskeln unbedeckt), 2. Caput ulnae, Proc. styloideus ulnae (distal), 3. distales Radiusende, das Tuber-

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

760

culum dorsale radii (Lister) ist eine prominente Landmarke. Subkutane Leitungsbahnen w Venen. V. cephalica antebrachii und V. basilica

antebrachii formieren sich distal auf der dorsalen Seite, um dann direkt auf die ventrale Seite zu gelangen. w Nerven. Der N. cutaneus antebrachii posterior aus dem N. radialis versorgt den mittleren Hautstreifen der dorsalen Unterarmfläche, die Nn. cutaneus antebrachii lateralis und medialis beide Seitenareale. Muskeln und tiefe Leitungsbahnen Die dorsale Muskelgruppe lässt eine oberflächliche und eine tiefe Schicht unterscheiden, die durch Bindegewebe getrennt werden. £ Oberflächliche Schicht (M. extensor digitorum,

M. extensor digiti minimi, M. extensor carpi ulnaris, M. anconaeus): hat mit Ausnahme des letzteren, den man auch zum M. triceps brachii rechnet, einen geraden Verlauf. Diese Schicht besteht vorwiegend aus Streckern. £ Tiefe Schicht (M. abductor pollicis longus, M. extensor pollicis brevis, M. extensor pollicis longus, M. extensor indicis): verläuft von proximal-ulnar nach distal-radial. Dieser schräge Verlauf lässt sie neben Abduktoren und Extensoren auch Supinatoren sein. Hintere Zwischenknochenstraße (Leitmuskel: M. extensor digitorum). Inhalt: A. interossea posterior und R. profundus n. radialis. w Der Nerv tritt aus dem M. supinator kommend

in die Region ein, um sich zwischen oberflächlicher und tiefer Schicht zu verzweigen. Er endet als N. interosseus posterior, der bis zum Handgelenk herabreicht und dieses und das Periost der Knochen versorgt. w Die A. interossea posterior stammt aus der A. interossea communis und betritt mit Begleitvenen oberhalb der Chorda obliqua die Streckerloge. Der Hauptstamm verläuft vom Nerven getrennt direkt auf der Membrana interossea liegend zum Handgelenk und mündet in das Rete carpale dorsale ein. Während ihres

Verlaufes gibt sie die A. interossea recurrens zum Rete articulare cubiti und zahlreiche Rr. musculares zu den anliegenden Muskeln ab. Die A. interossea anterior tritt distal mit ihren Begleitvenen durch die Membrana interossea in die Streckerloge; sie liegt hier unter dem M. extensor pollicis longus, anastomosiert mit der A. interossea posterior und mündet schließlich in das Rete carpi dorsale. Klinik: 1. Anastomosen. Zwischen den Unterarmarterien bestehen zahlreiche Verbindungen mit ausreichenden Kollateralkreisläufen, 2. Parierfraktur. Durch Schlag auf den zur Abwehr erhobenen Arm entsteht eine Ulnaschaftfraktur, häufig im proximalen Drittel, 3. Monteggia-Luxationsfraktur. Ulnafraktur (proximale Hälfte) mit Luxation des Radiuskopfes, häufig infolge Ruptur des Lig. anulare radii. Resultat ist eine Achsenknickung der Ulna, und der Radiuskopf ist in der Ellenbeuge tastbar, 4. GaleazziLuxationsfraktur. Speichenfraktur in loco typico mit Luxation des Caput ulnae und Abbruch des Proc. styloideus ulnae, 5. Schaftfrakturen der Unterarmknochen sind achsengerecht und in Mittelstellung (Spatium interosseum am größten!) einzurichten, um Brückenkallus vorzubeugen, der Umwendbewegungen unmöglich machen würde.

9.2.9

Handgelenkbeugeseite, Regio carpalis anterior

Lernziele: Grenzen, Hautfurchen, tast- und sichtbare Landmarken, Canalis carpi: Grenzen, Inhalt, Lagebeziehungen der Gebilde zueinander, Sehnenscheiden. Guyon-Loge: Grenzen, Inhalt, topographische Beziehungen, wichtige klinische Aspekte: Karpaltunnelsyndrom, Guyon-Tunnel-Syndrom. Grenzen (Abb. 9.50 b, 53, 71, 75, 76). Gegen die Hand: durch die an den Daumen- und die Kleinfingerballen angrenzende distale Handgelenkfurche, die Rascetta (entspricht der Articulatio mediocarpalis), gegen den Unterarm: durch die Linea carpi palmaris proximalis (= proximale Handgelenkfurche; entspricht der Epiphysenfuge des Radius).

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

Inspektion, Palpation. Die Haut ist dünn und haarlos. Die straffere Anheftung gibt ihr eine geringere Verschieblichkeit als am Unterarm. Eine subkutane Fettgewebeschicht fehlt fast vollständig. Zwischen der Rascetta und der proximalen Beugefurche (Linea carpi palmaris proximalis) liegt eine weitere Furche, die Restricta (entspricht der Articulatio radiocarpalis). Sie verbindet die Spitzen der Processus styloidei. Zu tasten sind: 1. M. palmaris longus. Die Sehne springt am stärksten in der Mitte der Region bei leichter Beugung im Handgelenk und Opposition von Daumen und Kleinfinger vor (der Muskel fehlt in ~ 10 %). 2. Radial der Sehne des M. palmaris longus liegt die dickere des M. flexor carpi radialis. 3. Radialispuls. Zwischen M. flexor carpi radialis und Radius sinkt die Haut zu einer Furche ein. In ihr fühlen wir den Puls der A. radialis. 4. Tabatière (= Fovea radialis). Das distale, verbreiterte Radiusende ist von den Sehnen des M. abductor pollicis longus und des M. extensor pollicis brevis überlagert. Sie springen bei Spreizung und Streckung des Daumens als palmare Begrenzung der Tabatière (zum Dorsum manus gehörig) deutlich hervor. 5. Ende des Griffelfortsatzes der Speiche (proximal vom Daumenballen). Hier wendet sich die A. radialis unter den Sehnen zum Handrücken. 6. M. flexor carpi ulnaris. Seine Sehne bildet die ulnare Begrenzung der Handwurzelbeugeseite. Sie springt auf ihrem Wege zum deutlich tastbaren Os pisiforme dann vor, wenn mit dem Kleinfinger der Daumenballen berührt und gleichzeitig im Handgelenk leicht gebeugt wird. 7. Ulnarispuls. Radial der Sehne des M. flexor carpi ulnaris ist der Puls der A. ulnaris tastbar. 8. Das Caput ulnae ist in Pronationsstellung der Hand als deutlicher Höcker sichtbar. Der Griffelfortsatz der Elle lässt sich besser bei Supination (an der ulnaren Kante) tasten. Subkutane Strukturen (Abb. 9.53). Die Unterarmfaszie ist durch Ringfasern, die an Radius und Ulna angeheftet sind, besonders verstärkt; sie bilden das

761

Lig. carpi palmare, welches von den Rr. palmares n. mediani und n. ulnaris durchbohrt wird. Subfasziale Gebilde (Abb. 9.71) gelangen größtenteils auf zwei Wegen in die Hohlhand: 1. durch den Canalis carpi und 2. durch die Guyon-Loge. Die A. radialis nimmt einen anderen Weg, auch die Sehne des M. palmaris longus liegt außerhalb der beiden Kanäle. Canalis carpi, Handwurzelkanal Grenzen. 1. dorsaler Boden: alle Ossa carpalia, 2. ventrales Dach: Retinaculum flexorum. Zwischen der Eminentia carpi radialis (Tuberculum ossis scaphoidei + Tuberculum ossis trapezii) und der Eminentia carpi ulnaris (Os pisiforme + Hamulus ossis hamati) spannt sich dieses kräftige Band aus und schließt den Sulcus carpi zum osteofibrösen Canalis carpi, 3. radiale Seite: Os trapezium, 4. ulnare Seite: Hamulus ossis hamati. Durch eine Scheidewand wird der Canalis carpi in ein kleines radiales und ein großes ulnares Fach unterteilt: Ulnares Fach. Nur die langen Fingerbeuger (M. flexor digitorum superficialis, M. flexor digitorum profundus und M. flexor pollicis longus) und der N. medianus werden zur Mittelloge der Hohlhand geführt. £ Am oberflächlichsten liegt der N. medianus

(ulnar der Sehne des M. flexor carpi radialis und meist radial der Sehne des M. palmaris longus), unter ihm der M. flexor digitorum superficialis (Sehnen von Digg. II und V unter denen zu Digg. III und IV). £ Am tiefsten und nebeneinander liegen die 4 Sehnen des M. flexor digitorum profundus. Um die Reibung herabzusetzen, sind die 8 Beugesehnen von einem gemeinsamen Mesotendineum in einer ungekammerten Sehnenscheide (Vagina communis tendinum musculorum flexorum, ulnarer karpaler Sehnenscheidensack) umgeben. Ihr proximales Ende ist bei einer Sehnenscheidenentzündung ~ 4 cm proximal der Rascetta deutlich zu fühlen. Die selbständige Scheide des M. flexor pollicis longus endet ~ 3 cm proximal der Rascetta. Radiales Fach. Die Sehne des M. flexor carpi radialis, umgeben von einer eigenen Sehnenscheide, liegt in einer Rinne des Os trapezium und verläuft

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

762

M. flexor digitorum superficialis M. brachioradialis

M. flexor carpi ulnaris

M. flexor carpi radialis Tendo m. palmaris longi A. radialis N. medianus R. palmaris n. mediani R. superficialis n. radialis Aponeurosis palmaris (Rest) M. opponens pollicis M. abductor pollicis brevis M. flexor pollicis brevis Arcus palmaris superficialis

A. ulnaris N. ulnaris R. profundus n. ulnaris Os pisiforme R. superficialis n. ulnaris Retinaculum flexorum R. muscularis M. palmaris brevis

Nn. digitales palmares communes Aa. digitales palmares communes Tendines m. flexoris digitorum superficialis Vagina fibrosa digitorum manus

Nn. digitales palmares proprii Aa. digitales palmares propriae

Vagina fibrosa digitorum manus

Pars anularis Pars cruciformis Tastkörperchen

Abb. 9.75: Palma manus und Regio carpalis anterior. Palmaraponeurose zum größten Teil abgetragen. M. palmaris brevis nach medial geklappt. Nach einem Präparat von G. Kunz und einer Zeichnung von H. Link

zur palmaren Basis von Os metacarpale II und manchmal auch III. Guyon-Loge (n. Jean-Casimier-Felix Guyon 1861; Abb. 9.75). Die ulnare Gefäßstraße verläuft durch einen kanalartigen Durchtritt zur Hohlhand. Dieser Durchtritt ist der distale Ulnaristunnel oder Loge de Guyon.

Grenzen. 1. Boden (dorsal): Retinaculum flexorum, Ligg. pisohamatum et pisometacarpale, 2. Dach (ventral): Lig. carpi palmare, M. palmaris brevis, 3. ulnare Seite: Sehne des M. flexor carpi ulnaris, Os pisiforme, M. abductor digiti minimi, 4. radiale Seite: Retinaculum flexorum, Hamulus ossis hamati.

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

Inhalt • N. ulnaris, in 90 % (H.-M. Schmidt) tritt der

Nerv schon in seinen R. superficialis und R. profundus geteilt in die Loge ein. • A. ulnaris, ihr Hauptstamm liegt meist radial und oberflächlich des N. ulnaris und teilt sich innerhalb der Loge in den R. palmaris profundus und den R. palmaris superficialis. Dabei überquert der R. palmaris profundus in 65 % die Äste des N. ulnaris, seltener (30 %) unterquert er die Nerven und selten (5 %) verläuft er zwischen den Nervenästen (H.-M. Schmidt). • Vv. ulnares, die A. ulnaris wird von zwei Venen flankiert. Besonders der distale Teil der Loge ist eng, da er durch einen Sehnenbogen überspannt wird, der sich zwischen dem Os pisiforme und dem Hamulus ossis hamati ausspannt und der dem M. abductor digiti minimi als Ursprung dient. Radiale Gefäßnervenstraße. Der R. superficialis n. radialis wendet sich bereits im distalen Radiusdrittel unter dem M. brachioradialis zur Streckseite, während die A. radialis mit Begleitvenen die Lage zwischen M. brachioradialis und M. flexor carpi radialis beibehält. Erst zwischen Proc. styloideus radii und Daumenballen zieht sie unter den Sehnen des M. abductor pollicis longus und des M. extensor pollicis brevis hindurch in die Tabatière und somit zum Handrücken. Die Sehne des M. palmaris longus verläuft palmar des Retinaculum flexorum und strahlt in die Palmaraponeurose ein. Klinik: 1. Karpaltunnelsyndrom (= Medianuskompressionssyndrom). Mechanische Kompression des N. medianus in der osteofibrösen Loge des Canalis carpi mit Atrophie der Daumenballenmuskeln, Sensibilitätsstörung von Hohlhand und Digg. I–III, einschließlich der radialen Seite von Dig. IV. Ursache: z. B. Fraktur, rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus, Schwangerschaft und anatomische Besonderheiten (überzählige Sehnen und Muskelbäuche, atypische Karpalknochen und Gefäßverläufe). Therapie: Spaltung des Retinaculum flexorum. 2. Ulnartunnelsyndrom (= Guyon-Tunnel-Syndrom). Distales Kompressionssyndrom des N. ulnaris. Ursache: anatomische Varietäten in der GuyonLoge (atypische oder überzählige Sehnen und

763

Muskeln) sowie Frakturen oder Handgelenkveränderungen, insbesondere Ganglien. Die Radfahrerlähmung ist eine spezielle Form, die durch anhaltenden Druck von außen hervorgerufen wird und häufig nur den R. profundus n. ulnaris betrifft, 3. Medianusverletzung. Schnittverletzungen in der Regio carpalis anterior durchtrennen oft den oberflächlich gelegenen N. medianus (→ Suizid durch Pulsaderschnitt, Sturz in Glasscherben).

9.2.10 Hohlhand, Palma (Vola) manus Lernziele: Grenzen, tast- und sichtbare Strukturen, Aponeurosis palmaris, Kammern der Hohlhand: Daumenballenfach, mittleres Fach, Kleinfingerfach. Inhalt der Fächer mit Leitungsbahnen, Sehnen, Muskeln. Topographische Beziehungen der Gebilde zueinander, wichtige klinische Aspekte: M. Dupuytren, Entzündungen, kollaterales Ödem. Grenzen (Abb. 9.50 b, 53, 75 bis 77). Von der Rascetta bis zu den Schwimmhautfalten zwischen den Fingergrundgliedern. Die Hohlhand bildet ein festes Widerlager beim Greifen und Festhalten von Gegenständen und zeigt eine ausgesprochene Druckkonstruktion. Inspektion, Palpation. Seitlich wird die Hohlhand von Muskelwülsten, Thenar (Daumenballen) und Hypothenar (Kleinfingerballen), eingefasst. Die derbe, haarlose Haut besitzt keine Talg-, jedoch zahlreiche Schweißdrüsen und eine dicke Epidermis, die bei Handarbeitern zur Schwielenbildung neigt. Straffe, vertikale Bindegewebezüge (Retinacula cutis) befestigen die Haut an der Palmaraponeurose und bilden prall mit Fettgewebe gefüllte Kammern, die den örtlichen Druck aufnehmen, verteilen und damit die in der Tiefe gelegenen Nerven und Gefäße schützen. Verschieben und Abheben der Haut ist bei dieser Konstruktion nicht möglich. 4 Hautfurchen. Die Hohlhand zeigt konstante Hautfurchen, die an ein M erinnern (Abb. 9.50 b):

764

£ Linea vitalis (sive Thenarfurche), umgreift den

Daumenballen und entspricht dem Ursprung des M. adductor pollicis. £ Linea mensalis (sive distale Hohlhandfurche), beginnt am Ulnarrand, zieht über die Grundgelenke der Finger und läuft zwischen Zeigefinger und Mittelfinger aus. £ Linea cephalica (sive proximale Hohlhandfurche), beginnt an der Basis des Zeigefingers und läuft proximal von der vorigen quer über den Handteller zum Ulnarrand, den sie nicht ganz erreicht. £ Linea stomachica (sive Mittelfurche), verläuft von der Handwurzel zum Mittelfinger, schneidet die beiden vorigen spitzwinklig. Die 4 Hauptfurchen sind genetisch determiniert und weniger als Beugungsfurchen anzusehen. Sie ermöglichen eine topographische Orientierung (Lage von Hohlhandbogen und Gelenkspalten). Monticuli. Distal der Linea mensalis wölbt sich die Haut bei Überstreckung in den Metakarpophalangealgelenken zwischen den Basen der Grundphalangen zu den flachen Monticuli (sive interdigitale oder metakarpale Tastballen) vor. Die Cristae cutis bestimmen das feinere Relief der Beugefläche der Hand. Diese 0,2 mm breiten, durch Sulci cutis begrenzten Leisten können gerade oder geschweift verlaufen und komplizierte Figurae tactiles (Bogen, Schleifen, Wirbel) bilden. Auf den Leisten münden die Schweißdrüsen, unter ihnen erheben sich zwei Reihen von Koriumpapillen. Im Gegensatz zu den verformbaren, rhombischen Areae cutaneae der übrigen Haut bleiben sie lebenslänglich konstant. Die Querfurchen der Haut am Beginn der Finger liegen beträchtlich distaler als die Articulationes metacarpophalangeae! Oberflächliche Strukturen Aponeurosis palmaris. Die dünne Oberflächenfaszie von Thenar und Hypothenar ist in einem dreieckigen Feld der Palma manus zur kollagenfaserigen derben Aponeurosis palmaris (Abb. 9.44) verstärkt. £ Die fächerförmig angeordneten Fasciculi longi-

tudinales laufen distalwärts in 4 Zipfel aus, die in die Haut über den Grundgelenken der Finger,

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

in das Lig. metacarpale transversum profundum und in die palmaren Platten ausstrahlen. £ Die distal gelegenen Fasciculi transversi bremsen die Spreizbewegungen ab. £ Senkrechte Scheidewände (vertikale Septen) gehen von der Aponeurose in die Tiefe, heften sie fest an die Mittelhandknochen und schaffen dadurch Kammern für die Sehnen, Nerven und Gefäße. Werden bei starker Streckung der Finger die Zipfel der Aponeurose gespannt, so quillt durch die Lücken (Spatium interfasciculare I–III) zwischen ihnen das Fettgewebe hervor und unterpolstert die Monticuli. Proximal inseriert an der Aponeurosis palmaris der M. palmaris longus. Fehlt der Muskel, ist die Aponeurose trotzdem vorhanden! M. palmaris brevis. Der kleine, variantenreiche, oft rudimentäre Muskel liegt mit der Palmaraponeurose in der gleichen Ebene, entspringt an ihrem ulnaren Rand, bedeckt die ulnare Gefäßnervenstraße und zieht über dem Hypothenar zur Haut, die er bei Kontraktion zu einer deutlichen Furche einzieht. Lig. metacarpale transversum superficiale (sive Lig. natatorium). Über die Basen der Grundphalangen II–IV spannen sich quere Faserzüge, die an der Haut und an den Beugesehnenscheiden befestigt sind. Das Band verhindert ein zu starkes Abspreizen der Finger. Kammern der Hohlhand Zwei stärkere von der Palmaraponeurose zu den Mittelhandknochen ziehende Scheidewände unterteilen den tiefen Hohlhandbereich in 3 Räume: Daumenballen-, Mittel- und Kleinfingerballenfach (Abb. 9.77). Das Mittelfach hat entlang des Bodens des Canalis carpi eine ununterbrochene Verbindung zum Spatium antebrachialis palmaris distalis (→ Parona-Raum). Distal setzt es sich kontinuierlich in die Lumbrikaliskanäle an den Fingern fort. Radiale und ulnare Kammern haben keine direkte Verbindung zum Unterarm. Das Daumenballenfach enthält: £ Thenarmuskulatur mit M. abductor pollicis

brevis, M. flexor pollicis brevis, M. opponens pollicis, M. adductor pollicis.

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

M. palmaris longus M. flexor carpi radialis A. radialis R. superficialis n. radialis Tendines m. flexoris digitorum superficialis Tendo m. flexoris pollicis longi N. medianus R. palmaris n. mediani M. opponens pollicis

M. abductor pollicis brevis

765

M. flexor carpi ulnaris A. ulnaris R. dorsalis n. ulnaris N. ulnaris Tendines m. flexoris digitorum profundi Retinaculum flexorum Canalis carpi Os pisiforme R. superficialis n. ulnaris R. profundus n. ulnaris R. palmaris profundus arteriae ulnaris Arcus palmaris profundus

M. flexor pollicis brevis

Aa. metacarpales palmares

M. adductor pollicis

R. communicans

A. princeps pollicis, Arcus palmaris superficialis Tendo m. flexoris digitorum profundi Tendo m. flexoris digitorum superficialis

Mm. lumbricales Aa. digitales palmares communes Vaginae synoviales digitorum manus Nn. digitales palmares proprii Aa. digitales palmares propriae

Abb. 9.76: Palma manus und Regio carpalis anterior. Die Sehnen der oberflächlichen und tiefen Beuger sind streckenweise entfernt. Der M. abductor pollicis brevis ist durchtrennt und nach lateral geschlagen. M. adductor pollicis teilweise gefenstert. Nach einem Präparat von G. Kunz und einer Zeichnung von H. Link

£ Sehne des M. flexor pollicis longus, die von

einer eigenen Sehnenscheide umgebene kräftige Sehne lagert sich zwischen die beiden Köpfe des M. flexor pollicis brevis. £ Leitungsbahnen: w A. radialis, der meist sehr dünne R. palma-

ris superficialis verläuft über oder durch den M. abductor pollicis brevis zum oberflächlichen Hohlhandbogen. Der stärkere Endast gelangt durch den M. interosseus dorsalis I in das Fach; er gibt hier die A. princeps pollicis ab und betritt als tiefer Hohlhandbogen das Mittelfach.

Variation: In 25 % findet man im I. Intermetakarpalraum eine „Sattelarterie“, eine dorsopalmare Gefäßverbindung zwischen A. metacarpalis dorsalis I (aus der A. radialis) und A. radialis indicis. Sie verläuft unter der Haut um den freien Rand des M. adductor pollicis. w N. medianus, die Muskeläste (Rr. thenares)

treten unmittelbar distal vom Retinaculum flexorum in die Muskeln (Abb. 9.75, 76), während die Hautäste über den M. flexor pollicis brevis zur Beugeseite des Daumens ziehen.

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

766 w N. ulnaris, die Rr. musculares (für M. adductor

pollicis und Caput profundum m. flexoris pollicis brevis) erreichen in der Tiefe, vom Mittelfach aus kommend, ihr Erfolgsorgan.

Das Mittelfach zeigt eine Dreischichtung: £ Die oberflächliche Schicht (sive Spatium prae-

tendineum) enthält: palmaris superficialis (distalwärts, konvex), hauptsächlich aus der A. ulnaris gespeist, verläuft er über die Mitte der Ossa metacarpalia und gibt die Aa. digitales palmares communes ab, die sich in Höhe der Grundgelenke in je 2 Aa. digitales palmares propriae aufzweigen. • N. medianus und N. ulnaris, der N. medianus betritt durch den Canalis carpi, der R. superficialis n. ulnaris dagegen oberflächlich, auf dem Retinaculum flexorum, das Fach. Beide tauschen durch eine Anastomose Fasern aus und teilen sich in Nn. digitales palmares communes, die mit je zwei Nn. digitales palmares proprii die benachbarten Flächen zweier Finger versorgen. • Arcus

flexorum begleitet sie noch bis auf die Basen der Mittelhandknochen (Abb. 9.50 b). • Mm. lumbricales, zwischen den Fingerbeugern, auf gleicher Ebene, liegen die von den Sehnen des M. flexor digitorum profundus entspringenden Mm. lumbricales. Sie verlaufen auf dem Lig. metacarpale transversum profundum (→ Lumbrikaliskanäle) zur Dorsalaponeurose der Finger. Da die Ursprünge bei der Beugung der Finger nach proximal verlagert werden, behalten sie ihre volle Wirkung, auch wenn die Kraft der langen Fingerbeuger mit Zunahme der Beugung abnimmt. £ Die tiefe Schicht (sive Spatium retrotendineum)

enthält folgende Leitungsbahnen:

• Arcus palmaris profundus, der tiefe Hohlhand-

£ Die mittlere Schicht enthält:

• Sehnen der langen Fingerbeuger, sie werden

durch den Canalis carpi in das Mittelfach geführt. Ihre Vagina communis tendinum mm.

bogen ist in das Corpus adiposum palmare profundum eingebettet, wird hauptsächlich aus der A. radialis gespeist und verläuft mit dem R. profundus n. ulnaris über die Basen der Mittelhandknochen. Er liegt proximaler als der oberflächliche und gibt die Aa. metacarpales palmares ab. Diese versorgen die tiefen Muskeln und stehen durch Rr. perforantes mit den Aa. metacarpales dorsales und durch ihre Endäste mit den Aa. digitales palmares communes in Verbindung. So kann bei Bedarf ein Blutaustausch zwischen dem oberflächlichen und tiefen Hohlhandbogen sowie den Handrückenarterien erfolgen.

Tendo m. flexoris pollicis longi M. flexor pollicis brevis, Caput superficiale M. flexor pollicis brevis, Caput profundum M. abductor pollicis brevis

Nn. digitales palmares communes Aa. digitales palmares communes Aponeurosis palmaris intermediäre Septen

M. opponens pollicis

Druckkammern der Subcutis M. palmaris brevis M. flexor digiti minimi brevis

A. princeps pollicis Os metacarpale I

M. abductor digiti minimi

Tendo m. extensoris pollicis brevis Tendo m. extensoris pollicis longus M. adductor pollicis Mm. lumbricales Aa., Vv. metacarpales palmares M. interosseus dorsalis I Fascia dorsalis manus profunda Fascia dorsalis manus superficialis Rete venosum dorsale manus Os metacarpale II

M. opponens digiti minimi Tendines m. flexoris digitorum superficialis Tendines m. flexoris digitorum profundi Tendo m. extensoris digiti minimi Connexus intertendineus Aa. metacarpales dorsales M. interosseus palmaris II M. extensor digitorum, Tendo digiti tertii Tendo m. extensoris indicis

Abb. 9.77: Schematischer Querschnitt durch die Mittelhand

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie • Die begleitenden Venen und Lymphgefäße haben

besonders starke Abflüsse zum Handrücken. • N. ulnaris. Der R. profundus n. ulnaris gibt im Mittelfach zahlreiche feine Äste an die Mm. lumbricales III und IV und an sämtliche Mm. interossei ab und endet im M. adductor pollicis und im tiefen Kopf des M. flexor pollicis brevis. Die Ossa metacarpalia und die zwischen ihnen liegenden Mm. interossei (Abb. 9.48, 49, 77) werden palmar und dorsal von einer dünnen Faszie (Fascia interossea palmaris und dorsalis) bedeckt und bilden eine osteomuskuläre Scheidewand zwischen Hohlhand und Handrücken.

767

lang den Rr. perforantes einen Weg zum Handrücken (→ kollaterales Ödem) oder vom Mittelfach aus durch den Canalis carpi zum Unterarm (→ Unterarmphlegmone), 3. Dupuytren-Kontraktur. Beugekontraktur der Finger (bes. Digg. IV, V) infolge bindegewebig-derber Verhärtung und Schrumpfung der Palmaraponeurose und der Hautbänder mit Bildung derber Stränge und Knoten. In 70–80 % Beteiligung beider Hände; deutliche Androtropie, 4. Entzündliche Schwellungen der karpalen Sehnenscheiden werden durch das straffe Retinaculum flexorum sanduhrförmig eingeschnürt und wulsten die Haut proximal und distal vom Retinaculum vor.

Das Kleinfingerballenfach enthält: £ Hypothenarmuskulatur mit M. abductor digiti

minimi, M. flexor digiti minimi brevis, M. opponens digiti minimi. £ Sehnen des M. flexor digitorum superficialis und profundus, die langen Sehnen des kleinen Fingers gleiten in einer digitalen Sehnenscheide, die meist mit der Vagina communis tendinum mm. flexorum kommuniziert (Abb. 9.50 b). £ Leitungsbahnen. A. ulnaris und der R. superficialis n. ulnaris verlaufen zwischen Retinaculum flexorum und M. palmaris brevis, wo die Arterie in den oberflächlichen Hohlhandbogen übergeht und der Nerv einen N. digitalis palmaris communis bildet (Abb. 9.75, 76). Der R. profundus n. ulnaris und der R. palmaris profundus a. ulnaris senken sich unter Abgabe von Ästen an die Muskeln zwischen M. abductor digiti minimi und M. flexor digiti minimi brevis in die Tiefe, wo sie dem Mittelfach zustreben (Abb. 9.76). Klinik: 1. Entzündungen oberhalb der Aponeurosis palmaris. In dem stark gekammerten Subkutangewebe breiten sie sich nur eingeschränkt aus und führen kaum zu Schwellungen; sie setzen aber die Kammerwände unter Druck und rufen Schmerzen hervor, brechen in die Tiefe durch und erzeugen häufig ein kollaterales Ödem des Handrückens, 2. Entzündungen oder Blutungen dorsal der Aponeurosis palmaris setzen den Inhalt unter Druck und verursachen starke Spannungsschmerzen. Da die starken Bindegewebelamellen einen Durchbruch nach palmar verhindern, suchen sich die Ergüsse ent-

9.2.11

Handrücken, Dorsum manus

Lernziele: Tast- und sichtbare Strukturen, subkutane Leitungsbahnen: Arterien, Venen, Nerven. Sehnen und Faszien. Inspektion, Palpation (Abb. 9.54, 78). Die Felderhaut ist dünn, besitzt Talgdrüsen und Haare. Den queren Stauchungsfalten kommt keine topographische Bedeutung zu. Das nahezu fettgewebslose, lockere subkutane Bindegewebe ermöglicht es, die Haut gegen die Unterlage zu verschieben und in Falten abzuheben. Es kann bei Kreislaufstörungen und örtlichen Prozessen (Insektenstichen, Eiterungen der Palma) große Flüssigkeitsmengen aufnehmen (Ödem!). Die Hautvenen bilden ein sehr variables Rete venosum dorsale manus, das bläulich durchschimmert und die Haut deutlich vorwölbt. Die Sehnen sind distal vom Retinaculum extensorum, das sie gegen das Skelett fixiert, als Stränge zu erkennen. Beugt und streckt man die mittleren Finger im Grundgelenk, so kann man sogar die Connexus intertendinei beobachten. Zu tasten sind: 1. Köpfe der Mittelhandknochen (springen bei Beugung als „Knöchel“ vor), 2. Gelenkspalten der Grundgelenke (seitlich von den Strecksehnen, die über die Knöchel hinweglaufen), 3. Körper der Mittelhandknochen (unter den Sehnen), 4. Basen von Digg. I, II, 5. Handwurzelknochen (kaum Details palpabel), 7. M. interosseus dorsalis I (springt bei Adduktion des Daumens als kräftiger Wulst vor).

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

768 M. abductor pollicis longus M. extensor carpi ulnaris A. interossea posterior, N. interosseus posterior

R. superficialis n. radialis

M. brachioradialis (Tendo) M. flexor carpi radialis (Tendo) M. extensor pollicis brevis

A. interossea anterior (Endast) Retinaculum extensorum M. extensor carpi radialis longus (Tendo) M. extensor carpi radialis brevis (Tendo) M. extensor indicis (Tendo)

Rete carpale dorsale R. carpalis dorsalis M. abductor pollicis longus (Tendo) M. extensor pollicis brevis (Tendo) A. radialis M. extensor pollicis longus (Tendo)

Aa. metacarpales dorsales M. extensor digitorum (Tendines)

Mm. interossei dorsales (I, II)

R. communicans ulnaris

Nn. digitales dorsales n. ulnaris

A. princeps pollicis Nn. digitales dorsales n. radialis A. digitalis dorsalis propria A. radialis indicis

N. digitalis palmaris proprius

Abb. 9.78: Regio carpalis posterior, Fovea radialis (Tabatière) und Dorsum manus

Subkutane Leitungsbahnen. Die Hautnerven gelangen schon am Unterarm als R. superficialis n. radialis und als R. dorsalis n. ulnaris auf die Streckseite. Ihre Nn. digitales dorsales versorgen den Handrücken und die Streckseiten der Finger bis zu den Mittelphalangen:

w 21⁄2 vom N. radialis, 21⁄2 vom N. ulnaris. w N. ulnaris versorgt die ulnare Seite des Dig. III

und ist hier durch den R. communicans mit dem N. radialis verbunden.

Sehnen. Die Extensorensehnen werden mit ihren Sehnenscheiden in 6 Fächern unter dem Retinacu-

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

lum extensorum zur Mittelhand geführt und gehen über den Phalangen in die Dorsalaponeurosen über. Das Retinaculum extensorum ist eine über der Handwurzel gelegene Verstärkung der Oberflächenfaszie (Abb. 9.78), die hauptsächlich aus Ringfasern besteht. Die Sehnen des M. extensor digitorum spalten sich auf dem Handrücken oft in mehrere Faserstränge auf, die sich erst beim Übergang in die Dorsalaponeurose wieder vereinigen. Die Sehne des M. extensor digiti minimi ist meist in zwei Sehnen gespalten. In vielen Fällen kommuniziert die Sehnenscheide des M. extensor pollicis longus mit derjenigen der Mm. extensores carpi radiales. Arterien. Die Schlagadern liegen unter den Sehnen und sind verhältnismäßig schwach entwickelt. Der R. carpalis dorsalis a. radialis, der R. carpalis dorsalis a. ulnaris und die Endäste der Aa. interosseae bilden ein Rete carpale dorsale. Die aus ihm hervorgehenden Aa. metacarpales dorsales verlaufen auf den Mm. interossei. Sie stehen durch Rr. perforantes mit dem tiefen Hohlhandbogen in Verbindung. Faszien £ Fascia dorsalis manus superficialis: Fortset-

zung der Fascia antebrachii auf den Handrücken, bedeckt die Sehnen. £ Fascia dorsalis manus profunda: bedeckt die Mm. interossei dorsales und Mittelhandknochen. Fovea radialis (Tabatière anatomique; Abb. 9.78). Dreieckige Grube an der Grenze zwischen radialer Kante des Unterarms und Daumens, die besonders bei Abduktion und Dorsalflexion sichtbar wird. Grenzen. 1. nach palmar: Sehnen des M. abductor pollicis longus und des M. extensor pollicis brevis, 2. nach dorsal: Sehne des M. extensor pollicis longus, 3. Boden: Proc. styloideus radii (proximal), Os scaphoideum und Os trapezium (distal). Diese Knochen haben in der Fovea radialis ihren Druckpunkt! Inhalt £ oberflächlich liegt der R. superficialis n. radia-

lis

£ tief liegt die A. radialis mit Begleitvenen.

Manchmal fühlt man den Puls in der Tabatière

769

anatomique besser als an der Handwurzelbeugeseite. Klinik: Riss der Sehne des M. extensor pollicis longus (Degeneration, Überlastung, Entzündung) wird als Trommlerlähmung bezeichnet.

9.2.12

Finger, Digiti manus

Lernziele: tast- und sichtbare Gebilde, Leitungsbahnen: Arterien, Venen, Nerven. Beugesehnen mit Sehnenscheiden, Dorsalaponeurose, Hautbänder, wichtige klinische Aspekte: OberstAnästhesie, Knopfloch- und Schwanenhalsdeformität, Mallet-Finger.

Tendo m. flexoris digitorum superficialis Sehnenscheide N. digitalis palmaris proprius A. digitalis palmaris propria Vinculum tendinis m. flexoris digitorum profundi

Phalanx proximalis V. digitalis dorsalis Dorsalaponeurose

A., N. digitalis dorsalis

Abb. 9.79: Querschnitt durch das Grundglied eines Fingers

Inspektion, Palpation (Abb. 9.75, 78). Als „Greifer“ sind die Finger schlank und von allem überflüssigen Material entlastet. Sie sind muskelfrei, da ihre Muskeln auf den Unterarm und die Mittelhand verlagert worden sind. Der Daumen nimmt eine Sonderstellung ein und erhält deshalb allein 8 Muskeln. Er kann mit den anderen Fingern eine Greifzange bilden. Die gestreckten Finger sind verschieden lang: Mittel- > Ring- > Zeige- > Kleinfinger > Daumen. Beugeseite. Haut und Unterhautbindegewebe weisen eine Druckkonstruktion auf. Die Oberhaut ist dick und zeigt häufig Schwielen. Sie besitzt

9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

770

Papillarleisten und -furchen, die auf den Endgliedern Bogen, Schleifen und Wirbel bilden. Haare und Talgdrüsen fehlen, Schweißdrüsen sind zahlreich. Viele Nervenendigungen machen die Fingerbeeren zu einem hochentwickelten Tastorgan. Klinik: Daktyloskopie, Fingerabdruck. Das Papillarleistenmuster ist individuell so verschieden angelegt, dass man damit eine Person zweifelsfrei identifizieren kann (Gerichtsmedizin, Kriminalistik).

Fingernägel. Diese Hautanhangsgebilde schützen die Endglieder und bilden ein Widerlager für den Tastapparat der Fingerbeere (s. Kap. 15.6, S. 1226). Subkutane Leitungsbahnen. Nerven und Gefäße verlaufen im subkutanen Bindegewebe an den jeweiligen Seiten der Finger, je 2 dorsal und palmar. • Nn. digitales palmares proprii (3 aus dem N. ul-

• •



• Abb. 9.80: Finger in Beugestellung mit eingezeichneten Knochen. Lage der Gelenkspalten zu den Knöcheln und Beugefalten. Pfeile zeigen die Lage des Schnittes bei der Exartikulation an

Auf der palmaren Seite liegen 3 Beugefurchen: £ proximale Beugefurche (Grundgliedfurche): in

der Mitte der Grundphalanx

£ mittlere Beugefurche (Mittelgelenkbeugefur-

che): auf Höhe des ersten Interphalangealgelenkes £ distale Beugefurche (Endgelenkbeugefurche): etwas proximal des 2. Interphalangealgelenkes. Am Daumen entspricht die proximale Beugefurche (palmare Grundgelenkfurche) dem Spalt des Metakarpophalangealgelenks und die distale (Endgelenkbeugefurche) dem Spalt des Interphalangealgelenks.

Streckseite. Die Haut ist dünner und kann auf den Grund- und Mittelgliedern Haare tragen. Ein lockeres, fettarmes Subkutangewebe macht sie verschiebbar. Über den Gelenken finden sich Reservefalten, die bei Beugung verschwinden. Über den Endgliedern ist die Haut durch vertikale Züge auf der Unterlage angeheftet, nicht verschiebbar und glänzend.

naris, 7 aus dem N. medianus) und Aa. digitales palmares propriae, geben distal der Articulationes metacarpophalangeae je einen R. dorsalis zur Streckseite der Mittel- und Endphalanx ab. Die Nerven liegen palmar der Arterien. Nn. und Aa. digitales dorsales, deutlich schwächer als die vorigen entwickelt. Venen, den digitalen Arterien fehlen die Begleitvenen! Stattdessen wird der Finger strumpfartig von einem Venennetz umhüllt. Faszie, die Finger haben keine oberflächliche Faszie, so dass das Fettgewebe direkt an die Dorsalaponeurose bzw. an die palmaren Sehnenscheiden grenzt. Anastomosen, die Arterien haben zahlreiche Verbindungen untereinander.

Hautbänder. Die Finger haben mehrere Systeme von Hautbändern: funktionell befestigen diese Bänder die Haut an den tiefen Bindegewebestrukturen oder am Knochen, so dass besonders palmar eine zu starke Verschiebbarkeit der Haut verhindert wird. Dies verbessert das Greifvermögen. Zwei Systeme sind besonders wichtig: £ Cleland-Bänder

sind dorsal des digitalen Gefäßnervenstrangs liegende Faserzüge, die von beiden Seiten des Fingerskeletts zur Haut ziehen. Durch die septenähnlichen Bänder wird der subkutane Raum in ein dorsales und ein palmares Fingerkompartiment gegliedert, was für die Ausbreitung von Entzündungen Bedeutung hat. £ Grayson-Bänder ziehen von der palmaren Seite der Beugesehnenscheide zur Haut. Sie liegen palmar des digitalen Gefäßnervenstrangs und sind im Mittelabschnitt der Grundphalanx und der Mittelphalanx am kräftigsten angelegt. Klinik: 1. Entzündungen. Die Lederhaut ist derb und durch senkrechte, straffe Züge des subkutanen Bindegewebes gekammert und mit

9.2 Topographische und Angewandte Anatomie

den Sehnenscheiden verbunden. Die Kammern sind prall mit Baufett gefüllt. Eine eigene Oberflächenfaszie fehlt. Entzündungen breiten sich dadurch nicht flächenhaft, sondern in die Tiefe aus (Erhöhung des Innendruckes der Kammern → starke Spannungsschmerzen → Ausdehnung auf Sehnenscheiden und Knochen), 2. OberstAnästhesie. Leitungsanästhesie an Finger oder Zehe. Injektion eines Lokalanästhetikums (ohne Adrenalinzusatz!) in Höhe der Interdigitalfalte der Grundphalanx zur Ausschaltung der dorsalen und palmaren Nerven, 3. Fingerstrecksehnenabriss (Mallet-Finger, Hammerfinger). Endgelenk kann nicht aktiv gestreckt werden, da die Dorsalaponeurose darüber gerissen ist (Verletzung durch Bagatelltrauma, z. B. Ball-

771

sport, Bettenmachen), 4. Knopflochdeformität (Fingerdeformität bei rheumatoider Arthritis mit Hyperextension der Grundgelenke). Ursache: Riss des Tractus intermedius über dem Mittelgelenk, wobei sich das Gelenk durch den Riss schiebt. Die beiden intakten Randzüge liegen palmar der Bewegungsachse des Mittelgelenks, so dass sie beugen (fixierte Beugestellung der Mittelgelenke) bei gleichzeitiger Streckung im Endgelenk, 5. Schwanenhalsdeformität. Überstreckung eines Langfingers im Mittelgelenk bei gleichzeitiger Beugung im Endgelenk. Ursache: Insuffizienz des Endabschnittes der Dorsalaponeurose oder Tonuserhöhung der Binnenmuskeln der Hand. Häufig bei chronischer Polyarthritis.

– Adduktion, Innenrotation, Anteversion, zieht den Schultergürtel nach vorn und unten – bei festgestelltem Arm: Inspiration (Atemhilfsmuskel)

– Nn. pectorales mediales und laterales (C6–C8, Th1) – A. thoracoacromialis – A. thoracica lateralis – Aa. intercostales

Pars superior 1. und 2. Rippe (ansteigende Fasern vom Ursprung zum Ansatz) Pars intermedia 2., 3. (4.) Rippe (s. media s. divergens) (horizontale Fasern) Pars inferior 5.–9. Rippe (s. convergens) (schräg ansteigende Fasern)

Verlagerung der Scapula nach vorn und lateral Drehung der Scapula (bis ca. 60°): Verlagerung des Angulus inferior nach ventrolateral (ermöglicht Elevation des Armes)

Margo medialis scapulae

Angulus inferior scapulae

Angulus superior scapulae

– fixiert den Margo medialis am Rumpf – bei fixierter Scapula: Inspiration geringe Hebung der Scapula, Rückführung des Arms aus der Elevation

N. thoracicus longus (C5–C7) A. thoracica lateralis A. thoracodorsalis A. thoracica suprema Aa. intercostales A. transversa colli

– – – – – –

M. serratus anterior

Clavicula wird gegen das Sternum gezogen und im Sternoklavikulargelenk fixiert, spannt Fascia clavipectoralis

– N. subclavius (C5, C6) – A. suprascapularis

Knochen-Knorpel-Grenze der untere Fläche der Clavicula 1. Rippe (lateral vom Lig. (gelegentlich am Proc. coracoicostoclaviculare) deus oder Lig. coracoclaviculare)

M. subclavius

– zieht den Schultergürtel nach vorn und unten – bei festgestelltem Arm: Inspiration (Atemhilfsmuskel!)

Funktion

Innervation/Vaskularisation

– Nn. pectorales mediales und laterales (C6–C8, Th1) – A. thoracoacromialis – Aa. intercostales

Crista tuberculi majoris

Ansatz

mit 3 Zacken 1–2 cm lateral Processus coracoideus der Knochen-Knorpel-Grenze der 3.–5. Rippe

mediale Hälfte der Clavicula – Manubrium und Corpus sterni – 2.–7. Rippenknorpel vorderes Blatt der Rektusscheide

Ursprung

M. pectoralis minor

Pars abdominalis

M. pectoralis major Pars clavicularis Pars sternocostalis

Muskel

Tabelle 9.1: Ventrale Rumpf-Gliedmaßenmuskulatur

772 9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

– unterer Rand der Spina scapulae – Fascia infraspinata äußerer Rand des Acromions

Ursprung

– obere Facette des Tuberculum majus – Gelenkkapsel – mittlere Facette des Tuberculum majus – Gelenkkapsel – untere Facette des Tuberculum majus – Gelenkkapsel – Tuberculum minus humeri – Gelenkkapsel – proximaler Teil der Crista tuberculi minoris – Crista tuberculi majoris Crista tuberculi minoris

– gesamte Fossa supraspinata – Fascia supraspinata

– Fossa infraspinata (ohne Collum scapulae) – Fascia infraspinata

mittlere Partie des Margo lateralis scapulae

Fossa subscapularis (ohne Collum scapulae)

– untere Partie des Margo lateralis scapulae – dorsal vom Angulus inferior scapulae

M. infraspinatus

M. teres minor

M. subscapularis

M. teres major

Tuberositas deltoidea

Ansatz

M. supraspinatus

Pars acromialis (senkrecht absteigende Fasern) Pars clavicularis (schräg laterales Drittel der Clavicula absteigende Fasern)

Pars spinalis (schräg absteigende Fasern)

M. deltoideus

Muskel

– N. thoracodorsalis (C6, C7) und/oder N. subscapularis (C5–C6) – Aa. subscapulares

– N. subscapularis (C5–C8) – Aa. subscapulares

– N. axillaris (C4, C5) – A. circumflexa scapulae

– N. suprascapularis (C4–C6) – A. suprascapularis – A. circumflexa scapulae

– N. suprascapularis (C4–C6) – A. suprascapularis – A. circumflexa scapulae

Innenrotation, Adduktion, Retroversion

Stärkster Innenrotator, verhindert Einklemmung der Gelenkkapsel (kranialer Anteil: Abduktion und bei eleviertem Arm: Adduktion)

Außenrotation, Adduktion, verhindert Einklemmung der Gelenkkapsel

Stärkster Außenrotator, abduziert bei abduziertem Arm, Adduktion, verhindert Einklemmung der Gelenkkapsel

Abduktion (Startermuskel), Außenrotation, verhindert die Einklemmung der Gelenkkapsel

Adduktion, Anteversion, Innenrotation

Abduktion, Außenrotation

bei bereits abduziertem Arm (mehr als 60°): Unterstützung der weiteren Abduktion Adduktion, Außenrotation, Retroversion

– – – –

N. axillaris (C5–C6) A. circumflexa humeri posterior A. thoracoacromialis A. profunda brachii

Funktion

Innervation/Vaskularisation

Muskeltabellen 773

– Tuberositas ulnae – Gelenkkapsel des Ellenbogengelenkes

– Vorderfläche der distalen Humerushälfte – Septa intermuscularia

M. brachialis

M. anconaeus

Caput mediale

Caput laterale

M. triceps brachii Caput longum

– dorsal vom Epicondylus lateralis humeri – Gelenkkapsel – Lig. collaterale radiale

laterale (eingelenkig) dorsoradiale Kante des Olecranons

extraartikulär vom Tuberculum infraglenoidale (zweigelenkig) – dorsale Fläche des Humerus proximal des Sulcus n. radialis – proximale zwei Drittel des – Olecranon ulnae Septum intermusculare – Fascia antebrachii brachii laterale – Gelenkkapsel des Ellen– dorsale Fläche des Humerus bogengelenkes distal des Sulcus n. radialis – Septum intermusculare brachii mediale – distales Drittel des Septum intermusculare brachii

– Vorderfläche des Humerus distal der Crista tuberculi minoris – Septum intermusculare mediale

Spitze des Processus coracoideus

Caput breve

M. coracobrachialis

Ansatz – Tuberositas radii – mit der Aponeurosis m. bicipitis brachii (s. Lacertus fibrosus) an der Fascia antebrachii

Ursprung

– Tuberculum supraglenoidale scapulae – Labrum glenoidale kurzsehnig vom Processus coracoideus

M. biceps brachii Caput longum

Muskel

Tabelle 9.2: Muskeln des Oberarmes

Extension, verhindert Einklemmung der Gelenkkapsel, sichert durch seine starke radiale Komponente den Zusammenhalt der beiden Unterarmknochen

Schultergelenk: Retroversion, Adduktion, Außenrotation Ellenbogengelenk: Extension, verhindert Einklemmung der Gelenkkapsel

– N. radialis (C6–C8, evtl. Th1) – A. circumflexa humeri posterior – A. profunda brachii – Aa. collaterales ulnares

– N. radialis (C7, C8) – A. interossea recurrens

Reiner Beuger im Ellenbogengelenk sowohl bei Pro- als auch bei Supination, verhindert Einklemmung der Gelenkkapsel

– N. musculocutaneus – N. radialis (in 75 % laterale Randpartie) (C5, C6) – A. collateralis ulnaris sup. et inf. – Rr. musculares aus A. brachialis

Adduktion, Anteversion, Innenrotation, verhindert Subluxation des Humeruskopfes nach vorne

Schultergelenk: – Caput longum: Abduktion, Anteversion – Caput breve: Adduktion, Anteversion, Innenrotation Ellenbogengelenk: Flexion Unterarmgelenke: kräftige Supination

– N. musculocutaneus (C5, C6) – Rr. musculares der A. axillaris – Rr. bicipitales der A. brachialis

– N. musculocutaneus (C6, C7) – Aa. circumflexae humeri

Funktion

Innervation/Vaskularisation

774 9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

dorsal an der Basis der Endphalanx des Daumens

– Facies dorsalis ulnae – Membrana interossea (unterhalb des M. extensor pollicis brevis)

M. extensor pollicis longus

– R. profundus n. radialis (C8) – A. interossea anterior und posterior

– R. profundus n. radialis (C7, evtl. C8) – A. interossea anterior und posterior

dorsal an der Basis der Grundphalanx des Daumens

– Facies dorsalis ulnae – Membrana interossea – Facies dorsalis radii (unterhalb des M. abductor pollicis longus)

M. extensor pollicis brevis

Handgelenk: Dorsalextension, Radialduktion Daumensattelgelenk: Adduktion, Reposition Daumengrund- und -endgelenk: Extension Unterarmgelenke: Supination

Handgelenk: Radialduktion Daumensattelgelenk: Extension, Abduktion Unterarmgelenke: schwacher Supinator (Daumengrundgelenk: Extension)

Handgelenk: Radialduktion, schwache Palmarflexion Daumensattelgelenk: Abduktion, Extension Unterarmgelenke: schwache Supination

Ellenbogengelenk: Extension Handgelenk: starke Ulnarduktion, schwache Dorsalextension

– R. profundus n. radialis (C7, C8) – A. interossea posterior

– R. profundus n. radialis (C7, C8) – A. interossea anterior et posterior

dorsal an der Basis ossis metacarpi V

Handgelenk: Dorsalextension, Ulnarduktion Gelenke Dig. V.: Extension, Abspreizung

Handgelenk: Dorsalextension, Ulnarduktion Gelenke Digg. II–V: Extension, Fingerspreizung

Funktion

– R. profundus n. radialis (C6–C8) – A. interossea posterior

– R. profundus n. radialis (C6–C8) – A. interossea posterior

Innervation/Vaskularisation

Mittelpartie der Facies dorsalis radial an der Basis ossis ulnae, der Membrana interossea metacarpi I und der Facies dosalis radii

Epicondylus lateralis humeri Lig. collaterale radiale Lig. anulare radii Olecranon Facies dorsalis ulnae Margo posterior Fascia antebrachii

Dorsalaponeurose Dig. V

Dorsalaponeurose Digg. II–V

Ansatz

M. abductor pollicis longus

Caput ulnare

– – – – – – –

Epicondylus lateralis humeri

M. extensor digiti minimi

M. extensor carpi ulnaris Caput humerale

– – – –

Epicondylus lateralis humeri Lig. collaterale radiale Lig. anulare radii Fascia antebrachii

Ursprung

M. extensor digitorum communis

Extensoren, Strecker

Muskel

Tabelle 9.3: Muskeln des Unterarmes

Muskeltabellen 775

Dorsalaponeurose des Zeigefingers

– Facies dorsalis ulnae – Membrana interossea (unterhalb des M. extensor pollicis longus)

M. extensor indicis

M. flexor digitorum superficialis (M. perforatus) Caput humerale Caput ulnare Caput radiale

Caput ulnare

M. flexor carpi ulnaris Caput humerale

Epicondylus medialis humeri Proc. coronoideus ulnae Facies anterior radii unterhalb der schrägen Insertionslinie des M. pronator teres

Epicondylus medialis humeri Fascia antebrachii dorsale Fläche des Olecranon proximale zwei Drittel des Margo posterior ulnae

mit 4 Sehnen palmar an seitlichen Knochenleisten im mittleren Bereich der Phalanx media von Digg. II–V

mit dem Lig. pisohamatum am Hamulus ossis hamati und mit dem Lig. pisometacarpeum an der Basis des Os metacarpale V

Aponeurosis palmaris

– Epicondylus medialis humeri – Fascia antebrachii

M. palmaris longus

– – – –

palmar an der Basis ossis metacarpi II (III)

– Epicondylus medialis humeri – Septa intermuscularia – Fascia antebrachii

M. flexor carpi radialis

Caput ulnare (schwach)

– Facies dorsalis und lateralis radii distal der Insertion des – M. supinator (mittleres Radiusdrittel) – Tuberositas pronatoria

– Epicondylus medialis humeri – Septum intermusculare brachii mediale Proc. coronoideus ulnae

M. pronator teres Caput humerale (kräftig)

Flexoren, Beuger

Ansatz

Ursprung

Muskel

Tabelle 9.3: Muskeln des Unterarmes (Forts.)

Ellenbogengelenk: schwache Flexion Handgelenk: Palmarflexion Grund- und Mittelgelenke Digg. II–V: sehr kräftige Flexion

Ellenbogengelenk: schwache Flexion Handgelenk: Palmarflexion, Ulnarduktion

– Rr. musculares des N. ulnaris (C7, C8, evtl. Th1) – A. collateralis ulnaris superior und inferior

– Rr. musculares des N. medianus (C7–Th1) – Rr. musculares der A. radialis und ulnaris

Ellenbogengelenk: schwache Flexion Handgelenk: Palmarflexion, spannt die Aponeurosis palmaris Unterarmgelenke: Pronation

Ellenbogengelenk: Pronation, geringe Flexion Handgelenk: Palmarflexion, Radialduktion

Ellenbogengelenk: Flexion Unterarmgelenke: Pronation

Handgelenk: Dorsalextension Gelenke Dig. II: isolierte Extension, Adduktion an den Mittelfinger

Funktion

– N. medianus (C8, Th1) – Rr. musculares aus A. ulnaris

– N. medianus (C7, C8) – Rr. musculares der A. radialis

– Rr. musculares des N. medianus (C6, C7) – Rr. musculares aus A. brachialis, A. radialis und A. ulnaris

– R. profundus n. radialis (C8) – A. interossea anterior und posterior

Innervation/Vaskularisation

776 9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

Facies anterior radii (distales Viertel)

– Margo lateralis humeri Facies lateralis radii proximal der – Septum intermusculare brachii Basis des Processus styloideus laterale radii

Facies anterior ulnae (distales Viertel), greift etwas auf die Dorsalseite über Facies anterior ulnae (distales Viertel)

palmar an der Basis der Phalanx distalis des Daumens

dorsale, laterale und ventrale Fläche des Radius zwischen Tuberositas radii und Insertion des M. pronator teres

– – – –

M. supinator

Epicondylus lateralis humeri Lig. collaterale radiale Lig. anulare radii Crista m. supinatoris

dorsal an der Basis ossis metacarpi III und am Processus styloideus ossis metacarpi III

– Epicondylus lateralis humeri – Lig. collaterale radiale – Lig. anulare radii

M. extensor carpi radialis brevis

M. extensor carpi radialis longus – Margo lateralis humeri dorsal an der Basis ossis meta(distal des M. brachioradialis) carpi II – Epicondylus lateralis humeri – Septum intermusculare brachii laterale

M. brachioradialis

Brachioradiale Muskelgruppe

Caput profundum

M. pronator quadratus Caput superficiale

Caput humerale (inkonstant)

Facies anterior radii distal der Insertionslinie des M. pronator teres Epicondylus medialis humeri

mit 4 Sehnen palmar an der Basis der Phalanx distalis von Digg. II–V

– proximale zwei Drittel der Facies anterior ulnae – angrenzende Partie der Membrana interossea

M. flexor digitorum profundus (M. perforans)

M. flexor pollicis longus Caput radiale

Ansatz

Ursprung

Muskel

kräftige Pronation, sichert den Zusammenhalt von Radius und Ulna, Kapselspanner für das distale Radioulnargelenk

– N. interosseus anterior (C8, Th1) – A. interossea anterior

– R. profundus n. radialis (C5, C6, evtl. C7) – A. recurrens radialis – A. interossea recurrens

– R. profundus n. radialis (C7, C8) – A. collateralis radialis – A. recurrens radialis

– Rr. musculares des N. radialis (C6, C7) – A. collateralis radialis – A. recurrens radialis

kräftige Supination

Ellenbogengelenk: Flexion Handgelenk: Dorsalextension, Radialduktion

Ellenbogengelenk: Flexion Handgelenk: Dorsalextension, Radialduktion Unterarmgelenke: bei gebeugtem Arm: Pronation, bei gestrecktem: Supination

Ellenbogengelenk: Flexion Unterarmgelenke: bringt den Arm in Mittelstellung zwischen Pronation und Supination, ist bei Pronation Supinator, bei Supination Pronator

Handgelenk: Palmarflexion, Radialduktion Daumensattelgelenk: Opposition Daumengrund- und -endgelenk: Flexion

– N. interosseus anterior (C8, Th1) – Rr. musculares der A. radialis – A. interossea anterior

– Rr. musculares des N. radialis (C5, C6) – A. collateralis radialis – A. recurrens radialis

Handgelenk: Palmarflexion, Ulnarduktion Grund-, Mittel- und Endgelenke Digg. II–V: kräftige Flexion

Funktion

– N. medianus – N. ulnaris (C7–Th1). Dabei wird der Zeigefingerbauch meist nur durch den N. medianus versorgt. – Rr. musculares der A. ulnaris – A. interossea anterior

Innervation/Vaskularisation

Muskeltabellen 777

Ursprung

III und IV: zweiköpfig

Mm. lumbricales I–IV I und II: einköpfig

Mittlere Handmuskeln

Caput obliquum

M. adductor pollicis Caput transversum

Caput profundum

von den radialen Flächen der 1. und 2. Sehne des M. flexor digitorum profundus von den einander zugekehrten Flächen der 2. und 3. und der 3. und 4. Sehne des M. flexor digitorum profundus

palmare Fläche des Os metacarpale III – palmare Basis des Os metacarpale II und III – Os capitatum – Os hamatum – Lig. carpi radiatum

– Os trapezium – Os trapezoideum – Os capitatum

Retinaculum flexorum

– Retinaculum flexorum – Tuberculum ossis trapezii

M. opponens pollicis

M. flexor pollicis brevis Caput superficiale

– Retinaculum flexorum – Tuberculum ossis scaphoidei

M. abductor pollicis brevis

Thenar- oder Daumenballenmuskeln

Muskel

Tabelle 9.4: Kurze Handmuskeln

strahlen am radialen Rand der Digg. II–V in die Dorsalaponeurose ein Gelenkkapsel der Grundgelenke

– ulnares Sesambein – Gelenkkapsel – Basis der Grundphalanx des Daumens

beide Köpfe setzen am radialen Sesambein und an der Grundphalanx des Daumens an

gesamter radialer Rand des Os metacarpale I

über das radiale Sesambein seitlich am Rand der Grund phalanx des Daumens

Ansatz

Daumensattelgelenk: Adduktion, Opposition Daumengrundgelenk: Flexion

– R. profundus n. ulnaris (C8, Th1) – Arcus palmaris profundus

N. ulnaris (C8, Th1)

Arcus palmaris Fingergrundgelenke: Flexion superficialis Fingermittel- und -endgelenke: Extension

Daumensattelgelenk: Abduktion, Opposition, Flexion Daumensattelgelenk: Adduktion, Opposition, Flexion Daumengrundgelenk: Flexion (Gesamtmuskel)

– R. palmaris superficialis – N. medianus (C6, C7) a. radialis – R. profundus – A. princeps n. ulnaris pollicis (C6, C7) – Arcus palmaris profundus

N. medianus (C8, Th1)

Daumensattelgelenk: Adduktion, Opposition, Flexion

Daumensattelgelenk: Abduktion, Opposition Daumengrundgelenk: Flexion (Daumenendgelenk: Extension)

Funktion

– N. medianus (C6, C7) – R. palmaris superficialis a. radialis – A. princeps pollicis – Arcus palmaris profundus

– N. medianus (C6, C7) – R. palmaris superficialis a. radialis

Innervation/Vaskularisation

778 9 Arm, obere Gliedmaße, Membrum superius

am ulnaren Rand der Basis der Grundphalanx des 5. Fingers

palmar an der Basis und ulnaren Kante der Grundphalanx des Kleinfingers ulnarer Rand des Os metacarpale V

– – – –

– Retinaculum flexorum – Hamulus ossis hamati

– Retinaculum flexorum – Hamulus ossis hamati

M. abductor digiti minimi

M. flexor digiti minimi brevis

M. opponens digiti minimi

Retinaculum flexorum Os pisiforme Lig. pisohamatum Sehne des M. flexor carpi ulnaris

in der Haut über dem Kleinfingerballen

– I strahlt an der Radialseite in die Dorsalaponeurose von Dig. II ein. – II strahlt an der Radialseite in die Dorsalaponeurose von Dig. III ein. – III strahlt an der Ulnarseite in die Dorsalaponeurose von Dig. III ein. – IV strahlt an der Ulnarseite in die Dorsalaponeurose von Dig. IV ein

strahlen an der Basis der Grundphalanx in die Dorsalaponeurose von Digg. II, IV bzw. V ein

Ansatz

– ulnarer Rand der Aponeurosis palmaris – Retinaculum flexorum

von den jeweils einander zugekehrten Flächen der Ossa metacarpalia I–IV

– ulnare Fläche des Os metacarpale II – radiale Fläche des Os metacarpale IV – radiale Fläche des Os metacarpale V

Ursprung

M. palmaris brevis

Hypothenarmuskeln

Mm. interossei dorsales I–IV (zweiköpfig)

M. interosseus III

M. interosseus II

Mm. interossei palmares I–III (einköpfig) M. interosseus I

Muskel

– R. profundus n. ulnaris (C8, Th1) – R. palmaris profundus a. ulnaris

– R. profundus n. ulnaris (C8, Th1) – A. ulnaris

– R. profundus n. ulnaris (C8, Th1) – R. palmaris profundus a. ulnaris

– R. superficialis n. ulnaris (C8, Th1) – A. ulnaris

Karpometakarpalgelenk: Opposition (schwach) Kleinfingergrundgelenk: Flexion (sehr schwach)

Kleinfingergrundgelenk: Flexion Kleinfingermittel- und endgelenk: Extension

Kleinfingergrundgelenk: Abduktion, Flexion Kleinfingermittel- und -endgelenk: schwache Extension

Schutz der unter ihm verlaufenden Leitungsbahnen (Vasa ulnaria, N. ulnaris), Hautanspannung

Fingergrundgelenke: Flexion, Spreizen der Finger II, III und IV, Radialduktion des Zeigefingers, Ulnarduktion des Ringfingers, Ulnar- und Radialduktion des Mittelfingers Fingermittel- und -endgelenke: Extension

Fingergrundgelenke: Flexion, Adduktion des Zeige-, Ringund Kleinfingers auf den Mittelfinger Fingermittel- und -endgelenke: Extension

– R. profundus n. ulnaris (C8, Th1) – Arcus palmaris profundus

– R. profundus n. ulnaris (C8, Th1) – Arcus palmaris profundus

Funktion

Innervation/Vaskularisation

Muskeltabellen 779

10

Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma Elmar T. Peuker, Timm J. Filler und Franz Pera

1. Brust. Als Brust bezeichnet man den oberhalb des Zwerchfells gelegenen Teil des Rumpfes, der die Hauptorgane des Atmungs- und Kreislaufsystems (Luftröhre, Bronchien, Lungen, Herz und große Gefäßstämme) enthält. 2. Brustkorb, Thorax. Darunter versteht man nur die Skelettgrundlage.

10.1

Allgemeine Betrachtung und Topografie

Lernziele: Form, Grenzen und Oberflächenanatomie der Brust, wichtige Orientierungslinien

10.1.1

3. Skelett und Muskeln des Brustkorbes begrenzen gemeinsam den Brustraum, Cavitas thoracis. Sie schließen ihn nicht nur gegen die Umgebung ab, sondern ermöglichen durch die Art ihrer Anordnung auch eine Vergrößerung und Verkleinerung, wodurch wichtige Voraussetzungen für die Atmung erfüllt werden.

Form

Allgemeine Form der Brust. Sie gleicht einem dorsoventral abgeplatteten Kegel, dessen hintere Wand flacher und länger als die vordere ist. Am Brustkorb weist die abgestumpfte Spitze des Kegels halswärts, die Basis bauchwärts. Die auf dem Brustkorb ruhende Schultergürtelmuskulatur lässt die Brust oben breiter als unten erscheinen. Die Brust des Neugeborenen erinnert noch an die Brust der Vierfüßler. Der sagittale Durchmesser ist verhältnismäßig groß, der transversale kleiner. Die Rippen stehen fast horizontal, wodurch der Brustkorb gehoben und der Hals relativ kurz erscheint. Die untere Brustkorböffnung ist verhältnismäßig weit, bietet Platz für die große Leber. Da die Rippenwinkel noch nicht voll ausgebildet sind, ist auch die Wirbelsäule noch nicht so weit in den Brustraum vorgeschoben.

Altersveränderung. Mit zunehmendem Alter senken sich die Rippen, nähert sich das Brustbein der Wirbelsäule. Der Brustkorb wird flacher, die

untere Brustkorböffnung und der von den beiden Rippenbögen gebildete Winkel werden kleiner. Pathologische Formen (angeborene Verkrümmungen der Wirbelsäule und dadurch bedingte Veränderungen des ganzen Thorax, Fehlen der Schlüsselbeine, teilweises Fehlen des M. pectoralis major usw.) sind nicht selten.

10.1.2

Grenzen

Die Brust wird nach oben durch den freien Rand des Brustbeines, Sternum, die beiden Schlüsselbeine, Claviculae, und eine vom Acromion zum 7. Halswirbeldorn gezogene Linie begrenzt (Abb. 10.1). Die untere Grenze verläuft vom Schwertfortsatz (Processus xiphoideus) entlang den Rippenbögen über die Spitzen der untersten Rippen zum Dornfortsatz des 12. Brustwirbels. Öffnungen. Es ergeben sich somit 2 Öffnungen des Brustkorbes zum Durchtritt von Gefäßen, Nerven und Eingeweiden: Die obere Öffnung, Apertura thoracis superior, wird begrenzt durch die ersten Rippen, das Manubrium sterni sowie den

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

782

Fissura horizontalis Lobus medius Fissura obliqua Lobus inferior

Lobus superior Lobus inferior Fissura obliqua Incisura cardiaca pulmonis sinistri

a Fissura obliqua

b

Abb. 10.1: Brustkorb mit Lungen- und Pleuragrenzen. Lungen = rot-braun, Pleura = blau. a. Ansicht von ventral, b. Ansicht von dorsal

10.1 Allgemeine Betrachtung und Topografie

ersten Brustwirbel. Diese obere Brustkorböffnung verbindet Hals- und Brustraum ohne begrenzende Struktur miteinander und fällt nach vorne ab. Die untere Öffnung, Apertura thoracis inferior, findet sich zwischen dem 12. Brustwirbel, den 11. und 12. Rippenpaaren, dem Rippenbogen und dem Processus xiphoideus des Sternums. Die untere Brustkorböffnung wird durch das Zwerchfell, Diaphragma thoracoabdominale, bis auf verschiedene Durchtrittsstellen verschlossen. Bedingt durch die nach ventral abfallende Lage der oberen Apertur reichen die Lungenspitzen bis in das Halsgebiet hinauf, sie überragen die Schlüsselbeinmitte um 2–3 cm. Von unten wölbt sich das Zwerchfell kuppelartig in den Brustkorb hinein. Die Höhenlage der Zwerchfellkuppeln schwankt bei der Ein- und Ausatmung beträchtlich. Klinik: 1. Der kontinuierliche Übergang zwischen den Eingeweideräumen des Halses und der Brust erlaubt es krankhaften Prozessen (z. B. Entzündungen), auf das jeweils andere Kompartiment überzugreifen. 2. Raum fordernde Prozesse (z. B. Tumoren) im Bereich der oberen Thoraxapertur können Einfluss auf alle dort durchziehenden Strukturen nehmen und somit zu einer variablen Symptomatik führen (z. B. Innervationsstörungen an der oberen Extremität, Schluck- oder Atemstörungen). 3. Die Sonderform des peripheren Bronchialkarzinoms im Bereich der Lungenspitze (Pancoast-Tumor) infiltriert frühzeitig Thoraxwand, Plexus brachialis und den Halssympathikus unter Ausbildung eines Horner-Syndroms (Miose, Lidptose und Enophthalmus).

10.1.3

Oberflächenanatomie und wichtige Orientierungspunkte

In der Mittellinie des Brustbeins verläuft zwischen den Ursprüngen des linken und rechten großen Brustmuskels, M. pectoralis major, die vordere Medianfurche (Abb. 10.2). Nach oben geht sie in die Drosselgrube, Fossa jugularis, nach unten in die Herz- oder Magengrube über. In der Mittellinie wölbt sich an der Grenze von Handgriff und Körper des Brustbeins der Angulus sterni (Ludovici) individuell stark vor. In Höhe des Angulus sterni setzt die 2. Rippe am Brustbein an. Das Schlüsselbein, Clavicula, und sein stark verdicktes Brustbeinende

783

i

c

j

m

Abb. 10.2: Oberflächenanatomie des Brustkorbes. c. Clavicula, i. Fossa infraclavicularis, j. Fossa jugularis, m. vordere Medianfurche

treten normalerweise deutlich hervor. Unterhalb des Schlüsselbeins lässt sich der große Brustmuskel, M. pectoralis major, gut abgrenzen. Vom M. deltoideus ist er meist durch die Fossa infraclavicularis (Mohrenheim-Grube) abgesetzt. In der Tiefe dieser Grube verläuft das Gefäss-Nervenbündel vom Hals zum Arm. Lateral von der Grube lässt sich der Rabenschnabelfortsatz, Proc. coracoideus, des Schulterblattes, bedeckt vom Rand des Deltamuskels, tasten. Bei abduziertem Arm fühlt man ihn in der Grube. Unterhalb des M. pectoralis major verläuft der M. rectus abdominis über den Rippenbogen. An der seitlichen Brustwand erkennt man meist (besonders bei stärkerer Abduktion des Armes) den vorderen Sägemuskel, M. serratus anterior. Er greift mit seinen unteren Zacken in die oberen Zacken des äußeren schrägen Bauchmuskels, M. obliquus externus abdominis, wodurch die zickzackförmige Gerdy-Linie entsteht. Praxishinweis: Da der Angulus sterni dem Ansatz der 2. Rippe entspricht, lassen sich von hier aus die Rippen gut abzählen. Ist das Schlüsselbein (z. B. bei adipösen Personen) nicht klar abgrenzbar, kann man sich durch Schulterbewegungen leicht über

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

784

mm mcl ps st ma

aa am ap

sc

pv mp

Abb. 10.3: Brustwand von ventral, lateral und dorsal mit Orientierungslinien. aa: Linea axillaris anterior, am: Linea axillaries media, ap: Linea axillaris posterior, ma: Linea mediana anterior, mcl: Linea medioclavicularis, mm: Linea mamillaris, mp: Linea mediana posterior, ps: Linea parasternalis, pv: Linea paravertebralis, sc: Linea scapularis, st: Linea sternalis

seine Lage und die des Brustbein-Schlüsselbeingelenkes, Articulatio sternoclavicularis, orientieren. Orientierungslinien. Für diagnostische und therapeutische Zwecke bedient man sich am Brustkorb eines Koordinatensystems bestehend aus horizontalen und vertikalen Orientierungslinien. So ist es möglich, z. B. die Punkte zur Auskultation des Herzens oder Lunge einfach und klar zu benennen oder die Lage krankhafter Veränderungen näher zu bezeichnen (Abb. 10.3). Als horizontale Orientierungslinien dienen die Rippen und Zwischenrippenräume. Senkrechte Orientierungslinien sind: £ Linea mediana anterior: die vordere Mittel-

£ Linea parasternalis: sie verläuft in der Mitte

£

£

£ £

linie;

£ Linea sternalis: sie verläuft am Seitenrand des

Brustbeins; £ Linea mamillaris: sie zieht senkrecht durch die Brustwarze; da aber deren Lage variiert, wählt man besser die £ Linea medioclavicularis: die Senkrechte durch die Mitte des Schlüsselbeines;

£ £

zwischen Linea sternalis und Linea medioclavicularis; Linea axillaris anterior: die vordere Axillarlinie wird durch die vordere Achselfalte markiert; Linea axillaris media: die mittlere Axillarlinie verläuft in der Mitte der Achselgrube und kommt somit von den genannten Markierungslinien am weitesten lateral zu liegen; Linea axillaris posterior: die hintere Axillarlinie verläuft durch die hintere Achselfalte; Linea scapularis: die Skapularlinie verläuft bei herabhängendem Arm senkrecht durch den unteren Schulterblattwinkel; Linea paravertebralis: die Paravertebrallinie legt sich über die Querfortsätze der Wirbel; Linea mediana posterior: die hintere Mittellinie verläuft über den Dornfortsätzen.

10.2 Aufbau der Brustwand

10.2

785

Aufbau der Brustwand

Lernziele: Schichtenbau, Aufbau, Lage und Funktion der Brustdrüse, Brustkrebs

10.2.1

Oberflächliche Schichten

10.2.1.1

Haut

Die Haut der Brust ist dünn und gut verschieblich. Nur über dem Brustbein ist sie straffer mit der Membrana sterni verbunden. Auch in Höhe der Brustwarze ist sie fest mit der Unterlage verankert. Eine stärkere Terminalbehaarung kann sich bei Männern über dem Brustbein und von dort aus abnehmend bis zu den Brustwarzen finden. Ist das Terminalhaarkleid schwach entwickelt, so trifft man wenigstens um den Warzenvorhof herum einen Kranz stärkerer und längerer Haare an. Beim Kind und bei der Frau sind nur Lanugohaare vorhanden. Abkömmlinge der Haut sind die Brustdrüsen.

Wir unterscheiden an der Brustwand 4 Schichten: 1. Oberflächliche Schicht (Haut, Unterhautgewebe und Brustdrüse) 2. Muskeln der oberen Extremität, ventrale Rumpf-Gliedmaßenmuskeln 3. Skelett (Rippen und Brustbein) und Zwischenrippenmuskeln 4. Binnenschichten (Fascia endothoracica und Pleura parietalis, Leitungsbahnen)

E pEK L sEK

A

Abb. 10.4: Entwicklung der Milchdrüsen. Oben links und Mitte: Querschnitt durch die Milchleiste (E: Epidermis; pEK: primäre Epithelknospe; sEK: sekundäre Epithelknospe). Oben rechts: Milchdrüse mit Ductus lactiferi (L). Unten: Stadien der Entwicklung der Brustdrüse (Tanner-Stadien). A: Neugeborenes. B: Kind. C: Beginn der Pubertät. D: Ende der Pubertät. E: junge erwachsene Frau. F: schwangere Frau (nach K. L. Moore und T. V. N. Persaud: Embryologie. 4. Aufl. Schattauer, Stuttgart 1996)

B

E

C

D

F

786

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

10.2.1.2 Brustdrüsen, Mammae Die Säugetiere (Mammalia) besitzen an der vorderen Rumpfwand zwischen Vorder- und Hintergliedmaßen besonders große, bilateralsymmetrische, häufig segmental gegliederte Hautdrüsen, deren Sekret, die Milch, zur Ernährung der Jungen dient. Diese Drüsen werden als Milchdrüsen oder Brustdrüsen (Mammae) bezeichnet.

Entwicklung Gegen Ende der 4. EW verdickt sich das Ektoderm an der seitlichen Rumpfwand zum Milchstreifen. Anfang der 5. EW wird dieser Streifen zwischen den Abgangsstellen der oberen und unteren Gliedmaßen (von der Achselregion bis etwa zur Linea medioclavicularis und von dort bis in die Regio inguinalis) zur Milchleiste und sprosst zumeist mit 6 Strängen in das Mesenchym ein. Während sich bei Tieren mit zahlreichen Milchdrüsen aus der Leiste in regelmäßigen Abständen mehrere entwickeln, bilden sich beim Menschen bis auf eine Einsprossung alle zurück, und es kommt nur das 4. Drüsenpaar im Brustgebiet (in Höhe der 3.–5. Rippe) zur Ausbildung. Die Verdickung der Milchleiste im Gebiet der späteren Brustdrüse erfolgt linsenförmig, zunächst mit einer leichten Erhebung über die Körperoberfläche, gefolgt von einer zapfenförmigen Einsenkung in das darunter

liegende Mesenchym (Abb. 10.4). Von diesen Epithelkolben sprossen solide Epithelzapfen in die Tiefe. Sie liefern die späteren Sinus und Ductus lactiferi. Ihre zunächst kolbigen Enden verzweigen sich mehrfach und bilden die Läppchen der Milchdrüse. Erst im 7.–8. Monat tritt in den Milchgängen unter dem Einfluss von Sexualhormonen aus der Plazenta ein Lumen auf. Das Mesenchym in der Umgebung der Drüsenanlage verdichtet sich, die Milchgänge münden auf einem Drüsenfeld, das zur Zeit der Geburt in der Höhe der Körperoberfläche liegt und sich erst später, manchmal erst in der Pubertät, zur Brustwarze erhebt. Im 5.–6. Fetalmonat entstehen die apokrinen Glandulae areolares.

Form, Lage und Aufbau Form, Feinbau und Funktionszustand der Milchdrüse zeigen charakteristische Geschlechts- und Altersunterschiede und werden hormonell gesteuert. Die Milchdrüse der geschlechtsreifen Frau reicht im allgemeinen von der 2./3. bis zur 6. Rippe und von der Parasternal- bis zur vorderen Axillarlinie mit einem regelmäßig vorhandenen kraniolateral ausgerichteten Ausläufer in die Achselhöhle (Abb. 10.5). Manchmal überragt sie als Lobus axillaris den unteren Rand des großen Brustmuskels. Der größte Teil der Brustdrüse ist mit der Fascia pectoralis (superficialis), ein kleinerer Teil (der Lobus axillaris) mit der Faszie des M. serratus anterior verschieblich verbunden. Rechte und linke Drüse werden durch eine über dem Brustbein verlaufende

Areola mammae

Papilla mammae

Glandulae areolares

Abb. 10.5: Weibliche Brustdrüse

10.2 Aufbau der Brustwand

787

Muskel

Faszie

Fettgewebskörper (schwarz)

Areola mammae

Papilla mammae

Ductus lactiferi

Drüsenkörper (hell)

Sinus lactiferi

Haut

Abb. 10.6: Sagittalschnitt durch die weibliche Brustdrüse, im oberen Bereich zusätzlich Quadrantenresektion (Drüsenkörper hell, Fettgewebe schwarz)

Furche, den Busen, Sinus mammarum, voneinander getrennt. Form und Größe zeigen vielfältige Alters-, Konstitutions- und Funktionsunterschiede. Sie werden außerdem noch durch den Ernährungszustand, die Art der Kleidung und durch die Körperhaltung beeinflusst. Im Liegen flacht sich die Brust ab und nimmt mehr Halbkugelform an. Im Stehen senkt sich auch die straffe Brust etwas, so dass die Brustwarze unterhalb der Mitte liegt. Die konische, etwas nach oben und außen gerichtete Brustwarze, Papilla mammae, erhebt sich auf dem nahezu kreisförmigen, dunkler getönten Warzenhof. Auf der zerklüfteten Warzenspitze münden 12–15 Milchgänge. Sie findet sich beim Mann relativ konstant in Höhe des 4. Interkostalraumes, bei der Frau variiert die Lage erheblich. Die besonders

zarte Haut der Warze und des Warzenhofes ist mehr oder minder runzelig, bedingt durch den Kontraktionsgrad der darunter gelegenen glatten Muskulatur. Der Warzenhof (Areola mammae) ist stärker pigmentiert als die übrige Haut und wird unter dem Einfluss der ersten Schwangerschaft noch dunkler. Ein Kranz von 10–15 Höckerchen umgibt den Warzenhof. Sie sind bedingt durch größere, apokrine Duftdrüsen, Glandulae areolares, die im Aufbau und in der Art der Sekretion den Milchdrüsen gleichen. Sie befeuchten die Haut der Areola mammae und schaffen damit den für den Saugakt notwendigen luftdichten Abschluss. Daneben kommen noch Talg- und Schweißdrüsen vor. Eine stärkere, komplex angeordnete glatte Muskulatur in Brustwarze und Warzenhof vermag, auf Berührungsreize hin,

788

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

die Brustwarze umzuformen, zu erigieren und für den Saugakt greifbarer zu machen. Aufbau. Makroskopisch lassen sich 2 Hauptbestandteile der weiblichen Brustdrüse leicht unterscheiden (Abb. 10.6): der Drüsenkörper oder das Parenchym und der gelbliche Fettkörper. Der Drüsenkörper ist unter der Papille und unter dem Warzenhof am stärksten und wird gegen die Peripherie hin schwächer. Er gliedert sich in 15–24 durch Bindegewebe voneinander getrennte Lappen, die in der Peripherie breit und platt sind und sich gegen die Brustwarze hin zuspitzen. Jeder Lappen besitzt einen Ausführungsgang, Ductus lactiferus, der sich unter dem Warzenhof zum spindelförmigen, etwa 5 mm breiten Milchsäckchen (Sinus lactiferus) erweitert, um dann in der Brustwarze senkrecht aufzusteigen und in den Buchten der Spitze zu münden. Da sich in der Brustwarze benachbarte Gänge teilweise vereinigen, ist die Zahl der Mündungen meist kleiner als die Zahl der Lappen. Jeder Lappen ist durch Bindegewebe wieder in kleinere Läppchen unterteilt, deren Gänge in den Hauptausführungsgang einmünden. Bindegewebsplatten und -stränge (Retinacula) ziehen von der Haut zum interlobären Bindegewebe und von dort zur Fascia pectoralis superficialis. Diese Bindegewebssepten (Cooper-Septen) garantieren die Stabilität der Brustdrüse. Die Maschen des Bindegewebsgerüstes sind mit Fettgewebe ausgefüllt. Mit beginnender Schwangerschaft wird die Drüse stärker durchblutet. Die Milchgänge bilden neue Sprossen, auf die sich schließlich weite Endkammern, Alveolen, anlegen. Das interlobuläre Bindegewebe wird durch das sich stark vergrößernde eigentliche Drüsengewebe verdrängt. Durch diese Volumenzunahme wird das Bindegewebsgerüst unter erhöhte Spannung versetzt. Die Brust fühlt sich prall und fest an. Manchmal werden Frauen erst durch das auftretende Spannungsgefühl auf eine bestehende Schwangerschaft aufmerksam. Bildet sich nach dem Abstillen das Drüsengewebe zurück oder schwindet plötzlich das Fettgewebe, so wird die Spannung des Bindegewebsgerüstes herabgesetzt. Klinik: 1. Unter dem Niveau der Umgebung liegende Brustwarzen, Hohlwarzen genannt, sind als Entwicklungshemmung aufzufassen.

Sie können den Saugakt unmöglich machen. 2. Bei Inzisionen in die entzündete Mamma sollten möglichst die radiär verlaufenden Milchgänge geschont werden. Diese sind ebenfalls beim Einbringen von Ringen (Piercing) gefährdet, was aufgrund stattfindender Vernarbungen später zu schmerzhaften Milchstauungen führen kann.

Feinbau Die Milchdrüse besitzt vielfach verästelte, aber einheitlich gebaute, mit zweischichtigem iso- bis hochprismatischem Epithel ausgekleidete Milchgänge (Abb. 10.7). Zwischen Epithel und Basalmembran finden sich Myoepithelzellen. Jeder Milchgang geht in ein Milchsäckchen über, aus welchem ein Ausführungsgang entspringt. Die sezernierenden Endstücke (Alveolen) werden von einem isoprismatischen Epithel ausgekleidet. Die Alveolen werden von Fortsätzen der Myoepithelzellen umgriffen. Drüsenläppchen und -lappen werden durch lockeres Bindegewebe getrennt, welches in seiner Gesamtheit als Lig. suspensorium mammae bezeichnet wird. In der ruhenden Mamma überwiegt bei weitem das Bindegewebe, nur vereinzelt finden sich Alveolen und Milchgänge. Während der Schwangerschaft und Laktationsphase wachsen die Milchgänge aus (zunehmende Länge und Verzweigung mit neuen Alveolen). Nach der Menopause bildet sich die Brustdrüse von peripher nach zentral fortschreitend zurück (Involution). Wachstum und Umbildungsvorgänge In den verschiedenen Lebensabschnitten und unter den jeweiligen Anforderungen sind Wachstum und Umbildung der Brustdrüsen hormonell gesteuert: In der Neugeborenenperiode wirken noch plazentare Hormone auf die kindliche Brustdrüse, die ödematös vergrößert ist. In der anschließenden Kindheit (bis zum 8.–10. Lebensjahr) befindet sich die Mamma in einem Ruhezustand. Das pubertäre Wachstum der Brust (Thelarche) wird durch Östrogen (Wachstum der Drüsengänge) und Progesteron (Alveolenentwicklung) bedingt, die in den Ovarien produziert werden. Durch eine Mehrproduktion dieser beiden Hormone (in Ovarien und Plazenta) ist das weitere Drüsenwachstum in der Schwangerschaft erklärbar. Darüber hinaus beeinflusst das in der zweiten Schwangerschaftshälfte aus dem Hypophysenvorderlappen ausgeschüttete Prolaktin die Reifung der Brustdrüse. Das Östrogen hemmt

10.2 Aufbau der Brustwand

789

a

b

Abb. 10.7: Schema zur Histologie der Mamma. a. ruhende Brustdrüse: Bindegewebe überwiegt, die epithelialen Anteile treten in den Hintergrund; b. laktierende Mamma: Drüsenendstücke dominieren, Bindegewebe ist auf wenige gefäß- und nervenführende Stränge reduziert

gleichzeitig die Milchproduktion. Nach der Geburt entfällt diese Hemmung durch Wegfall der plazentaren Östrogenproduktion. Das Saugen des Neugeborenen beim Stillen löst verschiedene Reaktionen aus: einerseits bedingt der Berührungsreiz eine Reduktion der Ausscheidung von Prolaktin-inhibierendem-Faktor (PIF) aus dem Hypothalamus, andererseits veranlasst er den Hypothalamus, vermehrt Oxytozin zu bilden und in den Hypophysenhinterlappen abzugeben. Dieses führt zu einer Kontraktion der Myoepithelzellen der Milchdrüse und somit zu einem Eintritt der Milch in die Milchsäckchen, aus dem die Säuglinge dann die Milch abpressen können. Klinik: 1. Auch bei Männern kann es zu einer ein- oder beidseitigen Vergrößerung des Drüsenkörpers kommen. Ursache ist zumeist ein relatives Überwiegen von Östrogenen gegenüber Testosteron. Man bezeichnet eine solche Zunahme des Drüsenparenchyms als Gynäkomastie. Diese ist in der Pubertät häufig anzutreffen und als physiologisch anzusehen. 2. Überzählige Brustwarzen, Hyperthelie, und überzählige Brustdrüsen, Hypermastie, können beim Mann und bei der Frau im Gebiet der Milchleiste (von der Achselhöhle bis zur Leistengegend) vorkommen. Außerhalb dieser Linie vorkommende Brustdrüsen sind durch Keimversprengung zu erklären. 3. Unter dem Einfluss der mütterli-

chen Hormone kann auch die Brustdrüse der neugeborenen Knaben und Mädchen geringe Kolostrummengen, so genannte Hexenmilch, absondern.

Gefäße und Nerven Arterien Die arterielle Versorgung der Brustdrüse erfolgt von medial über Rami mammarii mediales aus dem Stromgebiet der A. thoracica interna bzw. der aus ihr hervorgehenden Aa. intercostales (vorzugsweise des 2. und 3. Interkostalraumes). Weiterhin finden sich Rami mammarii aus den Aa. intercostales 4–5. Zum anderen ziehen von lateral Rami mammarii laterales aus dem Versorgungsgebiet der A. axillaris (über A. thoracica lateralis und A. thoracodorsalis) zur Brustdrüse.

Venen Die tiefen Venen verlaufen mit den zugehörigen Arterien. Die oberflächlichen, subkutanen Venen bilden ein weites Maschenwerk, das nicht selten, besonders in der Schwangerschaft und während der Stillperiode, durch die Haut durchschimmert. Unter dem Warzenhof verdichtet es sich zu einem Plexus venosus areolaris. Die subkutanen stehen mit den tiefen Venen in Verbindung, können aber außerdem zu den Bauchwandvenen und zur V. jugularis externa abfließen.

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

790

Lymphbahnen Die genaue Kenntnis der Lymphabflusswege der Brustdrüse ist von großer Bedeutung. Das Lymphsystem spielt beispielsweise in der Metastasierung des Brustkrebses eine entscheidende Rolle. Man unterscheidet, wie bei den Venen, ein oberflächliches (subkutanes) und ein tiefes, in der Drüsensubstanz liegendes Netz, zwischen denen vielfache Verbindungen bestehen. Prinzipiell lassen sich 3 Lymphplexus unterscheiden (Abb. 10.8): Plexus areolaris (intramammillär), Plexus subareolaris (im Drüsenkörper) und Plexus submammarius (auf der Fascie der Mm. pectoralis major und minor). Aus diesen Geflechten fließt der Hauptlymphstrom zur Achselhöhle. £ Axilläre Abflussbahn. In die axilläre Abfluss-

bahn sind verschiedene Lymphknotenstationen eingeschaltet: Am unteren, lateralen Rand des M. pectoralis major finden sich Nll. pectorales (Sorgius-Gruppe), von wo aus die Lymphe in eine zentrale Lymphknotengruppe am Boden der Achselhöhle und in Nll. apicales in der Spitze der Axilla drainiert wird. Eingebunden

Nll. laterales

sind darüber hinaus Lymphknotenstationen entlang der A. axillaris (vornehmlich Entsorgung aus dem Oberarm) und der A. subscapularis (Entsorgung aus dem oberen Rücken und dem axillären Ausläufer der Mamma). Aus den Nll. apicales geht auf jeder Seite ein Truncus lymphaticus hervor, der rechts mit der V. subclavia zieht und in den Venenwinkel zwischen dieser und der V. jugularis interna mündet; der Truncus lymphaticus sinister mündet in den Ductus thoracicus. £ Parasternale Abflussbahn. Ein weiterer Abflussweg der Lymphe aus der Brustdrüse geht über parasternale Stationen, die zumeist entlang der V. thoracica interna gelegen sind (Nll. parasternales). Der Abfluss erfolgt dann in die Trunci lymphatici, z. T unter Einschaltung supraklavikulärer Lymphknotenstationen. Verbindungen bestehen zwischen den parasternalen Lymphbahnen beider Seiten und interkostalen bzw. mediastinalen Lymphbahnen. £ Intermuskuläre Abflussbahn. Der Abfluss erfolgt zwischen den Brustmuskeln. Den M. pectoralis major durchbohrende oder zwischen den beiden Brustmuskeln ziehende Lymphbahnen gelangen direkt zu den Nll.

Nll. centrales Nll. supraclaviculares

Nll. apicales

Nll. subscapulares

Nl. parasternalis

Nll. pectorales Nl. thoracoepigastricus

Abb. 10.8: Lymphknotengruppen der Brustdrüse und der Achselhöhle. Oberflächliche Lymphknoten schwarz, tiefe punktiert. Pfeile: Stromrichtung

10.2 Aufbau der Brustwand

791

apicales und supraclaviculares. Über die Nll. intercosatales bestehen Verbindungen zu den Lymphknoten des hinteren Mediastinums und über die Nll. parasternales zu denen des vorderen Mediastinums.

Nerven Die Nerven der Brustdrüse stammen aus den Hautästen der Brustwand, den Rr. cutanei anteriores und laterales (hauptsächlich Th2–6). Klinik: 1. Bei der Vorsorgeuntersuchung der Frau sollen krankhafte Veränderungen der Brustdrüse möglichst frühzeitig erfasst werden. Inspektorisch sollte zunächst auf Asymmetrien zwischen beiden Brüsten geachtet werden. Verdächtig sind Einziehungen der Haut oder andere Veränderungen der Oberfläche. Anschließend tastet man die Brustdrüse nach Knoten und Verhärtungen ab. Man prüft einerseits die Verschieblichkeit der Haut über dem Drüsenkörper, andererseits die des Drüsenkörpers auf der Brustwand. Die regionären Lymphknoten (insbesondere die Axilla) werden genau abgetastet. Klinisch werden die axillären Lymphknoten in 3 Stufen (levels) klassifiziert: Level I: untere Achselhöhle, lateral des lateralen Randes des M. pectoralis minor. Level II: mittlere Achselhöhle, zwischen medialem und lateralem Rand des M. pectoralis minor. Level III: apikale Achselhöhle, am medialen Rand des M. pectoralis minor, einschließlich der supraklavikulären, infraklavikulären und apikalen Lymphknoten. 2. Mammakarzinom. Das Mammakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor bei Frauen; bei Männern stellt es dagegen eine Rarität dar. Der Verdacht ergibt sich häufig aus auffälligen Tastbefunden und wird durch Röntgenaufnahmen (Mammographie, Abb. 10.9), Ultraschall- oder Kernspinuntersuchungen (Abb. 10.10) erhärtet. Insbesondere die Verbindungen der parasternalen Lymphbahnen zu mediastinalen und interkostalen Lymphabflusswegen sind Erklärung für Metastasen von Mammakarzinomen in der Pleura, der Lunge oder im Mediastinum. Retrosternale Verbindungen zur Gegenseite erklären das Vorkommen von Metastasierungen in der primär nicht befallenen Mamma. Durch die venöse Entsorgung der Brustdrüse ergeben sich Verbindungen zwischen den Vv. intercostales

Abb. 10.9: Mammographie mit Darstellung eines ausgedehnten Tumorbefalls

Abb. 10.10: Kernspintomographie der Brustdrüse mit Darstellung eines ausgedehnten Tumors der linken Seite

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

792

und vertebrales. Hierin findet sich eine Erklärung für die relativ häufig auftretenden Absiedlungen von Tumorzellen eines Mammakarzinoms in die Wirbelsäule. Häufig sind bei Brustkrebs zuerst die am unteren Rande des Pectoralis major auf der 3. Serratuszacke gelegenen Nll. pectorales (Sorgius-Gruppe) durch Metastasen betroffen. Da der hier austretende N. intercostobrachialis durch die Krebsmetastasen nicht selten gereizt wird, sind zur medialen Seite des Oberarmes ausstrahlende Schmerzen oder Parästhesien häufig das erste Symptom eines Brustkrebses.

10.2.1.3

Unterhautfettgewebe, Tela subcutanea

Dieses ist im Bereich des Brustbeins im allgemeinen spärlich, in der Brustdrüsengegend besonders gut entwickelt. Es schwankt aber individuell in weiten Grenzen. Bei der Frau ist es im allgemeinen stärker als beim Mann. Vom Hals aus strahlt das Platysma über das Schlüsselbein hinweg in das Unterhautfettgewebe aus. In der Brustbeingegend kommt manchmal ein M. sternalis als phylogenetischer Überrest einer Hautmuskulatur vor. Er entspringt einfach oder paarig von der Oberflächenfaszie und strahlt auch in diese aus.

A. thoracoacromialis M. pectoralis minor M. deltoideus, R. deltoideus

R. acromialis Nn. pectorales V. cephalica Nn. supraclaviculares M. pectoralis major (Schnittrand), R. clavicularis M. sternocleidomastoideus

Fascia clavipectoralis Rr. pectorales Rr. cutanei anteriores R. cutaneus anterior

Rr. perforantes a. thoracicae internae M. latissimus dorsi V. thoracoepigastrica

M. pectoralis major

R. cutaneus lateralis nervi thoracici M. serratus anterior M. obliquus externus abdomonis

Abb. 10.11: Hautinnervation der Brust. Teilweise Entfernung der Pars clavicularis des M. pectoralis

10.2 Aufbau der Brustwand

10.2.1.4

Hautgefäße und -nerven

Hautarterien. Diese kommen medial als Rr. perforantes segmental aus der A. thoracica interna, lateral als Rr. cutanei laterales aus den Aa. intercostales posteriores und aus den Ästen der A. axillaris (A. thoracica lat., A. thoracodorsalis). Hautvenen. Die Venen bilden ein großes Maschenwerk, das einerseits durch die Begleitvenen der oben erwähnten Arterien, andererseits auch durch die in der mittleren Axillarlinie verlaufende V. thoracoepigastrica und in die V. jugularis externa abfließt. Hautnerven. Vom Hals aus strahlen die Nn. supraclaviculares (C3/C4) in das Brustgebiet ein. Diese gehören zum Plexus cervicalis (s. Kap. 4.12.2, S. 266). Die Interkostalnerven durchbohren in der Axillarlinie mit ihren Rr. cutanei laterales, neben dem Brustbein mit ihren Rr. cutanei anteriores die Brustwand, um die Hautschichten zu versorgen (Abb. 10.11).

10.2.2

793

einem Knochenkern im Manubriumbereich, einem im Xiphoid- und einer variablen Anzahl (4–12) im Korpusanteil. Diese lagern sich zu 3–5 Knochenplatten zusammen, die durch Knorpelbereiche in Höhe der Rippenanlagerungen zunächst noch voneinander getrennt sind. Fehlbildungen, Varianten. Die Verschmelzung der Sternalleisten erfolgt häufig nur unvollständig (selten gar nicht), was zu Spalten oder Löchern vornehmlich im Sternumkörper führt. Derartige Foramina sternalia finden sich bei 5–9 % der Bevölkerung und liegen vorzugsweise in Höhe des 4. oder 5. Interkostalraumes (Abb. 10.12). Der Schwertfortsatz ist in seiner Form sehr variabel, oftmals gespalten oder mit einem Loch. Aufbau. Das Sternum ist als flacher, unpaarer Knochen zwischen die vorderen Enden der 7 oberen Rippenpaare eingefügt (Abb. 10.14). Es ist nach vorne konvex gekrümmt und besteht bis auf eine dünne, kompakte Außenzone aus Spongiosa.

Skelett und Muskeln des Brustkorbs

Lernziele: Knöcherne Anteile des Thorax, Rippengelenke, Zwischenrippenmuskulatur

10.2.2.1

Knöcherner Thorax, Skeleton thoracis

Der knöcherne Thorax besteht aus 37 Knochen: 12 Brustwirbel, 12 Rippenpaare und das unpaare Brustbein (Sternum) bilden den knöchernen Rahmen des Brustkorbs (Thorax). Er erinnert an ein Fass, an dem die Rippen die Reifen darstellen (Abb. 10.13).

fs

10.2.2.1.1 Brustbein, Sternum Entwicklung. Im Stadium der Blastembildung entstehen durch die Vereinigung der ventralen Enden der 1. bis 7. Rippe 2 Sternalleisten. Im oberen Sternumanteil (späterer Bereich des Manubrium sterni) trägt zudem ein interklavikuläres Blastem zur Entstehung bei. Beide Sternalleisten verschmelzen von kranial nach kaudal fortschreitend. Im 4.–6. Monat beginnt die Verknöcherung mit

Abb. 10.12: Sternum von dorsal mit Foramen sternale (fs)

794

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Discus intervertebralis Vertebra cervicalis VII

Costa prima

Cartilago costalis I

LI

Arcus costalis

Abb. 10.13: Brustkorb von ventral. L1: erster Lendenwirbel. Pfeil: obere Thoraxapertur

10.2 Aufbau der Brustwand

795 Incisura jugularis

Incisura clavicularis

Incisura clavicularis

Incisura costalis I

Incisura costalis I

Manubrium sterni

Manubrium sterni

Synchondrosis sternalis

Angulus sterni

Incisura costalis II Corpus sterni

Incisura costalis III

Incisura costalis IV

Incisura costalis V Incisura costalis VI Incisura costalis VII Symphysis xiphosternalis Processus xiphoideus

Incisura costalis II Corpus sterni Incisura costalis III

Incisura costalis IV

Incisura costalis V

Incisura costalis VI Symphysis xiphosternalis Incisura costalis VII Processus xiphoideus

Abb. 10.14: Sternum. a. von ventral; b. von rechts

Man unterscheidet einen Handgriff, Manubrium sterni, einen Körper, Corpus sterni, und einen Schwertfortsatz, Processus xiphoideus. Der Brustbeinkörper ist mit dem Handgriff durch Faserknorpel verbunden (Synchondrosis sternalis, Symphysis manubriosternalis), wobei zwischen beiden ein nach dorsal offener, stumpfer Winkel besteht, Angulus sterni. Zwischen Sternumkörper und Schwertfortsatz findet sich ebenfalls eine knorpelige Verbindung, Symphysis xiphosternalis. Diese zunächst knorpelig ausgebildeten Nahtstellen können im Laufe des Lebens verknöchern. Das Manubrium sterni ist oben breit und dick; es nimmt seitlich in einer sattelförmigen, mit Faserknorpel

überzogenen Incisura clavicularis das sternale Ende des Schlüsselbeins auf. Der Seitenrand ist für die Anlagerung des ersten Rippenknorpels zur Incisura costalis prima ausgekehlt. Der obere Rand springt am Lebenden unterhalb der Drosselgrube deutlich vor. Er ist seicht zur Incisura jugularis ausgeschnitten. Das zweite Rippenpaar setzt in Höhe des Angulus sterni an. Da die erste Rippe weitgehend durch das Schlüsselbein verdeckt ist, bietet sich so ein fester Anhalt beim Abzählen der Rippen am Lebenden. An den Seitenrändern trägt das Brustbein sieben Gruben für die Anlagerung der ersten bis siebten Rippe (Incisurae costales).

796

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Klinik: Die Kenntnis der angeführten Varianten ist für verschiedene diagnostische und therapeutische Verfahren von Bedeutung (z. B. Sternalpunktion oder Akupunktur). Durch eventuell vorhandene Löcher und Spalten können die Instrumente in den Herzbeutel, die Koronargefäße oder den Herzmuskel vordringen. Die Sternalpunktion wird heute durch die Beckenkammbiopsie zur Abklärung hämatologischer Erkrankungen ersetzt.

von der 1. zur 7. Rippe zu, von der 8. zur 12. allmählich ab, die 7. Rippe ist somit die längste. Aufbau. Jede Rippe hat einen dorsolateral gelegenen knöchernen (Os costale) und einen kleineren ventralen knorpeligen Anteil (Cartilago costalis). Der knöcherne Bereich ist unterteilt in einen Kopf (Caput costae), einen Hals (Collum costae) und einen Körper (Corpus costae) (Abb. 10.15).

Collum costae

10.2.2.1.2 Rippen, Costae Die Rippen, Costae, sind bogenförmige Skelettstücke, die im Thoraxbereich die Wirbelsäule und das Brustbein verbinden und so zur Bildung des Brustkorbes beitragen. Auch in der Hals- und Lendenregion gibt es Rippenrudimente, die allerdings mit den Wirbeln verwachsen sind. Beim Menschen finden sich in der Regel 12 Rippenpaare. Entwicklung. Rippen werden auf der Länge der gesamten Wirbelsäule im Stadium der Blastembildung angelegt, verschmelzen aber im Hals-, Lenden- und Sakralbereich mit den Wirbelbögen. Aus den ventralen Enden der thorakalen Anlagen entwickelt sich beiderseits eine Sternalleiste, aus der das Sternum hervorgeht. Die Verknöcherung der Rippen beginnt etwa im 2. Monat in der Gegend des Angulus costae. Der ventrale Anteil verbleibt bis ins Erwachsenenalter knorpelig.

Aufbau und Topografie Arten £ Costae verae. Die 7 oberen Rippen erreichen

als Costae verae das Sternum und bilden mit ihm von oben nach unten an Größe zunehmende Rippenringe. £ Costae spuriae. Die 5 unteren Paare bilden den bogenförmigen unteren Rand des Brustkorbes (Abb. 10.13). Hierbei sind normalerweise das 8. und 9. Paar (in etwa einem Drittel der Fälle auch das 10.) mit ihren knorpeligen Enden an der nächst oberen Rippe bindegewebig befestigt (Costae spuriae). £ Costae fluctuantes. Das 10. (in zwei Dritteln der Fälle), 11. und 12. Paar endet mit den knorpeligen Spitzen frei zwischen den Bauchmuskeln (Costae fluctuantes). Die Länge nimmt

Tuberculum costae

Angulus costae

Corpus costae

Caput costae Bewegungsachse Facies articularis tuberculi costae

Abb. 10.15: 3. Rippe rechts mit eingezeichneter Bewegungsachse

1. Caput costae. Das rundliche Caput costae lagert sich mit seiner überknorpelten Facies articularis capitis costae an die Foveae costales der Wirbelkörper. Hierbei ist die Gelenkfläche der 2. bis 10. Rippe durch eine quer verlaufende Erhebung (Crista articularis capitis costae) in 2 Gelenkfacetten unterteilt. Die obere (kleinere) Gelenkfläche artikuliert mit dem nächst höheren Wirbelkörper an dessen Fovea costalis inferior, die untere Fläche steht in gelenkiger Verbindung mit der Fovea costalis des gleichnamigen Wirbelkörpers (Abb. 10.16). Die Gelenkfläche der 1., 11. und 12. Rippe ist nicht unterteilt; diese artikulieren nur mit dem zugehörigen Wirbel. 2. Collum costae. Das dreikantige, schwächere Collum costae reicht bis zum Tuberculum costae, einem dorsolateral gerichteten Höcker, der sich mit seiner Facies articularis tuberculi costae an den Querfortsatz des Brustwirbels legt. 3. Corpus costae. Das abgeplattete Corpus costae setzt bis zum Rippenwinkel (Angulus costae) den dorsolateralen Verlauf des Halses fort und wendet sich hier nach ventral. Es zeigt eine Außen- und

10.2 Aufbau der Brustwand

797 Lig. longitudinale anterius Lig. capitis costae intraarticulare

Lig. costotransversarium Lig. intertransversarium Lig. capitis costae radiatum

Discus intervertebralis

Lig. costotransversarium laterale Lig. costotransversarium laterale

Articulatio costotransversaria

Lig. costotransversarium

Processus articularis superior

Lig. costotransversarium Articulatio capitis costae Lig. capitis costae radiatum Discus intervertebralis

Abb. 10.16: Wirbel-Rippen-Verbindungen, Ansicht von lateral (oben) und kranial (unten); links sind die Gelenke eröffnet

Innenfläche, einen oberen, abgerundeten und einen unteren, scharfen Rand. An der Innenfläche verläuft nahe dem unteren Rand ein flacher Sulcus costae für die Aufnahme der Zwischenrippengefäße und -nerven. Er ist am Rippenhöcker am tiefsten und verstreicht ventralwärts. Krümmungen. An den einzelnen Rippenknochen finden sich 3 Arten mit verschiedener Ausprägung: £ Die Flächenkrümmung ist für die gewölbte

Form des Brustkorbes verantwortlich. Am Rippenwinkel ist sie am stärksten ausgeprägt, liegt bei den oberen Rippen nahe an der Wirbelsäule und entfernt sich nach unten hin immer mehr

von dieser (der Radius der Flächenkrümmung nimmt zu, der Thorax wird nach unten hin breiter). £ Die Kantenkrümmung beschreibt die tiefere Position des sternalen Rippenendes im Vergleich zum vertebralen. Auch sie nimmt von kranial nach kaudal ab und ist am Übergang des Rippenhalses in den Körper besonders ausgeprägt. £ Die Verdrehung in der Längsachse (Torsion) zeigt sich bei den mittleren Rippen am deutlichsten. Ihre Flächen stehen am vertebralen Ende senkrecht, am sternalen schräg (der obere Rand liegt der Wirbelsäule näher als der untere).

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

798

Facies articularis capitis costae

Caput

Tuberculum m. scaleni anterioris

Costa I Costa II

Collum Tuberculum costae

Sulcus a. subclaviae

Angulus costae

Tuberositas m. serrati anterioris

Die 1. Rippe ist breit und kurz (Abb. 10.17). Ihre Flächen sind nach oben und unten, ihre Kanten nach medial und lateral gerichtet. Die obere Fläche trägt für den Ansatz des M. scalenus anterior ein aufgerautes Höckerchen (Tuberculum m. scaleni anterioris). Dorsal von ihm verläuft der Sulcus a. subclaviae, ventral der seichte Sulcus v. subclaviae. Die 2. Rippe ist länger und schmaler. Ihre Flächen weisen nach oben und lateral bzw. unten und medial. Ungefähr in ihrer Mitte zeigt sie auf der Außenfläche eine Rauigkeit (Tuberositas m. serrati anterioris) für den Ursprung einer starken Zacke des M. serratus anterior. 11. und 12. Rippe. Sie sind rudimentär. Crista capitis costae, Sulcus costae, Tuberculum costae und Angulus costae fehlen oder sind nur schwach ausgebildet. Varianten. Die 12. Rippe kann mit dem 12. Brustwirbel verschmelzen, kurz oder sehr lang sein. Auch eine selbständige Rippe am 1. Lendenwirbel wird beobachtet. Andererseits findet man am oberen Brustkorbende von einer mehr oder minder vollständigen Halsrippe über einen langen Proc. transversus am 7. Halswirbel bis zu einer besonders schmalen 1. Brustrippe alle möglichen Übergänge.

Klinik: Eine Halsrippe kann die A. subclavia (evtl. auch den Plexus brachialis) komprimieren (Halsrippen-Syndrom).

Corpus

Abb. 10.17: 1. und 2. Rippe in der Ansicht von kranial

10.2.2.1.3 Rippenknorpel, Cartilagines costales Die knorpeligen Anteile der Rippen sind runder und dicker als die zugehörigen Knochen. Ihre Länge nimmt von der 1. zur 7. Rippe zu, von der 8. zur 12. rasch ab. Der 6. und 7. Knorpel, seltener die angrenzenden, stehen durch Knorpelbrücken miteinander in (oft gelenkiger) Verbindung. Der 3. bis 10. Knorpel ist über die Kante kranialwärts gekrümmt (Knorpelknickungswinkel). Die Knorpel der 7. bis 10. Rippe sind durch kurze Bänder verbunden; sie bilden so den rechten und linken Rippenbogen, Arcus costalis. Rechter und linker Bogen begrenzen den Angulus infrasternalis (Angulus arcuum costarum, epigastrischer Winkel), der sich bei der Atmung stetig ändert und außerdem konstitutionelle Größenunterschiede zeigt. Mit zunehmendem Lebensalter kommt es zu Verkalkungen und Verknöcherungen, die den elastischen Widerstand erhöhen und den Thorax starrer machen.

10.2.2.1.4 Rippen-Brustbein-Gelenke, Articulationes sternocostales In den Articulationes sternocostales artikulieren die ventralen Enden der Rippenknorpel mit den Incisurae costales des Brustbeins (Abb. 10.18). Die 1. Rippe ist hierbei immer, die 6. und 7. häufig synchondrotisch mit dem Sternum verbunden.

10.2 Aufbau der Brustwand

799 Lig. sternoclaviculare anterius

Discus articularis Lig. interclaviculare

Clavicula

Lig.costoclaviculare

Costa I

Manubrium sterni

Lig. sternocostale intraarticulare Costa II Corpus sterni

Ligg. sternocostalia radiata

Costa III Membrana intercostalis Articulationes sternocostales

Membrana sterni

Ligg. costoxiphoidea

Costa V

Processus xiphoideus Costa VII

Abb. 10.18: Schlüsselbein-Brustbein und Rippen-Brustbein-Gelenke von ventral. Rechts sind die oberflächlichen Knochenschichten teilweise entfernt

Zwischen der 2. bis 5. Rippe und dem Brustbein findet sich meist eine spaltförmige Gelenkhöhle. Das 2. Gelenk wird durch ein faserknorpeliges Lig. sternocostale intraarticulare unterteilt. Ein solches Band findet sich seltener (10–20 %) auch im 3. und 4. Sternokostalgelenk. Ein System sich kreuzender Bindegewebsfasern verläuft in Schraubentouren um die knöcherne Rippe, den Rippenknorpel und die Sternokostalverbindung, strahlt auf die Vorderund Rückfläche des Brustbeins aus und geht in entsprechende Fasertouren der anderen Seite über. Dieser einheitliche Fasermantel, der über dem Rippenknorpel noch durch elastische Fasern besonders verstärkt ist, sichert die Verbindung der einzelnen Skelettteile, gestattet aber auch die für die Atmung

notwendige Umformung des Brustkorbes. Er wird über der knöchernen Rippe als Periost, über dem Rippenknorpel als Perichondrium, über dem Gelenk als Kapsel und Lig. sternocostale radiatum und auf dem Brustbein als Membrana sterni bezeichnet.

10.2.2.1.5 Rippen-Wirbel-Gelenke, Articulationes costovertebrales Die Rippenköpfe artikulieren mit den Foveae costales der Wirbelkörper (Articulatio capitis costae). Bei den Articulationes capitum costarum handelt es sich eigentlich um Kugelgelenke, die jedoch

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

800

Processus articulares superiores Processus transversus

Ligg. costotransversaria superiora Lig. flavum

Lig. interspinale Lig. supraspinale Lig. costotransversarium laterale Lig. intertransversarium

Abb. 10.19: Bänder der Brustwirbelsäule von rechts-dorsal

mit den Kostotransversalgelenken funktionell eine Einheit bilden und somit in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt werden. Die Rippenkopfgelenke 2 bis 10 sind in zwei Kammern unterteilt (s. o.). Von der Crista capitis costae zieht ein Band (Lig. capitis costae) in die Außenzone der Bandscheibe zwischen den beteiligten Wirbeln. Strahlenförmige Bänder (Lig. capitis costae radiatum) sichern die Außenfläche der Gelenkkapsel (Abb. 10.16). Die Rippenhöckerchen der ersten 10 Rippen artikulieren mit den Querfortsätzen der jeweiligen Wirbel (Fovea costalis processus transversi) in der Articulatio costotransversaria. Hierbei handelt es sich um Radgelenke. Querverlaufende Bänder sichern ventral (Lig. costotransversarium) und dorso-lateral (Lig. costotransversarium laterale) die Gelenkkapsel. Zusätzlich finden sich noch Bandzüge, die vom Processus transversus des nächsthöheren Wirbels zum Kollumbereich ziehen (Lig. costotransversarium superius) (Abb. 10.19).

In den Rippenwirbelgelenken wird eine Drehbewegung durchgeführt, welche, bei der großen Länge der Rippen, einen bedeutenden Ausschlag am vorderen Ende ergibt. Die Bewegungsachse entspricht der Längsachse des Rippenhalses und ist dorsolateral gerichtet. Sie verläuft bei den oberen Rippen nahezu horizontal und bei den unteren schräg, laterokaudal. Dieser unterschiedliche Verlauf der Rippenachsen wirkt sich auf die Erweiterung des Brustkorbes bei der Einatmung aus. Im oberen Brustkorbbereich wird bei der Inspiration überwiegend der Sagittaldurchmesser des Thorax größer, im unteren Bereich dagegen der Transversaldurchmesser (Querdurchmesser). Die Zerlegung der Brustkorbbewegung in die Komponenten der einzelnen Gelenke ist allerdings nur künstlich; es handelt sich eigentlich um eine Summation der Bewegungen in den Articulationes sternocostales, intercostales, capitum costarum und costotransversariae.

10.2 Aufbau der Brustwand

10.2.2.2

801

Wir unterscheiden:

Muskulatur des Brustkorbes

Die Eigenmuskeln des Brustkorbes verschließen den knöchernen Thorax bis auf die Apertura thoracis superior. Sie tragen dazu bei, den umschlossenen Raum (Cavitas thoracis) zu vergrößern und zu verkleinern und wirken damit als eigentliche Atemmuskeln. Zahlreiche Hilfsatemmuskeln, die von oben und unten an den Brustkorb herantreten (im Wesentlichen die ventralen Rumpf-Gliedmaßenmuskeln), können sie bei tiefer Atmung unterstützen.

Zwischenrippenmuskeln, Mm. intercostales Die Zwischenrippenmuskeln (sog. Eigenmuskeln des Brustkorbes) entsprechen in ihrem Verlauf und in ihrer Schichtung den seitlichen Bauchmuskeln. Sie zeigen aber im Gegensatz zu diesen noch die ursprüngliche metamere Gliederung. Versorgt werden sie von den Interkostalnerven 1–11.

1. Mm. intercostales externi. Diese (Abb. 10.20) entsprechen dem M. obliquus externus abdominis und verlaufen auch wie dieser: von hinten oben nach vorne unten. Sie reichen von den Tubercula costarum bis zum Beginn der Rippenknorpel, wo sie in eine sehnige Membrana intercostalis externa (Ligg. intercostalia externa) übergehen. O.: Tubercula costarum I.: Beginn der Cartilagines costarum L.: Nn. intercostales, Aa. intercostales posteriores und Rr. intercostales anteriores F.: Inspiration, Verspannung der Rippen 2. Mm. intercostales interni. Die Muskeln (Abb. 10.21) verlaufen, wie der M. obliquus internus abdominis, senkrecht zu den vorigen (von vorn oben nach hinten unten). Genetisch sind die Mm. intercostales interni eher mit dem M. transversus abdominis verwandt. Inkonstant spaltet sich von den inneren Interkostalmuskeln eine dünne

Lig. interclaviculare

Lig. sternoclaviculare anterius

Ligg. sternocostalia radiata Mm. intercostales interni

Membrana sterni Mm. intercostales externi

Membrana intercostalis

Ligg. costoxiphoidea

Abb. 10.20: Interkostalmuskulatur von ventral (nach A. Benninghoff: Anatomie, 15. Aufl., Urban & Schwarzenberg 1994)

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

802 M. sternocleidomastoideus

Clavicula

M. sternohyoideus

Articulatio sternoclavicularis

M. sternothyroideus

Costa prima

Mm. intercostales interni

Sternum

M. transversus thoracis M. transversus thoracis

Pars sternalis diaphragmatis

M. transversus abdominis Pars costalis diaphragmatis

Linea alba M. rectus abdominis mit Intersectio tendinea

Vagina m. recti abdominis (Lamina posterior)

Abb. 10.21: Ventrale Brustwand von dorsal Schicht der Zwischenrippenmuskeln ab (Mm. intercostales intimi). Nur diese Schicht entspricht genetisch dem M. obliquus abdominis internus. Ist sie vorhanden, so liegen der Interkostalnerv und die gleichnamigen Blutgefäße zwischen ihr und den Mm. intercostales interni.

Die inneren Interkostalmuskeln reichen vom Brustbein bis zu den Rippenwinkeln. Zwischen den Rippenknorpeln heißen sie auch Mm. intercartilaginei. Medial von den Anguli costarum gehen sie in die Membrana intercostalis interna über, die sich in die Ligg. costotransversaria fortsetzt.

O.: Sternum, Cartilagines costarum I.: Cartilagines costarum, Costae L.: Nn. intercostales, Aa. intercostales posteriores und Rr. intercostales anteriores F: Exspiration, Verspannung der Rippen 3. Mm. subcostales. Diese sind Faserzüge der inneren Interkostalmuskeln, die auf die Innenfläche der Rippen übergreifen und eine oder mehrere Rippen überspringen. Sie finden sich hauptsächlich im dorsalen Bereich der Rippen.

10.3 Zwerchfell, Diaphragma

803

O.: Sternum, Cartilagines costarum I.: Cartilagines costarum, Costae L.: Nn. intercostales, Aa. intercostales posteriores und Rr. intercostales anteriores F: Exspiration, Verspannung der Rippen

Der wichtigste Inspirationsmuskel ist allerdings das Zwerchfell, das den Brustraum bei der Kontraktion durch Abflachung der Zwerchfellkuppeln und Eröffnung des Recessus costodiaphragmaticus auf Kosten des Bauchraumes vergrößert.

4. M. transversus thoracis. Er entspricht dem M. transversus abdominis, entspringt vom Seitenrand des Brustbeins und setzt an den Rippenknorpeln 2–6 an. Die unteren Fasern setzen die Richtung des queren Bauchmuskels fort und haben die gleiche zusammenschnürende Wirkung. Die mittleren und oberen Fasern steigen immer steiler an.

Die Mm. intercostales interni und der M. transversus thoracis senken die Rippen, sind somit Exspiratoren. Außerdem verspannen die Zwischenrippenmuskeln die Zwischenrippenräume durch dauernde Tonusänderung so, dass sie bei erhöhtem Außendruck (Luftdruck, Zug der Lungen) nicht nach innen, bei erhöhtem Innendruck (Husten) nicht nach außen gewölbt werden.

O.: Sternum I.: Cartilagines costarum L.: Nn. intercostales, Aa. intercostales posteriores und Rr. intercostales anteriores F: Stabilisierung des Brustkorbes

Funktion der Zwischenrippenmuskeln insgesamt Die Mm. intercostales externi und die Mm. intercartilaginei heben die Rippen und erweitern damit den Brustkorb, wodurch die Lungen gedehnt werden, d. h. diese Muskeln wirken als Inspiratoren. Eine Erklärung findet sich darin, dass die Fasern der Mm. intercostales externi an den tieferen Rippen weiter vom Gelenkdrehpunkt der Rippenwirbelgelenke entfernt sind als an den höheren Rippen, also ein größeres Drehmoment auf die tieferen Rippen ausgeübt wird, was in einer Rippenhebung resultiert. Die Kontraktion der Mm. intercartilaginei ist an der Hebung des Brustbeines beteiligt.

10.3

Die Sulci costarum auf der Oberfläche der Lungen entstehen durch Vorwölbung der mit dem Tode erschlafften Zwischenrippenmuskeln in den Brustraum, die dann über die Fixierung konserviert werden.

Klinik: Einseitige Lähmung der Intercostales führt zu einer seitlichen Verbiegung der Wirbelsäule (Skoliose). Die Zwischenrippenräume sind an der gesunden Seite verengt, an der gelähmten erweitert.

Ventrale Rumpf-Gliedmaßenmuskeln Es handelt sich um die Mm. pectoralis major, pectoralis minor, subclavius und serratus anterior (Kap. 9.1.2.1, S. 691), welche entwicklungsgeschichtlich vom Rumpf in die Extremitäten ausgewachsen sind. Sie dienen hier als Hilfsatemmuskeln

Zwerchfell, Diaphragma

Lernziele: Topografie und Anteile des Zwerchfells, Durchtrittsstellen mit Inhalt, Funktion Das Zwerchfell ist eine kuppelförmige, muskulöse Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle. Es entspringt am ganzen Umfang der unteren Brustapertur, an der Lendenwirbelsäule, an den Rippen und dem Brustbein. Das Zwerchfell ist der wichtigste Atemmuskel und dient der Aufrechterhaltung der Druckdifferenz zwischen Bauch- und Brusthöhle. Für den Durchtritt

von Blut- und Lymphgefäßen, Nerven und die Speiseröhre finden sich an umschriebenen Stellen Lücken.

Funktion des Zwerchfells • Das Zwerchfell ist ein wichtiger Atemmuskel. Bei leichter Inspiration findet eine Abflachung der beiden Zwerchfellkuppeln statt, während das Centrum tendineum nahezu stehenbleibt. Erst bei stärkerer Einatmung heben sich die

804

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

peripheren muskulären Zwerchfellteile durch Kontraktion von der seitlichen Brustwand ab. Der Recessus costodiaphragmaticus (Sinus phrenicocostalis) wird dadurch erweitert, und die Lunge schiebt sich in ihn hinein. Doch wird dieser Raum nie vollständig von der Lunge ausgefüllt. Schließlich wird auch das Centrum tendineum etwas abwärts bewegt. • Als Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle verändert das Zwerchfell nicht nur das Volumen der Brusthöhle (Atemmuskel), sondern auch das der Bauchhöhle. Die Funktion der Muskeln der ventrolateralen Bauchwand bei der Entleerung der Bauchorgane (Harnblase, Mastdarm) wäre ohne gleichzeitige Kontraktion des Zwerchfells und des Beckenbodens nicht möglich (Bauchpresse). Ebenfalls wichtig ist o. g. Funktion des Zwerchfells bei der Geburt.

Entwicklung Anlage. Eine unpaare ventrale Anlage, das Septum transversum, und eine paarige dorsale, die Membrana pleuroperitonealis dextra und sinistra sowie das Mesenterium des Ösophagus vereinigen sich zum Zwerchfell. Später kommen noch Muskelanlagen aus der Leibeswand hinzu (s. Kap. 3.5.1.3, S. 145, Kap. 3.5.2, S. 148). Septum transversum. Dieses ist eine mesodermale Platte, die als quere Falte der vorderen und seitlichen Bauchwand zwischen Dottergang und Perikardhöhle liegt. Es enthält den Sinus venosus, die in ihn einmündenden Venen und die Leberanlage und trägt das Herz. Aus dem Septum transversum entwickeln sich das Centrum tendineum des Zwerchfells und die vorderen Zwerchfellanteile. Am dorsalen Rand dieser Scheidewand bleiben zunächst die Zölomkanäle (Ductus pericardioperitoneales) als Verbindungen zwischen Brust- und Bauchhöhle erhalten. Von der hinteren Bauchwand wächst die Pleuroperitonealfalte (Membrana pleuroperitonealis) nach ventral in die Zölomkanäle vor und verwächst in der 7. Woche mit dem Septum transversum und dem Mesenterium des Oesophagus. Dadurch werden die Ductus pericardioperitoneales als Verbindung zwischen Thoraxund Bauchhöhle verschlossen. Im Verschmelzungsbereich zwischen Pleuroperitonealfalte und Mesenterium des Ösophagus entwickeln sich die Zwerchfellschenkel. Im weiteren Verlauf dringen Myoblasten aus der dorsalen und lateralen Lei-

beswand in die Pleuroperitonealmembran ein und bilden so den muskulären Anteil des Zwerchfells. Material. Das Septum transversum entsteht ursprünglich in Höhe der zervikalen Somiten (Kap. 3.5.1.5, S. 147) und wird ab der 4. Woche (durch das stärkere Wachstum der dorsalen Strukturen) zunehmend nach kaudal verlagert. Die in das Septum eingewachsenen Spinalnervenanteile aus dem 3.–5. Halssegment bilden zusammen den N. phrenicus, der durch den Descensus des Zwerchfells und die Ausdehnung der Lungen seitlich vom Herzbeutel zu liegen kommt.

Einteilung Das Zwerchfell lässt sich prinzipiell in einen muskulären (Pars muscularis) und einen sehnigen Anteil (Centrum tendineum) einteilen. Das Centrum tendineum dient als zentral gelegener gemeinsamer Ansatz der muskulären Anteile (Abb. 10.22). Die Pars muscularis wird untergliedert in eine Pars lumbalis, Pars costalis und Pars sternalis. £ Pars lumbalis. Sie besteht beiderseits aus einem

medialen Schenkel (Crus mediale), einem Crus intermedium und einem lateralen Schenkel (Crus laterale).

• Crus mediale. Es entspringt vom vorderen Längsband (Lig. longitudinale anterius), den Körpern des 1. bis 4. (links: 1. bis 3.) Lendenwirbels und den zugehörigen Zwischenwirbelscheiben. Der rechte und der linke Schenkel steigen steil aufwärts und bilden vor dem 12. Brust- oder 1. Lendenwirbel als Lig. arcuatum medianum die vordere (sehnige) Begrenzung des schlitzförmigen, etwas links von der Medianlinie gelegenen Hiatus aorticus (Durchtritt für die Aorta und den Ductus thoracicus). Nach oben weichen die beiden Schenkel wieder auseinander und bilden den meistens links von der Medianlinie gelegenen muskulösen Speiseröhrenschlitz, Hiatus oesophageus. Meistens wird diese Öffnung nur von dem rechten Schenkel begrenzt. Beteiligt sich der linke Schenkel an der Umrandung, so liegt er immer dorsal vom rechten. Unmittelbar oberhalb dieser Öffnung gehen die medialen Zwerchfellschenkel in die gemeinsame Zentralsehne, das Centrum tendineum, über.

10.3 Zwerchfell, Diaphragma

805 Pars sternalis Sternum

Foramen venae cavae

Pars costalis Centrum tendineum Oesophagus im Hiatus oesophagus Aorta im Hiatus aorticus

Arcus lumbocostalis medialis (Psoasarkade) Trigonum lumbocostale (Bochdalek) Arcus lumbocostalis lateralis (Quadratusarkade) Costa XII M. psoas major M. quadratus lumborum

Crus laterale

Crus intermedium

Crus mediale

Pars lumbalis

Abb. 10.22: Zwerchfell von kaudal und ventral gesehen

• Crus intermedium. Es ist oft schmal und entspringt mehr seitlich, am 2. Lendenwirbelkörper. Eigentlich handelt es sich um eine Abspaltung vom Crus mediale durch den Durchtritt der Nn. splanchnici bzw. der Azygosvenen. • Crus laterale. Es entspringt von 2 Sehnenbögen (Lig. arcuatum mediale und laterale, HallerSehnenbögen), die den M. psoas major bzw. M. quadratus lumborum überbrücken. Der mediale Bogen, Arcus lumbocostalis medialis (Lig. arcuatum mediale, „Psoasarkade“) verläuft vom Körper zum Rippenfortsatz des 1. Lendenwirbels. Der laterale Bogen, Arcus lumbocostalis lateralis (Lig. arcuatum laterale, „Quadratusarkade“) spannt sich zwischen dem Rippenfortsatz des 1. Lendenwirbels und der Spitze der 12. Rippe aus. Die relativ kurzen

Muskelfasern strahlen schräg nach oben in das Centrum tendineum ein. £ Pars costalis. Die Pars costalis entspringt

alternierend mit den Zacken des M. transversus abdominis von den knorpeligen Anteilen der sechs kaudalen Rippen und strahlt bogenförmig in das Centrum tendineum ein. £ Pars sternalis. Die Pars sternalis entspringt mit kleinen Zacken vom dorsalen Blatt der Rektusscheide und von der Dorsalfläche des Schwertfortsatzes (Processus xiphoideus) des Brustbeins und geht sehr bald in das Centrum tendineum über. Centrum tendineum, die Zentralsehne aller muskulären Teile des Zwerchfells, begrenzt das rechts von der Mittellinie gelegene Foramen venae cavae.

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

806

Die V. cava inferior ist darin mit ihrer Adventitia bindegewebig fest verankert. Der Durchtritt der Vena cava inferior durch den sehnigen Anteil des Zwerchfells sichert den Blutfluss auch während der Kontraktion des Zwerchfells in der Inspirationsphase. Mit der kranialen Fläche des Centrum tendineum ist der Herzbeutel fest verwachsen. Auf Röntgenbildern erscheint das Centrum tendineum gleichsam durch die Last des darauf ruhenden Herzens eingedellt (Herzsattel). Seitlich von ihm erheben sich die rechte und linke Zwerchfellkuppel. Gewöhnlich reicht die rechte Kuppel durch die Größe der Leber einen Querfinger höher als die linke. Bei Gasansammlung im Magen und Dickdarm stehen sie meistens gleich hoch. Die Lage des Zwerchfells (auf das Skelett bezogen) ist sehr variabel (Tab. 10.1). Sie hängt von dem Grad der Ein- und Ausatmung, vom Alter, vom Geschlecht, von der Konstitution und ggf. krankhaften ProTabelle 10.1: Zwerchfellprojektionen – Lage des Zwerchfells während Inspiration und Exspiration Inspiration

Exspiration

rechts ventral: 7. Rippe dorsal: 11. Brustwirbel

ventral: 4. Rippe dorsal: 8. Brustwirbel

links

ventral: 4.–5. Rippe dorsal: 8.–9. Brustwirbel

ventral: 7.–8. Rippe dorsal: 11.–12. Brustwirbel

zessen (z. B. Raumforderungen in Brust- oder Bauchhöhle) ab. In Atemmittellage findet sich das Centrum tendineum in Höhe der Körper-Schwertfortsatzgrenze des Brustbeines.

Lagebeziehungen des Zwerchfells Im Kindesalter, mit einem relativ größeren sagittalen Durchmesser und einer inspiratorischen Form des Brustkorbes, steht das Zwerchfell einen Zwischenrippenraum höher (größere Querstellung des Herzens). Mit der allmählichen Senkung (Descensus) aller Organe im Alter findet auch eine Senkung des Zwerchfells statt. Raum beengende Prozesse im Bauch (Schwangerschaft, Aszites, Meteorismus, Tumoren) drängen zunächst die Bauchwand vor, später das Zwerchfell hoch. Raumbeengung im Brustraum flacht dagegen das Zwerchfell ab. Ein Nachlassen der Elastizität der Lungen (z. B. beim Emphysem) führt ebenfalls zu einer Abflachung des Zwerchfells. Schließlich beeinflusst noch die Körperlage den Zwerchfellstand. Die Kuppeln liegen im Stehen am tiefsten, treten im Sitzen höher und erreichen in Rückenlage den höchsten Stand. In Seitenlage tritt die Kuppel auf der Seite, auf der man liegt, höher. Bei der Leiche schiebt das Gewicht der Baucheingeweide die erschlaffte Zwerchfellplatte nach kranial. Es findet sich somit ein höherer Zwerchfellstand als in vivo.

Tabelle 10.2: Öffnungen des Zwerchfells und durchziehende Strukturen Zwerchfellöffnung

Strukturen

Projektion auf die Wirbelsäule

Hiatus aorticus

Aorta Plexus aorticus (V. azygos V. hemiazygos) Ductus thoracicus

1. Lendenwirbelkörper

Foramen venae cavae

V. cava inferior R. phrenicoabdominalis re.

9. Brustwirbelkörper

Hiatus oesophageus

Oesophagus Trunci vagales R. phrenicoabdominalis li.

10. Brustwirbelkörper

medialer Lumbalspalt

N. splanchnicus major N. splanchnicus minor V. azygos (re.) V. hemiazygos (li.)

1. Lendenwirbelkörper

lateraler Lumbalspalt

Grenzstrang

2. Lendenwirbelkörper

Trigonum sternocostale

A./V. epigastrica superior Lymphgefäße

8. Brustwirbelkörper

10.3 Zwerchfell, Diaphragma

Zwerchfellöffnungen (Tab. 10.2) £ Hiatus aorticus. Die untere Öffnung des

£

£

£

£

£

Canalis aorticus liegt vor dem 1. Lendenwirbelkörper, wird dorsal von dem Wirbelkörper, lateral von den Zwerchfellschenkeln und ventral von einem Sehnenbogen (Lig. arcuatum medianum), der die beiden Zwerchfellschenkel verbindet, begrenzt. Da sich die Pars lumbalis des Zwerchfells bei der Kontraktion von der Wirbelsäule entfernt, findet bei der Einatmung auch keine Kompression der Aorta am Hiatus statt. Der Canalis aorticus endet vor dem 11. Brustwirbel. Durch den Aortenkanal ziehen die Aorta mit dem vegetativen Plexus aorticus und dorsolateral, in Fett eingehüllt, der Ductus thoracicus. Auch die Vv. azygos und hemiazygos können mit in dem Kanal liegen. Foramen v. cavae, in Höhe des Oberrandes des 9. Brustwirbels. Es liegt rechts von der Mittellinie im Centrum tendineum. Die Vena cava inferior zieht hindurch. Der sensible R. phrenicoabdominalis des rechten N. phrenicus zieht mit hindurch zur Bauchfläche des Zwerchfells und zur Leber und Gallenblase. Hiatus oesophageus. Er liegt gegenüber dem 10. Brustwirbel, links und ventral von der Aortenöffnung. Im Gegensatz zu den beiden obigen Öffnungen wird er vollständig von der Muskulatur gebildet. In der Inspiration wird somit das kaudale Speiseröhrenende verschlossen. Durch den Speiseröhrenschlitz ziehen zudem ventral der Truncus vagalis anterior, dorsal der Truncus vagalis posterior. Die Trunci vagales entstehen aus dem Plexus oesophageus und enthalten Fasern des rechten und linken N. vagus. Auch Rr. phrenicoabdominales des linken N. phrenicus ziehen hindurch und versorgen Bauchfell und Pankreas sensibel. Medialer Lumbalspalt. Durch den Spalt zwischen Crus mediale und Crus intemedium der Pars lumbalis treten beiderseits der N. splanchnicus major und rechts die V. azygos, links die V. hemiazygos. Der N. splanchnicus minor kann auch das Crus mediale durchbohren. Lateraler Lumbalspalt. Zwischen Crus intermedium und Crus laterale verläuft der Grenzstrang des Sympathicus. Trigonum sternocostale. Zwischen Pars sternalis und Pars costalis findet sich beiderseits ein schmales muskelfreies Dreieck (Larrey-Spalte).

807

Durch diese Spalte ziehen die A. epigastrica superior (ein Endast der A. thoracica interna), die gleichnamige Vene und Lymphgefäße. £ Trigonum lumbocostale. Zwischen der Pars lumbalis und costalis ist ebenfalls meistens ein muskelfreier Bereich, (Bochdalek-Dreieck) ausgeprägt, häufiger links als rechts. Diese Spalten, besser dünne Stellen, sind gewöhnlich bindegewebig und durch die serösen Häute (Bauch- und Brustfell) und Faszien (Fascia transversalis und Fascia phrenicopleuralis) verschlossen. Klinik: 1. Bei gestörter Zwerchfellentwicklung können im Bereich des Trigonum lumbocostale sinistrum (Bochdalek), viel seltener im Bereich der Larrey-Spalte und im Centrum tendineum Löcher im Zwerchfell bestehen bleiben, die als Foramen phrenicum congenitale persistens zu bezeichnen sind. 2. Bei fehlender Muskelentwicklung kann die pleuroperitoneale Membran als Hernia diaphragmatica (angeborene Zwerchfellhernie) in den Brustraum vorgetrieben werden. 3. Im Bereich des Hiatus oesophageus liegt zwischen Speiseröhre und Zwerchfell eine bindegewebige Verschiebeschicht, so dass der Oesophagus genügend Bewegungsspielraum für den Speisetransport hat. An dieser „Schwachstelle“ finden sich häufig Hernien, wobei man prinzipiell 2 Arten unterscheiden kann: 3a. Bei der häufigen axialen Gleithernie schiebt sich der abdominale Anteil der Speiseröhre, manchmal auch ein Stück Magen, durch die Zwerchfellöffnung in den Brustraum. Die Bedeutung der axialen Hiatusgleithernie in der Pathogenese der häufigen Refluxoesophagitis ist unklar. 3b. Bei der paraoesophagealen Hernie schiebt sich ein Teil des Magens neben der regelrecht liegenden Speiseröhre in den Brustraum und unterliegt der Gefahr der Einklemmung.

Gefäße und Nerven Arterien. Zur Brusthöhlenfläche des Zwerchfells ziehen die A. pericardiacophrenica (mit dem N. phrenicus), die A. musculophrenica (ein Endast der A. thoracica interna) und die Aa. phrenicae superiores, kleine direkte Äste aus der Aorta für den dorsalen Teil des Zwerchfells. Die Bauchhöhlenfläche wird aus den Aa. phrenicae inferiores versorgt. Sie entspringen im Aortenschlitz aus der Aorta oder aus dem Truncus coeliacus und geben die oberen Nebennierenarterien ab.

808

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Venen. Der venöse Abfluss erfolgt einerseits über die Vv. phrenicae superiores zur V. azygos bzw. hemiazygos, andererseits über die Vv. phrenicae inferiores zur V. cava inferior. Lymphgefäße. Das Zwerchfell hat eigene Lymphgefäße in der Muskulatur und unter den serösen Häuten (Pleura und Peritoneum). Gleichzeitig lässt es auch noch die Lymphe der oberen Bauchorgane durchtreten. Nerven. Die motorische Versorgung erfolgt durch die Nn. phrenici (s. Kap. 10.7.10, S. 900) aus den Segmenten C3–C5 (Plexus cervicalis, s. Kap. 4.12.2, S. 266). Tiefere Halssegmente können sich über den N. subclavius daran beteiligen (Nebenphrenikus). Periphere Zwerchfellanteile werden sensibel auch aus unteren Interkostalnerven versorgt. Klinik: 1. Da das Zwerchfell an der Wirbelsäule wesentlich tiefer als am Brustbein steht, können penetrierende Verletzungen vorn die Bauch- und hinten die Brusthöhle treffen. Auf Röntgenbil-

10.4

dern beobachtet man nicht selten eine Einknickung des rechten Zwerchfellbogens. Sie kommt durch ungleiche Kontraktion der Muskelzüge zustande. Die Fasern von der 8. und 9. Rippe sind länger und können sich stärker kontrahieren. Zwischen den Ursprüngen von der 7. und 8. Rippe kann ein Spalt bestehen. 2. Zwerchfellfurchen sind vertikale Impressionen auf der Kuppe des rechten Leberlappens. Sie entstehen durch den Druck hypertropher Zwerchfellmuskelfaserbündel gegen die Leber bei chronischobstruktiven Lungenerkrankungen, insbesondere beim chronisch-substanziellen Lungenempyhsem. 3. Der sensible R. phrenicoabdominalis des vorwiegend motorischen Zwerchfellnerven zieht rechts durch das Foramen v. cavae, links durch den Hiatus oesophageus zum Bauchfell und den oberen Bauchorganen. Diese Tatsache erklärt Schmerzen in der rechten Schulter bei Erkrankungen der Leber und Gallenblase, in der linken Schulter bei Pankreaserkrankungen (Head-Zonen).

Der Thorax als Ganzes und Mechanik der Atmung

Lernziele: Biomechanik des Thorax, Inspiration und Exspiration 1. Der Thorax des erwachsenen Menschen hat die Form eines oben abgestumpften Kegels, der dorsoventral abgeplattet ist. Im Querschnitt erscheint er nierenförmig (Abb. 10.23, 24). Die vertebralen Enden der Rippen sind bis zum Angulus costae dorsolateralwärts gerichtet und biegen erst hier nach ventral um. Auf diese Weise entsteht rechts und links von der Wirbelsäule eine tiefe, breite Rinne (Sulcus pulmonalis) für die Aufnahme großer Lungenabschnitte. Die Brustwirbelsäule wird nach ventral verlagert, der Schwerpunkt des Brustkorbes und seines Inhaltes dagegen nach dorsal. Diese für den Erwachsenen typische Thoraxform ergibt die günstigsten statischen Voraussetzungen für den aufrechten Gang (Abb. 10.25). Durch den dorsolateralen Verlauf der vertebralen Rippen-

enden entsteht zwischen den Wirbeldornen und den Anguli costarum beiderseits eine Rinne für die Aufnahme der langen Rückenmuskulatur. Diese Rückenrinne wird entsprechend der Massenzunahme der Muskulatur von oben nach unten breiter. 2. Die durch Skelett und Bandapparat gegebene Grundform ist ein elastisch-federndes System. Es wird durch eine große Zahl von Kräften, die gleichsinnig und gegensinnig wirken, laufend aus seiner Gleichgewichtslage gebracht, weiter und enger gestellt. Die dicht anliegenden Lungen folgen zwangsläufig diesen Bewegungen. Sie werden bei der Erweiterung des Brustkorbes gedehnt, saugen Luft durch die Luftwege an (Inspiration). Eine Verkleinerung des Brustkorbes bedeutet auch eine Verkleinerung der Lungen mit Austreibung der Luft (Exspiration).

10.4 Der Thorax als Ganzes und Mechanik der Atmung

Rippenhals

809

Canalis vertebralis

Querfortsatz

Ductus thoracicus Aorta thoracica, V. hemiazygos

Lobus inferior pulmonis V. azygos

Oesophagus, Nn. vagi

Recessus retrooesophageus

Pleura costalis

Nodi lymphatici bronchopulmonales

Pleura pulmonalis Bronchi lobares, A. pulm.sin.

Sinus obliquus pericardii

Fissura obliqua

Lobus medius

Atrium sinistrum

Fissura obliqua

Pleura mediastinalis Pleura pulmonalis

Atrium dextrum

N. phrenicus Fissura horizontalis Ventriculus sinister mit Valva atrioventricularis sinistra

Lobus superior Ventriculus dexter mit Valva atrioventricularis dextra

Pericardium fibrosum (Perikard) Recessus costomediastinalis

Sternum

Pericardium serosum (Epikard)

Abb. 10.23: Schematischer Querschnitt durch den Thorax. Pleura grau, Epikard und Perikard rot

St Vd Va As Mld

Th6

A Msa

Abb. 10.24: Magnetresonanzthomographie (MRI), Querschnitt Thorax korrespondierend zu 10.23

10.4.1

Einatmung

£ Die Einatmung erfolgt aus der Gleichgewichts-

lage durch Muskeltätigkeit. Die Mm. intercostales externi, intercartilaginei und das Diaphragma erweitern den Brustraum nach ventral, lateral und kaudal. Im Bereich der sternalen Rippen wird der Brustkorb vorwiegend im sternoverte-

bralen Durchmesser, weniger (von der 1. bis zur 7. Rippe zunehmend) im transversalen Durchmesser erweitert (sternokostaler Atmungstyp oder Oberrippenatmung) (Abb. 10.26, 27). Die unteren Rippen und ihre Zwischenrippenmuskeln bilden eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Zwerchfell (kostodiaphragmaler Atmungstyp, Unterrippen-, Zwerchfell- oder Bauchatmung). Die Rippen werden hier bei der Hebung stark seitwärts geführt (Schräge Rippenhalsachse!). Durch diesen Seitenstoß (Flankenatmung) wird das Zwerchfell gedehnt, es gewinnt damit eine günstige Ausgangslage für die Kontraktion, durch die es abgeflacht und gesenkt wird. Seitenstoß, Abflachung und Senkung des Zwerchfells öffnen den Recessus costodiaphragmaticus, der seitlich besonders groß ist (Abb. 10.28). £ Die Erweiterung des Brustraumes erfolgt gegen den Widerstand der elastischen Lungenspannung. Die Lungen befinden sich auch in der Exspiration in einem Spannungszustand, der auf alle Wände des Brustraumes ansaugend wirkt.

810

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Vertebra prominens

Costa I

Anguli costarum

LI

Costa XII

Abb. 10.25: Brustkorb von dorsal. L1: erster Lendenwirbel

10.4 Der Thorax als Ganzes und Mechanik der Atmung

811

Z

Z

L

6

6

7

Centrum tendineum

7

8

Dieser Lungensog oder Lungenzug entsteht in der Entwicklung dadurch, dass der Thorax schneller als die Lungen wächst, wodurch die elastischen Bestandteile der Lunge gedehnt werden. Mit zunehmender Inspiration steigt der Lungensog an und setzt der Erweiterung größeren Widerstand entgegen. Gleichsinnig steigt auch der Widerstand im elastisch-federnden System des Brustkorbes (Verformung der Knorpel, Spannung der Bänder). £ In der Regel werden beide Atmungstypen kombiniert. Die Erweiterung des Brustraumes (und damit die Vergrößerung seines Volumens) führt über die Beziehung p (Druck) × V (Volumen) = konstant zu einer Abnahme des intrapulmonalen Druckes, so dass ein Druckgefälle zwischen Außenluft und Innenraum entsteht. £ Bei ruhiger Atmung betätigt man überwiegend das Zwerchfell. Bei der Einatmung heben die Mm. scaleni geringfügig die 1. und 2. Rippe und unter Vermittlung des Tonus der Interkostalmuskeln alle anderen Rippen. Das Zwerchfell kontrahiert sich und erweitert den Thorax von unten her. Erst bei verstärkter Inspiration treten die Mm. intercostales externi und die Mm. inter-

Abb. 10.27: Inspirationsform des Thorax von rechts. Z: Zwerchfell

Pars costalis diaphragmatis

8

Abb. 10.26: Inspirationsform des Thorax von ventral. Z: Zwerchfell, L: Leber

Recessus costodiaphragmaticus [Sinus phrenicocostalis] Pleura

9

9

10

10

I

E

Abb. 10.28: Rippen, Zwerchfell und Recessus costodiaphragmaticus bei Inspiration (I) und Exspiration (E)

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

812

cartilaginei in Aktion. Bei starken körperlichen Anstrengungen (oder bei bestimmten Krankheiten, z. B. Asthma) werden die Atemhilfsmuskeln beansprucht. Die Unterzungenbeinmuskeln und der M. sternocleidomastoideus heben den Brustkorb, wenn vorher der Kopf und die Halswirbelsäule durch die Strecker festgestellt sind. Die Mm. rhomboidei, levator scapulae und trapezius (s. Kap. 8.5.1, S. 644) heben den Schultergürtel und befreien den Thorax von dieser exspiratorisch wirkenden Last. Weiter unterstützen die Strecker der Brustwirbelsäule die Inspiration, weil mit der Streckung eine zwangsläufige Hebung der Rippen verbunden ist. £ Schließlich können noch die vom Schultergürtel zum Brustkorb ziehenden Muskeln (Mm. pectoralis major und minor, serratus anterior) (s. Kap. 9.1.2.1, S. 691) den Thorax heben und erweitern, wenn die Arme durch Aufstützen, z. B. der Hände, fixiert sind.

10.4.2

Ausatmung

£ Sobald die Inspiratoren erschlaffen, federt

der Brustkorb durch den elastischen Zug der Lungen, durch die im Thorax selbst wirksamen

Z

L Abb. 10.29: Exspirationsform des Thorax von ventral. Z: Zwerchfell, L: Leber

federnden Kräfte und durch die Schwerkraft wieder in seine Ausgangslage zurück (Abb. 10.29). £ Soll über diese hinaus noch stärker ausgeatmet werden, so senken die Mm. intercostales interni und der M. transversus thoracis die Rippen. Die Bauchmuskeln senken den Brustkorb (M. rectus abdominis), verengen die untere Thoraxapertur (seitliche Bauchmuskeln), erhöhen den intraabdominalen Druck und schieben die Bauchorgane und damit das Zwerchfell gegen den Brustraum vor. Sie sind damit die wichtigsten Hilfsmuskeln für die Exspiration, deutlich spürbar z. B. beim Lachen, Niesen oder Husten. £ Bei festgestellten Armen werden sie noch durch den M. latissimus dorsi unterstützt. Man kann dies bei einem Asthma- oder Hustenanfall (erschwerte Ausatmung) leicht beobachten. Unwillkürlich wird dabei auch die Brustwirbelsäule gebeugt, weil damit eine zwangsläufige Senkung der Rippen verbunden ist.

10.4.3

Thoraxform und Atmungstyp

£ Neugeborenes. Der Thorax des Neugeborenen

hat wie beim Vierfüßer einen großen sagittalen Durchmesser (Verhältnis sagittaler zum transversalen Durchmesser 1 : 2, beim Erwachsenen 1 : 3). Die Rippen verlaufen nahezu horizontal; die Brustwirbelsäule ist gestreckt. Der Brustkorb befindet sich nahe der maximalen Inspiration in der Gleichgewichtslage. Die Rippen können aus dieser Stellung heraus nur noch wenig gehoben werden. £ Säugling. Er atmet deshalb hauptsächlich abdominal; das verhältnismäßig hoch stehende Zwerchfell wird gesenkt, der Bauch durch die tiefer tretenden Baucheingeweide vorgewölbt. £ Kind. Beim Kind senken sich allmählich die Rippen (Descensus costarum); der sagittale Durchmesser wird verhältnismäßig kleiner. Die Brustwirbelsäule erhält mit dem aufrechten Gang ihre physiologische Kyphose. Die Gleichgewichtslage des Brustkorbes nähert sich mehr der Exspirationsform. Aus dieser Lage heraus können die Rippen stärker gehoben werden. Parallel mit dieser Umformung des Brustkorbes erfolgt allmählich, zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr, der Übergang von der abdominalen zur kostalen Atmung. Das Zwerchfell tritt um eine Wirbelhöhe tiefer.

10.5 Binnenschichten der Brustwand £ Erwachsener. Beim Erwachsenen ist der Thorax

weiter abgeflacht. Er befindet sich noch näher der Exspirationsform in der Gleichgewichtslage. Kostale und abdominale Atmung kommen gemeinsam vor. Im Alter nehmen mit der Abnahme der Elastizität und des Muskeltonus die Krümmung der Wirbelsäule, die Senkung der Rippen, die Verkalkung der Rippenknorpel, die Abflachung des Brustkorbes und die Verkleinerung der unteren Thoraxapertur zu. Gleichzeitig erschlaffen aber auch die Bauchmuskeln. Die hierdurch gegebene Senkung der Baucheingeweide führt in Verbindung mit dem Nachlassen des Lungensogs (Elastizitätsverlust) zu einer Senkung und Abflachung des Zwerchfells. Die Atmung ist stärker abdominal. Im Liegen finden wir mehr kostale, im Stehen mehr abdominale Atmung.

Klinik. 1. Angeborene und erworbene pathologische Krümmungen der Wirbelsäule (s. Kap. 8.3, S. 642) bedingen zwangsläufig auch eine Umformung des ganzen Thorax. Am kyphoskoliotischen Thorax sind an der konvexen Seite der Wirbelsäule die Rippen nach dorsal zu einem Buckel vorgetrieben. Sie weichen hier in der Regel stärker auseinander, während sie an der konkaven Seite zusammengeschoben sind. So können querverlaufende Schnürfurchen des rechten Leberlappens bei Deformitäten der unteren Thoraxapertur im Rahmen einer Kyphoskoliose der Wirbelsäule auftreten. 2. Behindern raumbeengende und entzündliche Prozesse in

10.5

der Bauchhöhle die Bauchatmung, so findet sich eine stärkere Rippenatmung. Ist umgekehrt die Rippenatmung erschwert oder schmerzhaft, so springt kompensatorisch eine stärkere Bauchatmung ein. Cutis

Tela subcutanea Fascia m. serrati anterioris M. serratus anterior V. intercostalis posterior A. intercostalis posterior R. ventralis n. thoracici [N. intercostalis] M. intercostalis internus M. intercostalis externus R. collateralis [supracostalis] Costa Periost A., V. intercostalis posterior, R. ventralis n. thoracici Fascia endothoracica Pleura costalis

Abb. 10.30: Schematisierter Längsschnitt durch einen Interkostalraum. Mm. intercostales intimi im Schnittbereich nicht abgebildet

Binnenschichten der Brustwand

Lernziele: Leitungsbahnen der tiefen Schichten, Fascia endothoracica, Pleura: Anteile, Topografie, Komplementärräume, Grenzen

10.5.1

813

Innere Brustkorbfaszie, Fascia endothoracica, Fascia parietalis thoracis

Die Fascia endothoracica ist eine Schicht lockeren Bindegewebes, die die Pleura parietalis verschieblich mit der Brustwand verbindet.

Lediglich im Bereich der Pleurakuppel nimmt sie eine festere Struktur an (Gibson-Faszie). Bindegewebsfasern, die vom Hals der ersten Rippe weiter nach vorn zur ersten Rippe ziehen (Lig. costopleurale), sind durch Bindegewebe mit der Pleurakuppel verbunden und geben ihr einen festen Halt. Fasern der Lamina praevertebralis fasciae cervicalis, die vom 6. Hals- bis zum 1. Brustwirbel entspringen, strahlen in die Innenseite der Pleurakuppel ein (Lig. pleurovertebrale). In über 30 % entspringt ein M. scalenus minimus am Querfortsatz des 7. Halswirbels und setzt teils

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

814

Radix dorsalis et Ggl. spinale R. spinalis R. cutaneus lateralis

R. cutaneus medialis

Radix ventralis R. cutaneus medialis

R. dorsalis

R. cutaneus lateralis

R. ventralis (A. intercostalis posterior)

R. dorsalis R. ventralis = N. intercostalis

Ductus thoracicus Sensibler Ast zur Pleura

Oesophagus et Nn. vagi

R. communicans griseus R. communicans albus Ganglion trunci sympathici N. phrenicus

Aorta et R. oesophageus

N. phrenicus R. cutaneus lateralis R. cutaneus lateralis R. intercostalis anterior R. cutaneus anterior R. perforans

A. thoracica (mammaria) interna

Abb. 10.31: Schematisierter Querschnitt durch den Brustkorb. Verzweigung von A. intercostalis posterior und N. intercostalis

an der Pleurakuppel, teils an der ersten Rippe an. Er trägt somit zur Stabilisierung der Pleurakuppel bei.

10.5.2

Rippenfell, Pleura

Lernziele: Aufbau der Pleura, Pleuragrenzen, Recessus, Pneumothorax Jeder Lungenflügel ist in eine geschlossene seröse Höhle, die Pleurahöhle, eingestülpt (Abb. 10.32). Zwischen den beiden Pleurahöhlen liegt das Mediastinum. Die äußere Wand der Pleurahöhle ist mit der Brustwand und mit dem Zwerchfell verwachsen (Pleura parietalis), die innere mit den Lungen (Pleura visceralis, Pleura pulmonalis). Beide Blätter gehen am Lungenhilum und am Lig. pulmonale ineinander über.

Pleura visceralis (auch Pleura pulmonalis, Lungenfell). Sie ist mit der Oberfläche der Lungen verwachsen. Sie setzt sich auch in die Spalten der Lunge, Fissurae interlobares, fort. Pleura parietalis (Rippenfell). Sie überzieht als Pleura costalis (Brustfell) Rippen, Wirbelkörper und Rückfläche des Brustbeins, als Pleura diaphragmatica die obere Zwerchfellfläche, als Pleura mediastinalis das Mediastinum. Jener Teil, der dem Herzbeutel anliegt, wird auch als Pleura pericardiaca bezeichnet. Pleurahöhle. Ihre Form entspricht weitgehend der Lungenform, ist in einzelnen Bereichen aber etwas vergrößert, um den Lungen als Verschieberaum in den verschiedenen Phasen der Atmung zu dienen.

10.5 Binnenschichten der Brustwand

815 Vv. brachiocephalicae Bulbus v. jugularis inferior mit Klappe

Bulbus v. jugularis inferior mit Klappe

V. subclavia sinistra mit Klappe

V. subclavia dextra mit Klappe

Arcus aortae

Einmündung der V. azygos in die V. cava superior

Truncus pulmonalis (Teilungssporn)

Sinus transversus pericardii

Auricula sinistra

Pleura pulmonalis

Valva aortae

Pleura costalis

Ostium atrioventriculare sinistrum

Pleura mediastinalis

Ventriculus sinister

Pleura pulmonalis Lobus superior

Septum interventriculare

Fissura horizontalis

Pericardium fibrosum et serosum (Lamina parietalis)

Lobus medius

Epicardium serosum (Lamina visceralis)

Fissura obliqua Lobus inferior

[Sinus phrenicomediastinalis] [Sinus phrenicomediastinalis]

Recessus costodiaphragmaticus

Pleura diaphragmatica

Fossa ovalis, Limbus fossae ovalis, V. cava inferior

Sinus coronarius

Centrum tendineum

Diaphragma Ventriculus dexter, Valva atrioventricularis dextra

Recessus costodiaphragmaticus

Pleura costalis

Costae

Pleura diaphragmatica M. obliquus abdominis externus

Grund des Recessus costodiaphragmaticus

Mm. intercostales Grund des Recessus costodiaphragmaticus

Abb. 10.32: Schematisierter Frontalschnitt durch den Brustkorb. Pleura schwarz, Perikard rot

10.5.2.1

Entwicklung

Ab der 5. EW beginnen die Lungenknospen beiderseits in die Zölomkanäle, später in das Mesenchym der Leibeswand einzusprossen. Nach ventral wird das Lungenwachstum begrenzt durch die Pleuroperikardialfalten, innerhalb derer der N. phrenicus und die Kardinalvene liegen. Die Auskleidung der

Zölomkanäle wird zur parietalen Pleura, der Peritonealüberzug der Lungen zur viszeralen. Die Ausdehnung der Lunge unterteilt die Leibeswand in die Pleuroperikardialmembran, die sich aus der Pleuroperikardialfalte (Kap. 3.5.1.4, S. 146) entwickelt, und die eigentliche Thoraxwand. Die Pleuroperikardialmembranen beider Seiten vereinigen sich, so dass ventral die Perikardhöhle und dorsolateral

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

816

die Pleurahöhlen entstehen. Von der Bauchhöhle werden die Pleurahöhlen durch das Wachstum des Zwerchfells abgetrennt (s. Kap. 10.3, S. 803).

10.5.2.2

Topografie und Funktion

Die Pleurahöhle, Cavitas pleuralis, ist ein kapillarer Spalt, durch den die beiden Pleurablätter, wie zwei feuchte Glasplatten, gegeneinander verschieblich, aber voneinander nicht trennbar, verbunden sind.

begrenzenden Teilen der Pleura parietalis benannt und liegen ventral, kaudal und dorsal am Übergang der verschiedenen Brustfellabschnitte. Weil hier die Grenzen von Lunge und Brustfell auseinander weichen sind die Recessus von großer Bedeutung für die praktische ärztliche Tätigkeit in Diagnostik und Therapie (s. u.). Im Normalfall werden die Reserveräume beim Gesunden auch bei tiefster Inspiration nicht vollständig entfaltet. £ Recessus.Ventral gehen Pleura costalis und

Pleura mediastinalis, hinter oder neben dem Brustbein unter Bildung des Recessus costomediastinalis ineinander über. Er nimmt bei der Inspiration die medialen Lungenränder auf, die bei der Exspiration einige Millimeter lateral von der Umschlagslinie liegen. Links entfernt sich der vordere Lungenrand unterhalb der 4. Rippe etwa 1,5 cm vom Rand des Recessus. Die Recessus costomediastinales beider Seiten reichen in Höhe der 2.–4. Rippe fast aneinander heran.

In jeder Pleurahöhle finden sich beim Erwachsenen etwa 5 ml Flüssigkeit. An den Lungenrändern besitzt der Pleuraspalt Reserveräume, die sich bei der Inspiration entfalten, und bei denen sich in der Exspiration die beiden parietalen Pleurablätter aneinander legen. Diese Reserveräume bezeichnet man als Komplementärräume oder Recessus (Sinus) pleurales. Sie werden nach den

1

1

4

4

a 6

6

b 8

12

Abb. 10.33: Lungen- und Pleuragrenzen von rechts. Lungen hellgrau, Recessus costodiaphragmaticus dunkelgrau, a. Fissura horizontalis, b. Fissura obliqua

b 8

12

Abb. 10.34: Lungen- und Pleuragrenzen von links. Lungen hellgrau, Recessus costodiaphragmaticus dunkelgrau, b. Fissura obliqua

10.5 Binnenschichten der Brustwand

817 Ductus thoracicus et Aorta thoracica

Costa IV

Truncus sympathicus

N. intercostalis III et Costa III

Oesophagus Bronchus dexter et sinister

N. et Vasa intercostalia II

Cupula pleurae

N. intercostalis I et Costa I Plexus brachialis Truncus costocervicalis V. subclavia, A. subclavia et Ansa subclavia N. phrenicus et A. pericardiacophrenica

Humerus Spatium axillare mit Gefäßen und Nerven ThymusV. azygos et Aorta V. cava superior ascendens rest Nl. tracheoVasa bronchialis sup. thoracica A. pulmonalis interna

Abb. 10.35: Querschnitt durch den Thorax in Höhe der Einmündung der V. azygos. Pleurakuppel von kaudal. Links: Pleura entfernt

Pleura costalis und Pleura diaphragmatica bilden unterhalb des unteren Lungenrandes den Recessus costodiaphragmaticus. Dieser ist der größte und praktisch wichtigste Reserveraum (Abb. 10.33, 34). Er hat halbmondförmige Gestalt, ist in der Medioklavikularlinie 3–5 cm, in der Axillarlinie 6–8 cm und paravertebral 2,5 cm hoch. Das inspiratorische Vordringen des unteren Lungenrandes in den Recessus kann man beim Lebenden durch Perkussion feststellen. Der Recessus phrenicomediastinalis liegt zwischen Zwerchfell und Mittelfell. Der Recessus vertebromediastinalis liegt an der hinteren Umschlagstelle von Pleura costalis zu Pleura mediastinalis. £ Projektion der Pleuragrenzen. Für die ärztliche Praxis ist es sinnvoll, die Pleuragrenzen auf die Brustwand zu projizieren (Abb. 10.1): Die Pleurakuppel (Cupula pleurae) schiebt sich über die erste Rippe in das Halsgebiet vor und reicht hier etwa 2–3 cm über den Oberrand der Clavicula hinaus (Abb. 10.35). Sie wird in jeder Atemphase vollständig von der Lungenspitze ausgefüllt (kein Reserveraum). Die vordere Pleuragrenze beginnt beiderseits hinter dem

Sternoklavikulargelenk, konvergiert nach unten und medial bis zum Angulus sterni. Von hier aus verläuft sie rechts nahe der Medianlinie abwärts bis zum Ansatz des 6. Rippenknorpels, wo sie in die untere Pleuragrenze übergeht. Diese zieht schräg abwärts, schneidet in der Medioklavikularlinie die 7. Rippe, in der mittleren Axillarlinie die 10. Rippe, in der Skapularlinie die 11. Rippe und paravertebral die 12. Rippe. Links weicht die vordere Pleuragrenze bereits am Ansatz der 4. Rippe nach lateral ab, kreuzt den 5. und 6. Rippenknorpel und geht in die untere Pleuragrenze über, die im wesentlichen wie rechts verläuft. Nur in der Axillarlinie liegt sie meist etwas tiefer. Die hintere Pleuragrenze verläuft links auf den Rippenköpfen abwärts bis zur Mitte des 12. Brustwirbelkörpers. Rechts weicht sie vom 3.–10. Brustwirbel über die Mittellinie hinaus nach links ab. Es entsteht so zwischen Wirbelkörpern einerseits und Rückfläche der Speiseröhre andererseits ein Recessus retrooesophageus, der nach links bis zur Aorta thoracica reichen kann. An der Leiche ist er ein spaltförmiger Raum, beim Lebenden, wo sich die Speiseröhre abwärts zunehmend von der Wirbelsäule entfernt, ist er entfaltet. Wichtige

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

818 Tabelle 10.3: Pleuragrenzen Parasternal

Rechts: bis Ansatz der 6. Rippe; Links: bis Ansatz der 4./5. Rippe

Medioklavikularlinie mittlere Axillarlinie Skapularlinie Paravertebral

7. Rippe 10. Rippe 11. Rippe 12. Rippe

topografische Bezugspunkte sind in Tabelle 10.3 zusammengefasst. £ Pleurafreie Felder. Durch das Auseinanderweichen der vorderen Pleuragrenzen entstehen oben und unten hinter dem Sternum 2 dreieckige pleurafreie Felder. In der Area interpleurica superior (Trigonum thymicum, Thymusdreieck) liegt der Thymus, in der Area interpleurica inferior (Trigonum pericardiacum, Herzdreieck) der Herzbeutel der vorderen Brustwand direkt an. Letzterer kann hier ohne Eröffnung der Pleurahöhlen operativ freigelegt werden. Die Größe der Dreiecke schwankt. Bei großem Thymus (Neugeborenes, Kind) ist das Thymusdreieck groß. Die vorderen Pleuragrenzen können nach links oder rechts verschoben sein.

10.5.2.3 Gefäße und Nerven Arterien, Venen. Die arterielle und venöse Versorgung der Pleura visceralis erfolgt über die Aa. und Vv. pulmonales bzw. bronchiales. Die Pleura parietalis wird über die Gefäße der Thoraxwand (Aa. und Vv. intercostales, pericardiacophrenica, phrenica superior) versorgt (Abb. 10.31). Lymphabfluss. Aus den unter der Pleura visceralis gelegenen Regionen fließt die Lymphe in interlobäre und peribronchiale Lymphgefäße ab, parietal verlaufen die zugehörigen Lymphbahnen mit den interkostalen Gefäßen, in den diaphragmalen Bereichen auch in das Retroperitoneum. Nerven. Die Pleura parietalis ist im Gegensatz zum viszeralen Blatt sensibel innerviert. Hierbei sind die Nn. intercostales für die Pleura costalis, der N. phrenicus für die Pleura mediastinalis und diaphragmatica verantwortlich (Abb. 10.31). Die Pleura visceralis enthält zwar einige vegetative Fasern, ist aber nicht schmerzempfindlich.

10.5.2.4

Feinbau und Aufgabe

Die Pleura besteht aus 2 Schichten, der Tunica serosa und der Tunica subserosa. Tunica serosa. Sie hat eine Deckschicht aus flachen Mesothelzellen und eine bindegewebige Unterlage mit kollagenen und elastischen Fasern. Die Deckzellen sondern in den Pleuraspalt geringe Mengen einer serösen Flüssigkeit ab, die bei der Atmung das Gleiten der Pleurablätter gegeneinander ermöglicht und gleichzeitig ihre Lösung voneinander verhindert. Tunica subserosa. Sie enthält Bindegewebe mit kollagenen und elastischen Fasern und eine Schicht mit Blutkapillaren, Lymphgefäßen und staubbeladenen Histiocyten. Sie verbindet die Pleura visceralis mit der Lunge, die Pleura parietalis mit der Brustwand (als Fascia endothoracica), mit dem Zwerchfell und mit dem Perikard.

Abb. 10.36: Röntgenbild p. a., Spontanpneumothorax links, Pfeile: Lungengrenze

Klinik: 1. Bei krankhaften Prozessen kann es dazu kommen, dass sich in der Pleurahöhle Luft oder Flüssigkeit (z. B. wässrige Flüssigkeit, Blut oder Eiter) findet. Das Eindringen von Luft bezeichnet man als Pneumothorax (Abb. 10.36),

10.5 Binnenschichten der Brustwand

Flüssigkeitsansammlungen generell als Pleuraerguss. Da die beiden Brustfellhöhlen vollständig voneinander getrennt sind, finden sich derartige pathologische Prozesse zumeist nur einseitig. Jede Flüssigkeits- oder Luftansammlung im Pleuraspalt führt zu einer Einschränkung der Lungenfunktion. 2. Werden die beim Gesunden spiegelnden Flächen der Pleura durch einen Entzündungsprozess aufgeraut (Pleuritis sicca), so sind bei den Atembewegungen der Lunge Reibegeräusche zu hören. 3. Verwächst nach einer Pleuritis die Pleura parietalis mit der Pleura pulmonalis in größerer oder geringerer Ausdehnung (Pleuraschwarten), so wird die Bewegungsfähigkeit der Lungen entsprechend herabgesetzt. 4. Die Pleura ist der Hauptsitz der arbeitsmedizinisch wichtigen Mesotheliome (Asbestexposition) und von Geschwulstabsiedelungen (Pleurakarzinose).

10.5.3

Gefäße und Nerven der tiefen Schichten der Brustwand

Die Leitungsbahnen der tiefen Brustwandschichten zeigen, wie das Skelett und die Zwischenrippenmuskeln, eine segmentale Anordnung. Sie verlaufen als Aa. und Vv. intercostales posteriores und Rr. ventrales der Nn. thoracici (Nn. intercostales) bis zur vorderen Axillarlinie unter dem Schutz der Rippen im Sulcus costae (Abb. 10.30). In der Regel wird die Arterie oben von der Vene und unten vom Nerven begleitet. Arterien w Die ersten beiden Aa. intercostales posteriores

kommen aus dem Truncus costocervicalis der A. subclavia. Dieser entlässt die A. intercostalis suprema, aus der die Interkostalarterien 1 und 2 hervorgehen und vor dem Hals der beiden ersten Rippen unter der Pleura herabziehend den 1. und 2. Zwischenrippenraum versorgen. w Die Aa. intercostales posteriores 3 bis 11 und die A. subcostalis (unter der 12. Rippe) ziehen aus der Aorta rückläufig zum zugehörigen Sulcus costae (Abb. 10.31). Die rechten, längeren (Aorta links an der Wirbelsäule!) Arterien verlaufen hinter dem Oesophagus, hinter der V.

819

azygos und hinter dem rechten Truncus sympathicus, die linken Arterien sind kürzer, sie ziehen hinter der V. hemiazygos und hemiazygos accessoria und hinter dem Grenzstrang zu ihrem Zwischenrippenraum. In der Höhe des Rippenkopfes geben die Arterien einen R. dorsalis ab, der zunächst einen R. spinalis zur Versorgung von Spinalnerv, Rückenmarkshäuten, Rückenmark und Wirbeln abgibt (s. Kap. 5.3.4.2, S. 450). Anschließend teilt sich der R. dorsalis nach Abgabe von Muskelästen zur autochthonen Rückenmuskulatur in einen R. cutaneus lateralis und medialis. Der Hauptstamm der Zwischenrippenarterie verläuft weiter bis zum Angulus costae, nur von Pleura, Fascia endothoracica und Membrana intercostalis interna bedeckt, dann zwischen M. intercostalis externus und internus und weiter ventral in den M. intercostalis internus, so dass von diesem der M. intercostalis intimus abgegrenzt wird. Hier sendet die A. intercostalis posterior einen schwachen R. collateralis (supracostalis) zum oberen Rand der nächst unteren Rippe, anschließend noch einen R. cutaneus lateralis zur Muskulatur und Haut der seitlichen Rumpfwand. w Die ventralen Anteile der Interkostalräume (ICR) werden arteriell aus der A. thoracica interna (obere 6 ICR) und der A. musculophrenica, ihrem seitlichen Endast (untere ICR) versorgt. Diese entlassen meist 2 Rami intercostales anteriores in jedem Zwischenrippenraum und anastomosieren mit den Aa. intercostales posteriores und ihrem R. collateralis. Die innere Brustarterie verläuft 1 cm vom Brustbeinrand und ist hier leicht aufzufinden. In ihrer oberen Hälfte ist sie nur von Pleura bedeckt, weiter unten liegt sie zwischen den Rippen und dem M. transversus thoracis. Venen w Die Vv. intercostales posteriores verlaufen in der

Regel oberhalb der gleichnamigen Arterien im Sulcus costae. Ihre Zuflüsse erhalten sie aus dem Versorgungsgebiet der Arterien über jeweils gleichnamige Venen (R. spinalis, R. dorsalis). Zudem münden in die Interkostalvenen die Vv. intervertebrales, die den wichtigsten venösen Abfluss des Rückenmarks und der Wirbel darstellen. Die 4.–11. hintere Interkostalvene mündet rechts in die V. azygos, links in die V. hemiazygos (9.–11. Vene) bzw. hemiazygos

820

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

accesoria (4.–8. Vene). Die Vv. intercostales posteriores 2 und 3 vereinigen sich auf jeder Seite zur V. intercostalis superior und münden rechts in die V. azygos, links in die V. brachiocephalica. Der venöse Abfluss aus dem 1. Interkostalraum erfolgt über die V. intercostalis suprema in die V. brachiocephalica oder die V. vertebralis. Die Vv. intercostales posteriores anastomosieren in den Interkostalräumen mit den Vv. intercostales anteriores. w Die Vv. intercostales anteriores münden in die V. thoracica interna, die unten (bis auf Höhe der 3. Rippe) paarig, oben unpaar die gleichnamige Arterie begleitet und in die V. brachiocephalica fließt. Die Interkostalvenen bilden somit ringförmige Anastomosen zwischen den Vv. thoracicae internae und den Vv. azygos, hemiazygos und hemiazygos accessoria. Lymphgefäße Die Lymphbahnen der Pleura parietalis und der hinteren Interkostalräume verlaufen in den Zwischenrippenräumen nach dorsal zu den paravertebral vor den Rippenhälsen gelegenen Nll. intercostales. Diese erreichen direkt oder über einen Sammelgang den Ductus thoracicus. Nach ventral strömt die Lymphe zu den neben den Vasa thoracica interna gelegenen Nll. parasternales. Diese nehmen zusätzlich Lymphe aus der Brustdrüse, dem Zwerchfell, der Leber und dem Perikard auf. Von ihnen fließt die Lymphe links zum Ductus thoracicus, rechts zum Venenwinkel oder auch zu den unteren tiefen Halslymphknoten. Nerven Die Innervation der ventralen Rumpfwand erfolgt über die Rami ventrales der thorakalen Spinalnerven, Nn. intercostales. Ihr Innervationsgebiet grenzt kranial an das der Nn. supraclaviculares (aus dem Plexus cervicalis), kaudal an das des N. iliohypogastricus (aus dem Plexus lumbalis). Die Nn. intercostales verlaufen bis zum Angulus costae kaudal der Arterien zwischen M. intercostalis externus und Membrana intercostalis interna. Vom Angulus ab läuft nur der motorische Ast für den M. intercostalis externus mit den Gefäßen zwi-

schen den Mm. intercostalis internus und externus weiter. Der Hauptast (für den M. intercostalis internus und die Pleura parietalis) verläuft zunächst auf der Pleura, dann zwischen den Mm. intercostalis internus und intimus bis zum Brustbeinrand. Der 2.–6. Interkostalnerv verbleibt bis zum Sternum im jeweiligen Interkostalraum, der 7.–11. Nerv zieht weiter nach ventral abfallend über den zugeordneten Zwischenrippenraum hinaus. Die sieben unteren Interkostalnerven treten mit den gleichnamigen Gefäßen am Arcus costalis zwischen M. transversus abdominis und M. obliquus internus abdominis und versorgen die Bauchwand. Der 12. Interkostalnerv verläuft bereits kaudal der 12. Rippe (deshalb: N. subcostalis) und liegt auf dem M. quadratus lumborum. Die Interkostalnerven geben in ihrem Verlauf zunächst im Bereich der mittleren Axillarlinie Rr. cutanei laterales ab, die die Faszie des M. serratus anterior durchstoßen und sich in einen vorderen und hinteren Ast teilen (Abb. 10.31). Von diesen ziehen in den Segmenten Th4–6 Rr. mammarii laterales zur Brustdrüse und in den Segmenten Th1–3 Nn. intercostobrachiales zur Haut der medialen Oberarmseite. Am Brustbeinrand geben die Interkostalnerven Rr. cutanei anteriores durch die Brustwand an die Haut ab und in den Segmenten Th3–6 Rr. mammarii mediales zur Brust. Weitere Äste der Interkostalnerven versorgen Pleura und Peritoneum parietale sensibel. Klinik: 1. Da die Interkostalgefäße und -nerven bis zur Axillarlinie im Schutz der Rippen verlaufen, nimmt man die Punktion der Pleurahöhle am besten dorsal von dieser Linie im 5.–7. Interkostalraum am Oberrand der Rippen vor. 2. Die subpleurale Lage und der schräg absteigende Verlauf der Interkostalnerven erklären die Interkostalneuralgien und die in die Bauchwand ausstrahlenden Schmerzen bei Entzündungen der Pleura (Pleuritis). Entzündungsprozesse können in dem lockeren Gewebe zwischen den Interkostalmuskeln leicht bis zum Mediastinum vordringen.

10.6 Lunge, Pulmo

10.6

Lunge, Pulmo

In der Lunge findet die äußere Atmung statt, d. h. der Austausch von Atemgasen zwischen Blut und Atemluft. Zu diesem Zweck finden sich bei der erwachsenen Lunge insgesamt ca. 300–400 Millionen Alveolen, vergleichbar einer Respirationsfläche von etwa 140 m2. Neben diesen terminalen, direkt am Gasaustausch beteiligten Arealen finden sich in der Lunge luftleitende Strukturen. Die beiden Hauptbronchien teilen sich dichotom bis hin zur 23. Teilungsgeneration. Den Aufzweigungen kommt bis zu den Bronchioli terminales der 16. Teilungsstufe ausschließlich luftleitende Funktion zu, anschließend finden sich in den Bronchioli respiratorii der 17.–19. Generation schon vereinzelt Alveolen, die dann mit der 20. Aufteilung in die Alveolargänge übergehen. Im Gegensatz zu anderen Organen muss die Lunge erst zum Zeitpunkt der Geburt, dann aber zuverlässig, ihre Arbeit aufnehmen. Die unzureichende Funktionsaufnahme der Lunge bei der Geburt ist die häufigste Todesursache in der frühen nachgeburtlichen Phase. Bei der Öffnung des Brustkorbes kommt es normalerweise zum Kollaps der Lungen. Intraoperativ wird dieses durch die Beatmung verhindert, postmortal härtet man die Lungen durch entsprechende Fixierungsmittel. So behalten sie nach der Eröffnung der Brusthöhlen und auch nach der Herausnahme ihre Form. An ihren medialen Flächen finden sich charakteristische Furchen und Eindrücke, die ein Negativ der im Mediastinum gelegenen Gebilde darstellen. Lernziele: Entwicklung, Topografie, Aufbau, Gefäßversorgung, Vasa publica und privata, Innervation, Atmungsregulation und Atemmechanik, Feinbau

10.6.1

821

Entwicklung

In der ventralen Wand des Vorderdarmes (s. Kap. 3.5.2, S. 148) entsteht in der 4. EW eine Aussackung. Diese stellt die entodermale Grundlage des Lungendivertikels dar und wird von dem den Vorderdarm umgebenden viszeralen Mesoderm ergänzt. Das Epithel des Respirationstraktes ist entodermalen Ursprungs, Knorpel und glatte

Muskulatur mesodermal. Die zunächst offene Verbindung zum Vorderdarm wird durch das Auswachsen des Septum oesophagotracheale teilweise verschlossen, somit werden Oesophagus und Respirationstrakt kaudal der Kehlkopföffnung voneinander getrennt. Aus dem Lungendivertikel bilden sich nach Teilung durch weiteres Wachstum nach kaudal und lateral in der Mitte die Trachea und beiderseits die Lungenknospen aus. Die rechte Lungenknospe teilt sich in drei Anteile, die linke in 2, entsprechend den späteren Hauptbronchien und Lungenlappen. Die Hauptbronchien teilen sich in der Folge mehrmals dichotom, so dass auf beiden Seiten 10 tertiäre Bronchien (Grundlage der bronchopulmonalen Segmente) entstehen. Insgesamt laufen vor der Geburt etwa 17 Teilungsschritte ab, nach der Geburt noch 6. Die Bifurcatio tracheae liegt zum Zeitpunkt der Geburt etwa in Höhe des 2., beim Erwachsenen in Höhe des 4. Brustwirbels. Neue Alveolen bilden sich bis zum 10. Lebensjahr. Klinik: 1. Bei der Unterteilung von Respirationstrakt und Oesophagus durch das Septum oesophagotracheale kommt es manchmal zu Störungen. Hierbei endet der obere Oesophagusabschnitt zumeist als Blindsack, wohingegen der untere über eine Fistel Verbindung zur Trachea hat. Seltener fehlt eine Verbindung zur Trachea trotz Unterbrechung des Oesophagus, oder es findet sich bei durchgängiger Speiseröhre eine oesophagotracheale Fistel (Abb. 10.37). 2. Eine regelrechte Atmung ist erst dann möglich, wenn sich aus dem isoprismatischen Epithel der Endaufzweigungen der Bronchioli (Bronchioli respiratorii) Alveolarepithelzellen differenziert haben. Dies geschieht etwa im 7. Entwicklungsmonat, so dass von da an – was diesen Aspekt betrifft – ein Frühgeborenes Überlebenschancen hat. Es müssen sich jedoch erst noch die Alveolarepithelien vom Typ II bilden, ehe eine regelrechte Atmung möglich wird. Diese produzieren eine oberflächenaktive Substanz (Surfactant), die verhindert, dass die Alveolen in der Exspiration kollabieren. Ein durch Surfactantmangel bedingter Alveolarkollaps (Atemnotsyndrom des Neugeborenen) stellt die häufigste Todesursache bei Frühgeborenen dar. Droht eine Frühgeburt, erhalten die Schwangeren frühzeitig Gluko-

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

822

Oesophagusatresie

Trachea

Fistel

a Oesophagus

Fistel

kortikoide, die die Reifung der fetalen Lunge beschleunigen. Den Kindern kann gentechnisch hergestelltes Surfactant verabreicht werden. 3. Zum Zeitpunkt der Geburt sind die Lungen flüssigkeitsgefüllt (einerseits vom Bronchialepithel gebildet, andererseits Amnionflüssigkeit). Die Flüssigkeit wird unter der Geburt und mit dem ersten Atemzug über Mund und Nase abgegeben bzw. in die Sacculi alveolares (s. u.) gezogen und in den ersten Lebensstunden resorbiert. Bei Totgeburten unterbleibt diese Flüssigkeitsabnahme, eine Tatsache, die sich Rechtsmediziner zu Nutze machen, um zu entscheiden, ob eine Totgeburt vorliegt oder das Neugeborene erst nach der Geburt starb bzw. getötet wurde. Die schon beatmete Lunge schwimmt auf dem Wasser, die einer Totgeburt nicht (Schwimmprobe).

b

10.6.2

Fistel

c

Trachea Fistel

d

Oesophagus

Abb. 10.37: Schematische Darstellung der 4 häufigsten Arten oesophago-trachealer Fisteln. Die Pfeile zeigen die Flussrichtung des Speiseröhreninhalts an. a. Atresie des Oesophagus; b. Fistel zwischen Oesophagus und Trachea; c. Unterbrechung des Oesophagus distal einer Fistel; d. Unterbrechung des Oesophagus mit Fisteln proximal und distal nach Unterbrechung (nach Moore, K. L., T. V. N. Persaud: The developing human. 6th ed. W. B. Saunders, 1998)

Topografie

Lungenflügel. Man unterscheidet 2 Lungenflügel (Pulmo dexter et sinister). Jeder hat (grob betrachtet) die Form eines Kegels, dessen Basis dem Zwerchfell aufsitzt und dessen Spitze durch die obere Thoraxapertur in den Halsbereich hineinragt (Abb. 10.38, 39, 98). Die den Rippen zugewandte Fläche (Facies costalis) ist konvex gewölbt, die mediastinale Fläche (Facies mediastinalis) konkav. Die rechte Lunge hat wegen der Linksverlagerung des Herzens etwa 30 % mehr Volumen als die linke. Lungenspitze (Apex pulmonis). Sie ist abgerundet und liegt, bei der Atmung praktisch unverschieblich, in der Pleurakuppel (Cupula pleurae). Sie überragt die nach vorne abfallende erste Rippe ventral und ist dort 2–3 cm oberhalb der Clavicula zu perkutieren. Dorsal reicht sie nur bis zum Oberrand der 1. Rippe. Die über die erste Rippe hinwegziehende A. subclavia verursacht eine an der fixierten Lunge sichtbare, ventrokaudal der Lungenspitze liegende Rinne. Lungenbasis. Sie ruht mit ihrer konkaven Facies diaphragmatica auf dem Zwerchfell. Ihr scharfer Margo inferior weist gegen den Recessus costodiaphragmaticus (Sinus phrenicocostalis) und entfaltet ihn teilweise bei der Einatmung. Facies costalis. Die große, konvexe Facies costalis geht vorn mit dem scharfen Margo anterior (sterna-

10.6 Lunge, Pulmo

lis), hinten mit einem stumpfen Rand in die längliche Facies medialis über. Hier kann man eine Pars vertebralis, die neben der Wirbelsäule im Sulcus pulmonalis liegt, und eine Pars mediastinalis, die an das Mediastinum grenzt, unterscheiden. Facies medialis (mediastinalis). Hier treten Gefäße, Nerven und Bronchien aus dem Mediastinum in die Lunge ein. Sie bilden die Lungenwurzel (Radix pulmonis). Auch gehen an der mediastinalen Fläche die beiden Pleurablätter (Pleura visceralis und parietalis) ineinander über. Die Umschlagstelle umgreift kragenförmig die Lungenwurzel und begrenzt an der medialen Lungenfläche einen kommaförmigen pleurafreien Bezirk. Im oberen, breiten Teil des Kommas liegt die Lungenpforte (Lungenhilum, Hilum pulmonis). Der schmale Teil des Kommas erstreckt sich als gefäßfreie Pleuraduplikatur seitlich bis zum Herzbeutel und nach unten bis zum Zwerchfell (Lig. pulmonale, Plica mediastinopulmonalis). Beide Lungen zeigen ventral und kaudal vom Lungenhilum eine Impressio cardiaca. Links ist sie entsprechend der asymmetrischen Lage des Herzens wesentlich stärker ausgeprägt. Hier ist der Margo anterior zur Incisura cardiaca ausgeschnitten. Unterhalb von ihr ist der linke obere Lungenlappen zur Lingula pulmonis ausgezogen. Lungengrenzen. Sie weichen im Bereich der Reserveräume zum Teil von den Pleuragrenzen ab (Abb. 10.1, 10.33 und 10.34). Während rechts der Recessus costomediastinalis in Atemmittellage von der Lunge größtenteils ausgefüllt ist, entfernt sich links die Lungengrenze im Bereich der Incisura cardiaca stärker von der Pleurabegrenzung. Bei stärkerer Inspiration kann sich hier der Lungenrand weiter in den Recessus costomediastinalis vorschieben. Die kaudalen Lungenabschnitte liegen in der Atemmittellage etwa 2 Rippen höher als die Pleuragrenzen. Bei maximaler Inspiration schieben sich die Lungen dann um etwa die Breite eines Interkostalraumes in die Reserveräume. Die unteren Lungenränder beginnen rechts in der Sternal-, links in der Parasternallinie in Höhe des 6. Rippenknorpels, kreuzen in der Axillarlinie die 8., in der Skapularlinie die 10. und in der Paravertebrallinie die 11. Rippe. Dorsal reicht der linke untere Lungenrand etwas tiefer herab als der rechte.

823

Die Lungengrenzen stehen bei Kindern in der Regel etwas höher, bei älteren Menschen (u. a. durch die Ptosis des Zwerchfells) etwas tiefer. Lage zu den Bauchorganen. Diese ist rechts und links unterschiedlich und von praktischem Interesse. Je nach Atemlage schiebt sich rechts der untere Lungenrand verschieden weit über den rechten Leberlappen; bei maximaler Inspiration erreicht der Lungenrand den oberen Nierenpol; der Recessus costodiaphragmaticus liegt sogar hinter dem oberen Drittel der Niere. Penetrierende Verletzungen können somit gleichzeitig Lunge, Leber und Niere betreffen. Links wird je nach Atmungsphase die Milz zur Hälfte bis zu zwei Dritteln von Lunge überlagert. Die Beziehungen zur Niere sind enger als rechts, weil die linke Niere höher steht. Die den oberen Nierenpolen angelagerten Nebennieren sind dorsal ebenfalls von Lungenrändern überlagert. Der Magen liegt je nach Füllungszustand mit seinem Fundus verschieden hoch in der linken Zwerchfellkuppel.

10.6.2.1

Topografie der Lungenpforte, Lungenhilum, Hilum pulmonis

In beiden Lungenpforten liegen der Bronchus dorsal, die Vv. pulmonales ventral und kaudal (Abb. 10.38, 39). In der Lage der A. pulmonalis bestehen dagegen Seitenunterschiede (hyp- bzw. eparterielle Lage der Bronchien). Die linke A. pulmonalis sitzt dem Hauptbronchus zumeist kranial auf (hyparterieller Bronchus). Die rechte Lungenarterie liegt dagegen entweder vor dem Hauptbronchus oder, wenn sich dieser bereits geteilt hat, zwischen dem Oberlappenbronchus und dem Bronchus für den Mittel- und Unterlappen. Im letzteren Fall hat der Oberlappenbronchus eine eparterielle Lage. Der asymmetrische Abgang der Oberlappenbronchien findet in der Lage der großen Gefäße seine Erklärung. Der Aortenbogen verläuft über die Bifurcatio tracheae und über den linken Bronchus. Die anschließende Aorta thoracica zieht dorsal vom linken Bronchus abwärts. Neben Bronchien und Pulmonalgefäßen treten am Lungenhilum noch die Rr. bronchiales der Aorta, die Vv. bronchiales, Lymphgefäße und Nerven (Rr. bronchiales des N. vagus, Sympathikusäste) ein.

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

824

Apex pulmonis

[Sulcus a. subclaviae]

[Sulcus v. cavae superioris]

[Sulcus v.azygos]

Fissura obliqua A. pulmonalis Margo anterior Lobus superior Facies medialis

Fissura horizontalis

Bronchus principalis dexter

Ramus bronchialis, V. bronchialis Nodus lymphaticus bronchopulmonalis

Vv. pulmonales

Lobus medius Lig. pulmonale [Plica mediastinopulmonalis] Facies costalis Lobus inferior [Impressio vertebralis] Facies diaphragmatica, Basis pulmonis Margo inferior

Abb. 10.38: Rechte Lunge (in situ fixiert) von medial

10.6.3

Lungenlappen, Lobi pulmonis

Die Lungen sind durch tiefe, bis in Hilumnähe reichende Verschiebespalten (Fissurae pulmonis) in Lappen (Lobi pulmonis) unterteilt. Die Fissuren werden von der Pleura visceralis ausgekleidet. Sie ermöglichen die gegenseitige Verschiebung der Lungenlappen während der Atmung. Über die Fissuren ist ein operativer Zugang zu den Bronchien ohne Verletzung des Lungenparenchyms möglich. Nach Entzündungen der Pleura (z. B. im Rahmen einer

Lungenentzündung) können die Verschiebespalten verkleben und die Bewegungen der Lunge beeinträchtigt werden. Lungenlappen. Normalerweise besteht die rechte Lunge aus 3, die linke aus 2 Lappen. Beide Lungen haben einen Ober- und einen Unterlappen, die durch eine schräg verlaufende Verschiebespalte (Fissura obliqua) getrennt sind. An der rechten Lunge wird durch eine horizontale Spalte (Fissura horizontalis) vom Oberlappen noch ein Mittellappen abgetrennt.

10.6 Lunge, Pulmo

825 Apex pulmonis

[Sulcus a. subclaviae]

Fissura obliqua Facies costalis [Sulcus aorticus] Lobus superior

A. pulmonalis Nodus lymphaticus bronchopulmonalis

Margo anterior

Bronchus Vv. pulmonales Lig. pulmonale [Plica mediastinopulmonalis]

Facies medialis Impressio cardiaca

Lobus inferior Incisura cardiaca

Fissura obliqua Margo inferior Lingula Basis pulmonis (Facies diaphragmatica)

Abb. 10.39: Linke Lunge (in situ fixiert) von medial

Fissuren 1. Fissura obliqua. Beiderseits verläuft sie von dorsokranial nach ventrokaudal schräg über die Facies costalis und über die Facies medialis (Abb. 10.33, 34). Sie beginnt in Höhe des 3. Brustwirbeldorns oder in der Interspinallinie (Verbindung der Spinae scapulae bei herabhängenden Armen), verläuft von hier im Bogen kaudal-ventralwärts. Rechts erreicht sie etwa an der Knorpelknochengrenze der 6. Rippe den unteren Lungenrand. Zwischen ihr und der Incisura cardiaca erreicht noch ein zungenförmiger Fortsatz des linken Oberlappens, die Lingula pul-

monis, das Zwerchfell. Die Lungenspitze und ein kleinerer vorderer Anteil der Facies diaphragmatica gehören somit zum Oberlappen, der größere hintere Anteil der Zwerchfellfläche zum Unterlappen. Die Fissura obliqua reicht an der linken Lunge weiter nach vorn als an der rechten. 2. Die Fissura horizontalis trennt an der rechten Lunge vom Oberlappen den Mittellappen ab. Sie verläuft etwa parallel der 4. Rippe. Der keilförmige Mittellappen liegt im wesentlichen ventral und endet, nach dorsal spitz auslaufend, etwa in der Axillarlinie. Die Zugehörigkeit zum oberen Lappen

826

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

drückt sich durch eine häufig unvollständige Fissura horizontalis aus. Akzessorische Lungenlappen kommen rechts und links vor. Sie sind in der Regel bedingt durch die individuelle Aufzweigung des Bronchialbaumes und werden durch zusätzliche Fissuren abgegrenzt. Lediglich der „Lobus v. azygos“ hat eine andere Genese. Die V. azygos, die regulär über den rechten Bronchus zur V. cava superior zieht, kann abnormerweise in einer Pleurafalte verlaufen, die in den rechten Oberlappen verschieden tief einschneidet und je nach ihrer Lage einen unterschiedlich großen Lappen bis hin zur ganzen Lungenspitze abtrennt. Die zusätzliche Spalte zeigt sich im Röntgenbild als feine Linie von oben nach unten medial (Abb. 10.40).

An der Teilungsstelle (Bifurcatio tracheae) springt ein Teilungssporn kielartig von kaudal gegen das Lumen vor (Carina tracheae). Der Bronchus principalis dexter ist kürzer und weiter als der linke. Außerdem steht er steiler und setzt nahezu die Richtung der Luftröhre fort. Da zudem die Carina tracheae etwas links der Mitte liegt, gelangen eingeatmete Fremdkörper leichter in den rechten Hauptbronchus als in den linken. Die weitere Aufteilung der Hauptbronchien in Lappenbronchien (Bronchi lobares) führt zunächst zur Ausprägung der Lungenlappen. Auf der rechten Seite finden sich ein Bronchus lobaris superior, medius und inferior, links ein Bronchus lobaris superior und inferior. In weiteren Teilungsschritten verzweigen sich die Lappenbronchien dann zu Segmentbronchien. Die Segmentbronchien versorgen keilförmige, wechselnd große und verschieden gestaltete Lungengebiete, die als bronchopulmonale Segmente bezeichnet werden. Ihre Basis liegt an der Lungenoberfläche, ihre Spitze ist gegen das Lungenhilum gerichtet.

Abb. 10.40: Röntgenbild p. a., Lobus venae azygos, Markierung durch Pfeile

10.6.4

Bronchialbaum, Arbor bronchialis und Lungensegmente, Segmenta bronchopulmonalia (Abb. 10.41–43)

Die Luftröhre (Trachea) teilt sich vor dem 4. Brustwirbelkörper in die beiden Hauptbronchien (Bronchus principalis dexter und sinister).

Die Segmente werden durch etwas stärkere Bindegewebssepten, die man im allgemeinen auf der Lungenoberfläche nicht erkennen kann, unvollständig getrennt. In diesen Septen verlaufen die zugehörigen Venen. Diese liegen mithin intersegmental und beziehen ihr Blut aus benachbarten Segmenten. Ebenso teilen sich benachbarte Segmente das lymphatische Abflusssystem. Die Segmentarterien verlaufen mit den zugehörigen Segmentbronchien im allgemeinen im Zentrum des Segmentes. Ihre Äste können aber auf benachbarte Segmente übergreifen. Streng genommen sind die Segmente nur bronchiale Baueinheiten der Lunge. Die Segmentanatomie hat für die Diagnostik und Therapie verschiedener Lungenerkrankungen große Bedeutung. Sowohl zur rechten als auch zur linken Lunge rechnet man 10 Segmente. Häufig findet allerdings das Segmentum basale mediale der rechten Lunge links keine Entsprechung, so dass dann links nur 9 Segmente vorhanden sind. Im klinischen Sprachgebrauch hat sich neben den vollständigen Bezeichnungen der Segmente eine Nummerierung durchgesetzt, die beiderseits von 1–10 geht, wobei

10.6 Lunge, Pulmo

827

1

1 2

3 4

5

10

6

4 5

5

8

2

3 4

5

4

8

1

3

3

6

9

1

8

9

8

10

A

A 1

1

2

3

3

1

2 6

3 7

5

10 10

9

8

7

9 10

C

4 3 4

8

10

10 1

6

9

10

8

10

9

10

8

B

2

5 6

8 9

5

1

2

4 5

7

5

6

B

8

6

5

9

7

1

2

6

4

8

2

10

8

9 8

9 10

C

Abb. 10.41: Schematische Darstellung der Lungensegmente. Links = rechte Lunge; rechts = linke Lunge; in der Mitte von oben nach unten: Ansicht von vorn, Bronchialbaum mit Segmentbronchien, Ansicht von hinten. Die bei der Bronchoskopie sichtbaren Abgänge der Lappen- und Segmentbronchien sind auf dem Bronchialbaum eingezeichnet. A Facies costalis, B Facies medialis, C Facies diaphragmatica der Lungen. Internationale Nomenklatur der Lungensegmente (London 1949) (nach Zenker, Heberer, Löhr 1954) Lungensegmente s. Tab. 10.4, S. 830

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

828

11

1

2

15

14

13

3

12

4

16

5

17

8 10

18

C

19

Abb. 10.42: Bronchogramm der rechten Lunge (p. a.-Aufnahme des Instituts für Radiologie der Charité Berlin) 1–10 11 12 13 14 15

Segmentbronchien (der 7. fehlt) Katheter in der Trachea Bifurcatio tracheae Bronchus principalis sinister (beatment, hell) Bronchus principalis dexter (mit Kontrastmittel gefüllt, dunkel) Bronchus lobaris superior dexter

das häufig fehlende basal-mediale Segment die Nummer 7 trägt, die dann übergangen wird. In der linken Lunge finden sich im Oberlappen 5 Segmente, die der Summe der Segmente des Oberlappens (3) und des Mittellappens (2) der rechten Lunge entsprechen. Im Unterlappen beider Lungen finden sich grundsätzlich 5 Segmente, wobei in der linken Lunge oft nur 4 Segmente ausgeprägt sind. Die lateinischen Fachtermini der Segmentbronchien und Lungensegmente entsprechen sich.

16 Zwischenbronchus der Röntgenologen 17 Bronchus lobaris inferior dexter 18 rechte Zwerchfellkuppel 19 Recessus diaphragmatico mediastinalis C Cor vor der Wirbelsäule Der Bronchus lobaris medius dexter ist in der Aufnahme verdeckt

Nach dem Eintritt in das Lungenhilum gibt der rechte Hauptbronchus den Oberlappenbronchus (Bronchus lobaris superior dexter) ab. Dieser teilt sich in 3 Segmentbronchien (Bronchus segmentalis apicalis, posterior und anterior). Der Hauptbronchus verläuft weiterhin dorsokaudal bis zur Basis der Lunge. Ventral gibt er den Mittellappenbronchus (Bronchus lobaris medius dexter) ab, der sich in 2 Segmentbronchien (Bronchus segmentalis lateralis und medialis) aufgliedert. Der Unterlap-

10.6 Lunge, Pulmo

829

11

16

1

12

2 3

13 4

5 6 15 17 8

10 9

Abb. 10.43: Bronchogramm der linken Lunge (p. a.-Aufnahme des Instituts für Radiologie der Charité Berlin) 1–10 Segmentbronchien (der 7. fehlt) 14 Bronchus lobaris superior sinister 11 Katheter in der Trachea 15 Bronchus lobaris inferior sinister 12 Bronchus principalis dexter (beatmet, hell) 16 Arcus aortae 13 Bronchus principalis sinister 17 Cor

penbronchus (Bronchus lobaris inferior dexter) verläuft im Zentrum des Unterlappens weiter und gibt 5 Segmentbronchien (Bronchus segmentalis apicalis, basalis medialis, basalis anterior, basalis lateralis und basalis posterior) ab. Die Lappenbronchien haben einen Durchmesser von 8–12 mm.

Der Bronchus principalis sinister ist enger und länger als der rechte; bis zur Abgabe des Oberlappenbronchus weicht er etwa 60° von der Längsachse der Trachea ab. Er wendet sich dann stärker kaudalwärts und hat die gleiche zentrale Lage im Unterlappen wie der rechte. Der linke Oberlappenbronchus (Bronchus lobaris superior sinister)

830

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

teilt sich in einen kurzen oberen und unteren Ast. Der obere Ast teilt sich in 3 Segmentbronchien: Bronchus segmentalis apicoposterior (zur Versorgung von 2 Segmenten) und anterior. Der untere Ast gabelt sich in 2 Segmentbronchien (Bronchus lingularis superior und inferior). Der linke Unterlappenbronchus (Bronchus lobaris inferior sinister) unterscheidet sich vom rechten durch das häufige Fehlen eines Segmentbronchus (rechts zur Versorgung des Segmentum basale mediale, welches links meist fehlt). Er teilt sich in der Regel in 4 Segmentbronchien (Bronchus segmentalis apicalis, basalis anterior, basalis lateralis und basalis posterior). Eine Übersicht über die Lungensegmente gibt Tabelle 10.4. Tabelle 10.4: Übersicht über die Lungensegmente Rechte Lunge

Linke Lunge

Nr.

Oberlappen Segmentum apicale Segmentum posterius Segmentum anterius

Segmentum apicoposterius Segmentum anterius

1 2 3

Mittellappen Segmentum laterale Segmentum mediale

Segmentum lingulare superius Segmentum lingulare inferius

4 3

Segmentum apicale superius (Segmentum basale mediale) Segmentum basale anterius Segmentum basale laterale Segmentum basale posterius

6 7 8 9 10

Unterlappen Segmentum apicale superius Segmentum basale mediale Segmentum basale anterius Segmentum basale laterale Segmentum basale posterius

Die Segmentbronchien verzweigen sich in 6–12 Teilungsschritten in immer kleinere Bronchien. Der Durchmesser nimmt dabei auf bis zu 1 mm ab. Das Fehlen von Knorpel ist ein Charakteristikum der nächstfolgenden Teilungsschritte. Man spricht nun von Bronchioli. Diese teilen sich schließlich in Bronchioli terminales, von denen die letzten Teilungsschritte des Bronchialbaumes ausgehen: über Bronchioli respiratorii entstehen die Ductuli alveolares, die aus den Alveolen als kleinste respiratorische Einheit zusammengesetzt sind. Sie haben beim erwachsenen Menschen einen Durchmesser von 0,1–0,2 mm in der Exspiration und 0,3–0,5 mm in der Inspiration. Etwa 200 Alveolen gehören zu einem Bronchiolus terminalis und werden gemeinsam als Acinus bezeichnet. Das Versorgungsgebiet eines Bronchi-

olus wird auch als Lungenläppchen bezeichnet und besteht somit aus mehreren (12–18) solcher Acini.

10.6.5

Lungenläppchen, Lobuli pulmonales (Abb. 10.44)

Die Lungenläppchen werden unvollständig von Bindegewebssepten begrenzt und sind an weiten Teilen der Lungenoberfläche als netzförmige Zeichnung zu erkennen (Abb. 10.39). Die Größe der Lungenläppchen ist in den einzelnen Lungenabschnitten sehr unterschiedlich. Ihre Seitenlänge schwankt zwischen 0,5 und 3 cm. Im Hilumbereich und den dorsalen Bereichen der Pulmonallappen fehlt die Felderung der Oberfläche häufig. Bei Erwachsenen sind die begrenzenden Septen durch Partikelablagerungen (z. B. Ruß) meistens mehr oder minder dunkel getönt. In diesen Septen verlaufen ähnlich den Lungensegmenten die zugehörigen Venen, die das Blut aus benachbarten Läppchen und von der Pleura aufnehmen. Das lockere Bindegewebe der Interlobulärsepten ermöglicht bei der Atmung das Verschieben der Läppchen gegeneinander. Im Zentrum der Läppchen verzweigen sich der Bronchiolus und die begleitende Arterie dichotomisch.

10.6.6

Gefäße der Lunge

Die Lunge steht mit 2 verschiedenen Gefäßsystemen in Verbindung: Die Vasa publica (Aa. und Vv. pulmonales) dienen dem Gasaustausch des ganzen Körpers. Die Vasa privata (Aa. und Vv. bronchiales) sind für die Versorgung der Lunge selbst verantwortlich (s. Kap. 2.3.4.2, S. 70).

10.6.6.1

Vasa publica

Die A. pulmonalis führt sauerstoffarmes Blut aus der rechten Herzkammer in die Lungen. Ihr Kapillargebiet liegt den feinsten Endverzweigungen des luftführenden Gangsystems, den Alveolen oder Lungenbläschen, unmittelbar an. Die äußere Atmung, der Gasaustausch zwischen Blut und Luft, ist damit sehr erleichtert. Die Vv. pulmonales leiten das arterialisierte (sauerstoffreiche) Blut in den linken Vorhof. Von hier gelangt es über die linke Kammer, Aorta und Arterien zu den Organen, wo die innere Atmung, der Gasaustausch zwischen Blut und Gewebe, erfolgt.

10.6 Lunge, Pulmo

831

Pleura pulmonalis

Bronchioli

Septum interlobulare mit V. interlobularis

Vene Tunica fibroelastica Bronchus Arterie

Abb. 10.44: Schema zur Läppchengliederung der Lunge. Arterien rot, Venen blau

w Lungenarterien, Aa. pulmonales. Aus der

rechten Herzkammer geht der Truncus pulmonalis hervor und teilt sich kaudal der Bifurcatio tracheae in die rechte und linke Lungenarterie (A. pulmonalis dextra und sinistra). Beide teilen sich wieder in eine Oberlappen- und eine Unterlappenarterie, welche die Segmentarterien abgeben. Diese verlaufen mit den Segmentbronchien zu den Lungensegmenten. Der Truncus pulmonalis liegt innerhalb des Herzbeutels. Nach der Teilung steigt die A. pulmonalis sinistra im Bogen nach dorsal und links auf, verläuft über den Oberlappenbronchus, gibt die oberen Segmentarterien ab und zieht dann lateral vom Stammbronchus abwärts (Abb. 10.45). Die A. pulmonalis dextra zieht unter dem Aortenbogen nahezu transversal nach rechts, überkreuzt unterhalb des Oberlappenbronchus den Stammbronchus und steigt an seiner lateralen Seite abwärts. Die Segmentarterien haben beiderseits die gleiche charakteristische Lage zu den Segmentbronchien, die aufsteigenden liegen medial, die horizontalen oberhalb, die absteigenden lateral des zugehörigen Segmentbronchus.

w Lungenvenen, Vv. pulmonales. Gewöhnlich

münden rechts und links je 2 Lungenvenen (V. pulmonalis superior und inferior) in den linken Vorhof. Die Vv. pulmonalis superior dextra und sinistra nehmen meist das Blut aus dem Ober-(Mittel-)lappen, die Vv. pulmonalis inferior dextra und sinistra aus dem Unterlappen auf. Im Lungenhilum liegt die obere Vene ventral bzw. ventrokaudal vom Bronchus, die untere Vene kaudal bzw. dorsokaudal von diesem. Die Äste der Venen verlaufen nur eine kurze Strecke mit den Bronchien und Arterien gemeinsam und erhalten bald eine intersegmentale Lage.

10.6.6.2

Vasa privata

w Rr. u. Vv. bronchiales. Diese sichern die Ernäh-

rung der Bronchien, der Wände der großen Gefäße, der pulmonalen Lymphknoten und zum Teil der Pleura visceralis. Die Rr. bronchiales entspringen links (meist 2) aus der Brustaorta, rechts (meist eine, die sich gabelt) aus der 3. oder 4. Interkostalarterie. Diese Arterien gehören zum muskulären Bautyp und zeigen, da

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

832

A. carotis communis dextra

Trachea A. carotis communis sinistra A. subclavia sinistra

A. subclavia dextra Truncus brachiocephalicus

Arcus aortae A. pulmonalis sinistra

A. pulmonalis dextra

Aorta ascendens

Bronchus principalis sinister Truncus pulmonalis

Bronchus lobaris inferior dexter

Aorta thoracica

Abb. 10.45: Topografie der Trachea, Bronchi principales, Aorta, Aa. pulmonales und des Truncus pulmonalis

in ihnen der Blutdruck des großen Kreislaufs herrscht, eine relativ dicke Tunica media. w Die Vv. bronchiales der peripheren Lungengebiete münden in die Lungenvenen, die zentralen, in Hilumnähe entstehenden in die V. azygos und hemiazygos. w Verbindungen. Zwischen den Bronchial- und den Pulmonalarterien bestehen Verbindungen im Bereich des Kapillarbettes der Bronchioli respiratorii. Auch in der Wand der größeren Luftwege kommen arterielle Anastomosen vor, die aber unter physiologischen Verhältnissen geschlossen sind (Sperrarterien). Diese Sperrarterien besitzen eine dünne äußere Ringmuskelschicht und eine dicke Längsmuskelschicht mit ausgedehnten elastischen Fasernetzen. Erst wenn es zu einer Einschränkung oder Unterbrechung des Blutflusses in einem der beiden arteriellen Systeme kommt (z. B. Lungenembolie), werden die Anastomosen geöffnet.

10.6.6.3

Lymphgefäße

w Ein oberflächliches weitmaschiges, subpleura-

les Lymphgefäßnetz steht mit dem Lymphgefäßnetz der Interlobularsepten in Verbindung. Beide nehmen die Lymphe aus der Peripherie des Läppchens auf.

w Die Lymphe aus dem Zentrum des Läppchens

tritt in blind endende periarterielle Lymphgefäße über. Diese tiefen Lymphgefäße gehen hilumwärts in ein peribronchiales Netzwerk über, das durch große Lymphgefäße das Hilum verlässt. Die kleinen Nll. pulmonales liegen an den Abgängen der Segmentbronchien, die größeren Nll. bronchopulmonales an den Abgängen der Lappenbronchien (Abb. 10.46). w Weitere Stationen finden sich in der Umgebung der Bifurcatio tracheae: Die Nll. tracheobronchiales inferiores liegen in der Gabelung der beiden Hauptbronchien (unterhalb der Carina), die Nll. tracheobronchiales superiores oberhalb der Hauptbronchien (im stumpfen Winkel zwischen Trachea und Bronchien) Zu beiden Seiten der Luftröhre schließen sich Nll. tracheales an. Links findet man noch einen Lymphknoten in der Nähe des Lig. arteriosum (Botalli). w Weitere Lymphknotenstationen liegen unter dem Arcus aortae und am unteren Anteil der V. jugularis interna (Nll. cervicales profundi). Letztere werden wegen ihrer Lage am M. scalenus anterior auch als Skalenuslymphknoten bezeichnet. Schließlich fließt die Lymphe durch die Trunci bronchomediastinales dexter und sinister (Lymphe aus dem Mediastinum) direkt oder über den Ductus thoracicus und den Ductus lymphaticus dexter in den linken bzw. den rechten Venenwinkel.

10.6 Lunge, Pulmo

833

Truncus bronchomediastinalis dexter

Trachea

Truncus bronchomediastinalis sinister Nll. tracheales sinistri

Nll. tracheales dextri

Arcus aortae

V. azygos

Nll. tracheobronchiales superiores

Bronchus principalis dexter

Lig. arteriosum A. pulmonalis sinistra

Lobus superior

Lobus superior Nll. bronchopulmonales Lobus medius

Nll. pulmonales

Lobus inferior

Lobus inferior

Nll. tracheobronchiales inferiores Nl. mediastinalis

Nl. mediastinalis

Abb. 10.46: Lymphabfluss aus den verschiedenen Lungenbereichen

10.6.7

Nerven

Trachea, Bronchien und Lungen werden vegetativ innerviert. Hierbei sind afferente Fasern, die mit dem N. vagus ziehen, und efferente sympathische und parasympathische Fasern zu unterscheiden. Schmerzempfindliche Fasern fehlen den Lungen.

10.6.7.1

Afferente Fasern

w Afferenzen aus der Lunge und dem Bronchi-

alsystem beinhalten u. a. Informationen aus Dehnungsrezeptoren der Alveolen und Irritationsrezeptoren aus den Bronchien und Bronchioli. Die afferenten Fasern gelangen über den Plexus pulmonalis (die Fasern werden hier nicht umgeschaltet) zum N. vagus. Der Plexus pulmonalis liegt hauptsächlich im Hilumbereich hinter dem Bronchus (Plexus pulmonalis posterior) mit einem schwächeren ventral gelegenen Anteil (Plexus pulmonalis anterior). w Im weiteren Sinne mit der Respiration zusammenhängende Afferenzen ziehen von den

Pressorezeptoren des Sinus caroticus und den Chemorezeptoren des Glomus caroticum über den N. glossopharyngeus, von Chemorezeptoren im Glomus aorticum und Chemorezeptoren im Aortenbogen über den N. vagus. Diesem schließen sich auch Afferenzen aus Husten- und Irritationsrezeptoren aus Larynx und Trachea an.

10.6.7.2

Efferente sympathische Fasern

Eine Sympathikusaktivierung führt an den Bronchien und Bronchiolen zur Erschlaffung der glatten Muskulatur und somit zu einer Weitstellung der luftleitenden Abschnitte, kombiniert mit einer Verengung der Gefäße und Hemmung der Drüsensekretion. Die Übertragung erfolgt adrenerg. Präganglionäre sympathische Fasern kommen aus den Rückenmarksegmenten Th1–Th5 (6). Diese werden in den oberen thorakalen Ganglien des Truncus sympathicus (Grenzstrang) umgeschaltet. Die postganglionären Fasern ziehen durch den Plexus pulmonalis zur Trachea, zu den Bronchien und Bronchiolen.

834

10.6.7.3

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Efferente (parasympathische) Vagusfasern

Die Funktion der efferenten Vagusfasern ist antagonistisch zur Sympathikusaktivierung: Es kommt zur Verengung der luftleitenden Abschnitte, zur Vasodilatation und zur Drüsenaktivierung. Die Überträgersubstanz ist Acetylcholin (cholinerge Steuerung). Im Gegensatz zum Sympathicus nehmen die parasympathischen Vagusfasern einen langen präganglionären Weg, um erst in unmittelbarer Nähe der Trachea, Bronchien und Bronchiolen auf ihre postganglionäre Verlaufsstrecke umgeschaltet zu werden.

10.6.8

Atemregulation

Die Regulation der Ventilation erfolgt über periphere und zentrale Chemorezeptoren. Zentren £ Periphere Chemorezeptoren werden oft auch

als arterielle bezeichnet und finden sich zum einen beiderseits an der Gabelung der A. carotis communis in die Aa. carotis externa und interna (Glomus caroticum), zum anderen in Paraganglien am Aortenbogen und der A. subclavia dextra (Glomera aortica). Die Glomera carotidea werden über den N. glossopharyngeus, die aortalen Paraganglien vom N. vagus (über den N. laryngeus superior) innerviert. Die Rezeptoren reagieren sowohl auf eine Erhöhung des arteriellen CO2- (PaCO2) als auch auf eine Erniedrigung des arteriellen O2-Partialdruckes (PaO2), sowie eine Erhöhung der arteriellen Protonenkonzentration [H+] mit einer Aktivierung in den afferenten Nervenfasern, die in die Medulla oblongata weitergeleitet wird. £ Zentrale Chemorezeptoren im Hirnstamm reagieren bevorzugt auf eine Erhöhung des PaCO2 und der [H+]. Aufgrund der hohen Diffusionsrate von CO2 kommt es schnell nach einer Erhöhung des PaCO2 zu einer Erhöhung des extrazellulären PCO2 und der [H+]. £ Respiratorisches Netzwerk. Es ist in der Medulla oblongata lokalisiert. Als eigentliches „Atemzentrum“ gilt der „Prä-Bötzinger-Komplex“, eine besondere Region innerhalb der „ventralen respiratorischen Gruppe“, die sich entlang des Nucleus ambiguus erstreckt. Der

hier generierte Atemrhythmus läuft in Ruhe autonom mit einer Frequenz von etwa 10–20 Atemzügen pro Minute ab. Prinzipiell lassen sich hierbei 3 Atemphasen unterscheiden: Aktionsphasen • In der Inspirationsphase kommt es zur Einatmung durch Kontraktion des Zwerchfells und der übrigen inspiratorisch wirkenden Atemmuskeln. • In der Postinspirationsphase lässt die Aktivität der Inspirationsmuskeln nach und die Ausatmung beginnt als passiver Vorgang. • In der aktiven Exspirationsphase werden die exspiratorisch wirkenden Atemmuskeln aktiviert. Unter Ruhebedingungen entfällt diese Aktivierung zum größten Teil. Für jede dieser Atemphasen lassen sich in der Medulla einzelne Neuronengruppen unterscheiden, die dem primären Netzwerk nachgeschaltet sind. Afferenzen aus dem Respirationstrakt und dem Herz-Kreislauf-System beinflussen die Atmung über Interneurone der „Dorsalen respiratorischen Gruppe“ (ventraler Bereich des Nucleus tractus solitarius).

10.6.9

Atmungsbewegung und Verformung der Lunge

• Atemzugvolumen, AZV. Da mit einem Atemzug etwa 0,5 Liter geatmet werden, errechnet sich aus dem Produkt von Atemfrequenz und AZV ein Atemminutenvolumen (auch Atemzeitvolumen) von etwa 7 l/Min. in Ruhe. Dieses kann unter Belastung bis auf 120 l erhöht werden. Nach tiefster Einatmung kann man 3,5–6 l Luft ausatmen (Vitalkapazität). Diese maximale Atemtiefe wird auch unter hoher Belastung nicht voll ausgenutzt. Nach tiefster Ausatmung verbleiben noch etwa 1,5 l Residualvolumen in der Lunge, nach normaler Ausatmung noch etwa 3 l. Dieses Volumen wird auch als funktionelle Residualkapazität bezeichnet. Es hat die Funktion, ein in den verschiedenen Phasen der Atmung annähernd gleichbleibendes Mischungsverhältnis der Alveolarluft zu gewährleisten. Die angegebenen Werte sind nur Anhaltspunkte, da verschiedene Faktoren (z. B. Geschlecht, Alter, Körpergröße, Trainingszustand) einen großen Einfluss haben.

10.6 Lunge, Pulmo

• Vergrößerung und Verformung der Lunge. Sie ist bei der ruhigen Atmung nur gering, bei maximaler Einatmung sehr stark. Die Lunge folgt bei der Ein- und Ausatmung elastisch der Brustwand und dem Zwerchfell. Dabei stellt die Lungenspitze den ruhigsten Abschnitt dar. Die Hebung des 1. Rippenringes gibt ihr eine Entfaltungsmöglichkeit nach vorn. Auch die folgenden Rippenringe entfalten die Lunge bei der Einatmung nach vorn und etwas nach unten, weniger zur Seite. Der Oberlappen bewegt sich somit nach vorn, medial und unten, wobei er eine Art Drehung durchführt. Nach kaudal werden die Schraubenwindungen steiler, so dass sich die seitlichen und hinteren Abschnitte des Unterlappens entsprechend dem kostodiaphragmalen Atemmechanismus vorwiegend kaudalund seitwärts ausdehnen. • Bronchien. Bei der geschilderten Entfaltung der Lunge werden die Bronchien wie die Stäbe eines Fächers gespreizt, wobei das zwischen ihnen gelegene Lungengewebe gedehnt wird. Gleichzeitig werden die Bronchien länger und weiter, was das Einströmen der Luft erleichtert. Die Verengung der Bronchien bei der Ausatmung ergibt durch eine Erhöhung des Strömungswiderstandes eine Druckerhöhung in den Alveolen. Diese bremst die Exspiration weich ab. Die passive Weiter- und Engerstellung wird durch die glatte, vegetativ innervierte Bronchialmuskulatur fein reguliert. Die Spreizung der Bronchien bei stärkerer Einatmung bedingt, dass die Entfaltung der Lunge zentral, d. h. hilumwärts, nur gering ist, peripheriewärts dagegen ständig zunimmt. Bei der inspiratorischen Dehnung der peripheren Lungenanteile verschiebt sich zwangsläufig die Pleura visceralis gegen die Pleura parietalis. Die Verschiebung ist an der Lungenspitze und am Lungenhilum gering, nimmt an der Facies costalis von oben nach unten zu. Obwohl das Lungenhilum bei ruhiger Atmung relativ feststeht, kann es sich bei starker Zwerchfellkontraktion um etwa eine Wirbelkörperhöhe senken. • Verschiebungen. Auch an den Facies interlobares kommt es zu Verschiebungen. Diese Verschiebungen ergeben sich aus der geschilderten Tatsache, dass sich der Oberlappen vorwiegend nach ventral und kaudal, der Unterlappen stärker nach kaudal ausdehnt. Die Spalten verhindern mithin das Auftreten von Spannungen zwischen

835

Ober- und Unterlappen. Verklebungen der Fissurae pulmonis schränken die Verschiebung der Lungen ein.

10.6.10

Feinbau der Lunge

Bronchialbaum Bestandteile. Die Bronchi principales zeigen den gleichen Aufbau wie die Luftröhre; sie haben nur einen kleineren Durchmesser. Hufeisenförmige Knorpelspangen stützen die Vorder- und Seitenwand, die knorpelfreie Hinterwand (Paries membranaceus) wird durch Muskelfaserbündel gebildet, die an den Enden der Knorpelspangen inserieren (Abb. 10.47). Die Bronchi lobares und segmentales sowie die sich weiter dichotomisch teilenden kleineren Bronchien besitzen als Stütze eine Tunica fibrocartilaginea, die vormals hufeisenförmigen Knorpelspangen sind nunmehr unregelmäßig ringförmig in der Wand angeordnet. Die unregelmäßig gestalteten Knorpelstücke sind in den größeren Bronchien hyalin und werden in den kleineren immer mehr durch elastischen Knorpel ersetzt. Die Muskulatur liegt der Tunica fibrocartilaginea lumenwärts auf und kann das Lumen verengen bzw. schließen. Mit abnehmendem Lumen des Bronchialbaumes wird die Muskelschicht relativ stärker. Die Bronchioli liegen bereits im Lobulus. Knorpeleinlagerungen fehlen hier, und auf der Tunica fibroelastica finden sich schraubenförmig verlaufende glatte Muskelzellen. Da ihnen die knorpelige Stütze fehlt, sind sie so in das elastische System des Läppchens eingebaut, dass sie nicht kollabieren. Histologie £ In der Tunica mucosa des Bronchialbaumes

finden sich bis hinab zu den kleinsten Bronchioli respiratorii Flimmerzellen (Abb. 10.48). Weitere Elemente des respiratorischen Epithels sind die nachwachsenden Basal- und Intermediärzellen, Kulschitzky-Zellen (enthalten neurosekretorische Granula und gehören zum „Amino precursor uptake and decarboxylation“ – kurz „APUD“-System), Bürstenzellen (mit Mikrovillibesatz), Becherzellen und ClaraZellen (Sekretzellen). Das zunächst mehrreihige respiratorische Epithel wird mit abnehmender Größe der Bronchien niedriger. Vom Bronchialepithel senken sich azinöse, seromuköse

836

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Trachealknorpel Trachealschleimhaut Adventitia

Glandula trachealis

Paries membranaceus

Abb. 10.47: Schematischer Querschnitt durch die Trachea

Nervenfasern Flimmerzellen

Clara-Zellen

endokrine Zellen

Abb. 10.48: Schema zum Bronchialepithel mit den verschiedenen Zelltypen

10.6 Lunge, Pulmo

837

Glandulae bronchiales in die Wandung ein. Die Ausführungsgänge zeigen ein Flimmerepithel. Die Drüsen reichen z. T. bis in die Nähe der bronchialen Adventitia. In der Trachea findet sich im Durchschnitt 1 Ausführungsgang pro mm2 Schleimhautoberfläche, zur Peripherie hin nimmt die Anzahl ab. Das Sekret der Bronchialdrüsen und der Becherzellen feuchtet die Wandung und die Luft an und hält die eingeatmeten Staubteilchen fest. Die Flimmerhaare befördern das Sekret nach außen. Im Epithel finden sich weiterhin marklose Nervenfasern. £ Die Lamina propria der Bronchialschleimhaut enthält neben Bindegewebsfasern reichlich Kapillaren und einen hohen Anteil an Leukozyten. Die Tunica fibrocartilaginea und die Lamina propria der Schleimhaut enthalten längs gerichtete elastische Fasernetze, die bei der Inspiration in Längs- und Querrichtung gedehnt werden. Die Tunica mucosa ist in den großen Bronchien fest mit der Tunica fibrocartilaginea verbunden. In den kleineren Bronchien und Bronchiolen ist sie lockerer angeheftet. Sie legt sich deshalb in entspanntem Zustand in Längsfalten (im Querschnitt sternförmiges Lumen). • Das Flimmerepithel der Bronchioli ist einschichtig geworden, Becherzellen fehlen meistens.

Alveolenwand Sie setzt sich aus den Alveolarepithelzellen (Pneumozyten), den Kapillaren und dem Bindegewebsgerüst zusammen. Benachbarte Alveolen stehen über Poren (Alveolar- oder Cohn-Poren) miteinander in Verbindung (Abb. 10.49). Es werden 2 Arten von Alveolarepithelien unterschieden: £ Als Typ-I-Pneumozyten (Deckzellen) bezeichnet

man flache Zellen mit langen, sehr dünnen (bis < 0,1 µm) Ausläufern, die Bestandteil der BlutLuftschranke sind. Sie stellen den größten Anteil an der Alveolarauskleidung, obwohl zahlenmäßig mehr Typ-II-Pneumozyten vorhanden sind. £ Typ-II-Pneumozyten (Nischenzellen) sind hohe, polygonale Zellen, aus denen sich alle Pneumozyten regenerieren und die das Surfactant, einen feinen Phospholipidfilm, produzieren. Darüber hinaus sind die Typ-II-Pneumozyten an der Metabolisierung zirkulierender vasoaktiver Substanzen beteiligt. Die Verbindung zwischen den Pneumozyten wird durch Tight junctions (Zonulae occludentes) gewährleistet. Die Alveolen sind im Alveolarseptum von einem dichten, einschichtigen Kapillarnetz umgeben. Als BlutLuftschranke ergibt sich somit eine Grenzschicht bestehend aus Kapillarendothel, gemeinsamer

Bronchiolus

Ductus alveolaris

Alveole

Abb. 10.49: Schema eines Bronchiolus respiratorius mit Ductuli alveolares und Alveolen

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

838

Pneumozyt Typ II

Kapillare

Interstitium

Surfactantfilm

Pneumozyt Typ I Septalzelle

Basallamina

Kapillare

Pneumozyt Typ I

Surfactantfilm

Abb. 10.50: Schema zu Alveolarwand, Blut-Luft-Schranke

Basallamina, Pneumozyten und Surfactant. Insgesamt ist diese Barriere 0,3–1,7 µm dick und erlaubt den (fettlöslichen) Gasen eine gute Diffusion, wobei CO2 prinzipiell leichter hindurch dringt als O2 (Abb. 10.50). Klinik: 1. Radiologisch wird zur Lokalisation von pathologischen Prozessen in der Lunge, unabhängig von den Lungenlappen, ein Ober-, Mittel- und Unterfeld des Lungenschattens unterschieden. Das Oberfeld reicht von der Lungenspitze bis zum vorderen Ende der 2. Rippe. Das Mittelfeld umfasst den Bezirk zwischen den vorderen Enden der 2. und 4. Rippe. Das Unterfeld reicht vom vorderen Ende der 4. Rippe bis zum Zwerchfell. 2. Perkussion. Die Lungengrenzen lassen sich beim Lebenden durch Beklopfen (Perkussion) feststellen. Die Perkussion ergibt über dem lufthaltigen Lungengewebe den hellen (sonoren) Lungenschall, über soliden Organen (Leber, Herz, Milz, Niere, stärkere Muskelmassen) den gedämpften Schall und über mit Luft oder Gas gefüllten Hohlräumen (Magen,

Darm) den tympanischen Schall. Der über der normal belüfteten Lunge perkutierbare sonore Schall erfährt durch Flüssigkeits- oder Gewebeansammlungen im Pleuraraum eine Dämpfung; bei überblähter Lunge (z. B. Lungenemphysem) steigt die Intensität und man bezeichnet ihn als „hypersonor“. 3. Auskultation. Mit Hilfe eines Stethoskopes kann man das Strömungsverhalten der Luft im Tracheobronchialraum und in den oberflächlichen Lungenschichten beurteilen sowie Veränderungen im Pleuraraum erfassen. So verhindern Pleuraerguss oder Pneumothorax eine Weiterleitung des Atemgeräusches, Infiltrate in der Lunge führen zu einem rasselnden Atemgeräusch. 4. Die luftgefüllten Bronchien geben im konventionellen Röntgenbild keinen Schatten. Die gesamte, vom Hilum radiär ausgehende Hilumzeichnung rührt von den Blutgefäßen, vornehmlich von den Arterien her. Bronchien, die in der Richtung des Strahlenganges liegen, ergeben einen hellen Fleck. Kreuzt eine Arterie einen größeren Bronchus, so wird der Arterienschatten ausgelöscht.

10.7 Mittelfellraum, Mediastinum

10.7

839

Mittelfellraum, Mediastinum

Lernziele: Einteilung, Herz, große Gefäße, Thymus, Trachea, Oesophagus, Ductus thoracicus, Lymphsystem, N. vagus, Sympathicus, N. phrenicus Das Mediastinum ist ein ausgedehnter Raum in der Mittellinie des Thorax (lat. quod mediam stat), der zwischen den beiden Pleurahöhlen liegt und von der Wirbelsäule bis zur Rückfläche des Brustbeins reicht. Seitlich wird es von den Pleurae mediastinales begrenzt, unten reicht es bis zum Zwerchfell, oben bis zur Apertura thoracis superior, wobei diese Begrenzung willkürlich ist, denn das Mediastinum setzt sich kontinuierlich in den Bindegewebsraum des Halses, zwischen Lamina praetrachealis und praevertebralis der Fascia cervicis, fort. Vom funktionellen Gesichtspunkt her ist das Mediastinum die wichtigste „Verkehrsader“ für Leitungsbahnen, die aus der Kopf- und Halsregion in den Brustkorb gelangen müssen (z. B. Trachea) oder diesen durchquerend oder hier beginnend das Abdomen erreichen (z. B. Oeso-

phagus, N. vagus, Truncus sympathicus, Ductus thoracicus, große Gefäße). Darüber hinaus enthält das Mediastinum das Herz, den Thymus und eine große Zahl von Lymphknoten sowie eine Reihe kleinerer Gebilde. Unterteilung. Sie erleichtert die Orientierung sowohl in der Phase des Lernens als auch in der späteren ärztlichen Tätigkeit im Rahmen von Diagnostik und Therapie. Man unterscheidet ein oberes und ein unteres Mediastinum (Mediastinum superius und inferius), wobei das untere Mediastinum nochmals in ein vorderes, mittleres und hinteres unterteilt wird. Das obere Mediastinum ist nach oben durch die Apertura thoracis superior begrenzt, der Übergang in das untere Mediastinum liegt auf Höhe der Herzbasis. Das vordere Mediastinum liegt zwischen Rückfläche des Sternums und Herzbeutel, das mittlere umfasst die Tiefe des Herzbeutels, das hintere liegt zwischen Wirbelsäule und hinterer Begrenzung des Herzbeutels (Abb. 10.51). Über den Inhalt der einzelnen Mediastinalanteile informiert Tabelle 10.5.

Tabelle 10.5: Inhalt der verschiedenen Mediastinalanteile Oberes Mediastinum A. thoracica interna Vv. brachiocephalicae und Anfangsteil der V. cava superior Thymus Arcus aortae mit Ästen (Truncus brachiocephalicus, A. carotis communis sinistra, A. subclavia sinistra) Nn. phrenici Trachea Nn. vagi mit Nn. laryngeus recurrens sinister und Nn. cardiaci Truncus sympathicus Oesophagus Ductus thoracicus Unteres Mediastinum Vorderes Mediastinum

Mittleres Mediastinum

Hinteres Mediastinum

A. thoracica interna

Herz mit Herzbeutel

Aorta descendens mit Abgängen

kleinere Blut- und Lymphgefäße

Aorta ascendens Truncus pulmonalis Vv. pulmonales V. cava superior Mündung der V. azygos Aa. und Vv. pericardiacophrenicae

Vv. azygos und hemiazygos Nn. vagi Truncus sympathicus Nn. splanchnici majores und minores Ductus thoracicus Oesophagus

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

840

M. scalenus posterior N. phrenicus

Plexus brachialis M. scalenus medius

V. jugularis interna

A. subclavia sinistra

A. carotis communis M. scalenus anterior

Costa I N. vagus sinister

V. subclavia sinistra

Truncus sympathicus

Sternum

Lig. arteriosum et N. laryngeus recurrens

Plexus cardiacus

A. pulmonalis

Aorta ascendens

V. hemiazygos accessoria

Pleura mediastinalis

Aorta thoracica et Plexus sympathicus

Vv. pulmonales et Bronchi

N. et Vasa intercostalia

N. phrenicus et Vasa pericardiacophrenica

N. splanchnicus major

Pleura costalis

V. hemiazygos

Perikard

M. intercostalis externus M. intercostalis internus

Oesophagus et Truncus vagalis anterior

Pleura costalis (Schnittkante)

Pleura mediastinalis (Schnittkante)

Diaphragma Pleura costalis Costa IX

Abb. 10.51: Mediastinum von links

10.7.1

Herz, Cor

Das Herz ist ein vierkammeriges (2 Vorhöfe, Atrien und 2 Hauptkammern, Ventrikel), muskulöses Hohlorgan, welches in der Perikardhöhle im mittleren Mediastinum liegt. Zwei Drittel der Herzmasse liegen links der Medianebene. Lernziele: Entwicklung, Topografie, Aufbau, Räume, Koronararterien und -venen, Herzbeutel, Erregungsbildung und -leitung, Innervation, Feinbau, Funktion

Funktion • Pumporgan. Linker Vorhof und Kammer einerseits und rechter Vorhof und Kammer andererseits sind zusammengeschaltet und werden vom jeweils anderen Paar durch eine Scheidewand getrennt. Das rechte Herz nimmt das venöse Blut aus dem Körperkreislauf auf und leitet es an die Lunge weiter, das linke erhält oxygeniertes Blut aus dem Lungenkreislauf und gibt es wieder an den Körperkreislauf ab. Größe und Gewicht des Herzens sind u. a. abhängig von Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Körperlänge und Trainingszustand. Im Allgemeinen gilt die

10.7.1 Herz, Cor

Regel, dass das Herz etwa so groß ist wie die Faust des Individuums (Faustformel), die das reale Volumen aber meist unterschätzt. Normale Volumina liegen beim Erwachsenen zwischen 500 und 800 ml, bei Sportlern bis zu 1 l. Das Gewicht des blutleeren Organs schwankt dabei zwischen ca. 250 und 350 g, wobei Frauen durchschnittlich geringere Herzgewichte, Sportler höhere (bis zu 500 g) haben. Wird die Herzmasse auf das Körpergewicht relativiert (relatives Herzgewicht) so liegt dieser Wert normalerweise bei etwa 0,005. • Endokrines Organ. Neben seiner Funktion als Pumporgan des Kreislaufs ist das Herz auch eine endokrine Drüse. Eine Erhöhung des Blutvolumens führt über einen Dehnungsreiz zur Freisetzung eines Polypeptids aus den Vorhöfen (v. a. aus dem rechten). Es handelt sich um das Atriale Natriuretische Peptid (ANP, Atriopeptin). Dieses wirkt u. a. direkt auf die Niere und erhöht dort die Na+- und Wasserausscheidung. Darüber hinaus führen Dehnungsreize des rechten Vorhofs (nerval vermittelt) zu einer Reduzierung der ADH-Freisetzung aus dem Hypophysenhinterlappen und so zu einer verstärkten Diurese.

10.7.1.1

Entwicklung

Die Entwicklung des Herzens vom ersten Auftreten der Perikardhöhle bis zum vollständig septierten Organ erstreckt sich von der 3. bis zur 8. EW. Prinzipiell sind 3 Phasen zu unterscheiden: 1. Entwicklung der Perikardhöhle und des kardiogenen Plexus 2. Entwicklungsphase des geraden, tubulären Herzens 3. Entwicklungsphase der Herzschleife (cardiac loop) und Septierung.

10.7.1.1.1

Entwicklung der Perikardhöhle und des kardiogenen Plexus

Noch vor dem Auftreten der Somiten beginnt in der 3. Woche die Entwicklung des Herz-KreislaufSystems. Im vorderen Abschnitt des embryonalen Zöloms entsteht die Perikardhöhle (s. Kap. 3.5.1.4, S. 146). Im viszeralen Mesoderm am Boden der Perikardhöhle entsteht das Myokard, zwischen

841

diesem und dem Entoderm werden Angioblasten induziert, die sich zu Inseln zusammenlagern und einen hufeisenförmigen Plexus aus kleinen Gefäßen bilden. Hier entwickelt sich durch Zusammenlagerung der Kapillarsprossen das Endokard. Infolge weiterer Wachstumsvorgänge insbesondere im vorderen Neuralplattenabschnitt wird die Prächordalplatte nach ventral verlagert, so dass die Herzanlage in den Hals- und später in den Thoraxbereich gelangt, wobei sie eine Drehung um 180° um die Transversalachse erfährt. Die Perikardhöhle bedeckt nunmehr die Myokardanlage von ventral (Abb. 10.52). Amnionhöhle

Neuralleiste

Vorderdarm dorsales Mesokard

Perikardhöhle Herzgallerte

Myokard

Endokardschlauch

Abb. 10.52: Herzentwicklung, 22. Tag

10.7.1.1.2

Entwicklungsphase des geraden, tubulären Herzens

Das Myokard umfasst die zu einem Endokardrohr konfluierten Kapillarsprossen. Der so entstandene Herzschlauch wölbt sich zunächst mit breiter Basis in die Perikardhöhle vor (Mesocardium dorsale, das Herz besitzt zu keinem Zeitpunkt ein ventrales Meso); diese Verbindung wird immer schmaler und verschwindet schließlich, so dass der Herzschlauch auch durch die Abfaltung der Keimscheibe in kraniokaudaler und transversaler Richtung vollständig in der Perikardhöhle liegt. Beide Seiten der Perikardhöhle sind zwischen Einfluss- und Ausflusspforte über den Sinus transversus verbunden. Beiderseits der Mittellinie haben zwischenzeitlich angiogenetische Zellansammlungen die beiden dorsalen Aorten gebildet, die mit dem dorsokaudalen Ende des Endokardschlauches Kontakt aufnehmen (arterieller Pol des Herzens). Die kaudalen Enden der äußeren Anteile des Endokardschlauches treten

842

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

in Verbindung mit den entstehenden Dottersackgefäßen (Vv. vitellinae) und Nabelvenen (paarige Anlage des venösen Pols des Herzens). Durch die Wachstumsvorgänge mit Drehung der Herzanlage um die Transversalachse gelangen die Anfangsteile der dorsalen Aorten an den kranialen Pol des Endokardschlauches und ziehen in einem Bogen um den Vorderdarm (1. Aortenbogenpaar). Etwa zu diesem Zeitpunkt (7 Somiten-Stadium, 23. ET) beginnt das Herz zu schlagen. Die bisherige Entwicklung vom Auftreten erster intraembryonaler Gefäße bis zur Ausbildung des Endokardschlauches hat 3 Tage gedauert. Das so entstandene „tubuläre Herz“ misst weniger als 1 mm. Folgende Abschnitte können unterschieden werden (Aufzählung in Richtung des Blutflusses, also vom venösen Einfluss bis zum arteriellen Ausfluss): Sinus venosus, gemeinsamer Vorhof, gemeinsamer Ventrikel, Bulbus cordis, Truncus cordis (Abb. 10.53).

Bulbus cordis

Ventrikel

oberes und unteres Ende des Herzrohres fixiert sind, kommt es zur Ausbildung einer Herzschleife in der Perikardhöhle. Diese Schleife vollzieht eine Krümmung nach vorne und rechts, so dass der linke Herzrand zunächst eingekerbt und später durch eine tiefe Furche (Sulcus bulboventricularis) eingeschnitten wird, die im Lumen einer Plica bulboventricularis entspricht. Die Ventrikelanlage (und damit auch der Atrioventrikular-Kanal, AV-Kanal) kommt somit auf die linke Seite der Perikardhöhle zu liegen, der Bulbus cordis rechts (Abb. 10.54). Die Vorhofanlagen erweitern sich stark und bilden einen gemeinsamen Vorhof, der mit dem (eng gebliebenen) AV-Kanal dorsal in der Perikardhöhle aufsteigt. Die ursprüngliche Ventrikelanlage wird zum linken, der proximale Anteil des Bulbus cordis zum rechten Ventrikel. Der Übergang zwischen ursprünglicher Ventrikelanlage und Bulbus cordis bleibt eng und wird zum Foramen interventriculare primum. Der Sinus venosus kann (durch die Vereinigung der Vorhofanlagen) nun in ein rechtes und linkes Sinushorn mit einem verbindenden Mittelteil differenziert werden. Der Embryo befindet sich nun im 20-Somitenstadium (s. Kap. 3.5.1.5, S. 147). Aortenabgänge Perikard

Vorhof

Sinus venosus

Sulcus bulboventricularis Perikardhöhle

linker Vorhof

Abb. 10.53: Entwicklungsphase des tubulären Herzens

10.7.1.1.3

Entwicklungsphase der Herzschleife

Das obere Drittel des in der Perikardhöhle befindlichen Kammer-Bulbus-Komplexes bildet den Truncus arteriosus, die untere Hälfte die Ventrikelanlage, das kleine Zwischenstück die Anlage des Bulbus cordis. Die späteren Vorhöfe liegen noch außerhalb der Perikardhöhle im Septum transversum. Das folgende Längenwachstum der Herzanlage übertrifft bei weitem das Längenwachstum des gesamten Embryos. Aus diesem Grund, und weil

Abb. 10.54: Entwicklungsphase der Herzschleife

Die weitere Differenzierung des Bulbus cordis lässt sich nach Dritteln unterscheiden. Das proximale Drittel wird zum rechten Ventrikel, das anschließende Drittel zum Conus arteriosus und das distale Drittel zum Truncus arteriosus als gemeinsamer Ursprung von Truncus pulmonalis und proximalem Anteil der Aorta ascendens (Abb. 10.55). Dieser Truncus arteriosus kommt mediosagittal in einer Einsenkung von rechtem und linkem Vorhofdach zu liegen, der Conus arteriosus zwischen Dach des linken Ventrikes und anteromedialer Wand des

10.7.1 Herz, Cor

843 Truncus arteriosus

V. cava superior

linker Vorhof

rechter Vorhof

Septum spurium Venenklappe

Septum secundum Septum primum

Conus cordis V. cava inferior

trabekulärer Anteil des rechten Ventrikels

Lungenvene

Sinus coronarius

Sulcus interventricularis

Abb. 10.55: Differenzierung des Bulbus cordis. Ansicht von ventral

Abb. 10.56: Vorhofseptierung (nach U. Drews: Taschenatlas der Embryologie. Thieme, Stuttgart 1993)

rechten Vorhofes. Vom 27. bis zum 37. ET schließt sich die Septierungsphase des Herzens an.

Klinik: 1. Normalerweise verwachsen Septum primum und secundum im Laufe des ersten Lebensjahres miteinander. Bei 20–25 % der Menschen unterbleibt diese Verschmelzung teilweise oder vollständig, so dass das Foramen ovale sich bei einer Operation oder bei der Sektion noch für eine Sonde durchgängig zeigt (Abb. 10.58). Funktionell besteht aber zumeist kein Krankheitswert (kein eigentlicher Septumdefekt), da kein ständiger Blutfluss aus dem linken in den rechten Vorhof zustande kommt. 2. Bei den angeborenen Vorhofseptumdefekten mit offener Verbindung zwischen rechtem und linkem Herzen kommt es dagegen nach der Geburt zunächst zu einem Blutfluss von links nach rechts (höherer Druck im linken Herzen). Das führt zu einer stärkeren Volumenbelastung des rechten Herzens, welches sich verdickt und erweitert (Rechtsherzhypertrophie und -dilatation), um diesen Anforderungen gewachsen zu sein. Da zu diesem Zeitpunkt kein venöses Blut in das linke Herz und damit in den Körperkreislauf gelangt, findet sich auch keine periphere Zyanose (Blaufärbung der Haut durch Abnahme des Sauerstoffgehaltes des Blutes). Durch den vermehrten Blutfluss durch die Lunge nimmt die Wanddicke der Lungengefäße (Lungenarteriensklerose) und die Belastung des rechten Ventrikels im Laufe der Zeit zu. In seltenen Fällen kann der Druck im rechten Herzen den des linken Herzens übersteigen, so dass der Blutfluss von rechts nach links erfolgt (Shuntumkehr oder auch Eisenmenger-Reaktion) und aus dem

Vorhofseptierung Der Truncus arteriosus drückt das Dach des gemeinsamen Vorhofs ein, so dass sich im Lumen eine Vorwölbung ergibt, das Septum primum, welches das Ostium primum freilässt. Durch Venenklappen an der Öffnung des rechten Sinushornes im rechten Vorhofanteil wird der Blutstrom durch das Ostium primum in den linken Vorhofanteil geleitet. Von einem oberen und einem unteren Endokardkissen wachsen entlang des Septum primum Ausläufer vor, die das Ostium primum verschließen. Rechts vom Septum primum wächst ein Septum secundum vor (Abb. 10.56, 57). Das rechte Sinushorn wird Teil des rechten Vorhofes, so dass nur im unteren Einmündungsbereich Klappen (Valva venae cavae und sinus coronarii) erhalten bleiben. Diese lenken den Blutfluss vom Ostium primum aus gesehen weiter nach kranial, wo er einen neuen Weg unter Durchbrechung des Septum primum findet. Der Schlitz zwischen den aneinanderliegenden Septen wird Foramen ovale genannt und nach der Geburt geschlossen (Druckerhöhung im linken Vorhof, Septum primum legt sich an Septum secundum). An der Hinterwand des linken Vorhofes bildet sich septum- und bodennah eine unpaare Lungenvene, die später mit ihren ersten vier Anteilen in den linken Vorhof einbezogen wird.

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

844

rechts

Septum secundum

Trennung der Vorhöfe

Septum primum

links

Foramen primum

Foramen primum

Atrioventrikularkanäle

dorsales Endokardkissen Septum secundum, primum

Foramen ovale

geschlossen

offen

Abb. 10.57: Vorgang der Vorhofseptierung (nach G.-H. Schumacher: Anatomie für Zahnmediziner, 3. Aufl. Hüthig, Heidelberg 1997)

sp

Abb. 10.58 Offenes (sondendurchgängiges) Foramen ovale. sp Septum primum

azyanotischen Herzfehler ein zyanotischer wird. 3. Echte Vorhofseptumdefekte (ASD) sind relativ häufig, wobei Mädchen häufiger (3 : 1) betroffen sind als Jungen. Man unterscheidet 2 Formen: den Ostium-secundum-Defekt (70 % aller Vorhofseptumdefekte) und den Sinusvenosus-Defekt (15 %). Der Ostium-primumDefekt (15 %) ist eine Störung im Bereich des

Vorhofseptums (Besprechung bei Defekten des AV-Kanals). Der Ostium secundum-Defekt (ASD II) kann durch übermäßige Resorption des Septum primum oder reduzierte Entwicklung des Septum secundum zustande kommen. Es resultiert eine meist großflächige Verbindung zwischen rechtem und linkem Vorhof. Beim Sinus venosus-Defekt liegt die Verbindung zwischen den Vorhöfen im Bereich der Einmündung der Vena cava superior in den rechten Vorhof. Häufig münden dabei auch Venen aus dem Lungenober- und -mittellappen in den rechten Vorhof (Lungenvenenfehlmündung).

Kammerseptierung Linker und rechter Ventrikel sind durch das Foramen interventriculare primum verbunden. Nur über dieses fließt in den rechten Ventrikel Blut, wohingegen der linke Ventrikel noch über den AVKanal Blut erhält. Ventrokaudal entwickelt sich im Foramen das Septum interventriculare, dorsokranial wölbt sich links von der gemeinsamen Ausflussbahn die Plica bulboventricularis vor. Diese

10.7.1 Herz, Cor

845

bildet sich zurück, und zwischen rechts- und linksventrikulärem Blutstrom entwickelt sich ein neues Septum. Die Ventrikel erweitern sich zunehmend unter Muskelwachstum und Lumenvergrößerung durch Aushöhlung sowie Trabekelbildung. Die ventrikulären Trabekel verschmelzen zu Papillarmuskeln, septalem und Moderatorband sowie Chordae tendineae. Die medialen Wandanteile der Ventrikel verwachsen zum Großteil des Kammerseptums; das Foramen interventrikulare primum bleibt noch erhalten. AV-Kanal und Truncus (Conus) arteriosus verlagern sich von der linken bzw. rechten Seite zunehmend in die Mitte. Im AV-Kanal wachsen von oben und unten Endokardkissen in die Lichtung vor und unterteilen ihn in ein rechtes und linkes Ostium atrioventriculare. Gleichzeitig wachsen rechts und links Endokardhöckerchen in den AV-Kanal ein (Abb. 10.59). Die den Kissen zugrundeliegenden Mesenchymzellen sind in die Herzanlage eingewanderte Neuralleistenzellen. Die Kissen werden anschließend ausgehöhlt und bilden die Segelklappen (AV-Klappen). An der rechten Vorhof-Kammergrenze bildet sich eine dreizipflige Klappe (Trikuspidalklappe) mit einem septalen (Vereinigung aus oberem und unterem Endokardkissen), einem vorderen und einem hinteren Segel (aus rechtem Endokardkissen). Links bildet sich eine zweizipflige Klappe (Bikuspidal- oder Mitralklappe) mit einem anterioren (s. o.) und einem posterioren Segel (aus linkem Endokardkissen).

Neubildung Rückbildung

oberes unteres Kissen im AV–Kanal

muskuläres Kammerseptum

Abb. 10.59: Unterteilung des AV-Kanals (nach U. Drews: Taschenatlas der Embryologie. Thieme, Stuttgart 1993)

Im oberen Anteil des Bulbus cordis wachsen von rechts-oben und links-unten Trunkuswülste vor. Diese verschmelzen miteinander, ihr distales Ende liegt etwa in Höhe des 6. Aortenbogenpaars. Die distal von dieser Stelle gelegenen Anteile des Truncus cordis und der Aortenwurzel stellen die noch gemeinsame Truncus- und Aortenwurzel dar. Durch Verschiebung der 6. Aortenbögen nach links und der 4. nach rechts gelangen die ersteren in die Ausflussbahn der A. pulmonalis, die letzteren in die der Aorta. Zwischen die Abgangsstellen dieser beiden Aortenbögen schiebt sich spiralig das Septum aorticopulmonale und schließt die Teilung von Aorta ascendens und Truncus pulmonalis ab (Abb. 10.60). Die Taschenklappen der Ausflussbahn entstehen wie die AV-Klappen durch das Auswachsen von Endokardkissen. Von links-ventral und rechts-dorsal wachsen im Conus cordis ebenfalls Wülste vor, die miteinander verschmelzen und den Conus in ein anterolaterales und ein posteromediales Kompartiment unterteilen. Der anterolaterale Anteil beteiligt sich an der Bildung des definitiven rechten Ventrikels, der posteromediale an der des Sinus aortae und des definitiven linken Ventrikels. Das Konusseptum verkleinert das Foramen interventriculare, das in der Folge unter Einbeziehung von Material aus dem unteren Endokardkissen verschlossen wird (membranöses Kammerseptum). Klinik: 1. Störungen der Endokardkissenentwicklung können in Fehlbildungen verschiedener Herzbereiche einmünden: Bei vollständigem Fehlen der Endokardkissenverschmelzung verbleibt ein offener AV-Kanal (Canalis atrioventricularis communis). Der Defekt betrifft Vorhof- und Kammerseptum; der AV-Kanal ist nicht unterteilt und die septalen Klappenkomponenten der AV-Klappen sind fehlgebildet. Der Ostium primum-Defekt ist eine Sonderform der Endokardkissendefekte. Die Verschmelzung der Kissen erfolgt im Ventrikelseptumbereich nur unvollständig und unterbleibt am Übergang zum Septum primum. Als Konsequenz ergibt sich ein tief sitzender Defekt in der Vorhofscheidewand. Nicht selten findet sich zusätzlich eine Spaltbildung im vorderen Mitralsegel (partieller AV-Kanal). 2. Ventrikelseptumdefekte (VSD) stellen die häufigsten kongenitalen Herzfehler dar. Die Defekte treten entweder einzeln oder in Kombination mit anderen Läsionen, insbe-

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

846 Truncus pulmonalis Aorta

Septum aorticopulmonale

Aorta ascendens Arteria pulmonalis sinistra Truncus pulmonalis

Aorta Septum aorticopulmonale

Abb. 10.60: Unterteilung des Bulbus und Truncus arteriosus (nach K. L. Moore, T. V. N. Persaud: The developing human. 6thedition. W. B. Saunders, 1998)

sondere bei der Entwicklung des Konus- und Trunkusabschnittes, auf. In 75 % der Fälle ist der membranöse Septumteil betroffen, in jeweils weniger als 10 % der muskuläre, der infundibuläre oder AV-Kanalbereich. Kleine VSD sind meist drucktrennend und asymptomatisch, wobei sie bei der Auskultation laute Geräusche verursachen. Mittelgroße VSD äußern sich in einer Belastungsdyspnoe mit reduzierter körperlicher Leistungsfähigkeit. Große VSD führen in der Regel schon früh zu einem Pumpversagen der linken Herzkammer (Linksherzinsuffizienz). Etwa die Hälfte aller

Pulmonalstenose

reitende Aorta Hypertrophie des rechten Ventrikels

Ventrikelseptumdefekt

Abb. 10.61: Schema zur Fallot-Tetralogie

VSD verschließen sich bis zum 15. Lebensjahr von selbst, bei den übrigen entscheidet die Größe des Defektes und das Ausmaß des LinksRechts-Shunts über die weitere Therapie. 3. Die häufigste kombinierte Entwicklungsstörung ist die Fallot-Tetralogie, gleichzeitig der häufigste „zyanotische“ Herzfehler im Erwachsenenalter. Durch eine Verschiebung des Teilungsbereiches des Konus nach ventral entsteht (Abb. 10.61) ein verschmälerter Truncus pulmonalis (Pulmonalstenose) mit großem VSD. Die Aorta entspringt nicht mehr ausschließlich aus dem linken Ventrikel sondern über dem Septumdefekt (sie „reitet“ auf dem Septumdefekt). Aus der vermehrten Belastung des rechten Ventrikels folgt eine Rechtsherzhypertrophie. Kommt noch ein Vorhofseptumdefekt hinzu, spricht man von einer Fallot-Pentalogie; findet sich zusätzlich zu dieser noch ein offener Ductus arteriosus von einer Hexalogie. Durch die Pulmonalstenose kommt es über den VSD und die reitende Aorta zu einem Rechts-Links-Shunt mit Zyanose und Hypoxie. 4. Ein weiterer kongenitaler Herzfehler, der in einer Störung der Unterteilung des Konus- und Trunkus-Bereiches begründet liegt, ist die Transposition der großen Arterien (TGA). Hierbei wächst das Septum aorticopulmonale nicht spiralig sondern gerade, so dass die Aorta aus dem rechten Ventrikel, der Trun-

10.7.1 Herz, Cor

847

cus pulmonalis aus dem linken entspringt. Weil die Transposition eine Parallelschaltung von Körper- und Lungenkreislauf bedeutet, sind die Kinder nach der Geburt nur lebensfähig, wenn eine zusätzliche Verbindung zwischen rechtem und linkem Herzen besteht.

10.7.1.1.4

Entwicklung der Venen

Sinus venosus. In den Sinus münden die Stämme der Kardinalvenen, die Dottervenen und die Nabelvenen (Abb. 10.62). Aortenbögen

dorsale Aorta vordere Kardinalvene

ventrale Aorta

Herzschleife

Segmentarterie Vorhof

Stamm der Kardinalvenen Dottersack

Sinus venosus

Nabelschnur hintere Kardinalvene

Abb. 10.62: Venenentwicklung (nach U. Drews: Taschenatlas der Embryologie. Thieme, Stuttgart 1993)

Kardinalvenen (Vv. cardinales). Sie transportieren das Blut aus dem Embryonalkörper zum Herzen. Sie verlaufen in der dorsalen Leibeswand und gliedern sich primär in vordere (obere) und hintere (untere) Venen, die in einem gemeinsamen Stamm (V. cardinalis communis, Ductus Cuvieri) in die Sinushörner münden. Später (5.–7. Woche) entwickeln sich noch Subkardinalvenen (Blut aus den Urnieren), Suprakardinalvenen (Blut aus den Interkostalvenen) und Sakrokardinalvenen (aus den unteren Extremitäten). In der Folge kommt es zur Ausbildung von Anastomosen zwischen den primär bilateral angelegten Venen, um den venösen Blutstrom auch von der linken Körperseite dem rechten Herzen zuzuführen. Kompensatorisch obliterieren dann andere Anteile. Zwischen den beiden

vorderen Kardinalvenen bildet sich eine Gefäßverbindung, die zur V. brachiocephalica wird (venöses Blut aus dem linken Kopfbereich und Arm). Der Endteil der rechten hinteren Kardinalvene bildet sich zur oberen Interkostalvene zurück. Die V. cardinalis communis und der Endteil der vorderen Kardinalvene rechts werden zur V. cava superior. Anastomosen zwischen den Subkardinalvenen fließen zur linken Nierenvene zusammen, der distale Abschnitt der linken Subkardinalvene wird zur linken Gonadenvene (V. testicularis bzw. ovarica), der proximale Anteil wird rückgebildet. Die rechte V. subcardinalis bleibt erhalten und wird zum Nierensegment der V. cava inferior. Eine Anastomose zwischen Subkardinalvene und Leberanlage wird zum Lebersegment der V. cava inferior. Sakrokardinalvenen. Beide Venen fließen links zur V. iliaca communis zusammen, an die sich, aus der rechten Sakrokardinalvene stammend, der untere Anteil der V. cava inferior anschließt. Suprakardinalvenen. Die Venen nehmen Blut aus den Interkostalvenen auf. Auf der rechten Seite wird ein Teil der hinteren Kardinalvene mit der Suprakardinalvene zur V. azygos, die eine Anastomose zur linken Seite aufweist. Dort hat sich auf ähnliche Weise die V. hemiazygos gebildet. Dottervenen (Vv. omphalomesentericae). Sie transportieren das Blut vom Dottersack zum Herzen und durchströmen dabei die Leberanlage. Mit Entwicklung der Nabelschleife werden sie zur Pfortader. Der distale Anteil der rechten Dottervene wird zur V. mesenterica superior, der distale linke Anteil löst sich auf. Der herznahe Anteil der linken Dottervene löst sich ebenfalls auf, der rechte weitet sich und bildet den terminalen (posthepatischen) Anteil der V. cava inferior (Einen Überblick über die Entwicklung der V. cava inferior geben Tabelle 10.6 und Abb. 10.63). Tabelle 10.6: Entwicklung der Vena cava inferior Abschnitt der V. cava inferior

Ursprungsvene

oberer Abschnitt (posthepatisches Segment)

rechte obere Dottervene

Leberabschnitt (hepatisches Segment)

hepato-subkardinale Anastomose

Nierenabschnitt (renales Segment)

rechte Subkardinalvene

unterer Abschnitt (sakrokardinales Segment)

rechte Sakrokardinalvene

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848 V. jugularis interna dextra

V. brachiocephalica

V. jugularis externa dextra

V. subclavia

V. obliqua

V. cava superior

V. cava inferior V. hepatica

V. azygos V. cava inferior

V. hemiazygos V. suprarenalis sinistra

V. suprarenalis dextra

V. renalis sinistra

V. renalis dextra V. testicularis dextra oder V. ovarica dextra

V. testicularis sinistra oder V. ovarica sinistra

V. cava inferior V. iliaca communis V. iliaca externa

Klinik: 1. Die häufigste Anomalie der großen Venen ist eine persistierende linke V. cava superior. Diese entsteht durch fehlende Rückbildung der linken Vv. cardinalis anterior und communis sowie des linken Sinushorns. Nach Zusammenfließen der linken Vv. jugularis interna und subclavia verläuft die V. cava superior sinistra vor dem linken Lungenhilum abwärts und mündet in den stark dilatierten Koronarsinus. 2. Eine rechte V. cava superior kann angelegt sein (doppelte V. cava). Ist sie es nicht, fließt das Blut über die rechte V. brachiocephalica von der rechten zur linken Seite. 3. Eine Dopplung der V. cava inferior entsteht dadurch, dass die linke Sakrokardinalvene persistiert und ihren Kontakt mit der linken Subkardinalvene beibehält. 4. Eine persistierende linke V. cava superior oder eine Doppelung der großen Venen hat per se keinen Krankheitswert, jedoch ist die Kenntnis der anatomischen Gegebenheiten wichtig im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen, z. B. auch bei Implantation von Herzschrittmachern.

V. iliaca interna V. sacralis mediana

Abb. 10.63: Entwicklung der V. cava inferior (nach K. L. Moore, T. V. N. Persaud: The developing human. 6th edition. W. B. Saunders, 1998)

Nabelvenen (Vv. umbilicales). Diese führen sauerstoffreiches Blut aus der Plazenta zum Herzen und nehmen Kontakt zur Leber auf. Der herznahe Abschnitt der linken Vene und die komplette rechte bilden sich zurück. Über ein Umgehungsgefäß (Ductus venosus, Arantii) zwischen dem Leberende der linken Nabelvene und der rechten Dottervene umgeht der Großteil des Blutes allerdings die Leber. Sinushörner. Linkes Sinushorn und der Verbindungsteil zwischen den Hörnern werden durch eine Furche zunehmend vom Vorhof getrennt. Das rechte Sinushorn nimmt eine vertikale Lage ein und wird zur einzigen Verbindung zwischen Sinus venosus und Vorhof, in den es später einbezogen wird, während das proximale linke Sinushorn und der Verbindungsteil zum Sinus coronarius werden. Distales linkes Sinushorn und linke V. cardinalis obliterieren zur Plica v. cavae sinistrae (Lig. Marshalli).

10.7.1.1.5

Entwicklung der Arterien

Wie bei der Venenentwicklung müssen auch bei der Entwicklung der Arterien verschiedene Systeme berücksichtigt werden. Das arterielle Gefäßsystem zeigt zunächst einen symmetrischen Aufbau. Dorsale Aorta. Aus dem paarigen Gefäß gehen zur Versorgung des Körperkreislaufs Intersegmentalarterien ab. Etwa in der 4. EW entwickeln sich bilateral parallele, bogige Gefäßverbindungen zwischen dem distalen Anteil des Truncus arteriosus (Aortenwurzel, „ventrale Aorta“) und dorsaler Aorta. Diese Verbindungen werden als Aortenbögen oder Schlundbogenarterien bezeichnet. Insgesamt entwickeln sich 6 Bogenpaare von kranial nach kaudal, die allerdings nicht gleichzeitig auftreten. Ob der 5. Aortenbogen beim Menschen überhaupt angelegt wird, ist umstritten. Das kraniale Ende der ventralen Aorta bildet sich zur A. carotis externa, das der dorsalen zur A. carotis interna aus. Beide dorsalen Aorten verschmelzen kaudal der Schlundbogenarterien zur definitiven dorsalen Aorta. Die Aortenbögen sind in der Entwicklung starken Formveränderungen und partiellen Rückbildungsprozessen unterworfen. Die 4. Schlundbogenarterie bildet auf der linken Seite einen Teil

10.7.1 Herz, Cor

849

Tabelle 10.7: Derivate der Aortenbögen Aortenbogen

Derivat

1. Aortenbogen Teile der A. maxillaris 2. Aortenbogen A. stapedia und A. hyoidea, zunächst als Verbindung zwischen A. carotis interna und externa, später ohne Verbindung zur interna 3. Aortenbogen Aufteilungsbereich A. carotis externa und interna 4. Aortenbogen links: Teil des Arcus aortae zwischen A. carotis communis und A. subclavia rechts: proximaler Anteil der A. subclavia 5. Aortenbogen verschwindet ganz oder wird beim Menschen nicht angelegt 6. Aortenbogen Truncus pulmonalis und Ductus arteriosus

A. carotis interna A. carotis externa

Truncus brachiocephalicus Aa. subclaviae

Aorta ascendens Ductus arteriosus

Aorta descendens

Truncus pulmonalis

3. Schlundbogenarterie

4. Schlundbogenarterie

6. Schlundbogenarterie

Truncus arteriosus

ventrale Aorta

dorsale Aorta

Abb. 10.64: Derivate der Aortenbögen (nach K. L. Moore, T. V. N. Persaud: The developing human. 6th edition. W. B. Saunders, 1998)

des definitiven Aortenbogens. Auf der rechten Seite entsteht der Anfangsteil der A. subclavia. Aus dem 6. Aortenbogen entwickelt sich das arterielle System der Lunge. Rechts bildet sich die Verbindung zur dorsalen Aorta zurück, der proximale Anteil wird zum Stamm der A. pulmonalis dextra. Links persistiert die Verbindung zur dorsalen Aorta als Ductus arteriosus zur präpartalen Umgehung des Lungenkreislaufs. Einen Überblick über das Schicksal auch der übrigen Aortenbögen geben Tabelle 10.7 und Abb. 10.64. Dotterarterien. Sie sind zur Versorgung des Dottersacks angelegt und bilden später die Arterien zur Versorgung der subdiaphragmalen Darmrohranteile und seiner Anhangsorgane. Es sind dies der Truncus coeliacus, die Aa. mesenterica superior und inferior. Nabelarterien. Diese führen sauerstoffarmes Blut zur Plazenta (Chorionzotten). Sie haben ursprünglich Verbindung zur dorsalen Aorta, verlagern diese aber dann auf die A. iliaca communis. Postpartal obliterieren ihre distalen Anteile zum Lig. umbilicale mediale, die proximalen bleiben als A. iliaca interna und A. vesicalis superior. Klinik: Bei der Aortenisthmusstenose (Coarctatio aortae) findet sich eine Verengung der Aorta zwischen dem Abgang der linken A. subclavia und dem Übergang des Arcus aortae in die Aorta descendens (Abb. 10.65). Es werden 2 Formen unterschieden: Bei der präduktalen („frühkindlichen“) Form liegt die Verengung vor dem offenen Ductus arteriosus. Dies führt durch den Rechts-Links-Shunt bereits im Säuglingsalter zu Zyanose (untere Körperhälfte) und Herzinsuffizienz. Bei der postduktalen („Erwachsenen-“) Form ist der Ductus arteriosus obliteriert. Es existiert ein Umgehungskreislauf zwischen präund poststenotischem Aortenteil über die A. thoracica interna und erweiterte Interkostalarterien. Durch diesen Umgehungskreislauf mit verstärkter Pulsation der Interkostalarterien finden sich häufig Aussparungen an den unteren Rändern der hinteren Rippensegmente (Rippenusuren, v. a. an der 3. und 4. Rippe), die im Röntgenbild sichtbar sind.

850

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

A. carotis communis

Lig. arteriosum offener Ductus arteriosus Truncus pulmonalis

a

b

Abb. 10.65: Schematische Darstellung der Aortenisthmusstenose. a. Präduktale Form, b. postduktale Form

Pränataler Kreislauf. Der pränatale Kreislauf hat gegenüber dem postnatalen insofern eine Besonderheit, da der Gasaustausch nicht in der Lunge, sondern in der Placenta stattfindet. Des weiteren erfolgt die Ernährung des Embryos/Feten durch die Placenta. Dieser Sachverhalt spiegelt sich auch im Bau des embryonalen Herzens wider. Zur Darstellung des pränatalen Kreislaufs und der Umstellung des Kreislaufs nach der Geburt s. Kap. 2.3.1.4, S. 51.

10.7.1.2 Form des Herzens 1. Bei der Beschreibung des Herzens kann man sich zum einen auf eine „systematische“, zum anderen auf eine „topografische Einstellung“ des Organs beziehen. Bei der systematischen Einstellung (Herz aus dem Körper entfernt und auf seine Spitze gestellt) steht die Herzachse und das Septum senkrecht, der rechte Ventrikel ist nach rechts, der linke nach links orientiert. Diese Einstellung ist in der Anatomie noch sehr verbreitet und führt(e) häufig zu Kommunikationsschwierigkeiten mit den klinischen Fächern. 2. Der physiologischen Lage des Herzens im Körper entspricht die topografische Einstellung, die aus diesem Grund im folgenden zugrunde gelegt wird: Hierbei verläuft die Längsachse des Herzens (anatomische Herzachse) von rechts oben hinten (Basis cordis) nach links unten vorn (Apex cordis). Sowohl zur Frontal- als auch zur

Medianebene steht sie in einem Winkel von etwa 45°. Die rechte Kammer liegt weiter ventral. Das Herz hat etwa die Form eines nicht ganz regelmäßigen Kegels, an dem man 3 Flächen unterscheiden kann: Facies sternocostalis (Facies anterior), Facies diaphragmatica (Facies inferior) und Facies posterior. Die konvexe Facies sternocostalis ist gegen die vordere Brustwand gerichtet und rechts und links von der Lunge überlagert (Abb. 10.66). Die Facies diaphragmatica liegt dem Zwerchfell auf. Beide sind bei der Leiche auf der rechten Seite durch einen deutlichen Rand voneinander getrennt, der durch Fettgewebe zwischen rechtem Ventrikel und Zwerchfell gebildet wird. Dieser Rand (Margo dexter) wurde früher auch als Margo acutus (scharfer Rand) bezeichnet. Beim Lebenden erscheint der Randbereich weniger scharf. Der Übergang an der linken Seite ist demgegenüber eher rund und wurde als Margo obtusus (abgestumpfter Rand) bezeichnet. Facies sternocostalis. Sie wird zum Großteil von der rechten Kammer gebildet, der sich nach rechts der rechte Vorhof anlegt (Abb. 10.67). Dieser bildet mit seinem Herzohr (Auricula dextra) zugleich die äußerste rechte Begrenzung des Herzens. Die linke Begrenzung wird vom Bereich der Herzspitze an durch den linken Ventrikel gebildet, dem sich nach kranial das linke Herzohr (Auricula sinistra) als Teil des linken Vorhofes randbildend anschließt. Die Grenze zwischen rechtem und linkem Ventrikel wird durch die Sulci interventriculares anterior

10.7.1 Herz, Cor

851

N. vagus

Glandula thyroidea

N. phrenicus Truncus thyrocervicalis Truncus brachiocephalicus V. brachiocephalica dextra A. pericardiacophrenica

N. vagus N. phrenicus A. carotis communis sinistra V. jugularis interna Vv. thyroideae inferiores V. brachiocephalica sinistra A., V. thoracica interna N. vagus, N. laryngeus recurrens

N. phrenicus V. cava superior Aorta

Truncus pulmonalis N. phrenicus, A. pericardiacophrenica

Auricula dextra Ventriculus dexter Atrium dextrum

Pericardium [Schnittrand]

Diaphragma

R. interventricularis anterior a. coronariae sinistrae Ventriculus sinister

Umschlagslinie der Pleura

Abb. 10.66: Lage des Herzens und der großen Gefäße. Thymus und vordere Wand des Herzbeutels entfernt, Lungen zurück gehalten

und posterior deutlich, die schräg zur Herzachse verlaufen und sich rechts der Herzspitze treffen (Incisura cordis). Der Übergang von den Vorhöfen zu den Kammern (Ventilebene) ist an der Herzoberfläche an der Kranzfurche (Sulcus coronarius) festzumachen. Diese verläuft senkrecht zur Herzachse und ist insbesondere an der Unterseite des Herzens zu sehen. Im vorderen Bereich ist sie durch den Ursprung von Aorta und Truncus pulmonalis verdeckt.

Facies diaphragmatica. Sie bildet in der Hauptsache der linke Ventrikel, außerdem eine schmale Zone des rechten Ventrikels und der rechte Vorhof im Bereich der V. cava inferior (Abb. 10.68). Facies posterior. Der kraniale Teil der Rückfläche des Herzens wird vom linken Vorhof gebildet, weist gegen das hintere Mediastinum und kommt hier in Kontakt mit der Speiseröhre. An der Facies posterior beteiligen sich weiterhin der rechte Ventrikel und (geringgradig) der rechte Vorhof.

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

852

A. carotis communis sinistra Truncus brachiocephalicus

A. subclavia sinistra Arcus aortae

Umschlagstelle des Herzbeutels Lig. arteriosum (Botalli) Aorta ascendens

V. cava superior

A. pulmonalis sinistra

Auricula sinistra

Conus arteriosus Auricula dextra

Sulcus interventricularis anterior

Atrium dextrum

Ventriculus sinister

Sulcus coronarius

Apex cordis Ventriculus dexter Incisura apicis cordis

Abb. 10.67: Herz von vorn

Herzbasis. An ihr finden sich die Mündungen und Ursprünge der großen zu- und abführenden Gefäße des Herzens (Vasa publica) sowie die der Herzkranzgefäße (Vasa privata). Beinahe vertikal münden die obere und untere Hohlvene in den rechten Vorhof und stehen dabei etwa senkrecht zu den horizontal ausgerichteten Lungenvenen, die sich von rechts und links jeweils paarig in den linken Vorhof öffnen. Diese Konstellation wird als „Venenkreuz“ bezeichnet. Etwa 45° zum Venenkreuz im Uhrzeigersinn (von ventral gesehen) versetzt liegen die Ursprünge der Aorta ascendens und des Truncus pulmonalis, die sich ihrerseits wieder kreuzen: der Truncus pulmonalis zieht nach links, die Aorta ascendens nach rechts. Der Truncus pulmonalis liegt am weitesten vorne links und verdeckt somit in der Ansicht von ventral zum Teil den Ursprung der Aorta (Bulbus aortae), aus dem die rechte und linke Koronararterie abzweigen.

10.7.1.3

Die Räume des Herzens

Wir unterscheiden 2 Vorhöfe, Atrium dextrum und sinistrum, sowie 2 Kammern, Ventriculus dexter und sinister. Die Beschreibung der Vorhöfe und Kammern erfolgt in Richtung des Blutflusses von der Einmündung der Hohlvenen in den rechten Vorhof bis zum Austritt der Aorta aus dem linken Ventrikel.

10.7.1.3.1

Rechter Vorhof, Atrium dextrum

Anteile. Am rechten Vorhof lassen sich 2 Anteile unterscheiden: Im hinteren Bereich findet sich der ehemalige Sinus venosus als Wandteil mit glatter Oberfläche (Abb. 10.69). Hier münden die Vv. cavae superior und inferior (Sinus venarum cavarum). Die vordere Wandung wird von parallel

10.7.1 Herz, Cor

853

Aorta

V. cava superior

Lig. arteriosum (Botalli) A. pulmonalis sinistra

Rr. a. pulmonalis dextrae

Vv. pulmonales sinistrae (superior et inferior)

Vv. pulmonales dextrae (superior et inferior) Ventriculus sinister

Atrium sinistrum

V. cava inferior

Sulcus coronarius Apex cordis Sulcus interventricularis posterior Incisura apicis cordis

Abb. 10.68: Herz, Blick auf die Facies inferior Aorta V. cava superior Auricula dextra (Mm. pectinati) Truncus pulmonalis Crista terminalis

Valva trunci pulmonalis

Septum interatriale

Conus arteriosus

Limbus fossae ovalis

Crista supraventricularis

V. cava inferior

Chordae tendineae [aus dem Septum interventriculare entspringend]

Valvula v. cavae inferioris

Trabecula septomarginalis

Valvula sinus coronarii

Trabeculae carneae

Valva atrioventricularis dextra Cuspis anterior [tricuspidalis] Cuspis posterior

Rest der ventralen Wand des Ventriculus dexter

Chordae tendineae Mm. papillares

Abb. 10.69: Rechter Vorhof und rechte Kammer nach Abtragen der vorderen Wand

854

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

verlaufenden Trabekeln zerklüftet (Mm. pectinati), die sich auch in den dreieckigen oberen Teil des rechten Vorhofes (rechtes Herzohr, Auricula dextra) erstrecken. Zwischen den Trabekeln ist die Vorhofwand durchscheinend dünn. Der vordere Bereich des rechten Atriums entspricht dem embryonalen Vorhof. Grenze. Die Grenze zwischen beiden Anteilen entspricht luminal eine Muskelleiste (Crista terminalis), die von der Einmündung der oberen Hohlvene kommend an der Seitenwand des Vorhofes entlang zieht und rechts der Einmündung der unteren Hohlvene endet. Sie entspricht dem oberen Anteil der embryonalen Sinusklappe. Beginnend an der Crista terminalis ziehen die Mm. pectinati rechtwinklig zu ihr entlang der vorderen Vorhofwand. Außenfläche. An ihr findet die Crista terminalis in einer Furche (Sulcus teminalis) ihre Entsprechung. Da obere und untere Hohlvene nicht exakt senkrecht, sondern in einem geringgradig stumpfen Winkel einmünden, wölbt sich zwischen den beiden Mündungen die Vorhofhinterwand etwas nach innen vor (Tuberculum intervenosum, Torus Loweri). Venenmündung. Die obere Hohlvene mündet klappenlos in den rechten Vorhof, am vorderen Rand der unteren Hohlvenenmündung findet sich eine Leiste (Valvula v. cavae inferioris, Eustachii), die in den Limbus der Fossa ovalis zieht und im Fetalkreislauf das sauerstoffreiche Blut aus der V. cava inferior gegen das Foramen ovale lenkt. Die Valvula v. cava inferioris variiert stark in ihrer Größe (vom Fehlen bis hin zu einer netzartigen Membran, Chiari-Netz). Vor ihrem medialen Rand, nahe dem Limbus fossae ovalis, mündet der Sinus coronarius. Auch hier findet sich am unteren Rand eine Falte (Valvula sinus coronarii, Thebesii). Beide Valvulae sind Relikte des unteren Anteils der rechten Sinusklappe (Valvula venosa). In die mediale Wand des rechten Vorhofes münden schließlich noch die etwa 1–2 mm großen Vv. cordis minimae (Foramina venarum minimarum), die ebenfalls klappenlos sind. Septum interatriale. Nach medial hinten wird der rechte Vorhof vom Septum interatriale begrenzt. In ihm kann man die Fossa ovalis abgrenzen, an deren Boden sich die Valvula fossae ovalis (aus dem Septum primum) befindet. Umfasst wird die Fossa ovalis von oben, vorne und hinten von einem

scharfen Randsaum (Limbus fossae ovalis, aus dem Septum secundum), der sich zum Ostium v. cavae inferioris öffnet. Bei 20–25 % aller Menschen sind Septum primum und secundum nicht (vollständig) verwachsen, so dass man mit einer Sonde vom rechten durch das Foramen ovale in den linken Vorhof gelangen kann (Abb. 10.58). Weiterhin lässt sich an der medialen Wand ventral der Mündung der oberen Hohlvene der Torus aorticus abgrenzen, eine Vorwölbung, die durch den Anfangsteil der Aorta hervorgerufen wird. Der vordere Anteil der medialen Vorhofwand wird von der Trikuspidalklappe (Valva tricuspidalis, Valva atrioventricularis dextra) ausgefüllt, die den Übergang in den rechten Ventrikel darstellt.

10.7.1.3.2 Rechte Kammer, Ventriculus dexter Einteilung. Im Querschnitt erscheint der rechte Ventrikel halbmondförmig (Abb. 10.70). Die relativ dünne Muskelwand hat nur den geringen Widerstand im Lungenkreislauf zu überwinden. Er liegt dem linken Ventrikel taschenförmig auf und stellt den größten Anteil der Facies sternocostalis dar. Morphologisch und funktionell lässt er sich in 2 Anteile untergliedern: Posteriorinferior liegt, beginnend mit der Trikuspidalklappe, die Einflussbahn, anteriorsuperior bis hin zum Truncus pulmonalis die Ausflussbahn. Während die Einflussbahn von netzförmig angeordneten Septum interventriculare (Pars muscularis) M. papillaris anterior

Ventriculus dexter Chordae tendineae

Ventriculus sinister

Abb. 10.70: Querschnitt durch die Herzkammern

10.7.1 Herz, Cor

855 Aorta ascendens V. cava superior

Vv. pulmonales sinistrae Auricula sinistra

Valva aortae (Valvula semilunaris posterior) Auricula dextra Abgang der A. coronaria dextra Valva aortae (Valvula semilunaris dextra)

Lunula Nodulus

valvulae semilunaris sinistrae valvae aortae Valva atrioventricularis sinistra [bicuspidalis seu mitralis] (Cuspis anterior)

Mm. papillares (abgeschnitten) Valva atrioventricularis dextra [tricuspidalis]

Cuspis anterior Cuspis posterior Cuspis septalis

Mm. papillares

Pars muscularis septi interventricularis

Trabeculae carneae

Abb. 10.71: Frontalschnitt durch das Herz in Höhe des Aortenabganges

Muskeltrabekeln (Trabeculae carneae) durchsetzt wird, ist die Ausflussbahn eher glattwandig (Conus arteriosus, Infundibulum). Der Übergang zwischen Einfluss- und Ausflussbahn wird durch eine muskulär begrenzte Öffnung gebildet. Die im oberen Bereich verlaufende Crista supraventricularis wird im unteren Anteil durch die vom Septum zur Ventrikelwand ziehende Trabecula septomarginalis (Moderatorband, Leonardo-Bündel) und dem von dieser entspringenden M. papillaris anterior zu einer (in der Systole) nahezu kreisrunden Öffnung ergänzt (Abb. 10.69). Rechte Atrioventrikularklappe. Vom Rand des Ostium atrioventriculare dextrum entspringen 3 bindegewebige, von Endokard überzogene, dreieckige Segel, Cuspides (Abb. 10.71). Ihr eigentlicher Ursprung ist dabei das bindegewebige Herzskelett an der Grenze zwischen Vorhof und Kammermuskulatur, und hier der Anulus fibrosus dexter. Nach ihrer Lage bezeichnet man ein vorderes (Cuspis anterior), ein hinteres (Cuspis posterior) und ein septales Segel (Cuspis septalis). Letzteres entspringt zusätzlich noch von der Pars membranacea des Septum interventriculare. Sie bilden zusammen

die Valva atrioventricularis dextra (Valvula tricuspidalis). Von der freien Spitze und der Außenfläche der Cuspes entspringen Sehnenfäden, Chordae tendineae, die zu den Mm. papillares ziehen. Diese liegen an der Grenze zweier Klappen, die sie mittels der Chordae tendineae spannen. Die Chordae tendineae können (erklärbar durch ihre Entwicklung aus den Trabekeln der Ventrikel) in unterschiedlichem Maße Muskelgewebe enthalten und lassen sich abhängig von ihrem Ansatzpunkt an den Klappen in 3 Gruppen unterteilen: Chordae 1. Ordnung ziehen mit einer Vielzahl feinster Fäden zu den freien Rändern der Klappe, Chordae 2. Ordnung ziehen zur ventrikulären Unterfläche und sind die eigentlichen Klappenspanner und Chordae 3. Ordnung ziehen zum Winkel zwischen Klappe und Wandung. Papillarmuskeln. Der lange M. papillaris anterior entspringt von der Trabecula septomarginalis und entsendet Chordae tendineae zum vorderen und hinteren Segel. Der hintere Papillarmuskel ist kurz und über Chordae tendineae mit dem hinteren und dem septalen Segel verbunden. Am Septum können

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

856

2 kleine septale Papillarmuskeln vorkommen. Ihre Chordae tendineae können aber auch direkt an der Scheidewand entspringen (Sehnenfäden zum septalen und vorderen Segel). Bei der Kammerkontraktion wird in der Systole das Blut vor das Ostium atrioventriculare getrieben. Die Segel legen sich so dicht aneinander, dass der Rückstrom des Blutes in den Vorhof verlegt ist. Die Papillarmuskeln verhindern mit ihren Chordae tendineae, dass die Klappen in den Vorhof zurückschlagen.

pulmonalis vor. Lässt zum Ende der Systole der Blutstrom aus der rechten Kammer soweit nach, dass der Druck in der Kammer den im Truncus pulmonalis unterschreitet, so füllen sich die Taschen; die freien Schliessungsränder der Tasche lagern sich so dicht aneinander, dass das Rückströmen des Blutes in der Diastole verhindert wird. Noduli (Arantii) und Lunulae unterstützen dabei den vollständigen Klappenschluss.

Pulmonalklappe (Valva trunci pulmonalis). Sie wird von 3 halbmondförmigen Taschen (Valvulae semilunares) gebildet, die mit ihrer Basis am Übergang zwischen Conus arteriosus und Truncus pulmonalis angeheftet sind. Nach ihrer Lage kann man eine vordere, eine rechte und eine linke Tasche (Valvula semilunaris anterior, dextra und sinistra) unterscheiden (Abb. 10.69). Ihre freien Ränder ragen in das Arterienlumen vor und tragen ein Knötchen, Nodulus valvulae semilunaris, und seitlich von diesem jederseits eine halbmondförmige, verdünnte Stelle, die Lunula valvulae semilunaris. An der Außenseite wölben sie sich als Sinus trunci

10.7.1.3.3 Linker Vorhof, Atrium sinistrum Wand. Der linke Vorhof ist dickwandiger als der rechte und erhält über die Vv. pulmonales sauerstoffreiches Blut aus der Lunge. Pulmonalvenen. Sie (meist jeweils eine obere und untere rechte und linke V. pulmonalis) münden klappenlos im hinteren oberen Bereich (Abb. 10.72). Die Anzahl der Venenmündungen ist allerdings inkonstant. Der zwischen den Lungenvenen gelegene Teil wurde erst in der Entwicklung in den Vorhof einbezogen. Die Wandung des linken Vorhofs ist größtenteils glatt, am Septum kann man

Aorta A. pulmonalis dextra

Lig. arteriosum (Botalli) A. pulmonalis sinistra

Vv. pulmonales dextrae Atrium sinistrum

Vv. pulmonales sinistrae Eingang in die Auricula sinistra

V. cava inferior

Auricula sinistra

Chordae tendineae M. papillaris anterior

Septum interatriale Cuspis anterior Cuspis posterior

Ventriculus sinister (Septum interventriculare)

Valva atrioventricularis sinistra [mitralis]

Chordae tendineae M. papillaris posterior

Abb. 10.72: Linker Vorhof und linke Kammer von dorsal, dorsale Wand teilweise entfernt

10.7.1 Herz, Cor

857

die Valvula foraminis ovalis abgrenzen, die hufeisenförmig verläuft und sich nach vorne oben öffnet. Links oben wendet sich das schmale linke Herzohr (Auricula sinistra) zur Vorderfläche des Herzens, wo es zwischen Truncus pulmonalis und Ventriculus sinister erscheint. Der Übergang zum Herzohr ist durch eine Einschnürung markiert, sein Lumen von kleinen Mm. pectinati durchzogen.

Die Einflussbahn zieht vom Ostium atrioventriculare sinistrum bis in den Spitzenbereich. Sie ist dicht mit feinen Trabeculae carneae besetzt, deren Menge zur Spitze hin zunimmt. Dort beginnt die Ausflussbahn, die unter dem aortalen (vorderen) Segel der Mitralklappe, begrenzt durch den M. papillaris anterior, zur Aortenklappe hin ansteigt und in ihrem Endteil glattwandig ist.

10.7.1.3.4 Linke Kammer, Ventriculus sinister

Kammerseptum, Septum interventriculare. Es besteht aus einer großen Pars muscularis und einer kleinen (oberen) Pars membranacea, die durch eine leichte Verdickung (Limbus marginalis) voneinander abgegrenzt werden können (Abb. 10.73, 84, 85). Der muskuläre Anteil ist etwa so dick wie die übrige Wand des linken Ventrikels, der membranöse Teil lässt sich nochmals unterteilen in einen atrioventrikulären und einen interventrikulären Bereich. Diese Unterteilung ist durch den Ansatz des septalen Segels der Trikuspidalklappe markiert. Oberhalb dieses Ansatzes trennt die Pars membranacea den linken Ventrikel vom rechten Vorhof.

Wand. Die linke Kammer besitzt eine besonders kräftige Wand (etwa dreifache Dicke der rechten Ventrikelwandung). Gestalt. Sie entspricht etwa einer auf dem Kopf stehenden Pyramide mit abgestumpfter Spitze, wobei die Basis der Pyramide durch die linke Atrioventrikularklappe und die Aortenklappe gebildet wird, ihre Spitze durch die Herzspitze. Einteilung. Wie beim rechten Ventrikel unterscheidet man eine Einfluss- von einer Ausflussbahn.

V. cava superior

Septum interatriale

Atrium sinistrum Valvula semilunaris posterior Valvula semilunaris sinistra

Atrium dextrum mit Mm. pectinati

Valva aortae

Pars membranacea septi interventricularis Cuspis posterior

V. cava inferior

Cuspis anterior

Valva atrioventricularis sinistra [mitralis]

Pars muscularis septi interventricularis Valva atrioventricularis dextra [tricuspidalis]

Cuspis posterior

M. papillaris posterior

Cuspis septalis M. papillaris anterior Mm. papillares

Ventriculus sinister

Ventriculus dexter Trabeculae carneae

Abb. 10.73: Frontalschnitt durch das Herz in der Ebene der Atrioventrikularklappen

858

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Linke Atrioventrikularklappe, Valva atrioventricularis sinistra (Valva mitralis). Sie wird von 2 Segeln gebildet, die mit ihrer Basis vom Anulus fibrosus sinister des Herzskelettes entspringen. Da die Klappe eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Bischofsmütze (Mitra der westlichen Kirchen) besitzt, wird sie auch oft als Mitralklappe (Valva mitralis) bezeichnet. Die Segel der Klappe werden als Cuspis anterior (Aortensegel) und posterior (Wandsegel) bezeichnet. Die Cuspis anterior entspringt vorne medial, die Cuspis posterior hinten lateral, so dass der Öffnungsschlitz von medial, hinten, unten nach lateral, vorne, oben zieht. Über Chordae tendineae sind beide Segel in der Regel mit 2 kräftigen Papillarmuskeln verbunden. Der M. papillaris anterior entspringt im vorderen Bereich der Seitenwand, der hintere Papillarmuskel zwischen Hinter- und Seitenwand. Aortenklappe, Valva aortae. Sie wird wie die Pulmonalklappe von 3 halbmondförmigen Taschen (Valvulae semilunares) gebildet. Nach ihrer Lage werden sie als Valvula semilunaris posterior, dextra, und sinistra bezeichnet. Sowohl die Noduli als auch die Lunulae valvularum semilunarium aortae (Arantii) sind kräftiger ausgeprägt als an der Pulmonalklappe. Oberhalb der Klappe ist die Aortenwand zum Sinus aortae (Valsalvae) ausgebuchtet. Klinik. 1. Funktionell unterscheidet man Verengungen (Stenosen) und Undichtigkeiten (Insuffizienzen). Bei Stenosen öffnet die Klappe nicht hinreichend (vermehrte Arbeit des Herzteils, der Blut durch diese Engstelle pumpen muss). Insuffizienzen führen zu retrograden Blutflüssen (z. B. in der Systole aus dem Ventrikel in den Vorhof). Darüber hinaus gibt es auch kombinierte Defekte, d. h. die betreffende Klappe öffnet nicht richtig und schließt nicht dicht. 2. Erworbene Klappenfehler (z. B. entzündlich, rheumatisch, degenerativ) finden sich meist am (stärker belasteten) linken Herzen.

10.7.1.4 Feinbau des Herzens Die Herzwand besteht aus 3 Schichten, entsprechend den Schichten der Blutgefäße. Innen liegt das Endokard, dem sich das kräftige Myokard auflagert, welches außen von einer serösen

Membran, dem Epikard, bedeckt wird. Das Epikard stellt gleichzeitig das viszerale Blatt des Herzbeutels, Perikard, dar.

10.7.1.4.1

Herzinnenhaut, Endokard, Endocardium

Als Fortsetzung der Tunica intima der Gefäße kleidet das Endokard die innere Oberfläche der Herzräume aus. Aufbau. Während es in den Ventrikeln so dünn ist, dass die Muskelfasern durchscheinen, ist es in den Vorhöfen dicker ausgebildet und hat eine weißliche Färbung. Die Oberfläche des Endokards wird von platten polygonalen Endothelzellen gebildet, die einer Basallamina aufliegen. Subendothelial findet sich elastisches und kollagenes Bindegewebe, in das glatte Muskelzellen integriert sind, die die Endokardschicht an die in der Herzaktion wechselnde Myokardform anpassen. Bis auf die Papillarmuskeln ist die Endokardschicht im ganzen Herzen über eine Subendokardialschicht mit dem interstitiellen Bindegewebe des Myokards verbunden. In dieser Übergangsschicht ziehen kleine Blutund Lymphgefäße, Nerven und im Ventrikelbereich Faserzüge des Erregungsleitungssystems. Das Endokard wird teils aus dem Blut in den Herzkammern, teils aus dem subendokardialen Gefäßnetz versorgt. Herzklappen. Sie stellen Endokardduplikaturen mit einem straffen Bindegewebskern dar. Die Klappen sind im Normalfall frei von Blutgefäßen, werden aber von feinen Nervenfasern durchzogen. Klinik: Entzündungen des Endokards (Endokarditis), die auch auf die anderen Herzanteile (Myokarditis, oder das ganze Herz: Pankarditis) übergreifen können, sind relativ selten. Sie können durch eine Autoimmunreaktion bedingt sein (das Immunsystem „verwechselt“ körpereigenes Gewebe mit Antigenen z. B. von Bakterien) oder infektiös (meist bakteriell). Die infektiöse Endokarditis befällt meist vorgeschädigte Herzklappen und hier besonders häufig das linke Herz.

10.7.1 Herz, Cor

859 Valvula semilunaris sinistra

Valvula semilunaris dextra Valva trunci pulmonalis

Valvula semilunaris anterior

Valvula semilunaris dextra

Valvula semilunaris sinistra

Valvula semilunaris posterior

Valva aortae

A. coronaria dextra

A. coronaria sinistra Trigonum fibrosum sinistrum

Anulus fibrosus dexter

Trigonum fibrosum dextrum Valva atrioventricularis sinistra [mitralis]

Cuspis anterior

Cuspis anterior

Cuspis posterior

Cuspis septalis Cuspis posterior

Anulus fibrosus sinister

Valva atrioventricularis dextra [tricuspidalis]

Septum interatriale Sinus coronarius V. cordis media

Valvula sinus coronarii

Abb. 10.74: Ventilebene des Herzens. Vorhöfe entfernt

10.7.1.4.2 Herzskelett Als Herzskelett werden Bindegewebszüge zusammengefasst, die die Herzmuskulatur von Vorhöfen und Kammern voneinander trennen und darüber hinaus die Herz- von der Gefäßmuskulatur abgrenzen (Abb. 10.74). Hinzugezählt wird auch die Pars membranacea des Ventrikelseptums. Aufbau. Das Herzskelett ist in Höhe der Ventilebene des Herzens lokalisiert und wird muskulär nur von Fasern des Erregungsleitungssystems durchdrungen. An der Vorhofkammergrenze ist das Bindegewebe zu je einem Anulus fibrosus dexter und sinister verdichtet, die die Atrioventrikularostien umgreifen und einerseits den Segeln der Atrioventrikularklappen, andererseits der Vorhof- und Kammermuskulatur zum Ursprung bzw. Ansatz dienen. Auch Aorta und Truncus pulmonalis besitzen oberhalb ihrer Klappen bindegewebige Ringe. Beide werden über die Tendo infundibuli verbunden. Ein Bindegewebszwickel zwischen Aorta und Anulus fibrosus dexter und sinister wird als Trigonum fibrosum dextrum, ein weiterer, links von Aorta und Anulus fibrosus sinister, als Trigonum fibrosum sinistrum bezeichnet. Das rechte Trigonum dient dem Durchtritt des Erregungsleitungssystems. Von diesem Trigonum zieht darüber hinaus ein ca.

1 mm dicker Kollagenfaserzug subendokardial bis zur Mündung der unteren Hohlvene im Bereich der Valvula v. cavae inferioris (Todaro-Sehne).

10.7.1.4.3 Herzmuskel, Myokard, Myocardium Die quergestreifte Muskulatur des Herzens bildet ein Raumnetz, das am Herzskelett entspringt und ansetzt und einige Hauptverlaufsrichtungen erkennen lässt (Abb. 10.75). Vorhofmuskulatur. Da die Vorhofentleerung zu einem großen Teil passiv (unter der Sogwirkung der Ventrikel in der Diastole) erfolgt, findet sich hier nur eine dünne Muskelschicht. Erkennbar sind längere oberflächliche Züge, die quer über beide Vorhöfe verlaufen, und innere Bogenfasern, die vom Herzskelett über das Vorhofdach zum Herzskelett ziehen und dabei zumeist nur einen Vorhof umgreifen. Zwischen den beiden Vorhöfen erstreckt sich als prominentester langer Muskelzug der Fasciculus interauricularis horizontalis. Ein Teil der Muskelfasern strahlt in das Vorhofseptum ein und umgibt bogenförmig das Foramen ovale. Kammermuskulatur. An den Kammern unterscheidet man eine äußere, mittlere und innere Schicht, die allerdings ineinander übergehen. Die

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

860 Trigonum fibrosum sinistrum

Aorta

Ostium atrioventriculare sinistrum

Innere Längsfasern

Chordae tendineae

Äußere Schrägfasern

Papillarmuskel Mittlere Ringfasern

Vortex cordis

äußere Schicht ist schräg bis längs gerichtet und entspringt vom Herzskelett. Sie verläuft in linksgerichteten Schraubenzügen bis zur Herzspitze, wo sie sich im Vortex cordis (Herzwirbel) in die Tiefe senkt, um als innere Schrägfasern wieder bis zum Herzskelett oder in die Papillarmuskeln aufzusteigen. Tiefere Fasern der äußeren Schicht senken sich vor allem in den Sulci interventriculares in die Tiefe, umkreisen die beiden Ventrikel einzeln und streben dann ebenfalls in der inneren Längsschicht wieder dem Herzskelett und den Papillarmuskeln zu. Die mittlere Schicht ist mehr zirkulär angeordnet und bildet das eigentliche „Triebwerk“ bei der Entleerung der Kammern. Die Ringmuskelschicht ist für jeden Ventrikel selbständig und links deutlich stärker als rechts ausgeprägt.

10.7.1.4.4

Herzaußenhaut, Epikard, Epicardium

Als seröse Haut überzieht das Epikard die Außenfläche des gesamten Herzens und stellt gleichzeitig das viszerale Blatt des Herzbeutels dar = Lamina visceralis. Es besteht aus einer Einzelschicht von Mesothelzellen, die je nach Funktionszustand des Herzmuskels in ihrer Form (platt bis isoprismatisch) variieren. Vom Myokard ist es durch eine subseröse fibroelastische Membran getrennt, die an den Vorhöfen besonders kräftig (bis zu 1 mm), an den Ventrikeln vergleichsweise dünn ausgeprägt ist. Eingelagert sind mehr oder weniger große Fettpolster, die die Gestalt des Herzens abrunden.

Abb. 10.75: Muskelfaserverlauf der linken Kammer

10.7.1.4.5 Herzbeutel, Perikard, Pericardium Das viszerale Blatt (Epikard) des Herzbeutels setzt sich auch auf den Anfangsteil der großen Gefäße (Aorta, Truncus pulmonalis und V. cava superior) fort und schlägt hier in das parietale Blatt des Herzbeutels (Lamina parietalis, Pericardium) um. Der Herzbeutel schützt die Herzmuskulatur vor einer starken Überdehnung und stellt zudem eine Barriere gegen Entzündungen aus der Umgebung dar. Das Perikard gliedert sich in ein Pericardium serosum und ein Pericardium fibrosum. £ Seröse Schicht. Sie ist einlagig aus Mesothel-

zellen aufgebaut und gibt eine Flüssigkeit ab, die die beiden Blätter des Herzbeutels beinahe reibungsfrei aufeinander gleiten lässt. £ Umschlagrand des viszeralen in das parietale Blatt des Herzbeutels. Er liegt bei Aorta und Truncus pulmonalis einige (ca. 3 cm) Zentimeter oberhalb ihres Ursprungs aus den Ventrikeln am Abgang des Truncus brachiocephalicus und an der Aufteilung des Truncus pulmonalis. Die Lamina visceralis pericardii setzt sich auch auf die Vorderfläche der in den rechten Vorhof mündenden V. cava superior fort. Der Umschlagrand an der Vena cava inferior und den Lungenvenen liegt hingegen näher am Eintritt in die Vorhöfe. Die Umschlagränder der Venen und Arterien sind durch die Schleifenbildung im Rahmen der Herzentwicklung in unmittelbare Nähe zueinander gerückt, werden aber noch durch einen

10.7.1 Herz, Cor

861 Truncus sympathicus, Ganglion cervicothoracicum (stellatum)

Ganglion cervicothoracicum (stellatum)

Oesophagus, N. laryngeus recurrens

Ansa subclavia

Nn. phrenicus et phrenicus accessorius

Truncus thyrocervicalis

Ductus thoracicus Rr. cardiaci inferiores

A. thoracica interna N. phrenicus, A. pericardiacophrenica

N. vagus, N. laryngeus recurrens

N. vagus

A. thoracica interna

Plexus cardiacus

N. phrenicus, A. pericardiacophrenica

N. laryngeus recurrens, Lig. arteriosum

Aorta ascendens V. cava superior

A. pulmonalis sinistra

Sinus transversus pericardii

Vv. pulmonales sinistrae

Vv. pulmonales dextrae

Sinus obliquus pericardii

V. cava inferior

Oesophagus (durchscheinend) Pericardium serosum (Lamina parietalis)

Abb. 10.76: Herzbeutelrückwand nach Herausnahme des Herzens

schmalen Gang (Sinus transversus) getrennt (Abb. 10.76). Der Sinus transversus lässt sich demonstrieren, indem man den Finger vor der Vena cava superior und hinter der Aorta ascendens und den Truncus pulmonalis einführt. Ventral vom Finger liegt dann der arterielle Pol (Porta arteriosa) des Herzens (Aorta und Truncus pulmonalis), dorsal von ihm der venöse Pol (Porta venosa), die Vv. cavae und die Vv. pulmonales. Da die Vena cava inferior relativ weit von den übrigen Venen entfernt mündet, dehnt sich die gemeinsame Umschlagfalte der Porta venosa sehr weit nach kaudal aus. Es entsteht die Form eines „liegenden T“ (|—), auch „Sappey-T“ genannt. Die beiden Vv. cavae bilden dabei die Enden des vertikalen Schenkels,

in dem sich auch die beiden rechten Lungenvenen finden. Der horizontale Schenkel verbindet beide linken mit der oberen rechten Lungenvene. Der von unten zwischen die Schenkel des T ziehende Spalt endet blind und wird als Sinus obliquus pericardii bezeichnet. Weitere Aussackungen des Herzbeutels kommen vor, sind aber inkonstant. Gewöhnlich liegen die Wände der Sinus aneinander, sind also nur nach Eröffnung des Herzbeutels „künstlich“ darstellbar. £ Fibröses Blatt des Perikards. Dieses besteht aus Kollagenfasern und elastischen Netzen. Es vermittelt die Verbindung zur Umgebung des Herzbeutels. Verwachsungen finden sich am Zwerchfell (am Durchtritt der V. cava inferior und von allen Seiten der oberen Zwerchfellfaszie), am

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

862

Aortenbogen (Lig. aorticopericardiacum) und an der Bifurcatio tracheae (Lig. tracheopericardiacum).

Gefäße und Nerven des Herzbeutels Arterien Die arterielle Versorgung des Herzbeutels erfolgt zum einen mit Rr. pericardiaci aus dem thorakalen Abschnitt der Aorta, zum anderen aus der A. thoracica interna und der aus ihr hervorgehenden A. pericardiacophrenica sowie aus den Aa. phrenicae superiores.

Venen Venen aus dem Herzbeutel münden in die Vv. azygos, pericardiacophrenicae und brachiocephalicae.

V. cava superior

Lymphabfluss Der Lymphabfluss erfolgt über Stationen im vorderen und hinteren Mediastinum (Nll. mediastinales anteriores und parasternales sowie posteriores).

Nerven Nur das parietale Blatt des Herzbeutels ist schmerzempfindlich und wird durch den N. phrenicus innerviert. Weitere Fasern kommen vom N. vagus und Truncus sympathicus. Klinik: 1. Normalerweise befinden sich in der Herzbeutelhöhle etwa 30–50 ml einer serösen Flüssigkeit. Wenn sich bei chronischen Erkrankungen langsam eine größere Menge an Flüssigkeit ansammelt, können Volumina bis zu 1 l und mehr aufgenommen werden, ohne dass es zu einer Kompression des Herzens kommt. 2. Fehlt – bei akuten Prozessen (z. B. Herzwandruptur durch Myokardinfarkt) – die Zeit für eine Anpassung des Herzbeutels, reichen schon Mengen von etwa 100–300 ml aus, um das Herz zu komprimieren (Herzbeuteltamponade).

Truncus pulmonalis

Aorta ascendens Auricula sinistra Auricula dextra Conus arteriosus V. cordis magna

A. coronaria dextra

R. interventricularis anterior a. coronariae sinistrae

Vv. cordis anteriores

Ventriculus sinister Ventriculus dexter

Apex cordis

Abb. 10.77: Kranzgefäße des Herzens von ventral

10.7.1 Herz, Cor

863

10.7.1.5

Gefäßversorgung des Herzens

10.7.1.5.1

Herzkranzarterien, Koronararterien, Aa. coronariae

Die subepikardial gelegenen Koronararterien ernähren den Herzmuskel. Sie müssen den dauernd tätigen Herzmuskel optimal mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Vorwiegend in der Umgebung der Kranzgefäße des Herzens liegt eine variable Menge von Fettgewebe unter dem Epikard. Es füllt als Baufett die Furchen des Herzens, gleicht die Unebenheiten der Oberfläche aus und erleichtert damit die Bewegungen im Herzbeutel. Benannt werden die Koronargefäße nach der Lage ihrer Hauptstämme in der Kranzfurche des Herzens (Sulcus coronarius). Prinzipiell unterscheidet man anatomisch 2 Koronararterien, die sich dann aber individuell stark variierend weiter aufteilen (Abb. 10.77). Die Nomenklatur ist uneinheitlich; neben der offiziellen Terminologia anatomica hat sich in der ärztlichen Praxis eine von der reinen Deskription abweichende Terminologie etabliert, die insbesondere die funktionellen und (patho-) physiologischen Aspekte berücksichtigt. Vielfach haben sich dabei die englischsprachigen Fachbegriffe und besonders ihre Abkürzungen durchgesetzt, die deshalb hier mit aufgeführt werden. Einen Überblick über die Terminologie gibt Tabelle 10.8.

Der Ursprung der Hauptstämme aus dem aufgetriebenen Sinus aortae (Valsalvae) schützt die Koronaröffnungen vor einem Verschluss durch die Taschenklappen während der Systole.

Linke Herzkranzarterie, A. coronaria sinistra (engl.: left coronary artery, LCA) Verlauf. Die A. coronaria sinistra entspringt im Sinus aortae oberhalb der linken Tasche der Aortenklappe (Abb. 10.74, 78) und erscheint zwischen dem Truncus pulmonalis und dem linken Herzohr auf der Facies sternocostalis. Der Hauptstamm ist mit ca. 0,5–3 cm relativ kurz. Sie teilt sich in einen R. interventricularis anterior (RIVA, engl.: left anterior descending, LAD) und einen R. circumflexus (RCX, engl.: left circumflex, LCX). Der RIVA verläuft im Sulcus interventricularis anterior zur Herzspitze oder sogar um diese herum. Manchmal ist der RIVA nur als sehr kurzes Gefäß angelegt, das die Herzspitze nicht erreicht und sich schon früh in seine Endäste aufzweigt. Kompensatorisch ist in solchen Fällen der R. interventricularis posterior kräftiger ausgeprägt (s. u.). Versorgungsgebiete. Der RIVA versorgt die angrenzenden Teile der Vorderwand des rechten Ventrikels, die vorderen 2/3 des Septums, den vorderen Spitzenteil des linken Ventrikels und den vorderen Papillarmuskel der linken Kammer (zur ausgesprochen variablen Versorgungssituation des Herzmuskels s. u.). Zum Conus arteriosus zieht nahe dem Ursprung des RIVA ein R. coni arteriosi (Abb. 10.78). 2 oder mehr kräftige diagonale Äste (Rr. laterales/D1 und D2, evtl. D3) versorgen die Vorderfläche des linken Ventrikels. Auf der Rückseite des RIVA entspringen septale Äste (Rr. interventriculares septales, S1-Sn), die tief in das muskuläre Septum ziehen. Ein proximaler septaler Ast (S1) versorgt das His-Bündel und die Tawara-Schenkel

Tabelle 10.8: Nomenklatur der Koronararterien. Gegenüberstellung der Benennung der Herzkranzarterien und wichtiger Äste. Links: Offizielle Terminologia Anatomica von 1998; Mitte: Klinischer Sprachgebrauch z. B. in der Koronarangiographie; rechts: gängige Abkürzungen. Terminologia Anatomica 1998

Klinischer Sprachgebrauch

Gängige Abkürzungen

A. coronaria sinistra R. interventricularis anterior R. lateralis Rr. interventriculares septales R. circumflexus R. marginalis sinister A. coronaria dextra R. marginalis dexter R. interventricularis posterior Rr. interventriculares septales

A. coronaria sinistra R. interventricularis anterior Diagonaläste vordere Septaläste R. circumflexus Marginaläste A. coronaria dextra RV-Äste R. interventricularis posterior hintere Septaläste

LCA RIVA oder LAD D1–Dn S1–Sn RCX M1–Mn RCA – RIVP oder PDA –

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

864

A. coronaria dextra Rr. atriales R. coni arteriosi R. nodi sinuatrialis (R. nodi sinuatrialis dexter) Auricula dextra R. interventricularis posterior Forts. d. A. coron. dextra (R. ventricularis dexter) R. marginalis dexter

Aorta ascendens

A. coronaria sinistra Truncus pulmonalis R. cirumflexus (R. circumflexus sin.)

Auricula sinistra

R. nodi sinuatrialis R. circumflexus (R. circumflexus sin.) Auricula sinistra Rr. atriales R. interventricularis ant. R. atrialis intermedius (R. atrialis anastomoticus) R. coni arteriosi Rr. atrioventriculares R. lateralis (R. marginalis) R. atrialis anastomoticus Rr. interventriculares R. nodi atrioventricularis (R. atrioventricularis sin.) septales R. marginalis sin. (Rr. septales ant.) R. posterior ventriculi sin. (R. posterolateralis sin.)

Ventriculus dexter

Vv. pulmonalis

R. atrialis intermedius (R. atrialis dexter) R. nodi atrioventricularis R. posterolateralis dexter R. interventricularis posterior Rr. interventriculares septales (Rr. septales posteriores)

Ventriculus sinister

Abb. 10.78: Arterien der Vorderwand (links) und der Hinterwand (rechts) des Herzens; zusätzliche klinisch übliche Bezeichnungen sind in Klammern angegeben (Quelle: J. Staudt, Berlin)

und zieht (inkonstant) über das Moderatorband zum M. papillaris anterior des rechten Ventrikels. Der RCX der linken Herzkranzarterie gelangt im Sulcus coronarius nach links zur Zwerchfellfläche des Herzens. Von ihm entspringt zunächst ein R. atrialis anastomoticus zur rechten Kranzarterie, dann ein (bis 3) R. marginalis sinister (M1–M3) zum Außenrand des linken Ventrikels. Rr. atrioventriculares versorgen linken Vorhof und Kammer; zur Rückwand des linken Vorhofes zieht der R. atrialis intermedius, zur Rückwand der linken Kammer der R. posterior ventriculi sinistri (R. posterolateralis sinister). Überschreitet der RCX die Crux cordis (dort wo beide Vorhöfe und Kammern an der Facies diaphragmatica zusammentreffen, s. u.) gibt er häufig noch zusätzliche Rr. posterolaterales, evtl. einen R. interventricularis posterior (RIVP) und einen R. nodi atrioventricularis (zum AV-Knoten) ab. Manchmal entspringt zwischen RCX und RIVA ein R. intermedius, der zwischen den beiden Hauptästen diagonal in Richtung auf die Herzspitze zieht.

Rechte Herzkranzarterie, A. coronaria dextra (engl.: right coronary artery, RCA) Verlauf. Die A. coronaria dextra entspringt im Sinus aortae der rechten Aortenklappe, verläuft in der Kranzfurche nach rechts bis zum Sulcus interventricularis posterior, wo sie als R. interventricularis posterior (RIVP, engl.: posterior descending artery, PDA) bis zur Herzspitze absteigt. Der Anfangsteil ist vom rechten Herzohr

bedeckt. Als ersten Ast gibt die rechte Kranzarterie den R. coni arteriosi (Konusarterie) ab, die zum Anfangsteil des Truncus pulmonalis zieht. Der R. nodi sinuatrialis (Sinusknotenarterie) zieht über das Vorhofseptum nach dorsal und zweigt sich dann in mehrere Äste auf, die den Sinusknoten und Teile des rechten und linken Vorhofes versorgen. In 45 % der Fälle entspringt die Sinusknotenarterie aus der linken Koronararterie (R. circumflexus). Weitere Äste aus dem Hauptstamm der rechten Koronararterie ziehen als Rr. atriales in die Wand des rechten Vorhofs und als R. marginalis dexter zur Vorderwand des rechten Ventrikels (RV-Äste). Abschließend teilt sich die rechte Koronararterie auf in einen RIVP und einen R. posterolateralis dexter. Aus letzterer wird die diaphragmale Fläche des linken Ventrikels versorgt. Zudem gibt sie meistens (90 %) ein Gefäß an den AV-Knoten ab. In den übrigen 10 % erfolgt dessen arterielle Versorgung durch den RCX der linken Koronararterie (s. o.). Der RIVP zieht im hinteren Sulcus interventricularis zur Herzspitze und versorgt mit mehreren septalen Ästen das hintere Drittel des Septum interventriculare.

Arterielle Versorgungstypen Zum Verständnis der sehr individuellen arteriellen Versorgung des Herzens bedient man sich des „Ring-Schleifen-Modells“ (oder auch „Doppelringmodell“). Ein (atrioventrikulärer) Ring wird hierbei im Sulcus coronarius

10.7.1 Herz, Cor

zwischen Vorhöfen und Kammern von der A. coronaria dextra und dem R. circumflexus der linken Koronararterie gebildet. Auf diesem steht etwa senkrecht ein zweiter (interventrikulärer) Ring (oder Schleife), der im Sulcus interventricularis anterior und posterior verläuft und durch den R. interventricularis anterior der linken Koronararterie und den R. interventricularis der rechten Koronararterie gebildet wird. Die beiden Ringe treffen sich an der hinteren Fläche des Herzens in der Crux cordis, dort wo Sulcus interventricularis posterior und Sulcus coronarius zusammentreffen. Versorgungsgebiete der Kranzgefäße. Sie sind variabel. Insbesondere die atrioventrikuläre Schleife ist sehr uneinheitlich gestaltet. Prinzipiell kann man aber sagen, dass sich die Größe von A. coronaria dextra und R. circumflexus der linken Koronararterie umgekehrt proportional zueinander verhalten (gleiches gilt auch für den R. interventricularis anterior und posterior an der interventrikulären Schleife). Je nachdem, welche Bereiche des Herzens von der A. coronaria dextra bzw. vom R. circumflexus versorgt werden, unterscheidet man einen Rechts-, einen Links- und einen balancierten (ausgeglichenen, Normal-) Versorgungstyp. Genau genommen orientiert man sich daran, welche Kranzarterie die A. interventricularis posterior abgibt. Beim Rechts- und beim balancierten Versorgungstyp wird diese von der A. coronaria dextra abgegeben, beim Linksversorgungstyp von der A coronaria sinistra. Da in diesem Bereich relativ große Anastomosen zwischen hinterer und vorderer interventrikulärer Arterie bestehen, ergeben sich je nach Versorgungstyp weitreichende Konsequenzen im Falle eines Verschlusses oder einer Einengung der linken Koronararterie. Bei einem Linksversorgungstyp resultiert im Falle einer Minderdurchblutung der linken Kranzarterie eine Ischämie des gesamten Septums und wichtiger Teile des Erregungsbildungs- und -leitungssystems. Bei einem Rechtsversorgungstyp kann eine solche Minderdurchblutung zum Teil über die septalen Äste der rechten Kranzarterie aufgefangen werden (Abb. 10.79). Verteilung der Typen (s. Tab. 10.9). Statistisch überwiegt bei weitem der Rechtsversorgungstyp (60–85 %), bei dem die A. coronaria dextra mehr oder weniger weit über die Crux cordis hinausragt,

865

R.

L.

a

R.

L.

b

R.

L.

c

Abb. 10.79: Versorgungsgebiet der rechten (schwarz) und linken (weiß) Koronararterie. Horizontalschnitt durch die Ventrikel, Blick von unten. a. Rechtsversorgungstyp, b. Indifferenztyp, c. Linksversorgungstyp Tabelle 10.8: Wichtige Versorgungsgebiete der Koronararterien Versorgungsgebiet

Koronararterie (und Äste)

Vorderwand

LCA, v. a. über RIVA (LAD) RV-Äste (R. marginalis dexter) aus RCA

rechter Ventrikel (Seiten- und Hinterwand)

RCA, bei Linksdominanztyp: septumnahe Hinterwand auch LCA

Septum

ventral LAD, dorsal: meist RIVP

linker Ventrikel (Hinterwand) RCX, bei Rechtsdominanztyp: RCA linker Ventrikel (Seitenwand)

RCX, LAD

Sinusknoten

55 % RCA, 45 % LCA

AV-Knoten

90 % RCA, 10 % LCA

der Ramus circumflexus die Crux aber nicht erreicht. Die rechte Kranzarterie versorgt einen Großteil des Septums und einen größeren Teil der diaphragmalen Wand des linken Ventrikels. Wird dieser komplett durch die A. coronaria dextra versorgt (allenfalls kleiner R. circumflexus vorhanden), so spricht man vom „extremen Rechtsversorgungstyp“ (ca. 5 %). Beim Linksversorgungstyp (10–15 %) versorgt die linke Kranzarterie den gesamten linken Ventrikel, das ganze Septum und den AV-Knoten. Beim ausgeglichenen Versorgungstyp (10–20 %) versorgt die rechte Kranzarterie den hinteren Anteil (etwa 1/3) des Ventrikelseptums und einen schmalen septumnahen Streifen der diaphragmalen Wand des linken Ventrikels, sowie den größten Teil des rechten Vorhofs und der rechten Kammer. Der vordere Teil des Septums, der Großteil des linken Ventrikels und ein schmaler septumnaher Streifen des rechten Ventrikels werden aus der linken Koronararterie versorgt.

866

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Anastomosen. Zwischen den Ästen der Koronarien bestehen multiple Anastomosen, die aber im Normalfall nicht benutzt werden. Wichtige Verbindungen bestehen im Septumbereich (s. o.), am Conus arteriosus und an der Crux cordis. Bei Unterbrechungen des Blutflusses (s. auch Klinik: Koronare Herzkrankheit) kann sich bis zu einem bestimmten Ausmaß ein Kollateralkreislauf entwickeln. Kapillares Netzwerk des Herzens. Dieses ist sehr ausgedehnt. Es finden sich etwa 3 300 Kapillaren pro mm2, entsprechend einer Kapillare pro Herzmuskelzelle. Dieses Verhältnis ist allerdings fixiert. Kommt es z. B. zu einer Herzhypertrophie (Verdickung der einzelnen Zellen), so kann sich das Kapillarnetzwerk nicht vergrößern um das zunehmende Muskelvolumen besser zu versorgen. Ab einer gewissen („kritischen“) Herzmasse reicht die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung dann nicht mehr aus. Klinik: 1. Abweichungen von der typischen Koronaranatomie sind nicht selten und betreffen

häufig den RCX. Dieser kann mit einem eigenen Ostium von der Aorta, aber auch von der RCA entspringen. Beim ausgesprochenen Linksversorgungstyp kann der RCX sehr groß und die RCA nur rudimentär angelegt sein. Solche Normvarianten besitzen keinen Krankheitswert. 2. Klinisch bedeutsam ist jedoch der Ursprung von Koronargefäßen aus einer Pulmonalarterie, wie z. B. beim Bland-White-Garland-Syndrom, bei dem die linke Koronararterie aus dem Truncus pulmonalis entspringt. Dies führt nach Geburt unmittelbar zu einer Mangelversorgung des Myokards und nachfolgend zu einem Myokardinfarkt bereits im Säuglingsalter. 3. Als Koronare Herzkrankheit (KHK) bezeichnet man die Mangelversorgung des Myokards mit Blut durch einen eingeschränkten Blutfluss in den Koronararterien (Myokardischämie). Ursache ist vor allem die Atherosklerose (Gefäßverkalkung) der extramuralen Koronargefäße, insbesondere in ihren proximalen (höheren Drücken ausgesetzten) Anteilen (Abb. 10.80). Ein Absterben der Herzmuskelzellen beginnt,

3D Viewport

10 cm

Abb. 10.80: 3D-Rekonstruktion einer Elektronenstrahltomographie (EBT) des Herzens. Erheblich kalzifizierte Stenose des Hauptstamms der LCA (Pfeil). Der grüne Punkt in Projektion auf den RIVA entspricht einem Referenzpukt für die im kleinen Bild dargestellte Transversalschicht

Abb. 10.81: 3-D-Rekonstruktion einer Elektronenstrahltomographie (EBT) des Herzens. Zu sehen sind vier ACVB (aorto-koronare Venenbypässe), von denen drei zu Ästen der linken Koronararterie ziehen und einer zur rechten. Das in der Farbdarstellung grau gefärbte Gefäß ist die rechte Koronararterie

10.7.1 Herz, Cor

867

wenn der Blutfluss in einem Koronargefäß unter 25 % der Norm fällt. Sind Arterien betroffen, die das Erregungsbildungs- und -leitungssystem betreffen, können Rhythmusstörungen (Bradykardie, AV-Blockierung) entstehen. In 95 % der Fälle betrifft der Myokardinfarkt fast ausschließlich den linken Ventrikel und greift allenfalls auf rechtsventrikuläre Anteile über (besonders bei Hinterwandinfarkt mit Befall des hinteren Septums). Isolierte rechtsventrikuläre Infarkte sind wesentlich seltener. In 50 % ist der R. interventricularis anterior betroffen. Abhängig von der Höhe des Verschlusses kommt es zu mehr oder weniger ausgedehnten Vorderwand- und Herzspitzeninfarkten sowie Infarzierungen des Septums. In 20 % ist der Ramus circumflexus stenosiert mit der Konsequenz von Seitenwandinfarkten. Aus einem Verschluss der A. coronaria dextra (30 %) ergeben sich Hinterwandinfarkte. Abhängig davon, wie viele der 3 Hauptstämme (RIVA, RCX, RCA) von Steno-

sierungen betroffen sind, spricht man von einer 1-, 2- oder 3-Gefäßerkrankung. Entscheidend für eine interventionelle oder operative Therapie ist jedoch eine Darstellung der Koronararterien mittels Kontrastmitteleinspritzung (Koronarangiographie) oder eine hochauflösende Elektronenstrahltomographie (EBT), da nur auf diese Weise die Lokalisation und das Ausmaß der Stenosierungen sichtbar werden (Abb. 10.80, 81) .

10.7.1.5.2 Herzkranzvenen, Koronarvenen, Vv. coronariae Die Koronarvenen fließen in der Hauptsache durch den auf der Zwerchfellfläche des Herzens gelegenen Sinus coronarius in den rechten Vorhof ab. Der Sinus coronarius zieht dabei im Sulcus coronarius und mündet vor dem medialen Rand der Valvula v. cavae inferioris (Abb. 10.82, 84).

Vv. pulmonales dextrae (sup. et inf.) V. cava superior

Atrium sinistrum

V. cava inferior

Vv. pulmonales sinistrae (sup. et inf.)

Atrium dextrum

V. obliqua atrii sinistri Auricula sinistra

Sinus coronarius

V. cordis magna

V. cordis parva Vv. posteriores ventriculi sinistri

A. coronaria dextra R. interventricularis posterior a. coronariae dextrae

Ventriculus sinister

V. cordis media

Ventriculus dexter

Sulcus interventricularis posterior Apex cordis

Abb. 10.82: Herzkranzgefäße, Facies diaphragmatica

868

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Die V. cordis magna bildet sich aus dem Zusammenfluss der Vv. interventricularis anterior und marginalis sinistra. Sie steigt im Sulcus interventricularis anterior bis zur Kranzfurche auf, wendet sich in ihr nach links zur Zwerchfellfläche, nimmt hier die Vv. ventriculi sinistri posteriores auf und setzt sich in den Sinus coronarius fort. Sie transportiert das venöse Blut aus der Vorderwand beider Ventrikel, der Seitenwand des linken Ventrikels und dem Conus arteriosus des rechten Ventrikels. Die große V. cordis media (V. interventricularis posterior) verläuft im Sulcus interventricularis posterior und führt das Blut aus der diaphragmalen Wand beider Ventrikel. Von rechts zieht die V. cordis parva in den Sinus coronarius und nimmt auf ihrem Weg Vv. atriales und ventriculares aus der rechten Vorhof-Kammerregion auf. Eine vom linken Vorhof zum Sinus coronarius fließende Vene ist die V. obliqua atrii sinistri. Die kleinen Vv. cordis anteriores von der rechten Kammer, Vv. atriales und Vv. ventriculares beider Seiten sowie zahlreiche kleinste Venen, Vv. cordis minimae (Thebesii) münden direkt in den rechten Vorhof, andere auch in den linken Vorhof und in die Kammern.

10.7.1.5.3 Lymphgefäße Jeweils in der Vermittlungsschicht zwischen Endokard und Myokard (Subendokardialschicht) sowie Epikard und Myokard (Subepikardialschicht) findet sich ein Lymphgefäßnetz. Die Lymphe sammelt sich in größeren Gefäßen, die entlang der Koronargefäße verlaufen und in Lymphknotenstationen entlang der großen Gefäße drainieren.

10.7.1.6

Erregungsbildungs-, Erregungsleitungssystem und Herznerven

Neben der Arbeitsmuskulatur des Herzens existieren spezifische Muskelfasern, die das Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem bilden. Dieses System ist für die physiologische Autorhythmie (Autonomie) des Herzens verantwortlich, d. h. die Fähigkeit Erregungen zu bilden (Spontandepolarisation) und so fortzuleiten, dass es zu einer geordneten Kontraktion der Vorhöfe und Kammern kommt. Das vegetative Nervensystem beeinflusst die Herztätigkeit über den Plexus cardiacus und passt sie den jeweiligen Bedürfnissen des Organismus an.

Zusammensetzung. Das Erregungsbildungs- und -leitungssystem besteht aus dem Nodus sinuatrialis (Sinusknoten, Keith-Flack-Knoten), dem Nodus atrioventricularis (AV-Knoten, VorhofKammerknoten, Aschoff-Tawara-Knoten) und dem Fasciculus atrioventricularis (His-Bündel) mit einem rechten und linken Schenkel, die mit dünnen Purkinje-Fasern in der Kammermuskulatur enden (Abb. 10.83). Die Anteile des Erregungsbildungsund -leitungssystems bestehen aus einem Netzwerk dünner, fibrillenarmer und sarkoplasmareicher quergestreifter Muskelfasern in einer ausgedehnten Kollagenmatrix. Die ovalen bis runden Kerne füllen den Querschnitt einer Muskelfaser fast ganz aus. Die Zellen sind glykogenreicher und mitochondrienärmer als die Zellen der Arbeitsmuskulatur. mittleres Internodalbündel (Wenckebach) hinteres Internodalbündel (Thorel) AV-Knoten (Aschoff-Tawara) James-Bündel Kent-Bündel MahaimBündel rechter TawaraSchenkel PurkinjeFasern Septum interventriculare

Sinusknoten (Keith-Flack) BachmannBündel vorderes Internodalbündel KentBündel His-Bündel PurkinjeFasern

linker TawaraSchenkel

Abb. 10.83: Schema zum Erregungsleitungssystem des Herzens (Quelle: Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., Berlin 2002)

£ Sinusknoten. Er liegt in der Wand des rechten

Vorhofes, am vorderen Umfang der Einmündungsstelle der V. cava superior hinter dem rechten Herzohr. Die Lokalisaton entspricht an der Außenfläche etwa dem Sulcus terminalis, an der Innenfläche der Crista terminalis. Der etwa 2 mm breite und 2–3 cm lange Knoten enthält in seiner Peripherie Nervenfasern und Ganglienzellen. Meist zentral findet sich die Sinusknotenarterie, die in 55 % aus der rechten Koronararterie kommt, in 45 % aus der linken (s. o.). Der Sinusknoten ist der primäre Schrittmacher der Herzkontraktionen. Im gesunden Herzen des erwachsenen Menschen erzeugt er in Ruhe 60–90 Erregungen pro Minute.

10.7.1 Herz, Cor

869

£ Wege der Erregungen. Erregungen breiten sich

dann über das Vorhofmyokard aus und gelangen zum AV-Knoten. Für die Erregungsleitung vom Sinus- zum AV-Knoten sind spezifische internodale Bahnen beschrieben worden. Eine vordere Internodalbahn zieht vor dem rechten Herzohr her, eine mittlere Bahn (WenckebachBündel) kreuzt die Crista terminalis und zieht am Vorhofseptum entlang, eine hintere Bahn (Thorel-Bündel) zieht entlang der Crista terminalis und der Valvula v. cava inferioris bis zum AV-Knoten. Zum linken Vorhof ziehen zwei spezifische Bahnen. Im vorderen Bereich zieht der Fasciculus interauricularis anterior (Bachmann), der aus dem vorderen Internodalbündel abzweigt, hinten der Fasciculus interauricularis posterior (Tandler). Die Ausbreitung über die Vorhöfe dauert etwa 0,1 s. £ AV-Knoten. Dieser liegt im Septum interatriale (Abb. 10.84) im rechten Vorhof einige Millimeter links der Mündung des Sinus coronarius (zwischen dieser und der Trikuspidalklappe), nahe dem Anulus fibrosus der rechten Atrio-

ventrikularöffnung (Koch-Dreieck: Trikuspidalanulus – Sinus coronarius – Todaro-Sehne). Der AV-Knoten empfängt die rhythmischen Erregungen des Sinusknotens und leitet sie über das Atrioventrikularbündel an die Arbeitsmuskulatur der Herzkammern weiter. Allerdings verzögert er die Weiterleitung um etwa 90 ms, damit die Füllung der Kammern abgeschlossen werden kann. Fällt der Sinusknoten aus, so übernimmt der AV-Knoten die Funktion des Schrittmachers, mit einer Frequenz von 40–60 Herzschlägen pro Minute. Da die Autorhythmie des AV-Knotens normalerweise von den Impulsen aus dem Sinusknoten überlagert wird, ist er der sekundäre Schrittmacher des Herzens. £ His-Bündel. Zusammen mit dem Atrioventrikularbündel bildet der AV-Knoten das AV-System, dessen Anfang er repräsentiert. Der Fasciculus atrioventricularis durchbricht als normalerweise einzige muskuläre Brücke zwischen Vorhöfen und Kammern das Herzskelett im Trigonum fibrosum dextrum. Entlang der rechten Seite des membranösen Teils der Kammerscheidewand Aorta

V. cava superior Auricula dextra Conus arteriosus

Crista terminalis Fossa ovalis

Pars membranacea septi atrioventricularis

Valvula sinus coronarii

Crus dextrum fasciculi atrioventricularis

Valvula v. cavae inferioris

V. cava inferior

Nodus atrioventricularis

Truncus fasciculi atrioventricularis

Valva atrioventricularis dextra [tricuspidalis]

Abb. 10.84: Blick in rechten Vorhof und Ventrikel. Nodus atrioventricularis, Truncus atrioventricularis und Crus dextrum des Fasciculus atrioventricularis

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

870

Aorta ascendens A. pulmonalis sinistra

A. pulmonalis dextra

V. pulmonalis sinistra

Vv. pulmonales dextrae

Auricula sinistra Valva aortae Atrium sinistrum

M. papillaris posterior

V. cava inferior Schnittrand der Cuspis posterior Pars membranacea septi interventricularis Crus sinistrum fasciculi atrioventricularis M. papillaris anterior

Abb. 10.85: Blick in den linken Vorhof und Ventrikel. Crus sinistrum des Fasciculus atrioventricularis

zieht das Bündel bis zum Übergang in die Pars muskeln und verzweigen sich dann ebenfalls muscularis des Septums. Hier zweigt es sich in weiter in Purkinje-Fasern zum übrigen linksveneinen rechten und einen linken Schenkel auf, die trikulären Myokard. dann rechts und links der Pars muscularis Rich- £ „Falsche Sehnenfäden.“ Bisweilen ziehen intertrabekulär von Endokard überzogene tung Herzspitze ziehen. Fasern des Erregungsleitungssystems durch die • Rechter Schenkel (Crus dextrum fasciculi Ventrikel, die auch als „falsche Sehnenfäden“ atrioventricularis). Er zieht entlang der Kambezeichnet werden. merscheidewand, als mehr rundlicher Strang, subendokardial nach kaudal und zweigt sich in £ Ausfall. Bei Ausfall auch des AV-Knotens als Schrittmacher des Herzens kann ein ventrikuder Trabecula septomarginalis in mehrere Äste läres Zentrum innerhalb des Erregungsbildungsauf, die einerseits in die Papillarmuskeln einund -leitungssystems einspringen. Die Frequenz treten, sich andererseits weiter in feine Fasern dieses tertiären Schrittmacherzentrums liegt (Purkinje-Fasern) verzweigen, die das übrige bei 20–30 Schlägen pro Minute. In diesem Fall Myokard der rechten Kammer versorgen. schlagen Ventrikel und Vorhöfe unabhängig • Linker Schenkel (Crus sinistrum fasciculi voneinander. atrioventricularis). Dieser durchbohrt noch den membranösen Teil der Herzscheidewand, um kaudal der Valva aortae in den linken Ventrikel Klinik: 1. Das Herz des Erwachsenen arbeitet zu gelangen (Abb. 10.85). Er spaltet sich bald in Ruhe normalerweise mit einer Frequenz von nach dem Durchtritt fächerförmig auf, wobei 60–80 min-1. Frequenzen unter 60 min-1 werden zumeist ein vorderer und ein hinterer Schenkel als Bradykardie, solche über 100 min-1 als (Crus sinistrum anterius und posterius) klar Tachykardie bezeichnet. Bradykardien können abgrenzbar sind. Diese ziehen zu den Papillar- physiologisch bei trainierten Menschen vor-

10.7.1 Herz, Cor

kommen, können aber auch medikamentös oder durch Ausfall des Sinusknotens bedingt sein. Tachykardien können in unterschiedlichen Herzbereichen entstehen. 2. Vorhofflimmern: Herzrhythmusstörung mit hochfrequenten, ineffektiven Vorhofaktionen (350–600 min-1). Kammerflattern: Kontraktionsfrequenz der Ventrikel von 250–350 min-1, beim Kammerflimmern: Kontraktionsfrequenz der Ventrikel von 350–500 min-1; in beiden Fällen ist eine effektive Kammerkontraktion nicht möglich und der Patient vital bedroht. 3. Die regelhafte Erregungsleitung kann gestört sein. Man bezeichnet Verzögerungen oder Unterbrechungen als „Block“. 4. Zwischen Vorhof und Ventrikel oder innerhalb der Ventrikel können sich abnormale Verbindungen befinden, die zu einer Störung der geregelten Erregungsausbreitung und damit der normalen Herzaktion führen.

Herznerven Die durch das Erregungsleitungssystem bedingte Autorhythmie des Herzens steht unter der regulierenden Wirkung der Herznerven, des Sympathicus und des Parasympathicus. Parameter der Herzaktion, die über die vegetativen Efferenzen beeinflusst werden können, sind zum einen die Herzfrequenz (Chronotropie), die Länge der Überleitungszeit im AV-Knoten (Dromotropie) und die atriale und ventrikuläre Kontraktionskraft (Inotropie). Efferenzen Sympathicus und Parasympathicus. Der Sympathicus wirkt positiv chronotrop (Anstieg der Herzfrequenz) durch Beschleunigung der langsamen diastolischen Depolarisation in den Zellen des Sinusknotens. Im Gegensatz dazu wirkt der Parasympathicus (und hier besonders der linke N. vagus) negativ chronotrop. Während der Sympathicus sowohl auf die Vorhof- als auch auf die Kammerkontraktionskraft einen steigernden Einfluss nimmt (positiv inotrop), wirkt der Parasympathicus nur auf die Vorhöfe negativ inotrop. Der Sympathicus beschleunigt, der Parasympathicus verlangsamt die atrioventrikuläre Überleitung (positiv bzw. negativ dromotrop).

871

Plexus cardiacus. Parasympathische und sympathische Fasern durchflechten sich im Plexus cardiacus, einem Nervengeflecht vor und hinter dem Aortenbogen sowie am Truncus pulmonalis (Abb. 10.86). Von hier verlaufen die Fasern mit den Koronararterien und verzweigen sich in der Herzwand. Die zum Plexus cardiacus ziehenden vegetativen Nerven stammen größtenteils aus der Halsregion und dem zervikothorakalen Übergang. Diese haben den entwicklungsgeschichtlichen Abstieg des Herzens aus der Zervikalregion in den Brustraum mitvollzogen. Sympathische Anteile kommen aus dem zervikalen Grenzstrangganglien und denen des zervikothorakalen Überganges sowie aus den 2.–5. thorakalen Ganglia thoracica. Die präganglionären Fasern kommen dabei aus dem Seitenhorn der 2.–5. thorakalen Rückenmarkssegmente, die dann in den genannten Ganglien auf ihr postganglionäres Neuron umgeschaltet werden. N. cardiacus cervicalis superior. Er entspringt als zarter Ast am unteren Ende des Ggl. cervicale superius, verläuft medial vom Grenzstrang unter der tiefen Halsfaszie abwärts und erreicht links mit der A. carotis communis, rechts mit dem Truncus brachiocephalicus das Herzgeflecht. N. cardiacus cervicalis medius, meist ein starker Ast, entspringt aus dem Ggl. cervicale medium (wenn dieses fehlt, aus dem R. interganglionaris) und gelangt vor oder hinter der A. subclavia zum Plexus cardiacus. N. cardiacus cervicalis inferior. Er kommt mit mehreren Wurzeln aus dem Ganglion cervicothoracicum (stellatum) und verläuft rechts hinter dem Truncus brachiocephalicus, links hinter dem Aortenbogen zum Plexus cardiacus. Nn. cardiaci thoracici verlaufen als feine Äste von den Ganglia thoracia 2–4 (5) zum Plexus cardiacus. Parasympathische Efferenzen. Sie erreichen über den N. vagus (N. X.) das Herz. Die Zellleiber der 1. Neurone liegen dabei im Nucleus dorsalis n. vagi unter dem Boden des 4. Hirnventrikels. Die Umschaltung auf das 2. Neuron erfolgt herznah zum Teil in Ganglien des Plexus cardiacus (größtes Ganglion ist hier das „Wrisberg-Ganglion“ unterhalb des Aortenbogens), zum Teil auch in der Vorhofwand.

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

872

N. phrenicus

Glandula thyroidea, Trachea

Truncus sympathicus

N. vagus A. vertebralis

Ganglion cervicothoracicum (stellatum)

Ductus thoracicus A. subclavia, Ansa subclavia

Nn. phrenicus et phrenicus accessorius

Truncus brachiocephalicus

Oesophagus, N. laryngeus recurrens N. phrenicus, A. thoracica interna

N. vagus, N. laryngeus recurrens

Arcus aortae, Plexus cardiacus

Aorta ascendens

N. vagus, N. laryngeus recurrens

V. azygos A. pulmonalis dextra

A. pulmonalis sinistra Bronchus principalis sinister Vv. pulmonales sinistrae

Nodi lymphatici tracheobronchiales inferiores

Aorta thoracica Vv. pulmonales dextrae

Nodi lymphatici mediastinales posteriores

N. vagus dexter, V. azygos

N. vagus sinister

A. pericardiaco phrenica

N. phrenicus sinister

N. phrenicus dexter

Abb. 10.86: Lungenhilum, Bifurcatio tracheae, Oesophagus mit Plexus oesophageus, Aorta mit Plexus aorticus nach Herausnahme des Herzbeutels

Vom Hauptstamm des N. vagus (z. T. auch vom N. laryngeus superior, R. externus) zweigt in der oberen Halsregion ein R. cardiacus superior ab. Ebenfalls vom Vagusstamm oder vom N. laryngeus recurrens entspringen in der unteren Halsregion Rr. cardiaci inferiores. Nach Durchtritt des N. vagus durch die Apertura thoracica superior entspringen aus dem Hauptstamm (oder dem N. laryngeus recurrens) Rr. cardiaci thoracici. Geflechtbildung. Die Vagus- und Sympathikusäste können schon am Hals Verbindungen eingehen und Geflechte bilden.

Afferenzen Sowohl parasympathische als auch sympathische Fasern führen Afferenzen aus dem Herzen. Es handelt sich hierbei z. B. um Schmerzreize (z. B. durch Ischämie vermittelt) oder Druck- bzw. Dehnungsreize. Die Zellleiber der Afferenzen finden sich im 2.–4. thorakalen Spinalganglion sowie im Ganglion superius und inferius n. vagi. Sensible Nervenendigungen sind besonders zahlreich im Endokard und an den Koronargefäßen nachgewiesen. In der Wand der Vorhöfe wurden nahe der Einmündung der Vv. cavae und der Vv. pulmonales netzförmige Nervenverzweigungen als Dehnungsrezeptoren gefunden.

10.7.1 Herz, Cor

Klinik: 1. Schmerzen im Rahmen von Herzerkrankungen werden häufig auf die gesamte linke Brustseite ausgedehnt, im linken Arm oder in der Hals- und Kinnregion wahrgenommen. 2. Ähnliches gilt für andere vegetative Phänomene (vasomotorisch, Piloarrektion oder Hyperhidrose). Erklärbar sind diese viszerokutanen Reflexe über die Head-Zonen, also Hautareale, die über dieselben spinalen Segmente innerviert werden wie ein inneres Organ, hier das Herz.

10.7.1.7

Herzmechanik

Die normale Herzaktion besteht aus einem periodisch ablaufenden zweiphasigen Zyklus. In der Systole kontrahieren sich die Ventrikel und werfen einen Großteil ihres Blutes in die großen Arterien (Aorta bzw. Truncus pulmonalis) aus. In der Diastole erschlaffen die Ventrikel und füllen sich mit Blut. Sowohl in der Systole als auch in der Diastole sind verschiedene Phasen unterscheidbar. £ Systole. Zu Beginn der Systole befinden sich in

den Ventrikeln jeweils etwa 140 ml Blut. Die Systole beginnt mit einer Anspannungsphase. Die Taschenklappen sind noch geschlossen, die AV-Klappen schließen sich gleich zu Beginn dieser Phase, so dass es zu einem steilen ventrikulären Druckanstieg kommt (Anspannen der Muskulatur um das nicht kompressible Blutvolumen). Man bezeichnet dieses Stadium auch als Phase der isovolumetrischen Kontraktion, in der die Muskelfasern gedehnt werden und die Ventrikel eine kugelförmige Gestalt anstreben. Sobald der ventrikuläre Druck den Druck in der Aorta (normal ca. 120 mmHg) bzw. im Truncus pulmonalis (20 mmHg) überschreitet, öffnen sich die Taschenklappen und es beginnt die Austreibungsphase. In der Austreibungsphase steigt der ventrikuläre Druck zunächst noch weiter an, und 70–90 ml werden als Schlagvolumen ausgestoßen. Der ventrikuläre Druck fällt dabei unter den arteriellen, und die Taschenklappen schließen sich wenig später. Die am Ende der Systole in den Ventrikeln verbleibende Blutmenge wird als Restvolumen, der Anteil des Schlagvolumens am enddiastolischen Volumen als Ejektionsfraktion bezeichnet. Multipliziert man das Schlag-

873

volumen mit der Herzfrequenz (min-1) so erhält man das Herzminutenvolumen (HMV, normal etwa 4–6 l min-1 in Ruhe). Weil der Herzbeutel am Zwerchfell verwachsen ist (und der nicht dehnbare Flüssigkeitsfilm in der Perikardhöhle kein Abheben der Herzspitze erlaubt) und durch die Austreibung ein Rückstoß in Richtung auf die Herzspitze erfolgt, tritt die Ventilebene des Herzens in der Austreibungsphase nach kaudal. Es entsteht ein Sog auf die großen Venen (Vv. cavae und pulmonales), der zu einer Füllung der Vorhöfe führt. £ Diastole. An den Schluss der Taschenklappen schließt sich die Diastole mit einer initialen Entspannungsphase an. In dieser Phase sind alle Herzklappen geschlossen und der Ventrikeldruck fällt durch Muskelentspannung um das (nicht dehnbare) Restvolumen schnell auf fast 0 mmHg ab. Bei Unterschreiten des Vorhofdruckes öffnen sich dann die AV-Klappen, und das Blut strömt aus den Vorhöfen in die Kammern ein. Durch die Erschlaffung der Ventrikel „stülpen“ sich diese nach der Öffnung der AVKlappen über das in den Vorhöfen befindliche Blutvolumen. Unter Ruhebedingungen erfolgt die Kammerfüllung somit zunächst schnell, dann langsamer, ehe die eigentliche Vorhofkontraktion einsetzt. Diese trägt zu etwa 10–20 % zur Ventrikelfüllung bei, wobei dieser Anteil mit Zunahme der Herzfrequenz ansteigt. £ Klappenbewegungen. Sie erfolgen in den einzelnen Phasen der Herzaktion rein passiv entsprechend den Druckgradienten. Die Papillarmuskeln haben hierauf keinen Einfluss, sondern verhindern ein Durchschlagen der AV-Klappen in die Vorhöfe während der Systole.

10.7.1.8 Durchblutung des Herzmuskels £ Arterieller Zufluss. Der Herzmuskel wird mit

0,8–0,9 ml pro Gramm und Minute durchblutet (entspricht bei einem normal großen Erwachsenenherz etwa 5 % des Herzminutenvolumens). Unter Belastung kann die Durchblutung auf das Vierfache dieses Wertes ansteigen. Der Blutfluss in den Koronargefäßen unterliegt während der Herzaktion charakteristischen Schwankungen. Zu Beginn der Systole wird der Blutfluss in der linken Koronararterie durch den erhöhten Wanddruck des linken Ventrikels beinahe voll-

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

874

ständig unterdrückt, während in der rechten Koronararterie wegen des geringeren Wanddruckes des rechten Ventrikels auch in der Systole verglichen mit dem Maximalwert der Diastole ein 50–80 %iger Blutfluss zu finden ist. In der Diastole erfolgt dann mit nachlassender Wandspannung der Großteil der Durchblutung des Herzmuskels. £ Venöser Rückstrom aus dem Sinus coronarius in den rechten Vorhof. Dieser erreicht sein Maximum in der Systole („Auspressen” während der Muskelkontraktion) und sistiert nahezu in der Diastole.

10.7.1.9

Projektion des Herzens auf die vordere Brustwand und Röntgenübersichtsaufnahmen

Die V. cava superior mündet etwa in Höhe des 3. Rippenknorpels in den rechten Vorhof (Abb. 10.87). Der rechte Herzrand verläuft dann in ca.

2 cm Entfernung parallel zum rechten Sternalrand bis zum Zwerchfell (etwa 6. Rippenknorpel). Der sich anschließende untere Herzrand verläuft zum 5. Interkostalraum (ICR) etwas medial der linken Medioklavikularlinie. Von hier zieht der linke Herzrand nach medial bogenförmig ansteigend bis knapp unterhalb des 2. linken Rippenknorpels (2. ICR). Von hier fällt der Oberrand nach rechts etwas ab bis auf Höhe des 3. Rippenknorpels rechts. Bezogen auf die einzelnen Herzteile ergibt sich folgendes Bild: Der rechte Vorhof, durch den vorderen Rand der rechten Lunge und den Recessus costomediastinalis von der vorderen Brustwand getrennt, liegt in Höhe des 3.–6. Rippenknorpels und ragt 1–2 cm über die rechte Sternallinie nach rechts. Das rechte Herzohr liegt in Höhe des 3. Interkostalraumes hinter dem Sternum. Die rechte Kammer, nur teilweise durch die Lungenränder und die Recessus costomediastinales von der vorderen Brustwand getrennt, reicht vom 3. bis zum 6. Rippenknorpel und liegt medial von der linken V. jugularis interna

A. carotis communis dextra

V. subclavia sinistra A. subclavia dextra

V. brachiocephalica sinistra Arcus aortae

Truncus brachiocephalicus

1

Truncus pulmonalis

1

Auricula sinistra

V. cava superior

2

Rr. a. pulmonalis dextrae Auricula dextra

3

Valva trunci pulmonalis

2

Valva aortae

3

Valva atrioventricularis sinistra [bicuspidalis, mitralis]

Vv. pulmonales dextrae

4

4

Atrium dextrum

5

V. cava inferior

6

Diaphragma

7 8

Valva atrioventricularis dextra [tricuspidalis]

5

Ventriculus sinister

6

Ventriculus dexter Lingula pulmonis sinistri

7 8

9

9

10

10

Abb. 10.87: Projektion des Herzens auf die vordere Brustwand. Gestrichelt: Lungengrenzen

10.7.1 Herz, Cor

875

Ps C

Aa St

Aa Hp

As

As Ad Vs

Vs

Vd

Rcd

Abb. 10.88: Röntgenbild des Thorax im posterioranterioren (p. a.) Strahlengang Aa Arcus aortae Ad Atrium dextrum As Atrium sinistrum C Clavicula Hp Hilum pulmonis Ps Proc. spinosus Rcd Recessus costodiaphragmaticus St Sternum Vd Ventriculus dexter Vs Ventriculus sinister

kuspidalklappe in der Medianlinie auf Höhe des 4. ICR.

Parasternallinie hinter den linken Zwischenrippenräumen 3–5 und der linken Hälfte des Brustbeines. Der linke Vorhof liegt in der Hauptsache dorsal, in Höhe des 7.–9. Brustwirbels. Nur das linke Herzohr erscheint auf der Vorderfläche in Höhe des 3. linken Rippenknorpels. Die linke Kammer weist nur mit einem schmalen Streifen, der sich von der 3. bis zur 6. Rippe erstreckt, gegen die vordere Brustwand. Der Hauptteil ruht auf dem Zwerchfell. Die von der linken Kammer gebildete Herzspitze liegt beim Erwachsenen meist im 5. Interkostalraum, 8–9 cm links von der Mittellinie, etwas medial von der Medioklavikularlinie.

Schattenbildend (im Röntgenbild hell) sind auf dem Thoraxbild neben dem Herzen u. a. auch die großen Gefäße, die knöchernen Anteile (Wirbelsäule, Sternum, Claviculae, Rippen) und übrige mediastinale Strukturen. Man spricht deshalb auch von einem Mittelschatten, der diese Strukturen zusammenfasst. Auch die einzelnen Herzanteile bilden hierbei ein Summationsbild, so dass aus den Übersichtsaufnahmen zwar keine absoluten Aussagen zu einzelnen Anteilen getroffen werden können, Konturänderungen und Größenvergleich aber Hinweise auf krankhafte Prozesse geben können.

Die Herzklappen liegen in der von links nach rechts abfallenden Ventilebene des Herzens, beginnend am Sternalansatz der 3. Rippe links mit der Pulmonalklappe, gefolgt von der Aortenklappe (linker Sternalrand in Höhe des 3. ICR), der Mitralklappe (sternaler Ansatz der 4. Rippe links) und der Tri-

Abb. 10.89: Röntgenbild des Thorax im seitlichen Strahlengang

Röntgenübersichtsaufnahmen. In der radiologischen Basisdiagnostik werden zur Beurteilung von Herzform, -lage und -größe Thoraxaufnahmen in 2 zueinander senkrecht stehenden Ebenen durchgeführt. Standardaufnahmen erfolgen im posterior-anterioren (p. a.) Strahlengang (Abb. 10.88), und als linkes Seitenbild (Abb. 10.89). Weiterführende Fragestellungen werden durch computeroder kernspintomographische Untersuchungen geklärt .

Im p.a.-Strahlengang bildet die rechte Begrenzung des Herzschattens (von kranial nach kaudal) die V. cava superior, der rechte Vorhof und evtl. die V. cava inferior (Abb. 10.90). Der linke Rand wird aus 4 Bögen zusammengesetzt. Von kranial nach kaudal findet sich zunächst der distale Anteil des Aortenbogens, gefolgt vom Truncus pulmonalis, dem linken Vorhof und dem linken Ventrikel. Eine Verbreiterung des Herzschattens nach links spricht

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

876

bestimmt werden (der sonore Lungenschall weicht einem leiseren und höheren Geräusch). Weitere leise Perkussion innerhalb der relativen Dämpfung führt an den Lungengrenzen zum Schwinden des Lungenschalls, hier liegt das Herz der Brustwand direkt an (absolute Herzdämpfung).

MSE.

Aorta V. cava superior

Truncus pulmonalis

linker Vorhof rechter Vorhof

te rei

rzb

He

ch rza He

rechter Medianabstand

linke Kammer

se

linker Medianabstand

Dia

phr

agm

a

Abb. 10.90: Schema zur Herzsilhouette im Röntgenbild (p. a.) A. Aorta H. A. Herzachse (1–3) H. B. Herzbreite (2–4) L. K. linke Kammer L. V. linker Vorhof Ml. linker Medianabstand Mr. rechter Medianabstand P. Truncus pulmonalis R. V. rechter Vorhof V. C. V. cava superior für eine Vergrößerung des linken Herzens und ergibt eine „Schuhform“ der Herzsilhouette. Verbreiterung nach oben und rechts weist auf eine Vergrößerung der rechten Kammer hin („Kugelform“ der Silhouette). Im linksanliegenden Seitenbild wird die ventrale Begrenzung durch Aorta ascendens, Truncus pulmonalis und rechtem Ventrikel (von kranial nach kaudal) gebildet. Dorsal liegen kranial die Aorta descendens und die Pulmonalgefäße, gefolgt vom linken Vorhof, linkem Ventrikel und der V. cava inferior. Der Raum zwischen linkem Vorhof/Ventrikel und Wirbelsäule wird als Retrokardialraum (Holzknecht-Raum) bezeichnet.

Perkussion. Der Sensitivität und Spezifität der Feststellung der Herzgröße und -grenzen durch Perkussion wird heutzutage nur ein geringer Wert beigemessen; sie wurde früher aber in Ermangelung anderer Techniken routinemäßig praktiziert. Durch Beklopfen des Brustkorbes von der Peripherie in Richtung Herz mit starker Intensität sollen die Herzgrenzen (relative Herzdämpfung)

Auskultation. Während der Herzaktion entstehen 2 auskultierbare Herztöne (HT). Wenn der Ventrikeldruck am Beginn der Kammerkontraktion den Vorhofdruck übersteigt, schließen sich die AV-Klappen. Der Schluss der Segelklappen und die Anspannung der Ventrikel ist als 1. HT hörbar. Durch den Schluss der Taschenklappen entsteht der 2. HT. Statt eines einzigen 1. oder 2. HT können beide auch gespalten sein (rechte und linke Herzkomponente). Insbesondere der 2. HT ist während der Inspiration oft in eine pulmonale und eine aortale Komponente unterteilt. Zusätzliche (unphysiologische) Geräusche, z. B. durch krankhafte Veränderungen der Klappen, Septumdefekte oder Stenosen der großen Arterien werden nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens in systolische (zwischen 1. und 2. HT) und diastolische (zwischen 2. und 1. HT) Geräusche unterteilt. Die Herztöne und -geräusche an den Herzklappen auskultiert man am besten (Punctum maximum) an definierten Auskultationspunkten, die nicht mit den anatomischen Projektionen übereinstimmen (Abb. 10.91). So auskultiert man die Aortenklappe am besten im 2. ICR rechts parasternal, die Pulmonalklappe im 2. ICR links parasternal, die Mitralklappe im 5. ICR links direkt medial der Medioklavikularlinie und die Trikuspidalklappe direkt lateral des unteren linken Sternumrandes.

2. ICR re. parasternal Aortenklappe 5. ICR re. parasternal Trikuspidalklappe

2. ICR li. parasternal Pulmonalklappe 3. ICR li. parasternal Erb-Auskultationspunkt Aortenklappe 4. ICR li. parasternal Mitralklappe 5. ICR li. vordere Axillarlinie Mitralklappe 5. ICR li. medioklavikulär Mitralklappe

Abb. 10.91: Auskultationspunkte des Herzens (Quelle: Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. Berlin 2002)

10.7.2 Große Gefäße des Mediastinums

10.7.2

Große Gefäße des Mediastinums

10.7.2.1

Arterien

10.7.2.1.1

Aorta

877

Die Aorta ist das arterielle Hauptgefäß des Körperkreislaufs, aus dem mittelbar oder unmittelbar die Versorgung aller Organe erfolgt (Abb. 10.92) (s. Kap. 2.3.1.3, S. 51). Der Verlauf der Aorta lässt sich in 3 Abschnitte unterteilen: Aus dem linken Ventrikel steigt sie zunächst etwas nach rechts ziehend auf (Aorta

A. carotis interna A. carotis externa A. carotis communis A. subclavia

Truncus brachiocephalicus A. subclavia

Arcus aortae

A. brachialis

Aorta thoracica et Aa. intercostales posteriores Truncus coeliacus A. renalis A. mesenterica sup. Aorta abdominalis

A. radialis A. ulnaris

Aa. lumbales

A. mesenterica inf. A. iliaca communis A. iliaca interna A. iliaca externa

A. femoralis

A. poplitea

A. tibialis anterior A. tibialis posterior A. peronea (fibularis)

Abb. 10.92: Schema der großen Arterien des Körperkreislaufs

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

878

ascendens), verläuft dann in einem Bogen über die linke Lungenwurzel und die Aufteilung des Truncus pulmonalis nach dorsal (Arcus aortae) und zieht abwärts durch den Brust- und den Bauchraum (Aorta descendens) bis zu ihrer Aufteilung in die beiden Aa. iliacae communes (Kap. 12, S. 931). Der Durchmesser der Aorta schwankt (mit dem Lebensalter etwas zunehmend) zwischen 18 und 30 mm.

Entwicklung s. Kap. 10.7.1.1.5, S. 848

Topografie £ Aorta ascendens. Die etwa 6 cm lange Aorta

ascendens verläuft nach ihrem Ursprung aus dem linken Ventrikel von links hinten unten nach rechts vorn oben, erreicht hier in Höhe des Sternalansatzes der 2. Rippe den rechten Brustbeinrand und geht am Ursprung des Truncus brachiocephalicus in den Arcus aortae

über (Abb. 10.93). An ihrem Ursprung liegt sie, vom Truncus pulmonalis überkreuzt und vom rechten Herzohr bedeckt, etwa 6 cm, an ihrem Ende nur etwa 2 cm vom Brustbein entfernt. Nahezu ganz im Herzbeutel gelegen, ist sie mit dem Truncus pulmonalis durch Bindegewebe und eine gemeinsame Epikardhülle verbunden. Hinten grenzt sie an den rechten Vorhof, die rechte Lungenarterie und den rechten Bronchus, rechts und hinten an die V. cava superior, links an den Truncus pulmonalis. Ihr Anfangsteil ist etwas aufgetrieben (Bulbus aortae) mit 3 Aussackungen (Sinus aortae dexter, sinister und posterior), die den 3 Taschen der Aortenklappe entsprechen. Aus dem rechten und linken Sinus aortae gibt die Aorta ascendens in der Regel 2 Herzkranzarterien ab: w A. coronaria dextra w A. coronaria sinistra w Akzessorische Ostien treten im Anfangsteil der

Aorta ascendens relativ häufig auf. So findet sich in 30–50 % der Fälle eine dort entspringende Konusarterie, in bis zu 8 % ein getrennter Ursprung des R. circumflexus und des R. interventricularis der A. coronaria sinistra.

£ Arcus aortae. Er beginnt außerhalb des Herz-

beutels unmittelbar unterhalb des Ursprungs des Truncus brachiocephalicus (Abb. 10.94), in Höhe des Ansatzes der 2. rechten Rippe, verläuft von ventral rechts nach dorsal links und geht an der linken Seite des 4. Brustwirbelkörpers (Impressio aortae) in die Aorta descendens über. Der Endteil des Arcus aortae ist normalerweise etwas verjüngt (Isthmus aortae). Da der Aortenborgen nahezu sagittal steht, entspringen die 3 großen Arterien

L

C

Aa Tp Ad

Vs

H

Abb. 10.93: Frontalschnitt durch den Thorax. Kernspinaufnahme zur Darstellung des Verlaufs der Aorta ascendens Aa Aorta ascendens L Larynx Ad Atrium dextrum Tp Truncus pulmonalis C Clavicula Vs Ventriculus sinister H Hepar

w Truncus brachiocephalicus w A. carotis communis sinistra w A. subclavia sinistra

in der Ventralansicht nicht neben-, sondern hintereinander aus dem Aortenbogen. Der am oberflächlichsten gelegene Truncus brachiocephalicus muss auf seinem Wege nach rechts die Luftröhre überkreuzen. Sein Puls kann bei der Laryngoskopie an der vorderen Luftröhrenwand beobachtet werden. Der Truncus brachiocephalicus ist gemeinsamer Ursprung für die A. carotis communis dextra und die A. subclavia dextra. Die am weitesten dorsal entspringende A. subclavia sinistra wendet sich von

10.7.2 Große Gefäße des Mediastinums

879 A. carotis communis, N. laryngeus recurrens

Truncus sympathicus, Ganglion cervicothoracicum

Glandula thyroidea, Trachea

Oesophagus, N. laryngeus recurrens sinister Ganglion cervicale medium

Truncus brachiocephalicus A. intercostalis suprema Ggl. cervicothoracicum (stellatum) Plexus brachialis N. laryngeus recurrens dexter N. vagus dexter Aorta ascendens V. azygos N. vagus dexter Rr. communicantes

N. vagus Ductus thoracicus Plexus brachialis, A. transversa colli (R. profundus) Ggl. cervicothoracicum (stellatum) Ansa subclavia A. carotis communis sinistra Rr. cardiaci inferiores N. laryngeus recurrens sinister Bifurcatio tracheae

Ganglia thoracica N. splanchnicus major A., V. intercostalis posterior, R. ventralis n. thoracici M. intercostalis internus Schnittrand der Pleura N. splanchnicus major et minor

Oesophagus Aorta thoracica N. vagus sinister Ductus thoracicus Oesophagus, Truncus vagalis posterior V. azygos Truncus vagalis posterior Truncus coeliacus

Plexus coeliacus N. subcostalis N. iliohypogastricus, M. quadratus lumborum

A. mesenterica superior A. renalis Rr. communicantes

Truncus sympathicus M. psoas, N. genitofemoralis

Abb. 10.94: Topografie des Mediastinum posterius. Oesophagus z. T. reseziert

A. lumbalis

880

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

ihrem Ursprung nach vorn und oben zur hinteren Skalenuslücke (zwischen M. scalenus anterior und medius). Ihr Verlauf ist an der in situ fixierten Lunge als besonders tiefe Furche in der Spitzenregion zu verfolgen. Der Aortenbogen verläuft über die rechte A. pulmonalis, gelangt an die linke Seite der Luftröhre, reitet auf dem linken Bronchus und legt sich in Höhe des 4. Brustwirbels an die linke Seite der Speiseröhre. Oben erreicht der Aortenbogen die Verbindungslinie der 1. Rippenknorpel. Er ist hier von der V. brachiocephaliaca bedeckt. Die linke Fläche wird vom oberflächlichen Anteil des Plexus cardiacus, vom linken N. phrenicus und vom linken N. vagus überkreuzt. In ihrem hinteren Abschnitt ist sie von der Pleura mediastinalis überzogen. Auf der fixierten linken Lunge erzeugt sie einen tiefen Eindruck. Von der Konkavität des Bogens zieht das Lig. arteriosum (Botalli) zur linken A. pulmonalis. Lateral von diesem Band und um den Aortenbogen verläuft der linke N. laryngeus recurrens dorsokranialwärts zur Luftröhre, Speiseröhre und zum Kehlkopf. Klinik: Geht der Truncus brachiocephalicus sehr weit links ab oder steigt er steil an, so kann er erst oberhalb des Brustbeins die Luftröhre überkreuzen. In diesem Fall ist besondere Vorsicht bei der Tracheotomie geboten. Durch die enge topographische Beziehung zwischen dem linken N. laryngeus recurrens und dem Aortenbogen können thorakale Aortenaneurysmen und Mediastinaltumoren eine linksseitige Rekurrenslähmung oder -reizung hervorrufen. £ Aorta thoracica

Sie ist die Fortsetzung des Arcus aortae unterhalb des Isthmus aortae und reicht bis zum Hiatus aorticus des Zwerchfells, in dem sie in die Aorta abdominalis übergeht. Sie verläuft vom 4. Brustwirbel an der linken Seite der Wirbelsäule abwärts und schiebt sich gegen das Zwerchfell hin mehr gegen die Mittellinie vor, die sie aber erst im Hiatus aorticus, vor dem 12. Brustwirbel, mit ihrem rechten Rand erreicht (Abb. 10.95). In ihrem Verlauf steigt sie hinter der linken Lungenwurzel und dem Herzbeutel herab. Links wird sie weitgehend von der Pleura mediastinalis bedeckt. Auf der fixierten linken Lunge erzeugt sie eine tiefe Furche. Rechts wird sie vom Ductus thoracicus und vom Oesophagus begleitet, der sie oberhalb des Zwerchfells

Mms

Ch Ar

Ad H

Fv

Abb. 10.95: Frontalschnitt durch den Thorax. Kernspinaufnahme zur Darstellung des Verlaufs der Aorta descendens H Hepar Ad Aorta ascendens Fv Fundus ventriculi Ar Arcus aortae Ch Caput humeri

überkreuzt. Unten kann sie auch in Kontakt mit der rechten Pleura mediastinalis treten. Die parietalen Äste, 10 Aa. intercostales posteriores, entspringen beiderseits dorsal und steigen nach kranial und lateral auf zu ihren zugehörigen Zwischenrippenräumen. Sie unterkreuzen den Ductus thoracicus, die Vv. azygos und hemiazygos, die Nn. splanchnici und den Grenzstrang. Die rechten Interkostalarterien sind wesentlich länger als die linken, da sie die Wirbelkörper überkreuzen müssen. Neben den parietalen Ästen gibt die Aorta thoracia auch Eingeweideäste ab: w Rr. bronchiales sorgen als Vasa privata für die

Ernährung des Lungengewebes

w Rr. oesophagei (3–6) ziehen zum Oesophagus w Rr. mediastinales zu Lymphknoten des hinteren

Mediastinums

w Rr. pericardiaci für die Versorgung des Herz-

beutels

w Aa. phrenicae superiores, zum Lumbalteil des

Zwerchfells, gehen in variabler Zahl und Größe lateral und ventral ab.

Klinik: Aussackungen (echte Aneurysmen) der thorakalen Aortenanteile sind relativ selten (ca.

10.7.2 Große Gefäße des Mediastinums

15 % aller Aortenaneurysmen). Meist sind sie in dieser Region infektiös bedingt. Dagegen kommen dissezierende Aneurysmen der Brustaorta häufiger vor, z. B. im Rahmen einer sog. zystischen Medianekrose der Aortenwand.

881

Astfolge Am Hals w Rr. musculares für die tiefen, prävertebralen

Halsmuskeln

w Rr. spinales, kleine segmentale Äste, durch die

Foramina intervertebralia in den Wirbelkanal

10.7.2.1.2 A. subclavia Die A. subclavia entspringt rechts hinter dem Sternoklavikulargelenk aus dem Truncus brachiocephalicus, links im Brustraum direkt aus dem Arcus aortae. Sie verläuft in einem nach kranial konvexen Bogen über die Pleurakuppel aufwärts zum M. scalenus anterior und hinterlässt auf der Lungenspitze einen Eindruck. Mit dem Plexus brachialis zieht sie durch die hintere Skalenuslücke (zwischen M. scalenus anterior und medius) und erzeugt hier auf der 1. Rippe den Sulcus a. subclaviae. Zwischen 1. Rippe und Clavicula geIangt sie in die Achselhöhle, und wird ab dort als A. axillaris bezeichnet. In ihrem Verlauf gibt sie 5 Äste ab, die in der Hauptsache Hals, Kopf und Brustraum versorgen. Nur 3 kleinere Äste sind für die Schulterversorgung und für den Kollateralkreislauf des Armes von Bedeutung.

A. vertebralis Sie entspringt als erster Ast aus der Hinterwand der A. subclavia. In ihrem Verlauf lassen sich 4 Abschnitte unterscheiden: w Pars praevertebralis: Verlauf zwischen M. sca-

lenus anterior und M. longus colli.

w Pars transversaria: Verlauf durch die Foramina

transversaria zumeist des 6.–1. Halswirbels. w Pars atlantica: Oberhalb des Atlas (Sulcus arteriae vertebralis) wendet sich die A. vertebralis nach medial und durchbohrt die Membrana atlantooccipitalis posterior und die Dura mater spinalis. w Pars intracranialis: Sie zieht durch das Foramen magnum in die Schädelhöhle. Hier umgreift sie seitlich die Medulla oblongata und vereinigt sich kaudal von der Brücke mit der Arterie der anderen Seite zur unpaaren A. basilaris, die mit der rechten und der linken A. carotis interna den Circulus arteriosus cerebri bildet.

w R. meningeus für die hintere Schädelgrube.

In der Schädelhöhle w A. spinalis posterior (unpaar) für die Dorsalflä-

che des Rückenmarks

w A. spinalis anterior (zunächst paarig). Diese

fließt bald mit dem Gefäß der anderen Seite zu einem unpaaren Stamm zusammen, der in der Fissura mediana anterior des Rückenmarks verläuft und mit der A. spinalis posterior und den Rr. spinales der segmentalen Arterien zahlreiche Verbindungen eingeht (s. Kap. 5.3.4.2, S. 450) w A. cerebelli inferior posterior für die Unterfläche des Kleinhirns

A. thoracica interna Die A. thoracica interna entspringt in Höhe der Pleurakuppel gegenüber der A. vertebralis aus dem Unterrand der A. subclavia und zieht 1–2 cm lateral des Sternums in der Fascia endothoracica zwischen Rippenknorpel und Pleura costalis abwärts (Abb. 10.96). Im 6. ICR teilt sie sich in ihre beiden Endäste, die A. musculophrenica (lateral) und die A. epigastrica superior (medial). Die A. thoracica interna versorgt im wesentlichen die vordere Brustund Bauchwand und gibt nur kleine Äste an die Brusteingeweide ab. Endäste w Die A. musculophrenica, der laterale Endast,

verläuft auf den Rippenursprüngen des Zwerchfells lateralwärts und versorgt mit Rr. costales den 7.–10. Zwischenrippenraum und außerdem das Zwerchfell. w Die A. epigastrica superior, der mediale Endast, gelangt durch das Trigonum sternocostale (Larrey-Spalte) an die Rückfläche des M. rectus abdominis, wo er mit der A. epigastrica inferior (aus der A. iliaca externa) anastomosiert; diese Anastomose erweitert sich bei Verengung der Aorta.

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

882 M. sternohyoideus

A. thoracica interna

M. sternothyroideus Nll. parasternales

M. transversus thoracis

A., N. intercostalis

A. epigastrica superior

A. muscolophrenica

Diaphragma

M. transversus abdominis

Abb. 10.96: Verlauf der A. thoracica interna (nach Roamnes, G. J.: Cuningham’s Manual of practical Anatomy. Vol. 2: Thorax and Abdomen. Oxford Medical Publishing, 1996)

In ca. 10 % der Fälle entspringt die A. thoracica interna aus dem Truncus thyrocervicalis.

Eingeweideäste w Rr. mediastinales, feine Äste zum Inhalt des

vorderen Mediastinums

w Rr. thymici, Zweige zum Thymus w Rr. bronchiales zum unteren Teil der Luftröhre

und zu den Bronchien.

Brustwandäste w A. pericardiacophrenica, ein dünnes, langes

w w

w w

Gefäß, das in Begleitung des N. phrenicus zieht und das Perikard, die Pleura mediastinalis und das Zwerchfell versorgt Rr. sternales zur Dorsalfläche des Brustbeines Rr. perforantes durchbohren die Brustwand, versorgen die Ventralfläche des Brustbeins und mit: Rr. musculares den M. pectoralis major Rr. cutanei die Haut der vorderen Brustwand

w Rr. mammarii die Brustdrüse w Rr. intercostales anteriores versorgen die ICR

1–5 (6) mit jeweils 2 Ästen, wobei einer am Unterrand der oberen Rippe und einer am Oberrand der unteren zieht. Diese Äste anastomosieren mit den Aa. intercostales posteriores (aus der Aorta). Vom 6. (7.) ICR abwärts werden die Rr. intercostales anteriores aus der A. musculophrenica entlassen.

Klinik: 1. Im klinischen Sprachgebrauch ist z. T. noch die alte Benennung „A. mammaria interna“ statt A. thoracia interna üblich. Zum Beispiel wird in der Regel von einem IMABypass (Internal Mammarial Artery-Bypass) zur gefäßchirurgischen Versorgung einer Koronararterienstenose gesprochen. 2. Die Anastomose zwischen A. epigastrica superior und inferior ist ein wichtiger Umgehungskreislauf bei Aortenisthmusstenose (s. Kap. 10.7.1.1.5, S. 848).

10.7.2 Große Gefäße des Mediastinums

Truncus thyrocervicalis Der Schilddrüsen-Hals-Stamm entspringt am medialen Rand des M. scalenus anterior und zweigt sich meist in 4 Äste für Schilddrüse, Hals und Schulter auf. A. thyroidea inferior. Die untere Schilddrüsenarterie ist der kräftigste Ast des Truncus thyrocervicalis. Sie steigt unter der Lamina praevertebralis der Halsfaszie senkrecht bis zum 6. Halswirbel auf und wendet sich hinter der A. carotis communis medialwärts zur Rückfläche der Schilddrüse. Sie gibt folgende Äste ab: w Rr. musculares zur infrahyalen und prävertebraw w w w w

len Muskulatur A. laryngea inferior zum Kehlkopf Rr. pharyngeales zum Pharynx Rr. oesophageales zum Oesophagus Rr. tracheales zur Trachea Rr. glandulares zur Schilddrüse.

A. cervicalis ascendens. Die aufsteigende Halsarterie verläuft medial vom N. phrenicus unter der Lamina praevertebralis der Halsfaszie auf dem M. scalenus anterior bis zur Schädelbasis. Sie hat folgende Äste: w Rr. musculares für die benachbarten Muskeln w Rr. spinales für den Wirbelkanal.

A. transversa colli (cervicis). Die quere Halsarterie verläuft in variabler Weise durch das seitliche Halsdreieck. Sie teilt sich in Höhe des Angulus superior scapulae in einen oberflächlichen und einen tiefen Ast. Der tiefe Ast entspringt häufig selbständig aus der A. subclavia und durchbohrt dabei den Plexus brachialis; er wurde früher als eigentliche A. transversa colli bezeichnet. Folgende Äste entspringen der A. transversa colli: w R. superficialis (A. cervicalis superficialis). Der

oberflächliche Ast verläuft vor dem M. scalenus anterior oberflächlich durch das seitliche Halsdreieck, um dann mit dem N. accessorius (N. XI) unter dem M. trapezius zu verschwinden. Er teilt sich in einen Ramus ascendens (zur Versorgung der langen Nackenmuskeln) und einen R. descendens. w R. profundus. Der tiefe Ast teilt sich auf dem M. levator scapulae in einen auf- und absteigenden Ast. Der letztere verläuft längs des Margo medialis scapulae mit dem N. dorsalis scapulae auf oder unter den Mm. rhomboidei. In ca. 2/3

883

der Fälle entspringt der R. profundus als A. scapularis dorsalis direkt aus der A. subclavia. A. suprascapularis. Sie verläuft oberhalb der Scapula vor dem M. scalenus anterior unter der Lamina praetrachealis der Halsfaszie, zieht dann über den Plexus brachialis hinter der Clavicula bis zum oberen Rande des Schulterblatts und gibt hier einen R. acromialis zum Rete acromiale ab. Im Rete anastomisiert sie mit Ästen der Aa. thoracoacromialis und circumflexa posterior humeri (aus der A. axillaris). Anschließend gelangt sie über dem Lig. transversum scapulae superius zur Fossa supraspinata, versorgt den M. supraspinatus und erreicht um den Hals des Schulterblatts die Fossa infraspinata. Hier anastomosiert sie mit der A. circumflexa scapulae aus der A. subscapularis. A. transversa colli und A. suprascapularis versorgen die Schultermuskeln. Sie variieren sehr in der Größe, können sich gegenseitig vertreten und anastomosieren vielfach untereinander und mit Ästen der A. axillaris.

Truncus costocervicalis Der Rippen-Hals-Stamm entspringt dorsokaudal hinter dem M. scalenus anterior aus der A. subclavia und teilt sich in seine beiden Endäste: A. intercostalis suprema. Die oberste Zwischenrippenarterie biegt vor dem Hals der 1. (und 2.) Rippe in den 1. (und 2.) Zwischenrippenraum ein und teilt sich in die Aa. intercostales posteriores 1 und 2, die dann nach ventral verlaufen. Ihre Äste sind: w Rr. dorsales zu den tiefen Hals- und Rücken-

muskeln sowie zur Rückenhaut

w Rr. spinales durch die Foramina intervertebralia

in den Wirbelkanal.

A. cervicalis profunda. Die tiefe Halsarterie verläuft zwischen dem Hals der 1. Rippe und dem Querfortsatz des 7. Halswirbels in den M. semispinalis capitis nach dorsal zur Versorgung der tiefen Nackenmuskulatur.

10.7.2.1.3 Truncus pulmonalis Topografie Der etwa 5 cm lange Truncus pulmonalis liegt nahezu ganz im Herzbeutel. Der Umschlag von

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

884

Epikard in Perikard erfolgt ventral meist in Höhe der Teilung, hinten in der Regel etwas tiefer. Wie die Aorta ascendens ist er im Bereich der Taschenklappen durch 3 Sinus aufgetrieben. Er entspringt in Höhe des 3. Sternokostalgelenkes links aus dem rechten Ventrikel, verläuft nach hinten und links aufwärts zum Ansatz des 2. Rippenknorpels und teilt sich außerhalb des Herzbeutels unterhalb des Aortenbogens in die Aa. pulmonales dextra und sinistra. w Die größere A. pulmonalis dextra setzt die

Richtung des Truncus pulmonalis fort und

zieht hinter der Aorta ascendens und hinter der V. cava superior zum rechten Lungenhilum (Abb. 10.97). Sie überkreuzt hierbei den Oesophagus und den Bronchus principalis dexter. w Die kürzere und kleinere A. pulmonalis sinistra steigt über dem linken Hauptbronchus und vor der Aorta descendens zum linken Lungenhilum an. Zwischen linker Lungenarterie oder der Bifurcatio trunci pulmonis und der Konkavität des Aortenbogens findet sich das Lig. arteriosum (als Relikt des Ductus arteriosus, Botalli, Abb. 10.65, 67, 68).

V. jugularis interna M. scalenus medius et posterior Plexus brachialis A. subclavia

N. phrenicus M. scalenus anterior Angulus venosus dexter

N. cardiacus V. subclavia dextra N. et Vasa intercostalia Pleura costalis A. pulmonalis

Bronchi, Rr. bronchiales Vv. pulmonales Ductus thoracicus Truncus sympathicus Aorta thoracica

N. recurrens Oesophagus N. vagus Truncus brachiocephalicus V. azygos V. cava superior N. phrenicus et Vasa pericardiacophrenica Pleura mediastinalis (Schnittkante)

N. splanchnicus major Cor Pleura costalis (Schnittkante) Oesophagus et Truncus vagalis anterior Costa IX Diaphragma

Abb. 10.97: Mediastinum von rechts

10.7.2 Große Gefäße des Mediastinums

Klinik: Verlauf und Größe der rechten Lungenarterie erklären die Tatsache, dass ein Embolus aus dem rechten Ventrikel zumeist in die rechte Lunge gelangt (Lungenembolie).

10.7.2.2

Venen

885

von der Pleura mediastinalis bedeckt. Zwischen Vene und Pleura läuft der rechte N. phrenicus vor dem Lungenhilum abwärts. Auf der fixierten rechten Lunge hinterlässt sie einen Abdruck. Hinten grenzt sie an die rechte Lungenwurzel. Medial ist sie durch Bindegewebe mit der Aorta ascendens verbunden.

10.7.2.2.1 Entwicklung

10.7.2.2.3 Vv. azygos und hemiazygos

s. Kap. 10.7.1.1.4, S. 847

Topografie

10.7.2.2.2 Vv. brachiocephalicae und V. cava superior Topografie Vv. brachiocephalicae. Sie entstehen hinter den Sternoklavikulargelenken durch den Zusammenfluss der V. jugularis interna und der V. subclavia. In diesen Venenwinkel mündet links der Ductus thoracicus, rechts der Ductus lymphaticus dexter ein. Die lange V. brachiocephalica sinistra verläuft an der Konvexität des Aortenbogens leicht absteigend, überkreuzt die 3 großen Äste des Arcus aortae, den rechten N. phrenicus und N. vagus, den Truncus brachiocephalicus sowie die Trachea und vereinigt sich hinter der rechten Brustbeinhälfte in Höhe der 1. Rippe mit der kurzen V. brachiocephalica dextra zur V. cava superior (Abb. 10.66). Die V. brachiocephalica dextra zieht nahezu senkrecht vor dem Truncus brachiocephalicus und dem N. vagus an der Medialseite der rechten Pleurakuppel. Die Vv. brachiocephalicae nehmen von kranial die Vv. thyroideae inferiores und von kaudal die Vv. thoracicae internae sowie die Vv. vertebrales und mediastinale Zuflüsse (Vv. thymicae, pericardiacae, pericardiophreniacae, mediastinales, bronchiales, tracheales und oesophageales) auf. Die linke V. brachiocephalica erhält außerdem das Blut aus den oberen Interkostalräumen. V. cava superior. Sie steigt rechts vom Sternalrand senkrecht abwärts und mündet, nachdem sie von dorsal her die über den rechten Bronchus verlaufende V. azygos aufgenommen hat, in Höhe des Sternalansatzes der 3. Rippe in den rechten Vorhof. Das untere Ende ist vom Epikard überzogen. Vorn ist die Vene durch den Thymus, den Recessus costomediastinalis und den vorderen scharfen Lungenrand von der Brustwand getrennt. Lateral ist sie

Die Längsvenen des Brustkorbes begleiten als Reste der embryonalen hinteren Kardinalvenen und Suprakardinalvenen die Aorta (näheres zur Entwicklung s. Kap. 10.7.1.1.4, S.847). Sie nehmen die segmentalen Rumpfwandvenen und die Plexus venosi vertebrales externi und interni auf. In der Bauchhöhle verlaufen sie als Vv. lumbales ascendentes auf den Querfortsätzen der Wirbel hinter dem M. psoas major. Sie nehmen die Vv. lumbales auf und stehen mit der V. cava inferior und den Vv. iliacae communes in Verbindung. V. azygos. Die Vene tritt mit dem N. splanchnicus major durch den medialen Lumbalspalt (zwischen Crus mediale und Crus intermedium) des Zwerchfells in den Brustraum. Sie steigt unter Aufnahme der Vv. intercostales postt. und der V. hemiazygos vor der Wirbelsäule aufwärts bis zum 4./5. Brustwirbelkörper (Abb. 10.94), wo sie über das rechte Lungenhilum verläuft und außerhalb des Herzbeutels von hinten in die V. cava superior einmündet (Abb. 10.97). Links wird sie vom Ductus thoracicus begleitet. Ventral ist sie meist mit Pleura bekleidet. Ihre Lage schwankt außerordentlich. Nicht selten senkt sie sich, in eine Pleurafalte eingeschlossen, in die Substanz der rechten Lunge ein, wodurch ein akzessorischer, im Röntgenbild erkennbarer Lobus v. azygos entsteht (s. Abb. 10.40). V. hemiazygos. Sie steigt nach Durchtritt durch den medialen Lumbalspalt, unter Aufnahme der Vv. intercostales postt., links von den Brustwirbelkörpern empor (s. Abb. 10.51) und wendet sich in Höhe des 7.–10. Brustwirbelkörpers hinter der Aorta thoracica und dem Ductus thoracicus zur V. azygos, in die sie mündet. Nach oben setzt sie sich meist in eine V. hemiazygos accessoria fort, die das Blut aus den oberen Interkostalräumen sammelt und in die V. brachiocephalica sinistra mündet. Häufig besteht noch eine direkte, quer über den

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

886

Aortenbogen nach ventral verlaufende Verbindung zur V. cava superior. Klinik: Vv. lumbales ascendentes, Vv. azygos und hemiazygos stellen zusammen mit den inneren und äußeren venösen Geflechten der Wirbelsäule eine wichtige Verbindung zwischen V. cava inferior und V. cava superior her, die bei Abflussbehinderung einer der beiden Hohlvenen einen Kollateralkreislauf ermöglicht (interkavale Anastomose).

10.7.3

Bries, Thymus

Der Thymus ist als primäres lymphatisches Organ eines der Steuerorgane für die Immunabwehr, insbesondere für die Entwicklung und Differenzierung der für die zellulär vermittelte Immunabwehr zuständigen T-Lymphozyten. Darüber hinaus hat er Einfluss auf das Körperwachstum und den Knochenstoffwechsel.

10.7.3.1

Entwicklung

Der Thymus entwickelt sich in der 6. EW paarig aus entodermalen Epithelzellen, die den ventralen Anteilen des 3. Schlundtaschenpaars (Kap. 3.5.3.1, S. 153, Kap. 4.1.1.2, S. 181) entstammen, sowie einem mesenchymalen Teil, in den die Epithelzellen röhrenförmig einwachsen. Diese Röhren werden zu soliden Strängen, die Seitenäste entwickeln. Jeder Seitenast bildet die Grundlage für einen Lobulus. Während sich einige Epithelzellen zu kleinen Gruppen zusammenlagern (Hassall-Körperchen), formen andere ein epitheliales Netzwerk, indem sie auseinander weichen, aber Kontakt miteinander behalten. Das zwischen den Epithelsträngen befindliche Mesenchym wird zu bindegewebigen Septen, die die Lobuli inkomplett trennen. Ausgehend von hämatopoetischen Stammzellen wandern Lymphozyten in die Zwischenräume ein. Das die Thymusanlage umgebende Mesenchym ist ebenso wie einige epitheliale Zellen im Thymus ein Derivat der Neuralleiste (Kap. 3.5.1.2, S. 142). Das Epithel der ventralen Anteile des 3. Schlundtaschenpaars proliferiert unter Obliteration der beteiligten ektodermalen Anteile der 3. Schlundtasche. Die Thymusanlagen beider Seiten lagern sich in der Medianebene

zum zweilappigen Thymus zusammen. Dieser steigt dann ins obere Mediastinum hinab. Jeder Lappen behält seine eigene Blut-, Nerven- sowie Lymphversorgung. Die Entwicklung des Thymus schließt zwischen der 12. und 16. EW ab. Klinik: Beim DiGeorge-Syndrom handelt es sich um eine embryopathische Hemmungsfehlbildung der 3. und 4. Schlundtasche. Die hieraus resultierende Thymusaplasie führt zum Fehlen der zellulären Immunität. Darüber hinaus fehlen die Nebenschilddrüsen, und es kommt zu Fehlbildungen in der Aortenbogenregion.

10.7.3.2

Lage und Gestalt

Der Thymus liegt hinter dem Sternum und vor den großen Gefäßen im oberen Mediastinum (Abb. 10.98). Die beiden meist asymmetrischen Lappen, Lobi, lagern sich gewöhnlich in der Mittellinie aneinander. Nach kaudal laufen sie meist in Hörner aus, die bis etwa in Höhe des 4. ICR reichen. Beim Kleinkind hat das Organ die größte Ausdehnung und überragt nach kranial meist die obere Thoraxapertur. Der Thymus reicht dabei nicht selten auf der Luftröhre bis zum Unterrand der Schilddrüse. Ventral ist der Thymus durch lockeres Bindegewebe mit der Rückseite des Sternums verbunden. Seitlich ist er von der Pleura mediastinalis bedeckt und stößt an den N. phrenicus. Dorsal liegt er auf den großen Gefäßen (V. cava superior, Vv. brachiocephalicae, Aorta, Truncus pulmonalis) und dem Herzbeutel. Kleine, durch Bindegewebe getrennte Läppchen (Lobuli) sind auf der Oberfläche sichtbar, hängen aber alle mit dem zentralen Markstrang jedes Lappens zusammen. Bis zur Pubertät verändert der Thymus seine Größe nicht oder nur wenig und unterliegt dann einer fettigen Umbildung (Thymusinvolution) zu einem Thymusrest, der in einen retrosternalen Fettkörper eingebettet ist (Thymusrestkörper). Das absolute Gewicht im Kleinkindesalter liegt bei etwa 30 g und nimmt beim Erwachsenen auf etwa 18 g ab. Klinik: Beim Kind ist bei invasiven Eingriffen in der Halsregion (z. B. Tracheotomie) die Lage des Thymus vor der Luftröhre und seine mögliche Ausdehnung bis zum Unterrand der Schilddrüse zu beachten.

10.7.3 Bries, Thymus

887

N. phrenicus

A. thyroidea inferior

Glandula thyroidea

N. vagus N. phrenicus

N. vagus

Plexus brachialis

A. transversa colli (R. superficialis)

A. carotis communis

A. suprascapularis

V. jugularis interna Truncus brachiocephalicus V. subclavia A., V. thoracica interna R. thymicus

Vv. thyroideae inferiores Thymus Lobus superior

Lobus superior

Vordere Umschlagstelle der Pleura

Incisura cardiaca pulmonis sinistri

Lobus medius

Pericardium R. interventricularis anterior a. coronariae sinistrae (durchscheinend)

Lobus inferior

Lobus inferior

Diaphragma

Untere Pleuragrenze

Angulus infrasternalis

Abb. 10.98: Lage der Brustorgane. Verlauf der 1. Rippe, der Clavicula und des oberen Sternums durch schwarze Linien angedeutet

10.7.3.3

Feinbau

An einem hellen, zentralen Markstrang hängen durch lockeres Bindegewebe getrennte Läppchen (Lobuli), bei denen man am Querschnitt eine innere, hellere Zone, das Mark, von einer äußeren, dunklen Zone, der Rinde, unterscheidet (Abb. 10.99). Die Bindegewebssepten reichen nur bis zur Grenze zwischen Rinde und Mark. Mark und Rinde bestehen grundsätzlich aus gleichen Zellen: Epithelzellen, Lymphozyten, Mastzellen, Makrophagen, dendritische Zellen und vereinzelt auch

Plasmazellen sowie muskelartige Zellen in der kortikomedullären Übergangszone. Das Grundgerüst des Thymus besteht dabei aus einem Netzwerk verzweigter epithelialer Zellen (Thymus als lymphoepitheliales Organ), die auch als epitheliale Retikulumzellen bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den mesenchymalen Retikulumzellen (z. B. in Lymphknoten oder Milz) werden die Thymusretikulumzellen aber durch Desmosomen verbunden. Es lassen sich verschiedene Gruppen von epithelialen Zellen unterscheiden. Die Rinde wird durch eine dichte Lage flacher Epithelzellen gebildet,

888

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

auf die sich eine Basallamina auflagert und somit eine Grenze zur Kapsel bildet. Eine ähnliche Abgrenzung erfahren die Blutgefäße der Rinde. Die Umhüllung der Markgefäße ist demgegenüber nur unvollständig. Im Cortex finden sich weiterhin Epithelzellen, die zahlreiche Lymphozyten mit ihrem Zytoplasma umschließen (pro Zelle bis zu 200). Diese „Ammenzellen“ scheinen einerseits parakrin die Differenzierung der Lymphozyten zu steuern, andererseits endokrin auf andere Organe einzuwirken. Die Verteilung der Lymphozyten ist nicht gleichmäßig. In der Rinde liegen sie wesentlich dichter als im Mark. Innerhalb der Rinde finden sich außen eher große lymphatische Zellen, innen eher kleine mit schmalem Zytoplasmasaum. In Mark kommen häufig epitheliale Zellkugeln mit konzentrischer Schichtung vor (Hassall-Körperchen). Sie zeigen in ihrem Innern degenerative Prozesse (Verkalkung, Verfettung, Vakuolenbildung usw.).

Kapsel Rinde Mark

entstehen verschiedene T-Zell-Populationen, die anhand von Membranmolekülen unterscheidbar sind (diese Gruppen werden auch als Cluster of differentiation bezeichnet, die sie charakterisierenden Oberflächenmoleküle z.B. mit den Kürzeln CD4 oder CD8). Wichtig für die Subpopulation sind die T-Helferzellen (CD4), die für die Initiierung einer Immunreaktion zuständig sind. Diese CD4-positive Gruppe wird den CD8positiven T-Lymphozyten gegenübergestellt. Hierzu zählen zum einen die T-Suppressorzellen, die ein Überschießen der Immunreaktion verhindern sollen, sowie T-Killer-Zellen (zytotoxische Lymphozyten), die z. B. infizierte oder veränderte Zellen abtöten können. Zusammen werden die CD8-positiven Zellen auch als Ts/c-Zellen bezeichnet (Tsuppressor/cytotoxisch). Auf dem Weg in das Markgewebe oder später erfolgt die Prägung der T-Lymphozyten, d. h. der Erwerb der Fähigkeit, auf bestimmte Antigene mit Oberflächenrezeptoren zu reagieren. Auf dem Blutweg gelangen die T-Lymphozyten in die verschiedenen lymphatischen Organe (z. B. Lymphknoten und Milz), wo sie sich in den thymusabhängigen Zonen aufhalten. • Männliche und weibliche Geschlechtshormone hemmen die Tätigkeit des Thymus und beschleunigen seine Rückbildung. Ähnliches bewirken Hormone der Nebennierenrinde und das adrenokortikotrope Hormon (ACTH) der Adenohypophyse. Im Thymus selbst werden Hormone gebildet, die auf die Prägung der TLymphozyten einwirken (Thymushormone oder Thymusfaktoren: Thymosin, Thymopoetin).

10.7.3.4 Hassall-Körperchen

Abb. 10.99: Schema zur mikroskopischen Anatomie des jugendlichen Thymus. Übersichtsvergrößerung mit Kapsel, Rinde und Mark. Re. unten: Hasall-Körperchen des Marks (vergrößert dargestellt)

Funktion • In der Rinde findet die Vermehrung der Lymphozyten statt. Es wandern nur wenige Vorläuferzellen (Prä-T-Lymphozyten) auf dem Blutweg in das Organ ein; der Thymus weist eine hohe antigenunabhängige mitotische Aktivität auf. Es

Gefäße und Nerven des Thymus

Arterien Die arterielle Blutversorgung erfolgt über Rr. thymici aus der A. thoracica interna oder ihren Ästen (Rr. mediastinales und A. pericardiacophrenica). In Einzelfällen können auch Äste aus der A. thyroidea inferior oder direkt aus der Aorta vorkommen.

Venen Die Vv. thymicae ziehen zu den Vv. brachiocephalicae oder den Vv. thyroideae inferiores.

10.7.4 Luftröhre, Trachea

889

Lymphgefäße Die efferenten Lymphgefäße fließen in die vor oder hinter dem Thymus liegenden Nll. mediastinales anteriores, afferente Lymphgefäße kommen nicht vor.

Oesophagus Trachea

Nerven

Aorta

Vegetative Nervenfasern kommen aus dem Truncus sympathicus und dem N. vagus über die Nn. und Rr. cardiaci und den N. phrenicus. Klinik: Bei der Myasthenia gravis pseudoparalytica (Erb-Goldflam-Krankheit) kommt es zu einer Bildung von Antikörpern, die die Acetylcholinrezeptoren der motorischen Endplatten blockieren. Die Muskelkraft der betroffenen Patienten lässt schnell nach, u. a. auch die der Atemmuskulatur, was zu Schluck- und Atemlähmung führen kann. Häufig (70 %) findet sich bei diesen Patienten eine Vergrößerung des Thymus (Thymushyperplasie bei jüngeren Frauen = adulte weibliche Form) oder ein Thymustumor (Thymom bei älteren Männern = senile thymomassoziierte Form).

10.7.4

Luftröhre, Trachea

10.7.4.1 Topografie Die Luftröhre erstreckt sich mit einer Länge von etwa 12 cm zwischen dem Ringknorpel, Cartilago cricoidea, des Kehlkopfes und den Hauptbronchien (Abb. 10.100). Sie lässt sich in eine Pars cervicalis (colli) (zwischen 6. Halswirbel und 1. Brustwirbel) und eine Pars thoracica (zwischen 1. und 4. Brustwirbel) unterteilen. Die Trachea steigt ventral von der Speiseröhre abwärts bis zum 4. Brustwirbelkörper, wo sie sich in den rechten und linken Bronchus principalis teilt (Bifurcatio tracheae, entspricht ventral ungefähr dem Ansatz der 3. Rippe). Kräftige Bindegewebszüge befestigen die Bifurcatio an der Brustwirbelsäule und machen sie so zu einem Fixpunkt. Ventral wird sie vom Aortenbogen und vom Truncus brachiocephalicus überkreuzt und vom Thymus bedeckt.

Bronchus

Hiatus oesophageus

Diaphragma Hiatus aorticus Aorta

Abb. 10.100: Schema zur Topografie von Trachea, Oesophagus und Aorta

Rechts grenzt sie an das Endstück der auf dem rechten Bronchus principalis reitenden V. azygos, an den rechten Vagus, an die Pleura mediastinalis und an den Truncus brachiocephalicus. Links wird sie oberhalb des linken Bronchus durch den Aortenbogen eingedellt. Weiter kranial grenzt sie an die A. carotis communis sinistra, die A. subclavia sinistra und den N. laryngeus recurrens sinister. Neben ihr finden wir die Nll. tracheales, kranial und kaudal von der Bifurcatio die Nll. tracheobronchiales superiores und inferiores. Der Bronchus principalis dexter und sinister sowie die Entwicklung der Trachea wurden bereits im Kapitel Lunge besprochen (Kap. 10.6.1). Klinik: Die Bifurkation wird röntgenologisch als Fixpunkt für die richtige Lage eines zentralen Venenkatheters (ZVK) genutzt. Dabei sollte die Spitze des ZVK in der V. cava superior unmittelbar vor der Einmündung in den rechten Vorhof liegen, was der Bifurkation entspricht.

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

890

10.7.4.2

Feinbau

Knorpelspangen. Vorder- und Seitenwand der Trachea sind durch 16–20 hufeisenförmige Knorpelspangen versteift, die dorsal durch eine Hinterwand (Paries membranaceus) aus glatter Muskulatur (M. trachealis) zu einem Ring ergänzt werden. Im Querschnitt erscheint das Lumen jedoch nicht kreisförmig, sondern hinten abgeflacht (Abb. 10.47). Zwischen den Knorpelspangen finden sich kollagen-elastische Verspannungsstrukturen (Ligg. anularia). Diese gewährleisten eine Längendehnbarkeit der Luftröhre um etwa 25 %, die im Rahmen der Atembewegung notwendig ist. Der Durchmesser beträgt etwa 15–20 mm, wobei der Quer- etwas größer ist als der Sagittaldurchmesser. Die Pars thoracica erweitert sich in der Inspiration um etwa 2–3 mm. Mucosa. Sie besteht aus mehrreihigem Flimmerepithel mit Schleim sezernierenden Becherzellen, welches von einer relativ dicken Basalmembran unterlagert wird. Die Flimmerhärchen schlagen mit etwa 10 Schlägen pro Sekunde rachenwärts, um Schleim und Staubpartikel aus dem Tracheobronchialsystem hinaus zu befördern. Die Schleimhaut erreichen zahlreiche sero-muköse Gll. tracheales aus der Lamina propria, insbesondere an der Hinterwand. Die Lamina propria ist reich an elastischem Bindegewebe und grenzt an die Tela submucosa. Tela submucosa. Diese vermittelt über Kollagenfasern zwischen Lamina propria und dem Perichondrium der hyalinen (im Alter zunehmend faserigen) Knorpelspangen. Adventitia. Nach außen wird die Trachea durch die Adventitia begrenzt, in deren fetthaltigem Bindegewebe die Trachealnerven und -gefäße eingebettet sind. Klinik: 1. Längere Irritationen des Bronchialsystems (z. B. Rauchen) führen zu einer Zunahme der Becherzellen und einer Umwandlung des respiratorischen Epithels in ein mehrschichtiges Plattenepithel (Plattenepithelmetaplasie). 2. Rauchen führt darüber hinaus zu einer Verklebung und Immobilisierung der Flimmerhärchen, so dass der Abtransport von Schadstoffen (mukoziliare Clearance) nicht mehr gewährleistet ist und diese in tiefer gelegene Bronchialareale gelangen können.

10.7.4.3

Arterien

Die arterielle Versorgung der Luftröhre erfolgt größtenteils mit Rr. tracheales aus der A. thyroidea inferior und der A. thoracica interna.

10.7.4.4

Venen

Die Vv. tracheales münden in einen Venenplexus unterhalb der Schilddrüse (Plexus thyroideus impar), in die Vv. thyroideae inferiores und in Vv. oesophageae.

10.7.4.5

Nerven

Die Innervation der Muskulatur und der Trachealdrüsen erfolgt zum Teil direkt aus dem Hauptstamm des N. vagus, zum Teil aus dem N. laryngeus recurrens. Weitere Äste (insbesondere zur Gefäßinnervation) kommen aus dem Truncus sympathicus. Sensible Fasern (z. B. solche aus „Irritationrezeptoren“) ziehen mit dem N. vagus.

10.7.5

Speiseröhre, Oesophagus

Die Speiseröhre verbindet als 23–26 cm langer muskulärer Schlauch den Pharynx mit dem Magen. Sie beginnt am unteren Rande des Ringknorpels etwa in Höhe des 6. Halswirbels mit dem Oesophagusmund, verläuft vor der Wirbelsäule in flachem, nach dorsal konvexem Bogen abwärts und geht vor dem 11.–12. Brustwirbel am Magenmund, Cardia, in den Magen über. Da der Oesophagusmund 14–15 cm von den Schneidezähnen entfernt ist, beträgt die Entfernung von dort bis zum Magen 37–41 cm. Das Maß schwankt mit der Rumpflänge des Individuums. Klinik: Man kann die notwendige Länge einer Magensonde beim sitzenden Patienten, dessen Kopf nach vorn gebeugt ist, näherungsweise dadurch bestimmen, dass man mit dem Bandmaß vom Dorn des 11. Brustwirbels zum Dorn des 7. Halswirbels und von dort über die Schulter hinweg zum Munde misst.

10.7.5 Speiseröhre, Oesophagus

10.7.5.1

Entwicklung

Nachdem sich in der 4. EW aus der Wand des Vorderdarms (s. Kap. 3.5.2, S. 148) das Lungendivertikel abgespalten hat, besteht der ehemalige Vorderdarm aus 2 Anteilen, der ventral gelegenen Lungenanlage und dem dorsal liegenden Oesophagus. Dieser ist zunächst relativ kurz, verlängert sich aber schnell mit dem Tiefertreten von Herz und Lungen. Seine relative Endlänge erreicht er mit Abschluss der 7. EW. Das Epithel der Oesophagusschleimhaut entstammt dem Entoderm; es proliferiert und verschließt das Lumen nahezu vollständig, welches aber in der Folgezeit wieder rekanalisiert wird. Die quergestreifte Musklatur im oberen Drittel der Speiseröhre hat ihren Ursprung im Mesenchym der unteren Schlundbögen, die glatte Muskulatur des unteren Drittels im umgebenden Mesenchym. Im mittleren Drittel setzt sich die Muskulatur aus Derivaten beider Ursprünge zusammen. Klinik: 1. Eine Oesophagusatresie tritt in mehr als 85 % der Fälle gemeinsam mit oesophagotrachealen Fisteln auf. Da die betroffenen Feten die Amnionflüssigkeit nicht schlucken können (und diese nicht im Darm resorbiert wird, um dann über die Plazenta ins mütterliche Blut zu gelangen), bildet sich ein Überschuss an Amnionflüssigkeit (Polyhydramnion). Die Kinder wirken postpartal zunächst normal, bis es nach wenigen Schluckakten plötzlich zu einem Flüssigkeitsrückstrom durch Mund und Nase kommt und sich eine Atemnot entwickelt. Eine rechtzeitige Operation führt zu Überlebensraten von über 85 %. 2. Verengungen des Oesophagus (Oesophagusstenosen) sind vorzugsweise im unteren Drittel lokalisiert. Als Ursache kommen unzureichend entwickelte Gefäße und eine unvollständige Rekanalisierung in der 8. EW in Frage.

10.7.5.2

Topografie

An der Speiseröhre unterscheidet man einen Hals-, Brust- und Bauchteil (Pars cervicalis, thoracica und abdominalis). £ Pars cervicalis (colli). Sie ist etwa 8 cm lang

und reicht von der Höhe des Ringknorpels des Kehlkopfes (beim Erwachsenen etwa 6. Hals-

891

wirbel) bis zum 1. Brustwirbel (etwa bis zum Oberrand des Sternums). Sie liegt vor der Wirbelsäule und ist mit dem tiefen Blatt der Halsfaszie (Lamina praevertebralis fasciae cervicalis) durch eine lockere Verschiebeschicht verbunden. Ventral grenzt sie an den membranösen Teil der Luftröhre. Während der Oesophagusmund etwa in der Mittellinie liegt, weicht die Speiseröhre im Hals- und oberen Brustgebiet etwas nach links ab und erscheint z. T. links von der Trachea. Im oberen Teil grenzt sie beiderseits an die Schilddrüse. Zwischen Oesophagus und Trachea finden sich die Nn. laryngei recurrentes, die zum Kehlkopf ziehen. £ Pars thoracica. Sie läuft vom 2. Brustwirbel ab in einem flachen Bogen in 1–1,5 cm Abstand von der Wirbelsäule kaudal- und ventralwärts. In Höhe des 4./5. Brustwirbels wird sie vom linken Hauptbronchus überkreuzt und von links her durch den Aortenbogen eingeengt (Mittlere oder Aortenenge, s. u.). Kaudal von dieser Enge weicht die Speiseröhre etwas nach rechts ab. Sie verläuft hier zunächst neben der Aorta thoracica, wendet sich kaudalwärts wieder nach ventral und links und tritt ventral von der Aorta durch den Hiatus oesophageus des Zwerchfells. Oberhalb der Bifurcatio tracheae liegt der Oesophagus teilweise hinter der Luftröhre (Pars retrotrachealis). Unterhalb der Bifurcatio grenzt er an den Herzbeutel (Pars retropericardiaca). Die Nachbarschaftsbeziehungen zur Rückwand des Herzbeutels sind so eng, dass Erweiterungen des linken Vorhofes bei Mitralstenose und Ergüsse im Herzbeutel den Oesophagus einengen und Passageschwierigkeiten hervorrufen können. Unmittelbar oberhalb des Zwerchfells ist die Speiseröhre durch lockeres Bindegewebe vom Herzbeutel und von der linken Kammer getrennt. Dieses Bindegewebe gestattet es, dass der Herzbeutel sich hier bei Herzbeutelergüssen nach dorsal zu einem Recessus ausbuchtet. £ Pars abdominalis. Der unterhalb des Zwerchfells gelegene Teil ändert mit der Stellung des Zwerchfells, mit der Körperhaltung, mit der Füllung des Magens und mit dem Kontraktionszustand der Speiseröhrenmuskulatur seine Länge (0–3 cm). In Rückenlage kann der nach links und hinten absinkende Magen die Speiseröhre bis zu 3 cm herabziehen. Andererseits kann die Cardia bis in den Zwerchfellschlitz heraufgezogen sein. Das untere Speiseröhrenende ist

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

892

im Hiatus oesophageus verschieblich eingebaut (Hiatushernien). Die thorakale und die abdominale Zwerchfellfaszie verbinden sich am oberen und unteren Rande des Hiatus mit der Tunica adventitia des Oesophagus, die oberhalb und im Bereich des Hiatus besonders verstärkt ist. Die Ringmuskulatur ist hier verdickt; sie bildet bei Kontraktion die 3. oder Zwerchfellenge des Oesophagus. Die Lichtung der Speiseröhre hat abwechselnd weite und enge Stellen (Abb. 10.101). Medianebene

Obere Enge

Obere Weite

Mittlere Enge

Untere Weite

ßende 1. Weite stellt in Ruhe einen quer gestellten Spalt dar. Vorder- und Rückwand liegen, unter dem Einfluss des äußeren Luftdrucks und des Druckes der Nachbarorgane, aneinander. £ 2. Enge. 25 cm von der Zahnreihe entfernt. Wir erreichen sie dort, wo sich der Aortenbogen von links und der linke Bronchus von vorn her an den Oesophagus legen. Sie wird auch Aortenenge genannt. Die 2. Weite steht unter dem Einfluss des Lungensogs und wird durch ihn dauernd offengehalten, zeigt aber respiratorische Schwankungen. £ 3. Enge. 40 cm von der Zahnreihe und 3 cm von der Cardia entfernt. Sie kommt durch die Kontraktion der hier besonders kräftigen Ringmuskulatur zustande. Sie wird meist Zwerchfellenge genannt, obwohl ihre Lage zum Zwerchfell wechselt. Unterhalb von ihr ist die Speiseröhre leichter erweiterungsfähig. Die Kardia ist in Ruhe geschlossen. Klinik: Retropharyngeale und retrooesophageale Eiterungen im Halsbereich können durch die kontinuierliche Verschiebeschicht zum hinteren Mediastinum absinken und eine lebensbedrohende Entzündung des Mediastinums (Mediastinitis) hervorrufen.

10.7.5.3 Feinbau Untere Enge

Abb. 10.101: Schema zu Engen und Weiten des Oesophagus, von ventral

Engen £ 1. Enge. 15 cm von der Zahnreihe entfernt. Sie

entspricht dem Oesophagusmund. Er ist nur für Instrumente bis zu 14 mm Dicke durchgängig und damit die engste Stelle. In Ruhe wird er durch rhythmische Kontraktionen der obersten Ringmuskelfasern lockerer oder fester geschlossen gehalten. Oberhalb von ihm wulstet ein submuköses Venengeflecht die Rückwand der Pars laryngea des Schlundes als Oesophaguslippe gegen die Ringknorpelplatte vor. Die anschlie-

Die Wand des Oesophagus weist die für den gesamten Rumpfdarm gültige Schichtung in Tunicae mucosa, submucosa, muscularis und adventitia (bzw. Serosa) auf. £ Tunica mucosa. Sie besteht aus mehrschich-

tigem, unverhorntem Plattenepithel, dem eine aus lockerem Bindegewebe bestehende Lamina propria untergelagert ist. In dieser finden sich vereinzelt Lymphfollikel und Venenpolster. Ebenfalls zur Tunica mucosa zählt die kräftige Lamina muscularis mucosae. Ihre glatten Muskelzellen greifen mit zahlreichen elastischen Sehnen am elastischen Gerüst der angrenzenden Bindegewebsschichten sowie an den Gefäßen an und sichern die Führung aller Bestandteile bei der Weiter- und Engerstellung des Lumens. Das Oesophagusepithel ist an der Cardia durch eine scharfe, gezackte Linie gegen das Magenepithel abgesetzt. Vereinzelt beobachtet man

10.7.5 Speiseröhre, Oesophagus

versprengte Inseln von rötlicher Magenschleimhaut. £ Tela submucosa. Sie gestattet eine Verschiebung der Tunica muscularis mucosae gegen die Schleimhaut. Die Tela submucosa enthält reichlich Lymph- und Blutgefäße. Eine variable Zahl in der Submucosa gelegener Schleimdrüsen erleichtert mit ihrem Sekret das Gleiten der Speisen. Wir finden einen vegetativen Plexus (Plexus submucosus, Meißner), in den neben sensiblen Fasern parasympathische Neurone für die Motorik der Lamina muscularis mucosae und für die submukösen Drüsen einstrahlen. £ Tunica muscularis. Sie imponiert auf Querschnitten oft als innere Ring- und äußere Längsschicht. Tatsächlich dürfen diese Schichten aber nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Die Muskelschicht lässt vielmehr 2 prinzipielle Konstruktionen erkennen: 1. Muskelbündel verlaufen in stets gleichem Abstand vom Lumen von kranial nach kaudal in steilen Touren im Uhrzeigersinn (Wendel), 2. Muskelbündel umkreisen das Lumen in schraubenförmigen Touren. Diese verlaufen in der Außenschicht steiler, in der Innenschicht stärker geneigt, am oberen und unteren Ende nahezu ringförmig (Verschlusssegmente). Im Schraubensystem überkreuzen sich ab- und aufsteigende Muskelbündel, die im oder gegen den Uhrzeigersinn verlaufen. Die Muskelschicht wird von kranial nach kaudal dicker. Die Dicke der Längs- und Ringmuskulatur verhält sich zervikal wie 1 : 2, thorakal wie 2 : 2, abdominal wie 3 : 2. Die starke Längsschicht ermöglicht durch ihren Tonus eine stärkere Längsspannung. Diese unterstützt besonders das untere Verschlusssegment. Kranial sind die Längsmuskelzüge an der Ringknorpelplatte angeheftet, kaudal gehen sie in die Magenmuskulatur über. Längs- und Ringmuskelschicht bestehen im kranialen Drittel aus quergestreifter Muskulatur. Bis zur Bifurcatio tracheae, in der Ringschicht etwas früher, werden sie allmählich durch glatte Muskelzellen ersetzt. Im kaudalen Drittel finden wir nur glatte Muskulatur. Aus der Tunica muscularis abzweigende Muskelfasern können zusammen mit elastischen Fasern an der Luftröhre, dem linken Bronchus, der Pleura mediastinalis, der Aorta und am Zwerchfell ansetzen. Sie gestatten der Speiseröhre, ihre Einstellung zu den Nachbarorganen zu ändern.

893

Ein Nervenplexus findet sich zwischen den Muskelschichten (Plexus myentericus, Auerbach) für die Motorik der Muskulatur. £ Tunica adventitia. Sie bildet die äußere Umhül-

lung der Speiseröhre und besteht aus lockerem Bindegewebe, in das Nerven, Gefäße und glatte Muskelfasern eingebettet sind. Dort, wo die Speiseröhre in Kontakt mit den serösen Häuten tritt, entspricht das adventitielle dem subserösen Bindegewebe.

Klinik: 1. Da die Lamina propria der Tunica mucosa Lymphgefäße enthält, ist die Metastasierung eines Oesophaguskarzinoms (Abb. 10.102) möglich, sobald es diese Schicht erreicht hat. 2. Bei der Achalasie kommt es zu einer Degeneration des Plexus myentericus im unteren Oesophagus. Der untere Oesophagusabschnitt erschlafft nicht mehr zeitgerecht, Speisen können nicht mehr oder nur mit Mühe geschluckt werden.

10.7.5.4

Funktion

Funktionell unterscheidet man einen oberen Oesophagussphinkter, ein Oesophaguskorpus und einen unteren Oesophagussphinkter. Morphologisch lässt sich jedoch insbesondere ein unterer Oesophagussphinkter im Sinne eines zirkulären Verschlussapparates nicht abgrenzen. Nach dem eigentlichen Schluckakt (s. Kap. 4.14.3.3, S. 309) wird im Pharynx eine primäre peristaltische Welle initiiert, die feste Nahrungsbestandteile in weniger als 10 s zum Magen transportiert, flüssige in etwa 1 s. Unter der peristaltischen Welle kontrahieren sich Oesophagusareale von 2–4 cm Länge. Sekundäre peristaltische Wellen entstehen durch Druck von Speiseanteilen auf die Oesophaguswandung. Der untere Oesophagussphinkter öffnet sich für ca. 5–8 s. Der Verschluss des Oesophagus beim Übergang in den Magen muss einerseits fest genug sein, um den Übertritt von Mageninhalt (besonders die Magensäure) in die Speiseröhre zu verhindern, andererseits der Speise zeitgerecht und in hinreichender Größe den Übergang in den Magen erlauben. Dieses geschieht ohne Ausbildung eines eigentlichen Sphinktermuskels (wie er sich beispielsweise

894

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

Abb. 10.102: Oesophagusdarstellung durch Kontrastmittelbreischluck. Oesophaguskarzinom. T: Tumorausstrahlung; Th3: 3. Brustwirbel

am Magenausgang findet). Verschiedene Faktoren sichern den suffizienten Oesophagusverschluss: • Im terminalen Oesophagus herrscht ein höherer Druck als im Magen (gewährleistet durch den höheren muskulären Druck im unteren Oesophagusabschnitt).

• Der letzte Teil des Oesophagus liegt intraabdominal, d. h. Erhöhungen des intraabdominalen Druckes wirken auch auf die Oesophaguswandung und somit lumenverschließend. • Die Speiseröhre steht unter einer starken Längsspannung (bei Durchtrennung verkürzt sie sich um mehr als 10 cm). In diesem angespannten

10.7.5 Speiseröhre, Oesophagus

Zustand ist sie verschlossen. Zusammen mit dem in der Lamina propria befindlichen Venenplexus bildet die Längsverspannung einen angiomuskulären Dehnverschluss. • Verkürzt sich die Speiseröhre im Schluckakt, so kann sie sich öffnen. Die Längsspannung kann nur bei fester Verankerung aufrechterhalten werden. Diese Verankerung erfolgt im Hiatus oesophageus des Zwerchfells durch eine elastische Bindegewebsplatte (Laimer-Membran). • Ein weiterer Faktor für den suffizienten Verschluss des unteren Oesophagus ist die etwas gewinkelte Einmündung des Oesophagus in den Magen (His-Winkel).

10.7.5.5

Gefäße und Nerven

10.7.5.5.1 Arterien Die arterielle Versorgung ist sehr variabel. Im oberen Abschnitt erfolgt sie aus der A. subclavia, entweder durch einen direkten Ast oder durch Äste aus dem Truncus thyrocervicalis (v. a. A. thyroidea inferior). Der mittlere Abschnitt erhält beiderseits 4–5 Rami oesophagei, die links aus der Aorta, rechts meist aus den Interkostalarterien stammen. Der untere Abschnitt (bis zu 10 cm) wird von Ästen der A. gastrica sinistra und A. phrenica inferior versorgt.

10.7.5.5.2 Venen Die Venen fließen im oberen Drittel zu den Vv. thyroideae inferiores, im mittleren Abschnitt zu den Vv. azygos und hemiazygos, im unteren Abschnitt durch den Hiatus oesophageus über die V. gastrica sinistra zur V. portae. Klinik: Die Verbindung zwischen den submukösen Venen des Oesophagus und der V. gastrica sinistra stellt eine wichtige portokavale Anastomose dar. Bei Umkehrung des Blutflusses im Pfortadersystem (z. B. bei Leberzirrhose) kommt es zu einer Aufweitung der Oesophagusvenen (Oesophagusvarizen). Diese stellen eine erhebliche Blutungsgefahr dar, an der viele Patienten mit Pfortaderhochdruck versterben.

895

10.7.5.5.3 Lymphgefäße Die Lymphgefäße aus einem mukösen und einem submukösen Geflecht ziehen durch die Muskelschicht direkt zu den benachbarten oder auch mittels Längsanastomosen zu entfernteren Lymphknoten. Als regionäre Lymphknoten sind zu nennen: Nll. cervicales profundi, Nll. tracheales, Nll. tracheobronchiales, Nll. mediastinales posteriores und Nll. gastrici sinistri.

10.7.5.5.4 Nerven Die Nervenversorgung erfolgt sympathisch und parasympathisch (N. vagus). Der N. vagus fördert, der Sympathicus hemmt die peristaltischen Bewegungen. Oberer Abschnitt. Hier treten die aus dem Ggl. cervicothoracicum (stellatum) kommenden sympathischen Fasern an die Abgangsstellen des N. laryngeus recurrens heran und gelangen mit dessen Rr. oesophagei zur Speiseröhre. Unterhalb der Bifurcatio tracheae lagern sich die beiden Vagusstämme an die Speiseröhre und bilden den grobmaschigen Plexus oesophageus, zu dem sich beiderseits auch sympathische Fasern aus dem Truncus sympathicus und dem Plexus aorticus thoracicus gesellen. Sympathische und parasympathische Fasern treten an den intramuralen, zwischen Längs- und Ringmuskelschicht gelegenen Plexus myentericus heran. Vagusfasern enden auch an den motorischen Endplatten der quergestreiften Muskelfasern. Schmerz- und Temperaturempfindungen sind gering. Berührungsreize, die den Schluckreflex fördern, verlaufen ebenfalls über den N. vagus. Die sensiblen Fasern ziehen zum 5. thorakalen Rückenmarkssegment (Head-Zone, Überempfindlichkeit der Haut bei Verätzungen der Speiseröhrenschleimhaut und Oesophaguskarzinomen). Klinik: 1. Zu starke Reize (heiße und ätzende Flüssigkeiten) führen zu einem Verschluss des unteren Oesophagusabschnitts, wodurch es oberhalb wie auch an der 1. und 2. Enge zu starken Verbrennungen und Verätzungen kommen kann. Man nimmt an, dass der häufige Genuss sehr heißer Getränke eine Ursache für die Entwicklung eines Oesophaguskarzinoms ist (wie auch: Alkoholabusus, Rauchen, Achalasie und Refluxoesophagitis). 2. Oesophaguskarzinome

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

896

(zumeist Plattenepithelkarzinome) stellen 5 % aller Tumoren des Verdauungstraktes dar und befallen vor allem ältere Männer. Sie finden sich bevorzugt an den 3 physiologischen Engen der Speiseröhre. Die Karzinome wachsen (fehlende Serosa!) schnell in die Umgebung und breiten sich in der lockeren Submucosa aus. 3. Verschiedene Nahrungs- und Genussmittel (z. B. Schokolade, Fett, Alkohol und Nikotin) setzen den Verschlussdruck im unteren Oesophagus herab, was zu einem Rückfluss sauren Mageninhaltes in die Speiseröhre führt. Bei häufigem gastrooesophagealem Reflux kann sich eine Entzündung der unteren Oesophagusschleimhaut entwickeln (Refluxoesophagitis), die zu Geschwüren und Verengungen führen kann. Als gravierende Komplikation der Refluxoesophatitis kann der distale Oesophagaus statt durch Plattenepithel durch eine spezialisierte intestinale Zylinderepithel-Metaplasie ausgekleidet sein (BarrettOesophagus). Über Epitheldysplasien kommt es hierbei zunehmend zur Entwicklung eines früher eher seltenen Adenokarzinoms des distalen Oesophagus.

ten und der kraniale Anteil des linken Ganges sowie deren Anastomose an der Cisterna chyli entwickeln sich zum definitiven Ductus thoracicus. Aus dem kranialen Anteil des rechten Verbindungsganges entsteht der Ductus lymphaticus dexter.

10.7.6.2

Topografie

£ Ductus thoracicus. Die beiden Trunci lum-

bales und der unpaare Truncus intestinalis vereinigen sich höher oder tiefer vor dem 11. Brustwirbel bis zum 2. Lendenwirbel im Hiatus aorticus. Die Vereinigungsstelle ist zumeist etwas aufgetrieben, manchmal (ca. 20 %) zu einer Größe von 5 cm Länge und 6 mm Weite zisternenartig erweitert, Cisterna chyli (Abb. 10.103). Sie liegt hinter und rechts der Aorta, manchmal auch hinter der V. cava inferior. Der aus ihr hervorgehende kontraktionsfähige Ductus thoracicus gelangt hinter der Aorta in den Brustraum und verläuft hier zunächst vor den Wirbelkörpern, dann etwas rechts der Mittellinie zwischen Aorta thoracica und V. azygos bis zum 4. Brustwirbel (Abb. 10.94). Bis hierV. jugularis interna

10.7.6

Brustmilchgang, Ductus thoracicus

Der Ductus thoracicus führt die Lymphe aus der gesamten unteren Körperhälfte, den Brustorganen und dem linken Arm. Der deutsche Name „Brustmilchgang“ rührt von der weißen Farbe seines Inhaltes bei der Fettverdauung her, weil die in den Mukosazellen des Dünndarms resynthetisierten Lipide und produzierten Chylomikronen über das Lymphsystem transportiert werden. Manchmal tritt der Ductus thoracicus ganz oder teilweise gedoppelt auf.

10.7.6.1

Truncus jugularis Truncus subclavius Ductus lymphaticus dexter

4. Brustwirbel

Angulus venosus V. subclavia Truncus bronchomediastinalis

Ductus thoracicus

Entwicklung

Die Entwicklung des lymphatischen Systems beginnt am Ende der 6. EW. Es entstehen zunächst 6 Lymphgefäßstämme: 2 jugulare, 2 iliacale, 1 retroperitonealer in der Mesenterialwurzel und die Cisterna chyli dorsal des retroperitonealen Stammes. 2 große Lymphgefäße (rechter und linker Ductus thoracicus) verbinden die jugularen Stämme mit der Cisterna chyli. Der kaudale Anteil des rech-

2. Lendenwirbel

Cisterna chyli Truncus intestinalis Truncus lumbalis

Abb. 10.103: Schema der Hauptstämme des Lymphgefäßsystems

10.7.8 Nervux vagus

her ist er ventral meist von der rechten Pleura mediastinalis bekleidet und von der Speiseröhre durch den Recessus retrooesophageus getrennt. Weiter oben unterkreuzt er den Aortenbogen und gelangt an der linken Seite der Speiseröhre zum Hals, wo er auf dem M. longus colli zwischen A. carotis communis sinistra und A. subclavia sinistra ventral über die A. vertebralis sinistra, den linken Grenzstrang und den N. phrenicus sinister zieht und in einem nahezu sagittal stehenden Bogen in den linken Venenwinkel (Vereinigung der V. jugularis interna und V. subclavia) mündet (Abb. 10.76). £ Ductus lymphaticus dexter. Er führt die Lymphe aus dem rechten oberen Körperquadranten in den rechten Venenwinkel. Er entsteht aus der Vereinigung des Truncus subclavius dexter mit dem Truncus jugularis dexter, dem Truncus bronchomediastinalis dexter und dem Truncus mediastinalis anterior.

10.7.7

897

w Truncus mediastinalis anterior. Er verläuft an

w

Lymphsystem des Brustraumes

Die bereits bei den Organen beschriebenen Lymphgefäße und regionären Lymphknoten seien hier nochmals im Zusammenhang mit den größeren Lymphstämmen dargestellt.

w

w

Außer dem Ductus thoracicus und dem Ductus lymphaticus dexter gibt es im Brustraum rechts und links noch weitere größere Lymphstämme (Abb. 10.104): w Truncus parasternalis. Er sammelt die Lymphe

aus den Nll. parasternales und leitet sie beiderseits direkt oder nach Vereinigung mit dem Truncus mediastinalis anterior in den Venenwinkel. Außerdem sollen noch, besonders links, Verbindungen zu den retroklavikulären und supraklavikulären Lymphknoten bestehen. Frühe Metastasen in ihnen bei Karzinomen im oberen Bauchraum würden so ihre Erklärung finden (Virchow-Drüse hinter dem linken Sternoklavikulargelenk bei Magenkrebs). w Nll. parasternales. Das Quellgebiet ist die Haut über und neben dem Sternum und oberhalb des Nabels, der mediale Teil der Mamma, Interkostalräume, Pleura parietalis, Zwerchfell, Peritoneum parietale oberhalb des Nabels und die Leber.

w

der Rückfläche des Brustbeins und nimmt die Lymphe aus den Nll. mediastinales anteriores und den Nll. phrenici auf und führt sie selbstständig oder mit dem vorigen vereint zum Venenwinkel. Die Nll. mediastinales anteriores liegen hinter dem Sternum, vor und hinter dem Thymus, vor den großen Gefäßen und vor dem Herzbeutel. Die untersten, unmittelbar auf dem Zwerchfell liegenden werden auch als Nll. phrenici bezeichnet. Ihre Quellgebiete sind die Leber, der Herzbeutel, das Herz und der Thymus. Außerdem sind noch Verbindungen zu den Nll. parasternales beschrieben. Truncus bronchomediastinalis. Dieser verbindet eine Lymphknotenkette, die neben dem Oesophagus und der Aorta liegt (Nll. mediastinales posteriores), nimmt außerdem noch die Lymphe aus den Nll. tracheobronchiales und tracheales auf und mündet links in den Ductus thoracicus. Rechts vereinigt er sich mit dem Truncus mediastinalis anterior sowie mit dem Truncus jugularis und Truncus subclavius zu dem sehr kurzen Ductus lymphaticus dexter. Nll. mediastinales posteriores. Ihr Quellgebiet ist die Leber, das Zwerchfell, die Speiseröhre, die Lungen und der dorsale Teil der Zwischenrippenräume. Nll. tracheobronchiales inferiores. Sie liegen an der Bifurcatio tracheae, die Nll. tracheobronchiales superiores im Winkel zwischen Luftröhre und Stammbronchien. Ihr Quellgebiet sind die Lungen, die Bronchien, die Pleura pulmonalis und die linke Herzhälfte. Nll. tracheales (neben der Luftröhre). Sie versorgen den Kehlkopf unterhalb der Rima glottidis, die Luftröhre, die Lungen und das mittlere Drittel der Speiseröhre.

10.7.8

Nervus vagus

Der N. vagus (N. X) versorgt ein sehr umfangreiches Innervationsgebiet. Er repräsentiert im gesamten Brustraum und Teilen des Bauchraumes (bis etwa zur Flexura coli sinistra, CannonBöhm-Punkt) den parasympathischen Anteil des vegetativen Nervensystems und führt afferente Fasern aus allen Organen in seinem Ausbreitungsgebiet (s. Kap. 4.12.1, S. 255).

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

898

Oesophagus Trachea

Costa prima

V. jugularis interna sinistra

Ductus thoracicus

Angulus venosus Truncus mediastinalis anterior

V. subclavia sinistra

Nll. tracheales

A. carotis communis sin., A. subclavia sin.

Nll. mediastinales anteriores

Arcus aortae

Truncus bronchomediastinalis

Nll. tracheobronchiales superiores Truncus pulmonalis

Bronchus principalis sinister

Nll. parasternales

Nll. tracheobronchiales inferiores Vv. pulmonales, Ductus thoracicus

Truncus parasternalis

Aorta thoracica, Nll. aortici

Nll. phrenici anteriores

Nll. intercostales

Cor

Nll. phrenici posteriores

Oesophagus Diaphragma

Abb. 10.104: Hauptlymphstämme und Lymphknotengruppen des Brustraums. Pfeile: Lymphabfluss aus dem Bauchraum. Gestrichelt: verdeckte Lymphstämme. Blick von links

10.7.8.1

Entwicklung

Ebenso wie die Hirnnerven V, VII und IX ist der N. vagus ein Schlundbogennerv und versorgt entsprechend alle Strukturen, die sich aus seinem Ursprungsgebiet entwickeln. Der N. vagus entsteht durch Vereinigung der Nerven aus dem 4. und 6. Schlundbogen, so dass seine Viszeroafferenzen und -efferenzen das Herz, den Vorderdarm und große Teile des Mitteldarms (und ihrer Derivate) innervieren.

10.7.8.2

Topografie

Die Nn. vagi haben im Brustraum einen unterschiedlichen Verlauf. Der rechte N. vagus tritt

zwischen A. subclavia und V. brachiocephalica dextra, der linke zwischen dem Arcus aortae und der V. brachiocephalica sinistra in das Mediastinum. Beide ziehen hinter den Lungenwurzeln nach kaudal zum Oesophagus, wo die Fasern als Truncus vagalis anterior und posterior umgeordnet werden (Abb. 10.86, 94). £ Vom rechten Vagusstamm oder vom N. laryn-

geus recurrens dexter entspringen in der unteren Halsregion Rr. cardiaci cervicales inferiores. Nach seinem Eintritt in das Mediastinum gibt der rechte N. vagus nach dorsal den N. laryngeus recurrens ab, der um die A. subclavia nach hinten zieht und in der Rinne zwischen Trachea und Oesophagus zum Kehlkopf gelangt. Unterhalb des Abgangs des N. laryngeus recurrens

10.7.9 Grenzstrang, Truncus symphaticus

gibt der N. vagus Rr. cardiaci thoracici ab, die zum Plexus cardiacus ziehen. Der Hauptstamm des Nerven wendet sich dann, dicht der Pleura anliegend, nach dorsal, kreuzt die Seitenfläche der Luftröhre und unterkreuzt die V. azygos. Hier gibt er die Rr. bronchiales zum Plexus pulmonalis ab. Weiter unten bildet er, von Pleura bedeckt, unter Abgabe von zahlreichen Rr. oesophagei den grobmaschigen Plexus oesophageus. In ihm findet ein Faseraustausch zwischen rechtem und linkem Vagus statt, so dass die aus dem Geflecht hervorgehenden Trunci vagales Fasern aus dem rechten und linken N. vagus enthalten (Verteilung s. u.). £ Der linke N. vagus erreicht an der lateralen Seite der A. carotis communis sinistra, mit ihr medianwärts ziehend, den Aortenbogen. Auf dieser Strecke gibt er die Rr. cardiaci cervicales inferiores ab und unterkreuzt die V. brachiocephalica sinistra und den N. phrenicus. An der linken Fläche des Aortenbogens wendet er sich, von Pleura bedeckt, nach hinten. Unterhalb des Arcus aortae gibt er, lateral des Lig. arteriosum, den linken N. laryngeus recurrens ab. Zwischen A. pulmonalis sinistra und Aorta gelangt er an die Rückfläche des linken Lungenhilum, wo er die Rr. bronchiales zum Plexus pulmonalis schickt. In Höhe des 7. Brustwirbels erreicht er die linke Fläche der Speiseröhre. £ Der auf der Vorderfläche der Speiseröhre liegende Truncus vagalis anterior führt zu 90 % Fasern aus dem linken N. vagus, der Truncus vagalis posterior zu 90 % aus dem rechten (Erklärung durch die Magendrehung). Sie gelangen durch den Hiatus oesophageus in den Bauchraum, um mit Rr. gastrici anteriores und posteriores zur Vorder- bzw. Rückfläche des Magens und mit Rr. hepatici zur Leber zu ziehen. Die Masse der Fasern des Truncus vagalis posterior zieht zum Plexus coeliacus.

10.7.9

Grenzstrang, Truncus sympathicus

Der Grenzstrang und die aus ihm hervorgehenden Nerven, Geflechte und peripheren Ganglien bilden den sympathischen Teil des vegetativen Nervensystems. Er liegt beiderseits der Wirbelsäule und erstreckt sich mit 22 bis 23 Ganglien von der Schädelbasis bis zum Steißbein. Die

899

Neurone des Sympathicus liegen in den Seitenhörnern (Nucleus intermediolateralis) der Rückenmarksegmente C8–L3 (thorakolumbales System des vegetativen Nervensystems). Der Sympathicus führt auch afferente viszerosensible Fasern für die Schmerzempfindung der Eingeweide. Seine Erfolgsorgane sind u. a. solche mit glatter Muskulatur (z. B. Gefäße, Lunge), der Herzmuskel, das Nebennierenmark und exokrine Drüsen (s. Kap. 2.6.6.5, S. 104).

10.7.9.1

Entwicklung

In der 5. EW wandern Neuralleistenzellen (Kap. 3.5.1.2, S. 142) im Thorax beiderseits des Rückenmarks aus und bilden dorsolateral der Aorta 22–23 Ganglien. Diese sympathischen Ganglien werden auf jeder Seite durch längsverlaufende Fasern verbunden, so dass sich bilateral der Wirbelkörper die Grenzstränge bilden.

10.7.9.2

Topografie

Der Truncus sympathicus tritt vom Hals, wo er medial vom Gefäß-Nervenbündel in der Lamina praevertebralis fasciae cervicalis (Fascia cervicalis profunda) leicht aufzufinden ist, vor dem Köpfchen der 1. Rippe in den Brustraum (Abb. 10.51, 94, 97). Der Brustgrenzstrang liegt von allen Gebilden des Mediastinum am weitesten lateral. Eingebettet in die Fascia endothoracica wird er von der Pleura costalis bedeckt. Oben liegt er vor den Rippenköpfen, zwerchfellwärts schiebt er sich weiter nach medial und liegt an der Seite der Wirbelkörper. In seinem Verlauf überkreuzt er die Interkostalgefäße und -nerven. Der Grenzstrang durchdringt das Zwerchfell zwischen Crus intermedium und Crus laterale. 10–12 Brustganglien (Ganglia thoracica) liegen meist in Höhe des zugehörigen Spinalnerven. Ihre Zahl schwankt, weil benachbarte Ganglien nicht selten miteinander verschmelzen. Jedes Ganglion ist durch 1–3 Rr. communicantes mit dem zugehörigen Spinalnerven verbunden. Sie führen: 1. weiße, markhaltige, präganglionäre Fasern von Zellen der Seitensäule des Rückenmarkes zum Grenzstrangganglion (Rr. communicantes albi),

900

10 Brustkorb, Thorax und Brustraum, Cavitas thoracis mit Zwerchfell, Diaphragma

2. graue, marklose oder markarme, postganglionäre Fasern vom Ganglion über die Spinalnerven zur Peripherie (Rr. communicantes grisei) 3. afferente, schmerzleitende, von den Eingeweiden kommende Fasern zu ihren im Spinalganglion liegenden bipolaren Ganglienzellen, die an Zellen der Hintersäule enden. Beim Menschen sind diese verschiedenen Faserarten in den Rr. communicantes so gemischt, dass eine Unterscheidung von Ramus albus und griseus meist nicht möglich ist. Nach medial gehen vom Brustgrenzstrang zahlreiche feine und größere Äste zu den Eingeweiden und den Gefäßen des Mediastinum ab. Vom 2.–4. (5.) Brustganglion (Ganglion thoracicum) ziehen feine Äste als Nn. cardiaci thoracici zum Herzgeflecht. Sie enthalten akzelerierende und Schmerzfasern. Andere Zweige gelangen zum Plexus oesophageus und als Rr. pulmonales zum Plexus pulmonalis. 2 größere Stämme ziehen als großer und kleiner Eingeweidenerv (N. splanchnicus major und minor) durch den medialen Lumbalspalt des Zwerchfells zu den prävertebralen Ganglien des Bauchraumes. Der N. splanchnicus major kommt aus den Brustganglien 6–9, der N. splanchnicus minor aus dem 10. und 11. Brustganglion. Manchmal findet man im Verlauf des N. splanchnicus major ein größeres Ggl. splanchnicum. Es handelt sich um Ganglienzellen, die in der Entwicklung die prävertebralen Ganglien nicht erreicht haben. Ähnliche Zellansammlungen werden im Verlauf der verschiedensten vegetativen Nerven beobachtet. Die Nn. splanchnici führen: 1. in der Hauptsache efferente, präganglionäre Fasern, die die Brustganglien ohne Unterbrechung durchlaufen, um nach Umschaltung in den prävertebralen Ganglien die Baucheingeweide zu versorgen.

lis inferior. Da kranial von C8 keine Verbindungen zwischen Rückenmark und Halsgrenzstrang bestehen, erhalten vom Ganglion cervicothoracicum aus Kopf, Hals, obere Gliedmaßen und Herz, z. T. auch Aorta und Lungen, ihre gesamte sympathische Versorgung. Klinik: Stellatumblockade. Bei verschiedenen Krankheitsbildern, die mit einer Überfunktion des Sympathikus in Zusammenhang gebracht werden, besteht eine Möglichkeit darin, den Sympathikus auszuschalten. Dieses geschieht beispielsweise durch Injektion von Lokalanästhetika in das Ganglion cervicothoracicum.

10.7.10

Nervus phrenicus

Der Zwerchfellnerv entstammt den ventralen Ästen der Spinalnerven C3–C5, vorwiegend C4, und versorgt motorisch das Zwerchfell. Darüber hinaus führt er Afferenzen von den parietalen Blättern des Herzbeutels und der Pleura diaphragmatica und mediastinalis sowie vom Peritonealüberzug der Leber und des Mageneingangs (s. Kap. 4.12.2.2, S. 268).

10.7.10.1

Entwicklung

Die Myoblasten der 3.–5. Halssomiten (s. Kap. 3.5.1.5, S. 147) wandern in der 5. EW in das sich entwickelnde Zwerchfell ein, wobei sie die Nervenversorgung aus den ventralen Ästen der zervikalen Spinalnerven 3–5 mitbringen. Diese ziehen durch die Pleuroperikardialmembranen in das Zwerchfell und formieren sich beiderseits zum N. phrenicus, der mit dem Zwerchfell absteigt.

2. in geringerer Zahl afferente, schmerzleitende Fasern von den Eingeweiden.

10.7.10.2

Das 1. Brustganglion liegt auf dem Köpfchen der 1. Rippe, wo es meist mit dem unteren Halsganglion zum Ganglion cervicothoracicum (stellatum) verschmolzen ist. Dorsal von der A. subclavia zieht ein stärkerer Ast zum Halsgrenzstrang, ventral von ihr ein schwächerer zum Ganglion cervicale medium (Ansa subclavia). Kaudal von der Arterie kommt aus dem Ganglion der N. cardiacus cervica-

Aufgrund ihres Ursprungs aus den Halssegmenten 3–5 sind die Nn. phrenici beim Erwachsenen etwa 30 cm lang. Nachdem der Zwerchfellnerv am Hinterrand des M. scalenus anterior abgestiegen ist, zieht er auf die Vorderseite des Muskels und tritt zwischen A. und V. subclavia medial des Abgangs der A. thoracica interna in den Brustraum über (Abb. 10.51, 86). Hier verläuft er ventral über die

Topografie

10.7.10 Nervus phrenicus

Pleurakuppel und gemeinsam mit den Vasa pericardiacophrenica abwärts zum Zwerchfell. Beide Nerven ziehen vor den Lungenwurzeln her und liegen zwischen Pleura mediastinalis und Perikard (Abb. 10.31). Auf der rechten Seite lagert sich der Zwerchfellnerv dabei der V. cava superior und dem rechten Vorhof an, auf der linken Seite der linken Herzkammer. Der entwicklungsgeschichtliche Weg der Nn. phrenici durch die Pleuroperikardialmemb-

901

ranen (s. Kap. 3.5.1.4, S. 146) erklärt deren spätere Lage zum fibrösen Perikard, an das sie Rr. pericardiaci abgeben. Klinik. 1. Beim Schluckauf liegt oft eine Reizung des N. phrenicus vor. 2. Eine Lähmung des N. phrenicus führt zum Hochstand des Zwerchfells auf der betreffenden Seite mit Einschränkung der Atemfunktion.

11 Ventrale und dorsale Bauchwand Thomas Beck

Als Bauch, Abdomen wird der Teil des Rumpfes bezeichnet, der kranial von der über Rippenbogen und Processus xiphoideus hinwegziehenden Linie begrenzt wird und der sich kaudal bis zur Leistenfurche erstreckt, die einer Linie von der Crista iliaca zum Oberrand der Symphyse entspricht. Ohne scharfe Trennung reicht der ventrale Bauch mit seiner Hinterwand über die Regio lateralis hinweg bis zur LWS. Zwischen diesen Linien spannt sich die muskulöse Bauchdecke gürtelartig aus und umfasst den Bauchraum, dessen Innendimension nicht den Außengrenzen entsprecht, da sich die Bauchhöhle kranial durch die Zwerchfellkuppel weit in den Thorax hineinwölbt und sich kaudal ohne Übergang in die Beckenhöhle fortsetzt. Bauchform. Die Form ist inkonstant, abhängig von Ernährungszustand, Alter, Geschlecht, Konstitution. Beim Mann von walzenförmiger Gestalt, gewinnt der Bauch bei der Frau durch das weiter ausladende Becken eine verbreiterte Basis. Bauchregionen. Zur Orientierung wird der Bauch in 9 Regionen unterteilt, begrenzt durch: transversale, longitudinale Linien, Rippenbögen, Leistenfurche. £ Transversallinien. Die kraniale Linie liegt in

Höhe der Synchondrosis xiphosternalis, die mittlere berührt den auslaufenden unteren Rand der Rippenbögen, die kaudale verbindet die Spinae iliacae anteriores superiores. £ 2 Longitudinallinien ziehen entlang der Ränder der geraden Bauchmuskeln, um kaudal leicht zu konvergieren.

Regiones abdominales (Abb. 11.1): £ Regio abdominis superior aus Regiones hypochondriacae dextra et sinistra (→ Hypochondrium) und Regio epigastrica (→ Epiga-

strium)

£ Regio abdominis media aus Regiones latera-

les dextra et sinistra und Regio umbilicalis

£ Regio abdominis inferior aus Regiones ingu-

inales dextra et sinistra und Regio pubica (→ Hypogastrium).

Entwicklung, Fehlbildungen Somit. Das paraxiale Mesoderm gliedert sich in der 4. EW in wulstartige Segmente (Somiten, s. Kap. 3.5.1.5, S. 147). Sklerotom. Unter Verlust der epithelialen Eigenschaften wandelt sich die ventrale und mediale Wand der Somiten in embryonales Bindegewebe (Mesenchym) um (→ Sklerotom), das als knorpelige bzw. knöcherne Anlage der Wirbelsäule dient. Dermatom, Myotom. Der dorsale Wandteil des Somiten bleibt als Dermatom noch bestehen. Unter diesem bildet sich eine neue zellreiche Gewebeplatte, Myotom, dessen einkernige Myoblasten sich zu vielkernigen Muskelschläuchen (Synzytium) in paralleler Ausrichtung zum Neuralrohr differenzieren. Nach Ausbildung des Myotoms gehen die epithelialen Eigenschaften des Dermatoms verloren, aus dem Dermis und subkutanes Bindegewebe entstehen. Jeder Somit birgt Entwicklungspotential für jeweils ein Dermatom, Sklerotom und Myotom in sich. Jedem Dermatom und Myotom kann ein sich entwickelnder Spinalnerv zugeordnet werden.

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

904

Regio hypochondriaca dextra

Regio hypochondriaca sinistra Regio epigastrica

Regio lateralis dextra

Regio lateralis sinistra

Regio umbilicalis

Regio inguinalis dextra

Regio inguinalis sinistra Regio pubica

Abb. 11.1: Regionen des Bauches

Epimer, Hypomer. Myotome teilen sich in der 5. EW in einen kleineren dorsalen Anteil, Epimer, und einen größeren ventralen Anteil, Hypomer. Simultan hierzu spaltet sich der Spinalnerv in einen diesen Myotomanteilen zugehörigen dorsalen und ventralen Ast auf. • Extensoren von Hals, Wirbelsäule entstehen aus

dem Epimer.

• Prävertebrale Hals- und Bauchmuskeln (Mm.

abdominis, also die lateralen und ventralen Flexoren der Wirbelsäule) entstehen aus dem Hypomer.

Metamerie. Die segmentale Anordnung der meisten Muskelanlagen geht verloren, weil die Muskelanlagen mehrerer Somiten zu großen Muskelplatten verschmelzen. Die Metamerie ist daher oft nicht mehr erkennbar. Die Innervation erfolgt jedoch immer entsprechend dem beschriebenen Muster, so dass alle Bauchmuskeln durch die ventralen Äste der Spinalnerven, Rr. anteriores, innerviert werden. Fehlbildungen. 1. Bauchdeckenaplasie (= PruneBelly-Syndrom). Defektsyndrom (selten: Inzidenz 1 : 30 000–50 000 Geburten). Angeborenes

11.1 Systematische Anatomie

Fehlen der Bauchdeckenmuskeln, kombiniert mit: Mega-, Hydroureter, Kryptorchismus, 2. Gastroschisis (= Bauchspalte). Angeborener meist rechtsseitiger, paraumbilikaler, kleiner Bauchwanddefekt

11.1

mit prolabierten, strangulierten u. ödematösen Darmschlingen, häufig in Kombination mit Vorfall von Magen, Harnblase u. innerem (weibl.) Genitale. Gynäkotropie: 1 : 9 000 Geburten.

Systematische Anatomie

Lernziele: Muskeln der vorderen und hinteren Bauchwand, Rektusscheide, Binnenschichten der Bauchwand, Ligamentum inguinale, Vanalis inguinalis, Leitungsbahnen, Kavokavale und portokavale Anastomosen

11.1.1

905

Bauchwandschichten

Die Bauchwand besteht von innen nach außen aus 3 Schichten (Dreischichtenaufbau) (Abb. 11.2, 3): £ Tela subcutanea (früher Fascia abdominalis

superficialis) aus Panniculus adiposus abdominis (Camper-Faszie) und Str. membranosum abdominis (Scarpa-Faszie), die als Teil der Körperfaszie Bauchmuskeln, Rektusscheide bedeckt und kranial in die Fascia pectoralis, kaudal jenseits des Leistenbandes in die Oberschenkelfaszie übergeht. £ Mm. abdominis, Bauchmuskeln, die vorn und an der Seite aus 3 platten, übereinanderliegenden Muskeln bestehen: zwei verlaufen schräg (Mm. obliquii externus et internus abdominis), einer verläuft quer (M. transversus abdominis): sie werden in der Mitte beidseits ergänzt durch den längs verlaufenden M. rectus abdominis. Der einzige dorsale Bauchmuskel ist der M. quadratus lumborum. £ Fascia transversalis, innere Bauchfaszie, die den M. transversus abdominis und das hintere Blatt der Rektusscheide bedeckt. Klinik: Wechselschnitt (= Sprengel-Schnitt). Der Chirurg versucht (z. B. bei Appendektomien) den Verlaufsrichtungen Rechnung zu tragen, indem er die Muskellagen einzeln in ihrer Verlaufsrichtung spaltet (Wechselschnitt) und damit ein besseres kosmetisches Ergebnis und weniger Narbenbrüche erzielt. Der Nachteil ist die schlechte Erweiterungsmöglichkeit des Schnittes.

11.1.2

Vordere und seitliche Bauchwand

11.1.2.1 Bauchmuskeln, Mm. abdominis 1. M. obliquus externus abdominis O.: Unterrand der 5., ggf. 6.–12. Rippe in 7–8 Zacken, von denen die oberen 4–5 Zacken im Wechsel mit dem M. serratus anterior und die unteren im Wechsel mit dem M. latissimus dorsi ihren Ursprung nehmen. I.: Er zieht als breitflächige Muskelplatte nach mediokaudal, um auf Höhe des Beckenkamms in eine breite Aponeurose überzugehen, die über den M. rectus abdominis hinwegzieht, dabei Fasern der Intersectiones tendineae dieses Muskels aufnimmt und in die vordere Rektusscheide und die Linea alba einstrahlt. Ein Teil der Sehnenfasern erreicht die Gegenseite und setzt sich dort in Muskelfasern des M. obliquus internus abdominis fort. Die von der 11. und 12. Rippe entspringenden Fasern verlaufen steil abwärts und setzen mit kurzen Sehnen am Labium externum des Beckenkamms an. Der verstärkte kaudale Anteil der Aponeurose spannt zwischen Tuberculum pubicum und Spina iliaca anterior superior weitgehend das Leistenband (Lig. inguinale, Poupart-Band) auf, das in Richtung Bauchhöhle leicht rinnenartig umbiegt, so dass die Aponeurose des M. obliquus externus abdominis sowohl die Vorderwand als auch den Boden des Leistenkanals aufbaut. Vor Erreichen des Leistenbandes fächert sich die Externusaponeurose in zwei Sehnenzügel auf, die als Crura mediale et laterale eine Öffnung in der Aponeurose, den Anulus inguinalis superficialis (äußerer Leistenring) beidseits umschließen. Schräg verlaufende Sehnenfasern begrenzen als Fibrae intercrurales den Leistenring nach kranial und als Lig. reflexum kaudal (Abb. 11.4, 5)

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

906

Intersectio tendinea

M. pectoralis major

M. latissimus dorsi

M. serratus anterior M. obliquus externus abdominis M. obliquus externus abdominis

M. obliquus internus abdominis

Rektusscheide (vorderes Blatt)

Anulus inguinalis superficialis (externus)

M. pyramidalis Fascia cribrosa

Nodi lymphatici inguinales superficiales

Funiculus spermaticus

V. saphena magna

Abb. 11.2: Bauchmuskeln. Rechts: M. obliquus externus abdominis aufgeklappt, vorderes Blatt der Rektusscheide entfernt, links: M. obliquus externus abdominis

L.: Rr. anteriores Th 5–Th12. Die Blutversorgung erfolgt aus den 4 kaudalen Aa. intercostales, der A. subcostalis, den 4 Aa. lumbales, sowie aus einem Seitenast der A. circumflexa iliaca profunda zur Externusaponeurose. F.: Bei einseitiger Kontraktion kommt es zur ipsilateralen Rumpfneigung zusammen mit dem M. obliquus internus abdominis der gleichen Seite und zur kontralateralen Rumpfdrehung mit dem M. obliquus internus der Gegenseite. Beidseitige Kontraktion bewirkt eine Rumpfbeugung nach ventral, ein Senken des Brustkorbes (Expiration) und führt zur Bauchpresse.

2. M. obliquus internus abdominis O.: An einer langen, gekrümmten Linie, die sich vom tiefen Blatt der Fascia thoracolumbalis über die Linea intermedia der Crista iliaca und Spina iliaca anterior superior bis zum lateralen Anteil des Lig. inguinale erstreckt. Es entsteht somit ein lumbaler, iliakaler und inguinaler Ursprungsanteil. I: Der hintere, lumbale Teil setzt an den letzten 3–4 Rippen an und geht in die innere Interkostalmuskulatur über. Die übrigen Anteile steigen ebenfalls schräg aufwärts und legen sich dem Rippenbogen an, mit dem sie teilweise

11.1 Systematische Anatomie

907

M. pectoralis major

M. rectus abdominis

M. serratus anterior M. obliquus externus abdominis (entfernt)

M. transversus abdominis Vagina m. recti abdominis, Lamina posterior M. obliquus internus abdominis (gefenstert)

Vagina m. recti abdominis, Lamina anterior (entfernt) Lineae arcuatae

M. transversus abdominis M. obliquus externus abdominis

M. rectus abdominis M. pyramidalis

Funiculus spermaticus et M. cremaster

Abb. 11.3: Bauchmuskeln, tiefe Lage. Rechte Körperseite: M. obliquus externus abdominis zum Teil entfernt. M. obliquus internus abdominis gefenstert, linke Körperseite: M. obliquus externus abdominis teilweise entfernt, beide Seiten: Zur Darstellung des hinteren Blattes der Rektusscheide beide Mm. recti abdominis durchtrennt und mit dem vorderen Blatt der Rektusscheide entfernt

verwachsen. Ab der Spina iliaca verlaufen die Fasern horizontal, so dass die vom Lig. inguinale kommende Partie mit ihren kranialen Anteilen das Dach des Leistenkanals bildet, während sich die kaudalen Anteile zu dünnen Muskelzügen auffächern und faszienumhüllt (Fascia cremasterica) absteigen, als M. cremaster (Hodenheber) beim Mann den Hoden umhüllen und bei der Frau mit dem Lig. teres uteri bis in die großen Schamlippen gelangen. Die kaudalen Abschnitte sind meist mit dem M. transversus abdominis verwachsen,

so dass sich auch dieser am M. cremaster beteiligt (Abb. 11.5). Fingerbreit lateral des M. rectus abdominis geht der innere schräge Bauchmuskel in eine Aponeurose über, die durch Aufspaltung in 2 Blätter zangenartig von lateral den M. rectus abdominis als Vagina m. recti abdominis (Rektusscheide) umfasst und die mit ihrem vorderen Blatt auf ganzer Länge mit der Aponeurose des M. obliquus externus verwachsen ist. In der Mittellinie verweben sich die Sehnenfasern von Externus- und Internusaponeurose untereinander, mit den

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

908 Externusaponeurose

Umbilicus

M. obliquus externus abdominis

Spina iliaca anterior superior

Linie der Crista iliaca Lig. inguinale Fibrae intercrurales

Crus laterale Funiculus spermaticus

Crus mediale

Anulus inguinalis superficialis

Septum femorale

Lig. lacunare

Hiatus saphenus

Lig. suspensorium penis

Fascia penis profunda

A. femoralis

Fascia penis superficialis V. femoralis

V. saphena magna

Fascia spermatica externa

Tunica dartos Tela subcutanea

Abb. 11.4: Rechte Leistenregion, oberflächliche Lage nach Entfernung von Cutis und Tela subcutanea, Fascia cribosa am Hiatus saphenus entfernt, Funiculus spermaticus am Anulus inguinalis superficialis abgesetzt

entsprechenden Fasern der Gegenseite und der Aponeurose des M. transversus abdominis zur Bildung der Linea alba, dem „Rendez-vous aller Aponeurosen“ (J. Hyrtl). L.: Aus den Aa. epigastricae superior et inferior, dem Ramus anterior der A. intercostalis 11, der A. subcostalis und der A. lumbalis 4. F.: Bei einseitiger Kontraktion zusammen mit dem M. obliquus externus abdomnis kommt es zur ipsilateralen Seitneigung des Rumpfes; bei festgestelltem Becken erfolgt eine Drehung

des Rumpfes zur gleichen Seite. Eine beidseitige Kontraktion bewirkt eine Rumpfbeugung nach ventral, Senken des Brustkorbes (Exspiration) sowie die Bauchpresse. 3. M. transversus abdominis Der in 4 Anteile gegliederte Muskel umgibt mit horizontalem Faserverlauf als Muskel und Sehnengürtel die Bauchhöhle von den Lendenwirbeln bis zur Linea alba.

11.1 Systematische Anatomie M. obliquus externus abdominis

909

Externusaponeurose, eröffnet

Umbilicus

Spina iliaca anterior superior

Internusaponeurose

M. obliquus internus abdominis Fascia spermatica interna Falx inguinalis Externusaponeurose mit Anulus inguinalis superficialis

M. cremaster Lig. reflexum

A. femoralis Lig. suspensorium penis

V. femoralis

V. saphena magna

Fascia penis profunda

Fascia spermatica externa Tunica dartos Tela subcutanea

Cutis

Fascia penis superficialis

Abb. 11.5: Rechte Leistenregion, mittlere Lage nach Eröffnung der Externusaponeurose. Fascia spermatica externa des Funiculus spermaticus wurde abgelöst

O.: Seine lange Ursprungslinie reicht von der Innenseite der 7.–12. Rippenknorpel (Pars thoracalis) abwechselnd mit den Zacken der Pars costalis des Zwerchfells über eine derbe Aponeurose mit dem tiefen Blatt der Fascia thoracolumbalis und dem Lig. iliolumbale (Pars lumbalis) hinunter auf das Labium internum der Crista iliaca (Pars iliaca), um sich auf dem lateralen Drittel des Lig. inguinale (Pars inguinalis) fortzusetzen.

I.: Der Muskel-Sehnenübergang nimmt eine nach lateral konvex gebogene Form an (Linea semilunaris, Spieghel-Linie), deren halbmondförmige Ausbuchtung 3–4 cm über den lateralen Rand des M. rectus abdominis hinausreicht. Sehnenfasern der Aponeurose bilden oberhalb einer bogenförmigen Linie, Linea arcuata (Douglas-Linie), das hintere Blatt der Rektusscheide (Abb. 11.3, 6). Unterhalb dieser Linie schwenkt die Aponeurose zusammen

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

910

M. obliquus externus abdominis

Externusaponeurose, eröffnet

Umbilicus

Spina iliaca anterior superior

M. obliquus internus abdominis

M. transversus abdominis Anulus inguinalis profundus M. cremaster Plexus pampiniformis

Falx inguinalis

Externusaponeurose mit Anulus inguinalis superficialis

Lig. reflexum

A. femoralis

Lig. suspensorium penis

V. femoralis Fascia cremasterica V. saphena magna Fascia penis profunda Fascia spermatica Cutis interna Fascia spermatica Tunica dartos externa Tela subcutanea

Fascia penis superficialis

Abb. 11.6: Rechte Leistenregion, tiefe Lage nach Eröffnung der Externus- und Internusaponeurose. Wandschichten des Funiculus spermaticus sind bis auf den Plexus pampiniformis abgelöst

mit derjenigen des M. internus abdominis nach ventral, um sich mit den Externus- und Internusaponeurosen zu vereinigen (Abb. 11.7). Da die kaudalen Fasern im medialen und lateralen Drittel das Leistenband nicht erreichen, ermöglichen sie den Durchtritt der Leistenkanalstrukturen. L.: Rr. anteriores aus Th7–L1, ferner Rr. musculares des N. iliohypogastricus und des N. ilioinguinalis. Die Blutversorgung erfolgt für die

thorakalen Anteile aus der A. thoracica interna und zusätzlich mit den Partes lumbalis et iliaca aus den Rr. anteriores der Aa. lumbales und den kaudalen Aa. intercostales; inguinale Anteile werden aus der A. epigastrica inferior, iliakale Anteile zusätzlich auch aus der A. circumflexa iliaca profunda versorgt. F.: Hauptmuskel der Bauchpresse.

11.1 Systematische Anatomie

Linea alba

911

Vagina m. recti abdominis (Lamina anterior)

a

Vagina m. recti abdominis (Lamina posterior)

b

Peritoneum

Cutis Tela subcutanea M. obliquus ext. M. obliquus int. abd. M. transversus Fascia transversalis Peritoneum

Fascia transversalis

Abb. 11.7: Ventrale Bauchwand (Querschnitt), a. oberhalb, b. unterhalb der Linea arcuata

Klinik: Spieghel-Hernie (= Hernia ventralis lateralis). Bruch, der im muskelschwachen Bereich an der Kreuzungsstelle von Linea semilunaris und Linea arcuata entsteht und wegen des seltenen Auftreten oft verkannt wird. 4. M. rectus abdominis O.: Beidseits breitflächig der kaudale Rand des 5.–7. Rippenknorpels, des Proc. xiphoideus, der Ligg. costoxiphoidea. I: Nach deutlicher Verschmälerung am Ramus superior ossis pubis zwischen Symphyse und Tuberculum pubicum. Die geraden Bauchmuskeln werden auf ganzer Länge durch die Rektusscheide bedeckt. Mediale Sehnenfasern strahlen unterhalb des Nabels in die Linea alba ein, überkreuzen sich teilweise und bilden das Lig. suspensorium penis beim Mann, Lig. suspensorium clitoridis bei der Frau. Die vordere Hälfte des Muskelbauchs des geraden Bauchmuskels wird durch meist 3–4, selten 1–2 quer verlaufende Schaltsehnen, Intersectiones tendineae, unterteilt (s. Abb. 11.2). Diese Schaltsehnen verwachsen mit dem vorderen Blatt der Rektusscheide und halten den Muskel auch bei Seitwärtsneigung des Rumpfes in seiner Lage.

L.: Rr. anteriores aus Th7–Th12, die arterielle Versorgung erfolgt aus der A. epigastrica superior (Fortsetzung der A. thoracica interna), der A. epigastrica inferior (aus der A. iliaca externa), früh postnatal auch durch Rr. anteriores der kaudalen Interkostal- und oberen Lumbalarterien. F.: Längsgurtung der vorderen Bauchwand und Vorwärtsbeugung des Rumpfes; bei fixiertem Becken zieht der M. rectus abdominis den Thorax nach ventrokaudal (Exspiration), bei fixiertem Thorax hebt er die Ventralseite des Beckens an. 5. M. pyramidalis O.: Am Oberrand der Symphyse zwischen M. rectus abdominis und vorderem Blatt der Rektusscheide. I.: Er strahlt mit kurzen parallelen Muskelfasern in die Linea alba ein. L.: Rr. anteriores aus Th12, L1, L2; arterielle Versorgung aus Ästen der A. epigastrica inferior. F.: Beim Menschen ohne Bedeutung; er fehlt bei jedem vierten.

912

11.1.2.2 Rektusscheide und Sehnenfelder Die Sehnenplatte der vorderen Bauchwand hat nicht nur die passive mechanische Aufgabe, durch Aufspaltung eine Führungsröhre für die geraden Bauchmuskeln zu bilden, sondern verbindet auch über die Linea alba hinweg die Sehnenfasern der Bauchmuskeln und ermöglicht damit das Zusammenwirken der Bauchmuskeln beider Seiten. Rektusscheide, Vagina m. recti abdominis. Durch die Sehnenplatte ziehen die beiden geraden Bauchmuskeln hindurch. Sie werden jeweils umhüllt von der Rektusscheide, die als Führungsschlauch von den Aponeurosen der schrägen und des queren Bauchmuskels gebildet wird. Gliederung. Die Rektusscheide gliedert sich in vorderes (Lamina anterior) und hinteres Blatt (Lamina posterior). £ Das hintere Blatt besteht aus: Aponeurose des

M. obliquus internus abdominis, des M. transversus abdominis und der Fascia transversalis. Diese Anordnung ändert sich an einer bogenförmigen Linie in der Mitte zwischen Nabel und Symphyse, der Linea arcuata, die oft nicht scharf, sondern als allmählicher Ubergang ausgeprägt ist. Ab der L. arcuata ziehen die vereinigten Aponeurosen des hinteren Blattes vor den M. rectus abdominis, so daß der gerade Bauchmuskel dorsal nur noch durch die Fascia transversalis und das dahinter gelegene Peritoneum von den Eingeweiden getrennt wird (s. Abb. 1.3). £ Das vordere Blatt der Rektusscheide wird bis zur Linea arcuata beidseits überwiegend von den ipsilateralen Sehnenzügen der Mm. obliqui externus und internus abdominis, in geringem Umfang auch von Sehnenfasern des kontralateralen M. obliquus externus abdominis gebildet. Unterhalb der Linea arcuata wird das vordere Blatt gemeinsam unter Einschluß der Aponeurose des M. transversus abdominis aus den Aponeurosen aller 3 seitlichen Bauchmuskeln aufgebaut. Kaudal der Linea arcuata ist die Rektusscheide nachgiebig; sie kann nach Entfernen des Muskels an der Leiche von den aponeurotischen, kranial gelegenen Abschnitten durch Tasten unterschieden werden.

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

Weiße Linie, Linea alba. Sie ermöglicht die gemeinsame Verankerung der Sehnenplatten beider Körperhälften und zieht vom Proc. xiphoideus bis zum Oberrand der Symphyse, an dem sie unter Verstärkung durch ein dreieckiges Sehnenband, das Adminiculum lineae albae, befestigt ist. Nabel, Umbilicus. Die Linea alba bildet am Nabel Ringfasern, die den Nabelring (Anulus umbilicalis) aufbauen, der die Öffnung in der ventralen Bauchwand umgibt und den Durchtritt der Inhaltsgebilde der Nabelschnur gestattet. Nach der Geburt wird der Ring durch Bindegewebe, die Nabelplatte (Lamina umbilicalis), verschlossen. Klinik: 1. Hernia umbilicalis, Nabelbruch. Durch den Anulus umbilicalis (Bruchpforte) hindurchtretende, bis kopfgroße Hernie der Bauchwand am Nabel; beim Neugeborenen sehr häufig. Der Nabel bleibt auch beim Erwachsenen eine Schwachstelle, so dass bei anhaltend erhöhtem intraabdominellen Druck (Adipositas, Aszites), eine Nabelhernie entstehen kann, vorwiegend bei Frauen, 2. Hernia epigastrica (= Hernia ventralis). Bauchbruch, 2.1 Hernia lineae albae. Mittlere Bauchwandhernie in der Linea alba meist über (Hernia epigastrica) oder um den Nabel (Hernia paraumbilicalis), seltener darunter (Hernia hypogastrica, supravesicalis). Oberhalb des Nabels ist die Linea alba dünn, breit und weist eine maschenartige Struktur auf. Erweitern sich diese, entstehen Bruchpforten, 2.2 Hernia ventralis lateralis (auch SpieghelH.). Seitliche Bauchwandhernie, tritt durch eine Lücke der Bauchwandaponeurosen zwischen Linea semilunaris Spiegheli und dem lateralen Rand der Rektusscheide, 2.3 Hernia traumatica sive postoperativa sive cicatricea. Narbenbruch nach abdominaler Verletzung oder postoperativ.

11.1.2.3 Funktionelle Anatomie der Bauchmuskeln Muskelschlingen. Durch Vermittlung der Linea alba erhält die Bauchdecke: 1. Quergurtung (Verbindung der Mm. transversi abdominis), 2. Schräggurtung. Die funktionelle muskuläre Gesamtheit kommt zustande durch den Kontakt von Fasern des M. obliquus externus über die Mittellinie hinweg mit Fasern des M. obliquus internus der Gegenseite

11.1 Systematische Anatomie

und auch durch die Verbindung zwischen Fasern der Pars abdominalis des M. pectoralis major mit denen des M. obliquus internus. Hierzu tritt die 3. Längsverspannung durch Mm. recti abdominis und M. quadratus lumborum. Ihre Fortsetzung finden diese „Muskelschlingen“ auf den Extremitäten (→ Obliquus-externus-Adduktoren-Schlinge) und dem Rücken (→ Serratus-Rhomboideus-Schlinge). Bauchmuskelwirkung. Die Muskeln sind beteiligt an Rumpfbewegungen. Indem sie teils antagonistisch oder synergistisch mit den Rückenmuskeln wirken, verstellen sie die Position von Thorax und Becken gegeneinander: • Bei festgestelltem Becken beugen sie den Thorax

nach vorn (Ventralflexion), müssen aber bei der Aufrichtung aus der Rückenlage hierzu durch den M. iliopsoas unterstützt werden. • Bei festgestelltem Thorax umgekehrt: Sie heben das Becken. • Sie antagonisieren die Dorsalextension der Wirbelsäule durch den M. erector spinae, während sie die durch einseitige Kontraktion des M. erector spinae eingeleitete Lateralflexion unterstützen. • Bei der Rotation des Rumpfes wirken sie synergistisch, so dass sich bei einer Rumpfdrehung nach links die absteigenden Fasern des M. obliquus externus dexter über die Linea alba hinweg mit den aufsteigenden Fasern des M. obliquus internus sinister zusammen kontrahieren. Atmung. Sind Wirbelsäule und Becken festgestellt, senken die geraden Bauchmuskeln die Rippen und wirken als kräftige expiratorische Muskeln. Bauchpresse. Bei festgestelltem Brustkorb und Becken schnüren die Muskeln den Bauch ein und üben so Druck auf den Inhalt von Bauch und Becken aus: entleert werden Hohlorgane (Darm, Harnblase), ausgetrieben (Uterus) wird das Kind in den Geburtskanal. Klinik: Meist unbewusst wird hierbei die „Luft angehalten“ also die Stimmritze geschlossen, wodurch der Druck in der Bauchhöhle weiter erhöht wird, weil das relativ schwache Zwerchfell durch die prall-elastischen, luftgefüllten Lungen daran gehindert wird, höher zu treten. Das gleiche Manöver führt zur Druckentlastung der Wirbelsäule beim Heben schwerer Lasten.

913

Bauchdeckenreflex. Die Spannung der Bauchdecke wird reflektorisch gesteuert, um die inneren Organe vor Verletzungen zu schützen. Der Reflex wird durch Bestreichen der Bauchdecke ausgelöst werden. Abwehrspannung. Klinik: 1. Bauchdeckenreflex (= BDR; = Bauchhautreflex, BHR). Auslösung durch kurzes Bestreichen der Bauchhaut von lateral nach medial mit einem spitzen Gegenstand im Hypochondrium, Epigastrium, Hypogastrium löst Kontraktion der ipsilateralen Muskulatur aus (Segmente Th 6–12), 2. Abwehrspannung. Bei abdominaler Palpation tritt reflektorischer Spasmus der Bauchdecken auf, ausgelöst durch eine Irritation des Peritoneum parietale z. B. bei Appendizitis, Cholezystitis, Ileus, Pankreatitis, Peritonitis, Ulkuskrankheit.

11.1.2.4 Binnenschichten der Bauchwand 2 Bauchbinnenschichten bedecken die Bauchmuskeln: 1. Fascia transversalis, 2. Peritoneum parietale. Fascia transversalis. Teil der Muskelfaszie des M. transversus abdominis, der zum Peritoneum hin gewandt ist. Die Faszie ist kräftiger als diejenige, die dem M. obliquus internus anliegt. Sie setzt sich ohne Unterbrechung über die Grenzen des M. transversus abdominis hinweg in den angrenzenden Muskelfaszien des Bauch- und Beckenraumes fort und geht über: £ kranial in die Fascia diaphragmatica auf der

abdominalen Seite des Zwerchfells

£ dorsal in die Fascia iliaca auf dem M. quadratus

lumborum und M. iliopsoas

£ als Fascia pelvis überzieht sie die Beckenwand £ mit dem Peritoneum parietale ist die Faszie

durch eine prä- oder retroperitoneale Verschiebeschicht aus Fettgewebe locker verbunden.

Fascia umbilicalis. Oberhalb des Nabels ist die F. transversalis eher zart, verdichtet sich rings um den Nabel zur F. umbilicalis und gewinnt oberhalb des Leistenbandes, mit dem sie verwachsen ist, fast die Derbheit einer Aponeurose. Ligamentum interfoveolare (Abb. 11.8, 9). Durch Einlagerung kollagener Fasern zwischen dem lateralen Rand des M. rectus abdominis und dem

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

914 M. rectus abdominis

Linea alba abdominis

Lig. falciforme hepatis Lig. teres hepatis

Cutis

M. obliquus ext.abdominis M. obliquus int.abdominis M. transversus abdominis Fascia umbilicalis Plica umbilicalis mediana A. umbilicalis Pars occlusa Linea arcuata Lig. inguinale Vasa epigastrica inferiora Lig. interfoveolare Anulus inguinalis profundus Vasa testicularia Ductus deferens Fossa inguinalis lateralis

Vasa iliaca externa Falx inguinalis

Plica umbilicalis lateralis

Vesica urinaria Schnittrand des Peritoneum

Fossa inguinalis medialis Fossa supravesicalis

Plica umbilicalis medialis

Abb. 11.8: Vordere Bauchwand von hinten und oben. Rechts ist das Bauchfell nicht entfernt. Es überzieht die Gefäße und Bänder und bildet Plicae und Fossae, links ist das Bauchfell entfernt, um die Bauchwandverstärkung zu zeigen: Lig. interfoveolare, Falx inguinalis, Vasa epigastrica inferiora, Lig. umbilicale mediale. Vasa testicularia und Ductus deferens treffen sich am Anulus inguinalis profundus

medialen Rand des inneren Leistenringes (Anulus inguinalis profundus) entsteht das Lig. interfoveolare. Es trennt die beiden Fossae inguinales medialis et lateralis voneinander, biegt halbmondförmig nach lateral und bildet damit die mediale Wand des inneren Leistenringes. Falx inguinalis (s. Abb. 11.5, 6). Seitlich der Sehne des M. rectus abdominis bildet die F. transversalis, verstärkt durch Sehnenzüge der Mm. transversus und rectus abdominis, ansatznah eine Faserplatte, Falx inguinalis. Fascia spermatica interna. Durch den Descensus testis wird die F. transversalis als kontinuierliche

Struktur trichterartig in den Leistenring hineingezogen und damit als F. spermatica interna zu einer der Hodenhüllen. 3 Plicae umbilicales (s. Abb. 11.8, 9). Das Bauchwandinnenrelief wird durch Strukturen geschaffen, die zwischen F. transversalis und Peritoneum verlaufen. Sie werfen Falten des Peritoneum parietale auf, die nabelwärts ziehen und von Bedeutung für die Lokalisation von Leistenbrüchen (Hernien) sind: £ Plica umbilicalis mediana, ausgehend vom Bla-

senscheitel in der Mittellinie, vom obliterierten Urachus aufgeworfen

11.1 Systematische Anatomie

915 M. obliquus externus abdominis M. obliquus internus abdominis M. transversus abdominis Peritoneum (teilweise entfernt) Cutis

Pars abdominalis aortae

Panniculus adiposus abdominis Stratum membranosum abdominis

M. iliacus

A., V. iliaca externa

M. psoas minor

A., V. circumflexa iliaca profunda

A., V. iliaca communis A., V. iliaca interna

Lig. inguinale

Ureter N. obturatorius Plexus sacralis, Truncus lumbosacralis

Lacuna vasorum M. rectus abdominis Anulus inguinalis profundus

N. sacralis I, Ramus anterior

Lig. interfoveolare Lig lacunare

N. sacralis II, Ramus anterior

A., V. epigastrica inferior (Plica umbilicalis lateralis) A. umbilicalis, Pars occlusa (Plica umbilicalis medialis)

N. sacralis III, Ramus anterior

Falx inguinalis Ductus deferens Os pubis Rectum Prostata

Pecten ossis pubis Ligamentum pectineale Vesica Diaphragma urinaria urogenitale

Linea alba Adminiculum lineae albae Chorda urachi (Plica umbilicalis mediana)

Abb. 11.9: Ventrale Bauchwand und Becken beim Mann. Das Peritoneum wurde teilweise entfernt; Paramedianschnitt von lateral (li)

£ Plica umbilicalis medialis, links und rechts, die

von den obliterierten Aa. umbilicales erzeugt werden £ Plica umbilicalis lateralis, links und rechts, der die Vasa epigastrica inferiora unterliegen. 3 Peritonealbuchten. Zwischen den Plicae umbilicales bilden sich 3 seichte Buchten: £ Fossa supravesialis zwischen der Plica umbili-

calis mediana und der Plica umbilicalis medialis

£ Fossa inguinalis medialis zwischen Plica

umbilicalis medialis und lateralis, deren Wand muskelfrei ist, nur von der Fascia transversalis mit der Falx inguinalis gebildet wird und daher die Durchtrittstelle von direkten Leistenbrüchen markiert £ Fossa inguinalis lateralis, die als flache Grube seitlich der Plica umbilicalis lateralis liegt, den inneren Leistenring birgt und die Durchtrittsstelle von indirekten Leistenbrüchen darstellt.

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

916

Ligamentum falciforme hepatis, eine Bauchfellduplikatur, zieht vom Nabel kranial zur Leber. Dessen freies Ende wird durch die obliterierte Nabelvene gebildet: Lig. teres hepatis.

11.1.2.5 Leistenband, Ligamentum inguinale, Leistenkanal, Canalis inguinalis Leistenband. Das Lig. inguinale spannt sich als ein gegenüber der Horizontalebene um 35–40° geneigtes sehniges Band auf einer Länge von 10–12 cm zwischen Tuberculum pubicum und Spina iliaca

anterior superior aus; es ist kein eigenständiges Band, sondern kaudaler Teil der Externusaponeurose, in den Fasern von Fascia transversalis und Fascia iliaca hineinziehen (Abb. 11.5, 10). Das Lig. inguinale ist Schlüsselbestandteil von: 1. Canalis inguinalis (→ führt den Samenstrang zum Hoden), 2. Lacunae vasorum et musculorum (→ M. iliopsoas und Leitungsbahnen gelangen aus dem Abdomen an die Beinoberfläche). Fascia lata. Das Leistenband geht kaudal ohne Trennung in die Oberschenkelfaszie über. Die Externusaponeurose rollt sich aufgrund des Faser-

Faszie des M. iliopsoas

Externusaponeurose

M. obliquus externus abdominis

Spina iliaca anterior superior

Lig. inguinale

Fibrae intercrurales

Lig. interfoveolare

Lig. pectineale

Falx inguinalis Crus mediale Arcus iliopectineus

Anulus inguinalis superficialis

Crus laterale

Lig. reflexum

Tuberculum pubicum Lig. lacunare

Abb. 11.10: Leistenband von ventral, knöcherne Strukturen des Os coxae sind freigelegt. In der Mitte wurden die Bauchwandschichten gefenstert, um die Ligamente auf der abdominalen Seite der Bauchwand sichtbar zu machen. Pfeile bezeichnen die Lacuna musculorum (oben) und die Lacuna vasorum (unten)

11.1 Systematische Anatomie

verlaufs ein, so dass abdominal eine nach kranial offene Rinne entsteht: Lig. reflexum. Fasern des Crus laterale der Externusaponeurose ziehen aufgefächert als Lig. reflexum in kraniale Richtung um den Anulus superficialis herum nach medial, gelangen hinter die Externusaponeurose und strahlen von dorsal in die Rektusaponeurose ein. Falx inguinalis. Von medial erhält das Leistenband auch bogenförmig verlaufende Fasern aus der Falx inguinalis, die aus dem lateralen Rand der Rektusscheide und der Transversusaponeurose stammen. Arcus iliopectineus. Die derbe Fascia iliaca des M. iliopsoas gibt kräftige Fasern ab, die als Arcus iliopectineus an den Unterrand des Leistenbandes ziehen und medial mit der Eminentia iliopubica verwachsen. Dieser Faserbogen teilt den Raum unterhalb des Leistenbandes in 2 Abteile: £ Lacuna musculorum, lateral gelegen, durch die

der M. iliopsoas hindurchtritt, begleitet lateral vom N. cutaneus femoris lateralis und medial vom N. femoralis £ Lacuna vasorum, medial gelegen, durch die Lymphgefäße, A., V. femoralis und lateral der A. femoralis der Ramus femoralis des N. genitofemoralis hindurchziehen. Klinik: 1. Meralgia paraesthetica (= Inguinaltunnelsyndrom). Engpass-Syndrom mit Neuralgie und Parästhesie im Versorgungsgebiet des N. cutaneus femoris lat. durch mechanische Kompression des Nerven bei seiner Unterquerung des Lig. inguinale in der Lacuna musculorum (z. B. durch hartes Schlüsselbund in der Hosentasche bei Adipösen, Jeans-Krankheit: Tragen enger Hosen), 2. Retroperitoneale Abszesse können entlang des Faszienschlauches des M. iliopsoas bis unter das Leistenband zum Oberschenkel absteigen (Senkungsabszess), zur Schwellung der Leistenregion und Beugung des Beines infolge der Irritation des M. psoas führen. Medial wird die Lacuna vasorum durch das Lig. lacunare (Gimbernat-Band) begrenzt, das kurze Fasern der Unterseite des Lig. inguinale aufbauen, die kaudal zum Unterrand von Lacuna vasorum, Pecten ossis pubis und Lig. pectineale ziehen (s. Abb. 11.10, s. Abb. 11.4, 9).

917

Septum femorale. Zwischen Lig. lacunare und V. femoralis wird der Raum durch das bindegewebige Septum femorale verschlossen. Anulus femoralis (Schenkelring). Bei Ausstülpung oder Einriss des S. femorale entsteht eine Öffnung in der Bauchdecke, Anulus femoralis, der den Beginn des daraus entstandenen Canalis femoralis markiert. Die Fascia transversalis überzieht auf der abdominalen Seite die Lacuna vasorum und strahlt in die Gefäßscheiden ein. Klinik: 1. Schenkelhernie (Hernia femoralis sive cruralis (= Schenkelhernie). Bruchpforte ist die Lacuna vasorum. Der Bruchsack schiebt sich unter Mitnahme von Fascia transversalis und Septum femorale durch den medialen Teil der L. vasorum und tritt außen am Hiatus saphenus in Erscheinung. Verlauf: zwischen Leistenband (oben), horizontalem Schambeinast (unten), Femoralgefäßen (außen) und Lig. lacunare Gimbernati (innen). Formen: 1.1 CloquetHernie: durch den medialen Teil der Lacuna vasorum (d. h. durch das Septum femorale, Cloquet-Septum, gelegentlich auch als Lacuna lymphatica bezeichnet) hindurchtretende und unter dem M. pectineus verlaufende Schenkelhernie, 1.2 Hesselbach-Hernie (= Cooper-Hernie): durch die Lacuna musculorum hindurchtretende H., 1.3 Laugier-Hernie (Hernia ligamenti Gimbernati): durch eine Lücke im Lig. lacunare hindurchtretende H., 1.4 Narath-Hernie (= Hernia femoralis retrovascularis): durch die Lacuna vasorum direkt hinter den Femoralgefäßen austretende H., 1.5 Narbenhernie (Hernia traumatica sive postoperativa sive cicatricea) sog. Narbenbruch nach abdominalenVerletzungen oder postoperativ, 1.6 Lumbalhernie (Hernia lumbalis, Petit-Hernie) seltene, durch das Trigonum lumbale hindurchtretende H., 1.7 Hernia ischiadica, seltene, ober- oder unterhalb des M. piriformis durch das Foramen ischiadicum tretende H., 1.8 Beckenbodenhernien (Hernia perinealis), primär seltene, vor allem bei Frauen in der 4.–6. Dekade auftretende H., je nach Durchtrittsort als Hernia obturatoria, H. ischiorectalis, H. spinotuberosa, H. rectovesicalis, H. paravesicalis bezeichnet, 1.9 Zwerchfellhernien (Hernia diaphragmatica) meist angeboren, sehr selten erworben (Kap. 10.3, S. 803), lumbokostale Bochdalek-Hernie, parasternale Mor-

918

gagni-Hernie, 1.10 Rektusdiastase, angeborenes oder erworbenes Auseinanderweichen der Mm. recti abdominis mit Erweiterung und Vorwölbung der Linea alba, 2. Corona mortis (wörtlich: Kranz des Todes). Abnorm starke Anastomose zwischen A. obturatoria (R. pubicus) und A. epigastrica inferior; weil sie bei operativer Erweiterung der Lacuna vasorum (Schenkelhernienop.) früher Ursache für intraoperatives Verbluten war. Leistenkanal. Der Canalis inguinalis durchsetzt ausgehend von seiner inneren Öffnung, Anulus inguinalis profundus, auf einer Länge von 4–5 cm die ventrale Bauchwand von lateral, dorsal und kranial nach medial, ventral und kaudal, um an der äußeren Öffnung, Anulus inguinalis superficialis, zu enden (s. Abb. 11.4, 5, 6). Der schräge Verlauf mindert die Gefahr einer mechanischen Schwächung der Bauchdecke. Durchmesser: 1 cm beim Mann, 0,5 cm bei der Frau. Bau, Grenzen: £ Dach: M. obliquus internus abdominis, M.

transversus abdominis (jeweils mit den verdickten kaudalen Teilen). £ Boden: Lig. inguinale, medial Lig. reflexum. £ Vorderwand: Aponeurose des M. obliquus externus abdominis mit Verstärkungszügen rund um die äußere Mündung: Crus mediale, Crus laterale als mediale und laterale Pfeiler, Fibrae intercrurales als kraniale Querverstrebung (s. Abb. 11.4). £ Rückwand: Peritoneum, Fascia transversalis mit Falx inguinalis, Lig. interfoveolare (durch kollagene Fasern verstärkt).

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

Processus vaginalis. Zu Beginn des 3. Monats stülpt sich beidseits eine Aussackung des Peritoneum parietale, der Proc. vaginalis, in die Skrotalwülste vor. Gubernaculum testis. Das aus dem Mesenterium urogenitale hervorgegangene Gubernaculum zieht als bindegewebiges Band außerhalb des Peritoneums durch den späteren Inguinalkanal hindurch und verankert sich im Bindegewebe des Skrotalwulstes. Es dient als Leitstruktur für den Hoden, der in der 28. EW aus seiner retroperitonealen Lage in der Leibeshöhle durch den Leistenkanal hinter dem Proc. vaginalis in den Skrotalwulst absteigt. Der Hoden ist folgerichtig auf seiner freien, nicht vom Nebenhoden bedeckten Fläche von beiden Peritonealblättern des Proc. vaginalis überzogen (s. Abb. 11.13): £ Inneres Blatt ist die Lamina visceralis der Tunica

vaginalis testis (→ Epiorchium)

£ Äußeres Blatt ist die Lamina parietalis der

Tunica vaginalis testis (→ Periorchium).

Das Cavum serosum testis, ein kapillärer Spaltraum, liegt zwischen beiden Blättern, ein Überrest des Proc. vaginalis. Der Verbindungskanal des Proc. vaginalis zur Bauchhöhle obliteriert vor der Geburt oder kurz danach zum Vestigium processus vaginalis. Wandschichten. Beim Durchtritt durch den Leistenkanal werden von innen nach außen die Wandschichten über den Hoden, Nebenhoden, Ductus deferens, Blut- (A., V. testicularis, Plexus pampiniformis, A. ductus deferentis, A. cremasterica), Lymphgefäße und Nerven (R. genitalis des N. genitofemoralis, Plexus deferentialis et testicularis) gestülpt und trichterförmig ausgezogen:

Durch den Leistenkanal ziehen:

£ Die Fascia transversalis wird zur Fascia sper-

• beim Mann der Funiculus spermaticus • bei der Frau das runde Mutterband (Lig. teres

£ Fasern von M. transversus abdominis, M. obli-

uteri), das aus dem Gubernaculum ovarii stammt, von der A. teretis uteri begleitet wird und hinab in die großen Schamlippen (Labia majora pudendi) zieht.

Samenstrang, Funiculus spermaticus. Der Samenstrang entsteht beim Descensus testis und enthält in gewandelter Form alle Schichten der Bauchwand, die der Hoden beim Durchtritt durch den Leistenkanal mitnimmt.

matica interna

quus internus abdominis bilden den M. cremaster (Hodenheber), der zusammen mit lockerem Bindegewebe die Fascia cremasterica entstehen lässt £ Teile der Aponeurose von M. obliquus externus abdominis und Fascia abdominalis superficialis bilden die Fascia spermatica externa £ Die Tela subcutanea wird zur Tunica dartos £ Die Bauchhaut wird zur Skrotalhaut.

11.1 Systematische Anatomie

11.1.3

919

Hintere Bauchwand

1. M. quadratus lumborum. Zusammen mit dem M. psoas major et minor begrenzt er die Abdominalhöhle als einziger Bauchmuskel nach dorsal. Der dünne vierseitige Muskel liegt eingescheidet zwischen Lamina profunda der Fascia thoracolumbalis hinten und Fascia transversalis vorne. Er wird damit mit seinem wirbelsäulennahen Anteil hinten weitgehend vom M. iliopsoas überlagert (Abb. 11.11). Der Muskel ist in 2 Teile zu gliedern: O.: Der dorsale Teil entspringt von der Crista iliaca und dem Lig. iliolumbale. Der schwächere ventrale Teil liegt oberflächlich, entspringt von den Proc. costales der 2.–4. LW. I.: Der dorsale Anteil zieht zur 12. Rippe und zu den Proc. costales der 1.–4. LW, der ventrale Anteil setzt ebenfalls an der Unterseite der 12. Rippe an. L.: Die Innervation erfolgt durch den N. subcostalis und Rr. anteriores aus Th12–L3, die arte-

rielle Versorgung durch Aa. lumbales; an der Crista iliaca auch R. lumbalis der A. iliolumbalis; nahe der 12. Rippe auch die A. subcostalis F.: Abwärtszieher der 12. Rippe, damit Hilfsmuskel der Exspiration. Verspannt die hintere Bauchwand, unterstützt die Fixierung der LWS und neigt sie zur gleichen Seite. 2. M. psoas major, M. psoas minor (s. Kap. 14.1.2.1.1, S. 1139) Klinik: Skoliose (fixierte, seitliche Verbiegung der Wirbelsäule mit Drehung der Wirbelkörper; s. Kap. 8.3, S. 642) bei einseitiger Lähmung des M. quadratus lumborum. Obere Bauchwand Das Zwerchfell, Diaphragma, ist eine muskulöse Scheidenwand zwischen Bauch- und Brusthöhle, es stellt die „obere Bauchwand“ dar (s. Kap. 10.3, S. 803).

Dura mater et Cauda equina

M. erector spinae M. quadratus lumborum

Diaphragma, Pars lumbalis

Capsula adiposa renis

M. psoas major Splen

Ren

Colon descendens V. cava inf. V. renalis sinistra Pylorus Pankreas Vesica fellea

Colon transversum Omentum majus

Lobus sinister hepatis

Abb. 11.11: Bauchquerschnitt in Höhe 2. LWK, Kaudalansicht

Gaster

Lobus dexter hepatis

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

920

11.1.4

Arterien, Venen, Lymphgefäße, Nerven

Arterien Die Blutversorgung der Bauchwand wird von 2 Gefäßgruppen sichergestellt, deren Stromgebiete durch Anastomosen miteinander kommunizieren. Von dorsal wird die Bauchwand aus der Aorta, Partes thoracica et abdominalis, über die segmentalen Endäste versorgt: w Aa. intercostales posteriores VII–XI, A. sub-

costalis (unter der 12. Rippe entlanglaufend), ventrale Äste von 4–5 Aa. lumbales. w Aa. intercostales posteriores, A. subcostalis ziehen zwischen M. obliquus internus abdominis und M. transversus abdominis nach kaudal, wobei sie bis in die Rektusscheide vorstoßen. Sie bilden Anastomosen mit Aa. epigastricae superior et inferior. w Ventrale Äste der Aa. lumbales ziehen dorsal des M. quadratus lumborum in die laterale Bauchwand und anastomosieren nach ventral: mit Ästen der A. epigastrica superior et inferior, A. subcostalis kaudal mit Ästen der Aa. circumflexae iliacae superficialis et profunda, A. iliolumbalis. Von ventral erfolgt die Versorgung über longitudinale Äste der Aa. thoracica interna, iliaca externa et femoralis. Die A. thoracia interna spaltet sich in Höhe des Proc. xiphoideus in 2 Endäste auf: w A. musculophrenica, die Teile des Zwerchfells

und der Bauchmuskeln versorgt

w A. epigastrica superior, die die hintere Rektus-

scheide durchbricht und sich im geraden Bauchmuskel bis auf Nabelhöhe verzweigt.

Aus der A. iliaca externa gehen hervor: w A. epigastrica inferior, die kurz oberhalb des

Leistenbandes entspringt und auf dem Lig. interfoveolare nach medial zieht, um zwischen Peritoneum und Fascia transversalis zusammen mit 2 Begleitvenen die Plica umbilicalis lateralis aufzuwerfen und auf der Rückseite des M. rectus abdominis nabelwärts zu verlaufen, wo sie mit der A. epigastrica superior anastomosiert.

w A. circumflexa iliaca profunda (kaudal von der

A. epigastrica inferior), die lateral des inneren Leistenringes auf die Spina iliaca anterior superior zieht, die laterale Bauchwand mit versorgt und mit den Aa. lumbales anastomosiert (s. Abb. 11.9).

Aus der A. femoralis vervollständigen 2 Arterien oft gemeinsamen Ursprungs die Versorgung der Bauchdecke: w A. epigastrica superficialis und w A. circumflexa iliaca superficialis versorgen die Haut nabelwärts und lateral des äußeren Leistenringes. Venen Das Venennetz wird von den gleichnamigen Begleitvenen der Arterien aufgebaut. Eine Ausnahme sind die Vv. paraumbilicales, die vom Nabel aus das Lig. teres hepatis begleiten und zur Pfortader ziehen. Die Venen gewinnen ihre klinische Bedeutung v. a. durch ihre Funktion als Anastomosenketten, Umgehungskreisläufe zwischen den Stromgebieten der Vv. cavae superior et inferior: w kavokavale Anastomosen, deren funktionelle

Aktivierung ihre Ursache im Gebiet von Vena cava superior oder inferior hat w portokavale Anastomosen, deren Ursache im Stromgebiet der Pfortader liegt.

Kavokavale Anastomosen (→ Einflussstauung der V. cava superior): Das Blut staut sich zurück in die Vv. subclaviae und wird über Vv. thoracicae internae an die Vv. epigastricae superiores weitergegeben, über deren Anastomosen mit den Vv. epigastricae inferiores der Anschluss an die Vv. iliacae externae und damit an die V. cava inferior erreicht wird. Da aus den Vv. subclaviae der Blutrückstau auch die Vv. thoracicae laterales und über die Vv. axillares auch die Vv. thoracoepigastricae erfasst, werden diese seitlichen Thoraxwandvenen ebenfalls erweitert und leiten das venöse Blut über die Vv. epigastricae superficiales et inferiores und über Vv. circumflexae iliacae in die Vv. femoralis und iliaca externa, damit in die V. cava inferior. Bei einer Einflussstauung der V. cava inferior gelten die umgekehrten Wege.

11.1 Systematische Anatomie

921

Portokavale Anastomosen (→ Einflussstauung der V. portae). Den Vv. paraumbilicales kommt eine Schlüsselfunktion zu, da sie das Blut zur Bauchdecke leiten, wo es kranial über die Vv. epigastricae superiores in Vv. thoracicae internae und von dort in die Vv. brachiocephalicae geleitet wird oder über die lateralen Thoraxwandvenen in die Vv. axillares und dann in die Vv. subclaviae gelangt.

w oberhalb des Nabels nach kranial zu den Lymph-

Nach kaudal wird das Blut der Vv. paraumbilicales über die Vv. epigastricae inferiores, circumflexae iliacae superficiales et profundae in die Vv. iliacae externae oder über die Vv. epigastricae superficiales in die V. femoralis geleitet und damit in das Stromgebiet der Vv. cavae inferior.

Die Grenze zwischen beiden Drainagegebieten ist nicht hermetisch geschlossen und kann überbrückt werden.

Bei Einflussstauung der V. portae bestehen noch weitere Übergangsstellen aus dem Stromgebiet der V. portae in dasjenige der V. cava: w über die Vv. gastricae sinistra, dextra, breves

et posterior zu den Vv. oesophageales der Tela submucosa und der Adventitia des Ösophagus, von dort via Vv. azygos et hemiazygos in die V. cava superior; w über die zum Stromgebiet der Pfortader zählenden V. rectalis superior via Vv. rectales mediae et inferiores; entgegen früherer Lehrbuchmeinung für die Entstehung von Hämorrhoiden klinisch unbedeutend. Klinik: 1. Caput medusae (Medusenhaupt). Paraumbilikale Venenerweiterung in der Bauchdecke mit deutlicher Venenzeichnung bei Zirkulationsstörung in der Bauchhöhle. Ursache ist ein Umgehungskreislauf: von der V. portae zur V. cava inferior bei Pfortaderstauung, heute infolge therapeutischer Eingriffe selten! 2. Ösophagusvarizenblutungen durch harte Nahrungsbrocken oder Druckanstieg im Bauchraum (Bauchpresse!); klinisch bedeutsamste portokavale Anastomose wegen hoher Letalität (ungefähr 50 %) der schwer stillbaren Varizenblutung. 3. Portale Hypertension (s. Kap. 12.2.3.3, S. 954). Lymphgefäße Oberflächlicher Lymphabfluss Die Lymphdrainage aus Cutis und Subcutis der Bauchwand erfährt auf Höhe des Bauchnabels eine Richtungsänderung:

knoten der Achselhöhlen, Nodi lymphatici axillares superficiales et profundi, um in die Trunci subclavii dexter et sinister zu gelangen w unterhalb des Nabels zu Nodi lymphatici inguinales superficiales et profundi und via Nodi lymphatici iliaci externi in die Trunci lumbales dexter et sinister.

Tiefer Lymphabfluss. Die Gefäße verlaufen: w parallel mit den Vasa epigastrica superiores mit

Drainage in die Nodi lymphatici parasternales et sternales w mit den Vasa epigastrica inferiores mit Lymphdrainage in Nodi lymphatici iliaci externi. Begleiten sie die Gruppe der dorsalen segmentalen Blutgefäße, drainiert die Lymphe in die prävertebralen Nodi lymphatici lumbales. Nerven Die Innervation der Bauchwand erfolgt aus segmentalen Spinalnerven, wobei durch Verschmelzung der Muskelanlagen zu den großflächigen Muskelplatten die metamere Gliederung aufgehoben ist (Abb. 11.12). w Rr. anteriores der Nn. intercostales VII–XI und

des N. subcostalis

w Nn. iliohypogastricus et ilioinguinalis aus Rr.

anteriores des 1. Lumbalnerven des Plexus lumbalis, L1, Th12 (s. Kap. 14.1.6.1, S. 1175).

Nn. intercostales VII–XI, N. subcostalis. Die kaudalen Interkostalnerven verlaufen zwischen M. transversus abdominis und M. obliquus internus abdominis nach ventral. Astfolge: w Rr. musculares, die die laterale und ventrale

Bauchmuskulatur versorgen, von lateral die Rektusscheide durchstoßen und in den M. rectus abdominis eindringen. w Rr. cutanei lateralis et anterior zweigen zwischen den Ursprungszacken von M. obliquus externus abdominis und M. serratus anterior ab, um Haut und Unterhaut sensibel zu versorgen. N. iliohypogastricus. Der Darmbein-UnterbauchNerv, in 30 % ein gemeinsamer Stamm mit dem

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

922

R. cutaneus lateralis n. intercostalis M. obliquus externus abdominis

Vasa epigastrica superiora Rr. cutanei anteriores V. thoracoepigastrica

Costa IX

IX Nn. intercostales

X

Vv. paraumbilicales

XI

V. epigastrica superficialis

N. intercostalis XII (N. subcostalis) M. obliquus externus abdominis N. iliohypogastricus N. ilioinguinalis N. genito- R. femoralis femoralis R. genitalis N. cutaneus femoris lateralis

Rr. cutanei anteriores n. femoralis

R. cutaneus n. iliohypogastrici Vasa epigastrica inferiora Vasa circumflexa ilium superficialia Nodi lymphatici inguinales superficiales Vasa pudenda externa Nodi lymphatici inguinales superficiales

V. saphena magna

Abb. 11.12: Gefäße, Nerven der vorderen Bauchwand. Linke Körperseite oberflächliche Lage, rechte Körperseite tiefe Lage: M. rectus abdominis entfernt, seine Rr. musculares abgeschnitten. Auf dem hinteren Blatt der Rektusscheide: Anastomose der Vasa epigastrica superiora et inferiora. M. obliquus externus abdominis teils entfernt, teils nach lateral geklappt, M. obliquus internus abdominis gefenstert

N. ilioinguinalis, durchsetzt den M. psoas major, um vor dem M. quadratus lumborum hinter dem unteren Nierenpol nach laterokaudal zu ziehen. Astfolge: w R. cutaneus lateralis, versorgt die Haut über

dem M. gluteus medius und Trochanter major.

w R. cutaneus anterior, durchbohrt die Rektus-

scheide oberhalb des äußeren Leistenringes und innerviert die Haut medial vom Leistenring. w Rr. musculares: Der N. iliohypogastricus durchsetzt oberhalb der Crista iliaca die Aponeurose

des M. transversus abdominis und verläuft in der Folge stufenweise durch die Muskelschichten, die er mit seinen Muskelästen versorgt. N. ilioinguinalis. Der im Vergleich zum N. iliohypogastricus dünnere Darmbein-Leisten-Nerv läuft zu diesem parallel, nach kaudal versetzt. Seine Verlaufsstrecke unter der Aponeurose des M. obliquus externus abdominis ist lang, da er sich bereits weit lateral den Inhaltsstrukturen des Leistenkanals anlegt. Astfolge:

11.2 Angewandte Anatomie: Brüche, Hernien

w Rr. cutanei versorgen die Haut des oberen

Innenbereichs des Beines, der medialen Leistengegend und mit den Endästen, den w Nn. scrotales anteriores bzw. Nn. labiales anteriores, die Haut der Genitalorgane Klinik: Nervenkompressionssyndrom (= Engpasssyndrom). Leistenschmerzen können durch Kompression des N. ilioinguinalis entstehen, dessen Verlauf sich vor und nach Durchtritt durch den M. obliquus externus abrupt ändert. Bei Hüftbeugung verminderte, bei -streckung verstärkte Schmerzen durch Anspannung der Bauchmuskulatur.

In enger Lagebeziehung zur Bauchwand stehen auch diese Nerven des Plexus lumbalis: 1. N. genitofemoralis, 2. N. cutaneus femoris lateralis, 3. N. femoralis (s. Kap. 14.1.6.1, S. 1175). N. genitofemoralis. Der Schamgegend-Oberschenkel-Nerv durchsetzt schräg den M. psoas major, zieht auf dessen Vorderfläche retroperitoneal nach kaudal und spaltet sich in 2 Rami auf: w R. genitalis, der mit dem Funiculus spermaticus

in den Leistenkanal eintritt und beim Mann den M. cremaster und die Skrotalhaut, bei der Frau

11.2

923

das Lig. teres uteri begleitet und Mons pubis sowie die Labia majora versorgt w R. femoralis, der lateral der A. iliaca externa deszendiert, die A. circumflexa iliaca profunda kreuzt und durch die Lacuna vasorum lateral der A. femoralis zieht, um die Haut des Oberschenkels rings um den Hiatus saphenus zu versorgen. N. cutaneus femoris lateralis. Der seitliche Oberschenkel-Haut-Nerv wird zuerst lateral vom M. psoas major sichtbar und zieht dann schräg abwärts über den M. iliacus, bedeckt von dessen Faszie, in Richtung auf die Spina iliaca anterior superior, gibt Äste zum parietalen Peritoneum der Fossa iliaca ab und innerviert nach Durchtritt durch die Lacuna musculorum die vordere und seitliche Haut des Oberschenkels. N. femoralis. Der Oberschenkel-Nerv verläuft als stärkster Nerv des Plexus lumbalis retroperitoneal in der Rinne zwischen M. psoas major und M. iliacus, die er mit seinen kranialen Rr. musculares innerviert, hinab zur Lacuna musculorum, durch die er zum Oberschenkel gelangt und sich dort in die kaudalen Rr. musculares, Rr. cutanei anteriores und den N. saphenus auffächert.

Angewandte Anatomie: Brüche, Hernien

Lernziele: Definition, Ätiologie, Pathogenese und Prädilektionsstellen der Hernien, Prinzipien der Hernienchirurgie Eine Hernie (Bruch, Eingeweidebruch; hernos gr. Knospe) ist die Ausstülpung des Peritoneum parietale durch präformierte oder sekundär entstandene Lücken von Bauchwand oder kleinem Becken. Hernien haben die folgenden 4 konstanten Merkmale: 1. Bruchpforte, Locus minoris resistentiae (Schwachstelle der Bauchwand) 2. Bruchsack, Ausstülpung des Peritoneums 3. Bruchinhalt, Darmschlingen, Omentum majus, Tuba uterina oder Ovar 4. Bruchhüllen, Peritoneum, Fascia transversalis.

Häufigkeit: 10–15 % aller operativen Eingriffe beziehen sich auf die Hernienchirurgie. Ätiologie: Unterschieden werden angeborene und erworbene Hernien (Abb. 11.13). Kennzeichen angeborener Hernien sind präformierte Bruchsäcke. Bei erworbenen Brüchen hat die Bauchwand an Festigkeit verloren oder hält dem angestiegenen intraabdominellen Druck nicht mehr stand. Pathogenese: 1. erhöhter intraabdomineller Druck, ausgelöst durch Bauchpresse, Schwangerschaft, chronische Emphysembronchitis, Aszites, Adipositas, Tumor, 2. Abnahme der Bindegewebefestigkeit im höheren Lebensalter, 3. Offener Proc. vaginalis. Komplikation: Inkarzeration. Nekrose des Bruchinhalts durch Abklemmung von Blutgefäßen an der Bruchpforte (Inkarzeration).

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

924 Vasa epigastrica

Plica umbilicalis medialis

Bruchpforte: Anulus inguinalis profundus

Anulus inguinalis profundus

Anulus inguinalis superficialis Funiculus spermaticus

Bruchsack mit Bruchinhalt (Darmschlingen)

Processus vaginalis, obliteriert

a

b Bruchpforte: Anulus inguinalis profundus

Bruchpforte: Fossa inguinalis medialis (Hesselbach-Dreieck)

Processus vaginalis, obliteriert Processus vaginalis, obliteriert Bruchsack mit Bruchinhalt (Darmschlingen)

c

Bruchsack mit Bruchinhalt (Darmschlingen)

d

Abb. 11.13: Leistenhernien. a. Normalverhältnisse mit obliteriertem Processus vaginalis, b. indirekte angeborene Leistenhernie bei offenem Proc. vaginalis, c. indirekte erworbene, d. direkte erworbene

11.2 Angewandte Anatomie: Brüche, Hernien

925

Differentialdiagnose: Der Prolaps (Vorfall) ist abzugrenzen, bei dem sich Baucheingeweide durch eine Peritoneallücke hindurchgedrängt haben und nicht von Peritoneum bedeckt sind (Beispiele: Prolapsus ani, recti, Prolapsus uteri et vaginae.) Hernienchirurgie. Zahlreiche Operationstechniken beruhen auf dem Prinzip der raffenden Nähte: • Doppelung der Fascia transversalis und Anhef-

tung des M. obliquus internus abdominis am Leistenband (Verfahren nach Shouldice) oder • gemeinsame Anheftung von Fascia transversalis, M. transversus abdominis, M. obliquus internus abdominis durch Einzelknopfnähte am Leistenband (Bassini). In neuerer Zeit sind die spannungsfreien Verfahren hinzugekommen:

Austrittstelle des Bruchs: Anulus inguinalis superficialis

• Abdeckung der Bauchwanddefekte mit biokam-

patiblen Kunststoffnetzen (Lichtenstein)

• Einsatz einer gefalteten trichterförmigen Netz-

plombe (Rutkow).

Vorteil: technisch einfacher (ein ausgiebiges intraoperatives Präparieren entfällt). Nachteil: Implantation eines Fremdkörpers. Die Größe des Bruchs ist entscheidend bei der Wahl des Verfahrens. Prädilektionsstellen £ Hernia inguinalis. Leistenbrüche sind mit

200 000 Op. pro Jahr in Deutschland häufig; 75 % aller Hernien sind Leistenhernien.

Androtropie: in 90 % sind Männer betroffen.

Vasa epigastrica

Plica umbilicalis medialis

Bruchpforte: Fossa inguinalis medialis (Hesselbach-Dreieck)

Lig inguinale Lig. suspensorium penis A. femoralis

V. dorsalis penis profunda

V. femoralis

A. dorsalis penis Fascia penis profunda Fascia penis superficialis

V. saphena magna

Cutis

V. dorsalis penis superficialis

Fascia spermatica externa

Bruchsack aus Fascia transversalis und Peritoneum

Bruchinhalt: (Darmschlingen)

Tunica vaginalis, Laminae parietalis et visceralis

Fascia cremasterica cum m. cremastere

Abb. 11.14: Direkte Leistenhernie. Beachte zweischichtigen Bruchsack mit einer Bruchhülle aus Fascia transversalis und Peritoneum

11 Ventrale und dorsale Bauchwand

926

Lig. inguinale Funiculus spermaticus (durchtrennt) Hiatus saphenus

Bruchsack aus: Peritoneum Fascia transversalis und Septum femorale

Bruchinhalt: (Darmschlingen)

Bruchpforte: Lacuna vasorum

Abb. 11.15: Schenkelhernie. Beachte Lage der Bruchpforte unterhalb des Leistenbandes und zweischichtigen Bruchsack

Formen: Man unterscheidet nach Lokalisation eine laterale und mediale H. inguinalis. Bruchpforten (Abb. 11.8, 9, 13): • Fossa inguinalis lateralis mit Anulus inguinalis

profundus (→ lateraler Leistenbruch)

• Fossa inguinalis medialis (→ medialer Leisten-

bruch).

Lateraler (= indirekter) Leistenbruch. Der Bruchinhalt gelangt nicht auf direktem (geradem) Weg durch die Bauchwand, sondern folgt dem Verlauf des Leistenkanals (= Bruchkanal), weshalb man auch vom indirekten Bruch spricht. Bruchsack ist das Peritoneum, da sich im inneren Leistenring die Fascia transversalis auf dem Funiculus spermaticus fortsetzt und damit vom vordrängenden Bruchsack nicht mit ausgestülpt werden kann. Häufigkeit: mit 60–70 % die häufigsten Leistenbrüche.

Ätiologie (s. Abb. 11.13): • Bei angeborenen Brüchen ist der embryonale

Proc. vaginalis peritonei nicht obliteriert und bildet somit eine natürliche Peritonealaussackung, die sich durch den Leistenkanal bis hinunter in das Scrotum oder das Labium majus pudendi erstreckt (= präformierter Bruchsack für die vordrängenden Baucheingeweide). • Bei erworbenen Brüchen wird derselbe Weg beschritten, wenn, unabhängig vom regelhaft geschlossenen Proc. vaginalis, die Eingeweide einen neuen Peritonealsack ausformen und ihn durch den Leistenkanal vorwölben. Der Bruch zieht entlang des Samenstranges von lateral nach medial durch den Leistenkanal und tritt am Anulus inguinalis superficialis aus der Bauchdecke aus. Medialer (= direkter) Leistenbruch. Die Bauchwand wird in der muskelfreien, nur von Fascia transversalis und Falx inguinalis gebildeten Fossa

11.2 Angewandte Anatomie: Brüche, Hernien

inguinalis medialis direkt durchsetzt (→ direkter Leistenbruch); der Bruchsack ist zweischichtig, peritonealbedeckte Eingeweide stülpen die Fascia transversalis mit heraus (Abb. 11.14). Häufigkeit: halb so häufig wie die indirekten Leistenbrüche, bevorzugt im fortgeschrittenen Lebensalter. Ausgehend von Anteilen der muskelschwachen Fossa inguinalis medialis (→ Hesselbach-Dreieck) durchsetzt der Bruchkanal senkrecht die Bauchwand und tritt am Oberrand des Anulus inguinalis superficialis aus (s. Abb. 11.14). Differentialdiagnostik: 1. Die Vasa epigastrica auf dem Lig. interfoveolare liegen dem Bruchsack bei indirekten Leistenbrüchen medial an, bei direkten lateral, 2. Leistenhernien sind oberhalb des Lig. inguinale lokalisiert, Schenkelhernien (s. u.) unterhalb.

927 £ Hernia femoralis (sive cruralis). Schenkel-

brüche treten unterhalb des Leistenbandes aus (Abb. 11.15) (s. Kap. 14.2.2.2, S. 1189).

Häufigkeit: (seltener als Leistenbrüche), 5–7 % aller Hernien, Gynäkotropie: zu 75 % sind Frauen betroffen. Der Bruchsack wird durch den medialen Teil der Lacuna vasorum unter Mitnahme und Verdichtung des Bindegewebes von Fascia transversalis und Septum femorale vorgewölbt und tritt außen am Hiatus saphenus durch die dort nur sehr dünne Fascia lata des Beines aus. Inkarzerationen sind durch den scharfen Rand des medial den Bruch begrenzenden Lig. lacunare häufig.

Außenfläche der 5.–12. Rippe

3 Anteile – – lumbaler Anteil: tiefes Blatt der Fascia thoracolumbalis – iliakaler Anteil: Linea inter- – media der Crista iliaca – inguinaler Anteil: Lig. inguinale –

M. obliquus internus abdominis

lumbaler Anteil: Rr. anteriores am Unterrand der Th10–L2 9.–12. Rippe übrige Anteile: vorderes und hinteres Blatt der Rektusscheide Linea alba

– Labium externum der Rr. anteriores Crista iliaca Th5–Th12 – im Lig. inguinale an der Spina iliaca anterior superior und am Tuberculum pubicum – Linea alba

Aa. epigastricae superior et inferior, Ramus anterior der A. intercostalis 11, A. subcostalis, A. lumbalis 4

die 4 kaudalen Aa. intercostales, A. subcostalis , die 4 Aa. lumbales, sowie ein Seitenast der A. circumflexa iliaca profunda zur Externusaponeurose

Äste der A. epigastrica inferior

M. obliquus externus abdominis

Rr. anteriores Th12, L1, L2

– Ramus superior ossis Linea alba pubis – Symphysis pubica ventral vom M. rectus abdominis

M. pyramidalis (inkonstant)

Arterienversorgung

M. rectus abdominis

Leitungsbahn

Ansatz unter deutlicher Ver Rr. anteriores Th7–Th12 – A. epigastrica superior (Forts. schmälerung am Ramus der A. thoracica interna) superior ossis pubis bis – A. epigastrica inferior (aus der zum Tuberculum pubicum A. iliaca externa) – früh postnatal auch Rm. anteriores der kaudalen Interkostalund oberen Lumbalarterien

Ursprung

breitflächig am kaudalen Rand des 5.–7. Rippenknorpels – Proc. xiphoideus – Ligg. costoxiphoidea

Muskel

Tabelle 11.1: Mm. abdominis, Bauchmuskeln

Einseitige Kontraktion: – Ipsilaterale Seitneigung des Rumpfes zusammen mit dem M. obliquus externus abdomnis – bei festgestelltem Becken Drehung des Rumpfes zur gleichen Seite Beidseitige Kontraktion: – Rumpfbeugung nach ventral – Senken des Brustkorbes (Expiration) – Bauchpresse

Einseitige Kontraktion: – ipsilaterale Rumpfneigung zusammen mit dem M. obliquus internus abdominis der gleichen Seite und kontralaterale Rumpfdrehung mit dem M. obliquus internus der Gegenseite Beidseitige Kontraktion: – Rumpfbeugung nach ventral – Senken des Brustkrobes (Expiration) – Bauchpresse

beim Menschen bedeutungslos, Spannung der Linea alba und Rektusscheide fraglich

– Längsgurtung der vorderen Bauchwand – Vorwärtsbeugung des Rumpfes – bei fixiertem Becken: zieht den Thorax nach ventrokaudal (Expiration) – bei fixiertem Thorax: hebt die Ventralseite des Beckens an

Funktion

928 11 Ventrale Rumpfwand: vordere, hintere Bauchwand

Aa. lumbales; an der Crista iliaca auch R. lumbalis der A. iliolumbalis; nahe der 12. Rippe auch die A. subcostalis

– Unterseite der 12. Rippe – Processus costales von LW1–4

– Labium internum der Crista iliaca – Lig. iliolumbale; – im ventralen Anteil auch Processus costales von LW3–5

M. quadratus lumborum

– N. subcostalis – Rr. anteriores Th12–L3

A. epigastrica inferior

Samenstrang und Hoden, R. genitalis des bei der Frau nur rudiN. genitofemoralis mentär dem Lig. teres uteri anliegend und zu den Labia majora ziehend

Muskelfasern aus dem M. obliquus internus und M. transversus abdominis

M. cremaster

Arterienversorgung Thorakale Anteile aus der A. thoracica interna; Hauptmasse des Muskels aus den Rr. anteriores der Aa. lumbales und der kaudalen Aa. intercostales; inguinale Anteile aus der A. epigastrica inferior, iliakale Anteile zusätzlich aus der A. circumflexa iliaca profunda

Leitungsbahn

4 Ursprungsteile – vorderes und hinteres – Rr. anteriores – thorakaler Anteil Blatt der Rektusscheide Th7–L1 an der Innenfläche – Linea alba – Rr. musculares des der 7.–12. Rippe N. iliohypogastricus – lumbaler Anteil an den und des N. ilioQuerfortsätzen der LW inguinalis und dem Lig. iliolumbale – iliakaler Anteil am Labium internum der Crista iliaca – inguinaler Anteil: von der lateralen Hälfte des Leistenbandes

Ansatz

Ursprung

Muskel

M. transversus abdominis

Tabelle 11.1: Mm. abdominis, Bauchmuskeln (Forts.)

Seitwärtsneigung der LWS

Zieht den Hoden an den Rumpf; hierdurch Beteiligung an der Regulation der Hodentemperatur

Hauptmuskel der Bauchpresse

Funktion

Muskeltabelle 929

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis) Friedrich Anderhuber, unter Mitarbeit von Axel Brehmer

Die Bauchhöhle wird von der dorsalen und ventrolateralen Bauchwand umschlossen und reicht vom Zwerchfell bis in das kleine Becken, Cavitas pelvis. Einen knöchernen Schutz für die Baucheingeweide gibt es nur dorsal durch die Wirbelsäule und weiter kaudal durch die beiden Darmbeinschaufeln. Durch die kuppelförmige Vorwölbung des Zwerchfells in den Brustraum

12.1

liegen Teile der Oberbauchorgane geschützt im Thorax. Die Cavitas abdominis enthält 2 Räume: die mit Bauchfell, Peritoneum, ausgekleidete seröse Peritonealhöhle, Cavitas peritonealis, und den dahinter liegenden mit Fett und Bindegewebe erfüllten Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale.

Bauchfellhöhle, Cavitas peritonealis

Lernziele: Peritoneum parietale primarium und secundarium, Peritoneum viscerale, Entwicklung des Bauchsitus, Gekröse und deren Abkömmlinge, Entwicklungsstörungen, Oberbauch, Unterbauch Peritoneum parietale. Die Bauchfellhöhle wird von einer wandständigen Tunica serosa, dem Peritoneum parietale, ausgekleidet. Sie gehört wie die Brustfell- und Herzbeutelhöhle zu den serösen Körperhöhlen. Die Peritonealhöhle enthält bis auf das Rektum das gesamte Magen-Darm-Rohr, die großen Verdauungsdrüsen und die Milz. Diese Organe sind von einem Eingeweideblatt des Bauchfells, dem Peritoneum viscerale, überzogen. Verbindungen zwischen dem Peritoneum viscerale und Peritoneum parietale sind so genannte Peritonealduplikaturen, die aus jeweils 2 Serosablättern und dazwischenliegendem Fett- und Bindegewebe aufgebaut sind. Sie werden als Gekröse, Mesenterien oder „Mesos-“, und Aufhängebänder, Ligamenta, bezeichnet. In diesen Duplikaturen ziehen die Gefäße und Nerven zu den Organen. Peritoneum der Bauchhöhle und seiner Organe. Mit einer Oberfläche von etwa 2 m² sezerniert es

eine seröse Flüssigkeit in den kapillären Spaltraum der Cavitas peritonealis und ermöglicht so Bewegungen der Organe gegeneinander. Des weiteren ist es zur Resorption befähigt und trägt auch zur Abwehr bei. Klinik: Nach chirurgischen Eingriffen muss das Bauchfell gut vernäht werden, um eine Keimeinschleppung zu vermeiden. Infektionen können sich in der Peritonealhöhle rasch ausbreiten und zur gefürchteten Bauchfellentzündung, Peritonitis, führen, wobei durch Resorption großer Mengen von Toxinen die Abwehrkraft des Organismus überstiegen werden kann. Gefäße und Nerven des Peritoneums Arterien. Das Peritoneum parietale wird von den benachbarten Arterien versorgt: an der dorsalen Leibeswand segmental durch die Aa. intercostales posteriores und Aa. lumbales und ventrolateral von der A. epigastrica superior et inferior, A. circumflexa ilium profunda und kranial noch aus der A. phrenica inferior. Das viszerale Peritoneum und die Gekröse werden von den entsprechenden Eingeweidearterien versorgt.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

932

Venen. Die Venen entsprechen den gleichnamigen Arterien.

Nerven

hat nur eine geringe Bauchfellbedeckung, wie Niere, Harnblase. • Sekundär retroperitoneal, auch „scheinbar retroperitoneal“: Das Organ ist intraperitoneal entstanden, verliert aber durch spätere Anlagerung an die hintere Bauchwand die Peritonealbedeckung im Bereich der Verwachsungsstelle, wie der größte Teil des Zwölffingerdarms, Bauchspeicheldrüse, auf- und absteigende Dickdarmschenkel.

w Parietales Peritoneum: Es wird von Ästen der

£ Extraperitoneal: Das Organ hat keine Bezie-

Lymphgefäße. Die parietalen Lymphgefäße verlaufen mit den Blutgefäßen zu den parietalen Lymphknoten. Die Lymphe des viszeralen Peritoneums wird über die viszeralen Lymphbahnen zu den Nll. intestinales und zu den Nll. coeliaci abgeleitet.

Spinalnerven innerviert. Es ist sehr schmerzempfindlich und der Schmerz ist genau lokalisierbar. w Viszerales Peritoneum: Es wird von vegetativen Eingeweidenerven innerviert, so dass die Organe selbst schmerzunempfindlich sind; allerdings wird ein Zug an den Eingeweiden als sehr schmerzhaft empfunden. Klinik: 1. Reizungen der sensiblen Nerven führen zu unwillkürlichen Dauerkontraktionen der Bauchmuskulatur („brettharter“ Bauch bei Peritonitis). 2. Irritationen des parietalen Peritoneums in Nähe von viszeralen Erkrankungen (z. B. Appendizitis) führen bei Palpation zu einer reflektorischen Abwehrspannung der Bauchmuskulatur. 3. Schmerzen vom viszeralen P. → Bauchmitte, dumpfer Schmerz. Schmerzen vom parietalen P. → lokalisiert, stechender Charakter.

12.1.1

Lage der Bauchorgane zum Peritoneum

£ Intraperitoneal: das Organ ist von Peritoneum

viscerale eingehüllt und über Peritonealduplikaturen mit dem Peritoneum parietale verbunden. Dazu zählen: Magen, Milz, Dünndarm bis auf einen Teil des Zwölffingerdarms, Blinddarm, Wurmfortsatz, querer Dickdarmabschnitt, sigmaförmige Dickdarmschleife, Eierstock, Eileiter und Gebärmutter. Alle intraperitonealen Organe sind gut beweglich und leicht größenveränderlich.

£ Retroperitoneal: das Organ ist nur an seiner

Vorderseite von Peritoneum parietale bedeckt.

• Primär retroperitoneal: Das Organ ist von vornherein außerhalb des Peritoneum entstanden und

hung zum Peritoneum, wie die Prostata.

12.1.2

Entwicklung des Bauchsitus

Aus didaktischen Gründen kann die Situsentwicklung in 3 Phasen unterteilt werden, die zeitlich nicht ganz scharf zu trennen sind: 1. Phase: zunächst noch primitives undifferenziertes Darmrohr mit sagittalen Gekröseplatten, Entstehung der spindelförmigen Magenanlage und der Nabelschleife. 2. Phase: Wachstum und Verlagerung des Darmrohres: Magendrehung mit der Bildung des Netzbeutels (Bursa omentalis), Nabelschleifendrehung mit Bildung des Dünn- und Dickdarms. 3. Phase: Teilweise Verwachsung der Gekröse mit dem Peritoneum parietale, wodurch das „sekundäre“ Peritoneum parietale an der hinteren Bauchwand entsteht. Das restliche wandständige Bauchfell, dem kein Gekröse aufgewachsen ist, bleibt als „primäres“ Peritoneum parietale erhalten. Es entstehen die freien Gekröse mit deren Wurzeln, die endgültigen Peritonealbuchten, Recessus, und Peritonealfalten, Plicae.

1. Phase Über die Bildung der primitiven Leibeshöhle, Coelom, s. Kap. 3.5.1.4, S. 146. Sie wird vom Zoelomepithel, aus dem das Peritoneum entsteht, ausgekleidet und vom gestreckten, noch undifferenzierten Darmrohr durchzogen. Bauchfellduplikaturen ziehen als sagittale Gekröseplatten von der dorsalen und ventralen Rumpfwand zum Darmrohr und bilden eine mediane Scheidewand der Leibeshöhle (Abb. 12.1). Sie dienen als Aufhängeapparat für den Darm (gr. enteron). Das dorsale Gekröse, Mesenterium dorsale commune, spannt sich zwi-

12.1 Bauchfellhöhle, Cavitas peritonealis

933

Mesogastrium dorsale

Mesogastrium dorsale Darm

Darm einheitliche Leibeshöhle

Mesogastrium ventrale

a b Abb. 12.1: Entwicklung der Mesenterien. Geteilte Leibeshöhle durch sagittale Gekröseplatte (a). Kaudal der Magenanlage einheitliche Leibeshöhle durch Fehlen des Mesogastrium ventrale (b)

schen der Mittellinie der hinteren Leibeswand und dem gesamten Darmrohr aus. Im Bereich der Magenanlage wird es als Mesogastrium dorsale (Gaster = Magen) bezeichnet. Das ventrale Gekröse, Mesenterium ventrale oder Mesogastrium ventrale, zieht von der vorderen Leibeswand zum Darmrohr, allerdings nur bis an die Anlagen des Magens und Zwölffingerdarmes. Erst unterhalb davon entsteht daher eine einheitliche Leibeshöhle (Abb. 12.1). In das Mesogastrium ventrale sprosst nun (Abb. 12.2) die Leber ein. Im Mesogastrium dorsale entstehen in diesem Stadium die Anlagen der Bauchspeicheldrüse und der Milz.

Pancreas Splen (Lien) Gaster

Hepar

Abb. 12.2: Entwicklung der Mesenterien. Pankreas und Milzanlage im Mesogastrium dorsale, Leber im Mesogastrium ventrale

£ Dorsales Gekröse und Darmrohr

Bereits bei Keimlingen der 4. Woche (Abb. 12.3) ist das ursprünglich gerade verlaufende Darmrohr durch ungleiches Dicken- und Längenwachstum stärker gegliedert. Der Magen ist spindelförmig aufgetrieben und zeigt eine dorsalwärts gerichtete, große und eine ventralwärts gerichtete, kleine Krümmung. Der kaudal anschließende, dünnere

Teil des Darmrohres bildet zunächst eine ventral gerichtete Schleife, das spätere Duodenum. Aus ihm entwickelt sich in das dorsale Mesogastrium das Pankreas und in das ventrale Mesogastrium die Leber. In einer scharfen Biegung, der späteren Flexura duodenojejunalis, geht das Duodenum in den nächsten Darmabschnitt, die ebenfalls nach ventral konvexe Nabelschleife, über. Sie stülpt sich in der 6. Schwangerschaftswoche teilweise hernienartig in den Nabelstrang vor, wodurch die physiologische Nabelhernie entsteht. Ende des dritten Monats werden mit dem weiteren Wachstum der Bauchhöhle diese Darmschlingen wieder in den Bauchraum aufgenommen. Vom Scheitel der Nabelschleife zieht der Dottersackgang, Ductus omphaloentericus, zum Nabel. Er ist der Rest der Verbindung des Darmrohres mit dem Dottersack, der aber bald zugrunde geht. Klinik: 1. Angeborene Nabelhernie: Sie ist in der Regel kein Persistieren der physiologischen Hernie, sondern ein sekundärer Austritt von Darmschlingen durch den noch offenen Nabel (s. Kap. 11.1.2.2, S. 912). 2. Meckel-Divertikel: Der Anfangsteil des Dottersackganges kann in 1–3% aller Menschen als 2–10 cm langes Anhängsel des Ileum erhalten bleiben. Dieses Diverticulum ilei findet sich 0,4–1 m oral der Valva ileocaecalis. Es macht bei Entzündungen ähnliche Symptome wie die Appendizitis. Der Ductus omphaloentericus kann aber auch veröden und als fester, vom Darm zum Nabel ziehender Strang erhalten bleiben und Anlass zur Strangulation des Darmes geben. Auch können Nabelfisteln von ihm ausgehen, bei welchen Kot aus dem Nabel austreten kann.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

934

Oesophagus Aorta

Hepar

Splen (Lien)

A. gastrica sinistra Truncus coeliacus Omentum minus

A. splenica (A. lienalis) A. hepatica communis

Lig. falciforme hepatis

A. mesenterica superior

Duodenum

Pancreas

V. umbilicalis Nabelschnur A. mesenterica inferior

Aa. umbilicales et Urachus

Ductus omphaloentericus

Nabelschleife

Abb. 12.3: Schema der Entwicklung der Mesenterien. Ventrales Gekröse hellgrau, dorsales Gekröse dunkelgrau

An der Nabelschleife lassen sich ein oraler und ein analer Schenkel unterscheiden: • Oraler Schenkel: Er reicht von der Flexura duodenojejunalis bis zum Scheitel der Nabelschleife. Aus ihm entstehen große Teile des freien Dünndarmes, das gesamte Jejunum und ein Teil des Ileum. • Analer Schenkel: Er reicht vom Scheitel bis zu einer weiteren scharfen Biegung, die als primäre Kolonflexur bezeichnet wird und etwa der späteren Flexura coli sinistra entspricht. Hier beginnt schließlich der Endabschnitt des Darmrohres. Der anale Schenkel weist eine kleine Ausbuchtung auf, die Anlage des Blinddarmes, Caecum. Hier entsteht auch der Übergang vom Dünnzum Dickdarm mit der Valva ileocaecalis. Aus dem analen Schenkel gehen somit der Rest des Ileum hervor, sowie Dickdarmabschnitte, wie Caecum mit der Appendix vermiformis, Colon ascendens und Colon transversum.

Aus dem Endabschnitt des Darmrohres nach der Flexura coli sinistra entstehen schließlich das Colon descendens, Colon sigmoideum und das Rectum. Entsprechend der Differenzierung des Darmrohres in diesem Stadium lassen sich auch am Mesenterium dorsale commune verschiedene Gekröseabschnitte unterscheiden, wie Mesogastrium, Mesocolon etc. 3 große Arterien ziehen durch das Mesenterium dorsale zum Darmrohr (Abb. 12.3): der Truncus coeliacus, die Aa. mesenterica superior und inferior. Sie nehmen hier eine Lage ein, die Drehungen des Darmrohres möglichst wenig behindert. So ziehen aus dem Truncus coeliacus Äste zum wenig beweglichen Anfangs- und Endteil des Magens. Die A. mesenterica superior versorgt die Nabelschleife, indem sie in deren Achse liegt und daher bei den Darmdrehungen nicht abgedreht werden kann. Die A. mesenterica inferior versorgt das Darmrohr kaudal der primären Kolonflexur.

12.1 Bauchfellhöhle, Cavitas peritonealis

935

£ Ventrales Gekröse

2. Phase

Die sagittale Platte des Mesenterium ventrale zieht von der vorderen Bauchwand nach hinten bis zur kleinen Magenkurvatur. Oben erreicht sie das Zwerchfell und kaudal endet sie mit einem freien Rand, der vom Nabel bis zum Duodenum zieht. Durch das Einwachsen der Leber wird das ventrale Mesogastrium in 3 Abschnitte unterteilt: Der hintere Abschnitt zwischen Magen und Leber wird zum Omentum minus (Abb. 12.3), der vordere zwischen Leber und Bauchwand zum Lig. falciforme hepatis (Mesohepaticum ventrale). Im Unterrand des Lig. falciforme hepatis liegt die V. umbilicalis, die nach der Geburt zum Lig. teres hepatis verödet. Der mittlere Abschnitt umgibt die Leber als Peritoneum viscerale.

£ Magendrehung

Der ursprünglich sagittal eingestellte Magen dreht sich unter gleichzeitiger Linksverlagerung um seine Längsachse so, dass die große Kurvatur nach links und die kleine Kurvatur nach rechts schaut (Abb. 12.4). Das an der Mittellinie haftende dorsale Mesogastrium muss, um die große Kurvatur zu erreichen, stark verlängert und weit nach links ausgebuchtet werden. Später erfolgt diese Ausbuchtung auch nach unten und führt zur Bildung des großen Netzes, Omentum majus (Pfeil in Abb. 12.4). Dadurch entsteht innerhalb des dorsalen Mesogastrium eine Tasche, der Netzbeutel, Bursa omentalis. Ihre Vorderwand ist der Magen, Oesophagus

Mesogastrium dorsale

Gaster

Mesogastrium ventrale Lig. hepatoduodenale (mit Duct. choledochus, V. portae, A. hepatica propria)

Splen (Lien)

Pancreas (durchscheinend) Ductus pancreaticus (major) et accessorius Duodenum et Mesoduodenum Colon et Mesocolon Caecum

Omentum majus

Flexura duodenojejunalis Flexura coli sinistra

Colon descendens et Mesocolon

Appendix vermiformis

Jejunum, Ileum et Mesenterium

Colon sigmoideum et Mesocolon

Abb. 12.4: Bildung der Bursa omentalis und des Omentum majus. Drehung der Nabelschleife und Bildung der Dünndarmschlingen. Der Pfeil in der Bursa omentalis zeigt die Richtung, in der sich das Omentum majus entwickelt

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

936 V. cava inferior Aorta abdominalis

Ren

Pancreas

Bursa omentalis Splen (Lien) Gaster

Hepar

Lig. falciforme hepatis

Abb. 12.5: Entwicklung der Bursa omentalis

ihre Hinterwand das Mesogastrium dorsale (Abb. 12.5). Dieses wird durch das Einwachsen der Milz nochmals unterteilt: der Teil von der Mittellinie bis zur Milz ist das sog. Mesogastrium axiale, und der Teil von der Milz bis zum Magen ist das Lig. gastrosplenicum (Lig. gastrolienale). Mit der Magendrehung macht auch das Duodenum mit seinem Mesoduodenum eine Drehung mit. Seine ursprünglich ventralwärts gerichtete Konvexität schaut nun nach rechts. Das Pankreas, das vom Mesoduodenum nach hinten oben in das Mesogastrium axiale eingewachsen ist, wird durch diese Verdrehungen in eine frontale Lage gebracht. Auch das Mesogastrium ventrale erfährt durch die Magendrehungen Veränderungen: das ursprünglich sagittal eingestellte Omentum minus wird zu einer frontalen Platte, dessen freier Rand nicht mehr nach unten (Abb. 12.3), sondern als Lig. hepatoduodenale nach rechts schaut (Abb. 12.4). Das Lig. falciforme hepatis bleibt als sagittale Platte bestehen (Abb. 12.5). Der rechts der Mittellinie (Abb. 12.4) hinter dem Omentum minus liegende Spaltraum wird als Vestibulum bursae omentalis bezeichnet. Er beginnt hinter dem Lig. hepatoduodenale am Foramen

epiploicum und setzt sich über die Mittellinie in die Bursa omentalis fort. £ Nabelschleifendrehung

Im oralen Schenkel der Nabelschleife beginnt zuerst das Längenwachstum des Dünndarmes und seines Mesenteriums. Damit kommt es zu einer starken Schlingenbildung, die schließlich auch auf den analen Schenkel übergreift. Dadurch wird die Caecumanlage des analen Schenkels verdrängt und steigt nach kranial, kreuzt stets unter „Mitschleppen“ des restlichen Dickdarmes mit seinem Mesocolon oberhalb der Flexura duodenojejunalis nach rechts bis an die Unterfläche der Leber und steigt schließlich meist in den letzten Fetalmonaten oder erst nach der Geburt in die Fossa iliaca dextra ab (Abb. 12.4). Dies entspricht einer Drehung der Nabelschleife entgegen dem Uhrzeigersinn um ca. 300°, wobei die A. mesenterica superior die Achse bildet. Das Caecum hat also förmlich die Führung der Nabelschleifendrehung übernommen. Sein unteres Ende ist im Wachstum zurückgeblieben und wird zum Wurmfortsatz, der sich erst nach der Geburt schärfer gegen das Caecum absetzt. Nach oben geht es in das Colon ascendens über, das sich an der Flexura coli dextra in das Colon transversum fortsetzt. An der Flexura coli sinistra geht es in

12.1 Bauchfellhöhle, Cavitas peritonealis

937 Gl. suprarenalis Ren Verwachsungsstelle Pancreas

Splen (Lien)

Bursa omentalis

Gaster

Hepar Lig. falciforme hepatis

Abb. 12.6: Entwicklung der Bursa omentalis. Bursa omentalis rot, Bauchfell blau

das Colon descendens über, an welches das Colon sigmoideum anschließt. In dieser Phase hat jeder Dickdarmabschnitt noch ein freies Gekröse. 3. Phase £ Mesogastrium

Das Mesogastrium axiale (von der Wirbelsäule bis zur Milz) bildet die Hinterwand der Bursa omentalis (Abb. 12.5). Es unterliegt unterschiedlichen Weiterentwicklungen: sein medialer Anteil verschmilzt mit dem Peritoneum parietale der hinteren Leibeswand zum sekundären Peritoneum parietale. Sein kranialer Teil verschmilzt nicht mit der Leibeswand, sondern zieht als Peritonealduplikatur, Lig. gastrophrenicum, zum Magen. Sein linker Teil gelangt als Lig. phrenicosplenicum (phrenicolienale) zur Milz. Sein kaudaler Teil enthält das Pankreas und verschmilzt mit der hinteren Bauchwand (blau punktierte Linie, Abb. 12.6). Die miteinander verklebten Peritonealblätter hinter dem Pankreas gehen schließlich verloren, so dass die Drüse nur mehr an ihrer Vorderseite von Peritoneum parietale (secundarium) bedeckt ist. Die ursprünglich intraperitoneal entstandene Bauchspeicheldrüse nimmt nun eine scheinbar retroperitoneale Lage ein. Aus dem kaudalen Teil des Mesogastrium geht das

Omentum majus hervor, das schürzenförmig von der großen Kurvatur des Magens nach kaudal hängt und das Colon transversum wie auch die Dünndarmschlingen bedeckt (Abb. 12.7). Der Spaltraum im großen Netz ist beim Neugeborenen noch vorhanden, verödet dann weitgehend durch Verklebung seiner Wände. Die Rückwand der Bursa omentalis verwächst kaudal des Pankreas mit dem Kolon und Mesocolon transversum. Die während der Magendrehung nach rechts gedrehte Duodenumschleife und ihr Mesoduodenum verkleben mit der hinteren Leibeswand. So gelangt auch der Kopf des Pankreas in die hintere Bauchwand. Nur der Anfang des Duodenum bleibt an seinem ventralen und dorsalen Gekröse beweglich aufgehängt. £ Mesenterium der Nabelschleife

Das Wachstum des Darmrohres führt zur Bildung der Dünndarmschlingen und zur Gliederung des Dickdarmes. Das noch freie Gekröse verlötet zunächst in einer Linie, die an der Flexura duodenojejunalis beginnt, wo das bereits mit der Rückwand der Bauchhöhle verwachsene Duodenum in den freien Dünndarm übergeht. Von hier zieht sie über die Pars inferior duodeni nach rechts und unten zur Fossa iliaca dextra, wo sie die Einmündung des Ileum in das Caecum (Valva

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

938

Diaphragma Hepar

Bursa omentalis (Pfeil im For. epiploicum) Gaster Mesocolon transversum

Pancreas Duodenum

Colon transversum Omentum majus

Intestinum tenue Excavatio rectovesicalis Vesica urinaria

Rectum

Spatium praevesicale Gl. vesiculosa

Prostata

Abb. 12.7: Übersicht über das Peritoneum im Sagittalschnitt. Das Bauchfell ist blau, im Bereich der Bursa omentalis rot gefärbt (nach einem Gefrierschnitt von M. Braune)

ileocaecalis) erreicht. Diese Verwachsungslinie ist die Radix mesenterii, an der das Mesenterium des freien Dünndarms wurzelt (Abb. 12.8). Von dieser Anheftungslinie verwächst nun nach rechts das Mesocolon ascendens und schließlich das Colon ascendens selbst mit der hinteren Bauchwand. Nur die Appendix selbst behält ihre freie Mesoappendix. Das Colon transversum hängt wiederum an einem freien Gekröse, dem Mesocolon transversum. Es wurzelt in einer Linie, die vor der rechten Niere beginnt, die Pars descendens duodeni kreuzt und entlang des Vorderrandes des Pankreas bis zur linken Niere zieht. Auf der linken Seite verwächst zuerst das Colon descendens und von ihm nach medial das Mesocolon descendens. Gleichzeitig beginnt aber auch von der Mittellinie (ursprüngliche Haftlinie des gesam-

ten Mesenterium dorsale) aus die Verlötung des Mesocolon descendens nach links. Die Verklebung des Mesocolon descendens schreitet also von oben, lateral und medial nach kaudal fort. Wo die Verschmelzung kaudal endet, entsteht die Radix des Mesocolon sigmoideum, an der das freie Mesocolon sigmoideum mit dem Colon sigmoideum hängt. Diese Wurzel beginnt in der Fossa iliaca sinistra, bildet auf dem M. psoas major eine konvexe Krümmung nach oben und steigt vor dem Promontorium ins kleine Becken ab. • Sekundäres Peritoneum parietale findet sich an der hinteren Bauchwand dort, wo die „Mesos“ aufgewachsen sind (Abb. 12.8): rechts durch die Verlötung des Mesocolon ascendens das Feld zwischen der Radix mesenterii, Radix des Mesocolon transversum und Colon ascen-

12.1 Bauchfellhöhle, Cavitas peritonealis

V. cava inferior

Vv. hepaticae

939 Recessus superior

Cardia

Lig. triangulare sinistrum A. gastrica sinistra

Gl. suprarenalis dextra

Mesogastrium dorsale (Lig. gastrophrenicum)

Lig. triangulare dextrum Splen (Lien) Gl. suprarenalis Lig. hepatoduodenale

A. hepatica comm. A. splenica (A. lienalis)

Ren

Pancreas

Flexura duodeni superior

Lig. phrenicocolicum

Caput pancreatis

Mesocolon transversum

Vasa mesenterica superiora

Ren Jejunum Vasa colica sinistra

Flexura duodeni inferior

Mesocolon descendens

Mesocolon ascendens

A. iliaca communis sinistra Ureter Radix mesenterii

Mesocolon sigmoideum Rectum Vesica urinaria

Abb. 12.8: Dorsale Wand der Peritonealhöhle nach Entfernung von Leber, Magen, Jejunum, Ileum und Kolon. Besonders dargestellt sind die „Mesos“ des Magens und des Dünn- und Dickdarmes. Duodenum, Pancreas, Milz, Nieren und Nebennieren in natürlicher Lage

dens, links durch die Verlötung des Mesocolon descendens das Feld zwischen der Mittellinie, Radix des Mesocolon transversum, Colon descendens und Radix des Mesocolon sigmoideum. • Primäres Peritoneum parietale bleibt erhalten in einem dreieckigen Bereich zwischen der Radix mesenterii und der Mittellinie, der sich nach kaudal in das kleine Becken fortsetzt,

sowie kaudal der Radix des Mesocolon sigmoideum und seitlich des Colon ascendens und descendens. £ Entwicklungsstörungen

Störungen der Entwicklung des Bauchsitus können in jeder der 3 beschriebenen Phasen auftreten. So können Rotationen unvollständig sein, womit die große Variabilität in der Lage und Form des Dick-

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

940

darms verständlich wird. Bleibt beispielsweise das Caecum in der Höhe der Leber stehen, so spricht man vom Hochstand des Caecum. Die Gekrösefixation kann unvollständig sein oder gar ausbleiben, so dass der gesamte Darm vom Magen abwärts nur an freiem Gekröse hängt. Selten können die Drehungen des Eingeweiderohres teilweise oder ganz in die Gegenrichtung erfolgen; man spricht

dann vom Situs inversus, bei dem die Organe auf der „falschen“ Körperseite liegen. Klinik: Kartagener Syndrom: Zilienmotilitätsstörungen mit Situs inversus, herabgesetzter mukoziliärer Clearance und Bronchiektasen; Infertilität des Mannes.

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide Ausdehnung des Oberbauches: Im Inneren der Cavitas peritonealis erstreckt sich der Oberbauch von den Zwerchfellkuppeln bis zur Radix mesocolica und dem Mesocolon transversum (Abb. 12.8). An der Körperoberfläche entspricht seine Ausdehnung ungefähr der Regio epigastrica und den beiden Regiones hypochondriacae (s. Kap. 11, S. 905). Organe des Oberbauches: Leber mit Gallenblase, Bauchabschnitt der Speiseröhre, Magen, Zwölffingerdarm, Bauchspeicheldrüse, Milz. Wegen der großen Verdauungsdrüsen wird der Oberbauch auch als Drüsenbauch bezeichnet. Peritoneale Taschen und Buchten: Netzbeutel mit seinem Vorhof, Zwerchfelltaschen.

12.2.1

Topographischer Überblick

£ Leber, Hepar, Magen, Gaster (Ventriculus).

Nach Entfernung der vorderen Bauchwand (Abb. 12.9) werden zwischen den Rippenbögen, in der Regio epigastrica, die Leber und der Magen sichtbar. Der rechte Leberlappen liegt vorwiegend in der rechten Regio hypochondriaca. Der kleinere linke Leberlappen liegt in der Regio epigastrica und reicht in die linke Regio hypochondriaca. Von der Grenze zwischen beiden Lappen verläuft eine schiefgestellte Bauchfellplatte, das Lig. falciforme hepatis, zur Mitte der vorderen Bauchwand. Im freien unteren Rand dieser Falte erkennt man das Lig. teres hepatis, den obliterierten Strang der ehemaligen V. umbilicalis (vom Nabel zur Leberpforte). An der Spitze der rechten 9. Rippe überragt die Kuppe der Gallenblase, Fundus vesicae biliaris, geringfügig den unteren Leberrand. Unterhalb des linken Leberlappens ist ein

Teil der vorderen Fläche des Magens sichtbar. Von seinem kaudalen Rand, Curvatura major, hängt das große Netz, Omentum majus, wie eine Schürze mehr oder weniger weit herab und bedeckt den übrigen Bauchhöhleninhalt nahezu vollständig. Der Abschnitt des Netzes zwischen der großen Kurvatur und dem quer verlaufenden Teil des Dickdarms, Colon transversum, bezeichnet man als Lig. gastrocolicum. An den freien Rändern des Netzes können Teile des Dickdarmes und des Dünndarmes sichtbar sein. Ist das Netz mit wenig Fett beladen wie in Abb. 12.9, so scheinen unterhalb des Magens neben dem Colon transversum weiter kaudal auch Dünndarmschlingen durch. Zieht man die Leber kranial- und den Magen kaudalwärts (Abb. 12.10), so wird zwischen beiden das kleine Netz, Omentum minus, sichtbar. Sein rechter, freier Rand ist verdickt (12.8), enthält den Gallengang, die Pfortader sowie die Leberarterie und wird Lig. hepatoduodenale genannt. Es ist zwischen der Pars superior duodeni und der Porta hepatis ausgespannt. Der mittlere Teil des kleinen Netzes ist besonders dünn (Portio flaccida) und lässt den Lobus caudatus hepatis durchscheinen. Der linke Teil ist wieder etwas dichter (Portio densa). Portio densa und Portio flaccida bilden zusammen das Lig. hepatogastricum, das sich zwischen der Unterfläche der Leber (Fissura ligamenti venosi) und der kleinen Kurvatur des Magens ausspannt. £ Milz, Splen, Lien. Zieht man den Magen etwas nach rechts, so wird in der linken Regio hypochondriaca der vordere, scharfe Rand, Margo superior, der blauroten Milz sichtbar. Von der großen Magenkurvatur kann man als kraniale Fortsetzung des Lig. gastrocolicum eine Bauchfellplatte, das Lig. gastrosplenicum, bis zum Milzstiel verfolgen. Eine besondere

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

941

Proc. xiphoideus VI

Lig. falciforme hepatis VII

Lig. teres hepatis

Lobus hepatis sinister Gaster

Lobus hepatis dexter VIII Fundus vesicae biliaris (Fundus vesicae felleae)

IX

Colon transversum

Integumentum commune M. obliquus ext. abd.

Omentum majus

M. obliquus int. abd. M. transversus abd. Peritonaeum u. Fascia transversalis Intestinum tenue (durchscheinend)

Ileum

Colon sigmoideum Plica umbilicalis lateralils Plica umbilicalis medialis Plica umbilicalis mediana

Abb. 12.9: Lage der Baucheingeweide nach Entfernung der vorderen Bauchwand. Der untere Teil der vorderen Bauchwand ist nach unten geklappt

Ausstülpung dieser Platte kann als Omentum lienale vorliegen und die Milz von vorne her völlig zudecken. Führt man die Hand zwischen Zwerchfell und der konvexen Facies diaphragmatica der Milz nach dorsal, so gelangt man um den hinteren, stumpfen Milzrand, Margo inferior, herum zum Lig. splenorenale (Lig. phrenicosplenicum). Führt man anschließend die Hand der Rumpfwand entlang nach kaudal zum vorderen Milzpol, Extremitas anterior, so tastet man eine vom Kolon zur Rumpfwand (Zwerchfell) verlaufende Bauchfellfalte, das Lig. phrenicocolicum (s. Abb. 12.8). Es schließt die als

Milznische, Saccus splenicus, bezeichnete Peritonealbucht, in der die Milz liegt, nach unten ab. Gleichzeitig ist es eine Stütze für die Milz, die bei Milzvergrößerung gespannt wird. Kranial der Milz zieht das Bauchfell direkt von der großen Magenkurvatur zum Zwerchfell, Lig. gastrophrenicum (Abb. 12.8). £ Zwölffingerdarm, Duodenum. Er ist im Gegensatz zum intraperitonealen freien Dünndarm im größten Teil seiner Länge unbeweglich an der hinteren Bauchwand angeheftet (sekundär retroperitoneal) und für die Untersuchung schwer zugänglich. Das zwischen 17 und 30 cm

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

942

Lobus caudatus hepatis

Omentum minus (Lig. hepatogastricum) Portio flaccida densa

Gaster

Lobus hepatis sinister Lig. falciforme hepatis Lig. teres hepatis Lobus quadratus Omentum minus (Lig. hepatoduodenale) Vesica biliaris (Vesica fellea) Foramen epiploicum Flexura coli dextra

Pars superior duodeni

Pars pylorica

Colon transversum (durchscheinend)

Curvatura major

Omentum majus

Abb. 12.10: Vorderwand der Bursa omentalis. Leber nach kranial und Magen etwas nach kaudal verzogen. Omentum minus: Lig. hepatoduodenale, Lig. hepatogastricum: Portio flaccida, Portio densa. Pfeil im Foramen epiploicum

lange, hufeisenförmige Darmstück beginnt im oberen Bauchraum am Pförtner des Magens, gelangt hinter dem Mesocolon transversum in den unteren Bauchraum, wird hier von der Radix mesenterii überlagert und mündet an der Flexura duodenojejunalis in das Jejunum. Die vollständig vom Bauchfell überzogene Pars superior verläuft bei gefülltem Magen in der Höhe des 1. Lendenwirbels vom Pylorus nach dorsal zur Flexura duodeni superior. Sie wird vom rechten Leberlappen, Lobus quadratus und Hals der Gallenblase überlagert. Die anschließende Pars descendens (Abb. 12.8) zieht zwischen rechter Niere und Wirbelsäule abwärts bis zu der in der Höhe des 3. Lendenwirbels

gelegenen Flexura duodeni inferior. Sie wird vom Mesocolon transversum gekreuzt und liegt hier retroperitoneal. Im übrigen wird sie nur an der Vorderfläche vom Bauchfell überzogen. Die Flexura duodeni inferior und die Pars horizontalis (Abb. 12.8) scheinen zwischen Mesocolon transversum und Mesenterium durch das parietale Bauchfell, sind nur an der Vorderfläche vom Bauchfell überzogen. Die Pars ascendens steigt wieder bis zur Bandscheibe zwischen 1. und 2. Lendenwirbel an und geht in die Flexura duodenojejunalis über. Zwischen Pars horizontalis und ascendens kreuzt ventral die Radix mesenterii mit den Vasa mesenterica superiora.

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

12.2.2

Netzbeutel, Bursa omentalis

Der Netzbeutel ist eine spaltförmige Ausstülpung des Mesogastrium dorsale. Der einzige Eingang in den sonst verschlossenen Gleitspalt für den Magen ist das Foramen epiploicum Winslowi (Abb. 12.10). Es liegt dorsal vom Lig. hepatoduodenale und wird nach kranial durch den Processus caudatus, nach kaudal durch die Pars superior duodeni und nach dorsal durch das primäre Peritoneum vor der V. cava inferior begrenzt (Abb. 12.8). Führt man einen Finger in das Foramen ein, so gelangt man in das Vestibulum der Bursa omentalis.

943

Abkömmlinge des Mesogastrium dorsale: Verwachsungsfeld mit dem Peritoneum parietale der hinteren Netzbeutelwand, Verwachsungsfeld mit dem Mesocolon transversum (Abb. 12.7), Lig. gastrophrenicum, Lig. gastrosplenicum, Lig. phrenicosplenicum, Lig. gastrocolicum, Omentum majus

A

Wände (Abb. 12.7) £ Vorderwand: Omentum minus, Hinterwand des

Magens, Lig. gastrosplenicum, Lig. gastrocolicum £ Dach: Lig. gastrophrenicum £ Hinterwand: (Abb. 12.8) kranial die Pars lumbalis des Zwerchfells, in der Mitte die linke Nebenniere, Glandula suprarenalis sinistra, der obere Pol der linken Niere und die Milzgefäße, A. V. lienalis (A. V. splenica), weiter kaudal das Pankreas, nach links das Lig. phrenicosplenicum, in dem die Cauda des Pankreas die Milz erreicht. Die A. gastrica sinistra läuft in der Plica gastropancreatica von der Cardia des Magens nach unten gegen das Pankreas. Sie trennt den rechts gelegenen Vorraum (Vestibulum) vom Hauptraum. Die Bauchfellauskleidung ist rechts der Falte primäres, links davon sekundäres Peritoneum parietale (aufgewachsenes Mesogastrium axiale). Peritonealtaschen, Recessus £ Recessus superior (Abb. 12.8): gehört zum

Vestibulum, liegt zwischen Zwerchfell hinten und Lobus caudatus vorn; reicht nach links bis zum Oesophagus und zur Pars cardiaca des Magens und nach rechts bis zur V. cava inferior. £ Recessus lienalis: reicht zwischen Lig. phrenicosplenicum und Lig. gastrosplenicum bis zur Milz. £ Recessus inferior: erstreckt sich innerhalb der Peritonealblätter des großen Netzes nach kaudal meist bis zum Colon transversum.

B

C

Abb. 12.11: Zugänge zur Bursa omentalis. A durch die Portio flaccida des Lig. hepatogastricum, B durch das Lig. gastrocolicum, C durch das Mesocolon transversum

Klinik (Abb. 12.11): Für operative Eingriffe in der Bursa omentalis und am Pankreas sind verschiedene Zugänge zur Bursa omentalis möglich: Vestibulum: Es ist leicht durch die Portio flaccida des Lig. hepatogastricum zu eröffnen, um den Truncus coeliacus oder das Tuber omentale des Pankreas zu erreichen. In der Nähe der kleinen Magenkurvatur ist auf die Magengefäße zu achten und in der Portio densa des Lig. hepatogastricum verläuft sehr oft eine akzessorische linke Leberarterie. Einen breiten Zugang in den Hauptraum erhält man über 2 Wege: Antekolischer Zugang: Durchtrennung des Lig. gastrocolicum, wobei auf die Gefäße an der großen Magenkurvatur zu achten ist. Retrokolischer Zugang: Durchtrennung des Mesocolon transversum, das man durch Hochklappen des Omentum majus erreicht. Hier ist auf die A. colica media zu achten, bei deren Durchtrennung eine Schädigung des Dickdarmes auftreten kann.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

944

£ Recessus subphrenici

Lobus hepatis sinister Area nuda

I

Oesophagus Omentum minus Bursa omentalis II Ventriculus

Mesocolon transversum

Lig. gastrocolicum

a

Colon transversum Omentum majus

Sie liegen unterhalb und hinter der Leber.

I

Area nuda

rechte Niere

II

• Recessus subphrenicus dexter (Recessus suprahepaticus dexter): Er liegt zwischen dem rechten Leberlappen und dem Zwerchfell und reicht nach links bis zum Lig. falciforme hepatis, nach oben bis zum Lig. triangulare dextrum (s. Abb. 12. 24). • Recessus subphrenicus sinister (Recessus suprahepaticus sinister): Er liegt zwischen dem linken Leberlappen und dem Zwerchfell, reicht nach rechts bis an das Lig. falciforme hepatis und nach oben zum Lig. triangulare sinistrum (s. Abb. 12.24, 25) £ Recessus subhepatici

Lobus hepatis dexter

b

Sie liegen zwischen dem Zwerchfell und der Leber und werden durch das Lig. falciforme hepatis in einen linken und rechten Recessus unterteilt.

Flexura coli dextra

Abb. 12.12: Sagittalschnitt durch den Oberbauch. a. durch den linken, b. durch den rechten Leberlappen. I: Recessus subphrenici, II: Recessus subhepatici. (nach H. Hollinshead)

Subphrenische Räume (Abb. 12.12) Die Peritonealhöhle des Oberbauches wird durch die Leber und ihre Bänder in Spalträume und Buchten unterteilt, die von klinischem Interesse sind. Die oberhalb der Leber liegenden Taschen werden als Recessus subphrenici und die unterhalb von ihr liegenden als Recessus subhepatici bezeichnet.

• Recessus subhepaticus dexter (Recessus hepatorenocolicus, Morison-Grube): Er liegt zwischen der Facies visceralis des rechten Leberlappens und dem Peritoneum parietale der rechten Niere. Nach unten reicht er bis zur Flexura coli dextra und nach links bis zur Pars descendens duodeni. Nach oben setzt er sich fort in den Recessus hepatorenalis (Recessus suprahepaticus posterior), der hinter der Leber bis zum Lig. triangulare dextrum reicht. Nach links grenzt er an die V. cava inferior und steht über das Foramen epiploicum mit dem Vestibulum in Verbindung. • Recessus subhepaticus sinister: Er liegt zwischen Magen und Omentum minus einerseits und dem linken Leberlappen andererseits. Klinik: In den subphrenischen Taschen können sich Abszesse, eigentlich Empyeme, infolge chirurgischer Eingriffe oder durch Erkrankungen der angrenzenden Organe ausbreiten.

12.2.3

Organe des Oberbauches

12.2.3.1 Magen, Gaster, Ventriculus Lernziele: Form, Größe, Teile, Lage, Beziehungen, Feinbau, Gefäße, Nerven, Funktion £ Entwicklung: Der Magen entsteht aus einer

spindelförmigen Erweiterung des Vorderdar-

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

945 Fundus gastricus Oesophagus

Cardia (Pars cardiaca)

Pylorus

Schnittrand des Bauchfells

Curvatura minor Incisura angularis

Corpus gastricum

Duodenum

Pars pylorica

Curvatura major

Abb. 12.13: Mäßig kontrahierter Magen von ventral. Fett und Gefäße schimmern durch den Bauchfellüberzug

mes in der 4. Embryonalwoche (s. Kap. 12.1.2, S. 932) £ Abschnitte

Man unterscheidet am Magen die Pars cardiaca mit dem Magenmund, Ostium cardiacum, den Grund, Fundus gastricus (ventriculi), den Körper, Corpus gastricum (ventriculi), die Pars pylorica und den Pförtner, Pylorus, mit dem Ostium pyloricum. Die Pars pylorica besteht aus 2 Teilen: dem Antrum pyloricum, welches sich dem Corpus anschließt, und dem Canalis pyloricus, der am Ostium pyloricum mit dem Schließmuskel (M. sphincter pylori) endet (Abb. 12.13). Die trichterförmige Pars cardiaca geht links von der Medianlinie aus der Speiseröhre hervor. Fundus gastricus nennt man den links und kranial vom Magenmund gelegenen Abschnitt. Dieser unter der linken Zwerchfellkuppel gelegene Blindsack ist bei aufrechter Körperhaltung mit Luft gefüllt und erscheint auf dem Röntgenbild als Magenblase. Das Corpus gastricum verengt sich mäßig vom Fundus gegen die Pars pylorica und ist gegen das Antrum der letzteren meistens durch eine seichte Einschnürung, die Incisura angularis,

abgesetzt. Diese Einschnürung ist nicht mit den im Röntgenbild zu beobachtenden Kontraktionsringen zu verwechseln. Der Pylorus erscheint äußerlich als eine leichte Einschnürung, fühlt sich härter als der übrige Magen an und springt (Abb. 12.14) nach innen als ringförmiger Wulst, M. sphincter pylori, vor. Am Magen werden eine vordere obere Wand, Paries anterior, eine hintere untere Wand, Paries posterior, eine große und eine kleine Krümmung, Curvatura major und minor unterschieden. Beim leeren Magen liegen die mit Magenschleim überzogenen, stark kontrahierten Wände aneinander, nur der Fundus ist durch die geschluckte Luft gedehnt (Magenblase). £ Form: In der Röntgendiagnostik werden ver-

schiedene Formen des gesunden Magens unterschieden. (Abb. 12.15): 1. der „normale“ orthotone Magen (J-Form) 2. der hypotone Langmagen des Asthenikers (Hakenmagen), der in der Mitte zum „Sanduhrmagen“ eingezogen sein kann 3. der hypertone, quer verlaufende Magen des Pyknikers (Stierhornmagen). 4. Beim Kaskadenmagen, der ebenfalls vor allem beim Pykniker vorkommt, hängen die oberen Fundusteile über die Magenvorderwand. Seine Form ist also

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

946

Fundus gastricus

Oesophagus Ora serrata

Tunica serosa

Ostium cardiacum

Tunica muscularis

Pars cardiaca

Tela submucosa Tunica mucosa Incisura angularis

Duodenum

Ostium pyloricum

Corpus gastricum

M. sphincter pyloricus

Antrum pyloricum Canalis pyloricus

Pars pylorica

Abb. 12.14: Dorsale Hälfte eines längs geschnittenen Magens. Schleimhautfalten £ Lage und Skeletotopie: Der Magen, die größte

1

2

3

Abb. 12.15: Formen des gesunden Magens. 1 normaler Magen, 2 Hakenmagen 3 Stierhornmagen

außerordentlich verschieden. Schließlich beeinflussen noch die Schwere des Mageninhaltes und die Lage des Menschen seine Form. In aufrechter Stellung ist der Magenkörper steiler und länger, im Liegen ist er kürzer und mehr quer gestellt. Krankhafte Veränderungen des Tonus der Magenmuskulatur, Narben, Magengeschwüre erzeugen pathologische Magenformen und modifizieren das schon normal bunte Bild noch weiter. An der Leiche wird er häufig durch Gase bei fehlendem Tonus der Muskulatur zu einem weiten Sack aufgetrieben.

Ausweitung des Verdauungskanals, liegt zu drei Vierteln in der linken Regio hypochondriaca, zu einem Viertel in der Regio epigastrica. Nur ein kleines Feld (Abb. 12.9) ist am intakten Situs zwischen linkem Rippenbogen, Leber und Colon transversum ohne weiteres zu sehen. Erst wenn man die Leber und den linken Rippenbogen nach oben zieht, wird der Magen in größerer Ausdehnung sichtbar (Abb. 12.10). Wie die Form ist auch seine Lage nicht konstant. Sie ist abhängig vom Mageninhalt und der Stellung des Menschen. In Bauchlage sinkt der Magen gegen die vordere Bauchwand, in Rückenlage nach dorsal gegen das Pankreas. Im Stehen senkt er sich bei schwerem Inhalt bis zum 4. Lendenwirbelkörper. Die Cardia liegt links von der Medianlinie in Höhe des 12. Brustwirbelkörpers und des Ansatzes der 7. Rippe am Sternum. Sie ist im Hiatus oesophageus durch Bindegewebszüge relativ stark befestigt und wenig verschieblich. Der am Lig. hepatoduodenale des kleinen Netzes befestigte Pylorus senkt

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

sich bei Füllung etwa um eine Wirbelhöhe. In Rückenlage steht er rechts von der Mittellinie in Höhe des 12. Brust- bis 1. Lendenwirbels. Im Stehen verschiebt er sich ungefähr 2 Wirbelkörperhöhen kaudalwärts. Die Incisura angularis tritt 1–2 Wirbelhöhen tiefer. Es kommt dadurch zwischen Corpus und Pars pylorica zu einer Abknickung (Hakenform). Bei Frauen steht der Magen regelmäßig steiler und meistens tiefer als bei Männern. Nicht selten reicht die große Kurvatur bis ins Becken, bei Frauen häufiger als bei Männern. Es ist nicht immer leicht, eine Grenze zu der krankhaften Magensenkung, Ptosis ventriculi, zu ziehen. £ Größe: Beim Erwachsenen fasst er durchschnittlich 1,5 Liter. Doch passt er sich den Essgewohnheiten an und kann bei übermäßiger Zufuhr bis zu mehreren Litern aufnehmen. Beim Neugeborenen fasst er nur 30–35 ml (häufige und kleine Mahlzeiten), am Ende des 1. Lebensmonats bereits 100 ml. £ Lagebeziehungen: Der Paries anterior liegt mit der Cardia, dem Pylorus und dem Gebiet der kleinen Kurvatur der Unterfläche der Leber, mit dem Fundus und anschließenden Teil der großen Kurvatur dem Zwerchfell und mit der Pars pylorica der vorderen Bauchwand (Regio epigastrica) an. Der Paries posterior bildet mit die Vorderwand der Bursa omentalis. Er liegt der Milz, den Milzgefäßen, dem Pankreas, der linken Nebenniere, der Spitze der linken Niere, dem Colon und dem Mesocolon transversum an. Magenfeld. Es ist die Fläche, mit der der Magen unmittelbar der vorderen Brust- und Bauchwand anliegt. Traube-Raum. Er ist das Gebiet, wo der Magen unter Vermittlung des Zwerchfells der Brustwand anliegt. Er wird nach unten durch den Rippenbogen, nach links durch die Milz, nach rechts durch den unteren Leberrand begrenzt. Die perkutorische Abgrenzung nach oben ist schwierig, weil hier der tympanitische Schall der Magenblase in den Lungenschall übergeht. Bei linksseitigen Pleuraergüssen ist der tympanitische Klopfschall gedämpft. £ Feinbau des Magens (Abb. 12.16)

Der Magen besitzt, wie das übrige Darmrohr, 3 Schichten: Schleimhaut, Tunica mucosa, eine Muskelschicht, Tunica muscularis, Bauchfell-

947

überzug, Tunica serosa. Die Schleimhaut steht über eine lockere Tela submucosa und das viszerale Bauchfell über eine Tela subserosa mit der Muskelschicht in Verbindung. Schichten 1. Tunica mucosa: Die Magenschleimhaut besteht, wie überall im Magen-Darm-Kanal, aus einer Lamina muscularis mucosae, einer Lamina propria, (Abb. 12.16) und einem hochprismatischen einschichtigen Epithel, dessen Zellen mehr mittelständige Kerne aufweisen. Sie erzeugen, zum Schutz gegen Selbstverdauung, ein saures Mukopolysaccharid, den Magenschleim. Die Schleimhaut ist grau-rötlich, in der Jugend heller als im Alter. In einer gezackten Linie (Ora serrata) geht sie in der Pars cardiaca nach oral in die blassere Speiseröhrenschleimhaut über. 1. Hochrelief der Schleimhaut (Abb. 12.14): Es handelt sich dabei um verstreichbare Schleimhautfalten, Plicae gastricae, die unregelmäßig angeordnet sind und sich an der kleinen Kurvatur zu einigen konstanten Längsfalten formieren, die die glatte Magenstraße (Waldeyer-Magenstraße) zwischen sich fassen. Die Plicae gastricae stellen Reservefalten für die Ausdehnung des Magens bei zunehmender Füllung dar. 2. Flachrelief der Schleimhaut: Bei Lupenbetrachtung (Abb. 12.16) werden auf den Falten und in den Faltentälern kleine, polyedrische Felder mit einem Durchmesser von 1–5 mm, die Areae gastricae sichtbar. Auf der Oberfläche der Areae beobachtet man viele kleine Drüsenöffnungen, Foveolae gastricae (Magengrübchen). Magendrüsen, Glandulae gastricae. Man unterscheidet zwischen Kardia-, Haupt- und Pylorusdrüsen, die in die Foveolae gastricae (Abb. 12.16) münden. Diese tubulösen Drüsen liegen stets in der Lamina propria und überschreiten die Lamina muscularis mucosae nie. • Glandulae cardiacae. Sie bilden im Bereich der Cardia als stark verzweigte Magendrüsen einen schmalen Ring zwischen Speiseröhre und Magen. Sie erzeugen hauptsächlich alkalischen Schleim. • Haupt- oder Fundusdrüsen. Sie liegen im Fundus und Corpus, sie werden von vier Zellarten gebildet. Die basophilen und rundkernigen Hauptzellen sind hochprismatisch. Sie erzeugen

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

948

Area gastrica

Tunica mucosa Foveolae gastricae

Tela submucosa

Tunica muscularis

Lymphknötchen

Tela subserosa

Blutgefäße der Submucosa

Lamina muscularis mucosae Gll. gastricae propriae Lamina propria mucosae

Abb. 12.16: Flachrelief der Schleimhaut und Schichtung der Magenwand

das Pepsinogen. Dieses wird im Magen durch die Salzsäure in das Eiweiß spaltende Pepsin umgewandelt. Außerdem erzeugen sie Fett spaltende Lipasen. Die oft mehrkernigen, runden Belegzellen buchten die Drüsenschläuche nach außen vor. Sie sezernieren Wasserstoffionen durch intrazelluläre Sekretkapillaren ins Drüsenlumen ab. Gemeinsam mit im Blut vorhandenen Chlorionen bilden sie im Magen Salzsäure. Außerdem erzeugen sie den für die Blutbildung notwendigen „intrinsic factor“. Die mukoiden Nebenzellen sind basophil und haben einen basalständigen Kern. Sie erzeugen Schleim und dienen der Regeneration des oberflächlichen Epithels und der Drüsenzellen. Die enteroendokrinen Zellen (APUD-System) verschiedener Art (enterochromaffine Zellen = EC-Zellen,

EC-like-Zellen, A-Zellen, G-Zellen, D-Zellen) geben ihre Sekretgranula in die Lamina propria ab, um von hier ins Blut zu gelangen und somit in weit entfernten Zellen wirksam zu werden. Es handelt sich dabei um einzellige endokrine Elemente, die verschiedenartige Wirkstoffe erzeugen (Serotonin, Histamin, Glukagon, Gastrin, Somatostatin). • Glandulae pyloricae. Sie finden sich im Pylorusteil. Sie sind kurze, verzweigte Drüsen, die in tiefe Foveolae gastricae münden (vgl. Abb. 12.53). Ihre mukoiden Zellen bilden Magenschleim. 2. Tunica muscularis. Sie besteht (Abb. 12.17) aus 3 Lagen glatter Muskulatur. Die äußere oder Längsschicht, Stratum longitudinale, strahlt vom

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

Oesophagus

Duodenum

Incisura angularis

M. sphincter pyloricus Stratum longitudinale = ausgezogene Linien; Fibrae obliquae = gestrichelte Linien; Stratum circulare nicht dargestellt

Abb. 12.17: Magenmuskulatur

Oesophagus radienförmig über den Magen aus, wobei die stärksten Züge an der großen und kleinen Kurvatur liegen. An der kleinen reichen sie nur bis zur Pars pylorica. Die mittlere oder Ringschicht, Stratum circulare, ist am Fundus dünn, wird im Corpus und in der Pars pylorica allmählich dicker und bildet schließlich den Pförtner, M. sphincter pylori. Die innere oder Schrägschicht, Fibrae obliquae, strahlt von der medialen Seite des Fundus schräg über die vordere Fläche des Corpus zur großen Kurvatur und von dort in der gleichen Weise zurück zur Ausgangsstelle. Die kleine Kurvatur wird von diesen Fasern freigelassen, ebenso fehlen sie in der Pars pylorica. Die mit den Schrägfasern ausgestatteten Magenteile (Fundus und Corpus) bilden funktionell den Verdauungssack, Saccus digestorius, die Pars pylorica den Austreibungskanal, Canalis egestorius. Die lockere, bindegewebige Tela submucosa ermöglicht die gute Verschieblichkeit der Schleimhaut auf der Muskularis. 3. Tunica serosa: Der Magen hat einen nahezu vollständigen Peritonealüberzug, der über die Tela subserosa mit der Tunica muscularis zusammenhängt. Nur an den beiden Kurvaturen, wo das Peritoneum in die Gekröse übergeht, fehlt ihm in schmalen Streifen der Serosaüberzug. Hier finden wir Adventitia. £ Gefäße und Nerven

Arterien (Abb. 12.18). Die Arterien des Magens sind die Aa. gastrica sinistra und dextra, die Aa. gastroomentalis dextra und sinistra und die

949

Aa. gastricae breves und die A. gastrica posterior. Sie entstammen dem Truncus coeliacus und bilden an den Kurvaturen je einen Gefäßbogen, von dem Äste an die Hinter- und Vorderwand abzweigen. w A. gastrica sinistra. Das starke Gefäß ist meist

ein direkter Ast des Truncus coeliacus und gelangt in der Plica gastropancreatica zur kleinen Magenkurvatur (Abb. 12.8, 40), gibt hier kleinere Äste zur Speiseröhre, Rr. oesophageales, ab und verläuft im Omentum minus nahe der kleinen Kurvatur kaudalwärts, wo ihr Endast mit der A. gastrica dextra anastomosiert. Ihr Versorgungsgebiet reicht bis zur Incisura angularis. w A. gastrica dextra. Das schwächere Gefäß entspringt im Lig. hepatoduodenale meist aus der A. hepatica propria und zieht zur kleinen Kurvatur des Magens, wo sie sich mit der A. gastrica sinistra verbindet. Sie versorgt vorwiegend das Antrum pyloricum. w A. gastroomentalis dextra. Sie zweigt am Unterrand des Pylorus aus der A. gastroduodenalis, einem der Endäste der A. hepatica communis, ab und verläuft im Lig. gastrocolicum 2 cm von der großen Magenkurvatur entfernt nach links. Sie gibt Äste an den Magen und Rr. omentales an das große Netz ab und anastomosiert häufig mit der A. gastroomentalis sinistra aus der A. splenica. w A. gastroomentalis sinistra. Sie entspringt aus der A. splenica oder deren unterem Hauptstamm und zieht durch das Lig. gastrosplenicum unterhalb des Fundus zur großen Kurvatur und verbindet sich mit der stärkeren A. gastroomentalis Truncus coeliacus

A. gastrica sinistra

Rr. oesophageales

A. gastrica posterior Aa. gastricae breves

A. hepatica communis A. hepatica propria

A. splenica (A. lienalis)

A. gastrica dextra A. gastroomentalis sinistra

A. gastroduodenalis A. gastroomentalis dextra

Crowsfoot" "

Rr. gastrici

Abb. 12.18: Truncus coeliacus und Magenarterien

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

950

dextra. Sie versorgt nur ein kleines Areal des Corpus gastricus. Mit zunehmender Magenfüllung nähert sich die große Kurvatur diesen Gefäßen. w Aa. gastricae breves. Diese entspringen aus der A. gastroomentalis sinistra oder der A. splenica und ziehen über das Lig. gastrosplenicum zum Fundus gastricus. w A. gastrica posterior. Sie entspringt aus der mittleren Verlaufsstrecke der A. splenica und steigt im Lig. phrenicosplenicum steil aufwärts zum Fundus gastricus. Venen (Abb. 12.19). Sie entspringen in den submukösen Venenplexus des Magens und führen ihr Blut zur Pfortader. Die Venen laufen wie im Pfortadersystem üblich unpaarig mit den gleichnamigen Arterien und entfernen sich erst mündungsnahe von diesen. V. gastrica sinistra V. gastrica dextra

V. portae hepatis

Vv. gastricae breves

V. prepylorica V. splenica (V. lienalis)

V. mesenterica superior V. gastroomentalis dextra

V. gastroomentalis sinistra

Abb. 12.19: Magenvenen. Die Verlaufstrecke der V. linenalis hinter dem Magen ist nicht dargestellt

w Vv. gastricae dextra und sinistra. Sie bilden

an der kleinen Kurvatur die V. coronaria ventriculi und münden jeweils in die Pfortader. Sie anastomosieren durch den Hiatus oesophageus mit den Speiseröhrenvenen. Kurz vor ihrer Einmündung in die V. portae nimmt die V. gastrica dextra die V. prepylorica auf, die außen die Grenze zwischen Magen und Bulbus duodeni markiert. w Vv. gastroomentales. Mit den Arterien der großen Magenkurvatur laufen die V. gastroomentalis sinistra, die in die V. splenica, und die V. gastroomentalis dextra, die in die V. mesenterica superior einmündet.

Lymphgefäße (Abb. 12.20): Sie beginnen mit blind endigenden Ästen und einem feinmaschigen Kapillarnetz zwischen den Magendrüsen. Von hier aus durchbohren größere Äste die Lamina muscularis mucosae und ziehen zu einem grobmaschigen Netz in der Tela submucosa. Aus diesem dringen abführende Äste durch die Tunica muscularis zu dem mit bloßem Auge sichtbaren subserösen Netz. Aus ihm strömt die Lymphe zusammen mit den 4 Magenarterien zu den regionären Lymphknoten, den Nll. gastrici dextri und sinistri an der kleinen Kurvatur, den Nll. gastroomentales dextri und sinistri an der großen Kurvatur, Nll. pylorici um den Pylorus und den Nll. splenici am Milzhilum. w Nll. gastrici sinistri und dextri. Sie nehmen die

Lymphe der kleinen Magenkurvatur auf

w Nll. gastroomentales sinistri und dextri aus der

großen Kurvatur

w Nll. splenici aus dem Fundus und die Nll. pylo-

rici aus der Pars pylorica und dem Bulbus duodeni. w Die Lymphknoten an den Kurvaturen sind die primären, die Lymphknoten an der Leberpforte, dem Milzstiel und am Pankreasoberrand sind die sekundären Filterstationen. Aus allen Stationen strömt die Lymphe schließlich durch die Nll. coeliaci zum Brustmilchgang, Ductus thoracicus. Die Nll. coeliaci haben durch das Zwerchfell auch Verbindungen zu den Nll. mediastinales posteriores. Klinik: Beim Magenkarzinom können Metastasen der regionären Lymphknoten mit den Nachbarorganen wie Leber, Zwerchfell oder Bauchspeicheldrüse verbacken und eine Operation erschweren. Metastasen können in der Leber, in den Mediastinal- und in einem der linken Supraklavikulärlymphknoten auftreten. Dieser wird dann als Virchow-Drüse benannt. Nerven (Abb. 12.21, 40). Der Magen wird vom Sympathicus wie auch vom Parasympathicus innerviert. w Parasympathische Vagusäste. Sie entspringen

aus dem Plexus oesophageus, enthalten Fasern des rechten und linken N. vagus. Durch die Magendrehung gelangt der linke Vagus nach ventral und wird zum Truncus vagalis anterior, der rechte nach dorsal: Truncus vagalis posterior. Sie gelangen mit dem Oesophagus durch

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

951

Nll. coeliaci Lobus caudatus Nll. gastrici sinistri Nll. hepatici

Nl. foraminalis

Nll. splenici Vesica biliaris (Vesica fellea) Nll. pylorici

Splen (Lien)

Glandula suprarenalis dextra Nll. gastroomentales sinistri Nll. aortici et glandulae suprarenalis dextrae

Ren sinister Ren dexter

Nll. gastroomentales dextri Nll. gastrici dextri

Abb. 12.20: Lymphgefäße und Lymphknoten der viszeralen Leberfläche, der Gallenblase, des Magens, der Milz sowie der rechten Niere und Nebenniere (nach J. Jossifow)

den Hiatus oesophageus in die Bauchhöhle. Der Truncus vagalis anterior tritt auf die Vorderfläche des Magens, bildet in der Nähe der kleinen Kurvatur den Plexus gastricus anterior, der zahlreiche Äste zur Vorderfläche des Magens (Rr. gastrici) und zur Leber (Rr. hepatici) abgibt. Von letzteren stammen die Rr. pylorici, die den Pylorus und den Beginn des Duodenum innervieren. Der Truncus vagalis posterior verläuft zur Hinterwand des Magens, bildet an der kleinen Kurvatur den Plexus gastricus posterior, der den kleineren Teil der Fasern zur Rückwand des Magens (Rr. gastrici), den größeren zum Plexus coeliacus (Rr. coeliaci) schickt. Der Parasympathicus fördert die Magenmotorik und die Sekretion. w Sympathische Nerven. Sie kommen aus dem 6.–9. thorakalen Rückenmarksegment. Sie erreichen über die Nn. splanchnici den Plexus coeliacus. Von dort gelangen sie mit den Arterienästen des Truncus coeliacus zum Magen. Der Sympathicus hemmt die Magentätigkeit.

Truncus vagalis posterior

Truncus vagalis anterior

Rr. coeliaci Rr. hepatici

Plexus gastricus anterior

Plexus coeliacus Rr. pylorici

Rr. gastrici

Plexus gastricus posterior

Abb. 12.21: Innervation des Magens

w Intramurales Nervensystem: Es besteht aus

dem Plexus myentericus Auerbach in der Tunica muscularis und dem Plexus submucosus Meissner in der Tela submucosa. Beide Geflechte arbeiten autonom, werden aber von parasympa-

952

thischen und sympathischen Fasern beeinflusst (s. Kap. 12.3.3, S. 988). Klinik: 1. Die operative Ausschaltung der parasympathischen Mageninnervation (Vagotomie) dämpft die Hypersekretion und die Hyperazidität des Magens. Bei dieser Operation soll man die parasympathische Innervation des Pylorus, der Leber, des Duodenum und des Pankreas schonen (selektive Vagotomie). Dieses Vorgehen ist durch moderne medikamentöse Therapie beinahe verdrängt. 2. Magenschmerzen werden über sensible Fasern der vegetativen Nerven und über den linken N. phrenicus geleitet. Der Schmerz projiziert substernal in die Leibesmitte und strahlt nach links hinten aus. Die HeadZonen entsprechen den Dermatomen Th5–8 (s. Kap. 2.6.5.4, S. 97). £ Funktion des Magens

• Der Magen hat mechanische und chemische Aufgaben. Er nimmt nicht wie ein einfacher Sack die Speisen auf, sondern legt sich mittels des Tonus der Muskulatur den aufeinandergeschichteten Bissen an. Dabei werden zunächst nur die äußeren Lagen durch den Magensaft angedaut, innen geht die Verdauung durch die Mundhöhlenenzyme zunächst weiter. Anschließend werden die äußeren, angedauten Schichten durch wellenförmige Kontraktionsbewegungen gegen den Pylorus geführt und andere Schichten mit dem Magensaft in Verbindung gebracht. • Ist schließlich der ganze Mageninhalt mit dem Magensaft, Succus gastricus, vermischt, so wird der Magenbrei, Chymus, durch peristaltische Wellen in kleinen Schüben in das Duodenum befördert. Ein Chemoreflex regelt Öffnen und Schließen des Pförtners. Saure Reaktion im Duodenum schließt, alkalische öffnet. Gemischte Kost ist bei gesundem Magen bis zu 4 Stunden in ihm nachweisbar. Bei normaler Nahrungszufuhr produziert der gesunde Magen täglich 1,5–2,5 Liter Magensaft. • Im Ruhezustand sondert der Magen Schleim ab, der die Oberfläche überzieht und die Selbstverdauung des Magens verhindern hilft. Wahrscheinlich wird aber nur geschädigte Schleimhaut (Zirkulationsstörung) durch Pepsinsalzsäure verdaut (Magengeschwür). Im tätigen Magen wird die Pepsinsalzsäure abge-

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

sondert. Der Magensaft, ein wässriges saures Sekret, enthält Pepsin, Salzsäure, Schleim und Hormone. Pepsinsalzsäure baut die Eiweiße bis zu den Peptiden ab. Salzsäure wirkt außerdem noch bakterientötend, verhindert die Milchsäurebildung aus Kohlenhydraten im Magen. • Castle fand im Magensaft den intrinsic factor der mit dem extrinsic factor der Nahrung (Vitamin B12) den Antiperniziosastoff bildet. Fehlt er, was gleichzeitig mit einem Fehlen der Salzsäure verbunden ist, so kommt es zu einer Störung der Blutbildung, zur perniziösen Anämie. • In den Pylorusdrüsen entsteht das Gastrin. Es stimuliert die Saftsekretion im Magen. Neben dieser hormonellen Steuerung wird die Magensekretion über den N. vagus auch reflektorisch beeinflusst.

12.2.3.2 Zwölffingerdarm, Duodenum Lernziele: Form, Teile, Lage, Feinbau, Funktion £ Entwicklung

Das Duodenum wird vom Endabschnitt des Vorderdarmes und auch schon vom oberen Abschnitt des Mitteldarmes gebildet. Die Grenze zwischen beiden liegt direkt distal des Abganges der Leberknospe. Am Ende der 4. Embryonalwoche zeigt es sich unterhalb der Magenspindel als nach ventral konvexe Darmschleife, die sich im Folgenden mit der Magendrehung mitverlagert.

£ Fehlentwicklung

Verlötet das Duodenum nicht oder nur teilweise mit der hinteren Bauchwand, liegt ein Duodenum mobile vor.

£ Einteilung, Form

Das Duodenum ist ein nach links oben offener C-förmiger Dünndarmabschnitt, der förmlich den 2. Lendenwirbel umkreist. In der Konkavität der Duodenalschlinge ist der Kopf des Pankreas eingelagert. Die Pars superior ist etwa 5 cm lang und am Anfangsteil zum Bulbus duodeni (Ampulla) aufgetrieben. Bei gefülltem Magen ist sie dorsoventral, bei leerem Magen mehr frontal gerichtet (Bedeutung für Röntgenaufnahmen). In der Flexura

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

duodeni superior geht sie in die Pars descendens über. Sie hat eine Länge von ungefähr 10 cm. In ihrem Inneren beobachtet man dorsomedial eine Längsfalte, die Plica longitudinalis duodeni. Sie trägt die Papilla duodeni major (Papilla Vateri) eine Erhebung mit der gemeinsamen Mündung des Ductus choledochus und Ductus pancreaticus (Wirsungi) (Abb. 12.41). Etwas oberhalb dieser Papille liegt in 96 % der Fälle die akzessorische Öffnung für den Ductus pancreaticus accessorius (Santorini). An der Flexura duodeni inferior beginnt die Pars horizontalis. Sie ist nur wenige cm lang und geht in die 5–7 cm lange Pars ascendens über, welche in der Flexura duodenojejunalis endet, wo der freie Dünndarm beginnt. Die Flexur ist vom M. suspensorius duodeni fixiert, der als ein glatter Muskelzug vom Truncus coeliacus entspringt. £ Lage

Skeletotopisch liegt die Pars superior in Höhe des 1. Lendenwirbels, die Pars horizontalis in Höhe des 3. Lendenwirbels und die Flexura duodenojejunalis links an der Bandscheibe zwischen 1. und 2. Lendenwirbel. Es umkreist also den 2. Lendenwirbel. In der Projektion auf die Bauchwand bleibt das duodenale „C“ fast immer oberhalb des Nabels. Bezogen auf das Peritoneum sind die Pars superior intraperitoneal, die Pars descendens und horizontalis (sekundär) retroperitoneal und die Pars ascendens erst retro- und dann intraperitoneal.

a

b

c

Abb. 12.22: Formen der Duodenalschlinge

Form und Lage des Duodenum sind sehr variabel (Abb. 12.22). Die Abweichungen sind meist darauf zurückzuführen, dass eine Pars horizontalis fehlt und die Flexura duodeni inferior gleich einen spitzen Winkel bildet. Auch kann der Scheitel der hufeisenförmigen Schlinge in seltenen Fällen bis zum Promontorium herabreichen. £ Lagebeziehungen: (Abb. 12.8, 10, 40, 41)

Pars superior. Sie wird direkt an der Dorsalseite vom Ductus choledochus, der V. portae und der

953

A. gastroduodenalis gekreuzt. Etwas weiter dorsal liegt die V. cava inferior. Vorne bekommt sie Beziehungen zum Gallenblasenhals und zum Lobus quadratus der Leber. Pars descendens. Sie steigt rechts von der V. cava inferior ab. Nach dorsal hat sie Beziehungen zum Stiel der rechten Niere, zum Nierenbecken und zum unteren Abschnitt der rechten Nebenniere. Vorne ist die Flexura coli dextra aufgewachsen und der Beginn der Radix mesocolica. Pars horizontalis und Pars ascendens überkreuzen vorne die V. cava inferior, die Wirbelsäule und die Aorta. Zwischen beiden Teilen kreuzen ventral die A.V.mesenterica superior, die hier vor dem Duodenum in die Radix mesenterii eintreten. Klinik: 1. Die verborgene Lage des Duodenum erschwert die operative Zugänglichkeit. Während die intraperitonealen Abschnitte, Pars superior und ascendens ohne Präparation gut erreichbar sind, muss zur Aufsuchung der retroperitonealen Pars descendens die Flexura coli dextra vom Duodenum abgelöst werden. 2. Vor allem beim Pankreaskopfkarzinom mit Verschluss des Ductus choledochus wird die Pars descendens mitbetroffen. 3. Auch Aussackungen der Duodenalwand, juxtapapilläre Duodenaldivertikel, kommen vor allem mediodorsal nahe der Einmündung des Gallenganges vor. £ Feinbau (vgl. Abb. 12.53)

Im Bulbus duodeni beginnen als besondere oberflächenvergrößernde Schleimhauteinrichtungen des Dünndarmes zuerst die Darmzotten, Villi intestinales, mit dem bindegewebigen Grundstock der Lamina propria. Etwas weiter vom Pylorus entfernt (2–5 cm) entstehen die unverstreichbaren Schleimhautfalten, Plicae circulares, Kerckring-Falten, die sich in das Jejunum fortsetzen. Ihre bindegewebige Grundlage ist die Tela submucosa. Wie im übrigen Dünn- und Dickdarm finden sich in der Lamina propria die Glandulae intestinales, Lieberkühn-Krypten. Besondere Glandulae duodenales, BrunnerDrüsen, haben die Lamina muscularis mucosae durchbrochen, liegen in der Tela submucosa und sondern alkalischen Schleim und Eiweiß- und Kohlenhydrat spaltende Enzyme ab (Proteasen, Amylasen, Maltasen). Die resorptive Oberfläche der Duodenalschleimhaut beträgt 7 m2.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

954

£ Gefäße

Die Versorgung hängt direkt mit der Versorgung des Caput pancreatis zusammen (Abb. 12.42, 43) und erfolgt durch 2 Gefäßarkaden, die jeweils vor und hinter dem Pankreaskopf verlaufen und aus der A. mesenterica superior und A. gastroduodenalis gespeist werden.

£ Nerven

Äste aus dem Plexus coeliacus und dem Plexus mesentericus superior.

£ Funktion des Duodenums

• Im Duodenum findet eine allmähliche Neutralisierung des sauren Magenbreies durch die Sekrete der Leber, der Bauchspeicheldrüse und des Duodenums statt. • Anschließend werden durch die genannten Sekrete die Kohlenhydrate, Fette und Eiweißkörper zu resorbierbaren, wasserlöslichen Fraktionen aufgeschlossen.

12.2.3.3 Leber, Hepar Lernziele: Entwicklung, Größe, Form, Oberfläche, Lage, Befestigung, Lappen-Segmentgliederung, Pfortaderkreislauf, Feinbau, Gefäße, portokavale Anastomosen, Nerven, Funktion, Galle, intra- und extrahepatische Gallengänge, Gallenblase, Sphincter Oddi, Topographie des Lig. hepatoduodenale und der Porta hepatis £ Entwicklung (Abb. 12.23)

Vom vorderen Umfang des Duodenum wächst in der 4. Embryonalwoche aus dem hepatopankreatischen Ring eine Aussackung aus dem

Vorderdarm an der Grenze zum Mitteldarm, die Leberbucht, in das ventrale Mesogastrium. Die Bucht gliedert sich frühzeitig in eine kraniale Pars hepatica und in eine kaudale Pars cystica. Die endodermalen Epithelsprossen der Pars hepatica bilden die späteren Leberzellbalken, die Zellsprossen der Pars cystica bilden die epithelialen Abschnitte der Gallenblase. Der von Anfang an gemeinsame Gang wächst zum Gallengang, Ductus choledochus, aus. Er mündet zunächst ventral, wird aber durch Drehung von Magen und Duodenum allmählich nach dorsal verlagert. £ Fehlentwicklung

Entstehen in den ursprünglich soliden Epithelsprossen keine Lichtungen, kommt es zum angeborenen Verschluss der Gallenwege, der zu einer mit dem Leben nicht zu vereinbarenden Gelbsucht führt.

£ Größe

Die braunrote Leber ist das größte innere Organ des Menschen und wiegt etwa 1500 g. Beim Verdauungsvorgang sind Volumen und Größe erhöht, beim Fasten erniedrigt. Beim Neugeborenen ist sie relativ größer und beträgt 1/25 des Körpergewichts gegenüber 1/50 beim Erwachsenen. Im Greisenalter reduziert sich das Lebergewicht durch Atrophie auf die Hälfte.

£ Form

Eine definierte Eigenform der Leber ist nicht gegeben, weil sich das weiche und plastische Organ in der Form den Nachbarorganen anpasst. Frisch der Leiche entnommen, plattet sie sich ab. Das von einer bindegewebigen Kapsel umgebene Parenchym ist brüchig, so dass

Gaster Duodenum Ductus pancreaticus accessorius

Ductus choledochus

Pancreas dorsale

Ductus pancreaticus

Pancreas ventrale

a

b

c

d

Abb. 12.23: Entwicklung des Pankreas: a. ventrale und dorsale Pankreasanlage. b. ventrale Anlage nach dorsal verlagert, noch selbstständig. c. ventrale und dorsale Anlage miteinander verschmolzen, der Ausführungsgang des dorsalen Pankreas mündet noch als Ductus pancreaticus accessorius in das Duodenum. d. die Einmündung des Ductus pancreaticus accessorius in das Duodenum ist obliteriert

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

955

stumpfe Gewalteinwirkungen von außen leicht zu Leberrissen führen können. £ Oberfläche

Die Oberfläche ist eben und glatt und durch den Serosaüberzug (Peritoneum viscerale) glänzend. 2 Flächen werden unterschieden, die leicht konkave Facies visceralis und die konvexe Facies diaphragmatica. Beide Flächen werden vom scharfen Unterrand, Margo inferior, voneinander getrennt. Dieser Rand ist durch das Lig. falciforme hepatis und durch das Lig. teres hepatis zur Incisura lig. teretis eingeschnitten. Rechts von diesem Einschnitt überragt die Kuppe der Gallenblase, Fundus vesicae biliaris, den Leberrand (Abb. 12.24).

Facies diaphragmatica. Sie ist dorsokranial mit dem Zwerchfell verwachsen. Diese bauchfellfreie Area nuda (Pars affixa) läuft (Abb. 12.24, 25) nach vorn zum Lig. falciforme hepatis, nach rechts zum kurzen Lig. triangulare dextrum, nach links zum langen Lig. triangulare sinistrum und der Appendix fibrosa, einem umgewandelten Teil des linken Leberlappens, aus. Die beiden Ligg. triangularia bilden das Kranzband der Leber, Lig. coronarium, das die Area nuda umgrenzt. Der übrige Teil der Zwerchfellfläche ist von Bauchfell überzogen,

frei beweglich und heißt Pars libera. Die Facies diaphragmatica kann schräge Rippenfurchen (am Lobus dexter in Abb. 12.24) aufweisen. Nahezu vertikale Zwerchfellfurchen, Zahn-Furchen, entstehen durch stark vorspringende Muskelzüge des Zwerchfells. Die starke Formbarkeit ermöglicht das Abschnüren (Korsett) größerer Lappen (Schnürlappen). Individuelle Unterschiede der Form sind bei gleichartig in situ gehärteten Lebern sehr groß. Facies visceralis. (Abb. 12.26 ) Sie wird erst sichtbar beim Hochklappen der Leber. Diese Fläche hat engste Beziehungen zu den Nachbarorganen, die bei gut gehärteten Lebern Abdrücke, Impressionen, hinterlassen. Am linken Lappen werden eine Impressio oesophagealis durch die Pars abdominalis oesophagi, eine Impressio gastrica durch die kleine Magenkurvatur und eine buckelige Erhebung, Tuber omentale, das sich dem Omentum minus auflagert, sichtbar (12.26). Auf dem rechten Lappen bewirkt die rechte Niere die Impressio renalis, die rechte Nebenniere die Impressio suprarenalis. Die Flexura coli dextra erzeugt die Impressio colica und die Pars superior duodeni die Impressio duodenalis. Auf dem Lobus quadratus wird die Impressio pylorica sichtbar. Nahezu in der Appendix fibrosa hepatis Lig. triangulare sinistrum

Lig. coronarium

Lobus hepatis sinister

Lig. falciforme

Margo inferior

Lobus hepatis dexter Incisura ligamenti teretis Margo inferior

Fundus vesicae biliaris (Fundus vesicae felleae)

Abb. 12.24: Leber des Erwachsenen. Facies diaphragmatica

Lig. teres hepatis

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

956

Lobus hepatis dexter

Vv. hepaticae Lig. falciforme

Lobus hepatis sinister

kraniale Bauchfellgrenze

Lig. triangulare dextrum

Lig. venosum Lobus caudatus Lig. triangulare sinistrum Appendix fibrosa hepatis

kaudale Bauchfellgrenze (Lig. venae cavae) V. cava inferior

Verwachsungsfläche mit dem Zwerchfell

Abb. 12.25: Leber des Erwachsenen von dorsal und kranial gesehen. Verwachsungsfläche mit dem Zwerchfell, Area nuda (Pars affixa)

Appendix fibrosa hepatis

Impressio oesophagealis

V. cava inferior (et Lig. venae cavae)

Impressio suprarenalis

Lobus caudatus

Lobus hepatis dexter

Tuber omentale Impressio renalis

V. portae hepatis

Ductus choledochus (Ductus biliaris) et Ductus hepaticus dexter Ductus cysticus (eröffnet) Lobus hepatis sinister

Vesica biliaris (Vesica fellea) (eröffnet)

Impressio gastrica A. hepatica propria

Impressio duodenalis

Lig. teres hepatis Lobus quadratus

Abb. 12.26: Leber des Erwachsenen. Facies visceralis

Impressio colica

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

Mitte der Eingeweidefläche liegt die Leberpforte, Porta hepatis, die Eintrittsstelle für die Pfortader, V. portae, und die A. hepatica, und die Austrittsstelle für die Lebergänge, Ductus hepatici. Links von der Leberpforte verläuft die Nebengrenzspalte, Fissura sagittalis sinistra. Sie zerfällt in eine vordere Fissura lig. teretis und eine hintere Fissura lig. venosi. (Der Ductus venosus führte embryonal arterialisiertes Blut aus der Plazenta an der Leber vorbei, direkt in die V. cava inferior, s. Kap. 2.3.1.4, S. 51). Rechts von der Leberpforte liegt die Hauptgrenzspalte, Fissura sagittalis dextra, die von der Fossa vesicae biliaris und dem Sulcus v. cavae gebildet wird. Beide Fissuren bilden mit der Leberpforte das „H“ der Leber. Die Vene ist hier oft von Bindegewebe verdeckt (Lig. venae cavae). Fossa und Sulcus trennen vom rechten Hauptlappen vorn den Lobus quadratus, hinten den Lobus caudatus ab. Der Lobus caudatus schickt nach vorn gegen die Porta den rundlichen Processus papillaris, nach rechts gegen den Hauptlappen eine dünne Leberbrücke, den Processus caudatus. £ Befestigung

Die Leber ist über die Area nuda mit der Unterseite des Zwerchfells in einer Fläche von etwa 90 cm² verwachsen und ebenso mit der V. cava inferior innig verbunden, die selbst wieder im Zwerchfell verankert ist. Auch das Lig. coronarium hepatis verbindet die Leber mit dem Zwerchfell und der hinteren Bauchwand. Seitlich läuft es in das breite und kurze Lig. triangulare dextrum und das schmale und lange Lig. triangulare sinistrum aus. Das Lig. falciforme hepatis und Lig. teres hepatis befestigen die Leber am Zwerchfell und der vorderen Bauchwand. Das kleine Netz verbindet die Leber mit dem Magen und mit dem Zwölffingerdarm, wobei das Lig. hepatoduodenale um die Leberpforte ansetzt und das Lig. hepatogastricum in der Fissura lig. venosi. Die Leber wird am Zwerchfell durch die genannten Befestigungsmittel und durch einen dünnen Flüssigkeitsfilm (Adhäsion) festgehalten, so dass auch der Lungenzug eine wesentliche Rolle bei ihrer Fixation spielt. Auch die Bauchmuskulatur („Gürteleffekt“) trägt zu ihrer Lageerhaltung bei.

£ Lage

Die Leber folgt vermöge ihrer Verwachsungen mit dem Zwerchfell den Atembewegungen, passt sich in ihrer Form der Verformung des

957

Zwerchfells an. Ein Hochstand des Zwerchfells bedingt auch einen Hochstand der Leber. Auch bei Veränderung der Körperlage ändert sich die Lage der Leber. Kranial fällt ihre Grenze mit der Zwerchfellkuppel zusammen (rechts Sternalansatz der 5. Rippe, links tiefer). Oberhalb des Zwerchfells sind enge Beziehungen zum Brustraum, zur Lunge, zum Herzen und Herzbeutel gegeben. Schuss- und Stichverletzungen können daher gleichzeitig Lunge, Zwerchfell und Leber treffen. Der tastbare Teil des Unterrandes der Leber liegt etwa in einer Linie, welche den Ansatz des 9. Rippenknorpels am rechten Rippenbogen mit der Knochenknorpelgrenze der linken 7. Rippe verbindet. Oberhalb dieser Linie liegt die Leber im Rippenbogenwinkel (Angulus infrasternalis) der ventralen Bauchwand unmittelbar an (Leberfeld). Bei der relativ größeren kindlichen Leber überragt der kaudale Rand um mehrere Zentimeter den rechten Rippenbogen. Bei der allgemeinen Alterssenkung der Eingeweide kann die Leber nach Vogt 4–6 cm absinken. Klinik: Die Leberpunktion dient zur Gewinnung von Gewebeproben für die histologische Untersuchung. Bei der Leberblindpunktion wird mit einer Hohlnadel in der rechten Axillarlinie zwischen der 8. und 9. Rippe in die Leber eingestochen und Gewebe angesaugt. Die gezielte Leberpunktion geschieht unter Sicht bei einer Laparoskopie (Bauchspiegelung). £ Prinzip der Leberdurchblutung

Die Besonderheit der Leberdurchblutung besteht darin, dass 2 Gefäße der Leber Blut zuführen: die A. hepatica propria bringt das nähr- und sauerstoffreiche Blut in die Leber. Durch den arteriellen Druck bildet sie das „Hochdrucksystem“ des Leberkreislaufes und dient ausschließlich der Organversorgung. Daher wird sie als das Vas privatum der Leber bezeichnet.

w Pfortaderkreislauf: Die Besonderheit dieses

Kreislaufes sind zwei hintereinandergeschaltete Kapillargebiete: das erste Kapillargebiet befindet sich in der Wand des Magendarmkanals, im Pankreas und in der Milz, das zweite in der Leber.

Die Pfortader, V. portae, entsteht hinter dem Pankreas durch den Zusammenfluss der V. mesenterica inferior mit der V. splenica und der V. mesenterica

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

958

superior. Sie bringt das venöse, mit Nährstoffen versehene Blut aus den unpaaren Bauchorganen in die Leber. Sie bildet das „Niederdrucksystem“ des Leberkreislaufes und steht im Dienste des Gesamtorganismus, weshalb sie als Vas publicum der Leber bezeichnet wird. In den Lebersinus durchmischt sich das Blut aus den arteriellen und venösen Gefäßgebieten und gelangt über die Zentral- und sublobubären Venen in die Vv. hepaticae, die schließlich in die V. cava inferior münden.

II

VIII

VII

IV a III IV b

V

VI

£ Gliederung der Leber

Entsprechend dem intrahepatischen Verlauf der Blutgefäße und der Gallengänge gliedert sich die Leber in Lappen und Segmente, in die jeweils ein Ast der Pfortader und der Leberarterie eintreten und ein Gallengang austritt

NGS HGS

a

1. Lappen Nach der klassischen anatomischen Gliederung besteht die Leber aus einem großen Lobus dexter, dem kleineren Lobus sinister, und auf der Eingeweidefläche aus dem kleinen Lobus caudatus und quadratus (Abb. 12.25, 26). Die Grenze zwischen den beiden Lappen wird außen markiert durch das Lig. falciforme hepatis und die Fissura sagittalis sinistra. Die funktionelle Lappengrenze entspricht aber dem Verteilungsmuster der beiden Hauptäste von V. portae, A. hepatica und der Gallengänge. Demnach liegt die Lappengrenze („innere Wasserscheide“) weiter rechts und entspricht einer Linie, die Gallenblase mit der V. cava inferior verbindet („Kava-Gallenblasenlinie“, Rex-Cantlie-Linie). Diese Grenze wird auch als Hauptgrenzspalte der Leber bezeichnet und der Nebengrenzspalte im Bereich der anatomischen Lappengrenze gegenübergestellt (Abb. 12.27). 2. Segmente Für den Kliniker ist eine weitere Unterteilung der Leber in Segmente aus praktischen Überlegungen (bei Resektionen) wichtig. In der Praxis hat sich die Segmenteinteilung nach Couinaud durchgesetzt, die entsprechend der Pfortaderaufteilung die Pfortadersegmente beschreibt. (Abb. 12.28). Die Pfortader betritt mit ihren beiden Hauptästen die Leber, die nun intrahepatisch beinahe horizontal nach links und rechts ziehen. In ihrem Verlauf geben sie nach oben und unten weitere Äste ab, die jeweils ein Leberareal versorgen, das als Seg-

II

VII

I

III IV

VI V

b

NGS

HGS

Abb. 12.27: Leberhauptteile und Lebersegmente (nach Couinaud). HGS: Hauptgrenzspalte. NGS: Nebengrenzspalte. I: Lobus caudatus (Segmentum I), II: Segmentum laterale superius, III: Segmentum laterale inferius, IV: a Segmentum mediale superius, b Segmentum mediale inferius, V: Segmentum anterius inferius, VI: Segmentum posterius inferius, VII: Segmentum posterius superius, VIII: Segmentum anterius superius

ment bezeichnet wird. Zwischen diesen Segmenten laufen als Segmentgrenzen Äste der abführenden Lebervenen, die das Blut aus den Segmenten aufnehmen und in die V. cava inferior abführen. In der neuen Nomenklatur wird diese Segmentgliederung berücksichtigt und so werden 8 Segmente beschrieben (Abb. 12.27, 28). Auffällig ist der Lobus caudatus, der ein eigenständiges Segment darstellt. Die intrahepatischen Gallengänge wie auch die Äste der A. hepatica folgen den Ästen der V. portae, so dass die Gallengangssegmente wie

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

959

II VII VIII

IVa

I

III

VI V IVb

Abb. 12.28: Pfortadersegmente nach Couinaud. Pfortader violett, Lebervenen blau (nach Lanz-Wachsmuth)

auch die Arteriensegmente den Pfortadersegmenten deckungsgleich sind. Jedes Segment hat also einen „Gefäßstiel“ an dem die Blutgefäße ein- und die Gallengänge austreten. Diese Stiele sind der Porta hepatis zugewandt. £ Feinbau

Die Leber wird von einer bindegewebigen Kapsel, Capsula fibrosa, Glisson-Kapsel, umhüllt, die an jenen Stellen, wo das Bauchfell fehlt, besonders kräftig ausgebildet ist. Sie setzt sich von der Leberpforte ausgehend als Gefäßscheide (Capsula fibrosa perivascularis) ins Innere der Leber fort und überzieht als feine, teilweise durchbrochene, kaum sichtbare Bindegewebsschicht die morphologischen Grundelemente der Leber, die „klassischen“ Leberläppchen (Lobuli hepatis). Sie bildet das Leberstroma. Bei der Leber des Schweins und des Kamels ist dieses perilobuläre Bindegewebe viel kräftiger. Bei diesen Tieren ist deshalb die Läppchenstruktur der Leber unter dem Mikroskop leicht erkennbar.

Je nach Betrachtungsweise unterscheidet man folgende Baueinheiten der Leber: „Klassisches“ Leberläppchen = Zentralvenenläppchen, Portales Läppchen, Azinus

1. Zentralvenenläppchen, Lobulus hepatis. Die Leber ist aus ca. 1 Million prismenförmiger Leberläppchen mit einem Durchmesser von 1 mm und einer Höhe bis zu 2 mm aufgebaut. Im Querschnitt erinnern die polygonalen Läppchen an Bienenwaben, die in ihrer Mitte ein dünnwandiges Blutgefäß, die V. centralis (deshalb Zentralvenenläppchen , Abb. 12.29–31), beinhalten. Diese Zentralvene ist die Sammelstelle des gesamten Blutes im Leberläppchen. Zentralvenen mehrerer benachbarter Läppchen vereinigen sich nach dem Austritt aus den Läppchen zu einer V. sublobularis. Aus letzteren entstehen 2–3 größere Venenstämme (Vv. hepaticae), die direkt unterhalb des Zwerchfells (also nicht an der Leberpforte!) die Leber verlassen und in die V. cava inferior einmünden.

2 3

a

b

c

Abb. 12.29: a. Zentralvenen-Leberläppchen, b. portales Läppchen, c. Leberazinus

1

1

2

3

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

960 Sternzellen

Gallengang

V. portae hepatis

V. centralis

interlobuläres Bindegewebe

A. hepatica

Abb. 12.30: Leberläppchen im Querschnitt. Besonders hervorgehoben sind links oben die Leberzellbalken, rechts oben die Gallenkapillaren, unten die Blutkapillaren. Die Pfeile zeigen die Strömungsrichtungen

pF

pF Vc

Vc

pF Vs

Abb. 12.31: Menschliche Leber, Silberimprägnation. Radiäre Anordnung der Zellbalken in den Läppchen. pF = periportales Feld, Vc = V. centralis, Vs = V. sublobularis

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

Die menschliche Leber ist relativ arm an Bindegewebe, wodurch eine deutliche Trennung der Leberläppchen nicht vorhanden ist. Nur an Stellen, wo 3 oder auch 4 Leberläppchen zusammenstoßen, ist das Bindegewebe etwas stärker ausgebildet. Es entstehen dort im Querschnitt drei- bis viereckige Bindegewebsfelder (periportale Felder, Glisson„Dreiecke“), die räumlich gesehen Kanäle (Portalkanäle) darstellen. Jedes dieser Felder beinhaltet mindestens einen Ast der A. interlobularis (aus der A. hepatica), der V. interlobularis (aus der V. portae) und einem mit dem iso- bis hochprismatischen Epithel ausgekleideten Gallengang, Ductus bilifer interlobularis. Dieses Dreigespann wird Glisson-Trias genannt. 2. Lebersinus, Sinusoide. Sie sind mit Lücken ausgestattete Endothelschläuche, die aus den feinen Pfortaderästen beim Eintritt in ein Läppchen entstehen. Sie sind erweiterte Kapillaren mit einem Durchmesser von etwa 10 µm, die zwischen den Leberzellsträngen radiär zur V. centralis ziehen (Abb. 12.30). Diese Sinusoide anastomosieren untereinander und bilden ein dreidimensionales Schwammwerk. Noch in der Peripherie eines Läppchens münden die zarten Äste der A. interlobularis in die Sinusoide, die somit Mischblut führen. Allerdings nimmt mit dem zentripetalen Blutstrom die Sauerstoffkonzentration gegen das Läppchenzentrum ab. Dies ist für den Ablauf der metabolischen Prozesse in der Leber von größter Bedeutung. Im Endothelverband der Sinusoide befinden sich in das Lumen hineinragende Zellen, die v. KupfferSternzellen. Sie sind formveränderliche, oft verzweigte und amöboid bewegliche Phagocyten. Sie können Fremdkörper wie Bakterien oder Zelltrümmer speichern und gehören zum mononukleären Phagozytensystem. Hepatozyten. Die rundkernigen Epithelzellen der Leber bilden in ihrer Gesamtheit das Leberparenchym. Die ein-, oft zwei- und selten dreikernigen runden, viereckigen bis polygonalen Zellen sind meist zu einschichtigen Zellbalken aneinandergereiht, welche der radiären Anordnung der Lebersinusoide folgen (Abb. 12.30, 31). Wie die Sinusoide bilden auch sie ein dreidimensionales Netzwerk.

961

Mit den Lebersinusoiden stehen die Zellbalken in engem Kontakt. Nur ein elektronenoptisch gut sichtbarer feiner Spalt, der Disse-Raum, trennt das gefensterte Sinusendothel von den Leberzellen. In diesen Raum entsenden die Leberzellen Mikrovilli. Hier erfolgt der Stoffaustausch zwischen den Leberzellen und dem Blut der Sinusoide. Im Disse-Raum kommen außerdem Fett und Vitamin A speichernde Ito-Zellen und bei Lebererkrankungen Kollagen bildende Zellen vor (z. B. bei Leberzirrhose). Außerdem finden sich in diesem Raum feinmaschige Netze aus Gitterfasern (argyrophile Fasern), welche die Leberzellbalken umhüllen. 3. Canaliculi biliferi. Mit den Gallenkapillaren beginnen die Drüsenausführungsgänge der Leber in den Leberläppchen (12.30). Während ihres Verlaufes innerhalb der Leberzellstränge besitzen die Gallenkapillaren keine eigene Wand, sondern diese wird nur von den Plasmamembranen benachbarter Hepatozyten gebildet. Die feinen 0,5–1 µm weiten Gänge führen die Galle entgegen dem Blutstrom des Leberläppchens peripherwärts zu den periportalen Feldern. Hier münden sie über Schaltstücke, Hering-Kanälchen, in die von kubischem bis prismatischem Epithel ausgekleideten Gallengänge, Ductus biliferi interlobulares, die sich zu größeren Gängen vereinigen und die Leber an ihrer Pforte als Ductus hepatici verlassen. 4. Portales Leberläppchen (Abb. 12.29) Beim portalen Läppchen liegt das periportale Feld mit der Glisson-Trias im Zentrum. Aus diesem Feld werden Teilbezirke direkt angrenzender „klassischer“ Leberläppchen mit arteriellem (A. interlobularis) Blut und Pfortaderblut (V. interlobularis) versorgt. Außerdem fließt die Galle in umgekehrter Richtung aus den gleichen Teilbezirken der Leberläppchen zum Gallengang in das Glisson-Dreieck. Das portale Läppchen berücksichtigt demnach besonders die Funktion der Leber als Drüse und die Versorgung mit Blutgefäßen, die von einem periportalen Feld ausgehen. Es umfasst Teilbezirke von zumeist 3 benachbarten Leberläppchen. Seine ungefähre Ausdehnung veranschaulicht man sich am mikroskopischen Präparat, indem man ein periportales Feld aufsucht und die Zentralvenen der an dieses Feld angrenzenden Läppchen durch Gerade zu einem Dreieck verbindet (Abb. 12.29).

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

962

5. Leberazinus (Rappaport) Für das Verständnis der Stoffwechselvorgänge und für die Interpretation pathologischer Veränderungen ist die Tatsache wichtig, dass jedes „klassische“ Leberläppchen von seiner Peripherie aus mit sich verzweigenden Blutgefäßen versorgt wird, und dass der Blutstrom zu seinem Zentrum, der Zentralvene, fließt. Daraus ergibt sich, dass die Inhaltsstoffe der Blutgefäße (Sauerstoff, Nährstoffe aus dem Darm, aber auch Gifte) zuerst in die Leberzellen der Läppchenperipherie gelangen. Auf dem Weg zur Zentralvene wird der chemische Gehalt der Blutgefäße durch Verbrauch und durch die Tätigkeit der Leberzellen ständig verändert. In einem Leberazinus verlaufen die aus 2 benachbarten periportalen Feldern kommenden Äste der A. und V. interlobularis genau an der Grenze zwischen 2 Leberläppchen und versorgen mit ihren Ästen jeweils einen Teilbezirk der beiden Läppchen, der sich in jedem bis zur V. centralis erstreckt (Abb. 12.29). Ein Leberazinus ist demnach ein rhombisches Feld, an dessen Spitzen zwei periportale Felder und 2 Zentralvenen liegen. An jedem Leberazinus sind 2 Leberläppchen mit je einem Teilbezirk beteiligt: die eine Hälfte des Rhombus liegt in einem Läppchen, die andere im angrenzenden anderen. Aufgrund des oben erwähnten unterschiedlichen Gehaltes der Läppchengefäße an Sauerstoff und chemischen Produkten sind in jeder Hälfte des Azinus 3 metabolische Zonen zu unterscheiden. Demnach liegt in einem Zentralvenen-

läppchen die Zone 1 peripher, die Zone 3 zentral und die Zone 2 dazwischen (Abb. 12.29). Eine größere Zahl von Lobuli kann zu einem Sammelläppchen zusammengefasst sein (Abb. 12.32). Die Vv. centrales münden entweder direkt oder mittels eines Verbindungsstückes in die Sammelvene. Die Sammelvenen fließen in größere Lebervenen. Die größeren Lebervenen vereinigen sich zu 2–3 großen Venenstämmen, Venae hepaticae, die sofort unterhalb des Zwerchfells in die V. cava inferior münden. Zur schnellen Orientierung im mikroskopischen Schnittpräparat merke man sich, dass V. portae, Arterien- und Gallengangsäste in einer gemeinsamen Gefäßscheide, die abführenden V. hepatica-Äste allein liegen. £ Gefäße

Arterien w A. hepatica propria. Sie teilt sich noch vor dem

Eintritt in das Leberparenchym zur Versorgung der beiden Leberhauptteile in die rechte Leberarterie, R. dexter, und die linke Leberarterie, R. sinister. Oft entsteht noch ein drittes Gefäß, die A. hepatica media. Sie entstammt entweder den beiden Leberarterienästen oder direkt dem Truncus coeliacus oder einem seiner Äste. Sie versorgt meist den Lobus caudatus (A. lobi caudati).

großer Lebervenenast

großer Pfortaderast Sammelvene

Vv. interlobulares

Lebersubstanz

Abb. 12.32: Sammelläppchen (nach W. Pfuhl)

Vv. centrales

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

w Aa. segmentorum. Innerhalb der Leber zerfal-

len die Arterien in die Segmentarterien, welche die Aa. interlobulares abgeben. Sie verzweigen sich mit den Ästen der Pfortader und den Gallengängen im interlobulären Bindegewebe und münden in die Lebersinusoide und auch direkt in Pfortaderäste.

Von den zahlreichen Variationen der A. hepatica, die beim chirurgischen Vorgehen zu beachten sind, sind die wichtigsten in Abb. 12.33 dargestellt.

963

Venen Pfortader, V. portae (vgl. Abb. 12.42) Die Pfortader führt das mit Hormonen (Pankreas), Nährstoffen und Stoffwechselzwischenprodukten (Darm) sowie Abbaustoffen (Milz) beladene Blut direkt zur Leber. Sie sammelt das Blut aus dem größten Teil des Darmkanals, von der Cardia des Magens bis zur oberen Hälfte des Mastdarmes, vom Pankreas und von der Milz. Hinter dem Pankreas vereinigen sich 4 Venen (Pfortaderwurzeln) zum Hauptstamm. w V. mesenterica inferior: Sie nimmt das Blut aus

a

b

c

d

e Abb. 12.33: Häufige Variationen der A. hepatica propria. a: Ursprung aus der A. mesenterica superior, b: R. dexter und R. sinister getrennt aus dem Truncus coeliacus, c: R. dexter („A. hepatica dextra“) aus A. mesenterica superior und der R. sinister („A. hepatica sinistra“) aus dem Truncus coeliacus, d: R. dexter aus dem Truncus coeliacus und der R. sinister aus der A. gastrica sinistra, e: akzessorische rechte Leberarterie aus der A. mesenterica superior und eine akzessorische linke Leberarterie aus der A. gastrica sinistra

dem oberen Teil des Mastdarms, dem Sigmoid und Colon descendens auf (Ausbreitungsgebiet der A. mesenterica inferior), verläuft in der Plica paraduodenalis (oder seltener in der Plica duodenalis superior) unter dem Mesocolon transversum und dem Pankreas zur V. splenica. w V. mesenterica superior: Sie nimmt das Blut vom Colon transversum, ascendens, Caecum, Appendix vermiformis, Ileum, Jejunum, Duodenum, von der rechten Hälfte der großen Magenkurvatur und vom Pankreas auf. Sie überkreuzt mit der gleichnamigen Arterie das Duodenum. w V. splenica. Sie leitet das Blut aus der Milz, von der linken Hälfte der großen Magenkurvatur und Teilen des Pankreas ab und nimmt noch die V. mesenterica inferior auf. w Vv. gastricae dextra und sinistra (Abb. 12.19): Sie verlaufen an der kleinen Magenkurvatur und münden zusammen mit der kleinen vor dem Pylorus verlaufenden V. prepylorica direkt in die Pfortader. Sie anastomosieren durch den Hiatus oesophageus mit den Speiseröhrenvenen. In der Porta hepatis oder erst im Leberparenchym teilt sich die Pfortader in einen R. dexter und sinister. Der R. dexter ist weitlumig und setzt die Richtung der V. portae fort, während der dünnere R. sinister strömungsungünstiger im spitzen Winkel nach links abzweigt (Abb. 12.28). Die weiteren Äste entsprechen den Arterienästen und stellen die Segmentvenen dar, die in die Vv. interlobulares zerfallen, welche schließlich in die Lebersinusoide übergehen.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

964 V. brachiocephalica dextra

V. brachiocephalica sinistra V. cava superior Vv. thoracicae internae Vv. epigastricae superiores

V. azygos Vv. oesophageae V. gastrica sinistra

Vv. paraumbilicales

V. portae hepatis V. splenica (V. lienalis)

Venen der vorderen Bauchwand

V. mesenterica sup. V. mesenterica inf.

V. epigastrica superficialis Vv. epigastricae inferiores

V. rectalis sup.

V. iliaca externa

V. iliaca interna

Plexus venosus rectalis

Abb. 12.34: Portokavale und kavokavale Anastomosen

Portokavale Anastomosen (Abb. 12.34): Die Verbindungen (Anastomosen) der Pfortader mit den Vv. cavae superior et inferior sind von großer praktischer Bedeutung. Wird durch ein Einströmungshindernis in der Pfortader (Leberzirrhose, Thrombose) die Durchströmung der Leber gestört, so kommt es zu Stauungen im Zuflussgebiet der Pfortader. Das Pfortaderblut kann dabei die Leber umgehen: 1. Über die Vv. oesophageae, deren weiterer Abfluss durch die Vv. azygos und hemiazygos in die obere Hohlvene (V. cava superior) erfolgt. 2. Über den Plexus rectalis, dessen weiterer Abfluss über die Vv. rectales inferior und media zur V. iliaca interna, V. iliaca communis und V. cava inferior erfolgt. 3. Über die Vv. paraumbilicales im Lig. teres hepatis zu den Bauchdeckenvenen, die zu der V. iliaca externa und damit zur V. cava inferior sowie zur V. subclavia und damit zur V. cava superior abfließen können. Klinik: Durch den Rückstau in den Gefäßen der portokavalen Anastomosen kann es zu deren

Erweiterung (Varizen) kommen: 1. Durch Stau der Magenvenen erweitern sich die Venen des Plexus oesophageus zu den Oesophagusvarizen, die leicht zu unstillbaren Blutungen neigen (Vorsicht beim Sondieren des Magens!). 2. Rückstau in die Vv. parumbilicales führt zur Erweiterung der Venen der vorderen Bauchwand, die dann stark geschlängelt radiär zum Nabel verlaufen und als Medusenhaupt, Caput Medusae, bezeichnet werden. 3. Genügen die neuen Abflüsse nicht, so tritt Flüssigkeit in die freie Bauchhöhle über und es entsteht ein Wasserbauch, Aszites. w Vv. hepaticae: Die großen Lebervenenäste

beginnen in der Nähe des unteren Leberrandes, verlaufen in den Interlobär- und Intersegmentalspalten aufwärts und nehmen das Blut benachbarter Pfortadersegmente auf (Abb. 12.28). Nahe der Area nuda fließen sie zu den 3 Vv. hepaticae zusammen, die unmittelbar unter dem Zwerchfell in die V. cava inferior münden („obere Lebervenengruppe“). Dabei erhält die V. hepatica dextra das Blut aus dem rechten, die

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

V. hepatica sinistra aus dem linken Lappen und die V. hepatica intermedia aus dem Lobus quadratus mit dem angrenzenden Gallenblasenbett und auch aus dem Lobus caudatus. Aus dem Lobus caudatus und aus dem an die Hohlvene angrenzenden Parenchym münden Lebervenen auch direkt in die V. cava inferior („untere Lebervenengruppe“). Lymphgefäße w Ein oberflächliches Lymphgefäßnetz drainiert

die Lymphe aus dem Bereich der Area nuda durch das Zwerchfell in die Nll. phrenici superiores und Nll. parasternales. Aus der Facies visceralis und der Gallenblase fließt die Lymphe zu den Nll. hepatici in der Porta hepatis und im Lig. hepatoduodenale (12.20). w Ein tiefes Lymphgefäßnetz führt die Lymphe einerseits entlang der Lebervenen cavawärts und andererseits entlang der Pfortaderäste portawärts ab. £ Nerven w Die vegetativen Fasern entstammen dem

N. vagus und dem Truncus sympathicus. Die postganglionären sympathischen Fasern stammen aus dem Plexus coeliacus und gelangen als Plexus hepaticus mit der A. hepatica propria zur Leber (Abb. 12.40). w Die parasympathischen Fasern, Rr. hepatici, zweigen vom Truncus vagalis anterior ab, durchsetzen die Portio densa des Omentum minus, geben noch einen R. pyloricus zum Magen ab, ehe sie die Porta hepatis erreichen (Abb. 12.21). w Sensible Fasern stammen aus dem rechten und zu einem geringen Teil auch aus dem linken N. phrenicus. Sie versorgen die dem Zwerchfell benachbarte Leberkapsel. Über sie wird der Kapselschmerz in die rechte Schulter projiziert. £ Funktion der Leber

• Sie ist einerseits das größte Intermediärstoffwechselorgan des Körpers, andererseits auch die größte Drüse (Produktion der Galle). • Die Leber sichtet die ihr durch die V. portae zugeführten Stoffe auf ihre Brauchbarkeit sowie Giftigkeit und baut sie in unterschiedliche Substanzen um. So nimmt sie aus dem Blut Glukose auf, baut diese in speicherbares Glykogen um und gibt es bei Bedarf wieder ab.

965

• Sie speichert außerdem Fett, Vitamine und Spurenelemente. • Sie ist Bildungsstätte von Plasmaproteinen und wichtigen Faktoren für die Blutgerinnung. • Sie ist auch in der Lage, Hormone, Giftstoffe und Medikamente zu inaktivieren. • In der Fetalzeit dient sie der Blutbildung und der Abwehr. Letztere Funktion behält sie zeitlebens bei (v. Kupffer-Zellen). • Als exokrine Drüse erzeugt sie die für die Verdauung notwendige Galle und ihre Farbstoffe.

12.2.3.4 Gallenwege Wir unterscheiden 1. intrahepatische Gallenwege 2. extrahepatische Gallenwege 3. Gallenblase, Vesica biliaris, Vesica fellea. 1. Intrahepatische Gallenwege Zu den intrahepatischen Wegen gehören: Canaliculi biliferi, Hering-Kanälchen, Ductus interlobulares biliferi, Subsegment- und Segmentgänge Die Leber produziert die für die Fettverdauung benötigte Galle, welche über ein eigenes Gangsystem dem Darm zugeführt wird. Den Beginn der intrahepatischen Gallengänge bilden die £ Canaliculi biliferi, die Gallenkapillaren oder

Gallenkanälchen. Sie besitzen noch keine eigene Wand, sondern werden von den Zellmembranen benachbarter Leberzellen umgrenzt. Sie setzen sich in die £ Hering-Kanälchen fort. Diese sind kurze, von einem einschichtigen Epithel ausgekleidete Schalt- oder Zwischenstücke, die aus den Leberzellsträngen eines Läppchens austreten und in die £ Ductus interlobulares biliferi münden, die zur portalen Trias gehören und im periportalen Feld liegen. Die mit einem einschichtigen isoprismatischen Epithel ausgekleideten Gänge münden in £ Subsegment- und Segmentgänge, die schließlich zu den beiden großen Lebergängen, Ductus hepaticus dexter et sinister, zusammenfließen und über die Porta hepatis die Leber verlassen.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

966

Beide Lebergänge werden von entsprechenden Gefäßästen, R. dexter et sinister von V. portae und A. hepatica propria begleitet. 2. Extrahepatische Gallenwege Die extrahepatischen Gallengänge ziehen von der Leberpforte zum Duodenum. Dazu gehören (Abb. 12.35): Ductus hepaticus dexter et sinister, Ductus hepaticus communis, Ductus cysticus und Vesica biliaris (Vesica fellea), Ductus choledochus (Ductus biliaris) Fundus vesicae biliaris

Die Lamina propria besteht aus kollagenen und elastischen Fasern. Ihre Glandulae ductus biliaris sondern einen Schleim als Schutzfilm für das Epithel ab. £ Mündung des Ductus choledochus. An der Mündungsstelle des Ductus choledochus entsteht ein ganzer Sphinkterkomplex, Sphincter Oddi, der nicht nur die beiden Ausführungsgänge, sondern auch die Ampulle und die Papilla Vateri umfasst. Er besteht aus dem M. sphincter ampullae mit mehreren Muskelsystemen, dem M. sphincter ductus choledochi und M. sphincter ductus pancreatici (Abb. 12.36). Der Sphincter Oddi regelt den Einstrom der Galle in den Zwölffingerdarm. Stratum Stratum circulare longitudinale

Corpus vesicae biliaris Infundibulum vesicae biliaris Collum vesicae biliaris

Ductus hepaticus dexter

M. sphincter ductus choledochi

Ductus hepaticus sinister Ductus hepaticus communis

M. sphincter ductus pancreatici

Ductus cysticus

M. sphincter basis papillae

Ductus choledochus

Abb. 12.35: Extrahepatische Gallenwege

£ Ductus hepaticus dexter und sinister. Sie ver-

lassen die Leber und bilden noch in der Porta hepatis den Ductus hepaticus communis. Er und der Ductus cysticus vereinigen sich zum Gallengang, Ductus choledochus. Er ist 4–8 cm lang und hat eine lichte Weite von 5 mm. Der Ductus choledochus liegt im freien Rande des Lig. hepatoduodenale des kleinen Netzes, neben Pfortader und A. hepatica, unterkreuzt die Pars superior duodeni (Abb. 12.40), gelangt an die Rückfläche des Pankreaskopfes und vereinigt sich zumeist mit dem Pankreasgang, Ductus pancreaticus. Das gemeinsame Endstück, zur Ampulla hepatopancreatica erweitert, mündet auf der Papilla duodeni major an der Hinterwand der Pars descendens duodeni (Abb. 12.41). £ Feinbau. Die Wand der Gallengänge ist ähnlich wie die der Gallenblase. Die Schleimhaut trägt ein hochprismatisches Epithel mit Becherzellen.

M. sphincter pori papillae M. sphincter corporis papillae

Abb. 12.36: Muskelsysteme des M. sphincter Oddi (nach Oliveros und Rhode)

a

b

c

d

Abb. 12.37: Mündungsvarianten von Ductus choledochus und Ductus pancreaticus. a. gemeinsame Ampulla hepatopancreatica. b. getrennte Mündung beider Gänge an der Papillenspitze. c. Vereinigung beider Gänge kurz vor der Papillenspitze ohne Ausbildung einer Ampulle. d. gemeinsames Endstück beider Gänge ohne Ampullenbildung (nach G. Töndury und St. Kubik)

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

967

Die Vereinigung der beiden Gänge zeigt häufige Variationen, die in Abb. 12.37 dargestellt sind. £ Variationen der extrahepatischen Gallenwege

(Abb. 12.38): Die Vereinigung des Ductus cysticus mit dem Ductus hepaticus communis ist in 2/3 aller Fälle spitzwinkelig, wobei der Ductus cysticus von rechts her an den Ductus hepaticus communis herantritt. In 1⁄4 der Fälle kann ein langer Ductus cysticus parallel zum Ductus hepaticus communis absteigen. In den restlichen Fällen ist der Ductus cysticus sehr kurz oder er kann überhaupt fehlen, so dass der Gallenblasenhals selbst in den Ductus hepaticus communis mündet. Auch kann der Ductus cysticus vor der Einmündung schraubig vor oder hinter dem Ductus hepaticus communis kreuzen. Auch akzessorische Lebergänge können unterschiedlich ausgebildet sein.

a

b

c

Klinik: Kenntnisse dieser Variationen sind in der Chirurgie wichtig. Eine exakte Diagnostik der Gallengänge bei der operativen Entfernung der Gallenblase vor der Durchtrennung des Ductus cysticus ist daher unbedingt erforderlich. 3. Gallenblase, Vesica biliaris, Vesica fellea (Abb. 12.9, 10, 26, 35) Entwicklung s. Kap. 12.2.3.3, S. 954 £ Form und Größe

Die Gallenblase ist ein birnenförmiges Hohlorgan mit einer Länge von 8–12 cm und einem Durchmesser von 4–5 cm. Sie kann 40–50 ml Flüssigkeit aufnehmen. An ihr lassen sich folgende Abschnitte unterscheiden: Gallenblasenboden, Fundus vesicae biliaris, Gallenblasenkörper, Corpus vesicae biliaris, Gallenblasentrichter, Infundibulum vesicae biliaris, der allmählich überleitet in den Gallenblasenhals, Collum vesicae biliaris, der schließlich in den Ductus cysticus übergeht. £ Variationen der Gallenblasenform (Abb. 12.39) Die häufigsten Variationen finden sich am Fundus und am Collum vesicae biliaris. Am Fundus gibt es eine faltige, nicht pathologische Einziehung, die radiologisch als Phrygische Mütze bezeichnet wird und darauf zurückgeführt wird, dass die Gallenblase wesentlich länger ist als ihr Bett. Eine besondere Aussackung am Infundibulum und Collum, knapp am Abgang

Falte

d

e

f

Abb. 12.38: Variationen der extrahepatischen Gallenwege. a. tiefe Vereinigung, b. kurzer Ductus cysticus, c. fehlender Ductus cysticus, das Collum vesicae biliaris mündet direkt in den Ductus hepaticus communis, d. vordere spiralige Mündung, e. hintere spiralige Mündung. f. akzessorischer Lebergang

Tasche

a

b

Abb. 12.39: Variationen der Gallenblasenform, a. Faltenfundus (Phrygische Mütze), b. Hartmann-Tasche

968

des Ductus cysticus wird als Hartmann-Tasche bezeichnet. Bei mächtiger Ausbildung legt sie sich eng an den Ductus cysticus und kann seine Ligatur erschweren. £ Lage und peritoneale Verhältnisse Die Gallenblase legt sich in die Fossa vesicae biliaris, wo ihr Corpus vesicae biliaris mit der Leber verwachsen ist. Kleine Venen der Gallenblase hängen dort mit den Lebergefäßen zusammen. Auch können dort kleine aberrierende intrahepatische Gallengänge in die Gallenblase münden (Luschka-Gänge). Der rundum von Peritoneum überzogene Fundus vesicae biliaris überragt den Unterrand der Leber um 1–2 cm (Abb. 12.24). Die Gallenblase ist bis auf die Verwachsungsfläche mit der Leber von Peritoneum bedeckt. £ Beziehungen Nach ventral hat die Gallenblase eine enge Beziehung zur Leber, nach dorsal legt sich ihr Hals an die Pars superior duodeni und ihr Fundus an die Flexura coli dextra (Abb. 12.10). Hier können bei Entzündungen Verwachsungen zwischen beiden Organen entstehen. £ Projektionen Der Fundus der Gallenblase erreicht an der Spitze der 9. Rippe die vordere Bauchwand, das entspricht dem Schnittrand des Rippenbogens mit der Medioklavikularlinie oder dem lateralen Rand des M. rectus abdominis. Bezogen auf die Wirbelsäule liegt der Fundus in Höhe des 3.–4. Lendenwirbels. Die Gallenblase muss den Bewegungen der Leber folgen und ändert daher ihre Höhenlage je nach Atmungsexkursion oder Körperhaltung. Klinik: 1. Ohne Kontrastmittel ist im Röntgenbild die Gallenblase nur sichtbar, wenn sie kalkhaltige Gallensteine eingelagert hat. Die Gallenblase und auch die Gallenwege können durch Verabreichung oraler und intravenöser Kontrastmittel dargestellt werden (Cholangiographie). 2. Ein moderneres Verfahren ist die endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie, bei der über eine Duodenalsonde die Gangsysteme dargestellt werden können. Ein sehr schonendes Verfahren zur Darstellung der Gallenwege ist die Ultraschallmethode.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

£ Feinbau

Die Wand der Gallenblase besteht aus einer Tunica mucosa, Tunica muscularis und einer Tunica serosa Tunica mucosa. Sie zeigt kleine, netzförmig angeordnete Falten, Plicae mucosae, an manchen Stellen senken sich Schleimhautkrypten tief in die Wand ein (Rokitansky-Aschoff-Krypten). Im Collum und im Ductus cysticus bildet die Schleimhaut eine spiralige Falte, die Plica spiralis (Heister-Klappe). Sie soll verhindern, dass bei einem Druckanstieg im Bauchraum die Gallenblase entleert wird. Die Schleimhaut besteht aus einem einschichtigen, hochprismatischen Epithel und einer dünnen, bindegewebigen Lamina propria. Die Epithelzellen sondern ein schleimiges Sekret ab, das zusammen mit dem Schleim aus den Abführwegen der Galle die fadenziehende Konsistenz gibt. Im Halsbereich gibt es auch noch kleine Glandulae tunicae mucosae. Tunica muscularis. Sie ist dünn und besteht aus scherengitterartig durchflochtenen glatten Muskelzellen. Tunica serosa ist der Peritonealüberzug der Gallenblase. Klinik: Überdehnungen oder Krämpfe der glatten Muskulatur bewirken starke, krampfartige Schmerzen im rechten Oberbauch (Gallenblasenkolik) £ Gefäße

Arterien. Die Gallenblase wird von der A. cystica versorgt, die aus dem R. dexter der A. hepatica propria entspringt (Abb. 12.40). Sie teilt sich am Gallenblasenhals in einen vorderen und hinteren Ast auf, die bis zum Fundus ziehen. Mit zahlreichen Variationen hinsichtlich ihres Ursprunges und Verlaufes ist zu rechnen. Venen. Das venöse Blut gelangt von der peritonealen Seite in die V. cystica, die in die V. portae mündet. Von der Leberseite wird das Blut direkt in die intrahepatischen Äste der V. portae abgeleitet. Lymphgefäße. (Abb. 12.20) Die Lymphgefäße der Gallenblase ziehen mit Leberlymphgefäßen zu den Nll. hepatici.

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

969

V. cava inferior

A. hepatica communis

A. gastrica dextra

A. phrenica inferior Hiatus oesophageus

A. hepatica propria

N. vagus sinister et Oesophagus N. vagus dexter

Ductus hepaticus

A. gastrica sinistra V. gastrica sinistra (V. coronaria ventriculi)

Ductus cysticus et A. cystica

Truncus coeliacus A. splenica (A. lienalis)

V. portae hepatis Ductus choledochus

Anastomose zur V. splenica (V. lienalis)

A. gastroduodenalis

Schnittkante des Peritoneum Splen (Lien) Pancreas Vasa gastroomentalis sinistra

Vasa gastroomentalis dextra

V. gastrica dextra (beachte Anastomose zu den unteren Oesophagusvenen)

Omentum majus

Abb. 12.40: Aufzweigung des Truncus coeliacus und der Trunci vagales. Das Lig. hepatogastricum des Omentum minus ist entfernt. Im Lig. hepatoduodenale sind die Pfortader, die Leberarterien und der Gallengang dargestellt

Klinik: Bei einem Stau im Pfortaderkreislauf (Leberzirrhose) sind die intrahepatischen Äste der V. portae stark gefüllt und können bei Gallenblasenoperationen zu massiven Blutungen führen. £ Nerven

Die Gallenblase wird, wie auch die Gallengänge, vom vegetativen Plexus hepaticus aus dem Plexus coeliacus innerviert. Auch Äste aus dem rechten N. phrenicus treten an die Serosa der Gallenblase heran, wodurch Schmerzen bei Erkrankungen des Organs in die rechte Schulter ausstrahlen können.

£ Funktion der Gallenblase

• Die Galle fließt über den Ductus hepaticus communis und den Ductus choledochus bis zu dessen Einmündungsstelle in das Duodenum. Ist das

dort befindliche Sphinktersystem kontrahiert, so füllt sich die Gallenblase durch Rückstauung mit Lebergalle, die hier durch Wasserentzug auf das 10-fache eingedickt wird. • Erschlafft das Sphinktersystem (bei Eintritt von Fett in das Duodenum), so fließt Galle in den Zwölffingerdarm. Nervös (N. vagus) und humoral gesteuerte Kontraktionen der Gallenblase unterstützen diesen Vorgang. Klinik: 1. Cholesterin, Gallenfarbstoffe und Kalksalze können in der Gallenblase und den Ausführungsgängen ausfallen und zur Bildung von verschieden geformten und zusammengesetzten Gallensteinen führen. Sie sind meist mit Schleimhautentzündungen, die wahrscheinlich aus dem Duodenum durch die Papilla duodeni aufsteigen, verbunden. 2. Steineinklemmung kann den Gallenabfluss stören.

970

Galle, Bilis, Fel Die Leber produziert täglich 1 l Lebergalle, die in der Gallenblase zur grünlich-braunen Blasengalle eingedickt wird. Die Gallenflüssigkeit selbst ist stark bitter, hat eine neutrale bis leicht saure Reaktion. Sie aktiviert die Pankreaslipase und damit die Aufschließung der Fette in Fettsäuren und Glyzerin. £ Galle. Sie besteht zu 99 % aus Wasser. In gerin-

gen Mengen enthält sie Cholesterin sowie auch Hormone, Medikamente und Schadstoffe, die von der Leber in Form von Glukuroniden inaktiviert werden und als wasserlösliche Produkte über Harn oder Stuhl ausgeschieden werden können. Die Gallensäuren emulgieren die Fette im Darm, binden die Fettsäuren und tragen sie durch die Darmwand, trennen sich wieder von ihnen und gelangen durch die Leber wieder in die Galle (enterohepatischer Kreislauf der Gallensäuren). Die Gallenfarbstoffe (vor allem Bilirubin) sind Abbauprodukte des Blutfarbstoffes Hämoglobin, die den Kot und den Harn färben. £ Gallenabsonderung. Sie wird angeregt durch Übertritt von Fetten und Eiweißabbauprodukten in das Duodenum, durch Auftreten von Gallensäuren im Blut, durch Absonderung von Sekretin (durch das Darmepithel) und durch nervöse Einflüsse (N. vagus). In der Verdauungsruhe wird die Galle in der Gallenblase gesammelt und auf 1/10 ihres Volumens eingedickt. Die konzentrierte dunklere Blasengalle wird während der Verdauungstätigkeit zusätzlich zu der laufend sezernierten Galle in das Duodenum abgegeben. Klinik: Ist der Gallenabfluss durch entzündliche Schwellung der Schleimhaut, durch einen Stein oder Tumor der Gallenwege verlegt, ist der Stuhl durch mangelnden Fettabbau und fehlende Farbstoffe lehmfarben. Die Galle wird zurückgestaut und nicht mehr in die Gallenkanälchen, sondern in die Sinusoide der Leber sezerniert, womit sie in die Blutbahn gelangt. Der Gallenfarbstoff (Bilirubin) färbt die Körpergewebe, zuerst die Sklera des Auges, später auch die Haut gelblich (Stauungsikterus).

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

12.2.3.5 Topographie im Lig. hepatoduodenale und der Porta hepatis (Abb. 12.40) Im Lig. hepatoduodenale verlaufen der Ductus choledochus, die A. hepatica propria und die V. portae, begleitet von vegetativen Nervengeflechten und Lymphgefäßen. Der Ductus choledochus liegt dabei ganz rechts im freien Rande des Lig. hepatoduodenale. Links von ihm und weiter dorsal liegt die V. portae, die hinter dem Pankreaskopf entstanden und nach der Kreuzung hinter der Pars superior duodeni in das Lig. hepatoduodenale eingetreten ist. Sie nimmt die Vv. gastricae, die V. cystica und kleine Vv. paraumbilicales auf, die über das Lig. teres hepatis vom Nabel gekommen sind. Die A. hepatica propria entstammt der A. hepatica communis, die am Oberrand des Pankreas nach rechts verläuft und unmittelbar oberhalb des Pylorus in die A. gastroduodenalis und A. hepatica propria zerfällt. Letztere betritt nun das Lig. hepatoduodenale, wo sie links von der V. portae, aber so oberflächlich wie der Ductus choledochus, aufsteigt. Findet sich rechts der V. portae ebenfalls ein arterielles Gefäß, handelt es sich dabei in der Regel um eine akzessorische rechte Leberarterie. Rückläufig entlässt die A. hepatica propria die A. gastrica dextra zur kleinen Magenkurvatur. Die Porta hepatis wird geprägt durch die Aufteilungen der Gefäße und Gallengänge. Noch in der Porta hepatis entsteht der Ductus hepaticus communis aus dem rechten und linken Lebergang. Seine Vereinigungsstelle mit dem Ductus cysticus ist variabel (Abb. 12.38) und reicht unterschiedlich weit abwärts in das Lig. hepatoduodenale. Die A. hepatica propria teilt sich schon sehr früh im Lig. hepatoduodenale auf, so dass ihre Äste bereits getrennt die Porta hepatis erreichen. Die V. portae hingegen teilt sich erst hoch in der Leberpforte in den R. dexter und sinister auf. Am weitesten ventral liegen in der Porta hepatis die Gallenwege, dahinter folgen die Arterienäste und ganz dorsal die Aufzweigung der V. portae. Aus den Nll. hepatici in der Porta hepatis steigen entlang der A. hepatica und der V. portae Lymphgefäße der Leber und Gallenblase zu den Nll. coeliaci und Nll. gastrici sinistri ab. Am freien Rand

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

des Lig. hepatoduodenale verlaufen entlang dem Ductus choledochus Lymphgefäße, in welche der Nl. foraminalis eingelagert ist. Klinik: Bei einer Schwellung kann der Nl. foraminalis den Ductus choledochus komprimieren und den Gallenabfluss behindern. Trigonum cholecystohepaticum, Calot-Dreieck: Im Bereich der Leberpforte wird ein Teilbereich als cholezystohepatisches Dreieck bezeichnet, das für die chirurgische Aufsuchung der A. cystica von Bedeutung ist. Dieses Dreieck wird vom Ductus cysticus, vom Ductus hepaticus communis und vom pfortennahen Leberrand begrenzt (Abb. 12.35). In dieses Dreieck tritt dorsal des Ductus hepaticus communis (selten ventral) der R. dexter der A. hepatica propria ein und zieht nahe dem Ductus cysticus zum rechten Leberlappen. Innerhalb des Dreiecks entlässt er die A. cystica zur Gallenblase (Abb. 12.40). Auch hier sei auf die vielfältigen Gefäßvariationen hingewiesen.

12.2.3.6 Bauchspeicheldrüse, Pancreas Lernziele: Pankreasanlagen, Größe, Form, Ausführungsgänge, Lage, Beziehungen, Gefäße, Nerven, Feinbau, exokriner und endokriner Anteil, Funktionen £ Entwicklung (Abb. 12.23):

Das Organ entsteht aus dem Entoderm der Duodenalschlinge im Bereich des hepatopankreatischen Ringes, von dem aus sich auch die Leber und die Gallenwege entwickeln. Die Bauchspeicheldrüse entsteht aus einer ventralen und dorsalen Anlage.

971

aus der dorsalen, im unteren Abschnitt aus der ventralen Anlage. Das gesamte restliche Pankreas, Körper und Schwanz, entsteht ausschließlich aus der dorsalen Anlage. Durch die Verlagerung des Mesogastrium dorsale nach links und seine Verklebung mit der hinteren Bauchwand erhält das Pankreas schließlich seine sekundär retroperitoneale Lage. Gleichzeitig mit der Verschmelzung beider Anlagen verschmelzen auch ventraler und dorsaler Gang. Der kürzere, ventrale wird zum Hauptausführungsgang des Pankreas, Ductus pancreaticus major, der mit dem Ductus choledochus auf der Papilla duodeni major mündet. Der dorsale Gang verliert an Bedeutung, wird zum Ductus pancreaticus accessorius und mündet auf der Papilla duodeni minor. In einem Teil der Fälle verödet der akzessorische Gang vollständig; dann mündet nur der Ductus pancreaticus in das Duodenum. £ Entwicklungsstörungen

Versprengtes Pankreasgewebe kann im gesamten Darmrohr von der Pars abdominalis oesophagi bis zum ursprünglichen Scheitel der Nabelschleife vorkommen. Pancreas anulare: Die ursprüngliche ventrale Pankreasanlage besteht aus 2 Knospen. Während die linke bald zugrunde geht, verlagert sich die rechte nach dorsal hinter das Duodenum, um an der Pankreasentstehung teilzunehmen. Persistiert auch die linke ventrale Knospe, so entsteht um die Pars descendens duodeni ringförmig Pankreasgewebe.

Größe, Form, Einteilung Das Pankreas besteht aus Kopf, Caput pancreatis, Körper , Corpus pancreatis, und Schwanz, Cauda pancreatis (Abb. 12.41).

Die ventrale Anlage tritt unmittelbar kaudal von der Leberbucht auf, und ihr Ausführungsgang, der spätere Ductus pancreaticus, vereinigt sich mit dem Gallengang. Die dorsale Anlage wächst in das Mesogastrium dorsale ein und ist ursprünglich allseitig von Bauchfell überzogen. Ihr Ausführungsgang endet kranial von der gemeinsamen Mündung des Gallenganges und des Ganges der ventralen Anlage.

Das Pankreas hat eine Länge von 13–18 cm, ist 3–4 cm breit, 1–2 cm dick und wiegt 70–90 g. Die graurötliche Drüse ist ziemlich weich und zeigt wie die Mundspeicheldrüsen einen Läppchenbau. Das S-förmig gekrümmte Organ verläuft an der hinteren Bauchwand sekundär retroperitoneal vom Duodenum bis zum Milzstiel.

Die ventrale Anlage verlagert sich nun auch nach dorsal und kommt kaudal der dorsalen Anlage zu liegen. Durch die Verschmelzung beider Anlagen entsteht der Pankreaskopf im oberen Abschnitt

Caput pancreatis. Es liegt in der Konkavität der Duodenalschlinge und reicht bis zur Incisura pancreatis, einem Einschnitt, der die A und V. mesenterica superior aufnimmt. Hinter diese Gefäße

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

972

V. portae hepatis Ductus hepaticus communis

A. hepatica communis Pars abdominalis aortae (Aorta abdominalis)

Ductus cysticus A. pancreaticoduodenalis superior

Cauda pancreatis

Truncus coeliacus

Ductus choledochus (Ductus biliaris)

A. gastrica sinistra A. splenica (A. lienalis)

Pars superior

Corpus pancreatis

Flexura duodeni superior Ductus pancreaticus accessorius Papilla duodeni minor Pars descendens Plica longitudinalis duodeni

Abdruck der A. u.V. splenica (A. u. V. lienalis) V. et A. mesenterica superior

Ductus choledochus (Ductus biliaris)

A. pancreaticoduodenalis inferior

Papilla duodeni major

Flexura duodenojejunalis

Ductus pancreaticus

Jejunum

Flexura duodeni inferior

Pars ascendens

Caput pancreatis

A. mesenterica inferior

Processus uncinatus Pars horizontalis (Pars inferior)

Pars abdominalis aortae (Aorta abdominalis)

Abb. 12.41: Duodenum und Pancreas. Ein Teil der ventralen Wand des Duodenum und Teile des Pancreas sind entfernt, um die Ausführungsgänge und ihre Einmündung in das Duodenum zu zeigen

schlingt sich ein hakenförmiger Drüsenfortsatz des Pankreaskopfes, Processus uncinatus. Corpus pancreatis ist jener Teil der Drüse, der die Wirbelsäule überkreuzt, sich dabei als Tuber omentale gegen die Bursa omentalis vorbuckelt und ohne scharfe Grenze in die

superior und unten vom Margo inferior begrenzt wird, sowie eine Vorderfläche, die durch den Margo anterior in 2 Flächen, eine größere Facies anterosuperior und eine kleinere Facies anteroinferior geteilt wird. Die von sekundärem Peritoneum bedeckte Facies anterosuperior bildet einen großen Teil der Hinterwand der Bursa omentalis. Am Margo anterior entspringt die Radix mesocolica. Am Margo superior läuft die A. splenica und in der Facies posterior hinterlässt die V. splenica eine Furche. Die Cauda ist im Querschnitt oval abgeplattet, es werden ein Ober- und Unterrand sowie eine Vorder- und Rückfläche unterschieden.

Cauda pancreatis übergeht. Sie erreicht im Lig. phrenicosplenicum (phrenicolienale) den Milzstiel. Der Kliniker nennt aus chirurgisch-praktischen Überlegungen auch noch einen Pankreashals, Collum pancreatis (= Isthmus pancreatis), ein 2 cm breiter Parenchymstreifen vor den Vasa mesenterica superiora, die an der Drüsenhinterseite eine Furche hinterlassen.

£ Ausführungsgänge (Abb. 12.41)

Der Pankreaskopf ist im Querschnitt platt, so dass nur eine Vorderfläche, Facies anterior, und Hinterfläche, Facies posterior, unterschieden werden. Der Drüsenkörper hingegen ist dreieckig und zeigt 3 Flächen: eine Facies posterior, die oben vom Margo

Ductus pancreaticus Wirsungi. Der Hauptausführungsgang durchzieht die gesamte Länge der Bauchspeicheldrüse nahe ihrer Hinterfläche. Der 2 mm dicke Gang nimmt in seinem Verlauf zahlreiche kleine Seitenäste auf und mündet gemein-

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

sam mit dem Ductus choledochus auf der Papilla duodeni major in der Pars descendens duodeni. Kurz vor seiner Mündung wird er vom M. sphincter ductus pancreatici verschlossen, der einen Rückfluss der Galle in die Bauchspeicheldrüse verhindert. Ductus pancreaticus accessorius Santorini. Der Nebenausführungsgang ist sehr variabel. Er kann mit (Abb. 12.41) oder ohne Verbindung zum Hauptgang 2 cm oberhalb der Papilla Vateri auf der Papilla duodeni minor in das Duodenum münden (Abb. 12.41), oder er mündet nur in den Hauptgang. Auch kann er den Hauptgang ersetzen. £ Lage (Abb. 12.8)

Das Caput liegt im Bogen des Duodenum, rechts von der Wirbelsäule zwischen dem 1. und 3. Lendenwirbelkörper, und der Drüsenkörper überquert die Wirbelsäule in Höhe des 1. und 2. Lendenwirbels. Das im dorsalen Mesogastrium entstandene Organ wird durch die Magendrehung und die Verlötung mit der hinteren Leibeswand sekundär retroperitoneal, nur die Cauda erreicht im Lig. (phrenicosplenicum) phrenicolienale das Hilum splenicum intraperitoneal. Auf der Rückseite ist das Pankreas mit Ausnahme der Cauda durch Bindegewebe fest mit der Leibeswand verwachsen. Hinter dem Pankreaskopf und der Duodenalschlinge befindet sich die sog. Treitz-Faszie, eine mehrschichtige Bindegewebsplatte, die aus der Verschmelzung des Mesoduodenum mit dem Peritoneum der hinteren Leibeswand entstanden ist. In dieser Schicht lassen sich Duodenalschlinge und Pankreaskopf leicht von der Hinterwand lösen. £ Lagebeziehungen

Die Wurzel des Mesocolon transversum verläuft zuerst über die Vorderfläche des Kopfes und dann weiter nach links am Vorderrand des Drüsenkörpers (Abb. 12.8). Somit schaut der obere Teil des Kopfes in das Vestibulum und der Körper in die Bursa omentalis, womit die Drüse unter Vermittlung dieses Spaltraumes enge Beziehung zur Magenhinterwand erhält. Unterhalb der Radix mesocolica wird der Kopf noch vom Mesocolon ascendens bedeckt (Abb. 12.8). Unmittelbar hinter dem Pankreaskopf liegt der Ductus choledochus in einer Rinne oder einem Kanal des Pankreasgewebes. Hier entsteht auch die V. portae aus dem Zusammenfluss der V. me-

973 Ductus choledochus V. portae hepatis V. splenica

V. pancreaticoduodenalis superior posterior

V. mesenterica inferior V. pancreatico duodenalis inferior

Pars descendens duodeni V. mesenterica superior

Ductus pancreaticus

Abb. 12.42: Entstehung der Pfortader („Pfortaderwurzel“) an der Dorsalseite des Caput pancreatis

senterica superior mit der V. splenica, die zuvor die V. mesenterica inferior aufgenommen hat (Abb. 12.42). Die V. mesenterica superior überquert rechts von der A. mesenterica superior in der Incisura pancreatica das Pankreas von vorne nach hinten. Die V. splenica läuft in einer Rinne der Drüsenhinterfläche von links nach rechts und wird kurz vor ihrer Mündung in die Pfortader dorsal von der A. mesenterica superior gekreuzt. Weiter dorsal folgt die V. cava inferior mit der Einmündung der Vv. renales. Hinter dem Pankreaskörper liegen vor der Wirbelsäule die Aorta und die linken Nierengefäße, schließlich der obere Pol der linken Niere und das untere Ende der linken Nebenniere. Der Truncus coeliacus entspringt aus der Aorta unmittelbar am Oberrand des Pankreas (Abb. 12.43). Die aus ihm stammende A. hepatica communis läuft am Drüsenoberrand nach rechts und teilt sich am Lig. hepatoduodenale (Abb. 12.8, 41). Die A. hepatica propria steigt im Lig. hepatoduodenale auf, während die A. gastroduodenalis zwischen Pars superior duodeni und Pankreaskopf hindurchtritt und in ihre Endäste zerfällt. Die A. splenica des Truncus coeliacus zieht am Drüsenoberrand in der Hinterwand der Bursa omentalis nach links zur Milz. Der dritte Ast des Truncus coeliacus, die A. gastrica sinistra, tritt mit der Bauchspeicheldrüse nicht in Beziehung. Klinik: 1. Die engen topographischen Beziehungen zwischen Pars descendens duodeni, Pankreaskopf, Gallengang, Pfortader und

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

974

V. cava inferior erklären den Stauungsikterus bei Pankreaskopfkarzinom und chronischen Pankreasentzündungen, sowie Stauungen im Pfortadersystem (Bauchwassersucht = Aszites) und in der V. cava inferior (Ödem in den unteren Gliedmaßen) bei Pankreaskopftumoren. 2. Die operative Zugänglichkeit ist über die Bursa omentalis gegeben (Abb. 12.11): durch das Omentum minus, Lig. gastrocolicum, Mesocolon transversum. Nach Durchtrennung des Bauchfells lässt sich das Pankreas bei operativen Eingriffen leicht vom retroperitonealen Bindegewebe lösen. Den Pankreaskopf und die an seiner Rückfläche gelegenen Ausführungsgänge erreicht man operativ von rechts, indem man das Bauchfell lateral von der Pars descendens duodeni spaltet, das Duodenum nach medial verlagert (Elevatio duodeni) und so hinter den Pankreaskopf gelangt. £ Darstellbarkeit. Sie erfolgt durch Computer-

tomographie, Kernspintomographie (MRI), Sonographie, endoskopische retrograde Kontrastmittelfüllung der Gallen- und Pankreasgänge (ERCP). Im Querschnittsbild erscheint

A. hepatica propria A. gastroduodenalis A. pancreaticoduodenalis superior posterior

das Pankreas durch die weit in den Bauchraum vorspringende Wirbelsäule hufeisenförmig gekrümmt. £ Gefäße

Arterien (Abb. 12.43). Die arterielle Versorgung des Pankreas erfolgt aus dem Truncus coeliacus und aus der A. mesenterica superior, die über ihre Pankreasäste gut miteinander anastomosieren. Der Kopf und auch die Duodenalschlinge werden arteriell von der A. pancreaticoduodenalis superior aus der A. gastroduodenalis und der A. pancreaticoduodenalis inferior aus der A. mesenterica superior versorgt. Beide Aa. pancreaticoduodenales bilden mit ihren Rr. anteriores et posteriores vor und hinter dem Kopf eine Gefäßarkade. Körper und Schwanz werden von kleineren Rr. pancreatici der A. splenica versorgt. Die A. pancreatica dorsalis entspringt aus dem Anfangsteil der A. splenica und betritt das Parenchym am Collum pancreatis und verbindet sich nahe am Drüsenunterrand mit der A. pancreatica inferior, die bis zur Cauda zieht. Die variable A. pancreatica magna betritt als Ast der A. splenica in der Mitte den Drüsenkörper und versorgt auch die Cauda. Die Cauda erhält zusätz-

A. pancreatica dorsalis

A. pancreaticoduodenalis superior anterior

Corpus A. splenica Cauda pancreatis pancreatis A. pancreatica magna

Aa. caudae pancreatis A. pancreatica inferior

Caput pancreatis

Processus uncinatus

R. posterior

R. anterior A. mesenterica superior

A. pancreaticoduodenalis inferior

Abb. 12.43: Arterien des Pankreas, des Duodenum und der Milz

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

975

Truncus coeliacus

Nll. lumbales

Nll. hepatici

Nll. pancreatici superiores

Nll. splenici

Ductus choledochus Nll. pylorici

Splen

Nll. coeliaci

Nll. pancreatici inferiores Caput pancreatis Flexura duodenojejunalis

Nll. mesenterici superiores

Abb. 12.44: Lymphgefäße und Lymphknoten im Bereich des Pancreas

lich ihr Blut aus einer A. caudae pancreatis, die hilumnahe der A. splenica entstammt. Venen (12.42). Die gleichnamigen Pankreasvenen verlaufen ähnlich den Arterien und führen ihr Blut über die V. splenica und V. mesenterica superior in die Pfortader ab. Lymphgefäße (Abb. 12.44). Die Lymphe aus Corpus und Cauda wird über die zahlreichen Nll. pancreatici superiores am Drüsenoberrand zu den Nll. coeliaci und über wenige Nll. pancreatici inferiores am Drüsenunterrand zu den Nll. mesenterici superiores abgeführt. Aus dem Kopf gelangt die Lymphe über die Nll. pancreaticoduodenales superiores et inferiores entlang dem Ductus choledochus zu den Nll. hepatici et coeliaci sowie zu den Nll. mesenterici superiores. £ Nerven

Die Innervation erfolgt aus dem Sympathicus und aus dem Parasympathicus. Beide Faserarten gelangen direkt oder über die Arterien aus dem Plexus coeliacus in die Drüse. Klinik: Pankreasschmerz: Oft gürtelförmig, unterhalb des linken Rippenbogens mit Ausstrahlung in die linke Schulter.

Feinbau und Funktionen Das Pancreas besteht aus 2 unterschiedlichen Anteilen: der exokrine Anteil bildet die Verdauungsdrüse, der endokrine Anteil bildet die Hormondrüse 1. Exokriner Anteil Vom Hauptausführungsgang (12.41) dringen kurze Seitenäste in das Bindegewebe zwischen den Läppchen ein und spalten sich in lange Schaltstücke. Diesen sitzen die sekretorischen Endstücke, Acini pancreatici, auf (Abb. 12.45). Dabei schieben sich die niedrigzylindrischen Schaltstückzellen bis in das Endstück vor und erscheinen auf dem Querschnitt als zentroazinäre Zellen. Die pyramidenförmigen Endstückzellen lassen eine basale, in vivo homogene, nach Fixierung streifige, basophile, an RNS-reiche Zone und einen lumenwärts gelegenen Zellabschnitt unterscheiden, der während der Sekretionsruhe zahlreiche stark lichtbrechende, azidophile Zymogenkörnchen (Vorstufen des Pankreassekretes) enthält, die während der Sekretion sehr bald an Zahl abnehmen.

976

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

2. Endokriner Anteil, Inselorgan In das exkretorische Drüsengewebe sind Insulae pancreaticae, Langerhans-Inseln, eingelagert, die in ihrer Gesamtheit auch als Inselorgan bezeichnet werden. Die Inseln entstehen aus den Inselzapfen, die von den Drüsengängen und Endstücken aussprossen, vor allem im Bereich der dorsalen Pankreasanlage. Die 0,5–2 Mio. Inseln sind besonders zahlreich in der Cauda, etwas weniger im Corpus und nur vereinzelt im oberen Kopfabschnitt vorhanden. Die Inseln haben einen Durchmesser von 75–500 µm und stellen in ihrer Gesamtheit 1–2 % des Drüsenvolumens dar. Beim Erwachsenen bestehen die Inseln aus zahlreichen und von weiten Blutkapillaren durchzogenen Zellsträngen, die sich meist schwächer als das exokrine Drüsengewebe anfärben. Zelltypen und ihre Funktion Abb. 12.45: Langerhans-Insel umgeben von exokrinen Acini. Zahlreiche Kapillaren in den Inseln

Funktion Der exokrine Anteil des Pankreas liefert täglich 1–2 l „Bauchspeichel“. Er enthält Enzyme für die Eiweiß-, Kohlenhydrat- und Fettverdauung; seine Absonderung wird reflektorisch von der Mundschleimhaut ausgelöst und weiter durch das Sekret des Darmes gefördert. Das Trypsin, durch die Enteropeptidase des Darmsaftes aktiviert, spaltet Eiweiße zu Peptiden. Die Pankreaslipase, durch die Galle aktiviert, spaltet die Fette in Glyzerin und Fettsäuren. Der alkalische Pankreassaft hilft bei der Emulgierung der Fette. Die Pankreasdiastase spaltet Stärke in Maltose. Die Maltase zerlegt die Maltose in Traubenzucker. Laktase (nur bei Milchnahrung) spaltet Milchzucker in Monosaccharide. Klinik: 1. Bei der akuten Pankreatitis (Alkoholexzess, Gallenstein in Papilla Vateri) kommt es zur Selbstverdauung des Organs. 2. Bei der chronischen Entzündung (durch chronischen Alkoholabusus, Gallengangserkrankungen) kommt es zum langsamen Drüsenuntergang mit zunehmenden Verdauungsstörungen (Fettstühle wegen mangelhafter Fettverdauung) und auch zum Verlust des Inselorgans (Diabetes mellitus).

• A-Zellen (Alpha-Zellen): 10–20 % der Zellen, liegen in der Randzone und produzieren das Hormon Glukagon. Es hebt den Blutzuckerspiegel durch vermehrten Glykogenabbau in der Leber. • B-Zellen (Beta-Zellen): 80 % der Zellen, liegen im Läppchenzentrum und bilden das Insulin. Es fördert den Glykogenaufbau im Muskel und der Leber, wodurch es den Blutzuckerspiegel senkt. • D-Zellen: 5 % der Zellen, liegen am Inselrand und bilden das Somatostatin. Es hemmt die Ausschüttung von Glukagon und Insulin. • PP-Zellen (F-Zellen): in wenigen Inselzellen vor allem im unteren Kopfabschnitt (ventrale Pankreasanlage) wird das pankreatische Polypeptid gebildet. Es hemmt vor allem die Sekretion des exokrinen Pankreasanteils. Klinik: 1. Ungenügende Insulinproduktion bei der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) ist charakterisiert durch Hyperglykämie, Glykosurie und Polyurie, in ernsteren Fällen durch Ausscheidung von Azetonkörpern, Verminderung der Alkalireserven und vermehrten Fettgehalt im Blut (Lipämie). 2. In der Diabetesforschung wird experimentell eine elektive Vergiftung der B-Zellen durch Alloxan erreicht (Hyperglykämie beim Alloxandiabetes). 3. Starke Insulingaben und Inseladenome, fast ausschließlich aus BZellen bestehend, senken den Blutzucker, erzeugen Krämpfe und hypoglykämischen Schock.

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

977

12.2.3.7 Milz, Splen (Lien) (Abb. 12.8, 46, 47) Lernziele: Entwicklung, Form, Oberfläche, Lage, Beziehungen, Gefäße, Nerven, Feinbau, rote und weiße Pulpa, Milzkreislauf, Funktionen £ Entwicklung

Die Milz entsteht aus dem mittleren Keimblatt (s. Kap. 3.5.1, S. 140) im dorsalen Mesogastrium am Ende des 1. Keimlingsmonats (Abb. 12.2–6). Frühzeitig wachsen aus dem Truncus coeliacus Gefäße in das Organ. Die rasch wachsende Milz schiebt die linke Platte des dorsalen Mesogastrium vor sich her und erscheint an diesem gleichsam als Anhängsel.

£ Entwicklungsstörungen

Aplasie und Hypoplasie der Milz sind nicht selten und sind auf Störungen in der 2.–5. Embryonalwoche zurückzuführen.

£ Größe

Die Milz ist das größte Organ des lymphatischen Abwehrorgans (s. Kap. 2.5.4.5, S. 90). Das kaffeebohnenförmige, blaurote, 12 cm lange, 8 cm breite und 3 cm dicke Organ hat teigige Konsistenz und schon bei der gesunden Milz ein stark schwankendes durchschnittliches Gewicht von etwa 160 g. Die großen Schwankungen im

Gewicht und in der Größe sind im Wesentlichen durch den stark wechselnden Blutgehalt bedingt. Das Gewicht von 160 g bezieht sich auf die vollständig ausgeblutete Milz. Auch Farbe und Konsistenz der Milz werden durch den Füllungsgrad beeinflusst. Säugermilzen, die starke Erythrozytenspeicher sind (Pferd, Hund, Katze), haben ein relativ hohes Milzgewicht. Säuger, deren Milz hauptsächlich im Dienst des Immunsystems steht (Mensch, Kaninchen), haben meist eine relativ kleine Milz. £ Form

Die Form der Milz ist variabel. Sie kann stark abgeplattet oder mehr rundlich sein. Beim Neugeborenen ist sie meist stärker gelappt als beim Erwachsenen. Stark gelappte Milzen beim Erwachsenen sind somit als kindliche Formen aufzufassen. Sie kommen zusammen mit gelappter Niere und trichterförmigem Wurmfortsatz, aber auch allein vor.

Klinik: Akzessorische Milzen, sog. Nebenmilzen, kommen in wechselnder Größe und Zahl öfter vor, vor allem im Mesogastricum dorsale und seinen Derivaten. Von ihnen zu unterscheiden sind die Milzautotransplantate, die sich aus verschlepptem Milzgewebe (bei Milzruptur oder operativer Milzentfernung) auf dem gesamten Bauchfell entwickeln können.

Extremitas posterior Margo superior

Facies renalis

Facies gastrica

A. splenica (A. lienalis)

Schnittrand des Peritoneum Extremitas anterior Facies colica

V. splenica (V. lienalis)

Margo inferior

Abb. 12.46: Milz, Facies visceralis mit Hilum und Blutgefäßen

978

£ Oberfläche

Die Milzoberfläche zeigt eine konvexe Zwerchfellfläche, Facies diaphragmatica, und eine konkave Eingeweidefläche, Facies visceralis, die durch einen scharfen, häufig gekerbten Oberrand, Margo superior, und einen stumpfen Unterrand, Margo inferior, voneinander getrennt werden. Der hintere Pol, Extremitas posterior, weist gegen die Wirbelsäule und der vordere Pol, Extremitas anterior, ruht auf dem Lig. phrenicocolicum (Abb. 12.8). Auf einer Leiste der Facies visceralis (Abb. 12.46) liegt der Milzstiel, Hilum splenicum (Hilum lienale). Er ist meistens V-förmig und lässt die Gefäße und Nerven ein- und austreten. Die Milz ist bis auf das Hilum vollständig von Bauchfell überzogen. Vom Hilum ziehen eine vordere Bauchfellplatte, das Lig. gastrosplenicum (Lig. gastrolienale), zur großen Kurvatur des Magens, eine hintere Bauchfellfalte, das Lig. phrenicosplenicum (Lig. phrenicolienale), zum Zwerchfell.

£ Lage

Die Milz liegt intraperitoneal im Saccus splenicus (lienalis) gut verborgen in der linken Regio hypochondriaca zwischen 9. und 12. Rippe, mit ihrer Längsachse parallel zur 10. Rippe. Die Extremitas posterior reicht bis auf 2 cm an den Querfortsatz des 10. Brustwirbels. Die gesunde Milz überragt den Rippenbogen nach unten nicht. Ihre Lage wird auch beeinflusst durch ihre Größe und Gewicht, durch die Länge des Milz- und Magengekröses und durch den Füllungszustand der benachbarten Organe. Auch die Form des Brustkorbs hat einen Einfluss auf die Milzlage. So finden wir bei enger unterer Thoraxapertur eine senkrechte oder schräge Lage, bei weiter unterer Thoraxöffnung (besonders bei Neugeborenen) eine mehr horizontale Lage. Bei Einatmung verlagert sie sich nach unten und vorne und kehrt bei Ausatmung wieder in ihre Ausgangslage zurück. Auch die Körperlage beeinflusst die Lage der Milz. Beim Neugeborenen reicht sie in der Hälfte der Fälle bis in die Regio epigastrica, was auf den stumpferen Rippenwinkel und die weite untere Thoraxapertur zurückzuführen ist. Wandermilzen kommen vorwiegend beim weiblichen Geschlecht vor und sind sehr beweglich. Oft findet man sie bei erschlafften

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

Bauchdecken (häufige Geburten) und allgemeiner Senkung der Eingeweide (Enteroptose). £ Lagebeziehungen

Die Facies diaphragmatica kommt unter Vermittlung des Zwerchfells mit dem Recessus costodiaphragmaticus in Beziehung, in welchen der untere Lungenrand atmungsabhängig unterschiedlich weit vordringt. Bei Exspiration wird die obere Hälfte der Facies diaphragmatica von Lungengewebe überlagert, bei Inspiration sogar die oberen zwei Drittel. Die Facies visceralis kommt mit verschiedenen Organen in Beziehung, so dass an ihr entsprechende Teilflächen beschrieben werden (12.46). An die Facies gastrica vor dem Hilum splenicum legt sich der Fundus des Magens. An der Extremitas anterior legt sich die linke Kolonflexur an die Facies colica. Nahe dem Hilum splenicum erreicht die Cauda pancreatis an der Facies pancreatica die Milz. Der dorsale Teil der Facies visceralis steht im Bereich der Facies renalis mit der linken Niere in Beziehung.

Klinik: 1. Die Untersuchung der Milz wird grundsätzlich in der rechten Seitenlage durchgeführt. Die normale Milz darf nicht tastbar sein. Tastbarkeit lässt auf krankhafte Vergrößerung, Splenomegalie (Infektions-, Stoffwechselkrankheiten oder Tumoren des lymphatischen Systems), oder seltener auf Lageveränderung schließen. Die Lage der Milz kann durch Beklopfen (Perkussion) festgestellt werden. Da die Lunge den Oberrand der Milz teilweise überlagert, lässt sich bei der Perkussion von dorsal her eine absolute und eine relative (durch dazwischen gelagerte Lunge verändert) Milzdämpfung feststellen. Unterrand der Lunge (Lungenschall) und Margo superior der Milz (gedämpfter Schall) bilden den nach unten offenen Milzlungenwinkel, in dem man tympanitischen Schall (Magen) findet. Zwischen Milz und ventralem Nierenrande erhalten wir ventral den tympanitischen Schall der Flexura coli sinistra (Milznierenwinkel, nach kranial offen). 2. Füllt man die Flexur mit Luft, so wird eine Nierengeschwulst verdeckt, ein Milztumor nicht (differentialdiagnostisch wichtig). 3. Stumpfe Gewalteinwirkungen, Sturz, Stoß, Schlag können leicht zu Milzruptur führen. 4. Die genaue Ausdehnung der Milz lässt sich mit der Szintigraphie dar-

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

stellen. Dabei werden durch Wärmebehandlung geschädigte Erythrozyten mit einer radioaktiven Substanz markiert und dem Patienten intravenös injiziert. Die geschädigten Erythrozyten werden von der Milz abgefangen und zerstört. Der radioaktive Indikator kann nun gemessen und die Milz in ihrer Größe und Form in einem Szintigramm dargestellt werden. £ Gefäße

Arterien (Abb. 12.18, 43) Die kräftige A. splenica entspringt aus dem Truncus coeliacus und verläuft kranial von der großen V. splenica und kranial von der Bauchspeicheldrüse zum Milzstiel, wo sie sich in sehr variabler Weise in ihre Endäste aufteilt. Meist zerfällt der Stamm schon mehrere Zentimeter vor dem Hilum in eine obere und untere (oder auch eine 3. mittlere) Terminalarterie, welche sog. Milzlappen versorgen. Diese bestehen wiederum aus Segmenten und werden aus der nächsten Teilungsgeneration der Terminalarterien, den Segmentarterien, versorgt. Zwischen den Segmenten und Lappen finden sich jeweils gefäßarme Zonen. Die von einem vegetativen Nervengeflecht umgebene A. splenica ist schon in der Jugend geschlängelt. Diese Schlängelungen ermöglichen die normalen Lage- und Volumenveränderungen der Milz. Die Arterienwand ist relativ muskelstark. Kontrahiert sie sich im Bereich des Stammes oder einzelner Äste, so können das ganze Organ oder Teile desselben zeitweise vollständig aus dem Kreislauf ausgeschaltet werden. Diese Steuerung der Blutzufuhr wird nervös-hormonal bewirkt.

Klinik: 1. Die weiblichen Geschlechtshormone sollen auf die Milzarterien wirken. Während der Schwangerschaft und nach der Entbindung treten regelmäßig Volumenveränderungen der Milz auf. Dadurch wird anscheinend die Milzarterie besonders belastet. So finden wir bei Mehrgebärenden schon frühzeitig starke Schlängelungen, Verkalkungen und Erweiterungen des Gefäßes, das bereits bei geringen Traumen einreißen kann. 2. Beim Mann dagegen kommen Rupturen des Gefäßes oder der Milz nur nach stärkerer Gewalteinwirkung vor. Venen (Abb. 12.42): Die V. splenica entsteht am Hilum splenicum aus den Segment- und Terminal-

979

venen und zieht dorsal des Corpus pancreatis zur V. portae. Lymphgefäße (Abb. 12.44). Die Nll. splenici liegen am Hilum und erhalten ihre Lymphe aus der Milz über periarterielle, perivenöse und subkapsuläre Lymphkapillaren und leiten sie direkt in die Nll. coeliaci oder über die Nll. pancreatici superiores ab. £ Nerven

Die sympathischen und parasympathischen Rr. splenici entstammen dem linken Ganglion coeliacum und verlaufen mit den Arterienästen in das Milzparenchym. Klinik: Milzschmerzen werden tief in der linken Regio hypogastrica verspürt und können in die linke Schulter ausstrahlen. £ Feinbau (Abb. 12.47):

Die Milz besteht aus der Milzkapsel, dem Stroma und dem Parenchym (rote und weiße Pulpa) 1. Milzkapsel und Stroma Die Milz besitzt außen eine aus kollagenen und elastischen Fasern bestehende Kapsel, Capsula oder Tunica fibrosa, die außen von Peritoneum viscerale überzogen wird. Von der Kapsel senken sich bindegewebige Balken, Trabeculae splenicae (lienales), in das Innere des Organs fort und bilden dort ein dreidimensionales Gerüstwerk, das Stroma der Milz. In den Balken verlaufen die größeren Blutgefäße. Kapsel und Balken enthalten bei jenen Tieren, deren Milzen starke Erythrozytenspeicher sind, glatte Muskelzellen, die für die Entleerung notwendig sind. 2. Parenchym. In den Räumen des bindegewebigen Gerüstwerkes befindet sich eine weiche, auswaschbare Masse, die Milzpulpa, Pulpa splenicae (lienales): Rote Pulpa, Pulpa rubra: Sie besteht aus einem blutreichen (rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen) retikulären Bindegewebe und aus einem Netzwerk großlumiger Bluträume, den Milzsinus, Sinus splenicae (lienales). Weiße Pulpa, Pulpa alba: Sie wird von den größeren Arterienästen mit ihren Lymphgewebs-

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

980

Milzretikulum Milzsinus

2 1

3

Pinselarteriolen und Hülsenkapillaren

Sekundärfollikel mit Zentralarterie Pulpaarterie mit lymphoretikulärer Scheide Balkenvene, Balkenarterie

Abb. 12.47: Schema des Aufbaues der menschlichen Milz. Arterieller Teil des Milzkreislaufes ist rot, venöser Teil blau, Milzretikulum grau, 1 und 2 = Mündung des arteriellen Teils direkt in die Sinus („geschlossener Kreislauf“), 3 = Mündung in das Milzretikulum („offener Kreislauf“)

scheiden und den Noduli lymphoidei splenici, den Malpighi-Körperchen, Milzknötchen oder Milzfollikeln, gebildet. Das retikuläre Gerüst der Milz ist nach Entfernung der Lymphozyten durch Ausspülung des Organs mit physiologischer Kochsalzlösung gut erkennbar („durchspülte Milz“). Es beinhaltet, neben den Retikulumzellen und Lymphozyten, noch Granulozyten, Erythrozyten, Monozyten, Plasmazellen und Phagozyten (Makrophagen). 3. Milzkreislauf Die Milz ist, im Gegensatz zu den Lymphknoten, in den Blutkreislauf eingeschaltet. Nach ihrem Eintritt in die Milz, verlaufen die großen Äste der A. splenica in den bindegewebigen Balken (Balken- oder Trabekelarterien). Kleinere Äste verlassen die Balken und treten in die rote Pulpa ein (Pulpaarterien). Sie werden von

einer Scheide aus retikulärem Bindegewebe mit Lymphozyten umgeben. Die Äste der Pulpaarterien treten in knötchenartige Lymphozytenhaufen der Milz, in die Milzkörperchen, ein. Diese bestehen aus einem Netz von Retikulumzellen, in dessen Maschen zahlreiche Lymphozyten eingelagert sind. Ist diese Einlagerung gleichmäßig, so spricht man von Primärfollikeln. Findet man am Milzknötchen eine dichtere (dunkle) Außenzone und eine hellere, lymphozytenarme Innenzone (Keim- oder Reaktionszentrum), so bezeichnet man sie als Sekundärfollikel. Milzfollikel Neugeborener sind stets Primärfollikel. Mit dem Einsetzen der Immunabwehr wandelt sich eine variable Zahl der Primärfollikel durch Ausbildung eines Keimzentrums in Sekundärfollikel um. In den Keimzentren finden Zellteilungen statt. In den Randbezirken der Lymphfollikel liegen, neben Retikulumzellen, vor allem B-Lymphozyten, aus letzteren hervorgegangene Plasmazellen und

12.2 Oberbauch und seine Eingeweide

981

Makrophagen. Sekundärfollikel der Milz können sich in Primärfollikel zurückverwandeln. Der Ast der Pulpaarterie im Milzknötchen wird Zentralarterie genannt (Abb. 12.47). Sie ist eine Endarterie (s. Kap. 2.3.2.16, S. 66). Nachdem sie das Knötchen durch Abgabe von Kapillaren versorgt hat, verlässt sie dieses und teilt sich pinselartig in 40–60 Arteriolen auf, Penicilli oder Pinselarteriolen. Aus diesen gehen, unter weiterer Verzweigung, Kapillaren hervor, die von eiförmigen, aus Makrophagen bestehenden Hülsen umgeben sind (Hülsenkapillaren). Die Funktion der Hülsen ist noch umstritten (Sphinkteren?).







Nach Verlassen der Hülsenkapillaren kann das Blut 2 verschiedene Wege beschreiten: • Geschlossener Milzkreislauf: die Mehrzahl der Fortsetzungen der Hülsenkapillaren mündet, jedenfalls beim Menschen, trichterförmig in die Milzsinus, die den Venen vorgeschaltet sind. Die Sinus bilden ein vielfach anastomosierendes Netzwerk in der roten Pulpa. • Offener Milzkreislauf: Nach einer anderen Version mündet wenigstens ein geringerer Teil der Kapillaren zunächst in das Schwammwerk des lymphoretikulären Bindegewebes der roten Pulpa und gelangt erst aus diesem in die Milzsinus. Über die Pulpavenen kommt das Blut aus den Milzsinus in die Balkenvenen und aus diesen in die Milzvene. £ Funktionen der Milz

• Speichermilz: Das Milzretikulum und die Milzsinus sind beim Menschen weniger als bei Tieren mit großen Milzen (Pferd, Hund, Katze) wichtige Blutspeicher und können bis zu 16 % des gesamten Blutvolumens aufnehmen. Das Fassungsvermögen der Milz und die Verweildauer des Blutes in ihr wird durch den Kontraktionszustand der feinsten Arterien und der Arteriolen, ferner durch die glatten Muskelzellen der Kapsel und der Tra-

• •

bekel reguliert. Gespeichert werden hauptsächlich die Blutzellen. Das Blutplasma wird in die Venen oder in das Lymphsystem abgefiltert. Stoffwechsel- oder Abwehrmilz: Bei der lymphozyten- und sinusreichen Milz des Menschen macht das lymphatische Gewebe 15–30 % des Gesamtvolumens aus. Ab Mitte des 3. Schwangerschaftsmonats bis zum 8. Fetalmonat ist die fetale Milz an der Erythropoese beteiligt. In der Fetalzeit findet in ihr auch eine geringe Granulozyten- und Thrombozytenbildung statt. Das Hohlraumsystem der Milzpulpa ist postnatal reich an Makrophagen, Retikulumzellen und Monozyten. Diese dem mononukleären Phagozytensystem (MPS) zugehörenden Zellen dienen der unspezifischen Abwehr, indem sie schädliche Substanzen und Mikroorganismen phagozytieren. Die in den Milzknötchen gespeicherten B-Lymphozyten sind Träger der humoralen, die in den perivaskulären Lymphozytenscheiden der Pulpaarterien liegenden T-Lymphozyten der zellulären Immunität. Neben der Leber und dem Knochenmark ist die Milz am Abbau der Erythrozyten (Blutmauserung) zu etwa 30 % beteiligt. Die Milz ist zusammen mit den Lymphknoten als Bildner von Plasmazellen und Lymphozyten bei der Immunreaktion tätig. Sie kann Antigene aufnehmen und abbauen. Sie ist Speicher und Abbauort für die bei der Blutgerinnung wichtigen Thrombozyten. Klinik: Trotz dieser Funktionen ist die Milz kein lebenswichtiges Organ. Da sie nur etwa 1/3 des lymphatischen und mononukleären Systems repräsentiert, wird nach ihrer Entfernung (Splenektomie) die Funktion vom übrigen MPS übernommen (in Lymphknoten, Leber, Knochenmark). In letzter Zeit wird allerdings vor allzu bedenkenloser Entfernung der gesamten Milz gewarnt, weil Fälle von postoperativer Immunschwäche beobachtet wurden.

982

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide Lernziele: Darmabschnitte, Peritonalverhältnisse, peritoneale Falten und Buchten Im Inneren der Cavitas peritonealis erstreckt sich der Unterbauch von der Radix des Mesocolon transversum nach kaudal. Seitlich ist der untere Abschluss durch das Lig. inguinale gegeben; in der Mitte setzt sich die Peritonealhöhle in das kleine Becken fort (Abb. 12.8). An der Körperoberfläche entspricht seine Ausdehnung in der Mitte der Regio umbilicalis, seitlich davon den Regiones laterales und kaudalwärts der Regio pubica mit den seitlich liegenden Regiones inguinales. Organe des Unterbauches: Dünndarm und Dickdarm, daher auch Darmbauch genannt. Peritoneale Falten und Buchten: An der Flexura duodenojejunalis, an der Valva ileocaecalis, Sulci paracolici, Recessus intersigmoideus.

12.3.1 Topographischer Überblick £ Schlägt man das große Netz, Omentum majus,

nach oben über den Rippenbogen, überblickt man den gesamten Dickdarm. Er umrahmt rechts mit seinem aufsteigenden Schenkel, Colon ascendens, kranial mit dem querliegenden Schenkel, Colon transversum, und links mit dem absteigenden Schenkel, Colon descendens, das gesamte Dünndarmkonvolut (Abb. 12.48). Mit dem Netz wird auch das Colon transversum nach oben geklappt, wodurch seine dorsale Seite nach ventral gerichtet wird und so zur Ansicht gelangt. An ihm erkennt man zahlreiche Ausbuchtungen, Haustra coli (Abb. 12.49), kleine, fettgefüllte Serosaanhängsel, die Appendices epiploicae, und eine der 3 Verdickungen der Längsmuskulatur, die Taenia libera, welche beim Colon ascendens und descendens nach ventral schaut. An der Taenia mesocolica setzt das Mesocolon transversum an, beim auf- und absteigenden Dickdarmschenkel liegt sie jeweils medial und dorsal. Die Taenia omentalis ist beim Colon transversum vorne, wo das große Netz mit dem Dickdarm verwächst, beim Colon

ascendens und descendens liegt diese Taenia jeweils dorsolateral. Zieht man das Colon transversum nach ventral und kranial, so wird in ganzer Ausdehnung die quere Bauchfellfalte des Mesocolon transversum frei, das von der hinteren Bauchwand zum Querkolon zieht (Abb. 12.50) und das den oberen vom unteren Bauchraum trennt. Der Dickdarm beginnt in der rechten unteren Bauchgegend mit dem 6–8 cm langen, unterhalb der Einmündungsstelle des Dünndarmes gelegenen Blinddarm, dem Caecum. Der Blinddarm liegt in der Fossa iliaca dextra auf dem M. iliacus und dem M. psoas major. Ist er gefüllt, so berührt er oberhalb der Mitte des Leistenbandes die vordere Bauchwand. Ist er leer, so schieben sich das große Netz und Dünndarmschlingen vor ihn. Das Bauchfell überzieht das Caecum wechselnd weit. Dadurch wird es mehr oder weniger beweglich (häufig, besonders im Alter, ein Caecum mobile). In der Nähe des Caecum finden sich verschiedene Bauchfelltaschen und -falten. £ Der Wurmfortsatz, Appendix vermiformis, geht von der dorsomedialen Seite des Blinddarmes ab. Beim Erwachsenen ist er meistens scharf gegen den Blinddarm abgesetzt. Beim Neugeborenen geht er trichterförmig in ihn über. Die 3 Tänien des Caecum setzen sich auf den Wurmfortsatz fort und bilden auf ihm eine einheitliche Längsmuskellage. Ist der Wurmfortsatz schwer zu finden, so weist uns die Taenia libera, vorn und medial auf dem Colon ascendens und Caecum verlaufend, zu ihm den Weg. An der medialen Seite hat er ein eigenes Gekröse, die Mesoappendix, in der die kleine Arterie für den Wurmfortsatz, die A. appendicularis, liegt. Die Lage des Wurmfortsatzes wechselt sehr. £ Das Colon ascendens, etwa 25 cm lang, erstreckt sich vom Caecum bis zur Unterfläche des rechten Leberlappens. Dorsal ist es wechselnd breit mit der hinteren Bauchwand verwachsen und dort auf dem M. iliacus, dem M. quadratus lumborum und dem unteren Nierenpol angelagert. Vorn und seitlich ist es vom Peritoneum überzogen. Man kann daher das Colon ascendens und descendens, die ähnliche Lageverhältnisse zeigen, von dorsal her operativ angehen, ohne die Peritonealhöhle zu eröffnen.

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

983

Omentum majus (hochgeschlagen) Haustra coli

Taenia libera

Colon transversum

Jejunum Flexura coli dextra Mesenterium Colon ascendens Recessus ileocaecalis sup. Caecum

Colon descendens Appendices epiploicae

Ileum Colon sigmoideum

lat. Fossa inguinalis med.

Plica umbilicalis lateralis Plica umbilicalis medialis Plica umbilicalis mediana

Abb. 12.48: Lage der Darmschlingen. Colon transversum mit Omentum majus nach oben geschlagen

Vor dem Colon ascendens liegen gewöhnlich Dünndarmschlingen und das Omentum majus. £ Das Colon transversum, etwa 50 cm lang, beginnt mit der Flexura coli dextra unterhalb der Facies visceralis des rechten Leberlappens und verläuft in einem nach unten konvexen Bogen zur Flexura coli sinistra. Es hängt an einer von der hinteren Bauchwand entspringenden Bauchfellplatte, dem Mesocolon transversum. Die Ursprungslinie des Mesocolon transversum, Radix mesocolica, (Abb. 12.8) steigt von rechts nach links leicht an, zieht über den unteren Pol der rechten Niere, über den absteigenden Schenkel des Zwölffingerdarmes, über den Vorderrand der Bauchspeicheldrüse beinahe

bis zum vorderen Pol der Milz. Das wechselnd lange Mesocolon transversum ermöglicht die Beweglichkeit des Colon transversum. Die physiologischen Lageänderungen werden durch die Füllung, die Körperlage und den Füllungszustand des Magens und des Dünndarmes beeinflusst. Normal soll es nicht über die Verbindungslinie der tiefsten Punkte der Rippenbogen nach unten reichen. In Extremfällen kann man es im kleinen Becken und sogar in Leistenhernien finden. Nach oben lagert sich das Colon transversum an die Facies visceralis der Leber, an die Gallenblase (Durchbruch von Gallensteinen in den Dickdarm), an die große Magenkurvatur und an die Facies visceralis der Milz. Über die

984

Abb. 12.49: Röntgenbild des Dickdarmes. Doppelkontrastdarstellung. (Institut für Klinische Strahlenkunde der Universität Mainz, Direktor: Prof. Dr. med. L. Diethelm)

£

£

£

£

Vorderfläche zieht das große Netz hinweg und ist mit ihr wechselnd stark verwachsen. Die Flexura coli dextra ist nicht selten durch ein Lig. hepatocolicum, einer Verbreiterung des Lig. hepatoduodenale, mit der Leber verbunden. Die Flexura coli sinistra liegt weiter kranial und mehr dorsal als die Flexura coli dextra. Bei starker Füllung kann sie sich zwischen Magen und Milz schieben. Sie ist mit einer lateral gelegenen Bauchfellfalte, Lig. phrenicocolicum (Abb. 12.8), am Zwerchfell befestigt. Auf der kranialen Fläche dieser Falte ruht der vordere Milzpol (Milznische). Das Colon descendens, etwa 25 cm lang, ist wie das Colon ascendens nur vorn und seitlich vom Peritoneum überzogen, hinten breit mit der hinteren Bauchwand verwachsen (Abb. 12.8). Es zieht von der Flexura coli sinistra bis zur Höhe des linken Darmbeinkammes. Vorn ist es meistens von Dünndarmschlingen bedeckt. Sulci paracolici sind seichte Buchten lateral vom Colon ascendens und descendens. Der anschließende Dickdarm, das Colon sigmoideum, ist mit einem verschieden langen Mesocolon sigmoideum versehen. Mit der Länge des Mesocolon sigmoideum wechseln die Länge, die Krümmung und die Lage des Colon sigmoideum außerordentlich. Bei einer mittleren Länge

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

von etwa 45 cm bildet das Sigmoid (auch Sigma genannt) meist 2 Krümmungen, die zusammen ein S ergeben: eine orale oder Kolonschlinge und eine anale oder Rektumschlinge. Es steigt vom linken Darmbeinkamm über den M. iliacus ab in die Fossa iliaca sinistra und zieht über den M. psoas abwärts ins kleine Becken. Vor dem 2.–3. Kreuzbeinwirbel geht es in das Rektum über. Ist das Sigmoid sehr lang, so kann es nach rechts und kranial bis an die Leber reichen, wobei es zwischen den Dünndarmschlingen verborgen sein oder auch direkt der Bauchwand anliegen kann. Die Länge des Sigmoids schwankt zwischen 15 und 67 cm. Neben seiner Länge wird die Lage des Sigmoids noch durch den Füllungszustand und den Zustand der Nachbarorgane beeinflusst. Sind Harnblase und Rektum gefüllt, wird es aus dem kleinen Becken nach oben gedrängt. £ Die Haftlinie des Mesocolon sigmoideum beginnt an der Crista iliaca, steigt in die Fossa iliaca ab und erreicht den lateralen Rand des M. psoas. Hier biegt sie nach oben um, steigt am lateralen Psoasrand aufwärts und überkreuzt an ihrem höchsten Punkt den linken Ureter und zieht dann nach medial und kaudal bis zum Promontorium. Hier biegt sie wiederum scharf um und steigt ab bis zum Beginn des 3. Sakralwirbels. Schlägt man das Mesocolon sigmoideum nach kranial um, so wird am höchsten Punkt der Haftlinie des Mesocolon sigmoideum eine nach kranial gerichtete Bauchfelltasche, der Recessus intersigmoideus sichtbar. Wird bei hochgeklapptem Omentum majus das Dünndarmkonvolut nach rechts geschlagen, so wird die Flexura duodenojejunalis links der Mittellinie unmittelbar unterhalb der Wurzel des Mesocolon transversum sichtbar (Abb. 12.50, 51). An dieser Stelle tritt der fixierte, sekundär retroperitoneale Abschnitt des Dünndarms, das Duodenum, unter Bildung von Peritonealfalten und Taschen (s. u.) aus der hinteren Bauchwand hervor und geht in den intraperitonealen oder beweglichen Teil des Dünndarmes über. Die Flexur wird durch die Verwachsung der Pars ascendens duodeni fixiert und durch den M. suspensorius duodeni, Treitz-Muskel, der aus dem periarteriellen Bindegewebe der A. mesenterica superior und der Aorta stammt. £ Der ganze freie Teil des Dünndarmes, von der Flexura duodenojejunalis bis zur Einmündung

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide Mesocolon transversum et A. colica media

985

Colon transversum

Omentum majus

Recessus duodenalis superior Flexura duodenojejunalis

Flexura coli sinistra

A., V. mesenterica superior Schnittrand d. Peritoneum viscerale A., V. mesenterica inferior

-

A.colica sinistra Colon descendens A., V. iliaca communis . --

A. rectalis superior Ureter

Mesocolon sigmoideum et Aa. sigmoideae Colon sigmoideum

Abb. 12.50: Lage der Flexura duodenojejunalis, des Recessus duodenalis superior, der A.u.V. mesenterica superior et inferior. Die Dünndarmschlingen sind nach rechts verlagert, das Colon transversum ist nach oben gezogen. Das Bauchfell ist teilweise entfernt, um die Lage der Gefäße zu zeigen

in den Dickdarm, ist an einer großen Bauchfellduplikatur, dem Mesenterium, aufgehängt. Die Ursprungslinie des Mesenterium, Radix mesenterii, (Abb. 12.8, 51) verläuft normal vom 2. Lendenwirbelkörper links schräg abwärts zum rechten Kreuzbein-Darmbeingelenk, schwankt aber in weiten Grenzen. In ihrem Verlauf überkreuzt sie das Duodenum zwischen Pars horizontalis und ascendens, somit auch die Aorta und im weiteren Verlauf die V. cava

inferior und den rechten Ureter (Abb. 12.8). Zwischen den beiden Blättern des Mesenterium verlaufen Nerven, Blut- und Lymphgefäße zum und vom Darm (Abb. 12.50). Auch Lymphknoten finden sich in ihm. Das lange Mesenterium gibt den Dünndarmschlingen eine große Bewegungsfreiheit. Trotzdem wird meistens ein gewisser Lageplan eingehalten, indem links oben der kraniale Abschnitt, das Jejunum, rechts unten der kaudale Teil, das Ileum, liegt. Durch

986

einfache Besichtigung kann man Jejunum und Ileum nur schwer unterscheiden, obschon es für Operationen wichtig ist. Tastet man die Schlingen durch, so erscheint die Wand der Jejunumschlingen dicker als die der Ileumschlingen, weil man in ersteren die Plicae circulares durchtastet. Außerdem zeigen Jejunumschlingen eine reichlichere Gefäßversorgung. £ Bauchfell im Becken. Das parietale Bauchfell setzt sich über die Linea terminalis hinweg in das kleine Becken fort und überzieht die Beckenorgane. • Männliches Becken: Hier überzieht das Bauchfell, von ventral nach dorsal betrachtet, den Scheitel und die Rückfläche der Harnblase, die Kuppen der Samenbläschen und schlägt dann auf den Mastdarm über. Die tiefe, zwischen Harnblase und Mastdarm gelegene Bucht wird Excavatio rectovesicalis genannt Bei starker Füllung nimmt die Harnblase das Bauchfell mit in die Höhe. Sie ist dann oberhalb der Symphyse ohne Eröffnung des Peritoneums operativ erreichbar. Bei der Entleerung sinkt das Bauchfell mit der Harnblase bis hinter die Symphyse herab und bildet auf ihr eine quere Reservefalte, die Plica vesicalis transversa. • Weibliches Becken: Hier schiebt sich zwischen Harnblase und Mastdarm die frontal gestellte Genitalplatte, die Gebärmutter mit Anhängen. Sie ist vom Bauchfell überzogen, teilt die Excavatio rectovesicalis in eine seichte, vordere Excavatio vesicouterina und die hintere, tiefe Excavatio rectouterina (Douglas-Raum). Letztere ist der tiefste Punkt der Peritonealhöhle, reicht nach unten bis an das hintere Scheidengewölbe und wird seitlich von den Plicae rectouterinae begrenzt. Mit der Muskulatur der Gebärmutter ist das Bauchfell fest verwachsen (Perimetrium). Von den Seitenwänden der Gebärmutter zieht das Bauchfell als Duplikatur zur Wand des kleinen Beckens (Lig. latum uteri). Ihr kranialer, dünner Teil umschließt den Eileiter und wird Mesosalpinx genannt. Von der Dorsalfläche des Lig. latum geht eine kleine Sekundärfalte, das Mesovarium, ab, die den Eierstock einschließt. Vom Eierstock zieht noch eine Falte senkrecht an der Beckenwand aufwärts, kreuzt die A.V. iliaca externa und enthält die A.V. ovarica (Lig. suspensorium ovarii). Bei der Frau steht die Bauchfellhöhle durch die innere Eileiteröffnung

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

(Ostium abdominale) mit der Außenwelt in Verbindung. £ Dünndarmschlingen und Teile des Sigmoids

füllen den vom Bauchfell ausgekleideten Raum des kleinen Beckens vollständig aus.

Klinik: 1. Da das Bauchfell Darmrohr, Leber, Milz, Pankreas, Harnblase und innere Genitalien überzieht oder vollständig einkleidet, können Entzündungen dieser Organe zu einer lokalen oder allgemeinen Bauchfellentzündung, Peritonitis, führen. 2. Sehr häufig beobachtet man dabei, dass das große Netz den Entzündungsherd, ob er nun vom Magen und Zwölffingerdarm, von der Gallenblase oder vom Wurmfortsatz ausgeht, abzukapseln sucht. Die Ausscheidungen eiweißreicher Flüssigkeit bei Peritonitis (Exsudate) können lokal oder auch allgemein organisiert werden, zur Verklebung oder Verwachsung großer Darmgebiete oder zu Strangbildungen führen. Solche Stränge können zur Abknickung, Verengung oder sogar zur Strangulation ganzer Darmteile führen. 3. Die normal geringe Peritonealflüssigkeit, die die Oberfläche der Bauchorgane feucht hält und das Gleiten gegeneinander erleichtert, kann bei Störungen des venösen Abflusses (Stauungen im Pfortaderkreislauf, Herzkrankheiten) schnell aus dem Blutgefäßsystem vermehrt ausgeschieden werden (eiweißarmes Transsudat, Aszites).

12.3.2

Peritonale Falten und Buchten

12.3.2.1 Flexura duodenojejunalis (Abb. 12.51) £ Recessus duodenalis superior. Dieser Recessus

liegt links von der Flexur. Er setzt sich nach links und oben unter einer sichelförmigen Peritonealfalte, der Plica duodenalis superior, fort. Diese bildet einen nach rechts unten konkaven Bogen und spannt sich von der hinteren Bauchwand zur Radix mesocolica aus. In der Falte kann die V. mesenterica inferior verlaufen (Vorsicht bei operativen Eingriffen). £ Recessus duodenalis inferior. Dieser Recessus kann kaudal vom oberen vorkommen. Nach rechts und unten dringt er unter einer Falte, der Plica duodenalis inferior, vor. Mit einem nach links oben konkaven Bogen zieht sie von der

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

987

1

Recessus ileocaecalis superior

3 2

4 Recessus ileocaecalis inferior

Abb. 12.51: Flexura duodenojejunalis mit Peritonealfalten und Buchten. 1 Recessus duodenalis superior, 2 Recessus duodenalis inferior, 3 Recessus paraduodenalis, 4 Recessus retroduodenalis

hinteren Bauchwand zur Pars ascendens duodeni. £ Recessus paraduodenalis. Die Verbindung der linken Ränder beider vorher genannten Falten ergibt die Plica paraduodenalis, hinter der sich nach links der Recessus paraduodenalis erstreckt. Die Falte kann auch als eigenständiges Gebilde vorliegen. Sie ist regelmäßig eine Gefäßfalte, in der die V. mesenterica inferior zur V. lienalis aufsteigt. £ Recessus retroduodenalis. Diese Tasche liegt hinter der Pars ascendens duodeni.

12.3.2.2 Valva ileocaecalis (Abb. 12.52) £ Recessus ileocaecalis superior. Diese Tasche

kann oberhalb des unteren Ileumendes vorkommen. Ihre Vorderwand wird von der Plica caecalis vascularis, einer Bauchfellfalte gebildet, die vom Mesenterium zum Caecum zieht und in ihrem freien Rande die A. caecalis anterior enthält, einen kleinen Ast der A. ileocolica. £ Recessus ileocaecalis inferior. Er liegt unterhalb des Ileum, im Winkel zwischen Ileum, Caecum und Appendix. Nach vorne wird er von der Plica ileocaecalis, die sich in diesem Winkel ausspannt, und nach hinten von der Mesoappendix begrenzt. £ Recessus retrocaecalis. Diese Bucht liegt zwischen dem freien Ende des Caecum und der hinteren Bauchwand. Nach oben wird sie durch die Verlötung des Colon ascendens mit

Recessus retrocaecalis

Abb. 12.52: Valva ileocaecalis mit Peritonealfalten und Buchten

der hinteren Bauchwand begrenzt. Lateral kann eine Peritonealfalte, die Plica retrocaecalis, die Bucht abschließen. Klinik: 1. Die Falten und Buchten entstehen häufig dort, wo retroperitoneale Darmabschnitte in intraperitoneale übergehen. Diese Taschen können gelegentlich durch vordringende Darmschlingen beachtlich erweitert werden. So entstehen innere Einklemmungen, Treitz-Hernien. 2. Auch die Taschen an der Valva ileocaecalis können Gelegenheit zu inneren Einklemmungen des Darmes geben. Häufig legt sich auch der Wurmfortsatz hinein.

12.3.2.3 Weitere Buchten £ Fossa

mesentericoparietalis (Waldeyer). Peritonealgrube kaudal der Flexura duodenojejunalis zwischen der Radix mesenterii und der Vorwölbung der Aorta (Abb. 12.8). £ Recessus intersigmoideus. Er befindet sich am höchsten Punkt der Haftlinie des Mesocolon sigmoideum mit der Bauchwand. Hinter seinem Peritoneum liegt der linke Ureter. Diese kaum für eine Fingerkuppe durchgängige, nach kranial gerichtete Bucht entsteht bei der Verwachsung des Mesocolon descendens mit der hinteren Bauchwand (Abb. 12.8).

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

988 £ Sulci paracolici. Sie sind seichte Taschen seit-

lich des Colon ascendens und descendens, die dadurch zustandekommen, dass kleine Bauchfellfalten (Plicae paracolicae) vom Dickdarm zum parietalen Peritoneum ziehen.

12.3.3

Übersicht über den Aufbau der Darmwand

Lernziele: Darmwandschichten, besondere Schleimhauteinrichtungen, enterisches Nervensystem, Darmflora

Die Darmwand besteht aus 3 „Hauptschichten“, jeweils Tunica, und 2 „Zwischenschichten“, jeweils Tela benannt. Schichtenfolge von innen nach außen (Abb. 12.53, 54) 1. Tunica mucosa 2. Tela submucosa 3. Tunica muscularis 4. Tela subserosa 5. Tunica serosa

Fg

Gg Goe

Gp

Epithel Tunica Lamina propria mucosa Lam.musc. mucosae Tela submucosa

Fl

Stratum circulare Tunica muscularis Stratum longitudinale Tunica serosa Oesophagus Corpus ventriculi Pylorus

Gd

Z K

Fl Fl K

Duodenum

Jejunum

Ileum

Fl

Colon

Abb. 12.53: Übersicht über den Aufbau des Magen-Darmkanals. Um die Dicke der Schichten in den einzelnen Darmabschnitten zu zeigen, sind alle Schnitte auf die Lamina muscularis mucosae ausgerichtet. Die Belegzellen des Magens sind rot, die Glandulae pyloricae hellgrau getönt. Vergr. 25 × Goe = Glandula oesophagea, Gd = Glandula duodenalis, Gg = Glandula gastrica, Fg = Foveola gastrica, Gp = Glandula pylorica, K = Krypte, Fl = Folliculus lymphaticus, Z = Zotte

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

989

1. Tunica mucosa (Mucosa). Sie besteht aus 3 Lagen:

Schnittrand des Mesenterium

£ Lamina epithelialis. Das einschichtige, mit

einem Bürstensaum versehene Darmepithel ist hochprismatisch, hat Ersatz-, Becher-, basalgekörnte und im Grunde der Lieberkühn-Drüsen die Paneth-Zellen. £ Lamina propria. Lockeres Bindegewebe, das die Drüsen, feinere Gefäße, Nerven sowie glatte Muskelzellen in den Zotten, Ansammlungen von Lymphozyten, die Folliculi lymphatici solitarii, enthält und das in die Zotten reicht. £ Lamina muscularis mucosae. Eine dünne, zweischichtige Lage glatter Muskulatur, die sich in die vorige Schicht fortsetzen kann. £ Schleimhautstrukturen der einzelnen

Darmabschnitte

• Duodenum: Plicae circulares (KerckringFalten), Zotten, Lieberkühn-Drüsen, in der Submucosa Brunner-Drüsen, Glandulae duodenales. Folliculi lymphatici solitarii. • Jejunum: Plicae circulares, Zotten und Lieberkühn-Drüsen. Folliculi lymphatici solitarii. • Ileum: Zotten und Lieberkühn-Drüsen. Keine Plicae circulares mehr! Folliculi lymphatici solitarii in der Lamina propria und Folliculi lymphatici aggregati (Peyer-Plaques) in der Submucosa (Abb. 12.54). • Colon: nur Lieberkühn-Drüsen, keine Zotten! Folliculi lymphatici solitarii. • Appendix vermiformis: Kolonschleimhaut mit besonders vielen, in die Submucosa reichenden Folliculi lymphatici aggregati, „Darmtonsille“. 2. Tela submucosa (Submucosa): Sie besteht aus locker angeordnetem Bindegewebe, enthält ein größeres Blut- und Lymphgefäß- und Nervennetz (Plexus submucosus Meißner) und ermöglicht die Verschiebung der Schleimhaut gegen die Muscularis. Im Duodenum enthält sie die Glandulae duodenales, Brunner-Drüsen. Sie durchbohren die Muscularis mucosae und münden in die Lieberkühn-Drüsen (Krypten); sie sind hell und sondern ein protein- und mukopolysaccharidhaltiges Sekret ab, das Amylase und Maltase beinhaltet. Außerdem aktiviert es die Pankreasenzyme. Folliculi lymphatici aggregati (Peyer-Platten, Plaques) durchbrechen die Lamina muscularis mucosae und liegen in der Submucosa im Ileum gegenüber dem Ansatz des Mesenterium. Sie bestehen jeweils

Noduli lymphoidei aggregati (Folliculi lymphatici aggregati)

Noduli lymphoidei solitarii (Folliculi lymphatici solitarii)

Abb. 12.54: Ileum am Mesenterialansatz abgeschnitten und teilweise längsgeschnitten. Folliculi lymphatici solitarii und aggregati

aus mehreren hundert Lymphfollikeln, haben eine Länge von 2–11 cm und eine Breite von 1 cm. Mit ihren Längsachsen sind die 15–50 Peyer-Platten in Längsrichtung des Darmes angeordnet. Klinik: Die Folliculi lymphatici sind beim Kind noch gut sichtbar. Bei Typhus und Ruhr zerfallen die Peyer-Plaques geschwürig. 3. Tunica muscularis (Muscularis): £ Stratum

longitudinale, Längsmuskelschicht (außen und dünner) £ Stratum circulare, Ringmuskelschicht (innen und stärker). Zwischen beiden Schichten liegt ein Nervengeflecht, der Plexus myentericus (Auerbach).

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

990

Plexus myentericus

Plexus submucosus externus

Plexus submucosus internus

Tunica mucosa Tela submucosa Stratum circulare

Stratum longitudinale

Mesenterium

Tunica muscularis

Abb.12.55: Ganglinonäre Plexus des ENS

4. Tela subserosa (Subserosa): Bindegewebsschicht unter dem Peritoneum, kann Fett aufnehmen (Appendices epiploicae). 5. Tunica serosa (Serosa): Das Bauchfell ist nicht überall vorhanden. Dort finden wir Adventitia. Enterisches Nervensystem (ENS) Als ENS wird das System von Neuronen und Gliazellen bezeichnet, das innerhalb der Wand des gesamten Magen-Darmkanals, der Gallenblase sowie im Pankreas gelegen ist. Enterische Neurone liegen mit ihren Zellkörpern im ENS, unabhängig davon, ob auch ihre Axone hier endigen. Die Zellkörper extrinsischer Neurone liegen dagegen außerhalb des ENS (im ZNS, in autonomen oder sensorischen Ganglien), während ihre Axone innerhalb des ENS endigen. Enterische Glia ist die Bezeichnung für die Gesamtheit der nichtneuronalen Hilfszellen. Funktion des ENS Das ENS koordiniert, teils hochgradig autonom, jedoch nicht isoliert vom restlichen Nervensystem und dem enteroendokrinen System, eine Reihe gastrointestinaler Funktionen: • Muskelfunktion (Peristaltik, Zottenbewegungen) • Schleimhautprozesse (Sekretion, Resorption)

• Durchblutung der Magen-Darm-Wand • immunologische Prozesse. Aufbau des ENS Mit Plexus entericus wird die histologische Grundstruktur des ENS bezeichnet. Dies sind flächenhafte Nervennetze, die in oder zwischen verschiedene Schichten der Magen-Darm-Wand eingelassen sind. Sie anastomosieren zahlreich und regelmäßig miteinander. Vorhandensein und Ausprägung aller unten genannten Plexus variieren regionen- und speziesspezifisch. Die 3 folgenden ganglionären, d. h. Nervenzellkörper enthaltenden Plexus sind im menschlichen Dünn- und Dickdarm vorhanden, während in Ösophagus und Magen nur der erste deutlich ausgeprägt ist (Abb. 12.55). • Der Plexus myentericus (Auerbach-Plexus) liegt zwischen Ring- und Längsmuskelschicht • der Plexus submucosus externus (SchabadaschPlexus) in der Submukosa, nahe der Ringmuskelschicht und • der Plexus submucosus internus (MeißnerPlexus) ist in der Submukosa nahe der Schleimhautmuskelschicht lokalisiert. Ein gesonderter intermediärer submuköser Plexus existiert im menschlichen Dünn- und Dickdarm, ist aber bislang weit weniger charakterisiert als die drei oben genannten. Aganglionäre, nur Nervenzellfortsätze und Glia beherbergende Plexus sind

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

• der Plexus subserosus zwischen Serosa und Längsmuskelschicht • der Plexus muscularis superficialis bei starker Ausprägung der Längsmuskelschicht innerhalb dieser gelegen • der Plexus muscularis profundus als stärkste Konzentration von Nervenfasern des zirkulären Muskelplexus der Ringmuskelschicht • der Plexus submucosus extremus zwischen dem Schabadasch-Plexus und der Ringmuskelschicht • der Plexus muscularis mucosae in der gleichnamigen Muskelschicht und • der Plexus mucosus als sehr nervenfaserreiches Geflecht in der gesamten Lamina propria der Schleimhaut. Klinik. Krankheitszustände mit ursächlicher oder wesentlicher Mitbeteiligung des ENS sind häufig durch abschnittsweise Degeneration, zahlenmäßige Verminderung (Hypoganglionose) oder völliges Fehlen (Aganglionose) enterischer Neurone gekennzeichnet und werden teilweise mit einer unzureichenden Migration enterischer Präkursoren aus der Neuralleiste in Verbindung gebracht (s. Kap. 3.5.1.2, S. 142). Die betroffenen Regionen weisen eine spastische Kontraktion der Muskulatur und andere Motilitätsstörungen auf, wie z.B. die Ösophagusachalasie, die Pylorushypertrophie (infantile oder kongenitale hypertrophische Pylorusstenose), die Neuronale Intestinale Dysplasie (NID) oder das kongenitale Megakolon (Morbus Hirschsprung). Darmflora Bakterienbesiedelung des gesamten Darmes. Im unteren Ileum finden sich ca. 103–106 Bakterien pro ml Darminhalt. Wesentlich mehr Keime (1010–1011) finden sich im Kolon. Etwa 400 Bakterienarten sind bekannt: 99 % davon sind anaerobe und nur 1 % aerobe Keime. Klinik: Störungen der Darmflora, wie durch Antibiotikagabe, können zu Diarrhoe führen.

991

12.3.4 Dünndarm, Intestinum tenue Lernziele: Teile, Länge, Lage, Beziehungen, Oberflächen vergrößernde Schleimhauteinrichtungen, Motorik, Gefäße, Nerven, Funktionen Zum Dünndarm gehören 1. Zwölffingerdarm, Duodenum (s. Oberbauch) 2. Leerdarm, Jejunum 3. Krummdarm, Ileum £ Entwicklung

Der gesamte Dünndarm entsteht aus dem Mitteldarm des primären Darmrohrs kaudal der Magenanlage. Das Duodenum entwickelt sich aus einer eigenen Anlage und das anschließenden Jejunoileum aus dem oralen Schenkel und einem kleinen Teil des analen Schenkels der Nabelschleife (s. Kap. 12.1.2, S. 932).

£ Darmlänge

Die Länge des Dünndarms beträgt an der Leiche durch den fehlenden Muskeltonus 5–6 m, kann aber noch beträchtlich länger sein. Beim Lebenden ist der Dünndarm kürzer als an der Leiche und man darf wohl eine Länge von 2,5–5 m annehmen. Vom Jejunoileum rechnet man 2/5 auf das Jejunum und 3/5 auf das Ileum.

£ Lage und Beziehungen

Das 30 cm lange und fixierte Duodenum liegt sekundär retroperitoneal und leitet zum Unterbauch über, zählt aber noch zu den Organen des Oberbauches. Das intraperitoneale Jejunoileum hängt beweglich am 10–20 cm langen Mesenterium und liegt in der Pars infracolica der Bauchhöhle. Dabei finden sich die Jejunalschlingen vorwiegend im linken oberen und die Ileumschlingen im rechten unteren Bauchraum. Das gesamte Dünndarmkonvolut wird vom Dickdarm umrahmt und ventral vom großen Netz und auch vom Mesocolon transversum, der unteren Hinterwand der Bursa omentalis überlagert. Meist sind es Ileumschlingen, die ins kleine Becken reichen und je nach Füllungszustand der Beckenorgane mit diesen in Beziehung treten.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

992

Plicae circulares

Schnittrand des Peritoneum

A., V. jejunalis

Nll. mesenterici et Vasa lymphatica

Abb. 12.56: Jejunumschlinge aufgeschnitten, um Plicae circulares zu zeigen. Am Mesenterium ist ein Teil des Bauchfells entfernt, um Arterien, Venen, Lymphgefäße und Lymphknoten sichtbar zu machen

£ Oberflächenvergrößerung der Dünndarm-

schleimhaut

Insgesamt wird damit die resorbierende Oberfläche auf 100 m² vergrößert: 1. Plicae circulares, Kerckring-Falten 2. Darmzotten, Villi intestinales, 3. Glandulae intestinales, Lieberkühn-Krypten oder Lieberkühn-Drüsen 4. Mikrovilli 1. Plicae circulares (Abb. 12.56): Bis zu 1 cm hohe, unverstreichbare Ringfalten, die Aufwerfungen von Schleimhaut und Submucosa darstellen. Sie beginnen 2–5 cm nach dem Pylorus, sind im Duodenum und Jejunum sehr zahlreich, werden allmählich seltener und niedriger und fehlen im

unteren (terminalen) Ileum vollständig. Sie vergrößern die Oberfläche um das 1,5-fache. 2. Villi intestinales (Abb. 12.57): Die gesamte Dünndarmschleimhaut ist mit feinen Zotten besetzt und erhält dadurch ein samtartiges Aussehen. Die 0,2–1,2 mm hohen Zotten sind im Duodenum und Jejunum am höchsten und zahlreichsten, werden im Ileum kürzer und seltener und fehlen auf der Oberfläche der Folliculi lymphatici. Im oberen Dünndarm sind die Zotten breiter, blattförmig, häufig mit sekundären Erhebungen versehen (Zwillings- und Drillingszotten), im unteren rundlich, pfriemenförmig. Die Zotten sind Ausstülpungen der Lamina epithelialis und der Lamina propria der Schleimhaut. Einzelne Muskelfasern der Lamina muscularis mucosae steigen in die Zotte auf. Die Villi vergrößern die Resorptionsfläche um das 5-

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

993

arteriovenöse Anastomose

Abb. 12.57: Dünndarmschleimhaut bei Lupenvergrößerung (6 ×). Zotten, Solitärfollikel (im Zentrum), Mündungen der Krypten (Kreise zwischen den Zotten)

fache. Jede Zotte enthält ein reiches Blutgefäßnetz, eine oder mehrere Arterien, die nach Spanner (Abb. 12.58) mit einem Endast ein reiches Kapillarnetz bilden, mit dem anderen eine direkte Verbindung zur Vene eingehen (arteriovenöse Anastomose s. Kap. 2.3.2.15, S. 64). Während der Verdauung fließt das gesamte Blut durch das Kapillarnetz, während der Ruhe dagegen der größere Teil durch die Anastomosen. Jede Zotte enthält noch ein axiales Lymph- oder Chylusgefäß, das aus dem Darmrohr die an Gallensäuren gebundenen Fettsäuren aufnimmt und in die Darmlymphgefäße abführt. Sie geben der Darmlymphe ein milchiges Aussehen (Chylus). Nach einer Fettmahlzeit kann man unter dem Bauchfell der Darmwand und des Mesenterium die milchigweißen Chylusgefäße mit bloßem Auge beobachten. Kohlenhydrate und Eiweiße werden durch das einschichtige, mit Stäbchensaum versehene hochprismatisches Epithel in das Blutkapillarnetz aufgenommen und über die Pfortader direkt der Leber zugeführt. Mechanismus der Füllung und Entleerung der Zotte: Durch den Schluss der arteriovenösen Anastomosen wird das Blutkapillarnetz stärker durchblutet, die Zotte vergrößert und aufgerichtet. Die Vergrößerung der Oberfläche und stärkere Durchblutung fördern die Resorption der Stoffe. Ist das zentrale Chylusgefäß gefüllt, so führt die Kontraktion der glatten Muskelzellen, die von der

Abb. 12.58: Blutgefäße einer Zotte (nach Spanner). Abführende Vene punktiert, Arterien schwarz

Lamina muscularis mucosae aus in die Zotte aufsteigen, zur Verkürzung und Entleerung der Zotte - Zottenpumpe. 3. Glandulae intestinales: sind über den gesamten Dünn- und Dickdarm verteilte, 0,3–0,4 mm lange, tubulöse Schläuche, die sich von der Darmoberfläche aus senkrecht in die Lamina propria einsenken (Abb. 12.53). Sie haben ein enges Lumen und ein einschichtiges hochprismatisches Epithel. Im Jejunum und Ileum finden sich im Drüsengrund die Paneth-Körnerzellen, die mit azidophilen, apikal gelegenen Granula gefüllt sind. Sie sind exokrine Drüsenzellen, die ein Sekret gegen bestimmte Mikroorganismen absondern und zur Kontrolle der Darmflora dienen sollen. In der Drüse finden wir meistens zahlreiche Mitosen. Die neuen Zellen dienen zum Ersatz der verloren gegangenen. Sie rücken innerhalb von 36 Stunden aus der Tiefe auf die Schleimhaut und zur Spitze der Zotten vor, wo sie nach 48 Stunden abgestoßen werden. 4. Mikrovilli der Darmepithelien: Sie befinden sich in großer Zahl an der freien Oberfläche der resorbierenden Darmzellen (Saumzellen, Entero-

994

zyten), können sich aktiv verkürzen und sind reich an Zucker- und Eiweiß spaltenden Enzymen. In ihrer Gesamtheit bilden sie den Bürstensaum des Dünndarmes. Sie leisten den wichtigsten Beitrag zur Vergrößerung der resorbierenden Oberfläche, indem sie diese auf insgesamt 100 m2 vergrößern. Klinik: Störungen der Funktion des Darmepithels führen, vor allem bei Säuglingen, durch mangelhafte Resorption aus dem Darm in die Blut- oder Lymphbahn zu schweren Mangelerscheinungen (Malabsorption), die mit Durchfall, Gewichtsabnahme, Muskelschwäche, Hautveränderungen und Anämie einhergehen. Dünndarmepithelzellen 1. Saumzellen, Enterozyten (s. o.) 2. Paneth-Körnerzellen (s. o.) 3. Becherzellen: Sie liegen zwischen den Saumzellen und ihre Zahl nimmt analwärts zu. Sie bilden eine schützende Schleimschicht, welche die Gleitfähigkeit des Darminhaltes erhöht. 4. Hormon bildende Zellen, enteroendokrine Zellen: Sie liegen im Verband des Dünndarmepithels und bilden gastrointestinale Peptidhormone (Gastrin, Somatostatin, Serotonin, Sekretin u. a.), die die Sekretion im Magen und Darm sowie die Aktivität von Leber und Pankreas steuern. Ihre Sekretgranula liegen, im Gegensatz zu den PanethZellen, im basalen Teil der Zelle (basalgekörnte Zellen). Es lassen sich bis zu 20 verschiedene Zelltypen im Magendarmkanal unterscheiden. Ähnliche Zellen finden sich in der Bauchspeicheldrüse und in der Gallenblase. Dünndarmmotorik Die Tunica muscularis des Dünndarmes führt verschiedene Bewegungen aus: • Pendelbewegungen • Segmentationsbewegungen • Wellenbewegungen, Peristaltik Die Pendel- und Segmentationsbewegungen dienen der Durchmischung des Darminhaltes. Pendelbewegungen sind abwechselnde Verkürzung und Verlängerung eines Darmabschnittes, wodurch der Chymus hin- und hergetrieben wird. Bei Segmentationsbewegungen kommt es nebeneinander zu

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

Einschnürungen und der Darm wird in Segmente zerlegt. Diese Einschnürungen verschwinden wieder und entstehen sogleich an anderen Stellen, wodurch der Darminhalt „geknetet“ wird. Diese rhythmischen Mischbewegungen erfolgen im kranialen Dünndarm alle 3–4 Sekunden, im kaudalen Dünndarm alle 4–12 Sekunden. Sie werden wahrscheinlich durch das Cholin bzw. Azetylcholin des Darmes ausgelöst und durch den Plexus myentericus geregelt. Die peristaltischen Bewegungen befördern den Inhalt des Dünndarmes in den Dickdarm. Zäkalwärts von den Kontraktionsringen erschlafft die Darmwand, der Kontraktionsring wandert kaudalwärts und treibt den Inhalt vor sich her. Erhöhung des Innendruckes im Darm, die Darmfüllung, löst die Peristaltik aus. Sie wird vom Plexus myentericus gesteuert. Die Zottenbewegungen kontrolliert der Plexus submucosus. Vagus und Sympathicus wirken auf die Wandspannung und damit auf die Peristaltik. Der Vagus (auch psychische Erregung) fördert, der Sympathicus hemmt sie. Die Peristaltik ist immer zäkalwärts gerichtet. Klinik: Ist ein Darmstück gelähmt, so können sich die Schlingen ineinander schieben und es kommt zum paralytischem Ileus, Darmverschluss. £ Gefäße und Nerven des Dünndarmes

Gefäße Arterien (Abb. 12.59) An der Pars descendens duodeni anastomosieren Äste des Truncus coeliacus mit Ästen der A. mesenterica superior. Das Duodenum wird also von beiden Gefäßbezirken versorgt, der freie Dünndarm nur von der A. mesenterica superior. A. mesenterica superior. Sie entspringt direkt unterhalb des Truncus coeliacus vor dem 1. Lendenwirbel und hinter dem Pankreas (Abb. 12.41) aus der Aorta. Sie zieht durch die Incisura pancreatis, gelangt zwischen Pars horizontalis und ascendens duodeni zwischen die beiden Blätter des Mesenterium und schickt einen ihrer Endäste (A. ileocolica) in der Radix mesenterii (Abb. 12.59) bis zur Ileozäkalgegend. In ihrem Verlauf gibt sie zum Dünndarm und auch zum Dickdarm Äste ab:

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

995

Colon transversum Omentum majus A. colica media

Mesocolon transversum

A. colica dextra

A., V. mesenterica superior

Pars inf. duodeni Colon ascendens

Aa. jejunales

A. ileocolica Mesenterium

Einmündung des Ileum A. caecalis anterior

Aa. ileales

Mesoappendix Appendix vermiformis

Abb. 12.59: Verzweigungsgebiet der A. u. V. mesenterica superior. Der Dünndarm ist nach links unten, das Colon transversum nach oben gezogen. Zwischen Mesenterium und Mesocolon transversum scheint die Pars horizontalis duodeni durch das parietale Bauchfell

w Zum Dünndarm entlässt sie als ersten Ast

die A. pancreaticoduodenalis inferior. Sie entspringt in der Incisura pancreatis, verläuft zwischen Pars inferior duodeni und dem Caput pancreatis und anastomosiert mit der A. pancreaticoduodenalis superior aus dem Versorgungsgebiet des Truncus coeliacus (Abb. 12.43). w Die Aa. jejunales et ileales sind 14–16 Äste, die von der linken Seite des Hauptstammes zum Jejunum und Ileum abgehen. Bevor sie die Darmwand erreichen, teilen sie sich mehrmals, bilden jedes Mal mit dem benachbarten Ast eine Anastomose. So entstehen 3–4 zum Darm hin immer kleiner werdende Gefäßbögen (Arka-

den), aus denen gerade Äste zum Darm ziehen. Diese Äste stehen im Jejunum etwas dichter als im Ileum (im Jejunum durch Plicae circulares besonders vergrößerte Darmoberfläche) und anastomosieren nochmals in der Submucosa in einem grobmaschigen Gefäßnetz. Venen Die Dünndarmvenen entsprechen den gleichnamigen Arterien. Sie fließen zur V. mesenterica superior, die rechts der A. mesenterica superior durch die Incisura pancreatis zieht, um hinter dem Pankreaskopf in die Pfortader zu münden.

996

Lymphgefäße In der Darmwand liegt ein submuköses, ein intermuskuläres und ein subseröses Netzwerk. Das submuköse Netz sammelt größtenteils den Chylus aus den Zotten, die intermuskulären und subserösen Netze hängen mit dem submukösen zusammen und führen die Lymphe der Darmwand ab. Die Lymphgefäße ziehen mit den Arterien (Abb. 12.56) und werden im Mesenterium durch 100–200 Lymphknoten mehrmals unterbrochen. Besonders viele kleine Lymphknoten, Nll. juxtaintestinales, liegen am Mesenterialansatz, größere Knoten, Nll. mesenterici superiores centrales, in der Mitte des Gekröses. Von hier fließt die Lymphe zu den großen Nll. mesenterici superiores, nahe der Radix mesenterii, wo sich alle Darmlymphgefäße zum Truncus intestinalis vereinigen, der im Hiatus aorticus in die Cisterna chyli mündet. Nerven Die vegetativen Nerven kommen aus dem Ganglion coeliacum und dem Ganglion mesentericum superius. Sie begleiten als Plexus mesentericus superior die Gefäße. Die sympathischen Fasern erreichen die Ganglien über die Nn. splanchnici, die parasympathischen Fasern über den Truncus vagalis posterior. Das intramurale (intrinsische) Nervensystem besteht aus vegetativen Nervenfasern und Ganglienzellen, zu ihm gehören der Plexus myentericus Auerbach zwischen den beiden Muskellagen und der Plexus submucosus Meißner. £ Funktionen des Dünndarmes

• Verdauung des im Magen vorbereiteten Chymus. Die Lieberkühn-Drüsen sondern den Darmsaft, Succus entericus, ab. Er enthält neben Schleim und abgestoßenen Epithelzellen eine Reihe von Enzymen. Im Pankreas werden Eiweiß spaltende Enzyme als Vorstufen (z. B. Trypsinogen, Chymotrypsinogen) gebildet und im Duodenum durch die Enterokinase aktiviert. In bereits aktiver Form sezerniert das Pankreas die Fett spaltende Lipase, die allerdings nur in Anwesenheit von Galle wirksam ist. Lokale, mechanische (Füllung) und chemische Reize (Gallensaft, Pankreassaft) regen die Sekretion des Darmsaftes an und beeinflussen seine Zusammensetzung. Der N. vagus regt die Sekretion nicht an, vermag aber das Sekret zu konzentrieren.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

• Resorption: Aufnahme resorbierbarer Stoffe durch aktive Zellleistung der Saumzellen und Weitergabe in das Gefäßsystem. Fette gelangen über den Lymphweg Richtung Ductus thoracicus, alle anderen Stoffe in den Pfortaderkreislauf. Bei gemischter Kost resorbiert der menschliche Dünndarm alle verdauungs- und aufnahmefähigen Stoffe. • Weitertransport nicht resorbierbarer Stoffe zum Dickdarm. • Hormonproduktion: Enteroendokrine Hormone des gastrointestinalen Systems steuern gemeinsam mit dem autonomen Nervensystem die Arbeit des Verdauungsapparates. • Immunabwehr durch das reichliche lymphatische Gewebe in der Darmwand.

12.3.5

Dickdarm, Intestinum crassum

Lernziele: Teile, Länge, äußere Kennzeichen, Feinbau, Valva ileocaecalis, Caecum, Appendix, Lage, Gefäße, Nerven, Nerven, Motorik, Funktion Der Dickdarm besteht aus dem Blinddarm und dem Grimmdarm: 1. Blinddarm mit Wurmfortsatz, Caecum mit Appendix vermiformis 2. Aufsteigender Grimmdarm, Colon ascendens 3. Querer Grimmdarm, Colon transversum 4. Absteigender Grimmdarm, Colon descendens 5. S-förmiger Grimmdarm, Colon sigmoideum

12.3.5.1 Aufbau und Funktion £ Entwicklung

Aus dem analen Schenkel der Nabelschleife entstehen das Caecum, das Colon ascendens und das Colon transversum. Ab der primären Colonflexur, der späteren Flexura coli sinistra, entstehen aus dem primären Darmrohr die restlichen Dickdarmabschnitte und der Mastdarm (s. Kap. 12.1.2, S. 932). £ Lage und Beziehungen s. Kap. 12.3.1, S. 982

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

997

£ Äußere Kennzeichen des Dickdarms

Der 1–1,5 m lange Dickdarm ist je nach Muskeltonus, Füllung oder Anlage verschieden weit (an der Leiche 5–8 cm Durchmesser). Stark kontrahierter Dickdarm kann wesentlich dünner sein als erschlaffter oder aufgeblähter Dünndarm.

Folgende Merkmale lassen den Dickdarm sicher vom Dünndarm unterscheiden:

Tunica serosa Stratum longitudinale Stratum circulare Tela submucosa Tunica mucosa Mesenterium

a

1. Taeniae coli, 2. Haustra, 3. Plicae semilunares, 4. Appendices epiploicae 1. Taeniae coli (Abb. 12.60): 3 etwa 1 cm breite Binden, Verdickungen der sonst schwachen Längsmuskulatur. Dabei unterscheiden wir: Taenia mesocolica: am Ansatz des Mesocolon, Taenia omentalis: am Ansatz des Omentum majus, Taenia libera: nicht verwachsene und frei sichtbare Tänie. 2. Haustra (Haustrum = Schöpfgefäß): Ausbuchtungen zwischen den Tänien, die durch Einschnürungen gegeneinander abgesetzt sind (Abb. 12.49, 61). Diesen äußeren Einschnürungen der Darmwand entsprechen innen die 3. Plicae semilunares (Abb. 12.61): diese halbmondförmigen Falten sind keine konstanten Gebilde, sondern Kontraktionsfalten. Bei der Röntgenuntersuchung kann man beobachten, wie sie den Darm entlang wandern. Die jeweils zwischen den kontrahierten Muskelzügen gelegenen, erschlafften Stellen nennen wir Haustra. Die Plicae circulares des Dünndarms dagegen sind konstant und betreffen nur die Mukosa. 4. Appendices epiploicae (Abb. 12.60): lappenförmige Serosaanhängsel, kommen am Colon transversum in einer, am Colon ascendens und descendens in zwei, einer ventralen und einer medialen Reihe, vor. Bei Neugeborenen sind sie fettlos, bei Erwachsenen nehmen sie Fett auf, bei fettleibigen Personen können sie nussgroß sein. Feinbau 1. Die Schichten sind die gleichen wie beim Dünndarm. Die Schleimhaut trägt keine Zotten (Abb. 12.53), aber Lieberkühn-Drüsen, die gegen den Mastdarm hin länger werden und keine PanethZellen enthalten; das Epithel ist ähnlich dem des Dünndarmes, hat aber mehr Becherzellen. Der von

Taenia libera

Appendix omentalis (Appendix epiploica)

Mesocolon

Taenia mesocolica

b

Taenia omentalis

Abb. 12.60: Schema der Wandschichten des Dünndarmes (a) und des Colon transversum (b)

ihnen abgesonderte Schleim hilft den Kot formen und macht die Oberfläche schlüpfrig für den Durchtritt durch die Afteröffnung. Die Ringmuskelschicht ist überall gleich stark und ihre Kontraktion bewirkt die Plicae semilunares. Die Längsmuskelschicht ist zu den 3 Tänien verdichtet (Abb. 12.60). Klinik: Erworbene Ausstülpungen der Darmschleimhaut durch Lücken in der Darmwandmuskulatur nennt man Divertikel. Von einer Divertikulose wird gesprochen, wenn zahlreiche entzündungsfreie Divertikel im Darm vorliegen. Die Divertikulitis ist eine Entzündung von einem oder mehreren Divertikeln. Der Entzündungsherd kann auf benachbarte Strukturen und Organe übergreifen. Das Colon sigmoideum ist mit 80–90 % der bevorzugte Abschnitt für das Auftreten von Divertikeln.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

998

Haustra coli Colon ascendens Taenia omentalis

Taenia libera

Labrum ileocolicum Plicae semilunares coli

Labrum ileocaecale

Papilla ilealis

Ileum Frenulum ostii ilealis

Ostium ileale Caecum

Ostium appendicis vermiformis

Appendix vermiformis

Abb. 12.61: Caecum, Appendix vermiformis, Anfangsteil des Colon ascendens, terminales Ileum. Vorderwand des Dickdarmes gefenstert, um die Valva ileocaecalis (Papilla ilealis) mit dem Ostium ileale zu sehen

2. Bauhin-Klappe, Valva ileocaecalis (Abb. 12.61)

stülpt sich eher kegelförmig in den Dickdarm ein und besitzt ein sternförmiges Lumen.

Sie entsteht am Übergang des terminalen Ileum in das Caecum. Dabei werden die Mukosa, Submukosa und die Ringmuskulatur des Ileum eingestülpt und bilden im Darminneren die Papilla ilealis mit dem Ostium ileale. Die Längsmuskulatur und die Serosa folgen dieser Einstülpung nicht, sondern ziehen direkt vom Ileum zum Caecum. Dadurch wird die Papilla ilealis fixiert und lässt sich nicht durch Zug am Ileum verstreichen. Die Klappe wulstet sich mundförmig in das Caecum vor und lässt zwei Lippen, ein Labium superius (Labrum ileocolicum) und ein Labium inferius (Labrum ileocaecale) erkennen. Von den Lippenkommissuren ziehen 2 Schleimhautfalten, Frenulum anterius und posterius nach vorn und hinten zur Zäkumwand. Am Lebenden sind die Lippen meist nicht deutlich zu erkennen, sondern die Klappe

Projektion auf die vordere Bauchwand: McBurney-Punkt. Er liegt auf der Monro-Linie, der Verbindungslinie von Spina iliaca anterior superior dextra und Nabel, dort wo die Linie durch den lateralen Rand des M. rectus abdominis halbiert wird. Bei der Röntgendarstellung kann beobachtet werden, dass der Klappenschluss oft nicht komplett dicht ist. Kontrastmittel kann dann vom Dickdarm auch in das Ileum übertreten. Funktion: Sie schließt den Dünndarm vom Dickdarm mehr oder weniger ab, damit die Bakterienbesiedelung des Dickdarms nicht übermäßig auf den Dünndarm übergreift. Die Klappe lässt den Darminhalt normalerweise nur in Richtung Dickdarm durchtreten.

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

£ Darstellung des Dickdarmes beim Patienten

1. Röntgenuntersuchung nach Kontrastmitteleinlauf oder mittels der Doppelkontrastmethode (Abb. 12.49), bei der nach Entleerung des Kontrastmittels Luft in den Dickdarm eingeblasen wird. 2. Koloskopie: endoskopische Darmuntersuchung (Darmspiegelung), bei der auch kleine schmerzlose endoskopische Eingriffe (z. B. Schleimhautbiopsien, Abtragung von Polypen) vorgenommen werden können. 3. „Virtuelle Koloskopie“ durch Computer unterstützte 3D-Rekonstruktion von CT- oder MRISerienaufnahmen der Bauchhöhle. £ Gefäße und Nerven des Dickdarmes

Arterien (Abb. 12.3, 59) 1. A. mesenterica superior Caecum, Colon ascendens und transversum sind Abkömmlinge der Nabelschleife und werden daher wie der Dünndarm von der A. mesenterica superior versorgt. w A. ileocolica. Sie geht rechts vom Hauptstamm

der A. mesenterica superior ab und verläuft in der Radix mesenterii zur Ileozäkalregion. Dort zerfällt sie in die A. caecalis anterior und posterior. Die A. caecalis anterior zieht über die Plica caecalis vascularis zum Caecum, die A. caecalis posterior gelangt an die Dorsalseite des Caecum. Aus ihrem gemeinsamen Stamm oder meist aus der A. caecalis posterior entspringt die A. appendicularis, die hinter dem terminalen Ileum absteigt und über die Mesoappendix die Appendix versorgt. Weiterhin entlässt die A. ileocolica einen R. ilealis zum terminalen Ileum, der hier mit den Aa. ileales anastomosiert, und einen R. colicus zum Colon ascendens. w A. colica dextra. Sie versorgt das Colon ascendens. Sie entspringt sehr hoch aus der A. mesenterica superior (oder aus der A. ileocolica oder der A. colica media), verläuft retroperitoneal an der rechten hinteren Bauchwand, überkreuzt an dieser die V. cava inferior, die rechte A. testicularis bzw. ovarica und den rechten Harnleiter, zieht zum kranialen Teil des Colon ascendens

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und teilt sich hier in einen auf- und einen absteigenden Ast. Der absteigende Ast anastomosiert mit dem R. colicus der A. ileocolica, der aufsteigende mit der A. colica media. w A. colica media (Abb. 12.59). Sie versorgt das Colon transversum. Sie gelangt gleich nach ihrem Ursprung aus der A. mesenterica superior zwischen die beiden Blätter des Mesocolon transversum, zieht zwischen ihnen zum Colon transversum, wo sie sich in einen rechten Ast zur Anastomose mit der A. colica dextra und einen linken zur Anastomose mit der A. colica sinistra (aus der A. mesenterica inferior) teilt. Sie versorgt das Colon transversum bis zur Flexura coli sinistra. 2. A. mesenterica inferior w Das Colon descendens, sigmoideum und der

größte Teil des Rektum werden von ihr versorgt. Sie (Abb. 12.3) liegt wie die A. mesenterica superior ursprünglich auch im dorsalen Meso. Mit der Verlagerung des Colon descendens nach links und Verschmelzung des Mesocolon descendens mit der linken Seite der hinteren Bauchwand verläuft sie retroperitoneal. Sie entspringt gegenüber dem 3. Lendenwirbel aus der Aorta und zerfällt bald in ihre Äste (Abb. 12.50). w A. colica sinistra. Sie verläuft retroperitoneal nach links zum Colon descendens, schickt eine A. ascendens aufwärts zur linken Kolonflexur zur Anastomose mit der A. colica media und einen Ast abwärts zur Anastomose mit den Aa. sigmoideae. w Aa. sigmoideae. Diese sind 2–4 kleine Äste zum Sigmoid, versorgen es und gehen Anastomosen mit den Nachbararterien ein. w A. rectalis superior. Sie verläuft als Endast hinter dem Mastdarm ins kleine Becken und gibt kleine rechte und linke Äste ab. Sie versorgt den oberen Teil der Muskulatur und nahezu die ganze Schleimhaut des Mastdarmes (wichtig für Resektionen!) und anastomosiert mit der A. rectalis media, der A. rectalis inferior (aus der A. pudenda interna) und durch einen R. sigmoideus (A. sigmoidea ima) mit den Aa. sigmoideae.

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12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

Klinik: Sudeck-Punkt: Die A. rectalis superior darf nur kranial vom Abgang des R. sigmoideus (A. sigmoidea ima) unterbunden oder durchtrennt werden, damit die Blutversorgung des oberen Rectum nicht gefährdet ist. Die Arterien des Dickdarmes bilden im Unterschied zu den Dünndarmarterien nur eine einzige Arkadenreihe, die nahe dem Darm liegt. Dieser entstehende Arkadenbogen (Abb. 12.50, 59) wird als Drummond-Marginalarterie bezeichnet. Innerhalb der Marginalarterie liegt im Bereich der linken Kolonflexur die Riolan-Anastomose zwischen der A. mesenterica superior und der A. mesenterica inferior über Äste der A. colica media und der A. colica sinistra.

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Die Venen verlaufen mit den gleichnamigen Arterien. So gelangt das Blut aus dem Caecum, Colon ascendens und transversum über die V. mesenterica superior zur V. portae. Das Blut aus einem Teil des Rectum, dem Colon sigmoideum und descendens sammelt sich zur V. mesenterica inferior, die links der gleichnamigen Arterie aufsteigt und über die Plica paraduodenalis (seltener Plica duodenalis superior) zur V. splenica zieht. Am Rectum anastomosieren Äste der V. mesenterica inferior (Pfortadergebiet) mit Ästen der V. pudenda interna (Cava-inferior-Gebiet). Lymphgefäße (Abb. 12.62) Die Lymphgefäße des Wurmfortsatzes ziehen zu 2–3 Lymphknoten in der Mesoappendix und von dort weiter mit denen vom Caecum zu den Nll. ileocolici im Winkel zwischen Ileumende und Colon ascendens. Die Lymphgefäße aus dem restlichen Kolon ziehen zu den entsprechenden Nll. colici dextri, medii, sinistri, sigmoidei, die nahe dem Darm liegen und gelangen von dort mit den Blutge-

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Klinik: 1. Wenn ein größeres Versorgungsgebiet ausfällt (Thrombus, Strangulation), kommt es zur Schädigung der Darmwand. Diese ist deshalb gefährlich, weil die geschädigte Darmwand Bakterien der Darmflora in die freie Bauchhöhle durchtreten lässt. 2. Während diese Bakterien im Darmrohr zum normalen Stoffabbau notwendig sind, führen sie in der Bauchhöhle zur Bauchfellentzündung (Peritonitis). Venen

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Abb. 12.62: Lymphabfluss des Dickdarmes mit den regionären Lymphknoten. 1 Nll. ileocolici, 2 Nll. colici dextri, 3 Nll. colici medii, 4 Nll. colici sinistri, 5 Nll. colici sigmoidei, 6 Nll. mesenterici inferiores (nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth)

fäßen zu den Nll. mesenterici inferiores und superiores. Alle Lymphe vom Darm werden schließlich im Truncus intestinalis vereinigt, welcher vor dem 2. Lenden- bis 12. Brustwirbel mit den beiden Trunci lumbales in die Cisterna chyli (s. Kap. 2.5.4.2, S. 88) bildet. Nerven Die oberen Abschnitte des Colon werden aus dem Plexus mesentericus superior innerviert. Er führt sympathische Fasern aus den Nn. splanchnici und parasympathische Fasern aus dem N. vagus. Das Versorgungsgebiet des N. vagus reicht bis zum linken Drittel des Colon transversum (CannonBöhm-Punkt). Das Colon descendens und sigmoideum erhalten die sympathischen Fasern aus dem Plexus mesentericus inferior und die parasym-

12.3 Der Unterbauch und seine Eingeweide

pathischen Fasern aus dem Plexus hypogastricus inferior (sakraler Parasympathicus). £ Motorik

Im Dickdarm haben wir im Gegensatz zum Dünndarm peristaltische und antiperistaltische Bewegungen, die im Röntgenbild als „Fließen“ der Haustren gesehen werden. Ab und zu bringen antiperistaltische Bewegungen den Darminhalt wieder zurück in das Caecum. Die Ileozäkalklappe verhindert den Rücktritt in den Dünndarm. Als Massenbewegung des Kolon wird die gleichzeitige Kontraktion mehrerer Haustren hintereinander bezeichnet, die 2–3-mal täglich auftritt. Im Röntgenbild wirkt dabei der kontrahierte Abschnitt ganz glatt. Die Massenbewegungen beginnen am Caecum und bewegen den Darminhalt als Säule rasch in den nächsten Kolonabschnitt. So kann der Dickdarminhalt innerhalb weniger Minuten das gesamte Kolon passieren. Die unregelmäßigen, afterwärts gerichteten peristaltischen Bewegungen werden durch eine neue Mahlzeit, durch Eintritt von Kot in den Mastdarm, durch psychische Einflüsse und den Parasympathikus gefördert und durch den Sympathicus gehemmt. £ Funktion des Dickdarms

• Der Dickdarm scheidet keine eigenen Enzyme mehr ab, resorbiert aber Kohlenhydrate, Aminosäuren und Salze. • Lieberkühn-Drüsen liefern als Gleit- und Schmiermittel ein seromuköses Sekret. Bei pflanzlicher Nahrung kann die Verdauung durch Dünndarmfermente weitergehen. • Ein Teil der Spaltprodukte wird resorbiert, der andere wird durch Gärung und Fäulnis zerstört. Während Magen und oberer Dünndarmteil nahezu steril sind, hat der untere Dünndarm und besonders der Dickdarm eine physiologische Flora von obligaten und fakultativen Bakterien. Sie spalten Proteine und Kohlenhydrate zu energiearmen, für den Menschen unbrauchbaren Abbauprodukten, die Zellulose. Vom Pflanzenfresser können sie teilweise ausgenutzt werden. • Die durch Fäulnis entstandenen Eiweißabbauprodukte Skatol und Indol geben dem Kot, Faeces, den charakteristischen Geruch. Die Eiweißabbauprodukte werden teils direkt aus dem Darm ausgeschieden, teils vom Dickdarm

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resorbiert, in der Leber entgiftet und als gepaarte Schwefelsäuren im Harn ausgeschieden. • Der Darminhalt ist nach seinem etwa 3–4-stündigen Aufenthalt im Dünndarm noch relativ dünnflüssig. Er wird im Dickdarm durch Wasserresorption auf 1/3–1/4 seines Volumens eingedickt. • Schließlich ist der Dickdarm noch ein Ausscheidungsorgan für Quecksilber, Wismut, Eisen, Kalzium, Magnesium und Phosphate. Klinik: Bei gestörter Wasserresorption entstehen dünnflüssige Stühle und dadurch ein u. U. bedrohlicher Wasserverlust.

12.3.5.2 Blinddarm, Caecum, und Wurmfortsatz, Appendix vermiformis (Abb. 12.61) Der Blinddarm ist ein 7 cm langer und nahezu gleich breiter Blindsack am Beginn des Dickdarmes. Er liegt unterhalb der Valva ileocaecalis in der Fossa iliaca dextra. Bei Pflanzen fressenden Tieren kann das Caecum Größen bis 60 cm Länge erreichen. Da die Zellulosewände der Pflanzenzellen nicht im Dünndarm verdaut werden können, werden sie durch die länger dauernde bakterielle Gärung im Dickdarm aufgeschlossen. Je nach den Verbindungen des Caecum zur hinteren Bauchwand lassen sich folgende Typen unterscheiden: Caecum fixum: Das Caecum ist fest mit der hinteren Bauchwand verwachsen und liegt daher sekundär retroperitoneal. Caecum mobile: Das viszerale Peritoneum des Caecum ist nicht mit der hinteren Bauchwand verwachsen. Es ist beweglich und liegt intraperitoneal. Caecum liberum: Nicht nur das Caecum, sondern auch sein Gekröse ist nicht mit der hinteren Bauchwand verwachsen. Bei diesem seltenen Typ liegt das frei bewegliche Caecum ebenso intraperitoneal. Klinik: Beim Zäkumhochstand kann nach unvollständiger Nabelschleifendrehung das Caecum unter der Leber liegen bleiben. Aber auch bei sehr beweglichem Colon und in der

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

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letzten Hälfte der Schwangerschaft (durch den großen Uterus) können das Caecum und damit die Appendix vermiformis stark verlagert sein. Wurmfortsatz, Appendix vermiformis £ Er ist äußert variabel in Form und Größe, geht

dorsomedial vom Caecum ab. Das rudimentäre Darmstück geht beim Neugeborenen noch trichterförmig in das Caecum über. Beim Erwachsenen ist es meistens scharf abgesetzt. Es mündet mit dem kleinen Ostium appendicis vermiformis in das Caecum. £ Die Tänien des Dickdarmes fließen auf dem Wurmfortsatz zu einer einheitlichen Längsmuskellage zusammen. Das Lumen des Wurmfortsatzes ist sehr eng (2 mm), nicht selten teilweise oder vollständig verschlossen, enthält Schleim oder etwas Darminhalt. Die Schleimhaut hat eine besonders große Zahl von Folliculi lymphatici aggregati, die in die Submucosa reichen. Er steht damit im Dienste der Immunabwehr und wird daher auch Darmtonsille genannt. £ Der Wurmfortsatz hat durch eine dreieckige Bauchfellduplikatur, Mesoappendix, eine gewisse Beweglichkeit. In ihrem freien Rande verläuft die A. appendicularis. £ Die Länge der Appendix schwankt zwischen 2–20 cm, in seltenen Fällen wird sie bis 25 cm lang oder sie fehlt gänzlich. In der Regel ist sie 10 cm lang und 6 mm dick.

Die Lage des Wurmfortsatzes ist sehr variabel: 1. Retrozäkalposition: in fast 2/3 ist die Appendix hinter dem Caecum nach oben geklappt. 2. Kaudalposition: in 30 % der Fälle steigt die Appendix in das kleine Becken ab und kann bei der Frau das rechte Ovar erreichen. 3. Medialposition: die Appendix ist nach medial verlagert und kann vor (preileal) oder hinter (postileal) den Dünndarmschlingen liegen. 4. Lateralposition: die Appendix steigt zwischen Caecum und lateraler Bauchwand auf. £ Projektion der Appendix auf die vordere

Bauchwand: Der Abgang der Appendix aus dem Caecum projiziert sich auf den Lanz-Punkt. Dieser liegt unmittelbar unterhalb des McBurney-Punktes der Valva ileocaecalis und befindet sich an der Grenze vom rechten zum mittleren Drittel der Verbindungslinie der beiden Spinae iliacae anteriores superiores. Beide Punkte haben, wegen der oben erwähnten Variationen, einen eher geringen praktischen Wert.

Klinik: 1. Bei der Wurmfortsatzentzündung, Appendizitis, können am Lanz-Punkt Druckschmerz und Abwehrspannung der Bauchdecken auftreten. 2. Eine Appendizitis (fälschlich als Blinddarmentzündung bezeichnet) kann durch Perforation in die Bauchhöhle übergreifen und eine lebensbedrohliche Peritonitis bewirken. 3. Aufgrund der Nähe der Appendix zum Ovar kann bei der Frau eine Appendizitis mit einer Erkrankung der Adnexe verwechselt werden.

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale Das Spatium retroperitoneale ist jener Raum der Cavitas abdominalis, der sich hinter dem Peritonealsack befindet. Sein dorsaler Abschluss wird durch die Wirbelsäule, die Fascia transversalis und durch die Faszien des M. iliopsoas und des M. quadratus lumborum gebildet. Kranial wird er durch das Zwerchfell abgegrenzt. Lateral endet er bei den auf- und absteigenden Kolonabschnitten und nach kaudal setzt er sich in die Bindegewebsräume des kleinen Beckens fort (Subperitonealraum).

Inhalt Der von Binde- und Fettgewebe durchzogene Retroperitonealraum enthält folgende Organe und Leitungsbahnen: 1. 2. 3. 4.

Ren Ureter Glandula suprarenalis Aorta abdominalis und V. cava inferior mit deren paarigen und unpaaren Ästen 5. Trunci lumbales, Truncus intestinalis, Cisterna chyli, Lymphknoten um V. cava inferior und Aorta

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

6. Bauchteil des Grenzstranges, vegetative Geflechte um die Aorta, vegetative Ganglien, Plexus hypogastricus superior, Nn. splanchnici Sekundär retroperitoneal liegen: Teile des Duodenum, Pankreas, Colon ascendens und descendens.

12.4.1

Niere, Ren (Nephros)

Lernziele: Form, Größe, Sinus renalis, Anomalien, Skeletotopie, Beziehungen, Hilum renale; Rindenstrukturen: Pars convoluta und Pars radiata; Markpyramiden: Polpyramiden, Pyramidenreihen, Columnae renales; Capsula fibrosa, Capsula adiposa, Fascia renalis, Fixation £ Entwicklung (s. Kap. 13.6.1.3, S. 1062):

Die Nachniere entsteht aus dem metanephrogenen Blastem (Harn bereitender Abschnitt) und der Ureterknospe (Harn ableitender Abschnitt). Aus dem metanephrogenen Blastem entstehen die Nephrone, in die aus der Aorta die Gefäße einsprossen. Die Ureterknospe entstammt dem Urnierengang (Wolff-Gang) und wächst nach kranial gegen die Nachnierenanlage, um dort Anschluss an die Nephrone zu finden. Aus der Ureterknospe entstehen: Ureter, Nierenbecken, Nierenkelche, Ductus papillares, Sammelrohre und die Verbindungsstücke. £ Fehlbildungen

1. Zystenniere. Sie entsteht dann, wenn der Harn bereitende Abschnitt des Nierenkanälchens keinen Anschluss an den Harn ableitenden findet (größere oder kleinere Bläschen auf der Nierenoberfläche). Oft doppelseitig. Einteilung der verschiedenen Typen nach Potter. 2. Unterschiedliche Teilungsvorgänge der Ureterknospe können zu Verdoppelungen oder Spaltungen des Ureters (Ureter duplex, fissus) führen und erklären auch die unterschiedlichen Formen des Nierenbeckenkelchsystems. Verdoppelungen des Ureters (totale und partielle) kommen in 2 % vor. 3. Renkulusniere: die Lappen (Renculi) der Embryonalzeit können auch bei der Niere des Erwachsenen erhalten bleiben (Abb. 12.64) 4. Hufeisenniere: dabei sind die unteren Pole beider Nieren verwachsen.

1003

5. Becken- oder Kreuzbeinniere: Dystope Niere. Während der Entwicklung steigt die Niere aus dem Becken in ihre definitive Lage auf (Ascensus). Wird dieser Entwicklungsgang gehemmt, so kann die Niere auf jedem Punkt des von ihr zu durchlaufenden Weges liegen bleiben. Solche Nieren sind zumeist pfannkuchenartig abgeplattet, besitzen ein ventral gelegenes Hilum, beziehen das Blut aus den Gefäßen der Nachbarschaft (A. iliaca) und funktionieren normal. Bei der Untersuchung können sie als eine Geschwulst angesehen werden und bei Entbindungen ein Hindernis darstellen. Typisch sind für diese dystopen Nieren kurze Ureteren! 6. Malrotation: Überdrehung der Niere beim Ascensus. Normal schaut beim Fetus das Hilum nach vorne, beim Neugeborenen nach medial. Bei weiterer Rotation kann das Hilum nach dorsal oder sogar nach lateral weitergedreht werden. Die Nierengefäße kreuzen dann hinter der Niere. Bei inverser Rotation dreht sich die Niere in umgekehrter Richtung, bis das Hilum nach lateral schaut. Die Gefäße kreuzen nun die Niere vorne. 7. Fehlen einer Niere und überzählige Nieren sind selten.

12.4.1.1 Anatomie und topographische Beziehungen £ Form und Farbe

Die Nieren sind von bohnenförmiger Gestalt und braunroter Farbe. • Vorderfläche: Facies anterior, konvex gekrümmte, nach vorne und lateral gerichtete Fläche • Hinterfläche: Facies posterior, flache nach hinten medial gerichtete Fläche. • Oberer Pol: Extremitas sive Polus superior • Unterer Pol: Extremitas sive Polus inferior • Margo lateralis: konvexer lateraler Rand, der dem M. transversus abdominis aufliegt • Margo medialis: konkaver medialer Rand mit der Nierenpforte, Hilum renale (Abb. 12.63), der dem M. psoas major aufliegt. • Hilum renale: Nierenpforte, schaut nach vorne medial und wird vorne und hinten jeweils von den sog. Hilumlippen, oben und unten jeweils von den Polen begrenzt. Am Hilum treten die

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

1004

Abb. 12.64: Rechte Niere und Nebenniere eines Neugeborenen

£ Größe

Die Nieren sind im Mittel 10–12 cm lang, 6 cm breit, 4 cm dick und 160 g schwer. Form, Größe und Lage sind großen individuellen Schwankungen unterworfen. Gewöhnlich ist die linke Niere länger, dicker und schwerer. Ist eine Niere kleiner oder fehlt sie, so ist die andere meistens vergrößert, hypertrophiert.

Abb. 12.63: Rechte Niere von ventral, an der Oberfläche einige Venensterne (Stellulae Verheinyi)

Gefäße, Nerven und der Ureter ein bzw. aus. Es führt in eine größere Bucht, den Sinus renalis. • Sinus renalis: großer Hohlraum, der vom Nierenparenchym schalenartig umschlossen wird. Seine Ausdehnung entspricht der halben Nierenhöhe, 2/3 der Nierenbreite und 1/3 der Nierendicke (Abb. 12.68). In ihm liegen in Fett eingebettet das Nierenbeckenkelchsystem und die Äste der Nierengefäße.

£ Lage und Skeletotopie

Die Nieren reichen vom 12. Brust- bis zum 3. Lendenwirbelkörper. Die rechte Niere steht gewöhnlich etwas tiefer als die linke (großer rechter Leberlappen). Die Längsachsen beider Nieren divergieren nach unten. So sind die

Lunge untere Lungengrenze Schnittrand der Pleura costalis untere Pleuragrenze Zwerchfell N. subcostalis N. iliohypogastricus N. ilioinguinalis unterer Nierenpol

Abb. 12.65: Lage der Niere von dorsal. Beziehungen zu den Rippen, dem Zwerchfell, der Pleura, den Lungen und den Nn. subcostalis, iliohypogastricus, ilioinguinalis. Recessus costodiaphragmaticus teilweise eröffnet

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

beiden oberen Nierenpole etwa 7 cm, die unteren 11 cm voneinander entfernt. Die 12. Rippe verläuft an der Grenze vom oberen zum mittleren Drittel über die Nieren (Abb. 12.65). Das Hilum liegt an der Seite des 1.–2. Lendenwirbelkörpers. Die unteren Nierenpole sind beim Manne rechts 3 cm, links 4 cm, bei der Frau 2,5 bzw. 3 cm vom Darmbeinkamm entfernt; sie können auch den Darmbeinkamm erreichen (beim Mann in 11 %, bei der Frau in 40 %). Beim Neugeborenen ist die Niere relativ größer und überragt daher immer den Darmbeinkamm. £ Topographische Beziehungen

Die Nieren liegen jeweils seitlich der Wirbelsäule in der Fossa lumbalis. Dabei überragen sie die Wirbelsäule nicht nach ventral (Abb. 12.66). Die Facies posterior beider Nieren projiziert sich auf den M. psoas major, M. quadratus lumborum, M. transversus abdominis, die Pars lumbalis des Zwerchfells und das Trigonum lumbocostale, der dünneren, bindegewebigen Stelle des Zwerchfells zwischen Pars lumbalis und Pars costalis (Bochdalek-Dreieck).

Klinik. Durch die Schwachstelle des Zwerchfells ist ein Durchbruch von Entzündungen in der Umgebung der Nieren, paranephritischer Abszesse, in die Pleurahöhle möglich. Der obere Nierenpol bekommt nach dorsal unter Vermittlung des Zwerchfells eine enge Beziehung zum Recessus costodiaphragmaticus der Pleurahöhle, weil die untere Pleuragrenze die 12. Rippe kreuzt (Abb. 12.65). Der oberste Abschnitt des Nierenpols kann auch noch von der Lunge überlagert werden. N. subcostalis, N. iliohypogastricus und N. ilioinguinalis aus dem Plexus lumbalis kreuzen die Rückfläche der Nieren, wodurch das Ausstrahlen von Schmerzen aus der Nieren in die Unterbauchgegend verständlich wird. Während die Beziehungen nach dorsal bei beiden Nieren gleichartig sind, sind sie nach ventral unterschiedlich: Rechte Niere: auf den Margo medialis und das Hilum legt sich (Abb. 12.8) die Pars descendens duodeni, auf die Extremitas superior die Nebenniere. Über das untere Drittel ziehen das Colon und Mesocolon transversum. Oberhalb davon wird der übrige, größere Teil der Vorderfläche direkt von Peritoneum überzogen, wo sich der rechte Leber-

1005

lappen mit seiner Impressio renalis anlagert (Abb. 12.26). Durch Hochheben der Leber kann man sich hier die rechte Niere am besten zugänglich machen. Linke Niere: Auf der Extremitas superior und dem Margo medialis ruhen die halbmondförmige linke Nebenniere, auf der Mitte die A. und V. splenica, die Cauda pancreatis und darunter die Radix mesocolica. Auf das kaudale, direkt vom Bauchfell überzogene Drittel legt sich das Kolon, auf die oberen zwei Drittel des Margo lateralis die Milz. In dem von Milz, Nebennieren und Milzgefäßen gebildeten Dreieck zieht ebenfalls das Bauchfell über die Niere (Abb. 12.8). Hier lagert sich die Rückfläche des Magens an (Hinterwand der Bursa omentalis) Topographie am Hilum: (Abb. 12.63, 67, 80). Die V. renalis liegt meist vorne, dahinter folgt die A. renalis und dorsal liegt das Nierenbecken. Da sich die Nierengefäße aber schon vor dem Hilum aufzweigen, liegen im Hilumbereich sehr oft Blutgefäße auch hinter dem Nierenbecken. Die Gefäße werden von feinen Nerven aus dem Plexus coeliacus (Abb. 12.81) begleitet.

12.4.1.2 Feinstruktur Die Nierensubstanz gliedert sich in 1. Rinde, Cortex renalis 2. Mark, Medulla renalis Halbiert man die Niere durch einen Frontalschnitt (Abb. 12.68) oder legt man, wie in Abb.12.67, von hinten her das Nierenbecken frei, so kann man schon mit bloßem Auge nach Farbe und Struktur eine Rinden- und Marksubstanz unterscheiden. £ Nierenmark, Medulla renalis. Es besteht aus

7–14 Pyramiden, deren Basen gegen die Rinde und deren Spitzen, Papillae renales, gegen den Sinus gerichtet sind und die in die Nierenkelche, Calices renales, hineinragen. Die Pyramiden sind in einer vorderen und hinteren Reihe angeordnet (Abb. 12.68), am oberen und unteren Pol liegt jeweils eine große Pyramide, die größte ist die obere Polpyramide. Im Längsschnitt zeigt die Marksubstanz ein streifiges Aussehen durch die geraden Anteile der Nierenkanälchen (Abb. 12.74). Jede Pyramide ist von einem Rindenmantel so umhüllt, dass nur ihr zur Papille hin

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

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Abb. 12.66: Computertomogramm des Oberbauchs: 1 Aorta, 2 A. mesenterica superior, 3 V. mesenterica superior, 4 V. cava inferior, 5 V. renalis, 6 A. renalis, 7 Niere, 8 Leber, 9 Colon, 10 Duodenum, 11 Pars pylorica des Magens, 12 Pankreaskopf, 13 Jejunum, 14 Zwerchfellschenkel (Sammlung Prof. Dr. H. Pinter, Graz) Extremitas superior Capsula fibrosa

Papilla renalis mit Area cribrosa Margo medialis Pyramis renalis A. arcuata

A. renalis V. renalis

Margo lateralis

Pelvis renalis

Columna renalis

Calices renales (eröffnet) Ureter Medulla renalis Cortex renalis Extremitas inferior

Abb. 12.67: Rechte Niere von dorsal. Nierensubstanz teilweise entfernt, Sinus renalis eröffnet. Sichtbar sind das Nierenbecken mit Kelchen, Gefäßverzweigungen, die Markpyramiden mit den Papillen und die Rindensubstanz

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

auslaufender Anteil frei bleibt. Markpyramide und dazugehöriger Rindenmantel bilden einen Nierenlappen, Lobus renalis oder Renculus. An der Neugeborenenniere sind diese Lobi renales noch durch tiefe Furchen getrennt (Abb. 12.64). Später verschwinden die Lappengrenzen vollständig. Manche Säugetiere behalten sie zeitlebens. Vereinzelt kommen sie auch als Hemmungsbildungen noch an der Niere des erwachsenen Menschen vor (Renkuluszeichnung s. Fehlbildungen). Papillae renales: Die warzenartigen, freien Enden der Pyramiden zeigen auf der siebförmigen Oberfläche, Area cribrosa, die feinen Mündungen der Ausführungsgänge, Ductus papillares. Die Papillen sind förmlich in einen Nierenkelch hineingesteckt (Abb. 12.74). £ Nierenrinde, Cortex renalis. Sie liegt als 5– 7 mm dicke Schicht unter der Nierenkapsel und sendet noch Fortsätze (Abb. 12.67), Columnae renales (Bertini-Säulen), zwischen benachbarte Pyramiden. In der Nierenbucht sieht man diese Säulen hilumwärts ziehen (Abb. 12.68). Eine große Säule liegt ganz lateral im Sinus und

Papillenhals

Papilla renalis

Area cribrosa

Columnae renales

Gefäßporen

1007

trennt vertikal verlaufend die vordere von der hinteren Pyramidenreihe. Sie wird als Columna axialis bezeichnet. Klinik: Die Columna axialis kann weit in den Sinus vorspringen und sogar das Hilum erreichen. Bei der Ultraschalluntersuchung kann sie mit einem Tumor in der Nierenbucht verwechselt werden. Die Rindensubstanz besteht 1. aus dem Nierenlabyrinth, Labyrinthus corticis (Pars convoluta), d. h. den gewundenen Abschnitten der Harnkanälchen und den Nierenkörperchen, wodurch die Rinde gekörnt aussieht, und 2. aus radiären Streifen, den Markstrahlen, Radii medullares (Striae medullares corticis, Processus medullares Ferreini, Pars radiata), die als Fortsätze der Marksubstanz in die Rinde ausstrahlen und die, wie das Mark, aus gerade verlaufenden Kanälchenabschnitten bestehen.

12.4.1.3 Bauelement der Niere, Nephron Lernziele: Corpusculum renale, Tubuli renales, Markzonen, Gefäße, Parenchymkanäle („Canales peripyramidales“), Segmente, Lappen, Läppchen: Gefäßläppchen und Markstrahlläppchen, Nerven, juxtaglomerulärer Apparat, Nierenhormone: Renin, Erythropoetin, Funktion, Primärharn, Sekundärharn 2,5 Millionen Nephrone sind in beiden Nieren vorhanden. Sie bestehen jeweils aus einem Nierenkörperchen und dem zugehörigen Harnkanälchensystem mit proximalem, intermediärem und distalem Tubulus. Das Verbindungsstück leitet über zum Sammelrohr. Letztere vereinigen sich zu den Ductus papillares, die in die Nierenkelche münden. £ Malpighi-Körperchen, Corpusculum renale

Abb. 12.68: Längsschnitt durch die Niere. An der Schnittfläche Mark- und Rindensubstanz. Nierenbucht freigelegt. Markpapillen mit Area cribrosa, Papillenhals, Columnae renales Bertini, Gefäßporen an der Mark-Rindengrenze mit Beginn der Parenchymkanäle

(Abb. 12.69) Es besteht aus der Bowman-Kapsel, einer einschichtigen Lage platter Zellen, in das sich am Gefäßpol ein Bündel von Kapillarschlingen, der Glomerulus (oder das Glomerulum), einstülpt. Am Gefäßpol gehen die platten Zellen der Bowman-Kapsel (parietales Blatt) in die Podo-

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

1008

Rinde

Hauptstück (Pars contorta) Mittelstück (Pars contorta)

Hauptstück (Pars recta) Au. Str. Mittelstück (Pars recta)

Au. Z.

Überleitungsstück

In. Str.

Mark

Sammelrohr

In. Z.

Vertex der Schleife

Abb. 12.69: Schema eines Nephrons mit langer Henle-Schleife. Glomerulus, Vas afferens und efferens rot. Au. Z. Außenzone des Marks, In. Z. Innenzone des Marks. Au. Str. Außenstreifen der Außenzone, In. Str. Innenstreifen der Außenzone

zyten über, welche die Kapillaren als viszerales Blatt überziehen (Abb. 12.70). Zum Glomerulus zieht ein kleines Gefäß, das Vas (die Arteriola) afferens, heraus führt das etwas dünnere Vas (Arteriola) efferens. Gegenüber dem Gefäßpol liegt der Harnpol mit dem Beginn des Harnoder Nierenkanälchens.

£ Nierenkanälchen, Tubuli renales

Am Harnpol beginnt das Hauptstück, Tubulus proximalis, mit einem gewundenen Teil, Pars convoluta oder Tubulus contortus I, der in einen geraden, gleich gebauten und gleich funktionierenden Teil, Pars recta, übergeht. Von ihm steigt ein sehr dünnes Überleitungsstück,

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

Arteriola afferens

Macula densa

Mesangiumzellen Arteriola efferens

1009

im Hauptstück. Auch sind die Zellgrenzen besser als in diesem erkennbar. Übersicht über die Parenchymbestandteile

Gefäßpol Kapselraum

1. Im Mark und in den Markstrahlen liegen die geraden Anteile der Haupt- und Mittelstücke, die Henle-Schleifen und die Sammelrohre

Podozyten

2. Im Rindenlabyrinth liegen die Nierenkörperchen und die gewundenen Anteile der Hauptund Mittelstücke.

BowmanKapsel

3. Markgliederung: durch die Henle-Schleifen gegliedert. Harnpol

Abb. 12.70: Nierenkörperchen aus Glomerulus und Bowman-Kapsel, Gefäßpol mit Vas (Arteriola) afferens und efferens, Harnpol

Tubulus intermedius (meist als dünner Teil der Henle-Schleife bezeichnet) ab und geht vor oder hinter dem Schleifenscheitel in das Mittelstück, Tubulus distalis, über. Das Mittelstück besteht aus einem geraden Abschnitt, der Pars recta (früher dicker Teil der Henle-Schleife) und einem gewundenen Abschnitt, Pars convoluta, Tubulus contortus II (distalis). Die Windungen der Pars convoluta liegen teilweise in der Nähe des Corpusculum renale. Henle-Schleife. Sie besteht aus den geraden Anteilen des Haupt- und Mittelstückes und aus dem Überleitungsstück. Bei langen Schleifen marknaher Nierenkörperchen wird der Scheitel der Schleife vom Überleitungsstück, bei kurzen Schleifen kapselnaher Nierenkörperchen vom Mittelstück gebildet. Verbindungsstück, kurzes Stück, das vom Mittelstück in das Sammelrohr übergeht. Sammelrohr, Tubulus colligens, nimmt die Verbindungsstücke vieler Nephrone auf. Die Sammelrohre vereinigen sich zu immer größeren und münden schließlich als Ductus papillares auf den Papillen. Feinbau. Das gesamte Tubulussystem ist mit einem einschichtigen Epithel ausgestattet, zeigt aber in den einzelnen Abschnitten Unterschiede. Im Hauptstück ist es hoch, hat ein trübes Zytoplasma, einen Bürstensaum und beinhaltet viele Mitochondrien. Im Überleitungsstück ist das Epithel hell und flach. Im Mittelstück ist es niedriger und heller als

4. Außenzone: hier liegen die dicken Anteile der Henle-Schleifen. Bis hierher reichen auch die Scheitel der kurzen Schleifen, die von Mittelstücken gebildet werden. Die Außenzone wird weiter unterteilt in den Innenstreifen und den Außenstreifen. Im Innenstreifen finden sich die geraden (aufsteigenden) Abschnitte der Mittelstücke und im Außenstreifen noch zusätzlich die geraden (absteigenden) Anteile der Hauptstücke. In beiden Streifen finden sich zusätzlich Teile der Überleitungsstücke. 5. Innenzone. Hier liegen neben Sammelrohren und Ductus papillares nur mehr die dünnen Anteile (Überleitungsstücke) der Henle-Schleifen.

12.4.1.4 Gefäße und Nerven der Niere Die Nieren sind stark durchblutet, pro Minute strömen etwa 0,75–1,2 Liter Blut durch die Nieren. In 4–5 Minuten wird also die Gesamtblutmenge gefiltert. 90 % des Blutes gelangen in die Rinde und durchströmen mit den Glomeruli und den Tubuluskapillaren 2 Kapillargebiete hintereinander. Das hier von den harnpflichtigen Stoffen befreite Blut verlässt die Niere über die V. renalis. Arterien A. renalis. Sie zweigt beiderseits in Höhe der A. mesenterica superior von der Aorta ab, steigt gegen die Niere ab und teilt sich schon vor dem Hilum in einen vorderen (Ramus anterior) und einen hinteren Hauptstamm (Ramus posterior). Der R. anterior liegt vor dem Nierenbecken und

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

1010

untere Polarterie kann den Ureter abklemmen und einen Harnrückstau verursachen.

1

Segmentarterien. Sie treten über den Hilumring in den Sinus ein, wo sie sich in die Aa. interlobares aufteilen (Abb. 12.72). Diese laufen entlang der

2 4

3 L

4 Abb. 12.71: Linke Niere von vorne. Aufteilung der A. renalis in den starken vorderen und den schwächeren hinteren (retropelvischen) Ast mit Abgabe der Segmentarterien noch vor dem Hilum. 1 Segmentum superius, 2 Segmentum anterius superius, 3 Segmentum anterius inferius, 4 Segmentum inferius, dunkler getönt ist das Segmentum posterius

der R. posterior (retropelvischer Ast) hinter ihm (Abb. 12.71). Der vordere Hauptstamm zerfällt immer noch vor dem Hilum in vier Segmentarterien: A. segmenti superioris, A. segmenti anterioris superioris, A. segmenti anterioris inferioris und in die A. segmenti inferioris. Der retropelvische Ast entlässt die A. segmenti posterioris.

S

1 2 3

Abb. 12.72: Längsschnitt durch Niere. Gefäßaufteilungsprinzip: 1 A. segmenti, 2 A. interlobaris, 3 A. arcuata, 4 Aa. interlobulares. L Nierenlappen, S Nierensegment

Astfolge der A. renalis: Rr. anterior et posterior, Aa. segmentorum, Aa. interlobares, Aa. arcuatae, Aa. interlobulares (Aa. corticales radiatae), Vasa afferentia, Glomeruli, Vasa efferentia, Arteriolae rectae verae et spuriae. Sämtliche Äste der Nierenarterie sind Endarterien (s. Kap. 2.3.2.16, S. 66). Variationen. Entsprechend dem Ascensus der Niere in der Entwicklung, bei dem immer neue Nierenarterienäste aus der Aorta aussprossen, die Niere förmlich an einer Strickleiter aus Gefäßen emporsteigt, sind viele Varietäten möglich. Durch übrig gebliebene Gefäßsprossen sind mehrfache Nierenarterien sehr häufig (bis zu 6). Das dickere Gefäß wird dann als A. renalis bezeichnet, die dünneren als akzessorische Arterien. Arterien, die in die Pole eintreten, werden als Polarterien bezeichnet. Eine

Abb. 12.73: Aufgehellter Längsschnitt der Niere. Nierenbeckenkelchsystem gelb, Venen blau injiziert. Vv. arcuatae in Parenchymkanälen (Canales peripyramidales) der Markrindengrenze, Vv. interlobulares ziehen radiär durch die Rinde

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

Columnae renales nach lateral (also tatsächlich interlobär) und entlassen die Aa. arcuatae. Letztere dringen endlich durch Gefäßporen in der Wand der Nierenbucht in das Nierenparenchym ein (Abb. 12.68). An diesen Poren beginnen Parenchymkanäle, Canales peripyramidales, die immer der Mark-Rinden-Grenze folgen und über der Pyramidenbasis ein stark verzweigtes Kanalsystem bilden. In diesen Kanälen verzweigen sich die Vasa arcuata (Abb. 12.73). Die Aa. arcuatae gehen im Unterschied zu den gleichnamigen Venen keine Anastomosen mit ihren benachbarten Aa. arcuatae ein. Sie entlassen radiär durch die Rinde zur Oberfläche laufende Aa. interlobulares (Aa. corticales radiatae). Eine A. interlobularis gibt nach allen Seiten Vasa afferentia zu den Glomeruli und wenige Äste zur Kapsel ab. Die aus den Glo-

Lobulus (Markstrahlläppchen)

1011

meruli hervorgehenden, kleineren Vasa efferentia verzweigen sich zu einem die Kanälchen versorgenden arteriellen Kapillarnetz, das im Bereich des Markstrahls längliche und im Bereich des Rindenlabyrinthes rundliche Maschen hat und schließlich in die Vv. interlobulares abfließt. Das Mark wird in der Hauptsache aus den Arteriolae rectae spuriae (aus den Vasa efferentia der am nächsten an der Markrindengrenze liegenden Glomeruli) und in geringerem Maße (10 %) aus den Arteriolae rectae verae, aus den an der Markrindengrenze verlaufenden Endästen der Aa. arcuatae versorgt. Die Arteriolae rectae teilen sich in mehrere kleinere Arteriolen, die zusammen mit den Venulae rectae in der Außenzone der Marksubstanz charakteristische Gefäßbüschel bilden (Abb. 12.74).

Capsula fibrosa

Lobulus (Gefäßläppchen) Vv. stellatae Rindenkapillaren Glomeruli Arteriola (Vas) afferens

Rinde

Arteriola (Vas) efferens Kapillaren im Markstrahl

Markstrahl

Vasa interlobularia A. arcuata Arteriola recta spuria Außenzone des Markes

Arteriola recta vera (nur 10%) Vasa arcuata

Grenze

Kapillaren des Markes

Innenzone des Markes Sammelrohre

Calix

Mündung eines Ductus papillaris an der Papille

Abb. 12.74: Aufbau des Nierenparenchyms. Blutgefäße farbig, Nierenkanälchen schwarz. Gefäßläppchen nach W. v. Möllendorff, Markstrahlläppchen nach M. Heidenhain

1012

Die Einteilung in Segmente, Lappen und Läppchen erfolgt auf Grund der Gefäßanatomie. Ein Segment, Segmentum renale: der von einer Segmentarterie versorgte Parenchymbezirk. Die Segmentgrenzen ziehen durch die Mitte eines Lappens (Abb. 12.72) Lappen, Lobus renalis, Renculus: Markpyramide mit Rindenmantel. Jeder Lappen wird von mehreren Aa. arcuatae aus benachbarten Aa. interlobares versorgt. Lappengrenzen ziehen durch die Mitte der Columnae Bertini (Abb. 12.72). Läppchen, Lobulus renalis: Rindenbezirk, unterschiedlich definiert (Abb. 12.74). Markstrahlläppchen nach Heidenhain: im Zentrum des Läppchens liegt ein Markstrahl, und mehrere Aa. interlobulares bilden die Läppchengrenzen. Gefäßläppchen nach v. Möllendorff: das Läppchen wird von mehreren Markstrahlen begrenzt und im Zentrum liegt eine A. interlobularis, die in diesem Fall richtiger als A. corticalis radiata bezeichnet wird. Klinik: Die Nierenarterie und jeder Ast ihrer Teilungsgenerationen ist eine Endarterie. Verschluss eines Astes führt durch die akute Blutleere des entsprechenden Versorgungsbezirkes zur Nekrose, dem Niereninfarkt. Je nach Teilungsgeneration des betroffenen Astes ist ein größerer oder kleinerer Parenchymdefekt die Folge, der nach Monaten zu einer eingesunkenen Narbe umgewandelt wird.

Venen (Abb. 12.63, 73, 74) Die Venulae rectae des Markes münden in die Vv. arcuatae. Die Venen aus der äußeren Rindenschicht münden in die Vv. stellatae, die an der Nierenoberfläche liegen. Mehrere 1–2 cm lange Vv. stellatae laufen strahlig zusammen und bilden an der Oberfläche sichtbare Venensterne, die Stellulae Verheinyi (bis zu 50). Aus dem Zentrum eines Venensternes zieht nun eine größere V. interlobularis durch die Rinde, um in eine V. arcuata zu münden. Die Venen aus den tieferen Rindenschichten münden direkt in die Vv. arcuatae. Letztere gehen in den Parenchymkanälen der Mark-Rinden-Grenze zahlreiche Anastomosen ein und verlassen schließlich das Nierenparenchym über die Gefäßporen. Im Sinus münden sie in die Vv. interlobares, die wiederum zu größeren Stämmen zusammenfließen, welche außerhalb des Sinus die V. renalis bilden.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

Die V. renalis liegt beidseits meist ventral von der Arterie und mündet in die V. cava inferior. Die rechte ist kurz, die linke länger, verläuft vor der Aorta und nimmt die V. testicularis bzw. ovarica sinistra und die V. suprarenalis sinistra auf (Abb. 12.80). Lymphgefäße Sie sammeln die Lymphe aus den Lymphkapillarnetzen der Nierenkapsel und den Interstitien der Rinde und des Markes. Die Lymphgefäße verlaufen mit den Arterien und bilden an der Nierenpforte wenige Hilumlymphgefäße. Nerven Die sympathischen Nerven entstammen als postganglionäre Fasern dem Plexus coeliacus und laufen als Plexus renalis mit der Arterie zur Niere. Sie versorgen die Gefäße, die schmerzempfindliche Kapsel und den juxtaglomerulären Apparat. Die parasympathischen Nerven sind die Rami renales aus dem N. vagus.

12.4.1.5 Juxtaglomerulärer Apparat Der juxtaglomeruläre Apparat gehört zum endokrinen Teil der Niere, der am Gefäßpol der Glomeruli liegt und renalen und extrarenalen Regulationsvorgängen dient. Er besteht aus: 1. Polkissen: epitheloide Zellen im Vas afferens mit Sekretgranula, die das Hormon Renin enthalten. Bei Blutdruckabfall wird Renin in die Blutbahn abgegeben, bewirkt die Umwandlung des Plasmaproteins Angiotensinogen in Angiotensin I, das vor allem in der Lunge in Angiotensin II umgewandelt wird. Letzteres wirkt vasokonstriktorisch, wodurch der Blutdruck erhöht wird. Außerdem setzt es das Nebennierenhormon Aldosteron frei, das die Wasserrückresorption fördert. Dadurch wird das zirkulierende Blutvolumen vergrößert. 2. Macula densa (Abb. 12.70) : Zwischen Vas afferens und efferens legt sich das Mittelstück an das Nierenkörperchen. An der Berührungsstelle ist das Epithel des Tubulus zur Macula densa erhöht. Sie ist ein Sensor für die Na+-Konzentration im Tubulus. Erhöhung der Na+-Konzen-

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

tration hemmt die Renin-Freisetzung und senkt damit die Glomerulusdurchblutung. 3. Goormaghtigh-Zellen, extraglomeruläre Mesangiumzellen: liegen als modifizierte Muskelzellen zwischen Macula densa und Nierenkörperchen. Sie sollen ebenfalls an der Regulation der Nierendurchblutung beteiligt sein. Als Umgehungsbahn für die Glomerulusdurchblutung gibt es eine Reihe von Gefäßkurzschlüssen, die zeitweise eine größere Zahl von Glomeruli ausschalten können: in der Nierenrinde, über Kapselgefäße und im Sinus renalis über Verbindungen zu den Nierenbeckengefäßen. Klinik: 1. Renale Hypertonie (Goldblatt-Hochdruck): Einengung der A. renalis führt zur Minderdurchblutung der Niere, wodurch wiederum der Renin-Angiotensin-Mechanismus aktiviert wird, der zum Blutdruckanstieg und damit zum Hochdruck führt. Bei völligem Verschluss der Nierenarterie bleibt der Hochdruck ebenso wie nach Entfernung einer Niere aus (fehlende Renin-Produktion). 2. Ein weiteres Hormon der Niere ist das Erythropoetin: Es wird von den interstitiellen Zellen der Nierenrinde sezerniert und aktiviert die Erythrozytenbildung. Bei andauernden Nierenerkrankungen sinkt aufgrund des Erythropoetinmangels die Erythrozytenzahl (Renale Anämie).

12.4.1.6 Hüllen der Nieren Zu den Hüllen gehören 1. Capsula fibrosa, 2. Capsula adiposa und 3. Fascia renalis 1. Capsula fibrosa. Sie ist eine derbe, glatte, bindegewebige Haut, die sich bei der gesunden Niere leicht abziehen lässt. Sie enthält wenige elastische Fasern und ist nur wenig dehnungsfähig. Klinik: Ist bei gewissen Nierenerkrankungen die Niere geschwollen und die Zirkulation in ihr erschwert oder ganz aufgehoben, so kann man durch Dekapsulation (Entfernung dieser Kapsel) Erleichterung schaffen. 2. Capsula adiposa. Diese ist ein lockerer Baufettkörper, der vorwiegend an der Dorsal-, weniger an

1013

der Ventralfläche vorliegt und der in das Fett des Sinus renalis übergeht. Er umhüllt auch die Nebenniere. Der Fettkörper schwindet nur bei starker Abmagerung. 3. Fascia renalis (Horizontalschnitt s. Abb. 8.23). Sie bildet einen bindegewebigen Sack, in dem sich das Spatium perirenale befindet. In diesem Raum liegen die Nieren, Nebennieren und die Capsula adiposa. Die Nierenfaszie besteht aus einem zarten vorderen Blatt, der Fascia praerenalis Toldt und einem derben hinteren Blatt, der Fascia retrorenalis Gerota (sive Zuckerkandl, sive Waldeyer). Die Fascia praerenalis ist dort, wo es Peritoneum parietale gibt, mit diesem so innig verwachsen, dass sie sich von ihm nicht trennen lässt, während sie sich dort als zartes Blatt darstellen lässt, wo das Peritoneum fehlt (im Anwachsungsbereich von Organen wie etwa beim auf- und absteigenden Colon, Abb. 12.8). Die Fascia praerenalis verwächst kranial am Zwerchfell und geht medial in das perivasale Bindegewebe um Aorta und V. cava über. Die Fascia retrorenalis verankert sich in der Rinne zwischen M. psoas major und M. quadratus lumborum, nach kaudal verlässt die Anheftungslinie diese Rinne und überkreuzt den M. psoas major mit seiner Fascia psoica nach medial und kaudal. Nach lateral wird der Fasziensack durch die Verschmelzung beider Nierenfaszienblätter abgeschlossen, ebenso nach kranial durch deren Anheftung am Zwerchfell. Somit bleibt der Fasziensack nach medial und kaudal in Richtung kleines Becken offen. Hinter dem Nierenfasziensack liegt das retrorenale Fett, die Massa adiposa pararenalis Gerota, in dem Nerven des Plexus lumbalis verlaufen (Abb. 12.79) (s. Kap. 11.1.4, S. 920). Klinik: Paranephritische Abszesse (Entzündungen in der Umgebung der Niere): entsprechend den Öffnungen des Nierenfasziensacks können sie sich nach medial zur anderen Niere ausbreiten oder sich nach kaudal in das kleine Becken senken. Befestigung der Niere und normale Beweglichkeit Die Nieren haben keine direkte Verwachsung mit der Bauchwand. Sie werden vor allem durch die Aufhängung an den Nierengefäßen, durch die Fascia renalis und die Capsula adiposa fixiert.

1014

Verschiebungen der Nieren gibt es bei Ein- und Ausatmung und bei Stellungsänderung des Körpers, dabei treten Höhenänderungen von bis zu 3 cm auf. Die Niere senkt sich dabei nicht einfach, sondern beschreibt eine Kreisbahn um den Abgang der Nierenarterie aus der Aorta. Klinik: Nierenptose, Senkniere, Wanderniere: Schwindet das Kapselfett, so kann sich die Niere in dem weiten Sack der Fascia renalis absenken. Durch den lateralen Abschluss und die mediokaudale Öffnung des Fasziensackes gelangt sie nie in die Fossa iliaca, sondern kann nur in das kleine Becken absteigen. Im Unterschied zur dystopen Niere ist bei der Senkniere der Ureter, weil er nun relativ zu lang geworden ist, stark geschlängelt und die Nierengefäße müssen aus ihrer normalen Ursprungshöhe stark absteigen. Durch Reizung der die Gefäße begleitenden vegetativen Fasern kommt es zum Zerrungsschmerz. Die Wandernieren kommen häufiger bei der Frau als beim Mann, häufiger rechts als links vor. Das letztere soll durch den größeren, rechten Leberlappen und die Befestigung der Flexura coli dextra auf der Vorderfläche der rechten Niere bedingt sein.

12.4.1.7 Funktion der Nieren für die Harnproduktion Die Nieren scheiden für den Organismus schädliche stickstoffhaltige Schlackensubstanzen aus und regeln den Flüssigkeits- und Salzhaushalt. Diese Aufgaben erledigt sie in 2 Schritten: • Ausscheiden einer enormen Flüssigkeitsmenge in den Nierenkörperchen (Primärharn) • Rückresorption des größten Teils des Primärharns in den Harnkanälchen Primärharn: Täglich werden von den Glomeruli 180 Liter Primärharn in die Bowman-Kapsel filtriert. Die Wand der Kapillarknäuel lässt Wasser, Glukose, Salze und andere niedermolekulare Stoffe durchtreten, während dies die Blutkörperchen und Eiweiße nicht können. Bis auf Eiweiß ist der Primärharn wie das Blutplasma zusammengesetzt. Sekundärharn: Der Primärharn gelangt nun in die je 3–4 cm langen Nierenkanälchen, die von einem dichten Kapillarnetz umsponnen sind. Dadurch ist der Stoffaustausch zwischen den Kanälchen und

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

den Kapillaren möglich. Das Blut im Kapillarnetz um die Tubuli ist durch die Sekretion des Primärharns eingedickt und saugt daher durch den osmotischen Druck Flüssigkeit aus den Harnkanälchen zurück. So werden 99 % des Primärharns rückresorbiert und es entsteht der definitive Harn, Sekundärharn, in einer täglichen Menge von etwa 1,5 l. Neben dem Wasser werden Glukose, Aminosäuren, Salze und Harnsäure rückresorbiert. Neben anderen harnpflichtigen Substanzen wird der Harnstoff, wichtigstes Endprodukt des Eiweißstoffwechsels, über den Sekundärharn ausgeschieden. Die Farbe des Harnes (hellgelb bis dunkelrotbraun) ist durch das Urochrom und Urobilinogen bedingt. Klinik: 1. Erkrankungen der Glomeruli führen durch Ausfall der Filterfunktion zur Ausscheidung von Eiweiß (Proteinurie) oder auch von Blutzellen (Hämaturie). 2. Ist die Glukosekonzentration im Plasma (und damit auch im Primärharn) zu hoch, ist die Rückresorption nicht ausreichend und Glukose wird über den Harn ausgeschieden (Glykosurie bei Diabetes mellitus)

12.4.2

Nierenbeckenkelchsystem und Harnleiter

Lernziele: Harn ableitende Wege, Nierenkelche, Nierenbecken, Form, Aufbau, Verbindung zur Niere, Harnleiter, Engen, Weiten, Aufbau, Funktion Das Nierenbeckenkelchsystem und der Harnleiter gehören zu den ableitenden Harnwegen. Entwicklungsgeschichtlich gesehen gehören bereits die Verbindungsstücke und Sammelrohre zu den Harn ableitenden Wegen. Entwicklung. Abkömmlinge der Ureterknospe aus dem Wolff-Gang (s. Kap. 13.6.1.3, S. 1062).

12.4.2.1 Nierenbecken, Pelvis renalis (Pyelon) Es liegt im Sinus renalis, überragt üblicherweise das Hilum nach außen und ist ein ventrodorsal

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

1015

Nierenbeckeninhaltes in den Sinus renalis oder gar in die Nierenvenen (pyelorenaler Reflux, pyelovenöser Reflux, s. Abb. 12.75).

12.4.2.2 Harnleiter, Ureter Er ist ein dorsoventral abgeplatteter, 30–35 cm langer, retroperitoneal gelegener Schlauch, der vom Nierenbecken zur Harnblase zieht. Abb. 12.75: Häufigste Nierenbeckentypen in retrograder Pyelographie: links ampullärer Typ, rechts dendritischer Typ. Beim ampullären Typ sieht man büschelartige Verschattungen von den Kelchen in das Parenchym reichend, die durch Füllung der Ductus papillares entstanden sind (pyelotubulöser Reflux). Außerdem sieht man an diesem Bild von einem Kelch nach medial wegziehende Verschattungen: Pyelovenöser Reflux nach Kelchabriss und gleichzeitiger Venenruptur bei Druckanstieg im Nierenbecken

abgeplatteter Sack von sehr wechselndem Aussehen (Abb. 12.75). Wir unterscheiden: • Ampullärer Typ: großes einheitliches Becken, in das die Nierenkelche direkt einmünden • Dendritischer Typ (s. auch Abb. 12.67): Becken kein einheitlicher Sack, sondern lange schmale Zwischenstücke münden spitzwinkelig zusammen. Solche Formen leiten zu einem teilweise oder ganz gespaltenen, verdoppelten Harnleiter, Ureter fissus, über. Die Nierenkelche, Calices renales, sind am sog. Papillenhals mit dem Nierenparenchym verwachsen (Abb. 12.68) und nehmen den aus der Area cribrosa der Papilla renalis träufelnden Harn auf, um ihn zum Nierenbecken weiterzuleiten. Ein Calix minor mündet direkt in das Nierenbecken, ein Calix major entsteht erst durch das Zusammenmünden mehrer kleiner Kelche zu einem großen, der dann in das Nierenbecken mündet. Klinik: Die Verbindung der Nierenkelche mit dem Nierenparenchym ist ein Locus minoris resistentiae. Bei plötzlichen Druckerhöhungen im Nierenbecken (akuter Steinverschluss, Pyelographien, erhöhter Harnfluss) kann es dort zu Abrissen der Kelche kommen mit Übertritt des

£ Wir unterscheiden 2 Strecken. Pars abdomina-

lis, Pars pelvica

• Pars abdominalis (Abb. 12.80): diese Strecke reicht vom Nierenbecken bis zur Linea terminalis des Beckens. Unter Vermittlung des Nierenfasziensackes liegt der Ureter auf dem M. psoas, überkreuzt den N. genitofemoralis und am Eingang ins Becken die Vasa iliaca externa. Er wird selbst ungefähr in der Mitte von den Vasa testicularia bzw. ovarica überkreuzt. Über den rechten Ureter zieht noch (Abb. 12.8) die Radix mesenterii, über den linken die Radix des Mesocolon sigmoideum hinweg, wo er im Recessus intersigmoideus leicht auffindbar ist. • Pars pelvica: Sie beginnt an der Linea terminalis, liegt an der seitlichen Beckenwand, durchbohrt schräg von dorsal her die Blasenwand. Dadurch entsteht im Inneren der Blase die Plica ureterica, sie mündet im schlitzförmigen Ostium ureteris. Diese Strecke wird beim Mann vom Ductus deferens, bei der Frau von der A. uterina überkreuzt. Bei der Frau läuft das kaudale Ureterende 1–2 cm seitlich an der Cervix uteri und dem Scheidengewölbe vorbei. £ Engen und Weiten: Zumindest 3 Engen lassen

sich unterscheiden, wo das Lumen nur 1,5–3 mm weit ist:

• am Austritt aus dem Nierenbecken • an der Überkreuzung der Vasa iliaca • an der Einmündung in die Harnblase Zwischen den Engen sind die weitlumigen Abschnitte („Ureterspindeln“) mit doppeltem bis zu vierfachem Durchmesser der Engen. Klinik: Harnsteine können sowohl im Nierenbecken als auch in der Harnblase entstehen. An den Engstellen können Steine eingeklemmt werden.

1016

Dabei kommt es zu schmerzhaften Kontraktionen der Wandmuskulatur, Koliken. Die ableitenden Harnwege können durch Kontrastmittelgabe entweder intravenös (Ausscheidungsurogramm) oder über die Harnröhre (retrograde Pyelographie) dargestellt werden.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

aus der A. testicularis und A. ductus deferentis, bei der Frau aus der A. ovarica und A. uterina. Sie bilden in der Adventitia des Ureters (Ureterscheide) ein anastomosierendes Geflecht. Das Ablösen der Adventita bei chirurgischen Eingriffen über längere Strecken ist wegen der Gefahr der Ureternekrose zu vermeiden.

£ Feinbau (Abb. 12.76)

Venen. Sie folgen den Arterien.

Calices, Pelvis renalis und Ureter haben im Wesentlichen gleichen Bau mit folgenden Schichten:

Lymphgefäße. Die Lymphe wird in die Nll. lumbales abgeführt.

1. Tunica mucosa: sie trägt ein Übergangsepithel, Urothel. Im Ureter zeigt sie Längsfalten (sternförmiges Lumen).

Nerven. Vegetative Nerven stammen aus dem Plexus renalis, testicularis, ovaricus und iliacus internus, sensible Fasern verlaufen über die Nn. splanchnici.

2. Tunica muscularis: sie hat zunächst 2, dann 3 Schichten: Stratum internum (längs), Stratum medium (zirkulär), und im distalen Drittel ein Stratum externum (längs) (Waldeyer-Scheide). 3. Tunica adentitia: bindegewebige Verschiebeschicht mit Gefäßen und Nerven.

£ Funktion. In den ableitenden Harnwegen findet

keine weitere Veränderung des Harns mehr statt. Rhythmische peristaltische Bewegungen der Harnleitermuskulatur (3–6 in der Minute), die mit der Geschwindigkeit von 2–3 cm pro Sekunde über den Harnleiter verlaufen, befördern den Harn schubweise aus dem Nierenbecken in die Harnblase. Auch bei leerem Nierenbecken erfolgen diese rhythmischen Bewegungen. Vermehrte Harnbildung erhöht die Zahl der Bewegungen.

12.4.3

Nebennieren, Glandulae suprarenales (Abb. 12.80, 81)

Lernziele: Entwicklung, Form, Größe, Lage, Beziehungen, Gefäße, Nerven, Feinbau, Mark, Rinde: Zona glomerulosa, Zona fasciculata, Zona reticularis, Funktion

Abb. 12.76: Ureter im Querschnitt. Schleimhaut mit Übergangsepithel, Urothel, sternförmiges Lumen, Muskelschichten schwarz: mittlere Schicht zirkulär, äußere und innere längs. In Adventitia liegen größere Gefäße

£ Gefäße und Nerven

Arterien. Sie kommen aus der Nachbarschaft und sind Äste aus der A. renalis, A. iliaca externa oder communis, A. vesicalis inferior, beim Mann auch

Die Nebennieren sind lebenswichtige Hormondrüsen, die aus jeweils 2 Organen unterschiedlicher Funktion aufgebaut sind: Adrenalorgan (Mark) und Interrenalorgan (Rinde). £ Entwicklung

Die Nebenniere entsteht aus 2 Anlagen: • mesodermal entsteht in der 5.–7. Entwicklungswoche aus dem Zölomepithel in der Lendengegend die Nebennierenrinde. • ektodermal entsteht in der 7.–8. Woche aus der Sympathikusanlage das Nebennierenmark.

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

Bei der Geburt ist die Nebenniere relativ groß (halb so groß wie beim Erwachsenen), verkleinert sich sehr rasch nach der Geburt auf die halbe Größe, hat mit 4 Jahren wieder die Geburtsgröße und verdoppelt sich bis zum Erwachsenenalter. Die Größenveränderungen werden durch Rindenveränderungen verursacht. Die Nebennieren entstehen an Ort und Stelle und machen im Unterschied zur Niere keinen Ascensus durch. So bleiben sie auch bei Nierensenkungen an ihrem Platz liegen. Akzessorische Nebennieren bestehen nur aus Rindensubstanz und können auch im Samenstrang, Nebenhoden und im Lig. latum uteri gefunden werden. £ Form, Größe

Die rechte Nebenniere ist von dreieckiger, die linke von halbmondförmiger Gestalt. Jede Nebenniere ist etwa 5 cm hoch, 3 cm breit, 1 cm dick und wiegt 10 g. Sie besitzt eine Vorderfläche, Facies anterior, eine Hinterfläche, Facies posterior, und eine dem Nierenpol zugewandte Facies renalis. Die Facies anterior trägt das Hilum, an dem die V. suprarenalis austritt. Die Facies anterior und posterior werden kranial vom Margo superior und medial vom Margo medialis getrennt.

1017

von der Flexura duodeni superior und links vom Pankreas teilweise bedeckt. £ Gefäße und Nerven

Arterien (Abb. 12.77). 3 arterielle Gefäßgruppen werden unterschieden: w A. suprarenalis superior: mehrere Stämme aus

der A. phrenica inferior.

w A. suprarenalis media: aus Aorta oder Truncus

coeliacus, oft auch mehrere Stämme. Ein Ast tritt direkt in das Hilum ein. w A. suprarenalis inferior: aus der A. renalis, läuft zwischen Niere und Nebenniere nach lateral und endet als A. capsulae adiposae, die mit einer Kapselarterie aus der A. testicularis bzw. ovarica die Fettkapsel versorgt („Arcade exorenale“) 4 1

2 7 3 5 9

£ Lage, Beziehungen

Die Nebenniere liegt gemeinsam mit der Niere von der Nierenfettkapsel umgeben im Nierenfasziensack. Die Facies posterior beider Nebennieren liegt der Pars lumbalis des Zwerchfells auf. Die rechte Nebenniere liegt kappenförmig dem oberen Pol der rechten Niere auf. Ihr Margo medialis legt sich an die V. cava inferior an und schiebt sich sogar etwas hinter sie (Abb. 12.80). Ihre Vorderfläche steht größtenteils im Bereich der Pars affixa der Leber mit dieser in Kontakt und hat nur kaudal davon ein wenig peritoneale Bedeckung (Abb. 12.8). Die linke Nebenniere sitzt halbmondförmig auf dem oberen Pol und der Facies medialis der linken Niere und erreicht oft das Hilum renale. Ihre Vorderfläche ist von sekundärem Peritoneum parietale der Bursa omentalis bedeckt (Abb. 12.8) und bekommt unter Vermittlung dieses Spaltraumes Kontakt zur Magenhinterwand. Beim Fetus und Neugeborenen wird die Nebenniere aufgrund ihrer relativen Größe rechts noch

6 8 Abb. 12.77: Arterien der Nebenniere und der Capsula adiposa. 1 Aa. suprarenales superiores, 2 A. suprarenalis media, 3 A. suprarenalis inferior, 4 A. phrenica inferior, 5 A. renalis, 6 A. testicularis bzw. ovarica, 7 A. capsulae adiposae, 8 A. adiposa ima, 7 + 8 Arcade exorenale, 9 A. perforans, anastomosiert mit einer A. interlobularis

Die Arterien bilden unter der Organkapsel ein Gefäßgeflecht von dem aus kleine Arteriolen und Kapillaren die Rinde durchsetzen und sich im Mark zu Sinusoiden erweitern. Venen. Die Sinusoide im Mark münden in die zentrale Markvene, V. centralis, die als V. suprarenalis die Nebenniere über das Hilum verlässt. Sie mündet links in die V. renalis, rechts direkt in die V. cava inferior.

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

1018

Lymphgefäße. Die Lymphe aus den Nebennieren wird über die Trunci lumbales abgeleitet. Nerven. Die Nebenniere wird von mehr vegetativen Fasern als jedes andere Organ innerviert. Die Nerven bilden den Plexus suprarenalis: Er entstammt dem Ganglion coeliacum und dem N. splanchnicus major und zieht mit zahlreichen feinen Ästen zur Drüse (Abb. 12.81). Fettkapsel Fibrozyt Bindegewebskapsel Zona glomerulosa

Kapillare Zona fasciculata

• Zona reticularis: Innenschicht mit netzartigen Zellsträngen kleiner azidophiler Zellen. Die Zellen enthalten Pigment, das im Alter zunimmt (makroskopisch sichtbar schwarz gefärbt) Altersabhängige Veränderungen: Bis zur Pubertät überwiegt die Zona fasciculata. Die Randzonen sind nur sehr schmal. Nach der Pubertät liegt die typische Dreigliederung vor. Jenseits des 50. Lebensjahres verschmälern sich die Zonae reticularis und glomerulosa wieder. Medulla. Das Nebennierenmark besteht aus polyedrischen basophilen Zellen, die sich mit Chromsalzen braun färben (chromaffine Zellen). Die Zellen lassen sich in Adrenalin produzierende A-Zellen und Noradrenalin produzierende N-Zellen unterscheiden. Das Mark löst sich nach dem Tod sehr rasch auf, ein Schnitt durch die Nebenniere vermittelt den Eindruck eines schwarz ausgekleideten (pigmentierte Zona reticularis) Säckchens. £ Funktion

Zona reticularis

Kapillare

Die Rinde mit ihren 3 Schichten und das Mark produzieren verschiedene Hormone Rinde

Nebennierenmark

Ganglienzelle chromaffine Zelle

Abb. 12.78: Feinbau der Nebenniere. Außen Bindegewebskapsel, darunter die Rindenzonen, innen das Mark mit Ganglienzellen

£ Feinbau (Abb. 12.78)

Die Nebenniere besteht aus Rinde, Cortex, und Mark, Medulla. Cortex. Dicht unter der Kapsel können undifferenzierte Zellen vorkommen (subkapsuläres Blastem). Die Rinde gliedert sich in 3 Zonen: • Zona glomerulosa: unter der Kapsel gelegene Zone mit knäuelartig gewundenen Zellsträngen azidophiler Zellen. • Zona fasciculata: breite Mittelschicht mit parallelen Strängen lipoidhaltiger Zellen (Spongiozyten)

• In der Zona glomerulosa werden Mineralokortikoide (z. B. Aldosteron) gebildet. Sie steuern den Salz- und Wasserhaushalt des Körpers. • In der Zona fasciculata werden die Glukokortikoide (z. B. Cortison, Hydrocortison) gebildet. Die Ausschüttung dieser Hormone wird durch das adrenokortikotrope Hormon (ACTH) der Hypophyse reguliert. Sie steuern vor allem den Kohlenhydratstoffwechsel. Sie erhöhen den Blutzuckerspiegel durch vermehrten Abbau von Glykogen und gesteigerte Glukoneogenese aus Aminosäuren. Durch Stress wird vermehrt ACTH ausgeschüttet, womit auch die Glukokortikoide vermehrt gebildet werden. Außerdem wirken sie stark entzündungshemmend und hemmend auf die Bindegewebszellen. • In der Zona reticularis werden bei beiden Geschlechtern Geschlechtshormone, vor allem androgen wirkende (Androsteron) gebildet, welche die Entwicklung zum männlichen Habitus fördern. Auch weibliche Geschlechtshormone (Östrogen) werden hier in geringen Mengen produziert.

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

Klinik: Ausfälle, Unter- und Überproduktion der Nebennierenrinde haben endokrine Störungen zur Folge. 1. Addison-Krankheit: Nebennierenrindeninsuffizienz: Unterfunktion mit schwersten Stoffwechselstörungen, die mit körperlicher Schwachheit, Hypotonie und bräunlicher Verfärbung der Haut einhergehen (Bronzehautkrankheit). 2. Conn-Syndrom. Vermehrte Produktion von Mineralokortikoiden, die zu einer Störung im Salzhaushalt führt. Die Natriumrückresorption in der Niere ist erhöht und damit der Wassergehalt des Körpers gesteigert. Durch vermehrte Kaliumausscheidung kommt es zu Muskelschwäche und arterieller Hypertonie. 3. Cushing-Syndrom. Überproduktion von Glukokortikoiden, die mit Stammfettsucht, „Vollmondgesicht“, Osteoporose, Zuckerkrankheit und Bluthochdruck einhergeht. 4. Adrenogenitales Syndrom. Überproduktion von androgenen Hormonen, die beim Knaben zur vorzeitigen Geschlechtsreife (Pubertas praecox) und beim Mädchen zur Virilisierung (vermehrte Körperbehaarung = Hirsutismus, Hypertrophie der Clitoris, tiefe Stimme, Unterentwicklung der Mammae, Amenorrhoe) führen. Mark Das Nebennierenmark bildet das Adrenalin und Noradrenalin. Beide Hormone erregen das sympathische Nervensystem, beschleunigen die Herztätigkeit, erhöhen den Blutdruck und auch den Blutzuckerspiegel durch Mobilisierung der Glykogenreserven in der Leber. Erhöhte Ausschüttung erfolgt auch durch psychische Erregung. Klinik: Das Phäochromozytom ist ein Tumor des Nebennierenmarkes oder anderer chromaffiner Gewebe (mancher Paraganglien). Durch zeitweise Adrenalinausschüttung Anfälle von überhöhtem Blutdruck. Gutartiger Tumor wird operativ entfernt.

12.4.4

Lendengegend, Regio lumbalis (Abb. 12.79)

Lernziele: Begrenzungen, Schichten, dorsaler Weg zur Niere, Beziehungen der Pleura zur Niere und 12. Rippe

1019

£ Begrenzung. Dieser Abschnitt der Rückenregi-

onen wird medial durch die Dornfortsätze der Lendenwirbelsäule, lateral durch den dorsalen Rand des M. obliquus externus abdominis, kranial durch die 12. Rippe und kaudal durch die Crista iliaca begrenzt. Die Haut in der Region ist weniger gut verschieblich als am übrigen Rücken. Das subkutane Fettpolster, im Bereich der Lendenwirbeldornfortsätze relativ dünn, ist straff. Die Fascia thoracolumbalis ist hier aponeurotisch, und von ihr entspringt der M. latissimus dorsi. Sie wird durchbohrt von den Hautästen der Rr. dorsales der 4 letzten Thorakalnerven und von den Dorsalästen der Aa. lumbales. Auch die Nn. clunium superiores, Rr. cutanei dorsales aus L1–L3, gelangen zum Teil dicht oberhalb der Crista iliaca in die oberflächliche Regio lumbalis und ziehen über den Darmbeinkamm hinweg zur Gesäßgegend. Diese Rückenregion weist zwei Schwachstellen auf: Trigonum lumbale und Trigonum lumbale fibrosum. Trigonum lumbale: seine laterale Grenze ist der M. obliquus externus abdominis, die mediale der Rand des M. latissimus dorsi und die kaudale die Crista iliaca. Der Boden wird vom M. obliquus internus abdominis gebildet. Hier fehlt also als Schicht der M. obliquus externus abdominis. Trigonum lumbale fibrosum: es wird oben von der 12. Rippe, medial vom Wulst des M. erector spinae und lateral vom M. obliquus internus abdominis begrenzt. Die Wand besteht hier nur mehr aus der Aponeurosis lumbalis. Oberflächlich wird es vom M. latissimus dorsi bedeckt. £ Dorsaler Weg zur Niere. Durch diese Region führt der dorsale Weg zur Niere, die hier ohne Eröffnung der Peritonealhöhle erreicht werden kann. Der in die Rinne zwischen Dornfortsätzen und Rippenfortsätzen der Lendenwirbelsäule eingelagerte kräftige kaudale Teil des M. erector spinae wird ventral vom tiefen Blatt (Aponeurosis lumbalis) und dorsal vom oberflächlichen Blatt der Fascia thoracolumbalis überzogen. Von der Aponeurosis lumbalis entspringen der M. obliquus internus und der M. transversus abdominis. Nach Durchtrennung der Haut, der Subkutis, des M. latissimus dorsi lateral vom tastbaren Wulst des M. erector spinae erreicht man in der Tiefe die Aponeurosis lumbalis, welche auch die Dorsalfläche des M. quadratus lumborum überzieht (s. Abb. 8.24). Durchtrennt

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

1020

M. latissimus dorsi

N., Vasa intercostalia X

M. sacrospinalis

M. intercostalis externus

Lunge

M. intercostalis internus untere Lungengrenze

Rr. dorsales M. quadratus lumborum

Costa XI Pleura parietalis Costa XII untere Pleuragrenze

Lig. arcuatum mediale (Arcus lumbocostalis medialis) Processus costalis vertebrae lumbalis II M. psoas

M. multifidus

M. latissimus dorsi Lig. arcuatum laterale (Arcus lumbocostalis lateralis) Fascia thoracolumbalis, Lamina profunda (Aponeurosis lumbalis) Fascia renalis Capsula adiposa Ren N. iliohypogastricus M. obliquus externus abdominis

M. quadratus lumborum M. sacrospinalis

Trigonum lumbale N. ilioinguinals Crista iliaca M. glutaeus medius

Fascia thoracolumbalis, Lamina superficialis

M. glutaeus maximus

Abb. 12.79: Regio lumbalis. M. latissimus dorsi, M. erector spinae, M. quadratus lumborum und Mm. intercostales externi teilweise entfernt. Fascia renalis und Capsula adiposa durchtrennt. Beide Arcus lumbocostales ziehen zum Processus costarius des 2. Lendenwirbels (Variation)

man auch diese Aponeurose und zieht den lateralen Rand des M. quadratus lumborum nach medial, so wird das retrorenale Fettgewebe sichtbar, durch welches der N. iliohypogastricus nach lateral absteigt, oberhalb begleitet vom N. subcostalis, unterhalb vom N. ilioinguinalis. Nach Durchtrennung dieses Fettpolsters, der

dorsalen Nierenfaszie und der Capsula adiposa erreicht man die Niere. £ Zur Nierentopographie. Das kraniale Drittel der dorsalen Nierenfläche wird von der in ihrer Länge sehr variablen 12. Rippe verdeckt (Abb. 12.65). Ist letztere relativ lang, so verläuft sie von medial und kranial schräg nach lateral und kaudal. Eine häufig vorkommende

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

kurze 12. Rippe hat, dem Processus costarius eines Lendenwirbels ähnlich, dagegen einen horizontalen Verlauf. Zwischen die Niere und die 12. Rippe ist die Pleura mit ihrem Recessus costodiaphragmaticus und das Zwerchfell eingelagert. Letzteres entspringt mit dem Crus laterale seiner Pars lumbalis vom Arcus lumbocostalis lateralis (Lig. arcuatum laterale). In der Abb. 12.79 zieht er nicht wie gewöhnlich vom Processus costarius des 1. Lendenwirbels zur 12. Rippe, sondern vom Rippenfortsatz des 2. Lendenwirbels (häufige Variation). Die untere Pleuragrenze überschreitet bei einer langen 12. Rippe nur deren mediales und mittleres Drittel nach kaudal. Das laterale Drittel einer langen 12. Rippe kann deshalb bei Operationen ohne Gefährdung der Pleura entfernt werden. Eine kurze 12. Rippe wird in ihrer gesamten Länge von der Pleura nach kaudal überschritten. Ihre Resektion ist deshalb nicht zulässig. Die Länge der 12. Rippe schwankt zwischen 2 und 15 cm. Klinik: Stichverletzungen der Regio lumbalis gefährden nicht nur die Niere, sondern am Übergang zum Brustkorb die Pleurahöhle und sogar Oberbauchorgane.

12.4.5

Leitungsbahnen im Retroperitonealraum

Lernziele: Aorta abdominalis, unpaare und paarige Äste, V. cava inferior, zuführende Gefäße, Lymphknoten und Lymphgefäße, Nerven: Truncus sympathicus, prävertebrale Ganglien, Plexus aorticus abdominalis. Die beherrschenden Gefäße des Retroperitonealraumes sind die Aorta und die V. cava inferior mit 2 großen Gefäßkreuzungen jeweils an der Aufteilung in die Vasa iliaca communia und an den Abgängen der Vasa renalia. Beim kaudalen Gefäßkreuz (Abb.12.80) liegen die Venen noch dorsal und etwas rechts, so dass die V. iliaca communis sinistra die A. iliaca communis dextra hinterkreuzt, um weiterhin auf der medialen Seite der A. iliaca communis sinistra zu bleiben. Die rechte V. iliaca communis liegt hingegen zunächst noch lateral der gleichnamigen Arterie und muss sie erst im weiteren Verlauf hinter-

1021

kreuzen, um an ihre mediale Seite zu gelangen. Im Verlauf nach oben schiebt sich die V. cava inferior immer mehr nach rechts und ventral und entfernt sich sogar um einige Zentimeter von der Aorta. Beim oberen Gefäßkreuz liegen daher die Nierenvenen vor den Nierenarterien. £ Bauchaorta, Aorta abdominalis

Die Bauchaorta beginnt nach dem Durchtritt durch den Hiatus aorticus des Zwerchfells (s. Kap. 10.7.2.1.1, S. 877) in Höhe von Th12 oder L1, steigt vor den Lendenwirbelkörpern ein wenig links von der Medianebene abwärts und teilt sich vor dem 4. Lendenwirbel in die paarigen Aa. iliacae communes (Bifurcatio aortae). Ihre eigentliche Fortsetzung ist die kleine A. sacralis mediana, die hinter der V. iliaca communis sinistra ins kleine Becken zieht. Beziehungen: Ventral wird sie von kranial nach kaudal überkreuzt (Abb. 12.8, 12.80) bzw. verdeckt von der Milzvene, dem Plexus coeliacus, dem Pankreas, der V. renalis sinistra, der Radix des Mesocolon transversum, der Pars inferior duodeni, der Radix mesenterii und dem Bauchfell. Links grenzt sie an den Truncus sympathicus und den M. psoas major, rechts an die V. cava inferior. Dorsal liegt sie den Lendenwirbeln an und wird von den linken Vv. lumbales gekreuzt. Die Bauchaorta gibt Äste an die paarigen und unpaaren Bauchorgane, Beckenorgane sowie zum Zwerchfell und an die Rumpfwand ab. Die Aorta entlässt folgende Äste (12.80): w Unpaare, ventrale Eingeweidearterien, die in die

Gekröse eintreten (Truncus coeliacus, A. mesenterica superior und inferior); w Aa. phrenicae inferiores. Sie entspringen in der Höhe des Truncus coeliacus direkt aus der Aorta oder aus dem Truncus selbst. Sie versorgen das Zwerchfell und geben die A. suprarenalis superior zur Nebenniere ab. w Aa. suprarenales mediae. Sie entspringen ein wenig tiefer und verlaufen nach lateral (rechts hinter der V. cava inferior) zur Nebenniere. w Aa. renales. Diese entspringen in Höhe des 1. bis 2. Lendenwirbels seitlich aus der Aorta. Die rechte verläuft hinter der V. cava inferior und

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

1022

Hiatus oesophageus Oesophagus et Truncus vagalis anterior A. phrenica inferior sinistra Truncus vagalis posterior A. gastrica sinistra Truncus A. splenica coeliacus A. hepatica communis

Vv. hepaticae A. phrenica inferior dextra Aa. suprarenales superiores Gl. suprarenalis A. suprarenalis media

A. mesenterica superior A. renalis V. renalis V. testicularis A. testicularis Ureter A. mesenterica inferior Aorta abdominalis mit Plexus aorticus Capsula adiposa N. iliohypogastricus

Aa. suprarenales inferiores Ren V. cava inferior Truncus sympathicus N. subcostalis M. psoas major

A. iliolumbalis

M. iliacus

N. ilioinguinalis N. cutaneus femoris lateralis

A. iliaca communis

R. genitalis R. femoralis

Plexus hypogastricus superior A. iliaca interna

ni. genitofemoralis

N. femoralis

A. iliaca externa

Peritoneum Rectum Vesica urinaria

Abb. 12.80: Organe und Leitungsbahnen des Spatium retroperitoneale

dem Pankreaskopf (Abb. 12.66), die linke hinter dem Pankreaskörper zur Niere. Sie geben Äste zur Nebenniere (A. suprarenalis inferior), zum Ureter und zur Nierenkapsel ab. Beide Arterien werden meistens von der gleichnamigen Vene ventral verdeckt. Die Nierenarterien sind in Lage und Zahl variabel, weil die definitive Arterie eine von den zahlreichen Nachnierenarterien ist, von denen auch mehrere erhalten bleiben können. w Aa. testiculares. Sie entspringen unterhalb der Nierenarterien ziemlich ventral aus der Aorta. Die dünnen Gefäße verlaufen ab- und lateralwärts, überkreuzen den M. psoas, die Pars abdominalis des Ureters (geben an ihn Äste ab), schließlich die Vasa iliaca externa und ziehen mit dem Ductus deferens durch den Leistenkanal zum Hoden. w Die kürzeren Aa. ovaricae haben den gleichen Ursprung und zunächst den gleichen Verlauf, ziehen dann aber über den Rand des kleinen Beckens hinweg im Lig. suspensorium ovarii

1. zur Extremitas tubaria ovarii, 2. zur Ampulle der Tube, 3. zur Anastomose mit einem Ast der A. uterina. Aus dieser Anastomose ziehen mehrere Äste in das Hilum des Eierstockes. w Die Aa. lumbales, gewöhnlich 4 Lendenarterien, entspringen dorsal aus der Aorta, verlaufen über die vier kranialen Lendenwirbelkörper lateralwärts, verschwinden bald unter den Sehnenbögen des M. psoas, geben zwischen den Rippenfortsätzen der Wirbel einen dorsalen Ast zur Rückenmuskulatur und einen R. spinalis zum Wirbelkanal ab und verlaufen mit dem ventralen Ast zwischen den Bauchmuskeln. Hier anastomosieren sie mit den anderen Bauchwandästen: der A. epigastrica superior und inferior, den Aa. intercostales, der A. iliolumbalis und A. circumflexa ilium profunda. £ Untere

Hohlvene, (Abb. 12.8, 80)

Vena

cava

inferior

Sie entsteht am Unterrand des 4. Lendenwirbels durch Vereinigung der Vv. iliacae communes

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

beider Seiten. Die Vereinigung liegt etwas kaudal von der Aortenbifurkation und etwas hinter ihr. Von hier steigt die Vene rechts von der Aorta vor der Wirbelsäule aufwärts, biegt in Höhe der Nieren nach rechts ab, um durch das Foramen v. cavae im Centrum tendineum des Zwerchfells zum rechten Vorhof zu gelangen (s. Kap. 10.3, S. 803). Ihr Durchmesser beträgt bis zu 3 cm. Beziehungen: Die Vorderfläche der V. cava inferior wird kaudal vom Bauchfell überzogen. Nach kranial wird sie überlagert von: Radix mesenterii, A. testicularis/ovarica dextra, Pars inferior duodeni, Caput pancreatis und Lig. hepatoduodenale (mit Ductus choledochus, V. portae hepatis, A. hepatica propria). Sie begrenzt mit ihrer Vorderfläche das Foramen epiploicum von dorsal her. Nach oben anschließend verläuft sie im Sulcus V. cavae der Leber. Dorsal (Abb. 12.81) grenzt sie an den Truncus sympathicus dexter, den medialen Rand des rechten M. psoas major, den rechten Zwerchfellschenkel und an die rechten paarigen Aortenäste (Aa. lumbales, A. renalis, A. suprarenalis media, A. phrenica inferior) mit Ausnahme der ventral gelegenen A. testicularis/ovarica dextra. Links liegt sie der Aorta, rechts der rechten Nebenniere an, die sich sogar etwas hinter sie schieben kann. Die V. cava inferior nimmt das Blut von den Beinen, aus dem Becken und den Beckenorganen, der Bauchwand, den paarigen Organen der Bauchhöhle und der Leber auf. Ihre Zuflüsse sind: w Vv. lumbales: Sie verlaufen kranial von den

Aa. lumbales, nehmen das Blut von der Haut und den Muskeln des Rückens, von den Bauchmuskeln und den Wirbelsäulenvenen auf. Vor den Rippenfortsätzen der Wirbel sind sie durch Längsanastomosen verbunden (s. Kap. 2.3.4.1, S. 70). Diese Anastomose, V. lumbalis ascendens, verbindet die V. iliaca communis mit den Vv. lumbales und mündet rechts in die V. azygos, links in die V. hemiazygos. Die letztere fließt in die V. azygos, welche selbst in die V. cava superior mündet. Wir haben somit hier die wichtigste, seitlich der Wirbelsäule gelegene Verbindung zwischen V. cava inferior und superior (Kavo-kavale-Anastomose). w V. testicularis dextra: Sie kommt aus dem Plexus pampiniformis, einem dichten Venengeflecht im

1023

w

w

w

w

w

Samenstrang, verläuft häufig doppelt mit der A. testicularis zur unteren Hohlvene. V. testicularis sinistra verläuft hinter dem Colon sigmoideum zur V. renalis sinistra. Der Verlauf hinter dem Sigmoid, der längere Weg und die rechtwinklige Einmündung in die V. renalis werden als Ursache für die links häufigere krankhafte Erweiterung des Plexus pampiniformis (Varikozele) angesehen. Vv. ovaricae. Sie sammeln das Blut aus dem Ausbreitungsgebiet der gleichnamigen Arterie, verläuft durch das Lig. suspensorium ovarii und ist im übrigen Verlauf gleich den Vv. testiculares. Vv. renales: Sie verlaufen ventral von den Arterien und münden direkt unterhalb des Ursprungs der A. mesenterica superior in die V. cava inferior. Die rechte ist kurz und von der Pars descendens duodeni bedeckt. Die linke ist lang und stärker, nimmt die linke V. testicularis/ovarica und V. suprarenalis auf, verläuft ventral von der Aorta und ist vom Pankreas bedeckt. V. suprarenalis dextra: ist sehr kurz und mündet von lateral in die V. cava inferior. Die V. suprarenalis sinistra mündet in die linke V. renalis. Vv. hepaticae: 2–3 große, kurze Stämme (Abb. 12.80, 81) führen das Blut aus dem Parenchym der Leber dicht unterhalb des Zwerchfells in die V. cava inferior.

£ Lymphknoten und Lymphgefäße

Rechts, links und vor der Aorta und V. cava inferior liegt eine Kette vom Lymphknoten, Nll. lumbales. Sie nehmen die Lymphe von den Keimdrüsen, Nieren, Nebennieren und tiefen Teilen der Bauchwand direkt auf. Von oberflächlichen Teilen der Bauchwand, den Beinen, dem Becken und den Beckenorganen nehmen sie die Lymphe mittels vorgeschalteter Lymphknoten indirekt auf. Aus den Nll. lumbales bilden sich neben der Wirbelsäule 2 Längsstämme, die Trunci lumbales. Die Trunci lumbales liegen vor dem lumbalen Grenzstrang und können mit ihm verwechselt werden. Die Lymphe vom Darm, von der Milz, vom Pankreas und z. T. von der Leber fließt über die, bei den entsprechenden Organen beschriebenen, vorgeschalteten Lymphknoten schließlich zu den in der Umgebung des Truncus coeliacus gelegenen Nll. coeliaci ab. Aus diesen bildet sich der Truncus

12 Bauchhöhle, Cavitas abdominis (abdominalis)

1024

Hiatus oesophageus et Truncus vagalis anterior

Vv. hepaticae

A. phrenica inferior sinistra

V. cava inferior

Truncus vagalis posterior A. gastrica sinistra Truncus A. hepatica communis coeliacus A. splenica

A. phrenica inferior dextra Hiatus aorticus Aa. suprarenales superiores

Plexus suprarenalis

N. splanchnicus major

A. mesenterica superior

Ganglia coeliaca

A. renalis et Plexus renalis

Ggl. mesentericum superius

V. renalis

Ggl. renale

Vasa testicularia

Ren

Truncus sympathicus sinister

Ggl. mesentericum inferius

Aorta abdominalis et Plexus aorticus

Truncus sympathicus dexter

Ureter A. mesenterica inferior

V. cava inferior

Abb. 12.81: Spatium retroperitoneale: V. cava und Vv. renales entfernt. Plexus coeliacus, Truncus sympathicus

intestinalis. Die Trunci lumbales und der Truncus intestinalis vereinigen sich in äußerst variabler Form und Lage (vor den Körpern der beiden obersten Lenden- und beiden untersten Brustwirbel) zur Cisterna chyli. Sie liegt dorsal der Aorta im Hiatus aorticus. Ihre Fortsetzung nach kranial ist der Ductus thoracicus (s. Kap. 2.5.4.2, S. 88). £ Nerven (Abb. 12.81)

1. Spinalnerven Plexus lumbosacralis: Die Äste des Plexus laufen mit Ausnahme des N. obturatorius außerhalb der Fascia transversalis und gehören daher genau genommen nicht dem Retroperitonealraum an (s. Kap. 11.1.4, S. 920) 2. Vegetative Nerven Truncus sympathicus Der Truncus sympathicus gelangt zwischen Crus mediale und laterale des Zwerchfells in den Retroperitonealraum. Sein Bauchteil besteht aus einer Kette von 4 Ganglien, die ventrolateral den Lendenwirbelkörpern anliegt. Vor dem linken und rechten Truncus sympathicus liegt jeweils der lymphatische Truncus lumbalis, rechts zusätzlich die V. cava , links die Aorta. Die Vasa lumbalia kreuzen hinter dem Grenzstrang. Seine Ganglien sind durch Rami communicantes mit den Lumbalnerven und durch Rami viscerales mit den sympathischen Geflechten der Aorta und ihrer Äste verbunden.

Prävertebrale Ganglien Die Aorta ist mit einem mächtigen vegetativen Plexus versehen, der im oberen Abschnitt als Plexus coeliacus bezeichnet wird und sich nach unten in den Plexus aorticus abdominalis fortsetzt. Plexus coeliacus. Er liegt zu beiden Seiten und am kaudalen Umfang des Truncus coeliacus, sowie am Abgang der Aa. renales und A. mesenterica superior. In das ausgedehnte Nervengeflecht sind zahlreiche größere und kleinere Ganglien eingeschaltet, und er wurde wegen seiner strahligen Form als Plexus solaris (Sonnengeflecht) bezeichnet. Folgende zuführende Äste werden unterschieden. w Fasern aus den oberen lumbalen Sympathikus-

ganglien

w N. splanchnicus major (aus Th6–9) und

N. splanchnicus minor (aus Th10–11) treten beiderseits durch den medialen Zwerchfellschenkel an den Plexus heran. w Parasympathische Vagusäste: der aus dem Plexus oesophageus (s. Kap. 10.7.5.5.4, S. 895) stammende Truncus vagalis anterior bleibt am Magen, während der Truncus vagalis posterior zum Plexus coeliacus gelangt, über den er mit parasympathischen Fasern den Magen-Darmkanal bis zur Flexura coli sinistra innerviert. In den Plexus coeliacus sind mehrere große und kleine Ganglien eingestreut: das Ganglion coeliacum dextrum liegt hinter der V. cava inferior

12.4 Retroperitonealraum, Spatium retroperitoneale

1025

und reicht fast an die Nebenniere, das Ganglion coeliacum sinistrum liegt links an der Aorta. Beide Ganglien sind meist unterhalb des Truncus coeliacus miteinander verbunden. Das Ganglion mesentericum superius liegt am Abgang der A. mesenterica superior, das Ganglion renale und Ganglion aorticorenale finden sich am Abgang der Nierenarterien.

Ursprung der A. mesenterica inferior finden wir in ihm häufig das Ganglion mesentericum inferius, von dem der Plexus mesentericus inferior entlang der gleichnamigen Arterie zum Colon descendens, sigmoideum und Rectum zieht. Seine parasympathischen Fasern entstammen dem sakralen Parasympathicus, die über die Nn. hypogastrici aus dem Becken aufsteigen.

Postganglionäre Fasern aus dem Plexus coeliacus ziehen mit den Blutgefäßen zu den Bauchorganen: besonders mächtig ist der Plexus suprarenalis; weiter gibt es einen Plexus renalis, testicularis bzw. ovaricus. Zu den unpaaren Bauchorganen ziehen der Plexus hepaticus, gastricus, splenicus und mesentericus superior.

Der Plexus aorticus abdominalis teilt sich am Ende der Aorta in 3 Geflechte auf: in 2 Plexus iliaci, die den Aa. iliacae communes folgen und den unpaaren Plexus hypogastricus superior. Dieser zieht als breites Geflecht über das Promontorium, wo er sich in die beiden Nn. hypogastrici teilt, die jederseits in den Plexus hypogastricus inferior (pelvicus) einstrahlen.

Plexus aorticus abdominalis. Er ist die kaudale Fortsetzung des Plexus coeliacus. Kranial vom

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis Herbert Maurer

Das Becken ist eine Ringkonstruktion, die einerseits den unteren Abschluss des Rumpfes bildet und andererseits das Gewicht des Oberkörpers auf die freie untere Gliedmaße überträgt. Die knöcherne Grundlage bilden der aus den beiden Hüftbeinen bestehende Beckengürtel, Cingulum membri inferioris (Cingulum pelvicum) und das zwischen beide Hüftbeine eingekeilte Os sacrum. Während der Schultergürtel gut beweglich mit dem Rumpf verbunden ist, ist der Beckengürtel fest mit

13.1

dem Ende der Wirbelsäule verbunden und vermag dadurch die Last des Rumpfes und der oberen Gliedmaßen auf die Beine zu übertragen. Durch Ligamenta, die Symphysis pubica und die Artic. sacroiliaca werden die 3 knöchernen Elemente zum Becken, Pelvis verbunden. Vorne und seitlich wird die knöcherne Wand des Beckenraumes durch die Bauchmuskeln vervollständigt, nach unten verschließt der Beckenboden den Beckenausgang. Die Wände des Beckenraumes besitzen Öffnungen zum Durchtritt von Organen und Leitungsbahnen.

Knochen des Beckengürtels, Ossa cinguli membri inferioris, Knochenverbindungen, Juncturae cinguli pelvici

Lernziele: Os coxae, Verbindungen der Beckenknochen, Bänder, Becken als Ganzes, Beckenmaße, Geschlechtsunterschiede, Wände Os ilium

13.1.1

Hüftbein, Os coxae

Das Os coxae besteht aus

Y–Fuge

1. Darmbein, Os ilium, 2. Sitzbein, Os ischii, 3. Schambein, Os pubis. Diese 3 Knochen bilden mit ihrem Corpus das Acetabulum, die Hüftgelenkpfanne und sind beim Kind durch die Y-förmige knorpelige Wachstumsfuge getrennt. Das Acetabulum wird durch einen hohen Rand, den Limbus acetabuli (Margo acetabuli) begrenzt. Dieser besitzt einen Einschnitt, die Incisura acetabuli, welche im aufrechten Stand nach unten gerichtet ist. Die halbmondförmige

Os pubis Os ischii

Abb. 13.1: Rechtes Hüftbein eines 14-jährigen Mädchens. Y-Fuge im Bereich der Hüftgelenkspfanne

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1028

Linea glutea anterior

Os ilium

Tuberculum iliacum Labium internum Linea intermedia cristae iliacae Labium externum

Ala ossis ilii Linea glutea posterior

Spina iliaca anterior superior Spina iliaca posterior superior

Linea glutea inferior

Spina iliaca posterior inferior

Spina iliaca anterior inferior Sulcus supraacetabularis Limbus acetabuli

Incisura ischiadica major

Facies lunata Fossa acetabuli Spina ischiadica

Incisura acetabuli Pecten ossis pubis Tuberculum pubicum

Incisura ischiadica minor

Crista obturatoria Tuber ischiadicum

Ramus inferior ossis pubis

Ramus ossis ischii

Foramen obturatum Os pubis

Os ischii

Abb. 13.2: Hüftbein, Os coxae, Außenseite

überknorpelte Gelenkfläche, Facies lunata, ist am Pfannendach am breitesten. Über das Pfannendach wird in der aufrechten Haltung die Last des Oberkörpers auf den Oberschenkelknochen übertragen. Die Fossa acetabuli liegt knorpelfrei im Zentrum der Hüftgelenkpfanne. Entwicklung. Endochondrale Anlagen im Os ilium (3. FM), im Os ischii (4.–5. FM) und im Os pubis (5.–6. FM) und Ausbildung einer Y-förmigen Wachstumsfuge. Schambein und Sitzbein synostosieren im 5.–6. LJ zu einem einheitliche Knochen („Leistenbein“). Im Acetabulum treten ein oder mehrere Knochenkerne im 10.–12. LJ auf. Weitere Anlagen sind im Tuber ischiadicum und der Crista iliaca (13.–15. LJ) und in den Spinae (16. LJ). Im 15.–18. LJ verknöchern alle Anlagen miteinander (Abb. 13.1).

13.1.1.1

Anteile des Os coxae (Abb. 13.2, 3)

13.1.1.1.1 Os ilium (Ilium) Das Darmbein besteht aus 1. Corpus ossis ilii, 2. Ala ossis ilii. Der Sulcus supraacetabularis verläuft oberhalb des Limbus acetabuli. Der kraniale Rand der Darmbeinschaufel wird durch die Crista iliaca, dem Darmbeinkamm gebildet. Dieser beginnt an der Spina iliaca anterior superior und endet an der Spina iliaca posterior superior. Den Außenrand des Darmbeinkammes bildet das Labium externum, innen liegt das Labium internum und zwischen beiden Knochenlippen ist die Linea intermedia. Weiter findet man noch die Spina iliaca anterior inferior, die Spina iliaca posterior inferior und am Labium externum das Tuberculum iliacum. Die Außenfläche der Ala ossis ilii heißt Facies glutae-

13.1 Knochen des Beckengürtels, Bänder und Knochenverbindungen

Fossa iliaca

1029

Os ilium

Labium externum cristae iliacae

Linea intermedia

Tuberositas iliaca

Labium internum

Facies auricularis

Spina iliaca anterior superior

Facies sacropelvina

Spina iliaca posterior superior

Spina iliaca anterior inferior

Spina iliaca posterior inferior

Linea arcuata

Incisura ischiadica major Corpus ossis ischii

Eminentia iliopubica

Spina ischiadica

Pecten ossis pubis

Incisura ischiadica minor

Sulcus obturatorius Ramus superior ossis pubis

Tuber ischiadicum

Tuberculum pubicum

Ramus ossis ischii

Crista pubica Facies symphysialis Os pubis

Ramus inferior ossis pubis

Os ischii

Abb. 13.3: Hüftbein, Os coxae, Innenseite

alis mit den Ursprungsfeldern der Mm. glutaeales, welche durch die Lineae glutaeales anterior, posterior et inferior abgegrenzt sind. An der Innenseite liegt die Fossa iliaca, die kaudal bis zur Linea arcuata reicht. Diese bogenförmige Linie bildet einen Teil der Grenzlinie zwischen großem und kleinem Becken. Die Facies sacropelvina ist dem Kreuzbein zugewandt und besteht aus der Tuberositas iliaca und der Facies auricularis. Die Tuberositas iliaca dient dem Ansatz der Ligg. sacroiliaca und die Facies auricularis ist die Gelenkfläche für die Artic. sacroilica. 13.1.1.1.2 Os ischii (Ischium) Das Sitzbein besteht aus 1. Corpus ossis ischii,

2. Ramus ossis ischii.

Das Os ischii begrenzt die hintere Hälfte des Foramen obturatum. Dorsal trennt die Spina ischiadica (ischialis) die Incisura ischiadica (ischialis) major

von der Incisura ischiadica (ischialis) minor. Das Tuber ischiadicum (ischiale), der Sitzbeinhöcker, liegt am unteren Ende der Incisura ischiadica minor. 13.1.1.1.3 Os pubis (Pubis) Das Schambein besteht aus 1. Corpus ossis pubis,

2. Ramus superior, 3. Ramus inferior ossis pubis. Das Schambein begrenzt ventral das Foramen obturatum. Die Facies symphysialis ist die medial gelegene und dem gegenseitigen Os pubis zugewandte Fläche. Am Oberrand des Os pubis liegt das Tuberculum pubicum, von ihm zieht die Crista pubica nach medial. Die Crista obturatoria verläuft vom Tuberculum pubicum zum Vorderrand der Incisura acetabuli. Am Ende der Linea arcuata liegt eine Erhebung, die Eminentia iliopubica, von welcher eine scharfe Kante, der Pecten ossis pubis zum Tuberculum pubicum zieht. Den Sulcus obtu-

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1030

ratorius findet man medial am Oberrand des Foramen obturatum, er wird vom Tuberculum obturatorium anterius und dem nicht immer deutlichen Tuberculum obturatorium posterius begrenzt.

13.1.1.2

Verbindungen der Knochen des Beckens, Juncturae cinguli pelvici (Abb. 13.4–7)

Die Anteile der beiden Ossa coxae und das Os sacrum sind durch Bandhaften, Knorpelhaften und Gelenke miteinander verbunden: 1. Bandhaften: Membrana obturatoria, Ligg. sacroiliaca, sacrotuberale, sacrospinale (Abb. 13.5) 2. Faserknorpelhaft: Symphysis pubica (Abb. 13.4) 3. Gelenke: Articulation sacroiliaca, Articulatio sacrooccygea (Abb. 13.5) 13.1.1.2.1 Membrana obturatoria (Abb. 13.6) Die Membrana obturatoria ist eine flächenhafte Syndesmose die an den Rändern des Foramen obturatum befestigt ist und den Mm. obturatorii als zusätzliche Ursprungsfläche dient. Sie überspannt den Sulcus obturatorius und bildet so die bindegewebige Begrenzung des Canalis obturatorius. Lig. pubicum superius

Discus interpubicus Cavum symphyseos

Lig. pubicum inferius

Abb. 13.4: Frontalschnitt durch die Schambeinfuge (Symphysis pubica)

13.1.1.2.2 Schambeinfuge, Symphysis pubica (Abb. 13.4) Die beiden einander zugewandten Facies symphysiales der Schambeine sind mit einer dünnen Schicht aus hyalinem Knorpel überzogen und werden durch

eine faserknorpelige Scheibe, Discus interpubicus, (Fibrocartilago interpubica) miteinander verbunden. Im Discus interpubicus findet sich ein mit Flüssigkeit gefüllter Spalt (Cavum symphyseos). Kranial wird diese Faseknorpelhaft durch das Lig. pubicum superius und kaudal durch das Lig. pubicum inferius (Lig. arcuatum pubis) verstärkt. Mechanik (Abb. 13.7). Die Schambeinfuge wird beim Stehen auf beiden Beinen auf Zug beansprucht, beim Einbeinstand treten Schubkräfte auf und beim Gehen zusätzlich Druck- und Biegebelastungen. Beim Sitzen wird die Symphysis pubica auf Druck beansprucht. Klinik: Eine Symphysenzerreißung führt zu einem instabilen Beckenring. Da die Symphysis pubica sowohl auf Zug als auch auf Abscherung und Druck beansprucht wird, erfolgt die Versorgung einer Symphysenzerreißung durch eine Zuggurtung. 13.1.1.2.3 Kreuzbein-Darmbein-Gelenk, Articulatio sacroiliaca (Abb. 13.5–9) £ Gelenkflächen. Diese werden durch die Facies

auriculares der Hüftbeine und des Kreuzbeines gebildet. Die Gelenkflächen dienen der Druckübertragung und sind mit hyalinem Knorpel bedeckt. Die unebene Oberfläche besteht aus Faserknorpel. £ Gelenkkapsel. Die Gelenkkapsel ist straff und an den Rändern der überknorpelten Gelenkflächen befestigt. Sie wird durch die Ligg. sacroiliaca verstärkt. £ Bänder. Abb.13.5–6. Wir finden am Gelenk 5 Bänder: 1. Ligg. sacroiliaca anteriora. Die schwachen Ligg. sacroiliaca anteriora bilden einen oberen und unteren Faserzug an der Beckenseite der Artic. sacroiliaca. 2. Ligg. sacroiliaca posteriora. Die kräftigen Ligg. sacroiliaca posteriora besitzen kurze und lange schräg verlaufende Faserzüge durch welche das Os sacrum am Os ilium aufgehängt und die Druckbelastung der überknorpelten Gelenkflächen abgeschwächt wird. Die langen Fasern ziehen auf Höhe des 3. und 4. Kreuzwirbels von der Crista sacralis lateralis nach kranial zur Spina ilica poste-

13.1 Knochen des Beckengürtels, Bänder und Knochenverbindungen

1031 Lig. sacroiliacum posterius

Lig. iliolumbale Lig. supraspinale

Canalis sacralis

Ligg. sacroiliaca interossea Articulatio sacroiliaca

Os ilium Ligg. sacroiliaca posteriora (brevia)

Os ilium Os sacrum Lig. sacroiliacum anterius

Ligg. sacroiliaca posteriora (longa)

Foramen ischiadicum majus Lig.sacrospinale Foramen ischiadicum minus Foramen obturatum Lig.sacrotuberale Tuber ischiadicum Lig.sacrococcygeum posterius superficiale Lig.sacrococcygeum posterius profundum Processus falciformis

Abb. 13.5: Bänder des Beckens von dorsal gesehen. Inset: Ligg. sacroiliaca

rior superior und bedecken die kurzen Fasern, die von den Cristae sacrales lateralis et intermedia entspringen und im Bereich zwischen den Spinae iliacae posteriores am Os ilium ansetzen. 3. Ligg. sacroiliaca interossea. Die ebenfalls kräftigen Ligg. sacroiliaca interossea sind zwischen der Tuberositas ossis sacri und Tuberositas iliaca ausgespannt. 4. Lig. iliolumbale. Es verläuft vom Processus costalis des 4. und 5. Lendenwirbels zur Crista iliaca und zur Tuberositas iliaca. 5. Ligg. sacrotuberale et sacrospinale. Die Ligg. sacrotuberale et sacrospinale sind zusätzliche Syndesmosen mit Wirkung auf die Artic. sacroiliaca. Das Lig. sacrotuberale entspringt fächerförmig von den Seitenrändern des Steiß- und Kreuzbeines, die obersten Fasern reichen zumeist bis zur Spina iliaca posterior superior und bis zur Crista iliaca.

Der Ansatz dieses Bandes ist an der Innenseite des Tuber ischiadicum. Ein kleiner, sichelförmiger Faserzug, Processus falciformis, zieht an die Innenseite des Ramus ossis ischii. Das Lig. sacrospinale wird vom Lig. sacrotuberale bedeckt, hat den Ursprung ebenfalls vom Rande des Kreuz- und Steißbeins und setzt an der Spina ischiadica an. Beide Bänder begrenzen mit den Incisurae ischiadica major et minor die Foramina ischiadicum majus und minus. Mechanik (Abb. 13.8). Die Iliosakralgelenke sind auf Grund des starken Bandapparates straffe Gelenke (Amphiarthrosen) die vor allem das Gewicht des Körpers auf den Oberschenkel übertragen. Die Bewegungsmöglichkeiten sind gering und individuell unterschiedlich. Das Kreuzbein kann bei Belastung kleine Translations- und Rotationsbewegungen ausführen. Wenn das Os sacrum nach vorne gedreht wird kippt das Promontorium

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1032

Vertebra lumbalis V Spina iliaca anterior superior

Promontorium Ligg. sacroiliaca anteriora Foramen ischiadicum majus

Lig. inguinale

Lig. sacrotuberale Lig. sacrospinale

Lig. sacrotuberale

Lig. iliofemorale (Querzug)

Foramen ischiadicum minus Lig. pubofemorale Membrana obturatoria

Lig. iliofemorale (Längszug)

Canalis obturatorius Symphysis pubica

Abb. 13.6: Bänder des Beckens und des Hüftgelenks. Ansicht von ventral und medial

in den Beckeneingang wodurch die Conjugata vera kürzer und der Beckeneingang kleiner wird. Diese Bewegung wird durch die Ligg. sacrotuberalia et sacrospinalia abgefangen. Sie üben dabei gleichzeitig einen Zug auf die Spinae ischiadicae und Tubera ischiadica aus. Wird das Os sacrum nach dorsal gedreht, kippt das Promontorium nach oben, die Conjugata vera wird länger und der Beckeneingang größer. 13.1.1.2.4 Kreuz-Steißbeingelenk, Articulatio sacrococcygea (Abb. 13.5) Da die Kreuzsteißbeinverbindungen von praktischer Bedeutung für den Beckenausgang sind, sollen sie hier beim Becken besprochen werden.

Der Apex ossis sacri und der erste Steißwirbel sind entweder durch ein echtes Gelenk, Articulatio sacrococcygea, oder durch eine Knorpelhaft, Synchondrosis sacrococcygea miteinander verbunden. Bänder 1. Lig. sacrococcygeum anterius

2. Lig. sacrococcygeum posterius profundum 3. Lig. sacrococcygeum posterius superficiale Das Lig. sacrococcygeum anterius zieht von der Vorderfläche des letzten Kreuzwirbels zur Vorderfläche des Steißbeines. Die Hinterfläche des letzten Kreuzwirbelkörpers wird durch das Lig. sacrococcygeum posterius profundum mit der Steißbeinhinterfläche verbunden. Seitlich von letzterem liegt

13.1 Knochen des Beckengürtels, Bänder und Knochenverbindungen

das Lig. sacrococcygeum posterius superficiale. Beim älteren Menschen kommt es häufig zu einer Synostosierung der Verbindungen zwischen Kreuzbein und Steißbein. Mechanik. Bewegungen zwischen Os sacrum und Os coccygis sind passiv möglich. Bei der Geburt weicht das Steißbein nach dorsal aus. Klinik: Durch hormonelle Einflüsse während der Schwangerschaft werden die Verbindungen im weiblichen Becken gelockert.

1033

Dabei wird der Beckenring abwechselnd Druck-, Biegungs-, Zug- und Abscherbelastungen ausgesetzt. Die Rahmenkonstruktion des Beckens wird durch die knöchernen Verdichtungszonen im Hüftbein deutlich. Im Mittelpunkt dieser „Achterschlinge“ des Hüftbeinrahmens liegt das Acetabulum. Wirkung der Körperlast (über das Kreuzbein)

13.1.1.2.5 Hüftgelenk, Articulatio coxae (coxofemoralis) Siehe Kapitel 14.1.1.2.1, S. 1110. Muskelzug

13.1.2

Das Becken als Ganzes

13.1.2.1

Mechanik (Abb. 13.7, 8)

Das Becken ist eine Ringkonstruktion und überträgt die Last des Oberkörpers sowohl in Ruhe (Stehen, Sitzen) als auch bei Bewegung (Gehen, Laufen, Springen usw.) auf die freie untere Extremität.

Muskelzug Muskelzug

Abb. 13.7: Konstruktionsschema des Hüftbeins (Os coxae). Verdichtete (verstärkte) Knochenteile grau. Wirkung der Körperlast und der Muskeln durch Pfeile gekennzeichnet Ligg. sacroiliaca interossea et posteriora Articulatio sacroiliaca Ligg. sacroiliaca anteriora Lig. sacrotuberale

Lig. sacrospinale

Discus interpubicus

Abb. 13.8: Halbschematische Darstellung der Bogenkonstruktion des Beckens. Der obere dicke Pfeil deutet die auf den Bogen wirkende Last des Rumpfes an. Der Bogen setzt sich nach unten in die Traglinie des Beines fort. Die dünneren Pfeile zeigen die Beanspruchung des Knochens und der Bänder bei verschiedenen Belastungen

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1034

Crista iliaca

Spina iliaca anterior superior

Linea arcuata

Acetabulum

Pecten ossis pubis

Symphysis pubica

Foramen obturatum

Angulus subpubicus

Abb. 13.9: Männliches Becken von ventral (Einstellung im Sitzen)

Crista iliaca Articulatio sacroiliaca

Spina iliaca anterior superior

Linea arcuata Pecten ossis pubis Acetabulum

Foramen obturatum

Symphysis pubica

Arcus pubicus

Abb. 13.10: Weibliches Becken von ventral (Einstellung im Sitzen)

13.1 Knochen des Beckengürtels, Bänder und Knochenverbindungen

Klinik: Unterbrechungen des Beckenringes (Symphysenzerreißung, Zerreißung der Sacroiliacalgelenke, Beckenringfrakturen) führen zu einem instabilen Becken.

13.1.2.2

Einstellung des Beckens (Abb. 13.15)

Im aufrechten Stand ist das Becken noch vorne und unten geneigt. Die Beckenneigung, Inclinatio pelvis, ergibt sich aus dem Winkel zwischen der Beckeneingangsebene und der Horizontalebene und beträgt 60°. Durch die Beckenneigung liegen die Spinae iliacae anteriores superiores und die Tubercula pubica in der einer frontalen (koronalen) Ebene.

13.1.2.3

Geschlechtsunterschiede (Abb. 13.9, 10)

Das männliche Becken besitzt einen Angulus subpubicus, hat steiler eingestellte Beckenschaufeln, die Foramina obturatoria sind längsgerichtet und das Promontoruim springt weiter in den Beckeneingang vor („Kartenherzform“). Beim weiblichen Becken findet man einen Arcus pubicus, weiter ausladende Beckenschaufeln, quer eingestellte Foramina obturatoria und das Promontorium springt weniger weit in den Beckeneingang vor. Dieser hat bei der Frau eine querovale Form.

13.1.2.4

Beckenhöhle, Cavitas pelvis (Abb. 13.9–11)

Der Beckenraum besteht aus dem großen Becken, Pelvis major, und dem kleinen Becken, Pelvis minor. Die Linea terminalis trennt großes und kleines Becken. Unter großem Becken verstehen wir den zwischen den beiden Darmbeinschaufeln oberhalb der Linea terminalis gelegenen Raum. Am kleinen Becken unterscheiden wir den Beckeneingang, Apertura pelvis (pelvica) superior, den Beckenausgang, Apertura pelvis (pelvica) inferior, und die Beckenwände. £ Grenzlinie, Linea terminalis. Sie verläuft vom

Promontorium ossis sacri über die Linea arcuata, die Eminentia iliopubica, den Pecten ossis

1035

pubis zum Oberrand der Symphyse und auf der Gegenseite wieder zurück zum Promontorium. £ Beckeneingang, Apertura pelvis superior. Der Beckeneingang ist im aufrechten Stand nach vorne und oben gerichtet und wird von der Linea terminalis umrandet. Die Ebene durch den Beckeneingang wird Beckeneingangsebene oder obere Symphysenrandebene bezeichnet. £ Beckenausgang, Apertura pelvis inferior. Der Beckenausgang ist im aufrechten Stand nach unten und vorne gerichtet und wird durch den Arcus pubicus bzw. Angulus subpubicus, die Tubera ischiadica und die Ligg. sacrotuberalia begrenzt.

13.1.2.5

Wände des kleinen Beckens

Die konkave Hinterwand bilden das Os sacrum und Os coccygis und die Vorderwand die konvexe Innenfläche der Symphysis pubica gebildet. Die Seitenwand bildet knöchern der Boden der Hüftpfanne, das Os pubis und das Os ischii. Die Ligg. sascrospinale et sacrotuberale ergänzen die knöcherne Wand. Durch das Foramen obturatum und die Foramina ischiadica ist die Seitenwand unvollständig. Sie wird im Bereich des Foramen obturatum durch die Membrana obturatoria und den M. obturatorius internus und im Bereich des Foramen ischiadicum majus durch den M. piriformis ergänzt. Das kleine Becken bildet bei der Frau den Geburtskanal.

13.1.2.6

Form des Beckenraumes (Abb. 13.11)

Die Hinterwand des kleinen Beckens ist länger als die Vorderwand und durch die kyphotische Krümmung des Kreuzbeines nach ventral konkav geformt. Die Vorderwand ist kürzer und durch die Form der Symphyse nach hinten gewölbt. Der Beckenkanal, bei der Frau der Geburtskanal, beginnt ventrokranial am Beckeneingang, läuft um die Hinterfläche der Symphysis pubica und endet ventrokaudal mit dem Beckenausgang. Verbindet man die Mittelpunkte der mediansagittalen Durchmesser so erhält man die Beckenachse, Axis pelvis. Klinik: 1. Abweichungen von der normalen Form können unter anderem ein allgemein

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1036

Distantia trochanterica 31 cm Distantia spinarum 25 cm Distantia cristarum 28 cm querer Durchmesser 13,5 cm

1

2

Interspinallinie 10,5 cm II. schräger Durchmesser 12,5 cm

Conjugata vera 11 cm

3

4

5

Abb. 13.11: Beckenformen: 1 normales Becken, 2 allgemein verengt, 3 gerad verengt, 4 allgemein verengt und plattrachitisch (Kombination von 2 und 3), 5 unregelmäßig verengt

verengtes Becken (u. a. infantiles oder juveniles Becken, viriles oder androides Becken, Zwergbecken bei Kleinwuchs), ein gerade verengtes Becken als plattes Becken (Rachitis, Osteomalazie) oder ein unregelmäßig verengtes Becken sein. 2. Beckenbrüche können ebenfalls Fehlformen verursachen. Einengungen und Fehlformen können Geburtshindernisse sein. Daher werden bei der Frau vor der ersten Geburt die Form des Beckens und die Weite des Beckenkanales untersucht.

Abb. 13.12: Beckenmaße

4. Conjugata externa: Abstand vom Oberrand der Symphyse bis zum Processus spinosus L5, 18–21 cm Innere Beckenmaße (Abb. 13.13, 14) Maße des Beckeneinganges

13.1.2.7

Beckenmaße bei der Frau (Abb. 13.13–17)

Arcus pubicus. Die Weite des Arcus pubicus soll mehr als 90° betragen. Üblicherweise beträgt die Weite 110°–120°. Äußere Beckenmaße (Abb. 13.12) 1. Distantia spinarum (interspinosa): Abstand zwischen den Spinae ilacae anteriores superiores, 25–26 cm 2. Distantia cristarum (intercristalis): weitester Abstand der Cristae iliacae, 28–29 cm 3. Distantia intertrochanterica: Abstand der beiden Trochanteres majores: 31 cm

1. Conjugata anatomica: Abstand zwischen dem Oberrand der Symphyse und dem Promontorium: 12 cm 2. Conjugata vera (obstetricia): Abstand zwischen der dicksten Stelle der Symphyse (Eminentia retropubica) und dem Promontorium, gibt die engste Stelle des kleinen Beckens an und kann an der lebenden Frau nicht direkt gemessen werden: 11,0–11,5 cm. Mit Hilfe der Conjugata diagonalis kann auf die Conjugata vera rückgeschlossen werden, indem von der Conjugata diagonalis 1,5 cm abgezogen werden. 3. Conjugata diagonalis: Abstand zwischen dem Unterrand der Symphyse und dem Promontorium, kann per vaginam gemessen werden: 13 cm

13.1 Knochen des Beckengürtels, Bänder und Knochenverbindungen Articulatio sacroiliaca

1037

Diameter obliqua II

Promntorium

Linea arcuata

Diameter transversa

Diameter obliqua I Symphysis pubica

Conjugata vera

Abb. 13.13: Weibliches Becken von ventrokranial gesehen mit Maßen des Beckeneinganges. Rot: Linea terminalis

4. Diameter transversa: größter querer Abstand des Beckeneinganges: 13,5 cm 5. Diameter obliqua I: Abstand zwischen Artic. sacroilica dextra und Eminentia iliopubica sinistra: 12,0–12,5 cm 6. Diameter obliqua II: Abstand zwischen Artic. sacroiliaca sinistra und Eminentia iliopubica dextra: 11,5–12 cm

13 cm

11–1

1. Conjugata recta: Abstand zwischen dem Unterrand der Symphyse und der Steißbeinspitze: 9,5–10 cm 2. Conjugata mediana: Abstand zwischen dem Unterrand der Symphyse und dem Apex ossis sacri: 11,5 cm 3. Diameter transversa: Abstand zwischen den beiden Tubera ischiadica: 10–11 cm

1,5

Maße des Beckenausganges

5

11,

0

9,5 –1

11,5

60˚

Abb. 13.14: Praktisch wichtige Maße des Beckens. Grün: Inclinatio pelvis, rot: Conjugata vera, orange: Conjugata diagonalis, violett: Conjugata mediana, blau: Conjugata recta, schwarz: Axis pelvis

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1038

13.1.2.8

Beckenebenen (Abb. 13.15) 1

Für den Geburtshelfer sind auch die Beckenebenen wichtig und wir unterscheiden folgende Beckenebenen:

2

1. obere Symphysenrandebene (O-Ebene, Beckeneingangsebene) 2. untere Symphysenrandebene (U-Ebene, Beckenweite, Beckenmitte) 3. Interspinalebene (I-Ebene, Beckenenge) und die Beckenausgangsebene (BA).

4

3

Abb. 13.15: Beckenebenen: medianer Sagittalschnitt durch das Becken mit dem klassischen Ebenensystem; die Führungslinie des Beckens ist durch einen Pfeil veranschaulicht; 1 Beckeneingang, 2 Beckenweite (Beckenmitte), 3 Beckenenge, 4 Beckenausgang

13.2

Beckenboden, Diaphragma pelvis et Diaphragma urogenitale, und Damm, Perineum

Lernziele: Muskeln der Diaphragmata, Mechanik und Anordnung Den Abschluss der Beckenhöhle bilden quergestreifte, willkürlich innervierte Muskeln, die als Beckenbodenmuskulatur bezeichnet werden. Diese Muskeln sind um die durch den Beckenausgang ziehenden Eingeweide gruppiert und bestehen aus 2 platten, sich zum Teil überdeckenden Muskeln, dem Diaphragma pelvis und dem Diaphragma urogenitale. Durch das Diaphragma pelvis zieht der Mastdarm, Rectum, und durch das Diaphragma urogenitale beim Mann die Harnröhre, Urethra, und bei der Frau Harnröhre und Scheide, Vagina. Die Funktion dieser Muskeln ist das Halten der Beckenorgane und der willkürliche Verschluss der Urethra und des Rectum. Perineum oder Damm nennt man die Weichteilbrücke zwischen dem Anus und den Genitalorganen. Bei der Frau ist der Damm verhältnismäßig kurz. Beim Mann ist der Damm durch die Vereinigung der Geschlechtswülste bis zum Hodensack verlängert. Die Raphe perinei lässt die Entwicklung aus zwei Hälften noch erkennen.

13.2.1

Diaphragma pelvis

Das Diaphragma pelvis besteht aus dem 1. M. levator ani, 2. M. coccygeus,

3. M. sphincter ani externus.

13.2.1.1

M. levator ani (Abb. 13.16–20)

Dieser Muskel gleicht einem unvollständigen Trichter, dessen Spitze nach unten gerichtet ist. In der Vorderwand besitzt dieser Trichter eine Öffnung, den Hiatus urogenitalis (Levatortor) welche von der Hinterfläche der Symphyse bis zum Centrum perinei (Corpus perineale, Centrum tendineum perinei) reicht. Diese Öffnung wird durch Fasern des M. levator ani, den so genannten Levatorschenkeln begrenzt. Die beiden Levatorschenkel vereinigen sich in der Mitte vor dem Rectum im Centrum perinei. Dieses ist die bindegewebig-muskulöse Grundlage des Dammes (Perineum). Der Hiatus urogenitalis wird durch das Diaphragma urogenitale verschlossen. O.: Arcus tendineus m. levatoris ani (s. u.) I.: Centrum perinei (Corpus perineale, Centrum tendineum perinei), Rectum, Corpus anococcygeum (Lig. anococcygeum), Os coccygis

13.2 Beckenboden, Diaphragma pelvis et Diaphragma urogenitale, und Damm, Perineum

1039

M. psoas major M. iliacus M. piriformis

M. obturatorius internus

M. coccygeus

Arcus tendineus m. levatoris ani Canalis obturatorius

Arcus tendineus m. levatoris ani M. levator ani M. levator ani

Symphysis pubica Diaphragma urogenitale

Arcus tendineus fasciae pelvis

Corpus spongiosum penis

Lig. anococcygeum

Urethra

M. sphincter ani externus et M. sphincter ani internus

Corpus cavernosum penis

Anus

Abb. 13.16: Beckenbodenmuskulatur, von medial gesehen (Mediansagittalschnitt)

L.: Plexus sacralis, S III–IV, entweder über einen direkten Ast oder einen Ast aus dem N. pudendus, A. pudenda interna. Klinik: 1. Die Levatorschenkel können bei einer gynäkologischen Untersuchung seitlich der Vagina getastet werden. 2. Durch den Geburtsvorgang ist der Beckenboden bei der Frau besonderen Belastungen ausgesetzt und kann dabei überdehnt werden, wodurch die Haltefunktion vermindert wird. Die Folge sind Senkung und Prolaps von Beckenorganen. 3. Als Varietäten können Lücken im M. levator ani oder zwischen M. levator ani und M. coccygeus vorkommen. Sie geben Anlass zu den seltenen Dammhernien, Herniae perineales (ischiorectales). Anteile des M. levator ani (Abb. 13.18) sind der M. puborectalis, M. pubococcygeus, und der M. iliococcygeus.

• M. puborectalis O.: Os pubis, seitlich der Symphyse I.: Centrum perinei, Corpus anococcygeum (Lig. anococcygeum) Seine medialen Fasern begrenzen als Levatorschenkel das Levatortor und strahlen vor dem Rectum sich überkreuzend (M. puboperinealis oder prärektale Fasern) in das Centrum perinei ein. Die an ihn anschließenden Anteile enden als pararektale Fasern (M. puboanalis) im M. sphincter ani externus. Die am weitesten lateral liegenden Fasern verlaufen hinter der Flexura perinealis recti, vereinigen sich im Corpus anococcygeum (Lig. anococcygeum) und bilden eine Schlinge um das Rectum (postrektale Fasern, Levatorschlinge). • M. pubococcygeus O.: Os pubis lateral vom vorher genannten Muskel

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1040 M. quadratus lumborum M. psoas major Plexus lumbalis Crista iliaca

M. iliacus

Vasa glutea superiora Plexus sacralis Vasa glutea inferiora M. coccygeus Vasa obturatoria, N. obturatorius N. femoralis Vasa femoralia

Arcus tendineus m. levatoris ani Arcus tendineus fasciae pelvis

Rectum

Vagina

Urethra

M. obturatorius internus M. levator ani

Abb. 13.17: Beckenbodenmuskeln der Frau, von kranial gesehen. Faszien wurden größtenteils entfernt; Rektum, Vagina und Urethra wurden oberhalb des M. levator ani durchtrennt und entfernt. Um die Lage des Plexus sacralis, des N. femoralis und des N. obturatorius zu zeigen, ist der M. psoas major auf der linken Körperseite entfernt worden

I.: Corpus anococcygeum (Lig. anococcygeum), Os coccygis Einige seiner Fasern gelangen beim Mann als M. levator prostatae (M. puboprostaticus) zur Faszie der Prostata und bei der Frau als M. pubovaginalis zur Wand der Vagina.

13.2.1.2

M. coccygeus

O.: Spina ischiadica, Lig. sacrospinale I.: Os coccygis, Os sacrum L.: wie M. levator ani Mitunter fehlt dieser Muskel.

• M. iliococcygeus O.: Arcus tendineus m. levatoris ani I.: Corpus anococcygeum (Lig. anococcygeum), Os coccygis

13.2.1.3

M. sphincter ani externus (Abb. 13.19–21)

Der äußere, aus quergestreiftem Muskelgewebe bestehende Schließmuskel des Afters wird in eine Pars subcutanea, Pars superficialis und Pars profunda gegliedert. Die Pars subcutanea besteht aus

13.2 Beckenboden, Diaphragma pelvis et Diaphragma urogenitale, und Damm, Perineum

1041

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Abb. 13.18: Muskeln des Beckenbodens von oben, nach Rauber/Kopsch

Fascia lata Centrum perinei Fascia diaphragmatis urogenitalis inferior Tuber ischiadicum Fascia obturatoria mit Alcock-Kanal Fascia diaphragmatis pelvis inferior Fascia glutea Lig. anococygeum

M. bulbospongiosus Fascia lata M. ischiocavernosus M. transversus perinei profundus M. transversus perinei superficialis M. sphincter ani externus M. obturatorius internus M. levator ani M. gluteus maximus

Os coccygis

Abb. 13.19: Beckenbodenmuskulatur des Mannes, vom Damm aus gesehen. An der rechten Körperhälfte sind die Faszien dargestell

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1042

M. bulbospongiosus Fascia lata M. ischiocavernosus Fascia lata

M. transversus perinei profundus

Fascia diaphragmatis urogenitalis inferior

M. transversus perinei superficialis

Centrum perinei

M. semitendinosus et m. biceps femoris M. sphincter ani externus Tuber ischiadicum

Fascia obturatoria mit Alcock-Kanal

M. obturatorius internus M. levator ani

Fascia diaphragmatis pelvis inferior (medialer Teil entfernt)

M. gluteus maximus

Fascia glutea

Lig. anococcygeum Os coccygis

Abb. 13.20: Beckenbodenmuskulatur der Frau, vom Damm aus gesehen. Auf der linken Bildhälfte sind die Faszien dargestellt

oberflächlich liegenden und in die Haut vor und hinter dem Anus einstrahlenden Fasern. Die Fasern der Pars superficialis bilden beidseits des Rectum zwischen dem Centrum perinei und dem Corpus anococcygeum (Lig. anococcygeum) verlaufend zwei annähernd sagittal verlaufende Muskelplatten und wirken auf das Rectum wie eine Klemme. Die anschließenden Fasern der Pars profunda reichen 3–4 cm nach kranial und sind ringförmig angeordnet. Der M. sphincter ani externus verschließt willkürlich das Rectum und wirkt dem durch die Peristaltik der Dickdarmwand einsetzenden Stuhldrang entgegen. L. für alle 3 Muskeln: N. pudendus, A. pudenda interna

13.2.2

Diaphragma urogenitale (Abb. 13.20, 21)

Die Muskeln des Diaphragma urogenitale verschließen das Levatortor und liegen teils im Spatium perinei superficiale (M. transversus perinei superficialis, M. ischiocavernosus

et M. bulbospongiosus) und teils im Spatium perinei profundum (M. transversus perinei profundus, M. sphincter urethrae externus). Die beiden Musculi transversi perinei superficiales sind oft schwach ausgebildet und werden heute auch als Membrana perinei bezeichnet. Das Diaphragma urogenitale ist im Gegensatz zum trichterförmigen Diaphragma pelvis eine transversale Muskelplatte, welche den Raum im Arcus pubicus bzw. Angulus subpubicus ausfüllt. Häufig ist ein Großteil der Muskelfasern durch Bindegewebe ersetzt. 1. M. transversus perinei superficialis O.: Tuber ischiadicum I.: Centrum perinei Er liegt im hinteren freien Rand des Diaphragma urogenitale und ist meist sehr schwach ausgebildet. 2. M. transversus perinei profundus Dieser Muskel bildet den wesentlichen Teil des Diaphragma urogenitale, seine Fasern spannen

13.2 Beckenboden, Diaphragma pelvis et Diaphragma urogenitale, und Damm, Perineum

1043

Scrotum

Corpus spongiosum penis Urethra

M. bulbospongiosus

V. dorsalis penis A. dorsalis penis N. dorsalis penis

M. ischiocavernosus

Pars membranacea urethrae

R. inferior ossis pubis

Lig pubicum inferius Lig transversum perinei (praeurethrale) M. sphincter urethrae externus

Glandula bulbourethralis

M. transversus perinei profundus Ramus ossis ischii M. sphincter ani externus M. obturatorius internus

Anus

M. levator ani M. gluteus maximus

Abb. 13.21: Diaphragma urogenitale beim Mann, vom Damm aus gesehen. Die Harnröhre mit ihrem Schwellkörper ist teilweise, der M. transversus perinei superficialis ganz entfernt

sich zwischen dem Ramus inferior ossis pubis und dem Ramus ossis ischi beider Seiten aus. Bei der Frau ist infolge des Durchtrittes der Vagina der M. transversus perinei profundus meistens schwächer ausgebildet. Seine Fasern ziehen um Harnröhre, bei der Frau auch um die Scheide und strahlen in den Damm aus. 3. M. sphincter urethrae externus Der aus quergestreiften Muskelfasern bestehende äußere Schließmuskel der Harnröhre wird an ihrer Durchtrittsstelle durch das Diaphragma urogenitale von zirkulär angeordneten Muskelfasern des M. transversus perinei profundus gebildet. F.: Gemeinsam mit den übrigen Muskeln des Beckenbodens bildet dieser Muskel den willkürlichen Verschluss der Harnröhre. 4. M. ischiocavernosus O.: Ramus ossis ischii Der Muskel setzt an der Tunica albuginea der Crura penis sive clitoridis an und bedeckt das Crus penis bzw. clitoridis

F.: Der Muskel wirkt bei der Erektion des Penis bzw. Clitoris mit. 5. M. bulbospongiosus (M. bulbocavernosus) O.: Centrum perinei I.: beim Mann am Dorsum penis, bei der Frau an der Faszie des Corpus clitoridis F.: Bei der Frau kann der Muskel das Vestibulum vaginae willkürlich verengen (M. sphincter cunni). Beim Mann unterstützt er die Ejakulation. L. für alle Muskeln: N. pudendus, A. pudenda interna Klinik: Durch Überdehnung oder Einrisse durch den Geburtsvorgang können bei der Frau Senkung oder Vorfall von Beckenorganen auftreten. Schädigungen der Schließmuskeln können eine Harninkontinenz zur Folge haben. Der Dammschnitt, Episiotomie verhindert ein unkontrolliertes Einreißen der Beckenbodenmuskulatur.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1044

13.3

Räume des kleinen Beckens, Bauchfellverhältnisse, Beckenfaszie, Fascia pelvis, Faszienräume, Spatia, Fossa ischioanalis (ischiorectalis)

13.3.1

Gliederung

Der Raum des kleinen Beckens wird durch den Beckenboden in einen inneren und äußeren Anteil geteilt. Das Bauchfell reicht von oben bis in das kleine Becken ohne dieses vollständig auszufüllen. Der Innenraum des kleinen Beckens besteht daher aus 2 Räumen: 1. Cavitas peritonealis pelvis 2. Spatium extraperitoneale pelvis

13.3.2

Spatium extraperitoneale pelvis (Abb. 13.22)

Dieser Raum wird vom Peritoneum und der Fascia pelvis begrenzt, ist mit unterschiedlich dickem Bindegewebe ausgefüllt und wird in das Spatium subperitoneale, Spatium retropubicum (praeperitoneale) und das Spatium retroperitoneale eingeteilt. £ Spatium subperitoneale. Der subperitoneale

Bindegewebsraum liegt zwischen Bauchfell und

der Beckenbodenfaszie. Das Spatium subperitoneale steht ventral mit dem Spatium retropubicum und dorsal mit dem Spatium retroperitoneale in Verbindung. £ Spatium retropubicum (praeperitoneale). Dieser Bindegewebsraum liegt ventral zwischen dem Faszienüberzug der Symphyse und dem Bauchfell. £ Spatium retroperitoneale. Die Wände des retroperitonealen Bindegewebsraumes bilden die Fascia pelvis über der Facies pelvina ossis sacri und das Peritoneum.

13.3.3

Fascia pelvis (Abb. 13.22)

Die Fascia pelvis (pelvica) besteht aus der Fascia pelvis parietalis (Fascia endopelvina), welche die Beckenwand bedeckt, und aus der Fascia pelvis visceralis (Fascia propria organi), welche die Beckenorgane überzieht. £ Fascia pelvis visceralis. Sie bildet um die

Harnblase eine bindegewebige Hülle, die an der nicht mit Peritoneum bedeckten Vorderfläche der Harnblase besonders kräftig ist. In ähnlicher

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Abb. 13.22: Schematisierter Frontalschnitt durch das Becken mit den Beckenfaszien. Fascia pelvis visceralis gestrichelt

13.3 Räume des kleinen Beckens, Bauchfellverhältnisse, Beckenfaszie, Faszienräume

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Weise wird auch das Rectum von einer Bindegewebshülle umschlossen. Dieses Bindegewebe ist beim Mann zur Fascia rectoprostatica (Septum rectovesicale), bei der Frau zur Fascia rectovaginalis (Septum rectovaginale) verstärkt. Das Bindegewebe um das Rectum wird als Paraproctium, bei der Harnblase als Paracystium, beim Uterus als Parametrium und bei der Vagina als Parakolpium bezeichnet. Das subperitoneale Bindegewebe ist unterschiedlich dick und wird als Fascia extraperitonealis bezeichnet. Fascia pelvis parietalis (Fascia endopelvina). Die Fascia pelvis parietalis beginnt an der Linea terminalis, überzieht die Facies pelvina ossis sacri, den M. piriformis und den auf ihm liegenden Plexus sacralis sowie den M. obturatorius internus, die Hinterfläche der Symphyse und die obere Seite des Diaphragma pelvis. Sie deckt allfällige Lücken im Beckenboden und unterstützt die Haltefunktion desselben. Der Arcus tendineus fasciae pelvis ist eine Verdichtung der Beckenfaszie verläuft bogenförmig von der Symphyse zur Spina ischiadica und ist fest mit dem Beckenbindegewebe verwachsen. Im Bereich des Arcus tendineus fasciae pelvis verlassen Gefäße und Nerven die seitliche Beckenwand und ziehen zu den entsprechenden Organen. Fasciae diaphragmatis pelvis superior et inferior. Diese überziehen die obere und unter Fläche des Diaphragma pelvis. Die Fascia diaphragmatis superior enthält Verstärkungzüge als Teile des Halteapparates von Beckenorganen. Bei der Frau sind dies die Ligg. pubovesicalia mediale et laterale und das Lig. laterale vesicae, beim Mann die Ligg. puboprostatica mediale et laterale, das Lig. pubovesicale und das Lig. laterale vesicae. Diese Bänder enthalten auch glatte Muskelfasern (M. puboprostaticus, M. pubovesicalis) und ziehen von der Innenfläche der Symphyse bzw. des Os pubis zu den entsprechenden Organen. Fasciae praesacralis et rectosacralis. An der Facies pelvina ossis sacri liegt die Fascia praesacralis. Dort, wo das Rektum dem Os sacrum anliegt, ist die unterschiedlich dicke Fascia rectosacralis. Fasciae diaphragmatis urogenitalis superior et inferior. Die Fascia diaphragmatis urogenitalis superior überzieht die der Fossa ischioanalis zugewandte Fläche des M. transversus

1045

perinei profundus, an der Unterfläche dieses Muskels findet man die Fascia diaphragmatis urogenitalis inferior (Membrana perinei). Die beiden Fasciae diaphragmatis urogenitalis sind am Unterrand der Symphyse verdickt und bilden das Lig. transversum perinei (Lig. praeurethrale). £ Fascia perinei (Fascia perinei superficialis,

Fascia investiens perinei superficialis). Die Fascia perinei ist eine Oberflächenfaszie und begrenzt gemeinsam mit der Fascia diaphragmatis urogenitalis inferior (Membrana perinei) das Compartimentum superficiale perinei (Spatium perinei superficiale) nach vorne und unten. Sie ist hinten am freien Rande des M. transversus perinei profundus und seitlich am Ramus inferior ossis pubis und am Ramus ossis ischii fest angeheftet. Nach vorn setzt sie sich in die Fascia penis profunda, die Tela subcutanea der vorderen Bauchwand und die Tunica dartos des Scrotum fort.

13.3.4

Faszienräume des kleinen Beckens (Abb. 13.22–13.26)

Der außerhalb des Peritoneums gelegene Raum, das Spatium extraperitoneale, wird durch die Faszien in verschiedene Räume unterteilt. £ Saccus subcutaneus perinei, Compartimen-

tum superficiale perinei (Spatium perinei superficiale). Dieser Raum liegt zwischen Fascia perinei (Fascia investiens perinei superficialis, Fascia perinei superficialis) und Fascia diaphragmatis urogenitalis inferior, er enthält die Mm. transversus perinei superficialis, ischiocavernosus et bulbospongiosus. Bei der Frau liegen im Saccus subcutaneus perinei die Crura clitoridis und der Bulbus vestibuli, beim Mann die Crura penis und der Bulbus penis.

Klinik: Reißt bei Beckenbrüchen die Harnröhre ein, so ergießt sich Harn und Blut in das Compartimentum superficiale perinei. Da eine Ausbreitung nach hinten, zur Fossa ischioanalis, und seitlich zum Oberschenkel, unmöglich ist, bahnen sich die Ergüsse einen Weg zum Penis, zum Scrotum und zur vorderen Bauchwand. £ Saccus profundus perinei (Spatium perinei

profundum). Zwischen den Fasciae diaphrag-

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

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Abb. 13.23: Schematisierter Frontalschnitt durch ein männliches Becken mit Beckenfaszien. Nach einem Präparat des Berliner Anatomischen Institutes und einer Abbildung von Waldeyer ��������� ��������������������

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Abb. 13.24: Horizontalschnitt durch ein männliches Becken. Faszien, Bindegewebsräume und Bindegewebskörper (Corpus intrapelvinum, dunkleres Grau) schematisiert

13.3 Räume des kleinen Beckens, Bauchfellverhältnisse, Beckenfaszie, Faszienräume

1047

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Abb. 13.25: Eingeweidefaszien des männlichen Beckens (rot). Bauchfell schwarz

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Abb. 13.26: Eingeweidefaszien des weiblichen Beckens (rot). Bauchfell schwarz

matis urogenitalis inferior (Membrana perinei) et superior gelegen enthält dieser Raum die Mm. transversus perinei profundus et sphincter urethrae externus. Beim Mann findet man noch die Gll. bulbourethrales sowie Gefäße und Nerven für den Penis und bei der Frau den M. compressor urethrae, den M. urethrovaginalis und die Glandula vestibularis major (Bartolini).

Fossa ischioanalis (ischiorectalis) Diese gleicht einer dreiseitigen Pyramide, deren Basis nach dorsolateral und deren Spitze nach vorne medial gerichtet ist. Die Wände werden durch die Faszien folgender Muskeln gebildet: medial die Fascia daphragmatis pelvis inferior (M. levator ani, M. sphincter

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1048

ani externus), lateral die derbe Fascia obturatoria (M. obturatorius internus) unterhalb des Arcus tendineus m. levatoris ani und kaudal die Fascia diaphragmatis urogenitalis superior (M. transversus perinei profundus). Der Zugang ist zwischen dem Hinterrand des Diaphragma urogenitale und dem Unterrand des M. glutaeus maximus. Die Grube enthält das Corpus adiposum fossae ischioanalis (Baufett). Das Fett- und lockere Bindegewebe der Fossa ischioanalis ist verformbar und ermöglicht dadurch die starke Ausweitung der Öffnungen im Beckenboden bei der Darmentleerung und bei der Entbindung.

Kanal), welcher den N. pudendus sowie die Vasa pudenda interna enthält. Eine Oberflächenfaszie fehlt im Bereich der Fossa ischioanalis. £ Spatium retropubicum (Spatium praevesi-

cale, Cavum Retzius). Zwischen Harnblase und Hinterfläche der Symphyse bzw. vorderer Bauchwand gelegen und mit lockerem Gleitgewebe ausgefüllt ermöglicht dieser Raum eine Verschiebung der Harnblase bei Füllung und Entleerung. Nach unten wird das Spatium retropubicum durch das Lig. puboprostaticum bzw. Lig. pubovesivale begrenzt.

Lateral liegt eine Faszienduplikatur der Fascia obturatoria, der Canalis pudendalis (Alcock-

13.4

Öffnungen in der Wand des kleinen Beckens

Lernziele: Canalis obturatorius, ischiadia mit Inhalt

Foramina

In der Wand des kleinen Beckens sind jederseits Austrittsstellen für Nerven und Blutgefäße vorhanden.

13.4.1

Canalis obturatorius

Dieser 2–3 cm lange Kanal wird kranial vom Sulcus obturatorius des Schambeines, kaudal scharfrandig von der Membrana obturatoria und von den Mm. obturatorius internus et externus begrenzt. Er verläuft von lateral und kranial nach medial und kaudal. Durch ihn gelangen der N. obturatorius und die Vasa obturatoria aus dem kleinen Becken an die Innenseite des Oberschenkels. Häufig findet sich in diesem Kanal noch ein Fettpfropf. Klinik: 1. Schwindet der Fettpfropf, so können sich Bauchfell und Baucheingeweide in den Kanal vorstülpen (Hernia obturatoria), den N. obturatorius reizen und Parästhesien im Hautgebiet des Nerven hervorrufen (Innenseiten des Oberschenkels bis zum Kniegelenk, Reithosenparästhesien). 2. Auch Ergüsse können auf diesem Wege auf den Oberschenkel gelangen.

13.4.2

Foramina ischiadica

Diese ermöglichen den Durchtritt von Gefäßen, Nerven und Muskeln aus dem kleinen Becken in die Regio glutaealis. £ Foramen ischiadicum majus. Durch diese Öff-

nung zieht der M. piriformis und teilt sie in die Foramina suprapiriforme et infrapiriforme.

• Foramen suprapiriforme. Hier treten die Vasa glutaealia superiora und der N. glutaeus superior hindurch (s. Kap. 14.2.1, S. 1182). • Foramen infrapiriforme. Die Vasa glutaealia inferiora sowie die Nn. glutaeus inferior, ischiadicus, cutaneus femoris posterior, pudendus und die Vasa pudenda interna gelangen durch diese Öffnung in die Regio glutaealis (s. Kap. 14.2.1, S. 1182). £ Foramen ischiadicum minus. Durch dieses

ziehen die Sehne des M. obturatorius internus sowie die Vasa pudenda interna und der N. pudendus.

Klinik: 1. Die genannten Öffnungen sind die Bruchpforten der seltenen Hernia ischiadica. 2. Auch Eiterungen können durch die Foramina ischiadica den Weg zur Gesäßgegend nehmen.

13.5 Organe des Magen-Darm-Kanals und des harnableitenden Systems

13.5

1049

Organe des Magen-Darm-Kanals und des harnableitenden Systems

Im kleinen Becken liegen die inneren Geschlechtsorgane, die Harnblase, die Pars pelvica der Harnleiter und das untere Ende des Darmrohres, der Mastdarm. Das Bauchfell steigt über die Linea terminalis in das kleine Becken hinab und bedeckt, wie ein ausgebreitetes Tuch, von oben her die oben genannten Organe. Reichliches Fett- und Bindegewebe füllt die Räume zwischen den Beckenknochen und den genannten Eingeweiden aus. An der Beckenwand und im Bindegewebe verlaufen die Gefäße und Nerven für die Eingeweide, für die Beckenwand und die unteren Gliedmaßen.

13.5.1

Mastdarm, Rectum

Lernziele: Gliederung des Rektums, BauchfellVerhältnisse, Wandaufbau, Stuhlentleerung

13.5.1.1

Allgemeine Beschreibung (Abb. 13.27, 28)

Der Mastdarm ist die Fortsetzung des Colon sigmoideum, der Übergang ist am kranialen Rande des 3. Kreuzbeinwirbels.

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Abb. 13.27: Mediansagittalschnitt durch ein weibliches Becken

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1050

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Abb. 13.28: a. Rektum von ventral, teilweise eröffnet, b. Rektum: Längsschnitt mit Zona columnaris, Zona intermedia und Zona cutanea des Canalis analis

13.5 Organe des Magen-Darm-Kanals und des harnableitenden Systems

Der Mastdarm ist nicht, wie der Name „Rectum“ besagt, ein gerades Rohr, sondern es zeigt konstant 2 Krümmungen in der Sagittalebene. Die obere der beiden Krümmungen, die Flexura sacralis, legt sich der Facies pelvina ossis sacri an und biegt im Bereich des Centrum perinei nach dorsal in die Flexura anorectalis (Flexura perinealis) um. Diese ist mit ihrer Konvexität nach vorn gerichtet. Neben diesen konstanten Krümmungen in der Sagittalebene kommen noch verschiedene inkonstante in der Frontalebene vor (Flexurae laterales). Die seitlichen Krümmungen stellen keine Funktionszustände dar. Sie sind schon im 4. EM vorhanden. Der etwa 15 cm lange Mastdarm zeigt innen meist 3 halbmondförmige Querfalten Plicae transversales recti, von denen die mittlere, die KohlrauschFalte, rechts etwa 6 cm oberhalb des Afters liegt und regelmäßig vorkommt. Die Lage dieser Falte ist von außen durch eine deutliche Einziehung erkennbar. Die übrigen zwei kleineren Querfalten liegen links und können schwach ausgebildet sein. Der Mastdarm endet mit dem Canalis analis und dem Anus. £ Erweiterter

Abschnitt des Mastdarms, Ampulla recti. Der oberhalb des Analkanales liegende Teil des Rectum wird bei Füllung mit Kot zur Ampulla recti erweitert. Die Ampulla recti beginnt unterhalb der Querfalten. Die Junctio anorectalis (Linea anorectalis) bildet die Grenze zwischen Ampulla und Canalis analis. £ Analkanal, Canalis analis. Im Canalis analis findet man 6–8 Längsfalten, Columnae anales und zwischen ihnen die gleiche Zahl von Buchten, Sinus anales. Kleine Schleimhautfalten, Valvulae anales, begrenzen kaudal die Sinus anales (Abb. 13.28). Im Bereich der Columnae anales liegt das Corpus cavernosum recti, ein Schwellkörper mit arteriovenösen Anastomosen, der arterielles Blut aus Ästen der A. rectalis superior enthält. Dieser Schwellkörper wird bei der Defäkation entleert und spielt für den Verschluss des Afters eine Rolle. Klinik: 1. Die schmerzhaften Analfissuren entstehen oft durch Spannen und Einreißen der kleinen Valvulae anales bei der Entleerung harten Kotes. 2. Die Äste der A. rectalis superior

1051

und die Wurzeln der V. mesenterica superior bzw. die arterio-venösen Anastomosen können sich vergrößern und knotenförmig verdicken, es entstehen innere Hämorrhoiden.

13.5.1.2

Wandbau

Die Wand des Mastdarms besitzt die gleichen Schichten wie der Dickdarm. Lediglich der Bauchfellüberzug (Tunica serosa) ist nur im oberen Bereich an der Vorderfläche und den Seitenflächen vorhanden. Der übrige Teil des Rectum besitzt eine Bindegewebshülle (Tunica adventitia). Ein Mesenterium fehlt. 1. Tunica mucosa. Die Sinus anales besitzen hochprismatisches Epithel, dieses geht auf den mechanisch stärker beanspruchten Columnae anales in geschichtetes unverhorntes Plattenepithel über. Diese Epithelgrenze wird durch die Linea pectinata markiert. Danach folgt ein heller Streifen, der Pecten analis. Dieser reicht von der Linea pectinata bis zur Linea anocutanea und hat als Übergangszone (Zona transitionalis analis) ebenfalls ein geschichtetes unverhorntes Plattenepithel. Das Epithel des Pecten analis ist fest mit dem unteren Drittel des M. sphincter ani internus verwachsen. Der an die Linea anocutanea anschließende Teil des Canalis analis hat Hautcharakter und besitzt geschichtetes verhorntes Plattenepithel und zeigt eine stärkere Pigmentierung. Neben Haaren und Talgdrüsen finden sich noch apokrine Schweißdrüsen, die Glandulae anales (Proktodäaldrüsen). 2. Tunica muscularis. Die Muskelschicht des Rectum besteht außen aus dem Stratum longitudinale und innen aus einem Stratum circulare. Die Tänien des Dickdarms fließen auf dem Rectum zu einer einheitlichen Längsmuskellage zusammen. Die Längsmuskulatur ist ventral und dorsal etwas stärker. Einzelne Muskelfasern gewinnen Beziehung zum Steißbein (M. rectococcygeus) und zur Harnblase (M. rectovesicalis, M. rectourethralis). Die Ringmuskelschicht ist gegen den Anus hin zum glatten, unwillkürlichen Schließmuskel, M. sphincter ani internus, verdickt. Auf diesen legt sich von außen der quergestreifte, willkürliche M. sphincter ani externus (Abb. 13.28).

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1052

13.5.1.5

Gefäße und Nerven (Abb. 13.29, 30)

Arterien. Die unpaare A. rectalis superior, der Endast der A. mesenterica inferior, verläuft an der Hinterwand des Mastdarms, teilt sich in einen linken und rechten Ast und versorgt das Rectum bis zu den Valvulae anales. Sie muss bei operativen Eingriffen geschont werden. Die paarigen Aa. rectales mediae aus der A. iliaca interna versorgen den Canalis analis vor seinem Durchtritt durch den Beckenboden. Die Aa. rectales inferiores aus der A. pudenda interna versorgen den äußeren Teil des Canalis analis nach seinem Durchtritt durch den Beckenboden. Venen. Das venöse Blut fließt über die V. rectalis superior zur V. mesenterica inferior und damit zur V. portae ab und über die Vv. rectales mediae und Vv. rectales inferiores zur V. iliaca interna und V. iliaca communis und in die V. cava inferior. Lymphgefäße. Die Lymphe fließt vom oberen Teil des Rectum zu den Nll. sacrales, vom mittleren Teil zu den Nll. iliaci interni und vom unteren Teil zu den Nll. inguinales superficiales. Inkonstant sind noch die Nll. pararectales (anorectales) zwischen Rektum, Harnblase und Prostata. Sie haben ihren Abfluss ebenfalls zu den Nll. iliaci interni. Nerven (Abb. 13.29, 31). Die Nerven des Mastdarmes stammen vom Sympathicus, Parasympathicus und vom N. pudendus. Die vegetativen Fasern erreichen das Rectum über die Plexus rectales superior, medius und inferior. Diese Plexus enthalten sowohl efferente (viszeromotorische) als auch afferente (viszerosensible) Fasern. Der unpaare Plexus rectalis superior ist die Fortsetzung des Plexus mesentericus inferior und gelangt mit der A. rectalis superior zum Rectum. Die Plexus rectalis medius und inferior sind paarig und stammen vom Plexus hypogastricus. Der Plexus rectalis inferior gibt die Nn. anales superiores ab. Aus dem N. pudendus stammen die Nn. anales inferiores, sie versorgen den M. sphincter ani externus und die Haut im Bereich des Anus. Die afferenten Fasern erreichen die Segmente Th 10–L 1 und vermitteln den Stuhldrang. Die Entleerung wird über den Parasympathicus gesteuert. Dabei muss der Widerstand des durch den Sympathicus innervierten glatten M. sphincter ani internus und des zerebrospinal versorgten quergestreiften M. sphincter ani externus überwunden werden. Unterstützt wird die

Defäkation durch die zerebrospinal innervierten Bauchmuskeln.

13.5.1.6

Topographie und Bauchfellbeziehungen (Abb. 13.27–31)

Der obere Teil des Rektums ist vorn und an beiden Seiten, der folgende nur noch ventral vom Bauchfell überzogen und liegt retroperitoneal. Der Kliniker spricht in diesem Fall von einem Rectum fixum. Manchmal reicht der Peritonealüberzug sehr weit nach dorsal, so dass ein so genanntes „Mesorectum“ und ein Rectum mobile entsteht. In Höhe der Plica transversalis media (KohlrauschFalte) schlägt das Bauchfell bei der Frau auf den Fornix vaginae und die Hinterfläche des Uterus um (Excavatio rectouterina), beim Mann über die Kuppen der Samenbläschen auf die Rückfläche der Harnblase (Excavatio rectovesicalis). Unterhalb der Plica transversalis media liegt das Rektum vollständig extraperitoneal.

13.5.1.7

Nachbarschaftsbeziehungen

• Das Rectum grenzt nach dorsal an das Kreuzbein, Steißbein und die hinteren Abschnitte des M. levator ani. In dem spärlichen retrorektalen Bindegewebe verlaufen die A. sacralis mediana, die A. rectalis superior, die Trunci sympathici und weiter seitlich die Aa. sacrales laterales und der Plexus sacralis. • Nach ventral grenzt das Rectum bei der Frau an die Vagina und beim Mann an die Prostata, an die Bläschendrüsen, an die Ampullen der Ductus deferentes und an die Harnblase. Seitlich ist der Mastdarm durch das subperitoneale, pararektale Bindegewebe (Paraproctium) mit der seitlichen Beckenwand verbunden. Eine stark gefüllte Ampulla recti kann Druck auf die Nerven und Gefäße, insbesondere auf die dünnwandigen Venen der seitlichen Beckenwand ausüben. Bei stärkerer Füllung weitet sich das Rectum nach vorn und beiden Seiten aus und verursacht dadurch eine Verlagerung der Nachbarorgane. Klinik: 1. Die engen Nachbarschaftsbeziehungen zum Plexus sacralis erklären das Auftreten von Schmerzen im Ausbreitungsgebiet des N. ischiadicus und N. pudendus bei Rektum-

13.5 Organe des Magen-Darm-Kanals und des harnableitenden Systems

1053

M. psoas minor

Ureter V. cava interior

M. psoas major

Nll. lumbales Aorta abdominalis et Plexus hypogastricus Ureter Colon sigmoideum Vasa iliaca comm.

Truncus lumbosacralis

Vasa iliaca externa Ureter

V. iliaca interna

A. vesicalis superior A. umbilicalis (Pars pateus)

Facies auricularis ossis sacri

A. ductus deferentis

N., A., V. obturatoria

Peritoneum (Schnittkante) Ductus deferens A. umbilicalis, Pars occlusa Chorda a. umbilicalis Vesica urinaria A. vesicalis inferior Os pubis Ductus deferens

N., A., V. glutaea superior N. ischiadicus (n. dorsal verlagert) A. rectalis superior N., A., V. glutaea inferior M. glutaeus maximus Lig. sacrotuberale

Prostata Rectum

A., V., N. dorsalis penis M. levator ani M. ischiocavernosus Corpus cavernosum penis (durchtrennt)

N. pudendus, Vasa pudenda int.

Testis et Epididymis

M. levator ani et R. muscularis M. sphincter ani externus A., V., N. perinealis A. bulbi penis

A., V., N. scrotalis posterior Diaphragma urogenitale et Gl. bulbourethralis

Abb. 13.29: Gefäße und Nerven der Beckeneingeweide und des Beckenbodens beim Mann. Paramedianschnitt von rechts her dargestellt

erkrankungen, insbesondere beim Rektumkarzinom. 2. Die digitale Untersuchung des Rectum ist für die Diagnose tiefsitzender Karzinome von Bedeutung. Der in das Rectum eingeführte Zeigefinger kann auch durch die ventrale Rektumwand hindurch Größe und Konsistenz der Prostata beurteilen. Seitlich können krankhafte Veränderungen im pararektalen Bindegewebe und in den Fossae ischioanales getastet werden. Dorsal sind Kreuzbein, Steißbein und vergrößerte retrorektale Lymphknoten für die Untersuchung zugänglich.

13.5.1.8

Analkontinenz und Stuhlentleerung

Die für den Verschluss und die Entleerung des Mastdarmes nötigen Strukturen werden unter dem Begriff Kontinenzorgan zusammengefasst. Dieses besteht aus sensiblen Zonen im Enddarm und einem autonom gesteuerten, aber willentlich beeinflussbaren Verschlusssystem. Dehnungsrezeptoren in der Wand des Rectum registrieren dessen Füllungszustand. Rezeptoren im Canalis analis dienen der Identifizierung (z. B.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1054

V. iliaca communis Colon sigmoideum V. iliaca externa V. iliaca interna (hypogastrica) V. glutaea superior M. piriformis V. glutaea inferior V. obturatoria Vesica urinaria Os pubis Plexus vesicoprostaticus Plexus rectalis M. levator ani Corpus cavernosum penis

V. rectalis superior V. pudenda interna

Abb. 13.30: Venen des männlichen Beckens am Paramedianschnitt. Die Harnblase ist stark gefüllt

Unterscheidung zwischen Kot und Gasen) des Inhaltes. Rezeptoren der Zona cutanea kontrollieren den Kontraktionszustand der Schließmuskeln. Der muskuläre Anteil des Kontinenzorgans wird von den Mm. sphincter ani externus et internus und vom M. levator ani gebildet. Der willkürlich kontrahierbare äußere Sphinkter wird autonom tonisiert und hilft in Ruhe den Ausgang des Darmes zu verschließen. Bei Stuhldrang kann er willentlich stark kontrahiert werden. Bei der Stuhlentleerung erschlafft er automatisch. Der autonome innere Sphinkter dient hauptsächlich dem wasser- und gasdichten Verschluss des Analkanals. Der M. levator ani arbeitet in Ruhe automatisch. Sein Tonus passt sich dem intraabdominellen Druck reflektorisch an. Bei seiner Kontraktion wird der Canalis

analis angehoben und verschlossen. Bei Erschlaffung dieses Muskels wird der Weg in den Canalis analis freigegeben.

13.5.2

Beckenteil des Harnleiters, Pars pelvica et intramuralis ureteris

13.5.2.1

Allgemeine Beschreibung

Der Beckenabschnitt des Harnleiters beginnt an der Kreuzung der Linea terminalis mit der Articulatio sacroiliaca und endet am Eintritt des Ureters in die Blasenwand. Die Pars pelvica ureteris überkreuzt rechts das Anfangsstück der A. iliaca externa, links

13.5 Organe des Magen-Darm-Kanals und des harnableitenden Systems

1055

Plexus hypogastricus superior N. hypogastricus

Ganglion pelvicum S1

Ureter

Nn. splanchnici pelvici (Nn. erigentes)

S2

S3 S4 S5

Vesica urinaria Ductus deferens

Rectum

Vesicula seminalis

Abb. 13.31: Die vegetativen Beckengeflechte beim Mann. Nach Sljivic und Kozincev

die Teilungsstelle A. iliaca communis und läuft zunächst vom Peritoneum bedeckt in der Plica ureterica an der Seitenwand des kleinen Beckens ventral der A. iliaca interna nach abwärts. Auf Höhe der Spina ischiadica wendet sich der Harnleiter nach vorne und medial zur Harnblase und verliert seinen Kontakt mit dem Bauchfell. Bei der Frau unterkreuzt der Ureter im Lig. latum uteri die A. uterina und liegt in unmittelbarer Nähe der Pars lateralis des Fornix vaginae. Beim Mann unterkreuzt der Harnleiter den Ductus deferens. Die Pars intramuralis ist der schräg durch die Wand der Harnblase ziehende Abschnitt und endet am Ostium ureteris in der Harnblase.

13.5.2.2 Gefäße und Nerven Arterien. Arteriell wird der Beckenteil des Harnleiters durch Rr. ureterici der Aa. vesicales superior und inferior, A. iliaca communis und A. iliaca interna versorgt. Zusätzliche Rami ureterici

kommen bei der Frau aus der A. uterina und beim Mann aus der A. ductus deferentis. Venen. Der Abfluss des venösen Blutes erfolgt über die gleichnamigen Venen und die Venenplexus des kleinen Beckens. Lymphgefäße. Bahnen über die Nll. paravesicales. Nerven. Die sympathischen und parasympathischen Nerven kommen über die benachbarten vegetativen Plexus des kleinen Beckens und enthalten viszeromotorische und viszerosensible Fasern. Das Zentrum für die sympathische Versorgung liegt in den Rückenmarkssegmenten Th10–l2 und für die parasympathische Versorgung in den Segmenten S1–S3 (s. Kap. 2.6.6.6, S. 106). Klinik: 1. Bei operativen Eingriffen ist das gefäßführende Bindegewebe um den Ureter zu schonen, da eine Verletzung der Gefäße Nekrosen oder Ureterfisteln zur Folge hat. 2. Bei der

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1056

Frau können die engen Beziehungen zum seitlichen Scheidengewölbe zu Ureterovaginalfisteln führen.

13.5.3

Harnblase, Vesica urinaria (Abb. 13.30, 56, 57, 59, 60)

Lernziele: Gliederung der Vesica urinaria, Wandaufbau, Bauchfellbeziehung, Befestigung, Bindegewebsräume, Mechanismus der Füllung und Entleerung

13.5.3.1

Allgemeine Beschreibung

Die Harnblase ist ein muskulöses Hohlorgan, das den Harn sammelt und durch die Harnröhre entleert. Die physiologisch gefüllte Harnblase fasst durchschnittlich 300–500 ccm. Form und Lage der Blase sind abhängig vom Füllungszustand. Wir unterscheiden den nach vorne und oben gerichteten Blasenscheitel, Apex vesicae, den Blasenkörper, Corpus vesicae, und den kaudal und dorsal gegen den Beckenboden gerichteten Blasengrund, Fundus vesicae. Der ventrokaudal gerichtete Übergang in die Harnröhre wird Blasenhals, Collum (Cervix) vesicae genannt. Vom Blasenscheitel zieht das Lig. umbilicale medianum (Chorda urachi), der obliterierte Allantoisgang, zum Nabel.

13.5.3.2 Wandbau Die äußere Hülle ist an der ventrokaudalen Fläche eine Tunica adventitia,an der dorsokranialen Fläche eine Tunica serosa (Peritoneum) und Tela subserosa. Daran schließen sich die Tunica muscularis sowie die Tela submucosa und Tunica mucosa an. 1. Tunica mucosa. Die Schleimhaut der Harnblase ist durch eine lockere Tela submucosa mit der Tunica muscularis verbunden. Bei leerer Harnblase legt sich die Schleimhaut in Falten, die bei der Füllung wieder verstreichen. Nur am Blasengrund, zwischen den schlitzförmigen Ureterenöffnungen und der Harnröhrenöffnung liegt das Trigonum vesicae, ein gleichschenkeliges Dreieck, in dem die Tela submucosa fehlt. Die Schleimhaut ist hier fest

mit der Muskulatur verwachsen, so dass auch bei leerer Harnblase kaum Schleimhautfalten auftreten. Die Basis des Dreiecks bildet die Plica interureterica. Sie verbindet die schlitzförmigen Harnleiteröffnungen, Ostia (Orificia) ureterum. Oberhalb der Ureteröffnung wird durch die Pars intramuralis ureteris die Plica ureterica aufgeworfen. Die ventrale Spitze des Blasendreiecks läuft in einem Wulst, der Uvula vesicae, aus. Diese setzt sich in die Crista urethralis, eine längliche Schleimhautfalte, fort. Die Schleimhaut besitzt im Gebiet des Blasendreiecks kleine Schleimdrüsen, Glandulae trigonales. Das Epithel besteht, wie in den Nierenbecken und Harnleitern, aus Übergangsepithel (Urothel). Die Farbe der Schleimhaut ist rötlich, im Bereich des Trigonum vesicae und der Plica interureterica blasser. 2. Tunica muscularis. Die Muskelschicht der Harnblase besteht aus glatten, netzartig verbunden Muskelzellen. Man unterscheidet den M. detrusor vesicae und die Mm. trigoni vesicae. M. detrusor vesicae. Dieser bildet den Hauptanteil der Muskulatur, dient der Entleerung der Harnblase und besitzt eine innere Längsmuskelschicht (Stratum internum longitudinale), eine mittlere ringförmig angeordnete Muskulatur (Stratum circulare) und eine äußere Längsmuskelschicht (Stratum externum logitudinale). Mm. trigoni vesicae. Diese unterfüttern das Trigonum vesicae und bestehen aus dem M. trigoni vesicae superficialis und dem M. trigoni vesicae profundus. Der oberflächliche Anteil liegt unmittelbar unter der Schleimhaut und ist die Fortsetzung der inneren Längsmuskelschicht des Ureters. Diese fächert sich nach dem Durchtritt durch die Blasenwand zu einer dreieckigen Muskelplatte deren Muskelfasern bis auf die Hinterwand der Urethra reichen. Der M. trigoni vesicae profundus stammt von der fibromuskulären Ureterscheide und bildet ebenfalls eine dreieckige Muskelplatte, welche mit dem M. detrusor vesicae fest verwachsen ist. Die Muskeln des Trigonum vesicae bilden einerseits die Verankerung des Ureters an der Wand der Harnblase, andererseits ziehen sich die Muskeln des Blasendreiecks am Beginn des Harnlassens zusammen und verschließen das Ostium ureteris. Im Bereich des Ostium internum urethrae umfassen die äußeren Längsmuskelzüge der dorsokranialen Blasenfläche mit einer U-förmigen Schleife ventral die Harnröhrenöffnung (M. sphincter

13.5 Organe des Magen-Darm-Kanals und des harnableitenden Systems

vesicae internus). Eine weitere Schleife umfasst die Harnröhrenöffnung von dorsal. Beide Muskelschleifen (Semisphinkteren) bilden gemeinsam mit dem M. sphincter urethrae internus den unwillkürlichen Verschluss der Harnblase. Die zwischen den Schenkeln der Detrusorschleife gelegenen Längsmuskelzüge durchbohren die übrigen Muskellagen und strahlen mit elastischen Sehnen in die Uvula vesicae aus. Sie verschieben die Uvula vesicae nach kranial und hinten und unterstützen damit die Öffnung der Harnblase. Der Fundus vesicae ist durch den M. pubovesicalis mit dem Schambein und durch den M. rectovesicalis mit dem Rectum verbunden. Der M. rectourethralis zieht von der Längsmuskulatur des Rectum zur Urethra. Bei der Frau zieht der M. vesicovaginalis zwischen Scheide und Harnblase, und beim Mann zwischen Prostata und Harnblase der M. vesicoprostaticus.

13.5.3.3 Gefäße und Nerven Arterien. Die A. vesicalis superior aus dem noch durchgängigen Teil der A. umbilicalis, versorgt den oberen Abschnitt, die A. vesicalis inferior aus der A. iliaca interna den Blasengrund. Kleinere Äste aus der A. obturatoria, A. rectalis media, A. pudenda interna und bei der Frau auch aus der A. uterina sind zusätzlich an der Versorgung beteiligt (Abb. 13.29). Venen. Das venöse Blut wird in einem submukösen, intramuskulären und oberflächlichen Venennetz gesammelt. Das submuköse Venennetz bildet im Bereich des Blasendreieckes und der Harnröhrenöffnung ein starkes venöses Polster, welches bei der Abdichtung der Harnröhrenöffnung eine wichtige Rolle spielt. Der weitere Abfluss erfolgt in den seitlich der Harnblase liegenden Plexus venosus vesicalis und über diesen in die V. iliaca interna (Abb. 13.29). Lymphabfluss. Die Lymphe fließt über Nll. paravesicales zu den Nll. iliaci interni und von diesen in den Truncus lumbalis (s. Kap. 2.5.4.2, S. 88). Nerven. Die Innervation erfolgt über den Plexus vesicalis mit sympathischen Fasern aus den Segmenten Th11–L2 (Nn. splanchnici lumbales, N. hypogastricus, Plexus hypogastricus inferior) und parasympathischen Fasern aus den Segmenten S2–S4 (Nn. splanchnici pelvici, Radix parasympathica). Die Nerven führen viszeromotorische und

1057

viszerosensible Fasern. Der Sympathicus innerviert die Schließmuskeln des Blasenausganges, der Parasympathicus innerviert die Muskeln für die Entleerung der Harnblase (Abb. 13.31).

13.5.3.4 Topographie und Bauchfellbeziehungen Die Lage ist vom Füllungszustand der Harnblase und der Nachbarorgane abhängig. Das Bauchfell überzieht den dorsalen Teil des Scheitels und des Blasenkörpers. Bei der Frau schlägt sich das Peritoneum von der Harnblase auf den Uterus (Excavatio vesicouterina), beim Mann auf das Rectum (Excavatio rectovesicalis, Abb. 13.25) über (Abb. 13.26). Durch den Umschlag des Bauchfelles auf die laterale Beckenwand entsteht neben der Harnblase die Fossa paravesicalis. Bei leerer Harnblase bildet das Bauchfell über dieser eine quere Reservefalte, die Plica vesicalis transversa. Die leere Harnblase liegt beim Erwachsenen hinter der Symphyse im kleinen Becken. Kranial ist sie durch die auf ihr ruhenden Darmschlingen schüsselförmig eingedellt. Bei der Füllung dehnt sie sich zunächst nach lateral und darauf nabelwärts in das Spatium retropubicum (Cavum praeperitoneale, Cavum Retzii) aus. Sie schiebt dabei das Bauchfell nach oben. Klinik: 1. In dem dadurch oberhalb der Symphyse entstehenden bauchfellfreien Bereich kann der Chirurg die Harnblase operativ erreichen, ohne die Peritonealhöhle zu eröffnen (Sectio alta). 2. Bei starker Harnverhaltung ist auch dicht oberhalb der Symphyse eine Punktion und Entleerung möglich, wenn diese mit dem Harnröhrenkatheter nicht durchführbar ist. Die horizontal eingeführte Nadel soll dabei mit ihrer Spitze auf die Mitte des Kreuzbeins gerichtet sein. Größe und Ausdehnung der gefüllten Harnblase kann oberhalb der Symphyse durch Perkussion festgestellt werden. 3. Beim Neugeborenen und beim Kleinkind überragt auch die leere Harnblase die Symphyse.

13.5.3.5 Befestigung der Harnblase Um die Ausdehnungsfähigkeit nicht einzuschränken, gehen nahezu alle Haltevorrichtungen vom

1058

Fundus vesicae aus. Diese Haltevorrichtungen bestehen aus Bindegewebe und glatten Muskelfasern in unterschiedlichem Verhältnis und werden daher sowohl als Bänder als auch als Muskeln bezeichnet. Der M. pubovesicalis (Lig. pubovesicale) zieht von der Harnblase zum Os pubis und ist am Arcus tendineus fasciae pelvis befestigt. Der Blasengrund liegt beim Mann auf der Basis der Prostata und ist durch den M. vesicoprostaticus (Lig. vesicoprostaticum) mit dieser verbunden. Bei der Frau verbindet der M. vesicovaginalis den Blasengrund mit der Scheide. Der M. rectovesicalis (Lig. rectovesivcale) fixiert die Harnblase an der Vorderfläche des Kreuzbeines. Verstärkungszüge des subserösen Beckenbindegewebes ziehen als Paracystium zur seitlichen Beckenwand.

13.5.3.6 Bindegewebsräume und Nachbarorgane Eine Verdichtung des subserösen Bindegewebes, Septum vesicoumbilicale (Fascia vesicoumbilicalis), zieht an der vorderen Bauchwand vom Nabel bis zur Harnblase herab. Die seitlichen Grenzen dieser dreieckigen Platte werden von der linken und rechten Chorda a. umbilicalis gebildet. Auf der Harnblase ist das Bindegewebe zur Fascia vesicalis verdichtet. Diese Faszien begrenzen das mit lockerem Bindegewebe ausgefüllte Spatium retropubicum (praevesicale, Retzius). Das Spatium retropubicum geht seitlich von der Blase kontinuierlich in das ebenfalls mit lockerem Bindegewebe ausgefüllte Spatium paravesicale über. Dieses grenzt nach dorsal an das Paracystium, ein verdichtetes Bindegewebe, in welchem die Gefäße und Nerven von der Beckenwand an die Harnblase ziehen. Beim Mann liegt das Septum rectovesicale zwischen Mastdarm und Harnblase. Es ermöglicht die Verschiebung der Blase gegen das Rektum. Bei der Frau liegt zwischen Harnblase und Cervix uteri das Septum vesicocervicale und zwischen Harnblase und Vagina das Septum vesicovaginale. Klinik: 1. Operativ lassen sich beim Mann Rektum und Harnblase leicht im Bereich des Septum rectovesicale trennen. Bei der Frau lässt sich die Harnblase von der Cervix uteri und der Vagina im Bereich der Septa vesicocervicale et vesicovaginale ablösen. 2. Bei extraperitonealen

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

Blasenrupturen können sich Urin und Blut rasch und ungehindert in den geschilderten Verschiebespalten ausbreiten. 3. Schambeinfrakturen können zu Verletzungen der vorderen Blasenwand führen.

13.5.3.7 Füllung und Entleerung der Harnblase 1. Füllung. Die Blase dehnt sich bei Füllung zunächst in Querrichtung und erst später in vertikaler Richtung aus. Die Blasensphinkteren verschließen das Ostium urethrae internum. Fasern der Mm. trigoni vesicae ziehen die Uvula in die Harnröhrenmündung und dichten dadurch weiter ab. Die stärkere Füllung der Blase komprimiert die im Paracystium gelegenen Venengeflechte und erhöht damit die Füllung des Uvulapolsters. 2. Entleerung. Dabei kontrahieren sich die Ringfasern der Harnblase. Der quere Durchmesser der Blase nimmt ab, der vertikale zu. Die Blase steigt gegen den Druck der auf ihr lastenden Baucheingeweide nach oben. Der entstehende Gegendruck führt zu einer Abknickung der Blase gegen die Harnröhre. Die Harnröhrenöffnung wird dabei dorsokaudal verlagert. Dadurch wird die Entfernung zwischen ihr und der Symphyse größer. Es werden hierdurch die in die ventrale Blasenwand gegen die Harnröhrenmündung ausstrahlenden Mm. pubovesicales gespannt, die ihrerseits die Öffnung nach vorn erweitern. Die Verkleinerung des queren Blasendurchmessers gibt den Abfluss in den venösen Geflechten frei, wodurch auch das Blut aus dem Uvulapolster abfließen kann. Die vertikale Ausdehnung spannt die in die Uvula ausstrahlenden Längsfasern, die Uvula wird aus dem Ostium urethrae internum zurückgezogen und der Abfluss freigegeben. 3. Nervöse Steuerung. Die Blasenmuskulatur wird antagonistisch vom Sympathicus und Parasympathicus versorgt. Beide enthalten afferente und efferente Fasern zu den Reflexzentren im Rückenmark und den übergeordneten Zentren im Gehirn. 4. Entleerung. Die viszeromotorischen parasympathischen Fasern führen zur Kontraktion des M. detrusor vesicae, hemmen die Blasensphinkteren und bewirken die Entleerung der Harnblase (Mictio). Das Reflexzentrum liegt im Sakralmark.

13.5 Organe des Magen-Darm-Kanals und des harnableitenden Systems

Die somatomotorisch innervierten Bauchmuskeln unterstützen die Entleerung. 5. Verschluss. Der Sympathicus führt zur Kontraktion der glatten Schließmuskeln, hemmt die Entleerung und kann Harnverhaltung bewirken. Sein Reflexzentrum liegt im Lendenmark. Der Verschluss wird durch den M. sphincter urethrae externus unterstützt. Der äußere Schließmuskel der Harnröhre besteht aus quer gestreiftem Muskelgewebe, arbeitet willkürlich und wird somatomorisch vom N. pudendus innerviert. Die viszerosensiblen Fasern beginnen mit freien Endigungen in der Blasenwand, reagieren auf Dehnung und vermitteln das Gefühl des Harndranges. Schmerzfasern führen bei Überdehnung zum Blasenschmerz. Die übergeordneten Zentren für die Blasenfunktion liegen im Lobulus paracentralis des Endhirnes. Das Gefühl des Harndranges ist nicht allein von dem Füllungsgrad, sondern auch von psychischen Faktoren abhängig. Aufregung führt zu Harndrang, geistige Ablenkung schiebt ihn hinaus. Auch Hautreize und akustische Reize fördern den Harndrang.

13.5.4

Harnröhre, Urethra

13.5.4.1

Allgemeine Beschreibung

Form und Funktion der Harnröhre sind bei Mann und Frau verschieden. Bei der Frau dient die Urethra nur der Harnableitung. Die Harnröhre des Mannes ist auch Transportorgan für die Samenflüssigkeit und daher als Harnsamenröhre zu bezeichnen. Aus diesem Grund wird die Harnröhre des Mannes bei den Geschlechtsorganen beschrieben (s. Kap. 13.6.4.6, S. 1092).

13.5.4.2 Weibliche Harnröhre, Urethra feminina (Abb. 13.27) Die 3–5 cm lange weibliche Harnröhre hat einen ähnlichen Verlauf wie die Scheide, mit deren Vorderwand sie durch das Bindegewebe des Septum urethrovaginale verbunden ist. Sie beginnt am Ostium (Orificium) urethrae internum in der Harnblase und endet nach dem Durchtritt durch das Diaphragma urogenitale mit dem Ostium (Orificium) urethrae externum im Vestibulum vaginae. Sie verläuft in einem nach ventral leicht konkaven Bogen.

1059

13.5.4.2 Wandbau Die Wand der Urethra feminina besteht aus einer außen liegenden Tunica adventitia, einer mittleren Tunica muscularis sowie innen aus einer Tunica spongiosa und einer Tunica mucosa. 1. Tunica mucosa. Die Schleimhaut der Urethra besitzt zahlreiche Längsfalten, welche bei Dehnung verstreichen. Von der Hinterwand ragt die Crista urethralis als Fortsetzung der Uvula vesicae gegen das Lumen vor. An der Schleimhautoberfläche findet man kleine Schleimhautbuchten, Lacunae urethrales, in welche die mukösen Glandulae urethrales münden. Neben der äußeren Harnröhrenöffnung im Scheidenvorhof münden 1–2 cm lange Drüsenschläuche, die Ductus paraurethrales (Skene-Gänge). Das Epithel ist blasennahe Übergangsepithel (Urothel), welches allmählich in mehrreihiges prismatisches Epithel übergeht. Mündungsnahe besitzt die Urethra mehrschichtig unverhorntes Plattenepithel. 2. Tunica adventitia. Das Bindegewebe um die Urethra bildet mit der Bindewebshülle der Vagina das Septum urethrovaginale, welches die Harnröhre an der Vorderwand der Vagina befestigt. 3. Tunica muscularis. Die glatte Muskulatur der Harnröhre ist in einer inneren Längsmuskelschichte, Stratum longitudinale und einer äußeren Ringmuskelschichte Stratum circulare, angeordnet. Blasennahe bildet das Stratum circulare den M. sphincter urethrae internus (M. sphincter vesicae internus, Lissosphincter). 4. Tunica spongiosa. Diese ist ein submukös liegendes kompressibles Schwellgewebe, welches aus einem dichten Venennetz besteht sowie zahlreiche elastische Fasern und vereinzelt Lymphfollikel besitzt. Klinik: 1. Die weibliche Harnröhre ist stark dehnungsfähig und setzt dem Einführen des Katheters keinen stärkeren Widerstand entgegen. 2. Infolge der kurzen Harnröhre können pathogene Keime leichter eindringen und daher sind aufsteigende Harnwegsinfektionen bei der Frau häufiger.

13.5.4.3 Gefäße und Nerven Siehe Harnblase, Kap. 13.5.3.3, S. 1057.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1060

13.6

Geschlechtsorgane, Organa genitalia

Die Geschlechtsorgane dienen der Fortpflanzung. Der wichtigsten Bestandteile sind die Keimdrüsen (Gonaden). Sie bilden die Keimzellen und liefern wichtige Hormone. Die oberhalb des Beckenbodens im Becken gelegenen Anteile nennen wir innere Geschlechtsorgane. Die äußeren Geschlechtsorgane liegen unterhalb des Beckenbodens.

13.6.1

Übersicht über weibliche und männlicheGeschlechtsorgane, Organa genitalia feminina et masculina (Abb. 13.32, 33)

Lernziel: Gliederung, Entwicklung und Differenzierung weiblicher und männlicher Geschlechtsorgane

13.6.1.1

Weibliche Geschlechtsorgane

Innere weibliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia feminina interna Zu den inneren Geschlechtsorganen der Frau gehören die weibliche Keimdrüse, das Ovarium, der Eierstock, die Tuba uterina (Salpinx), der Eileiter, der Uterus, die Gebärmutter, und die Vagina, die Scheide. Die Grenze zu den äußeren Geschlechtsorganen bildet der Hymen (Jungfernhäutchen) bzw. die Carunculae hymenales. Die Eierstöcke und Eileiter sind paarige Organe. Klinik: Die beiden Ovarien und Tuben werden im klinischen Sprachgebrauch auch als Adnexe des Uterus bezeichnet.

Ren

Ureter

Ovarium Anulus inguinalis profundus Lig. teres uteri Lig. umbilicale medianum (Chorda urachi) Vesica urinaria Symphysis pubica Clitoris

Tuba uterina Lig. ovarii proprium Uterus Excavatio rectouterina

Vagina Rectum Glandula vestibularis major

Diaphragma urogenitale

Anus

Abb. 13.32: Schema der Harn- und Geschlechtsorgane der Frau

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1061

Äußere weibliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia feminina externa

Hoden, die Epididymis, Nebenhoden, der Ductus deferens, Samenleiter, der Ductus ejaculatorius, Spritzgang, die Glandula vesiculosa (Glandula seminalis, Vesicula seminalis), Bläschendrüse (Samenbläschen), die Prostata, Vorsteherdrüse und die Glandulae bulbourethrales, Cowper-Drüsen.

Die äußeren Genitalien der Frau werden als Pudendum femininum (Vulva, Cunnus), weibliche Scham, bezeichnet. Zu den äußeren Geschlechtsorganen der Frau gehören der Schamberg, Mons pubis (veneris), die großen und kleinen Schamlippen, Labia majora et minora pudendi, mit der Schamspalte, Rima pudendi, der Kitzler, Clitoris, und der Scheidenvorhof, Vestibulum vaginae. Sie werden ausführlich unten in Kapitel 13.6.3, S. 1080, behandelt.

13.6.1.2

Männliche Geschlechtsorgane

Die inneren männlichen Geschlechtsorgane sind bis auf die Vorsteherdrüse paarige Organe. Äußere männliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia masculina externa Zu diesen zählt der Penis, das männliche Glied, die Urethra masculina, Harnsamenröhre und das Scrotum, der Hodensack.

Innere männliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia masculina interna Zu den inneren männlichen Geschlechtsorganen gehören die männliche Keimdrüse, Testis (Orchis),

Ren

Ureter

Lig. umbilicale medianum (Chorda urachi) Glandula vesiculosa

Vesica urinaria Symphysis pubica

Ampulla ductus deferentis

Diaphragma urogenitale

Corpus cavernosum penis Corpus spongiosum penis

Glans penis

Ductus deferens Ductus ejaculatorius Prostata Glandula bulbourethralis Epididymis Testis Scrotum

Abb. 13.33: Schema der Harn- und Geschlechtsorgane des Mannes

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1062

13.6.1.3

Entwicklung der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane (Abb.13.34–35)

Ren

£ Differenzierung der inneren Genitalien

Die Keimdrüsen und die Geschlechtsorgane sind zunächst als indifferente Anlage ausgebildet. An der dorsalen Leibeshöhlenwand entsteht an der medialen Seite der Urnierenanlage die Genitalfalte, in deren kaudalem Teil sich die Keimdrüse entwickelt. Sie liegt der Urniere auf. Lateral von der Urnierenanlage entsteht durch Wucherung des Zölomepithels der Geschlechts- oder Müller-Gang. Nach kaudal kreuzt er den Urnierengang (WolffGang), zieht medial von ihm herab und mündet zusammen mit dem der anderen Seite zwischen rechtem und linkem Urnierengang in den Sinus urogenitalis. Vor dem kranialen bzw. kaudalen Pol der Urnieren-Keimdrüsenanlage gehen das kraniale bzw. kaudale Urnieren-Keimdrüsenband ab. 1. Weibliche Differenzierung. Der kraniale Teil des Müller-Ganges wird zur Tuba uterina. Der kaudale Teil verschmilzt mit dem Gang der anderen Seite zu einem einheitlichen Hohlraum, der sich zu Uterus und Vagina weiter differenziert. Die Urnierenanlage wird rückgebildet. Die Quergänge liefern das Epoophoron und Paroophoron. Der Urnierengang verödet in der Regel, kann aber auch als Ductus epoophori longitudinalis (Gartner) erhalten bleiben und an der Seite des Uterus herabziehen. Das kaudale Keimdrüsen-Urnierenband verwächst am Tubenwinkel mit der Uteruswand, zerfällt damit in 2 Abschnitte, das kraniale Lig. ovarii proprium (Chorda uteroovarica) und das kaudale Lig. teres uteri (Chorda uteroinguinalis). Das letztere zieht durch den Leistenkanal und endet im Gewebe des Mons veneris und des Labium majus. Da die Rumpfwand stärker als das Band wächst, werden die Keimdrüsen allmählich von der Lendengegend in das große Becken verlagert. Schließlich werden die Ovarien noch an die Seitenwand des kleinen Beckens verlagert. Vom pelvinen Pol des Eierstockes zieht das Lig. suspensorium ovarii als Rest des kranialen Urnieren-Keimdrüsenbandes nach kranial. Der Eileiter folgt den Verlagerungen des Eierstockes. 2. Männliche Differenzierung. Der Müller-Gang wird zurückgebildet. Das kraniale Ende liefert meistens einen bläschenförmigen, kleinen Anhang am Hoden, die Appendix testis. Das kaudale Ende

kraniales Keimdrüsenund Urnierenband abdominales Ende des Müller-Ganges Keimdrüse

Urnierenkörper Urnierengang Müller-Gang Ureter

kaudales Keimdrüsenund Urnierenband

Harnblase Sinus urogenitalis Geschlechtshöcker Geschlechtswulst

Geschlechtsfalte Kloake After

Abb. 13.34: Entwicklung der Geschlechtsorgane. Indifferentes Stadium. Verändert nach H. Braus

bildet nach Pars prostatica urethrae auf dem Samenhügel der Pars prostatica urethrae, den Utriculus prostaticus. Der Urnierengang und der Keimdrüsenanteil der Urnieren bleiber erhalten. Die Querkanälchen treten mit dem Rete testis in Verbindung und bilden die Ductuli efferentes des Nebenhodens. Querkanälchen, die keine Verbindung zum Rete testis bekommen werden zu Ductuli aberrantes. Geht auch die Verbindung zum Urnierengang verloren, so sprechen wir vom Beihoden oder Paradidymis. Der Urnierengang liefert die ableitenden Samenwege, den Nebenhodengang, Ductus epididymidis, den Samenleiter, Ductus deferens, und den Ductus ejaculatorius. Als blindsackförmige Aussackung des kaudalen Endes des Urnierenganges entsteht die Bläschendrüse, Vesicula seminalis. Der Anfangsteil des Urnierenganges wird zur bläschenförmigen Appendix epididymidis.

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1063

Ren

Ren Appendix epididymidis

Ureter

Appendix vesiculosa

Appendix testis

A

Ostium abdominale tubae uterinae

Testis Kaudales KeimdrüsenUrnierenband (Gubernaculum testis)

kraniales Keimdrüsen- und Urnierenband Ovarium

Fimbria ovarica

Epoophoron

Tuba uterina

Paroophoron

Müller-Gang (zurückgebildet)

Lig. ovarii proprium

Ureter

Lig. suspensorium ovarii Ovarium Tuba uterina Lig. ovarii proprium

Ductus deferens Glandula vesiculosa B

Utriculus prostaticus Harnblase

Ductus deferens Appendix testis Appendix epididymis Epididymis Ductus epididymidis Paradidymis a

a

Ductulus aberrans

Prostata

Lig. teres uteri

Lig. teres uteri

Corpus cavernosum   Penis Corpus spongiosum 

Vagina Clitoris

Gl. vestibularis major

Glans penis Gubernaculum testis

Uterus

Ductus epoophori longitudinalis (Gartner)

b

b

Vesica urinaria

Urethra Ostium urethrae externum Ostium vaginae Bulbus vestibuli

Abb. 13.35: a Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane, verändert nach Braus, b Entwicklung der weiblichen Geschlechtsorgane mit den Stadien a, b, c, verändert nach Braus

Die Verlagerung des Hodens nach kaudal erfolgt zunächst ähnlich wie beim Eierstock. Das kaudale Urnieren-Keimdrüsenband (auch Leistenband der Urniere genannt) bleibt besonders stark im Wachstum zurück. Dadurch ist bereits zu Beginn des 3. FM der Hoden von der Lendengegend in die Gegend des inneren Leistenringes an die vordere Bauchwand verlagert. Hier bleibt er bis zum 7. Monat liegen. Unterdessen stülpt sich das Bauchfell durch den Leistenkanal vor und bildet den Processus vaginalis peritonei. Da das Leistenband der Urniere (auch Leitband des Hodens, Gubernaculum testis, genannt) durch den Leistenkanal zur Haut zieht, muss es bei der Aussackung der vorderen Bauchwand zum Hodensack bis zum Grunde des letzteren reichen.

Auch die äußeren Geschlechtsorgane sind ursprünglich gleich angelegt. Es sind der Sinus urogenitalis, der gemeinsame Kanal für Harn- und Geschlechtsprodukte, der Geschlechtshöcker, die Geschlechtsfalten und die Geschlechtswülste.

In den letzten Schwangerschaftsmonaten wandert der Hoden durch den Leistenkanal in den Hodensack. Die Anwesenheit der Hoden im Hodensack wird als Zeichen der Reife des Neugeborenen angesehen. Die Schichten der Bauchwand liefern die Schichten des Hodensackes.

1. Weibliche Differenzierung. Bei der Frau bleibt dieses Indifferenzstadium weitgehend erhalten. Aus dem Sinus urogenitalis entstehen der Scheidenvorhof, Vestibulum vaginae, aus dem der Geschlechtshöcker der Kitzler, Clitoris, aus den Geschlechtsfalten die kleinen Schamlippen,

Klinik: 1. Wird die Verlagerung des Hodens, Descensus testis, gehemmt, so haben wir die verschiedenen Formen des Kryptorchismus. Die Bildung der Samenzellen ist dabei gestört. 2. Bleibt der Processus vaginalis peritonaei offen, so haben wir die Anlage eines angeborenen Leistenbruches. £ Die Differenzierung der äußeren Genitalien

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1064

Labia minora, und aus den Geschlechtswülsten die großen Schamlippen, Labia majora. 2. Männliche Differenzierung. Beim Mann ergibt die Bildung des für die Begattung wichtigen Gliedes, Penis, eine weitgehende Um- und Weiterbildung der ursprünglich indifferenten Anlage. Es wird der Geschlechtshöcker zum kräftigen Schwellkörper des Gliedes, Corpus cavernosum penis. Die Geschlechtsfalten beider Seiten verwachsen miteinander zu einer Röhre, die als Fortsetzung des Sinus urogenitalis die Pars spongiosa der männlichen Harnröhre, den Schwellkörper der Harnröhre, Corpus spongiosum penis mit der Eichel, Glans penis, bildet. Die Geschlechtswülste verschmelzen zum Hodensack, Scrotum, der die durch den Leistenkanal durchgetretenen Hoden aufnimmt. Klinik: 1. Unterbleiben diese Verwachsungen, so kann die Harnröhre an der Unterseite (Hypospadie, Fissura urethrae inferior, untere Harnröhrenspalte) oder an der Oberseite (Epispadie, Fissura urethrae superior) offen bleiben und ist dann nur als Rinne ausgebildet. 2. Beim männlichen Geschlecht kann ein weibliches äußeres Genitale vorgetäuscht sein (Scheinzwitter).

13.6.2

13.6.2.1

Innere weibliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia feminina interna (Abb. 13.34, 35) Eierstock, Ovarium

Lernziele: Lage, Epoophoron, Paroophoron, Befestigung, Rinde, Mark, Follikel, Ovulation, Corpus luteum, Gliederung und Feinbau der Tuba uterina 13.6.2.1.1 Allgemeine Beschreibung Der Eierstock ist die weibliche Keimdrüse, enthält die vor der Geburt gebildeten Follikel mit Eizellen und bildet Hormone. Er ist ein abgeplattetes, länglich ovales und intraperitoneal gelegenes Organ. Die Größe und die Form hängen vom Funktionszustand und Alter ab. Das Ovar ist vor der Pubertät

klein und hat eine glatte Oberfläche. Der Übergang zur Geschlechtsreife heißt Pubertät, das Erlöschen der Fortpflanzungsfähigkeit erfolgt in den Wechseljahren (Klimakterium). Die Zeit danach ist die Menopause, das Ovar ist wieder klein, hat aber eine narbige Oberfläche. In der Zeit zwischen Pubertät und Klimakterium ist der Eierstock 3–4 cm lang, 1,5–2 cm breit, 1–1,5 cm dick, 7–14 g schwer und zeigt die von den Hormonen der Hypophyse abhängigen Funktionsstadien. 13.6.2.1.2 Lage Das Ovarium liegt an der seitlichen Beckenwand und seine Längsachse verläuft in kraniokaudaler Richtung. Der Eierstock hat eine gegen das Beckeninnere gerichtete Facies medialis (intestinalis) und eine der seitlichen Beckenwand zugewandte Facies lateralis. Der abgestumpfte, freie Rand heißt Margo liber, der Margo mesovaricus ist jener Rand, an welchen das Mesovar angeheftet ist. Die Extremitas uterina ist der uterusnahe Pol, die Extremitas tubaria ist das tubennahe Ende. Das Hilum ovarii, die Eintrittsstelle der Gefäße und Nerven, liegt am Ansatz des Gekröses der Keimdrüse (Mesovar) am Margo mesovaricus. Das Mesovarium ist ein Teil des Lig. latum uteri. 13.6.2.1.3 Epoophoron und Paroophoron (Abb. 13.35) Das Epoophoron, der Nebeneierstock, ist ein Rest des Sexualanteiles der Urniere und liegt zwischen den beiden Blättern der Mesosalpinx. Er besteht aus einem zur Tube parallel verlaufenden Längsgang, Ductus epoophori longitudinalis (Gartner), der in voller Ausbildung seitlich des Uterus und der Vagina bis zum Hymen gelangen kann und aus 6–20 blind endigenden Querkanälchen, Ductuli transversi besteht. Die letzteren münden in den Längsgang und reichen bis in das Hilum ovarii. Die Kanälchen sind meist mit einem Flimmerepithel ausgekleidet und können gestielte Bläschen, Appendices vesiculosae, entwickeln. Ein 5 mm weites Bläschen kann an einem 3–4 cm langen Stiel hängen (gestielte Hydatide). Das Paroophoron (Abb. 13.35) liegt lateral vom Epoophoron und besteht aus wenigen Querkanälchen, Resten der Urniere, die mit Zylinderepithel ausgekleidet sind und zwischen den Ästen der A. ovarica, nahe dem Hilum ovarii liegen.

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1065

und einer Bindegewebskapsel, Tunica albuginea, eingehüllt. Das Mesothel des Bauchfelles reicht bis zum Margo mesovaricus und ist durch eine weiße Linie (Margo limitans peritonei) gegen das rötlichweiße Ovarium abgegrenzt. Die platten Zellen des Mesothelium werden hier zum kubischen Epithel (Epithelium superficiale) der Eierstockoberfläche. Die Tunica albuginea besteht aus kollagenen Fasern. Unter der Tunica albuginea liegt das Stroma ovarii, das bindegewebige Grundgerüst des Eierstockes. In diesem unterscheidet man den Cortex ovarii, die Rindenschicht, welche unscharf in das Mark, Medulla ovarii übergeht. Im Mark des Eierstockes befinden sich Blutgefäße, Lymphgefäße und Nerven.

Klinik: Aus dem Paroophoron können mitunter bis zu kindskopfgroße Parovarialzysten entstehen. 13.6.2.1.4 Befestigung Von der Extremitas tubaria zieht das Lig. suspensorium ovarii in einer Bauchfellfalte nach kranial zur seitlichen Beckenwand. Entlang des Aufhängebandes verlaufen die Vasa ovarica, Lymphgefäße und Nerven. Das Lig. ovarii proprium (uteroovaricum) zieht von der Extremitas uterina zum Uterus und setzt hinter dem Tubenwinkel an. Es enthält glatte Muskulatur und elastische Fasern. Entlang des Lig. ovarii proprium verläuft der R. ovaricus a. uterinae.

£ Cortex ovarii (Abb. 13.36). In der Rindenzone

des Ovarium liegen die Follikel (Folliculi ovarici), welche die Eizellen (Oozyten) enthalten. Follikel und Eizellen entstehen bereits vor der Geburt in Form der Primärfollikel. In einem Eierstock eines neugeborenen Mädchens findet

13.6.2.1.5 Feinbau Der Eierstock wird von einem modifizierten Peritoneralepithel (Epithelium superficiale, Keimepithel)

Epoophoron

Ampulla tubae

Mesosalpinx

Lig. ovarii proprium

Isthmus tubae Uterus

Fimbriae tubae

Ostium abdominale tubae Fimbria ovarica Ovarium Appendix vesiculosa Lig. suspensorium ovarii et Vasa ovarica Lig. latum uteri

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Plica recto-uterina ����������� �������� ������ �������� ��������� �������� ��������

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Abb. 13.36: a. Uterus von dorsal gesehen, mit linker Tube und linkem Ovarium. b. Follikelreifung im Ovar

1066

man 200 000–250 000 derartiger Follikel. Mit der Pubertät beginnt die durch Hormone der Hypophyse gesteuerte Veränderung der Follikel (Follikelreifung, Follikulogenese, Ovulationszyklus), welche im Klimakterium allmählich wieder erlischt. Aus den Primärfollikeln entstehen die Sekundärfollikel und Tertiärfollikel. Ein Tertiärfollikel wird zum sprungreifer Follikel (Graaf-Follikel), welcher aufplatzt (Ovulation, Follikelsprung) wodurch die Eizelle in die Bauchhöhle gelangt und vom Eileiter aufgenommen wird. Aus dem geplatzten Follikel entsteht zunächst das Corpus rubrum, dann das Corpus luteum und schließlich das Corpus albicans. Von den pränatal angelegten Primärfollikeln gelangen im Lauf des Lebens nur 400–500 zur Reifung und Ovulation. Die restlichen Follikel gehen zugrunde, man spricht von der Follikelatresie. Ein absterbender Follikel heißt Folliculus atreticus. Über genauere Details zur Oogenese, Follikelgenese, Ovulation und zum Hormonhaushalt siehe Kapitel 3.3.5.2, S. 126). 13.6.2.1.6 Gefäße und Nerven Arterien. Der Eierstock wird von der A. ovarica aus der Aorta abdominalis und dem Ramus ovaricus aus der A. uterina versorgt. Die A. ovarica verläuft am Lig. suspensorium ovarii entlang, der R. ovaricus a. uterinae entlang dem Lig. ovarii proprium zum Ovar. Die Arterien bilden am Margo mesovaricus eine Anastomose, von welcher zahlreiche stark geschlängelte Äste durch das Hilum ovarii in den Eierstock ziehen. Venen. Das venöse Blut fließt zunächst in ein Venengeflecht im Mesovarium und von dort über die V. ovarica dextra in die V. cava inferior und über die V. ovarica sinistra in die V. renalis sinistra. Ein weiter Abfluss erfolgt über den Plexus uterinus in die V. iliaca interna. Lymphgefäße. Die Lymphe fließt mit den Vasa ovarica aufwärts zu den Nll. lumbales und in den Truncus lumbalis. Nerven. Die Nervenversorgung erfolgt über den Plexus ovaricus. Dieser erhält vasomotorische und viszerosensible Fasern aus dem Plexus aorticus abdominalis sowie dem Plexus renalis und erreicht mit den Vasa ovarica verlaufend das Ovar. Weitere Nerven kommen aus dem Plexus uterovaginalis. Das Zentrum der sympathischen Versorgung liegt

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

in den Segmenten Th 10–12, das parasympathische Zentrum liegt im Sakralmark. 13.6.2.1.7 Topographie (Abb. 13.37) Das Ovarium liegt intraperitoneal in der Fossa ovarica, einer Nische im Winkel zwischen den Vasa iliaca externa et interna. Je nach Ausbildung des Fettpolsters zwischen Bauchfell und Fascia pelvis parietalis ist die Grube seichter oder tiefer. Sie reicht nach unten bis zum Umschlag des Peritoneums auf den Beckenboden im Bereich der Spina ischiadica. Am Hinterrand der Grube verlaufen der Ureter und die Vasa iliaca interna. Im Boden der Grube, hinter dem Eierstock, zieht der N. obturatorius zu den Vasa obturatoria. Gemeinsam bilden sie die untere Grenze der Fossa ovarica. Ventrokranial liegen die Vasa iliaca externa. In der Nähe der Grube verlaufen auch die A. umbilicalis und die A. uterina. In der Schwangerschaft wird der Aufhängeapparat des Eierstockes gedehnt und daher liegt das Ovar nach der ersten Geburt meist unterhalb der Fossa ovarica, manchmal auch dahinter. Klinik: 1. Auf der rechten Seite kann die Appendix vermiformis in der Nähe des Ovarium liegen und die Differentialdiagnose zwischen Entzündungen des Eierstockes oder des Wurmfortsatzes erschweren. 2. Erkrankungen des Ovars können auf den N. obturatorius einwirken und auf die Innenseite des Oberschenkels ausstrahlende Schmerzen auslösen.

13.6.2.2 Eileiter, Tuba uterina (Salpinx) 13.6.2.2.1 Allgemeine Beschreibung Der Eileiter hat eine Länge von 10–15 cm und eine Dicke von 2–5 mm. Die Tuba uterina verläuft von Bauchfell überzogen intraperitoneal im freien Oberrand des Lig. latum uteri vom Tubenwinkel des Uterus zum Ovarium. Die Mesosalpinx ist der Teil des Lig. latum uteri, in welchem die Gefäße und Nerven zum Eileiter ziehen. Gleichzeitig fixiert die Mesosalpinx den Eileiter am Lig. latum uteri. Wir unterscheiden an der Tube ein Infundibulum tubae uterinae mit dem Ostium abdominale tubae uterinae und den Fimbriae tubae uterinae, eine Ampulla tubae uterinae, einen Isthmus tubae uterinae und eine Pars uterina. In seinem Verlauf ändert

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1067

Lig. suspensorium ovarii Tuba uterina

Ureter

Vasa iliaca externa Vasa iliaca interna Ovarium et Lig. ovarii proprium Lig. teres uteri Rectum

Plica umbilicalis lateralis (Plica epigastrica)

Uterus

Plica vesicalis transversa Plica umbilicalis medialis

Plica rectouterina

Peritoneum parietale

Excavatio vesicouterina

Spatium retropubicum (praevesicale)

Excavatio rectouterina Plica transversalis recti

Vesica urinaria

Fornix vaginae

Discus interpubicus

Septum rectovaginale

Urethra

Septum vesicovaginale

Corpus cavernosum clitoridis

Septum urethrovaginale

Labium minus

M. sphincter ani externus M. sphincter ani internus

Labium majus Ostium urethrae externum

Ostium vaginae

Abb. 13.37: Mediansagittalschnitt durch ein weibliches Becken

der Eileiter zweimal seine Richtung. Zunächst verläuft er horizontal und nach lateral, biegt dann nach dorsal um, zieht an der seitlichen Beckenwand aufwärts, um mit seinen Fransen, Fimbriae tubae uterinae, das Ovarium zu erreichen. Allerdings ist der Verlauf des Eileiters von der Lage des Uterus abhängig. Klinik: Beim jungen Mädchen sind die Tuben stark geschlängelt. Bleibt bei der erwachsenen Frau die Streckung der Tube aus, so sprechen wir von Tubeninfantilismus. £ Infundibulum tubae uterinae. Der Tuben-

trichter liegt mit dem 2 mm weiten Ostium abdominale tubae uterinae auf dem Eierstock,

wobei sich die Fransen fächerförmig auf der Oberfläche des Eierstocks ausbreiten. Die Fimbria ovarica ist 3–4 mm lang und befestigt den Tubentrichter am Ovar, gestattet dem Infundibulum aber eine Lageänderung. Diese ist notwendig, weil sich die sprungreifen Follikel an verschiedenen Stellen des Ovarium entwickeln und von den Fimbrien umfasst werden müssen. £ Ampulla tubae uterinae. Die Ampulle ist eine 7–8 cm lang und bis zu 5 mm weit. Sie verläuft leicht geschlängelt und besitzt zahlreiche, stark verzweigte Schleimhautfalten. £ Isthmus tubae uterinae. Dieser 3–4 cm lange, enge und gestreckte Abschnitt zeigt im Inneren nur wenige niedrige Schleimhautfalten.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1068

£ Pars uterina. Sie liegt in der Uteruswand, ist

die engste Stelle des Eileiters und mündet mit dem Ostium uterinum tubae uterinae in die Cavitas uteri.

13.6.2.2.2 Feinbau (Abb. 13.38) Die Wand des Eileiters besteht aus einer äußeren Tunica serosa (Pertitoneum) und einer Tela subserosa, einer mittleren Tunica muscularis und einer inneren Tunica mucosa. 1. Tunica mucosa. Die Tubenschleimhaut besitzt viele verzweigte Längsfalten die dicht in das Lumen vorspringen. Das einschichtige, iso- bis hochprismatische Flimmerepithel liegt auf einer bindegewebigen Lamina propria mucosae. Der Flimmerschlag der Kinozilien ist uteruswärts gerichtet und dient dem Transport der Eizelle in den Uterus. Außerdem findet man Schleim bildende Drüsenzellen. Die so genannten „Stiftchenzellen“ sind wahrscheinlich Drüsenzellen im Ruhestadium bzw. Erschöpfungsstadium oder degenerierte Drüsenzellen. Schleimhautfalten tubeneigene Muskulatur subperitoneale Muskulatur

Die Lamina propria mucosae bildet bei der Tubargravidität die Decidua. Liegt beim Follikelsprung das Ostium abdominale an der richtigen Stelle des Ovars, so wird die Eizelle durch wellenförmige Kontraktionen der Tubenmuskulatur und durch den Flimmerstrom der Tubenschleimhaut angesaugt und weiterbefördert. 2. Tunica muscularis. Die Muskelfasern der Tunica muscularis sind in zwei gegenläufigen Spiralsystemen angeordnet. Am Schnitt lassen sich eine äußere Längs- und eine innere Ringschicht unterscheiden. Zusätzlich findet man subperitoneale Muskelbündel, die am Ansatz der Mesosalpinx besonders deutlich sind. 3. Tunica serosa. Der Eileiter wird bis auf den schmalen Anheftungsrand der Mesosalpinx von Peritoneum überzogen. An den freien Enden der Fimbrien geht das Bauchfell in die Mukosa über. In der Tela subserosa liegen die Gefäße und Nerven, die über die Mesosalpinx an die Tuba uterina herangeführt werden. Klinik: 1. Verklebungen der Schleimhautfalten nach Erkrankungen der Tube können zu einer Sterilität führen. 2. Nistet sich die befruchtete Eizelle in der Tube ein und entwickelt sich dort weiter, so sprechen wir von einer Eileiterschwangerschaft (Graviditas tubaria, Tubargravidität). 13.6.2.2.3 Gefäße und Nerven Arterien. Die Tuba uterina wird von Rr. tubarii der A. ovarica und der A. uterina versorgt. Die Rr. tubarii verlaufen in der Mesosalpinx und anastomosieren miteinander. Venen. Die Venen begleiten die Arterien und münden in die V. ovarica und in den Plexus uterinus bzw. uterovaginalis.

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Abb. 13.38: a. Ampulla tubae uterinae, b. Tubenepithel. Zelluläre Zusammensetzung

Lymphgefäße. Die Lymphgefäße des Eileiters verlaufen mit den Vasa ovarica aufwärts zu den Nll. lumbales und in den Truncus lumbalis (s. Kap. 2.5.4.2, S. 88). Nerven. Die Nerven der Tube kommen aus dem Plexus ovaricus und aus dem Plexus uterovaginalis und verlaufen mit den Gefäßen. Das Zentrum liegt in den Segmenten Th10–L1.

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1069

13.6.2.3 Gebärmutter, Uterus Lernziel: Gliederung, Lage, Befestigung, Bauchfellbeziehungen, Wandaufbau Der Uterus ein ist dickwandiges Hohlorgan mit einem engen Lumen. Bei einer Schwangerschaft entwickelt sich im Uterus der Embryo bis zum reifen Kind. Die Kontraktionen der glatten Muskulatur (Wehen) sind die wichtigste Voraussetzung für die Geburt auf natürlichem Weg.

Die Gebärmutter ist ein dorsoventral abgeplatteter birnenförmiger Körper, der im Bereich der Cervix uteri rundlich wird und besteht aus dem Corpus Ampulla

Die Länge des Uterus beträgt bei Frauen, die noch nicht geboren haben, im Mittel 7,5 cm, die Breite 4 cm und die Dicke 2,5 cm, Cervix uteri und Corpus uteri sind annähernd gleich groß. Während des Zyklus ist der Uterus gewissen Volumenschwankungen unterworfen. Nach Schwangerschaften bleibt die Gebärmutter in sämtlichen Dimensionen um 1–1,5 cm vergrößert und das Corpus uteri ist 1–2 cm größer als die Cervix uteri. Mit dem Aufhören des ovariellen Zyklus wird die Gebärmutter wieder kleiner.

13.6.2.3.1 Allgemeine Beschreibung (Abb. 13.37, 39)

Fimbriae tubae

uteri, Körper, einem engen kurzen Zwischenstück, Isthmus uteri und dem Hals, Cervix uteri (Collum).

Klinik: In der Schwangerschaft wird der Isthmus uteri länger und wird vom Kliniker als unteres Uterinsegment bezeichnet.

Isthmus tubae Pars uterina tubae

Epoophoron

Cavitas uteri Fundus uteri Corpus uteri Ovarium, Tuba uterina

Cervix uteri (Portio supravaginalis)

Lig. teres uteri Schnittrand des Peritonem

Portio vaginalis cervicis Paries anterior   vaginae Paries posterior

Carunculae hymenales

Abb. 13.39: Vagina und rechte Tuba uterina von ventral eröffnet. Linker Eileiter und linker Eierstock in natürlicher Lage. Lig. latum uteri

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1070

Fundus uteri. Damit bezeichnen wir die über den Tubenmündungen hinausragende Wölbung des Corpus uteri. Er ist erst nach der ersten Schwangerschaft deutlich sichtbar. An den stumpfen Seitenrädern, Margo uteri dexter et sinister ist das Lig. latum uteri angeheftet.

13.6.2.3.2 Lage Die Lage wird durch Füllung und Form der Nachbarorgane (Harnblase, Mastdarm) und durch die Körperhaltung (Liegen, Stehen) beeinflusst (Abb. 13.40). c

Die dorsokraniale, dem Darm zugewandte Fläche heißt Facies intestinalis (Facies posterior). Die Facies vesicalis (Facies anterior) ist die ventrokaudale, der Harnblase aufliegende Fläche. Die Tube bildet mit dem Seiterand des Uterus nahezu einen rechten Winkel, den Tubenwinkel. Vom Tubenwinkel ziehen das Lig. ovarii proprium (Chorda uteroovarica) zum Ovarium und das Lig. teres uteri (Chorda uteroinguinalis) zum Leistenkanal. Cervix uteri. Sie ragt mit ihrem unteren Drittel zapfenförmig in die Scheide. Der oberhalb der Vagina liegende Anteil der Cervix uteri heißt Portio supravaginalis cervicis (Endocervix), der in der Vagina liegende Anteil ist die Portio vaginalis cervicis (Ectocervix, kurz auch Portio genannt). Die Cervix uteri zieht durch die Vorderwand der Vagina, wodurch ein Raum zwischen Portio vaginalis und Scheidenwand, das Scheidengewölbe, Fornix vaginae, entsteht. Fornix vaginae. Er wird in hinteres (Pars posterior), 2 seitliche (Pars lateralis) und ein vorderes (Pars anterior) Scheidengewölbe eingeteilt. Portio vaginalis. Auf dem freien Ende der Portio vaginalis mündet die Uterushöhle mit dem äußeren Muttermund, dem Ostium uteri (Orificium externum uteri). Dieser ist bei einer Frau, die noch nicht vaginal geboren hat eine runde Öffnung, nach einer vaginalen Geburt ein quergestellter, oft eingerissener Spalt mit einer vorderen und hinteren Muttermundlippe, Labium anterius et posterius. Die Farbe der Portio vaginalis ist matt rötlich. Sie beisitzt ein mehrschichtig unverhorntes Plattenepithel wie die Vagina. Die Grenze zum einschichtigen hochprismatischen Epithel des Canalis cervicis ist im Bereich des Ostium uteri. Klinik: 1. In der Zeit zwischen Pubertät und Klimakterium wird das Zylinderepithel aus dem Zervikalkanal nach außen auf die Portio verlagert (Ektropionierung) und ist an der deutlicheren Rotfärbung erkennbar. 2. Mit Hilfe eines Scheidenspekulums kann die Portio vaginalis untersucht werden (Kolposkopie).

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Abb. 13.40: a. Flexio uteri: Die Achse des Corpus uteri (a) bildet mit der Achse der Cervix uteri (b) einen nach vorn offenen stumpfen Winkel (Anteflexio uteri). Daneben besteht physiologisch eine Anteversio: Die Achse der Cervix uteri fällt vor die senkrechte Körperachse (c). b. Retroflexio uteri bei normaler Anteversiostellung des Uterus: a: Korpusachse, b: Kollumachse

Grundsätzlich ist der Uterus nach vorne oben gerichtet und nach vorne über die Harnblase gebogen. Wir unterscheiden eine Anteversio und eine Anteflexio. Anteversio. Die Längsachse der Cervix uteri steht senkrecht auf die Längsachse der Vagina und ist nach vorne und oben gerichtet. Anteflexio. Das Corpus uteri ist im Bereich des Isthmus uteri gegen die Cervix uteri nach ventral abgebogen. Der Anteflexionswinkel ist bei leerer Harnblase kleiner, der Uterus ist stärker abgewinkelt. Mit

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

zunehmender Füllung der Harnblase richtet sich der Uterus auf, der Anteflexionswinkel wird größer. Bei vollem Rectum und voller Harnblase steigt der Uterus nach oben. Die Stellung des Uterus im Beckenraum wird als Positio uteri bezeichnet und ist ebenfalls von der Lage der Nachbarorgane abhängig, so dass der Uterus meistens nicht symmetrisch im kleinen Becken steht, sondern verlagert ist. Abweichungen zur Seite heißen Lateropositio, bzw. Dextro- und Sinistropositio. Antepositio bedeutet eine Verlagerung nach vorn, Retropositio eine Verlagerung nach hinten. Wird der Uterus nach oben verlagert, spricht man von der Elevatio uteri. Ein Absinken des Uterus nach unten nennt man Descensus uteri et vaginae. Durch die Körperhaltung wird die Lage des Uterus folgendermaßen beeinflusst: Im Stehen wird die Gebärmutter durch die Last der auf ihr ruhenden Eingeweide nach unten gedrückt und antevertiert. In Rückenlage sinkt der Uterus nach hinten, in Seitenlage wird er seitwärts verlagert. Klinik: 1. Bei einer Retroversio uteri ist die Längsachse der Cervix uteri nach hinten und oben gerichtet und der Längsachse der Vagina angenähert. Dadurch wird ein Descensus uteri und weiterer Folge ein Vorfall (Prolapsus uteri et vaginae) begünstigt. 2. Ist der Uterus nach hinten gebogen, so spricht man von einer Retroflexio uteri. 13.6.2.3.3 Befestigung Die Stabilisierung der Gebärmutter erfolgt aktiv durch die Muskulatur des Beckenbodens und passiv durch Verstärkungszüge des subperitonealen Beckenbindegewebes im Bereich der Cervix uteri (Parametrium, Paracervix). Der Kliniker spricht von den Retinacula uteri. In diese Haltebänder sind auch glatte Muskelfasern eingelagert. Drei paarige Zügel befestigen die Cervix uteri. Das Lig. cardinale (Lig. transversum cervicis, Mackenroth) zieht fächerförmig zur seitlichen Beckenwand. Das Lig. pubocervicale zieht von der Cervix uteri nach vorne zum Blasenhals und zur Symphyse. Das Lig. rectouterinum verbindet dorsal die Cervix uteri mit dem Rectum und dem Kreuzbein. Die beiden letztgenannten Bänder enthalten auch glatte Muskelfasern und werfen Peritonealfalten auf (Plica vesicouterina, Plica rectouterina, Abb. 13.37).

1071

Klinik: Im klinischen Sprachgebrauch heißt das Lig. pubovesicale Blasenpfeiler und das Lig. sacrouterinum Rektumpfeiler. Vom Tubenwinkel entspringt jederseits ein Lig. teres uteri (Lig. rotundum, Chorda uteroinguinalis) und verläuft in einer Peritonealfalte zum inneren Leistenring und zieht durch den Leistenkanal. Die Fasern des Lig. teres uteri strahlen dann in das Bindegewebe des Mons veneris und der Labia majora aus. Im Leistenkanal lagern sich dem Lig. teres uteri quergestreifte Muskelfasern an. Diese entsprechen entwicklungsgeschichtlich dem M. cremaster des Mannes. Im Lig. teres uteri findet man auch glatte Muskelfasern. Außerdem verlaufen entlang des runden Mutterbandes die kleine A. lig. teretis uteri, Venen und Lymphgefäße. Letztere ziehen vom Fundus und dem oberen Corpus uteri zu den oberflächlichen Leistenlymphknoten. Das Lig. teres uteri hält den Fundus uteri nach vorne. Die von vorn (Lig. teres uteri, Lig. pubovesicale), von hinten (Lig. rectouterinum, Abb. 13.41, 42) und von seitlich (Lig. cardinale) an den Uterus herantretenden, muskulös-bindegewebigen Leitzügel gestatten und sichern die Lageveränderungen der Gebärmutter. Bei der Schwangerschaft gewährleisten sie die starke Ausdehnung des Uterus. Durch Wachstum und Vermehrung ihrer Muskulatur werden diese Haltebänder zu starken Seilen, die vom Uterus abwärts zu ihren Fixpunkten ziehen. Während der Wehe kontrahiert sich auch die glatte Muskulatur dieser Seile und verhindert damit, dass der Uterus nach oben ausweicht. Ohne den Halteapparat könnte die Uterusmuskulatur die Widerstände im Geburtskanal nicht überwinden. Klinik: 1. Entzündliche Verklebungen und Schrumpfungen des Bindegewebes können zu stärkeren pathologischen Lageveränderungen führen. Ständige Wendung nach hinten (Retroversio) und Abknickung nach hinten (Retroflexio) sind als pathologische Zustände anzusehen. 2. Da der retrovertierte und retroflektierte Uterus sein Widerlager an der hinteren Scheidenwand verliert und die Uterusachse dann in der Längsachse der Scheide liegt, besteht eine Neigung zum Prolaps.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1072

Paraproctium Rectum

Fascia rectalis Lig. rectouterinum

Spatium rectouterinum Lig. cardinale uteri

Uterus

Lig. vesico uterinum Spatium paravesicale

Fascia vesicalis Paracystium

Vesica urinaria

Lig. pubovesicale

Spatium retropubicum

Abb. 13.41: Beckenbodenbindegewebe der Frau und seine Bänder. Schema umgezeichnet nach Tandler Spatium subperitoneale pelvis Os sacrum Rectum Os coxae Excavatio rectouterina Vasa iliaca interna Plexus sacralis Ureter sinister

Ureter dexter

Plica sacrouterina

Lig. latum uteri Vasa uterina Uterus Ostium ureteris M. obturatorius internus Membrana obturatoria M. obturatorius externus

Fascia pelvis viseralis Fascia pelvis parietalis Vesica urinaria

Lig. arcuatum pubis

Ostium urethrae internum Spatium retropubicum (Retzii) (praevesicale)

Abb. 13.42: Horizontalschnitt durch ein weibliches Becken, schematisiert nach Sellheim

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

Form, Größe, Konsistenz und Lage des Uterus, der Zustand der Adnexe und des parametranen Bindegewebes können bei der vaginalen Untersuchung beurteilt werden. Ein oder zwei Finger der einen Hand werden in die Scheide eingeführt, mit der anderen Hand tastet man durch die Bauchdecken die Organe ab. Bei Virgines sowie vor und während der Entbindung untersucht man vom Rectum aus. Alle bisher beschriebenen Halte- und Befestigungseinrichtungen können das Absinken der Beckenhohlorgane nicht verhindern. Entscheidend für ihre physiologische Lage ist der Zustand des Diaphragma pelvis und des Diaphragma urogenitale. Der Beckenboden hat nicht nur die Beckenorgane, sondern auch die auf ihm ruhenden Bauchorgane zu tragen und dem abdominellen Druck standzuhalten. Ist er durch schwere und häufige Geburten geschwächt, kann es zum Prolaps kommen. Die Tatsache, dass eine angeborene Lähmung des M. levator ani bereits in den ersten Lebensmonaten zu einem Prolaps führte, beweist die Bedeutung des Beckenbodens. 13.6.2.3.4 Bauchfellbeziehungen (Abb. 13.37) Die inneren Genitalien schieben sich als frontal gestellte Platte, Genitalplatte genannt, zwischen Harnblase und Rectum. Das Bauchfell wird wie ein Tuch nach oben geschoben und schlägt von der oberen Fläche der Harnblase in Höhe der Cervix uteri auf die Vorderfläche des Uterus um, überzieht die gesamte Hinterfläche des Uterus und gelangt bis an das hintere Scheidengewölbe, Fornix vaginae. Hier schlägt das Peritoneum auf die Vorderfläche des Rectum um. Es entstehen so zwischen Harnblase, Uterus und Rectum 2 Buchten, vorne die flachere Excavatio vesicouterina und hinten die tiefere Excavatio rectouterina. Der unterhalb der durch das Lig. rectouterinum aufgeworfenen Plica rectouterina gelegene Anteil der Excavatio rectouterina wird im klinischen Sprachgebrauch als Douglas-Raum bezeichnet. Dieser ist bei der Frau der tiefste Punkt der Peritonealhöhle (Abb. 13.37). Von den Seitenrändern des Uterus zieht jederseits eine frontal gestellte, breite Bauchfellduplikatur,

1073

das Lig. latum uteri, zur seitlichen Beckenwand. Zwischen den Serosablättern liegt Bindegewebe, welches Parametrium bzw. Paracervix bezeichnet wird. Die beiden Ligg. lata trennen seitlich des Uterus die Excavatio vesicouterina von der Excavatio rectouterina. Das Bindegewebe des Lig. latum (Parametrium) sichert mit seinen bereits beschriebenen Verstärkungszügen (Ligg. cardinalia, sacrouterina et vesicouterina ) die Lage des Uterus und bildet gleichzeitig eine Gefäß-Nerven-Leitplatte. Diese Leitplatte bildet die Grundlage des Mesometrium, in ihr gelangen die Vasa uterina und der Plexus venosus uterovaginalis zum Uterus und zur Vagina. Auch der Harnleiter zieht an der seitlichen Beckenwand, nahe der Hinterfläche des Lig. latum, abwärts, um sich oberhalb des Beckenbodens nach medial und vorn zu wenden. Er unterkreuzt hier die A. uterina und verläuft etwa 1 cm oberhalb des seitlichen Scheidengewölbes, 1–2 cm lateral von der Cervix uteri zum Blasengrund. Am Lig. latum unterscheiden wir 3 Anteile, nämlich die das Mesometrium, die Mesosalpinx und das Mesovarium. Das Mesometrium ist der am Margo uteri angeheftete Teil des Lig. latum und enthält die Gefäße und Nerven des Uterus. Die Mesosalpinx ist der an die Tuba uterina angrenzende Teil des Lig. latum. Das Mesovarium ist an der dorsalen Seite des Lig. latum angefügt. An ihm hängt der Eierstock. Im medialen Abschnitt des Mesovarium verläuft das Lig. ovarii proprium vom Tubenwinkel zum Ovarium und enthält den R.ovaricus a. uterinae. Das Lig. suspensorium ovarii liegt ebenfalls im Lig. latum und führt die Vasa ovarica in das kleine Becken zum Ovarium. 13.6.2.3.5 Uterushöhle, Cavitas uteri (13.39) Die Cavitas uteri ist ein dreiseitiger, quergestellter, Spalt. Das Cornu uteri ist der gegen die Tubenmündungen spitzwinklig ausgezogene Anteil. Am Isthmus uteri setzt sich der Hohlraum des Uterus in den engen, 8 mm langen Canalis cervicis fort. Dieser beginnt mit dem Ostium uteri internum (innerer Muttermund) und mündet mit dem äußeren Muttermund, Ostium uteri, in die Scheide. Im Canalis cervicis findet man palmblattartig angeordnete Schleimhautfalten, die Plicae palmatae, und tubulöse Schleimdrüsen, die Glandulae cervicales.

1074

13.6.2.3.6 Wandbau

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis �����������

An der Uteruswand unterscheidet man eine Schleimhaut, Tunica mucosa oder Endometrium, und eine mächtige Muskelschicht, Tunica muscularis oder Myometrium, und einen Bauchfellüberzug, Perimetrium oder Tunica serosa. 1. Schleimhaut, Tunica mucosa, Endometrium (Abb. 13.39, 43). Die 1,5–2 mm dicke Schleimhautschicht ist im Corpus uteri weich, glatt und blassgraurot. In der Cervix uteri ist sie dicker, fester und bildet auf der Vorder- und Hinterwand je ein palmblattartiges Faltensystem, Plicae palmatae. Diese greifen ineinander und bilden gemeinsam mit dem zähflüssigen Schleim den Verschluss der Cervix uteri. Wir unterscheiden am Endometrium ein bis zu 8 mm hohes Stratum functionale (Lamina functionalis, Funktionalschicht, „Funktionalis“), welche bei der Menstruation abgestoßen wird. Das 1 mm hohe Stratum basale (Lamina basalis, Basalschicht, „Basalis“), wird nicht abgestoßen und baut am Beginn des Zyklus die Funktionalschicht auf. Über weitere Details zum Menstruationszyklus siehe Kapitel 3.3.5.3, S. 129.

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Abb. 13.43: Querschnitt durch den Uterus

Stratum vasculare

Stratum supravasculare

Stratum subvasculare

Die Tela submucosa fehlt, die gefäßreiche Lamina propria mucosae besteht aus einem feinfaserigen Bindegewebe, in dessen Flechtwerk sich zahlreiche spindel-, sternförmige und auch Rundzellen finden. Die Oberfläche wird im Corpus uteri von einschichtigem hochprismatischem Epithel überzogen. Die Zellen besitzen teils Mikrovilli und teils Kinozilien. Der Zilienschlag ist vaginalwärts gerichtet. In der Cervix uteri sind die Zylinderzellen höher. Im Isthmus uteri und in der Cervix uteri gleicht der Aufbau dem Stratum basale. Die Schleimhaut der Cervix uteri wird bei der Menstruation nicht abgestoßen. Am äußeren Muttermund geht das Zylinderepithel in das mehrschichtige Plattenepithel der Vagina über. Klinik: Die Übergangszone zwischen beiden Epithelarten ist häufig Ort der Entstehung von Präkanzerosen und von Karzinomen. Von der Oberfläche der Schleimhaut senken sich leicht geschlängelte oder spiralige, an den Enden teilweise gegabelte tubulöse Drüsen, Glandulae uterinae in die Tiefe und können infolge des Fehlens der Tela submucosa bis in die Muskelschicht

Abb. 13.44: Muskelfaserverlauf im Corpus und Isthmus des Uterus nach Wetzstein

hineinreichen. Die Glandulae uterinae machen in der Cervix uteri allmählich den Glandulae cervicales Platz. Diese sind verzweigte Schleimdrüsen und bilden ein glasiges, sehr zähes Sekret, das als Schleimpfropf (Kristeller) den Zervikalkanal ausfüllt. Die Sekretproduktion wird durch den Zyklus beeinflusst. Wird das Sekret zurückgehalten, so kommt es zu zystenartigen Erweiterungen der Drüsen, die über die Oberfläche hervorragen (Ovula Nabothi). 2. Muskelschicht, Tunica muscularis, Myometrium (Abb. 13.43, 44). Die Muskelschicht des Uterus besteht aus fest gefügtem glattem Muskelgewebe, Bindegewebe und Blutgefäßen. In der Schwangerschaft passt sich das Myometrium durch Vergrößerung dem heranwachsenden Kind an und

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

ermöglicht das Austragen („Fruchthalter“). Bei der Geburt wird das Kind durch die Kontraktionen (Wehen) durch den Geburtskanal ausgetrieben („Gebärmutter“) (s. Kap. 3.6.2, S. 157). Im Fundus und Corpus uteri ist das Myometrium beim nicht graviden Uterus 1–2 cm dick. Man unterscheidet 3 Schichten mit jeweils verschiedenem Verlauf der Muskelfaserbündel (R. Wetzstein). In der äußeren Schicht (Stratum supravasculare) wechseln längsverlaufende mit zirkulären Zügen in vier Lamellen ab. Die gefäßreiche mittlere Schicht (Stratum vasculare) bildet den größten Anteil der Uterusmuskulatur. Sie besteht im Corpus uteri aus einem Netzwerk stark verzweigter Muskelfaserbündel. Im Bereich des Isthmus sind die Muskelfasern dieser Schicht dünner und verlaufen flach ansteigend und zirkulär. In der unter der Mukosa gelegenen inneren Schicht (Stratum subvasculare) sind die Muskelzüge zirkulär angeordnet. Sie sollen nach der Plazentalösung zum Verschluss der eröffneten Blutgefäße beitragen. Während der Schwangerschaft erfolgt unter hormonellem Einfluss die Größenzunahme des Uterus durch Wachstum der Muskelzellen und durch geringe örtliche Verschiebungen der netzartig angeordneten Muskelzüge des Stratum vasculare. In der Austreibungsperiode ist die netzartige Anordnung der Muskulatur in der mittleren Schicht am besten geeignet, den Inhalt des Uterus unter konzentrischen Druck zu setzen. Die Kontraktionen der Muskulatur des Uterus werden Wehen genannt. Im Isthmus und in der Cervix uteri besitzt das Myometrium weniger Muskelzellen und mehr Bindegewebe. Die Zervixmuskulatur bildet den Verschluss des Canalis cervicis. Bei der Geburt erfolgt während der Eröffnungsperiode eine überaus starke Dehnung der Cervix. Nach W. Lierse treten absteigende Längsfasern der Korpusmuskulatur und aufsteigende Längsfasern der Scheidenmuskulatur an die Cervix heran, verlaufen in ihr in Schraubentouren von außen nach innen. Die sich überkreuzenden Spiralen beider Systeme verlaufen portiowärts steiler, im Gebiet des inneren Muttermundes horizontal. Sie bilden hier mit den Fasern des Grundgefüges und Fasern aus dem Parametrium einen Sphinkter des inneren Muttermundes. Während der Schwangerschaft nehmen die Fasern der Portio vaginalis einen steileren Verlauf an, lediglich im Gebiet des inneren Muttermundes verlaufen sie bis zur Eröffnungs-

1075

periode in flachen Schraubentouren. Während der Geburt wird durch die Kontraktion des Corpus, durch das Vorrücken der Fruchtblase und den Pumpmechanismus des Venenblutes am inneren Muttermund eine Steilstellung der Fasern erreicht, wodurch aus dem Sphinkter ein Dilatator wird. Vom Tubenwinkel strahlen Muskelbündel in das Lig. teres uteri aus (Abb. 13.41). Sie fixieren den Fundus uteri an der vorderen Bauchwand. Von der Rückfläche der Cervix uteri ausstrahlende Muskelbündel ziehen zum Kreuzbein (M. sacrouterinus) und zum Rektum (M. rectouterinus). 3. Bauchfellüberzug, Tunica serosa, Perimetrium (Abb. 13.37). Das Bauchfell bildet einen glatten, glänzenden Überzug und ist unverschieblich mit dem Myometrium verwachsen. Ventral reicht das Perimetrium bis zum Isthmus uteri. Die dorsale Fläche des Uterus ist vollständig vom Bauchfell bedeckt, welches sich von der Portio supravaginalis bis auf die Wand des Fornix posterior vaginae fortsetzt. Seitlich geht das Bauchfell in das Lig. latum (Mesometrium) über, welches zur seitlichen Beckenwand zieht. Das Bindegewebe zwischen den Blättern des Lig. latum wird Parametrium genannt und enthält die Gefäße und Nerven des Uterus. 13.6.2.3.7 Altersunterschiede und Fehlbildungen der Gebärmutter Bei Neugeborenen ist der Gebärmutterkörper verhältnismäßig kurz und schmal, der Hals lang (Abb. 13.45). Bis zur Geschlechtsreife bildet sich allmählich die definitive Form aus. Beim infantilen, hypoplastischen Uterus ist vorwiegend der Körper in der Entwicklung zurückgeblieben. Die Proportionen von Corpus und Cervix sind die gleichen wie beim Neugeborenen. In der Menopause bleibt der Uteruskörper verhältnismäßig groß. Er hat Birnenform. Die Wand wird dünner, das Lumen weiter. Da der Uterus durch Verschmelzung der beiden Müller-Gänge entsteht, können wir als Entwicklungshemmungen einen Uterus bicornis, eine fehlende Verschmelzung im Fundusgebiet, und einen Uterus septus, eine mediane Scheidewand im Uterus, antreffen (Abb. 13.46).

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1076

normaler Uterus (Verhältnis 2:1)

Uterus eines Neugeborenen (Verhältnis 1:2) hypoplastischer Uterus einer Erwachsenen (Verhältnis 1:2)

Abb. 13.45: Verhältnis des Corpus uteri zur Cervix uteri; x zeigt die Grenze an. Sagittalschnitte umgezeichnet nach Martius

1

2

3

4

5

6

7

8

Abb. 13.46: Uterusfehlbildungen: 1 Uterus didelphys (duplex) separatus et vagina duplex, 2 U. bicornis duplex (auch Vagina duplex), 3 U. bicornis unicollis, 4 U. arcuatus, schwache Andeutung von Bikornalität, 5 U. septus duplex cum vagina septa, 6 U: septus duplex, 7 U. subseptus, 8 U. biformis

13.6.2.3.8 Gefäße und Nerven

Arterien. Die arterielle Versorgung erfolgt durch die beiden Aa. uterinae (Abb. 13.47). w Die A. uterina entspringt aus der A. iliaca

interna und verläuft zunächst auf der Innenfläche des M. obturatorius internus (I. Strecke). Sie biegt dann nach medial um und gelangt an der Basis des Lig. Iatum in das Lig. cardinale uteri wo sie den Ureter überkreuzt (II. Strecke). Die Überkreuzungsstelle ist etwa 2 cm vom Uterus entfernt. In unmittelbarer Nähe der Cervix uteri biegt sie, nach Abgabe der A. vaginalis, abermals um und verläuft stark geschlängelt am Seitenrand des Uterus zum Fundus uteri (III. Strecke). 9–14 Seitenäste ziehen zur Facies

vesicalis und rectalis uteri. Sie gehen zahlreiche Anastomosen mit den Ästen der anderen Seite ein. w Am Tubenwinkel gibt die A. uterina einen Ramus ovaricus und einen Ramus tubarius ab, die mit den gleichnamigen Ästen der A. ovarica 2 Arkaden bilden, die mit zahlreichen feinen Gefäßen Eierstock und Eileiter versorgen (Abb. 13.47). w Während der Schwangerschaft ist die A. ovarica durch die stark erweitertern Arkaden an der Blutversorgung des Uterus beteiligt. w Im Myometrium ist besonders das Stratum vasculare reich an Arterien. Korkzieherartig gewundene Arterien erreichen das Stratum supravasculare und bilden unter dem Endometrium Kapillarnetze. Klinik: Bei der operativen Entfernung des Uterus müssen sowohl die Aa. uterinae als auch die starken Anastomosen zur A. ovarica unterbunden und durchtrennt werden. Bei der Unterbindung der A. uterina ist auf den Ureter zu achten. Er unterkreuzt die Arterien und zieht etwa 1 cm oberhalb des seitlichen Scheidengewölbes nach vorn zur Harnblase. Venen. Die Gebärmuttervenen sammeln sich in einem mächtigen Geflecht (Plexus venosus uterinus) seitlich des Uterus. Dieses Geflecht steht mit dem Plexus vesicalis uterovaginalis und dem Plexus vesicalis (Plexus vesicovaginalis) und damit mit den oberflächlichen Venen des Oberschenkels und des äußeren Genitale in Verbindung. Die doppelten Vv. uterinae münden in die V. iliaca interna. Klappen sind in den Venen schlecht ausgebildet oder fehlen vollständig. Lymphabfluss. Die Lymphgefäße ziehen zu verschiedenen Lymphknotengruppen deren Kenntnis von großer klinischer Bedeutung (Ausbreitung von Krebsmetastasen) ist. w Die regionären Lymphknoten (Abb. 13.48)

liegen an den Gefäßen und in ihren Teilungswinkeln, vor dem Kreuzbein, im Lig. latum uteri und unterhalb des Leistenbandes. Nach ihrer Lage unterscheiden wir Nll. lumbales (in der Lendengegend neben und auf der Aorta), Nll. iliaci communes (neben der A. iliaca communis), Nll. iliaci externi und interni (neben den gleichnamigen Arterien), Nll. interiliaci (zwi-

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1077

A. ovarica im Lig. suspensorium ovarii

R. ovaricus R. tubarius

A. uterina I. Strecke A. uterina III. Strecke Lig. teres uteri

Abb. 13.47: A. uterina und A. ovarica. Unterkreuzung der A. uterina durch den Ureter im Lig. cardinale uteri

A. uterina II. Strecke Ureter A. vaginalis

Nodi lymph. lumbales

Nodi lymph. subaortici

Nodi lymph. iliaci communes

Nodi lymph. iliaci externi

Nodi lymph. iliaci communes

Nodi lymph. iliaci interni

Nodi lymph. iliaci interni (N. l. glutaei superiores) Nodi lymph. interiliaci

Nodi lymph. interiliaci

Nodi lymph. iliaci interni (N. l. glutaei inferiores Nodi lymph. inguinales superficiales

Lig. teres uteri et Nodi lymph. inguinales superficiales

Nodi lymph. parauterini

Abb. 13.48: Lymphabflüsse aus den weiblichen Geschlechtsorganen. Links: vom Fundus und Corpus uteri, von der Tuba uterina und vom Ovarium (rot), von der Vagina (schwarz). Rechts: von der Cervix uteri (schwarz), vom unteren Teil der Vagina und den äußeren Geschlechtsorganen

1078

schen A. iliaca externa und interna), Nll. glutaei superiores und inferiores (an der Austrittsstelle der gleichnamigen Arterien), Nll. subaortici (im Teilungswinkel der Aorta), Nll. sacrales (auf der Beckenfläche des Kreuzbeins), Nll. parauterini (neben dem Uterus im Lig. latum), Nll. inguinales superficiales (auf der Ventralseite des Oberschenkels, subkutan unterhalb des Leistenbandes). w Die Lymphgefäße vom Fundus et Corpus uteri

ziehen (Abb. 13.48) 1. entlang des Lig. ovarii proprium zur seitlichen Beckenwand und von hier mit den Lymphgefäßen vom Eierstock und Eileiter zu den Nll. Iumbales unterhalb des unteren Nierenpoles, 2. entlang dem Lig. teres uteri durch den Leistenkanal zu den Nll. inguinales superficiales, 3. durch das Lig. latum zu den Nll. interiliaci.

w Die Lymphgefäße der Cervix uteri können

direkt oder indirekt alle obengenannten, im kleinen Becken liegenden Lymphknotengruppen erreichen.

Nerven (Abb. 13.49). Der Uterus erhält seine vegetativen Nerven aus dem Plexus hypogastricus inferior, der zu beiden Seiten des Rectum eine starke Platte bildet. Von diesem Geflecht ziehen die Fasern innerhalb der Plica rectouterina und dann als Plexus uterovaginalis im Parametrium an die Seitenränder des Uterus und der Vagina. Die Gesamtheit der zahlreichen, in das Geflecht eingeschalteten Ganglienzellengruppen bezeichnen wir als Ganglion pelvicum (Frankenhäuser-Ganglion). Die sympathischen Fasern entspringen im Seitenhorn des Rückenmarkes auf Höhe von Th10–L1 und gelangen über die Nn. splanchnici lumbales zum Plexus hypogastricus superior et inferior und von diesen zum Plexus pelvicus. Die parasympathischen Fasern kommen aus dem Sakralmark und ziehen als Nn. splanchnici pelvici zum Beckengeflecht. Die sensiblen Fasern lagern sich den vegetativen Nerven an und gelangen zu den Segmenten Th10–L1. Die sympathischen Fasern sollen anregend auf die Muskulatur des Uterus, der Vagina und der Gefäße (vasokonstriktorisch) wirken. Die parasympathischen sollen die Kontraktion der glatten Muskulatur hemmen und die Gefäße erweitern.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

13.6.2.4 Scheide, Vagina Lernziele: Lage, Wandaufbau, Funktion und Bauchfellbeziehungen der Vagina 13.6.2.4.1 Allgemeine Beschreibung Die Vagina ist ein 8–11 cm langes, ventrodorsal abgeplattetes, muskulös-bindegewebig dehnbares Rohr, in nicht entfaltetem Zustand mit einem H-förmigen Querschnitt (Abb. 13.39). Die Verlaufsrichtung ist von vorne unten nach hinten oben. Bei der stehenden Frau ist die Längsachse nach hinten gebogen, der obere Teil der Vagina liegt annähernd horizontal auf dem Diaphragma pelvis. Der untere Scheidenabschnitt biegt im Levatortor nach vorne unten um. Der Paries anterior ist die Vorderwand, der Paries posterior die Hinterwand der Scheide. Die Vorderwand ist kürzer, da die Portio vaginalis uteri in sie eingefügt ist. Dadurch entstehen ein größeres hinteres, 2 kleinere seitliche und ein vorderes Scheidengewölbe (Fornices vaginae anterior, posterior et laterales). Im Liegen ist der Fornix posterior der tiefste Punkt der Vagina und damit das Receptaculum seminis. Nachdem die Vagina das Diaphragma urogenitale durchbrochen hat, mündet sie mit dem Ostium vaginae in das Vestibulum vaginae. In der Jugend ist die Scheidenwand weich. Sie besitzt dann auf der Vorder- und Hinterwand, Paries anterior und posterior, zahlreiche quer verlaufende Falten (Rugae vaginales), die sich in einer vorderen und hinteren medianen Leiste, der Columna rugarum anterior et posterior, treffen. Durch den Geburtsakt werden die Falten niedriger und bilden sich nicht wieder. Durch die der Vorderwand anliegenden Urethra wird die Harnröhrenleiste, Carina urethralis aufgeworfen. Am Scheideneingang, Ostium vaginae (Introitus vaginae), liegt das Jungfernhäutchen, der Hymen, oder seine Reste, die Carunculae hymenales. 13.6.2.4.2 Lage und Bauchfellbeziehungen Die Vagina liegt zwischen Mastdarm und Harnblase bzw. Harnröhre (Abb. 13.37). Zwischen diesen Organen liegen das Septum rectovaginale und das Septum vesicovaginale bzw. urethrovaginale. Der Fornix vaginae posterior bildet den Boden der

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1079

V. cava inferior Ureter

Nll. lumbales Aorta abdominalis

M. psoas major

Colon sigmoideum

M. erector spinae

A. iliaca communis sinistra Plexus hypogastricus A. rectalis superior

Truncus lumbosacralis V. iliaca interna

A. iliaca externa dextra V. iliaca externa dextra

Facies auricularis (ossis sacri) N., A. obturatoria A. glutaea superior N. ischiadicus (nach dorsal vorgelagert) A. rectalis superior A. glutaea inferior N., A. pudenda interna Vagina Rectum Septum rectovaginale M. levator ani et R. muscularis M. sphincter ani externus

Ureter A. vesicalis inferior (Pars patens) A. umbilicalis Peritoneum (Schnittkante) Uterus Lig. umbilicale laterale (Chorda a. umbilicalis, Pars oclusa a. umbilicalis) A. uterina et Ureter (Überkreuzung!) A. vesialis superior Vesica urinaria Os pubis Septum urethrovaginale Clitoris N., A. dorsalis clitoridis N., A. labialis posterior

Abb. 13.49: Gefäße und Nerven der Beckeneingeweide und des Beckenbodens bei der Frau. Paramedianschnitt von rechts her dargestellt

Excavatio rectouterina und wird vom Bauchfell bedeckt. Im Bereich der Fornices laterales vaginae erreicht die A. uterina die Cervix uteri. An dieser Stelle unterkreuzt der Ureter die A. uterina. Der Harnleiter zieht zunächst seitlich der Vagina und dann nach ventral zur Harnblase.

Die 3 mm dicke Wand der Vagina besteht aus einer Tunica mucosa, einer Tunica muscularis, Tunica spongiosa und einer Tunica adventitia.

ches Plattenepithel, das sich auf die Portio vaginalis uteri (Abb. 13.39) bis zum äußeren Muttermund fortsetzt. Struktur und Glykogengehalt des Scheidenepithels werden hormonell beeinflusst und ändern sich während des Zyklus der Frau. Die Tunica propria besteht aus lockerem Bindegewebe mit viel elastischen Fasern und enthält vereinzelte Lymphknötchen sowie zahlreiche Blutgefäße. Drüsen sind nicht vorhanden, das Sekret in der Vagina stammt von den Drüsen der Cervix uteri. Zusätzlich gelangt Flüssigkeit infolge Transsudation in die Vagina. Außerdem sind Bakterien vorhanden die aus dem Glykogen der abgeschilferten Epithelzellen Milchsäure erzeugen. Daher reagiert das Scheidensekret sauer (pH 4,0–5,0) und schützt dadurch gegen Krankheitserreger und aufsteigende Infektionen.

1. Tunica mucosa. Die Schleimhaut besitzt ein mehrschichtiges, unverhorntes und glykogenrei-

2. Tunica muscularis. Sie besteht aus verflochtenen Bündeln glatter Muskelzellen mit einer äußeren

Klinik: Bei Verletzungen und bösartigen Geschwülsten können sich Fisteln zu den Nachbarorganen (Rektovaginal-, Urethrovaginal-, Vesikovaginalfisteln) bilden. 13.6.2.4.3 Wandbau

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1080

Längs- und einer inneren Ringschicht. Außerdem sind zahlreiche Bindegewebsfasern eingebaut. 3. Tunica spongiosa. Diese ist der Muskelschicht aufgelagert und besteht aus Gefäßgeflechten, welche ein Schwellgewebe bilden. 4. Tunica adventitia. Diese ist eine Verschiebeschicht und besteht aus lockerem Bindegewebe. Das daran anschließende dichtere Bindegewebe ist das Paracolpium. Funktion. Die Vagina dient als Begattungsorgan, schützt gegen aufsteigende Infektionen, ermöglicht den Abfluss des Menstrualblutes und ist Geburtskanal. 13.6.2.4.4 Gefäße und Nerven Arterien. Die arterielle Versorgung erfolgt im oberen Anteil durch Rr. vaginales (A. azygos vaginae), welche im Bereich der Cervix uteri aus der A. uterina entspringen und durch die A. vaginalis der A. iliaca interna (Abb. 13.47). Der untere Anteil der Vagina wird durch Rr. vaginales der A. vesicalis inferior und fallweise auch der A. rectalis media versorgt. Venen. Das venöse Blut wird im Plexus venosus vaginalis gesammelt. Dieser liegt in der Tunica propria et Tunica muscularis und steht mit den Plexus venosi vesicalis, uterinus et rectalis in Verbindung und gelangt schließlich über die Abflüsse dieser Plexus in die V. iliaca interna. Lymphgefäße. Die Lymphe strömt vom oberen und mittleren Anteil der Vagina zu den Nll. sacrales, iliaci interni, communes und Nll. interiliaci. Aus dem unteren Scheidenbereich fließt die Lymphe zu den Nll. inguinales superficiales (Abb. 13.48). Nerven. Die Nn. vaginales enthalten sympathische, parasympathische und sensible Fasern aus dem Plexus uterovaginalis (Abb. 13.49).

13.6.3

Äußere weibliche Geschlechtsorgane, Pudendum femininum (Vulva; Cunnus)

13.6.3.1

Allgemeine Beschreibung

Die äußeren Genitalien der Frau werden als Pudendum femininum (Vulva, Cunnus), weibliche Scham, bezeichnet. Zu den äußeren

Geschlechtsorganen der Frau gehören der Schamberg, Mons pubis (veneris), die großen und kleinen Schamlippen, Labia majora et minora pudendi, mit der Schamspalte, Rima pudendi, der Kitzler, Clitoris, und der Scheidenvorhof, Vestibulum vaginae.

13.6.3.2 Schamberg, Mons pubis Dieser ist eine dreiseitige Erhebung und liegt oberhalb und vor der Symphyse. Er ist durch eine Verdickung des Unterhautbindegewebes bedingt und trägt bei der geschlechtsreifen Frau die Schamhaare. Die letzteren enden nach oben (im Gegensatz zum Mann) in einer queren Linie und setzen sich nach hinten auf die großen Schamlippen fort.

13.6.3.3 Große Schamlippen, Labia majora pudendi Die zwischen den Oberschenkeln gelegenen, an der Außenfläche behaarten Labia majora stellen ein Paar pralle Hautfalten dar, die zwischen sich die mediane Schamspalte, fassen und einen Verschluss der Scheide nach außen herstellen (Abb. 13.50). Die Schamspalte ist bei Frauen, die noch nicht geboren haben, gewöhnlich geschlossen. Nach mehreren Geburten bleibt sie leicht offen; unter Umständen kann sie weit klaffen. Die beiden großen Schamlippen sind vorne und hinten durch die Commissura labiorum anterior et posterior verbunden. Die mit Haaren, Talg- und Schweißdrüsen versehene Haut der Außenfläche der großen Schamlippen ist trocken und pigmentiert. Zur Innenfläche hin verschwinden allmählich die Haare, Talg- und Schweißdrüsen. Die Haut wird rötlicher, weicher und feuchter, gleicht mehr einer Schleimhaut. Die großen Schamlippen enthalten innen reichlich Fett- und Bindegewebe, glatte Muskulatur, Nerven und Gefäße.

13.6.3.4 Kleine Schamlippen, Labia minora pudendi (Abb. 13.50) Die kleinen Schamlippen, zwei schmale dünne, fettfreie Hautfalten mit zahlreichen Talgdrüsen,

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

umgeben den Scheidenvorhof, Vestibulum vaginae (Abb. 13.50). Unmittelbar vor der hinteren Kommissur sind die Labia minora durch eine zarte querverlaufende Hautfalte, dem Frenulum labiorum verbunden. Vor dem Frenulum labiorum liegt eine Vertiefung, die Fossa vestibuli vaginae [navicularis]. Ventral ziehen kleine Falten von den Labia minora zur Clitoris, nämlich das Frenulum clitoridis und das Praeputium clitoridis. Zumeist sind sie von den Labia majora verdeckt. Sie können auch stärker in die Länge gezogen sein und hängen aus der Schamspalte heraus. Besonders große Formen nennt man auch „Hottentottenschürzen“, weil sie bei Hottentottenfrauen häufiger vorkommen. Die kleinen Schamlippen sind Bildungen der äußeren Haut, gleichen aber, soweit sie in der Schamspalte verborgen liegen, einer Schleimhaut.

1081

Sie bestehen aus Bindegewebe mit reichlichen elastischen Fasern und starken Venennetzen, die bei geschlechtlicher Erregung anschwellen.

13.6.3.5 Scheidenvorhof, Vestibulum vaginae (Abb. 13.50) Der Scheidenvorhof ist der zwischen den Labia minora gelegene Raum, welcher ventral durch das Frenulum clitoridis und dorsal durch das Frenulum labiorum abgegrenzt wird. Vor dem Frenulum labiorum liegt die Fossa vestibuli vaginae. Innerhalb des Vestibulum vaginae liegen die Scheidenöffnung, Ostium vaginae, die äußere Harnröhrenöffnung, Ostium urethrae externum sowie die Mündungen der Glandulae vestibulares majores et minores.

Praeputium clitoridis Clitoris

Vestibulum

Frenulum clitoridis Labium minus

Ostium urethrae externum

Labium majus Mündung der Gl. verstibularis major

Ductus paraurethralis Hymen

Fossa vestibuli vaginae (navicularis)

Frenulum labiorum pudendi Commisura labiorum posterius Perineum

a

Carunculae hymenales

b

c

Abb. 13.50: Äußere Geschlechtsteile a. bei einer Jungfrau. Hymen intactus. Die Schamlippen sind auseinander gezogen, b. bei einer Frau, die noch nicht geboren hat. Hymen defloratus. Die Schamlippen sind gespreizt; c. bei einer Frau, die geboren hat. Die Schamlippen sind gespreizt

1082

13.6.3.6 Jungfernhäutchen, Hymen (Abb. 13.50) Der längsovale Scheideneingang, Ostium vaginae wird bei Jungfrauen durch eine meistens halbmondförmige quere Hautfalte, den Hymen oder das Jungfernhäutchen, gegen die Vagina abgegrenzt. Der Hymen ist die Grenze zwischen äußerem und innerem Genitale. Durch die Begattung zerreißt er im allgemeinen radiär, Defloration. Durch den Geburtsakt wird der Hymen vollständig zerquetscht. Die Reste ragen als Wärzchen, Carunculae hymenales, gegen den Scheideneingang vor. Klinik: 1. Der Hymen kann ringförmig, anularis, siebförmig oder geteilt sein. Mitunter kann der Hymen fehlen. 2. Bei einem vollständigen Verschluss, Hymenalatresie, kann das Menstrualblut nicht abfließen so dass bei der ersten Regelblutung ein operativer Eingriff nötig ist.

13.6.3.7 Drüsen des Scheidenvorhofes

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

Sekret ab, das bei der Begattung die Einführung des Gliedes erleichtert.

13.6.3.8 Schwellkörper der Vulva Die Schwellkörper der Vulva sind der Kitzler, Clitoris, und der Bulbus vestibuli (Abb. 13.51). Die Clitoris entspricht den Corpora cavernosa penis des Mannes und besteht aus den Crura clitoridis, dem Corpus clitoridis und der Glans clitoridis. Die Crura clitoridis entspringen, vom M. ischiocavernosus bedeckt, am Ramus inferior ossis pubis und vereinigen sich vor dem Lig. pubicum inferius zum Klitorisschaft, Corpus clitoridis. Grundlage des Kitzlers bildet der paarige Schwellkörper, Corpus cavernosum clitoridis. Im Corpus clitoridis wird das vom linken und rechten Crus clitoridis kommende Corpus cavernosum durch das Septum corporum cavernosorum unvollständig getrennt. Das Corpus cavernosum wird von der Fascia clitoridis überzogen. In die Faszie strahlen die kleinen Ligamenta suspensorium et fundiforme clitoridis ein.

£ Die Bartholin-Drüse, Glandula vestibularis

major ist eine erbsengroße paarige Drüse, sie entspricht der Glandula bulbourethralis des Mannes und liegt wie diese im Diaphragma urogenitale. Die punktförmige Mündung des 0,5 mm weiten und 15 mm langen Ausführungsganges findet man seitlich vom Ostium vaginae jederseits an der Grenze von ihrem dorsalen zum mittleren Drittel. Diese tubuloalveolären Drüsen sezernieren bei Erotisierung der Frau und im Orgasmus ein Sekret, welches den Scheideneingang gleitfähiger macht. Der vom Parasympathicus gesteuerte Sekretionsreflex entspricht dem Ejakulationsreflex des Mannes.

Klinik: Bei Entzündungen sind die punktförmigen Öffnungen gerötet (Macula gonorrhoica). Abszesse der Drüsen sind an der Innenseite der großen Labien tastbar. Glandulae vestibulares minores sind kleine Schleimdrüsen und münden neben der Urethra. Ebenso münden zu beiden Seiten der Harnröhrenöffnung die Skene-Gänge, Ductus paraurethrales, zwei 1 cm lange, sondierbare Drüsenschläuche. Die Glandulae vestibulares minores et urethrales sondern ein schleimiges

£ Die

Lig. suspensorium clitoridis Corpus  Glans  clitoridis

Crus  Corpus spongiosum urethrae

Bulbus vestibuli

Abb. 13.51: Clitoris und Bulbus vestibuli

Die Glans clitoridis ragt zwischen dem ventralen Teil der großen Schamlippen als kleines rundliches Knöpfchen hervor. Sie wird gemeinsam mit dem Corpus clitoridis vorn und seitlich vom Praeputium clitoridis, einer kleinen Hautfalte umgeben. Von der Unterseite des Kitzlers zieht das Frenulum clitoridis beiderseits zu den kleinen Schamlippen. Zwischen Clitoris und Praeputium clitoridis bildet sich aus abgestoßenen Epithelzellen und dem Sekret der Talgdrüsen eine weißliche Masse, das Smegma clitoridis.

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

Die Schleimhaut der Clitoris hat zahlreiche Nervenendkörperchen. Klinik: Clitoris und Labia minora sind Reizorgane, die auf taktile Reize das Nervensystem erotisieren. Das Fehlen des Orgasmus bei der Frau aus angeborener Schwäche, Angst oder unbewusster Ablehnung des Geschlechtspartners heißt Frigidität. Die beiden Bulbi vestibuli entsprechen dem Corpus spongiosum penis des Mannes und liegen zu beiden Seiten des Vestibulum vaginae. Sie bestehen aus einem starken Venenplexus, werden von einer zarten Tunica albuginea überzogen und bilden weiche, schwellbare Polster.

1083

13.6.3.9 Gefäße und Nerven (Abb. 13.52) Arterien. Aus der A. pudenda interna versorgen w die A. bulbi vestibuli den Bulbus vestibuli, w die Aa. profunda et dorsalis clitoridis die Clito-

ris,

w die A. perinealis die Mm. bulbospongiosus et

ischiocavernosus,

w die Rami labiales posteriores die Labia majores

et minores. Zu den Schamlippen ziehen zusätzlich die Rr. labiales anteriores der Aa. pudendae externae der A. femoralis.

Venen. Der Abfluss des venösen Blutes erfolgt einerseits über die VV. dorsalis profunda clitoridis, profundae clitoridis, bulbi vestibuli et labiales posteriores in die V. pudenda interna und andererseits über die Vv. labiales anteriores et dorsales superficiales clitoridis in die Vv. pudendae externae und V. femoralis.

Clitoris et A. dorsalis clitoridis Ostium vaginae

Ostium urethrae externum

Bulbus vestibuli et A. bulbi vestibuli N. cutaneus femoris posterior N. dorsalis clitoridis et A., V. clitoridis Fossa ischioanalis M. levator ani N. et Vasa rectalis inferiora Nn. anococcygei

Nn. et Rr. labiales posteriores M. transversus perinei profundus A. perinealis M. transversus perinei superficialis M. semitendinosus et M. biceps femoris R. perinealis ni. cutanei femoris posterioris N. clunium inferior (lateralis) Tuber ischiadicum N. dorsalis clitoridis et A. clitoridis M. glutaeus maximus N. clunium inferior (medialis) N. pudendus et Vasa pudenda interna Lig. anococcygeum

Abb. 13.52: Nerven und Blutgefäße der Regio analis, Regio perinealis und der Fossa ischioanalis der Frau. Unterrand des M. glutaeus maximus eingeschnitten. Alcock-Kanal auf beiden Seiten geöffnet. Die oberflächlichen Äste der A. pudenda interna und des N. pudendus sind auf beiden Seiten etwas nach lateral verlagert

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1084

Lymphgefäße. Die Lymphe fließt über die Nll. inguinales superficiales in die Nll. iliaci externi. Nerven. Aus dem N. pudendus kommen der N. dorsalis clitoridis und die Nn. perineales, welche Nn. labiales posteriores zu den Labia majora und Rr. musculares zur Dammmuskulatur abgeben. w Die Nn. labiales anteriores aus dem N. ilioingu-

inalis, der R. genitalis n. genitofemoralis sowie

w die Rr. perineales des N. cutaneus femoris poste-

rior sind ebenfalls an der Innervation der Vulva beteiligt. w Die Nn. cavernosi clitoridis enthalten vegetative Fasern aus dem Plexus pelvicus.

13.6.4

Innere männliche Geschlechtsorgane, Organa genitalia masculina

13.6.4.1

Hoden, Testis, Orchis

13.6.4.1.1 Allgemeine Beschreibung Der Hoden ist die männliche Keimdrüse und hat die Aufgabe die Samenzellen, Spermatozyten und Hormone zu bilden. Die im Hodensack gelegenen Hoden sind seitlich abgeplattete, längliche Körper, an denen wir zwei Seitenflächen, Facies lateralis und Facies medialis, zwei Ränder, Margo anterior und posterior, und 2 Pole, Extremitas superior und inferior, unterscheiden.

Facia cremasterica M. cremaster et Fascia spermatica interna Fascia spermatica externa

Ductus deferens

Caput epididymidis Corpus epididymidis

Plexus pampiniformis Tunica vaginalis testis (Lamina parietalis Periorchium) Appendix testis Lig. epididymidis superius

Sinus epididymidis Cauda epididymidis

Testis Lig. epididymidis inferius

Fascia spermatica interna

Tunica vaginalis testis (Lamina parietalis Periorchium)

Abb. 13.53: Rechter Hoden, Nebenhoden und Samenstrang (Ansicht von lateral). Die Hüllen sind schichtweise eröffnet, um das Cavum scroti, den Ductus deferens und den Plexus pampiniformis zu zeigen

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

Auf der Extremitas superior ruht der Nebenhodenkopf, am Margo posterior ist der Nebenhodenkörper befestigt (Abb. 13.53). Der linke Hode ist meist größer und steht tiefer als der rechte. Die Länge des Hodens beträgt 40–45 mm, der Durchmesser 30 mm und das Volumen 20–25 ml. Der Hoden ist mit dem Nebenhoden 30–40 g schwer. 13.6.4.1.2 Lage, Hüllen (Abb. 13.53) Durch den Descensus testis gelangt der Hoden durch den Leistenkanal in den Hodensack, Scrotum. Jeder Hode liegt in einer durch lockeres Bindegewebe ausgefüllten Kammer. Die beiden Kammern werden durch das Septum scroti getrennt. Auf seiner Wanderung durch die Bauchwand zieht der Hoden den Samenleiter sowie Gefäße und Nerven mit sich. Gleichzeitig werden auch die Schichten der Bauchwand einschließlich Bauchfell mit ausgestülpt. 13.6.4.1.3 Hüllen des Hodens und des Samenstranges, Tunica testis et funiculi spermatici Sie entsprechen den Schichten der Bauchwand. Von außen nach innen finden wir die Fascia spermatica externa (Fortsetzung der Fascia abdominalis superficialis), die Fascia cremasterica mit dem M. cremaster (Fortsetzung des M. obliquus internus abdominis) und die Fascia spermatica interna (Fortsetzung der Fascia transversalis). Ganz innen liegt ursprünglich eine Ausstülpung des Bauchfelles, der Processus vaginalis peritonei. Diese Ausstülpung dient als Leitgebilde für die Wanderung des Hodens und verlötet nach dem Descensus testis. Übrig bleibt die Tunica vaginalis testis die aus einer Lamina visceralis (Epiorchium) und einer Lamina parietalis (Periorchium) besteht. Zwischen den beiden Blättern liegt ein mit seröser Flüssigkeit erfüllter Spalt, Cavum serosum scroti. Klinik: 1. Bleibt die Bauchfellausstülpung offen, kann es zu einer angeborenen Leistenhernie kommen, wobei der Bruchinhalt im Cavum serosum scroti liegt. 2. Vermehrung der serösen Flüssigkeit führt zu einer Vergrößerung des Hohlraumes und wird Hydrozele genannt. Die Lamina visceralis überzieht den Hoden und zum Teil den Nebenhoden. Lateral entsteht durch

1085

den Übergang des viszeralen Blattes auf den Nebenhoden der Sinus epididymidis, der oben und unten von den Ligg. epididymidis superius und inferius begrenzt wird. Der Umschlag der Lamina visceralis auf die Lamina parietalis wird auch Mesorchium genannt und enthält die Hodenkanälchen, Gefäße und Nerven. Die Durchtrittsstelle am hinteren (mesorchialen) Rand des Hodens ist frei vom serösen Überzug. 13.6.4.1.4 Aufbau des Hodens (Abb. 13.54, 56) Unter der Lamina visceralis der Tunica vaginalis liegt eine feste, fibröse Haut, die Tunica albuginea. Von dieser zieht vom Margo posterior testis in der Gegend des Nebenhodenkopfes ein bindegewebiger Fortsatz, das Mediastinum testis, in das Innere des Hodens. Zwischen dem Mediastinum testis und der Tunica albuginea spannen sich Bindegewebsbalken und unvollständige Scheidewände, die Septula testis, aus. Die Septula testis zerlegen die Drüsensubstanz des Hodens in 250–370 Läppchen, die Lobuli testis. Den wesentlichen Bestandteil der Läppchen bilden die stark gewundenen, 40 cm langen und 180–300 µm weiten Samenkanälchen, Tubuli seminiferi contorti. Die Zahl der Kanälchen beträgt 600 und wird von der Peripherie gegen das Innere hin kleiner. Die Gesamtlänge der Hodenkanälchen wird im mittleren Lebensalter auf 300– 350 m geschätzt. Sie laufen schließlich als gerade Kanälchen, Tubuli seminiferi recti, zum Mediastinum testis und bilden dort ein Netzwerk, das Rete testis. Aus diesem führen 12–18 AusführungsParadidymis Ductus deferens Ductus epididymidis Ductuli efferentes Rete testis Ductuli aberrantes Ductus epididymidis Tubuli seminiferi contorti Septulum testis Tunica albuginea

Abb. 13.54: Überblick über das System der Kanälchen im Hoden und Nebenhoden

1086

gänge, Ductuli efferentes zum Nebenhodengang, Ductus epididymidis. Zwischen den Samenkanälchen ist ein lockeres Bindegewebe, das leicht eine Isolierung der einzelnen Kanälchen ermöglicht. In diesem Bindegewebe liegen die Zwischenzellen (Leydig-Zellen, Interstitialzellen). Es sind Gruppen von rundlichen, mit Pigment, Kristalloiden und Fett beladenen Zellen, die an der Bereitung der männlichen Geschlechtshormone (Androgene, Testosteron) beteiligt sind. Die Wand der Samenkanälchen besitzt eine feine Basalmembran, der außen einige Lagen flacher Fibromyozyten und innen das Samenepithel aufgelagert sind. Das Samenepithel wechselt während der Samenbildung, Spermatogenese, dauernd seine Form. Da die Samenbildung in rhythmischen Wellen über jedes Kanälchen hin verläuft und sie selbst stark gewunden sind, finden wir im Schnitt verschiedene Stadien der Spermatogenese nebeneinander. 13.6.4.1.4 Samenbildung, Spermatogenese Die Bildung der Samenzellen beginnt in der Pubertät und findet bis ins hohe Alter statt. Das in den Tubuli seminiferi contorti gelegene Samenepithel, Epithelium spermatogenicum, zeigt wandständig die Ursamenzellen oder Spermatogonien. Es sind kleine Zellen mit chromatinreichem Kern. Aus ihnen entstehen durch Teilung erneut Zellen des Regenerationslagers, Spermatogonien A, und Spermatogonien B, die in die weitere Entwicklung eintreten. Diese wachsen zu großen primären Spermatozyten (Spermatozyten I. Ordnung) heran, aus denen durch die 1. Reifeteilung 2 sekundäre Spermatozyten (Spermatozyten II. Ordnung) entstehen. Die 2. Reifeteilung liefert 4 Spermatiden. Über Einzelheiten der Spermatogenese und zum Aufbau des reifen Spermiums siehe Kap. 3.3.4.2, S. 123. 13.6.4.1.5 Gefäße und Nerven Die Gefäße und Nerven erreichen den Hoden über den Leistenkanal und den Samenstrang. Arterien. Das Hauptgefäß des Hodens ist die aus der Aorta abdominalis entspringende A. testicularis. Sie anastomosiert mit der A. ductus deferentis der Pars patens der A. umbilicalis und mit der A. cremasterica aus der A. epigastrica inferior.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

Venen. Die Venen bilden dichtes Geflecht, den Plexus pampiniformis, aus welchem sich am Anulus inguinalis profundus die V. testicularis bildet. Diese mündet rechts in die V. cava inferior, links in die V. renalis. Lymphgefäße: Der Lymphabfluss des Hodens erfolgt über den Samenstrang in die Nll. lumbales. Die Lymphe der Hodenhüllen fließt in die Nll. lnguinales. Klinik: 1. Krankhafte Erweiterungen des Plexus pampiniformis (Varikozele) beeinträchtigen die Hodenfunktion. 2. Metastasen von Hodentumoren bilden sich zuerst im Retroperitonealraum. 3. Bei einer Stieldrehung, Hodentorsion, kommt es zu einem Abklemmen der Blutgefäße und zu Schäden des Hodengewebes. Nerven. Die vegetativen, vorwiegend sympathischen efferenten Fasern aus dem Plexus coeliacus gelangen über den Plexus testicularis entlang der A. testicularis zum Hoden. Die Schmerzfasern ziehen über die Plexus hypogastricus et aorticus in die Rückenmarkssegmente Th11 und Th12.

13.6.4.2 Nebenhoden, Epididymis 13.6.4.2.1 Allgemeine Beschreibung Der 4 cm lange und 5–10 mm dicke Nebenhode sitzt dem Hoden dorsomedial auf. Die Epididymis besteht aus einem breiten abgestumpften Kopf, Caput epididymidis, einem dünnen, im Querschnitt nahezu dreieckigen Körper, Corpus epididymidis, und einem kräftigeren Schweif, Cauda epididymidis. Die Cauda geht mit einer Krümmung nach dorsal in den Samenleiter über. Am Nebenhodenkopf sieht man kleine, durch Bindegewebe abgeteilte Läppchen, die Lobuli epididymidis (Coni epididymidis). Die Ductuli aberrantes, blind endende Abzweigungen des Nebenhodenganges, und die Paradidymis oberhalb des Nebenhodenkopfes sind Reste der Urnierenkanälchen. Neben dem Caput epididymidis finden wir auf dem Hoden häufig einen bläschenförmigen, ungestielten Anhang, die Appendix testis (das kraniale Ende des Müller-Ganges, s. Kap. 13.6.1, S. 1060). Der

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1087

Nebenhodenkopf besitzt häufig ein ähnliches, aber gestieltes Bläschen, die Appendix epididymidis (das Ende des Wolff-Ganges, s. Kap. 13.6.1, S. 1060). 13.6.4.2.2 Aufbau des Nebenhodens (Abb. 13.55) Der Nebenhoden besteht aus einem als Samenspeicher dienenden Gangsystem und wird von einer dünnen Tunica albuginea überzogen. Vom Rete testis ziehen 12–18 kleine Ausführungsgänge, Ductuli efferentes, durch die Tunica albuginea zum Kopf des Nebenhodens. Die Wand eines 10–12 cm langen Ductulus efferens besteht aus glatter Muskulatur und einem unterschiedlich hohen, mehrreihigen Epithel. Dieses besteht aus hochprismatischen Zellen mit einem Bürstensaum und Zellen mit Kinozilien. Sie sind zunächst nur wenig geschlängelt, legen sich allmählich in immer stärkere Windungen und bilden kegelförmige Läppchen, Lobuli epididymidis. Die Spitzen der Kegel sind gegen das Mediastinum testis gerichtet. Die Ductuli efferentes münden in den Nebenhodengang, Ductus epididymidis. Der Ductus epididymidis ist stark geschlängelt und hat eine Länge von 4–6 m. Er bildet nur einen Teil des Nebenhodenkopfes, der hauptsächlich aus Ductuli efferentes besteht, dagegen den ganzen Körper und Schwanz des Nebenhodens. Der Schwanzteil des Nebenhodenganges geht in den anfangs ebenfalls noch gewundenen Samenleiter, Ductus deferens, über. Die Wand des 0,5 mm weiten Ductus epididymidis besteht aus glatter Muskulatur und einem

gleichmäßig hohen zweireihigem Epithel, dessen hochprismatische Zellen Stereozilien besitzen. Die Zellen können resorbieren und sezernieren. Durch ihr Sekret werden die Samenfäden wahrscheinlich unbeweglich gehalten. Der Flimmerstrom der Zilien (Kinozilien) besorgt ihren Transport. Neben diesen Hauptzellen kommen noch mit Vesikeln und Mikrovilli ausgestattete helle Zellen vor. Im Lumen finden wir häufig Samenfäden. Bei der Ejakulation wird der in der Cauda epididymidis liegende Teil des Nebenhodenganges entleert. 13.6.4.2.3 Gefäße und Nerven Arterien. Rr. epididymales der A. testicularis Venen. Der Abfluss des venösen Blutes erfolgt in den Plexus pampiniformis. Lymphgefäße. Die Lymphe fließt über den Samenstrang in die Nll. lumbales. Nerven. Die vegetativen efferenten Fasern stammen aus dem Plexus hypogastricus et pelvicus gelangen über den Ductus deferens zum Nebenhoden. Die Schmerzfasern ziehen über die Plexus hypogastricus et aorticus in die Rückenmarkssegmente Th11 und Th12.

13.6.4.3 Samenleiter, Ductus deferens 13.6.4.3.1 Allgemeine Beschreibung Der Samenleiter, Ductus deferens, ist ein 40–50 cm langer und 3 mm weiter Gang, der den Nebenho-

Caput Ductulus efferens Ductuli efferentes

Epithel mit Kinozilien

Corpus Myofibroblasten in der Lamina propria

a

Cauda

Ductus epididymidis

Epithel mit Stereozilien b

Abb. 13.55: Nebenhoden (Epididymis): a. Übersicht mit Caput, Corpus und Cauda, b. Vergrößerung mit histologischen Details, angeschnittener Ductus epididymidis

1088

den mit der Harnröhre verbindet. Er beginnt an der Cauda epididymidis und steigt zunächst dorsomedial am Nebenhoden aufwärts (Pars scrotalis, Pars epididymica), tritt dann in den Samenstrang ein (Pars funicularis) und gelangt durch den Leistenkanal (Pars inguinalis) in die Bauchhöhle. Hier überkreuzt der Ductus deferens die Vasa epigastrica inferiora, die Vasa iliaca externa und das Lig. umbilicale mediale (Chorda a. umbilicalis), verläuft verdeckt vom Bauchfell an der Wand des kleinen Beckens (Pars pelvina) abwärts, überkreuzt dabei den Ureter und zieht schließlich zur Hinterfläche der Harnblase. Hier erweitert er sich zur Ampulla ductus deferentis und gelangt zur Basis der Vorsteherdrüse (Prostata). Die Ampulle besitzt durch Ausbuchtungen, Diverticula ampullae, eine höckerige Oberfläche. Nach der Einmündung des Ausführungsganges der Bläschendrüse zieht der letzte Abschnitt des Samenleiters als Ductus ejaculatorius durch die Prostata und mündet auf dem Colliculus seminalis in die Pars prostatica urethrae. 13.6.4.3.2 Wandbau Die Wand des Ductus deferens hat 3 Schichten, die innere Tunica mucosa, eine mittlere Tunica muscularis und eine äußere Tunica adventitia. 1. Die Schleimhaut, Tunica mucosa. Sie zeigt Längsfalten wodurch der Querschnitt ein sternförmiges Lumen zeigt. Das zweireihige, prismatische Epithel ist mit Stereozilien versehen. 2. Tunica muscularis. Ihre glatte Muskulatur ist außerordentlich kräftig und lässt eine innere Längs-, eine mittlere Ring- und eine äußere Längsmuskelschicht unterscheiden. Sie gibt dem Gang seine Härte, die ihn beim Abtasten ohne weiteres von den Gefäßen unterscheiden lässt. Die Muskulatur befördert bei der Ejakulation durch peristaltische Kontraktionen die Spermien in die Urethra. 3. Tunica adventitia. Sie besteht aus einem Gefäße und Nerven führenden Bindegewebe. 13.6.4.3.3 Gefäße und Nerven Arterien. A. ductus deferentis aus der A. umbilicalis Venen. Der kleine Venenplexus des Samenleiters fließt in die V. vesicalis superior und in den Plexus pampiniformis.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

Lymphgefäße. Der Lymphabfluss erfolgt über die Nll. iliaci. Nerven. Die vegetativen Fasern aus dem Plexus hypogastricus (parasympathische und sympathische Fasern) ziehen über ein Geflecht um die A. ductus deferentis.

13.6.4.4

Samenstrang, Funiculus spermaticus

Am oberen Hodenpol wird die Pars funicularis des Samenleiters mit den Gefäßen und Nerven des Hodens und Nebenhodens durch die Fascia spermatica externa, Fascia cremasterica, M. cremaster und der Fascia spermatica interna zum Funiculus spermaticus zusammengefasst. Aus dem Scrotum zieht der 15–20 cm lange Samenstrang über den Ursprung des M. adductor longus zum Anulus inguinalis superficialis. 13.6.4.4.1 Inhalt Die Gebilde im Samenstrang sind in lockeres, von Fettzellen und glatten Muskelfasern durchsetztes Bindegewebe eingebettet. Im Funiculus spermaticus verlaufen der Ductus deferens mit der A. ductus deferentis, einem Venenplexus, Plexus deferentialis, die A. testicularis, der Plexus pampiniformis, Lymphgefäße und dem Plexus testicularis. In der Fascia cremasterica verlaufen die A. V. cremasterica und der R. genitalis n. genitofemoralis. Klinik: 1. Der Ductus deferens ist beim Lebenden als dicker, harter Strang leicht zu tasten. 2. Durch die oberflächliche Lage des Ductus deferens im Samenstrang ist eine Unterbindung (Vasektomie) zur Sterilisation des Mannes möglich.

13.6.4.5 Sekundäre akzessorische Geschlechtsdrüsen des Mannes Zu den akzessorischen Geschlechtsdrüsen des Mannes gehören die Bläschendrüsen, Glandulae vesiculosae. die Vorsteherdrüse, Prostata und die Cowper-Drüsen, Glandulae bulbourethrales (zu diesen auch in Kapitel 3.3.4.3, S. 125).

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

13.6.4.5.1 Die Bläschendrüse, Glandula vesiculosa (Vesicula seminalis, Glandula seminalis) (Abb. 13.56) Allgemeine Beschreibung Lateral von der Ampulle des Samenleiters liegt auf der Rückseite der Harnblase die blindsackförmige Bläschendrüse. Sie ist 5 cm lang, der Scheitel ist nach lateral und das kaudale Ende nach medial gerichtet. Die Oberfläche ist wie die Ampulla ductus deferentis bucklig. Innen findet sich ein Netzwerk von größeren und kleineren Schleimhautfalten, die ein Labyrinth von Gruben und Kammern abgrenzen. Der veraltete Begriff „Samenbläschen“, Vesicula seminalis, ist falsch, da es kein Speicher für Samenfäden, sondern eine Drüse ist. Der Ausführungsgang, Ductus excretorius, vereinigt sich mit dem Ductus deferens zum Spritzgang, Ductus ejaculatorius. Die dorsale Fläche liegt dem Rectum an.

1089

Klinik: Bei digitaler rektaler Untersuchung kann die Bläschendrüse abgetastet bzw. ihr Inhalt in die Urethra ausgepresst werden. Aufbau Die Bläschendrüse besteht aus einem 15 cm langen und stark gewundenen Gang, dessen starke Wand durch eine Tunica mucosa, eine Tunica muscularis und eine Tunica adventitia gebildet wird. Das Epithel der Tunica mucosa ist mehrreihig und zylindrisch. Sekret Das fruktose- und prostaglandinhaltige Sekret der tubuloalveolären Drüse bildet 50–80 % der Samenflüssigkeit. Die Fruktose ist Energielieferant für die Bewegung der Spermien.

Vesica urinaria Articulatio sacroiliaca

Ureter Ductus deferens M. obturatorius internus Incisura ischiadica major Fettgewebe Spina ischiadica

Schnittrand des Peritoneum Ureter Ductus deferens Umschlagstelle des Peritoneum

Incisura ischiadica minor Ampulla ductus deferentis

Glandula vesiculosa

M. obturatorius internus Prostata

Tuber ischiadicum

Pars membranacea urethrae Bulbus penis

Schleimhaut(falten) interstitielles Bindegewebe Längsmuskelschicht

Abb. 13.56: Harnblase, Prostata, Harnleiter, Samenleiter mit Ampullen und Bläschendrüse in situ (von dorsal dargestellt. Links ist das Bauchfell in natürlicher Lage erhalten, rechts ist die Blasenmuskulatur dargestellt. Inset: Mikroskopisches Bild der Glandula vesiculosa

Ringmuskelschicht

Tunica adventitia

Tunica muscularis

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

1090

Gefäße und Nerven Arterien. Äste aus den Aa. vesicales inferior, rectalis media und ductus deferentis. Venen. Der venöse Abfluss erfolgt über den Plexus vesicoprostaticus. Lymphgefäße. Die Lymphe wird über die Nll. iliaci abgeleitet. Nerven. Die Innervation erfolgt über den Plexus pelvicus et hypogastricus inferior, der parasympathische und sympathische Fasern hat. 13.6.4.5.2 Vorsteherdrüse, Prostata Allgemeine Beschreibung Die Prostata ist ein fester Körper von der Größe einer Esskastanie, der die Harnröhre (Pars prostatica urethae) ringförmig umfasst. Sie liegt zwischen Harnblase und Diaphragma urogenitale und ist 3 cm lang, 4 cm breit und 2 cm dick (Abb. 13.57). Die Basis prostatae ist der Blase zugewandt, der Apex prostatae ist nach vorne und unten gerichtet.

Die vordere Fläche, Facies anterior, weist gegen die Symphyse und die hintere Fläche, Facies posterior, grenzt an das Rectum. Seitlich und unten liegt die Prostata mit der Facies inferolateralis auf dem Beckenboden. Die beiden Seitenlappen, Lobus dexter et sinister, sind ventral durch den Isthmus prostatae (Pars praeurethralis prostatae) und dorsal durch den Lobus medius miteinander verbunden. Die Prostata ist von einer festen, bindegewebigen Kapsel, Fascia prostatae, umgeben und durch die Ligamenta puboprostatica und den M. puboprostaticus an der Rückfläche der Schambeine und der Symphyse befestigt. Dorsal ist die Prostata durch das Septum rectoprostaticum mit dem Rektum und kranial durch das Septum rectovesicale und den M. pubovesicalis mit dem Blasengrund, verbunden. Klinik: 1. Die Prostata kann rektal getastet werden. 2. Der Lobus medius neigt im Alter zur Vergrößerung (Prostatahypertrophie, Prostatahyperplasie), wölbt sich gegen die Harnblase und die Harnröhre vor und erschwert oder verhindert damit die Harnentleerung. 3. Das

Peritoneum Excavatio rectovesicalis Rectum Vesica urinaria

Prostata

Septum rectoprostaticum

Glandula bulbourethralis im Diaphragma urogenitale

Abb. 13.57: Digitale Untersuchung der Prostata vom Rectum aus. Inset: transrektale Prostatasonographie, Normalbefund

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1091

Prostatakarzinom beginnt meist in der Außenzone und ist eines der häufigsten Karzinome des älteren Mannes. 4. Operative Zugangswege zur Prostata: Man kann oberhalb der Symphyse die Harnblase aufsuchen, diese eröffnen und durch das Trigonum vesicae hindurch die Prostata erreichen (suprapubischer und transvesikaler Weg). Geht man suprapubisch in das Spatium retropubicum ein und drängt die Harnblase nach dorsal, so erreicht man die Pars praeurethralis der Prostata (suprapubischer und extravesikaler Weg). Schließlich kann man die Prostata vom Damm aus (perinealer Weg) und vom Mastdarm aus (rektaler Weg) erreichen. Heute wird die transurethrale Elektroresektion oft bevorzugt.

Aufbau Die Prostata besteht aus 30–50 tubuloalveolären Einzeldrüsen, die von Bindegewebe und starken Bündeln glatter Muskelzellen umgeben werden. Sie münden mit 15–30 Öffnungen seitlich des Colliculus seminalis in der Pars prostatica urethrae. In den Lichtungen der Drüsenalveolen findet man häufig kugelige bis ovale geschichtete Konkremente („Prostatasteine“). Sie entstehen aus dem Sekret der Drüsen. Das Epithel der Prostata ist mehrschichtig bis mehrreihig, hochprismatisch bis flach (Abb. 13.58).

Prostatastein

tubulo-alveoläre Drüsen Drüsen lumen

Epithel

glatte Muskulatur Drüsenlumen periurethrale Mantelzone a

Innenzone

Außenzone b Pars prostatica urethrae Colliculus seminalis

Abb. 13.58: Prostata. a. Periurethrale Mantel-, Innen- und Außenzone, b. tubuloalveoläre Drüsen mit dem Drüsenepithel. In den Lumina befinden sich Prostatasteine, c. Schema eines Querschnittes durch die Prostata mit Einmündungen der Prostatadrüsen

Ductus ejaculatorius

c

1092

Sekret Es bildet 15–30 % des Ejakulates. Es ist dünnflüssig, farblos und enthält unter anderem Zink, Zitronensäure, Prostaglandine, Spermin und Spermidin. Spermin beeinflusst die Beweglichkeit der Spermien und ist für den typischen Geruch des Ejakulates verantwortlich. Gefäße und Nerven Arterien. Rr. prostatici der Aa. rectalis media und vesicalis inferior Venen. Das venöse Blut fließt über den Plexus venosus prostaticus in die V. iliaca interna. Lymphgefäße. Die Lymphe wird über die Nll. iliaci abgeleitet. Nerven. Die parasympathischen Nerven stammen aus den Segmenten S 3 und S 4 und ziehen über den Plexus pelvicus zur Prostata, die sympathischen gelangen über die Arterien zum Organ. 13.6.4.5.3 Cowper-Drüsen, Glandulae bulbourethrales Allgemeine Beschreibung Die erbsengroßen, bräunlichen Cowper-Drüsen liegen im Diaphragma urogenitale. Die beiden Ausführungsgänge, Ductus glandulae bulbourethralis, sind 4 cm lang, durchsetzen hinter der Urethra das Diaphragma urogenitale und verlaufen dann parallel im Winkel zwischen Bulbus penis und Urethra, durchbohren den Bulbus penis und münden in die Harnröhre (Abb. 13.58).

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

13.6.4.6 Männliche Harnröhre, Urethra masculina 13.6.4.6.1 Allgemeine Beschreibung Die männliche Harnröhre beginnt am Fundus vesicae mit dem Ostium urethrae internum und endet mit dem Ostium urethrae externum an der Glans penis. Die Länge hängt vom Funktionszustand des Penis ab und beträgt 15–20 cm. Die Urethra masculina verläuft zunächst in der Wand der Harnblase, Pars intramuralis, Pars praeprostatica, zieht dann durch die Prostata, Pars prostatica, durchbohrt das Diaphragma urogenitale, Pars membranacea und wird dann von einem Schwellgewebe, Corpus spongiosum penis umgeben. Dies ist der längste Abschnitt und heißt Pars spongiosa (Abb. 13.59). Klinik: 1. In ihrem Verlauf besitzt die männliche Urethra 2 Krümmungen und 3 Engen die für das Einführen von Instrumenten von Bedeutung sind. Eine Krümmung liegt unterhalb der Symphyse, Curvatura subpubica und ist wegen der Befestigung der Urethra nicht ausgleichbar. Die zweite Krümmung liegt vorne und oberhalb der Symphyse, Curvatura praepubica. Diese ist durch Anheben des Penis ausgleichbar und verschwindet auch bei der Versteifung des männlichen Gliedes (Erektion). Engstellen der Urethra sind an den beiden Öffnungen und in der Pars membranacea (M. sphincter urethrae externus) zu finden. 2. Vom Kliniker wird der innerhalb des Beckens gelegene Anteil (Pars pelvina) als hintere Harnröhre, der außerhalb des Beckens gelegene Anteil (Pars penis) als vordere Harnröhre bezeichnet.

Aufbau Sie sind aus mehreren, von Zügen glatter Muskulatur umschlossenen tubulären Drüsenläppchen aufgebaut. Die Drüsenschläuche besitzen hochprismatisches Epithel und sind an den Enden erweitert. Sekret Es ist glasklar und bereitet die Urethralschleimhaut für den Durchtritt des Spermas vor. Klinik: Die Glandula bulbourethralis kann nur bei Vergrößerung getastet werden. Ihr Sekret lässt sich durch Massage mit dem Finger entleeren.

13.6.4.6.2 Abschnitte der Urethra (Abb. 13.59) 1. Pars intramuralis, Pars praeprostatica. Diese ist kurz und besitzt dorsal eine längsgerichtete Schleimhautfalte, Crista urethralis. Der innere Harnröhrenschließmuskel, M. sphincter urethrae internus verschließt hier die Harnröhre. Der M. sphincter urethrae internus besteht aus glatter Muskulatur (Lissosphincter) und ist dem Willen nicht unterworfen. 2. Pars prostatica. Dieser Abschnitt durchsetzt die Prostata in einer Länge von 3 cm und wird in eine Pars proximalis et distalis eingeteilt. Die Pars

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1093

Vesica urinaria

Ostium ureteris

Trigonum vesicae

Plica ureterica Glandula vesiculosa

Uvula vesicae

Pars prostatica urethrae Prostata

Colliculus seminalis Utriculus prostaticus

Mündung des Ductus ejaculatorius Crista urethralis

Pars membranacea urethrae

Gl. bulbourethralis Bulbus penis

Crus dextrum corporis cavernosi penis

Mündung der Gl. bulbourethralis

Pars spongiosa urethrae Corpus spongiosum penis

Corpus cavernosum penis

Septum penis

Lacunae urethrales

Fossa navicularis urethrae

Praeputium

Glans penis

Ostium urethrae externum

Abb. 13.59: Männliche Harnblase und Harnröhre von ventral eröffnet

1094

prostatica ist in der Mitte spindelförmig erweitert und besitzt an ihrer dorsalen Seite den länglichen Colliculus seminalis, der nach oben in die Crista urethralis ausläuft. Auf dem Samenhügel liegen die schlitzförmigen Öffnungen der Ductus ejaculatorii und des Utriculus prostaticus. Die Öffnungen der Ductus ejaculatorii werden von glatten Muskelfasern und einem Gefäßgeflecht umgeben. Dadurch wird ein Eindringen von Urin verhindert. Der Utriculus prostaticus ist ein Blindsack von 8–10 mm Länge und 1–6 mm Weite. Er ist der Rest der Müller-Gänge. In die Rinne, Sinus prostaticus, beiderseits des Samenhügels münden die Ductuli prostatici. Klinik: Ist die Öffnung des Utriculus prostaticus weit, so kann sich ein Katheter darin verfangen. 3. Pars membranacea. Der durch den Beckenboden durchtretende Teil der Harnsamenröhre ist 1 cm lang und wird vom äußeren Schließmuskel, M. sphincter urethrae externus, umgeben. Der M. sphincter urethrae externus besteht so wie das Diaphragma urogenitale aus quergestreiftem Skelettmuskelgewebe (Rhabdospincter) und kann bewusst gesteuert werden. Die Muskelfasern des Schließmuskels sind mit dem M. transversus perinei profundus verwoben, wodurch die Urethra am Angulus subpubicus federnd fixiert wird. In die Pars membranacea münden zahlreiche Schleimdrüsen, Gll. urethrales. 4. Pars spongiosa. Dieser längste Teil der Harnsamenröhre beginnt außerhalb des Beckenbodens. Die Harnröhre tritt 1 cm vor dem hinteren Ende des Bulbus penis in das Corpus spongiosum ein. Kurz nach dem Eintritt ist die Urethra erweitert, Ampulla urethrae, Pars ampullaris, Fossa bulbi. Die Schleimhaut der Pars spongiosa hat längsgerichtete Falten und zahlreiche kleine Buchten, Lacunae urethrales. In die Lacunae urethrales münden kleine Schleimdrüsen, Gll. urethrales (Littre-Drüsen). Das Ende der Urethra in der Glans penis ist vor dem Ostium urethrae externum zur Fossa navicularis erweitert. Manchmal liegt hier eine kleine Schleimhautfalte, Valvula fossae navicularis, welche eine nach außen gerichtete Tasche begrenzt. Klinik: In dieser Tasche kann sich ein eingeführtes Instrument (z. B. Katheter) verfangen.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

13.6.4.6.3 Wandbau Die Wand der Harnröhre ist dünn und besteht aus 3 Schichten: 1. Schleimhaut, Tunica mucosa. Das Epithel ist unterschiedlich. In der Pars intramuralis und im proximalen Abschnitt der Pars prostatica (bis hier reicht die eigentliche Harnröhre) findet man das Übergangsepithel (Urothel) der ableitenden Harnwege. Vom distalen Teil der Pars prostatica und in der Pars spongiosa wird die Harnsamenröhre von einem mehrschichtigen hochprismatischen Epithel ausgekleidet. In der Mitte der Fossa navicularis ist der Übergang zu einem mehrschichtig unverhornten Plattenepithel, welches am Ostium urethrae externum zu einem mehrschichtig verhornten Plattenepithel wird. 2. lockeres Schleimhautbindegewebe, Tela submucosa 3. Muskelschicht, Tunica muscularis. Die Muskulatur ist mit Ausnahme der beiden Schließmuskeln durchweg schwach ausgebildet und teilweise unvollständig.

13.6.5

Äußere männliche Geschlechtsorgane

13.6.5.1

Männliches Glied, Penis

13.6.5.1.1 Allgemeine Beschreibung Das männliche Glied, der Penis, bildet mit seinen Schwellkörpern eine versteifbare Stütze für die Harnsamenröhre. In erschlafftem Zustande hängt das Organ von der Symphyse herab und liegt auf dem Hodensack (Scrotum). Der Penis ist mit seiner Wurzel, Radix penis, und den Schenkeln, Crura penis, am Os pubis befestigt. Radix et crura penis bilden die Pars fixa oder perinealis des Penis. Der freie bewegliche Teil des Penis, Pars libera oder Pars pendula, wird vom Schaft, Corpus penis, und der Eichel, Glans penis, gebildet (Abb. 13.59–60). Am Übergang von der Pars fixa in die Pars libera wird der Penis durch das Lig. suspensorium penis an der Symphyse und durch das Lig. fundiforme penis an der Fascia abdominis superficialis und an der Linea alba aufgehängt.

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

1095

Der Penisrücken, Dorsum penis, ist die obere Fläche und an der Unterfläche, Facies urethralis, liegt das Corpus spongiosum mit der Urethra. Die Glans penis mit der schlitzförmigen äußeren Öffnung der Urethra besitzt einen Hinterrand, Corona glandis, und ist durch eine Furche, Collum glandis, vom Corpus penis abgegrenzt. Im Inneren der befindet sich eine Trennwand, Septum glandis.

Gll. praeputiales (Tyson), bilden mit abgestoßenen Epithelien das Smegma praeputii, ein käseartiges Produkt aus dem Sekret der Talgdrüsen und abgestoßenen Epithelzellen. Klinik: 1. Bei zu enger Öffnung der Vorhaut kann sie nicht über die Eichel zurückgezogen werden (Phimose). 2. Das Smegma kann dann nicht entfernt werden. Dies führt zu Entzündungen (Balanitis).3. Zieht man in solchen Fällen die Vorhaut gewaltsam über die Eichel in die ringförmige Furche hinter die Eichel das Collum glandis, zurück, so kann der periphere Teil eingeschnürt und gestaut werden (Paraphimose). 4. Durch die Beschneidung, Zirkumzision, wird solchen Zuständen vorgebeugt.

Die Haut des Schaftes ist sehr dehnbar, durch die lockere Tela subcutanea penis gut verschieblich und kann sich den verschiedenen Volumenzuständen anpassen. Vorne bildet sie eine Duplikatur, die als Vorhaut, Praeputium, die Eichel bedeckt und als Hautreserve bei der Erektion dient. Die Vorhaut hat an der Unterseite der Eichel ein zartes Halteband, das Frenulum praeputii. Die Haut des Penis besitzt Talg-, Schweißdrüsen und Lanugohärchen. Das innere Blatt der Vorhaut und die Haut auf der Eichel gleichen einer Schleimhaut. Haare und Schweißdrüsen fehlen. Eine wechselnde Zahl von Talgdrüsen auf der Innenseite der Vorhaut,

13.6.5.1.2 Aufbau Grundlage des Penis sind die 2 Schwellkörper (Abb. 13.60), Praeputium Glans penis

Glans penis

Wurzeln der V. dorsalis penis

Fossa navicularis urethrae distaler Teil der Eichel b

a Fascia penis prof.

V dorsalis penis superf.

V. dorsalis penis

A., N. dorsalis penis Corpus cavernosum penis Septum penis Tunica albuginea Fascia penis profunda

Urethra distaler Teil des Corpus c

Corpus spongiosum penis Urethra proximaler Teil des Corpus d

Abb. 13.60: a. Schwellkörper des Penis in erigiertem Zustand, b, c, d drei Querschnitte durch das männliche Glied

1096

£ der eigentliche Penisschwellkörper, Corpus

cavernosum penis, £ der Harnröhrenschwellkörper, Corpus spongiosum penis (cavernosum urethrae). Die Fascia penis umgibt alle Schwellkörper. Das Corpus cavernosum penis entspringt wie die Clitoris mit den Crura penis von den unteren Schambeinästen. Die Crura penis werden vom M. ischiocavernosus bedeckt. Vor der Symphyse vereinigen sich die beiden Crura im Corpus penis. Eine sehr feste, 1 mm dicke, weiße bindegewebige Hülle, Tunica albuginea corporum cavernosorum, umschließt das Schwellgewebe. Eine bindegewebige mediane Scheidewand, Septum penis (Septum pectiniforme penis), trennt das Schwellgewebe nur unvollständig in eine rechte und linke Hälfte. Der besondere Bau der Corpora cavernosa penis ermöglicht die Versteifung, Erektion des Gliedes. Die Schwellkörper besitzen ein Netzwerk von starken Bindegewebsbalken, Trabeculae corporum cavernosorum. Diese enthalten viel glatte Muskulatur, Nerven, Arterien und sind an der Oberfläche von Endothel bedeckt. Sie begrenzen ein Labyrinth von venösen Bluträumen, Cavernae corporum cavernosorum. Das Corpus spongiosum penis liegt auf der Unterseite des Penis in der Furche zwischen den Corpora cavernosa penis. Die paarigen Bulbi vestibuli der Frau entsprechen beim Mann dem unpaaren Corpus spongiosum penis. Dieses ist hinten zwiebelförmig zum Bulbus penis verdickt, verjüngt sich nach vorn im Schaft, Corpus, und endet schließlich mit der Eichel, Glans penis. Der Bulbus penis liegt dem Diaphragma urogenitale auf und ist vom M. bulbospongiosus bedeckt. Der Harnröhrenschwellkörper besitzt eine dünne Bindegewebshülle, Tunica albuginea corporis spongiosi, und ein Bindegewebsgerüst, Trabeculae corporis spongiosi, mit dazwischen liegenden Bluträumen, Cavernae corporis spongiosi. Die Trabekel des Corpus spongiosum sind schwächer als im Corpus cavernosum und besitzen auch wenig Muskelzellen. Die Bluträume bestehen aus großen Venen. Der Harnröhrenschwellkörper daher ist komprimierbar und der Durchtritt der Samenflüssigkeit bei der Ejakulation wird erleichtert. Auch die Glans penis bleibt bei der Erektion weich.

13 Becken, Pelvis, Beckenhöhle, Cavitas pelvis

13.6.5.1.3 Gefäße und Nerven Arterien. Die paarigen Arterien des Penis stammen aus der A. pudenda interna (Abb. 13.61). w Die A. bulbi penis zieht zum Bulbus penis

und versorgt auch die Cowper-Drüse und den M. transversus perinei profundus. w Die A. urethralis gelangt distal des Bulbus penis in das Corpus spongiosum und verläuft in ihm bis zur Glans penis. w Die A. profunda penis tritt in das Crus penis ein und versorgt das Corpus cavernosum. w Die A. dorsalis penis verläuft auf den Corpora cavernosa und versorgt die Haut des Penis einschließlich Praeputium und Glans penis. Die Arterienäste im Schwellkörper haben bei erschlafftem Glied einen geschlängelten Verlauf (Rankenarterien, Aa. helicinae), um sich dem bei der Erektion verlängerten Glied anpassen zu können Venen. Die Venen des Penis sind klappenreich. Die gut sichtbare V. dorsalis superficialis penis (Abb. 13.61) verläuft epifasial und mündet in die Vv. pudendae externae oder direkt in die V. femoralis. Die subfaszial verlaufende, meist unpaare V. dorsalis profunda penis, die Vv. profundae penis und die V. bulbi penis ziehen zur V. pudenda interna. Lymphgefäße: Der Lymphabfluss erfolgt über die Nll. inguinales. Nerven. Sensibel wird der Penis durch den N. dorsalis penis des N. pudendus versorgt (Abb. 13.61). Das sympathische Zentrum liegt in den Rückenmarksegmenten L1–L3. das Die parasympathische Versorgung stammt aus den Rückenmarksegmenten S2–S4. Nerven ziehen über den Plexus aorticus et hypogastricus.

13.6.5.2 Hodensack, Scrotum 13.6.5.2.1 Allgemeine Beschreibung Der Hodensack, Scrotum, hängt unter der Peniswurzel zwischen den Oberschenkeln und vor dem Damm herab. Eine mediane Naht, Raphe scroti, erinnert an die symmetrische Entwicklung.

13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia13.6 Geschlechtsorgane, Orana genitalia

Nn. et Vasa scrotalia posteriora

1097

Rr. scrotales posteriores Nn. scrotales posteriores

A. profunda penis A. dorsalis penis

M. bulbospongiosus

N. cutaneus femoris posterior

Fascia lata R. perinealis n. cutanei femoris posterioris

A. bulbi penis (urethrae) A., N. dorsalis penis

N. clunium inferior (lateralis) A. perinealis, Nn. perinei N., A. rectalis inferior Alcock-Kanal (geschlossen) N. clunium inferior (medialis) Fascia diaphragmatis pelvis inferior (Schnittkante)

M. semitendinosus et M. biceps femoris Tuber ischiadicum N., A. rectalis inferior N. pudendus et Vasa pudenda interna Nn. anococcygei

Lig. anococcygeum

Abb. 13.61: Nerven und Blutgefäße der Regio analis, Regio perinealis und Fossa ischioranalis des Mannes. Unterrand des M. glutaeus maximus eingeschnitten. Auf der rechten Bildhälfte ist der Alcock-Kanal geschlossen. Auf der linken Bildhälfte ist das Diaphragma urogenitale durchtrennt. Die oberflächlichen Äste der A. pudenda interna und des N. pudendus sind auf beiden Seiten etwas nach lateral verlagert

13.6.5.2.2 Aufbau

13.6.5.2.3 Gefäße und Nerven

Die Wand des Scrotum wird von der äußeren Haut mit allen Bestandteilen gebildet. Die Skrotalhaut ist dünn, stärker pigmentiert und dunkler. Die Subkutis ist fettlos und enthält die Fleischhaut, Tunica dartos. Diese besteht aus glatter Muskulatur mit elastischen Sehnen. Psychische und thermische Reize führen zu einer Reaktion der Tunica dartos. Bei Kälte sind die Muskelfasern kontrahiert, die Skrotalhaut ist stark gerunzelt, bei Wärme erschlafft und locker.

Arterien. Aa. scrotales posteriores aus der A. pudenda interna und Aa. scrotales anteriores aus der A. pudenda externa profunda (A. femoralis).

Septum scroti. Durch eine Scheidewand, Septum scroti, wird der Innraum in 2 Höhlen für die Hoden unterteilt. Zwischen den Hodenhüllen und der Wand des Scrotum ist eine lockere Verschiebeschicht, so dass der Hoden durch den M. cremaster (Kremastereflex) hochgehoben werden kann.

Venen. Der venöse Abfluss erfolgt über die Vv. scrotales posteriores in die V. pudenda interna und über Vv. scrotales anteriores in die V. saphena magna. Lymphgefäße. Der Lymphabfluss erfolgt über die Nll. inguinales. Nerven. Nn. scrotales posteriores aus dem N. pudendus, Nn. scrotales anteriores aus dem N. ilioinguinalis und kleine Äste des R. genitalis n. genitofemoralis.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius Hans-Martin Schmidt und Andreas Prescher

Grenzen: Die untere Gliedmaße wird dorsal und lateral durch die Crista iliaca und ventral durch die Leistenfurche, unter der das Leistenband liegt, abgegrenzt. Gliederung. Die Knochen des Beckengürtels, Hüftbeine, sind fest am Achsenskelett (Kreuzbein) verankert und zum wenig nachgiebigen Beckenring, Cingulum pelvicum, geschlossen. £ Das Bein gliedert sich in 1. Oberschenkel

(Femur, Stylopodium), 2. Unterschenkel (Crus, Zeugopodium), 3. Fuß (Pes, Autopodium) mit 3.1 Fußwurzel (Tarsus, Basipodium), 3.2 Mittelfuß (Metatarsus, Metapodium), 3.3 Zehen (Phalanges, Acropodium) £ Die Skelettgrundlage der unteren Extremität bilden das Femur, die Patella, die Tibia, die Fibula und die Fußknochen. Funktion: Das Bein ist Fortbewegungs- und Stützorgan. Die Bewegung gegen den Rumpf erfolgt im Hüftgelenk. Der bewegliche Teil der unteren Gliedmaße ist die freie untere Gliedmaße, Pars libera membri inferioris. Im Vergleich zur unteren hat die obere Gliedmaße eine größere Beweglichkeit, weil der Arm als Greiforgan ausgebildet ist. Der Schultergürtel ist beweglicher als der Beckengürtel. Er ist mit dem Rumpf durch das funktionelle Kugelgelenk des Brustbein-Schlüsselbeingelenkes, Articulatio sternoclavicularis, verbunden (Kap. 9.1.1.2.1, S. 671). Die größere Beweglichkeit des Armes bedingt auch eine unterschiedliche Muskelanordnung. Hier ziehen große Muskeln vom Rumpf zum Schultergürtel und zum Arm. Beim Bein greifen die Muskeln in geringerem Ausmaß vom Rumpf auf die untere Gliedmaße über.

Entwicklung, Fehlbildungen Lernziele: Beinknospen, Knochenkerne, Muskelentwicklung, Entwicklung der Innervation, Fehlbildungen 1. Skelett. Die Formentwicklung des Beines ist gegenüber der Armanlage um 1 Woche verzögert. Um den 28. ET tritt die untere Extremitätenanlage in Höhe der Lumbal- und oberen Sakralsegmente auf. Auch an der Beinknospe ist eine verdickte Randleiste nachweisbar. Sie induziert Proliferationen, über die paddelartige Endabschnitte, Fußplatten, entstehen. In der 7. EW verdichten sich in der Peripherie der Fußplatten Mesenchymzonen, aus denen die Zehen hervorgehen. Distal der kurzen Oberschenkelabschnitte erkennt man an der Beinanlage die nach lateral abgebogenen Knie. Die Füße sind stark plantarflektiert und invertiert, so dass sich die Fußsohlen gegenüberstehen. Die endgültige Fußstellung wird erst nach der Geburt durch Belastung erreicht. Knorpelskelett. Die primitiven Skelettteile der unteren Extremität entstehen ähnlich wie am Arm aus Mesenchymverdichtungen, aus denen sich das Knorpelskelett entwickelt. Knochenkerne. Im weiteren Verlauf gliedern sich die künftigen Gelenkzonen ab, und das knorpelige Skelett bekommt Knochenkerne. Ossifikationszentren entstehen in: £ Becken, Femur- (18 mm Scheitel-Steißlänge =

SSL), Tibia- (19 mm SSL) und Fibuladiaphyse (20 mm SSL); 8.–16. EW. £ Talus und Calcaneus erhalten Knochenkerne in der 24.–28. EW, die distale Femurepiphyse kurz vor der Geburt (→ Reifezeichen!). Die endgültige Verknöcherung ist zwischen 16. und 24. LJ abgeschlossen.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1100

2. Muskeln. Die Skelettmuskulatur entsteht als Derivat der segmentalen ventralen Rumpfmuskulatur (Kap. 3.5.1.5, S. 147). Die in früher Phase entstandenen dorsalen (Extensoren) und ventralen (Flexoren) Muskelgruppen erfahren an den Beinknospen (7. EW) eine Rotation um 90° nach medial. Dadurch liegen Extensoren ventral und Flexoren dorsal. Übergangsmuskeln zwischen Rumpf und Gliedmaße wie am Arm fehlen (Kap. 9.1.2, S. 691). Dafür treten die Adduktoren als dritte eigenständige Muskelgruppe hinzu. 3. Nerven. Aus dem Plexus lumbosacralis (Rr. ventrales) wachsen während der 5. EW Nerven in die Beinanlage ein und versorgen die autochthone Muskulatur. Durch die Rotation der unteren Extremität werden die Hautäste von der ursprünglich ventralen Seite auf die Dorsalseite verlagert. Fehlbildungen (s. Klinik unter Fuß): Spaltfuß (Fehlen einer oder mehrerer Zehen mit Spaltung der Fußanlage), Syndaktylie (Verschmelzung zweier Phalangen = Flossenbildung), Brachydaktylie (abnorm kurze Zehen), Polydaktylie (überzählige Zehen), Pes adductus (Sichelfuß), Pes calcaneus (Hackenfuß), Pes cavus (Hohlfuß), Pes equinovarus (Klumpfuß), Pes equinus (Spitzfuß),

14.1

Pes metatarsovalgus (Knick-Platt-Spreizfuß), Pes planovalgus (Knick-Plattfuß), Pes planus (Plattfuß), Pes transversus (Spreizfuß), Pes valgus (Knickfuß). Klinik: 1. Klumpfuß (= Pes equinovarus congenitus). Komplexe Fußdeformität mit Spitzfuß, Adduktion des Vorfußes sowie Supination und Plantarflexion der Ferse (Pes equinovarus), 1.1 angeboren: häufigste Fehlbildung der unteren Extremität (1 auf 100 Neugeborene, Androtropie 2 : 1), Ursache: Amnionschaden, Fruchtwassermangel, intrauterine Raumbeengung, Entwicklungshemmung der Muskulatur, erfordert redressierenden Verband sofort nach der Geburt, 1.2 erworben durch Rückenmarkschädigung, Poliomyelitis, Spastik, nach Unfall oder Entzündung, 2. Sichel- und Hackenfuß. Meist harmlos, resultieren aus fetaler Zwangslage, 3. Achondroplasie. Seltene (2–3 auf 100 000 Geburten) Ossifikationsstörung (enchondral) von langen Röhrenknochen und knorpelig präformierter Schädelbasis: kurze Extremitäten, dysproportionierter Minderwuchs (Körperendgröße 130 cm = Liliputaner, syn. Chondrodystrophie, Parrot-Kaufmann-Syndrom).

Systematische Anatomie

14.1.1

Passiver Bewegungsapparat

14.1.1.1

Knochenlehre, Systema skeletale (Ossa)

Lernziele: Skelettsystem, Femur, Patella, Tibia, Fibula, Ossa tarsi, Ossa metatarsalia, Ossa digitorum pedis

14.1.1.1.1 Oberschenkelbein, Femur, Os femoris Das Femur (Abb. 14.1) ist mit 40–50 cm der größte, längste und stärkste (Röhren-) Knochen des Skeletts. Corpus femoris. Der lange Mittelabschnitt, Corpus femoris (→ Diaphyse), ist nach dorsal konkav

gekrümmt. Die Rückseite wird durch die aufgeraute Linea aspera verstärkt. Zahlreiche Muskeln sind an der medialen und lateralen Lippe, Labium mediale und laterale, befestigt. Nach distal laufen die beiden Lippen auseinander und begrenzen ein annähernd dreieckiges, ebenes Feld, Facies poplitea. Mehrere Foramina nutricia sind entlang der Linea aspera zu beobachten. Collum femoris. Proximal ist der Femurschaft gegen den Hals, Collum femoris, abgewinkelt (→ Kollodiaphysenwinkel). • Der Winkel beträgt 125° beim Erwachsenen;

< 120° bedeuten eine Coxa vara, > 135° eine Coxa valga.

Caput femoris. Der Hals, der einen größeren vertikalen gegenüber einem geringeren sagittalen Durchmesser besitzt, trägt abgesetzt den Femurkopf, das Caput femoris, welche bis auf die Fovea

14.1 Systematische Anatomie

1101 Fossa trochanterica

Fovea capitis

Caput

Trochanter major

Collum

Crista intertrochanterica

Linea intertrochanterica

Trochanter minor

Trochanter minor

Linea pectinea Tuberositas glutea

Foramen nutricium proximale

Linea aspera

Labium mediale Diaphysis (Corpus)

Labium laterale

Foramen nutricium distale

Facies poplitea

Tuberculum adductorium

Epicondylus lateralis

Epicondylus medialis

Epicondylus medialis

Condylus lateralis

Condylus medialis

Facies patellaris

Fossa intercondylaris

a

b

Abb. 14.1: Rechtes Femur von dorsal (a) und ventral (b)

capitis mit hyalinem Knorpel überzogen ist. In der Tiefe der kleinen Grube setzt ein locker aufgebautes, gefäßführendes Band an, Lig. capitis femoris. Am Schenkelhals und im Femurkopf sind an Sägeschnitten und speziellen Röntgenaufnahmen Spongiosabälkchen in trajektorieller Ausbildung zu sehen. Sie entsprechen Zug- und Drucktrabekeln der normalen Biegebeanspruchung des Knochens durch die einwirkenden Körpergewichtskräfte. Im Übergangsgebiet zwischen Corpus und Collum femoris sind über die gesamte Zirkumferenz Knochenvorsprünge und Rauhigkeiten angelegt, die

Hüftmuskeln als Ansatz und Hebelarm dienen. Nach lateral und proximal entwickelt sich der große Rollhügel, Trochanter major, nach medial und dorsal der kleine Rollhügel, Trochanter minor. An der Innenseite ist der große Rollhügel leicht ausgehöhlt, Fossa trochanterica. Ventral werden beide Rollhügel durch die schwächer aufgeraute Linea intertrochanterica verbunden. Dorsal ist eine stärkere Crista intertrochanterica aufgeworfen. • Der Trochanter major ist am Lebenden deutlich unter der Haut tastbar, während der Trochanter

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1102

minor unter Muskeln verborgen bleibt (Abb. 14.74, 75). In Verlängerung der medialen Lippe der Linea aspera läuft die Linea pectinea auf den kleinen Rollhügel zu. Die laterale Lippe ist proximal verdickt und mächtiger aufgeraut, Tuberositas glutea. Ist die Rauigkeit besonders stark, liegt ein Trochanter tertius vor. Distales Endstück des Femur. Es verbreitert und verdickt sich zu 2 Rollen oder Knorren, Condylus medialis und lateralis (Abb. 14.1). Zwischen beiden Rollen senkt sich hinten die Fossa intercondylaris ein, die nach proximal durch die Linea intercondylaris abgegrenzt wird. Vorn laufen die überknorpelten, gekrümmten Flächen der Condyli femoris zusammen, womit eine asymmetrische, sattelähnlich gebogene Gleitfläche für die Kniescheibe entsteht, Facies patellaris. Die Condyli sind von ventral nach dorsal stärker, von medial nach lateral schwächer konvex gekrümmt. Im Sagittalschnitt ist zu erkennen, dass die Krümmungsradien von vorn nach hinten abnehmen. Das Krümmungsprofil entspricht annähernd einer spiraligen Kurve. Proximal der Femurrollen befinden sich medial und lateral jeweils raue Erhebungen, Epicondylus medialis und lateralis. Sie dienen den Seitenbändern des Kniegelenkes und dem M. popliteus (lateral) als Ursprung. Proximal des Epicondylus medialis ist als Ansatzpunkt für die Sehne des M. adductor magnus ein Tuberculum adductorium zu erkennen. Das Caput femoris ist gegen die transversale Achse des Kniegelenkes um 12° (4–20°) verdreht, Femurtorsion. Dieser Torsionswinkel ist beim Neugeborenen größer (32°) als beim Erwachsenen (12°).

Entwicklung. Die Ossifikation erfolgt für den Femurschaft in der 7.–8. EW, für die distale Epiphyse am Ende der Fetalzeit (→ Reifezeichen), für die proximale Epiphyse im 1. LJ; ein Knochenkern im Trochanter major ist im 3. LJ, der Trochanter minor im 12. LJ nachweisbar; Schluss der proximalen Epiphysen- und der Apophysenfugen erfolgen im 16.–20. LJ, der distalen Epiphysenfuge im 20. LJ. Klinik: 1. Epiphysiolysis capitis femoris führt zur Coxa vara adolescentium: Verschiebung des Schenkelhalses nach ventral-kranial gegenüber der im Verhältnis dazu nur wenig ihre Position verändernden Kopfepiphyse (Fixierung durch das Lig. capitis femoris), 2. Schenkelhalsfraktur. Besonders im Alter, v. a. bei Frauen vorkommende Fraktur des Collum femoris durch Osteoporose, Trauma, 2.1 mediale (intraartikuläre) Fraktur mit Abbruch des Oberschenkelkopfs innerhalb der Hüftgelenkkapsel, 2.2 laterale (extraartikuläre) Fraktur mit Abbruch des Oberschenkelkopfs am Trochantermassiv, 3. Kongenitaler Femurdefekt. Seltene, meist einseitige Fehlbildung des Femur. Entwicklungshemmung im Trochantergebiet und proximalen Schaft.

14.1.1.1.2 Kniescheibe, Patella Aufbau. Die Patella (Abb. 14.2) ist ein flacher, im Querschnitt annähernd keilförmiger Knochen. Die Basis patellae weist nach proximal, während die abgerundete Spitze, Apex patellae, nach distal gerichtet ist. Die Kniescheibe ist in die Ansatz-

Basis

Facies articularis Facies anterior

Apex

a Abb. 14.2: Rechte Patella von ventral (a) und dorsal (b)

b

14.1 Systematische Anatomie

sehne des M. quadriceps femoris eingelagert (→ Sesambein). Von der Spitze der Patella zieht das Lig. patellae zur Tuberositas tibiae. Die Vorderfläche ist aufgeraut. Die Rückfläche entspricht der Facies articularis und ist bis auf die Spitze überknorpelt. Eine größere laterale Gelenkfacette wird durch eine abgeflachte Leiste von einer kleineren medialen Facette getrennt. Die Patella erhöht das Drehmoment des M. quadriceps femoris durch die Verlängerung des virtuellen Hebelarmes seiner Ansatzsehne. Entwicklung. Die Verknöcherung der knorpelig angelegten Kniescheibe beginnt im 3.–4. und endet im 15.–20. LJ. Klinik: 1. Patellahochstand. Lageanomalie durch angeborene Dysplasie des lateralen Femurkondylus, 2. Tanzende Patella. Hypermobile Patella bei Kniegelenkerguss durch Entzündung, Trauma, 3. Patella partita. Ausbleiben der knöchernen Verschmelzung mehrfach angelegter Knochenkerne, 4. Patellaluxation. Wiederkehrende ein- oder beidseitige Verrenkung der Kniescheibe nach außen, meist bei Jugendlichen und häufiger bei Frauen (= habituelle Patellaluxation), 5. Angeborene Patellaluxation. Ursache Entwicklungsfehler von Patella (Hypoplasie) oder Femurkondylen, 6. Patellafraktur. Bruch der Kniescheibe durch Gewalteinwirkung, 7. Chondropathia patellae. Degenerative Knorpeldegeneration an der Kniescheibe, zumeist als Chondromalazie (Knorpelerweichung) durch Trauma oder angeborene Fehlbildung.

14.1.1.1.3 Schienbein, Tibia Der tragende Knochen des Unterschenkels ist die Tibia. Das 30–40 cm lange Schienbein (Abb. 14.3, 4) ist der stärkere der beiden Knochen des Unterschenkels. Corpus tibiae. Sein kräftiges Mittelstück, Corpus tibiae, ist eine annähernd dreikantige Säule. Nach vorn ist unmittelbar unter der Haut der scharfe Margo anterior angelegt (Abb. 14.75). Der nach außen zur Fibula weisende Margo interosseus dient der Anheftung der Membrana interossea. Der Margo medialis ist abgerundet. Die Facies medi-

1103

alis ist leicht konvex, die Facies lateralis konkav gekrümmt. Die Facies posterior lässt proximal die raue, nach medial schräg absteigende Linea m. solei erkennen. Nahe dem distalen Ende liegt ein auffallendes Foramen nutricium. Caput tibiae. Dem Corpus tibiae ist das kräftige proximale Endstück, Caput tibiae, aufgesetzt, welches jeweils seitlich in den Schienbeinknorren, Condylus medialis und lateralis ausläuft. Sie tragen die überknorpelten Gelenkflächen, Facies articulares superiores, zwischen denen die Eminentia intercondylaris mit 2 stumpfen Höckern liegt, Tuberculum intercondylare mediale und laterale. Vor und hinter den Höckern liegen aufgeraute Vertiefungen, Area intercondylaris anterior und posterior. An der Vorderfläche des proximalen Endstückes erhebt sich die Tuberositas tibiae, die nach distal in die vordere Schienbeinkante ausläuft. Der etwas stärkere, seitlich überhängende Condylus lateralis trägt die ovale Facies articularis fibularis. Malleolen. Nach distal und medial geht das Corpus tibiae in den inneren Knöchel, Malleolus medialis über. Dieser trägt an seiner Innenseite die Facies articularis malleoli medialis, die fast rechtwinklig in die distale Gelenkfläche der Tibia, Facies articularis inferior, übergeht. Sie ist viereckig, in der Sagittalen konkav und trägt mittelständig einen Knorpelfirst. Nach außen biegt die Facies articularis inferior scharfkantig in die Incisura fibularis ab. Sie dient der Verbindung mit dem Wadenbein, dessen distales Ende den Malleolus lateralis trägt. Die beiden Knöchel bilden die Malleolengabel. An der hinteren Fläche des Malleolus medialis verläuft der Sulcus malleolaris für die Sehnen des M. tibialis posterior und M. flexor digitorum longus. Der Tibiakopf ist gegenüber der Längsachse des Knochens nach dorsal verlängert, Retropositio. Außerdem sind die proximalen Gelenkflächen beim Erwachsenen um 3–7° dorsalwärts geneigt, Retroversio. Das distale Schienbeinende ist zudem um einen Winkel von 5–20° gegen das proximale Ende nach außen gedreht, Tibiatorsion. Dadurch werden die Fußspitzen nach außen gerichtet. Klinik: 1. Tibiakopffraktur. Pfannenbruch, zumeist Mitbeteiligung der Menisci (Kontrolle bei Osteosynthese), 2. Stabile Tibiafraktur. Quere oder kurze schräge Fraktur, 3. Instabile Tibiafraktur. Trümmerfraktur, 4. Pilonfraktur. Intraartikulärer Stauchungsbruch der distalen

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1104 Eminentia intercondylaris

Facies articularis superior

Eminentia intercondylaris Facies articularis superior

Apex capitis fibulae

Condylus medialis

Facies articularis fibularis Condylus lateralis Apex capitis fibulae

Condylus medialis

Caput fibulae Collum fibulae

Caput fibulae

Tuberositas tibiae

Collum fibulae Margo anterior Facies medialis

Linea m. solei

Margo interosseus

Margo anterior

Foramen nutricium

Facies lateralis

Facies lateralis

Facies medialis

Margo posterior

Facies posterior

Margo interosseus

Crista medialis

Facies posterior Margo interosseus Crista medialis Margo medialis

Margo medialis Tibia

Fibula

Fibula

Tibia Sulcus malleolaris Malleolus medialis Facies articularis malleolaris

Malleolus lateralis Facies articularis inferior

Abb. 14.3: Rechte Tibia, Fibula von ventral

Malleolus medialis Sulcus malleolaris Malleolus lateralis Facies articularis inferior Facies articularis malleolaris

Abb. 14.4: Rechte Tibia, Fibula von dorsal

Tibia mit Spongiosadefekt, 5. Innenknöchelfraktur. Zumeist mit Ruptur des Lig. deltoideum, evtl. Ausbruch der posterolateralen Tibiagelenkfläche (→ Volkmann-Dreieck), 6. Blount-Krankheit. Aseptische Nekrose der medialen proximalen Tibiaepiphyse (= Epiphyseonekrose) mit Genu varum (= O-Bein).

14.1.1.1.4 Wadenbein, Fibula Der schlanke Knochen liegt lateral von der Tibia (Abb. 14.3, 4). Er ist etwa gleich lang, gegenüber

dem Schienbein jedoch nach distal verschoben. Daher besteht kein Gelenkkontakt mit dem Femur. Caput fibulae. Es artikuliert mit seiner Facies articularis capitis fibulae mit der Facies articularis fibularis am Condylus lateralis der Tibia. Nach proximal weist die Spitze, Apex capitis fibulae. Corpus fibulae. An das Caput schließt sich das Collum fibulae an. Es geht in das schlanke Mittelstück, Corpus fibulae über. Dieses besitzt 3 Kanten, Margo anterior, interosseus und posterior, die 3 Flächen, Facies medialis, lateralis und posterior zwischen sich fassen. Diese mehrfache Unterteilung kommt durch zahlreiche Muskelursprünge

14.1 Systematische Anatomie

zustande. An der Rückfläche des Fibulaschaftes trennt die Crista medialis die Ursprungsfläche des M. tibialis posterior von der des M. flexor hallucis longus.

1105

14.1.1.1.5 Fußskelett, Ossa pedis Mit dem Erwerb des aufrechten Ganges (Bipedie) ist beim Menschen aus dem Greif- und Kletterfuß ein Stand- und Lauffuß geworden: Rückbildung der Zehen, Verlust der Opponierbarkeit der Großzehe, Vergrößerung der Fußwurzel (→ 50 % der Gesamtlänge des Fußes) und die Ausbildung einer Längs- und Querwölbung.

Malleolen. Das distale Ende ist zapfenartig verdickt und bildet den äußeren Knöchel, Malleolus lateralis, mit der Facies articularis malleoli lateralis. Der laterale Knöchel reicht weiter herab als die Tibia. Zusammen mit dem Malleolus medialis tibiae entsteht die Malleolengabel, die den Talus zwischen sich fasst. An der Rückfläche des Malle-Das Fußskelett, Ossa pedis, wird in 3 Abschnitte olus befindet sich der Sulcus malleolaris als Rinne gegliedert (Abb. 14.5, 6, 7): für die Sehnen der Mm. peronei. Die Fossa malleo£ Fußwurzelknochen, Ossa tarsi (tarsalia), laris lateralis dient dem Lig. talofibulare posterius £ Mittelfußknochen, Ossa metatarsi (metatarsalia) als Ansatz. I–V Entwicklung. In der 7. EW entwickelt sich ein £ Zehenknochen, Ossa digitorum (Phalanges). Knochenkern für die Diaphyse. Die Epiphyse des Man unterteilt das Fußskelett weiterhin in einen Malleolus lateralis entsteht im 1., die des Fibulamedialen und einen lateralen Strahl. kopfes im 3.–6. LJ. Die proximalen und distalen 1. Den medialen (tibialen) Strahl bilden SprungEpiphysenfugen synostosieren im 18.–21. LJ. bein, Talus, Kahnbein, Os naviculare, 3 KeilDas Wadenbein ist beim rezenten Menschen in beine, Ossa cuneiformia, Mittelfußknochen I–III Rückbildung begriffen. In der Ontogenese wird und Zehen I–III. der Dickenunterschied zwischen Tibia und Fibula 2. Den lateralen (fibularen) Strahl bilden Ferimmer größer (4 : 1). Die Verbindung der Fibula mit senbein, Calcaneus, Würfelbein, Os cuboideum, dem Kniegelenk geht verloren. Die tragende FunkOssa metatarsalia und Ossa digitorum IV–V. tion wird allein von der Tibia übernommen. Distal liegen beide Fußstrahlen nebeneinander. Proximal sind sie übereinander gelegt. Dadurch entsteKlinik: 1. Malleolarfraktur (Abb. 14.38). Durch hen die Längs- und Querwölbungen des Fußes. Umknicken des Fußes, meist außenseitig; Einteilung nach Weber (A, B, C). Typ A: QuerfrakKlinik: In der Klinik unterteilt man den Fuß tur des Malleolus lat. unterhalb der unversehrten in: 1. Rück- (Talus, Calcaneus), 2. Mittel- (Os Syndesmose, Typ B: Fraktur des Malleolus naviculare, Os cuboideum, Ossa cuneiformia), lat. in Höhe der Syndesmose, Typ C: s. Fibula3. Vorfuß (Ossa metatarsalia, Phalanges). fraktur, 2. Maisonneuve-Fraktur. Sonderform der Sprunggelenkfraktur, hohe Weber-C-Fraktur unterhalb des Wadenbeinkopfes, Ruptur der Fußwurzelknochen, Ossa tarsi (tarsalia) Membrana interossea cruris sowie der SyndesDie Ossa tarsi sind kurze Knochen, die aufgrund mosis tibiofibularis bei Innenknöchelfraktur ihrer starken Beanspruchung sehr kräftig gestaltet (Klinik, Kap. 14.1.1.2.3, S. 1127 bzw. Ruptur sind. Die innerhalb einer dicken Kortikalis gelegedes Lig. deltoideum (Innenband), 3. Fibulafnen Spongiosatrabekel weisen eine trajektorielle raktur (= Weber Typ C, s. Kap. 14.1.1.2.3, S. Architektur auf (Abb. 14.43). Im Vergleich mit dem 1127). Oberhalb der Syndesmose mit Einriss der Handskelett kann man nur distal eine Querreihung Membrana interossea distal der Fraktur, häufig mit 3 erkennen; nebeneinander liegen: Keilbeine, in Verbindung mit Tibiaschaftfraktur. Ossa cuneiformia und Würfelbein, Os cuboideum. Der proximale Abschnitt der Fußwurzel wird von nur 2 Knochen, Talus und Calcaneus gebildet, die übereinander liegen. Nur der Talus hat gelenkigen Kontakt mit den Unterschenkelknochen, Tibia und

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1106

Phalanx distalis Caput phalangis Phalanx distalis

Phalanx proximalis

Phalanx media

Basis phalangis Caput ossis metatarsalis

Phalanx proximalis

Os metatarsale I

Os metatarsale V

Os cuneiforme mediale Os cuneiforme intermedium

Os cuneiforme laterale

Tuberositas ossis metatarsalis V

Os naviculare

Os cuboideum

Tuberositas ossis navicularis

Caput tali

Collum tali Talus

Trochlea peronealis

a

Trochlea tali

Calcaneus

Processus posterior tali

Abb. 14.5: Rechter Fuß von dorsal mit FlexionsExtensions-Achse (a) und Eversions-InversionsAchse (b)

Tuber calcanei

Fibula. Das zwischen den Keilbeinen und dem Talus gelegene Kahnbein, Os naviculare, entspricht dem Os centrale in der ursprünglichen Anlage des Wirbeltierfußes. 1. Sprungbein, Talus (Abb. 14.5, 8) Der Talus überträgt die Last des Körpers vom Unterschenkel auf das subtalare Fußskelett. Die Längsachse des Knochens weist nach distal und medial. Im oberen Sprunggelenk steht der Talus mit Tibia und Fibula, im unteren mit Fersenbein, Calcaneus, Kahnbein, Os naviculare und

b

Pfannenband, Lig. calcaneonaviculare plantare in Verbindung. Man unterteilt von proximal nach distal: Körper, Corpus tali, Hals, Collum tali, Kopf, Caput tali. Corpus tali. Er trägt auf seiner Oberseite eine mit Knorpel überzogene Rolle, Trochlea tali. Die Facies superior der Trochlea (→ Rollenmantel) ist in der Längsrichtung konvex gekrümmt. In der queren Ausdehnung leicht konkav zu einer bogenförmig verlaufenden Rinne vertieft, wird sie von vorn nach hinten immer schmaler. Die Seitenflächen der Trochlea tali (→ Rollenwangen) dienen dem Malleolus medialis und lateralis als

14.1 Systematische Anatomie

1107

Phalanx distalis

Phalanx media

Phalanx proximalis

Capita ossium metatarsalium Ossa sesamoidea Os metatarsale I

Bases ossium metatarsalium

Os cuneiforme laterale Os cuneiforme intermedium

Tuberositas ossis metatarsalis V

Os cuneiforme mediale Os naviculare (Tuberositas)

Os cuboideum

Caput tali

Tuberositas ossis cuboidei

Sustentaculum tali Calcaneus Sulcus tendinis m. flexoris hallucis longi Processus lateralis tuberis calcanei

Abb. 14.6: Rechter Fuß von plantar

Tuber calcanei

gelenkige Auflagen. Die Facies malleolaris medialis entspricht im Umriss einem liegenden Komma. Sie ist vorne abgerundet und läuft nach hinten spitz aus. Die laterale Knöchelgelenkfläche, Facies malleolaris lateralis, ist dreieckig geformt. Die plantarwärts gerichtete Spitze biegt in einen mehr horizontal eingestellten Processus lateralis tali um. Nach hinten endet der Taluskörper im Processus posterior tali. Medial davon liegt eine Furche für den langen Großzehenbeuger, Sulcus tendinis m. flexoris hallucis longi, die ein Tuberculum mediale von einem Tuberculum laterale trennt. Collum tali. Zwischen Taluskopf und -körper verjüngt sich das Sprungbein zum knorpelfreien Talushals. Plantar ist er rinnenartig vertieft, Sulcus tali, und bildet zusammen mit dem Sulcus calca-

Processus medialis tuberis calcanei

nei die Fußwurzelbucht, Sinus tarsi. Dahinter ist die schräg orientierte Facies articularis calcanea posterior angelegt. Sie ist konkav gekrümmt und gehört zur hinteren Abteilung des unteren Sprunggelenkes, Articulatio subtalaris (talocalcanea). Caput tali. Er trägt eine im Umriss ellipsenförmige Gelenkfläche. Ihre von medial-dorsal nach lateralplantar ausgerichtete Längsachse spiegelt die Torsion des Talushalses wider. Der Taluskopf artikuliert mit dem Os naviculare, Facies articularis navicularis, und dem teilweise überknorpelten Pfannenband, Facies articularis lig. calcaneonavicularis plantaris. Plantar setzt sich die hyalinknorpelige Gelenkfläche des Taluskopfes in 2 Gelenkfacetten, Facies articularis calcanea media und anterior, fort.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1108

Facies superior trochleae tali Facies malleolaris medialis tali

Os naviculare Talus

Os cuneiforme intermedium Os cuneiforme mediale Os metatarsale I

Phalanx distalis

Caput

Tuberositas phalangis distalis

Corpus

Basis

Calcaneus

Phalanx proximalis Basis

Caput

Corpus

Basis

Tuberositas ossis metatarsalis V

Sustentaculum tali

Tuberositas ossis cuboidei Os sesamoideum

Tuberositas ossis navicularis

Tuber calcanei

Abb. 14.7: Rechter Fuß von medial Facies articularis cuboidea

Caput tali (Facies articularis navicularis) Facies articularis calcanea anterior

Sulcus calcanei

Facies articularis calcanea media

Facies articularis talaris ant.

Sulcus tali Sulcus tendinis m. flexoris hallucis longi

Facies articularis talaris media Sustentaculum tali

Facies articularis calcanea posterior

Facies articularis talaris post. Processus posterior tali Corpus calcanei

a

Processus lateralis tali

b

Abb. 14.8: a. Rechtes Fersenbein von proximal, b. Rechtes Sprungbein von distal

Entwicklung. Die Verknöcherung beginnt im Talus in 28.–32. EW mit 1 oder 2 Knochenkernen. Als apophysäre Anlage kann sich das Tuberculum laterale des Proc. posterior tali entwickeln. Bleibt eine knöcherne Verschmelzung mit dem Corpus tali aus, entsteht ein eigenständiges Skelettelement (in 6 %), Os trigonum. 2. Fersenbein, Calcaneus (Abb. 14.5–8) Der Calcaneus ist der größte Knochen des Fußes. Aufbau. Seine Längsachse verläuft von medial – hinten nach vorn – lateral. In aufrechter Körperhal-

tung berührt nur der plantar liegende Fersenhöcker, Tuber calcanei, den Boden. Der distal gelegene Abschnitt steht 21 mm von der Unterlage entfernt. Die aufgeraute Rückseite des Tuber calcanei dient der Achillessehne, Tendo calcaneus, als Ansatz. An der plantaren Seite des Tuber sind am Processus lateralis und medialis tuberis calcanei zahlreiche plantare Fußmuskeln und plantare Bandzüge befestigt. Im vorderen plantaren Bereich des Calcaneus entspringt das Pfannenband, Lig. calcaneonaviculare plantare am Tuberculum calcanei. Die distale Fläche trägt die sattelartig gekrümmte Facies articularis cuboidea. Auf der Dorsalseite sind die korrespondierenden Gelenkflächen zur Artikulation mit dem Talus angelegt. Nach hinten erhebt sich im

14.1 Systematische Anatomie

Mittelabschnitt die Facies articularis talaris posterior und nach vorn die Facies articularis talaris media und anterior. Zwischen den Gelenkflächen liegt der Sulcus calcanei, der den Boden für den Sinus tarsi bildet und zahlreiche Gefäßöffnungen besitzt. Die mittlere Gelenkfläche ruht auf dem Sustentaculum tali, einem konsolenartigen Knochenvorsprung, der von der Sehne des M. flexor hallucis longus unterfangen wird. An der lateralen Fläche des Calcaneus springt die Trochlea fibularis (peronealis) vor, ein Hypomochlion der Sehnen des M. peroneus longus. Entwicklung. Das knorpelige Fersenbein erhält in der 20.–24. EW Knochenkerne, die den größten Teil des Calcaneus aufbauen. Der Ansatz der Achillessehne verknöchert im 9.–11. LJ apophysär. Er verschmilzt mit dem übrigen Knochen im 14. LJ. Klinik: 1. Oberer Fersensporn (= Hacken-, Kalkaneussporn). Überschüssiger Knochen im Insertionsbereich der Achillessehne, 2. Unterer Fersensporn. Ein- oder beidseitige dornartige knöcherne Ausziehung an der Unterseite des Tuber calcanei an der Befestigung überbeanspruchter Sehnen- und Aponeurosenfasern. Ursache für Tarsalgie (Fersenschmerz), 3. Fersenbeinfraktur: Axialer Stauchungsbruch oder knöcherne Abrissfraktur des Achillessehnenansatzes am Tuber calcanei (Vidal-Einteilung I–III), 4. Haglund-Ferse: entwicklungsbedingte Formvariante einer stark vorgewölbten Apophyse des Tuber calcanei (→ Haglund-Exostose). 3. Kahnbein, Os naviculare (Abb. 14.5–7) Aufbau. Es liegt am medialen Fußrand zwischen dem Taluskopf und den 3 Keilbeinen. Die proximale Gelenkfläche ist Teil des unteren Sprunggelenkes. Auf der distalen Seite liegen 3 unterschiedlich große Gelenkfacetten für die Ossa cuneiformia. Am medialen Rand tritt ein stumpfer, nach plantar gerichteter Höcker hervor, Tuberositas ossis navicularis. Entwicklung. Die Ossifikation beginnt im 4. LJ. Bleibt die knöcherne Verschmelzung der Tuberositas ossis navicularis mit dem übrigen Skelettteil aus, entwickelt sich ein Os tibiale externum. 4. Keilbeine, Ossa cuneiformia (Abb. 14.5–7). Aufbau. Sie besitzen einen keilförmigen Umriss (→ Name!). Die Basis des Os cuneiforme mediale

1109

weist nach plantar, die der Ossa cuneiformia intermedium und laterale nach dorsal. Diese Anordnung verstärkt die Querwölbung des Fußes. Proximal artikulieren die Keilbeine mit dem Os naviculare, distal mit den Ossa metatarsalia I–III. Das laterale Keilbein berührt mit einer Gelenkfläche auch den Mittelabschnitt der medialen Seite des Os cuboideum. Untereinander sind ebenfalls korrespondierende Gelenkflächen angelegt. Zusätzlich stößt das Os cuneiforme laterale an die Basis des Os metatarsale IV. Entwicklung: Knochenkerne im Os cuneiforme laterale im 1., im Os cuneiforme mediale im 3., im Os cuneiforme intermedium im 4. LJ. Klinik: Dorsaler Fußhöcker. Vorwölbung am Fußrücken zwischen Os cuneiforme mediale und Os metatarsale I oder zwischen Os naviculare und Os cuneiforme mediale. Randwulstaufwerfungen dorsaler Gelenkfacetten durch Fehlbeanspruchungen beim Hohl- oder Senkfuß. 5. Würfelbein, Os cuboideum (Abb. 14.5, 6) Aufbau. Der Knochen liegt im lateralen Fußstrahl. Die laterale Knochenseite ist kürzer als die mediale. Proximal befindet sich eine sattelförmige Gelenkfläche für den Calcaneus. Distal sind 2 Facetten für die Ossa metatarsalia IV und V angelegt. Die mediale Seite zeigt eine Gelenkfläche für das Os cuneiforme laterale, manchmal auch für das Os naviculare. An der Außenfläche beginnt der Sulcus tendinis musculi peronei (fibularis) longi, der sich an die plantare Seite des Knochens fortsetzt. Die Tuberositas ossis cuboidei dient der langen Peroneus- (Fibularis-) sehne als Umlenkpunkt. Entwicklung. In der 40. EW tritt ein Ossifikationszentrum auf, das als Reifezeichen bei Neugeborenen gilt. Varietäten. Neben den 7 regelhaften Fußwurzelknochen (→ kanonische Skelettteile) kommen akzessorische Knochen vor. Der Radiologe kennt sie und schließt dadurch Frakturspalte aus: £ Os trigonum, am Hinterrand des Talus (13 %). £ Os tibiale externum (10 %), liegt an der Tubero£ £ £ £

sitas ossis navicularis. Os sustentaculi (1,5 %). Calcaneus secundarius (4,5 %). Os peroneum (10 %). Os cuboideum secundarium (1 %).

1110

6. Mittelfußknochen, Ossa metatarsalia (Abb. 14.5–7). An den 5 Mittelfußknochen unterscheidet man: Schaft, Corpus, Basis, Kopf, Caput. Corpus. Der Schaft ist in plantarer Richtung konkav gekrümmt. Das Os metatarsale I ist der kräftigste, jedoch kürzeste Knochen. Am längsten ist das Os metatarsale II. Kräftiger ist zudem noch das Os metatarsale V. Basis. Die proximalen Gelenkflächen an den keilförmig gestalteten Basen (Ausnahme: Os metatarsale V) artikulieren mit Ossa cuneiformia und Os cuboideum (→ Lisfranc-Gelenklinie). Untereinander stehen die Mittelfußknochen II–V in Gelenkkontakt (Articulationes intermetatarsales). • Die Basis des Os metatarsale I trägt plantar-lateral eine Tuberositas ossis metatarsalis I für den Ansatz des M. peroneus (fibularis) longus. Die Tuberositas ossis metatarsalis V an der lateralen Seite der Basis dient dem M. peroneus (fibularis) brevis als Ansatz. Sie ist deutlich am seitlichen Fußrand zu tasten (Abb. 14.74, 75, S. 1185). • Der Schaft der Mittelfußknochen hat einen dreieckigen Querschnitt. Außerdem sind die Mittelabschnitte torquiert. Am ausgeprägtesten zeigt sich die Torsion am Os metatarsale I, bei dem der proximale Teil nach innen, der distale nach außen verdreht ist. Die Mittelfußknochen werden stark auf Biegung beansprucht. Caput. Die seitlich abgeplatteten Köpfe tragen konvexe Gelenkflächen, die plantar weiter ausgedehnt sind als dorsal. Seitlich der Gelenkflächen sind Höckerchen entwickelt für die Befestigung von Kapselbandstrukturen. Am Os metatarsale I läuft plantar die Gelenkfläche in 2 Rinnen aus, in denen die Ossa sesamoidea gleiten. Im Großzehengrundgelenk sind sie konstant vorhanden. • In 10–13 % existiert ein laterales Sesambein am Os metatarsale V. Entwicklung. Die perichondrale Knochenmanschette der Diaphysen der Ossa metatarsalia entsteht in der 12. EW. Epiphysenkerne in den Köpfen der Ossa metatarsalia I–V treten im 3. und 4. LJ auf. Die Basen dieser Knochen haben dagegen keine Epiphysenkerne. Umgekehrt tritt jedoch am Os metatarsale im 3. bzw. 4. LJ ein basaler Epiphysenkern auf.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

Klinik: 1. Marschfraktur. Ermüdungsbruch eines oder mehrerer Metatarsalknochen durch Überbelastung, 2. Hallux valgus. Belastungsdeformität mit Abknickung der Großzehe im Grundgelenk nach lateral. 7. Zehenknochen, Ossa digitorum pedis (Phalanges) (Abb. 14.5–7) Aufbau. Gliederung. Der knöcherne Aufbau der Zehen gleicht den Fingern. Man unterscheidet ein Grund-, Mittel- und Endglied, Phalanx proximalis, media und distalis. Die Großzehe hat regelhaft, die 5. Zehe in 25 % nur 2 Glieder. Die Phalangen sind kurze Röhrenknochen. Jedes Zehenglied weist eine Basis, ein Corpus und ein Caput auf. An der Endphalanx ist distal-plantar die Tuberositas phalangis distalis zur Anheftung des Bindegewebes der Zehenkuppen angelegt. Die Köpfe der Phalangen tragen rollenartige Gelenkflächen (Trochlea). Entwicklung. Verknöcherungen von Diaphysen der Grundphalanx in 12.–24., Mittelphalanx vom 24.–40. und Endphalanx in 36. EW. Die Epiphysenkerne aller Phalangen in der Basis erscheinen im 2.–5. LJ.

14.1.1.2

Gelenklehre, Systema articulare (Juncturae)

Lernziele: Gelenkkörper, Gelenkkapsel, Gelenkbänder, Gelenkmechanik

14.1.1.2.1 Hüftgelenk, Articulatio coxae (coxofemoralis) Das Hüftgelenk ist ein spezielles Kugelgelenk (Articulatio cotylica oder Enarthrosis) mit 3 Hauptbewegungsachsen Gelenkkörper. Femurkopf, Caput femoris, und Hüftpfanne, Acetabulum, mit der C-förmigen Facies lunata sind korrespondierende Gelenkpartner (Abb. 14.9, 10). Die Facies lunata ist im Pfannendach am breitesten. Beim aufrechten Stand findet hier die Lastübertragung vom Rumpf auf den Femurkopf statt. Der knöcherne oder knorpelige

14.1 Systematische Anatomie

1111

Pfannenrand und das Lig. transversum acetabuli bilden die Pfanneneingangsebene. Sie ist nach ventral, kaudal und lateral orientiert. • Der Neigungswinkel der Ebene gegenüber der

Horizontalen beträgt beim Neugeborenen 60°, beim Zehnjährigen 47° und beim Erwachsenen 41°.

Der äußere knöcherne Rand des Acetabulum ist durch ein aus straffem Bindegewebe und Faserknorpel bestehendes Labrum acetabulare vergrößert. Damit werden 2/3 des Femurkopfes von der Pfanne umgriffen: Das Hüftgelenk ist ein Nussgelenk, Articulatio cotylica (Enarthrosis). Das Labrum acetabulare überbrückt die Incisura acetabuli zusammen mit dem Lig. transversum acetabuli. Die Facies lunata umgreift die Fossa acetabuli, die von einem lockeren, fettreichen Bindegewebe (Pulvinar acetabuli) ausgefüllt ist. Von den Seitenrändern der Incisura acetabuli und dem Lig. transversum acetabuli löst sich das abgeplattete, intraartikulär verlaufende Lig. capitis femoris. Es zieht zur Fovea capitis femoris, enthält den Ramus acetabularis der A. obturatoria und dient der arteriellen Versorgung des Femurkopfes. Gelenkkapsel. Sie ist kräftig und entspringt mit ihrem fibrösen Anteil (Membrana fibrosa) vom

knöchernen Rand des Acetabulum, am Lig. transversum acetabuli und am Außenrand des Labrum acetabulare. Die Kapsel setzt vorn an der Linea intertrochanterica des Femur an. Auf der Rückseite umhüllt sie nur die medialen 2/3 des Schenkelhalses. Dadurch liegen die Crista intertrochanterica, die beiden Trochanteren und die Fossa trochanterica extrakapsulär. Die Membrana synovialis löst sich von der Basis des Labrum acetabulare. Dadurch ragt der Rand des Labrum frei in das Gelenk hinein. Bänder Die Kapsel wird durch 3 Bänder verstärkt: Lig. iliofemorale, Lig. pubofemorale und Lig. ischiofemorale (Abb. 14.9, 11 ). £ Das Lig. iliofemorale ist das kräftigste Band

des menschlichen Körpers. Es entspringt an der Spina iliaca anterior inferior und zieht schraubenartig verdreht zur Linea intertrochanterica. Unterteilung: Pars medialis und lateralis, die ein umgekehrtes V ergeben. • Funktion: medialer Anteil hemmt die Überstreckung im Hüftgelenk, verhindert ein Abkippen des Beckens nach dorsal; lateraler Faserzug hemmt Adduktion, Außenrotation; außerdem verhindert es das Abkippen des Beckens zur

M. rectus femoris (Tendo) Origo

Lig. iliofemorale Pars lateralis

Tendo

Pars medialis

m. recti femoris

Capsula articularis

Kapselansatz an der Linea intertrochanterica

Lig. ischiofemorale

Lig. pubofemorale

a

b

Abb. 14.9: Hüftgelenk, Kapsel und Bänder von ventral (a), dorsal (b)

Ansatz der Kapsel am Collum femoris

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1112

Ala ossis ilii M. gluteus medius

M. gluteus minimus Pfannendach

Lig. capitis femoris Labrum acetabulare

Zona orbicularis M. gluteus maximus

N. obturatorius, Vasa obturatoria M. obturatorius externus

M. iliopsoas (Tendo)

M. adductor brevis

Bursa trochanterica M. pectineus M. adductor longus

Vasa profunda femoris Vasa femoralia

M. sartorius

M. vastus lateralis

M. vastus medialis

Abb. 14.10: Frontalschnitt durch ein rechtes Hüftgelenk

Schwungbeinseite zusammen mit den kleinen Glutealmuskeln. £ Das Lig. pubofemorale entspringt vom oberen Schambeinast, strahlt nach lateral in die Kapsel ein (Lig. pubocapsulare) und inseriert am distalen Ende der Linea intertrochanterica. Zwischen dem Lig. ilio- und pubofemorale ist die Kapsel innerhalb eines dreieckigen Feldes sehr dünn. Hier quert der M. iliopsoas, an dessen Rückseite die Bursa iliopectinea auf der Kapsel liegt und in 15 % mit der Gelenkhöhle kommuniziert.

• Funktion: hemmt Extension, Abduktion, Außen-

rotation.

£ Das Lig. ischiofemorale liegt dorsal. Es löst sich

vom hinteren Pfannenrand und dem Os ischii und zieht schraubenförmig nach vorn und strahlt in das Lig. iliofemorale und die Fossa trochanterica ein. • Funktion: hemmt die Innenrotation, Extension, Abduktion.

14.1 Systematische Anatomie

1113

Zona orbicularis (Abb. 14.10): Lig. ischiofemorale und Lig. pubofemorale bilden mit ihren tiefsten Faserschichten die ringförmige, 1 cm dicke Zona orbicularis. Dieses Ringband, in das auch einige Fasern des Lig. ischiofemorale einstrahlen, umgreift den Femurhals an seiner schmalsten Zirkumferenz. • Funktion: In Streckstellung presst es den Femurkopf in das Acetabulum. Schwache Kapselstellen liegen jeweils zwischen den benachbart verlaufenden Bändern. Bei traumatisch bedingten Hüftgelenkluxationen kann sich hier der Femurkopf nach außen verlagern (Abb. 14.11). Lig. iliofemorale

Bursa iliopectinea

Lig. pubofemorale

Lig. capitis femoris

Lig. ischiofemorale

Abb. 14.11: Hüftgelenk, Schnitt durch Kapsel und Bänder. Schwache Kapselstellen zwischen Lig. pubofemorale und Lig. ischiofemorale (Pfeil) und an der Bursa iliopectinea

Klinik: Schonhaltung bei Coxitis. Hüftgelenkbewegungen sind mit Bewegungen von WS und Beckenneigung verbunden. Da das Hüftgelenk in leichter Beugung, Außenrotation und Abduktion entspannt ist, wird das Bein bei Hüftgelenkentzündung (Coxitis) reflektorisch in Entlastungsstellung gebracht, um den Kapseldehnungsschmerz zu vermindern (Abb. 14.12). Inspektion, Palpation. Das Hüftgelenk wird von 3 Seiten durch kräftige Muskeln bedeckt. Bei mageren, muskelschwachen Menschen ist der Femurkopf von ventral unterhalb der Mitte des Leistenbandes zu tasten. Deutlicher tastbar ist nur der Trochanter major (Abb. 14.74, 75). Die Bestimmung seiner Lage zum Becken ist deshalb zur Beurteilung des Hüftgelenkes von klinischer Bedeutung. • Die Roser-Nélaton-Linie (Abb. 14.13) verläuft

von der Spina iliaca anterior superior zum Tuber ischiadicum. Bei mäßiger Beugung (45°) schneidet diese Linie die Trochanterspitze. • Die Shoemaker-Linie verbindet die Trochanterspitze mit der Spina iliaca anterior superior. Ihre Verlängerung schneidet die Körpermittellinie oberhalb des Nabels. • Die Lange-Linie ist eine Horizontale durch die Crista iliaca beidseits. Der Abstand beider Trochanteren ist gleich groß (Abb. 14.13). Mechanik. Für die Bewegungen im Kugelgelenk sind 3 Hauptachsen maßgebend (Gradangaben in der Neutral-Null-Linie, s. Kap. 9.1.1.2.4, S. 673).

a

b

Abb. 14.12: a. Entlastungsstellung des kranken Hüftgelenkes, b. Maskierung eines in Beugestellung versteiften Hüftgelenkes durch Verstärkung der Lendenlordose und Kippung des Beckens nach vorne

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1114

Spina iliaca anterior superior

Schenkelhalsfraktur

Tuber ischiadicum

a

b

Abb. 14.13: a. Roser-Nélaton-Linie. Sie wird bei mäßiger Beugung im Hüftgelenk von der Trochanterspitze nicht überschritten. Punktierte Linie = Trochanterhochstand bei Fraktur oder Luxation, b. Lange-Linie: Horizontale durch die beiden Cristae iliacae; gleich großer Abstand der beidseitigen Trochanteren von dieser Linie (nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth)

• Transversale Achse. Quer durch die Mittelpunkt

beider Femurköpfe. Anteversion (Flexion) = 130–140°, Retroversion (Extension) = 10°. • Sagittale Achse. Durch die Mitte des Femurkopfes. Abduktion = 30–45°, Adduktion = 20–30°. • Vertikale Achse. Von der Mitte des Femurkopfes zur Fossa intercondylaris (→ Kreiselungsachse). Innenrotation = 36°, Außenrotation = 13°. (Bei rechtwinklig gebeugtem Hüft- und Kniegelenk vergrößern sich die Ausschläge erheblich: Innenrotation 40–50°, Außenrotation 30–45°). • Zirkumduktion. Kombinationsbewegungen werden als Zirkumduktion beschrieben. Die Randbewegung beim Herumführen des Beines liegt auf einer elliptischen Bahn.

Grundsätzlich können im Hüftgelenk Bewegungen der freien unteren Extremität gegen das Becken und umgekehrt Bewegungen des Beckens gegenüber der freien unteren Extremität durchgeführt werden. Röntgenanatomie des Hüftgelenkes (Abb. 14.15). In einer a.-p.-Aufnahme werden Form und Stellung der artikulierenden Knochen beurteilt. Abzugrenzen sind: • vom Acetabulum das Pfannendach und subchondrale Kompakta der Facies lunata. Charakteristisch ist die medial der Fossa acetabuli sichtbare Köhler-Tränenfigur. Sie entsteht projektionsbedingt durch die Überkreuzung von 2 Linien: diese entsprechen dem medialen Pfannendach und der lateralen Wandbegrenzung des kleinen Beckens.

• Der Umriss des Femurkopfes erscheint kugelförmig. Die Fovea capitis femoris und die Fossa acetabuli stehen sich gegenüber. • Der röntgenologische Gelenkspalt ist breiter als der anatomische. Gelenkknorpel korrespondierender Skelettstücke ist strahlendurchlässiger als Knochen → vermeintliche Verbreiterung. • Shenton-Ménard-Linie. Die obere Begrenzung des Foramen obturatum geht in die untere Begrenzung des Schenkelhalses über.

Klinik: 1. Hüftdysplasie. Angeborene Mangelentwicklung der Hüftgelenkpfanne mit drohendem Austritt des Hüftkopfes (→ Hüftgelenkluxation): steile, nach oben ausgezogenen Pfanne ohne ausreichende Überdachung des Femurkopfes, ggf. mit Coxa valga mit vergrößertem CCD-Winkel, Coxa antetorta mit vermehrter Antetorsion des Schenkelhalses; häufigste kongenitale Skelettfehlentwicklung: 4 %, deutliche Gynäkotropie (6 : 1). Therapie: Abspreizbehandlung innerhalb der ersten Lebenstage, 2. Traumatische Hüftluxation. Zwangsstellung des Beins nach Position des luxierten Femurkopfes (Abb. 14.16). Da das kräftige Lig. iliofemorale erhalten bleibt, bestimmt es zusammen mit der Richtung der einwirkenden Kraft die Zwangshaltung, 3. Protrusio acetabuli. Vorwölbung des verdünnten Pfannenbodens in das kleine Becken, 4. Perthes-Calvé-Legg-Krankheit (= Osteochondropathia deformans coxae juvenilis

14.1 Systematische Anatomie

1115

Normalwerte Hüftgelenk Beugung/Streckung Innenrotation/Außenrotation bei Beugung der Hüfte um 90˚

130–140/0/10 40–50/0/30–45

130–140˚

30–45˚

40–50˚



10˚



a

b Innenrotation/Außenrotation bei gestrecktem Hüftgelenk

30–40/0/40–50

Adduktion/Abduktion

20–30/0/30–45

Abb. 14.15: Röntgenbild eines linken Hüftgelenkes einer 37-jährigen Frau (mit freundlicher Genehmigung der Radiol. Gemeinschaftspraxis Drs. Nückel, Sewing, Vahlensieck und Westermann, Bonn)



30–45˚ 40–50˚

30–40˚ 20–30˚



c

d

Abb. 14.14: Bewegungsausschläge im Hüftgelenk in Seitenansicht (a) und bei Beugung der Hüfte um 90° (b). Bewegungsausschläge bei gestrecktem Hüftgelenk (c) und im Stehen (d).

= M. Perthes); ein- oder beidseitige aseptische Knochennekrosen an Femurkopf und proximaler -metaphyse, v. a. bei Jungen (5.–12. LJ), 5. Epiphyseolysis capitis femoris. Dislokation von Femurkopfkappe und Schenkelhals durch verminderte mechanische Belastbarkeit der proximalen Wachstumsfuge des Femur, 6. Koxarthrose (= Arthrosis deformans coxae). Degeneration des Hüftgelenks (ein-, beidseitig), häufig erst im höheren Lebensalter, 7. Coxa valga. Vergrößerung des Kollodiaphysenwinkels (= CCD-Winkel): steile Aufrichtung des Schenkelhalses mit Abduktion, 8. Coxa vara. Verkleinerung des Kollodiaphysenwinkels: Schenkelhalsverbiegung mit Adduktion, CCDWinkel < 125°; 9. Coxa saltans. Schnellende oder schnappende Hüfte: ruckartiges Gleiten eines derben Stranges des Tractus iliotibialis (→ Maissiat-Streifen) über dem Trochanter major bei Beugung und Streckung im Hüftgelenk, 10. Coxitis. Arthritis (= Gelenkentzündung)

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1116

57%

18 %

Luxatio iliaca

Luxatio ischiadica

20 %

5%

Luxatio suprapubica

Luxatio obturatoria

Abb. 14.16: Zwangsstellungen des Beines bei Hüftgelenkluxation (nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth)

des Hüftgelenks, meist bakteriell oder rheumatisch bedingt, 11. Schenkelhalsfraktur. Bruch des Femurhalses durch Trauma, begünstigt durch Altersosteoporose, besonders bei Frauen. Formen: mediale (→ Pauwels-Einteilung), laterale, intermediäre.

14.1.1.2.2 Kniegelenk, Articulatio genus Lernziele: Gelenkkörper, Binnenbänder, Außenbänder, Gelenkkapsel, Menisci, Bursae, Gelenkmechanik, Fehlstellungen Das Kniegelenk bildet mit den 3 Knochen Femur, Patella und Tibia ein zusammengesetztes Gelenk, bestehend aus der Articulatio femoropatellaris und der Articulatio femorotibialis (Abb. 14.17–19). Gelenkkörper, und -flächen. Die beiden Condyli femoris gleiten auf der Facies articularis superior der Tibia. Dadurch entsteht eine Articulatio bicondylaris. Die bikonvexen Femurkondylen sind in der Seitenansicht spiralig gekrümmt. Dabei nimmt die Krümmung von vorn nach hinten ab. Im Gegensatz dazu sind die Gelenkfacetten des Tibiakopfes ein wenig konkav und um den Retroversionswinkel

von 3–7° nach hinten geneigt. Die auffallende Inkongruenz der Gelenkpartner wird durch die beiden Menisken ausgeglichen. Die Dicke des Gelenkknorpels passt sich den Bereichen der stärksten Druckbelastung an. • In der Articulatio femoropatellaris stehen die

Facies patellaris des Femur und die Facies articularis der Patella in gelenkigem Kontakt (Abb. 14.20).

In maximaler Streckstellung berühren die schwächer gekrümmten Anteile der Femurkondylen die Tibia. Berührungs- und Druckübertragungsflächen sind groß. Im gebeugten Knie artikulieren die stärker gekrümmten hinteren Anteile der Femurrollen den Tibiakopf. Die Berührungsflächen sind klein und begünstigen die Rotationsbewegungen. Gelenkkapsel. Sie ist mit ihrem Stratum fibrosum an der Tibia 1 cm unterhalb der Knorpelränder befestigt. Am Femur umläuft sie die Kondylen seitlich (Abb. 14.20). Vorn ist sie mit der Quadrizepssehne und der Patella verwachsen und nicht deutlich abgrenzbar. Hinten erreicht sie die Linea intercondylaris. Das Stratum synoviale ist vorn, medial und lateral an der Knorpel-Knochen-Grenze des Tibiakopfes befestigt. Hinten dringt sie zwischen die beiden Gelenkfacetten der Facies articularis superior

14.1 Systematische Anatomie

1117

Femur

Facies patellaris Lig. collaterale tibiale Lig. collaterale fibulare Lig. cruciatum posterius Lig. cruciatum anterius Meniscus lateralis

Meniscus medialis Lig. transversum genus

Lig. collaterale tibiale Fibula Tuberositas tibiae Membrana interossea cruris

Abb. 14.17: Bänder des Kniegelenkes von ventral, Gelenkkapsel entfernt

Facies poplitea femoris

Condylus lateralis Lig. cruciatum anterius

Condylus medialis

Lig. meniscofemorale posterius

Lig. collaterale tibiale

Meniscus lateralis Meniscus medialis

Lig. cruciatum posterius

Facies articularis superior tibiae

Lig. collaterale fibulare

Tendo m. semimembranosi

M. popliteus (abgeschnitten)

Tibia

Caput fibulae

Abb. 14.18: Bänder des Kniegelenkes von dorsal, Gelenkkapsel entfernt

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1118

Femur

Caput longum M. biceps femoris

M. articularis genus

Caput breve

Bursa suprapatellaris Grenzfalte zwischen Cavum articulare und Bursa suprapatellaris Fascia poplitea

Tendo m. quadricipitis femoris Patella

Corpus adiposum popliteum et N. tibialis

Bursa subfascialis prepatellaris Bursa subcutanea prepatellaris

M. plantaris

Corpus adiposum infrapatellare Lig. patellae

Meniscus medialis

Lig. cruciatum anterius

Vasa poplitea M. popliteus

Bursa subcutanea infrapatellaris Bursa infrapatellaris profunda Tuberositas tibiae

M. soleus M. gastrocnemius

Tibia

Abb. 14.19: Sagittalschnitt durch ein rechtes Knie

der Tibia ein. Sie umläuft die Area intercondylaris anterior. Dadurch liegen die Kreuzbänder extraartikulär bzw. intrakapsulär. Am Femur ist das Stratum synoviale in der Fossa intercondylaris, an den hinteren und seitlichen Knorpelrändern der Kondylen und am Rand der Facies patellaris befestigt. Vorn und proximal geht die innere Schicht der Gelenkkapsel in die Bursa suprapatellaris über. Unterhalb der Kniescheibe bedeckt das Stratum synoviale das Corpus adiposum infrapatellare (→ Hoffa-Fettkörper, s. Klinik) und setzt an der Area intercondylaris anterior an. Epicondyli femoris. Sie bleiben außerhalb der Kapsel und sind von allen Seiten durch Retinacula, Bänder und Sehnen verstärkt (Abb. 14.21, 22): vorn durch die Quadrizepssehne, das Lig. patellae und das Retinaculum patellae longitudinale mediale und laterale, seitlich durch das Lig. collaterale tibiale und fibulare und hinten durch das Lig. popliteum obliquum. An der Hinterwand liegen mit Fettgewebe aufgefüllte Öffnungen für den Durchtritt

von Gefäßen. Sie versorgen die Kreuzbänder und das distale Femur. In der Normalstellung (Streckung) sind die hinteren Kapselanteile gespannt. Entlastungsstellung bei 25-Grad-Beugung. Klinik: 1. Kniegelenkerguss. Akute, intermittierende oder chronische Bildung von Exsudat im Gelenk infolge Entzündung (→ Gonitis, Gonarthritis) oder Verletzung als 1.1 Hydrarthros (seröser Erguss), 1.2 Pyarthros = Gelenkempyem (eitriger Erguss), 1.3 Hämarthros (blutiger Erguss). Die Raumforderung hebt die Patella vom Femur ab (→ Ballotement, tanzende Patella) und geht mit Schmerzen, Schwellung, Funktionshemmung einher, 2. Gonitis, Gonarthritis (= Kniegelenkentzündung). Zumeist posttraumatisch oder nach aktivierter Gonarthrose, 3. Baker-Zyste (= Poplitealzyste). Ausstülpung der dorsalen Gelenkkapsel am Kniegelenk (→ Synovialhernie), meist durch Läsion des medialen Meniskus, 4. Hoffa-Krankheit. Traumatische

14.1 Systematische Anatomie

1119

M. articularis genus

Bursa suprapatellaris (eröffnet)

Condylus lateralis

Facies patellaris

Plica synovialis infrapatellaris

Condylus medialis

Meniscus lateralis

Meniscus medialis

Corpus adiposum infrapatellare

Lig. collaterale tibiale

Lig. collaterale fibulare Patella

Abb. 14.20: Kniegelenk durch suprapatellaren Bogenschnitt eröffnet. Sehne des M. quadriceps femoris mit Patella nach unten geklappt

Erkrankung des infrapatellaren Fettkörpers (→ fibrös-entzündliche Hyperplasie).

Bänder £ Lig. patellae. Das Kniescheibenband geht aus

den Ansatzsehnen des M. quadriceps femoris hervor (Abb. 14.21). Es verläuft von der Spitze der Patella zur Tuberositas tibiae. £ Lig. collaterale tibiale. Das Innenband entspringt am Epicondylus medialis femoris (Abb. 14.22), zieht breit ausgedehnt nach vorn und distal und setzt unterhalb des Tibiakopfplateaus an der Facies medialis tibiae an. Die Ansatzzone liegt unmittelbar hinter den Befestigungen der

M. quadriceps femoris

Pes-anserinus-Muskeln. Das tibiale Seitenband bedeckt das mediale Kapselband unvollständig. Beide Bänder stabilisieren die mediale Seite des Kniegelenkes, zusammen mit dem hinteren Schrägband. Es verläuft vom Tuberculum adductorium zur medialen Seite des Tibiakopfes und zur Ansatzsehne des M. semimembranosus (Abb. 14.23). £ Lig. collaterale fibulare. Das Außenband verläuft vom Epicondylus lateralis femoris zum Caput fibulae (Abb. 14.24). Es überkreuzt die Sehne des M. popliteus. Zusammen mit dem lateralen Kapselband stabilisiert es das Kniegelenk in Streckstellung. Das Lig. popliteum obliquum verstärkt die dorsale Kapselwand (Abb. 14.22), löst sich von der Ansatzsehne

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1120

M. rectus femoris

Tractus iliotibialis

M. vastus medialis M. vastus lateralis

Patella

Retinaculum patellae laterale (Reservestreckapparat)

Lig. collaterale fibulare

Lig. capitis fibulae anterius

Retinaculum patellae mediale (Reservestreckapparat)

Lig. patellae

Lig. collaterale tibiale Tuberositas tibiae

Membrana interossea cruris Fibula

des M. semimembranosus und zieht schräg von distal medial nach proximal lateral. £ Lig. popliteum arcuatum. Dieses Band verstärkt die Hinterwand der Kapsel lateral (Abb. 14.22). Die bogenförmig verlaufenden Fasern konvergieren auf die Spitze des Fibulakopfes. £ Lig. fabellofibulare heißt das Lig. popliteum arcuatum, wenn in ihm eine Fabella (Sesambein; beachte Unterschied zu Fabella lat., med. in Gastroknemiusköpfen!) angelegt ist. £ Retinaculum patellae longitudinale. Die Kapsel wird seitlich der Patella vom medialen und lateralen Retinaculum verstärkt (Abb. 14.21). Da sie aus den ansatznahen Fasern des M. quadriceps femoris hervorgehen, gelten sie als Reservestreckapparat.

Tibia

Abb.14.21: Rechtes Kniegelenk von ventral

£ Transversale Retinacula als Verstärkungszüge

der Kapsel verlaufen (regelmäßig vorhanden) lateral von der Patella zur tiefen Schicht des Tractus iliotibialis. Ein mediales transversales Retinaculum tritt in 30 % auf. Es zieht vom medialen Rand der Patella zum Epicondylus medialis femoris. £ Meniskopatellare Bänder treten in Zweidrittel der Fälle auf. Sie gehören wie die Retinacula zu den Verspannungsfasern der Patella. £ Ligg. cruciata. Die Kreuzbänder heißen Binnenbänder, liegen aber außerhalb des Gelenkes (intrakapsulär). • Lig. cruciatum anterius. Das vordere Kreuzband verläuft von der Area intercondylaris anterior der Tibia zur hinteren Innenfläche des Condylus lateralis

14.1 Systematische Anatomie

1121

Femur

Facies poplitea M. gastrocnemius (Caput mediale)

Tendo m. semimembranosi Lig. collaterale tibiale Lig. popliteum obliquum

M. plantaris M. gastrocnemius (Caput laterale)

Lig. collaterale fibulare Lig. popliteum arcuatum M. popliteus Recessus subpopliteus

Pes anserinus profundus

Caput fibulae Tibia

Fibula

Abb. 14.22: Rechtes Kniegelenk von dorsal. Gelenkkapsel und Ansatz des M. semimembranosus (Pes anserinus profundus)

femoris (Abb. 14.25, 26, s. Abb. 14.17, 18). Das in sich verdrehte Band wird in 3 Faserbündel unterteilt: anteromediales, intermediäres, posterolaterales Bündel. • Lig. cruciatum posterius. Das hintere Kreuzband ist stärker als das vordere. Es löst sich von der Area intercondylaris posterior und der Tibiahinterkante. Fächerartig strahlt es in die Innenfläche des medialen Femurkondylus ein. Es besteht aus 2 Faserbündeln: anterolaterales, posteromediales Bündel. • Lig. meniscofemorale anterius und posterius. Aus dem Hinterhorn des lateralen Meniskus ziehen Verankerungsbänder schräg nach proximal zum hinteren Kreuzband. Sie inserieren ebenfalls an der lateralen Fläche des medialen Femurkondylus (s. u.).

Funktion: Die Kreuzbänder sichern das Kniegelenk v. a. in der Sagittalebene, Frontal-, aber auch in der Horizontalebene. Femur und Tibia können nicht gegeneinander verschoben werden. Bei einer Insuffizienz oder einer Ruptur der Kreuzbänder lässt sich die Tibia gegenüber dem Femur verschieben (→ Schubladenphänomen).

Der postero-laterale Anteil des vorderen Kreuzbandes spannt sich in Streckstellung an. Dagegen stabilisiert der antero-mediale Anteil das Kniegelenk in Beugestellung. Das vordere Kreuzband ist bei Außenrotation locker und bei Innenrotation gestrafft. Das hintere Kreuzband spannt sich bei gebeugtem Knie mit dem größten Teil seiner Fasern an. In Streckstellung sind dagegen nur wenige Fasern gespannt (Abb. 14.26). Klinik: 1. Kniegelenkbandruptur (= Kniegelenkbänderriss eines oder mehrer Bänder). Meist aufgrund indirekter Gewalteinwirkung, besonders an Ansätzen, ggf. mit knöchernem Abriss, 1.1 mediale und laterale Seitenbandruptur mit vermehrter Aufklappbarkeit des Gelenks bei Valgus- bzw. Varusinstabilität, 1.2 vordere oder hintere Kreuzbandruptur mit sagittaler Instabilität und positivem Schubladenphänomen, 1.3 Kombinationsverletzung mit Schubladenphäno-

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1122 M. vastus med.

Patella Tuberculum adductorium

Tendo m. adductoris magni

Lig. patellae

M. semimembranosus

Lig. collaterale tibiale M. sartorius

mediales Kapselband

*

Meniscus med. hinteres Schrägband

M. gracilis M. semitendinosus

Pes anserinus superficialis

Caput med. m. gastrocnemii

*

M. popliteus

Pes anserinus profundus

distale Ansatzstelle des Lig. collaterale tibiale

Abb. 14.23: Rechtes Kniegelenk von medial (modifiziert nach Wagner u. Schabus)

men in Außen- bzw. Innenrotationstellung des Fußes, v. a. mediale Seitenbandruptur, vorderer Kreuzbandriss und medialer Meniskusriss, laterale Seitenbandruptur, lateraler Meniskus- und vorderer Kreuzbandriss bei anterolateraler Rotationsinstabilität mit Bewegungs- und Druckschmerz, Schwellung, Hämatom, Hämarthros. Menisci (Abb. 14.25, 27). Sie sind C- bzw. halbmondförmig gebogene Scheiben aus Faserknorpel. Ihr Querschnitt ist keilförmig. Die breitere Außenseite ist mit der Gelenkkapsel verwachsen. Ihre freien Enden (Vorder-, Hinterhorn) sind über

kurze, kräftige Faserzüge mit dem Knochen der Area intercondylaris verankert. Da sie auf dem Tibiakopf gleiten, beschreibt man sie als transportable Gelenkpfannen. Sie sind bindegewebige, peripher von Faserknorpel durchsetzte Scheiben, die keilförmig zwischen femoralen und tibialen Gelenkflächen eingelassen sind. Meniscus medialis ist sichelförmig gekrümmt, hat Kontakt mit der hinteren Portion des Lig. collaterale tibiale. £ Der Meniscus lateralis ist kreisförmig, der Krümmungsradius ist kleiner als beim medialen Meniscus. £ Der

14.1 Systematische Anatomie

1123

Patella

Caput lat. m. gastrocnemii Popliteussehne laterales Kapselband Meniscus lat.

Lig. collaterale fibulare Lig. patellae

3 M. biceps femoris

2

1

Aufzweigung des N. peroneus communis

Abb. 14.24: Rechtes Kniegelenk von lateral. Ansätze der Bizepssehne: 1 oberflächliche Schicht in die Fascia cruris einstrahlend, 2 mittlere Schicht mit Ansatz am Wadenbeinkopf, schlingenförmige Umfassung des Lig. collaterale fibulare, 3 tiefe Schicht zum Ansatz des Tractus iliotibialis (Tuberculum Gerdy) und Kapsel-Band-Apparat sowie Einstrahlungen in den Meniscus lateralis (modifiziert nach M. Wagner u. R. Schabus)

Tuberositas tibiae Lig. transversum genus Meniscus lateralis Meniscus medialis

Caput fibulae Lig. cruciatum posterius und Lig. meniscofemorale posterius (Wrisberg)

Lig. cruciatum anterius

Abb. 14.25: Proximale Fläche der Tibia mit Menisci und Kreuzbändern

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1124

1

3

2

4

a) Streckhemmung

b) Beugehemmung

c) Hemmung der Aussenkreiselung

d) Hemmung der Innenkreiselung

Abb. 14.26: Seiten- und Kreuzbänder. Gespannte Bandzüge sind schwarz, entspannte heller dargestellt. Menisci sind punktiert, a. Obere Anteile der Kreuzbänder (1, 3) sind durchscheinend gezeichnet (modifiziert nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth). 1 Lig. cruciatum anterius, 2 Lig. collaterale fibulare, 3 Lig. cruciatum posterius, 4 Lig. collaterale tibiale 10˚

42˚

Meniscus medialis

Meniscus lateralis

a

b

c

Abb. 14.27: Verlagerung der Menisci bei Bewegungen im Kniegelenk. Die schwarze Gerade gibt die Rotationsstellung des Femur, die gestrichelte jene der Tibia an, a. Stärkste Beugung, b. Rechtwinklige Beugung und 10° Innenrotation, c. Rechtwinklige Beugung und 42° Außenrotation (nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth)

Die Gelenkzwischenscheiben sind befestigt über kurze straffe Bänder, die jeweils zwischen den Enden der Menisci (Vorder- und Hinterhorn) zur Area intercondylaris anterior und posterior ziehen. Weiterhin sind die breiteren Außenkanten mit der Gelenkkapsel verwachsen. Vom Hinterrand des lateralen Meniscus zieht regelhaft (70 %) ein Lig. meniscofemorale posterius (Wrisberg) zur femoralen Ansatzzone des hinteren Kreuzbandes. Das Lig. meniscofemorale anterius (Humphrey) ist seltener angelegt. Außerdem sind beide Menisci über meni-

scopatellare Bänder mit der Kniescheibe verheftet. Ein variabel ausgestaltetes Lig. transversum genus verbindet die beiden Vorderhörner miteinander (Abb. 14.25). Blutversorgung, Innervation: über ein perimeniskales Randnetz aus Verzweigungen der A. media genus. Der zentrale Teil ist gefäßfrei und wird durch die Synovia ernährt. Die Bindegewebeanteile der Menisci sind reich an sensiblen Nervenendigungen.

14.1 Systematische Anatomie

Funktion: Sie gleichen Inkongruenzen der Femurkondylen und des Tibiakopfplateaus aus. Zudem vergrößern sie die Druckübertragungsflächen und vermindern dadurch den Gelenkflächendruck. Bei Beugung werden die Menisci von den Femurkondylen nach hinten verlagert (Abb. 14.27). Ebenso werden sie bei den Kreiselungen mitgeführt. Der laterale Meniscus ist durch seine enger beieinander liegenden Ansatzfasern besser beweglich als der mediale. Außerdem hat der laterale Meniscus keine Verbindung zum Lig. collaterale laterale. Bei nicht muskulär gesicherten Rotationsbewegungen im Kniegelenk ist der weniger bewegliche Meniscus medialis am meisten gefährdet. 95 % aller Meniskusschäden entfallen auf ihn. Klinik: 1. Meniskusriss. Distorsionstrauma mit Ein- oder Abriss des lateralen oder häufiger des medialen Meniskus, besonders bei jugendlichen Sportlern, v. a. bei Rotationsbewegung in Flexionsstellung des Knies; typische Begleitverletzung bei Kniegelenkbandruptur (s. o.), 2. Meniskektomie. Partielle, selten subtotale oder totale Entfernung eines Meniskus nach Meniskusriss). 3. Meniskuszyste (= Meniskusganglion). Überwiegend am lateralen Meniskus gelegene zystisch-degenerative Veränderung; breitbasige oder gestielte Verbindung zum eigentlichen Meniskus, 4. Meniskopathie. Traumatisch oder degenerativ entstandene Erkrankung der Menisci (Einriss, Abriss, Korbhenkelriss, Einklemmung), auch berufsbedingt (→ Bergmannsknie). Gelenkhöhle, Cavitas articularis. Das Cavum articulare ist durch vorspringende Bänder, Fett- und Synovialfalten, Menisci und mehrere gelenknahe Schleimbeutel buchtenreich und weit verzweigt. Von den Seiten der Patella entspringen die Plicae alares, die in das Corpus adiposum infrapatellare (→ Hoffa-Fettkörper) übergehen (Abb. 14.19, 20). Der Fettkörper ist unregelmäßig begrenzt, im Schnitt dreieckig und liegt mit seiner Basis dem Lig. patellae auf. Das Lig. transversum genus wird fast vollständig von Fettgewebe bedeckt. Zwischen der Fossa intercondylaris (vorn) und der Mitte des infrapatellaren Fettkörpers spannt sich die Plica synovialis infrapatellaris aus (Abb. 14.20), ein Überbleibsel eines während der Embryonalzeit vollständig erhaltenen Septums im vorderen Knie-

1125

gelenk. Im proximalen Bereich der Gelenkhöhle, am Übergang zur Bursa suprapatellaris, liegt eine weitere mit Fett unterfütterte Plica synovialis suprapatellaris. Schleimbeutel, Bursae (Abb. 14.19, 20). £ Bursa suprapatellaris. Oberhalb der Patella gele-

£

£

£ £

£

gen, bedeckt von der Quadrizepssehne. Ihre Wand wird vom M. articularis genus gespannt. Meist Verbindung zur Gelenkhöhle. Recessus subpopliteus. Zwischen Gelenkkapsel und Ursprungssehne des M. popliteus (Abb. 14.22) gelegen; immer mit Gelenkhöhle verbunden, kann auch mit der Articulatio tibiofibularis proximalis kommunizieren. Bursa m. semimembranosi. Unter der Ansatzsehne des M. semimembranosus gelegen, kommuniziert mit der Gelenkhöhle. Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis. Kann kommunizieren. Bursae prepatellares (subcutanea, subfascialis, subtendinea). Keine Verbindung zur Gelenkhöhle, Verschiebeeinrichtungen der Haut gegen die Patella. Bursa infrapatellaris profunda.

Röntgenanatomie. (Abb. 14.28, 29). In den üblichen Aufnahmerichtungen lassen sich neben Gelenkbestandteilen auch Skelettelemente des proximalen Tibiofibulargelenkes erkennen. Im a.-p.-Strahlengang (Abb. 14.29) sind Konturen der Condyli femoris und das Tibiakopfplateau mit der Eminentia intercondylaris sichtbar. Der Umriss der Patella hebt sich schwach angedeutet vom distalen Femurende ab. Epiphysenlinien der Kondylen und des Tibiakopfes entsprechen Zonen stärkerer Mineralisierung.

Im seitlichen Strahlengang (Abb. 14.29) überlagern sich z. T. die Profile der Kondylenumrisse und des Tibiakopfes. Der Spalt des Femoropatellargelenkes ist weit. Deutlich erkennt man die subchondrale Kompakta an der gelenkflächennahen Zone der Patella. Eine Beurteilung von Patellagleitlager und Facies articularis patellae erlaubt eine axiale (tangentiale) Aufnahme (→ Defilé-Aufnahme). Mechanik Das Bein ist Tragsäule und dient der Fortbewegung. Das Kniegelenk beteiligt sich am Vorführen des Spielbeines, sichert aber in Streckstellung den Stand. Das femorotibiale sowie das

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1126

a

a

b

b

Abb. 14.28: a. Röntgenbild des rechten Kniegelenkes einer 21-jährigen Frau im a.-p.-Strahlengang, b. MRT-Bild in coronaler Schnittebene durch das rechte Kniegelenk eines 55-jährigen Mannes in Höhe der Eminentia intercondylaris. (Mit freundlicher Genehmigung der Radiol. Gemeinschaftspraxis Drs. Nückel, Sewing, Vahlensieck und Westermann, Bonn)

Abb. 14.29: a. Röntgenbild des rechten Kniegelenkes einer 21-jährigen Frau im seitlichen Strahlengang bei leichter Beugung, b. MRT-Aufnahme in sagittaler Schnittebene durch das rechte Kniegelenk eines 36jährigen Mannes in Höhe der Mitte des Tibiakopfes. (Mit freundlicher Genehmigung der Radiol. Gemeinschaftspraxis Drs. Nückel, Sewing, Vahlensieck und Westermann, Bonn)

femoropatellare Gleitlager sind nicht nur vom Aufbau sondern auch von der Funktion her eng miteinander verkoppelt. Den Belastungen angepasst sind der Gelenkknorpel, der subchondrale Knochen und die Menisci als transportable Gelenkflächen. Sie übernehmen ein Drittel der Last.

• Stabilisiert wird das Kniegelenk vorwiegend durch Muskeln und Bänder. Eine knöcherne Führung ist im Femorotibialgelenk nicht vorhanden. Lediglich die Eminentia intercondylaris kann ein seitliches Verschieben einschränken. • In äußerster Streckstellung befinden sich Ober- und Unterschenkel in stabiler Lage. Beim Anheben des Beines wird im Kniegelenk gebeugt, die Beinlänge

14.1 Systematische Anatomie

1127

Normalwerte Kniegelenk Beugung/Streckung

120–150/0/5–10

5–10˚ 0˚

120–150˚

Abb. 14.30: Bewegungsausschläge im Kniegelenk









vermindert, um das Vorschwingen zu erleichtern. Das Kniegelenk ist relativ instabil. Die aktive Streckung kann beim Erwachsenen bis zu einem Winkel von 150° erfolgen. Passiv ist eine weitere Streckung um 5–10° möglich. Dagegen ist beim Neugeborenen, wegen der größeren Retroversio tibiae, eine vollständige Extension noch nicht zu erreichen. In der letzten Phase der Streckung erfolgt zwangsläufig eine Schlussrotation der Tibia. Sie wird durch den Zug des vorderen Kreuzbandes und die Form der Gelenkkörper im Sinne einer Außenrotation von 5–10° erreicht. Bei der Beugung im Kniegelenk wird aktiv ein Winkel von 120° gemessen. Passiv kann bis 160° gebeugt werden, bevor eine Weichteilhemmung eintritt. Die Bewegungsabläufe bei Beugung und Streckung sind zwangsläufig, aufgrund der Anordnung der Kreuz- und Kollateralbänder als eine geschlossene kinematische Kette anzusehen (→ Koppelgetriebemechanismus). Unabhängig von der Ausgangsstellung laufen daher Translations- und Rotationsbewegungen der Femurkondylen gegenüber dem Tibiakopf und den Menisci ab. Neben Beugung und Streckung erfolgt eine Innenund Außenkreiselung des Unterschenkels. Diese Rotationen können nur in Beugestellung des Knies erfolgen. Da bei vollständiger Streckung die Seitenbänder straff gespannt sind, ist eine Kreiselung unmöglich. Bei rechtwinklig gebeugtem Knie kann eine Außenrotation von maximal 40°, eine Innenrotation von etwa 10° erfolgen. Ab- und Adduktionsbewegungen sind nicht möglich. Die Rotationsstabilität sichern die Hauptbänder des Kniegelenkes. Während der Innenrotation sind die Kreuzbänder ineinander gedreht und gespannt. Während der Außenrotation wickeln sie sich auseinander. Umgekehrt sind die Kollateralbänder in der Außenrotationsstellung gespannt und während der Innenrotation lockerer. Weiterhin sichern die postero-medialen und die postero-lateralen Kapselverstärkungen die Rotationen im Knie. Im Femoropatellargelenk liegt eine sichere Knochenführung vor. Die Patella ruht in Streckstellung mit dem distalen Teil ihrer Gelenkfläche auf dem proximalen

Teil der Facies patellaris des Femur. Bei zunehmender Beugung gelangt sie in den tieferen, distalen Teil der Gleitrinne. Hier ist sie gegenüber einem seitlichen Verschieben gesichert. In Streckstellung lässt sich die Patella seitwärts verlagern. Ihr Gleitweg von der maximalen Streckung zur maximalen Beugung und umgekehrt beträgt 6–7 cm.

Klinik: 1. Angeborene Kniegelenkluxation. Ursache ist Entwicklungsstörung oder Lageanomalie in utero, 2. Genu varum (= O-Bein), angeboren oder posttraumatisch, 3. Genu valgum (= X-Bein), angeboren, einseitig auch nach Traumen. Sonst bei Rachitis, Hypogonadismus, Myopathien, Lähmungen, 4. Genu recurvatum (= Hohlknie). Abnorme Überstreckbarkeit durch Bänderschlaffheit, angeboren oder posttraumatisch, 5. Gonarthrose. Ursachen können Gelenkdysplasien, konstitutionell oder auch stoffwechselbedingte Achsenfehler sein. Möglicherweise sogar Qualitätsstörungen des Gelenkknorpels, 6. Osteochondrosis dissecans. Traumatische, subchondrale aseptische Knochennekrose. Häufig mit Herauslösen eines Knochen- oder Knorpelstückes als freier Gelenkkörper (→ Gelenkmaus mit Mausbett).

14.1.1.2.3 Unterschenkelknochenverbindung: Tibia, Schienbein, Fibula, Wadenbein Lernziele: Articulatio tibiofibularis, Membrana interossea cruris, Syndesmosis tibiofibularis, Malleolengabel Tibia und Fibula sind verbunden: 1. proximal durch ein echtes Gelenk, Articulatio tibiofibularis. 2. im Schaftbereich durch eine Zwischenknochenmembran, Membrana interossea cruris. 3. distal durch eine Bandhaft, Syndesmosis tibiofibularis. Schienbein-Wadenbein-Gelenk, Articulatio tibiofibularis. Korrespondierende Gelenkkörper sind Facies articularis fibularis tibiae und Facies articularis capitis fibulae (Abb. 14.4). Die tibiale Gelenkfläche liegt unter dem Seitenrand des Condylus lateralis. Die Gelenkkapsel wird vorn durch das Lig. capitis fibulae anterius und Anteile des Retinaculum patellae longitudinale laterale ver-

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1128 Eminentia intercondylaris Tuberculum Tuberculum intercondylare intercondylare laterale mediale Facies articularis superior

Area intercondylaris anterior Condylus medialis

Condylus lateralis Lig. capitis fibulae anterius

Tuberculum tractus iliotibialis (GERDY)

Caput fibulae

Tuberositas tibiae

Facies medialis

Margo medialis Facies medialis

Facies lateralis

Margo anterior Facies lateralis Membrana interossea cruris

• Funktion: In der Articulatio tibiofibularis sind geringgradige Translationsbewegungen in vertikaler und transversaler Richtung sowie leichte Rotationen möglich. Sie laufen parallel mit Auslenkungen in der Syndesmosis tibiofibularis ab.

Zwischenknochenmembran, Membrana interossea cruris (Abb. 14.31), ausgespannt zwischen den Margines interossei von Tibia und Fibula. Ihre straffen Bindegewebefasern verlaufen schräg von der Tibia nach distal zur Fibula. Sie ist proximal und in der Mitte breiter als distal. In Höhe des Fibulahalses liegt eine große Öffnung für den Durchtritt der Vasa tibialia anteriora. Oberhalb der Syndesmosis tibiofibularis treten Rr. perforantes der Vasa peronea (fibularia) durch eine schlitzförmige Öffnung nach ventral hindurch. • Funktion: Die Membrana interossea dient zahlreichen Unterschenkelmuskeln als Ursprungsfeld und stabilisiert außerdem die Syndesmosis tibiofibularis.

Margo interosseus

Facies medialis

Margo anterior

Lig. tibiofibulare anterius Malleolus medialis

Malleolus lateralis Facies articularis malleoli lateralis

stärkt. Hinten liegt das schwächere Lig. capitis fibulae posterius, über das die Ursprungssehne des M. popliteus hinwegzieht (Abb. 14.17, 18, 21, 22). Der darunter liegende Recessus subpopliteus kommuniziert in 20 % mit der Gelenkhöhle des Tibiofibulargelenkes. Dadurch ist eine Verbindung zum Binnenraum des Gelenkes möglich.

Facies articularis malleoli medialis Facies articularis inferior tibiae

Spalt der Syndesmosis tibiofibularis

Abb. 14.31: Tibia und Fibula von ventral mit ihren bandhaften Verbindungen

Bandhafte zwischen Schien- und Wadenbein, Syndesmosis tibiofibularis (Abb. 14.31). Knöchelnah liegt der distale Abschnitt der Fibula der konkaven Incisura fibularis tibiae (Abb. 14.4) gegenüber. Die aneinanderliegenden Flächen sind mit Periost bedeckt. Ein innengelegener Spalt, Recessus tibiofibularis, der mit der Gelenkhöhle des oberen Sprunggelenkes kommuniziert, wird durch eine größere Synovialfalte abgedeckt. Hyaliner Gelenkknorpel tritt in der Syndesmose nicht auf. Straffe Bänder an der Vorderseite, Lig. tibiofibulare anterius, und Rückseite, Lig. tibiofibulare posterius, der Syndesmose sichern die Stabilität der Malleolengabel. • Funktion: Bei Dorsalextension im oberen Sprunggelenk wird die Fibula geringfügig nach proximal und nach lateral verschoben sowie innenrotiert. Dagegen gleitet sie nach distal und medial während der Plantarflexion. Zusätzlich ist eine leichte Außenrotation der Fibula zu beobachten.

14.1 Systematische Anatomie

1129

14.1.1.2.4 Gelenke des Fußes, Articulationes pedis Der Fuß (Abb. 14.33, 34, 36, 37) hat die Aufgabe, als Stützorgan das Körpergewicht zu tragen sowie die Fortbewegung zu ermöglichen. Gegenüber dem Unterschenkel ist der Fuß rechtwinklig abgeknickt. Im Übergangsbereich liegen die beiden Sprunggelenke. Sie erlauben ausgiebige Bewegungen, die zusammen mit den straffen Gelenkführungen des übrigen Fußes eine optimale Anpassung an den Boden als Unterlage erlauben. Außerdem entsteht eine Längs- und Querwölbung, die bei Belastungen das Körpergewicht federnd tragen. Beim Abrollen des Fußes während der Fortbewegung kommt es im Zehenstand zu einer Verwringung des Vorfußes gegen den Rückfuß (Abb. 14.32). Zehen und Köpfe der Metatarsalknochen sind in Pronation an den Boden gepresst. Der Calcaneus ist durch die Kontraktion des Wadenmuskels supiniert. Dadurch wird der Fuß optimal stabilisiert.

Articulatio talocruralis M. flexor hallucis longus

Talus

Abb. 14.32: Zehenstand mit deutlicher Verwringung der Vorfüße im Sinne der Pronation

1. Oberes Sprunggelenk, Articulatio talocruralis (Abb. 14.33, 34) Lernziele: Gelenkkörper, Gelenkkapsel, Bänder, Mechanik Oberes und auch unteres Sprunggelenk sind knochen-, band- und muskelgeführte Bewegungseinrichtungen.

Tendo m. extensoris hallucis longi

Tibia

Lig. talocalcaneum interosseum Articulatio talocalcaneonavicularis Os naviculare

Tendo calcaneus

Lig. calcaneonaviculare plantare Os cuneiforme mediale

Corpus adiposum subtendineum

Tendo m. ext. hallucis longi M. adductor hallucis

Articulatio subtalaris

Articulatio metatarsophalangea hallucis Articulatio interphalangea

Bursa tendinis calcanei

Tuber calcanei Fersenpolster M. quadratus plantae

Aa., Vv., Nn. plantares

M. flexor Tendo m. flexoris digitorum brevis Aponeurosis hallucis et plantaris digitorum longi

Abb. 14.33: Sagittalschnitt durch einen rechten Fuß in Höhe der Großzehe

Os sesamoideum

Tendo m. flexoris hallucis longi

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1130

Membrana interossea cruris

Tibia

Fibula

Articulatio talocruralis

Syndesmosis tibiofibularis

Lig. deltoideum

Articulatio subtalaris

Talus Tuberositas ossis navicularis

Calcaneus Lig. talocalcaneum interosseum

Lig. bifurcatum

Articulatio talocalcaneonavicularis Articulatio cuneonavicularis

Lig. calcaneonaviculare

Os cuneiforme mediale

Lig. calcaneocuboideum

Ligg. intercuneiformia interossea Articulationes tarsometatarsales

Articulatio calcaneocuboidea Os cuboideum

Os metatarsale I

Tuberositas ossis metatarsalis V Os metatarsale V Ligg. metatarsalia interossea

Abb. 14.34: Bänder und Gelenke des rechten Fußes von dorsal und lateral. Die oberflächlichen Teile sind abgetragen. Die schwarzen Pfeile am medialen und lateralen Fußrand zeigen den Zugang zur Chopart- (Orientierung: Tuberositas ossis navicularis) und Lisfranc- (Orientierung: Tuberositas ossis metatarsalis V) Gelenklinie

Normalwerte Sprunggelenke Plantarflexion/Dorsalextension

Aufbau. Es artikuliert das Rollendach der Tibia, Facies articularis inferior, mit dem Rollenmantel der Trochlea tali, Facies superior. Die Rollenwangen des Talus werden von den Knöchelwangen medial und lateral eingefasst. Die Facies articularis malleoli medialis der Tibia artikuliert mit der Facies malleolaris medialis des Talus. An der Innenseite des fibularen Knöchels liegt die Facies articularis malleoli lateralis. Sie steht mit der Facies malleolaris lateralis des Talus in Gelenkkontakt.

40–50/0/20–30

20–30˚ 0˚

a

40–50˚ Pronation/Supination (bei fixiertem Calcaneus) Eversion/Inversion (gesamt)

Die Syndesmosis tibiofibularis (Abb. 14.31) mit Lig. tibiofibulare anterius und posterius sowie mediale und laterale kapselverstärkende Bandsysteme sichern das Gelenk. Diese greifen auch z. T. über die Gelenkspalte des unteren Sprunggelenkes hinweg und sichern dieses mit.

15/0/30 60/0/35

60˚ 30˚

35˚

15˚ 0˚



b

Abb. 14.35: Bewegungsausschläge im oberen Sprunggelenk (a); im unteren Sprunggelenk (b)

Lig. deltoideum. Die fächerförmig angeordneten Teilabschnitte des Lig. collaterale mediale (Lig. deltoideum) mit oberflächlichen langen und kurzen tiefen Bandzügen spannen sich zwischen Malleolus medialis, Talus, Calcaneus und Os naviculare aus: Pars tibiocalcanea, Pars tibionavicularis, Pars tibiotalaris anterior und posterior (Abb. 14.36). Laterale Bandstrukturen verlaufen vom Malleolus lateralis zum Talus und Calcaneus. Nahezu

14.1 Systematische Anatomie

1131

Lig. deltoideum

Tibia

Pars tibiotalaris ant. Pars tibionavicularis Talus

Ligg. tarsi dorsalia

Pars tibiotalaris post. Pars tibiocalcanearis

Os cuneiforme mediale

Lig. deltoideium

Talus

Lig. tarsometatarsale dorsale

[Lig. talocalcaneum post.] Lig. talocalcaneum mediale

Calcaneus

Tendo m. peronei longi Lig. plantare longum

Lig. calcaneonaviculare plantare

Lig. calcaneocuboideum plantare

Abb. 14.36: Bänder des rechten Fußes von medial

Lig. talocalcaneum interosseum

Fibula

Lig. calcaneocuboideum Lig. tibiofibulare

Lig. talofibulare

ant. post.

Lig. calcaneonaviculare

Lig. bifurcatum

Ligg. tarsi dorsalia

ant. post.

Ligg. metatarsalia dorsalia

Lig. talocalcaneum laterale Lig. calcaneofibulare

Lig. plantare longum Retinaculum mm. peroneorum inferius

Abb. 14.37: Bänder des rechten Fußes von lateral

Ligg. tarsometatarsalia dorsalia

Lig. calcaneocuboideum dorsale

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1132

horizontal zieht das häufig gedoppelt angelegte Lig. talofibulare anterius von der Vorderkante des lateralen Knöchels zum Collum tali. Für die Stabilisierung im oberen Sprunggelenk ist es von großer Wichtigkeit. Das kräftige Lig. talofibulare posterius entspringt an der Innenseite des Malleolus lateralis und inseriert am Processus posterior tali. Ebenfalls vom Vorderrand des seitlichen Knöchels löst sich das Lig. calcaneofibulare und zieht schräg nach hinten zur lateralen Calcaneusfläche, überdeckt von Sehnenscheiden der Mm. peronei (Abb. 14.37).

den Gangphasen entspricht das dem Aufsetzen der Ferse. Der Fuß wird fest verklammert. Beim Abrollen in die Plantarflexion ist die Führung lockerer. Die Facies superior der Trochlea tali ist vorn schmaler. Dadurch sind seitliche Verschiebungen und Drehungen des Talus möglich als Anpassung an den Untergrund. Die Bewegungsachse im oberen Sprunggelenk verläuft transversal. Sie ist gegenüber der Tibiaachse um 82° nach lateral geneigt (Abb. 14.5). Klinik: 1. Distorsion (Verstauchung, Zerrung, Verdrehung). Inkomplette Faserrisse der Bänder mit Schwellung, Hämatom, Funktionseinbuße durch indirekte Gewalteinwirkung (Umknicken des Fußes), 2. Bandruptur. Komplette Faserrissen durch indirekte Gewalt, 3. Knöchelfraktur (= Sprunggelenk-, Malleolarfraktur; Abb. 14.38). Häufigste Fraktur der unteren Extremität. Ein(meist Außenknöchel) oder beidseitiger (bimalleolärer) Knochenbruch durch indirekte Gewalteinwirkung (Umknicken des Fußes als Inversion-Adduktion oder Eversion-Abduktion). Einteilung nach Weber: Typ A, Fibulafraktur distal der intakten Syndesmose, Typ B, Fraktur auf Höhe der Syndesmose, Typ C, Fraktur proximal der Syndesmose mit Bandruptur; Sonderform der Weber-C-Fraktur ist die Maisonneuve-Fraktur (hohe Fibulafraktur mit Riss der Membrana interossea cruris und der Syndesmosis tibiofibularis sowie gleichzeitiger Innenknöchelfraktur bzw. Ruptur des Lig. deltoideum). 4. Syndesmosensprengung. Zerreißung der Syndesmosenbänder bei Fibulafraktur proximal (Typ Weber C) oder in Höhe des Syndesmosenspaltes (Typ Weber B) durch indirekte Gewalteinwirkung.

Vordere Bandzüge der medialen und lateralen Seitenbänder sichern das obere Sprunggelenk in Plantarflexion, während die hinten verlaufenden Bandzüge in Dorsalextension gespannt sind. Mittlere Faserzüge (Lig. calcaneofibulare und Pars tibiocalcanea des Lig. deltoideum) wirken einem Abknicken des Fußes nach medial (Varisierung) bzw. lateral (Valgisierung) entgegen. Gelenkkapsel. Sie ist an den Rändern der überknorpelten Flächen angeheftet. Die Malleolen liegen frei. Sie ist vorn und hinten dünn und dadurch leichter verletzbar. Vorn ist sie mit den Sehnenscheiden der Mm. extensores digitorum und hallucis verwachsen. Dadurch wird eine Einklemmung bei der Dorsalextension verhindert. Mechanik. Die Articulatio talocruralis ist nach der Form der Gelenkkörper ein Scharniergelenk mit einer sicheren Knochen- und Bandführung. Der Fuß kann gegenüber dem Unterschenkel um 20–30° dorsal extendiert und 40–50° plantar flektiert werden (Abb. 14.35). In Dorsalextension wird die Malleolengabel durch die nach hinten breiter werdende Trochlea tali auseinandergedrängt. Bei Membrana interossea Lig. tibiofibulare posterius Lig. deltoideum Lig. talofibulare posterius Lig. calcaneofibulare

a

Normal

Eversionsfraktur

Inversionsfraktur

Abb. 14.38: a. Bänder der Sprunggelenke und ihre Rolle bei Knöchelfrakturen, b. Knöchelfrakturen und Einteilung nach W. W. Weber

b

Typ A

Typ B

Typ C

14.1 Systematische Anatomie

2. Unteres Sprunggelenk, Articulatio subtalaris (talocalcanea) und Articulatio talocalcaneonavicularis (Abb. 14.33, 34) Lernziele: Articulatio subtalaris, Articulatio talocalcaneonavicularis, Lig. calcaneonaviculare plantare, Sinus tarsi, Mechanik Das untere Sprunggelenk bilden 2 separate Gelenke: 1. Articulatio subtalaris 2. Articulatio talocalcaneonavicularis. Funktionell sind die beiden Gelenke zu einer Einheit verbunden. Der Talus kann sich gegenüber dem Calcaneus und dem Os naviculare um eine schräg verlaufende Achse drehen (Abb. 14.5). Diese tritt lateral und plantar in das Tuber calcanei ein und kommt medial und dorsal aus dem Talushals heraus. Articulatio subtalaris. In der hinteren Kammer, Articulatio subtalaris, artikulieren die konkave Facies articularis calcanea posterior des Talus mit der konvexen Facies articularis talaris posterior des Calcaneus. Die an den Rändern der Gelenkflächen befestigte dünne Kapsel wird verstärkt durch: Lig. talocalcaneum laterale, Lig. talocalcaneum mediale, Lig. talocalcaneum posterius, Pars tibiocalcanea des Lig. deltoideum (Abb. 14.36). Articulatio talocalcaneonavicularis. In der vorderen Kammer artikulieren Talus, Calcaneus, Os naviculare und die Fibrocartilago navicularis mit dem Pfannenband. Die schräggeneigte angenähert kugelförmige Gelenkfläche des Taluskopfes, Facies articularis navicularis berührt die ovale Gelenkfläche des Os naviculare und das Pfannenband. Die Facies articularis calcanea anterior und posterior auf der Plantarseite des Talus artikulieren mit den Facies articulares talares anterior und posterior auf dem Sustentaculum tali des Calcaneus. Auf der Dorsalseite wird die Kapsel der vorderen Abteilung des unteren Sprunggelenkes durch das breite Lig. talonaviculare dorsale verstärkt. Medial und dorsal verläuft die Pars tibionavicularis des Lig. deltoideum (Abb. 14.36). Ein vom Sustentaculum tali kommendes Lig. calcaneonaviculare mediale (→ Lig. neglectum) und ein Lig. calcaneonaviculare als Teilbestand des Lig. bifurcatum sichern und führen den Taluskopf zusammen mit dem Os naviculare in einer osteoligamentären Schleife.

1133

Lig. calcaneonaviculare plantare. Das Pfannenband füllt die Lücke zwischen Calcaneus und Os naviculare aus (Abb. 14.36, 40). An der Kontaktzone mit dem Taluskopf ist Faserknorpel in das Band eingelagert, Fibrocartilago navicularis. Das Pfannenband unterstützt die Längswölbung des Fußes. Eine „tragende“ Funktion für den Talus, wie der Name vermuten lässt, hat es aber nicht. Sinus tarsi. Vordere und hintere Kammer des unteren Sprunggelenkes werden durch die Fußwurzelbucht, Sinus tarsi, getrennt (Abb. 14.34, 37). In diesem, von lateral nach medial enger werdenden Raum sind mehrere Bandzüge angelegt: £ Lig. talocalcaneum interosseum, ein Teil der

Fasern entspringt lateral vom Calcaneus und zieht zum Talushals. £ Retinaculum mm. extensorum inferius, bedeckt das Lig. talocalcaneum interosseum zusammen mit dem M. extensor digitorum brevis. £ Lig. canalis tarsi. Im engeren Teil der Fußwurzelbucht liegen mediale Anteile des Lig. talocalcaneum interosseum, die als Lig. canalis tarsi benannt werden. Funktion: Das untere Sprunggelenk ist ein ZapfenKugel-Gelenk. In ihm kann der Rückfuß um etwa 35–60° nach innen gedreht werden → Inversion. Die Außendrehung (→ Eversion) beträgt dagegen nur etwa 15–30°. Die Inversion der „subtalaren Fußplatte“ ist mit einer Adduktions-, die Eversion mit einer Abduktionsbewegung kombiniert. Da die Bewegungsachse des Gelenkes durch die Mitte des Sinus tarsi hindurchzieht, hemmen die lateralen interossären Bandfasern die Inversion und die medialen die Eversion. Klinik: Sinus-tarsi-Syndrom. Nach Umknicken mit dem Fuß (Inversionstrauma), Arthrosen in beiden Sprunggelenken, Fußfehlbildung oder Veränderung der Wölbungen des Fußes auftretende Schmerzen und Schwellungen im Bereich der Fußwurzelbucht mit Gefühl der Instabilität. 3. Gelenke zwischen den übrigen Fußwurzelknochen Lernziele: Articulatio calcaneocuboidea, Chopart-Gelenk, Articulationes intercuneiformes, Articulatio cuneocuboidea: Aufbau, Funktion

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1134

Fersenbein-Würfelbein-Gelenk, Articulatio calcaneocuboidea (Abb. 14.34) Articulatio tarsi transversa (Chopart-Gelenk). Die einander zugewandten Flächen von Calcaneus und Os cuboideum sind sattelförmig. Zusammen mit der Articulatio talonavicularis des unteren Sprunggelenkes bilden sie die Articulatio tarsi transversa. Gelenkkapsel, Bänder. Die Kapsel folgt den Rändern der Gelenkflächen. Sie ist dorsal, lateral und plantar durch Bänder verstärkt:

£ Das dorsal verlaufende Lig. calcaneocuboideum

ist Teil des Lig. bifurcatum. Seitlich davon liegt das Lig. calcaneocuboideum dorsale. £ Am lateralen Fußrand überquert das Lig. calcaneocuboideum laterale das Kalkaneokuboidgelenk. £ Als kurzer Anteil des Lig. plantare longum ist das Lig. calcaneocuboideum plantare fächerförmig in die Gelenkkapsel eingefasst (Abb. 14.39, 40).

Funktion: In der Articulatio calcaneocuboidea finden Drehbewegungen, geringfügig auch Plantarflexion und Dorsalextension des Vorfußes statt.

Tuber calcanei

Vagina tendinis m. tibialis posterioris

Vagina tendinis m. flexoris hallucis longi Lig. plantare longum Vagina tendinis m. flexoris digitorum longi Tendo m. tibialis posterioris (abgeschnitten)

Tuberositas ossis navicularis Ligg. tarsi plantaria

Os cuneiforme mediale

Tendo m. peronei longi (Ansatzzone)

Stratum superficiale (abgetragen) Stratum profundum

Tuberositas ossis metatarsalis V

Stratum superficiale als Ursprung der abgetragenen Mm. interossei Ligg. tarsometatarsalia plantaria

Ligg. metatarsalia plantaria

Abb. 14.39: Oberflächliche Bänder der Planta pedis. Die Sehnenscheide des M. peroneus longus ist zusammen mit den einstrahlenden Fasern des Stratum superficiale des Lig. plantare longum abgetragen worden

14.1 Systematische Anatomie

1135

Processus medialis tuberis calcanei Processus lateralis

Sulcus malleolaris tibiae Vagina syn. tendinis m. flexoris hallucis longi Sustentaculum tali Vagina tendinis m. flexoris digitorum longi Pars tibiocalcanearis lig. deltoidei (durchscheinend) Vagina tendinis m. tibialis posterioris Lig. calcaneonaviculare plantare

Lig. calcaneocuboideum plantare

Tuberositas ossis navicularis

Os cuboideum Sulcus tend. m. peronei longi et Vagina tendinis m. peronei longi

Ligg. tarsi plantaria

Os cuneiforme laterale

Tuberositas ossis metatarsalis V

Os cuneiforme mediale

Ligg. tarsometatarsalia plantaria

Ligg. metatarsalia plantaria Ligg. tarsometatarsalia plantaria

Abb. 14.40: Tiefe Bänder der Planta pedis und Sehnenscheiden

Keilbein-Kahnbein-Gelenk, Articulatio cuneonavicularis, Zwischenkeilbein-Gelenke, Articulationes intercuneiformes, Keilbein-Würfelbein-Gelenk, Articulatio cuneocuboideum (Abb. 14.33–40) Die Gelenkverbindungen der Knochen der distalen Fußwurzel sind Amphiarthrosen, gesichert durch Ligg. tarsi dorsalia, plantaria und interossea.

Funktion: Die Summe geringer Bewegungsausschläge in den Einzelgelenken ermöglicht eine Anpassung des Fußes an den Boden. Sie unterstützen die Querwölbung. Außerdem sind zusammen mit Ausschlägen im Chopart-Gelenk und den Articulationes tarsometatarsales Drehbewegungen des Vorfußes gegen den Rückfuß möglich (Abb. 14.32). Diese „Verwringung“ des Vorfußes beträgt im Sinne der Pronation etwa 15°, im Sinne der Supination etwa 35°. Die Gelenkhöhlen der distalen Fußwurzelgelenke kommunizieren mit den Articulationes tarsometatarsales II und II und intermetatarsales I und II.

1136

4. Fußwurzel-Mittelfußgelenke, Articulationes tarsometatarsales (Abb. 14.34, 37) Lernziele: Articulationes tarsometatarsales, Lisfranc-Gelenklinie, Articulationes intermetatarsales, Lig. plantare longum, Längs- und Querwölbungen des Fußes Die Fußwurzel-, Mittelfußgelenke und die Zwischengelenke des Mittelfußes sind straffe Gelenke (Amphiarthrosen). Korrespondierende Gelenkpartner bilden proximal das Os cuboideum sowie die Ossa cuneiformia und distal die Basen der Ossa metatarsalia. 3 getrennte Gelenkhöhlen sind angelegt: £ In der ersten artikulieren Os cuneiforme mediale

und Os metatarsale I. £ Im zweiten Tarsometatarsalgelenk stehen Os cuneiforme intermedium und laterale mit dem 2. und 3. Mittelfußknochen in Kontakt. £ Das Os cuboideum und die Basen des 4. und 5. Mittelfußknochens bilden die dritte Gelenkhöhle. Lisfranc-Gelenklinie. Zusammen bilden die Gelenke die Lisfranc-Gelenklinie. Sie ist durch die unterschiedliche Größe und Position der Mittelfußknochen mehrfach abgeknickt. Ihre Lage lässt sich an der deutlich tastbaren Tuberositas ossis metatarsalis V bestimmen. Die Gelenke als Amphiarthrosen lassen jedoch in geringem Ausmaß Bewegungen zu: Plantarflexion und Dorsalextension der distalen Fußabschnitte und Beteiligung an der Verdrehung des Vorfußes. Gesichert werden diese Bewegungsausschläge durch dorsale, plantare und interossäre tarsometatarsale Bänder (Abb. 14.34, 36, 37, 40). 5. Gelenke zwischen den Mittelfußknochen, Articulationes intermetatarsales (Abb. 14.34) Die Gelenkflächen liegen an den einander zugewandten Seiten der Basen der Metatarsalknochen II–V. Lig. plantare longum. Straffe Bänder verlaufen dorsal, plantar und interossär zwischen den proximalen Anteilen der Mittelfußknochen: Plantar

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

werden die Gelenke der Fußwurzel und des Mittelfußes durch das Lig. plantare longum überquert (Abb. 14.36, 39). Es entspringt an der Unterfläche des Tuber calcanei und setzt mit tiefen Fasern an der Tuberositas ossis cuboidea an (Lig. calcaneocuboideum plantare). Oberflächlich verlaufende längere Fasern überqueren die Sehnenscheide des M. peroneus longus. Aufgefächert in mehrere Stränge setzen die Bandzüge an den Basen der Ossa metatarsalia II–V an. • Funktion. Das Lig. plantare longum ist am Erhalt der Längswölbung des Fußes maßgeblich beteiligt. 6. Zehengrundgelenke, Articulationes metatarsophalangeae Lernziele: Aufbau und Funktion der Articulationes metatarsophalangeae Die Köpfe der Mittelfußknochen artikulieren mit den Basen der Grundphalangen der Zehen. Plantar gleiten die Metatarsalköpfe in faserknorpeligen Platten (plantare Platten). Die Gelenkkapseln werden durch die Dorsalaponeurose und die Ligg. collateralia verstärkt: £ Ligg. plantaria. Plantar erhalten die Gelenkkap-

seln durch die den plantaren Platten anliegenden Ligg. plantaria eine zusätzliche Verstärkung. £ Lig. metatarsale transversum profundum. Zwischen den plantaren Stützen der Zehengrundgelenke verläuft das Lig. metatarsale transversum profundum. Es zügelt die metatarsophalangealen Gelenkabschnitte und hilft durch seine Verspannung, die Querwölbung des Fußes zu erhalten. Funktion: Scharnierbewegung. Die Zehen können aktiv zwischen 30–40° gebeugt und 50–60° gestreckt werden. Seitwärtsbewegungen sind nur in geringem Maße möglich. An der Großzehe kann zwischen 40–45° gebeugt und 60–70° gestreckt werden. 7. Mittel- und Endgelenke der Zehen, Articulationes interphalangeae pedis Lernziele: Aufbau und Funktion der Articulationes interphalangeae pedis

14.1 Systematische Anatomie

Hier artikulieren die rollenähnlich gekrümmten Gelenkflächen der proximalen und mittleren Phalangenköpfe mit den Basen der Mittel- und Endphalangen. Die Gelenkkapseln werden, wie an den Grundgelenken, durch die Dorsalaponeurose und Kollateralbänder verstärkt. Plantar bilden die faserknorpeligen plantaren Platten eine Gelenkunterstützung. Funktion: Die Zehengelenke sind Scharniergelenke. Im Mittelgelenk sind zumeist nur Plantarflexionen von 35° möglich. In den Endgelenken kann bis zu 60° gebeugt und bis 30° gestreckt werden. An der Großzehe ist eine Beugung im Interphalangealgelenk zwischen 70–80° möglich. Allgemeine anatomische Betrachtungen des Fußes Lernziele: Röntgenanatomie, Statik und Mechanik des Fußes, Fußwölbungen/Fußgewölbe 1. Röntgenanatomie des Fußes (Abb. 14.43). Form und Struktur von Knochen und Gelenken sind am besten in Aufnahmen mit seitlichem Strahlengang zu identifizieren. • Die Sprunggelenke müssen im sagittalen und seitlichen Strahlengang geröntgt werden! • Auf a.-p.-Aufnahmen lassen sich besonders die Malleolengabel und die Trochlea tali gut überblicken. Der subtalare Bereich der Fußwurzel ist dagegen durch eine Übereinanderprojektion der Knochen nicht zu beurteilen. • Der seitliche Strahlengang löst sowohl die Gelenkbereiche des oberen als auch des unteren Sprunggelenkes deutlicher auf. Außerdem kann man den Verlauf der Spongiosatrabekel, v. a. in der distalen Tibia, dem Talus und Calcaneus verfolgen.

2. Statik und Mechanik des Fußes. Im aufrechten Stand wird ein Teil des Körpergewichts im oberen Sprunggelenk auf den Vor- und Rückfuß übertragen. Das Lot des Körperschwerpunktes trifft distal von der querverlaufenden Achse des oberen Sprunggelenkes die Unterstützungsfläche. Diese ist am größten und für die Erhaltung des Gleichgewichtes am günstigsten, wenn die medialen Fußränder einen nach vorn offenen Winkel von 30° bilden. Das Körpergewicht wird über das Tuber calcanei auf das Fersenpolster und am Vorfuß über die Köpfe der Mittelfußknochen auf die Zehenballen

1137

übertragen. Das Baufett der Fußsohle ist nach Art eines Druckkammersystems konstruiert und mildert den Belastungsdruck wie ein Stoßdämpfer. 3. Fußwölbungen Die Skeletteile des Fußes und ihre bindegewebigen Verspannungen sind in Form einer Längsund einer kürzeren Querwölbung aufgebaut. Dieses Funktionsprinzip folgt der Umwandlung des Greiffußes der Anthropomorphen zum Standund Lauffuß des Menschen. Der Calcaneus hat sich aufgerichtet, so dass der Talus über dem Fersenbein wie ein knöcherner Meniskus die Lastverteilung an einen kürzeren hinteren und einen längeren vorderen Hebel weitergibt (Abb. 14.33). Dem sind auch die Spongiosatrabekel in den Fußknochen angepasst. £ Die Längswölbung ist an der medialen Seite

höher als an der lateralen. Medial läuft die Wölbung vom Tuber calcanei über den Talus, das Os naviculare, die Ossa cuneiformia zu den Köpfen der Mittelfußknochen I–III (Abb. 14.7). Der laterale Wölbungsbogen zieht über das Tuber calcanei zum Os cuboideum und zu den Köpfen der Mittelfußknochen IV, V. Die Längswölbung wird durch den M. tibialis posterior, die kurzen Muskeln der Fußsohle sowie die plantaren Fußbänder (Lig. calcaneonaviculare plantare, Lig. plantare longum) und die Plantaraponeurose gesichert. £ Die Querwölbung ergibt sich aus der Lage von Calcaneus, Talus und Os naviculare sowie der keilförmigen Anlage der Ossa cuneiformia und des Os cuboideum (Abb. 14.41). Die Verklammerung der Querwölbung erfolgt durch Bänder, Muskeln und Sehnen. Besonders die am mittleren und seitlichen Keilbein ansetzenden Sehnenzüge des M. tibialis posterior und der schräg vom Os cuboideum zur Basis des Os metatarsale I ziehenden Sehne des M. peroneus longus wirken an der Erhaltung der Querwölbung mit. £ Die Höhe der Fußwölbungen ist abhängig von der Fußstellung und -haltung (Abb. 14.42). Beim Pes varus ist die Längswölbung höher, bei Valgus-Stellung niedriger. Außerdem besteht eine Belastungsabhängigkeit. Die Tendenz der Abflachung der Wölbungen durch die Belastungen des Körpergewichts wird durch die Verspannung der plantaren Bänder und Muskeln

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1138 Ossa cuneiformia

Os cuboideum

M. tibialis posterior

a

M. peroneus longus

b Abb. 14.41: Querwölbung des Fußes, a. Verklammerung der Wölbung des Vorfußes durch die Sehnen des M. tibialis posterior und des M. peroneus longus, b. Nur noch geringe Querwölbung im Bereich der Köpfe der Mittelfußknochen (nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth)

a

b

c

d

Abb. 14.42: Fußabdrücke: normaler Fuß mit sehr hoher (a), hoher (b), niedriger Wölbung (c), d. Plattfuß

verhindert. Sie wirken als Zuggurtung mit dem mechanisch günstigen Effekt der Verminderung der Biegebeanspruchung der Mittelfußknochen. Infolge Überbeanspruchung kann es zu einer Insuffizienz der muskulären Verspannung der Planta pedis kommen. Die Biegebeanspruchung wird exzentrisch. Die Mittelfußknochen reagieren durch Umbau des Knochenmaterials. Unangepasst können dadurch Frakturen an den Mittelfußknochen entstehen (→ Marschfraktur). Klinik: 1. Spaltfuß. Angeborene Fehlbildung (Minusvariante). Spalt zwischen 2. und 3. Mittelfußknochen (→ Krebsschere), 3. Zehe fehlt. Artikulation zwischen 1. und 2. Mittelfußknochen und großer Zehe, bzw. 3. und 4. Mittelfußknochen mit 4. Zehe, 2. Pes valgus, (= Knickfuß). Der Fuß wird auf dem inneren Rand aufgesetzt, 3. Pes planus (= Plattfuß), Pes planovalgus (= Knick-Plattfuß). Abflachung des Fußskeletts und Steilstellung des Talus mit Abkippen des Calcaneus nach plantar, 4. Pes transversoplanus (= Spreizfuß). Häufigste Belastungsdeformität des Fußes. Abflachung der Querwölbung, Vorfußverbreiterung durch Divergieren der Metatarsalknochen, 5. Pes adductus (= Sichelfuß). Vorfuß steht in Adduktion (Metatarsus varus), Rückfuß in Valgusstellung, 6. Pes equinus (= Spitzfuß). Fixierte Plantarflexion im oberen Sprunggelenk. Anheben der Fußspitze unmöglich. Ursache: Paralyse, Spasmus, nach Unfällen, 7. Pes equinovarus (= Klumpfuß), s. Klinik unter Fehlbildungen, 8. Pes calcaneus (= Hackenfuß). Steilstellung des Fersenbeines und Verstärkung der Längswölbung, angeboren oder erworben, 9. Pes cavus (= Hohlfuß). Starke

Abb. 14.43: Röntgenbild des rechten Fußes eines 26-jährigen Mannes im seitlichen Strahlengang. (Mit freundlicher Genehmigung der Radiol. Gemeinschaftspraxis Drs. Nückel, Sewing, Vahlensieck und Westermann, Bonn)

14.1 Systematische Anatomie

Ausprägung der Längswölbung, Supination des Rück-, Pronation des Vorfußes. Häufig kombiniert mit Krallenzehen, 10. Zehendeformitäten: 10.1 Hallux valgus: Lateralabweichung der Großzehe mit Subluxation im Grundgelenk bei Varusposition des Os metatarsale I, Spreizfuß. Ursache: zu enges Schuhwerk, rheumatoide Arthritis, Lähmungen, Verletzungen (→ Pes transverso-planus), täuscht Exostose vor, 10.2 Digitus malleus (= Hammer-, Krallenzehe). Beugekontraktur der Zehenmittel- bzw. -endgelenke mit Überstreckung im Grundgelenk, im Frühstadium noch passiv ausgleichbar, später weder passiv noch aktiv korrigierbare Kontraktur der Zehen II–V, 10.3. Hallux rigidus. Teilversteifung im Großzehengrundgelenk infolge Arthrose bei Überbeanspruchung. Bei Jugendlichen Epiphysenerkrankung im Grundgelenkbereich, 11. Metatarsalgie (= Morton-Neuralgie). Vorfußschmerzen als Druckmetatarsalgie im Grundgelenk, plantare Kapsulitis, Tenosynovitis der Beugesehnen, Neuralgie (Nn. digitales plantares communes = Morton-Metatarsalgie), Marschfraktur.

14.1.2

Aktiver Bewegungsapparat

14.1.2.1

Muskellehre, Systema musculare (Musculi)

14.1.2.1.1 Hüftgelenkmuskeln Lernziele: Innere Hüftmuskeln, Äußere Hüftmuskeln, Halte- und Bewegungsfunktionen Die Hüftmuskulatur besteht aus inneren (vorderen) und äußeren (hinteren) Muskelgruppen. Hüftgelenkmuskeln (= Hüftmuskeln) entspringen breitflächig am Becken und setzen proximal am Femur im Bereich der beiden Rollhügel (Trochanter major und minor) an. Die vom Becken stammenden Oberschenkelmuskeln setzen entweder distal am Femur (Mm. adductores) an oder sie ziehen über das Kniegelenk hinweg zum proximalen Ende der Unterschenkelknochen (Beuge- und Streckmuskeln). Ansätze der Hüft- und Ursprünge der Oberschenkelmuskeln überschneiden sich in Höhe des Hüftgelenkes:

1139

• Hüftmuskeln bewegen die freie untere Extremität in verschiedene Richtungen, eine Voraussetzung für Fortbewegung. • Hüftmuskeln bewegen das Becken gegenüber der freien unteren Extremität = Beckenneigungen: Liegen, Sitzen, Stehen, Aufrichten aus der Hocke. • Hüftmuskeln stabilisieren den Beckenring im Zusammenwirken mit der freien unteren Extremität im einund zweibeinigen Stand.

Innere oder vordere Hüftmuskeln M. iliopsoas (Abb. 14.48). 2 Anteile (nach dem Ursprung): 1.

M. psoas major

£ Oberflächliche Schicht. O.: 12. BWK–4. LWK und zugehörige Disci intervertebrales. £ Tiefe Schicht. O.: an den Processus costarii aller LWK. Im erweiterten Sinn kann der Muskel zur hinteren Bauchwand (Kap. 11.1.3, S. 919) gezählt werden. 2.

M. psoas minor (Vorkommen: 30 %). O.: am 12. BWK und 1. LWK.

3.

M. iliacus

O.: Fossa iliaca I.: ziehen durch die Lacuna musculorum und setzen gemeinsam am Trochanter minor an (M. psoas minor an Fascia iliaca und Eminentia iliopectinea). Bursa iliopectinea. Zwischen der Kapsel des Hüftgelenkes und dem M. iliopsoas liegt die B. iliopectinea. Sie kann in 15 % mit dem Hüftgelenk kommunizieren. L.: Äste aus Plexus lumbalis und N. femoralis (L2 –L3); A. obturatoria, A. iliolumbalis. F.: kräftiger Beuger des Hüftgelenkes, Außenrotation, Adduktion. Bei Rückenlage Aufrichten des Rumpfes. M. psoas major beugt die LWS nach vorn. Bei einseitiger Innervation Seitneigung LWS. Äußere oder hintere Hüftmuskeln 1.

M. gluteus maximus (Abb. 14.44, 45).

O.: Facies glutea des Darmbeines (hinter Linea glutea posterior), Faszienverstärkung des M. gluteus medius, Fascia thoracolumbalis, Seitenrand von Kreuz- und Steißbein, Lig. sacrotuberale.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1140

M. latissimus dorsi

Trigonum lumbale

Fascia thoracolumbalis

Fascia m. glutei medii, Tractus iliotibialis

M. gluteus maximus

M. obliquus externus abdominis Crista iliaca Spina iliaca anterior superior

M. sartorius M. tensor fasciae latae Trochanter major

M. rectus femoris Sitzhalfter, Sulcus gluteus

Tractus iliotibialis

Caput longum

M. vastus lateralis

M. biceps femoris Caput breve

M. semitendinosus M. semimembranosus Schnittrand des Septum intermusculare femoris laterale M. plantaris Bizepssehne, Caput fibulae

Abb. 14.44: Äußere Hüft- und Oberschenkelmuskeln von lateral

Tendo m. recti femoris

Tractus iliotibialis Retinaculum patellae laterale Patella Lig. patellae Tuberositas tibiae

14.1 Systematische Anatomie

1141

M. latissimus dorsi

Fascia thoracolumbalis Spina iliaca posterior superior

M. gluteus maximus

Trigonum lumbale

M. obliquus externus abdominis Crista iliaca, Tractus iliotibialis

M. gluteus medius

Trochanter major

Rest der Fascia lata

Sitzhalfter

M. adductor magnus M. semitendinosus M. semimembranosus

Caput longum m. bicipitis femoris Tractus iliotibialis über dem M. vastus lateralis

Caput breve m. bicipitis femoris

M. gracilis

M. semitendinosus M. semimembranosus

N. tibialis M. plantaris

Tendo m. gracilis

Caput laterale m. gastrocnemii

Tendo m. sartorii

N. peroneus [ fibularis ] communis

Caput mediale m. gastrocnemii

Bizepssehne, Caput fibulae

Abb. 14.45: Oberflächliche Schicht der äußeren Hüft- und hinteren Oberschenkelmuskeln

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1142

I.: proximale Zweidrittel im Tractus iliotibialis (Fascia lata), distales Drittel an der Tuberositas glutea. L.: N. gluteus inferior (L4 – S1(2)); A. glutea inferior und superior. F.: Großer physiologischer Querschnitt, Antagonist des M. iliopsoas, Streckung und Außenrotation im Hüftgelenk. Proximale Fasern Abduktion, distale Fasern Adduktion. Streckung im Hüftgelenk wichtig für Aufrichtung des Körpers (aus der Hocke, beim Aufstehen, Treppensteigen, Klettern). Verhindert beim aufrechten Gang das Überkippen nach vorn. Wenn der Muskel gelähmt ist, können Gehen und Stehen sehr erschwert sein. Der Patient kommt in große Gefahr zu fallen, wenn er mit dem Knie einknickt. Die in den Tractus iliotibialis einstrahlenden Fasern spannen die Fascia lata und unterstützen die Schlussrotation im Kniegelenk. Bursa trochanterica. Zwischen Trochanter major und Innenfläche des Muskels liegt die B. trochanterica. Im Stehen deckt der Muskel das Tuber ischiadicum ab. Im Sitzen gleitet er herauf, so dass Druckkräfte beim Sitzen auf den Sitzknorren übertragen werden. 2.

M. tensor fasciae latae (Abb. 14.44).

O.: Spina iliaca anterior superior. I.: verläuft vor dem Trochanter major schräg nach hinten zum Tractus iliotibialis (Ansatz am Tuberculum tractus iliotibialis Gerdy). L.: N. gluteus superior (L4–L5); A. glutea superior. F.: Beugung, Abduktion und Innenrotation im Hüftgelenk, presst den Femurkopf in das Acetabulum, stabilisiert das Kniegelenk. 3.

M. gluteus medius (Abb. 14.46).

O.: Ala ossis ilii (Facies glutea), zwischen Crista iliaca und Linea glutea anterior und posterior sowie der Muskelfaszie. I.: seitliche Außenfläche des Trochanter major. Zwischen der Sehne des M. gluteus medius und dem Trochanter major liegt die Bursa trochanterica m. glutei medii. L. : N. gluteus superior (L4–S1); A. glutea superior. F.: Abduktion, vordere Fasern Beugung im Hüftgelenk und Innenrotation, hintere Fasern Streckung und Außenrotation, Stabilisierung des

Beckens in der Frontalebene, verhindert das Absinken des Beckens auf der Seite des Spielbeines beim einbeinigen Stand oder Gehen. 4.

M. gluteus minimus (Abb. 14.46).

Wird vollständig vom M. gluteus medius bedeckt. O.: Facies glutea der Ala ossis ilii zwischen Linea glutea anterior und inferior. I.: Vorderrand des Trochanter major mit Bursa trochanterica m. glutei minimi. L.: N. gluteus superior (L4–S1); A. glutea superior. F.: wie M. gluteus medius. Trendelenburg-Zeichen: Sind die kleinen Gesäßmuskeln gelähmt oder liegen Fehlstellungen im Hüftgelenk vor (Hüftgelenkluxation, Schenkelhalsfraktur, Epiphysenlösung) mit Verminderung des Abstandes zwischen Ursprung und Ansatz (→ passive Insuffizienz der Muskeln), sinkt das Becken beim Gehen auf der Spielbeinseite herab, bei beidseitiger Lähmung Watschelgang. 5.

M. piriformis (Abb. 14.46, 48, 50).

O.: Facies pelvina ossis sacri, Seitenränder der Foramina sacralia pelvina, Ränder der Incisura ischiadica major. I.: Spitze des Trochanter major mit Bursa m. piriformis. L.: dorsale Äste des Plexus sacralis (L5–S1–2); A. sacralis lateralis. F.: Außenrotation des Hüftgelenks und Abduktion. Unterteilt das Foramen ischiadicum majus in ein Foramen supra- bzw. infrapiriforme. Variationen: 1. Muskel kann fehlen, 2. Muskel kann zwei- oder dreigeteilt sein. 6.

M. obturatorius internus (Abb. 14.46, 50)

O.: Innenfläche der Membrana obturatoria und angrenzender Knochen (Canalis obturatorius bleibt muskelfrei). I.: Fossa trochanterica. L.: Äste des Plexus sacralis, N. gluteus inferior, N. pudendus (L5–S2–3); A. obturatoria, A. glutea inferior. F.: Außenrotation, Adduktion, Retroversion im Hüftgelenk. Der Muskel zieht durch das Foramen ischiadicum minus. Die Incisura ischiadica minor dient dem

14.1 Systematische Anatomie

1143

M. latissimus dorsi M. obliquus externus abdominis

Fascia thoracolumbalis

Trigonum lumbale Crista iliaca

Spina iliaca posterior superior

M. gluteus maximus ( Schnittrand ) M. piriformis M. gemellus superior

M. gluteus medius

Spina ischiadica Trochanter major

Lig. sacrotuberale

Bursa trochanterica m. glut. max.

M. obturatorius internus M. gemellus inferior

M. quadratus femoris

Tuber ischiadicum

Tractus iliotibialis ( Schnittrand )

N. ischiadicus, ischiokrurale Muskeln M. adductor magnus, Rest der Fascia lata

M. adductor magnus M. gluteus maximus ( Ansatz an der Tuberositas glutea )

Caput longum m. bicipitis femoris

M. adductor magnus, N. ischiadicus

Tractus iliotibialis

M. semitendinosus

M. vastus lateralis

M. semimembranosus M. gracilis

Caput breve m. bicipitis femoris Septum intermusculare femoris laterale Caput longum m. bicipitis femoris

M. semimembranosus M. semitendinosus M. gracilis M. sartorius

N. tibialis M. plantaris N. peroneus [ fibularis ] communis Bizepssehne, Caput fibulae

Abb. 14.46: Mittlere und tiefe Schicht der äußeren Hüftmuskeln, hintere Oberschenkelmuskeln. Austritt und Verlauf des N. ischiadicus ist durch Fensterung des M. gluteus maximus und des langen Bizepskopfes dargestellt

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1144

M. obturatorius internus als Hypomochlion. Zwischen Ansatzsehne und Knochen liegt die Bursa ischiadica m. obturatorii interni. 7.

M. gemellus superior

O.: Spina ischiadica. 8.

M. gemellus inferior (Abb. 14.46)

O.: Tuber ischiadicum. I.: gemeinsam mit der Sehne des M. obturatorius internus in der Fossa trochanterica. L.: Plexus sacralis (L5, S1–2); A. obturatoria, A. glutea inferior. F.: Außenrotation, Adduktion und Retroversion im Hüftgelenk. 9.

M. quadratus femoris (Abb. 14.46)

O.: Tuber ischiadicum. I.: Trochanter major, Crista intertrochanterica. L.: N. gluteus inferior, N. ischiadicus (L5–S2), A. glutea inferior, Ramus profundus der A. circumflexa femoris medialis F.: Außenrotation. 10. M. obturatorius externus (Abb. 14.48) O.: Außenfläche der Membrana obturatoria, Ramus ossis ischii. I.: Fossa trochanterica. L.: N. obturatorius (L3–L4), A. obturatoria. F.: Außenrotation, Adduktion. Der Muskel wird vollständig von den übrigen Hüftgelenkmuskeln bedeckt.

14.1.2.1.2 Oberschenkelmuskeln Lernziele: Adduktoren, Extensoren: M. quadriceps femoris, M. sartorius; Flexoren: ischiokrurale Muskelgruppe, Pes anserinus Die Oberschenkelmuskulatur gliedert sich in Extensoren, Flexoren und Adduktoren, die durch Septa intermuscularia getrennt sind. Unter systematischen und topographischen Gesichtspunkten werden unterschieden: 1. Adduktoren des Oberschenkels. 2. Muskeln der Regio femoris anterior (Extensoren). 3. Muskeln der Regio femoris posterior (Flexoren).

Nach der Funktion unterscheidet man Muskeln, 1. die nur auf das Hüftgelenk wirken: Adduktoren (außer Gracilis) 2. die nur auf das Kniegelenk wirken: Mm. vasti des M. quadriceps femoris, Caput breve des M. biceps femoris 3. die auf Hüft- und Kniegelenk wirken: alle übrigen Muskeln. Mm. adductores 1.

M. pectineus (Abb. 14.47, 48)

O.: Pecten ossis pubis, Eminentia iliopubica, Tuberculum pubicum. I.: Linea pectinea femoris und Linea aspera femoris (proximal). L.: N. femoralis (L1–3), (seltener) N. obturatorius (L4); A. obturatoria, A. circumflexa femoris medialis, A. pudenda externa, A. perforans I aus A. profunda femoris. F.: Beugung und Adduktion im Hüftgelenk, Außenrotation. 2.

M. gracilis (Abb. 14.46–48, 50)

O.: Ramus inferior ossis pubis, ventrale Seite der Symphyse. I.: gemeinsam mit den Sehnen des M. sartorius und M. semitendinosus (Pes anserinus superficialis) an der Tuberositas tibiae und Fascia cruris. L.: N. obturatorius (L1–2); A. obturatoria. F.: Zweigelenkiger Muskel: bei gestrecktem Knie Adduktion im Hüftgelenk, Beugung im Hüftgelenk (40°); am Kniegelenk Beugung und Innenrotation. 3.

M. adductor longus (Abb. 14.47, 48, 50)

O.: Ramus superior ossis pubis, Ventralseite der Symphyse. I.: mittleres Drittel des Labium mediale der Linea aspera femoris. L.: N. obturatorius (L2–L4); A. obturatoria. F.: Adduktion, Beugung im Hüftgelenk. 4.

M. adductor brevis (Abb. 14.48)

O.: Ramus inferior ossis pubis. I.: Labium mediale der Linea aspera femoris (proximal vom M. adductor longus). L.: N. obturatorius; A. obturatoria. F.: Adduktion, Beugung im Hüftgelenk.

14.1 Systematische Anatomie

1145

Umbilicus M. obliquus externus abdominis

Linea alba Spina iliaca anterior superior M. gluteus medius

N., A., V. femoralis

Lig. inguinale M. iliopsoas

Lig. fundiforme penis

M. tensor fasciae latae

Funiculus spermaticus M. pectineus

M. sartorius A., V. femoralis

Tractus iliotibialis M. adductor longus

M. rectus femoris M. vastus lateralis

M. adductor magnus

M. sartorius

M. vastus medialis

Quadrizepssehne

Patella Pes anserinus superficialis Lig. patellae Tuberositas tibiae

Abb. 14.47: Oberschenkelmuskeln von ventral. A. und V. femoralis sind streckenweise entfernt, um den M. pectineus darzustellen

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1146

Arcus lumbocostalis lateralis Costa XII

M. quadratus lumborum

Arcus lumbocostalis medialis Crus mediale diaphragmatis

M. psoas major

Crista iliaca Schnittrand der platten Bauchmuskeln M. iliacus Spina iliaca anterior superior M. sartorius Tractus iliotibialis M. iliopsoas, N. femoralis

M. tensor fasciae latae M. rectus femoris

Promontorium M. piriformis Lig. sacrospinale, M. coccygeus M. pectineus Lig. inguinale, Tuberculum pubicum

M. obturatorius externus M. adductor brevis M. pectineus

Tractus iliotibialis M. vastus intermedius

M. gracilis M. adductor longus ( gefenstert )

A., V. femoralis M. rectus femoris

Canalis adductorius, Membrana vastoadductoria M. sartorius

M. vastus lateralis

Quadrizepssehne

Retinaculum patellae laterale

M. vastus medialis

Patella

Retinaculum patellae mediale

Lig patellae Tuberositas tibiae

Pes anserinus superficialis

Abb. 14.48: Innere Hüftmuskeln. Die Oberschenkelmuskeln sind zum Teil entfernt bzw. gefenstert, um die tiefe Lage darzustellen

14.1 Systematische Anatomie

1147

M. gluteus medius

bogenförmiges Ursprungsfeld der Adduktoren

Ansatz der Adduktoren an der Linea aspera

Standbein

Spielbein

Hiatus adductorius

Abb. 14.49: Zusammenspiel der Adduktoren mit dem M. gluteus medius. Die linke Adduktorengruppe ist nur in Umrissen gezeichnet

5.

M. adductor magnus (Abb. 14.45, 46, 48, 50)

O.: Vorderfläche Ramus inferior ossis pubis, Ramus ossis ischii, Tuber ischiadicum. I.: oberflächliche Fasern am distalen Ende des Labium mediale der Linea aspera femoris und am Tuberculum adductorium des Epicondylus femoris medialis, tiefe Fasern am Labium mediale der Linea aspera. L.: N. obturatorius (L3–L4), Tibialisanteil des N. ischiadicus (L4–L5); A. obturatoria. F.: Adduktion, Streckung, Innenrotation im Hüftgelenk. Hiatus adductorius (Hunter). Zwischen den zum Tuberculum adductorium sowie zur Linea aspera ziehenden Sehnenfasern und dem Femurschaft liegt der Hiatus adductorius, das distale Ende des Canalis adductorius.

6.

M. adductor minimus (Abb. 14.48)

Am weitesten proximal liegende Fasern des M. adductor magnus. O.: Ramus inferior ossis pubis. I.: Labium mediale der Linea aspera. L.: N. obturatorius, Ramus ascendens der A. circumflexa femoris medialis. F.: Adduktion, Außenrotation und Beugung im Hüftgelenk. Hauptfunktion der Adduktoren ist die Stabilisierung des Beckens im Stehen und Gehen (Abb. 14.49). Sie verhindern ein Kippen des Beckens nach vorn und ein Abspreizen der Beine nach lateral (→ Schenkelschluss der Reiter). Klinik: Reiterknochen. Heterotope Ossifikation in Adduktoren durch Mikrotraumata (Myositis ossificans). Ursache: Reitsport.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1148

ment im Kniegelenk. M. vastus medialis unterstützt Innen-, M. vastus lateralis Außenrotation im gebeugten Kniegelenk. M. rectus femoris wirkt zusätzlich als Beuger im Hüftgelenk (zweigelenkiger Muskel).

Muskeln der Regio femoris anterior (Extensoren) 1.

M. sartorius (Abb. 14.47, 48, 50)

Parallelfaseriger Muskel mit sehr langen Muskelfasern. O.: I.: L.: F.:

Spina iliaca anterior superior. Pes anserinus superficialis, Tuberositas tibiae. N. femoralis (L2–L3), A. femoralis. Zweigelenkiger Muskel: Beugung, Außenrotation und Abduktion im Hüftgelenk, Beugung und Innenrotation im Kniegelenk.

2.

M. quadriceps femoris (Abb. 14.47, 48, 50)

Nimmt den größten Teil der Vorderseite des Oberschenkels ein. M. rectus femoris O.: Caput rectum an der Spina iliaca anterior inferior, Caput reflexum von Acetabulum-Rand, Hüftgelenkkapsel. I.: Basis patellae, Retinacula patellae. M. vastus medialis O.: Linea intertrochanterica, Labium mediale der Linea aspera femoris, Septum intermusculare femoris mediale. I.: Basis patellae, medialer Seitenrand Patella, Retinaculum patellae mediale. M. vastus lateralis O.: Trochanter major, Linea intertrochanterica, Labium laterale der Linea aspera femoris, Septum intermusculare femoris laterale. I.: Basis patellae, Retinaculum patellae laterale. M. vastus intermedius O.: Vorder- und Seitenfläche des Femurschaftes. Die am weitesten distal entspringenden Fasern, M. articularis genus, laufen zur Bursa suprapatellaris. Sie straffen die Kapsel und verhindern deren Einklemmen bei der Streckung im Kniegelenk. I.: Basis patellae. L.: N. femoralis (L2–L4); A. circumflexa femoris lateralis und Rr. perforantes der A. profunda femoris. F.: Streckung im Kniegelenk, Haltemuskel für Stehen und Gehen. Die Patella, als Sesambein eingelagert in die Quadrizepssehne zusammen mit dem Lig. patellae, vergrößert das Drehmo-

Muskeln der Regio femoris posterior (Flexoren) Die gemeinsam vom Tuber ischiadicum entspringenden Muskeln an der Rückseite des Oberschenkels sind die ischiokrurale Muskelgruppe (Abb. 14.51): 1.

M. semimembranosus (Abb. 14.44–46, 50)

O.: Tuber ischiadicum. I.: dreizipflige Ansatzsehne, Pes anserinus profundus: medialer Sehnenstrang an der Seitenfläche des Condylus medialis tibiae (mit Bursa m. semimembranosi), mittlerer Sehnenstrang strahlt ins Lig. popliteum obliquum ein, lateraler Sehnenstrang strahlt in die Faszie des M. popliteus ein. L.: N. tibialis (L5–S2), Aa. perforantes der A. profunda femoris. 2.

M. semitendinosus (Abb. 14.45, 46, 50)

O.: Tuber ischiadicum, Lig. sacrotuberale. I.: über Pes anserinus superficialis an Tuberositas tibiae. L.: N. tibialis (L5–S1-2), Aa. perforantes der A. profunda femoris. 3.

M. biceps femoris (Abb. 14.44–46)

Caput longum O.: Tuber ischiadicum, Lig. sacrotuberale. Caput breve O.: mittleres Drittel des Labium laterale der Linea aspera femoris und Septum intermusculare femoris laterale. I.: Caput fibulae (mit Bursa subtendinea m. bicipitis femoris inferior). L.: Caput longum: N. tibialis (L5–S1–2), Caput breve: N. fibularis communis (S1–2), A. circumflexa femoris medialis und Rr. perforantes aus A. profunda femoris sowie A. poplitea. F.: M. semimembranosus, M. semitendinosus und Caput longum m. bicipitis femoris sind zweigelenkig:

14.1 Systematische Anatomie

1149

N. obturatorius Crista iliaca M. iliacus Spina iliaca anterior superior M. psoas major

Vertebra lumbalis V Canalis sacralis Promontorium Plexus lumbosacralis M. piriformis Lig. sacrospinale, M. coccygeus

Linea terminalis M. obturatorius internus Lig. inguinale N. femoralis

Lig. sacrotuberale, Tuber ischiadicum M. gluteus maximus

Symphysis pubica

M. adductor longus

M. adductor magnus

M. semitendinosus

M. rectus femoris

M. semimembranosus

M. gracilis

M. vastus medialis

M. sartorius

Tendo m. adductoris magni Patella

Epicondylus medialis, Lig. collaterale tibiale

Meniscus medialis Lig. patellae Tuberositas tibiae

Abb. 14.50: Oberschenkel- und Hüftmuskeln von medial

Pes anserinus superficialis M. gastrocnemius

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1150

M. iliopsoas

Die Unterschenkelmuskulatur gliedert sich in Extensoren, oberflächliche und tiefe Flexoren sowie Peroneusmuskeln. Unter systematischen funktionellen und topographischen Gesichtspunkten werden unterschieden: 1. vordere Muskeln (Extensoren) 2. oberflächliche Muskeln der Unterschenkelrückseite (oberflächliche Flexoren → Wadenmuskeln) 3. laterale Muskeln (Peroneusmuskeln) 4. tiefe Muskeln der Rückseite des Unterschenkels (tiefe Flexoren). Sie liegen in gleichnamigen Muskellogen.

M. gluteus maximus

Ischiokrurale Muskeln

M. rectus femoris

Vordere Muskeln des Unterschenkels (Extensoren) 1.

M. gastrocnemius

Lig. patellae

Abb. 14.51: Wichtige Beuger und Strecker von Hüftund Kniegelenk, Ansicht von lateral. Verdeckte Muskelteile grau

£ Streckung im Hüftgelenk (→ Synergist: M. glu-

teus maximus) und Stabilisierung des Beckens (Abb. 14.51). £ Beugung im Kniegelenk. Bei gestrecktem Hüftgelenk ist eine Beugung wegen aktiver Insuffizienz nicht vollständig durchzuführen. Bei gestrecktem Knie verhindern die Muskeln eine maximale Beugung im Hüftgelenk (→ passive Insuffizienz). £ M. semimembranosus und M. semitendinosus wirken bei gebeugtem Knie innen-, M. biceps femoris außenrotierend auf die Tibia.

14.1.2.1.3 Unterschenkelmuskeln Lernziele: Extensoren, oberflächliche Flexoren, tiefe Flexoren, Peroneusmuskeln

M. tibialis anterior (Abb. 14.52, 53)

O.: obere Zweidrittel der Facies lateralis tibiae, Membrana interossea cruris und Fascia cruris. I.: Os cuneiforme mediale (lateral und plantar), Basis des Os metatarsale I. Die kräftige Ansatzsehne wird durch die Retinacula mm. extensorum superius und inferius an den Fußrücken gefesselt. Am Ansatz liegt die Bursa subtendinea m. tibialis anterioris. L.: N. peroneus profundus (L4–L5); A. tibialis anterior. F.: Dorsalextension, Inversion (Supination) des Fußes. 2.

M. extensor digitorum longus (Abb. 14.52)

O.: Condylus lateralis tibiae, Membrana interossea cruris, Caput fibulae, Margo anterior fibulae, Fascia cruris. I.: nach Aufspaltung in 4 Sehnen Einstrahlung in Dorsalaponeurose der Zehen II–V. Alle Sehnen ziehen in einer Sehnenscheide durch das laterale Fach unter dem Retinaculum mm. extensorum inferius. Die Abspaltung einer 5. Sehne vom gemeinsamen Muskelbauch zieht zur Basis des Os metatarsale V (→ M. peroneus tertius). L.: N. peroneus profundus (L5–S1), A. tibialis anterior. F.: Dorsalextension des Fußes und der Zehen II–V, unterstützt die Eversion (Pronation).

14.1 Systematische Anatomie

1151

Tendo m. vasti lateralis

M. semimembranosus

Retinaculum patellae laterale Caput breve m. bicipitis femoris Patella Schnittrand des Septum intermusculare femoris laterale

Tractus iliotibialis Lig. patellae, Bursa infrapatellaris profunda

Tendo m. bicipitis femoris, Caput fibulae

Tuberositas tibiae

N. peroneus communis

Fascia cruris

Caput laterale m. gastrocnemii

M. soleus

M. peroneus longus

anterius

M. tibialis anterior

Septum intermusculare cruris

M. extensor digitorum longus posterius

M. peroneus brevis

Retinaculum mm. extensorum superius Tendo m. extensoris hallucis longi Tendines m. extensoris digitorum longi Retinaculum mm. extensorum inferius

Tendo calcaneus, Bursa tendinis calcanei

Mm. ext. dig. et hallucis brevis Tendo m. ext. hallucis longi

Malleolus lateralis, Retinaculum mm. peroneorum superius

Tendines m. ext. dig. longi

Retinaculum mm. peroneorum inferius Tuber calcanei mit Fersenpolster

M. abductor digiti minimi

Ansatz des M. peroneus brevis an der Tuberositas ossis metatarsalis V

Abb. 14.52: Unterschenkel- und Fußrückenmuskeln von lateral

Ansatz des M. peroneus tertius

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1152

M. semimembranosus M. vastus medialis Tendo m. adductoris magni Patella

Tendo m. sartorii

Retinaculum patellae mediale

Tendo m. gracilis

Pes anserinus superficialis

Tendo m. semitendinosi

Tuberositas tibiae

Tibia

Caput med. m. gastrocnemii M. tibialis anterior

M. soleus

Fascia cruris profunda

Tendo calcaneus Retinaculum mm. extensorum superius

Tendo m. tibialis posterioris

Malleolus medialis

N. tibialis, A., V. tibialis posterior

Retinaculum mm. extensorum inferius Tendo m. flexoris digitorum longi

Tendo m. extensoris hallucis longi

Tendo m. flexoris hallucis longi, Fettgewebekeil Bursa tendinis calcanei, Bursa subcutanea calcanea

Tendo m. tibialis anterioris

Retinaculum mm. flexorum (Laminae superficialis et profunda)

Tuber calcanei, Fersenpolster Lig.collaterale

M. abductor hallucis Tuberositas ossis navicularis, Tendo m. tibialis posterioris

Abb. 14.53: Unterschenkel- und Fußmuskeln von medial

Lig deltoideum, Sustentaculum tali

14.1 Systematische Anatomie

3.

M. extensor hallucis longus (Abb. 14.52)

O.: distale Zweidrittel der Membrana interossea, Facies medialis fibulae. I.: über Dorsalaponeurose an der Basis der Großzehenendphalanx. Die Ansatzsehne zieht mit einer Sehnenscheide durch das mittlere Fach sowohl unter dem Retinaculum mm. extensorum superius als auch inferius. L.: N. peroneus profundus (L5–S1), A. tibialis anterior. F.: Dorsalextension des Fußes und der großen Zehe. Unterstützt je nach Fußstellung die Inversion (Supination) als auch Eversion (Pronation). Laterale Muskeln des Unterschenkels (Peroneusmuskeln) 1.

M. peroneus longus (Abb. 14.52, 54, 55)

O.: Caput und Corpus fibulae, Condylus lateralis tibiae, Gelenkkapsel der Articulatio tibiofibularis, Septa intermuscularia cruris und Fascia cruris. I.: Os cuneiforme mediale, Basis des Os metatarsale I (plantar). L.: N. peroneus superficialis (L5–S1); A. peronea. F.: Plantarflexion, Pronation, Unterstützung der Querwölbung (Abb. 14.56). 2.

M. peroneus brevis (Abb. 14.52, 54, 55)

O.: distale Zweidrittel des Fibulaschaftes, Septa intermuscularia. I.: Tuberositas ossis metatarsalis V. L.: N. peroneus superficialis, A. peronea. F.: Plantarflexion, Pronation. Die Ansatzsehnen beider Wadenbeinmuskeln verlaufen hinter dem Malleolus lateralis (→ Hypomochlion). Die gemeinsame Sehnenscheide wird durch die Retinacula mm. peroneorum superius und inferius an das Skelett gefesselt (Abb. 14.52). Am Calcaneus verläuft die Sehne des Peroneus brevis oberhalb und die des Peroneus longus unterhalb der Trochlea peronealis. Die Sehne des Peroneus longus wendet sich um den lateralen Rand des Os cuboideum zur Planta pedis. Die Sehnenscheide (Vagina plantaris) liegt in einem knöchernen Kanal, der vom Lig. plantare longum überbrückt wird. An der Umbiegestelle an der Tuberositas cuboidea ist die Sehne verbreitert und durch Knorpelgewebe verstärkt (Abb. 14.58).

1153

Oberflächliche Muskeln der Rückseite des Unterschenkels (oberflächliche Flexoren, Wadenmuskeln) Hierzu gehören: dreiköpfiger Wadenmuskel, M. triceps surae und M. plantaris. Der M. triceps surae setzt sich aus zweiköpfigem M. gastrocnemius und M. soleus zusammen. Der kleine M. plantaris ist eine Abspaltung des lateralen Gastroknemiuskopfes. 1.

M. gastrocnemius (Abb. 14.52–55)

O.: Caput mediale: Condylus medialis femoris; Caput laterale: Condylus lateralis femoris. Unter der medialen Ursprungssehne liegt regelmäßig die Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis. Eine Bursa subtendinea m. gastrocnemii lateralis ist nur in 15 % angelegt. In 15–20 % kommt in der Sehne des lateralen Gastroknemiuskopfes ein Sesambein, Fabella, vor. 2.

M. soleus (Abb. 14.52, 54)

O.: Linea m. solei der Tibia, medialer Rand der Tibia, Caput fibulae, proximales Drittel der Fibula, Sehnenbogen (Arcus tendineus m. solei) zwischen Tibia und Fibula. I.: M. gastrocnemius und M. soleus setzen gemeinsam mit der Endsehne des M. triceps surae, Tendo calcaneus (Achillessehne) am Tuber calcanei an. Hier liegt die Bursa tendinis calcanei zwischen Knochen und Sehneninnenseite. L.: N. tibialis (S1–S2); A. poplitea, A. tibialis posterior, A. peronea. F.: M. gastrocnemius am Kniegelenk als Beuger; M. triceps surae am Fuß Plantarflexion, Inversion. 3.

M. plantaris (Abb. 14.55)

O.: Condylus lateralis femoris, Kniegelenkkapsel. I.: Tuber calcanei. L.: N. tibialis (S1–S2); A. poplitea, A. tibialis posterior. F.: Bei Beugung im Kniegelenk verhindert er Einklemmen der Vasa tibialia posteriora. Klinik: Bei Lähmung der Wadenmuskeln schwere Behinderung beim Gehen: Fuß kann nicht mehr abgerollt werden, im Kindesalter (z. B. durch Poliomyelitis) entsteht ein Hackenfuß (Pes calcaneus).

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1154

N. tibialis M. semimembranosus Tendo m. semitendinosi M. sartorius Tendo m. gracilis

M. plantaris M. biceps femoris, N. peroneus communis Schnittrand des M. gastrocnemius N. tibialis, A. tibialis posterior M. soleus

M. popliteus M. soleus Tendo m. plantaris

M. gastrocnemius

M. soleus M. soleus

Fascia cruris ( Lamina profunda )

N. tibialis, A., V. tibialis posterior M. flexor hallucis longus Tendo m. flexoris dig. longi Malleolus medialis Tendo m. tibialis posterioris Retinaculum mm. flexorum M. abductor hallucis

Tendo m. peronei longi M. peroneus brevis Tendo calcaneus Tuber calcanei Malleolus lateralis Tendo m. peronei longi Tuberositas ossis metatarsalis V

Aponeurosis plantaris

Abb. 14.54: Waden- und Fußsohlenmuskeln, oberflächliche Schicht. M. gastrocnemius ist gefenstert, um M. soleus und M. plantaris zu zeigen

14.1 Systematische Anatomie

1155

M. semimembranosus Tendo m. semitendinosi Epicondylus medialis M. sartorius

Tendo m. gracilis Tendo m. semitendinosi M. popliteus im Bindegewebeköcher M. soleus ( tibialer Ursprung )

N. tibialis, V., A. poplitea M. plantaris M. gastrocnemius M. biceps femoris, N. peroneus communis Sulcus für Vasa poplitea Caput fibulae Hiatus für Vasa tibialia anteriora Sulcus für Vasa tibialia posteriora M. soleus ( Ursprungsfeld von der Fibula )

Intermuskuläre Septen M. tibialis posterior mit Sulci für A. tib. post. und A. peronea M. flexor digitorum longus

M. peroneus longus

M. soleus ( Ursprung vom Septum intermusculare )

Tendo m. peronei longi M. flexor hallucis longus

M. flexor digitorum longus

Tendo m. tibialis posterioris Vagina tendinis m. tibialis posterioris

M. peroneus longus

Septum intermusculare cruris posterius M. peroneus brevis Tendo m. peronei brevis

Malleolus medialis Retinaculum mm. flexorum Sustentaculum tali Tuberositas ossis navicularis, Tendo m. tib. post. M. abductor hallucis ( Schnittrand ) Vagina tendinis m. flexoris digitorum longi Vagina tendinis m. flexoris hallucis longi Tendo m. flexoris hallucis longi

Tendo calcaneus, Tuber calcanei Retinaculum mm. peroneorum superius Vagina communis tendinum mm. peroneorum Retinaculum mm. peroneorum inferius M. abductor digiti minimi ( gefenstert ) M. quadratus plantae M. flexor digiti minimi brevis Mm. lumbricales Tendines m. flexoris digitorum brevis ( abgeschnitten ) Tendines m. flexoris digitorum longi

Abb. 14.55: Tiefe Flexoren des Unterschenkels. U-förmiges Ursprungsfeld des M. soleus. Fußsohle nach Entfernung der Plantaraponeurose, des M. flexor digitorum brevis und M. abductor hallucis

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1156

Tiefe Muskeln der Rückseite des Unterschenkels (tiefe Flexoren) 1.

M. tibialis posterior (Abb. 14.55)

O.: Membrana interossea cruris sowie angrenzende Facies posterior tibiae und Facies posterior fibulae. I.: Ansatzsehne unterkreuzt den M. flexor digitorum longus (Chiasma crurale). Kräftiger tibialer Sehnenanteil inseriert an Tuberositas ossis navicularis, schwächerer fibularer Strang zieht fächerförmig zu den Ossa cuneiformia intermedium und laterale, Os cuboideum und Basen der Ossa metatarsalia II–IV. L.: N. tibialis (L4–S1); A. tibialis posterior. F.: Plantarflexion, Inversion (Supination), verspannt Längs- und Querwölbung des (Abb. 14.41). 2.

M. flexor digitorum longus (Abb. 14.55)

O.: Facies posterior tibiae, tiefes Blatt der Fascia cruris. I.: Ansatzsehne wird unter dem Os naviculare vom M. flexor hallucis longus unterkreuzt (Chiasma plantare). M. quadratus plantae strahlt distal des Chiasma plantare in die Sehne ein und führt die schräge Zugrichtung in eine gerade über. Der Muskel setzt mit vier Sehnenzipfeln an den Basen der Endphalangen der Zehen II–V an. Die Ansatzsehnen (M. perforans) durchbohren die jeweilige Sehne des M. flexor digitorum brevis (M. perforatus). L.: N. tibialis (S1–S2); A. tibialis posterior. F.: Plantarflexion, Inversion (Supination). Kräftiger Beuger in den Zehenendgelenken, unterstützt Abstoßen des Vorfußes vom Boden, unterstützt Längswölbung des Fußes. 3.

M. flexor hallucis longus (Abb. 14.55)

O.: distale Zweidrittel der Fibula, Membrana interossea. I.: Basis oder Endphalanx der Großzehe. Ansatzsehne ist über Junctura tendinum mit den Sehnen der Zehenbeuger verkoppelt; dadurch Verstärkung der Zehenbeugung. L.: N. tibialis (S1–S2); A. tibialis posterior. F.: Beugung im Interphalangealgelenk der Großzehe, sonst wie M. flexor digitorum longus.

4.

M. popliteus (Abb. 14.55)

O.: Condylus lateralis femoris, Kniegelenkkapsel. Unter der Ursprungsehne liegt der Recessus subpopliteus, der mit der Gelenkhöhle des Kniegelenks kommuniziert. I.: Facies posterior tibiae, proximal von Linea m. solei. L.: N. tibialis (L5–S1 (2)); A. poplitea. F.: Innenrotation im Kniegelenk, zieht den lateralen Meniskus nach hinten lateral, stabilisiert das Kniegelenk im posterolateralen Bereich.

14.1.2.1.4 Fußmuskeln Lernziele: Fußrückenmuskeln, Fußsohlenmuskeln Am Fuß unterscheidet man kurze Muskeln am Fußrücken und an der Fußsohle. Fußmuskeln. Neben den Ansatzsehnen der Unterschenkelmuskeln sind kurze Muskeln am Fußrücken und an der Fußsohle angelegt. Muskeln des Fußrückens 1.

M. extensor digitorum brevis (Abb. 14.52)

O.: Calcaneus (proximal der Facies articularis cuboidea) und am Retinaculum mm. extensorum inferius (Innenseite). I.: mit 3 Endsehnen zur Dorsalaponeurose der 2.–4. Zehe. An der 5. Zehe ist meistens keine Sehne angelegt. L.: N. peroneus profundus (L5–S1); A. dorsalis pedis. F.: Streckung der 2.–4. Zehe. 2.

M. extensor hallucis brevis (Abb. 14.52)

O.: Calcaneus (am Eingang in den Sinus tarsi). I.: Dorsalaponeurose der Großzehe. L.: N. peroneus profundus (L5–S1); A. dorsalis pedis. F.: Streckung im Grundgelenk der Großzehe. Muskeln der Fußsohle 1.

M. abductor hallucis (Abb. 14.56)

O.: Processus medialis tuberis calcanei, Tuberositas ossis navicularis, Os cuneiforme mediale,

14.1 Systematische Anatomie

Innenseite des Retinaculum mm. flexorum und Aponeurosis plantaris. I.: Basis der Großzehengrundphalanx. In die Ansatzsehne ist das mediale Sesambein der Großzehe eingelassen. L.: N. plantaris medialis (S1–2); A. plantaris medialis. F.: zieht Großzehe nach medial (Abb. 14.59), Beugung im Großzehengrundgelenk, unterstützt die Längswölbung des Fußes. 2.

M. flexor hallucis brevis (Abb. 14.57)

O.: Os cuneiforme mediale, Lig. calcaneocuboideum plantare, Sehnenscheide des M. tibialis posterior. I.: zweiköpfig: Caput mediale über das mediale Sesambein an der Basis der Großzehengrundphalanx. Caput laterale über das laterale Sesambein an der Basis der Großzehengrundphalanx. L.: Caput mediale: N. plantaris medialis (S1–S2), Caput laterale: N. plantaris lateralis (S1–S2); A. plantaris medialis. F.: Beugung der Großzehe im Grundgelenk. 3.

M. adductor hallucis (Abb. 14.57)

O.: Caput obliquum: Basen der Ossa metatarsalia II–IV, Os cuneiforme laterale, Os cuboideum, Lig. plantare longum und Sehnenscheide des M. peroneus longus. Caput transversum: Lig. metatarsale transversum profundum und Gelenkkapseln der Zehengrundgelenke. I.: mit einheitlicher Sehne über das laterale Sesambein an der Basis phalangis proximalis. L.: Ramus profundus des N. plantaris lateralis (S1–S2); Arcus plantaris. F.: Adduktion der Großzehe (Abb. 14.58); Caput obliquum: Beugung im Grundgelenk; Caput transversum unterstützt aktiv die Querwölbung. 4.

M. flexor digitorum brevis (Abb. 14.56)

O.: Processus medialis des Tuber calcanei, Aponeurosis plantaris, Septa plantaria. I.: mit 4 Ansatzsehnen an den Basen der Mittelphalangen II–V (die Ansatzsehnen werden von denen des M. flexor digitorum longus durchbohrt).

1157

L.: N. plantaris medialis (S1–2); A. plantaris lateralis. F.: Beugung im Mittel- und Grundgelenk der Zehen II–V, unterstützt Verspannung der Längswölbung. 5.

M. quadratus plantae (Abb. 14.57)

O.: medialer und lateraler Rand des Calcaneus. I.: Ansatzsehne des M. flexor digitorum longus. L.: N. plantaris lateralis (S1–2); A. plantaris lateralis. F.: akzessorischer Zehenbeuger. 6.

Mm. lumbricales (Abb. 14.56)

O.: Ansatzsehnen des M. flexor digitorum longus. I.: Gelenkkapseln der Grundgelenke II–V, Basis der Grundphalangen II–V, Dorsalaponeurose der Zehen II–V. L.: Mm. lumbricales I und II: N. plantaris medialis, Mm. lumbricales III, IV: N. plantaris lateralis (S1–S2); Arcus plantaris profundus. F.: Beugung in den Grundgelenken der Zehen II–V. 7.

Mm. interossei (Abb. 14.57, 58)

O.: Mm. interossei plantares (3): medialer Rand der Ossa metatarsalia III–V, Lig. plantare longum. Mm. interossei dorsales (4): zweiköpfig an den einander zugewendeten Flächen der Ossa metatarsalia I–V, Lig. plantare longum. I.: Ligg. plantaria (plantare Platten), Basis der Grundphalangen der II–IV. Zehe, Dorsalaponeurose der II–V Zehe. L.: N. plantaris lateralis (S1–S2); Arcus plantaris profundus. F.: Beugung im Grundgelenk der Zehen II–V, unterstützen Streckung im Zehenmittel- und -endgelenk, dorsale Mm. interossei spreizen die Zehen, plantare Mm. interossei führen die Zehen II–V zur 2. Zehe (Abb. 14.58), stabilisieren die Ligg. plantaria (plantare Platten). 8.

M. abductor digiti minimi (Abb. 14.56)

O.: Tuber calcanei, Aponeurosis plantaris. I.: Tuberositas ossis metatarsalis V. L.: N. plantaris lateralis (S1–2); A. plantaris lateralis. F.: Plantarflexion und Abduktion der Kleinzehe, unterstützt Längswölbung des Fußes.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1158

Tuber calcanei

M. abductor digiti minimi Retinaculum mm. peroneorum superius et inferius Malleolus lateralis

Malleolus medialis

Schnittrand der Aponeurosis plantaris Tuberositas ossis navicularis M. abductor hallucis

M. flexor digitorum brevis

Mm. lumbricales

M. adductor hallucis ( Caput obliquum ) M. flexor hallucis brevis

Tendo m. peronei longi Tendo m. peronei brevis

Tuberositas ossis metatarsalis V M. abductor digiti minnimi

M. flexor digiti minimi brevis, Septum intermusculare ( pedis ) laterale Mm. interossei

Caput transversum m. adductoris hallucis Bursae intermetatarso-phalangeae

Stratum synoviale Vagina tendinis m. flexoris hallucis longi

Tendines m. flexoris digitorum longi Stratum fibrosum

Pars cruciformis vaginae fibrosae

Pars anularis vaginae fibrosae

Abb. 14.56: Fußsohlenmuskel, oberflächliche Schicht der Aponeurosis plantaris und Sehnenscheiden der 3.-5. Zehe sind abgetragen

9.

M. flexor digiti minimi brevis (Abb. 14.56, 57)

O.: Lig. plantare longum, Basis ossis metatarsalis V. I.: Basis Kleinzehengrundphalanx. L.: N. plantaris lateralis (S1–S2); A. plantaris lateralis. F.: Beugung und Abduktion der Kleinzehe im Grundgelenk.

10. M. opponens digiti minimi (Abb. 14.57) O.: Lig. plantare longum, Basis ossis metatarsalis V. I.: lateraler Rand des Os metatarsale V. L.: N. plantaris lateralis (S1–2); A. plantaris lateralis. F.: bewegt Os metatarsale V im Tarsometatarsalgelenk III nach medial oder lateral.

14.1 Systematische Anatomie

1159

Tuber calcanei

M. abductor digiti minimi, M. flexor digitorum brevis Retinaculum mm. peroneorum superius et inferius

M. abductor hallucis ( Origo ) Retinaculum mm. flexorum

Malleolus lateralis Lig. plantare longum

Tendo m. flexoris hallucis longi

Tendo m. peronei brevis

Tendo m. flexoris digitorum longi

Tendo m. peronei longi, Tuberositas ossis cuboidei

Malleolus medialis, Tendo m. tibialis posterioris

Tendo m. abductoris digiti minimi

M. quadratus plantae ( teilreseziert ) Lig. calcaneonaviculare plantare

Tuberositas ossis metatarsalis V Tuberositas ossis navicularis Tendo m. tibialis posterioris zu Ossa cuneiformia

M. flexor digiti minimi brevis M. opponens digiti minimi

M. flexor hallucis brevis Mm. interossei Tendo m. abductoris digiti minimi ( Insertio ) Tendo m. flexoris digiti minimi brevis

Rinne für Tendo m. flexoris hallucis longi M. adductor hallucis

Tendo m. flexoris digitorum brevis

Caput obliquum

Tendo m. lumbricalis

Caput transversum

Caput ossis metatarsalis IV

M. flexor hallucis brevis Tendines mm. lumbricalium

Chiasma tendinum

Tendo m. flexoris digitorum brevis

Tendo m. flexoris digitorum brevis

Articulationes interphalangeae

Tendo m. flexoris digitorum longi

Tendo m. flexoris digitorum longi

Tendo m. flexoris hallucis longi

Abb. 14.57: Tiefe Schicht der Fußsohlenmuskeln

14.1.2.2

Faszien, Sehnenscheiden

Lernziele: Faszien der Hüftmuskeln, Faszien des Oberschenkels, Faszien von Unterschenkel und Fuß, Septa intermuscularia, Sehnenscheiden des Fußes

Faszien Faszien der unteren Extremität bilden an Oberund Unterschenkel sowie am Fuß durch intermuskuläre Septen osteofibröse Logen (Kompartimente) aus.

1160

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

Die Fascia iliopsoas ist eine geschlossene Bindegewebehülle, in der sich Senkungsabszesse bis zum Trochanter minor ausbreiten können. 2. Faszien der äußeren oder hinteren Hüftmuskeln. Die dem M. gluteus maximus aufliegende Fascia glutea ist sehr dünn. Von ihr ziehen septenartige Faserbündel in das Muskelfleisch und verleihen dem Muskel eine grobe Kammerung. Über dem freien Teil des M. gluteus medius ist die Faszie zur Aponeurosis glutea verdickt (Abb. 14.45). Unter dem M. gluteus maximus dehnt sich lockeres, fettdurchsetztes Bindegewebe aus, das ebenso wie zwischen Gluteus medius und minimus als Verschiebeschicht wirkt.

Abb. 14.58: Spreizen und Zusammenführen der Zehen. Die Achse verläuft durch die 2. Zehe. Die 4 dorsalen Mm. interossei (rot, zweiköpfig), M. abductor hallucis und M. abductor digiti minimi führen die Zehen von dieser Achse weg, die 3 plantaren Mm. interossei (schwarz, einköpfig) und der M. adductor hallucis (schwarz gestrichelt, zweiköpfig) führen die Zehen an die Achse heran

1. Faszien der inneren oder vorderen Hüftmuskeln £ Fascia iliopsoas, derbe Faszie, hüllt den M. ilio-

psoas ein. Deren Pars psoatica ist Teil der Fascia lumbalis und steht kranial mit der Fascia diaphragmatica in Verbindung. Die Pars iliaca löst sich am Darmbeinkamm aus der Fascia transversalis. Beide Faszienteile sind mit dem Leistenband und der Aponeurose des M. obliquus abdominis externus verwachsen. £ Arcus iliopectineus (Abb. 14.81), spaltet sich von der Pars iliaca ab; er trennt die

• laterale Lacuna musculorum (für den Durchtritt

von M. iliopsoas, N. femoralis, N. cutaneus femoris lateralis) von der • medialen Lacuna vasorum (Durchtritt von A., V. femoralis, Lymphgefäße, Ramus femoralis des N. genitofemoralis), Kap. 11.1.1.2.5, S. 916

3. Faszien des Oberschenkels. Die Fascia lata umschließt Oberschenkelmuskeln (Abb. 14.59). Proximal entspringt sie ventral vom Leistenband und dorsal löst sie sich aus der Fascia glutea mit horizontalen Faserzügen (→ Sitzhalfter; s. Abb. 14.47, 48). An der Außenseite des Oberschenkels ist sie derb und straff gewebt, Tractus iliotibialis (Abb. 14.47). Dieser 8–10 cm breite Bindegewebestreifen zieht von der Crista iliaca und Spina iliaca anterior superior kommend vertikal nach distal und inseriert am Tuberculum tractus iliotibialis des Condylus lateralis tibiae (Tuberculum Gerdy). In den Tractus iliotibialis strahlen der M. tensor fasciae latae und der M. gluteus maximus ein. Er wird bei der Verlagerung des Körpergewichtes auf das Standbein durch die tief zu ihm liegenden Glutealmuskeln gespannt. Die dann einsetzende seitliche Zuggurtung setzt (nach Pauwels) die Biegebeanspruchung an der Außenfläche des Femur herab. Unterhalb des Leistenbandes befindet sich in der Fascia lata der ovale Hiatus saphenus (Abb. 14.59) mit Durchtrittspforten großer epifaszialer Venen (V. saphena magna). Er wird lateral von einem scharf begrenzten, sichelförmigen Rand, Margo falciformis, umrahmt. Das obere Horn, Cornu superius, strahlt in das Leistenband, das untere, Cornu inferius, in die Fascia pectinea aus. Der Hiatus saphenus ist mit einer feinen, siebartig durchbrochenen Membran, Fascia cribrosa, verschlossen. Diese dient kleineren Blut- und Lymphgefäßen sowie Nerven zum Durchtritt. Von der Innenseite der Fascia lata ziehen straffe Bindegewebeblätter, Septa intermuscularia, in die Tiefe, um an den beiden Lippen der Linea aspera anzusetzen. Septum intermusculare femoris laterale und mediale bilden Faszienlogen: Sie trennen die

14.1 Systematische Anatomie

1161

M. obliquus externus abdominis Lamina anterior vaginae m. recti abdominis Spina iliaca anterior superior

Lig. inguinale

M. tensor fasciae latae

Anulus inguinalis superficialis, Funiculus spermaticus Lig. fundiforme penis Vena femoralis, Hiatus saphenus

M. sartorius

Cornu superius Margo falciformis Cornu inferius

Tractus iliotibialis

M. adductor longus

V. saphena magna M. rectus femoris

M. sartorius

M. vastus lateralis

M. vastus medialis

Patella

Bursa subcutanea prepatellaris Bursa subcutanea infrapatellaris

Bursa subcutanea tuberositas tibiae

Abb. 14.59: Oberschenkelmuskeln mit Fascia lata von ventral

Pes anserinus superficialis

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1162

Femur

Extensorenloge ( M. quadriceps )

M. sartorius Fascia lata N. saphenus, Vasa femoralia

Septum intermusculare femoris laterale

V. saphena magna Septum intermusculare femoris mediale

N. ischiadicus

Mm. adductores

Flexorenloge

Abb. 14.60: Querschnitt durch die Mitte des Oberschenkels

Extensoren von den Flexoren und den Adduktoren. Eigenständige Führungsröhren haben die Mm. sartorius, gracilis und tensor fasciae latae (Abb. 14.60). Die an der medialen Seite des Oberschenkels relativ dünne Fascia lata setzt sich oberhalb und vor dem Kniegelenk in horizontale, verstärkte Faserzüge fort, die die Patella vergurten. Nach distal geht die Fascia lata in die Fascia cruris über. Im hinteren Kniebereich ist die Fascia poplitea zwischengeschaltet. 4. Faszien des Unterschenkels. Die Unterschenkelfaszie, Fascia cruris, bedeckt ganzseitig die Muskulatur (Abb. 14.61). An den freien Kanten der Tibia und der Fibula sowie an der Facies medialis tibiae ist sie mit dem Knochen verwachsen. Von den außen liegenden Anteilen der Fascia cruris zieht ein Septum intermusculare cruris anterius zur Vorderkante, ein Septum intermusculare cruris posterius zur Hinterkante der Fibula. Zusammen mit der Membrana interossea cruris und der Tibia und Fibula entstehen 3 osteofibröse Muskellogen (Kap. 14.2.4, S. 1197) £ Extensorenloge mit A. tibialis anterior, N. pero-

neus profundus £ Peroneusloge mit N. peroneus superficialis £ oberflächliche und tiefe Flexorenloge mit Aa. tibiales ant. et post., A. fibularis und N. tibialis. Das tiefe Blatt der Unterschenkelfaszie trennt die tiefen Beuger vom M. soleus. Unter dem Sehnenbogen des Soleus, Arcus tendineus m. solei, mit der

Popliteusfaszie treten N. tibialis und Vasa tibialia posteriora in die tiefe Flexorenloge ein. Die Fascia cruris ist im proximalen Drittel der Extensoren- und Peroneusloge aponeurotisch verstärkt und dient einem Teil der Muskulatur als Ursprung. Nach distal wird sie dünner. In Höhe der Knöchel verstärkt sie sich erneut zum Retinaculum mm. extensorum superius und Retinaculum mm. extensorum inferius. Die Retinacula fesseln die Streckersehnen an das Skelett. Das untere Retinaculum setzt sich nach distal in die Fascia dorsalis pedis fort. Deren oberflächliches Blatt ist seitlich an den randständigen Mittelfuß und die Zehenknochen angeheftet. Weiter nach distal geht sie in die Dorsalaponeurose der Zehen über. Die Faszienloge der Mm. peronei beginnt unterhalb des Caput fibulae. Hinter dem Außenknöchel ist sie zum Retinaculum mm. peroneorum superius und an der Seitenfläche des Calcaneus zum Retinaculum mm. peroneorum inferius verstärkt. Weiter distal geht die Fascia dorsalis pedis in die Wandschichten des osteofibrösen Kanals für die Ansatzsehne des M. peroneus longus über. Die oberflächliche Beugerloge wird nach distal enger. Sie endet mit der Achillessehne am Tuber calcanei. Zwischen ihr und dem tiefen Blatt der Unterschenkelfaszie liegt ein ausgeprägter Fettgewebekörper (Abb. 14.62). Er wird von sich durchkreuzenden Bindegewebefasern durchsetzt, mit denen die Hüllschichten der Sehne mit dem tiefen Faszienblatt verbunden werden.

14.1 Systematische Anatomie

1163

Fascia cruris (superficialis)

Septum intermusculare cruris anterius

Extensorenloge N. peroneus profundus, A. tibialis anterior Tibia tiefe Flexorenloge

Peroneusloge Fibula, A. peronea

A. tibialis posterior, N. tibialis Lamina profunda fasciae cruris Fascia cruris ( superficialis )

Septum intermusculare cruris posterius

oberflächliche Flexorenloge

V. saphena parva

Abb. 14.61: Faszien und Muskellogen des Unterschenkels. Querschnitt im mittleren Drittel

In der tiefen Beugerloge sind eingeschlossen: Vasa peronea, Vasa tibialia posteriora, N. tibialis. Hinter dem medialen Knöchel, am Übergang zum Fuß ist die Fascia cruris durch das Retinaculum mm. flexorum verstärkt. Zwischen seinem tiefen und oberflächlichen Blatt liegt der Tarsaltunnel (→ Malleolenkanal). In ihm verlaufen Sehnen und Sehnenscheiden von: M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus, M. flexor hallucis longus. Eingebettet zwischen den Sehnen erreichen die Vasa tibialia posteriora und der N. tibialis die Regio plantaris. Klinik: Kompartmentsyndrom (= Logensyndrom). In der Klinik bezeichnet man die osteofibrösen Logen (Faszienloge) des Unterschenkels als Kompartimente. Abgeschlossen und wenig dehnbar kann es bei Verletzungen von Muskeln oder Gefäßen zu erhöhtem Gewebedruck durch austretendes Blut kommen. Dabei drohen mechanische Muskelschädigungen (druckbedingte Minderdurchblutung) und Nervenkompressionen. Therapie: sofortige Dekompression durch ausgedehnte Faszienspaltung. 5. Faszien des Fußes. Die Fascia dorsalis pedis besteht aus einem oberflächlichen und tiefen Blatt.

Das oberflächliche Blatt ist an den Malleolen sowie an den Knochen des medialen und lateralen Fußrandes verwachsen. Das tiefe Blatt bedeckt die Fußwurzelknochen und die Kapsel-Band-Strukturen. Am Mittelfuß deckt das tiefe Faszienblatt die Metatarsalknochen und die Mm. interossei ab. Einem oberflächlichen Faszienblatt der Planta pedis ist die derbe Aponeurosis plantaris gleichzusetzen. Ihr stärkerer mittlerer Anteil entspringt vom Processus medialis und lateralis des Tuber calcanei (Abb. 14.54). Sie zieht nach distal und verbreitert sich über den Mittelfußknochen unter Bildung von 5 längsverlaufenden Bindegewebezügeln, Fasciculi longitudinales. Diese ziehen in Richtung Zehen und strahlen in das Lig. metarsale transversum superficiale ein. Proximal der Zehengrundgelenke liegen quer verlaufende Faserzüge, Fasciculi transversi. Sie sind nicht (!) mit den Fasern des Lig. metatarsale transversum superficiale (Lig. natatorium) zu verwechseln, das unter den Köpfen der Mittelfußknochen verläuft. Die distalen Ausläufer der Fasciculi longitudinales zweigen sich in Höhe der Grundgelenke in zwei Faserzügel auf. Sie begleiten die Beugersehnen und verheften sich mit den Kapsel-Band-Strukturen der Grundgelenke,

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1164

Extensorenloge

Tibia

N. peroneus profundus, A. tibialis anterior tiefe Flexorenloge

Fibula A. tibialis posterior, N. tibialis Lamina profunda fasciae cruris

A. peronea

Fettkörper

Peroneusloge

Tendo calcaneus

oberflächliche Flexorenloge

Abb. 14.62: Faszien und Muskellogen des Unterschenkels. Querschnitt in Höhe der Malleolen N. peroneus profundus Tendines mm. extensorum Fascia dorsalis pedis

A. dorsalis pedis Tendo m. extensoris hallucis longi V. saphena magna Os metatarsale I

Tendo m. peronei tertii M. abductor hallucis et M. flexor hallucis brevis

Os metatarsale V

M. adductor hallucis

M. abductor digiti minimi

Mm. flexores

M. flexor digiti minimi brevis Mm. interossei dorsales Mm. interossei plantares

Aponeurosis plantaris

Abb. 14.63: Querschnitt durch den Mittelfuß in Höhe der Basis der Metatarsalknochen

den plantaren Sehnenscheiden und dem Lig. metatarsale transversum profundum.

Die seitlichen Logen enthalten die Muskeln der Groß- und Kleinzehe.

Über den Muskeln der großen und der kleinen Zehe wird die Aponeurosis plantaris dünner. Von ihrer Unterseite lösen sich im proximalen und medialen Bereich der Planta pedis in sagittaler Richtung je ein Septum plantare mediale und laterale. Sie sind am Fußskelett und lateral am Lig. plantare longum verankert; es entstehen eine mediale (Großzehen-), eine mittlere und eine laterale (Kleinzehen-) Muskelloge (Abb. 14.63).

Die Mittelloge beherbergt Sehnen von: M. flexor digitorum longus, M. flexor digitorum brevis, M. quadratus plantae, M. adductor hallucis. Im distalen Bereich der Planta pedis wird die Mittelloge durch sieben intermediäre, sagittal ausgerichtete Septen unterteilt. Sie verbinden die Unterseite der Fasciculi longitudinales der Plantaraponeurose mit der Fascia plantaris profunda. Zwei benachbart stehende Septen begrenzen die osteofibrösen Röhren für die Sehnen der Flexoren und der Mm. lumbricales.

14.1 Systematische Anatomie

Die Plantaraponeurose unterstützt ganz wesentlich die Verspannung der Längswölbung des Fußes. Außerdem ist sie durch straffe Retinacula cutis mit der Fußsohlenhaut verbunden. So entsteht ein fettgefülltes System von Druckkammern. Es flacht sich durch Gewichtsbelastungen ab und schützt gleichzeitig die an der Planta pedis liegenden Muskeln und Leitungsbahnen. Sehnenscheiden des Fußes Die langen Ansatzsehnen der Unterschenkelmuskeln besitzen Sehnenscheiden an Stellen, an denen sie ihre Richtung ändern und durch Retinacula gezügelt und umgelenkt werden: 1. Die Extensorensehnen besitzen unter dem Retinaculum mm. extensorum inferius jeweils selbständige Sehnenscheiden, Vagina tendinum tarsales tibiales. Die Vagina tendinis des M. extensor digitorum longus beginnt distal des Retinaculum mm. extensorum superius. Sie zieht durch das fibulare Fach des Retinaculum mm. extensorum inferius, das eine Schlinge (→ Lig. fundiforme) zum Halt der Sehnen bildet. Die Sehnenscheide des M. extensor hallucis longus liegt im mittleren, die des M. tibialis anterior im medialen Fach unter dem Retinaculum. Die Scheiden enden an der Basis des Os metatarsale I bzw. am Os naviculare. 2. Die Sehnen der Mm. peronei besitzen an den Außenknöcheln eine gemeinsame Sehnenscheide, Vagina communis tendinum mm. peroneorum, die proximal vom Retinaculum mm. peroneorum superius beginnt. An der Trochlea peronealis calcanei teilt sich die gemeinsame Scheide. Die Sehnenscheide des M. peroneus brevis verläuft oberhalb der Trochlea und endet am Os cuboideum. Die unterhalb der Trochlea entlangziehende Sehnenscheide des M. peroneus longus endet zunächst ebenfalls in Höhe des Würfelbeines. Die plantare Sehnenscheide des langen Wadenbeinmuskels, Vagina plantaris tendinis musculi peronei longi, beginnt am Sulcus tendinis musculi peronei longi des Os cuboideum und verläuft in einem osteofibrösen Kanal, verstärkt vom Lig. plantare longum, bis zur Basis des Os metatarsale I. 3. Die Ansatzsehnen der 3 tiefen Beuger werden hinter und unter dem medialen Malleolus durch 3 getrennte Sehnenscheiden geführt. Als Halteeinrichtung ist das oberflächliche Blatt des Retinaculum mm. flexorum ausgespannt. Die Sehnenscheide

1165

des M. tibialis posterior beginnt oberhalb des Innenknöchels und endet an der Tuberositas ossis navicularis. Die Vagina tendinum mm. flexoris digitorum longi endet am Chiasma plantare, während die Sehnenscheide des M. flexor hallucis longus über die Kreuzungsstelle hinausreicht. 4. Die Sehnen der langen und kurzen Zehenbeuger werden an den Zehen II–V von den Mittelfußköpfen an in je einer Vagina tendinis digitorum pedis geführt. Die Sehnenscheide des M. flexor hallucis longus beginnt bereits an der Basis des Os metatarsale I. Alle Beugersehnenscheiden enden an der Endphalanx. Die fibröse Wandschicht wird wie an den Fingern wechselweise durch ring- und kreuzförmig angeordnete Verstärkungszüge, Pars anularis und Pars cruciformis vaginae fibrosae digitorum pedis, umgriffen. Sie verhindern den gelenkmechanisch ungünstigen „Bogensehneneffekt“ bei der Beugung der Zehen. Innerhalb der Sehnenscheiden sorgen gefäßführende Vincula tendinum für eine ausreichende Ernährung der Sehnen.

14.1.3

Arterien, Arteriae membri inferioris

Lernziele: Ursprung, Verlauf, Astfolge und Versorgungsgebiete der A. glutea superior und inferior, A. femoralis, A. poplitea, A. tibialis anterior und posterior, A. peronea (fibularis), A. dorsalis pedis, A. plantaris medialis und lateralis, Arcus plantaris Die Arterien der freien unteren Extremität gehen als Äste aus der A. iliaca externa hervor. Aorta. Die untere Gliedmaße wird von der Aorta abdominalis aus versorgt (Abb. 14.64, 65). In Höhe des 4. LWK teilt sie sich in die Aa. iliacae communes (Bifurcatio aortae). Die dünne A. sacralis mediana ist die pelvine Fortsetzung der Bauchaorta. Vor der Articulatio sacroiliaca gabelt sich die A. iliaca communis in die A. iliaca interna, die mit parietalen und viszeralen Ästen Beckenwand, Beckeneingeweide, Gesäßgegend und Damm versorgt, sowie die A. iliaca externa für die freie untere Extremität auf.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1166

Astfolge

Astfolge

A. iliaca externa. Verläuft an der Grenze zwischen großem und kleinem Becken zur Lacuna vasorum. Unter dem Leistenband geht sie in die A. femoralis über.

w A. circumflexa femoris medialis. Verläuft nach

A. epigastrica inferior. Verläuft hinter dem M. rectus abdominis in der Rektusscheide (s. Kap. 11.1.4, S. 920). Anastomosiert mit der A. epigastrica superior aus der A. thoracica interna. Astfolge: w A. cremasterica (männl.), bzw. A. lig. teretis

uteri (weibl.).

w R. pubicus, anastomosiert mit der A. obturatoria. (→ Corona mortis = Ursprung der A. obturatoria

w w w w w w

aus der A. epigastrica inferior).

A. circumflexa ilium profunda. Zieht parallel zum Leistenband zum Darmbeinkamm, versorgt die tiefen seitlichen Bauchmuskeln und anastomosiert mit der A. iliolumbalis (aus A. iliaca interna). A. femoralis. Fortsetzung der A. iliaca externa, beginnt in der Lacuna vasorum, unterquert den M. sartorius, durchläuft den Canalis adductorius und geht am Hiatus adductorius in die A. poplitea über. Astfolge w A. epigastrica superficialis. Zieht zur Haut des

Unterbauches.

w A. circumflexa ilium superficialis. Zieht zur Haut

an der Leistenbeuge und der Spina iliaca anterior superior. w A. pudenda externa superficialis und profunda. Versorgt Haut und Lymphknoten der Inguinalregion (Rr. inguinales) und das Scrotum (Rr. scrotales anteriores) bzw. Labia majora (Rr. labiales anteriores). w A. descendens genus. Geht im Adduktorenkanal ab, durchbohrt das Septum vastoadductorium und versorgt den M. vastus medialis. Entlässt Rr. articulares zum Rete articulare genus und einen R. saphenus zur Kniegelenkkapsel. A. profunda femoris. Hauptgefäß des Oberschenkels. Entspringt 3–6 cm distal des Leistenbandes aus der A. femoralis. Verläuft nach lateral und dorsal und versorgt die Strecker, die Adduktoren und die Beuger des Oberschenkels.

w

medial zwischen M. pectineus und M. iliopsoas in die Tiefe. R. superficialis. Für die Haut des Trigonum femorale. R. profundus. Zur Dorsalseite des Schenkelhalses. R. acetabularis. Zum Hüftgelenk. R. ascendens. Anastomosiert mit A. obturatoria. R. descendens. A. circumflexa femoris lateralis. Spaltet sich in 3 Äste: – R. ascendens. Versorgt M. sartorius, M. tensor fasciae latae, M. vastus lateralis, M. gluteus medius. – R. descendens. Versorgt M. rectus femoris, M. vastus intermedius, M. vastus lateralis und endet im Rete articulare genus. – R. transversus. Aa. perforantes I–III. Endäste der A. femoralis. Ziehen durch die Adduktoren hindurch, versorgen diese und zusätzlich den M. biceps femoris und den M. semimembranosus.

Die A. perforans prima entlässt die A. nutricia femoris superior und die A. perforans tertia die A. nutricia femoris inferior. Die 3 Perforantes geben noch Äste an die Haut der Dorsalseite des Oberschenkel ab. Klinik: Distal vom Abgang der A. profunda femoris soll die A. femoralis nicht unterbunden werden, da das Rete articulare genus keinen ausreichenden Kollateralkreislauf gewährleistet. A. poplitea. Fortsetzung der A. femoralis. Zieht vom Adduktorenschlitz durch die Fossa poplitea auf der hinteren Wand der Kniegelenkkapsel, über den M. popliteus zum Sehnenbogen des M. soleus. Astfolge w A. superior lateralis und medialis genus. Ziehen

um die Condyli femoris nach vorn zum Rete articulare genus und Rete patellae. w A. inferior lateralis und medialis genus. Ziehen um die Tibiaknorren nach vorn ebenfalls zum Rete articulare genus, zum Rete patellae und Rete infrapatellare.

14.1 Systematische Anatomie

1167

Aa.lumbales A. iliaca communis dextra A. iliolumbalis A. iliaca interna A. iliaca externa A. circumflexa ilium profunda A. circumflexa ilium superficialis A. femoralis A. profunda femoris A. circumflexa femoris lateralis

Aorta abdominalis A. iliaca communis sinistra A. sacralis mediana A. glutea superior A. pudenda interna A. glutea inferior A. epigastrica inferior A. epigastrica superficialis A. obturatoria R. profundus R. superficialis

ae. circumflexae femoris medialis

A. perforans I A. perforans II A. perforans III

M. sartorius A. femoralis ( Eintritt in. d. Canalis adductorius ) Hiatus tendineus ( adductorius ) A. descendens genus

A. superior lateralis genus A. inferior lateralis genus

A. superior medialis genus A. poplitea A. inferior medialis genus

A. recurrens tibialis anterior A. tibialis anterior A. peronea A. tibialis posterior

A. tarsalis lateralis

Aa. malleolares anteriores mediales A. dorsalis pedis

A. arcuata

A. tarsalis medialis Aa. metatarsales dorsales

A. digitales dorsales

Abb. 14.64: Arterien des Beines von ventral. Die dorsal gelegenen Schlagadern sind gestrichelt

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1168

M. gluteus medius (durchtrennt) M. gluteus minimus A. glutea superior A. glutea inferior M. piriformis A. pudenda interna Lig. sacrotuberale

M. obturatorius internus M. quadratus femoris A. profunda femoris

A. femoralis

A. nutriens (nutricia) femoris A. perforans I

M. adductor magnus

A. perforans II A. perforans III Hiatus tendineus (adductorius)

A. poplitea A. superior medialis genus A. inferior medialis genus

A. superior lateralis genus A. media genus Aa. surales A. inferior lateralis genus A. tibialis anterior A. peronea

A. tibialis posterior

R. perforans ae. peroneae Rr. malleolares mediales Rr. calcanei A. plantaris medialis

Rr. malleolares laterales A. plantaris lateralis Arcus plantaris profundus Aa. metatarsales plantares

Rr. perforantes

Aa. digitales plantares communes Aa. digitales plantares propriae

Abb. 14.65: Arterien des Beines von dorsal und plantar. Ventral gelegene Schlagadern sind gestrichelt

14.1 Systematische Anatomie

w A. media genus. Versorgt das perimeniskale

Gefäßnetz und das Rete centroarticulare für die Kreuzbänder und Synovialfalten. w Aa. surales. Versorgung der Wadenmuskeln. Klinik: Die A. poplitea darf nicht unterbunden werden (→ Kunstfehler!), da das Rete articulare genus nicht für einen Kollateralkreislauf ausreicht.

A. tibialis anterior. Einer der 3 Endäste der A. poplitea. Gelangt neben dem Collum fibulae durch eine Lücke in der Membrana interossea cruris in die Streckerloge des Unterschenkels. Verläuft zwischen M. tibialis anterior und M. extensor digitorum longus nach distal. Unterquert das Retinaculum mm. extensorum superius. Geht unter dem Retinaculum mm. extensorum inferius in die A. dorsalis pedis über. Astfolge w Muskeläste für die Extensoren. w Aa. recurrentes tibialis anterior und posterior.

Verlaufen nach proximal zum Rete articulare genus. w Aa. malleolares anteriores lateralis und medialis. Ziehen in Knöchelhöhe zum Rete malleolare laterale. A. tibialis posterior. Zweiter Endast der A. poplitea. Beginnt unter dem Sehnenbogen (Arcus tendineus musculi solei) des M. soleus und zieht mit den tiefen Beugern, medial vom N. tibialis, zur hinteren medialen Knöchelregion, liegt hier zwischen den Sehnen des M. flexor digitorum longus und M. flexor hallucis longus. Geht unter dem Retinaculum mm. flexorum (→ Tarsaltunnel) in die A. plantaris medialis und A. plantaris lateralis über. Astfolge w Muskeläste für die Flexoren. w R. circumflexus peronealis. Muskelast für den

M. soleus.

w Rr. malleolares mediales. Gehen in Rete malleo-

lare mediale über.

w Rr. calcanei. Ziehen zur Rückseite und Unter-

seite des Tuber calcanei.

w A. nutricia tibiae. Abgang im proximalen

Abschnitt der A. tibialis posterior zur Versorgung der Markhöhle der Tibia.

1169

A. peronea (fibularis). Dritter Endast der A. poplitea. Verläuft an der Rückseite der Fibula, eingebettet in den M. flexor hallucis longus und endet an der Rückseite des lateralen Knöchels mit den Rr. malleolares laterales. Astfolge w Muskeläste für M. soleus, tiefe Flexoren und

Mm. peronei.

w A. nutricia fibulae. w R. perforans. Entspringt proximal der Syndes-

mosis tibiofibularis, zieht durch Membrana interossea cruris zum Rete malleolare laterale. w R. communicans. Anastomosiert mit A. tibialis posterior oberhalb des Sprunggelenkes. w Rr. malleolares laterales. Endäste der A. peronea auf dem Außenknöchel. w Rr. calcanei. Gehen in das Rete calcaneum über. A. dorsalis pedis. Endast der A. tibialis anterior. Verläuft lateral von der Sehne des M. extensor hallucis longus und begleitet den N. peroneus profundus. Astfolge w A. tarsalis lateralis. Versorgt die kurzen Zehenw w

w

w w

strecker und den Kapsel-Band-Apparat der Gelenke des lateralen Mittelfußes. Aa. tarsales mediales. Meist 2 kleine Arterien für den medialen Mittelfußrand. A. arcuata. Geht in Höhe der Lisfranc-Gelenklinie nach lateral ab und anastomosiert mit der A. tarsalis lateralis. Entlässt die Aa. metatarsales dorsales II–IV. Die A. metatarsalis I geht direkt aus der A. dorsalis pedis, die A. metatarsalis V aus der A. tarsalis lateralis hervor. Aa. digitales dorsales. Gehen zweigeteilt jeweils aus den Aa. metatarsales dorsales hervor. A. plantaris profunda. Dringt im I. Intermetatarsalraum durch den M. interosseus dorsalis I hindurch zur Planta pedis und beteiligt sich am Arcus plantaris profundus.

A. plantaris medialis. Der schwächere der Endäste der A. tibialis posterior. Verläuft am medialen Fußrand mit einem R. superficialis und einem R. profundus zwischen M. abductor hallucis und M. flexor digitorum brevis.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1170

A. plantaris lateralis. Der stärkere Endast der A. tibialis posterior. Zieht zwischen M. flexor digitorum brevis und M. quadratus plantae nach lateral. Astfolge w Arcus plantaris profundus. Entsteht als Hauptast w

w w w

aus der A. plantaris lateralis. Aa. metatarsales plantares (I–IV). Entspringen vom Scheitel des tiefen plantaren Gefäßbogens. Entlassen distal der Zehengrundgelenke die Aa. digitales plantares communes. Aus ihnen gehen die Aa. digitales plantares propriae hervor. Rr. perforantes. Stehen über die Spatia interossea mit den Aa. metatarsales dorsales in Verbindung.

A. iliaca interna. Verläuft in das kleine Becken und teilt sich in 5 viszerale Äste (werden im Kapitel Becken besprochen) und fünf parietale Äste: A. iliolumbalis. Verläuft hinter dem M. psoas major. Astfolge w R. lumbalis. Versorgt M. psoas major und M. qua-

dratus lumborum.

w R. iliacus. Zieht zum M. iliacus. w R. spinalis. Zieht zum Wirbelkanal.

Aa. sacrales laterales. Verlaufen vor den Foramina sacralia pelvina und geben Rr. spinales in den Sakralkanal ab. A. obturatoria. Verläuft unterhalb der Linea terminalis zum Canalis obturatorius. Astfolge w R. pubicus. Zieht zum Hinterrand der Symphyse

und anastomosiert mit dem R. pubicus der A. epigastrica inferior. w R. acetabularis. Tritt an der Incisura acetabuli in das Lig. capitis femoris ein. Versorgt die Femurkopfepiphyse. w R. anterior und R. posterior. Versorgen den M. obturatorius externus und die Mm. adductores. A. glutea superior. Zieht durch das Foramen suprapiriforme.

Astfolge w R. superficialis. Verläuft zwischen M. gluteus

maximus und M. gluteus medius.

w R. profundus. Verläuft zwischen M. gluteus

medius und M. gluteus minimus.

A. glutea inferior. Zieht durch das Foramen infrapiriforme. Versorgt den M. gluteus maximus: w A. comitans nervi ischiadici. Rest des embry-

onalen Hauptgefäßes der unteren Extremität, A. ischiadica. Liegt zwischen den beiden Hauptanteilen des N. ischiadicus, N. tibialis und N. peroneus communis.

14.1.4

Venen, Venae membri inferioris

Lernziele: Drainagegebiete, Verlauf und Äste der oberflächlichen (epifaszialen), tiefen (subfaszialen) und Perforansvenen. Die Venen der unteren Gliedmaße unterteilt man in oberflächliche und tiefe Beinvenen, Begleitvenen und Tiefenanastomosen (Vv. perforantes). Die Venen der unteren Extremität werden unterteilt in: 1. oberflächliche, epifasziale, 2. tiefe, subfasziale Venen, Vv. comitantes: tiefe, den Arterien angeschlossene, zumeist doppelte Begleitvenen, 3. Tiefenanastomosen, Vv. communicantes sive perforantes. Befinden sich zumeist in Nähe größerer epifaszialer Venen und stellen die direkte Verbindung zu subfaszialen und Muskelvenen her. An Unterschenkel und Fuß können bis zu 40 Tiefenanastomosen vorkommen. Venenklappen verhindern einen Rückstrom des Blutes aus der Tiefe in epifasziale Venen. Epifasziale, oberflächliche Venen. Die Venae superficiales membri inferioris gehen aus subkutanen Gefäßnetzen hervor, die sich am Fußrücken zum Rete venosum dorsale pedis und an der Fußsohle zum Rete venosum plantare vereinigen. Die dorsalen Venen der Zehen, Vv. digitales dorsales pedis, münden in den Arcus venosus dorsalis pedis. Dieser verbindet sich mit tiefen Venen der Fußsohle über Vv. intercapitulares. An der Fußsohle gehen die plantaren Zehenvenen, Vv. digitales plantares,

14.1 Systematische Anatomie

1171

V. epigastrica superficialis V. circumflexa ilium superficialis

R. cutaneus lateralis n. iliohypogastrici

Lymphonodi inguinales superficiales Nn. clunium medii et superiores

N. ilioinguinalis R. genitalis n. genitofemoralis R. femoralis n. genitofemoralis

Nn. clunium inferiores

N. cutaneus femoris lateralis

N. cutaneus femoris lateralis

V. saphena magna Rr. cutanei anteriores n. femoralis

N. cutaneus femoris posterior ( subfaszial )

R. cutaneus n. obturatorii

V. femoropoplitea N. cutaneus femoris lateralis

R. cutaneus n. obturatorii V. saphena magna N. cutaneus femoris posterior

R. infrapatellaris n. sapheni

N. cutaneus surae lateralis N. saphenus N. saphenus N. suralis V. saphena parva V. saphena magna R. communicans N. peroneus superficialis Rr. cutanei cruris mediales n. sapheni medialis N. cutaneus dorsalis

intermedius

N. suralis

lateralis N. cutaneus dorsalis lateralis Rr. calcanei laterales

Abb. 14.66: Hautnerven und -venen des Beines

1172

in den Arcus venosus plantaris über. Abflüsse aus der Planta pedis laufen über die beiden Fußränder zum dorsalen Venennetz. Die subkutanen Venen von Fußrücken und Fußsohle gehen in die V. saphena parva und V. saphena magna über. Sie enthalten zahlreiche Venenklappen. V. saphena parva. Entsteht am lateralen Fußrand, verläuft mit dem N. suralis zwischen beiden Köpfen des M. gastrocnemius nach proximal. In Wadenmitte durchstößt sie die Fascia cruris und mündet in die V. poplitea. V. saphena magna. Sie entsteht am medialen Fußrand und verläuft vor dem medialen Knöchel zur tibialen Seite des Unter- und Oberschenkels. Am Hiatus saphenus mündet sie in die V. femoralis. Hier nimmt sie oberflächliche Venen aus der Unterbauchgegend (V. epigastrica superficialis), Leistenbeuge (V. circumflexa ilium superficialis) und der äußeren Genitalregion (Vv. pudendae externae) auf („Venenstern“). Im Zuflussgebiet der epifaszialen Venen gibt es zahlreiche Tiefenverbindungen, Vv. perforantes. Sie ziehen senkrecht durch die Faszien und leiten das Blut zu den tiefen Venen. V. femoropoplitea. Oberflächliche Anastomose zwischen V. saphena parva und V. saphena magna. Verläuft schräg von distal-dorsal nach proximalventral und mündet im proximalen Oberschenkeldrittel in die V. saphena magna (s. Abb. 14.66). Klinik: 1. Klinisch wichtige Venen (→ Disposition zu Varizen, Thrombosen): 1.1 Boyd-Venen. Verbindungen zwischen V. saphena magna und Vv. tibiales posteriores in der Wadenregion (→ Perforansvene), 1.2 Cockett-Venen. Verbindungen zwischen V. saphena magna und Vv. tibiales posteriores hinter dem medialen Knöchel → Perforansvene! 1.3 Tiefe Beinvenen, Venae profundae membri inferioris münden am Oberschenkel in die V. femoralis; besitzen distal mehr Venenklappen als proximal; häufige Prädilektionsstellen für tiefe Beinvenenthrombosen. 2. Klinische Untersuchung bei Veneninsuffizienz: 2.1 Gastroknemiuspunkt. Stelle in der Wadenmitte, die bei Insuffizienz der Venae perforantes zwischen den Venen des M. gastrocnemius u. der V. saphena parva als Blow out (s. u.: Klinik) der May-Vene sichtbar wird. 2.2 Soleuspunkt. Eintrittsstelle der Cockett-Vene III,

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

die zwischen M. soleus und den tiefen Flexoren direkt in die Vv. tibiales posteriores übergeht. Subfasziale, tiefe Venen (Vv. comitantes). Größere subfasziale Venen begleiten, häufig gedoppelt, die Arterien von Unter- und Oberschenkel. Aus ihnen geht distal der Knieregion die V. poplitea hervor. V. poplitea. Sammelt Blut aus dem Unterschenkel, Vv. surales, und der Kniegegend, Vv. geniculares: w Vv. tibiales anteriores. Begleiten die A. tibialis

anterior und nehmen einen Teil des Blutes aus dem Rete venosum dorsale pedis auf. w Vv. tibiales posteriores. Begleiten die A. tibialis posterior. Nehmen Blut aus den Vv. peroneae (fibulares) und dem Rete venosum plantare auf. V. profunda femoris. Begleitvene der gleichnamigen Arterie. Erhält Zuflüsse aus den Vv. circumflexae femoris medialis und lateralis sowie von Vv. perforantes. V. femoralis. Die großen Venen des Beines münden in die V. femoralis. Sie entsteht im Adduktorenschlitz aus der V. poplitea. Die Vene zieht medial von der A. femoralis durch die Lacuna vasorum (Abb. 14.81) und geht proximal vom Leistenband in die V. iliaca externa über. Zuflüsse der V. iliaca interna sind: Vv. gluteae superiores, Vv. gluteae inferiores, Vv. obturatoriae, Vv. sacrales laterales. Die V. iliolumbalis geht in die V. iliaca communis über. Klinik: 1. Varizen (= Krampfadern). unregelmäßig erweiterte, geschlängelte oberflächliche Venen. Entstehen durch Wandschwäche, intravasale Druckerhöhung oder Venenklappeninsuffizienz, 2. Varikose (Varizenbildung, Krampfaderleiden). Venenerkrankungen mit Obliteration bzw. lokaler Insuffizienz von Venenklappen (meist Phlebothrombose, Insuffizienz der Vv. perforantes; oberflächliche und tiefe Varizen mit Stauungserscheinungen (= chronisch-venöse Insuffizienz); bei Klappeninsuffizienz tiefer Beinvenen erfolgt der durch die Muskelpumpe bewirkte venöse Rückstrom vermehrt über die durch Crossen u. Vv. perforantes mit den tiefen Beinvenen in Verbindung stehenden oberflächlichen Venen (Kollateralkreislauf über die Vv. saphenae). Prädilektionsstellen: 2.1

14.1 Systematische Anatomie

Stammvarikose (= Venenhauptstämme): Vv. saphenae magna et parva, 2.2 Nebenastvarikose (= Nebenäste), 2.3 Besenreiservarizen: intra- (= retikuläre Varikose) u. subkutane Venengeflechte (= Besenreiservarizen). Häufig Kombinationstypen von primärer u. sekundärer Varikose. Klin. Zeichen einer Insuffizienz der Vv. perforantes ist die bis daumenkuppengroße blasige Vorwölbung einer oberflächlichen Vene (→ blow out) mit palpatorisch erfassbarer rundlich-ovaler Faszienlücke, 3. Ulcus cruris (= Unterschenkelgeschwür). Substanzdefekt der Haut, meist über den Innenknöcheln, bei chronisch-venöser Insuffizienz (→ Ulcus cruris venosum).

14.1.5

Lymphgefäße und Lymphknoten, Vasa lymphatica und Nodi lymphatici (lymphoidei) membri inferioris

Lernziele: Drainagegebiete und Verlauf der oberflächlichen und tiefen Lymphgefäße, Regionäre Lymphknoten Am Bein unterscheidet man oberflächliche (epifasziale) und tiefe (subfasziale) Kollektoren (Sammelgefäße), die über inguinale Lymphknotenstationen einen Abstrom zu den prä-, paraund retroaortalen Lymphknoten herstellen (Abb. 14.67a). Oberflächliche Lymphabflüsse (Abb. 14.67) von Dorsum und Planta pedis erfolgen aus feinen Netzwerken in Lymphbahnen, die den beiden großen Hautvenen folgen. Lymphkollektoren, die mit der V. saphena magna verlaufen, erhalten weitere Zuflüsse von der Streckseite des Beines. Sie ziehen ununterbrochen zu den Nll. inguinales superficiales. Aus ihnen treten die Lymphbahnen durch die Fascia lata hindurch in die Nll. inguinales profundi über. Lymphgefäße, die mit der V. saphena parva verlaufen, ziehen in die Kniekehle. Hier gehen sie entweder in die Nll. poplitei über oder verlaufen zu den Kollektoren, die die V. saphena magna begleiten. Tiefe Lymphabflüsse am Bein (von den Knochen, Gelenken und Muskeln) verlaufen in den großen Gefäßstraßen. Am Unterschenkel begleiten sie die

1173

Vasa tibialia anteriora und posteriora sowie die Vasa peroneae. Die vor der Membrana interossea cruris entlangziehenden Lymphbahnen können im proximalen Drittel des Unterschenkels einen Nl. tibialis anterior erreichen. Hinter der Membrana interossea verlaufende Lymphgefäße erreichen ohne Unterbrechung die Nll. poplitei. Sie folgen dann nach proximal den Vasa poplitea bzw. Vasa femoralia und gehen in die Nll. inguinales profundi über. Diese liegen in variabler Zahl und Größe unterhalb des Leistenbandes neben A. und V. femoralis. Leistenregion. Der Abstrom von den oberflächlichen und tiefen Lymphknoten erfolgt in den großen, in der Lacuna vasorum liegenden RosenmüllerLymphknoten. Weiter nach proximal folgen die Lymphbahnen und -knoten den Vasa iliaca. Beckenabfluss. Der weitere Abstrom der Lymphe aus Bein und Becken geht über die lumbalen Lymphbahnen zu den prä-, para- und retroaortalen Lymphknoten.

14.1.6

Nerven der unteren Gliedmaße, Nervi membri inferiores

Lernziele: Ursprung, Verlauf, Äste und Versorgungsgebiete des Plexus lumbalis und Plexus sacralis, Hautinnervation, segmentale Zuordnung Die untere Extremität wird über den Plexus lumbosacralis innerviert. Plexus lumbosacralis (Abb. 14.68, 69). Die untere Gliedmaße erhält ihre Nervenversorgung aus dem stärksten Nervengeflecht, dem Lenden-Kreuzbeingeflecht (Plexus lumbosacralis), zusammengesetzt aus Plexus lumbalis und Plexus sacralis. 1. Plexus lumbalis. Am Aufbau des Lendengeflechts beteiligen sich ein ventraler Ast des 12. Thorakalnerven, die ventralen Äste der 3 kranialen Lumbalnerven und die obere Hälfte des 4. Lendennerven. Er liegt zwischen der ventralen und dorsalen Portion des M. iliopsoas. w Der N. lumbalis IV teilt sich als N. furcalis in 3

Äste: N. femoralis, N. obturatorius, N. ischiadicus (ein Teil davon).

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1174

Rücken

vordere Bauchwand Nodi lymphoidei inguinales superficiales Nodus lymphoideus penis Nodus lympohoideus prepubicus

äußeres Genitale

Glutealregion

Perineum, Anus, Scrotum

Sulcus genitofemoralis

ventromediales Bündel

Vasa lymphatica femoralia poplitealer Abschnitt des ventromedialen Bündels: physiologischer Flaschenhals

Hiatus canalis adductorii

Nodi lymphoidei poplitei dorsolaterales Bündel Fascia cruris superficialis

Fascia cruris superficialis Kollektoren des Dorsum pedis

ventromediales Bündel

Kollektoren des Dorsum pedis Vasa plantaria lateralia

dorsolaterales Bündel

Vasa plantaria medialia

Vasa plantaria medialia

Vasa plantaria interdigitalia

Vasa plantaria medialia Plexus lymphaticus plantaris Vasa plantaria interdigitalia

a

b

Abb. 14.67: Drainagegebiete der oberflächlichen inguinalen und der poplitealen Lymphknoten

14.1 Systematische Anatomie

w Zwischen dem 4. und 5. Lendennerven entwi-

ckelt sich der Truncus lumbosacralis. Er stellt das Bindeglied zwischen dem lumbalen und sakralen Anteil des Plexus lumbosacralis her.

2. Plexus sacralis. Das Kreuzbeingeflecht entsteht durch Zusammenlaufen des Truncus lumbosacralis aus L 4 und den ventralen Ästen des 5. Lumbal- und der 3 kranialen Sakralnerven. 3. Die Rr. dorsales der 3 kranialen Lendennerven senden ihre lateralen Hautäste, Nn. clunium superiores zur Haut des Gesäßes unterhalb des Darmbeinkammes. Die Nn. clunium medii sind Hautzweige der Rr. dorsales der Nn. sacrales. Sie versorgen die Haut neben der Gesäßfurche (Abb. 14.67).

14.1.6.1

Lendengeflecht, Plexus lumbalis (Th12–L4)

Der lumbale Nervenplexus steht über Rr. communicantes mit dem Lendenteil des Truncus sympathicus in Verbindung. Kurze Muskeläste, Rr. musculares, versorgen die M. psoas major, minor und M. quadratus lumborum. Astfolge (s. Kap. 11.1.4, S. 920 – hier zur Wiederholung): N. iliohypogastricus (N. iliopubicus; Th12–L1). Verläuft zwischen Rückfläche der Niere und Vorderfläche des M. quadratus lumborum. Dringt über der Crista iliaca zunächst zwischen die Mm. transversus und obliquus internus abdominis, dann zwischen die Mm. obliqui internus und externus abdominis ein: w Rr. musculares zu den Bauchmuskeln. w R. cutaneus lateralis zur Haut der Hüftgegend. w R. cutaneus anterior zur Haut der Leistenbeuge.

N. ilioinguinalis (L1). Verläuft wie der vorige durch die Bauchmuskeln, liegt an der Innenseite des Leistenbandes und tritt durch den äußeren Leistenring, Anulus inguinalis superficialis, zur Haut des äußeren Genitale über: w Rr. musculares zu den Bauchmuskeln. w Nn. anteriores scrotales (männl.) und Nn. labia-

les anteriores (weibl.) zur Haut von Hodensack bzw. großen Schamlippen.

1175

N. genitofemoralis (L1–2). Er durchbohrt den M. psoas major und teilt sich auf ihm absteigend in: w R. femoralis. Zieht lateral von der A. femoralis

durch die Lacuna vasorum. Versorgt die Haut in der Umgebung des Hiatus saphenus. w R. genitalis. Zieht lateral und dorsal vom Funiculus spermaticus (bzw. Lig. teres uteri) durch den Leistenkanal. Versorgt den M. cremaster, die Haut der großen Schamlippen (bzw. des Hodensackes, Scrotums), das Periorchium und die Haut an der medialen Seite des Oberschenkels. N. cutaneus femoris lateralis (L2–3). Zieht schräg über den M. iliacus zur Spina iliaca anterior superior und gelangt unterhalb des Leistenbandes unter die Fascia lata, verläuft an der lateralen Seite des Oberschenkels, durchbricht die Faszie in der Mitte und versorgt die Haut bis nahe an das Knie (Abb. 14.68, 71, 71). N. femoralis (L1–4). Gelangt in der Rinne zwischen dem M. psoas und M. iliacus zur Lacuna musculorum und von dort unter dem Leistenband zur Streckseite des Oberschenkels. Hier zerfällt er fächerartig in seine Endäste: w Rr. musculares zum M. iliopsoas, M. quadriceps

femoris, M. sartorius und M. pectineus.

w Rr. cutanei anteriores zur Haut an der Vorder-

seite des Oberschenkels bis zum Knie.

w N. saphenus. Verläuft lateral von der A. femo-

ralis durch den Adduktorenkanal, durchbricht erst das Septum intermusculare vastoadductorium (Membrana vastoadductoria) und dann die Fascia cruris in Höhe des Tibiakopfes. Zieht mit der V. saphena magna bis zum medialen Knöchel: • R. infrapatellaris. Versorgt die Haut an der medialen und vorderen Seite des Kniegelenkes. • Rr. cutanei cruris mediales. Ziehen zur Haut der medialen und vorderen Fläche des Unterschenkels, des medialen Knöchels und evtl. auch des medialen Fußrandes bis zur großen Zehe. Autonomgebiete. N. femoralis: handbreiter Hautstreifen an den distalen Zweidritteln der Vorderseite des Oberschenkels; N. saphenus: Haut der Facies medialis tibiae. N. obturatorius (L1–4). Zieht als einziger Nerv des Plexus lumbalis nach medial an die Innenseite des kleinen Beckens, unterkreuzt den M. psoas und

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1176 TH XII LI N. subcostalis

N. iliohypogastricus N. ilioinguinalis

N. genitofemoralis

R. genitalis R. femoralis

N. cutaneus femoris lateralis

L II L III

N. furcalis

L IV LV

Truncus lumbosacralis

SI S II S III S IV

N. obturatorius M. adductor brevis R. posterior n. obturatorii R. anterior

N. femoralis Rr. musculares

Rr. musculares

Rr. cutanei anteriores Rr. musculares n. femoralis (zu M. quadriceps femoris)

R. cutaneus n. obturatorii

M. sartorius N. saphenus

N. peroneus communis

R. infrapatellaris

N. peroneus profundus N. peroneus superficialis Rr. musculares n. peronei profundi (zu Mm. extensores longi et M. tibialis ant.)

N. saphenus N. cutaneus dorsalis medialis N. cutaneus dorsalis intermedius N. cutaneus dorsalis lateralis

Rr. musculares n. peronei profundi (zu Mm. extensores breves)

Nn. digitales dorsales pedis Rr. cutanei hallucis lateralis et digiti secundi medialis n. peronei profundi

Abb. 14.68: Plexus lumbosacralis und Nerven des Beines von ventral

14.1 Systematische Anatomie

1177

Truncus lumbosacralis N. gluteus superior N. pudendus Lig. sacrotuberale

N. gluteus inferior M. piriformis M. obturatorius internus

Nn. clunium inferiores N. cutaneus femoris posterior Rr. musculares (mediales) n. ischiadici (zu Mm. flexores und Pars distalis m. adductoris magni) N. tibialis

N. ischiadicus

R. muscularis ( lateralis) n. ischiadici

N. peroneus communis R. muscularis n. peronei communis (zu C. breve m. bicipitis femoris)

Rr. musculares n. tibialis (zu Mm. flexores superficiales et profundi)

N. cutaneus surae medialis

N. cutaneus surae lateralis R. communicans peroneus

N. suralis

N. tibialis

N. plantaris medialis

R. superficialis N. plantaris lateralis R. profundus

N. digitales plantares communes

N. digitales plantares proprii

Abb. 14.69: Nerven des Beines von dorsal

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1178

überkreuzt die Linea terminalis auf Höhe der Art. sacroiliaca, um durch den Canalis obturatorius zu den Adduktoren zu gelangen: w R. anterior. Zieht vor dem M. adductor brevis

abwärts und versorgt mit Rr. musculares: M. pectineus (beachte: Doppelinnervation!), M. adductor longus, M. adductor brevis, M. gracilis. Der Endast, R. cutaneus, zieht zur Haut an der medialen Seite des Oberschenkels. w R. posterior. Liegt hinter dem M. adductor brevis und versorgt mit Rr. musculares: M. obturatorius externus, M. adductor magnus und mit einem R. articularis die Kapsel des Hüftgelenkes sensibel. Autonomgebiet. N. obturatorius: kleiner Hautbezirk an der medialen Seite des Oberschenkels am Übergang vom mittleren zum distalen Drittel.

14.1.6.2

Kreuzbeingeflecht, Plexus sacralis (L4–S3)

Der sakrale Plexus liegt abgeplattet an der Vorderfläche des Os sacrum vor dem M. piriformis und hinter der A. iliaca interna. Er entsteht durch das Zusammentreten der Rr. ventrales des 1.–3. Sakralnerven und des Truncus lumbosacralis aus den ventralen Ästen vom 4. (kaudale Hälfte) und 5. Lendennerven. Die Zweige des Kreuzbeingeflechtes verlassen das Becken durch das Foramen ischiadicum majus und versorgen die Glutealregion, Beugeseite des Oberschenkels, den Unterschenkel und den Fuß.

Astfolge Rr. musculares (N. m. obturatorii interni, N. m. piriformis, N. m. quadrati femoris) für die genannten Muskeln. N. gluteus superior (L5–S1) tritt mit der gleichnamigen Arterie durch das Foramen suprapiriforme und versorgt die Mm. gluteus medius, minimus und tensor fasciae latae. N. gluteus inferior (L5–S2) zieht durch das Foramen infrapiriforme und versorgt den M. gluteus maximus. N. cutaneus femoris posterior (S1–S3). Er zieht zusammen mit dem N. ischiadicus durch das Fora-

men infrapiriforme. Vom Unterrand des M. gluteus maximus an verläuft er subfaszial, durchbricht die Fascia lata in der Mitte der dorsalen Seite des Oberschenkels und zieht bis zur Kniekehle. w Nn. clunium inferiores. Ziehen um den Unter-

rand des M. gluteus maximus zur Haut des Gesäßes. w Rr. perineales. Ziehen zur Haut des Dammes und des äußeren Genitales. Die Endäste versorgen auch die Haut der Rückseite des Oberschenkels dorsal bis zum Kniegelenk (Abb. 14.71). w N. pudendus und N. coccygeus.

N. ischiadicus (L4–S3). Stärkster Nerv des Körpers. Tritt durch das Foramen infrapiriforme, zieht über den M. triceps coxae (M. obturatorius internus, Mm. gemelli superior und inferior) und M. quadratus femoris hinweg und steigt in der Mitte zwischen Tuber ischiadicum und Trochanter major zum Oberschenkel ab. Er entsendet einen kleinen Ast an das Hüftgelenk, wird dann vom M. biceps femoris überkreuzt und gelangt schließlich in die Kniekehle und teilt sich hier oder schon vorher in seine beiden Endäste, N. peroneus communis und N. tibialis. Variation. In 15 % kommt er bereits geteilt in seinen tibialen und fibularen Anteil aus dem Plexus sacralis (→ hohe Teilung). Der Peroneusanteil des N. ischiadicus durchbohrt dann den M. piriformis und nur der N. tibialis zieht regelhaft durch das Foramen infrapiriforme hindurch. w Rr. musculares für den M. triceps coxae und für

den M. quadratus femoris.

w N. peroneus (fibularis) communis (L4–S2) ver-

läuft an der medialen Seite des M. biceps femoris zum Caput fibulae unmittelbar unter der Haut und der Faszie, windet sich schraubenförmig um den Fibulahals (→ Druckpunkt!) und dringt zwischen die Mm. peronei ein. Hier teilt er sich in einen oberflächlichen und tiefen Ast: • Rr. musculares für das Caput breve m. bicipitis femoris. w N. cutaneus surae lateralis entspringt in der Kniekehle, durchdringt die Faszie und versorgt die laterale Seite der Haut der Wade bis zum Außenknöchel. w R. communicans peroneus (fibularis) durchbohrt über dem lateralen Gastroknemiuskopf die Faszie und verbindet sich mit dem N. cutaneus

14.1 Systematische Anatomie

R. cutaneus lateralis n. iliohypogastrici (L1, Plexus lumbalis)

1179

R. femoralis n. genitofemoralis (L1, Plexus lumbalis) N. ilioinguinalis (L1, Plexus lumbalis)

N. cutaneus femoris lateralis (L2–L3, Plexus lumbalis)

R. cutaneus anterior (L2–L3, N. femoralis)

R. cutaneus n. obturatorii (L2–L4)

N. cutaneus surae lateralis (L4–S1, N. peroneus [fibularis] communis)

N. saphenus (L3–L4, N. femoralis)

N. peroneus (fibularis) superficialis (L4–S1, N. peroneus [fibularis] communis)

Nn. clunium superiores (Rr. dorsales, L1–L3)

R. cutaneus lateralis n. iliohypogastrici (L1, Plexus lumbalis)

Nn. clunium medii (Rr. dorsales, S1_S3) Nn. clunium inferiores (L4; S2–S3 Plexus sacralis)

N. cutaneus femoris lateralis (L2–L3, Plexus lumbalis)

R. cutaneus anterior (L2–L3, N. femoralis)

N. cutaneus femoris posterior (S1–S3, Plexus sacralis)

R. cutaneus n. obturatorii (L2–L4)

N. cutaneus surae lateralis (L4–S1, N. peroneus [fibularis] communis)

N. saphenus (L3–L4, N. femoralis)

Rr. calcanei mediales (S1, N. tibialis)

N. suralis (S1, N. tibialis)

N. peroneus (fibularis) profundus (L5, N. peroneus [fibularis] communis) ventral

N. suralis (S1, N. tibialis)

N. plantaris medialis (S1, N. tibialis)

N. plantaris lateralis (S1, N. tibialis) dorsal

Abb. 14.70: Hautinnervation der unteren Extremität von vorne

Abb. 14.71: Hautinnervation der unteren Extremität von hinten

surae medialis (aus dem N. tibialis) zum N. suralis. w N. peroneus (fibularis) superficialis verläuft bedeckt vom M. peroneus longus nach distal: 1. Rr. musculares für die Mm. peronei, 2. N. cutaneus dorsalis medialis, 3. N. cutaneus dorsalis intermedius. Sie innervieren beide die Haut des Fußrückens und enden als Nn. digitales dorsales pedis, welche die Streckseite der Zehen bis zur Mittelphalanx versorgen. w N. peroneus profundus. Gelangt durch das Septum intermusculare cruris anterius in die Streckerloge und verläuft mit den Vasa tibialia anteriora zum Fußrücken. Hier versorgt er sensibel die Kapseln der Gelenke der Fußwurzel:

1. Rr. musculares für den M. tibialis anterior, M. extensor digitorum longus, M. extensor hallucis longus, M. extensor digitorum brevis und M. extensor hallucis brevis, 2. Nn. digitales dorsales pedis. Versorgen die Haut der angrenzenden Flächen der 1. und 2. Zehe. Autonomgebiet. N. peroneus superficialis: schmaler Hautstreifen am Fußrücken etwas lateral von der Mitte. w N. tibialis (L4–S1). Bevor er in die Kniekehle eintritt, gibt sein proximaler Anteil Rr. musculares für die Mm. semimembranosus, semitendinosus, Caput longum m. bicipitis femoris und adductor magnus ab. Außerdem entsendet er Rr. articulares zum Kniegelenk. Lateral von der

1180

w

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w w

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V. poplitea verläuft er durch die Fossa poplitea und gelangt unter den Sehnenbogen des M. soleus zwischen die oberflächliche und tiefe Beugermuskulatur. Er zieht lateral von den Vasa tibialia posteriora nach distal in den Tarsaltunnel (→ Canalis tarsi) hinter dem medialen Knöchel und zerfällt in seine beiden Endäste, N. plantaris medialis und lateralis: Rr. musculares für die dorsalen Unterschenkelmuskeln Mm. gastrocnemius, soleus, plantaris, popliteus, tibialis posterior, flexor digitorum longus, flexor hallucis longus. Rr. articulares für die Sprunggelenke. N. interosseus cruris. Zieht aus der Kniekehle kommend zur Membrana interossea cruris und verläuft auf oder zwischen ihren Faserschichten zur Syndesmosis tibiofibularis und zum oberen Sprunggelenk. N. cutaneus surae medialis. Versorgt die Haut der Wade. Verbindet sich am distalen Rand der Wade mit dem R. communicans peroneus (fibularis) des N. cutaneus surae lateralis zum N. suralis. N. suralis. Versorgt die Haut über der Achillessehne, gibt Rr. calcanei laterales zur Haut der Ferse ab und zieht hinter dem fibularen Knöchel vorbei zum lateralen Rand des Fußes. Sein Endast, N. cutaneus dorsalis lateralis, zieht bis zur Haut der kleinen Zehe: Rr. calcanei mediales zur Haut der Ferse. N. plantaris medialis. Einer der Endäste des N. tibialis. Er gibt zunächst Muskeläste an den kurzen Zehenbeuger und den Abduktor der großen Zehe ab. Der Nerv teilt sich dann in einen medialen und lateralen Zweig. Der mediale Zweig versorgt den medialen Kopf des M. flexor hallucis brevis und die Haut der großen Zehe. Der laterale Zweig innerviert die drei tibialen Mm. lumbricales über die Nn. digitales plantares communes. Diese zweigen sich in Höhe der Zehengrundgelenke in je zwei Nn. digitales plantares proprii auf. Sie versorgen die Haut der einander zugewandten Flächen der 1.–4. Zehe, ähnlich wie der N. medianus an der Hand. N. plantaris lateralis. Verläuft lateral von der gleichnamigen Arterie, versorgt den M. quadratus plantae und den M. abductor digiti minimi. Er teilt sich in zwei Endäste: R. superficialis. Versorgt mit Nn. digitales plantares communes und Nn. digitales plantares proprii die Haut des lateralen Fußrandes,

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

der kleinen Zehe und des lateralen Randes der 4. Zehe. • R. profundus versorgt den M. flexor digiti minimi brevis, M. opponens digiti minimi, sämtliche Mm. interossei, den 4. M. lumbricalis, den M. adductor hallucis und den lateralen Kopf des M. flexor hallucis brevis. Autonomgebiet. N. tibialis: Haut von Fußsohle und Ferse. Klinik: Nervenlähmungen 1. Läsionen des Plexus lumbosacralis. Ursache: Becken-, Wirbelfrakturen, Tumoren im Becken, Geburtskomplikationen, diabetische Neuropathie. Wegen der geschützten Lage im Becken sind traumatische Schädigungen der Beinplexus selten. 1.1 Läsionen des Plexus lumbalis. Betroffen sind sensible Äste, die zum Beckengürtel bzw. Oberschenkel ziehen. Motorische Ausfälle zeigen sich an den Hüftbeugemuskeln, Außenrotatoren des Hüftgelenks, Kniestreckern, Adduktoren. 1.2 Läsionen des Plexus sacralis. Hier sind Sensibilitätsstörungen an der Oberschenkelrückseite, am gesamten Unterschenkel und am Fuß zu beobachten. Motorische Lähmungen findet man bei Hüftstreckmuskeln, Kniebeugern und allen Muskeln von Unterschenkel und Fuß. 2. Läsionen einzelner Nerven der unteren Gliedmaße. Im Vergleich zu peripheren Nerven an Schultergürtel, Arm oder Hand (Kap. 9.1.3.4.2, S. 732) selten, da die obere Extremität im Gegensatz zur unteren im Alltag gefährdeter ist. 2.1. N. femoralis (L1–4). Der M. iliopsoas ist teilgelähmt. Er fällt nicht vollständig aus, da eine zusätzliche Versorgung durch direkte Äste aus dem Plexus lumbalis vorliegt. Durch die Schwäche beim Beugen der Hüfte ist der Patient beim Gehen und Treppensteigen behindert. Bei Läsionen am oder unterhalb des Leistenbandes sind der M. quadriceps femoris, der M. sartorius und der M. pectineus paretisch. Streckung im Knie gegen Widerstand ist nicht möglich. Kniebeugung und Hinaufgehen ist ebenfalls nicht durchführbar. Die Patienten gehen stelzenartig mit überstrecktem Knie. Sensibilitätsausfälle an der Innenseite von Oberschenkel, Knie und Unterschenkel (→ N. saphenus). Der Patel-

14.1 Systematische Anatomie

larsehnenreflex (PSR) ist abgeschwächt oder erloschen. 2.2 N. obturatorius (L1–4). Ursache von Läsionen sind: Beckenfrakturen, Hernia obturatoria. Bei Lähmung wird das Bein beim Gehen in der Schwungphase über eine Zirkumduktion im Hüftgelenk geführt. Sensibilitätsausfall in einem Hautareal an der Innenseite des Oberschenkels proximal vom Kniegelenk → Reithosenanästhesie. 2.3 N. gluteus superior (L5–S1). Tiefe Glutealmuskeln und M. tensor fasciae latae sind gelähmt. Abduktion im Hüftgelenk ist unmöglich. Beim Stehen auf der paretischen Seite sinkt das Bein auf der gesunden Seite beim Gehen ab (→ Trendelenburg-Zeichen). 2.4 N. gluteus inferior (L5–S2). Lähmung und Atrophie des M. gluteus maximus. Streckung in der Hüfte hochgradig eingeschränkt. Aufstehen vom Sitzen und Treppensteigen unmöglich. 2.5 N. ischiadicus (L4–S3). Bei Lähmung fallen die ischiokruralen Muskeln sowie alle Muskeln des Unterschenkels und des Fußes aus. Das Gehen ist jedoch bei intakter Funktion der Glutealmuskeln, der Extensoren und Adduktoren des Oberschenkels noch eingeschränkt möglich. Lediglich die Abrollung des Fußes ist gestört. Sensibilitätsausfälle an der lateralen und dorsalen Fläche des Unterschenkels und des Fußes. Ischiassyndrom (= Ischialgie). Neuralgie oder Neuritis des N. ischiadicus durch Reizung bzw. Kompression des Nerven oder seiner Wurzeln (z. B. Irritation bzw. Kompression bei L4/L5/ S1), Bandscheibenvorfall, unsachgemäße i. m. Injektion. Symptome: Schmerzen in der Len-

1181

dengegend, die in das Bein bis zum Fußrand ausstrahlen, evtl. mit Verstärkung beim Niesen, Husten oder Pressen, Schonhaltung mit leicht angewinkeltem und außenrotiertem Bein, lokale Druck- und Klopfempfindlichkeit der Wirbelsäule mit Verspannung der paravertebralen Muskulatur, Druckschmerzhaftigkeit der Valleix-Punkte, Sensibilitätsstörungen, ggf. Lähmungen der Zehenmuskulatur; Abschwächung des Achillessehnenreflexes, Lasègue-Zeichen u. Moutard-Martin-Zeichen positiv. 2.6 N. tibialis (L4–S3). Bei Lähmung fallen alle Fuß-, Zehenbeuger und kleinen Fußmuskeln aus (Ausnahme: M. extensor digitorum brevis, M. extensor hallucis brevis). Zehenstand nicht möglich. Ausfall der Mm. interossei bedingt einen Krallenfuß (→ Mittel- und Endphalangen in Plantarflexion). 2.7 N. peroneus (fibularis) communis (L4–S2). Parese bedeutet Ausfall aller langen und kurzen Extensoren von Fuß, Zehen und der Mm. peronei. Der Fuß hängt schlaff herunter. Eine Dorsalextension ist nicht möglich. Beim Gehen kann der Fuß nur noch mit der Spitze aufgesetzt werden. Damit der Fuß jedoch nicht bei jedem Schritt am Boden hängen bleibt, muss der Patient das Bein abnorm hochheben (→ Steppergang oder Hahnentritt). Peroneuslähmung. (= Fibularislähmung). Ursache häufig Druckläsion des N. peroneus communis am Fibulakopf durch Sitzen mit überkreuzten Knien, Gipsverband, Lagerung im Koma oder in Narkose, Fibulafraktur. Symptome: Spitzfußstellung und Steppergang durch Lähmung der Dorsalextensoren von Fuß und Zehen.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1182

14.2

Topographische und Angewandte Anatomie

Am proximalen Ende entwickelt sich das Bein aus dem Becken.

daher Gefahr des Wundliegens (→ Dekubitus) bei schwerkranken Bettlägerigen (Kap. 15.3, S. 1222).

Grenzen gegen den Rumpf. Ventral: Leistenbeuge, lateral, dorsal: Darmbeinkamm, hintere Körpermitte: Kreuzbein, unten: Genitalregion, Damm.

Die Haut ist mit der Fascia glutea durch kräftige Retinacula cutis verbunden (→ Druckkammerprinzip). Sie kann nur schwer abgehoben werden. Ausbreitungen von eitrigen Entzündungen erfolgen nur sehr langsam.

Regionen. Gesäß (Regio glutealis), Hüfte (Regio coxae), Oberschenkel (Regio femoris anterior, posterior), Knie (Regio genus anterior, posterior), Unterschenkel (Regio cruris anterior, posterior) und Fuß (Regio pedis) mit Ferse (Regio calcanea), Fußrücken (Dorsum pedis), Fußsohle (Planta pedis), Fußwurzel (Regio tarsalis), Mittelfuß (Regio metatarsalis) und Zehen (Digiti pedis).

14.2.1

Gesäßregion, Regio glutealis

Lernziele: Oberflächliche Regio glutealis, tiefe Regio glutealis, Foramen suprapiriforme, Foramen infrapiriforme, N. ischiadicus Die Regio glutealis bildet mit Skelett, Muskeln und Leitungsbahnen den Übergang vom Becken auf die freie untere Extremität. Sie ist Teil der Hüfte, Coxa (Regio coxae). Praktische Bedeutung: Die Region ist durch mächtige Muskeln gekennzeichnet; durch den aufrechten Gang ist besonders der M. gluteus maximus entwickelt. Operativer Zugang zum Hüftgelenk, Ort intramuskulärer (i. m.) Injektionen. Grenzen. Proximal: Crista iliaca, distal: Gesäßfurche, Sulcus glutealis, medial: Kreuzbein, Os sacrum, Steißbein, Os coccygis und Damm, Perineum, lateral: Senkrechte durch die Spina iliaca anterior superior. Inspektion, Palpation. Neben der Muskelkontur füllt ein stark entwickeltes subkutanes Fettpolster (→ sekundäres Geschlechtsmerkmal) die Region auf. Die beiden Gesäßbacken, Clunes sive Nates, werden durch die Gesäßspalte, Crena analis sive Crena interglutealis, getrennt. Hier kann es zu Wundreiben, Intertrigo, (→ sog. Wolf) kommen. Über dem Kreuzbein ist das Fettpolster sehr dünn,

Die Gesäßfurche, Sulcus glutealis, ist in Streckstellung im Hüftgelenk am tiefsten (Asymmetrien bei Erkrankungen des Hüftgelenkes). Sie entspricht jedoch nicht dem Unterrand des M. gluteus maximus. Vielmehr ist hier eine von medial nach lateral bogenförmige Verstärkung der Fascia glutealis angelegt (s. Abb. 14.44, 45). Dieses Sitzhalfter zieht bei Beugung im Hüftgelenk den Unterrand des großen Gesäßmuskels vom Tuber ischiadicum weg nach kranial. In Streckstellung vom Muskel bedeckt wird der Sitzknorren in Beugestellung tastbar und der Muskel druckentlastet. Der Darmbeinkamm ist über seine gesamte Ausdehnung gut abzutasten (s. Abb. 14.73). Der hintere obere Darmbeinstachel verbindet sich mit der Haut durch kurze Retinacula cutis. Die hier entstehenden Hautgrübchen markieren mit einer Einziehung am Dornfortsatz des 5. LW und dem kranialen Ende der Gesäßrinne die Eckpunkte der Michaelis-Raute (Kap. 8.1, S. 629) Der große Rollhügel, Trochanter major und die Rückfläche des Kreuzbeines, Os sacrum sind leicht zu tasten (Abb. 14.73, 74). Oberflächliche Regio glutealis Die Fascia glutealis entsendet in den M. gluteus maximus breite Bindegewebesepten. Über dem M. gluteus medius ist sie in eine Aponeurosis glutea umgewandelt (Abb. 14.45). Die hier verlaufenden Blutgefäße steigen als Äste der Vasa glutea durch die Muskulatur und die Faszien zur Subkutanschicht auf. Die Lymphe fließt sowohl medial als auch lateral zu den Nll. inguinales superficiales ab. Hautnerven liegen epifaszial und treten aus Randgebieten in die Gesäßregion ein (Abb. 14.64). Die Nn. clunium superiores (Rr. dorsales aus L1–L3) überqueren den Darmbeinkamm, die kurzen Nn. clunium medii (Rr. dorsales aus S1 und S3)

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

M. piriformis M. gluteus maximus

1183

M. gluteus medius A. glutea superior N. gluteus superior

N. pudendus A. pudenda interna

M. tensor fasciae latae

M. gluteus minimus Lig. sacrospinale A. glutea inferior N. gluteus inferior Lig. sacrotuberale

N. cutaneus femoris posterior ( Sonderfall )

N. ischiadicus, A. comitans n. ischiadici

M. gluteus medius M. gemellus superior M. obturatorius internus (Tendo) M. gemellus inferior Trochanter major M. quadratus femoris

A. perforans I M. adductor minimus

Nn. clunium inferiores

M. gluteus maximus

Abb. 14.72: Regio glutealis

kommen aus den Foramina sacralia posteriora. Die Nn. clunium inferiores sind Nerven aus den Rr. ventrales. Sie lösen sich in der tiefen Gesäßregion vom N. cutaneus femoris posterior (S1–S3) und dem N. pudendus (S2–S4). Am Unterrand des M. gluteus maximus umbiegend erreichen sie die Haut. Ein kleines laterales Feld über dem M. gluteus medius wird vom R. cutaneus lateralis aus dem N. iliohypogastricus (Th12–L1) versorgt. Tiefe Regio glutealis Der M. gluteus maximus bedeckt das subgluteale Bindegewebelager, in dem sich zahlreiche Leitungsbahnen befinden. Den Boden dieses Raumes bilden die Mm. gluteus medius, piriformis, obtu-

ratorius internus, gemelli und quadratus femoris (Abb. 14.72). Zwischen Innenraum des Beckens und der subglutealen Region liegt das Foramen ischiadicum majus, vom M. piriformis in 2 ungleich große Öffnungen unterteilt: Foramen supra-, infrapiriforme. Das Foramen suprapiriforme ist schmal. Inhalt: 1. kurze Blutgefäße für alle Gesäßmuskeln (Vasa glutea superiora), 2. N. gluteus superior für die Mm. gluteus medius, minimus und tensor fasciae latae. Aufsuchen des Foramen suprapiriforme: medialer Drittelpunkt der Spina-Trochanter-Linie (s. Abb. 14.75). Das Foramen infrapiriforme ist geräumi-

1184

ger. Inhalt: 1. N. und Vasa glutea inferiora 2. N. ischiadicus, 3. N. cutaneus femoris posterior, 4. Vasa pudenda interna und N. pudendus. Letztere ziehen um die Spina ischiadica und durch das Foramen ischiadicum minus zur Fossa ischioanalis (Kap. 13.4.2, S. 1048). Aufsuchen des Foramen infrapiriforme: Mitte der SpinaTuberlinie (Abb. 14.75). Der N. ischiadicus wird von einem kleinen Ast der A. glutea inferior begleitet, A. comitans nervi ischiadici (Abb. 14.72); selten ist als Rest des embryonalen Hauptgefäßes der unteren Extremität eine A. ischiadica nachzuweisen. Im subglutealen Verschiebespalt ist der N. ischiadicus durch den kräftigen M. gluteus maximus geschützt. Aufsuchen des N. ischiadicus: medialer Drittelpunkt der Trochanter-Tuber-Linie (Abb. 14.75). N. pudendus und Vasa pudenda interna liegen der Spina ischiadica auf. Sie verlassen nach kurzem Verlauf die tiefe Gesäßregion. Die Lymphe fließt durch die Foramina infra- und suprapiriforme zu den Nll. iliaci interni ab. Klinik: 1. Senkungsabszesse. Mit Nerven und Blutgefäßen können eitrige Entzündungen aus dem Becken durch die Foramina supra- et infrapiriforme in den subglutealen Bindegeweberaum gelangen und sich von dort in die Fossa ischioanalis oder mit dem N. ischiadicus bis zur Kniekehle ausbreiten, 2. Hernia ischiadica (selten!). Ausstülpung von Baucheingeweiden durch das Foramen supra- oder infrapiriforme in die Glutealregion. 3. Intramuskuläre (i. m.) Injektion in den Gluteus maximus ist ein Kunstfehler, da Verletzungen der Leitungsbahnen der Foramina supra- et infrapiriforme drohen. Injektionsort der Wahl ist der Gluteus medius (Abb. 14.75). 4. Ventrogluteale Injektion (nach A. von Hochstetter; Abb. 14.77, 78): Rechts: Linker Handteller liegt auf dem rechten Trochanter major. Die Zeigefingerspitze tastet die Spina iliaca anterior superior, der maximal abgespreizte Mittelfinger die Crista iliaca. Einstich senkrecht zur Sagittalebene zwischen Zeige- und Mittelfinger in Höhe der Grundphalangen. Links: Linke Hand so auflegen, dass der Mittelfinger die Spina iliaca anterior superior tastet und der abgespreizte Zeigefinger die Crista iliaca.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

14.2.2

Oberschenkelregion, Regio femoris

Lernziele: Muskellogen, Regio femoris posterior, N. ischiadicus, Regio femoris anterior, Inguinale Lymphknoten, Venenstern, Hiatus saphenus, Canalis adductorius, Regio obturatoria Die Oberschenkelregion ist ein wichtiger Durchgang für Nerven- und Gefäßstraßen. Grenzen. Proximal: Leistenbeuge, Gesäßfurche, distal: Transversalebene oberhalb der Basis patellae. Praktische Bedeutung und äußere Form (Abb. 14.73, 74). Der Schaft des Oberschenkelknochens ist von kräftigen Muskeln umhüllt und daher gut geschützt. Bei Frakturen des Femurs ist eine Reposition allerdings wegen der starken Muskulatur schwierig. Blutungen aus der A. femoralis sind lebensbedrohlich. Der Oberschenkel ist Durchgangsregion für Nerven- und Gefäßstraßen. Oberflächliche Lymphbahnen ziehen zu den Nll. inguinales superficiales. Die äußere Form des Oberschenkels wird durch die Muskeln und das Unterhautfettgewebe geprägt. Die Haut ist dorsal fester als ventral und gut verschieblich. Bei blassen, dünnhäutigen Menschen sind die Verläufe der epifaszialen Venen deutlich zu sehen. Muskellogen. Die kräftige Fascia lata umhüllt die gesamte Muskulatur des Oberschenkels (Abb. 14.59, 67). Seitlich ist sie zum Tractus iliotibialis aponeurotisch verstärkt (Abb. 14.43). Von der Unterseite der Faszie gehen straffe Bindegewebesepten in die Tiefe zur Linea aspera, Septum intermusculare mediale und laterale ( Abb. 14.60). Die beiden Septen formen Muskellogen: • mächtige ventrale Loge der Strecker, Compar-

timentum femoris anterius (extensorum),

• dorsale Loge, Compartimentum femoris pos-

terius (flexorum), Loge der Adduktoren, Compartimentum femoris mediale (adductorium).

Die für den aufrechten Gang und Stand erforderliche starke Muskelgruppe der Extensoren (M. quadriceps femoris) umgreift schalenförmig das

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

1185

Crista iliaca

Crista iliaca Spina iliaca anterior superior Spina iliaca anterior inferior Caput femoris Trochanter major

Promontorium Eminentia iliopubica Tuberculum pubicum Tuber ischiadicum

Spina iliaca posterior superior

Spina iliaca anterior superior

Crista sacralis mediana Spina ischiadica

Tuber ischiadicum

Trochanter major

Linea aspera

Facies poplitea

Epicondylus lateralis Condylus lateralis femoris Condylus lateralis tibiae Caput fibulae

Epicondylus medialis Condylus medialis femoris Condylus medialis tibiae

Epicondylus medialis Condylus medialis tibiae

Epicondylus lateralis

Condylus lateralis tibiae Caput fibulae

Tuberositas tibiae

Facies medialis Margo anterior Margo medialis

Malleolus medialis Malleolus lateralis Os cuboideum Tuberositas ossis metatarsalis V

Trochlea tali Caput tali Tuberositas ossis navicularis Ossa cuneiformia Os metatarsale I

Abb. 14.73: Skelett des Beines von ventral. Tastbare Knochen sind rot getönt (nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth)

Malleolus medialis Sustentaculum tali

Malleolus lateralis Tuber calcanei

Tuberositas ossis navicularis Tuberositas ossis metatarsalis I

Tuberositas ossis metatarsalis V

Ossa sesamoidea

Capita ossium metatarsalium

Abb. 14.74: Skelett des Beines von dorsal. Tastbare Teile der Knochen sind rot getönt (nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth)

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1186

Crista iliaca 1 2

Spina iliaca posterior superior, Spina iliaca anterior superior A. glutea superior, N. gluteus superior A. glutea inferior, A. pudenda interna

3

Sulcus gluteus N. ischiadicus

Abb. 14.75: Hilfslinien zum Aufsuchen am Lebenden: 1 Spina-Trochanter-Linie (Foramen suprapiriforme), 2 Spina-Tuber-Linie (Foramen infrapiriforme), 3 TuberTrochanter-Linie (N. ischiadicus

Abb. 14.76: Prädilektionsstelle für intramuskuläre Injektion (punktiert), submuskuläre Nerven und Gefäße unter dem M. gluteus maximus (gestrichelt) sind zu meiden (nach T. v. Lanz, W. Wachsmuth)

Abb. 14.77: Intragluteale Injektion (rechts) nach A. v. Hochstetter

Abb. 14.78: Intragluteale A. v. Hochstetter

Femur. Sie ist kräftiger und ausgedehnter als alle übrigen Oberschenkelmuskeln. Der M. sartorius liegt in einer eigenen Faszienhülle.

Die in der dorsalen Oberschenkelregion liegenden Flexoren (Beuger) und Adduktoren sind nur durch lockeres Bindegewebe getrennt. Dieses steht proximal mit dem subglutealen Bindegewebe und distal mit den Gleitschichten der Kniekehle in Verbindung.

Injektion

(links)

nach

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

14.2.2.1

Oberschenkelrückseite, Regio femoris posterior

Praktische Bedeutung: Abgesehen von Erkrankungen des N. ischiadicus ohne große ärztliche Bedeutung. Inspektion, Palpation (Abb. 14.79). Proximal ist die Oberschenkelrückseite durch die Beuger des Kniegelenkes gerundet. Distal und am Übergang zur Kniekehle wird die Kontur flacher. Die Muskeln weichen auseinander. Bei leicht gebeugtem Knie werden die Ansatzsehnen des M. semitendinosus (medial) und des M. biceps femoris (lateral) sicht- und tastbar. Oberflächliche Region (Abb. 14.66) Zwischen Haut und Fascia lata liegen keine großen Nerven und Gefäße. w Der N. cutaneus femoris posterior verläuft

zunächst subfaszial und entsendet nur kleine perforierende Äste zur Haut. w Ähnlich gelangen auch kleinere Arterienäste aus der Tiefe in das subkutane Fettgewebe und die Haut. w Häufiger verläuft im distalen Teil der Region eine subkutane Vene, V. femoropoplitea, aus der Kniekehle kommend nach medial zur Oberschenkelvorderseite (Abb. 14.66). Sie verbindet die V. saphena parva (bzw. die V. poplitea) mit der V. saphena magna. Seltener verläuft die V. saphena parva über die Kniekehle hinweg und mündet in eine der Vv. perforantes der dorsalen Oberschenkelregion. Tiefe Region (Abb. 14.80)

w Der N. cutaneus femoris posterior zieht etwas

medial von der Oberschenkelmitte zwischen Fascia lata und den ischiokruralen Muskeln (M. semitendinosus, M. semimembranosus, Caput longum des M. biceps femoris) bis zur Mitte der Kniekehle. Hier durchstößt sein Hauptstamm die Fascia poplitea. w Der N. ischiadicus läuft vom Foramen infrapiriforme kommend zunächst durch den subglutealen Verschiebespalt. Dann liegt er im Bindegeweberaum zwischen den Kniegelenkbeugern und dem M. adductor magnus.

1187

w Die A. comitans n. ischiadici aus der A. glutea

inferior liegt proximal seiner Dorsalfläche auf und markiert auch beim äußerlich nicht geteilten Nerven die Teilungszone für den N. tibialis und N. peroneus (fibularis) communis (s. Abb. 14.72). Die sichtbare Teilung erfolgt erst am Übergang zur Regio poplitea. Als Variationen kommen „hohe Teilungen“ in beliebiger Höhe vor.

Die Regio femoris posterior wird durch die Aa. perforantes I–III (Endäste der A. profunda femoris) versorgt. Sie durchbohren sämtlich den M. adductor magnus und stehen proximal mit der A. glutea inferior und der A. circumflexa femoris medialis (R. profundus) sowie distal mit dem Rete articulare genus in Verbindung. Klinik: Anastomosen der Aa. perforantes sind funktionell unzureichend, um einen ausreichenden Kollateralkreislauf nach Unterbindung der A. femoralis distal vom Abgang der A. profunda femoris sicherzustellen. Die beiden großen Blutgefäße des Oberschenkels, A. und V. femoralis, gelangen durch den Adduktorenschlitz, Hiatus adductorius, von ventral her in die Fossa poplitea. Ab hier werden sie vom N. tibialis begleitet. Dieser setzt die Verlaufsrichtung des N. ischiadicus nahezu geradlinig fort. Der N. peroneus (fibularis) communis wendet sich dagegen nach lateral. Er lehnt sich der Ansatzsehne des M. biceps femoris an (→ Leitmuskel, s. Abb. 14.79). Klinik: 1. Lasègue-Zeichen. Dehnung des N. ischiadicus durch passives Anheben des gestreckten Beins beim Liegenden löst Schmerzen dorsal auf der erkrankten Seite (Rücken, Ober-, ggf. Unterschenkel) aus. Ursache: Bandscheibenvorfall (Höhe L4–S1), Ischiassyndrom, Rückenmarktumoren, Osteochondrosis lumbalis, Spondylose, Spondylolisthesis, Traumen, Frakturen, Polyneuropathien (z. B. Diabetes), meningeales Syndrom (→ Kernig-Zeichen), 2. Valleix-Punkte. Nervendruckpunkte zur Prüfung der Druckschmerzhaftigkeit des N. ischiadicus bei Ischiassyndrom (Abb. 14.79 a). Entspannungsstellung: Streckung im Hüftgelenk und Beugung im Kniegelenk.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1188

M. gluteus maximus A. perforans I M. semitendinosus A. perforans II N. ischiadicus

Tractus iliotibialis

M. adductor magnus

M. biceps femoris, Caput longum

A. perforans III Hiatus adductorius

N. peroneus communis

M. semimembranosus

N. tibialis V. poplitea A. poplitea

M. biceps femoris, Caput breve

Facies poplitea A. superior lateralis genus M. plantaris

A. superior medialis genus

N. cutaneus surae lateralis

Tendo m. gracilis M. sartorius

Caput fibulae V. saphena parva, N. suralis

Tendo m. semitendinosi M. gastrocnemius, Caput mediale

Abb. 14.79: Regio femoris posterior

M. gastrocnemius, Caput laterale

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

14.2.2.2

Oberschenkelvorderseite, Regio femoris anterior

Grenzen (Abb. 14.81). Proximal: Leistenbeuge, medial: M. gracilis, lateral: M. tensor fasciae latae, Tractus iliotibialis, distal: Transversalebene oberhalb der Basis patellae. Praktische Bedeutung. Hier verläuft die größte Arterie des Beines, A. femoralis. Unter der Haut sind die Nll. inguinales deutlich zu tasten. Die V. saphena magna und ihre Zuflüsse können varikös verändert sein (→ Stammvarizen; s. Abb. 14.66). Am Übergang vom Becken zur ventralen Seite des Oberschenkels können im Bereich der Lacuna vasorum Baucheingeweide austreten, Schenkelhernie (→ Hernia femoralis).

1189

die Nodi lymphoidei inguinales superficiales, epifasziale Venen, oberflächliche Arterien und Hautnerven. 6–12 regionale inguinale Lymphknoten (s. Abb. 14.67 a) bilden topographisch 5 Gruppen: w superolaterale (I), superomediale (II), inferome-

diale (III), inferolaterale (IV), zentrale Gruppe (V). w Gruppen I–II bilden einen Tractus horizontalis w Gruppen III–V den Tractus verticalis. Zuflüsse: Ohne klare Zuordnung nehmen sie Lymphe auf: von der ventrolateralen Bauchwand, aus oberflächlicher Regio glutealis, äußerer Genitalregion, von Perineum, Afterregion und dem Verlauf der V. saphena magna.

Inspektion, Palpation: Bei mageren muskelstarken Menschen sind oberflächlich gelegene Muskeln gut sichtbar: M. sartorius, M. vastus medialis und lateralis, M. rectus femoris, oberflächliche Adduktoren. Auch der Verlauf der V. saphena magna und ihre epifaszialen Zuflüsse sind zu erkennen.

Oberflächliche Venen ( Abb. 14.66) kommen aus allen Richtungen (→ Venenstern):

Regionengliederung: Der M. sartorius verläuft schräg von proximal-lateral nach distal-medial und teilt die vordere Oberschenkelregion in 2 Abschnitte:

w Vv. pudendae externae vom äußeren Genitale. w V. saphena magna vom Bein.

Lateral vom Muskel ist die Region arm an Nerven und Gefäßen. Medial liegen Leitungsbahnen, die z. T. vom Muskel bedeckt werden. £ Über den Canalis obturatorius gelangen Vasa

obturatoria und N. obturatorius zwischen die medial gelegenen Mm. adductores. £ In der Regio femoris anterior sind daher noch die Regio subinguinalis und die Regio obturatoria zu unterscheiden. Regio subinguinalis (oberflächlich) Grenzen. Leistenband, M. sartorius und M. adductor longus begrenzen das Trigonum femorale (Scarpae), die muskuläre Grundlage der Regio subinguinalis (s. Abb. 14.80). Inhalt: M. iliopsoas, M. pectineus. Die Haut ist hier zur flachen Fossa iliopectinea eingesunken. Zwischen Haut und Fascia lata liegen

w V. epigastrica superficialis von vorderer Bauch-

wand.

w V. circumflexa ilium superficialis von seitlicher

Bauchwand.

Die Venen durchbohren oft mit einem gemeinsamen Stamm die Fascia lata im Hiatus saphenus. Sämtliche Venen können an der Bildung von Kollateralkreisläufen beteiligt sein: w Die V. saphena magna verbindet sich über die

mediale Seite des Oberschenkels (V. femoropoplitea) mit der V. poplitea (Kollateralverbindung bei Verlegung der V. femoralis). w Die V. epigastrica superficialis anastomosiert mit den oberflächlichen und tiefen Venen der vorderen Bauchwand. Sie hat über die Vv. parumbilicales, die das Lig. teres hepatis begleiten, Anschluss an den linken Ast der V. portae. Bei Stauungen der Pfortader kann es zu fingerdicken Erweiterungen der Bauchwandvenen kommen (→ Caput medusae). w Die V. circumflexa ilium superficialis anastomosiert über die Vv. thoracoepigastricae mit der V. axillaris bzw. mit der V. subclavia. Hier liegt ein Umgehungskreislauf für die V. cava inferior vor. Oberflächliche Arterien sind Äste der A. femoralis:

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1190 Spina iliaca anterior superior A. circumflexa ilium superficialis M. iliopsoas

A. ,V. epigastrica superficialis

N. femoralis

Vasa femoralia

A. circumflexa femoris lateralis Aa. pudendae externae M. sartorius M. pectineus

Rr. cutanei anteriores n. femoralis

V. saphena magna M. adductor longus

M. tensor fasciae latae

M. gracilis M. rectus femoris M. sartorius N. cutaneus femoris lateralis N. saphenus A. femoralis M. vastus lateralis M. vastus medialis Rr. cutanei anteriores n. femoralis

V. femoralis

Septum intermusculare vastoadductorium R. anastomoticus R. cutaneus n. obturatorii N. saphenus, A. genus descendens

R. infrapatellaris n. sapheni

Rete patellare

V. saphena magna

Patella

Abb. 14.80: Regio femoris anterior I. M. sartorius ist durchtrennt und im mittleren Drittel etwas nach medial verlagert

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

1191

N. cutaneus femoris lateralis Lig. inguinale M. iliopsoas Arcus iliopectineus N. femoralis A. femoralis V. femoralis Septum femorale Nodus lymphoideus inguinalis profundus (proximalis) Rosenmülleri Lig. lacunare

Abb. 14.81: Lacuna musculorum, Lacuna vasorum, von unten

w A. circumflexa ilium superficialis, A. epigastrica

superficialis, Aa. pudendae externae.

Hautnerven entstammen dem Plexus lumbalis (L1–L4) und durchbohren die Fascia lata: w N. cutaneus femoris lateralis (laterales Haut-

feld).

w Rr. cutanei anteriores aus dem N. femoralis

(mittleres Hautfeld).

w R. femoralis des N. genitofemoralis (Haut über

Hiatus saphenus).

w R. cutaneus des N. obturatorius (mediale Ober-

schenkelseite).

Regio subinguinalis (tief) Der Hiatus saphenus ist auffallend (s. Abb. 14.59, 66): die Fascia lata ist dünn und von Blut- und Lymphgefäßen siebartig durchbrochen, Fascia cribrosa. Subfaszial verlaufen die großen Nerven- und Gefäßstämme aus dem Becken zum Oberschenkel: w N. femoralis, liegt am weitesten lateral auf dem

M. iliopsoas, er zerfällt hier in seine Äste.

w A. femoralis und V. femoralis verlaufen medial

von ihm.

w A. femoralis. Unter der Mitte des Leistenbandes ist der Puls zu fühlen (→ Stelle intraarterieller

Injektionen und Abdrücken des Gefäßes gegen die Eminentia iliopectinea).

Das Gefäß zieht etwas steiler als der M. sartorius nach distal, medial und zieht durch den Canalis adductorius nach dorsal in die Kniekehle. w Mit der V. femoralis verlaufen stärkere Lymphgefäße. Sie leiten die Lymphe der Oberschenkelvorderseite und von medial in die Nodi lymphoidei iliaci externi und treten im medialen Winkel zwischen Leistenband, Lig. lacunare und Schambeinast durch die Lacuna vasorum medial der beiden großen Blutgefäße. w Ein Anulus femoralis entsteht bei einer Schenkelhernie (s. Klinik) als Bruchpforte durch das Nachgeben des Septum femorale (Abb. 14.82). Klinik: Schenkelhernie (= Femoralhernie, Hernia femoralis) sive cruralis. Eingeweidebruch, häufiger bei (adipösen) Frauen als bei Männern. Der Bruchsack tritt durch den Anulus femoralis (→ innere Bruchpforte) und wölbt die Fascia cribrosa am Hiatus saphenus vor (→ äußere Bruchpforte). Einklemmungsgefahr besteht bei innerer und äußerer Bruchpforte; cave Corona mortis = Kranz des Todes: abnorm starke Anastomose zwischen A. obturatoria (R. pubicus) und A. epigastrica inferior; früher Ursache für intraoperatives Verbluten bei Schenkelhernien-Op.! Manuelle Repositionsversuche (Taxis) sind gefährlich und zu unterlassen (Kap. 11.2, S. 923).

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1192

M. iliopsoas N. cutaneus femoris lateralis N. femoralis A. circumflexa femoris lateralis A. profunda femoris

A. epigastrica superficialis Lig inguinale M. pectineus A. obturatoria (doppelt, Var.) N. obturatorius M. adductor longus A. circumflexa femoris medialis M. pectineus R. superficialis n. obturatorii

Rr. cutanei anteriores n. femoralis M. sartorius

M. adductor brevis A. femoralis M. adductor longus

M. rectus femoris

R. profundus n. obturatorii M. gracilis

M. vastus intermedius

N. saphenus R. cutaneus n. obturatorii

M. rectus femoris R. anastomoticus M. vastus lateralis

Septum intermusculare vastoadductorium N. saphenus et A. descendens genus M. vastus medialis M. sartorius

Tendo m. quadricipitis femoris

Rete patellare

R. infrapatellaris n. sapheni

Abb. 14.82: Regio femoris anterior II

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

Der N. femoralis kommt durch die Lacuna musculorum in die tiefe subinguinale Region (Abb. 14.80–82) und versorgt hier M. sartorius und M. pectineus. w Sein Muskelast unterkreuzt A. und V. femoralis.

Die übrigen Rr. musculares treten in den M. iliopsoas und den M. quadriceps femoris ein. w Die Mehrzahl seiner sensiblen Äste, Rr. cutanei anteriores, durchbohrt die Fascia lata und versorgt die Haut der Vorder- und Medialseite des Oberschenkels (Abb. 14.66). w Der N. saphenus ist der längste sensible Ast des N. femoralis. Verlauf: mit den Vasa femoralia im Canalis adductorius, durchbohrt das Septum intermusculare vastoadductorium und zieht als wichtiger Hautast zur Innenseite des Unterschenkels, zur medialen Knöchelgegend und zum medialen Fußrand (s. Abb. 14.66, 68, 80, 82).

Die V. saphena magna verläuft in der Oberschenkelinnenseite auf den Hiatus saphenus zu. Hier wendet sie sich in die Tiefe und mündet in die V. femoralis (s. Abb. 14.59). Kurz vor Einmündung nimmt sie Zuflüsse des Venensterns (s. o.) auf. w Eine V. saphena accessoria windet sich von

der Rückseite des Oberschenkels kommend an dessen Innenseite herum und mündet dicht unterhalb des Margo falciformis des Hiatus saphenus in die V. saphena magna ein.

Canalis adductorius, Adduktorenkanal. Distal der Mitte des Oberschenkels gelegen. Aponeurotisch verstärkte Fasern des M. adductor magnus und longus ziehen zum M. vastus medialis hinüber, Septum intermusculare vastoadductorium (Abb. 14.80, 82). Die bindegewebige Faserplatte schließt die Rinne zwischen den genannten Muskeln und begrenzt den Adduktorenkanal, Canalis adductorius. Dieser endet am Hiatus adductorius und leitet die Vasa femoralia zur Kniekehle.

1193

oberflächlichen und einen tiefen Ast. Die oberflächlichen Äste liegen jeweils vor und die tiefen hinter dem M. adductor brevis. Der R. anterior des N. obturatorius versorgt die Haut an der Innenseite des Oberschenkels. Klinik: Hernia obturatoria (= Beckenhernie). Durch den Canalis obturatorius (meist rechtsseitig, v. a. bei Frauen) kann sich ein Eingeweidebruch vorstülpen. Die Bruchpforte liegt unter den Adduktoren versteckt und ist schwer zu diagnostizieren, ggf. mit Reithosenanästhesie an der Innenseite des Oberschenkels.

14.2.3

Knieregion, Regio genus

Lernziele: Patella, Bursa suprapatellaris, Regio poplitea, Hiatus adductorius, A. poplitea, N. tibialis, N. peroneus (fibularis) communis Die vordere Knieregion umfasst Ansatzsehnen von Oberschenkelmuskeln und das Kniegelenkskelett mit seinen Kapsel-Band-Systemen. Die hintere Knieregion enthält große Leitungsbahnen in der Kniekehle mit ihren Muskelbegrenzungen. Grenzen. Transversalebenen proximal in Höhe der Basis patellae, distal in Höhe Unterkante Tuberositas tibiae. Praktische Bedeutung. Der vordere Teil der Knieregion, Regio genus anterior (s. Abb. 14.17–21), enthält: periartikuläre Weichteile, v. a. Kniegelenkskelett, Condyli femoris, Patella, Condyli tibiae mit Hilfsstrukturen, Kapsel-Band-Systeme, Menisci, Kreuzbänder.

Regio obturatoria

Der hintere Teil, Regio genus posterior, ist mit Muskelansätzen und -ursprüngen aufgefüllt. Durch die Kniekehle, Fossa poplitea, ziehen Gefäße und Nerven vom Ober- zum Unterschenkel (Abb. 14.84).

N. obturatorius und Vasa obturatoria. Der zwischen Becken und Oberschenkel eingelagerte Muskelkeil der Adduktoren besitzt eigene Nerven und Gefäße, N. obturatorius, Vasa obturatoria. Sie treten vom Becken kommend durch den Canalis obturatorius in die Loge der Mm. adductores (Abb. 14.82). Arterie und Nerv teilen sich jeweils in einen

Inspektion, Palpation. Die Patella liegt unmittelbar unter der leicht verschieblichen Haut und ist deutlich zu tasten (Abb. 14.73, 74). Bei gestrecktem Knie und erschlafftem M. quadriceps femoris kann man die Kniescheibe aus ihrer Gleitrinne am Femur, Facies patellaris, herausdrücken. Das Lig. patellae tastet man am besten bei leicht gebeugtem

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1194

Hiatus adductorius

M. semitendinosus N. tibialis V. femoropoplitea

N. peroneus communis Caput breve

M. semimembranosus

m. bicipitis femoris Caput longum

A. superior medialis genus

A. superior lateralis genus

M. gracilis

V. saphena parva ( durchtrennt )

M. sartorius

M. gastrocnemius, Caput laterale et R. muscularis M. plantaris

A. media genus et R. articularis M. gastrocnemius, Caput mediale

A. inferior lateralis genus N. peroneus communis

A. inferior medialis genus Caput fibulae N. tibialis M. popliteus

N. suralis N. cutaneus surae lateralis M. soleus

Tendo m. plantaris M. gastrocnemius, Caput mediale

M. gastrocnemius, Caput laterale

Abb. 14.83: Regio poplitea

Knie und mäßig gespanntem M. quadriceps femoris. Seitlich des Bandes tritt in Streckstellung das Corpus adiposum infrapatellare (Hoffa-Fettkörper) als auffallender Wulst hervor (Abb. 14.84). Der Gelenkspalt des Kniegelenkes projiziert sich in gestreckter Stellung auf die Spitze der Kniescheibe (Abb. 14.73). Klinik: 1. Arthroskopie-Zugang. Von vorn der zentrale Weg durch die Mitte des Lig. patellae und der anterolaterale Weg seitlich des Lig.

patellae jeweils in Höhe der Patellaspitze. Der dorsomediale Zugang erfolgt hinter dem Condylus medialis und oberhalb des Innenmeniskus, 2. Arthrokopische Op. Für das Einbringen von Instrumenten sind folgende Zugänge standardisiert: 2.1 suprameniskal medial und lateral oberhalb des Meniskus-Kapselansatzes. 2.2 infrapatellar medial und lateral jeweils 2 cm distal der Patellaseitenkante. 2.3 suprapatellar medial und lateral jeweils 2 cm proximal der Patellaseitenkante. 2.4 dorso-medial (wie oben).

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

1195

Klinik: Verletzungsgefahr des Nerven bei hohen Wadenbeinfrakturen. Kompressionsgefahr durch zu engen Gipsverband oder falsche Lagerung bei Narkose (s. Kap. 14.1.6.2, S. 1178). In der hinteren Knieregion sinkt bei Beugung im Kniegelenk die Haut tief ein, Kniekehle (Abb. 14.85). In Streckstellung verstreicht diese Vertiefung (Abb. 14.86). Diese Verformungen beruhen auf den unterschiedlichen Verlagerungen des fettreichen Bindegewebes in der Fossa poplitea. Diese wird von den Sehnen und Muskelanteilen der Muskeln der Kniekehlenraute eingefasst: £ proximo-lateral: M. biceps femoris (→ LeitmusAbb. 14.84: Knieregion, Unterschenkel, Füße von vorn

Die Bursa suprapatellaris dehnt sich 5–6 cm nach proximal von der Basis patellae aus (s. Abb. 14.19, 20). Sie kommuniziert regelhaft mit dem Gelenkspalt des Kniegelenkes. Tastbar sind: Femur- und Tibiakondylen, Epicondyli femoris, Caput fibulae (s. Abb. 14.73, 74).

kel für den N. peroneus communis) M. semitendinosus und M. semimembranosus £ distal: M. gastrocnemius mit Caput mediale bzw. Caput laterale. £ proximo-medial:

14.2.3.1

Kniekehle, Regio poplitea

N. peroneus communis. Unterhalb des Wadenbeinkopfes dringt der N. peroneus communis in die Regio cruris ein.

Die V. saphena parva (Abb. 14.66) verläuft oberflächlich in der Rinne zwischen den beiden Gastrocnemiusköpfen und mündet im distalen Drittel der Kniekehle in die V. poplitea. Dabei durchstößt sie die derbfaserige Fascia poplitea. Ihr liegt dünne

Abb. 14.85: Knieregion, Unterschenkel, Füße von hinten. Kniegelenke leicht gebeugt

Abb. 14.86: Knieregion, Unterschenkel, Füße von hinten. Kniegelenke gestreckt

1196

Haut auf, die vom N. cutaneus femoris posterior versorgt wird. Transit für Nerven, Gefäße. Der von den Muskeln der Kniekehlenraute eingefasste Raum dient zahlreichen Nerven und Gefäßen als Durchgang. Von proximal her steht er in Verbindung mit dem: • subglutealen Bindegewebelager, entlang von

ischiokruralen Muskeln und M. adductor magnus (→ Weg des N. ischiadicus). • Hiatus adductorius. Auf diesem Weg über den Canalis adductorius gelangen die Vasa femoralia von ventral in die Kniekehlenregion. Klinik: Auf beiden Wegen können Senkungsabszesse in die Fossa poplitea absteigen. Der N. ischiadicus teilt sich im proximalen Bereich der Regio poplitea in den N. tibialis und N. peroneus communis (s. Abb. 14.79, 83). Der N. tibialis bildet in seiner mittelständigen Verlaufsrichtung die unmittelbare Fortsetzung des N. ischiadicus. Der N. peroneus communis wendet sich dagegen nach lateral. Er lagert sich der Innenseite des M. biceps an und zieht zur Rückseite des Caput fibulae. Vasa poplitea und N. tibialis bilden in der Tiefe der Fossa poplitea einen gemeinsamen Gefäßnervenstrang. Allerdings liegt der Nerv dem perivasalen Bindegewebe nur locker auf. Er entlässt den N. suralis, der zunächst mit der V. saphena parva verläuft. Aus dem N. peroneus communis löst sich der N. cutaneus surae lateralis, anastomosiert mit dem N. suralis, um gemeinsam bis zum lateralen Fußrand zu ziehen (s. Abb. 14.83). 3–5 Nll. poplitei liegen eingebettet im Bindegewebe der Fossa poplitea. Sie sind entlang des Gefäßnervenstranges angeordnet. Ihre oberflächlichen Zuflüsse gelangen zusammen mit der V. saphena parva in die Kniekehle. Außerdem tritt Lymphe von der Tiefe der Rückseite des Unterschenkels an die Nll. poplitei heran. Topographische Gliederung der Fossa poplitea. 1. Proximales Stockwerk: entspricht der Facies

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

poplitea des Femur. Der Gefäßnervenstrang ist in fetthaltiges Bindegewebe eingebettet. Die am tiefsten liegende A. poplitea gibt die Aa. superiores lateralis et medialis genus ab. Der Hauptstamm ist bei suprakondylären Frakturen des Femur gefährdet, 2. Mittleres Stockwerk: in Höhe der Gelenkkapsel. In Streckstellung des Gelenkes liegt die A. poplitea der Gelenkkapsel auf. Sie gibt die A. media genus ab. Der N. tibialis entlässt einen R. articularis, 3. Distales Stockwerk: in Höhe Tibiakopf und M. popliteus. Der Muskel wird von der A. poplitea überkreuzt. Daher sind Verletzungen des Gefäßes z. B. durch Tibiakopffrakturen selten. Die A. poplitea gibt hier die Aa. inferiores medialis et lateralis genus ab. Klinik: Eine Dauerunterbindung der A. poplitea ist kontraindiziert. In 80 % würden durch die Ischämie Nekrosen am Unterschenkels und Fuß resultieren.

14.2.3.2

Vordere Kniegegend, Regio genus anterior

Die Form wird durch Skelettteile des Kniegelenkes (Femur, Tibia und Patella), die Sehne des M. quadriceps femoris und das Lig. patellae bestimmt. Sie sind sämtlich unter der Haut tastbar. Wegen ihrer exponierten Lage ist die Patella stärker verletzungsgefährdet. Klinik: Patellafraktur. Bruch der Kniescheibe (mit oder ohne Diastase der Bruchstelle). Ursache: Gewalteinwirkung, z. B. plötzliche Kontraktion des M. quadriceps femoris. Formen: Quer- (80 %), Längs-, Stern- (z. B. Stauchung), Trümmerfrakturen, knöcherner Ausriss. Die Gefäßversorgung erfolgt über das Rete articulare genus und Rete patellare aus der A. poplitea. Als Kollateralgefäße reichen diese Astverbindungen nicht aus. Die sensible Versorgung erfolgt durch N. femoralis (Rr. cutanei anteriores) und N. saphenus. Letzter tritt unter dem M. sartorius im Bereich des Septum intermusculare vastoadductorium in die Region ein. Sein epifaszial verlaufender Ast, R. infrapatellaris, zieht bogenförmig unterhalb der Kniescheibe zur Haut der vorderen Knieregion (s. Abb. 14.68).

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

14.2.4

Unterschenkelregion, Regio cruris

Lernziele: Regio cruris posterior, Regio cruris anterior, Regio peronealis, Muskellogen, Gefäßnervenstraßen In den 3 Muskellogen am Unterschenkel befinden sich ausgedehnte Gefäßnervenstraßen. Grenzen. Horizontalebenen proximal in Höhe der Tuberositas tibiae und distal etwas oberhalb der Malleolen. Praktische Bedeutung. Der Unter- ist wie der Oberschenkel v. a. Muskel- und Durchgangsregion. Der größte Knochen des Unterschenkels, Schienbein (Tibia) liegt mit seiner Vorderkante und der medialen Fläche weitgehend ungeschützt unter der Haut (Abb. 14.74). Frakturen treten häufiger auf. Scharfe Bruchkanten des Knochen können die Haut durchbohren (→ offene Fraktur). Das Periost der Tibia ist der Palpation ebenfalls gut zugängig. Krampfadern, Varizen, treten vermehrt auf. Das Blut in den Venen des Unterschenkels hat bis zum Herzen die längste Strecke zu überwinden. Dadurch kann es anlagebedingt zu einer statischen Überfüllung der Beinvenen kommen.

1197

Extensorenloge. Die vordere Gruppe liegt in der Extensorenloge: M. tibialis anterior, M. extensor digitorum longus, M. extensor hallucis longus. Peroneusloge. Die laterale Gruppe umfasst die Mm. peronei. Sie nehmen den Raum der Peroneusloge ein, die durch die beiden Septa intermuscularia anterius und posterius cruris von der Extensorenloge und der dorsal gelegenen Flexorenloge abgetrennt wird. Die Flexorengruppe besteht aus oberflächlichen (Mm. gastrocnemius, plantaris und soleus) und tiefen Muskeln: Mm. tibialis posterior, flexor digitorum longus, flexor hallucis longus. Sämtliche Muskeln werden von der derbfaserigen Fascia cruris umhüllt. Das tiefe Blatt der Unterschenkelfaszie trennt die tiefen Beuger vom M. soleus. Gefäßnervenstraßen des Unterschenkels £ Extensorenloge mit Vasa tibialia anteriora und N. peroneus profundus £ Flexorenloge mit Vasa tibialia posteriora und N. tibialis £ Loge der Mm. peronei mit N. peroneus superficialis.

Am Übergang des Unterschenkels zum Fuß liegt dorsal die stärkste Sehne des menschlichen Körpers, Achillessehne (Tendo calcaneus; s. Abb. 14.52–54). Bei vorgeschädigter Sehne oder langzeitiger Überlastung kann es zu Teil- oder Komplettrupturen kommen. Inspektion, Palpation. Die Form des Unterschenkels wird vom Skelett und von der Muskulatur geprägt. Im Zehenstand springen an der Wade die beiden Gastrocnemiusköpfe und der M. soleus stärker hervor. Auffallend ist die schlanke Achillessehne (Abb. 14.87). Die Haut ist über den Muskeln gut verschieblich, über den Knochen dagegen fester verspannt. Vom Skelett ist die Tibiavorderkante, deren mediale Fläche und der Wadenbeinkopf, Caput fibulae, zu tasten (Abb. 14.73, 74). Muskellogen am Unterschenkel. Die Muskeln umgreifen die Tibia, Fibula und die Membrana interossea cruris; sie liegen in 3 Gruppen (Abb. 14.61, 62):

Abb. 14.87: Zehenstand beiderseits mit Torquierung der Füße in pronatorischer Vorfußstellung

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1198

Die Gefäßversorgung erfolgt über Vasa perforantia aus der Flexorenloge durch das Septum intermusculare posterius cruris von den Vasa peronea aus (Abb. 14.88, 89).

zusammen. Trägt man ihn ab, wird die im Bereich des tiefen Blattes der Unterschenkelfaszie gelegene Gefäßnervenstraße, unmittelbar den tiefen Flexoren aufliegend, sichtbar (Abb. 14.88).

Die Haut wird durch perforierende Äste tief gelegener Arterien versorgt.

A. poplitea. In der tiefen Wadenregion erkennt man proximal in Höhe des Arcus tendineus m. solei die Aufteilung der Kniekehlenarterie in die Aa. tibialis anterior, posterior und peronea (fibularis):

Venen. Epifaszial verlaufen 2 große Venen, die durch Schräganastomosen miteinander kommunizieren (s. Abb. 14.67): w V. saphena magna. Kommt von der medialen

Fußseite und verläuft etwa in einer Linie, die den medialen Knöchel mit dem hinteren Umfang des Condylus medialis femoris verbindet. w V. saphena parva verläuft, vom lateralen Fußrand kommend, zur Mitte der Unterschenkelrückseite. Eingebettet in die Fascia cruris tritt sie zwischen die beiden Gastrocnemiusköpfe und mündet in der Kniekehle in die V. poplitea. Über eine Schräganastomose, V. femoropoplitea kann sie mit der V. saphena magna verbunden sein (Abb. 14.66). Die oberflächlichen Lymphgefäße verlaufen mit den beiden großen subkutanen Venen. Sie münden in die Nll. poplitei (entlang der V. saphena parva) und in Nll. inguinales superficiales (entlang der V. saphena magna; (s. Abb. 14.67). Nerven. Der sensible N. saphenus verläuft als Endast des N. femoralis an der medialen Seite des Unterschenkels mit der V. saphena magna. Er versorgt die Haut über dem Schienbein, die mediale Knöchelgegend und den medialen Fußrand bis zur großen Zehe. Die Haut der Wade wird vom N. cutaneus surae lateralis und dem N. suralis versorgt. Der N. suralis zieht zum lateralen Fußrand und zur Haut der Zehen, N. cutaneus dorsalis lateralis. Der N. peroneus superficialis wird in der distalen Hälfte des Unterschenkels oberflächlich. Seine Äste, N. cutaneus dorsalis intermedius und medialis ziehen zum Fußrücken und den Streckseiten der Zehen (Abb. 14.67).

14.2.4.1

Wadenregion, Regio cruris posterior

M. triceps surae. Charakteristisch ist die starke Entwicklung des Muskels. Der Triceps surae ist durch den aufrechten, bipeden Gang geprägt und ist kräftiger als alle übrigen Unterschenkelmuskeln

w Die A. tibialis anterior durchbohrt die Memb-

rana interossea cruris und gelangt in die Extensorenloge. w Die A. tibialis posterior mit ihren Begleitvenen und dem N. tibialis zieht unter dem Sehnenbogen des M. soleus in die Tiefe der Wadenregion (Abb. 14.88). Sie liegt dem M. tibialis posterior auf und wendet sich mehr und mehr nach medial. Distal, in der Mitte zwischen dem Rand der Achillessehne und dem medialen Knöchel, ist ihr Puls tastbar. w Die Vasa peronea (fibularia) liegen in der gleichen Schicht, aber weiter lateral Richtung Fibula. Nach dem Durchtritt unter dem Sehnenbogen des M. soleus liegt die A. peronea zunächst nur unter dem M. triceps surae, wird aber dann vom M. flexor hallucis longus verdeckt (s. Abb. 14.88). Klinik: 1. Pulsstatus. Man palpiere den Puls folgender Arterien: 1.1 A. femoralis im Trig. femorale, 1.2 A. poplitea in der Kniekehle, 1.3 A. tibialis posterior zwischen Achillessehne und Innenknöchel (hier auch zu unterbinden), 1.4 A. dorsalis pedis, unmittelbar lateral der sichtbaren Sehne des M. extensor hallucis longus. Zur Kontrolle: Puls der A. tibialis posterior mit fühlen. Abgeschwächter oder fehlender Puls sprechen für periphere AVK, 2. Periphere arterielle Verschlusskrankheit (= periphere AVK). Stenosierung und Obliteration von Arterien, die mit Durchblutungsstörung (Ischämie) einhergehen, meist multiple und langstreckige Verschlüsse. Ursache: akuter Arterienverschluss durch Thrombose, Embolie (→ am Bein 4 × häufiger als am Arm!); chronischer Verschluss durch obliterierende Arteriosklerose. Prädilektionsstellen: Gefäßaufzweigungen der unteren Extremität, z. B. Femoralisgabel, sind am häufigsten (80 %) betroffen. Unterschieden werden: 2.1 Beckentyp (Aorta abdominalis, A. iliaca communis, Aa. iliaca externa et interna),

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

1199 N. tibialis

Vasa poplitea M. gastrocnemius, Caput mediale

M. plantaris M. gastrocnemius, Caput laterale M. popliteus N. peroneus communis

Arcus tendineus m. solei

Caput fibulae M. soleus

N. tibialis A. tibialis posterior

A. peronea M. tibialis posterior

M. flexor digitorum longus Septum intermusculare cruris posterius

M. peroneus longus

M. flexor hallucis longus

M. peroneus brevis

A. peronea Malleolus medialis

Malleolus lateralis

Tendo calcaneus

Abb. 14.88: Regio cruris posterior. M. triceps surae ursprungs- und ansatznah durchtrennt und abgetragen

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1200

2.2 Oberschenkel- (A. femoralis), Popliteatyp (A. poplitea), 2.3 Unterschenkeltyp (Aa. tibialis anterior et posterior), 2.4 peripherer Typ (Fußarterien). Schweregradeinteilung nach Fontaine: Stadien I–V.

14.2.4.2

Schienbeingegend, Regio cruris anterior

Die Extensorenloge wird begrenzt von Tibia, Membrana interossea cruris, Fibula, Septum intermusculare anterius, Fascia cruris (s. Abb. 14.61, 89). Durch die exzentrische Lage des Schienbeins ist sie ein wenig nach lateral verlagert: Der M. tibialis anterior schließt unmittelbar an die Tibia an. Sein Muskelbauch überragt die vordere Tibiakante (Abb. 14.53). £ Neben ihm liegt der M. extensor hallucis longus

und weiter lateral der M. extensor digitorum longus (s. Abb. 14.52, 89).

Die in die Region eintretenden Nerven und Gefäße kommen aus der Regio poplitea in die Extensorenloge. Der N. peroneus (fibularis) communis schlingt sich schraubenförmig um das Collum fibulae (s. Abb. 14.89). Unmittelbar unterhalb des Caput fibulae hat er eine extrem oberflächliche Lage. Erst unter der Bedeckung des M. peroneus longus teilt er sich dann in seine Endäste auf: w N. peroneus superficialis versorgt die Mm. pero-

nei.

w N. peroneus profundus zieht durch das Septum

intermusculare anterius und versorgt die Muskeln der Extensorenloge (s. Abb. 14.89).

Die A. tibialis anterior gelangt von der A. poplitea kommend durch die Membrana interossea cruris ebenfalls in die Loge der Extensoren. Mit ihren Begleitvenen, Vv. comitantes bildet sie unter Einschluss des N. peroneus profundus einen auffallenden Gefäßnervenstrang, der auf der Membrana interossea cruris nach distal zum Fußrücken zieht (s. Abb. 14.89). Klinik: 1. Tibiafrakturen sind wegen der exponierten Lage des Knochen häufig. Besonders gefährdet ist das distale Drittel. Hier kann durch Knochenbruchenden der N. peroneus profundus

verletzt werden. Formen: 1.1 Tibiakopfbruch, 1.2 Schaftbruch mit drohenden Begleitverletzungen (Gefäße, Nerven) und konsekutivem Kompartmentsyndrom, 1.3 Pilonfraktur (intraartikulärer Stauchungsbruch der distalen Tibia mit Spongiosadefekt, meist Trümmerfraktur mit ausgedehnter Gelenkzerstörung), 2. A.tibialis-anterior-Unterbindung. An beliebiger Stelle! Die Arterie läuft parallel zu einer Verbindungslinie zwischen Tuberositas tibiae und Caput fibulae proximal bzw. zwischen beiden Malleolen nach distal. Aufzusuchen ist sie 2.1 körpernah zwischen M. extensor digitorum longus und M. tibialis anterior oder 2.2 körperfern zwischen M. extensor hallucis longus und M. tibialis anterior (s. Abb. 14.89).

14.2.4.3

Wadenbeingegend (Peroneusloge), Regio peronealis (fibularis)

Peroneusloge. Zwischen Fascia cruris, Septa intermuscularia anterius, posterius und Fibula ist die Peroneusloge eingefügt. Inhalt: M. peroneus longus und M. peroneus brevis. Zwischen beiden Muskeln verläuft der N. peroneus superficialis. Im distalen Gebiet durchstößt er die Fascia cruris und teilt sich in seine beiden Endäste: N. cutaneus dorsalis medialis und N. cutaneus dorsalis intermedius (s. Abb. 14.89). Da in dieser Region keine eigenständige Arterie vorliegt, wird die Peroneusloge von Rr. perforantes aus der A. peronea (fibularis) versorgt. Sie treten durch das Septum intermusculare posterius hindurch.

14.2.5

Fußregion, Regio pedis

Lernziele: Fußwurzel, Mittelfuß, Zehen, Rückfuß, Vorfuß, Fußrücken (Dorsum pedis), Fußsohle (Planta pedis), Regiones malleolares, Regio calcanea, Muskellogen Gefäßnervenstraßen, Druckkonstruktion der Fußsohle Die Fußregion wird systematisch in Fußwurzel, Mittelfuß und Zehen, funktionell in Rückfuß und Vorfuß sowie topographisch in Fußrücken und Fußsohle unterteilt.

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

M. biceps femoris

1201

Patella

Caput fibulae N. peroneus communis M. peroneus longus Septum intermusculare cruris posterius N. peroneus superficialis N. peroneus profundus M. gastrocnemius

Tuberositas tibiae M. extensor digitorum longus Septum intermusculare cruris anterius M. tibialis anterior A.tibialis anterior et N. peroneus profundus

M. extensor digitorum longus

M. soleus

M. peroneus longus

M. extensor hallucis longus

Tendo m. tibialis anterioris

N. peroneus superficialis M. peroneus brevis

M. extensor digitorum longus

N. suralis M. extensor hallucis longus

A. tibialis anterior et N. peroneus profundus Tendo calcaneus

Retinaculum mm. extensorum inferius

Fettkörper Malleolus lateralis Rr. calcanei laterales N. cutaneus dorsalis lateralis

Tendo m. extensoris hallucis longi A. dorsalis pedis N. cutaneus dorsalis medialis N. cutaneus dorsalis intermedius

Abb. 14.89: Regio cruris anterior und Regio peronealis. Muskeln zum Teil durchtrennt und beidseitig weggezogen

1202

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

Unterteilung des Fußskeletts: 1. Fußwurzel, Tarsus, 2. Mittelfuß, Metatarsus, 3. Zehen, Digiti (Antetarsus). Funktionell besitzt der Fuß 2 Abschnitte: – Der Rückfuß beginnt am oberen Sprunggelenk und reicht bis zur Lisfranc-Gelenklinie (s. Abb. 14.5, 34). – Der Vorfuß erstreckt sich von den Basen der Mittelfußknochen bis zu den Zehenspitzen. Außerdem grenzt man auf der Grundlage des Skelettaufbaus einen medialen (tibialen) Fußstrahl von einem lateralen (fibularen) Strahl ab. Grenzen. Eine horizontale Linie oberhalb der Malleolen grenzt den Fuß vom Unterschenkel ab. Da Erkrankungen oder Verletzungen an den Knöcheln zumeist auch den Fuß betreffen, werden diese zusammen besprochen. Die Konstruktion des Fußes ergibt sich aus der funktionellen Besonderheit, einerseits den Körper zu tragen und andererseits die Fortbewegung zu ermöglichen. Im aufrechten Stand ist der Fuß nahezu rechtwinklig gegen den Unterschenkel abgeknickt. Topographische Gliederung in 2 Hauptregionen: £ Dorsum pedis, Regio dorsalis pedis, Fußrücken. £ Planta (pedis), Regio plantaris (pedis), Fuß-

sohle.

Daneben werden noch die Regio calcanea, Fersengegend, der Margo medialis (tibialis) und Margo lateralis (fibularis), Fußränder sowie die Digiti pedis, Zehen abgegrenzt. Den Übergang zwischen Unterschenkel und Fuß bilden die Regio talocruralis anterior und Regio talocruralis posterior sowie die Regiones retromalleolares medialis und lateralis. Wir besprechen diesen Übergang unter dem zusammenfassenden Begriff Regiones malleolares, Knöchelgegenden. Praktische Bedeutung. Der Fuß ist einer der am stärksten belasteten Abschnitte des Bewegungsapparates. Obwohl optimal an seine funktionellen Beanspruchungen angepasst, kann der Fuß in seiner Gesamtkonstruktion versagen. V. a. bei Fehlbildung, Gleichgewichtsstörung zwischen Muskeln, Sehnen und Bändern, Lähmung, Verletzung und falschem Schuhwerk kommt es zu Fehlbelastung

Abb. 14.90: Leichte Plantarflexion eines linken Fußes und Spreizung der Zehen. Beachte Sehnen der langen Zehenstrecker

von Knochen und Gelenken. Die exponierte Lage des Fußes erschwert die Blutversorgung. Inspektion, Palpation. Gut tastbar sind die beiden Malleolen am Übergang vom Unterschenkel zum Fuß (s. Abb. 14.73, 74). Der laterale Knöchel steht etwa einen Querfinger tiefer als der mediale. Die Haut der Knöchelgegend und des Fußrückens ist dünn und leicht verschieblich. Die Konturen verstreichen bei Vorliegen von Knöchelödemen infolge einer Herz- oder einer chronisch-venösen Insuffizienz, ebenfalls bei Sonnenbrand. Die Extensorensehnen lassen sich deutlich in Dorsalextension erkennen (Abb. 14.84), besonders M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus. w Lateral von der Großzehenstrecksehne tastet man

den Puls der A. dorsalis pedis (s. Abb. 14.97).

Die dicke derbe Fußsohlenhaut erlaubt keine Palpation von Knochen oder Muskeln. Dagegen springt dorsal das Fersenbein, Calcaneus, auffallend deutlich vor (Abb. 14.73). Ebenso erkennt man sehr gut die Achillessehne, Tendo calcaneus (Abb. 14.91). Sowohl am medialen als auch am lateralen Fußrand sind Skelettteile bis zu den Zehen palpatorisch zu erfassen. Knochenpunkte (auffallende) sind medial das Sustentaculum tali unterhalb des Innenknöchels und die Tuberositas ossis navicularis. Distal davon

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

1203

14.2.5.1.2 Innenknöchelregion, Regio malleolaris medialis Oberflächliche Region. Subkutan erkennt man ein ausgedehntes Netz von Hautvenen. Sie bilden Zuflüsse für die V. saphena magna. Im Bereich des Innenknöchels verlaufen sensible Äste des N. saphenus und über dem Calcaneus Hautäste aus dem N. tibialis (Rr. calcanei mediales). Die arterielle Versorgung erfolgt über das Rete malleolare mediale, das von den Aa. tibiales anterior und posterior gespeist wird (Abb. 14.92). Abb. 14.91: Relief der Achillessehne und der Malleolen. Beachte des Tieferstehen des Malleolus lateralis

Tiefe Region. Hier befinden sich retromalleolar zahlreiche Sehnen, Blutgefäße und Nerven: £ Der M. tibialis posterior liegt dem medialen

liegt die Chopart-Gelenklinie. Lateral markiert die Tuberositas ossis metatarsalis V den Eingang zur Lisfranc-Gelenklinie (s. Abb. 14.73, 74).

14.2.5.1

Knöchelregionen, Regiones malleolares

Die Knöchelregionen sichern den beweglichen Übergang vom Unterschenkel zum Fuß.

14.2.5.1.1 Außenknöchelregion, Regio malleolaris lateralis Eine Rinne zwischen den Sehnen der Mm. peronei longus und brevis prägt diese Region. Der Malleolus lateralis dient als Hypomochlion. Oberflächlich zwischen Haut und Faszie liegt ein zartes Venennetz. Zusammen mit Venen vom lateralen Fußrand lässt es die V. saphena parva entstehen (Abb. 14.66). Der N. suralis gibt sensible Rr. calcanei laterales ab und endet am seitlichen Fußrand als N. cutaneus dorsalis lateralis (Abb. 14.66). Ein den Außenknöchel umgebendes Rete malleolare laterale entstammt der A. tibialis anterior. Subfaszial liegen hinter und unter dem Malleolus lateralis die Sehnen der Mm. peronei longus und brevis. Sie sind in eine Sehnenscheide eingehüllt und werden am Skelett durch Haltebänder, Retinacula mm. peroneorum superius (an der Fibula) und inferius (am Calcaneus) fixiert. Die Sehne des kurzen Wadenbeinmuskels liegt retromalleolar in einer Rinne dem Knochen näher als die Sehne des M. peroneus longus (Abb. 14.52, 89).

Knöchel dorsal und distal dicht auf. Die Sehne des M. flexor digitorum longus schließt sich weiter dorsal unmittelbar an (s. Abb. 14.53). Eine Handbreite proximal des Knöchels liegt das Chiasma crurale beider Muskeln. £ Auf die Sehnen folgt noch weiter dorsal der Gefäßnervenstrang: Vasa tibialia posteriora, Nn. plantares medialis und lateralis aus dem N. tibialis. £ Am tiefsten in der Region liegt die Sehne des M. flexor hallucis longus (s. Abb. 14.53). Sie ist zusammen mit den übrigen Sehnen in Sehnenscheiden eingebettet. Die Sehnen werden durch das Retinaculum mm. flexorum (→ Lig. laciniatum) gezügelt. Das Halteband besteht aus einer oberflächlichen und einer tiefen Bindegewebeschicht. Außerdem entsendet es kräftige vertikale Septen in die Tiefe. Es entstehen 4 osteofibröse Röhren, in denen von vorn nach hinten gestaffelt verlaufen: M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus, Gefäßnervenstrang, M. flexor hallucis longus. Der gesamte Raum wird als Tarsaltunnel, Canalis tarsi beschrieben. Der Puls der A. tibialis posterior ist zwischen Innenknöchelrückseite und Seitenrand der Achillessehne zu tasten (s. Abb. 14.92). Klinik: Tarsaltunnelsyndrom. Kompressionssymptomatik der Äste des N. tibialis durch Missverhältnis zwischen Raumangebot und -inhalt (s. Karpaltunnelsyndrom, Kap. 9.2.9, S. 760).

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1204

N. tibialis M. triceps surae M. plantaris (Tendo) M. flexor digitorum longus Lamina profunda fasciae cruris V. saphena magna

N. saphenus Tendo m. flexoris digitorum longi Rete malleolore mediale N. plantaris lateralis

Vasa tibialia posteriora N. plantaris medialis

Malleolus medialis Lamina profunda fasciae cruris Fettkörper Tendo calcaneus ( Achillis ) M. flexor hallucis longus Stratum profundum

Stratum superficiale

retinaculi mm. flexorum

Rr. calcanei mediales M. abductor hallucis

Abb. 14.92: Regio malleolaris medialis

14.2.5.2

Fersengegend, Regio calcanea

Achillessehne. Unmittelbar unter der Haut sieht und tastet man die Achillessehne, Tendo calcaneus (Abb. 14.91). Durch die Vergrößerung des Tuber calcanei entfernt sich die Insertionsstelle vom übrigen Beinskelett. Dadurch sinkt die Haut seitlich der Sehne etwas ein (→ Knöchelgruben). Die Haut der Ferse ist über der Sehne dünn und gut verschieblich. Das Fersenpolster ist Teil der Fußsohle, Planta pedis.

Der Achillessehne liegt dorsal das oberflächliche Blatt der Fascia cruris auf. Zwischen ihr und dem tiefen Blatt, das die tiefen Flexoren und die Mm. peronei bedeckt, befindet sich ein ausgedehnter Fettkörper. Mehrblättrige Lamellen eines Verschiebegewebes umhüllen die Sehne und sichern eine ausreichende Blutversorgung (Abb. 14.92). Es handelt sich um Äste der A. tibialis posterior und der A. peronea (fibularis), Rr. calcanei. Außerdem enthält die Achillessehne Blut aus Muskelästen des M. soleus. Zwischen den Versorgungsgebieten,

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

3–5 cm proximal vom Tuber calcanei, befindet sich eine Zone verminderter Durchblutung. Hier treten häufiger Rupturen der Sehne auf. Hautnerven der Fersengegend entstammen dem N. tibialis (Rr. calcanei mediales) und dem N. suralis (Rr. calcanei laterales). Klinik: 1. Achillessehnenruptur. Vollständige, selten teilweise Durchtrennung der Tendo calcaneus zwischen muskulärem Anteil (M. triceps surae) und Fersenbein (Tuber ossis calcanei). Ursache: spontane Ruptur durch Degeneration, nach lokaler Glukokortikoidinjektion, Einnahme von Anabolika, indirektes (Ski, Fußball, Leichtathletik, Fechten) oder direktes Trauma (Schlag-, Schnitt-, Stichverletzung); Symptome: Rupturgeräusch wie Peitschenschlag und kurzzeitiger, stichartiger Schmerz; Funktionsverlust von Unterschenkel und Fuß, 2. Fußdeformitäten (s. Kap. 3.9.1, S. 167). Beim normalen Fuß trifft die Mittelachse des Unterschenkels die Mitte der Fersenregion. Beim Knickfuß (Pes valgus) weicht die vertikale Achse der Ferse nach lateral (fibular) ab. Beim Klumpfuß (Pes equinovarus) zeigt die abgeknickte Achse nach medial (tibial).

14.2.5.3

Fußsohle, Planta pedis

Haut. Sie ist an Stellen mit der stärksten Druckbelastung dick und derb (Leistenhaut mit kräftiger Hornschicht). Im Bereich der Innenseite der Fußwölbung ist sie dagegen sehr dünn (Felderhaut;

Abb. 14.93: Linker Fuß in Inversionsstellung mit Dorsalextension der Zehen

1205

Abb. 14.93). Sie ist reich an Schweißdrüsen und normalerweise gut durchblutet. Bei Störungen der Gefäßversorgung erscheint sie blass und fühlt sich kühl an. Aponeurosis plantaris. Subkutan liegt die derbe Aponeurose (Abb. 14.94). Sie hat die früher einmal vorhandene Verbindung zum M. plantaris verloren. Ihr Ursprung liegt am Tuber calcanei. Der stärkere Mittelteil spaltet sich in mehrere Längszügel, Fasciculi longitudinales, auf, die am Kapselbandapparat der Zehengrundgelenke verankert sind. Sie unterstützen die Längswölbung des Fußes. Quere Zügel, Fasciculi transversi, verbinden die längsorientierten Faserbündel im distalen Abschnitt der Aponeurose. Zusätzlich wird die Plantaraponeurose über je ein vertikales mediales und laterales sagittales Septum mit den randständigen Knochen verbunden. Distal liegen zwischen diesen Septen weitere 7 vertikale sagittale intermediäre Septen, die wechselweise die osteofibrösen Röhren für die Sehnenscheiden der Zehenbeuger und die Lumbrikaliskanäle (mit den Leitungsbahnen für die Zehen) begrenzen. Muskellogen. 3 getrennte Logen (s. Abb. 14.63): Großzehen-, Mittel- und Kleinzehenloge. Die durch Bindegewebesepten abgetrennten Muskelkompartimente können Räume für die Ausbreitung von Entzündungen, Ergüssen oder Eiterungen sein. Auch von hier breitet sich ein Ödem auf den Fußrücken aus. Die Mittelloge weist folgenden Schichtenbau auf: 1. Aponeurosis plantaris (oberflächliche Schicht; Abb. 14.94), 2. M. flexor digitorum brevis, 3. M. flexor digitorum longus und M. quadratus plantae, 4. M. adductor hallucis und Lig. plantare longum, 5. Mm. interossei (tiefe Schicht). Die Endäste der A. tibialis posterior und des N. tibialis gelangen über die Regio retromalleolaris medialis (→ Tarsaltunnel) unter dem M. abductor hallucis in die Schicht zwischen M. flexor digitorum brevis, M. quadratus plantae und M. flexor digitorum longus. Der laterale Gefäßnervenstrang (Vasa plantaria lateralia und N. plantaris lateralis) verläuft schräg über den M. quadratus plantae in Richtung Kleinzehe. Der mediale Gefäßnervenstrang (Vasa plantaria medialia, N. plantaris medialis) teilt sich auf den Sehnen des M. flexor digitorum longus und den Mm. lumbricalis in seine Äste (Abb. 14.95):

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1206

Tuber calcanei, Rete calcaneum

Cutis

Subkutanes Fettpolster

Aponeurosis plantaris

N., A. plantaris lateralis N., A. plantaris medialis

Nn., Aa. digitales plantares communes

Nn. digitales plantares proprii Aa. digitales plantares propriae

Abb. 14.94: Planta pedis, Aponeurosis plantaris

Lateraler Gefäßnervenstrang. Der N. plantaris lateralis teilt sich auf in einen Oberflächen- und tiefen Ast: w R. superficialis für die Haut des lateralen Drit-

tels der Fußsohle (Haut über dem Tuber calcanei ausgenommen) der V. und der lateralen Hälfte der IV. Zehe. w R. profundus. Dieser verläuft in der tiefen Schicht auf den Mm. interossei und versorgt: alle Mm. interossei, die 2 lateralen Mm. lumbricales, M. adductor hallucis, lateralen Kopf des

M. flexor hallucis brevis, M. flexor digiti minimi brevis, M. opponens digiti minimi. w Die A. plantaris lateralis gibt den ebenfalls auf den Mm. interossei verlaufenden Arcus plantaris (tiefer Fußsohlenbogen) ab. Dieser anastomosiert durch den Ramus plantaris profundus mit der A. dorsalis pedis. w Aus dem Arcus plantaris gehen die Aa. metatarsales plantares ab. Sie verzweigen sich in die Aa. digitales plantares.

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

1207

Tuber calcanei, Rete calcaneum

M. abductor hallucis M. flexor digitorum brevis A. plantaris medialis N. plantaris medialis

N., A. plantaris lateralis M. quadratus plantae

Tendo m. flexoris digitorum longi Tendo m. hallucis longi Caput obliquum m. adductoris hallucis Rr. cutanei n. plantaris medialis

M. abductor digiti minimi R. superficialis n. plantaris lateralis R. profundus n. plantaris lateralis Arcus plantaris profundus

M. adductor hallucis

Caput obliquum Caput transversum

Vagina synovialis digitorum pedis ( eröffnet ) Tendo m. flexoris digitorum longi Tendo m. flexoris digitorum brevis

Aa. metatarsales plantares Nn. digitales plantares communes Mm. interossei plantares ( Tendines ) Lig. metatarsale transversum superficiale ( Lig. natatorium ) Nn. digitales plantares proprii

Tendines mm. lumbricalium Aa. digitales plantares propriae

Abb. 14.95: Planta pedis, tiefe Schicht

Medialer Gefäßnervenstrang. Der N. plantaris medialis gibt die Nn. digitales plantares für die Haut der Zehen I–III ab und der medialen Hälfte der IV. Zehe. Außerdem versorgt er die medialen 2/3 der Fußsohlenhaut (Haut über dem Tuber calcanei ausgenommen). Seine Muskeläste ziehen zum M. flexor digitorum brevis, zu den 2 medialen Mm. lumbricales und zu den Muskeln des Großzehenballens (ausgenommen: M. adductor hallucis und Caput laterale des M. flexor hallucis brevis). w Die A. plantaris medialis ist oft schwach (s. Abb.

14.95). Sie versorgt die mediale Fußseite, die

große Zehe und die mediale Seite der II. Zehe. In der Tiefe der Fußsohle anastomosiert sie mit dem Arcus plantaris. Die sensible Innervation der Fußsohlenhaut entspricht den Segmenten L5, S1 und S2 (Plexus sacralis). Das mediale und mittlere Drittel gehört mit den Zehen I–III zum Segment L5, das laterale Drittel mit den Zehen IV und V zum Segment S1. Der laterale Fußrand wird vom Segment S2 versorgt.

14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

1208

Nerven der Fußsohle sind: w am Fersenballen N. tibialis, N. suralis (Rr. calca-

nei medialis und lateralis).

w an der übrigen Fußsohle für das mediale und laterale Drittel N. plantaris medialis (→ ent-

spricht dem N. medianus an der Hand) und für das laterale Drittel der N. plantaris lateralis (→ entspricht dem N. ulnaris).

Druckkonstruktion der Fußsohle. Die Haut der Fußsohle ist über Bindegewebesepten, Retinacula cutis, mit der Plantaraponeurose verbunden. Zwischen den Septen entstehen Kammern, die mit Fettgewebe (→ Baufett) gefüllt sind, das auch bei stärkerer Auszehrung erhalten bleibt. Diese Druckkammerkonstruktion macht die Haut weitgehend unverschieblich. Entzündungen und Vereiterungen können sich nicht ausbreiten, rufen jedoch starke Spannungsschmerzen hervor. Die zugehörige Schwellung (Ödem) liegt am Fußrücken. Beim gesunden Fuß liegen im Stehen die Orte stärkerer Belastung an der Ferse und im Bereich der Köpfe der Ossa metatarsalia I und II. Beim Senkfuß (Pes planus) wird zusätzlich der mediale Fußrand, beim Knickplattspreizfuß (Pes metatarsovalgus), der Kopf des Os metatarsale III (Mittelballen) und beim Klumpfuß (Pes equinovarus) der laterale Fußrand zusätzlich belastet.

14.2.5.4

Fußrücken, Dorsum pedis

Haut. Sie ist im Gegensatz zur Fußsohle sehr dünn und verschieblich. Die Subkutis ist fettarm. Daher schimmern epifasziale Venen durch die Haut hindurch. Das Relief der Extensorensehnen ist deutlich zu erkennen. Aus den oberflächlichen Venennetzen entstehen die beiden Vv. saphenae. Die sensible Innervation des Fußrückens erfolgt durch die Nn. cutanei dorsales medialis und intermedius (aus dem N. peroneus superficialis) und dem N. cutaneus dorsalis lateralis (aus dem N. suralis). Muskelsehnen. Unmittelbar unter dem oberflächlichen Blatt der Fascia dorsalis pedis liegen die Sehnen von M. extensor digitorum longus und

M. extensor hallucis longus (Abb. 14.96). Sie überkreuzen die Muskeln und Sehnen der kurzen Zehenstrecker. Das tiefe Blatt der Fußrückenfaszie schließt die flache Muskel-Sehnenkammer einschließlich der Gefäße und Nerven gegen das Fußskelett und die Mm. interossei ab. Gefäße. Die A. dorsalis pedis verläuft als Endast der A. tibialis anterior zwischen den Sehnen des M. extensor digitorum longus und M. extensor hallucis longus. Sie gibt die Aa. tarsales medialis und lateralis ab und bildet die A. arcuata (Abb. 14.96). Aus dieser entstehen die Aa. metarsales dorsales für die II.–V. Zehe. Der Endast der A. dorsalis pedis versorgt die zugewandten Seiten der I. und II. Zehe. Der M. interosseus dorsalis I wird in der Nähe der Basis des 1. Mittelfußknochen von einem R. perforans durchbohrt. Dieser anastomosiert mit dem Arcus plantaris. Sowohl Arterien als auch Venen des Fußrückens anastomosieren untereinander. Die A. arcuata verbindet sich mit der A. tarsalis lateralis, während die dorsalen Metatarsalarterien regelhaft perforierende Äste zur Fußsohle abgeben. Klinik: 1. A.-dorsalis-pedis-Puls. Auffinden s. Klinik, Kap. 14.2.4.1, S. 1198, 2. Tendopathie. Die Sehnen von langem Zehenstrecker und M. tibialis anterior erhalten vom Übergang Unterschenkel-Fußrücken Sehnenscheiden. Diese werden durch das Retinaculum mm. extensorum inferius gezügelt (Abb. 14.96). Infolge Überbeanspruchung oder Druck durch ungünstiges Schuhwerk kann sich eine schmerzhafte Tendovaginitis bilden, besonders bei M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus, 3. Tinea pedum (= Fußpilz). Durch Dermatophyten (Pilze) verursachte Mykose der Haut bzw. Hautanhangsgebilde, die durch Angabe der betroffenen Körperregion näher bezeichnet wird. Prädilektionsstellen sind die Zehenzwischenräume, 4. Onychomykose (= Nagelpilz), Infektion der (Fuß-) Nägel durch Pilze, meist Dermatophyten (Tinea unguium, Entwicklung oft aus einer Tinea pedum), seltener Hefen und Schimmelpilze; gefördert durch Durchblutungsstörungen, Hyperhidrose, Tragen von Gummioder zu engen Schuhen, Pediküreverletzung.

14.2 Topographische und Angewandte Anatomie

1209

N. saphenus N. peroneus superficialis M. extensor digitorum longus Vagina tendinum m. extensoris digitorum longi

M. tibialis anterior Vagina tendinis m. tibialis anterioris A. tibialis anterior, N. peroneus profundus M. extensor hallucis longus Malleolus medialis Vagina tendinis m. extensoris hallucis longi

medialis intermedius

N. cutaneus dorsalis

lateralis M. extensor digitorum brevis (gefenstert) R. muscularis n. peronei profundi A. tarsalis lateralis

N. peroneus profundus, A. tibialis anterior Retinaculum mm. extensorum inferius

A. dorsalis pedis, N. peroneus profundus

A. tarsalis medialis N. cutaneus dorsalis medialis

Tendo m. peronei tertii

Aa. metatarsales dorsales

A. arcuata

R. perforans R. anastomoticus

Rr. perforantes

M. interosseus dorsalis I M. extensor hallucis brevis

Nn. digitales dorsales pedis Aa. digitales dorsales

Abb. 14.96: Dorsum pedis

Nn. digitales dorsales hallucis lateralis et digiti secundi medialis

12. Brust- und 1. Lendenwirbelkörper

Fossa iliaca

M. psoas minor (Vorkommen: 30 %)

M. iliacus

tiefe Schicht

12. Brust- bis 4. Lendenwirbelkörper und zugehörige Disci intervertebrales Processus costarii aller Lendenwirbel

Ursprung

oberflächliche Schicht

M. psoas major

M. iliopsoas

Muskel

Tabelle 14.1: Innere oder vordere Hüftmuskeln

gemeinsam am Trochanter minor (M. psoas minor an Fascia iliaca und Eminentia iliopectinea)

Ansatz

Äste aus Plexus lumbalis und N. femoralis (L2–L3) A. obturatoria, A. iliolumbalis

Leitungsbahnen

kräftiger Beuger des Hüftgelenkes, Außenrotation, Adduktion. Bei Rückenlage Aufrichten des Rumpfes. M. psoas major beugt die LWS nach vorn. Bei einseitiger Innervation Seitneigung LWS

Funktion

1210 14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

N. gluteus superior (L4–S1) A. glutea superior dorsale Äste des Plexus sacralis (L5–S1–2); A. sacralis lateralis

verläuft vor dem Trochanter major schäg nach hinten zum Tractus iliotibialis (Ansatz am Tuberculum tractus iliotibialis GERDY) seitliche Außenfläche des Trochanter major

Fossa trochanterica

Gemeinsam mit der Sehne des M. obturatorius internus in der Fossa trochanterica Trochanter major, Crista intertrochanterica Fossa trochanterica

Ala ossis ilii (Facies glutea), zwischen Crista iliaca und Linea glutea anterior und posterior sowie der Muskelfaszie

Facies glutea der Ala ossis ilii Vorderrand des Trochanter major zwischen Linea glutea anterior und inferior Spitze des Trochanter major

Spina iliaca anterior superior

Facies pelvina ossis sacri, Seitenränder der Foramina sacralia pelvina, Ränder der Incisura ischiadica major

Innenfläche der Membrana obturatoria und angrenzender Knochen (Canalis obturatorius bleibt muskelfrei)

Spina ischiadica Tuber ischiadicum

Tuber ischiadicum

Außenfläche der Membrana obturatoria, Ramus ossis ischii

M. tensor fasciae latae

M. gluteus medius

M. gluteus minimus

M. piriformis

M. obturatorius internus

M. gemellus superior M. gemellus inferior

M. quadratus femoris

M. obturatorius externus

N. obturatorius (L3–L4) A. obturatoria

N. gluteus inferior N. ischiadicus (L5–S2)

Plexus sacralis (L5, S1–2) A. obturatoria und A. glutea inferior

Äste des Plexus sacralis N. gluteus inferior N. pudendus (L5–S2–3) A. obturatoria A. glutea inferior

N. gluteus superior (L4–S1) A. glutea superior

N. gluteus superior (L4–L5) A. glutea superior

N. gluteus inferior (L4–S1(2)) A. glutea inferior und superior

proximale Zweidrittel in Tractus iliotibialis (Fascia lata), distales Drittel an der Tuberositas glutea

Facies glutea des Darmbeines (hinter Linea glutea posterior), Faszienverstärkung des M. gluteus medius, Fascia thoracolumbalis, Seitenrand von Kreuz- und Steißbein, Lig. sacrotuberale

M. gluteus maximus

Leitungsbahnen

Ansatz

Ursprung

Muskeln

Tabelle 14. 2: Äußere oder hintere Hüftmuskeln

Außenrotation, Adduktion

Außenrotation

Außenrotation, Adduktion und Retroversion im Hüftgelenk

Außenrotation, Adduktion, Retroversion im Hüftgelenk

Außenrotation des Hüftgelenks und Abduktion

wie M. gluteus medius

Abduktion, vordere Fasern Beugung im Hüftgelenk und Innenrotation, hintere Fasern Streckung und Außenrotation, Stabilisierung des Beckens in der Frontalebene verhindern das Absinken des Beckens auf der Seite des Spielbeines beim einbeinigen Stand oder Gehen

Beugung, Abduktion und Innenrotation im Hüftgelenk. Preßt Femurkopf in das Acetabulum. Stabilisiert das Kniegelenk

Antagonist des M. iliopsoas, Streckung und Außenrotation im Hüftgelenk. Proximale Fasern Abduktion, distale Fasern Adduktion

Funktion

Muskeltabellen 1211

Gemeinsam mit den Sehnen des M. sartorius und M. semitendinosus (Pes anserinus superficialis) an der Tuberositas tibiae und Fascia cruris mittleres Drittel des Labium mediale der Linea aspera femoris N. obturatorius (L2–L4) A. obturatoria Labium mediale der Linea aspera femoris (proximal vom M. adductor longus)

oberflächliche Fasern am disN. obturatorius (L3–L4 und talen Ende des Labium mediale N. ischiadicus (L4–L5) der Linea aspera femoris und A. obturatoria am Tuberculum adductorium des Epicondylus femoris medialis, tiefe Fasern am Labium mediale der Linea aspera Labium mediale der Linea aspera

Ramus inferior ossis pubis, ventrale Seite der Symphyse

Ramus superior ossis pubis, Ventralseite der Symphyse

Ramus inferior ossis pubis

Vorderfläche Ramus inferior ossis pubis, Ramus ossis ischii, Tuber ischiadicum

Ramus inferior ossis pubis

M. gracilis

M. adductor longus

M. adductor brevis

M. adductor magnus

M. adductor minimus

N. obturatorius

N. obturatorius, A. obturatoria

N. obturatorius (L1–L2) A. obturatoria

N. femoralis (L1–L3) (seltener) N. obturatorius (L4) A. obturatoria A. circumflexa femoris medialis A. pudenda externa A. perforans I aus A. profunda femoris

Linea pectinea femoris und Linea aspera femoris (proximal)

Pecten ossis pubis, Eminentia iliopubica. Tuberculum pubicum

M. pectineus

Leitungsbahnen

Ansatz

Ursprung

Muskeln

Tabelle 14.3: Oberschenkelmuskeln, Mm. adductores

Adduktion, Außenrotation und Beugung im Hüftgelenk

Streckung, Innenrotation im Hüftgelenk

Adduktion, Beugung im Hüftgelenk

Adduktion und Beugung im Hüftgelenk

Zweigelenkiger Muskel: bei gestrecktem Knie Adduktion im Hüftgelenk, Beugung im Hüftgelenk (40°); am Kniegelenk Beugung und Innenrotation

Beugung und Adduktion im Hüftgelenk, Außenrotation

Funktion

1212 14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

Trochanter major, Basis patellae Linea intertrochanterica, Retinaculum patellae laterale Labium laterale der Linea aspera femoris, Septum intermusculare femoris laterale Vorder- und Seitenfläche des Femurschaftes. Die am weitesten distal entspringenden Fasern, M. articularis genus, laufen zur Bursa suprapatellaris. Sie straffen die Kapsel und verhindern deren Einklemmen bei der Streckung im Kniegelenk

M. vastus lateralis

M. vastus intermedius

Linea intertrochanterica, Labium mediale der Linea aspera femoris, Septum intermusculare femoris mediale

M. vastus medialis

Basis patellae medialer Seitenrand Patella Retinaculum patellae mediale

Caput rectum an der Spina iliaca anterior inferior, Caput reflexum vom Rand des Acetabulum, Hüftgelenkkapsel

M. rectus femoris

Basis patellae Retinacula patellae

Pes anserinus superficialis Tuberositas tibiae

Spina iliaca anterior superior

M. sartorius

M. quadriceps femoris

Ansatz

Ursprung

Muskeln

Tabelle 14.4: Muskeln der Regio femoris anterior (Extensoren)

N. femoralis (L2–L4) A. circumflexa femoris lateralis und Rr. perforantes der A. profunda femoris

N. femoralis (L2–L3) A. femoralis

Leitungsbahnen

Streckung im Kniegelenk, Haltemuskel für das Stehen und Gehen. Die Patella, als Sesambein eingelagert in die Quadricepssehne zusammen mit dem Lig. patellae, vergrößert das Drehmoment im Kniegelenk. M. vastus medialis unterstützt Innenrotation, M. vastus lateralis die Außenrotation im gebeugten Kniegelenk. M. rectus femoris wirkt zusätzlich als Beuger im Hüftgelenk (zweigelenkiger Muskel)

Zweigelenkiger Muskel: Beugung, Außenrotation und Abduktion im Hüftgelenk, Beugung und Innenrotation im Kniegelenk

Funktion

Muskeltabellen 1213

mittleres Drittel des Labium laterale der Linea aspera femoris und Septum intermusculare femoris laterale

Os cuneiforme mediale (lateral und plantar), Basis des Os metatarsale I

nach Aufspaltung in vier Sehnen N. peroneus profundus (L5–S1) Einstrahlung in Dorsalaponeurose der Zehen II–V

über Dorsalaponeurose an der Basis der Großzehenendphalanx

obere Zweidrittel der Facies lateralis tibiae Membrana interossea cruris und Fascia cruris

Condylus lateralis tibiae Membrana interossea cruris Caput fibulae Margo anterior fibulae Fascia cruris

distale Zweidrittel der Membrana interossea, Facies medialis fibulae

M. tibialis anterior

M. extensor digitorum longus

M. extensor hallucis longus

N. peroneus profundus (L5–S1)

N. peroneus profundus (L4–L5) A. tibialis anterior

Ansatz

Ursprung

Leitungsbahnen

N. peroneus communis (S1–2); Die ischiocruralen Muskeln werden aus der A. circumflexa femoris medialis und Rr. perforantes aus der A. profunda femoris sowie der A. poplitea versorgt

N. tibialis (L5–S1–2)

N. tibialis (L5–S1–S2)

N. tibialis (L5–S2)

Leitungsbahnen

Muskeln

Tabelle 14.6: Vordere Muskeln des Unterschenkels (Extensoren)

Caput breve

Caput fibulae

über Pes anserinus superficialis an Tuberositas tibiae

Tuber ischiadicum Lig. sacrotuberale

M. semitendinosus

Tuber ischiadicum Lig. sacrotuberale

dreizipflige Ansatzsehne, Pes anserinus profundus: medialer Seitenstrang an der Seitenfläche des Condylus medialis tibiae (mit Bursa m. semimembranosi), mittlerer Sehnenstrang strahlt im Lig. popliteum obliquum ein

Tuber ischiadicum

M. semimembranosus

M. biceps femoris Caput longum

Ansatz

Ursprung

Muskeln

Tabelle 14.5: Muskeln der Regio femoris posterior (Flexoren)

Dorsalextension des Fußes und der großen Zehe. Unterstützt je nach Fußstellung die Inversion (Supination) als auch die Eversion (Pronation)

Dorsalextension des Fußes und der Zehen II–V, unterstützt die Eversion (Pronation)

Dorsalextension, Inversion (Supination) des Fußes

Funktion

Die ischiocruralen Muskeln sind (bis auf den kurzen Bizepskopf) zweigelenkig. Streckung im Hüftgelenk und Stabilisierung des Beckens, Beugung im Kniegelenk, M. semimembranosus und M. semitendinosus wirken bei gebeugtem Knie innen-, M. biceps femoris außenrotierend im Kniegelenk

Funktion

1214 14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

Os cuneiforme mediale, Basis des Os metatarsale I (plantar)

Tuberositas ossis metatarsalis V

Caput und Corpus fibulae, Condylus lateralis tibiae, Gelenkkapsel der Articulatio tibiofibularis, Septa intermuscularia cruris Fascia cruris

Distale Zweidrittel des Fibulaschaftes, Septa intermuscularia

M. peroneus longus

M. peroneus brevis

M. gastrocnemius und M. soleus setzen gemeinsam mit der Endsehne des M. triceps surae, Tendo calcaneus (Achillessehne), am Tuber calcanei an

Tuber calcanei

Condylus lateralis femoris, Kniegelenkkapsel

M. plantaris

Ansatz

Linea m. solei der Tibia, medialer Rand der Tibia, Caput fibulae, proximales Drittel der Fibula, Sehnenbogen (Arcus tendineus m. solei) zwischen Tibia und Fibula

Condylus medialis femoris Condylus lateralis femoris

Ursprung

M. soleus

M. gastrocnemius Caput mediale Caput laterale

M. triceps surae

Muskeln

Tabelle 14.8: Oberflächliche Muskeln der Rückseite des Unterschenkels (oberflächliche Flexoren)

Ansatz

Ursprung

Muskeln

Tabelle 14.7: Laterale Muskeln des Unterschenkels (Peroneusmuskeln)

N. tibialis (S1–S2) A. poplitea A. tibialis post.

N. tibialis (S1–S2) A. poplitea A. tibialis post. A. peronea

Leitungsbahnen

N. peroneus superficialis A. peronea

N. peroneus superficialis (L5–S1) A. peronea

Leitungsbahnen

Bei Beugung im Kniegelenk verhindert er Einklemmen der Vasa tibialia posteriora

M. gastrocnemius am Kniegelenk als Beuger M. triceps surae am Fuß Plantarflexion, Inversion

Funktion

Plantarflexion, Pronation

Plantarflexion, Pronation, Unterstützung der Querwölbung

Funktion

Muskeltabellen 1215

Basen der Endphalangen der Zehen II–V

Basis Endphalanx der Großzehe Facies posterior tibiae, proximal von Linea m. solei

Membrana interossea cruris sowie angrenzende Facies posterior tibiae und Facies posterior fibulae

Facies posterior tibiae, tiefes Blatt der Fascia cruris

distale Zweidrittel der Fibula, Membrana interossea

Condylus lateralis femoris, Kniegelenkkapsel

M. tibialis posterior

M. flexor digitorum longus

M. flexor hallucis longus

M. popliteus

Ansatz mit drei Endsehnen zur Dorsalaponeurose der 2. bis 4. Zehe. An der 5. Zehe ist meistens keine Sehne angelegt Dorsalaponeurose der Großzehe

Ursprung

Calcaneus (proximal der Facies articularis cuboidea) und am Retinaculum mm. extensorum inferius (Innenseite)

Calcaneus (am Eingang in den Sinus tarsi)

Muskeln

M. extensor digitorum brevis

M. extensor hallucis brevis

Tabelle 14.10: Muskeln des Fußrückens

Ansatz Tuberositas ossis navicularis Ossa cuneiformia intermedium und laterale Os cuboideum und Basen der Ossa metatarsalia II–IV

Ursprung

Muskeln

Tabelle 14.9: Tiefe Muskeln der Rückseite des Unterschenkels (tiefe Flexoren) Leitungsbahnen

N. peroneus profundus (L5–S1) A. dorsalis pedis

N. peroneus profundus (L5–S1) A. dorsalis pedis

Leitungsbahnen

N. tibialis (L5–S1 (2)) A. poplitea

N. tibialis (S1–S2) A. tibialis posterior

N. tibialis (S1–S2) A. tibialis posterior

N. tibialis (L4–S1) A. tibialis posterior

Streckung im Grundgelenk der Großzehe

Streckung der 2.–4. Zehe

Funktion

Innenrotation Kniegelenk, zieht den lateralen Meniskus nach hinten – lateral, stabilisiert das Kniegelenk im posterolateralen Bereich

Beugung im Interphalangealgelenk der Großzehe, sonst wie M. flexor digitorum longus

Plantarflexion, Inversion (Supination). Kräftiger Beuger in den Zehenendgelenken, unterstützt Abstoßen des Vorfußes vom Boden, unterstützt Längswölbung des Fußes

Plantarflexion, Inversion (Supination), verspannt Längs- und Querwölbung des Fußes

Funktion

1216 14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

zweiköpfig: Caput mediale über das mediale Sesambein an der Basis der Großzehengrundphalanx. Caput laterale über das laterale Sesambein an der Basis der Großzehengrundphalanx

Os cuneiforme mediale, Lig. calcaneocuboideum plantare, Sehnenscheide des M. tibialis posterior

M. flexor hallucis brevis

mit vier Ansatzsehnen an den Basen der Mittelphalangen II–V

Ansatzsehne des M. flexor digitorum longus

Basen der Ossa metatarsalia II–IV Os cuneiforme laterale Os cuboideum Lig. plantare longum und Sehnenscheide des M. peroneus longus

Lig. metatarsale transversum profundum und Gelenkkapseln der Zehengrundgelenke

Processus medialis des Tuber calcanei, Aponeurosis plantaris, Septa plantaria

medialer und lateraler Rand des Calcaneus

Caput obliquum

Caput transversum

M. flexor digitorum brevis

M. quadratus plantae

mit einheitlicher Sehne über das laterale Sesambein an der Basis phalangis proximalis

Basis der Großzehengrundphalanx

Processus medialis tuberis calcanei, Tuberositas ossis navicularis, Os cuneiforme mediale, Innenseite des Retinaculum mm. flexorum und Aponeurosis plantaris

M. abductor hallucis

M. adductor hallucis

Ansatz

Ursprung

Muskeln

Tabelle 14.11: Muskeln der Fußsohle

N. plantaris lateralis (S1–S2) A. plantaris lateralis

N. plantaris medialis (S1–S2) A. plantaris lateralis

Ramus profundus des N. plantaris lateralis (S1–S2) Arcus plantaris

Caput mediale: N. plantaris medialis (S1–S2) Caput laterale: N. plantaris lateralis (S1–S2) A. plantaris medialis

N. plantaris medialis (S1–S2) A. plantaris medialis

Leitungsbahnen

akzessorischer Zehenbeuger

Beugung im Mittel- und Grundgelenk der Zehen II–V, unterstützt Verspannung der Längswölbung

Adduktion der Großzehe Caput obliquum: Beugung im Grundgelenk Caput transversum unterstützt aktiv die Querwölbung

Beugung der Großzehe im Grundgelenk

zieht Großzehe nach medial , Beugung im Großzehengrundgelenk, unterstützt Längswölbung des Fußes

Funktion

Muskeltabellen 1217

Tuberositas ossis metatarsalis V Ansatz an der Zehe! Basis Kleinzehengrundphalanx lateraler Rand des Os metatarsale V

Tuber calcanei Aponeurosis plantaris

Lig. plantare longum Basis ossis metatarsalis V

Lig. plantare longum Basis ossis metatarsalis V

M. flexor digiti minimi brevis

M. opponens digiti minimi

zweiköpfig an den einander zugewendeten Flächen der Ossa metatarsalia I–V, Lig. plantare longum

Mm. interossei dorsales (4)

M. abductor digiti minimi

medialer Rand der Ossa metatarsalia III–V Lig. plantare longum

Mm. interossei plantares (3)

Ligg. plantaria (plantare Platten), Basis der Grundphalangen der II.–IV. Zehe, Dorsalaponeurose der II.–V. Zehe

Gelenkkapseln der Grundgelenke II–V, Basis der Grundphalangen II–V, Dorsalaponeurose der Zehen II–V

Ansatzsehnen des flexor digitorum longus

Mm. lumbricales

Mm. interossei

Ansatz

Ursprung

Muskeln

Tabelle 14.11: Muskeln der Fußsohle (Forts.)

N. plantaris lateralis (S1–S2) A. plantaris lateralis

N. plantaris lateralis (S1–S2) A. plantaris lateralis

N. plantaris lateralis (S1–S2) A. plantaris lateralis

N. plantaris lateralis (S1–S2) Arcus plantaris profundus

Mm. lumbricales I und II: N. plantaris medialis Mm. lumbricales III und IV: N. plantaris lateralis (S1–S2) Arcus plantaris profundus

Leitungsbahnen

bewegt Os metatarsale V im Tarsometatarsalgelenk III nach medial oder lateral

Beugung und Abduktion der Kleinzehe im Grundgelenk

Plantarflexion und Abduktion der Kleinzehe, unterstützt Längswölbung des Fußes

Beugung im Grundgelenk der Zehen II–V, unterstützen Streckung im Zehenmittel- und -endgelenk, dorsale Mm. interossei spreizen die Zehen, plantare Mm. interossei führen Zehen II–V zur 2. Zehe, stabilisieren die Ligg. plantaria (plantare Platten)

Beugung in den Grundgelenken der Zehen II–V

Funktion

1218 14 Bein, untere Gliedmaße, Membrum inferius

15 Haut, Integumentum commune Anhangsgebilde: Drüsen, Glandulae; Haare, Pili, und Nägel, Ungues Werner Linß

Mit einer Fläche von 1,6 bis 2,0 m² grenzt die Haut (Cutis) nicht nur den Körper von seiner Umgebung ab. Mit der aus dem Ektoderm hervorgegangenen Oberhaut (Epidermis) und der vom Mesoderm abstammenden Lederhaut (Dermis) und Unterhaut (Tela subcutanea, Subcutis) ist sie ein lebenswichtiges Organ, das zusammen mit den sich aus ihr entwickelnden Haaren, Nägeln und Drüsen das Hautsystem bildet, welches regional beträchtliche Unterschiede aufweist. Funktionen

Schutz vor mechanischen Einwirkungen Schutz vor Strahlen Schutz vor Infektionen Barrierefunktion Thermoregulation Sinnesfunktion (Tastsinn, Schmerzsinn, Temperatursinn) • Sekretions- und Exkretionsfunktion • • • • • •

sind, können bestimmten Strukturen zugeordnet werden. Lernziele: Oberhaut, Lederhaut, Unterhaut: Embryologie, Aufbau, Funktion

Die der Haut zufallenden Aufgaben, von denen die wichtigsten

15.1

Oberhaut, Epidermis

Embryologie Die Oberhaut geht aus dem ursprünglich einschichtigen Oberflächenektoderm hervor. Durch Proliferation wird zunächst eine zweite Zellschicht, das Periderm, gebildet. Vor allem im 2. und 3. Trimenon der Schwangerschaft erfolgt eine starke Dickenzunahme, die zur Ausbildung eines mehrschichtigen verhornten Plattenepithels führt. In der frühen Fetalperiode dringen aus der Neuralleiste stammende Melanoblasten (Kap. 3.4.1, S. 131) mit Zellausläufern in die Epidermis ein. Noch vor der Geburt beginnen die Melanozyten mit der Produktion von Melanin, welches sie an die Epidermiszellen abgeben. Die Menge des abgegebenen Melanins bestimmt die Hautfarbe. Klinik: Die basalen Zellen der Epidermis teilen sich lebhaft und ersetzen so kontinuierlich die an der Oberfläche ständig abschilfernden Zellen.

Die abgestoßenen Zellen bilden zusammen mit dem Produkt der Talgdrüsen (s. u.) die weißliche käseartige Fruchtschmiere, Vernix caseosa, die den Feten gegen die Amnionflüssigkeit schützt und unter der Geburt die Gleitfähigkeit erhöht. Bei Übertragung = Überschreiten des Geburtstermins ist gewöhnlich die Vernix caseosa reduziert. Basalschicht. Nach der Geburt ist die Epidermis als typisches verhorntes Plattenepithel ausgebildet. Auf eine mitotisch aktiven Basalschicht, Stratum basale = zylindrische Zellen, folgt eine Schicht mit vielgestaltigen Zellen, die über Desmosomen miteinander verbunden sind und bei histotechnisch bedingter Schrumpfung zu Stachelzellen werden (Stratum spinosum). Da zwar die Zellen kleiner werden, aber die Desmosomen fest miteinander verbunden bleiben, treten Brücken zwischen den Zellen hervor.

15 Haut, Anhangsgebilde: Drüsen, Haare und Nägel

1220

Stratum corneum Epidermis

Stratum lucidum zellhaltige Schichten

Cutis mit Stratum papillare

Stratum reticulare

Schweißdrüsen

Schweißdrüsen

Subcutis

Retinacula cutis Leistenhaut

Retinacula cutis

Felderhaut

Abb. 15.1: Schematischer Aufbau der menschlichen Haut.

Stratum granulosum. Als nächste Schicht schließt sich das Stratum granulosum an, dessen abgeplattete Zellen Keratohyalingranula enthalten. Durch Einlagerung von amorphem Material in den Interzellularraum wird die Passage von Wasser erschwert. Hornschicht, Stratum corneum. Sie bildet den Abschluss zur Oberfläche. Während der Keratinisierung haben die Zellen ihren Kern verloren. In den obersten Lagen lösen sich die Desmosomen, und tote Hornschüppchen schilfern ab. Die Dicke der Epidermis variiert regional beträchtlich. Hautarten. An Hand- und Fußfläche ist die Hornschicht besonders mächtig, nur hier findet man dem Stratum granulosum benachbart ein Stratum lucidum (Abb. 15.1 links). An der Oberfläche sind Leisten zu erkennen = Leistenhaut. Sie bilden charakteristische Muster aus, die personenspezifisch sind, so dass anhand der Fingerabdrücke eine ein-

Abb. 15.2: Papillenleistenmuster an Fingerbeeren: a = Bogen, b = Schleifen, c = Wirbel

deutige Identifikation jedes Menschen möglich ist (Daktyloskopie). Die Abbildung 15.2 zeigt typische Anordnungen der Papillarleisten als Bogen, Schleifen oder Wirbel an den Fingerbeeren. Die übrige Epidermis ist, hervorgerufen durch die Anordnung der elastischen und kollagenen Fasern in der darunter liegenden Lederhaut, in unterschiedlich

15.2 Lederhaut, Dermis, Corium

geformte Areale gegliedert = Felderhaut. Zwar unterliegt auch an der Felderhaut die Dicke der Epidermis von Region zu Region beträchtlichen Schwankungen, jedoch wird nirgends ein Stratum lucidum ausgebildet (Abb. 15.1 rechts). Klinik: Angeborene Störungen der Keratinisierung können zur Ichthyosis führen, ein Erkran-

1221

kungsbild, bei dem durch stark überschießende Verhornung eine trockene und fischschuppenähnliche Haut vorliegt. Die Betroffenen leiden u. a. an Störungen der Wärmeregulation und an Rissbildungen der Haut, in die Bakterien leicht eindringen und Entzündungen sowie Infektionen verursachen können.

15.2 Lederhaut, Dermis, Corium Embryologie Die Lederhaut entstammt dem Mesenchym, welches dem Oberflächenektoderm unmittelbar anliegt. Es ist entweder aus dem parietalen Blatt des unsegmentierten Seitenplattenmesoderms (Kap. 3.5.1.3, S. 145) oder aus dem Dermomyotom der Somiten (Kap. 3.5.1.5, S. 147) hervorgegangen. An der Lederhaut werden 2 Schichten unterschieden, das epidermisnahe Stratum papillare und das Stratum reticulare (Abb. 15.1). Stratum papillare. Es besteht aus einem relativ zellreichen lockeren Bindegewebe mit einem lockeren Geflecht aus kollagenen und elastischen Fasern, in dem Blut- und Lymphgefäße und Nervenfasern auch zur Versorgung der Epidermis verlaufen. Die Höhe des Stratum papillare ist regional sehr verschieden und korreliert positiv mit der jeweiligen mechanischen Belastung. Stratum reticulare. Es ist zellärmer und enthält ein Geflecht aus scherengitterartig angeordneten groben Bündeln kollagener und elastischer Fasern. Die Bündel sind entsprechend der Zugbelastung der Lederhaut ausgerichtet. Aus dieser Anordnung der Fasersysteme ergeben sich die Spaltlinien der Haut, die regional in bestimmter Weise angeordnet sind (Abb. 15.3). Die Masse der Faserbündel ist parallel zu den Spaltlinien ausgerichtet. Klinik: 1. Wird die Haut parallel zu den Spaltlinien durchtrennt, so bleiben die Wundränder eng benachbart und können bei nachfolgender Naht gut adaptiert werden. Erfolgt die Schnittführung senkrecht zu den Spaltlinien, so klaffen die Wundränder weit auseinander, bei der Wundnaht ist eine deutlich stärkere Sicherung erforderlich. Eine solche Schnittführung birgt

Abb. 15.3: Spaltlinien der Haut. Der Verlauf ist teilweise mit „ markiert

zusätzlich Wundheilungsstörungen in sich. 2. Die Elastizität der Lederhaut beruht auf ausreichendem Gehalt an elastischen und kollagenen Fasern sowie ungeformter Grundsubstanz, die durch ihr Wasserbindungsvermögen den Turgor bestimmt. Der Verlust von elastischen Fasern und von Grundsubstanz führt zur Runzelbildung der Haut (z. B. Altershaut), vermehrte Einlagerung von Flüssigkeit zur Schwellung (Ödembildung).

1222

15 Haut, Anhangsgebilde: Drüsen, Haare und Nägel

15.3 Unterhaut, Tela subcutanea, Subcutis Embryologie Die Unterhaut bildet sich erst in den letzten Wochen der Schwangerschaft durch die Entwicklung des Unterhautfettgewebes heraus, so dass die rundlichen Formen des Neugeborenen erreicht und Fettreserven angelegt werden. Bei Frühgeborenen ist in der Regel kein Unterhautfettgewebe vorhanden, so dass größere Gefäße durch die dünne Haut schimmern. Stärke. Die Stärke des Unterhautfettgewebes variiert beim Erwachsenen von Region zu Region sehr stark. Während Epidermis und Dermis zusammen etwa 3 kg wiegen, schwankt die Masse der Unterhaut zwischen 10 und 20 kg und kann bei übergewichtigen Personen ein Mehrfaches davon betragen. Lokalisation der Fettdepots. Sie ist bei den Geschlechtern verschieden, so erfolgt sie beim Mann bevorzugt am Bauch, bei der Frau auf der Hüfte, am Gesäß, an den Oberschenkeln und Oberarmen und an den Mammae, wobei Rassenunterschiede zu beobachten sind. Bau. Die Subcutis stellt ein Kammerwerk aus einzelnen Fettläppchen dar, die von Bindegewebssepten umhüllt werden. Diese Bindegewebssepten strahlen einerseits in das Stratum reticulare der Dermis ein und verbinden sich andererseits als Retinacula cutis (Haltebänder) mit den straffen Bindegeweben der Unterlage (z. B. Muskelfaszien, Sehnenplatten, Periost). Die Fettläppchen sind zugleich Reservedepot für Fett und Flüssigkeitsspeicher, in denen beträchtliche Mengen an Salzen und Wasser eingelagert sind. Diätetische und therapeutische Maßnahmen, die zu erhöhter Wasser- und Salzausscheidung führen, bewirken zwar einen raschen Gewichtsverlust, er ist aber nur von kurzer Dauer. Wasserkissen. Da die Läppchen des Unterhautfettgewebes allseitig von straffem Bindegewebe umgeben sind, wirken sie bei Druckbelastung wie ein Wasserkissen. Sie werden durch Druck so verformt (Abb. 15.4), dass sie Zug auf das Stratum reticulare und auf ihre Unterlage ausüben und Druck von den darunter liegenden Strukturen fernhalten.

Abb. 15.4: Schema zur Belastbarkeit und elastischen Verformung des Unterhautfettgewebes. Oben: unbelastet, unten: querverformte Fettläppchen nach Belastung

Septen. An Handteller und Fußsohle ist das Kammersystem durch eine stärkere Ausbildung der bindegewebigen Septen besonders für Druckbelastungen konstruiert. Die dort befindlichen Fettläppchen werden als „Baufett“ erst dann zur Energiegewinnung herangezogen, wenn das „Depotfett“ an anderen Körperstellen bereits abgebaut ist. Klinik: Da in den Retinacula cutis die hautversorgenden Gefäße (Kap. 15.5, S. 1225) liegen, kommt es bei Dauerdruck zur Mangelversorgung der betroffenen Hautpartien, was bis zum Decubitus (Wundgelegensein) führen kann, d. h. alle Hautschichten gehen unter Geschwürbildung zugrunde.

15.4 Anhangsgebilde der Haut

1223

15.4 Anhangsgebilde der Haut Lernziele: Haare, Finger- und Zehennägel, Talgdrüsen, kleine und große Schweißdrüsen

15.4.1

Haare

Embryologie In der 9. bis 12. Entwicklungswoche beginnt die Entwicklung der Haaranlagen in Form solider Epithelaussprossungen aus dem Stratum germinativum der Epidermis in die Dermis. Das Ende der Epithelaussprossung verdickt sich zum Haarkolben, dessen äußere Zelllage zur Haarmatrix wird. Durch proliferierendes Mesenchym aus der Umgebung entsteht die Haarpapille, auf der sich die Haarzwiebel (Bulbus pili) ausformt (Abb. 15.1 rechts). Durch mitotische Aktivität wächst aus ihr der Haarschaft hervor, der die Oberfläche der Felderhaut durchbricht. In der Haarpapille geben Melanozyten Melaningranula an die für den Aufbau des Haares neugebildeten Epithelzellen ab. Die Menge der eingelagerten Melaningranula bestimmt die Haarfarbe. Haare ohne Melaningranula sind weiß. Von der epithelialen Haaranlage leiten sich auch Talgdrüsen (s. u.) und der Musculus arrector pili (Abb. 15.1 rechts), ein Bündelchen glatter Muskelzellen, das am Haarbalg und an der Epidermis ansetzt und bei Erregung die Haare aufrichten kann (Gänsehaut), ab. Beim Haarwechsel wird die mitotische Aktivität an der Haarpapille eingestellt, der Haarschaft verliert den Kontakt zur Papille und wandert im Haarkanal zur Oberfläche. Da das in der Haut steckende Ende aufgetrieben ist, wird es als Kolbenhaar bezeichnet. Es verbleibt noch längere Zeit im Haarkanal. Die Anlage für das Ersatzhaar wird aus der Haarpapille gebildet. Es schiebt bei seinem Längenwachstum das Kolbenhaar im Haarkanal vor sich her bis es ausfällt. Der feinere Aufbau des Haares wird in Lehrbüchern der mikroskopischen Anatomie beschrieben. Wollhaare und Terminalhaare £ Das Haarkleid des Menschen besteht zunächst

perinatal aus feinen Wollhaaren (Lanugo), die bis auf Hand- und Fußfläche den gesamten Körper flaumartig bedecken. Das Wollhaarkleid wird individuell sehr unterschiedlich angelegt.

£ Im sekundären, endgültigen Haarkleid kommen

2 Arten von Terminalhaaren vor. Es wird zwischen Kurzhaaren bzw. Borstenhaaren (Wimpern = Cilia, Augenbrauen = Supercilia, Haare am Eingang zur Nase = Vibrissae und zum äußeren Gehörgang = Tragi) und Langhaaren (Kopfhaaren = Capilli, Barthaaren = Barba, Schamhaar = Pubes, Achselhaaren = Hirci) unterschieden. Die Lebensdauer der Terminalhaare differiert zwischen 100 und 150 Tagen bei den Kurzhaaren und 3 und 5 Jahren bei den Kopfhaaren, letztere nehmen pro Tag etwa 0,5 mm an Länge zu. Die Ausbildung der Terminalbehaarung ist hormonabhängig, also bei Mann und Frau verschieden. Beim Mann ist neben dem Bartwuchs die Ausbildung einer dichteren Behaarung an Brust, Armen, Beinen und Rücken möglich. Genetische Anlagen spielen eine erhebliche Rolle.

Klinik: Veränderungen der Behaarung können ein Hinweis auf endokrine Erkrankungen sein.

15.4.2

Finger- und Zehennägel, Ungues

Embryologie Primäres Nagelfeld. An den Endgliedern der Finger tritt ab 10. Entwicklungswoche, an den Endgliedern der Zehen etwa 4 Wochen später, dorsal eine Verdickung der Epidermis auf, das primäre Nagelfeld. Es wird von proximal her von einer Epithelfalte, dem Nagelwall, überwachsen. Durch Verhornung entsteht zunächst der Vornagel. Die Ausbildung des definitiven Nagels geht vom proximalen Ende des Nagelfeldes, der Nagelmatrix, aus. Von dort schiebt sich der Nagel nach distal vor und ist an den Fingern in der 32. Entwicklungswoche, an den Zehen 4 Wochen später, an der Spitze der distalen Phalanx angelangt. Erreichen beim Neugeborenen die Nägel nicht die Kuppe der distalen Phalangen, so gilt dies als Zeichen für Unreife. Reifer Nagel. Hier erfolgt das Wachstum von der an der Nagelwurzel gelegenen Nagelmatrix aus. Über das Nagelbett (Abb. 15.5) wird der Nagel als gewölbte Hornplatte ca. 0,1 mm pro Tag nach distal geschoben. Im Nagelbett ist das Stratum papillare

15 Haut, Anhangsgebilde: Drüsen, Haare und Nägel

1224

Hornschicht Keimschicht

Nagelrand

Nagelkörper Nagelfalz

Nagelbett

Nagelbett

Nagelfalz

Nagelwurzel

Lunula Nagelwall

Nagelphalanx a

b

Abb. 15.5: Aufbau eines Nagels. A = Aufsicht mit (links) und ohne (rechts) Nagelkörper; B = Querschnitt

sehr regelmäßig ausgebildet und gut durchblutet, was eine rosa Färbung hervorruft. Am proximalen Ende des Nagels hebt sich halbmondförmig die weißliche Lunula deutlich vom Nagelbett ab, sie stellt den distalen Teil der Nagelmatrix dar. Proximal wächst von der Nageltasche das verhornte Nageloberhäutchen (Eponychium) auf die Nagelplatte vor. Der seitliche Nagelrand ist unter dem Nagelfalz verborgen. Funktion. Die Nagelplatte wirkt offensichtlich als Widerlager für die tastende Fingerbeere und ist über das Nagelbett mit gut ausgebildeten Retinacula am Knochen der Endphalanx verankert. Klinik: Infektionen oder mechanische Verletzungen der Nagelwurzel können zu erheblichen Wachstumsstörungen oder Fehlbildungen des Nagels (z. B. Verkrümmungen) führen. Lunula und Nagelbett verfärben sich bei Sauerstoffmangel im Blut blau bzw. blauviolett, so dass bei Erkrankungen Rückschlüsse auf Durchblutung und Sauerstoffsättigung möglich werden. Eitrige Entzündungen am Nagelfalz dehnen sich mitunter auf das Nagelbett aus = Panaritium subunguale, das meistens chirurgisch behandelt werden muss.

15.4.3

Drüsen

15.4.3.1 Talgdrüsen, Glandulae sebaceae holocrinae Embryologie Zumeist entstehen Talgdrüsen aus epithelialen Knospen, die ihren Ausgang von der äußeren Wur-

zelscheide der Haare nehmen. Sie dringen in das umgebende Mesenchym ein und verzweigen sich. Lokalisation. Die peripheren Abschnitte bilden alveoläre Endstücke, in denen durch holokrine Sekretion Talg gebildet wird. In den zentralen Anteilen gehen die im Inneren der Stränge liegenden Zellen zugrunde, so dass Ausführungsgänge entstehen, über die der Talg in den Haarkanal abgegeben wird. Auf ähnliche Weise werden an Übergängen zwischen Haut und Schleimhäuten freie Talgdrüsen gebildet (Lippen, Augenlid, Glans penis, Praeputium, Labium minus, Anus). Funktion. Das holokrin gebildete Sekret = Hauttalg (Sebum) dient der Einfettung der Haut und der Haare. Die Talgsekretion ist hormonabhängig und wird durch Androgene stimuliert. Klinik: 1. Der Ausführungsgang kann durch verhärtetes Sekret verlegt werden, so dass es zum Sekretrückstau kommt. Bei Verschluss des Ausführungsganges entwickeln sich Retentionszysten, die mehrere cm Durchmesser erreichen können (Atherome) und chirurgisch entfernt werden müssen. 2. Atypische Verhornung des Haarkanalepithels führt zur Bildung von Mitessern (Komedonen), die sich entzünden können (Akne). 3. Komedonen sind Leiteffloreszenzen der Akne vulgaris, bei der große talgdrüsenreiche Areale betroffen sind (Gesicht, Rücken).

15.5 Gefäße der Haut

15.4.3.2 Kleine Schweißdrüsen, Glandulae sudoriferae merocrinae Embryologie Von der Epidermis wächst ein massiver Zellstrang in die Tiefe der Dermis. Er verdickt sich an der Dermis-Subcutis-Grenze und bildet Drüsenendstücke aus, aus denen sezernierende und myoepitheliale Zellen hervorgehen. Der solide Zellstrang zerfällt im Zentrum und wird zum Ausführungsgang. Lokalisation. Die kleinen Schweißdrüsen sind über den gesamten Körper verteilt und münden an den höchsten Stellen der Epidermis sowohl der Leistenals auch der Felderhaut (Abb. 15.1). Mit 300 pro cm² erreichen sie im Handteller und an der Fußsohle ihre größte Dichte, während am Rücken nur 50 pro cm² vorhanden sind. Funktion. Die kleinen Schweißdrüsen sind in die Thermoregulation eingebunden. Bei mittlerer Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit werden in 24 h 300 bis 500 ml Schweiß abgegeben, bei hoher Außentemperatur kann das Zwanzigfache und mehr erreicht werden. Im Schweiß sind u. a. Kochsalz und Harnstoff vorhanden. Starkes Schwitzen bedeutet einen erheblichen Verlust von Kochsalz und anderen Salzen, der unbedingt ersetzt werden muss. Die Schweißdrüsen können die Nieren entlasten aber nicht ersetzen.

15.4.3.3 Große Schweißdrüsen oder Duftdrüsen, Glandulae sudoriferae apocrinae Embryologie Die Entwicklung ähnelt der der merokrinen Schweißdrüsen, jedoch nehmen die Epithelzapfen ihren Ausgang von Haaranlagen. Die Endstücke

1225

breiten sich ebenfalls an der Dermis-SubcutisGrenze aus. Lokalisation. Große Schweißdrüsen, Duftdrüsen, finden sich nur an einigen Prädilektionsstellen, deren Lage aus der Benennung zu entnehmen ist: Gll. ciliares, ceruminosae, vestibulares nasi, axillares, aveolares mammae, circumanales; bei der Frau sind sie außerdem am Bauch, in der Leistenbeuge, am Mons veneris und am Labium majus ausgebildet. Ihre Ausführungsgänge münden stets etwas oberhalb der Talgdrüsen in einen Haarkanal ein. Funktion. Die Duftdrüsen erreichen ihre volle Funktionsfähigkeit erst mit der Pubertät. Ihre Aktivität ist bei Frauen deutlich zyklusabhängig. Das alkalische, visköse Sekret wird unter sensiblen und emotionalen Reizen vermehrt abgegeben. Die Gll. axillares sind die am stärksten entwickelten Duftdrüsen und können als Axillarorgan präparatorisch dargestellt werden. Das Sekret enthält reichlich organische Bestandteile, die bei Zersetzung den personenspezifischen Körpergeruch wesentlich mitbestimmen. Klinik: Durch eitrig-einschmelzende Entzündungen der Duftdrüsen entstehen Schweißdrüsenabszesse, wovon bevorzugt die Gll. axillares und ceruminosae betroffen sind. Nicht selten sind sie chronisch-rezivierend und bedürfen chirurgischer Behandlung.

15.4.3.4 Brustdrüse Glandula mammaria Diese apokrine Drüse leitet sich ebenfalls aus der Epidermis ab. Aus Gründen der Zuordnung ihrer Blut-, Lymph- und Nervenversorgung sowie ihrer Topographie wird sie im Kap. 10.2.1.2, S. 786, besprochen.

15.5 Gefäße der Haut Lernziele: Gefäßnetze, arterio-venöse-Anastomosen, Sekretionsstimulation, Thermoregulation, Epithellymphe Aufbau. Im Bindegewebe zwischen den Fettläppchen der Subcutis erreichen die versorgenden

Arterien die Dermis und bilden an der SubcutisDermis-Grenze ein grobkalibriges Gefäßnetz, das zahlreiche arteriovenöse Anastomosen (s. Kap. 2.3.2.15, S. 64) mit dem ebenfalls dort liegenden grobmaschigen Venennetz ausbildet.

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Funktion. Werden diese Gefäße geöffnet, so fließt das Blut durch die entsorgenden Venen innerhalb der Retinacula cutis rasch wieder ab. Werden sie geschlossen, so gelangt das Blut über aufsteigende Arterien in ein feinmaschiges Gefäßnetz an der Grenze zwischen Stratum papillare und Stratum reticulare. Auch hier sind arteriovenöse Anastomosen ausgebildet. Sind diese geschlossen, so gelangt das Blut vollständig in die Kapillarplexus im Stratum papillare, so dass maximale Blutmengen die Haut durchströmen und Wärme nach außen abgeben. Eine Steigerung der Wärmeabgabe erfolgt noch dadurch, dass bei maximalem Blutdurchfluss die Versorgung der Schweißdrüsen verbessert wird und über eine gesteigerte Schweißsekretion die Verdunstungskälte optimal wird. Thermoregulation. Durch differenzierte Nutzung der arteriovenösen Verbindungen wird die Haut

15 Haut, Anhangsgebilde: Drüsen, Haare und Nägel

zum wichtigen Organ für die Thermoregulation. Die Gefäßnetze garantieren einen Blutzu- und abfluss zur Haut unabhängig von Faltenbildungen und kurzzeitigen Druckbelastungen. Langandauernder Druck auf die gleiche Stelle kann allerdings nicht bewältigt werden und führt zum Decubitus. Epithellymphe. Im Interzellularraum (s. Kap. 2.5.4, S. 88) der basalen Schichten der Epidermis entsteht die Epithellymphe, die in das Stratum papillare übertritt und dort von den Lymphkapillaren aufgenommen wird. Die größeren Lymphgefäße ziehen gewöhnlich zusammen mit den Venenstämmen durch die Retinacula cutis. Innerhalb der Cutis sind die Lymphgefäße netzartig verbunden, was die Ausbreitung von Entzündungen in der Haut begünstigt.

15.6 Hautnerven, Hautsinne Lernziele: Dermatome, Head-Zonen, Freie Nervenendigungen, kapsellose Endkörperchen, eingekapselte Endkörperchen, zum vegetativen Nervensystem gehörende efferente Nerverfasern: Aufbau, Funktion 1. Während der Frühentwicklung erfolgt durch die aussprossenden Spinalnerven eine segmentale Innervation der Haut. Mit der Ausbildung der Extremitäten, die mit der Entwicklung der Extremitätenknospen beginnt, werden aus den beteiligten Segmenten Anteile mit den zugehörigen Nerven verlagert. Beim Erwachsenen sind demzufolge am Rumpf die entsprechenden sensiblen Innervationszonen = Dermatome gut gegliedert. Sie werden nach dem innervierenden Spinalnerven benannt (Beispiele: Th3, Th11). Die Dermatome am Arm, am Bein und in der Genitalanalregion folgen einer komplizierteren Ordnung (Abb. 15.6), zumal in den Innervationsbereichen des Plexus brachialis, des Plexus lumbalis und des Plexus sacralis Materialverschiebungen stattfinden. Auf Grund der engen Beziehungen zwischen dem vegetativen und dem sensiblen System können pathologische Zustände an inneren Organen

Schmerzempfindungen in bestimmten Hautarealen – den Head-Zonen – auslösen. 2. Die Haut stellt mit 1,6 bis 2 m² Oberfläche das größte Sinnesorgan des Menschen dar, das eine große Zahl von Sinnesempfindungen wie Berührung, Druck, Vibration, Jucken, Schmerz, Wärme und Kälte wahrnimmt. Den Empfindungen steht eine große Mannigfaltigkeit von morphologisch unterschiedlichen Nervenendigungen gegenüber. Nach der Morphologie werden unterschieden: £ Freie Nervenendigungen

£ Kapsellose Endkörperchen £ Eingekapselte Endkörperchen. £ Zum vegetativen Nervensystem gehörende effe-

rente Nervenfasern

Allerdings ist es bisher nicht gelungen, jeder dieser Strukturen eindeutig eine Empfindung zuzuordnen. Es ist durchaus vorstellbar, dass unterschiedliche Reizstärken am gleichen Rezeptor differente Empfindungen hervorrufen. £ Freie Nervenendigungen sind in den basalen

Schichten der Epidermis und in der Dermis nachzuweisen. Als sicher gilt, dass Schmerz von freien Nervenendigungen wahrgenommen wird, wobei Veränderungen des umgebenden Milieus den auslösenden Faktor darstellen.

15.6 Hautnerven, Hautsinne

1227

C7 C2

C8 C3 L5

C5

Th 1

C4

C6

C3 C4

Th 1

C5

S1 Th 2

Th 2

Th 3

Th 3 Th 4

Th 3

Th 6

Th 5 Th 6

Th 7

Th 8

Th 7

Th 9 Th 10

Th 8

Th 2

Th 9

C6

C6

Th 10 Th 11

Th 12 Th 1

L1

C7

Th 4 Th 5

C5

Th 11 Th 12

L1 L4 L5

Th 1 C7

S1 S2 S3 S4

L2

L2

L2 C8

C8

L3 S2 L3

L3 L4

L4 L4

S1

S1 S2

L5

L5

Abb. 15.6: Sensible Innervation der Haut. Beachte die Verschiebung der Dermatome an den Extremitäten

1228

Freie Nervenendigungen im Hautbindegewebe werden als Thermorezeptoren diskutiert, wobei die Wärmerezeptoren mit ihrem Erregungsmaximum bei 40–47 °C und die Kälterezeptoren mit ihrem Erregungsmaximum bei 17–36 °C unterschiedlichen Endigungen zuzuordnen sind, was durch die Bestimmung der Kälte- und der Wärmepunkte objektiviert werden kann. Nervengeflechte um die Haarwurzeln (Abb. 15.1 rechts) werden bei jeder Lageveränderung erregt, wobei die Haare als Reizverstärker dieser Berührungsrezeptoren wirken. Bei den Tasthaaren verschiedener Tiere ist dieses System besonders entwickelt und damit hoch empfindlich. Es wird zur Orientierung im Raum herangezogen. £ Kapsellose Endkörperchen

• Merkel-Tastkörperchen. Sie liegen im Stratum basale und Stratum spinosum der Epidermis Die nicht eingekapselten Merkel-Zellen entsenden Ausläufer zwischen die Epithelzellen und stehen basal über eine flache Synapse mit dem dendritischen Axon einer Spinalganglienzelle in Verbindung. Es sind langsam adaptierende Mechanorezeptoren.

15 Haut, Anhangsgebilde: Drüsen, Haare und Nägel

Sie vermitteln Druck- und Berührungsempfindungen. • Vater-Pacini-Körperchen. In der Subcutis und im angrenzenden Stratum reticulare der Dermis liegen die 2–4 mm großen Gebilde. Eine bindegewebige Kapsel umschließt den Außenkolben, der aus 50–70 lamellenförmig angeordneten Schalen von Bindegewebszellen, die den Innenkolben, dessen zytoplasmatische Lamellen von Schwann-Zellen gebildet werden, einschließen (Abb. 15.1 rechts). Im Innenkolben verzweigen sich die Endigungen des dendritischen Axons der Spinalganglienzelle. Es sind schnell adaptierende Mechanorezeptoren, die auch zur Wahrnahme von Vibrationen befähigt sind. • Ruffini-Körper. Ähnlich gebaut sind die kleineren Kolben in der Dermis, die ebenfalls als schnell adaptierende Mechanorezeptoren fungieren. • Krause-Endkolben. Als langsam adaptierende Mechanorezeptoren gelten die von einer Kapsel umgebenen 0,5 mm dicken und 1–2 mm langen Gebilde, die im Stratum reticulare der Haut, aber auch an anderen Stellen so in Gelenken und Kapseln von Organen vorkommen.

£ Eingekapselte Endkörperchen

£ Efferente Nervenfasern

• Meissner-Tastkörperchen werden in den Nervenpapillen des Stratum papillare der Dermis gefunden. Die ovalen, von einer Kapsel umgebenen Endkörperchen sind ca. 50 µm breit und 100 µm lang. Im Inneren sind spezifische Schwann-Zellen keilförmig angeordnet, zwischen denen sich marklose Endigungen der Spinalganglienzellen ausbreiten (Abb. 15.1 rechts).

Zum vegetativen Nervensystem gehören die efferenten Nervenfasern zur Versorgung der Blutgefäße, der Drüsen und der Mm. arrectores pilorum. Sie lösen das Erröten und Erblassen der Haut, die Schweißbildung und die Bildung einer Gänsehaut aus und stehen damit im Dienst der Thermoregulation und erreichen zumeist mit den Arterien ihr Innervationsgebiet.

16 Glossar Franz Pera und Heinz-Peter Schmiedebach

Im Glossar werden die in diesem Lehrbuch verwendeten anatomischen und klinischen Begriffe auf ihre sprachliche Herkunft zurückgeführt. Vollständigkeit ließ sich dabei aus Platzgründen nicht erreichen. Es ist jedoch eine lebenslange, durchaus reizvolle Aufgabe, in geeigneten Quellen immer wieder die Wurzeln unseres Wissens zu erkunden.

Abkürzungen engl. frz. gr. ohne Angabe m. f. n. comp. sup. dimin. i. e. S. anat. med. (!) s. v.

englisch französisch griechisch lateinisch maskulin feminin neutrum Komparativ Superlativ Diminutiv (Wortverkleinerung) im engeren Sinn anatomisch medizinisch Achtung, anderes Wortgeschlecht als im Deutschen siehe von

A a-, an- (gr.): un-, nicht-, ohne, Verneinung (alpha privativum) a-, ab-: von, weg-, ababdomen, inis n.: Bauch abducens, entis: wegführend, zur Seite spreizend (abduco, duci, ductum: wegführen, abwändig machen) abductor, oris m.: Abspreizer, Wegzieher aberratio, onis f.: Abweichung, Abirrung ablatio, onis f.: das Wegbringen, Entfernen, Abtragen (ab; fero, tuli, latum: tragen, wegtragen) abortus, us m.: Fehlgeburt abrasio, onis f.: Abschabung, Ausschabung (abrado, rasi, rasum: abkratzen) abscessus, us m.: Eiteransammlung in einer durch krankhafte Vorgänge entstandenen geschlossenen Höhle (abscedo, cessi, cessum: weggehen, abziehen)

Präzision in der Begriffswahl kann in der Medizin lebenswichtig sein, und Korrektheit im Gebrauch der lateinischen und womöglich auch der griechischen Sprachregeln gilt auch heute noch als Gütezeichen („Sahnehäubchen“) einer umfassenden ärztlichen Ausbildung. accessorius, a, um: hinzutretend, zusätzlich, unterstützend accumbens, entis: anliegend, sich anlagernd (accumbo: sich hinlegen, sich lagern). Nucleus accumbens (septi): der gemeinsame basale Teil von Nucleus caudatus und Putamen, der nicht von der Capsula interna durchbrochen wird; er grenzt an das medial gelegene Septum pellucidum an. acervulus, i m.: Häufchen; anat.: Hirnsand im Corpus pineale (dimin. von acervus, i m. Getreidehaufen) acetabulum, i n.: Essiggefäß, Schälchen Achalasie f.: Unfähigkeit der glatten Muskulatur, sich zu entspannen (gr. a; chalaros: schlaff, locker) acidophil: Synonym: oxyphil: mit sauren Farbstoffen färbbar (acidus, a um: sauer; gr. oxys: scharf, herb, sauer; -phil: gr. phileo: lieben, zugetan sein) acinus, i m.: kleine Beere, Weinbeere; beerenförmiges Endstück seröser Drüsen acro-: Spitze, Höhe, äußerstes Ende (gr. akron n.) Acromegalie f.: Größenzunahme der „Akren“ (Endigungen) des Körpers (Nase, Ohren, Kinn, Hände, Füße) bei Überschuss an Wachstumshormon beim Erwachsenen (gr. akron; megalo-: groß-) acromion, i n. (gr. akron; omos m.: Schulter, Achsel): Schulterhöhe Acropodium: Begriff aus der vergleichenden Anatomie. „Das Gliedmaßenskelett in Vorder- und Hinterextremität zeigt sehr große Übereinstimmung, besonders bei primitiven Tetrapoda“ (Starck, 1979). (gr. akron; -podium von pus, podos m.: Fuß.) Acrosom, n.: Kappe auf dem Spermienkopf (gr. akron; soma) acusticus, a, um: Gehör- (gr. akuo: hören; akustos: hörbar) acutus, a, um: spitz, scharf ad: an, hinzu, heran adamantinus, a, um: Schmelz bildend (gr. adamas, antos m.: Stahl) Adamantoblast: Schmelz bildende Zelle

1230

Adamsapfel: ursprüngl. (arabisch) „Apfel des Mannes“ (Pomum viri); getreu der Schöpfungsgeschichte, wonach Adam auf den Ruf Gottes: Wo bist du? ein Teil des verbotenen Apfels im Hals stecken blieb, wurde der arabische Begriff (arab. adam: Mann) von mittelalterlichen Mönchen in Pomum adami (Adamsapfel) übersetzt. Adaptation f.: Anpassungsvermögen; beim Auge an Helligkeit (adapto: anpassen) adductor, oris m.: heran- (an den Rumpf, an die Körpermitte) führend Adenitis: Drüsenentzündung adeno-: Drüsen- (gr. aden, adenos m./f.: Drüse) adenoid: drüsen-ähnlich, lymphknoten-ähnlich (veraltet: „Lymphdrüsen“) Adenom: aus Drüsengewebe hervorgegangener Tumor adeps, adipis m./f.: Fett adhaerens, entis: anhaftend adhaesio, onis f.: das aneinander Haften Adiadochokinese, f.: Unfähigkeit, antagonistische Bewegungen schnell durchzuführen (gr. a; diadochos: aufeinander folgend, abwechselnd; kinesis f.: Bewegung) adiposus, a, um: fetthaltig, fettreich aditus, us m.: Zugang, Zutritt adminiculum, i n.: Stütze Adrenalin: Hormon des Nebennierenmarks (ad: bei, nahe an; ren, renis m.: Niere) adultus, a, um: erwachsen Adventitia, ae f.: Kurzform v. Tunica adventitia: bindegewebige äußere Verbindungsschicht eines Organs oder Gefäßes adventitius, a, um: von außen kommend, hinzukommend -aemie f.: Blut- (gr. haima n.: Blut) aequus, a, um: gleich afferens, entis: zu-, hinführend -affin: Neigung zu einer Verbindung (affinitas, atis f.: Verwandtschaft) affixus, a, um: angeheftet, befestigt (affigo, fixi, fixum: an etwas anheften, fesseln) Aganglionose f.: Fehlen der Neurone (Ganglienzellen und ihre Fortsätze) im enterischen Nervensystem (gr. a; ganglion n.: Nervenknoten) Agenesie f.: Fehlen einer Organanlage (gr. a; genesis: Entstehung) agger, eris m.: Erde, Wall, Erhöhung Aggregation f.: Anhäufung, Haufenbildung (aggrego: beigesellen, anschließen) aggregatus, a, um: geschart, angeschlossen agnosia f. (gr.): das Nichterkennen; Störung des Erkennens trotz intakter Wahrnehmung Agranulozytose f.: Mangel an Granulozyten (a; granulum, i n.: Körnchen; zyt-: Zelle) Agraphie f.: Verlust des Schreibvermögens (bei erhaltener Intelligenz und peripherer Bewegungsfähigkeit (gr. a; grapho: schreiben, ritzen, malen, zeichnen) Akkommodation f.: Anpassung (z. B. der Augenlinse an die Entfernung) (accommodo: sich anpassen) Akne f.: Hautfinnenausschlag (gr. aknestis f.: dunkle Bildung) akro-: s. acro Akzeleration f.: Beschleunigung, Entwicklungsbeschleunigung (accelero: beschleunigen, eilen)

16 Glossar

akzessorisch: zusätzlich (accessorius) ala, ae f.: Flügel alatus, a, um: geflügelt, mit Flügeln alaris, e: Flügel-, zum Flügel gehörend, flügelförmig albicans, antis: weißlich, weiß schimmernd Albino: Mensch od. Tier mit fehlender Farbstoffbildung albugineus, a, um: weißlich albus, a, um: weiß Alexie f.: Leseschwäche, Buchstaben- oder Wortblindheit (gr. a; lexis, eos f.: das Lesen) Algesie f.: Schmerz (gr. algesis f. = algos n.: Schmerz) -algie f.: -Schmerz (gr. algeo: Schmerz empfinden, leiden) alimentär: mit der Ernährung zusammenhängend, ernährungsbedingt (alimentum, i n.: Nahrungsmittel, Pflegegeld) -alis, e: Suffix, das eine Beziehung oder Zugehörigkeit ausdrückt allantois, idis f.: Urharnsack (gr. allas, allantos m.: Wurst; eides: ähnlich) Allergie f.: veränderte Reaktionslage des Organismus nach vorausgegangenem Kontakt mit Antigenen (gr. allos: anders, fremd; ergon: Werk, Tat) Allocortex m.: phylogenetisch ältere Hirnrinde mit anders (einfacher) strukturierter Zytoarchitektonik als im Isocortex (cortex, icis m.: Rinde) allogen: von fremder Herkunft alternans, antis: abwechselnd, schwankend alveolaris, e: zu den Zahnalveolen bzw. zum Proc. alveolaris gehörend alveolus, i m.: kleine Wanne alveus, i m.: Mulde, Wanne; anat.: weiße Substanz des nach außen gebogenen Cornu ammonis amakrin: mit kurzen Fortsätzen (gr. a-; makros: groß, lang; is, inos: Faser) Amaurose: Erblindung (gr. amaurosis, eos f.: Verdunklung) ambiens, entis: umgebend, umkreisend ambiguus, a, um: zu zweien gehörend, zweiseitig Amelie: angeborenes Fehlen der Extremitäten (gr. a-; melos: Glied) Amenorrhoe f.: Fehlen der monatlichen Periodenblutung (gr. a; men m.: Monat; rheo: fließen) Amitose f.: direkte Kernteilung ohne Sichtbarwerden von Chromosomen (gr. a; mitos m.: Faden) Ammon: ägyptischer Gott, dessen heiliges Tier der Widder war (Ammonshorn) Ammonshorn: s. Cornu ammonis Amnesie, Amnesia f.: Erinnerungsverlust (gr. a; mnesis f.: Erinnerung) amnestisch: den Erinnerungsverlust betreffend (gr. amnestia f.: das Vergessen) Amnion n.: innere Eihaut, Fruchtwasserhaut (gr. amnion n.: Schafhaut) amöboid: Amöben-ähnlich (Amöben: „Wechseltierchen“, Protozoen; gr. amoibos: wechselnd) amorph: formlos, ohne scharfe Begrenzung (gr. a; morphe f.: Gestalt) Amphiarthrose: straffes Gelenk mit geringer Beweglichkeit (gr. amphi: um, herum, beide-, doppelt; arthron n.: Gelenk)

16 Glossar

Amphibien: Lurche (gr. amphibios: doppellebig [zu Wasser und zu Land]) ampulla, ae f.: bauchiger, erweiterter Raum amygdala, ae f.: Mandel (gr. amygdalon n.) Amylase f.: Stärke spaltendes Enzym (gr. amylon n.: Stärkemehl, Stärke) ana- (gr.).: hinauf, auf-, gegen anaemia, ae; Anämie f.: Blutarmut, Verminderung der Erythrozytenzahl (gr. an; haima, atos n.: Blut) Anaesthesie f.: Unempfindlichkeit; med.: Schmerzbetäubung (gr. anaisthesia f.: Unempfindlichkeit, Gefühllosigkeit) analis, e: zum After gehörend, ringförmig Anastomose f.: 1. natürliche Verbindung zwischen Blutoder Lymphgefäßen oder Nerven; 2. chirurgisch angelegte Verbindung von Hohlorganen (gr. anastomosis f.: Eröffnung, Mündung) anconaeus, a um: Ellenbogen- (gr. ankon, onos m.: Ellenbogen) andro-: männlich-, Mann- (gr. aner, andros m.: Mann) Androgene: männliche Sexualhormone Androtropie: auf das männliche Geschlecht gerichtet (gr. tropos: Richtung) anencephalus, i m.: „ohne Gehirn“, Froschkopf (gr. an; enkephalos: Gehirn) Aneurysma n.: umschriebene Wandausbuchtung eines Hohlorgans (gr. aneuryno: erweitern) Angina pectoris: „Engbrüstigkeit“; anfallsartig auftretende Schmerzen im Brustraum bei Sklerose der Herzkranzarterien oder anderer Herzkrankheiten (ango: beengen, würgen, ängstigen; pectus, oris n.: Brust angio-: Gefäß-, Blutgefäß- (gr. angeion n.: Gefäß) Angioblasten: Gefäßwand bildende Zellen (s. blastus) Angiographie: röntgenolog. Darstellung von Blutgefäßen mit Hilfe injizierter Kontrastmittel Angiom n.: Geschwulst des Gefäßgewebes Angioplastie f.: Aufdehnung von Gefäßen mit einem Ballonkatheter (gr. plasso: bilden, formen, gestalten) angularis, e: winkelig, zu einem Winkel gehörend angulus, i m.: Winkel Anisokorie f.: ungleiche Weite der Pupillen (gr. an; iso-: gleich; kore f.: Pupille) Ankylose f.: Gelenkversteifung durch knöcherne oder narbige Gelenkspaltüberbrückung (gr. ankylosis f.: Krümmung, „Winkelstellung“) anomalis, e: unregelmäßig (gr. anomia f.: Gesetzlosigkeit) Anopsie f.: Nicht-sehen; Untätigkeit der gesunden Netzhaut (zB eines Auges beim Schielen) (gr. opsis, eos f.: das Sehen, Wahrnehmung) anorexia, ae f.: Appetitlosigkeit, Verlust des Triebes zur Nahrungsaufnahme (gr. an; orexis f.: Streben, Begierde, Verlangen) Anotie f.: angeborenes Fehlen der Ohren (gr. an; ous, otos: Ohr) ansa, ae f. Schleife, Schlinge, Henkel anser, eris m.: Gans. anserinus, a, um: Gänse- (Pes anserinus: Gänsefuß) Antagonist m.: Gegenspieler, gegensinnig wirkend (gr. antagonizomai: dagegen kämpfen) ante: vorn, vorwärts, vor, Vorderantebrachium, i n.: Unterarm (brachium, i n.: Arm)

1231

antekolisch: vor dem Colon transversum gelegen anterior, ius: der Vordere, weiter vorn gelegen anterograd: nach vorne gerichtet, vorwärts gehend (gradior: schreiten) anteversio, onis f.: Neigung nach vorne (ante; verteo: wenden) anthelix, icis f.: Bogenwulst an der Ohrmuschel (gr. anti: gegenüber; helix, helikos f.: Windung, Spirale) anthrax, akos m. (gr.): Kohle; med.: Milzbrand anthropoid: menschenähnlich; Anthropoiden: Menschenaffen (gr. anthropos m.: Mensch) Anthropologie f.: 1. Wissenschaft vom Menschen und seiner Entwicklung in natur- und geisteswissenschaftlicher Hinsicht; 2. Geschichte der Menschenrassen anti- (gr.): gegenAntigen n.: artfremder Eiweißstoff, der im Körper die Bildung von spezifischen Antikörpern bewirkt (gr.: -gen) antikoagulatorisch: gerinnungshemmend (coagulo: gerinnen) Antimere: „Gegenteile“; 2 spiegelbildlich gleiche Hälften antitragus, i m.: „Gegenbock“; der dem Tragus gegenüber liegende Teil der Ohrmuschel (gr. tragos m.: Ziegenbock) antrum, i, n.: Grotte, Höhle, Körperhöhle anularius, a, um: ringförmig anulospiralis, e: ringförmig gewunden (anulus; gr. speira f.: schlangenförmige Windung) anulus, i m.: kleiner Ring anus, i m.: Kreis, Ring, After Aorta f.: Hauptschlagader. von aorteo (gr.) aufhängen (nach Kraus, 1844, wegen des gleichsam freien Hängens der großen Schlagader in der Brust); nach Hyrtl (1866) leitet sich der Begriff Aorta ab von aëro (gr.) erheben (im Sinne von pulsieren) apertura, ae f.: Öffnung (aperio, aperui, apertum: öffnen, eröffnen) apertus, a, um: geöffnet, offen apex, icis m.: Spitze, spitzes Ende, Gipfel apicalis, e: die Spitze einer Zelle, eines Organs oder Raumes betreffend apikal: zahnmedizin.: an der Wurzelspitze, zur Wurzelspitze hin Aplasie: angeborenes Fehlen eines Organs (gr. a-; plasso bilden) apo (gr.): ab, weg, von apokrin: Sekretionsmodus mit teilweiser Zellabstoßung (gr. krineo: scheiden, abscheiden, absondern) Aponeurose f.: breitflächige Sehne, Sehnenplatte (gr. aponeurosis f.: Muskel-Sehnen-Übergang) apophysis f. (gr.): „das Aufgewachsene“, Fortsatz; anat.: Knochenvorsprung Apoplexie f.: Schlaganfall (gr. plege f.: Schlag, das Hinfallen; apoplektos: vom Schlage gerührt, starr ) Apoptose f.: natürlicher, „programmierter“ Zelltod, Zellabstoßung (gr. apo; ptosis f.: Fall, i.S.v. Laubabfall) appendix, icis f. (!): Anhängsel, Fortsatz (appendo: daran hängen) approximal: an der Kaufläche (zahnmed.) (ad: bei, hinzu; proximus, a, um: nächster, nächststehender) Approximalflächen: einander berührende Flächen von Zähnen

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apraxia f. (gr.): Untätigkeit, Unfähigkeit zu bewegen aquaeductus, us m.: Wasserleitung; anat.: Verbindung zw. 3. und 4. Hirnventrikel Äquation, f.: v. aequo: etwas gleich machen arachne f. (gr.): Spinne arachnoidea, ae f.: Spinnwebenhaut (gr. arachnion n.: Spinngewebe; -ideus, a, um: -ähnlich) Arbor vitae f. (!): Lebensbaum (im 18. Jahrh. der botanische Name für die Thuia aus der Familie der Zypressengewächse, deren Fächer dem Bild des medianen Sagittalschnitts durch den Kleinhirnwurm ähnlich sind) (arbor, oris f.: Baum; vita, ae: Leben) archaios (gr.): uranfänglich, uralt -arche f. (gr.): -Anfang archipallium, ii n.: ältester Teil des Hirnmantels (pallium, ii n.: Mantel) Architektonik: Aufbau eines Werks, einer Struktur (gr. architektonikos: baumeisterlich, zur Baukunst gehörend) arcuatus, a, um: bogenförmig, gekrümmt arcus, us m.: Bogen area, ae f.: Platz, Fläche, Feld areola, ae f.: kleiner Bezirk, kleiner Hof (Areola mammae: Brustwarzenhof) aresorptivus, a, um: fehlende oder verminderte Rückresorption (bei Hydrocephalus: von Liquor (gr. a; lat. resorbeo: wieder aufsaugen) argyrophil: durch Anfärbung mit Silberpräparaten mikroskopisch darstellbar (gr. argyros m.: Silber; -phil) Arkade f.: von Pfeilern getragener Bogen (arcus) arrector, oris m.: Aufrichter Arrosion f.: das Annagen; Zerstörung von Organen, insb. von Blutgefäßen und Knochen (arrodo, rosi, rodum: annagen, benagen) artefactum, i n.: künstlich hervorgerufene Veränderung arteria f. (gr.): Pulsader, Luftröhre (von gr. aer, aeros m.: Luft, und tereo: bewahren; weil man sie früher für lufthaltig hielt) arthr-, arthro-: Gelenk- (gr. arthron n.: Gelenk) Arthrodese f.: operative Gelenkversteifung durch Entfernung des Gelenkknorpels (gr. deo: binden, verbinden) Arthrose f.: degenerative Gelenkerkrankung articularis, e: zum Gelenk gehörend, Gelenkarticulatio, onis f.: Gelenk Artikulation f.: 1. Gelenkbildung, 2. Bissbewegungen (zahnmed.); 3. deutliche Lautbildung bei Vokalen und Konsonanten (articulus, i m.: Gelenk, Satzglied, Wendepunkt) aryt(a)enoideus, a, um: einem Gießbecken ähnlich (gr. arytaina f.: Gießbecken, Schöpfgefäß) ascendens, entis: aufsteigend aseptisch: keimfrei (gr. a; sepo: verfaulen, brandig werden) Asomatognosie f. (auch: Somato-agnosie): Unfähigkeit zur Erkennung des eigenen Körpers; Rechts-Links-Störung (gr. a; soma, atos n.: Körper; gnosis, eos f.: Erkenntnis, Kenntnis, Bekanntsein; gignosko: erkennen) asper, era, erum: rau, uneben Aspiration f.: Eindringen von Flüssigkeiten oder festen Stoffen in die Luftröhre od. Lungen; Ansaugen von Gasen, Flüssigkeiten u. a. beim Einatmen (aspiro: hinwehen, anhauchen, zu etwas hinstreben)

16 Glossar

Assoziation f.: Verknüpfung (ad: zum, socius, i m.: Genosse) aster, astros m. (gr.): Stern asthenisch: schmal-, schlankwüchsig, schwach (gr. asthenes: kraftlos, schwach) Astrozyt m.: sternförmige Gliazelle Aszites m.: Bauchwassersucht, Wasserbauch (gr. askos m.: Schlauch; hydrops m.: Wassersucht) atavistisch: einem früheren Menschheitsstadium entsprechend (atavus, i m.: Vater des Ururgroßvaters, Vorfahr) Ataxie f.: Störung des Bewegungsablaufs (gr. a; taxis f.: das Stellen, Ordnen) Atelektase f.: verminderter bis fehlender Luftgehalt der Lungenalveolen mit mangelhafter bis fehlender Entfaltung des betroffenen Lungenbereiches (gr. a-; telos n.: Ende; ektasis f.: Ausdehnung) Atherosklerose f.: zu Verhärtung und Verdickung der Gefäßwand führende Bindegewebswucherung der Intima- und inneren Mediaschicht (gr.: athere: [Brei aus] Weizengraupen; skleros: trocken, hart, rau) athletisch: muskulös, von kräftigem Körperbau (gr. athletes m.: Wettkämpfer) Atlas, -antos od. -antis m.: Titan der gr. Mythologie, der das Himmelsgewölbe auf den Schultern trägt; anat.: 1. Halswirbel Atresie f.: fehlende Öffnung, angeborener Verschluss einer Körperöffnung (gr. a-; tresis Loch, Öffnung; tretos: durchbohrt, durchlöchert) atretisch: undurchbohrt; nicht zum Follikelsprung führend atrialis, e: zum Herzvorhof gehörend atrium, i n.: Vorhalle, Vorhof, Vorkammer eines Hohlorgans Atrophie f.: „Ernährungsmangel“; Rückbildung eines Organs oder Gewebes (gr. a-; trophe f.: Ernährung, Nahrung) auditivus, a, um; auditorius, a, um: auf das Gehör/ Hörorgan bezogen (auditus, us m.: Gehör) auricula, ae f.: Ohrmuschel auricularis, e: zur Ohrmuschel gehörend; muschelförmig auris, is f.: Ohr ausculto: aufmerksam zuhören, an der Tür lauschen aut: oder auto-: selbst- (gr. autos: selbst, persönlich, aus eigenem Antrieb) autochthon (gr.): im Lande selbst geboren, Urbewohner (chthon, chthonos: Erde, Land) autonom: „nach eigenen Gesetzen lebend“, selbstständig (gr. nomos m.: Brauch, Sitte, Gesetz) Autopodium: s. Acropodium auxi-, auxo-: vermehrt- (gr. auxo: vermehren, vergrößern, steigern, wachsen) avis, is f. (!): Vogel axialis, e: 1. in der Achsenrichtung; 2. zum 2. Halswirbel gehörend axilla, ae f.: Achsel axis, is m.: Achse; anat.: 2. Halswirbel axon, onis, i n.: Achsenzylinder, Neurit (gr. axon, onos: Achse) Azoospermie: Fehlen reifer, beweglicher Spermien im Ejakulat (gr. a; zoos: lebendig; sperma n.: Samen)

16 Glossar

azygos (gr.): anat. nicht gepaart (mit einer Arterie) (gr. azyx, zygos: ohne Joch, ungepaart)

B bandelette f. (frz.): Bändchen, kleine Binde Barorezeptor: (Blut-)Druck registrierende Einrichtung (gr. baros n.: Schwere, Gewicht, Druck; receptor: Empfänger) basikranial: die Schädelbasis betreffend basilaris, e: zur Basis gehörend basilicus, a, um: fürstlich, königlich Basipodium: s. Acropodium basis, is f.: Basis, Grundlage, Grund, Sockel basophil: mit basischen Farbstoffen anfärbbar benignus, a, um: gutartig (bonus: gut; gigno: hervorbringen) bi-, bis: zweimal biceps, -cipitis: zweiköpfig (caput) bifidus, a, um: in zwei Teile gespalten bifurcatio f.: Gabelung (bifurcus, a, um zweigabelig; furca, ae f.: Gabel) bilateralis, e: beidseitig (bi; latus) biliaris, e: zur Galle bzw. Gallenblase gehörend bilifer(us), fera, ferum: Galle-leitend (fero: tragen, bringen) Bilirubin: rötlicher Gallenfarbstoff (ruber, rubra, rubrum: rot) bilis, is f.: Galle Biliverdin: Oxydationsprodukt von Bilirubin (viridis, e: grün) bio-: Leben- (gr. bios, m.: Leben) Biopsie: Untersuchung von dem Lebenden entnommenem Körpergewebe (gr. bios; opsis f.: das Betrachten) biped: zweifüßig, zweibeinig (pes, pedis m.: Fuß) bipennatus, a, um: doppelt gefiedert (penna, ae f.: Feder) biventer, tra, trum: zweibäuchig (bi; venter) -blast(us) m.: -Bildungszelle (gr. blastao: sprossen, sich entwickeln) Blastem n.: Bildungsgewebe (gr. blastema n.: Spross, Keim, Ursprung) Blastozyste f.: embryon. Keimblase (gr. blastos m.: Keim, Trieb; kystis, eos f.: Blase) blepharon n. (gr.): Augenlid brachialis, e: zum Arm gehörend brachium, i n.: Arm brachys (gr.): kurz brachyzephal: Kurzschädel (gr. kephale f.: Kopf) bradys (gr.): langsam branchial: zu den Kiemenbögen (Schlundbögen) gehörend (gr. branchia n. plur.: Fischkiemen) brevis, e: kurz bronchialis, e: zu den Bronchien gehörend Bronchien: Luftröhrenäste > ca. 1 mm Durchmesser (gr. bronchia n. plur.: Luftröhrenäste) bronchus, i m.: Hauptast der Luftröhre (gr. bronchos m.: Luftröhre) Brückenkallus: überschießender Knochenkallus als Brücke zwischen Knochenbruchbereichen benachbarter Knochen (s. callus)

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bucca, ae f.: Wange, Backe buccalis, e: zur Wange gehörend, der Wange zugekehrt buccinator, oris m.: Trompeter (bucca, ae) bulbus, i m.: Zwiebel, Knolle; anat.: Anschwellung; z. B. Medulla oblongata, Augapfel, Bulbus olfactorius bulla, ae f.: Blase, Buckel bursa, ae f.: Beutel, Tasche; anat.: Schleimbeutel bypass (engl): künstlich angelegte Umgehungsanastomose

C (siehe auch unter K) caecum, i n.: Blinddarm caecus, a, um: blind, versteckt calcaneum, i n.: Ferse calcar, aris n.: Sporn calcarinus, a, um: vogelspornartig caliculus, i m.: kleiner Kelch, Knospe calix, icis m.: Kelch, Becher, Pokal (gr. kalyx, ykos f. (!): Hülse, Kapsel; Kelch) callosus, a, um: verdickt, schwielig, dickschalig callus, i m.: 1. Schwiele; 2. nach Knochenbrüchen neu gebildetes Faserknochengewebe (callum, i n.: Schwiele) calor, oris m. (!): Wärme, Hitze calotta, ae f.: Schädeldach, Kalotte (frz. calotte f.: Käppchen, Gewölbe) calvaria, ae f.: Hirnschale, Schädel, Schädeldach (vgl. Kalvarienberg: Schädelstätte) camera, ae f.: Gewölbe, Kammer campus, i m.: offenes, freies Feld, Fläche canaliculus, i m.: kleine Röhre, Kanal (dimin. v. canalis) canalis, is m.: Kanal, Tunnel caninus, a, um: vom Hund, hunde- (canis, is m.: Hund) canthus, i (gr. kanthos) m.: Augenwinkel capillus, i m.: Haar. capilli, orum: Kopfhaare (caput; pilus) capitulum, i n.: (Gelenk-) Köpfchen capsula, ae f.: kleine Kapsel, Kästchen caput, capitis n. (!): Kopf Caput Medusae, Medusenhaupt. Medusa: nach der gr. Mythologie eine der Gorgonen (Stheno, Euryale, Medusa), weibliche Schreckgestalten mit Schlangenhaaren, bei deren Anblick der Mensch vor Schreck zu Stein wurde. Perseus schlug Medusa das Haupt ab, dem die petrifizierende Wirkung erhalten blieb (Medusenhaupt), und schenkte es Athene, die es auf dem Brustpanzer trug. Med.: Erweiterung der Vv. paraumbilicales bei Pfortaderstauung carcinoma, atis n.: bösartige epitheliale Geschwulst, Krebsgeschwulst (gr. karkinos m. Krebs, nomao: zerfressen) cardia, ae f.: anat.: Magenmund cardiacus, a, um: zum Herz od. zum Magenmund gehörend (gr. kardia f.: Herz, Magen) cardinalis, e: grundlegend wichtig, Hauptcarina, ae f.: Schiffskiel, kielartige Leiste carneus, a, um: fleischig (caro, carnis f.: Fleisch) carnosus, a, um: fleischig caroticus, a, um: auf die A. carotis bezogen carotis, idis: Kopfschlagader. „Der Name Carotis stammt von karos [= Bewusstlosigkeit], mit welchem Ausdruck

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die ältesten griechischen Aerzte jene Form von Sopor [= tiefer Schlaf] bezeichneten, welche in Folge gewisser Hirnverletzungen vorkommt, und mit starker, aber auffallend langsamer Pulsation der grossen Halsgefäße einhergeht“ (Hyrtl, 1866) carpus, i m.: Handwurzel (s. karpos) cartilagineus, a, um: knorpelig cartilago, inis f.: Knorpel caruncula, ae f.: Stückchen Fleisch, Wärzchen (caro, carnis f.: Fleisch) caseosus, a, um: käsig, käseartig cauda, ae f.: Schwanz, Schweif; dünnes Endstück eines Organs cauda equina f.: Pferdeschweif caudalis, e: zum Schwanz, Steiß (Endabschnitt der Wirbelsäule) gerichtet, unten caudatus, a, um: geschwänzt cave!: hüte dich, beachte, pass auf! caverna, ae f.: Höhle cavernosus, a, um: höhlenreich cavitas, atis f.: Höhle, Hohlraum cavum, i n.: Höhle, Körperhöhle cavus, a, um: hohl cellula, ae f.: kleine Kammer, Zelle cementum, i n.: äußerste Schicht der Zahnwurzel, Teil des Parodontium (caementum, i n.: Bruchstein, Baustein; caedo: hauen, schlagen, zerschlagen) -centese: -durchstechung (gr. kenteo: stechen, durchstechen) Centrum semiovale n.: weiße Substanz des Endhirns oberhalb des Balkens; setzt sich aus Assoziations-, Kommissuren- und Projektionsbahnen zusammen (gr. kentron n.: Mittelpunkt, Zentrum; lat. semi: halb-; ovum, i n.: Ei) cephalicus, a, um: den Kopf betreffend (gr. kephale f.: Kopf, Vorderseite, oberes Ende) -cephalus, i: -kopf (gr. kephale f.: Haupt, Kopf) cerato-: s. kerato cerebellum, i n.: Kleinhirn (dimin. v. cerebrum) cerebrum, i n.: Gehirn; anat.: Großhirn cerumen, inis n:. Ohrenschmalz (cera, ae f.: Wachs) cervicalis, e: zum Hals gehörend, Halscervix, icis f.: Hals Cheiloschisis f.: Lippenspalte, Hasenscharte (gr. cheilos n.: Lippe, Rand; schisis f.: Spaltung cheir, cheiros f. (gr.): Hand cheirurgikos (gr.): mit der Hand arbeitend Chemosis: Ödem der Bulbus-Bindehaut (gr. chaino: gähnen) Chemotaxis f.: durch chemische Reize ausgelöste Bewegung oder Zellwanderung (gr. chemeia f.: Chemie; taxis f.: Aufstellung, Ordnung) chiasma, atis n.: in Gestalt des gr. Buchstabens Chi (Χ, χ) 1. Chromosomenüberkreuzung in der Meiose, 2. anat. Bezeichnung für Kreuzungsstelle, vgl. decussatio chir-: s. cheir choana, ae f.: hintere Nasenöffnung (gr. choane f.: Trichter) chol-: Gallen- (gr. chole f.: Galle, Zorn) choledochus: Gallengang (gr. dochus von dechomai: nehmen, aufnehmen)

16 Glossar

Cholesteatom: Perlgeschwulst (gr. stear, atos n.: Talg, Fett) chondralis, e: knorpelartig, den Knorpel betreffend (gr. chondros m.: Knorpel) chondro-: Knorpelchorda, ae f.: Darmsaite, Saite an einem Musikinstrument; Strang; Körperachse Chorda dorsalis: zentrales Achsenorgan der Chordaten, biegsamer, ungegliederter Stab zwischen Schädel und Schwanz (s. notochorda) Chordotomie: operative Durchtrennung des kontralateralen Tractus spinothalamicus im Vorderseitenstrang des Rückenmarks bei therapieresistenten Schmerzen (chorda spinalis: Rückenmark; gr. tome f.: Schnitt, das Schneiden) Choreoathetose f.: Bewegungsunruhe in Form serienweise auftretender zuckender und bizarr geschraubter Bewegungen (gr. choreia: Tanz, Chortanz; athetos: ohne feste Stellung, ungeeignet) chorioidea, ae f.: Aderhaut des Auges chorioideus, a, um: dem Chorion ähnlich chorion, ii n. (gr.): Zottenhaut der Plazenta, Fruchthülle Choristie f.: versprengtes embryon. Gewebe (gr. chorizo: trennen; histos m.: Gewebe) choroideus: s. chorioideus chrom-, chromo-: Farb-, Farbstoff-, Chrom- (gr. chroma n.: Farbe) chromaffin: typische Anfärbbarkeit mit Chromsalzen u. a. oxydierenden Agenzien (affinis: verwandt) Chromatin n.: färbbare (kondensierte, „heterochromatische“) Chromosomenanteile im Interphasezellkern Chromosom n.: „färbbarer Körper“ im Zellkern; Träger der in der Basensequenz der DNA kodierten Erbinformationen (Gene) chronos m. (gr.): Zeit Chylomikronen: bis 1 μm große, fetthaltige Chyluströpfchen in den viszeralen Lymphgefäßen (chylus; mikros) chylus, i m.: Darmlymphe; „Milchsaft“, aufgrund des Fettgehalts milchig aussehend (gr. chylos m.: Saft, Brühe) chymus, i m. Saft, Speisebrei, Magenbrei cicatriceus, a, um: narbig, durch Narben bedingt (cicatrix, icis f.: Narbe) -cid: abtötend (caedo, cecidi, caesum: töten) ciliaris, e: zu den Zilien bzw. zum Ziliarkörper gehörend cilium, i n.: Wimper cinereus, a, um: aschgrau (cinis, eris f.: Asche) cingulum, i n.: Gürtel circa: ringsum, um, in der Nähe von circadian: einen biologischen (24-Stunden-)Rhythmus aufweisend (dies, iei m.: Tag, Zeitraum von einem Sonnenaufgang zum nächsten) circularis, e: kreisförmig, periodisch wiederkehrend circulus, i m.: kleiner Kreis (dimin. v. circus, i m.: Kreis) circum: um, ringsum, bei circumductio, onis f.: kreisförmige Gelenkbewegung, halbkreisförmige Führung eines gelähmten Beines (duco, duxi, ductum: führen) circumferentia, ae f.: Umfang circumflexus, a, um: umgebogen (circumflecto: kreisförmig umbiegen)

16 Glossar

cisterna, ae f.: unterirdischer Wasserbehälter, Flüssigkeitsreservoir, Zisterne; anat.: 1. Erweiterung des Subarachnoidalraums; 2. spindelförmige Erweiterung des Ductus thoracicus; 3. Hohlräume im endoplasm. Retikulum und Golgi-Apparat -clast(us) m.: -abbauende, resorbierende Zelle (gr. klao: brechen, zerbrechen) Claudicatio intermittens: zu Gehpausen zwingende, vorübergehende Durchblutungsstörung des Beins (claudico: hinken; intermitto, -misi, -missum: dazwischen treten, unterbrechen) claustrum, i n.: Vormauer, Riegel clavicula, ae f.: Schlüsselbein clavis, is f.: Schlüssel cleido-: Schlüsselbein- (gr. kleis, kleidos f.: Schlüssel, Schlüsselbein) cleidocranialis, e: Schlüsselbein und Schädel betreffend clinoideus: einem Bett ähnlich (gr. kline f.: Bett, Sänfte; -ideus) clitoris, idis f.: kleiner Hügel, Kitzler clivus, i m.: Abhang cloaca, ae f.: Kloake, Abzugskanal clunes, ium f. pl: Gesäß clunis, is f.: Hinterbacke co-, com-, con-: mit-, zusammencoagulum, i n.: Lab (das die Milch zum Gerinnen bringt); med.: Blutgerinnsel coarctatio, onis f.: Einengung, Verschluss coccygeus, a, um: Steißbein- (gr. kokkyx, ygos m.: Kuckuck, Steißbein) cochlea, ae f.: Schnecke, Schraube; Innenohrschnecke cochlearis, e: zur Schnecke, zum Innenohr gehörend, coeliacus, a, um: zur Bauchhöhle gehörend (gr. koilos: hohl, bauchig; koilia f.: Bauchhöhle) Coelom n.: embryonale Leibeshöhle, aus der Pleura-, Perikardial- u. Peritonealhöhle hervorgehen coeruleus (caeruleus), a, um: blau, bläulich colicus, a, um: zum Colon gehörend collabor, lapsus sum: zusammensinken, -fallen collateralis, e: auf der selben Seite (des Körpers) befindlich, seitlich angeordnet, benachbart, nebenständig, begleitend; Umgehungscolliculus, i m.: kleiner Hügel (dimin. v. collis, is m.: Hügel) colligens, entis: sammelnd (colligo, legi, lectum: zusammenlesen, auflesen, sammeln) collum, i n.: Hals colon, i n.: Glied, Teil, Grimmdarm (Hauptteil des Dickdarms) (gr. kolon n.: Darm, Wurst) colostrum, i: Vormilch; Sekret der Brustdrüsen ab der 6. Schwangerschaftswoche columna, ae f.: Säule, Pfeiler comedo, onis m.: Mitesser (viell. weil man den ausgedrückten Talg früher für lebende Parasiten ansah) comitans, antis: begleitend commissura, ae f.: Verbindung communicans, tis: verbindend communis, e: gemeinsam compactus, a, um: fest

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compartimentum, i n. (v. engl. compartment): enger geschlossener Raum (pars, partis f.: Teil; Abteil, Abschnitt) compositus, a, um: zusammengesetzt compressio, onis f.: das Zusammendrücken, Druck conceptio, onis f.: Empfängnis concha, ae f.: Muschel condylaris, e: zum Gelenkhöcker gehörend condylus, i m.: Gelenkhöcker (gr. kondylos m.: Beule, geballte Faust) congenitus, a, um: angeboren (gigno, genu, genitum: zeugen, gebären) conjugata, ae f.: Verbindung conjunctiva, ae: Bindehaut (coniungo, iunxi, iunctum: verbinden, etwas ununterbrochen fortsetzen connexio, onis f.: Verknüpfung conoideus, a, um: kegelförmig (gr. konos m.: Kegel, spitzer Zapfen; ideus) constrictor, oris m.: Schnürer (constringo, strinxi, strictum: zusammenschnüren, -binden) contactus, us m.: Berührung, Ansteckung contortus, a, um: zusammengedreht, verschlungen, gewunden contra: gegenüber, gegen contractio, onis f.: das Zusammenziehen, Verkürzung (contraho, traxi, tractum: zusammenziehen) contractura, ae f.: dauernde Verkürzung von Weichteilen, Gelenkkontraktur contralateralis, e: auf der entgegengesetzten Körperseite (contra; latus) conus, i m.: Kegel convergeo: zusammenstreben convolutus, a, um: zusammengerollt (convolvo, volvi, volutum: umrollen, umwickeln) copula, ae f.: Band, Verbindung; Verbindungsstück cor, cordis n.: Herz coracoideus, a, um: Raben(schnabel)-ähnlich (gr. korax, akos m.: Rabe; ideus) core (engl.): Kern, Innerstes corium; i n.: Haut, Fell, Lederhaut cornea, ae f.: Hornhaut des Auges corneus, a, um: hörnern, aus verhornenden Zellen bestehend corniculatus, a, um: hörnchenartig, wie ein kleines Horn gestaltet (corniculum, i. n.: kleines Horn [dimin. v. cornu]) cornu, us n.: Horn Cornu ammonis: s. Ammon corona, ae f.: Kranz, Krone coronalis, e: Kranzcoronoideus, a, um: hakenförmig, säbelförmig gekrümmt (s. korone) corpus, oris n.: Körper, Hauptteil eines Organs corpusculum, i n.: Körperchen, kleines einheitliches Gebilde im Körper corrugator, oris m.: Runzler (corrugo: runzeln, runzelig machen) cortex, icis m. (!): Rinde, Borke corticalis, e: zur Rinde gehörend, Rindencortico-: Hirnrindecosta, ae f.: Rippe

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cotyledo, onis m.: 1. Gelenkpfanne; 2. Zottenbüschel des Chorions mit umgebenden Plazentasepten (gr. kotyledon, onos m.: Näpfchen, Saugwarze der Polypen) cotylicus, a um: zur Gelenkpfanne gehörend coxa, ae f.: Hüfte cranialis, e: zum Schädel gehörend, kopfwärts gelegen, oben cranium, i n.: Schädel (gr. kranion n.: Schädel) crassus, a um: dick cremaster, eris m.: der Aufhängende (gr. kremastos: aufgehängt) cribrosus, a, um: siebartig durchlöchert cribrum, i n.: Sieb crico-: auf den Ringknorpel (Cartilago cricoidea) bezogen cricoideus, a, um: ringförmig (gr. krikos m.: Ring, Siegelring) -crin: die Ausscheidung, Sekretion betreffend (gr. krineo: absondern) crinis, is m.: Haar, Kopfhaar crista, ae f.: Kamm, Leiste Crista galli: Hahnenkamm (gallus, i m.: Hahn, Haushahn) cruciatus, a, um: gekreuzt crus, cruris n. (!).: Schenkel, Unterschenkel, schenkelartiger Teil eines Organs crux, crucis f. (!): Kreuz, Not; Gebilde, die sich überkreuzen crypta: s. krypte cubitus, i m.: Ellenbogen cuboideus, a, um: würfelförmig (cubus, i m.: Würfel) culmen, inis n. (!): Gipfel, Giebel; anat.: höchste Erhebung des Kleinhirnwurms cum: mit Cumulus oophorus Eihügel (cumulus, i m.: Anhäufung, Hügel; gr. oon n.: Ei; phero: tragen) cuneatus, a, um: gekeilt, keilförmig cuneiformis, e: keilförmig cuneus, i m.: Keil, Zwickel cupula, ae f.: Kuppel curvatura, ae f.: Krümmung, Bogen cuspis, idis f.: Spitze, Zipfel (nicht: Segel = velum, i) cuticula, ae f.: Häutchen cutis, is f.: Haut Cyanosis: s. Zyanose cylindricus, a, um: walzenförmig (gr. kylindros m.: Walze, Zylinder) cymba, ae f.: oberer Teil der Ohrmuschel (gr. kymbe f.: Topf, Wölbung) cysticus, a, um: 1. zur Blase (Gallen-, Harnblase) gehörend; 2. zystenbildend (gr. kystis, idis od. eos f.: Blase, insb. Harnblase) -cyt(us) m. (!): -zelle (s. kytos) cyto-: Zellen- (gr. kytos n.: Hohlraum, Gefäß)

D dakryon n. (gr.): Träne daktylos m. (gr.): Finger dartos (gr.) abgehäutet („wie rohes Fleisch“); Tunica dartos: Fleischhaut des Hodensacks de-: über, herab-, ent-, weg-

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deciduus, a, um: abfallend, hinfällig, vergänglich declive, is n.: Abhang decubitus, i m.: Wundliegen (cubo, bui, bitum: liegen, im Bett liegen) decussatio, onis f.: Überkreuzung (decussis, is f: schiefes Kreuz als Zeichen für die röm. Ziffer X [10; lat. decem]; decusso: in Form eines Kreuzes abteilen oder verbinden) Defäkation f.: Stuhlentleerung (faeces, ium f. plur.: Kot) deferens, entis: weg, hinab, abwärts führend Degeneration f.: Entartung; Ersatz vollwertiger Substanz durch minderwertige; Verfall von Zellen, Geweben oder Organen (degenero: ausarten, entarten) dehiscens, entis: auseinander klaffend Déjà-vécu-, Déjà-vu-Erlebnisse: Erinnerungstäuschungen, bei denen eine neue Situation als „schon einmal erlebt“ (frz. déjà vécu) oder „bereits einmal gesehen“ (frz. déjà vu) empfunden wird Dekompression f.: Druckabfall, Druckentlastung Deletion f.: Verlust (deleo, levi, letum: auslöschen, zerstören) deltoideus, a, um: dem (großen) gr. Buchstaben Delta (∆) ähnlich, dreieckig dementia, ae f.: Unsinn, Unverstand; med.: Intelligenzdefekt Dendrit m.: baumartig verästelter Zytoplasmafortsatz einer Nervenzelle (gr. dendron) dendriticus, a, um: verästelt, verzweigt; dendritisch dendron n. (gr.): Baum dens caninus: „Hundezahn“; Eckzahn dens, dentis m.: Zahn densus, a, um: dicht, dicht gedrängt dentalis, e: Zahndentatus, a, um: gezähnt, mit Zähnen versehen denticulatus, a, um: feinzähnig (denticulus, i m.: kleiner Zahn) dentin(um, i) n.: Zahnbein (dens) Dentition f.: „Zahnen“, Durchbruch der Milch- und der bleibenden Zähne dentogen: von den Zähnen ausgehend depressor, oris m.: Herabzieher (deprimo, pressi, pressum: niederdrücken, -senken, -ziehen) Derivat n.: Abkömmling (de: weg; rivus, i: Bach) derma, atos n. (gr.) (auch dermis, is f.): Haut, Lederhaut Dermatom: 1. (embr.) seitl. Bereich des Somiten; 2. über die Radix dorsalis eines Spinalnerven sensibel innerviertes Hautareal (gr. tomos m.: Abschnitt, Segment) descendens, entis: absteigend descensio, onis f.: das Hinabsteigen descensus, us m.: Abstieg Deskriptor: Kennwort zur Bestimmung des Inhalts einer Datei (describo, -scripsi, -scriptum: beschreiben) desmalis, e: bandartig, Bindegewebe betreffend (desmos) desmo-: Band, Bindegewebe, aus Bindegewebe hervorgegangen (gr. desmos m.: Band) desmocranium, i n.: der aus Deckknochen bestehende Teil des Schädels desmodontium, ii n.: Bindegewebe in der Zahnalveole (gr. odus, odontos m.: Zahn) Desmosom n.: Zellhafte zwischen benachbarten Epithelzellen (desmos; soma)

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Desquamation f.: Abschuppung, Abstoßung (de: von, weg; squama, ae f.: Schuppe) destructio, onis f.: das Niederreißen, Vernichtung determinatio, onis f.: Abgrenzung, Bestimmung detritus, us m.: Abgeriebenes, Abgenutztes, der Rest abgestoßenen Gewebes deviatio, onis f.: Abweichung, Abknickung, Verbiegung (de; via, ae f.: Weg, Straße) dexter, tra, trum: rechts; der Rechte di-, dia- (gr.): durch-, zwischen-, auseinander-, unterschiedlich di- (vor Konsonanten), dis- (vor Vokalen) (gr.): zweimal, zweifach, doppelt Diabetes m.: Harnruhr (gr. dia: durch; baino: gehen); Zuckerkrankheit (D. mellitus). Diabetes ist also primär definiert aus der vermehrten Ausscheidung von Harn, nach dessen Geschmack früher die weitere Differenzierung der Krankheit erfolgte. Diakinese f.: Auseinanderweichen der Chromosomen im Prophase-Endstadium der Meiose (gr. kinesis f.: Bewegung) Diapedese f.: Durchtritt von Blutkörperchen durch eine intakte Wand (gr. diapedao: hindurchdringen) diaphragma n. (gr.): Trennwand, Septum; Zwerchfell Diaphyse f.: Mittelstück der Röhrenknochen (gr. diaphysis, eos f.: das dazwischen Gewachsene) Diarrhoe(a) f.: Durchfall (gr. diarrheo: hindurch fließen) Diarthrose: (echtes) Gelenk, Articulatio (gr. dis: zweimal; arthron n.: Glied, Gelenk) diastole f. (gr.): Ausdehnung Diazonien: dunkle Abschnitte der Streifung im Schmelz (gr. diazonnymi: umgürten, rings umgeben) dichotomeo (gr.): in zwei Teile spalten didymos (gr.): zweifach; didymoi m. (plur.): Zwillinge; Hoden diencephalon, i n.: Zwischenhirn (dia: zwischen; encephalon) differenzieren: trennen, unterscheiden (differentia, ae f.: Verschiedenheit, Unterschied) digastricus, a, um: zweibäuchig (gr. di; gaster) digestorius, a, um: zur Verdauung dienend (digestio, onis f.: Trennung, Zerteilung) digitatus, a, um: fingerförmig digitus, i m.: Finger, Zeh; Fingerbreite = Zoll (18,5 mm) diktyon n. (gr.): Netz dilatator, oris m.: Erweiterer Dimorphismus: Zweigestaltigkeit (gr. dis: zweimal; morphe f.: Gestalt) Diphtherie f.: pseudomembranöse Entzündung am Rachenring (gr. diphthera f.: Leder, Pergament) Diploe f.: ursprüngliche Bedeutung: das aus 2 Knochenplatten (Lamina externa und interna) bestehende Schädeldach. Heute: die schwammige (spongiöse) Schicht zwischen den beiden kompakten Schichten (gr. diploos: zweifach, beiderseitig) diploicus, a, um: zur Diploe gehörend diploid: „zweifach“; doppelter Chromosomensatz (jeweils von der Mutter und vom Vater stammend) directus, a, um: in gerader Richtung, gerade discus, i m.: Scheibe; Gelenkzwischenknorpelscheibe disjunctio, onis f.: Trennung, Scheidung

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Diskriminierung: das gegeneinander-Abgrenzen (discrimino: scheiden, trennen, unterscheiden) dislocatio, o, onis f.: Lageveränderung (locus, i m.: Ort, Stelle) disruptio, onis f.: Zerreißung dissecans: trennend, spaltend (disseco: zerschneiden) dissociatio, onis f.: Trennung, Aufspaltung distalis, e: körperfern; zahnmed.: dem hinteren Ende des Zahnbogens zugekehrt (distare: abstehen) distantia, ae f.: Abstand Diurese f.: Harnausscheidung (gr. dia: durch; uresis f.: das Harnen) divergens, entis: auseinander gehend diverticulum, i n.: Ausstülpung von Wandteilen eines Hohlorgans (z. B. Darm) (dimin. v. divertium, i n.: das Auseinandergehen) divisio, onis f.: Trennung, Teilung, Einteilung dolichozephal: Langschädel (gr. dolichos: lang; kephale f.: Kopf) dolorosus, a, um: schmerzhaft, schmerzensreich Doppler-Sonographie: angiologische Ultraschalldiagnostik, die auf dem Doppler-Effekt beruht (Christian Doppler, 1803–1853, Physiker, Wien und Prag): Bei Annäherung/Entfernung des Wellenzentrums an den Empfänger erfolgt eine Steigerung/Minderung der Wellenfrequenz dorsalis, e: am Rücken gelegen, zum Rücken hin, hinten dorsum, i n.: Rücken drainieren: ableiten von Körperflüssigkeiten (frz. drainage m.: Entwässerung) dromos m. (gr.): Lauf -duction: Ziehung, Führung ductus, us m.: Leitung, Führung, Richtung, Gang duodenum, i n.: das Zwölffache (gr. dodekadaktylum: Zwölffinger; „Finger“ (Fingerbreite, Zoll) ist ein Längenmaß von 18,5 mm) Duplikatur f.: Verdopplung (duplex, icis: doppelt gefaltet, zweifach) durus, a, um: hart. Dura mater: „harte Hülle“; die äußere, straffe Hüllhaut des ZNS Dyade f.: Zweiheit, die Zahl zwei (gr. dyas, dyados f.) dynamisch: die von Kräften erzeugte Bewegung betreffend (gr. dynamis f.: Kraft, Stärke, Leistungsfähigkeit) dys- (gr.): un-, miss; eine Störung ausdrückend Dysarthrie f.: Sprachstörung (gr. arthroo: gliedern, artikulieren) Dysgeusie f.: Missempfindung des Geschmackssinnes (gr. geusis, eos f.: Geschmack) Dysgraphie f.: Schreibstörung (gr. grapho: schreiben) Dyslexie f.: erschwertes Lesevermögen (gr. lego: lesen) Dysostosis f.: gestörte Knochenentwicklung (gr. osteon n.: Knochen) Dysphagia f.: Schluck- bzw. Schlingstörung bei Erkrankungen des Oesophagus (phagein: essen) Dysphagia lusoria f.: Erschwerung des Schluckens durch das „Naturspiel“ (ludo, lusi, lusum: spielen), dass die A. subclavia dextra hinter der A. subclavia sinistra aus der Aorta entspringt und in ihrem Verlauf nach rechts die Speiseröhre zusammendrückt Dysplasie: Fehlbildung (gr. plasso: bilden) Dyspnoe f.: Atemnot (gr. pnoe f.: das Atmen)

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Dystonie f.: Störung eines natürlichen Spannungszustandes (gr. tonos: Spannung) Dystopie f.: Verlagerung (gr. topos m.: Ort) Dystrophie f.: Ernährungsstörung, mangelhafte Versorgung mit Nahrungsstoffen (gr. trophe f.: Ernährung, Nahrung)

E e-, ex-, ek-: auseburneus, a, um: elfenbeinartig (Dentin) Effektorzellen: Zellen, die auf einen aufgenommenen (Nerven-)Reiz reagieren (ef-ficio, feci, fectum: hervorbringen, bewirken, ausführen) efferens, entis: herausführend egestorius, a, um: der Austreibung dienend (egero, gessi, gestum: hinaustragen, auswerfen) Ejakulation: Samenerguss (eiaculor: herausschleudern, hervorschießen lassen) Ejektionsfraktion: Herzauswurfleistung (eiecto: heraus-, auswerfen) Ektasie f.: Erweiterung von Hohlorganen (gr. ektasis f.: Ausdehnung, Ausspannung) ekto-, exo-: außen-, außerhalb Ektoderm n.: äußeres der 3 embryonalen Keimblätter (derma) ektomorph: von hagerer, hoch aufgeschossener (leptosomer) Konstitution (gr. morphe f.: Gestalt, äußere Erscheinung) Ektropium n.: Auswärtskehrung, Umstülpung (gr. ektrepo: nach außen kehren) Ekzem n.: Juckflechte (gr. ekzeo: aufkochen, aufbrausen) Elephantiasis f.: unförmige Hautverdickung; durch Lymphstauung bedingte Vergrößerung eines Körperabschnitts (gr. elephas, antos m.: Elefant) Elevation f.: Erhebung (elevo: in die Höhe heben, aufheben, aufrichten) Elimination f.: Ausschaltung, Beseitigung (ex; limen, inis n.: Schwelle, Wohnung) Elongation f.: Verlängerung (longus, a, um: lang) em-, en (gr.): in, innen Embolie f.: plötzlicher Verschluss eines Blutgefäßes durch einen Embolus embolus, i m.: Pfropfen (gr. embolos: Keil [zum Verrammeln des Tores]; emballo: hineinwerfen) embryo, onis m.: Leibesfrucht bis zum 60. Schwangerschaftstag (gr. embryon n.: ungeborene Leibesfrucht, Embryo) eminentia, ae f.: Erhöhung emissaria, orum n. plur.: Anastomosen zw. Vv. diploicae und oberfl. Schädelvenen durch Knochenkanälchen (emissarium, i n.: Abzugsgraben, -kanal, -rohr) Emphysem n.: Lungenblähung, Alveolarektasie (emphysao: hinein blasen, aufblasen) Empyem n.: Eiteransammlung in natürlichen Körperhöhlen (gr. en: innen; pyon n.: Eiter) enamelum, i n.: Zahnschmelz, Substantia adamantina (engl. enamel: Emaille, Lack, Glasur, Zahnschmelz) en- (gr.): in, im

16 Glossar

Enarthrosis f.: Nussgelenk (i. S. v. eingeschlossenes Gelenk) (gr. arthron n.: Gelenk, Glied) encephalon, i n.: Gehirn (kephale f.: Kopf; enkephalos m.: Gehirn) endemisch: örtlich begrenzt auftretend, in einem bestimmten Gebiet verbreitet (demos m.: Volk; endemeo: daheim sein, Heimat haben) endo-, ento- (gr.): innenendocard(ium) n.: Herzinnenhaut (cardia, ae f.: Herz) endocrin: in Blutgefäße Stoffe absondernd (gr. krinein: sondern, trennen, scheiden) endogen: im Körper selbst entstehend, von innen kommend (-gen) endometrium, ii n.: Uterus-Schleimhaut (gr. metra f.: Gebärmutter) endomorph: von der Konstitution eines Pyknikers (gr. morphe f.: Gestalt) Endoprothese f.: künstlich hergestelltes Ersatzstück, das im Organismus den geschädigten Körperteil ganz oder teilweise ersetzt (gr. prothesis, eos f.: das Davorsetzen, Aufstellung) Endorphin n.: körpereigenes Schmerz stillendes Hormon (Kunstwort aus endo und Morphin; Morpheus [„Gestaltender“]: gr. Gott des Traumes; Sohn des Hypnos; Bruder des Phantasus) endost(eum, i) n.: die Binnenräume des Knochens auskleidende Gewebsschicht (gr. osteon n.: Knochen) endothel(ium) n.: einschichtige zellige Auskleidung der Gefäße und serösen Höhlen (gr. theleo: aufsprossen, wachsen) Engramm n.: die bleibende Spur geistiger Eindrücke, Erinnerungsbild (gr. engrapho: eingraben, aufschreiben) Enophthalmus m.: Zurücksinken des Augapfels (gr. en; ophthalmos m.: Auge) entericus, a, um; enterisch: zum Darm gehörend enteron n. (gr.): Darm. entera n. plur.: Eingeweide Entoderm (auch Endoderm) n.: Inneres der 3 embryonalen Keimblätter (-derm) Enukleation f.: „Entkernung“ 1. Ausschälen eines abgekapselten Fremdkörpers oder eines in sich gut begrenzten Organs, Organteils oder Tumors ohne Mitentfernung benachbarten Gewebes; 2. Zellkernausstoßung (nucleus, i.: Kern) eosinophil: mit Affinität zu (sauren) Eosinfarbstoffen (gr. -phil; eos f. Morgenröte; Eosin: roter Farbstoff [Tetrabromfluoreszin-Natrium]) Ependym n.: Epithel der ZNS-Hohlräume (gr. ependyma n.: Oberkleid) epi-, ep- (gr.): auf, über epicard(ium) n.: dem Herzen aufliegendes Blatt des Herzbeutels (cardia, ae: Herz) epicranium, i n.: Kopfschwarte (gr. kranion n.: Schädel) epidermis, idis f.: Oberhaut (derma) epididymis, idis f.: Nebenhoden (gr. epi: über; didymoi: Hoden) Epigastrium n.: Magengrube, Gegend zwischen Schwertfortsatz und Nabel (gr. gastér f.: Bauch, Magen) epiglottis, idis f.: Kehldeckel („über der Glottis“ [Stimmapparat]) Epikanthus m.: Hautfalte am medialen Rand des Oberlids (gr. kanthos m.: Augenwinkel)

16 Glossar

epikritisch: genaue Lokalisierbarkeit von Empfindungen (gr. epikrino: urteilen, entscheiden; krites m.: Richter) Epilepsie f.: Fallsucht (gr.: epileptos v. epilambano: ergreifen, überfallen) epiorchium n.: viszerales Blatt des Processus vaginalis periteonei (gr. orchis m.: Hode) epipharynx m.: obere Etage des Rachens (Nasopharynx) Epiphora f.: Tränenträufeln, Dakryorrhoe (gr. epiphora f.: das Hervorbrechen) Epiphyse (epiphysis, is od. eos) f.: 1. Synonym für Glandula pinealis, Zirbeldrüse, 2. proximale und distale Endstücke der langen Röhrenknochen (gr. epiphysis: das auf etwas Wachsen) epiploicus, a, um: zum Darm-Netz gehörend epiploos m. (gr.): Netzhaut um die Gedärme Episiotomie f.: Dammschnitt (gr. episeieon n.: die Scham; tome f.: das Schneiden, Schnitt) Epispadie f.: obere Harnröhrenspalte (gr. epi: oben; spazo: spalten) epistropheus m.: frühere Bezeichnung für den 2. Halswirbel (Axis) (gr. epistrophe f.: das Herumdrehen) epithel(ium, ii) n.: (Epithelgewebe): ein- oder mehrschichtiger Zellverband, der innere oder äußere Körperoberflächen bedeckt (gr. epitheleo: über etwas hinweg wachsen) epitheloid: Epithel-ähnlich eponychium, ii n.: Nageloberhäutchen (gr. onyx, ychos m.: Nagel, Huf) Eponym n.: Bezeichnung, die auf einen Personennamen zurückgeht (gr. onoma n.: Name; eponymion n.: Beiname, Benennung) equinus, a, um: Pferde- (equus, i m.: Pferd) erectio, onis f.: Erektion, Anschwellung und Festwerden von Schwellkörpern (erigo, erexi, erectum: aufrichten, erregen; rectus, a, um: gerade) erector, oris m.: Aufrichter -erg, ergo-: -tätig, -wirksam, Arbeit- (gr. ergasia f.: Arbeit, Tätigkeit) Ergastoplasma: lichtmikroskopisch sichtbare basophile Zytoplasmabereiche, die dem rauen endoplasmatischen Retikulum entsprechen ergotrop: leistungssteigernd, auf die Leistung gerichtet (gr. tropos m.: Richtung) ery-, erythro-: rot (gr. erythros: rot) Erysipel n.: Wundrose, auf dem Lymphweg sich ausbreitende Entzündung der Haut (gr. pella f.: Haut) erythrocyt(us) m.: rotes Blutkörperchen, Erythrozyt (-cyt) erythroide Zellen: Erythrozyten und ihre Vorstufen Erythropoese f.: Bildungsprozess der Erythrozyten (gr. poesis f.: das Machen, Entstehung) et: und ethmoidalis, e: siebartig; zum Siebbein gehörend (gr. ethmos m.: Sieb) Euchromatin: Teil des färbbaren Bestandteils des Zellkerns, der im Interphasestadium seine Färbbarkeit verliert; Gegensatz: Heterochromatin (gr. eu-: gut, schön, wohl-; chroma: Farbe) eunuchos m. (gr.): eigentl. Betthüter, Verschnittener, Haremswärter (euny f.: Bett; echo: sich enthalten) euryprosop: breitgesichtig (gr. eurys: breit, weit; prosopon n.: Gesicht)

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eversus, a um: verdreht, ausgestülpt (e; versio, onis: Wendung, Drehung) evozieren: reizen, durch Reiz hervorrufen (evoco: herausrufen, -fordern) ex: aus Ex(s)trophie f.: Ortsveränderung, Verlegung nach außen (gr. ex; strepho: wenden) excavatio, onis f.: Aushöhlung excitans, antis: antreibend, erregend, belebend exzitatorisch: erregend (excitatio, onis f.: Erregung) excretorius, a, um: der Ausscheidung dienend (excerno, crevi, cretum: ausscheiden, aussondern) Exhairese f.: chir. Herausziehen eines Nerven oder einer Vene (gr. exairesis f.: das Herausnehmen) exo-, ekto- (gr.): aus-, nach außen, von außen; außerhalb exocrin: Drüsenausscheidungsrichtung nach außen (an die Hautoberfläche oder ins Darmlumen) (gr. krinein: sondern, trennen, scheiden) Exocytose f.: Ausschleusen gespeicherter Stoffe aus der Zelle Exophthalmus m.: krankhaftes Hervortreten des Augapfels aus der Augenhöhle Exostose f.: Knochenauswuchs (gr. osteon n.: Knochen) Exspiration f.: Ausatmung (ex: aus, spiro: atmen) Exstirpation f.: völlige Entfernung eines erkrankten Gewebeteils oder Organs (exstirpo: ausrotten) Exsudat n.: eiweißreiche Flüssigkeit, die bei Entzündung aus Blutgefäßen austritt (exsudo: (her)ausschwitzen) extensor, oris m.: Strecker externus, a, um: äußerer, äußerlich extero(re)zeptiv: von außen kommende (mechanische, thermische, optische, aktustische, olfaktive, gustative) Reize aufnehmend (exterior, ius: der Äußere, äußerlich; recipio, cepi, ceptum: zurücknehmen, in sich aufnehmen) extra: außen, außerhalb extrafusale Fasern: außerhalb der Muskelspindel gelegene eigentliche Muskelfasern, Arbeitsmuskulatur (fusus, i: Spindel) extravasal: außerhalb der Blutgefäße (vas, vasis n.: Gefäß) extremitas, atis f.: das Äußerste, Pol; anat.: Extremitäten = Gliedmaßen extremus, a, um: äußerster, letzter (sup. v. exter: außen befindlich) extrinsisch: von außen her angeregt, nicht aus eigenem inneren Anlass erfolgend (extrinsecus: von außen her, außen)

F fabella, ae f.: kleine Bohne; anat.: Sesambein des M. gastrocnemius (faba, ae f.: Bohne) facette f. (frz.): 1. Seitenfläche; 2. Gelenkfläche facialis, e: Gesichts-, zum Gesicht gehörend facies, ei f.: Aussehen, Gesicht, Fläche faex, faecis f.: Bodensatz, Hefe; faeces, faecum f. plur.: Kot, Stuhl falciformis, e: sichelförmig falx, cis f.: Sichel

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fascia, ae f.: Binde, Band, Gurt; anat.: bindegewebige Muskelhülle, Faszie fasciculatus, a, um: in Bündeln angeordnet fasciculus, i m.: kleines Bündel, Muskel- bzw. Nervenfaserbündel (dimin. v. fascis, is m.: Bund, Bündel) fasciola, ae: Bändchen, kleine Binde (dimin.v. fascia) fastigium, i n.: Dachgiebel, Spitze fauces, ium f. plur.: Schlund, Rachen, Kehle Fazilitation: Förderung, Erleichterung; physiol.: Bahnung (facilis, e: leicht, mühelos) feedback n. (engl.): „Rückfütterung“, Steuerung durch Rückmeldung fel, fellis n.(!): Galle, Gallenblase, Bitterkeit, Zorn felleus, a, um: Gallenfemur, femoris n. (!): Oberschenkel fenestra, ae f.: Öffnung, Fenster, Pore fertilis, e: fruchtbar fetalis, e: zur Frucht bzw. zur Fetalperiode gehörend fetus, us m.: Frucht, Junges; med.: Leibesfrucht ab dem 61. Tag (3. Monat) der Schwangerschaft bis zur Geburt fibra, ae f.: Faser, Fiber Fibroblast m.: Vorstufe einer Bindegewebszelle (Fibrozyt) (gr. blastos: wachsend) fibrosus, a, um: fasrig, faserreich fibula, ae f.: Spange, Wadenbein (s. auch perone) -fidus, a, um: -gespalten (findo, fidi, fissum: spalten, zerteilen) filamentum, i n.: fadenförmiges Gebilde, fadenförmige Proteinmoleküle im Zytoplasma filaria, ae f.: Fadenwurm filiformis, e: fadenförmig, Fadenfilum, i n.: Faden fimbria, ae f.: Franse, Troddel fimbriatus, a, um: ausgefranst, mit Fransen fissura, ae f.: Spalte fissus, a, um: gespalten, zerteilt (findo, fidi, fissum: spalten) fistula, ae f.: Röhre, Fistel, Eitergang fixus, a, um: fest, bleibend flaccidus, a, um: schlaff, schlappohrig flavus, a, um: gelb flexio, onis f.: Biegung, Krümmung flexor, oris m.: Beuger flexura, ae f.: Biegung flocculus, i m.: Kleinhirnflocke (dimin. v. floccus, i m.: Wollflocke) Flora f.: 1. Pflanzenwelt, 2. Gesamtheit der natürlich vorkommenden Bakterien in einem Körperorgan (flos, floris m.: Blume; Flora: Göttin der Blumen und des Frühlings) fluctuo: hin und her wogen, schwanken focus, i m.: Herd foliatus, a, um: blattartig (wie die Blätter eines Buches) folium, i n.: Blatt folliculus, i m.: Bläschen, Säckchen, kleiner Balg; anat.: 1. Drüsenschlauch, 2. Zellhülle der Eizelle, 3. Haarbalg, 4. Lymphknötchen, 5. kolloidhaltige F. der Schilddrüse, 6. sekrethaltige Follikel des Hypophysenmittellappens fonticulus, i m., Fontanelle f.: Knochenlücken am kindlichen Schädel (dimin. v. fons, fontis f.: Quelle; damit ist das Blut der Sinus durae matris gemeint, die beim Neu-

geborenen durch die knochenfreie Zone der Fontanellen zu tasten und zu punktieren sind foramen, inis n.: Loch, Öffnung forceps, ipis m.: Zange (in der Form einer „Beißzange“) formatio, onis f.: Bildung -formis, e: -förmig, -ähnlich (entspricht dem gr. -ideus) fornix, icis m. Wölbung, Bogen, Gewölbebogen fossa, ae f.: Graben, Grube, Kanal fossula, ae f.: kleine Einsenkung fovea, ae f.: Grube foveola, ae f.: kleine Grube, Grübchen fractura, ae f.: Knochenbruch (frango, fregi, fractum: brechen, zerbrechen) fremitus, us m.: dumpfes Geräusch, Summen, Brummen frenulum, i n. (dimin. von frenum, i n.: Zügel, Zaum): Bändchen frondosus, a, um: reich an Zotten (frons, frondis f.: Laub) frons, frontis f.: Stirn frontalis, e: in Beziehung zum Os frontale; in der Frontalebene -fugal: von etwas wegführend (fugio: fliehen, entfliehen) fundus, i m.: Grund, Boden fungiformis, e: pilzförmig (fungus, i m.: Pilz, Schwamm) funiculus, i m.: kleines Seil, Stücke, anat.: strangförmiges Gebilde, kleiner Gewebsstrang, Nervenstrang (dimin. von funis, is m.: Seil) Funikuläre Myelose: degenerative Erkrankung der Leitungsbahnen im Rückenmark (gr. myelos m.: Mark) furca, ae f.: Gabel furunculus, i m.: „kleiner Dieb“ (an den Körpersäften); med.: eitrige Entzündung von Haarfollikeln und Talgdrüsen -fusal: die (Muskel-)Spindel betreffend fuscus, a, um: dunkelbraun, schwarzgelb fusiformis, e: spindelförmig (fusus, i m.: Spindel) fusio, onis f.: Verschmelzung

G galea, ae f.: Helm Gameten: männliche oder weibliche haploide Geschlechtszellen, Keimzellen (gr. gametes m/w.: Gatte, Gattin) ganglion, ii n.: Knoten; 1. Nervenknoten; 2. Überbein Gangrän f.: absterbendes, „brandiges“, schwarz-gefärbtes Gewebe (gr. graino: nagen, fressen; gangraina f.: fressendes Geschwür, kalter Brand) gap junction: Zellverbindung mit interzellulärem Spalt (engl. gap: Öffnung, Spalte) gaster, gast(e)ris f.: Bauch, Magen (gr. gaster, gastros f.) gastr-, gastro-: auf den Magen bezogen, bauchig gastricus, a, um: zum Magen gehörend Gastritis: Magenschleimhautentzündung (-itis) gastrocnemius: (bauchiger) Wadenmuskel (gr. kneme f.: Unterschenkel, Wade) gastrointestinal: Magen und Darm betreffend Gastrulation f.: Bildung der Keimblätter durch Einstülpung Gekröse n.: Bauchfellduplikatur an Eingeweiden u. anderen intraperitonealen Organen (Ähnlichkeit der Faltung mit einer span. Halskrause)

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gelatinosus, a, um: glasig, gallertig (frz. gelatine f.: Gallerte) gemellus, i m.: Zwillingsbruder; gemelli, orum plur.: Zwillinge -gen n., -genese f.: -bildung, -ursprung, -entwicklung (gr. genesis f.: Bildung, Ursache, Entstehung) generalisatus, a, um: auf den ganzen Körper ausgebreitet (generalis, e: allgemein, alles betreffend) geniculatus, a, um: knotig, mit Knoten versehen geniculum, i: kleines Knie (genu), abgeknickte Struktur genio-: Kinn- (gr. genaion n.: Kinn) genu, us n.: Knie germinativus, a, um: zum Keimen gehörend, Keim(germen, inis n.: Keim, Spross) gestatatio, onis f.: Schwangerschaft (gesto: an sich tragen) gingiva, ae f.: Zahnfleisch ginglymos m. (gr.): Türangel; anat.: Scharniergelenk glabella, ae f.: kleine Glatze glaber, bra, brum: glatt, kahl, unbehaart glandotrop: auf (endokrine) Drüsen einwirkend; adenotrope Hormone des Hypophysenvorderlappens (lat. glandula; gr. tropos: Richtung) glandula, ae f.: kleine Eichel; anat.: Drüse glans, glandis f.: Eichel, eichelförmiger Körper Glaukom n: krankhafte Steigerung des Augeninnendrucks, Grüner Star (gr. glaux, glaukos f.: Eule, glaukopis: eulen-, flammenäugig) glenoidalis, e: zur Schultergelenkpfanne gehörend; wörtlich: dem Augapfel (gr. glene f.: Augapfel) ähnlich (wegen des glänzenden Knorpelüberzugs der Pfanne oder wegen des kugeligen Gelenkkopfes?) glia, ae f.: interstitielles Gewebe des Nervensystems (gr. glia f.: Leim, Kitt) Gliazellen: nicht-neuronale Zellen des Nervengewebes gliös: aus Gliazellen bestehend globosus, a, um: kugelförmig globulus, i m.: kleine Kugel, Kügelchen globus, i m.: Kugel glomerulosus, a, um: knäuelartig, glomerulusartig; reich an Gefäßknäueln glomerulum, i. n., auch glomerulus, i. m.: kleiner Knäuel. glomus, eris n.: Knäuel (glomus lanae: Wollknäuel) glossa, glotta f. (gr.): Zunge glottis, idis f.: anat.: Stimmapparat des Kehlkopfs (gr.: glottis, idos: Zunge) gluteus, a, um: Gesäß- (gr. glutos m.: Hinterbacken, Gesäß) glyco- süß-[Kohlenhydrate] (gr. glykys: süß) Glykokalix f.: Kohlenhydratsaum an der Außenfläche der Zellmembran (gr. kalyx, -ykos f.: Hülse, Kapsel, Kelch) Gnathoschisis f.: Kieferspalte (gr. gnathos f.: Kiefer; schisis, eos f.: Spaltung) -gnosie: -Erkennung (gr. gnosis, eos f.: Erkenntnis, Kenntnis, Bekanntsein) Gomphosis f.: Einstauchung, Einkeilung (gr. gomphos m.: Zahn, Pflock) Gonaden: Keimdrüsen (Ovarien und Hoden) (gr. gone f.: Zeugung, Geburt; aden m./f.: Drüse) Gonadotropine: auf die Keimdrüsen gerichtete Hormone des Hypophysenvorderlappens und der Plazenta (-trop)

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Goniometer n.: Winkelmesser für Schädel und Knochen (gr. gonia f.: Winkel; metron n.: Maß, Maßstab) gony, atos n. (gr.): Knie (z. B. in Gonarthrose) gracilis, e: schmal, schmächtig granulatio, onis f.: (Herstellung einer) körnige(n) Struktur Granulomer n.: Körnchen enthaltender Anteil des Blutplättchens (gr. meros n.: Teil) granulosus, a, um: gekörnt, körnig Granulozyten: zu den weißen Blutkörperchen zählende Blutzellen; sie werden nach der Anfärbbarkeit ihrer Granula in neutrophile, eosinophile und basophile Granulozyten unterteilt granulum, i n. Körnchen granum, i n.: Korn graviditas, atis f.: Schwangerschaft. gravidus, a, um: schwanger griseus, a, um: grau gubernaculum, i n.: Steuerruder, Leitung gustatus, us m.: Geschmack gynäkotrop: auf das weibl. Geschlecht gerichtet gyne, gynaikos f. (gr.): Frau. gyrencephal: Gehirn mit Windungen an der Oberfläche (gr. gyros; enkephalos m.: Gehirn) gyrus, i m.: Windung (gr. gyros m.: Krümmung, Kreis)

H habenula, ae f.: kleines Zügel habituell: gewohnheitsmäßig (habitus, us m.: Zustand, Eigentümlichkeit) haima, atis (latinisierter Genitiv) n.: Blut (gr. haima, atos n.) hallux, ucis m.: große Zehe Hämatom n.: Bluterguss hamatus, a, um: mit Haken versehen, hakenförmig Hämatopoese: Blutbildung (i. e. S. Bildung der zellulären Bestandteile des Blutes (gr. poiesis f.: das Tun, Schöpfung; Dichtkunst) hämo, hämato-: BlutHämodialyse: Blutwäsche, Entfernung harnpflichtiger Substanzen aus dem Blut mittels „künstlicher Niere“ (Dialysator) (gr. dialysis f.: Auflösung, Trennung) Hämorrhagie f.: Blutung (gr. rhegnymi: zerreißen) Hämorrhoiden: variköse Erweiterungen der Venengeflechte des unteren Mastdarms (gr. haimarrhoideis phlebes: blutfließende Adern) hamulus, i m.: kleiner Haken haploid: einfacher Chromosomensatz (gr. haploos: einfach) Haustren: Ausbuchtungen in der Wand des Colon (haustrum, i n.: Schöpfrad) helica, ae f.: Schrauben-, Schneckengewinde helicinus, a, um: rankenartig (gr. helix, ikos: gewunden, geschlängelt; Windung) helicotrema, atis n.: Schneckenloch an der Spitze der Cochlea (gr. trema, atos n.: Loch) helix, icis f.: Windung, das Gewundene; anat.: äußere Ohrmuschelleiste Helminthen f.: Eingeweidewürmer (gr. helmins, inthos f.: Wurm)

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hemi- (gr.): halbHemianopsie f.: Halbseitenblindheit; halbseitiger Ausfall des Gesichtsfeldes eines oder beider Augen (gr. hemi-; an; opsis, eos f.: das Sehen, Wahrnehmung) Hemiballismus m.: einseitiges Werfen; Bewegungsstörung mit Schleuderbewegungen einer Körperhälfte, an Wurfbewegungen erinnernd (gr. hemi-; ballo: werfen, schleudern) hemisphaerium, ii n.: Halbkugel, Hemisphäre (gr. hemi; sphaira f.: Kugel) hepar, atis n. (!): Leber hepato-: Leberhereditär: erblich (heres, heredis m./f.: Erbe/Erbin) hernia, ae f.: Eingeweidebruch (gr. hernos n.: junger Trieb, Spross) Herniation: Einklemmung Herpes m.: Bläschenausschlag (gr. herpo: kriechen) hetero-: anders- (gr. heteros: der Eine, Andere von beiden; anders; verschieden) Heterodontie f.: unterschiedliche Zahnform (gr. odus, odontos m.: Zahn) heteronym: ungleichnamig, sich nicht entsprechend, auf verschiedenen Körperseiten (gr. onyma n.: Name, Benennung) hexa-: sechs- (gr. hex: sechs) hiatus, us m.: Schlitz, klaffende Öffnung, Spalt hidros, otos m. (gr.): Schweiß Hidrosis f.: Schweißabgabe hilum, i n., auch hilus, i m.: anat.: Vertiefung an der Oberfläche eines Organs, Stelle des Gefäß- und Nerveneintritts (Area nervovasculosa), Stiel hippocraticus, a, um: nach dem gr. Arzt Hippokrates, geb. 460, gest. um 359 oder 377 v. Chr.) benannt; hippokratisch (gr. hippos m./f.: Pferd; krateo: beherrschen) hirci, orum: Achselhaare (hircus, i m.: Ziegenbock, Geruch des Achselschweißes) Hippokampos: Fabeltier der gr. Mythologie mit dem Kopf und den Vorderbeinen eines Pferdes (gr. hippos m.: Pferd) und einem Fischschwanz (gr. kampe f.: Biegung, Krümmung); nach anderen Quellen: einem Seepferdchen (Hippocampus, i m.) ähnlich. Vgl. Ammonshorn Hirsutismus m.: übermäßig starker Haar-, bes. Bartwuchs (hirsutus, a, um: stachelig, borstig) histiocyt(us, i) m.: Makrophage im lockeren Bindegewebe histo-: (Fein-)Gewebe- (gr. histos m.: Gewebe, Mastbaum, Aufzug) holokrin: gänzlich ausscheidend; Drüsenausscheidungsmechanismus, bei dem die gesamte Zelle zum Sekret wird (gr. holos: ganz; krinein: ausscheiden) hom-, homo-: gleichartig, entsprechend (gr. homos: derselbe, gemeinsam, zusammen, in gleicher Weise) homo, hominis m.: Mensch Homöostasis f.: Gleichgewicht der physiolog. Körperfunktionen, Stabilität des Verhältnisses von Blutdruck, Temperatur, Blut-pH u.a. Parametern (gr. homoios; stasis f.: das Sich-stellen, Stand) Homoiodontie f.: gleichartige Zahnform (gr. odus, odontos m.: Zahn) homoios (gr.): gleich, ähnlich homolog: gleichlautend, übereinstimmend

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homonym: gleichnamig, -lautend, auf der gleichen Körperseite (gr. hom-; onyma n.: Name, Benennung) homunculus, i m.: kleiner Mensch, Menschlein (homo, inis m.: Mensch) hordeolum, i n.: Gerstenkorn (hordeum, i n.: Gerste) horizontalis, e: waagrecht (gr. horizon, ontos m.: Grenzlinie, Horizont) humerus, i. m.: Oberarmknochen humoralis, e: die Körperflüssigkeit betreffend (humor, oris m.: Flüssigkeit, Saft, Körpersaft) -hyal: abgekürzt für -hyoidal (Zungenbein) hyalinum, i n.: glasartig durchsichtiger Eiweißkörper hyalo-: gläsern, durchsichtig (gr. hyalos m.: Kristall, Glas) Hyalomer n.: durchsichtiger Anteil des Blutplättchens (gr. meros n.: Teil) Hyd(r)arthrose: Gelenkerguss hydr-, hydro-: Wasser- (gr. hydor, hydratos n.: Wasser) hydrocephalus, i m.: Wasserkopf; bedingt durch vermehrte Flüssigkeit in den Hirnventrikeln (H. internus) oder im Subarachnoidalraum (H. externus) (gr. kephale f.: Kopf) hydrophil: Neigung zur Wasseraufnahme (-phil) hydrophob: wasserscheu; chemische Eigenschaft, von Wassermolekülen abgestoßen zu werden (-phob) hydrops m. (gr.): Wassersucht hymen, enos m. (gr.) Hochzeitsgott, dünne Haut; anat.: Schleimhautfalte am Scheideneingang, Jungfernhäutchen hyoideus, a, um: dem gr. Buchstaben y (υ) ähnlich, hufeisenförmig; anat.: zum Zungenbein gehörend hyp-, hypo- (gr.): unter-, zu wenig Hypakusis f.: Schwerhörigkeit (gr. akuo: hören) Hypästhesie f.: herabgesetzte Empfindlichkeit (gr. aisthesis f. Gefühl, Wahrnehmung, Empfindlichkeit hyper- (gr.): höher, übermäßig Hyperämie f.: vermehrte Blutfülle, verstärkte Durchblutung (gr. haima n.: Blut) Hyperakusis f.: krankhafte Feinhörigkeit (lauter Schall führt u. U. zu schmerzhaftem Hören)(gr. akuo: hören) Hypermetrie f.: Bewegungsübermaß; Zielbewegungen erfolgen überschießend (gr. metron n.: Maß, Strecke) Hyperplasie f.: Vergrößerung eines Gewebes oder Organs durch Zunahme der Zellzahl (gr. plasis f.: Bildung, Gestaltung) Hypertonie f., Hypertonus m.: übermäßiger Spannungszustand; arterielle Hypertension, Hochdruckkrankheit (tensio f.: Spannung; tonus, i m.: Spannung, Spannungszustand) hypochondriacus, a, um; hypochondrios (gr.): unterhalb des Brustknorpels liegend hypoglossus, a, um: unter der Zunge (gr. hypo; glossa f.: Zunge) Hypoglykämie: Unterzuckerung, zu wenig Glucose im Blut (gr. glykys: süß; haima, atos n.: Blut) Hypokinese f.: Bewegungsarmut, Verminderung der Spontanmotorik (gr. kinesis f.: Bewegung) hypomochlion n.: Unterstützungspunkt eines Hebels (gr. mochlion n.: kleiner Hebel) hyponychium, ii n.: Keimschicht der Haut unter der Nagelplatte (gr. onyx, nychos: Nagel) hypopharynx m.: untere Etage des Schlundes

16 Glossar

hypophysis, is f.: Hirnanhangsdrüse (gr. hypophysis, eos f.: darunter Gewachsenes) Hypoplasie f.: Verkleinerung eines Gewebes oder Organs durch Abnahme der Zellzahl (gr. plasis f.: Bildung, Gestaltung) Hypothalamus, i: Zwischenhirnregion unterhalb des Thalamus hypothenar, aris m.: Kleinfingerballen (gr. hypo: unter; thenar: Daumenballen) Hypotonie f.: (Blut-)Druckerniedrigung (tonus, i m.: Spannung, Spannungszustand) Hypoxie f.: Sauerstoffmangel in den Geweben (gr. hypo; oxys: sauer) hypsizephal: hochköpfig (gr. hypsi: hoch, in der Höhe; kephale f.: Kopf) hystera f. (gr.): Gebärmutter, Uterus

I ichthys, yos m. (gr.): Fisch -ideus, a, um: -ähnlich, -förmig (gr. eido: ähnlich sein, gleichen) idio-: eigen- (gr. idios: eigen, eigentümlich, privat) idiopathisch: selbstständig, unabhängig von anderem, primär entstandene Krankheit (gr. pathos n.: Leiden) Ikterus, i m.: Gelbsucht (gr. ikteros m.: Gelbsucht, Pirol [gelber Vogel]) ileum, i n.: Krummdarm (ileus, a, um: krumm) Ileus m.: Darmverschluss (gr. eileo: zusammendrängen, einengen) ilia, ilium n. (pl.): Weichen ilioinguinalis, e: im Unterleib-Leistenbereich (ile n.: Unterleib; inguen, inguinis n.: Leiste) immersio, onis f.: das Eintauchen immunis, e: frei, befreit, verschont („immun“) impar, is: ungleich, unpaar impressio, onis f.: Eindruck in vitro: im Reagenzglas (vitrum, i n.: Glas) in vivo: am lebenden Objekt (vivum, i n.: das Lebendige) in situ: in der natürlichen Lage (situs, us m.: Lage, Stellung) in-: hinein-, einin- (priv.): un-, verneinend incertus, a, um: ungewiss, unsicher, schwankend incido, cidi, cisum: einschneiden incisio, onis f.: das Einschneiden, Einschnitt incisivus, a, um: zu den Schneidezähnen gehörend (incido) incisura, ae f.: Einschnitt index, icis m.: Zeigefinger Induration f.: Gewebe- oder Organverhärtung (induro: hart machen, härten) Indusium griseum: dünne Schicht grauer Substanz (Rindenrudiment) auf der Balkenoberfläche (indusium, i n.: Besatz, Schleier; griseus, a, um: grau) induzieren: bewirken, umsetzen (induco: hineinführen) infantilis, e: kindlich Infarkt m.: umschriebene Organ- oder Gewebenekrose nach Unterbrechung der Durchblutung (infarcio, farsi, farctum: hineinstopfen)

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inferior, ius: der untere infiltrieren: eindringen, einsickern (filtrum, i n.: Seihetuch) infra-: unterinfundibulum, i n.: Eingießer, (kleiner) Trichter; anat.: Hypophysenstiel inguen, inguinis n.: Leiste inhibitio, onis f.: Hemmung inhibitus, a, um: angehalten, gehemmt Inkarzeration: Einklemmung einer Hernie (carcer, eris m.: Schranke, Gefängnis) inkongruent: nicht übereinstimmend, nicht passend (congruo: zusammenlaufen, übereinstimmen) inkretorisch, innersekretorisch: der inneren Sekretion dienend; Inkrete: von Hormondrüsen abgegebene Stoffe (in: hinein, cerno, crevi, cretum: scheiden, sondern) Innervation f.: Signalweiterleitung, Nervenversorgung, Nervenwirkung (nervus, i m.: Nerv) innominatus, a, um: unbenannt (nomino: mit einem Namen belegen, nennen) ino-: auf die Kontraktilität bezogen (gr. is, inos f.: Stärke, Muskelkraft) insertio, ionis f.: Ansatzstelle (insero, serui, sertum: hineinfügen, -stecken) insipidus, a, um: ohne Geschmack (sapio: schmecken) Inskription f.: Einzeichnung (inscriptio, onis f.: das Daraufschreiben, Inschrift) insula, ae f.: Insel Insult m.: Anfall (insulto: in etwas hineinspringen) integrieren: in ein übergeordnetes Ganzes aufnehmen, ergänzen (integro: wieder herstellen, erneuern) integumentum, i n.: Decke, Hülle, äußere Haut Intentionstremor: grobes Zittern bei Ansetzen einer willkürlichen Bewegung (intentio, onis f.: Absicht; tremor, oris m.: das Zittern, Beben) inter: zwischen intercalatio, onis f.: Einschaltung interdigitalis, e: zwischen den Fingern oder Zehen (digitus, i m.: Finger, Zehe) interdigitierend: wie Finger ineinander greifend intermediär: dazwischen liegend, Zwischenprodukte(frz. intermédiaire: Zwischen-, Mittel-) intermedius, a, um: dazwischen liegend, zwischen 2 Gebilden liegend (medius, a, um: mittlerer) interpeduncularis, e: zwischen den (Hirn-)Stielen (pedunculus, i m.: Stiel) interradikulär: zahnmed.: zwischen den Zahnwurzeln (radix, icis f.: Wurzel) interruptio, onis f.: Zerreißung, Unterbrechung intersectio, onis f.: Zwischenabschnitt (sectio, onis f.: das Zerschneiden) Intersexualität: krankhafte Mischung von weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen in einem Individuum; Widerspruch zwischen äußerem Habitus, genitaler Entwicklung und chromosomalem Geschlecht; Scheinzwittertum (sexus, us m.: Geschlecht) interstitialis, e: im Zwischenraum liegend interstitium, ii n: Zwischenraum (zwischen dem Parenchym gelegenes Bindegewebe mit Gefäßen und Nerven) intervillosus, a, um: zwischen den Zotten (villus, i m.: Zotte)

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intestinum, i n.: Darm (intestinus, a, um: inwändig, innen befindlich) intimus, a, um: innerster intra: innerhalb intrafusale Fasern: Muskelzellen innerhalb einer Muskelspindel (fusus, i m.: Spindel, zum Spinnen) intramuralis, e: in der Wand (eines Hohlorgans) gelegen (murus, i m.: Mauer, Wand) Intrinsic-Factor: in der Magenschleimhaut gebildetes Mucoprotein, das die Vit. B12-Resorption im Ileum ermöglicht. Fehlen von I.-F. bewirkt perniziöse Anämie intrinsisch: von innen her, aus eigenem Antrieb (intrinsecus: im Inneren, innerlich) introitus, us m.: Eingang Intubation f.: Einführen eines Rohres (in den Kehlkopf) (tubus, i m.: Röhre) intumesco: anschwellen, zunehmen Intussuszeption f.: Einscheidung, Einstülpung (intus: innen, drinnen; suscipio, cepi, ceptum: aufnehmen) invaginatio, onis f.: Einstülpung, Einscheidung (vagina, ae f.: Scheide) invasiv: aktiv eindringend (invado, si, sum: gewaltsam eindringen) inversio, onis f.: Umkehrung inversus, a, um: umgekehrt, verdreht Involution f.: Rückbildung (involvo, volvi, volutum: hineinwälzen, verhüllen) inzisal: zahnmed.: an der Kaukante (incido: einschneiden) ipsilateral: auf derselben Körperseite (ipse, a, um: selbst, selber, eigen; latus: Seite) iris, iridis f.: Iris (Tochter des Thaumas und der Elektra, Personifikation des den Himmel mit der Erde verbindenden Regenbogens); anat.: Regenbogenhaut des Auges irregularius, a, um: nicht der Regel entsprechend, unregelmäßig irritatio, onis f.: Reizung, Erregung Ischämie f.: Verminderung oder Unterbrechung der Durchblutung eines Organs (gr. ischein: zurückhalten, unterbrechen; haima, atos n.: Blut) ischiadicus, a, um: zur Hüfte gehörend (gr.: ischiadikos: an Hüftweh leidend) ischio-: zum Sitzbein (Os ischii) bzw. Sitzbeinhöcker (Tuber ischiadicum) gehörend ischiokrural: zwischen Tuber ischiadicum und Unterschenkel (Crus, cruris) gelegen ischyon n. (gr.): Hüfte, Hüftgelenk iso-: gleich- (gr. isos: gleich) Isocortex m.: phylogenetisch junger Teil der Großhirnrinde mit weitgehend gleichartigem zytoarchitektonischem Aufbau (cortex m.: Rinde) isogen: von gleicher Herkunft, mit identischer Erbanlage isomorph: von gleicher Form (gr. morphe f.: Gestalt) isthmus, i m. enger Durchgang, schmale Verbindung -itis, -itidis f.: Suffix, das eine Entzündung kennzeichnet; im Stammwort das erkrankte Organ vorzugsweise mit der gr. Bezeichnung (z. B. Nephritis, Neuritis)

J jejunum, i n.: Leerdarm (ieiunus, a, um: nüchtern, hungrig, armselig) jugulum, i n.: Kehle, Hals (iugulo: die Kehle abschneiden, abschlachten) jugum, i, plur: juga n.: Joch, Querbalken, Bergrücken, Berg; anat.: (Knochen-)Erhebung junctura, ae f.: Verbindung juvenilis, e: jugendlich juxta: dicht daneben, nahe an juxtaglomerulär: neben den Glomeruli der Niere gelegen (glomerulus)

K (siehe auch unter C) Kakosmie f.: Geruchstäuschung (gr. kakos: schlecht, übel; osme f.: Geruch) Kallus m.: Schwiele, Knochenschwiele (callosus, a, um: verdickt, schwielig; callum, i n.: Schwiele, verdickte Haut) kalzifizieren: verkalken (calx, calcis f.: Kalkstein, Kalk) Kapazitation f.: Reifungsprozess der Spermien im weiblichen Genitaltrakt (capax, acis: fassungsfähig, empfänglich) karpos m. (gr.): Handwurzel Karyo-: Kern-, Zellkern- (gr. karyon n. (!): Kern) Karzinom: s. carcinoma Kaskadenmagen: Überhängen eines erweiteren Magenabschnitts mit treppenartiger Kontur der großen Kurvatur (frz. cascade: stufenförmiger Wasserfall) Kastration f.: Ausschaltung oder Entfernung der Keimdrüsen (castro: entmannen, verschneiden) kat-, kata- (gr.): hinabKatabolismus: abbauender Stoffwechsel, Abbau der Stoffe im Körper (gr. kataballo: hinabwerfen, hinunterbringen) Katarakt f. (!): Trübung der Augenlinse, Grauer Star (cataracta, ae f.: Wasserfall; gr. kat-arasso: herabstürzen) Katarrh m.: med.: Schleimhautentzündung mit meist reichlichen Absonderungen (gr. katarrheo: herabfließen, triefen) kaudal: s. caudalis kerat(in)o-: Horn- (gr. keras, atos n.: Horn) Keratin n.: Hornstoff kinocilium, i n.: Flimmerhärchen, beweglicher Zellfortsatz (gr. kinesis f.: Bewegung; cilium, i n.: Wimper) -klast: s. -clast(us) kodieren: eine Nachricht mit Hilfe eines Kodes verschlüsseln (codex, icis m.: Buch, Sammlung von Gesetzen; frz. code: Schlüssel zu Geheimschriften) kognitiv: die Erkenntnis betreffend (cognosco, gnovi, gnitum: erkennen, kennen lernen) Kolik f.: krampfartige Leibschmerzen (gr. kolon n.: Grimmdarm) Kollagen: Protein des Binde- und Stützgewebes; „Leim erzeugend“: z. B. Knochenleim (gr. kolla f.: Leim; genesis f.: Entstehung) kollateral: s. collateralis Kolobom n.: Spalt in der Iris (gr. koloboo: verstümmeln, verkürzen)

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Kolon n.: s. colon Kolostrum: s. Colostrum koma n. (gr.): tiefer Schlaf Kompensation f.: Ausgleich, Entschädigung, Aufrechnung (compensatio, onis f.: Ausgleichung) Komplement n.: Serumeiweiß, das die spezif. Wirkung von Antikörpern ergänzt oder aktiviert (complementum, i n.: Ergänzung, Ergänzungsmittel) komplementär: sich gegenseitig ergänzend kondylos m.: s. condylus Konglomerat n.: Zusammenballung, Gemisch (glomero: zu einem Knäuel ballen) Koniotomie f.: Durchschneidung des Conus elasticus (Lig. cricothyroideum) des Kehlkopfs konisch: kegelförmig (gr. konos m.: spitzer Zapfen, Kegel) Konvergenz f.: Zusammentreffen; Annäherung der Augenachsen beim Nahsehen (s. convergeo) Konvolut n.: Knäuel (z. B. von Darmschlingen, Blutgefäßen), Sammelband (convolvo, volvi, volutum: zusammenrollen, umwickeln) korax, korakos m. (gr.): Rabe korone f. (gr.): das Gekrümmte Kortikalis f.: Rinde eines Organs (cortex, icis m.: Rinde) kotyledon: s. cotyledo kranial: s. cranialis Kretinismus m.: angeborene oder früh erworbene Unterfunktion der Schilddrüse mit Schwachsinn, Zwergwuchs u. a. (frz. cretin m.: körp. und geist. verkrüppelter Mensch, Dummkopf) -krin: s. -crin kryo-: Kälte- (gr. kryos n.: Kälte, Frost) krypte f. (gr.): unterirdischer Gang krypto-: versteckt, unbekannt (gr. kryptos: verborgen, versteckt) Kryptorchismus: Zurückbleiben der Hoden in der Bauchhöhle oder im Leistenkanal (gr. orchis: Hoden) Kyphose f.: Buckel, physiol. od. pathol. Wirbelsäulen(ver) krümmung (gr. kyphos: gebückt, vornüber gebogen) kystis f. (gr.): Beutel, Blase, Harnblase, blasenförmiges Organ kytos m. (gr.): Hülle, Gefäß; zyt-: Zelle

L labialis, e: zur Lippe gehörend, der Lippe zugekehrt (labium) Labidontie f.: Zangenbiss (gr. labe f.: das Fassen, Packen; odus, odontos m.: Zahn) labium, i n.: Lippe, Wulst labrum, i n.: Lippe, Rand; lippenförmiger Rand einer Gelenkpfanne labyrinthus, i n.: Irrgarten, Labyrinth lacer, era, erum: zerrissen lacertus, i m.: Muskel (des Oberarms), Kraft lacrima, ae f.: Träne lacrimalis, e: Tränen-, zur Tränendrüse gehörend lactalis, e: Milch- (lac, lactis n.: Milch) lactifer(us), fera, ferum: Milch abführend (fero: tragen, wegtragen)

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lacuna, ae f.: Vertiefung, Lücke lacus, us m.: See laesio, onis f.: Verletzung laevis, e (levis): glatt, unbehaart (ohne Zotten) lagena, ae f.: Flasche Laktation f.: Produktion und Abgabe von Milch (lac, lactis n.: Milch) lakunär: mit Lakunen (Vertiefung, Grube, Lücke) versehen lambdoideus, a, um: dem gr. Buchstaben Lambda ähnlich (λ, Λ) lamella, ae f.: schmale Platte (frz. lamelle f.: Blättchen, Plättchen) lamina, ae f.: Platte, Blatt, Schicht Lamina tecti: Vierhügelplatte lanugo, inis f.: Wolle Laparoskopie: endoskopische Bauchuntersuchung (gr. lapare f.: Weichen, Bauch; -skop) laryngeus, a um: zum Kehlkopf gehörend larynx, yngis m. (gr.): Kehlkopf lateralis, e: zur Seite gelegen (latus, eris) latissimus, a, um: sehr breit (sup. v. latus) latus, a, um: breit, groß latus, eris n.: Seite, Flanke -lemm n.: -hülle, -umhüllung (gr. lemma, atos n.: Rinde, Schale, Haut, Hülle) lemniscus, i m.: kleines Band, Schleife lens, lentis f.: Linse lentiformis, e: linsenförmig leptomeninx, ingis f.: anat.: weiche Hirnhaut (Arachnoidea + Pia mater) (gr. leptos; meninx) leptoprosop: schmal-, hochgesichtig (gr. prosopon n.: Gesicht) leptos (gr.): dünn, fein, zart, mager leptosom: schlanker, schmalwüchsiger Körperbau mit langen zartknochigen Gliedmaßen (gr. soma n.: Körper) letalis, e: tödlich leuco-, leuko-: weiß (gr. leukos: leuchtend, glänzend, weiß) leucocytus, i m.: weiße Blutzelle, Leukozyt (-zyt) Leukopenie: Verminderung der Zahl der Leukozyten im periph. Blut (-penie) levator, oris m.: Heber (levo: in die Höhe heben, aufrichten) liber, era, erum: frei, ungebunden lien, enis m.: Milz lienalis, e: zur Milz gehörend ligamentum, i n.: Band Ligatur f.: Unterbindung von Blutgefäßen (ligo: binden, umschlingen) limbus, i m.: Saum, Rand limen, inis n.: Schwelle, Grenze limitans, antis: begrenzend linea, ae f.: Richtschnur, Linie lingua, ae f.: Zunge, Rede, Wort, Sprache lingualis, e: zur Zunge gehörend, der Zunge zugekehrt lingula, ae f.: kleine Zunge, zungenförmige Struktur lipo-: fett- (gr. lipos n.: Fett) liquor, oris m.: Flüssigkeit lissencephal: Gehirn mit glatter Oberfläche (gr. lissos: glatt, enkephalos m.: Gehirn)

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lithos m. (gr.): Stein lobulus, i m.: Läppchen, läppchenförmiger Organteil lobus, i m.: Lappen lochia, ae f.: Kindbettfluss (gr. locheia f.: Geburt) locus, i m.: Ort locus minoris resistentiae m.: Stelle geringerer Widerstandsfähigkeit Loge f. (frz.): kleiner, abgeteilter Raum lokomotorisch: die Fortbewegung, den Gang betreffend (locus; moveo, movi, motum: bewegen) longissimus, a, um: sehr lang, der Längste (sup. v. longus) longitudinalis, e: längs verlaufend, längs gerichtet longitudo, inis f.: Länge longus, a, um: lang, (weit) entfernt lubricus, a, um: schlüpfrig, glatt lucidus, a, um: hell, leuchtend lumbalis, e: zur Lende gehörend lumbricus, i m.: Spulwurm, Regenwurm lumbus, i m.: Lende lumen, inis n.: Licht, lichte Weite luna, ae f.: Mond. lunatus, a, um mondförmig. lunula, ae f.: kleiner Mond, mondförmiges Gebilde lusorius, a, um: spielerisch (s. Dysphagia lus.) luteus, a, um: gelb Luxation f.: Verrenkung (gr. loxos: verbogen, schief) lympha, ae f.: klares Wasser, Lymphe lymphaticus, a, um: zum Lymph(gefäß)system gehörend lympho-: zum lymphatischen System gehörend lysis f. (gr.): Ablösung, Auflösung

M macro-: groß- (gr. makros: groß, ausgedehnt) macula, ae f.: Fleck 1. Hautveränderung, 2. fleckförmiger Organbezirk (im Utriculus und Sacculus) magnus, a, um: groß major m./f., majus n.: größer makro-: s. macroMakrophagen: „große Partikel fressende Zellen“; mobile Zellen des monozytären Systems (gr. phagos m.: Fresser) makroskopisch: ohne optische Hilfsmittel, mit bloßem Auge erkennbar (skopeo: betrachten, untersuchen) makrosmatisch: mit stark ausgebildetem Geruchsinn (gr. osme f: Geruch) Malabsorption f.: ungenügende Nahrungsaufnahme aus dem Darm (malus, a, um: böse, schlecht, unbrauchbar; absorbeo: verschlucken) Malazie f.: Erweichung (gr. malakos: weich) malformatio, onis f.: Fehlbildung (malus, a, um: schlecht) malignus, a, um: bösartig malleolus, i m.: Hämmerchen, Fußknöchel (nach Vesal) malleus, i m.: Hammer (Gehörknöchelchen) Malrotation f.: Störung der fetalen Darmdrehung mit Lageanomalie des Darmtrakts (malus, a, um: schlecht; rotatio, onis f.: Drehung) Maltase: Maltose (Malzzucker) spaltendes Enzym (engl. malt: Malz zum Bierbrauen) mamilla, ae f.: kleine Brust, Brustwarze (dimin v. mamma, bzw. Kurzform von Papilla mammae)

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mamma, ae f.: Brust, Brustdrüse mammaria interna: frühere Bezeichnung der Vasa thoracica interna mandibula, ae f.: Unterkiefer (mando: kauen, in etwas beißen) mandibularis, e: zur Mandibula gehörend manubrium, i n.: Handgriff, Henkel marginalis, e: Rand-, randständig; beim Großhirn: auf die Mantelkante bezogen (margo) margo, inis m.: Rand, Randleiste massa, ae f.: zusammengeknetete Masse, Klumpen masseter, eris m.: Kaumuskel (gr. masso: kauen, kneten) massetericus, a um: zum M. masseter gehörend masticatorius, a, um: dem Kauen dienend (gr.: mastax, akos f.: Kauwerkzeuge) mastoideus, a, um: warzenähnlich, -artig mastos m. (gr.): Brust, Mutterbrust mater, matris f.: Mutter; anat.: Hülle maternal: mütterlich (maternus, a um: mütterlich) matrix, icis f.: Mutter, Erzeugerin; Keimschicht maxilla, ae f.: Gebiss, Zähne, Kinnlade, anat.: Oberkiefer maxillaris, e: zur Maxilla gehörend maximus, a, um: sehr groß, der Größte meatus, us m.: Gang, Bahn Mechano(re)zeptor m.: sensibles Endorgan, das durch mechanische Reize (Druck, Dehnung) erregbar ist (gr. mechane f.: Werkzeug, Maschine, künstliches Mittel) medialis, e: mehr zur (Körper-) Mitte gelegen medianus, a, um: genau in der Mitte liegend mediastinum, i n.: Mittelraum („quod per medium stat“: was in der Mitte steht) Mediator: Vermittler (medius: mittlerer; frz. mediateur: Vermittler) Meditation: Nachdenken, sinnende Betrachtung, geistigreligiöse Übung zur Selbsterfahrung (meditor: nachdenken, überdenken, sich üben) medius, a, um: in der Mitte befindlich, mittlerer medulla, ae f.: Mark medullaris, e: auf das Mark bezogen Medusa: s. Caput Medusae mega, megalo-: groß, Riesen- (gr. megas, megale, mega: groß) Megacolon n.: hochgradige Erweiterung des Dickdarms Megakaryozyt m.: Knochenmark-Riesenzelle mit zahlreichen Zellkernen oder Riesenzellkern; bildet durch Plasmaabschnürungen Thrombozyten (karyon: Kern) Megaloblast m.: kernhaltige Vorstufe des Megalozyten Megalozyt m.: besondere großer Erythrozyt meion (gr.): kleiner (comp. v. mikros) meioo (gr.): verkleinern Meiose f.: Reifeteilung der Geschlechtszellen unter Reduktion der Chromosomenzahl (meioo) melano-: schwarz- (gr. melas, melaina, melan: schwarz) melanocyt(us, i) m.: Zelle mit eingelagerten schwarzen Pigmentgranula Melatonin n.: Melanotropin, melanotropes Hormon, Melanozyten-stimulierendes Hormon; Hormon der Zirbeldrüse (Corpus pineale, Epiphysis cerebri) (gr. tonos: Spannung: teino: spannen, ausdehnen, auf etwas zustreben; i.S. einer Wirkung auf die epidermalen Melanozyten (Farbänderung der Haut bei vielen Tierarten)

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mellitus, a, um: süß (mel, mellis n.: Honig) membrana, ae f.: Häutchen, Pergament membranaceus, a, um: hautartig, aus Haut bestehend membrum, i n.: Glied Menarche f.: Zeitpunkt des ersten Auftretens der Menstruation (gr. men m.: Monat; arche f.: Anfang) mendosus, a, um: fehlerhaft, häufig fehlend mene f. (gr.): Mond meningeus, a, um: zu den Hirnhäuten gehörend Meningitis: Hirnhautentzündung meninx, ingis f.: Hirnhaut meniscus, i m.: Möndchen (dimin. v. mensis); halbmondförmige Knorpelscheiben im Kniegelenk Menopause f.: Aufhören der Monatsblutungen im Klimakterium (gr. mene; pauo: beendigen) mensis, is m.: Monat, Mond menstruatio, onis f.: Monatsblutung menstruus, a, um: monatlich mental: geistig, gedanklich (mens, mentis f.: das Denken, Verstand, Gedanken) mentum, i n.: Kinn meralgia f.: Neuralgie d. N. cut. femor. lat. (gr. meros m.: Oberschenkel; algos m.: Schmerz) merocrinus, a, um: teilabsondernd; Drüsenabscheidungsmechanismus mit nur geringem Plasmaverlust (gr. meros n.: Teil, Anteil; -crin). Synonym: ekkrin mes-, meso-: (gr. mesos: mittlerer, zwischen-) 1. mittlerer, Mittel-, mittelmäßig; 2. Bezeichnung von Bauchfellduplikaturen und Gekrösen von Organen (abgeleitet von Mes-enterium) und Umschlagstellen von parietaler auf viszerale Serosablätter. Mes(o)- wird vorzugsweise in Verbindung mit der gr. Organbezeichnung verwendet (z. B. Mesosalpinx der Tuba uterina); analoge Verwendung von mes(o)- auch im mikroskopischen Bereich (z. B. Mesangium, Mesaxon) Mesangium n.: Bindegewebe zwischen den Nieren-Glomeruluskapillaren (gr. angeion n.: Gefäß) mesencephalon, i n: Mittelhirn (gr. encephalon) mesenchym(a, atis) n.: embryonales Bindegewebe, pluripotentes Grundgewebe; histolog. Begriff für das nichtepitheliale Gewebe des Keims (gr. -enchyma n.: das Eingegossene), mesenterium, ii n.: Dünndarmgekröse (gr.: enteron n.: Darm) mesial: zahnmed.: der Medianebene (des Zahnbogens) zugekehrt Mesocortex m.: Übergangszone zw. Allo- und Isocortex (cortex m.: Rinde) mesoderma, atis n.: mittleres der 3 embryonalen Keimblätter, Mesoderm mesogastrium, i n.: Magengekröse (gr. gaster, gastros f.: Magen) mesomorph: von athletischer Konstitution (gr. morphe f.: Gestalt) mesopharynx, yngis m.: mittlere Etage des Schlundes mesoprosop: mittelgesichtig (gr. prosopon n.: Gesicht) mesosalpinx f.: Bauchfellduplikatur zur Tuba uterina (gr. salpinx ingis f.: Trompete; Eileiter) mesotendineum, i n.: Verbindung zwischen parietalem und viszeralen Blatt der Sehnenscheide (tendo, inis m.: Sehne)

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mesothel(ium) n.: Bezeichn. f. d. einschichtige Plattenepithel der serösen Höhlen met-, meta- (gr.): zwischen-, mitten-, nach-, einen Wechsel ausdrückend metabolisch: im Stoffwechsel entstanden (gr. metabole f.: Veränderung, Wechsel) metacarpus, i m.: Mittelhand („hinter dem Karpus“) Metachromasie f.: unterschiedliche Färbung durch den selben Farbstoff (gr. chroma n.: Farbe) Metamerie f.: segmentale Gliederung in hintereinander liegende gleiche Abschnitte (gr. meta: nacheinander; meros n.: Teil) Metamere: Segmente längs der Körperhauptachse Metamorphose f.: Umgestaltung, Verwandlung (gr. metamorphoo: umgestalten, sich verwandeln) metanephrogenes Blastem: Nachnieren-bildendes Keimgewebe Metanephros m.: Nachniere, definit. Niere (gr. nephros m.: Niere) Metaplasie f.: Umwandlung einer Gewebeart in eine andere nahe verwandte (gr.: metaplasso: umbilden, anders gestalten) Metapodium: s. Acropodium Metastase f.: Absiedlung von erkrankten Geweben, Tochtergeschwulst (gr. metastasis f.: Wanderung, Auswanderung) metencephalon, i n.: Hinterhirn (Pons + Cerebellum) (gr. meta; enkephalos: Gehirn) Meteorismus m.: Blähsucht, Gasansammlung im Darm oder in der freien Bauchhöhle (gr. meteoros: in die Höhe gehoben, in der Luft befindlich) metra f. (gr., mit η [eta] geschr.): Gebärmutter Metropie: normale Refraktion des Auges (gr.: metrios: das rechte Maß habend, passend; opsis f.: Auge) micro-: klein- (gr. mikros: klein, kurz, wenig) microvillus, i m.: Mikrozotte; Zytoplasmafortsatz an Oberfläche von Epithelzellen (villus, i m.: Zotte) mictio, onis f.: Harn lassen Migräne f.: anfallsweise auftretende, meist einseitige Kopfschmerzen (med.: Hemikranie: gr. hemi-: halb; kranion: Schädel; frz. migraine: einseitiges Kopfweh) migratio, onis f.: Wanderung mikro-: s. microMikroglia: Sammelbezeichnung für kleine Zellformen der Neuroglia des ZNS mikroskopisch: nur durch das Mikroskop erkennbar, winzig mikrosmatisch: mit gering ausgebildetem Geruchsinn (gr. osme f: Geruch, Duft) Mikrozephalie: Kleinköpfigkeit (gr. kephale f.: Kopf) mimisch: die Mimik betreffend, Gebärden- und Mienenspiel des Gesichts (gr. mimos m.: Nachahmung, Schauspieler) minimus, a, um: sehr klein, der Kleinste (sup. v. parvus: klein) minor m./f., minus n.: kleiner (comp. v. parvus: klein) Miose, miosis f.: Engstellung der Pupille (gr. meiosis f.: Verkleinerung) mirabilis, e: wunderbar, erstaunlich mitochondrium, i n.: rundliche bis gestreckte Zellorganellen (gr. mitos; chondros m.: Korn).

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mitos m. (gr.): Faden. Mitose, mitosis f.: Zellkernteilung mit Längsteilung der (fadenförmigen) Chromosomen mitra, ae f.: Bischofsmütze mnemo-: Gedächtnis- (gr. mneme f.: Gedächtnis) mnestisch: das Gedächtnis betreffend mobilis, e: beweglich, veränderlich Moderatorband: Trabecula septomarginalis der rechten Herzkammer (moderor: mäßigen, im Zaum halten, lenken, regulieren) modifizieren: abwandeln, auf das rechte Maß bringen (modifico: gehörig abmessen) modiolus, i m.: Spindel; Achse der Hörschnecke modulieren: abwandeln (modulor: taktmäßig singen, melodisch begleiten; in eine andere Tonart übergehen) modus, i m.: Maß, Takt, Art und Weise mola, ae f.: Mühle, Mühlstein molaris, is f.: zum Mahlen gehörend mollis, e: weich, biegsam mono- (gr.): ein-, einzig, allein monocyt(us, i) m.: größte weiße Blutzelle, mit meist hufeisenförmig gebuchtetem oder gelapptem Kern. Ursprünglich als mononukleäre (einkernige) Zelle bezeichnet im Gegensatz zu den stark segmentierten Kernen der Granulozyten (gr. kytos: Zelle) monticulus, i m.: kleiner Berg (dimin. v. mons, montis m.: Berg) mors, mortis f.: Tod morula, ae f.: kleine Maulbeere, Brombeere morpho-: Gestalt- (gr. morphoo: gestalten, bilden, eine Gestalt annehmen) Motilität f.: Bewegungsvermögen; Gesamtheit der unwillkürlichen Muskelbewegungen (moveo, movi, motum: bewegen) moto-: auf das Bewegungssystem bezogen, efferent motorius, a, um: bewegend, motorisch mucoid: Schleim-ähnlich (mucus) mucosus, a, um: schleimig, Schleimmucus, i m.: Schleim, „zäher (Nasen-)Schleim“ multi-: viel-, vielfach- (multus, a, um: viel) multiformis, e: vielförmig, vielgestaltig multimodal: auf vielerlei Art und Weise (modus) Multiple Sklerose f.: Encephalomyelitis disseminata; herdförmiger, regellos verteilter Markscheidenzerfall, perivaskuläre Infiltration und Narben (multiplex: vielfach, vielfältig; Sklerose) multipolar: mit vielen (> 2) Polen, Fortsätzen, Spindelzentren u.a. Bezugsbegriffen (polus) multipotent: s. pluripotent muralis, e: zur Wand, Mauer gehörend (murus, i. m.: Mauer) Muscarin: Pilzgift (Amanita muscaria: Fliegenpilz; musca, ae f.: Fliege) musculus, i m.: Mäuschen, Muskel mutatio, onis f.: Veränderung, Wechsel mutuus, a, um: wechsel-, gegenseitig my-, myo-: Muskel- (mys) mydriasis f. (gr.): Pupillenerweiterung myel-, myelo-: Mark-, Rückenmark-, Knochenmark- (gr. myelos m.: Mark, Gehirn)

myelencephalon, i n.: Markhirn, Medulla oblongata (gr. enkephalos: Gehirn) myelinum, i n.: Nervenmark, Myelin; Oberbegriff für verschiedene Lipoproteide, die die Myelinscheide aufbauen myeloid; myeloisch: das Knochenmark betreffend, vom K. ausgehend myentericus, a, um: zur Muskulatur der Darmwand gehörend (entera) mylo-: auf die Molarengegend des Unterkiefers bezogen (gr. myle f.: Mühle, Mühlstein, Backenzahn) myo-: Muskel- (gr. mys, myos m.: Maus, Muskel) myocardium, ii n.: Muskelschicht des Herzens (cardia: Herz) myoepitheliocyt m.: vom Epithel abstammende glatte Muskelzellen an den Endstücken von exokrinen Drüsen (epithelium) Myogelose f.: umschriebene, druckschmerzhafte Muskelverhärtung; Hartspann (gelu, us n.: Eis, Kälte, Erstarrung) myometrium, ii n.: Muskelschicht des Uterus (gr. metra f.: Gebärmutter) Myotom n.: Muskelanlage-Abschnitt der Somiten (gr. tome f.: Schnitt) Myringitis: Trommelfellentzündung (myrinx, ingos: Trommelfell) mys, myos m. (gr.): Maus, Muskel Myxödem n.: Anreicherung schleimhaltiger Substanzen in der Haut (gr. myxa f.: Schleim; oidema n.: Geschwulst, Schwellung)

N Nanosomie f.: Zwergwuchs (nanus, i m.: Zwerg; gr. soma n.: Körper) naris, is f.: Nasenloch nasalis, e: zur Nase gehörend nasus, i m.: Nase natalis, e: zur Geburt gehörend (nascor, natus sum: geboren werden, entstehen) navicula, ae f.: Schiffchen, Kahn, Boot neglectio, onis f.: Vernachlässigung, Gleichgültigkeit nekro-: tot- (gr. nekros: tot, abgestorben) Nekrose: lokaler Gewebstod Nematoden: Fadenwürmer (gr. nema n.: Faden, Garn) neo-, ne-: neu- (gr. neos: jung, neu) Neologismus: Neuerungssucht; sprachliche Neubildung (gr. logismos m.: Rechnung, Überlegung, Gedanke) Neoplasma: Neubildung; adject.: neoplastisch (gr. plasma n.: Gebilde). Meist versteht man unter N. eine bösartige Neubildung. Neovaskularisation: Blutgefäßneubildung (vasculum, i m.: kleines Gefäß) nephro-: Nieren- (gr. nephros m. (!): Niere) nephron(um) n.: mikrosk. und funkt. Baueinheit der Niere (Glomerulus mit Kapsel, prox., intermed. und dist. Tubulus) nervosus, a, um: nervenreich, Nervennervus, i m.: Nerv, Sehne neur-, neuro-: Nerven-, das Nervensystem betreffend (gr. neuron n.: Sehne, Nerv)

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Neurinom, Neurolem(m)om n.: gutartige Geschwulst eines peripheren, sympath. oder Hirnnerven, abgeleitet von Zellen der Schwann-Scheide (gr. lemma n.: Hülle; -om) neurit(um, i) n.: Erregungen wegleitender (efferenter) Nervenzellfortsatz; Axon Neurohypophyse f.: Hypophysenhinterlappen neuron(um, i) n.: Nervenzelle mit allen Fortsätzen, funktionelle Grundstruktur des Nervensystems neuropil(us, i) m.: Geflecht von Zellfortsätzen zwischen den Perikaryen von Nerven- und Gliazellen (gr. pilos m.: Filz) neuroporus, i m.: vordere (anterior) bzw. hintere (posterior) Öffnung des Neuralrohrs (Anlage von Gehirn und Rückenmark) (gr. poros m.: Durchgang) Neurothel n.: platte Meningealzellen der Arachnoidea, auf der der Dura zugewandten Seite untereinander durch tight junctions verbunden (Kunstwort aus Neuro- und Epithel) neutrophil: mit neutralen Farbstoffen anfärbbar; neutrophiler Granulozyt (neuter, tra, trum: keiner von beiden, indifferent) nexus, us m.: Verbindung, Zusammenhalt, Band; anat. Zellverbindung nidatio, onis f.: Einnistung (nidus, i m.: Nest eines Vogels) niger, gra, grum: schwarz, dunkel NO: Stickstoffmonoxid noceo, cui, citum: schaden, schädlich sein nodosus, a, um: knotig, knotenreich nodulus, i m.: Knötchen nodus, i m.: Knoten noli me tangere (lat.): Rühr mich nicht an nonverbale Kommunikation: nicht durch Sprache, sondern durch Gestik, Mimik od. and. Zeichen vermittelte Verständigung (non: nicht; verbum, i n.: Wort; communico: eine Mitteilung machen) norma, ae f.: Winkelmaß, Richtschnur, Maßstab notochorda,ae f.: Rückensaite, Chorda dorsalis (gr. notos m.: Rücken; chorde f.: Darm, Darmsaite) noxa, ae f.: Schaden Nozizeptoren: Schmerzrezeptoren (noceo) nucha, ae f.: Nacken nucleus, i m.: Kern (einer Nuss); anat.: 1. Zellkern, 2. Ansammlung von Nervenzellen gleicher Funktion, Hirnnervenkern nudus, a, um: bloß, nackt, unbedeckt nutricius, a, um: ernährend (nutrix, icis f.: Amme) Nystagmus m.: Augenzittern (gr. nystazo: nicken, schlafen)

O obex, icis m. u. f.: Verschluss, Riegel obliquus, a, um: schräg, schief verlaufend Obliteration f.: Lichtungsverschluss eines Körperhohlraums (oblittero: vergessen machen, auslöschen) oblongatus, a, um: verlängert oblongus, a, um: länglich obstipus, a, um: seitwärts geneigt, schief, geduckt

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obstruktiv: verstopfend (obstruo: verrammeln, verschließen, unzugänglich machen) obturatus, a, um: verstopft (obturo: verstopfen) obtusus, a, um: stumpf, abgestumpft (obtundo: durch Schlagen stumpf machen, abstumpfen) occiput, itis n.: Hinterkopf (ob: gegen; caput: Kopf) occludens, entis: verschließend occlusio, onis f.: Verschließung, Verschluss; zahnmed.: Kontakt zwischen Zähnen des Ober- und Unterkiefers occultus, a, um: verborgen, versteckt oculomotorius, a, um: den Augapfel bewegend (s. -motorius ) oculus, i m.: Auge Ödem: Gewebewassersucht (gr. oidema n.: Geschwulst, Beule, Schwellung) odontoblast(us, i): Dentin bildende Zelle in der Zahnpulpa (gr. odus, odontos m.: Zahn; blastao: sprossen, sich entwickeln) ökotrop, oikotrop: auf die Umwelt gerichtet (gr. oikos m.: Haus, Heimat; trop) oesophagus, i m.: Speiseröhre (gr. oiso [Futur von phero]: tragen, bringen, in Bewegung setzen; phagos: essend) okklusal: zahnmed.: an der Kaufläche (occlusio) olecranon, i. n.: Ellenbogen (gr. olene f.: Elle; kranon n.: Kopf) olfactorius, a, um: die Geruchsempfindung betreffend (olfacio, feci, factum: riechen) olfactus, us m.: Geruchssinn oligo-: wenig-, gering (gr. oligos: wenig, klein) oligodendrocyt(us, i) m.: wenig verzweigte Gliazelle, bildet Myelinscheiden im ZNS (gr. dendron n.: Baum; -cyt) -oma (-om) n.: Suffix, das Tumor, Schwellung ausdrückt omentalis, e: zum Netz gehörend omentum, i n.: Netzhaut um die Gedärme, Fetthaut omnis, e: aller, jeder omos m. (gr.): Schulter, Achsel omphaloentericus, a, um: vom Nabel zum Darm ziehend omphalos m. (gr.): Nabel onko-: bösartige Geschwulst- (gr. onkoo: schwellen) onkotisch: eine Volumenzunahme betreffend Ontogenese f.: Entwicklung des (individuellen) Organismus (gr.: on, ontos: seiend; genesis f.: Erzeugung) Oogenese f.: Ei-Entwicklung (gr. oon n.: Ei) oophorus: s. cumulus o. operculum, i n.: Deckel Operkularisation: mit Deckeln verschließen ophthalmicus, a, um: das Auge betreffend (gr. ophthalmos m. (!): Auge) ophthalmoplegia, ae: Lähmung der äußeren bzw. inneren Augenmuskeln (s. -plegie) opponens, entis: entgegen stellend (op-pono, posui, positum: (sich) entgegen stellen) opticus: das Sehen betreffend (gr.: optike techne: Lehre vom Licht) ora, ae f.: Rand, Saum oral: zahnmed.: in Richtung zur Mundhöhle oralis, e: zum Mund in Beziehung stehend (os, oris; -alis) orbicularis, e: kreiselförmig, ringförmig orbiculatus, a, um: rundlich orbis, is m.: Kreis

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orbita, ae f.: Augenhöhle orchis, eos m. (gr.): der Hoden organisieren: med.: totes Gewebe in gefäßführendes Bindegewebe umwandeln (wörtl. „zu einem Organ machen“) organon n. (gr.): Werkzeug, Sinneswerkzeug, Organ orificium, i n.: Mündung origo, inis m.: Ursprung ortho- (gr. orthos): gerade, in gerader Richtung, aufrecht, richtig, recht orthognath: gerade Gesichts-, Kieferstellung (gr. gnathos f.: Kinnbacke, Kiefer) orthogonal: rechtwinklig (gr. gonia f.: Winkel) orthoton: normaler Spannungs- oder Druckzustand (tonus, i m.: Spannung) orthozephal: mittelköpfig (gr. kephale f.: Kopf) os, oris n.: Mund, Öffnung os, ossis n.: Knochen -osis, -ose f.: Suffix (meist) für nicht-entzündliches krankhaftes Geschehen, degenerativen Prozess, aber auch physiologischen Vorgang Osmo(re)zeptoren: Rezeptoren zur Steuerung des WasserElektrolyt-Haushalts Osmose: Übergang des Lösungsmittels (z. B. Wasser) einer Lösung in eine stärker konzentrierte Lösung durch eine semipermeable Scheidewand (z. B. Zellmembran) osseus, a, um: knöchern ossiculum, i n.: Knöchelchen (dimin. v. os, ossis) ossificans: verknöchernd ossificatio, onis f.: Knochenbildung osteo-: Knochen- (gr. osteon n.: Knochen) Osteoblast m.: Knochen bildende Zelle (gr. blastao: sprossen, sich entwickeln) Osteoklast m.: Knochen abbauende Zelle (gr. klao: brechen, abbrechen) Osteomalazie f.: Knochenerweichung: generalisierte Skelettveränderung mit unzureichender Mineralisation der Grundsubstanz (gr. malakia f.: Weichheit, Schlaffheit) Osteon n.: aus Knochenlamellen bestehendes Säulchen; morpholog. Einheit des Havers-Lamellensystems Osteophyt n.: umschriebene Anlagerung von neu gebildetem Knochen (gr. phyton n.: Gewächs) Osteotomie f.: Knochendurchtrennung (gr. tome f.: das Schneiden, Sägen) Ostitis f.: Knochenentzündung ostium, i n.: Öffnung, Tür, Eingang, Mündung Östrogen n.: den Östrus erzeugend; weibl. Sexualhormon; Follikelhormon (gr. oistros m.: Leidenschaft, Begierde; lat. oestrus, i m.: Brunst; i. e. S. Zeitpunkt der Ovulation) -osus, a, um: Suffix, das Fülle, Reichhaltigkeit bezeichnet oszillieren: schwingen (oscillo: sich schaukeln) oticus, a, um: zum Ohr gehörend (gr. us, otos n.: Ohr) oto-: OhrOtolithen: s. Statokonien (gr. lithos m.: Stein) ovalis, e: eirund, länglich-rund (ovum) ovarium i n.: Eierstock (ovum, i n.: Ei) oxy-: Säure- (gr. oxys: scharf, spitz, herb, sauer, hell, laut, schnell) oxycephalus, i m.: Spitz-, Turmschädel

P pachy-: dick- (gr. pachys: dick, feist, beleibt) pachymeninx, ingis f.: harte Hirnhaut (synon. Dura mater) -pagus: -zusammengefügt (gr. pegnymi: festmachen, anheften) palaeo-: alt- (gr. palaios: alt, ehemalig, früher) palatinal: zahnmed.: dem Gaumen zugekehrt palatinus, a, um: zum Gaumen gehörend Palatoschisis: Gaumenspalte, Wolfsrachen (gr. schisis, eos f.: Spaltung) palatum, i n.: Gaumen Pallästhesie f.: Vibrationsempfindung (gr. pallo: schwingen, schütteln; aisthesis f.: Gefühl, Empfindung) palliativ: „bemäntelnd“; die Beschwerden lindernd, aber nicht die Ursachen bekämpfend (im Gegensatz zu kurativ: heilend) (pallium, i: Mantel) Pallidum n. = Globus pallidus pallidus, a, um: blass, bleich pallium, i n.: Mantel; anat.: Hirnmantel palma, ae f:. Handfläche palpatio, onis f.: das Betasten palpebra, ae f.: Augenlid pampiniformis, e: rankenförmig (pampinus, i m.: Weinranke) pancreas, atis n. (!): Bauchspeicheldrüse, Pankreas (gr. pas, pasa, pan: ganz, alles; kreas, kreatos n.: Fleisch; hier i. S. v. Drüsensubstanz) panniculus, i m.: Haut, Schicht (pannus, i m.: Kleid, Tuch, Lappen) papilla, ae f.: warzenförmige Erhebung, Brustwarze, Knospe, Warze papillaris, e: warzenartig par-, para- (gr.): neben-, durch-, gegenParageusie f.: veränderte Geschmacksempfindung (gr. geusis, eos f.: das Kosten, Geschmack) parakortikal: neben der Rinde gelegen (cortex, icis m.: Rinde) Parakusis f.: falsches Hören (gr. akuo: hören; parakuo: falsch hören, sich verhören) paralytisch: durch Lähmung bedingt (gr. paralyo: lähmen) Parameter m.: kennzeichnende Größe, veränderliche Größe (gr. parametreo: nach einer Sache messen) parametrium, ii n.: Bindegewebe neben dem Uterus und im Lig. latum (metra) paranasalis, e: neben der Nase gelegen, NasennebenParästhesie f.: krankh. abnorme Empfindung, z. B. kribbeln, taub sein (gr. aisthesis f.: Gefühl, Wahrnehmung, Empfindung) parasympathicus: „neben dem Sympathicus“, wegen des teilweise parallelen Verlaufs von N. vagus und Grenzstrang („N. sympathicus“) paraterminalis, e: neben der Lamina terminalis befindlich parathyreoideus, a, um: neben, bei der Schilddrüse gelegen paraventricularis, e: neben dem (III.)Ventrikel gelegen Parazentese f.: Einstich (z. B. ins Trommelfell) (gr. kenteo: stechen; eigentl. Seitenstich)

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Parazonien: helle Abschnitte der Streifung im Schmelz (gr. zone f.: Gürtel) parenchyma, atis n.: organspezifisches Gewebe, Parenchym (gr. parenchyma, atos n.: das daneben Hineingegossene, das aus den Blutgefäßen Ausgetretene) Parese f.: Schwäche, unvollst. Lähmung (gr. paresis, eos f.: Erschlaffung) paries, etis m.: Wand parietalis, e: 1. zur Wand gehörend, Wand-; 2. zum Scheitelbein (Os parietale) gehörend parodontium, ii n.: Zahnhalteapparat, Zahnbett (gr. para; odus, odontos: Zahn) parotideus, a, um: zur Ohrspeicheldrüse (Glandula parotidea) gehörend (gr. para; us, otos n.: Ohr) pars, partis f. (!): Teil, Abschnitt eines Organs -partal: zur Geburt gehörend partus, us m.: Geburt parvus, a, um: klein pan-: Gesamt- (gr. pas, pasa, pan: ganz, gesamt, jeder) patella, ae f.:. Schüssel, Opferschale; anat.: Kniescheibe pathos n. (gr.): Leiden pecten, inis m.: Kamm, Grat pectinatus, a, um und pectineus, a, um: kammartig pectus, oris n.: Brust pedunculus, i m.: Stiel (dimin. v. pes, pedis m.: Fuß) pellucidus, a, um: durchscheinend pelvicus, a, um: zum Becken gehörend pelvin: zum Becken gehörend pelvis, is f. (!): Becken, Napf penetratio, onis f.: das Hinein-, Vor-, Durchdringen penicillus, i m.: Pinsel (dimin. v. penis: Schwanz) -penie: -mangel, -unterzahl (gr. penia f.: Armut, Mangel) penis, is m.: Schwanz, männl. Glied penta-: fünf- (gr. pente: fünf) pepsis f. (gr.): Kochung, Verdauung per-: durch - hindurch, durch, über, vermittelst perforans, antis: durchbohrend perforatio, onis f.: Durchbohrung, Durchbruch perforatus, a, um: durchbohrt, durchlöchert perfusio, onis f.: Durchströmung peri- (gr.): um-, herumpericardium, ii n.: Herzbeutel, Perikard (cardia, ae: Herz) perichondral: um den Knorpel herum, an der Außenseite des K., vom Perichondrium (Knorpelhaut) ausgehend (gr. chondros m.: Knorpel) pericranium, ii n.: äußeres Periost des Schädels (gr. kranion m.: Schädel) perikaryon n.: das um den Zellkern gelegene Zytoplasma der Zelle, Zellkörper, Soma (gr. karyon n.: Kern) perimetrium, i n.: Bauchfellüberzug der Gebärmutter, Tunica serosa des Uterus (gr. metra f.: Gebärmutter) perineum, i n.: Damm (gr. perineo: rings aufhäufen) perineurium, i n.: einzelne Faserbündel eines peripheren Nervs umgebendes Bindegewebe (gr. neuron n.: Nerv, Sehne) periodontium, ii n.: Zahn-Wurzelhaut (gr. odus, odontos m.: Zahn) periorbita, ae: Periost der knöchernen Augenhöhle (orbita) periorchium, i n.: pariet. Blatt des Cavum serosum testis (gr. orchis: Hode)

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periost(eum, i) n.: Knochenhaut (gr. osteon n.: Knochen; periosteos: um den Knochen befindlich) peripheres (gr.): sich herum bewegend, kreisförmig Peristaltik f.: fortschreitende Bewegung in Hohlorganen (Darmrohr, Ureter) infolge meist ringförmiger Einschnürungen durch Muskelkontraktion (peristello: sich in Bewegung setzen) periton(a)eum, i n.: Bauchfell (gr. peritonaion n.: das Darumgespannte) Peritonitis f.: Entzündung des Peritoneums, Bauchfellentzündung Perkussion, perkutieren, perkutorisch: Beklopfen der Körperoberfläche, um aus den Schallqualitäten auf Ausdehnung und Beschaffenheit der darunter liegenden Organe zu schließen (percutio, cussi, cussum: schlagen, erschüttern) permanens, entis: verbleibend, sich erhaltend, fortbestehend Permeabilität f.: Durchlässigkeit (z. B. v. Membranen) (permeo: durchdringen) perniciosus, a, um: bösartig, verderblich perone f. (gr.): Wadenbein (s. auch fibula) perpendicularis, e: senkrecht stehend (perpendiculum, i n.: Bleilot, Senkrechte) Perseveration f.: krankhaftes Verweilen an ein und demselben Denkinhalt (persevero: beharrlich bei etwas verbleiben, beharren) persistens, entis: bestehen bleibend (persisto, -stiti) pes, pedis m.: Fuß -petal: gerichtet auf (peto, ivi, itum: etwas zu erreichen suchen) petiolus, i m.: Stiel (dim. v. pes, pedis m.: Fuß) petra, ae f., petros m.: Fels, Stein petrosus, a um: felsig; zum Felsenbein gehörend phagesis f. (gr.): Essen, Fressen phagocyt(us, i) m.: Fresszelle mit der Fähigkeit, unbelebte oder belebte Fremdpartikel aufzunehmen und zu verdauen (Phagozytose). Histio-, Monozyten, Mikroglia-, Retikulum-, Sinuswandzellen als überwiegend sessile Makrophagen; Granulozyten als mobile Mikrophagen phalanx, angis f./m.: Finger-, Zehenglied (gr. phalanx, angos f.: Holzstamm, Fingergelenk, Schlachtreihe) Phäochromozytom n.: Tumor der chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks oder anderer Teile des adrenosympathischen Systems (gr. phaios: dunkel, schwärzlich; chroma n.: Farbe) pharynx, yngos m. (gr.); pharynx, yngis m. (lat.): Rachen, Schlund, Gurgel Phase f.: Abschnitt, Reihe, Wandlung, verschiedener Zustand (gr. phasis, eos f.: Erscheinung, Phase) phasisch: in bestimmten Abständen wiederkehrend -phil: neigend zu, tendierend zu (gr. philos: lieb, freundlich, befreundet) philtrum, i n.: Rinne in der Mitte der Oberlippe (gr. philtron: Liebesmittel, Reizmittel) phleb-, phlebo- Venen- (gr. phleps, phlebos f.: Ader, Vene) Phlebographie: röntgenolog. Darstellung der Venen nach Kontrastmittelinjektion Phlegmone f.: flächenhaft sich ausbreitende eitrige Entzündung (gr. phlego: brennen)

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-phob: fürchtend, meidend, abgeneigt (gr. phobeo: vertreiben, fliehen, sich fürchten) Phokomelie: Robbengliedrigkeit (Extremitätenmissbildung) (gr. phoke f.: Robbe, Seehund; melos n.: Glied) Phonation f.: Art und Weise der Entstehung von Stimmlauten (gr. phone f.: Stimme, Ton, Laut, Rede, Sprache) phrenicus, a, um: zum Zwerchfell gehörend (gr. phren, phrenos f.: 1. Zwerchfell, 2. Geist, Sinn, Gemüt) phthisis, eos f. (gr.): Abnahme, das Hinschwinden, Schwindsucht; Tuberkulose Phylogenese f.: Stammesentwicklung, Entwicklung neuerer Stämme aus erdgeschichtlich älteren (gr. phylon n.: Geschlecht, Stamm, Gattung; genese) -phyt: -gewächs, -auswuchs (gr. phyo: entstehen, wachsen; phyton n.: Gewächs, Pflanze) pial: auf die Pia mater bezogen Pia mater: Blutgefäße-führender Teil der weichen Hirnhaut (pius, a, um: fromm, gütig, zärtlich; mater, matris f.: Hülle, Mutter) piezoelektrisch: elektrisch durch Druck (gr. piezo: drücken, pressen) piloarrector, oris: Haaraufrichter (pilus; arrigo, -rexi, -rectum: in die Höhe richten) pilus, i m.: (einzelnes) Haar pinealis, e: fichten- bzw. zirbenzapfenförmig; anat.: zur Zirbeldrüse gehörend (pinea, ae f.: Fichten-, Tannenzapfen) Pinealom; Pineozytom n.: vom Corpus pineale (Epiphysis cerebri, Zirbeldrüse) ausgehender Tumor Pinozytose f.: Aufnahme von gelösten Stoffen ins Zellinnere (gr. pino: trinken, einsaugen; kytos: Zelle) piriformis, e: birnenförmig (pirum, i n.: Birne) pisiformis, e: erbsenförmig pisum, i n.: Erbse pituicyt(us, i) m.: Gliazelle in der Neurohypophyse (die Hypophyse hieß früher Glandula pituitaria; pituita, ae f.: Schleim) placenta, ae f.: Mutterkuchen, Nachgeburt plagiocephalus, i m.: Schiefschädel (gr. plagios: seitlich, schief; kephale f.: Kopf) Plakode f.: verdickter Bezirk im seitlichen Ektoderm, der Material aus dem Epithelverband in die Tiefe abgibt und insbesondere Anlagen für Sinnesorgane liefert (gr. plax, plakos f.: Platte, Fläche; frz. plaque f.) planta, ae f.: Pflanze, Fußsohle planum, i n.: Fläche, Ebene, ebenes Feld planus, a, um: flach, eben, platt Plasma n.: 1. flüssiger Teil des Blutes; 2. Protoplasma (gr. plasma n.: Gebilde, das Geformte) Plasmalemm n.: äußere Grenzmembran der Zelle, Zellmembran (gr. lemma n.: Hülle) Plastination: Verfahren zur Durchtränkung eines Organs oder ganzen Körpers mit Kunststoff Plastizität f.: 1. Formbarkeit, Anpassungsfähigkeit; 2. Bildhaftigkeit (gr.: plasso: aus weicher Masse bilden; plastes m.: Bildhauer) platysma n. (gr.): Platte, Verbreiterung (gr. platys: dünn). Vollst. anat. Bezeichnung: Platysma myoides (Muskelplatte) platyzephal: niederköpfig (gr. platys; kephale f.: Kopf)

16 Glossar

-plegie f.: motorische Lähmung ganzer Gliedmaßen oder -abschnitte; Lähmung einzelner Muskeln oder Muskelgruppen (gr. plege f.: Schlag, Stoß) pleo- (gr.): mehrpleura, ae f.: Rippen-, Lungenfell (gr. pleura f.: Seite, Rippen) plexus, us m.: Geflecht (von Nerven oder Gefäßen) plica, ae f.: Falte, Schleimhautfalte pluri-: mehr, viele (plus, pluris: mehr) Pluripotenz f.: Fähigkeit undifferenzierter (embryonaler) Zellen, sich unter verschiedenen Bedingungen unterschiedlich zu differenzieren (potentia, ae f.: Fähigkeit, Leistungsvermögen, Macht) pneum-, pneumo-: Lungen- (gr. pneumon m.: Lunge) pneuma n. (gr.): Atem, Lufthauch, Luft Pneumatisation f.: Bildung lufthaltiger Hohlräume in Geweben pnoe f. gr.: das Atmen Podo-: Fuß- (gr. pus, podos m.: Fuß, Bein) -poese f.: -entstehung, -entwicklung (gr. poiesis f.: Hervorbringung, Entstehung, Entwicklung) Poliomyelitis: „spinale Kinderlähmung“, entzündl. Erkrankung des ZNS, v.a. der grauen Substanz des Vorderhorns (gr. polios: grau; myelos: Mark, Rückenmark) pollex, icis m.: Daumen polus, i m.: Pol (gr. polos m.: Pol, Drehpunkt) poly-: viel- (gr. polys, polle, poly: viel, häufig, zahlreich) polychromatisch: vielfarbig (gr. chroma n.: Farbe) polyedrisch: von Vielecken begrenzt, vielflächig (gr. polyedros: vielsitzig; edra f.: Ort, Platz) polygonalis, e: vieleckig, vielwinkelig (gr. gonia f.: Winkel, Ecke) Polymorphismus m.: Viel-, Verschiedengestaltigkeit (gr. morphe: Gestalt, Erscheinung) polyploid: mit einem vielfachen Chromosomensatz; mehrkernig (gr. -ploos: -fach) pons, pontis m. (!): Brücke, Steg pontinus, a, um: den Pons betreffend poples, poplitis m.: Knie, Kniekehle porta, ae f.: Tor, Pforte portio, onis f.: Anteil, Teil eines Organs porus, i m.: Durchgang, Öffnung, Weg post: hinten, nach, nachher, später, nachstehend posterior, ius: hinterer, folgender (comp. v. posterus: nachfolgend) postremus, a, um: hinterster, letzter (sup. v. posterus) potentia, ae f.: Macht, Einfluss, Gewalt prae: voran, voraus, vor praecox, cocis: frühreif, verfrüht, vorzeitig praecursor, oris m.: Vorläufer praedentinum, i n.: unverkalkte Vorstufe des Dentin (Zahnbein) praemolaris, e: vor den Mahlzähnen liegend (mola, ae f.: Mühlstein, Mühle) praenatalis, e: vor der Geburt, der Geburt vorausgehend (natalis, is m.: Geburtstag) praeparatio, onis f.: Vorbereitung praeparo: im voraus zubereiten, gut zubereiten, instand setzen praepositus, a, um: vorangestellt praeputium, i n.: Vorhaut (puto: beschneiden)

16 Glossar

praestitialis, e: voranstehend (praesto, stiti, stitum: voranstehen) praetectalis, e: vor dem Tectum (Mittelhirndach) gelegen Prävention f.: Vorbeugung, Verhütung (praevenio, -veni, -ventum: zuvorkommen) praevius, a, um: voran, voraus gehend präzipitieren: ausfällen, ausflocken (praecipito: hinabstürzen, sinken) pre- = prae Presbyopie f.: altersbedingte Weitsichtigkeit (gr. presbys: alt; opsis f.: das Sehen, Auge) primordialis, e: ursprünglich, die embryonale Erstanlage betreffend primordium, i n.: Anfang, Ursprung primus, a um: erster princeps, cipis: erster, Hauptprincipalis, e: erster, ursprünglicher privatus, a, um: persönlich, eigen pro: vor, je, für, von procerus, a, um: schlank processus, us m.: Fortgang, Fortsatz prodromos m. (gr.): Vorläufer profundus, a, um: tief Progesteron: Schwangerschafts-erhaltendes Hormon, Gelbkörperhormon (gestatio: Schwangerschaft) Prognathie f.: Vorstehen des Oberkiefers (gnathos f.: Kinnbacke, Kiefer) prognosis, eos f. (gr.): Vorherwissen, Voraussicht progressio, onis f.: Fortschritt, Steigerung (progredient: stufenweise fortschreitend) Projektion f.: örtliche Verlagerung (proicio, ieci, iectum: ausstrecken, hinauswerfen) proktodeum, i n.: Afterbucht, ektodermaler Abschnitt des Analkanals (gr. hodos: Eingang) proktos m. (gr.): Steiß, After Prolaps m.: Vorfall (prolabor, lapsus sum: vorwärts gleiten, herabgleiten) Proliferation f.: Wucherung, Wachstum, Zellvermehrung (proles m.: Nachkomme; fero: hervorbringen) prominens, entis n.: Vorsprung, Ausläufer (promineo: hervorragen) promontorium, i n.: Vorgebirge, Vorwölbung (mons, montis m.: Berg, Hügel) pronatio, onis f.: Einwärtsdrehung von Hand und Fuß (prono: vornüber neigen) Prophylaxe f.: Verhütung (von Krankheiten), Vorbeugung (gr. prophylasso: bewachen, verhüten) Propriozeption f.: Eigenempfindung des Körpers oder eines Organs, über Propriozeptoren (Mechanorezeptoren, Muskel- und Sehnenspindeln) vermittelt (recipio, cepi, ceptum: zurücknehmen, in sich aufnehmen) propriozeptive Reflexe: R., bei denen Reiz- und Erfolgsort identisch sind (Muskeldehnungs-, Sehnenreflexe) proprius, a, um: eigen, kennzeichnend, allein zugehörig prosencephalon, i n.: Vorderhirn (pros- von pro: vor, oder gr. protos: erster, vorderer) Prosodia, Prosodie f.: Sprachmelodie; urspr. die Lehre von dem, was bei der Aussprache zu den bloßen Lauten noch „hinzugetönt“ wurde (pros-odia, ac-centus); heute Betrachtung der Wörter und Wortgruppen einer Sprache im Hinblick auf ihre Eignung, sich der Ordnung eines

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Verses einzufügen. (gr. pros: noch dazu, hinzu; ode f.: Gesang) prospektiv: vorausschauend (prospicio, spexi, spectum: in die Ferne schauen, vorhersehen) prostata, ae f.:Vorsteherdrüse (gr. prostates m.: Vorsteher) protopathisch: physiol.: zur vitalen Sphäre gehörend, emotionale Einfärbung einer Empfindung (gr. protos: erster; pathe f.: Leid, Gefühl) Protoplasma n.: Lebenssubstanz der tierischen und pflanzlichen Zelle (gr. protos; plasma n.: Geformtes, Gebildetes) protrusio, onis f.: das Hervortreten protuberantia, ae f.: Vorwölbung, Hervorragung, Vorsprung (pro: vor; tuber, eris n.: Höcker, Auswuchs) proximalis, e: dem Rumpf näher liegend (proximus, a, um: Nächster) Psalidodontie f.: Scherenbiss, Überbiss (gr. psalis, idos f.: Schere; odus, odontos m.: Zahn) pseudo-: falsch- (gr. pseudos n.: Lüge, Unwahrheit) pseudounipolar: „falsch-einpolig“, d. h. kurze gemeinsame Anfangsstrecke des zentralen und des peripheren Zellfortsatzes sensibler, ursprünglich bipolarer Ganglienzellen psoas, ae: Lendenmuskel (gr. psoa f.: Lendengegend) Psoriasis f.: Schuppenflechte (gr. psora f.: Krätze) pterygium, i n.: Flügelfell pterygo-: zum Flügelfortsatz gehörend pterygoideus, a, um: flügelförmig; zum Proc. pterygoideus gehörend pteryx, ygos f. (gr.): Flügel, Feder ptosis f.: Senkung, Ptose eines Organs (Augenlid, Eingeweide) (gr. ptosis, eos f.: das Fallen, Sturz) pubertas, atis f.: Geschlechtsreife pubes, is f.: Scham, Schamgegend, Schamhaare pubicus, a, um: die Schambehaarung, die Schamgegend betreffend publicus, a, um: öffentlich, allgemein, dem ganzen Volk gehörend pudendum, i n.: Scham pulmo, onis m. (!): Lunge, Lungenflügel pulmonalis, e: zur Lunge gehörend pulpa, ae f.: Mark bzw. Parenchym eines Organs; wörtl.: das Fleischige, Fruchtfleisch pulposus, a, um: aus weicher Substanz pulsus, us m.: Stoß, Schlag pulvinar, aris n.: Polster, Polstersitz; anat.: Polkissen (hinterer Teil des Thalamus) punctio, onis f.: das Stechen punctum, i n.: Stich, Punkt pupilla, ae f.: Pupille; Püppchen, Augenstern (dimin. v. pupa, ae f.: Mädchen, Puppe) pus, puris n.: Eiter putamen, inis n.: Schale Pyelographie: röntg. Darstellung des Nierenbeckens (gr. pyelos f.: Wanne, Becken) pyknisch: stämmiger Körperbau (gr. pyknos: derb, fest, dichtgedrängt) Pyknose f.: Verdichtung und Schrumpfung des Zellkerns pyloros m. (gr.); pylorus, i (lat.): Torhüter, Torwart, Pförtner, Magenausgang pyo-: Suffix für Eiteransammlung (gr. pyon n.: Eiter)

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pyramidalis, e: zur Pyramide gehörend; die Pyramidenbahn betreffend (gr. pyramis, idis f.: Pyramide)

Q quadr-, quadri-: vier- (quadrus, a, um: viereckig) quadratus, a, um: viereckig, quadratisch quadrigeminus, a, um: vierfach, Vierlings- (geminus: Zwilling) quartus, a, um: Vierter -que: und (verbindet zwei Begriffe, z. B. in M. levator anguli oris alaeque nasi: Heber des Mundwinkels und der Nase) Querschnittsläsion: Vollständige oder teilweise Schädigung eines Rückenmarksquerschnitts quintus, a, um: Fünfter

R Rachischisis f.: Wirbelspalt (gr. rhachis, eos f.: Rückgrat, Rücken schisis: Spalt) Rachitis f.: „englische Krankheit“ durch Vit. D- und Lichtmangel bedingte Störung des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels mit mangelhafter Verkalkung der Knochen mit wesentlicher Beteiligung der Wirbelsäule; entspricht der Osteomalazie radiatio, onis f.: Strahlung, Ausstrahlung radiatus, a, um: strahlenförmig radicularis, e: die Wurzel betreffend radio: strahlen radius, i m.: Strahl, Speiche radix, icis f.: Wurzel, Ursprung ramulus, i m.: Ästchen ramus, i m.: Ast ranula, ae f.: kleiner Frosch; Froschgeschwulst (SpeichelRetentionszyste im Ausführungsgang der Glandula sublingualis bzw. des Pankreas) (rana, ae f.: Frosch) raphe f. (gr.): Naht rarus, a, um: locker, dünn, vereinzelt, selten Rarefikation: Gewebsschwund (bes. bei Knochen) re-: zurück-, wiederrecellens, entis: zurückschnellend recessus, us m.: das Zurückgehen, Schlupfwinkel recto-: zum Rectum gehörend rectus, a, um: gerade, geradlinig recurrens, entis: zurücklaufend, -kommend, rückläufig recurvatus, a, um: zurückgekrümmt, -gebogen redundant: überreichlich, überflüssig (redundo: überfließen, Überfluss haben) Reflex: Reizantwort (reflecto, flexi, flexum: zurückbiegen, -wenden) Reflux m.: Rückfluss (refluo, fluxi: zurückfließen) refraktär: unempfindlich, nicht beeinflussbar (refragor: widerstreben, sich widersetzen; frz. refractaire: widerspenstig) Regeneration f.: Wiederauffrischung, Erneuerung (genero: erzeugen) regio, onis f.: Richtung, Gegend regionär: auf einen bestimmten Bezirk ausgerichtet

16 Glossar

Regression f.: Rückschritt, Rückbildung, Entdifferenzierung (regredior, -gressus sum: zurückgehen, sich zurückziehen) Relaisstation: der Umschaltung nervöser Impulse auf andere Systeme dienende Kerne bzw. Zellen (frz. relais m.: Pferdewechsel, Umspannort) releasing (engl.): freilassend, entlassend Relief n.: (plastische) Geländeoberfläche (relevo: wieder erheben; frz. relief: erhabene Arbeit) ren, renis m. (!): Niere renalis, e: zur Niere gehörend, Nierenrenculus, i m.: Nierenlappen (dimin. v. ren) replicatio, onis f.: Rückbewegung, Nachbildung, Entgegnung (Replikation hat, obwohl die Begriffe oft gleichgesetzt werden, eigentlich nichts mit der DNS-Reduplikation zu tun: re; duplicatio, onis f.: Verdoppelung) rER: raues endoplasmatisches Retukulum resectio, onis f.: das Weg-, Abschneiden residual: zurückbleibend (residuus, a, um) resistentia, ae f.: Widerstandsfähigkeit (resisto, stiti: stehen bleiben, widerstehen) Resonanz f.: Mitschwingen eines anderen Körpers oder Raumes (resono: widerhallen, widerhallen lassen) Resorption f.: Aufnahme von Stoffen in die Blut- oder Lymphbahn (resorbeo: zurückschlürfen) respiratio, onis f.: das Atmen, Atmung retardo: verzögern, aufhalten rete, retis n.: Netz, Netzwerk Rete mirabile: Wundernetz; über eine Pfortader verbundene Kapillargebiete retentio, onis f.: Zurückhaltung, Verhaltung reticularis, e: netzförmig reticulum, i n.: kleines Netz Retikulumzellen: Zellen des retikulären Bindegewebes retina, ae f.: Netzhaut des Auges („weil sie den Glaskörper des Auges umfasst wie ein Fischnetz [rete] den Fang“) retinaculum, i n.: Halter, Leine, Band, Zügel; anat.: Bindegewebszug retro-: zurück-, rückwärts, hinter retroauricularis, e: hinter der Ohrmuschel retrobulbaris, e: hinter dem Bulbus gelegen (z. B. Bulbus oculi, Bulbus olfactorius) (bulbus, i m.: Knolle, Zwiebel, Augapfel) retroflexus, a, um: zurück gebogen (flecto. flexi, flexum: biegen, beugen, drehen, lenken) retrograd: rückwärts gerichtet, zurückgehend (gradior, gressus sum: Schritte machen, schreiten) retrokolisch: hinter dem Colon (transversum) retroperitonealis, e: hinter dem Bauchfell gelegen (peritoneum) retroversio, onis f.: Neigung nach hinten, Zurückwendung (verteo: wenden) reuniens, entis: von reunieren (lat.-frz.): wiedervereinigen, verbinden rezent: gegenwärtig noch lebend (recens, entis: soeben ankommend, frisch, jung, neuerdings) Rezeptor: Empfänger (recipio, cepi, ceptum: an-, auf-, übernehmen) reziprok: wechsel-, gegenseitig, aufeinander bezüglich (reciproco: hin- und zurückgehen)

16 Glossar

rheologisch: die Fließeigenschaften betreffend (gr. rheo: fließen, strömen) rhinencephalon, i n.: Riechhirn (gr. rhis, rhinos f.: Nase; enkephalos: Gehirn) rhinoscopia, ae; Rhinoskopie f.: Untersuchung der Nase von vorn (R. anterior) oder vom Rachen her (R. posterior) (gr. rhis; skopeo: betrachten) Rhizarthrose f.: Arthrose eines „Wurzelgelenks“ (gr. rhiza f.: Wurzel; arthron n.: Gelenk) der Gliedmaßen: Hüft(Schulter-), Handwurzel- (Fußwurzel-), Fingergrund(Zehengrund-) Gelenk rhombencephalon, i n.: Rautenhirn (gr. rhombos m.: Kreisel, Raute; enkephalos: Gehirn) rhomboideus, a, um: rautenähnlich ribbon (engl.): Band rigidus, a, um: starr, steif rigor, oris m.: Starrheit, Steifheit rima, ae f.: Riss, Spalte, Ritze resident: ortsständig (resideo: sitzen bleiben) risorius, a, um: das Lachen betreffend (rideo, risi, risum: lachen, lächeln) rostralis, e: „schnabelwärts“, in Richtung Mund, vorne (vom Gehirn aus gesehen) rostrum, i n.: Schnabel rotatio, tionis f.: Drehung rotator, oris m.: Herumdreher, Drehmuskel rotundus, a, um: rund -rrhoe: -fließen, -fluss (gr. rhoé f.: Strömung, Flut) ruber, bra, brum: rot, rot gefärbt rudimentum, i n.: erster Anfang, verkümmertes Organ ruga, ae f.: Falte, Runzel ruptura, ae f.: Zerreißung, Durchbruch, Riss (rumpo, rupi, ruptum: zerbrechen, zerreißen)

S sacculus, i: kleiner Sack, Säckchen, Geldbörse saccus, i m.: der Sack sacer, sacra, sacrum: heilig. Os sacrum: Kreuzbein sacralis, e: zum Kreuzbein gehörend sagittalis, e: in Pfeilrichtung, von ventral nach dorsal (sagitta, ae f.: Pfeil) sakkadisch: ruckartig, unterbrochen, kurz abgesetzt (frz. saccade f.: Ruck, kurzes Rütteln) saliva, ae f.: Speichel Salivation: Speichelproduktion salpinx, ingis f. (gr.): Trompete; 1. Eileiter (Tuba uterina: Mesosalpinx, Salpingitis), 2. Ohrtrompete (Tuba auditiva: M. salpingopharyngeus) saltans, antis: tanzend sanguis, inis m. (!): Blut saphenus, a, um: sichtbar, deutlich (gr. saphenes) sapientia, ae f.: Einsicht, Weisheit sarko-: Muskel- (gr. sarx, sarkos f. (!): Fleisch) sartorius, a, um: den Schneider betreffend, Schneider(sartor, oris m.: Schneider; vielleicht wegen des „Schneidersitzes“) scala, ae f.: Treppe, Leiter scalenus, a, um: schräg, schief (gr. skalenos); treppenartig (scala, ae)

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scaphocephalus, i m.: Kahnschädel scaphoideus, a, um: kahnförmig (gr. scaphe f.: Kahn) scapula, ae f.: Schulterblatt schisis, eos f. (gr.): Spaltung Schizophrenie f.: Spaltungsirresein, Psychose mit Spaltung von Denken, Affekt und Erleben (gr. schizo: spalten; phren: Seele) sclera, ae f.: Lederhaut des Augapfels (skleros) sclero-: hart- (gr. skleros: trocken, hart, rau, straff) scrotum, i n.: Sack, Hodensack sebaceus, a, um: Talgsebum, i n.: Talg secundarius, a, um: zur 2. Ordnung gehörend, sekundär secundus, a, um: der zweite segmentum, i n.: Abschnitt segregatio, onis f.: Absonderung, Trennung Sekretion: Produktion und Absonderung von Drüsenprodukten (secretio, onis f.: Absonderung) sekretorisch: die Drüsensekretion betreffend Selachii: Haie (gr. selachos n.: Knorpelfisch) sella, ae f.: Sessel, Sattel sellaris, e: sattelartig, Sattelsemen, inis n.: Samen semi-: halb- (semis, issis m.: Hälfte) semicanalis, is m.: Halbkanal, Kanalhälfte semispinalis, e: zur Hälfte zum Dornfortsatz der Wirbel gehörend, „Halbdorn-“ (spina, ae f.: Dorn) semilunaris, e: halbmondförmig Seneszenz f.: das Altern und die dadurch bedingten körperlichen Veränderungen (senesco: altersschwach werden) senium, i n.: Altersschwäche, drückendes Alter sensibel: emfindsam; die Empfindung bzw. Reizaufnahme betreffend (sensibilis, e: fühlend; sensus, us m.: Gefühl, Empfindung) sensorius, a, um: sensorisch, die Sinnesorgane betreffend septum, i n.: Scheidewand, Umzäunung sequentia, ae f.: Folge serosa, ae f.: Kurzform von Tunica serosa; das die intraperitoneal gelegenen Bauchorgane überziehende Mesothel des Peritoneum viscerale; im weiteren Sinn das Peritoneum insgesamt sowie die übrigen serösen Häute (Pleura, Epi- und Perikard, Epi- und Periorchium) serosus, a, um: 1. das Blutserum betreffend. 2. ein serumähnliches Sekret absondernd serratus, a, um: sägeförmig gezackt, gezähnt (serra, ae: Säge) serum, i n.: Molke, Käsewasser (eiweißhaltige Flüssigkeit) Sesambein: dem Samen der Sesampflanze in Größe und Form ähnliche Verknöcherung in Sehnen und Bändern (gr. sesamon n.: Sesam, Sesamschote) sesamoideus, a, um: einem Sesamkorn ähnlich seu: oder shunt (engl.): Nebenschluss; natürlicher oder operativ angelegter Nebenweg zur Überbrückung eines Gefäßabschnitts (Bypass) oder zur direkten Verbindung zweier Gefäßsysteme siccus, a, um: trocken sigmoideus, a, um: dem gr. Buchstaben Sigma (ς) ähnlich simplex, icis: einfach sinister, tra, trum: links

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sinus, us m.: Krümmung, Bucht, Busen; anat.: geschlossener Kanal, Gefäßerweiterung, Höhle, lufthaltige Räume im Knochen, Blutleiter Sinusoide: weite, mit Ausbuchtungen versehene Blutkapillaren siphon, onos m. (gr.): Abzugsröhre für Wasser; S-förmig gekrümmtes Abflussrohr situs, us m. Lage, Stellung, Ortsverhältnis; i. e. S.: normale Lage von Organen im Körper sive: oder skeletos m.: Gerippe, Knochengerüst, Skelett; ausgetrocknet skeletotopisch: Lage auf das Skelett bezogen (gr. topos m.: Ort) sklero- s. scleroSklerose, Sclerosis f.: krankhafte Verhärtung von Geweben oder Organen Skoliose f.: Schiefwuchs, seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule (gr. skolios: krumm, gekrümmt, gebogen) -skop n.: Suffix für ein Betrachtungs- oder Untersuchungsinstrument (gr. skopeo: betrachten, untersuchen) Skorbut: Scharbock; Vit.-C-Mangel-Erkrankung Skotom n.: Gesichtsfeldausfall, Verdunklung an einer umschriebenen Stelle des Gesichtsfelds; physiol. im Bereich des blinden Flecks der Retina (gr. skotos, us n.: Dunkelheit, Finsternis) smegma, atos n. (gr.): Seife, Schmiere, Salbe soleus, i m.: Wadenmuskel (solea, ae f.: Seezunge, Scholle, Sandale) solitarius, a, um: allein stehend, einzeln -som: Suffix für Körper, Gebilde, Struktur (soma) soma, atos, n. (gr.): Leib, Körper; Zellkörper (= Perikaryon), kernnaher Bereich der Zelle ohne Zellfortsätze) Somatoagnosie: s. Asomatognosie somatotopisch: der relativen Lage der Körperteile entsprechend angeordnet (topos m.: Ort, Stelle) Somit m. (embryol.): Ursegment Somnolenz f.: krankhafte Schläfrigkeit (somnus, i m.: Schlaf) Sono-: Schall-, Ultraschall- (sono: tönen, schallen) sopor, oris m.: tiefer Schlaf spasmus, i m.: vermehrter Spannungszustand der Muskulatur mit federndem Widerstand bei passiver Bewegung (gr. spasmos m.: das Ziehen, Reißen; Krampf) spasticus, a, um: krampfartig, an Krämpfen leidend spatium, i n.: Raum sperma, atis n.: Samen, Keim, Samenflüssigkeit (gr. sperma, atos n.) -sphäre: Kugel (gr. sphaira f.: Kugel) sphen, sphenos m. (gr.): Keil sphex, sphekos m. (gr.): Wespe. Wahrscheinlich durch einen Abschreibefehler im Mittelalter wurde das Wespenbein (Os sphekoidale) zum Keilbein (Os sphenoidale) sphincter, eris m.: Schließer, Schnürer (gr. sphingo: zuschließen, einschnüren) spina, ae f.: Dorn, Stachel, Gräte, Wirbelsäule Spina bifida: Spaltbildung der Wirbelsäule (bifidus: zweigeteilt) spinalis, e: auf Wirbelsäule oder Rückenmark bezogen spinosus, a, um: stachelig, dornig; zur Spina gehörend

16 Glossar

splanchnicus, a, um: zu den Eingeweiden gehörend (gr. splanchnon n.: Eingeweide) splen, enos m. (gr.): Milz splenicus, a, um: zur Milz gehörend, Milzsplenium, i n.: Wulst, abgerundeter Bauch splenius, a, um: pflaster-, riemenförmig Spondylolisthesis f.: Wirbelgleiten (gr. spondylos m.: Wirbel; olisthesis f.: das Ausgleiten) Spondylose f.: Arthrose der Wirbelgelenke spongia, ae f. (gr. spongos m.): Schwamm, Pilz spongiosus, a, um: schwammig, porös Spongiozyt m.: Zelle mit schwammförmigem Zytoplasma (Zona fasciculata-Zellen der Nebennierenrinde) spurius, a, um: falsch, unecht sputum, i n.: Auswurf, ausgeworfener Speichel, Spucke squama, ae f.: Schuppe squamosus, a, um: die Schuppe betreffend, Schuppenstapes, edis m.: Steigbügel (stare: stehen; pes, pedis: Fuß) Stasis, Stase n.: Stockung, Stauung (gr. stasis, eos f.: Stehen, Stillstand) stato-: das Stehen betreffend, zum Gleichgewichtsorgan gehörend (gr. statike f.: Lehre vom Gleichgewicht) Statokonien: Gehörsand (gr. konia f.: Staub, Sand) Statolithen: Steinchen im Gleichgewichtsorgan (gr. lithos m.: Stein) stella, ae, f.: Stern Stellatum, i n.: Abk. f. Ganglion stellatum stellatus, a, um: „mit Sternen besetzt“, sternförmig stellula, ae f.: Sternchen Stenose f.: Verengung (gr. stenos: eng, schmal) stereo- (gr.): starr, fest, räumlich Stereotaxie, stereotaktisch: punktgenaue Ausschaltung bestimmter Hirnstrukturen durch ein Bohrloch in der Schädeldecke mittels eines Zielgerätes (gr.: taxis f.: Ordnung, Stellung; taktos: festgesetzt, angeordnet) Stereozilien: unbewegliche Zellfortsätze (cilium, i n.: Wimper, Flimmerhaar) sterilis, e: unfruchtbar, keimfrei Sternalpunktion f.: Anstechen des Brustbeins (Sternum) zur Gewinnung von Knochenmark (pungo, pupugi, punctum: mit einem spitzen Gegenstand stechen) sternum, i n.: Brustbein (gr. sternon n.: Brust) Stethoskop n.: Hörrohr zur Auskultation (gr. stethos n.: Brust, Herz, Inneres; skopeo: betrachten, untersuchen) stigma n. (gr.): Stich, Punkt, Wundmal, auffäll. Krankheitszeichen stoma n. (gr.): Mund, Öffnung, Mündung stomachicus, a, um: auf den Magen bezogen (gr. stomachos m.: Magen) Strabismus: Schielen (gr. strabizo: schielen) Strangulation f.: med.: Abklemmung innerer Organe (gr. strangalao: erdrosseln, durch Zuschnüren der Luftröhre töten) stratum, i n.: Decke; anat.: Lage, Zellschicht Streptokokken: Gattungsname für grampositive, unbewegliche Kettenbakterien (gr. streptos m.: Halskette; kokkos m.: Korn, Beere) stria, ae f.: Kerbe, Furche, Streifen striatal, striär: 1. das Corpus striatum betreffend; 2. die Area striata (primäre Sehrinde) betreffend striatus, a, um: gestreift, mit Streifen versehen

16 Glossar

stroma n. (gr.): Gerüst: anat. Grundgewebe von Organen und Geschwülsten Struma f.: Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf) oder anderer Drüsen (Ovar, Hypophyse, Nebenniere, Prostata) (struma, ae f.: Geschwulst, Drüsengeschwür) stylo-: zum Proc. styloideus gehörend styloideus, a, um: griffelförmig (gr. stylos m.: Griffel, Säule) Stylopodium: s. Acropodium sub-: unter-, zu wenig subiculum i, n.: kleine Unterlage sublingualis, e: unter der Zunge liegend submandibularis, e: unter dem Unterkiefer liegend substantia, ae f.: Bestand, Beschaffenheit, Vorrat, Substanz substituo, ui, utum: an die Stelle setzen, ersetzen succedaneus, a, um: nachfolgend (suc-cedo, cessi, cessum: folgen, nachfolgen) succus gastricus: Magensaft (sucus, i m.: Saft) sudor, oris m.: Schweiß sudorifer,-fera,-ferum: Schweiß bringend (ferre: tragen, bringen) suffizient: ausreichend (in Bezug auf eine Organfunktion) (sufficio, feci, fectum: genügen, ausreichen) sulcus, i m.: Furche, Rinne. Sulzifizierung: Entstehung von Furchen supercilium, i n.: Augenbraue superficialis, e: oberflächlich gelegen (superficies, ei f.: Oberfläche) supinatio, onis f.: Auswärtsdrehung von Hand und Fuß (supino: nach oben drehen) supplementär: ergänzend (frz. supplementaire: ergänzend; lat. supplementum, i n.: Ergänzung, Rekrutierung) supprimo, pressi, pressum: hinab-, unterdrücken supra: oben, oberhalb, über, übergeordnet supramarginalis, e: oberhalb des Randes befindlich supranukleär: funktionell oberhalb eines (Hirnnerven)Kerns supremus, a, um: höchster, oberster (sup. v. superus, a, um: oben befindlich) sura, ae f.: Wade (das dreiköpfige Muskelpaket, das dem Unterschenkel die Wölbung nach hinten verleiht) Surfactant(-Faktor): grenzflächenaktive Substanz in Lungenalveolen (Kunstwort aus engl. surface active agent) suspensorium, i n.: Aufhänger (suspendo, pendi, pensum: aufhängen) sustentaculum, i n.: Stütze (sustento: stützen, nicht sinken lassen) sutura, ae f.: Naht sym-, syn- (gr.): mit-, zusammensympathicus, a, um: sympathisch; anat.: sympathischer Teil des veg. Nervensystems (gr. pathos m.: Leiden) symphysis, is oder eos f.: Verwachsung; knorpelige Verbindung zweier Knochen (gr. symphyo: zusammenwachsen) Symptom n.: Krankheitszeichen (gr. symptoma, n.: Unfall, Eigenschaft) Synapse f.: Kontaktstelle zwischen Nervenzellen untereinander und zwischen Nervenzellfortsatz und Muskel-, Drüsen-, Sinneszellen (gr. synapsis, eos f.: Verbindung)

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Synarthrose: unechtes Gelenk, Fuge, Hafte (gr. arthron n.: Gelenk, Glied) synchondrosis, is f.: knorpelige Verbindung zweier Knochen (gr. chondros m.: Knorpel) syncytium, i n.: mehrkerniger Zellverband (gr. kytos m.: Zelle) syndesmos m. (gr.): Band, Verbindung, Fessel Syndesmose f.: Knochen durch Bindegewebe verbunden (gr.desmos m.: Band) Syndrom n.: Symptomenkomplex (gr. syndrome n.: Zusammenlauf, Anhäufung) Synergist: Zusammenwirken, gleichsinnig Wirken (z. B. von Muskeln) (gr. synergeo: zusammen arbeiten, mitwirken) Synkope f.: 1. Kollaps; 2. anfallsartige, kurzdauernde Bewusstlosigkeit bei Minderdurchblutung des Gehirns (gr. synkopto: zusammenschlagen, sich todmatt fühlen) synonym: bedeutungsgleich, -ähnlich (gr. onyma n.: Name, Bezeichnung) synopsis, eos (gr.) f.: Übersicht, Überblick Synostose: knöcherne Verbindung von Knochen (gr. osteon n.: Knochen) synovia, ae f.: Gelenkflüssigkeit, -schmiere (ovum, i n.: das Ei, eiweißartige Konsistenz [nach Paracelsus: „mit Eistoff“]) Syphilis f.: Lues venerea (lues, is: ansteckende Krankheit, Seuche; venereus, a, um: zur Geschlechtsliebe gehörend), harter Schanker; chron. Infektionskrankheit durch Treponema pallidum; im Stadium IV (Neurosyphilis) mit Tabes dorsalis und progressiver Paralyse des Gehirns. Der Name S. wurde erstmals in einem Gedicht von Fracastoro 1530 genannt, dessen Held Syphilus heißt und an S. leidet (arab. sifl: Weltkrankheit; gr. siphlos: verstümmelt; sys: Schwein; phileo: lieben) Syringomyelie f.: Höhlenbildung in der grauen Rückenmarksubstanz (syrinx, ingos f.: Röhre, Hohlraum, Hirtenflöte; klin. auch verwendet für Ohrtrompete; myelos m.: Mark, Gehirn) systole f. (gr.): das Zusammenziehen Szintigramm n.: durch Einwirkung radioaktiver Stoffe auf eine fluoreszierende Schicht erzeugtes Leuchtbild (scintillo: Funken sprühen, funkeln)

T Tabatière (frz.): Schnupftabakdose; Vertiefung am Handrücken zum Aufhäufeln einer Prise tabes, is f.: Fäulnis, Zersetzung tachys (gr.): schnell, geschwind tactus, a, um: berührt tactus, us m.: Berührung, Gefühl, Tastsinn taenia, ae f.: Strang, Streifen, Rissrand (gr. tainia f.: Band, Binde, schmaler Streifen) talus, i m.: Fußknöchel, Sprungbein Tamponade f.: das Ausstopfen (von Wunden) mit Tampons tanycytus, i m.: Ependymzelle mit langem, bis zur Blutkapillare reichendem basalem Zellfortsatz (gr. tany-: langgestreckt; v. teino: strecken, spannen, dehnen) tardus, a, um: langsam, verspätet, spät auftretend

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tarsalis, e: zur Lidplatte gehörend (tarsus) tarsus, i m.: Flechtwerk, Blatt, Hängematte; Bezeichnung für flache Gebilde; anat. 1. Lidfaserplatte, „Lidknorpel“ 2. Fußwurzel tectorius, a, um: eine Bedeckung bildend tectum, i, n.: Dach tectus, a, um: bedeckt, versteckt tegmen, inis n.: Decke, Bedeckung tegmentum, i n.: Decke, Helm, Haube tel-, telo-: End- (gr. telos n.: Ende, Ziel, Zweck) tela, ae f.: Gewebe, das Weben, Gewebeschicht telencephalon n.: Endhirn telodendron f.: Endbäumchen; feine Endverzweigungen des Axons oder der Dendriten (gr. dendron n.: Baum) Telophase f.: Endphase der mitotischen und meiotischen Kernteilung tempora, orum n.: Schläfen temporalis, e: zur Schläfe gehörend temporär: zeitweilig auftretend, vorübergehend (tempus, oris n.: Zeit, Zeitabschnitt; frz. temporaire: nur eine Zeit lang dauernd) tendo, inis m. (!): Sehne (tendo, tetendi, tentum: spannen, straff anziehen) tensio, onis f.: Spannung tensor, oris m.: Spanner -tentoriell: auf das Kleinhirnzelt (Tentorium cerebelli) bezogen tentorium, i n.: Zelt tenuis, e: zart, dünn terato-: Fehlbildung, Missbildung (gr. teras, atos n.: Zeichen, Wunder, Ungeheuer, Schreckbild) teres, etis (gr.): gerundet und glatt (gr. tero: abreiben, glätten, drechseln) terminalis, e: End-, Grenz-, zur Grenze gehörend (termino: begrenzen) terminatio, onis f.: Begrenzung, Abgrenzung, Schluss territorium, i n.: Gebiet, Bezirk tertius, a um: dritter testis, is m.: Zeuge vor Gericht, Hode; meist Plural testes, ium: Hoden Tetanie f.: schmerzhafter Muskelkrampf (gr. tetanos m.: Spannung) tetra (gr.): vier Tetrade f. (gr. tetradion n.): Vierzahl thalamus, i m.: Sehhügel (wegen der Verbindung mit dem Sehnerv) (gr. thalamos m.: Wohnung, Zimmer, Kammer) theca, ae f.: Kapsel, Hülle (gr. theke f.: Behältnis, Kasten) Thelarche f.: Beginn der Brustentwicklung (gr. thele f.: Brustwarze; arche f.: Anfang) thenar, aris n.: Daumenballen thoracalis, e: zum Brustkorb gehörend thorax, acis m.: Brustkorb (gr. thorax, akos m.: Brust, Brustkasten, Brustharnisch) Thrombose f.: Blutpfropfbildung; intravaskuläre, intravitale Blutgerinnung (gr. thrombosis f.: Blutgerinnung) thrombocytus, i m.: Blutplättchen thrombus, i m.: Blutpfropf, geronnenes Blut innerhalb eines Gefäßes (gr. thrombos m.: Klumpen, geronnene Masse)

16 Glossar

thymus, i: Bries, Thymus (gr. thymos m.: Lebenskraft, Seele, Gemüt. Im Altertum wurde der Thymus als Sitz des Gemüts angesehen) thyr(e)oideus, a, um: schildähnlich (gr. thyreos m.: Schild, großes Schild der Fußsoldaten; -ideus) thyro-: zur Schilddrüse bzw. zum Schildknorpel gehörend tibia, ae f.: Flöte, Schienbein tight junction (engl): dichte (undurchlässige) Verbindung; verengte Zell-Zell-Verbindungsstelle tinnitus, us m.: das Klingeln, Geklirr; med.: Ohrensausen, Ohrgeräusche tokos m. (gr.): Geburt, Geburtswehen -tomie, tomia: -schneiden, -schnitt; chirurg. Eröffnung (gr. tome f.: das Schneiden, Schnitt, Schärfe) tomo-: Schicht-, Schnitt- (gr. tomos m.: abgeschnittenes Stück, Schnitte) tonos, m. (gr.): 1. Spannung, 2. Ton tonotop: nach der Tonhöhe (Frequenz) angeordnet (gr. topos m.: Ort) tonsilla, ae f.: Mandel tonus, i m.: Spannung topographia f.: Lagebeschreibung (gr. topos m.: Ort; grapho: schreiben, aufschreiben) Torsion f.: Verdrillung, Verwindung; Achsendrehung eines Organs (torqueo, torsi, tortum: drehen, winden, foltern) tortuositas, atis f.: Schlingenbildung (tortus, us m.: Windung, Krümmung) torus, i m.: Wulst, Anschwellung totalis, e: vollständig, restlos, gesamt (totus, a, um: ganz) trabecula, ae f.: kleiner Balken (dimin. von trabs, trabis f.: Balken) trachea, ae f.: Luftröhre (gr. trachys: rau, uneben). Früher „Arteria [= Luftader] tracheia“ (wegen der Knorpelspangen in der Wand) tractus, us m.: Zug, Strang (von Muskel- od. Nervenfasern) tragi, orum m. plur.: Haare des Gehörgangs tragus, i m.: Ziegenbock, Bock; anat:. Erhebung vor der Öffnung des Gehörgangs Trajektorien f.: mathem.: Linien, die jede Kurve einer ebenen Kurvenschar unter gleichbleibendem Winkel schneiden; anat.: sich rechtwinklig kreuzende Spannungslinien als Orte großer Druck- und Zugbelastung in einem belasteten Körper; im Knochen durch entsprechend ausgerichtete Spongiosazüge manifestiert (traicio, ieci, ectum: hinüberwerfen, überschreiten, durchbohren) trans-: jenseits, überTransformation: Umwandlung, Umformung, Umgestaltung (transformo: umgestalten) transitorisch: vorübergehend, später wegfallend (transitorius, a, um: mit einem Durchfang versehen, Durchgangs-) Translation f.: 1. Vorschubbewegung; 2. Seitwärtsverschiebung; 3. Übersetzung (transfero, -tuli, -latum: hinüber tragen, versetzen, übertragen) translocatio, onis f.: Ortsverändung („hinüberstellen“) Transmitter m.: Überträgersubstanz (transmitto: etwas hinüber schicken) Transsudat n.: nicht entzündlicher, eiweißarmer Erguss in Körperhöhlen (sudo: schwitzen) transversus, a, um: quer verlaufend, quer liegend

16 Glossar

trapezius, a, um: trapezförmig (gr. trapeza f.: (viereckiger) Tisch) trapezoideus, a, um: trapezähnlich trauma, atis od. atos n. (gr.): Verletzung, Wunde trema n. (gr.): Loch, Öffnung tri- (lat./gr.): dreitriangulus, i m.: Dreieck trias, triados f. (gr.): Dreizahl, Dreiheit triceps, cipitis: dreiköpfig trigeminus, a, um: dreiwüchsig, Drillingstrigonum, i n.: Dreieck trimenon n. (gr.): Vierteljahr (3 Monate) triquetrus, a, um: dreieckig triticeus, a, um: Weizen-, weizenkornähnlich trochanter, eris m.: Rollhügel (gr.: trochazo: laufen, sich im Kreise drehen) trochlea, ae (trochilia, ae) f.: Winde, Rolle, Flaschenzug trochlearis, e: zur Rolle gehörend trochos m. (gr.): Rad -trop: gerichtet auf , drehend (gr. trepo: drehen, hinwenden, an etwas gehen, tropos m.: Richtung, Wendung) -troph, tropho-: -ernährend, Nähr- (gr. trepho: ernähren; trophe f.: Ernährung) trophoblast(us, i) m.: Außenwand der Blastozyste (Keimbläschen) (gr. blastos m.: Spross, Keim) truncus, i m.: Stamm, Rumpf, Hauptteil eines Organs tuba, ae f.: Trompete (gerades Blasinstrument mit trichterförmiger Öffnung) (gr. salpinx) tubarius, a, um: zur Tuba (auditiva) gehörend tuber, eris n.: Beule, Höcker tuberculum, i n.: Höckerchen, Buckel, knötchenförmige Schwellung tuberositas, atis f.: Rauigkeit tubulus, i m.: kleine Röhre, kleiner Kanal, Schlauch tubus, i m.: Röhre tunica, ae f.: Gewand, Hülle; Gewebeschicht turcicus, a, um: türkisch, Türkenturgor, oris m.: Spannungszustand, Flüssigkeitsdruck im Gewebe (turgeo: geschwollen sein, von Säften strotzen) tympanicus, a, um: zur Paukenhöhle gehörend tympanitisch: paukentonartig, „musikalisch“ tympanum, i n.: Trommel, Handpauke; Paukenhöhle Typologie f.: Einteilung nach Typen (Merkmalen) (gr. typos m.: Form, Gestalt, Bild, Mal)

U ulcus, eris n.: Geschwür, wunde Stelle ulna, ae f.: Elle ultimus, a, um: äußerster, letzter umbilicalis, e: zum Nabel gehörend umbilicus, i m: Nabel, Mittelpunkt umbo, onis m.: Nabel, Schildbuckel uncinatus, a, um: hakenförmig, Haken-, hakenartig gekrümmt uncus, i m.: Haken unguis, is m.: Nagel, Kralle uni-: ein- (unus, a, um: als Zahlwort einer, nur einer, ein Einziger, ein und derselbe) unilateral: einseitig, auf einer Seite (latus, eris n.: Seite)

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unipennatus, a, um: einfach gefiedert (penna, ae f.: Feder) universus, a, um: in eins gekehrt; gesamt ureter, eris m.: Harnleiter (gr. uron n.: Harn: tereo: aufbewahren) urethra f. (gr.): Harnröhre urogenitalis, e: die Harn- und Geschlechtsorgane betreffend (genitalis, e: zur Zeugung gehörend) urothel(ium) n.: Bezeichn. f. d. Übergangsepithel der Harn ableitenden Organe usura, ae f.: Nutzung, Abnutzung; z. B. Knochenschwund durch Druck („Rippenusuren“) uterinus, a, um: zur Gebärmutter in Beziehung stehend uterus, i m.: Gebärmutter utriculus, i m.: kleiner Balg, Schlauch (Vestibulum des Labyrinths, Prostata) uvea, ae f.: Weinbeere uvula, ae f.: kleine Traube; Gaumenzäpfchen

V vacuola, ae f.: kleiner Hohlraum, Bläschen vagina, ae f.: Scheide vagus, a, um: umherschweifend, umherstreifend (wegen des z.T. weit entfernt liegenden Versorgungsgebietes des N. vagus) valgus, a, um: krumm, nach innen gebogen (lateralkonkav, X-Krümmung) vallatus, a um: mit einem Wall umgeben vallecula, ae f.: Tälchen, kleine Einsenkung, Nische (dimin. von valles, vallis f.: Tal) vallum, i n.: Wall, Hautwulst valva, ae f.: Klappe valvula, ae f.: kleine Klappe, Teil einer Klappe varicosus, a, um: krampfadrig, krampfaderreich Varietät f.: Abart, Spielart (varietas, atis f.: Mannigfaltigkeit, Verschiedenheit) Varikozele f.: Krampfaderbruch des Plexus pampiniformis (gr. kele f.: Bruch) Varizen: Krampfadern (varix, icis f.: Knoten, Krampfaderknoten, Krampfader) varus, a, um: krumm, nach auswärts gebogen (lateralkonvex, O-Krümmung) vas, vasis n.: Gefäß, Blutgefäß Vasa vasorum: Gefäße der Gefäße; kleine Arterien und Venen in der Wand größerer Blutgefäße, deren äußere Schichten sie versorgen vascularis, e: die Blutgefäße betreffend vasculosus, a, um: gefäßreich (vasculum: dimin. v. vas: kleines Gefäß) Vaskularisation f.: Gefäßbildung, Durchwachsung mit Gefäßen Vasodilatation f.: Gefäßerweiterung (dilato: ausdehnen) vastus, a, um: sehr groß, plump Vegetationen: Wucherungen lymphatischer Gewebe (vegeto: wachsen) vegetativ: dem Willen nicht unterliegend velum, i n.: Segel vena, ae f.: Ader, Blutader, Saugader venosus, a, um: reich an venösen Blutgefäßen venter, tris m.: Bauch, Leib, bauchförmige Ausbuchtung

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ventralis, e: bauchwärts gelegen, zum Bauch gehörend, zur vorderen Seite, vorn ventriculus, i m.: Herz-, Gehirnkammer, Magen, Tasche (dimin. v. venter) vermiformis, e: wurmförmig vermis, is m.: Wurm vernix, icis f.: Firnis, Lack; Fruchtschmiere auf der Haut der Neugeborenen vertebra, ae (neulat.) f.: Wirbel (verto, versi, versum: wenden, drehen, kehren) verticalis, e: senkrecht, lotrecht, „Scheitel-linig“ (vertex, icis m.: Wirbel, Scheitel) verus, a, um: wahr, zutreffend vesica, ae f.: Blase, Harnblase vesicula, ae f.: Bläschen, blasenförmiges Organ vestibulär: zahnmed.: dem Vestibulum oris zugekehrt vestibularis, e: zum Vestibulum, i. e. S. zum Gleichgewichtsorgan gehörend vestibulum, i n.: Vorhof, Eingang, Vorhalle, Vorraum vibrissae, arum f.: Schnurrhaare; Haare im Nasenvorhof (vibro: zittern, schnurren) villosus, a, um: mit Zotten, zottig villus, i m.: zottiges Haar, Zotte vinculum, i n.: Fessel Virilisierung f.: Vermännlichung der Frau (virilis, e: männlich) viscera, um n.: Eingeweide visceralis, e: die Eingeweide betreffend, den Eingeweiden aufliegend viscosus, a, um: klebrig, zäh (viscum, i n.: Mistel, Vogelleim) visuell: das Sehen betreffend (visus, us m.: das Sehen; frz. visuel: Gesicht-, Seh-) vitellinus, a, um: zum Dotter, zum Dottersack gehörend (vitellus, i m.: Eidotter) vitreus, a, um: gläsern vocalis, e: klangvoll, singend vola, ae f.: die Hohlhand voluntas, atis f.: Wille, Absicht vomer, eris m.: Pflugschar, Pflug vortex, icis m.: Wirbel, Strudel vulgaris, e: alltäglich, gewöhnlich

X Xerophthalmie f.: Austrocknung der Hornhaut des Auges (gr. xeros: trocken, dürr; ophthalmos m.: Auge) xiphos n. (gr.): Schwert

Z (siehe auch unter C und K) -zele f.: -bruch (gr. kele f.: Bruch) Zement n. (!), cementum, i n.: äußere Schicht, die die Zahnwurzel als Teil des Parodontiums bedeckt zentroazinär: im Zentrum eines Azinus gelegen zephal: s. cephalicus zervikal: zahnmed.: am Zahnhals Zeugopodium: s. Acropodium (gr. zeugos n.: Gespann, Paar; i.S. des Knochenpaars in Unterarm und Unterschenkel) zirkadian: einen biologischen 24-Stunden-Rhythmus aufweisend (circum: rings um; dies, ei m.: Tag) Zirkannualrhythmus: Jahresrhythmus (annus, i m.: Jahr; gr. rhythmos m.: Takt, Regelmäßigkeit) Zirkumduktion: Herumführung (circumduco, -duxi, -ductum: im Kreise herumführen) Zirrhose f.: chron. interstit. Entzündung mit Bindegewebswucherung und nachfolg. Schrumpfung; gelbe Verfärbung durch Gallenfarbstoffe und Fett (gr. kirrhos: gelb) Zölom n.: s. coelom zonula, ae f.: dimin. zona, ae f.: Gürtel, Zone zoon n. (gr.): Lebewesen, Tier zoster, eris m. (gr.): Gürtel Zyanose (Cyanosis) f.: blaurote Färbung infolge mangelnder O2-Sättigung des Blutes (gr. kyaneos: blau) zygomaticus, a, um: zum Jochbogen gehörend (gr.: zygoma, atos n.: Jochbogen) zygon n. (gr.): Joch, Steg, Paar Zygote f.: befruchtete Eizelle mit diploidem Chromosomensatz (gr.: zeugnymi: vereinigen) zymogen: Gärung bewirkend (gr. zyma n.: Sauerteig, Hefe, Gärung; -gen: erzeugend) Zyste f.: s. kystis zyto-, -zyt: Zelle s. cyto-, -cyt; kytos Zytoarchitektonik: Strukturierung der Hirnrinde aufgrund zytologischer Merkmale (s. Architektonik) Zytopempsis f.: transzellulärer Stofftransport in Vesikeln (gr. pempsis f.: Aussendung, das Schicken) Zytoplasma n.: Zellleib um dem Zellkern (gr. plasma n.: Gebilde) Zytosol n.: lösliche Bestandteile der Zelle (kytos: (hier) Zelle; solutum: das Gelöste) Zytostatikum n.: chem. Substanz, die die Kernteilung und Zellvermehrung hemmt (gr. stasis f.: Stillstehen) zytotoxisch: zellvergiftend, -schädigend (gr. toxon n.: Bogen, Pfeil, i. w. S. (Pfeil-)Gift)

Register

A vor der Seitenzahl = Abbildung, T = Tabelle

A A.c.a. 450 A.c.c. 450 A.c.e. 450 A.c.i. 450 A-alpha-Afferenz A495, A495 A-alpha-Fasern A516, 482, 492, 493 Abduktion 14, 35,37 Abduktion-Adduktion, Kiefergelenk 14, 222, 231, 233 Abduzensparese 420, 465, A465 A-beta-Fasern 482, 492 Abfaltungen 146, 148, A149, 150, 151, 165 Ablatio retinae 566, 567 Abnabelung 158 Abort 114, 120, 136, 167 ABP 122 Absorptionsspektrum 569 Abstillen 788 Abszess, epiduraler 602 – paranephritischer 1005, 1013 – paratonsillärer 302 – retrobulbärer 218 – subduraler 602 – palatinaler 301 Abwehr, erste Reihe 83 – humorale A83 – spezifische 82, A83, 83 – unspezifische 82, A83, 83, 981 – zelluläre A83 – zweite Reihe 83 Abwehrmilz 981 Abwehrspannung 110, 913 Abwehrspannung, reflektorische 932 Abwehrstoffe, lösliche 83 Abwehrstrategien 82 Abwehrwege A83 Accessorius spinalis 265 Accessorius vagi 265 Acervulus 405, 549, 550 Acetabulum 1027, 1028, A1034, A1046, 1110, 1113, 1114, 1148 Acetylcholin 493, 505, T508, 527

Acetylcholinrezeptoren A494 Achalasie 893, 895 Achillessehne 1108, 1153, 1162, 1197, A1203, 1204 Achillessehne, Fettkörper A1152, 1162, A1164, A1201, 1204, A1204 – Gefäßversorgung 1204 Achillessehnenreflex 494, 1081 Achillessehnenruptur 1205 Achondroplasie 122, 1100 Achse, horizontale 12 – longitudinale 12 – optische 571 – sagittale 12 – transversale 12 – vertikale 12 Achselbögen, muskuläre 646, 740 Achselfalten 784 Achselgrube 739 Achselhaare 1223 Achselhaut 739 Achselhöhle 739, 740, 791 Achsellücken A698, A742, 742, 746 Achselschweiß 739 Achsen 9, A11, 12, A12 Achsenorgan 140, 142, 643 ACI 444 Acini pancreatici 975 Acromion A630, 644, 654, A659, 660, A662, 672, 673, A673–A676, 695, A697, A698, A701, A737, 781 Acropodium 657, 1099 ACTH A547, 1018 Adamantoblasten 282 Adamsapfel 17, 325, 347 Addison-Krankheit 1019 Adduktion 14, 35, 37 – Kiefergelenk 14 Adduktoren A1147 Adduktorenkanal 1193 Adduktorenloge 1184, 1193 Adduktorenschlitz 1166, 1187 Adelmann-Beugung 756 A-delta-Fasern 482 Adenin 116 Adenohypophyse 122, 128, 130, 136, 411, 544, 545,

546, A546, A547, 548, A549, 788 – Entwicklung 155 Adenotomie 602 Aderhaut 551, A554, A560, 560, 566 Aderhautmembran, elastische 563 ADH 545, A547 Adhaesio interthalamica A371, A378, A384, 406, A436, A441, 442 Adie-Syndrom 574 Adipositas 544 Adipozyten 81 Aditus (Antrum mastoideum) 600 Aditus larynges A273, A304, 309, A332 Aditus orbitae 217, 218 Adiuretin 545 Adminiculum lineae albae 912, A915 Adnexe 1060 Adnexerkrankung 1002 Adrenalin 57, T508, 544, 1019 Adrenogenitales Syndrom 1019 Adventitia 53, A59, 59, 60, 62 Adventitia tracheae A836 AEP 471 Affenhand 733 Afferenzen 96 – dopaminerge 505 – glutamaterge 505 – sensorische 91 Afferenzkopie 484, 509, 515 AFP 173 After A1062 Afterepithel, Entwicklung 155 Ag 83 Ag-Ak-Komplex 85 A-gamma-Fasern 482, A516 Agenesie 168 Ageusie 480 Agger nasi A317 Aggregation 115 Aggressionsverhalten 526 AGM-Region 77–79 Agnosie 538, 542 – akustische 540

– auditive 473 – optische 461, 540 Agonisten 45 Agraphie 461 AIDS 86, 163 Ak 84, 85 Akinese 506 Akkommodation 467, 551, A562, 562, 563, 574 Akkommodationsapparat 551 Akkommodationsreflexe 573 Akne vulgaris 588, 1224 Akranie 186, A187 Akren 17, 56, 65 Akromegalie 548 Akrosin 132 Akrosomkappe 123, A124, 125 Akrosomreaktion A124, 132, A133 aktive Insuffizienz 1150 Aktivierungsfunktion 409 Akupunktur 796 Akustikus-Neurinom 420, 471, 477 akustisches System 469 akutes Abdomen 110 Akzeleration 20 Ala major ossis sphenoidalis 179, A180, A181, A190, 192–194, A195, A207, 208, 210, 211, A217, 218, 220, 302 – minor ossis sphenoidalis 179, A180, 192, 193, 194, A195, 209, A210, A217, 218, A316 – nasi 314 – orbitalis A179, 179 – ossis ilii A1028, 1028, A1112, 1142 – temporalis A179, 179 Alae vomeris 201 Albinismus 561 Alcock-Kanal A1041, A1042, A1044, 1048, A1097 Alexie 461, 541 Algesie 433 Alkoholembryopathie 169 Alkoholfetopathie 163 Allantois A140, 142, 149, A149, A150, 151, 165

Register

1262 Allantois-Divertikel 142 Allantoisgang 153, 1056 Allantoisgefäße 148 Allantoisplazenta 142, 148 Allergene 73 Allergie 73 allergische Reaktion 74 allgemeine Anatomie 15 Allocortex 93, 368, 528 alpha-Amylase 277 Alphafetoprotein 173 Alpha-Granula, Thrombozyten 76 alpha-Motoneuron 356, 403, 426, 474, 475, 490, A491, 492, A495, A500, 502, 509, 516, A516, 517 Alport-Syndrom 593 Alternanssyndrome 423 Altersbestimmung 172 – embryonale 147 Altershaut 1221 Alterskyphose 642 Altersosteoporose 1116 Altersschwerhörigkeit 623 Alterssichtigkeit 564 Altersstar 563 Alveolarbogen 205 Alveolarepithel 21, 837 – Entwicklung 155 Alveolarfortsatz 205 – Atrophie A189 Alveolarknochen A288, A294, 295 Alveolarmakrophagen 75, 83 Alveolarporen 837 Alveolarseptum 837 Alveolarwand A838 Alveolen 788, 830 , 837 Alveolenwand 284 Alveoli dentales A204, 205, 287, 300 Alzheimer-Krankheit 522, 525, 527, 530 Amaurose 458, A459 Amboss 182, 592, 598, A603, 603, 604, 606 Ambossband 603 Ambossfalte 605 Ambosskörper 603 Ambossschenkel 603 Amboss-Steigbügel-Gelenk 604 Amelie 658 Ameloblasten 282, A285, 289 Amelogenesis imperfecta 285 Amenorrhö 121 Ametropie 564 Ammenzellen, Thymus 888 Ammonshornsklerose 375, 530 Amnesie, anterograde 531 – retrograde 531 Amnioblasten 138 Amnion 84, A151, 161, A162, 165, A359 Amnionepithel 151, A358

Amnionflüssigkeit 164, 1219 Amnionhöhle 138, 139, A139, 141, 142, 144, A146, 146, A149, 163– 165, A164, A166, 173, A358, A841, Amnionstränge 169 Amnionzellen 164 Amnioskopie 164 Amniozentese 173, A174 Amotio retinae 567 Amphiarthrose 35, 688, 1031, 1135, 1136 Ampulla anterior 473 – ductus deferentis A1061, 1088, 1089 – hepatopancreatica A966, 966 – lateralis 473 – membranacea 615 – ossea 613, A624 – posterior 473 – recti A1050, 1051, 1052 – tubae uterinae 132, A1065, 1066, 1067, A1068, A1069 – urethrae 1094 Ampulle, Vestibularorgan A616, 618 Amygdala T382, 396, 478, 506, A522, A523, A524, 525, A530, 538 – basolaterale Zellgruppe 524 – kortikomediale Zellgruppe 524 – Nucleus basilateralis A526 – Nucleus centralis A526, A526 Anaesthesia dolorosa 409 Analatresie 121 Analfissur 1051 Analgesiesystem zentrales 519 Analkontinenz 1053 Analreflex 496 Anämie, perniziöse 72, 274 – fetale 173 – renale 1013 anämischer Infarkt 67 Anaphase, Meiose A119 – Mitose 118, 120 Anaphylaxie 73 Anastomosen A51, 64, 66, A66 Anastomosen, Arteria carotis 244 – arterielle 65, 832 – arteriovenöse 64, A65, 66, 556, 587, 993, 1051, 1225, 1226 – interkavale 886 – kavokavale 455, 886, 920, 1023, A964 – Nerven 96 – portokavale 895, 920, 921, A964, 964 – venöse 66 Anastomosis mutua 96 – simplex 96

Anatomie am Lebenden 3 – Arbeitsgebiete 1 – Definition 1 – deskriptive 2 – Einteilung 1 – funktionelle 3 – Geschichte 9 – invasive 3 – klassische 7 – klinische 3, 4 – makroskopische 2, 6, 9 – mikroskopische 2 – molekulare 2 – pathologische 4 – plastische 3 – systematische 2 – topographische 2 – und Naturwissenschaft 3 – vergleichende 1 – Zielsetzung 1 anatomische Endarterie 65 – Normalstellung 37 Androgen bindendes Protein 122 Androgene A547, 1086, 1224 Androsteron 1018 Anenzephalie 186 Anenzephalus 145, A145, 158, 168, 359 Aneuploidie 120 Aneurysma 59, 66, 439 – arteriovenöses 66 angeborene Krankheiten 167 Angina pectoris 54, 59, 110 Angioblasten 841 Angio-MR 447 Angiotensin II 57 Angulus acromii A659 – arcuum costarum 798 – costae 651, 796, A796, A798, 798, A810 – frontalis ossis parietalis A196, A197 – inferior scapulae A630, 646, A647, A673, A694, A659, 659, 696, A698, A737, A745, 784 – infrasternalis 798, A887, 957 – iridocornealis 559, A579 – lateralis scapulae A659, 660, A673, 695 – mandibulae A189, 203, A204, T206, 222 – mastoideus ossis parietalis A196, A197 – occipitalis ossis parietalis A196, A197 – oculi lateralis 581, A582 – – medialis 581, A582 – sphenoidalis ossis parietalis A196, A197 – sterni (Ludovici) 783, 795, 795 – subpubicus A1034, 1035, 1042, 1094 – superior scapulae 646, A698

Angulus venosus A89, 90, 252, 729, A898 – – dexter A884 – – sinister A896 Anhidrosis 468 Aniridie 554 Anisokorie 464, 574 Ankylose 32 Anlagerungsgelenk 32, 221 Anmionepithel A160 annular pulleys 719 Anomalien 167 – Venen 848 Anorexie 544 Anosmie 479 Anotie 593 ANP 57, 841 Anpassungsfähigkeit, Knochen 24 Anpassungswachstum 20 Ansa cervicalis, Radix inferior A246, 266, A267, A270, 345 – – Radix superior A246, A266, 266, A267, A310, A344, 345 – – (profunda) A246, 266 – – (Vieusseni) 236, 237, 243, 268, A270, 351 – – superficialis A246, 262, 267, 343 – Galeni 265, 336 – nervi hypoglossi 236, 266 – peduncularis A400 – subclavia A339, 350, A817, A861, A872, A879, 898 – thenaris 733 – thyroidea A310, A339, 350 Ansatz 41 Ansatzrohr 337 Antagonisten 43 Antagonistenhemmung 493 Antebrachium 657 Anteflexio uteri A1070, 1070 Antepositio uteri 1071 anterior 13 anterolaterales System 483, T488 Antetarsus 1202 Anteversio uteri A1070, 1070 Anteversion 35, 37 Anthelix 594, A595 Anthropologie 2 Antiatelektasefaktor 173 Anticus 329 Antigene 311 Antigen-Eigenschaften 84 Antigen-Kontakt 83, 85 Antigenpräsentation 80, 435 Antigen-Rezeptor 85 Antigenstimulation 84 Antihelix 594, 596 Antikörper 73, A83, 83, 84, 85, 311 – sekretorischer 90 Antikörper-Bildung 86

Register Antikörperspezifitäten 85 Antikörper-Struktur 85 Antikörper-Synthese 85 Antimeren 12, 15 Antitragus 594, A595 Antrotomie 188, 613 Antrum folliculi A1065 Antrum mastoideum 200, 596, 600–602, A602, A606, 606, 610, 613, A625 – pyloricum 945, A946 – sinus maxillaris 322 anulospirale Nervenendigung 46 Anulus femoralis 917, 1191 – fibrosus 427, 638, A638 – – dexter 855, A859, 859 – – sinister A859, 859 – inguinalis profundus A910, A914, 914, A915, 918, A924, A1060, 1086 – – superficialis 905, A906, A908, A909, A910, A916, 918, A924, A925, A926, 927, 1088, A1161 – iridis major A565 – – minor A565 – lymphoideus pharyngis 311 – tendineus communis (Zinn) A572, 575, 576, A576, A579 – tympanicus A181, 188, 197 – – fibrocartilagineus 598, 599, 600 – – osseus 598 – umbilicalis 912 Anus 55, A1039, A1043, 1052, A1060, 1224 Aorta A50, 50, 52, 55, 56, 58, 64, 67, A78, 78, 90, 104, A147, A451, A653, 804, A805, 807, A814, A842, A846, A851, A853, A856, A860, A869, A876, A889, A934, A1006 – dorsale A847, 848, A849 – Entwicklung 77 – reitende A846 – ventrale 848, A849 Aorta abdominalis A68, A877, A915, A936, A972, 1021, A1022, A1053, A1079, 1165, A1167 – ascendens 67, A817, A832, A840, 842, 845, A846, A849, A852, 852, A855, A861, A862, A864, A870, A872, A878, 878, A879, A880 – descendens 67, A450 – dorsalis A359 – thoracica A68, 69, A809, A817, A832, A840, A872, A877, 880, A884, A898 Aorta-GonadenMesonephros-Region 77, A78 Aortenaneurysma 880

1263 Aortenbogen 69, 108 Aortenbögen I-VI 845, A847, 848, 849, T849 Aortenenge 892 Aortenisthmusstenose 121, 849, 850, 882 Aortenklappe 858, A876 Apatitkristalle 289 Apertura canaliculi cochleae 199 – – vestibuli 199 Apertura ductus nasolacrimalis 315 – externa aquaeductus vestibuli A198 – – canaliculi cochleae A198, A199, 615 – interna canalis carotici 211 – lateralis ventriculi IV, Luschkae 364, 435, 442 – mediana ventriculi IV, Magendii 364, 423, 441, 435 – pelvis inferior 1035 – – superior 1035 – piriformis A200, 200, 313 – sinus sphenoidalis 193, A317 – thoracis inferior 783 – – superior 781, 839 Apex capitis fibulae 1104, A1104 – cartilaginis arytenoideae 327 – cordis A852, A853, A862, A867 – dentis 287, A288, A633 – linguae 272, A319 – nasi 314, 317 – ossis sacri 635, A636, 1032, 1037 – partis petrosae A198 – patellae A1102 – pulmonis 822, A824, A825 – vesicae 1056 Aphasie, motorische 541 – sensorische 541 apicalis 13 Aplasie 168 apokrine Drüse 1225 Aponeurose A42, 43 Aponeurosis dorsalis, Lamina triangularis A718 – – Tractus intermedius A718 – – Tractus lateralis A718 – – digiti manus A705, 717, A718, A719, A769 – – pedis 1137 – glutea 1160, 1182 – linguae 47, 273, 275 – lumbalis 1019, A1020 – musculi bicipitis brachii 700, A701, A702, A708, A747, 751, A752, A753 – – obliqui externi abdominis 905 – – – interni abdominis 907

Aponeurosis palatina 301, 302 – palmaris 711, 716, A762, 764, A766, 767 Fasciculi longitudinales A708 Fasciculi transversi A708 plantaris A1129, 1137, A1154, 1157, A1158, 1163, A1164, 1205, A1206 stylopharyngea A352, 352 thoracolumbalis 646 Apophyse 27, 28, 29, 41, 1109 Apophysenfugen 1102 Apophysis anularis 29 Apoptose 24, 115, 128 Apoptosezone interdigitale 657 Apostasis 596 Apparat juxtaglomerulärer 1012 Apparate 21 Apparatus lacrimalis 585 Appendices epiploicae 982, A983, 988, A997, 997 vesiculosae A1063, 1064, A1065 Appendix, Lage 1002 epididymidis 1062, A1063, 1087 – fibrosa hepatis 955, A955, A956 – omentalis A997 – testis 1062, A1063, A1084, 1086 – ventriculi laryngis 333 – vermiformis 2, 91, 934, A935, 936, 982, 988, A995, A998, 1002, 1066 Appendizitis 110, 913, 1002 Applanationstonometer 559 Approximalflächen 296 approximalis 13 Apraxie 538 APUD-System 339, 835, 948 Aquäduktstenose 373 Aquaeductus A436 – cerebri – cochleae 593, 615 – mesencephali (cerebri) A364, 366, A371, 378, T382, A383, A392, A393, 410, A414, 441, A441, 443 – vestibuli 612, 615, 618, A624 Äquationsteilung 120 Äquatorialebene, Mitosespindel 132, 134 Äquatorzone der Linse 563 Arachnoidalzotten 434, 437 Arachnoidea mater 427, 433, 434, A434, A438 – – spinalis A427, 439, A440 Arantius 52 ARAS 484, 518, 519 Arbeitsplatz-KonzentrationsWerte 9

Arbor vitae cerebelli A392, A513 Arcade exorenale A1017 Archicerebellum A366, 510, A510, 515 Archicortex 93, 368, 379, T397, 397 Archipallium 368 Architektonik 92, 93 Arcus anterior atlantis A633, 633 – aortae 67, A68, 69, A310, 336, A815, A832, A833, A852, A872, A874, A875, A877, 878, A880, A898 – axillaris 740 – brachialis 740 – cartilaginis cricoideae A319, A326, 327, A331 – costalis A693, 798 – iliopectineus A916, 917, 1160, A1191 – – lateralis A805, 805, A1020, 1021, A1146 – – medialis A805, 805, A1020, A1146 – palatoglossus A271, 300, 302, A304, 309, A352 – palatopharyngeus A271, 300, 302, A304, A305 – palmaris profundus 69, 714, 715, A721, 722, 723, A731, A765, 766 – – superficialis 69, 715, A721, 723, A753, A762, A765, 766 – palpebralis inferior A580, 583 – – superior 583 – plantaris 1157, 1206–1208 – – profundus 1157, A1168, 1169, 1170, A1207 – posterior atlantis A633, 633, A655, 655 – pubicus A1034, 1035, 1042 – superciliaris A190, 190, 191, A192, T206 – tendineus fasciae pelvis A1039, A1040, 1045, 1058 – – musculi levatoris ani 1038, A1039, A1040, 1040, A1041, A1044, 1048 – – –solei 1153, 1162, 1169, 1198 – venosus dorsalis pedis 1170 – – juguli 243, A250, 252 – – palmaris profundus 727 – – plantaris 1172 – vertebrae 632, A634 – zygomaticus A189, A207, A226, 231, A232, 233 Area 1 498 Area 2 A476, 476, 477, 498 Area 3 401, A476, 498, 504, 533 Area 3 401, A476, 498, 504, 533 Area 3a 476, 498

Register

1264 Area 4 497, A497, 498, 501, 502, 536 Area 5 A497, 504, 537 Area 5a 504 Area 5b 504 Area 6 497, 498, 502, 504 Area 7 A497, 498, 504, 537, A542 Area 8 462, A466, 498, 502, 504, 538 Area 17 377, 401, 404, 459, 460, 462, A466, A533, 533, A542 Area 18 377, A407, 409, 459, 462, A466, A542 Area 19 377, A407, 409, 459, 462, A466, A542 Area 22 472, A472, 540 Area 23 504 Area 24 504 Area 28 T397, 398, 528, 540 Area 35 540 Area 39 540 Area 40 540 Area 41 471, 472, A472, 533 Area 42 471, 472, A472 Area 44 A497, 540 Area 45 A497 Area 46 502 Area centralis, Retina A571 – cingularis 398 – cochleae 615, A626, 627 – cribrosa 456, A1006, A1007, 1007 – entorhinalis 368, 396, 397, 398, 401, 478, 522, 528 – gastrica 947, A948 – intercondylaris 1122 – – anterior 1103, 1118, 1120, A1128 – – posterior 1103, 1121 – interpleurica inferior 818 – interpleurica superior 818 – nervi facialis 608, A626, 627 – nervosa plexus cervicalis 267 – nervovasculosa 41 – nuda A944, 955, A956, 957, 957 – olfactoria 477 – paeoptica A526 – postrema 417, 423, A520, 521, 548, A549 – praepiriformis 478, A478 – praetectalis 402, 405, 458, 462, 467, 468 – radicularis anterior 426 – retrosplenialis 398 – saccularis A626 – septalis 396 – striata 404, A457, A459, 460, 533 – subcallosa A371, 379, 398 – tegmentalis ventralis 504, 518 – utriculoampullaris A626 – vestibularis A412, 417

Area vestibularis inferior A626, 627 – – superior A626, 627 Areal, supplementärmotorisches 409, 497, 504, 537 – ventrales tegmentales 506 – zinguläres motorisches 504 – „der letzten Wiesen“ 447 Areale, motorische A497 – prämotorische 504 – primär motorische 491, 498, 534, 537 – primär sensorische 534 Areola mammae A786, A787, 787 Argyll-Robertson-Pupille 467 Arkade 65 Arm, Entwicklung 657 Armknospen 154 Armnervengeflecht 97, 729 Armplexus, Lähmung 743 Arndt-Schultze-Regel 30 Arnold-Chiari-Syndrom 188 Arrosion des lateralen Bogengangs 627 Arteria(-ae) adiposa ima A1017 – alveolares superiores A245 – – – anteriores 249 – – – posteriores A219, 249, A586 – alveolaris anterior 295 – – inferior 203, A219, A245, 249, 295 – – posterior 295 – angularis A245, 247, A248, A261, 342 – appendicularis 982, A995, 999, 1002 – arcuata, Fuß 1169, 1208, A1209 – – Niere 1010, A1010, A1011 – auricularis anterior 597 – – posterior A245, 247, A261, 342, 597, 606 – – profunda 222, 249, A594, 597, 599 – axillaris 69, A694, 700, 720, A721, 739, A741, 746, 789, 790, 793 – basilaris 213, A310, A319, A320, A385, A392, A436, 444, A444, 446, 627, 881 – brachialis 68, 69, 664, 700, A701, 707, A708 A710, 720, A721, 722, 746, A747–A748, A752, A753, 755, A877 – – superficialis 749, 756 – – Unterbindung 722 – buccalis A245, 249 – bulbi penis A1053, 1096, A1097 – – vestibuli 1083, A1083 – caecalis anterior 987, 999

Arteria(-ae) caecalis posterior 999, A1017 – callosomarginalis 445 – canalis pterygoidei 220, 244, 249 – capsulae adiposae 1017 – caroticotympanica 244 – carotis 56, 109 – – communis 58, A68, 69, A226, A241, 243, 244, A245, A246, A266, A267, A270, A338, A339, A344, 345, 346, 350, 450, 634, A832, A840, 850, A851, A852, A874, A877, 878, A879, A887, A898 – – – Teilungsstelle 346 – – externa A68, 69, A219, A226, A245, 245, A246, 247, A259, A266, A271, 278, A310, A344, 346, A352, 450, 597, 606, 654, 848, A849, A877 – – interna A68, 69, 208, 211, A212, 244, A245, A246, A266, A271, A310, A344, 345, 346, A352, 352, A411, 437, 443, 444, A444, 445, A448, 450, A580, A585, A586, 587, A594, 599, A608, A625, 848, A849, A877 – – – Stenose 444 – caudae pancreatis A974, 975 – centrales A448 – – anterolaterales 445 – centralis retinae 65, A554, 572, 573, A579, 587 – cerebelli inferior 420 – – – anterior A444, 446, 627 – – – posterior A444, 446, 881 – – posterior inferior 468 – – superior A310, A444, 446 – cerebri anterior A245, A371, 373, A388, A444, 445, A446–A448, 450 – – media A245, 375, A388, A436, 445, A446–A448, 450 – – posterior A310, 444, A444, A446, 446, A447, 447, 450, 459 – cervicalis ascendens 238, A270, A339, A348, 350, 351, 351, A450, 883 – – profunda 350, A655, 655, 883 – – superficialis A339, 349, 644, 883 – choroidea anterior A444, 445, A446 – – posterior 446 – ciliares anteriores 553, A554, A560, 573, 584, 588

Arteria(-ae) ciliares posteriores breves A554, A560, 566, 573, A585, A586, 588 – – – longae 553, A554, A560, 561, 573, 588 – circumflexa femoris lateralis 1148, 1166, A1167, A1190, A1192 – – – medialis 1144, 1147, 1166, A1167, 1187, A1192 – – humeri 700 – – – anterior A721, 722, A741 – – – posterior 695, 703, A721, 722, A741, 744, A745, A750, 883 – – ilium profunda 910, A915, 920, 931, 1166, A1167 – – – superficialis 920, A922, 1166, A1167, 1189, A1190 – – scapulae 695, 696, 720, A721, A741, A745, 746, A750, 883 – clitoridis A1083 – colica dextra A995, 999 – – media 65, A985, A995, 999 – – sinistra 65, A939, A985, 999 – collateralis media A721, 722, A748, A750, A758 – – radialis 713, A721, 722, A748, A750, 755 – – ulnaris 700, 703 – – – inferior 712, A721, 722, A747 – – – superior 712, A721, 722, A747, A748, A750, A753, 755, 756 – comitans nervi hypoglossi 345 – – – ischiadici 1170, A1183, 1184, 1187 – – – mediani 723, 755, A757 – communicans anterior 444, 445 – – posterior A310, 444, A444, 445, 446 – conjunctivales posteriores A560 – coronaria 58 – – dextra 67, A859, A862, A864, 864, 865, A865– A867, 878 – – sinistra 67, A859, A862, 863, A864–A866, 878 – corticalis radiata 1012 – cremasterica 1086, 1088 – cubitalis 69 – cystica 968, A969, 971 – descendens genus 1166, A1167, A1190, A1192 – – scapulae 745 – digitales dorsales 723, 770

Register Arteria(-ae) digitales digitales palmares communes A708, A721, A762, A765, A766, 723 – – – propriae A690, A708, A721, 723, A769 – – dorsalis propria A768 – dorsalis clitoridis A1079, 1083, A1083 – – linguae 302 – – nasi 315, 342, 587 – – pedis 1156, A1164, A1167, 1169, 1198, A1201, 1202, 1206, 1208, A1209 – – penis A925, A1043, A1053, A1095, 1096, A1097 – ductus deferentis A1053, 1086, 1088, 1090 – epigastrica inferior 881, 908, 910, 911, A914, A915, 915, 920, A922, 931, 1086, 1088, 1166, A1167, 1191 – – superficialis 920, 1166, A1167, 1189, A1190, A1192 – – superior 807, 881, A882, 908, 911, 920, A922, 931, 1166 – episcleralis A560 – ethmoidalis anterior 191, 209, 318, A319, A320, 320, 325, 438, A585, 588 – – posterior 191, 319, 325, A585, 588 – facialis 59, A219, A226, 230, 234, A245, A246, 247, A248, 249, A261, A270, A271, 280, A281, 295, A310, 315, 342, 343, A344, 344, 346 – femoralis 58, A68, 69, A877, A908, A909, A910, 920, A925, A1040, A1145, A1146, 1148, 1160, A1162, 1166, A1167, A1168, 1184, 1189, A1190, A1191, 1191, A1192 – – Unterbindung 1166, 1187 – – profunda 69 – fibularis (= peronea) A68, 70, A877 – gastrica dextra A949, 970 – – posterior A949, 950 – – sinistra 69, 895, A934, A939, 943, A949, 949, A969, A972, A1022, A1024 – – breves A949, 950 – gastroduodenalis A949, A969 – gastroomentalis dextra A949, 949, A969 – – sinistra A949, 949, A969

1265 Arteria(-ae) glutea inferior A1040, 1048, A1053, 1142, 1144, A1167, A1168, 1170, A1183, 1184, A1186, 1187 – – superior A1040, 1048, A1053, A1079, 1142, A1167, A1168, 1170, A1183, 1183, A1186 – helicina 59 – helicinae penis 1096 – hepatica A960 – – communis 69, A934, A939, A949, A969, A972, A1022, A1024 – – media 962 – – propria A50, A935, A949, A956, 962, A969, 970 – – – Variationen A963 – hyaloidea A553, 553, 554, 566 – hypophysialis inferior 244, 325, A546, 548 – – superior 244, A546, 548 – ileales A995, 995 – ileocolica 994, A995, 999 – iliaca communis 67, A68, 69, A877, A915, A939, A985, 1021, A1022, A1053, A1079, 1165, A1167 – – externa A68, 69, A877, A914, A915, 920, A1022, A1049, 1054, A1079 – – interna 52, A68, 69, 849, A877, A915, A1022, A1046, A1049, 1052, 1080 – iliolumbalis 920, A1022 – infraorbitalis 230, A245, A248, 249, 315, 325, A582, A586, 587 – insulares A436 – intercostales 16, 691, 695, 789, 818, A882, A884, 910 – – posteriores A68, 69, 450, A450, 648, 654, 793, 801, 802, 803, A813, A814, A817, 819, A840, A877, A879, 880, 883, 920, 931, A1020 – intercostalis suprema 350, 819, A879, 883 – – XI 908 – – Ramus spinalis A440 – interlobaris, Niere A1006, A1010 – – Leber 961 – interlobularis, Niere A1010, 1010, A1011 – interossea anterior 706, 707, 712, 713, A721, A721, 724, A753, 755, A757, A768 – – communis A721, 724, A753, 755 – – posterior 706, 707, 707, 724, A753, A757, A758, A768

Arteria(-ae) interossea recurrens 714, 756, A758 – jejunales A992, A995, 995 – labialis inferior A245, 247, A248, A261 – – posterior A1079 – – superior A245, 247, A261 – labyrinthi 199, 213, A310, A444, 446, 471, 625, 627 – lacrimalis A580, 583, A585, A586, 586, 588 – laryngea inferior A305, A310, 335, 883 – – superior A246, 247, A270, A305, 326, 327, 329, 330, 331, 335, A339, A344, 346, 347, A245 – lienalis (= splenica) 69, 979 – ligamenti teretis uteri 1071 – lingualis A226, A245, A246, 247, A270, 275, A276, 276, 280, A310, A344, 344, 346 – lobi caudati 962 – lumbales 16, A68, 69, A450, 451, 646, 648, A879, 908, 910, 920, 931, 1022 – malleolaris anterior lateralis 1169 – – – medialis A1167, 1169 – mammaria interna A814, 882 – masseterica A219, 231, A245, 249 – maxillaris A219, 220, A226, A245, 249, A259, A276, 438, A579, A586, 606 – media genus 1124, A1168, 1169, A1194 – mediana 723 – meningea accessoria 606 – – anterior 209, 438, 588 – – media A197, 208, 211, A212, A245, 249, A259, 260, A276, A281, 438, A580, A585, 606, A607 – – posterior 438 – meningeae 191 – mentalis 205, A219, 230, A245, A248, 249, 295 – mesenterica inferior 65, A68, 69, 849, A877, 849, A934, 934, 936, A972, A985, 999, A1022, A1024 – – superior 65, A68, 69, A877, A879, A934, 934, A939, A972, 973, 974, 994, A995, 999, A1006, A1024, 1052 – metacarpales dorsales 723, 766, A768, 769 – – palmares A721, 723, A765, A766, 766 – metatarsales dorsales A1167, 1169, 1208, A1209

Arteria(-ae) metatarsales plantares A1168, 1170, 1206, A1207 – metatarsalis I 1169 – metatarsalis V 1169 – musculophrenica 807, 819, 881, A882, 920 – nasales posteriores inferiores laterales A319 – – posteriores laterales 249, 319, 325 – – – septi 249 – – – superiores laterales A319 – – posterior septi A320 – – retinae inferior 573 – nutricia fibulae 1169 – – humeri 722 – – radii 723 – – tibiae 1169 – – ulnae 723 – nutriciae femoris 1166, A1168 – obturatoria A1040, 1048, A1053, 1057, A1079, A1112, 1139, 1142, 1144, 1147, 1166, A1167, 1170, A1192, 1193 – – Ramus acetabularis 1111 – – Ramus pubicus 1191 – occipitalis 235, 237, A245, 247, A261, A270, A310, 342, A348, 597, 654, A655 – ophthalmica 211, A212, 218, A245, 315, 445, 448, 573, A575, 575–577, A579, A585, A586, 586– 589, A608 – ovarica 57, 69, A1017, 1022, 1065, 1066, 1073, 1076, A1077 – palatina ascendens 247, 311, A344, 344 – – descendens 206, 220, A245, 249, A319, 319 – – major 249, 300, 319 – palatinae 295 – – minores 249, 319 – palpebralis lateralis A580, 584 – – medialis A248, A580, 584 – pancreatica dorsalis A974, 974 – – inferior A974, 974 – – magna 66, A974, 974 – pancreaticoduodenalis 66 – – inferior A972, A974, 974, 995 – – superior A972, 974 – perforans I 1144, 1166, A1167, A1168, A1183, 1187, A1188 – perforans II 1166, A1167, A1168, 1187, A1188 – perforans III 1166, A1167, A1168, 1187, A1188 – perforans, Niere A1017 – perforantes 1148

Register

1266 Arteria(-ae) pericallosa A371, 445, A448 – pericardiacophrenica 807, A817, 818, A840, A851, A861, 862, 882, A884 – perinealis A1053, 1083, A1083, A1097 – peronea (= fibularis) A68, 70, A877, 1128, 1153, 1162, A1163, A1164, A1167, A1168, 1169, 1198, A1199 – – Ramus perforans A1168 – petrosa superficialis 606 – pharyngea ascendens A245, A246, 247, 302, 306, 309, A310, 438, A594 – phrenica A1022 – – inferior 69, 807, 895, 931, A969, A1017, 1021, A1022, A1024 – – superior 69, 807, 818, 862, 880 – plantaris A1129 – – lateralis 1157, 1158, A1168, 1169, 1170, A1206, 1206, A1207 – – medialis 1157, A1168, 1169, A1206, A1207, 1207 – – profunda 1169 – pontis 446 – poplitea 58, A68, 69, A877, A1118, 1148, 1153, A1155, 1156, 1166, A1167, A1168, A1188, 1198, A1199 – – Unterbindung 1196 – princeps pollicis 714, A721, 723, A765, 765, A766, A768 – profunda brachii 69, 664, 695, 703, A721, 722, A741, A747, A750, 751 – – – Ramus deltoideus 722 – – clitoridis 1083 – – femoris A1112, 1144, 1148, 1166, A1167, A1168, 1187, A1192 – – linguae A245, 247, A276, A280, A319 – – penis 1096, A1097 – – externa profunda 1097 – – interna 1039, 1042, 1043, 1048, 1052, A1053, 1057, A1079, 1083, A1083, 1096, A1097, 1097, A1167, A1168, A1183, 1184, A1186 – pudendae externae A922, 1083, 1144, 1189, A1190 – pulmonalis 64, A817, 818, 823, A824, 830, A831, A840, 849, A884 – – dextra 831, A832, A853, A856, A870, A872, A872, A874, 884 – – sinistra A809, 831, A832, A833, A846, A852, A853, A856, A861, A870, A872, 884

Arteria(-ae) radialis 68, 69, A701, 707, 712, 713, A721, 722, A731, A750, A752, A753, 755, A757, 761, A762, A765, A768, 769, A877 – – indicis A721, A768 – – Ramus palmaris superficialis 714 – – Unterbindung 724 – radicularis magna A450, 451 – rectalis inferior 1052, A1083, A1097 – – media 1052, 1057, 1080, 1090, 1092 – – superior A985, 999, A1046, 1051, 1052, A1053, A1079, A1079 – recurrens (Heubneri) 445 – – interossea A721 – – radialis 713, A721, 723, 755 – – tibialis anterior A1167, 1169 – – – posterior 1169 – – ulnaris A721, 723, 755 – renalis A68, 69, A877, A879, 1005, A1006, 1009, A1017, 1021, A1022 – sacrales laterales 1052, 1142, 1165, 1170 – – medianae 1021, A1046, 1052, A1167 – scapularis dorsalis 883 – scrotalis anterior 1097 – – posterior A1097, 1097 – segmentalis A451 – segmenti, Niere A1010 – segmentorum hepatis 963 – – renales 1010 – sigmoidea ima 1000 – sigmoideae A985, 999 – sphenopalatina 220, 249, 319, 320, 325, A586 – spinalis anterior 213, A440, A444, 446, A450, 450, 451, 881 – – posterior 213, A440, 881 – splenica (= lienalis) 55, 59, 66, 69, A934, A939, 943, A949, A969, A972, 972, 975, A977, A1024 – sternocleidomastoidea 235, A246, 247 – stylomastoidea 247, 599, 605, 606, 606 – subarcuata 606, 607 – subclavia A68, A68, 69, 238, A239, A245, A267, A270, A310, 336, A348, 349, 350, 351, 353, 655, A741, 849, A817, 822, A849, A872, A874, A877, 881, 895, A898, 898 – – dextra A832 – – sinistra A832, A840, A852, 878

Arteria(-ae) subcostalis 69, 819, 908, 920 – sublingualis 238, A245, 247, A276, 279, 280, 295, A319, 344 – submentalis 238, A245, A246, 247, A344, 344, 345 – subscapularis 696, 720, A721, 790 – sulcocommissurales A440, 450 – superior lateralis genus 1166, A1167, A1168, A1188, A1194, 1166, A1167, A1168, A1188, A1194 – supraorbitalis 230, A248, A261, 325, 342, A586, 588 – – Rami laterales A580, A582, 583, A585 – – Rami mediales A580, A582, 583, A585 – suprarenalis inferior A1017, 1017, A1022 – – media 69, A1017, 1021 – – superior A1017, 1017, A1022, A1024 – suprascapularis 237, A270, A339, A348, 349, 350, 351, 660, 673, 694, 695, A741, A745, 745, 746, A750, 883, A887 – supratrochlearis 325, 587 – surales A1168, 1169 – tarsales mediales 1169, A1167, 1208, A1209 – tarsalis lateralis A1167, 1169, 1208, A1209 – temporalis media A219, 248 – – posterior 473 – – profunda A219, 231, A245, 249 – – retinae inferior 573 – – retinae superior 573 – – superficialis 58, A219, A225, A245, A248, 248, A261, 342, 597 – teretis uteri 918 – testicularis 57, 69, A914, A1017, A1022, 1022, A1024, 1086–1088 – thoracica interna A239, A339, 349, 350, 353, 789, 807, A814, A817, 819, A851, A861, 862, A872, 881, A882, A887, 910, 920, 1166 – – lateralis 691, 695, 720, A721, A741, 789, 793 – – superior 720 – – suprema 695 – thoracoacromialis 691, 695, 720, A721, A738, A792, 883 – – Rami pectorales 720 – – Ramus acromialis 720 – thoracoacromialis, Ramus clavicularis 720 – – Ramus deltoideus 720

Arteria(-ae) thoracodorsalis 646, 695, A721, 722, A741, A747, 789 – thoracoepigastrica 793 – thyroidea ima 340 – – inferior 236, 237, A305, A310, 311, 335, A339, 340, 349, 350, 350, 351, 883, A887 – – superior A226, 236, 237, A245, 245, A246, 247, A270, A310, 335, A339, 340, A344, 346 – tibialis anterior A68, 70, A877, 1128, 1150, 1153, 1162, A1163, A1164, A1167, A1168, 1169, 1198, 1200, A1201, 1203, A1209 – – posterior A68, 70, A877, A1152, 1153, A1154, 1156, 1162, A1163, 1163, A1164, A1167, A1168, 1169, 1198, A1199, 1203, A1204 – – Unterbindung 1200 – transversa colli A267, A270, A339, A348, 350, 644, 646, 695, 883 – – – Ramus profundus 349, A745, A879 – – – Ramus superficialis 349, 351, A745, 745, A887 – transversa faciei A219, A248, 248, 249, A261, 279, 342 – tubaria 606, 607 – tympanica anterior 249, 599, 605, 606 – – inferior 606 – – posterior 247, 605, 606 – – superior 605, 606 – ulnaris A68, 69, 707, A709, 711, 712, 716, A721, 723, A731, A752, A753, 755, A757, A762, 763, A765, A877 – – Ramus palmaris profundus 716, A765 – – Unterbindung 724 – umbilicalis A51, 52, 165, 915, A934, 1057, A107, 1088 – – Pars occlusa A914, A915, A1053 – – Pars patens 1086 – urethralis 1096 – uterina 59, 1057, A1072, 1073, 1076, A1077, A1079, 1079, 1080 – – Ramus ovaricus 1065, 1066, 1076 – – Ramus tubarius 1076 – vaginalis 1076, A1077, 1080 – vertebralis A212, 213, A239, A241, A245, A271, A310, A339, 349, 350, A352, 353, 443, 444, A444, 446, A450, 450,

Register 451, 633, 640, A640, 641, 654, A655, 655, 656, A872, 881 – vesicalis inferior A1053, 1057, 1080, 1090, 1092 – – superior 849, A1053, 1057, A1079 – zygomaticoorbitalis 248, A219, A248 Arterialisierung 52 Arteria-meningea-mediaLäsion 217 Arteria-spinalis-anteriorSyndrom 451 Arterie 52, 53, 53, A56, A59 – vom elastischen Typ 58, A59 – vom muskulären Typ 59 arterielles Wundernetz 66 Arterienstämme 67 Arteriographie 447 Arteriola afferens 1008, A1009, A1011 – efferens 1008, A1009, A1011 – recta A1011 – – spuria 1010 – – vera 1010 Arteriole 52, 55, 60, A60 Arteriosklerose 53, 54, 58, 59, 67, 439 arteriovenöse Kopplung 55, A56 Arthritis 36 – juvenile rheumatoide 561 Arthrodese 32 Arthrologie 658 Arthrose 24, 32, A33, 34, 38, 39, 40, 642, 687, 1139 Arthrosis deformans coxae 1115 Arthroskopie-Zugänge, Knie 1194 Articulatio(-nes) acromioclavicularis A662, 662, 672, A676, 677, A698 – atlantoaxialis 641 – – lateralis 641 – – mediana A640, A641, 641 – atlantooccipitalis 640 – bicondylaris 35, 1116 – calcaneocuboidea A1130, 1134 – capitis costae A797, 799 – carpi 37 – carpometacarpales A684, 687, 688, A705 – cartilaginea 30 – composita 35, 677 – coracoclavicularis 661 – costoclavicularis 661 – costotransversaria A797, 800 – costovertebrales 799 – cotylica 35, 1110, 1111 – coxae 37, 1110, A1113– A1116, A1150 – – Capsula articularis A1111

1267 Articulatio(-nes) coxae, Pfannendach A1112 – coxofemoralis 1110 – cricoarytenoidea 329 – cricothyroidea 326, 329 – cubiti 37, 677, A679, A680, A681 – cuneocuboidea 1135 – cuneonavicularis A1130, 1135 – cylindrica 35 – ellipsoidea 35, 640, 683 – femoropatellaris 1116 – fibrosa 30 – genus 37, 1116, A1117– A1124, A1126, A1127, A1150 – – Capsula articularis A1121 – glenohumeralis 37, 40, A673, 673 – humeri 38, A662, A673, 673 – humeroradialis 38, 40, A678, 679, 756 – incudo-mallearis 603 – incudo-stapedia 604 – intercarpales 685 – intercuneiformes 1135 – intermetacarpales 688 – intermetatarsales 1110, 1136 – interphalangea distalis A719 – – pollicis A705 – – proximalis A719 – interphalangeae 691, A1159 – – pedis 1136 – mediocarpalis A684, 684 – metacarpophalangealis 40, 688, A689, A719 – metatarsophalangea A1129, 1136 – pedis 1129 – plana 35 – radiocarpalis 683, A684, 761 – radioulnaris 37, 38 – – distalis 682, A683, A684 – – proximalis A678, 679, A754 – sacrococcygea 1032 – sacroiliaca 35, 1029, 1030, A1031, A1033, A1034, A1037, 1037, 1054, A1089, 1165 – sellaris 35 – simplex 35, 40 – sphaeroidea 35 – sternoclavicularis 671, A672, 677, 784, A799, A802 – sternocostalis 798, A799 – subtalaris 1107, A1129, A1130, 1133 – talocalcanea 1107, 1133 – talocalcaneonavicularis A1129, A1130, 1133

Articulatio(-nes) talocruralis 37, 1129, A1129, A1130, 1130 – talonavicularis 1134 – tarsi transversa 1134 – tarsometatarsales A1130, 1135, 1136 – temporomandibularis 35, 221 – tibiofibularis 1127, 1128, 1153 – – proximalis 1125 – trochoidea 35, 679 – zygapophysealis 632, 640 Artikulationsfläche 39 Artikulationsfläche, Wirbel 634, 635, 640 Arywulst 325 Ärzte, hippokratische 9 Ascensus medullae spinalis 362, 425 Ascensus renis 1003 Aschoff-Tawara-Knoten A868, 868 Asomatognosie 376 Aspartat 498, 536 Assoziationsbahnen 378 Assoziationsfasern 368, 400, 534–536, A542 Assoziationskortex 537, 542 – frontaler A523, 538 – parietaler A523, 537 – temporaler A523, 539 Assoziationszellen A428, 430, 496 Astheniker 17, 945 Astma bronchiale 73 Astroblast A360 Astrozyt, faseriger A360 – protoplasmatischer A360 Astrozyten 356, 359, A434, 435, 569, 572 Aszites 964, 974, 986 Ataxie 399, 469, 515, 516 – sensorische 516 – spinale 483 – zerebelläre 516 Atemhilfsmuskeln 235, 238, 646, 691, 694, 812 Atemminutenvolumen 834 Atemnot 109 Atemnotsyndrom 173, 821 Atemphasen 834 Atemregulation 834 Atemstellung A332 Atemzentrum 520, 834 Atemzugvolumen 834 Atherom 1224 Atherosklerose 59 Atlantoaxialgelenk 37 Atlantookzipitalgelenk 37 Atlas A304, A319, A320, A352, A633, 633, 640, A640–A642, A649, A655 Atlas-Assimilation 637 Atlasbogen 633 Atmung 781, 799 Atmungstyp 809, 811, 812 Atresien Ohr 593

atriales natriuretisches Peptid 57 Atriopeptin 841 Atrioventrikularkanal 842, A844, A845 Atrium dextrum A809, A851, A852, 852, A857, A867, A874–A876, A878 – sinistrum A809, A853, A856, 856, A857, A867, A870, A875A, 876 auditorisches System 366, 469 Auerbach-Plexus 893, 951, 988, 990 Aufhängefasern der Linse 561 Aufmerksamkeitsreaktion 525 aufsteigendes retikuläres aktivierendes System 484, 518 Augapfel 555 Auge 551 – Entwicklung 186, A552, A553, 553 – Schichtengliederung A555 Augenabziehnerv 96 Augenachse 185 Augenanlage 153, A301, 551 Augenbecher 367, 551, 552, A553, 553, A555, 560, 567 Augenbecherspalte A552, 552–554 Augenbecherstiel A365, 367, A552, 552, A553 Augenbewegungen 578 Augenbewegungsnerv 96 Augenbläschen 153, 154, 367, 551, 552, A552, 553 Augenblasenstiel 552 Augenbrauen 583, 1223 Augenfeld, frontales 403, 460, 462, A497, A499, 502–504, 538 – okzipitales 462 Augengrube 552 Augenhaut, innere 567 – mittlere 560 Augenhintergrund 571 Augenhöhle 217, A579, A579 Augenhöhlennerv 96 Augeninnendruck 551, 559 Augeninnervation, sympathische 468 Augenkammer, hintere 559, 559 – vordere 558 Augenlid 551, A553, 581, 583, 586, 1224 – Entwicklung 154, 156 Augenmuskelkerne 474 Augenmuskeln 46, 49, A474, 551, 571, 573, 575, A576 – äußere 551, 553 – Entwicklung 155 Augenmuskelparesen 464

Register

1268 Augenspalte 553 Augenstellungskontrolle A474 Auricula 591, 593, A594 Auricula dextra 850, A851, A852, A853, 854, A855, A862, A864, A869, A874 – sinistra 850, A815, A852, A855, A856, 857, A862, A864, A867, A870, A874 Aurikularhöcker 592 Auris externa 591, 593 – interna 591, 611 – media 591, 599 Ausatmung 812 Ausfallserscheinungen, horizontale 467 Ausflussbahn 857 Auskultation 784, 838, 876, A876 Außenglieder 567, 569 Außenrotation 14, 35 Außensegment A569 Außenzone, Prostata A1091, 1091 Austreibungsphase 158 autogenes Training 98 Autoimmunerkrankungen 81 Autoimmunreaktion 122 autokrin 54 autonomes Nervensystem, Kerngebiete 366 Autonomgebiet 98, 431 – N. obturatorius 1178 – N. peroneus profundus 1179 – N. tibialis 1180 Autopodium 657, 1099 Autoregulation 98 Autosomen 117 AV-Kanal 842, 844, 845, A845 AV-Klappen 845 AV-Knoten A868, 868, 869 axiales Mesoderm 142 Axialkanal 142 Axilla 790, 791 axillärer Block 732 Axillarlinie 784 – mittlere 793 Axillarorgan 1225 Axis A304, A319, A633, 633, A641, A642 – pelvis 1035, A1037 Axon 46, 92, 91, 353, A353, 357, A362, 482, A569 – dendritisches 482, 1228 Axonema 123 Axonterminale A494 A-Zellen, Pankreas 976 Azoospermie 121, 125 Azurgranula 72, 74, A76 Azygos-System 70

B Babinski-Reflex 489 Backenzahn 286

Bahnen, afferente 356 – des Glaskörpers 566 – deszendierende supraspinale 496 – efferente 356 – – motorische T517 – extrapyramidale 501 – spinozerebelläre 484 – thalamokortikale 408 Baker-Zyste 1118 Bakterien 169 Bakterien-Zellwände 84 Balanitis 1095 Balken 368, 377, 401 Balkenagenesie 368 Balkenstrahlung 401 Ballotement 1118 BALT 91 Bandaletta diagonalis A478 Bänder, intraartikuläre 36 – kapsuläre 34 – meniskopatellare 1120 Bändersynapsen 569 Bandhafte 30, A30, 1127, 1128 Bandl-Furche 158 Bandrolle 49 Bandruptur 1132 Bandscheiben 30, 800 – Entwicklung 142, 155 – Prolaps 639 Bandscheibenvorfall 427, 431, 440, 1081, 1187 Bandsicherung 38 Bankart-Läsion 674 Barba 1223 Barorezeptoren 56, 109, T488 barrel fields 536 Barret-Oesophagus 896 Barthaare 1223 Bartholin-Drüse 1047, 1082 Bartholin-Gang 280 basal 369, A370 Basalbogen 203, 205, 214, 215 Basalganglien 382, A384, 398, A407, 408, 504, 505, A505 – motorischer Schaltkreis 507 Basalis 13, 1074 – Endometrium 130 Basalkörperchen 622 Basallamina 60 Basalmembran 53, 60, 123, 126, 129, 147, 161, 318, 435, 557, 563, 566 – Cornea A558 Basalplatte 159, 161, A162 Basalwindung, Cochlea 613, A626 Basalzellen, Cornea A558 – Innenohr 620 Basilarmembran 593, 620, 621, 622, A623 Basipodium 657, 1099 Basis cochleae 613 – cranii 177, 206, 370, 380 – – externa 206

Basis cranii interna 209 – ossis metacarpalis A669, 687, 706, 712, 713, A737 – – metatarsalis A1107, A1108, 1110, 1157 – – metatarsalis I 1137, 1150, 1153, 1165 – – metatarsalis V 1150, 1158 – – sacri A636 – patellae A1102, 1148, 1184, 1189, 1193 – phalangis A669, 688, 706, 706, 712, 713, 716, A737, 1110 – – proximalis 1157, 1158 – pulmonis A824, A825 – stapedis 603 basophile Granulozyten A76, A80 Basophilie des Zytoplasmas 85 Bassini-Verfahren 925 Bauch, brettharter 932 Bauchatmung 809 Bauchdeckenaplasie 904 Bauchdeckenreflex 496, 913 Baucheingeweide, Parasympathicus A107 – Sympathicus A105 Bauchfellhöhle 931 Bauchhöhle, Entwicklung 156 Bauchpresse 326, 804, 908, 910, 913 Bauchschlagader 69 Bauchsitus, Entwicklung 932 Bauchspeichel 976 Bauchspeicheldrüse 971 Bauchwand 903 – Entwicklung 151 Bauchwanddefekt A151, A152 Baufett 1013, 1048, 1208, 1222 Bauhin-Klappe 998 Bauplan des menschlichen Körpers 15 Bayliss-Effekt 53 B-Bild-Ultraschall 171 Becherzellen 557, 584, 994 Bechterew-Kern 473 Becken A171 – männlich A1034 – weiblich A1034 Beckenachse 1035 Beckenausgang 1035, A1038 Beckenbelastung A1033 Beckenboden 1038, 1073 Beckenbodenhernien 917 Beckenbodenmuskulatur A1041, A1042 Beckenebenen A1038 Beckeneingang 1035, A1038 Beckeneingangsebene 1035 Beckeneingeweide, Parasympathicus A107

– Sympathicus A105 Beckenenge A1038 Beckenformen A1036 Beckenfraktur 1036, 1081 Beckengürtel 1027 Beckengürtel, offener A152,153 Beckenhernie 1193 Beckenhöhle 1035 Beckenkammbiopsie 796 Beckenmaße 171, A1036, 1036, A1037 Beckenmechanik 1033 Beckenneigung 1035 Beckenniere 1003 Beckenring 1099 Beckenweite A1038 Befruchtung 131, A133, 134, 154 – extrakorporale 134 Befruchtungsalter 113, 170 Befruchtungsenzyme 123 Befruchtungsort A133, A135 Befruchtungswahrscheinlichkeit 132 Befruchtungszeitpunkt 113 Begleitmotorik 93, 503 Begleitvene A56, 66, 57 Behaarungsmodus A16 Bei-Eierstock 1064 Beihoden 1062 Beilarger-Streifen A498 Bein 1099 – Entwicklung 1099 Beinarterien 69 Beinerv 96 Beingeflecht 97 Beinknospen 154 Beischilddrüsen 341 Beisetzung der Körperspender 7 Belegknochen 197 Belegschicht, tympanale A619, 620, A621 Belegzellen 948 Beleuchtungsintensität 560 Bell’s palsy 420 Bell-Magendie-Gesetz 426 Bell-Phänomen 609 Berg-Einteilung 743 Bergmannsknie 1125 Bergmeister-Papille 554 Berstungsbrüche 216 Bertini-Säulen A1007, 1007 Berufsgeheimnis 6 Berührungsempfindung 1226, 1228 Berührungsrezeptoren A491, 1228 Beschleunigung 616 Beschleunigungstrauma 642 Beschneidung 1095 Besenreiservarizen 1173 beta-Endorphin T508 Betz-Riesenpyramidenzelle 497, 534, 536 Beugerloge 1184 Bewegungen, antiperistaltische 1001 – glatte 93

Register – peristaltische 994, 1001 – Wirbelsäule 643 Bewegungsachse, oberes Sprunggelenk 1132 – Rippe A796 – unteres Sprunggelenk 1133 Bewegungsachsen 35 – Gehörknöchelchen A604, 604 Bewegungsapparat 22 – passiver 22, 40 – Schädigung 30 – Steuerung 30 Bewegungsausmaße, Daumengelenke A688 – Ellenbogengelenk A682 – Gelenke 37 – Handgelenk A685 – Schultergelenk 674, A677 Bewegungsausschläge, Hüftgelenk A1115 – oberes Sprunggelenk A1130 – unteres Sprunggelenk A1130 Bewegungsimpulse 93 Bewegungskoordination 430 Bewegungsmuster, eingeübte 503 Bewegungsrichtungen 13 Bewegungssegment 638 Bewegungsstörungen, extrapyramidalmotorische 409 Bewusstseinstrübung 519 Bezeichnungen am Kiefergelenk 14 – am Kopf 13 – am Rumpf 13 – an den Gliedmaßen 13 B-Fasern 482 BFU 79 BFU-E 78, A80 B-Gedächtniszellen 85, 87 Bichat-Wangenfettpfropf 220, 229 Biegungsbruch 27 Bifurcatio aortae 67, 69, 1165 Bifurcatio tendinis 712 Bifurcatio tracheae 826, A828, A872, A879, 889 Bikuspidalklappe 845 bilaterale Symmetrie 15 Bild, stereoskopisches 571 Bilirubin 970 Bilis 970 B-Immunzellen 84 Bindegewebe 75 – des Kopfes, Entwicklung 155 – embryonales 114, 141 – epidurales 439 – mesenchymales 180 – retikuläres 87 Bindegewebelager, subgluteales 1183, 1184, 1196 Bindegewebe-Mastzelle 74

1269 Bindegewebemeniskus, zentraler 572 Bindegewebsknochen 177, 178, 191 Bindegewebsköcher A1155 Bindegewebsscheide A56 Bindegewebsschwäche 121 Bindehaut 551, 552, 583, 584 Bindehaut-Gefäße A560 biologische Uhr 549 Biomechanik, Gelenk 36, A40 – Kiefergelenk 223 – Knochen 29 – moderne Forschung 39 – Muskeln 43 Biometrie 2 Biostatistik 2 Bipedie 1105 Bizepssehnenreflex 494 Bizepssehnenruptur 749 BK-Zellen 75 Blähhals 338 Bland-White-Garland-Syndrom 866 Bläschendrüse 125, 1061, 1088, 1089 Blasenanlage 153 Blasenekstrophie 153 Blasenentleerung 109 Blasengrund 1056 Blasenhals 1056 Blasenknorpel A28 Blasenkörper 1056 Blasenmole 163, A163 Blasenpfeiler 1071 Blasenpunktion 1057 Blasenruptur 1058 Blasenscheitel 1056 Blastem, interklavikuläres 793 – metanephrogenes 1003 – subkapsuläres 1018 Blastogenese 114, 131, 138 Blastomeren 134, 135 Blastopathien 114 Blastozyste 114, A135, 135–137, 154, A166 Blastozystenhöhle 135, 136, 138, A138, 139, 142 Blastozystenhöhlen-Kollaps 137 Blauwal 92 Blendenapparat 560 Blepharospasmus 584 Blickbewegungen, horizontale A462 – horizontales Zentrum A466, 467 – vertikale, pontines Zentrum 466, A466 Blickfolgebewegungen, sakkadische 404, 462 Blicklähmungen 464 Blickparese 405 Blickrichtungsnystagmus 420 Blickzentrum, kortikales A463

– mesenzephales 462, 476, 502 – pontines 462, 464, A466, 466, 476, 502 Blinddarm 982, 996, 1001 Blindheit, kortikale 459 Blob-Region A533 Blockwirbel 637 Blount-Krankheit 1104 Blow-out-Fraktur A217, 218, 323, 581 Blut 50, 51, 71, 74 – arterielles 50 – Funktionen 71 – peripheres 79 – venöses 50 – Zusammensetzung 72 Blutader 52 Blutbildung 23, 76 Blutdruck 55, 62 Blutdruckabfall 60, 109 Blutdruckregistrierung 109 Blutgefäße 49, 52, 54 – embryonale 142, A148 – Entwicklung 148 – extraembryonale 159 – intraembryonale 142, 148, A148 Blutgerinnung 71 Blut-Gewebe-Schranke 53, 61 Blutgruppenantigene 72 Blutgruppensubstanzen 84 Blutgruppenunverträglichkeit 173 Blut-Hirn-Schranke 442, 455, 521, 548 Blut-Hoden-Schranke 122 Blutinseln 77, 78, 84, 148, A358 Blut-KammerwasserSchranke 562 Blutkreislauf 3, 9, 51, 137 Blut-Liquor-Schranke 442, 455 Blut-Luft-Schranke 837, A838 Blutmauserung 981 Blutmenge, zirkulierende 54 Blutmonozyten 83 Blutplasma 71 Blutplättchen 75, 76 Blut-Retina-Schranke 567, 569 Blutserum 71 Blutspeicher 54, 59 Blutstillung 53, 75 Blutungen, epidurale 438 – subdurale 438 Blutvolumen 56 Blutzellen 71, 74, 148 – primitive 148 Blutzellreihen 78 Blutzirkulation 148 Blutzucker 109 B-Lymphozyten 75, 78, A80, A81, 83, 84, 85, 86, 87, 91, 981 Bochdalek-Blumenkörbchen 443

Bochdalek-Dreieck 147, 807 Bochdalek-Hernie 147, 918 Bodenplatte A361, 361, 364, 367 Bogenfasern 400 Bogengänge 591, 592, 602, A612, 612, 613, 615, 623, 627 Bogen-Sehnen-Prinzip 643, 648 bone marrow 84 Borstenhaare 1223 Botallo 52 Boutons, präsynaptische A494 Bowman-Drüsen 318 Bowman-Kapsel 1007, A1009 Bowman-Lamelle 557, A557, 558 Boxergesicht 188 Boyd-Venen 1172 Brachioradialissehnenreflex 494 Brachium 657 – colliculi inferioris 410, A412, 413, A414, 471 – – superioris A412, 413 – conjunctivum 514 Brachydaktylie 658, 691, 1100 Brachykephalisation 185 Brachyzephalie 121 Bradykardie 109, 870 Branchialbogen 182 Branchialnerven 96 Brechkraft, Cornea 557 – Linse 562 Brechreiz 405 Brechzentrum 521 Bries 90, 886 Brillenhämatom 216, 583 Broca-Bündel 518 Broca-Diagonalband 396, A478 Broca-Sprachzentrum 473, A497, A540, 540, 541 Brodmann 93 Brodmann-Areale 377, 534, A535, A538, A539 Broesike-Faszie 739 Bronchi lobares A809 Bronchi segmentales 830 bronchial associated lymphoid tissue 91 Bronchialbaum, Entwicklung 155 Bronchialepithel A836 – Entwicklung 155 Bronchialgefäße 64 Bronchialkarzinom 783 Bronchialmuskulatur 835 Bronchien 64 Bronchiolus 830, A831, A837 – respiratorius 830, A837 – terminalis 830 Bronchogramm A828, 829

Register

1270 bronchopulmonale Segmente 826 Bronchus 823, A831, A840, A884, A889 – lobaris 826, A832, 835 – principalis A828, 835, 835 – – dexter A310, A817, A824, 826, A833 – – sinister A817, A825, 826, A832, A833, 835, A872, A898 – segmentalis 826, Bronzehautkrankheit 1019 Brown-Séquard-Syndrom 484 Bruchheilung 25 Bruchhüllen 923, A924, A925, A926 Bruchlinien, Schädelbasis A212 Bruch-Membran 563, 566, A568 Bruchpforten 923, A924– A926, 1191, 1193 Bruchsack A151, 923, A924–A926 Brücke 363, 417 Brücke-Muskel 563 Brückenanastomose A65, 65 Brückenarm 365 Brückenbahn, frontale 403 – hintere A501, 502 – okzipitotemporale 404 – vordere A501, 502 Brückenbeuge 153, A365, 365 Brückenfuß 366, 417 Brückenhaube 365 Brückenkallus 24, 760 Brückenkerne 365 Brückenvenen 217, A370, A438, 438, A449, 452 Brudzinski-Zeichen 440 Brüllsäcke 333 Brunner-Drüsen 953, 988 Brust Neugeborener 781 Brustbein 781, 783, 785, 793, 798 Brust-Brust-Verbindung 168 Brustdrüse 136, 545, A547, 786, A786, A787, A791, 1225 – Entwicklung A785, 786 – Nerven 791 Brusteingeweide, Parasympathicus A107 – Sympathicus A105 Brustfell 814 Brustkorb 781, A782, 793, A794, 796, 799, A810 Brustkrebs 790, A791, 792 Brustkyphose A631, 642 Brustmark A424 Brustmilchgang 896 Brustschlagader 69 Brustwand 785, A813, A874 Brustwarze 784, 785, 786, 787, 788 Brustwirbel 631, A632, 632, 634, 793

Brustwirbel I 781 Brustwirbel XII 783 Brustwirbelsäule A424 Bucca 228, 271 buccalis 13 bukkal 13 Bukkopharyngealmembran 142 Bulbourethraldrüse 125 Bulbus aortae 852, 878 – cerebri 415 – cordis A842, 842, 845, A846 – duodeni 952 – oculi A394, 551, 553, 555, 559, 583, A585 – olfactorius 209, 255, 318, A319, A320, A367, 368, 376, A380, A381, 395, 397, 401, A413, 417, A444, 477, A478, A524, 524, A532 – penis 1045, A1089, 1092, A1093, 1096 – pili 1223 – venae jugularis 599, 600 Bandscheiben – – – inferior 252 – – – internae A815 – – – superior 207, 453 – vestibuli 1045, A1063, A1082, 1083, A1083 Bulbusstand A465 Bulla ethmoidalis A316, A317, 324 Bulldoggengesicht 188 Burdach-Strang A428, 483 Bursa A34 – achillea 48 – bicipitoradialis 700, A709, A710, A754 – Fabricii 84 – iliopectinea 1112, A1113, 1139 – infrapatellaris profunda A1118, 1125, A1151 – intermetatarso-phalangea A1158 – intratendinea olecrani 749 – ischiadica musculi obturatorii interni 1144 – ligamenti coracoclavicularis 672 – musculi piriformis 1142 – – semimembranosi 1125, 1148 – olecrani 48 – omentalis 935, A936, A937, 937, A938, 943, A944, 972 – – Zugangswege A943, 943 – praepatellaris 48 – prepatellaris subtendinea 1125, – retrohyoidea A319 – subacromialis A673, A674, 675, A676, A698, A702, 743 – subcoracoidea 675 – subcutanea acromialis 743

Bursa subcutanea calcanea A1152 – – infrapatellaris A1118, A1161 – – olecrani A697, A698, A754, 756 – – praelaryngea 336 – – prepatellaris A1118, 1125, A1161 – – tuberositas tibiae A1161 – subdeltoidea 48, 675, A676, A698, A702, 743 – subfascialis prepatellaris A1118, 1125, – subhyoidea 347 – subtendinea musculi bicipitis femoris inferior 1148 – – – gastrocnemii lateralis 1153 – – – gastrocnemii medialis 1125, 1153 – – – infraspinati 676 – – – latissimi dorsi A676, 676 – – – subscapularis A673, A674, 675 – – – teretis majoris 676, 696 – – – tibialis anterioris 1150 – – olecrani 749 – suprapatellaris A1118, 1118, A1119, 1148, 1195 – synovialis 36, 47 – tendinis calcanei A1129, A1151, A1152, 1153 – trochanterica A1112, A1143 – – musculi glutei maximi 1142 – – – glutei medii 1142 – – – glutei minimi 1142 Bursitis 36, 48, 744 Bürstensaum 994 burst-forming unit 79 Busen 786 B-Vorläuferzellen 79, 83 Bypass 62, A866 – aorto-koronarer A866 B-Zellen (Pankreas) 976 B-Zell-Immunreaktion 87 B-Zell-Regionen 80, A81, 84

C CA1 A527, 529, 530 CA2 A527, 529 CA3 A527, 529 Ca-Apatit 23 Caecum 934, A935, 936, 982, A983, A998, 1001 – cupulare 620 – fixum 1001 – liberum 1001 – mobile 982, 1001 – vestibulare 620 Caecum-Hochstand 940, 1001

Caenorhabditis elegans 356 Calcaneus, Entwicklung 1109 – secundarius 1109 Calcar avis 377, 442 Calcitonin 338 – Gene Related Peptide 574 Caliculi gustatorii 479 Calix, Haarzellen 617 – major 1015 – minor 1015 – renalis A1006, 1015 Calot-Dreieck 971 Calvaria 177, 191 Camera bulbi anterior 558, A579 – – posterior 559 Canales peripyramidales A1010 – semicirculares ossei 612, 615 Canaliculus(-i) biliferi 961, 965 – cochleae 208, 615, A624, 627 – lacrimalis A582, A584, 586 – mastoideus A199, 207, 264 – nervi petrosi superficialis minoris A602 – tympanicus 208, 263, 606 – vestibuli 627 Canalis adductorius A1146, 1147, 1166, A1167, A1174, 1191, 1193, 1196 – analis A1050, 1051–1054 – aorticus 807 – arteriae vertebralis 633 – atrioventricularis communis 845 – caroticus A199, 208, A207, 211, A437, A448, 600, A602, 610, 613 – carpi 667, 717, A731, 733, 761, 763, A765 – centralis 360, A361, 361, T382, 427, 441 – cervicis uteri 132, 1070, 1073, 1075 – condylaris A193, A194, A207, 209 – craniopharyngeus 545 – cubitalis 712 – egestorius 949 – facialis 247, A601, A602, 606, 608, A609, 613, A625, 627 – femoralis 917 – incisivus 258, A203, 313, A314, 316, A317, 319, A320 – infraorbitalis 218, 258, A321, 322, A323 – inguinalis 916, 918 – mandibulae 203, 205, 249, 260, A287 – musculotubarius A199, 208

Register Canalis nasolacrimalis 200, 218, 218, 577 – nervi facialis 260 – – hypoglossi A193, A194,209, A210, 213, 265, 422, A422, A437, A641 – – petrosi minoris 606 – – radialis 749 – neurentericus 142, 154 – nutricius radii 666 – nutricius ulnae 666 – obturatorius 1030, A1032, A1039, 1048, 1189, 1193 – ophthalmicus 211 – opticus A180, A190, 193, A195, A200, A210, 211, A212, A217, 218, A323, A552, 575, 578, 583, 587, 588 – palatinus major 220, A319, 320 – peripyramidalis 1011 – pterygoideus 194, A195, A207, 208, 220, 609 – pudendalis A1044, 1048 – pyloricus A946 – radicis dentis 284, 288, 291 – sacralis A636, 637, A1031, A1149 – semicircularis anterior A609, 613, A624, A625 – – lateralis A602, A609, 613, A624, A625 – – posterior A609, 613, A624, A625 – spiralis modioli A626 – tarsi 1179, 1203 – ulnaris (Guyon) A752 – vertebralis A639, A809 – zygomaticus 201 Caninus 296 Cannieu-Riche-Anastomose 733 Cannon-Böhm-Punkt A105, A107, 108, 265, 897, 1000 Canthus 383 Capitulum humeri A663, 664, A678, 679, A681, A705 Capsula adiposa, Niere A653, A919, 1013, A1020, A1022 Capsula articularis 32, A34 – – Articulatio cubiti A679, 680, A681, A680, A754 – – Articulatio humeri A673, 674 Capsula externa 399, A526, A384, 399, A526 – fibrosa glandulae thyroideae 338, A338 – – hepatis 959 – – perivascularis 959 – – renalis A1006, A1011, 1013 – – splenica 979 – interna 368, A384, A388, 396, 399, A400, 402, A403, 404, 445, 458,

1271 A485, A500, A501, 501, A526 – – Bahnen A403 – – Läsion 501, 503 – vasculosa lentis 553 Caput breve, M. biceps femoris A1188, A1194, T1214 – costae 796, A796, A798, 799 – epididymidis A1084, 1086, A1087 – femoris 1100, A1101, 1102, 1110, A1185 – fibulae A1104, 1104, A1117, 1119, 1120, A1121, A1123, A1128, A1140, A1141, A1143, 1148, 1150, A1151, 1153, A1155, 1178, A1185, A1188, A1194, A1199, A1201 – humeri A662, 662, A663, 673, A676, A880 – – M. flexor hallucis brevis 1157 – laterale, M. gastrocnemius A1188, A1194, A1199, T1215 – – musculi tricipitis brachii A630 – longum, M. biceps femoris 1187, A1188, A1194, T1214 – – musculi tricipitis brachii A630 – mallei A601, A603, 603, A606 – mandibulae 203, A204, 221, A222 – mediale, M. flexor hallucis brevis 1157 – – M. gastrocnemius A1188, A1194, A1199, T1215 – medusae 921, 964, 1189 – nuclei caudati A379, A384, A384, A386, A386, A388, 389, A393, 398, A406, A501 – obliquum, M. adductor hallucis 1157, A1158, A1159, A1207, T1217 – obstipum 235 – ossis metacarpalis A669, 688, A690, A737 – – metatarsalis A1106, A1107, A1108, 1110, 1137 – – metatarsalis V A1159 – pancreatis A939, 971, A972, 973, A974, 975, 995, A1006 – phalangis A669, 691, 1110 – – proximalis A737 – quartum musculi tricipitis brachii 703 – radii A665, 666, A678, A678, A681, A683, A737, A754, 756 – stapedis 598, 603–605

Caput tali A1106, 1106, A1107, 1107, A1108, 1133, A1185 – tibiae 1103, A1126 – transversum, M. adductor hallucis 1157, A1207, T1217, A1159 – ulnae A665, 665, 759, 761 Cardia A939, A945 Carina tracheae 826 – urethralis 1078 Carnegie-Stadien 154, 156, 171, 592 Carpal-Bossing A670 Carpus 657, 666 Cartilago(-ines) alaris major 228, A314, 314, 315, A317 – –minor 314 – articularis 32 – – Articulatio humeri A676 – arytenoidea 183, 327, A328 – – Proc. muscularis A326 – – Proc. vocalis A326 – auricularis 593 – bronchi 183 – costae 801, 803, A794, 796, 798 – corniculata (Santorini) 326, A326, 327, A328, 329 – cricoidea 183, A236, A241, A304, 306, A326, 327, A328, A330, A334 – cuneiformis 183, 326, A326, 327 – epiglottica A304, A326, 327 – hypophysialis A179, 179 – meatus acustici A594, A595 – Meckeli A180 – nasalis accessoria 314 – occipitalis A179, 179 – parachordalis 179 – septi nasi 313, A314, 317 – sesamoidea 326, 327 – thyroidea 183, A233, A241, A263, A319, 326, A326, A328, A330, A334 – – Cornu inferius A326, 326, A328 – – Cornu superius A326, 326, A328, A331 – – Lamina A326, 326 – – Linea obliqua A326, 326 – trabecularis A179, 179 – tracheales 183, A330, A331 – triticea 326, A326, 327, A328 – tubae auditivae 301, A305, 610 – vomeronasalis 314 Caruncula lacrimalis 581, A582, 582 – sublingualis 273, 279, 280, A280, 344 Carunculae hymenales 1060, A1069, 1078, A1081, 1082

Cataracta 563, 564 Cauda epididymidis A1084, 1084, 1087, A1087, 1088 – equina 362, A363, 423, A424, 425, A427, A919 – helicis A595 – nuclei caudati 398, A406, A501 – pancreatis A972, 972, 973, A974 caudalis 13 Cavernae corporis spongiosi 1096 – corporum cavernosorum 1096 Cavitas articularis A34 – – articulationis humeri A673 – – genus 1125 – conchalis A595 – coronalis 284, 291 – dentis 287, 291 – glenoidalis A659, 660, 673, A674, 674 – infraglottica 328, 333 – laryngis inferior 333 – – intermedia 333 – – superior A332 – nasalis ossea A190 – nasi 312, 315, 316 – oris propria 270 – pelvis 1035 – peritonealis 931, 982, A1044 – pleuralis 816 – thoracis 781 – tympanica 183, 303, A394, 591, 599, 600, A601, A602, 614 – uteri 132, 1068, A1069, 1073 Cavum articulare A222 – epidurale A440 – medullare 26 – musculi stapedii 605 – Retzii 1048, 1057 – septi pellucidi 378, A379, A381, A406 – serosum scroti A1084, 1085 – – testis 918 – subarachnoidale 425, A440, 443, 615 – symphyseos 1030 – trigeminale (Meckeli) 437 CCD-Winkel 1114, 1115 CCK T508 cCT 382, 383 CD 79 CD34+ 79 CD34+Stammzelle A81, A82 CD34-Antigen 79 CD1a–/CD14+ A81 CD1a+/CD14- A81 CD4+-Zellen 888 CD4-Helferzellen 86 CD8+-Zellen 888 Cellulae ethmoidales 200, A202, 316, A317, A320,

Register

1272 A321, A323, 324, 325, A579, A580, A585, 587 – – Varianten 324 – mastoideae 200, A310, 591, 596, 600, A601, A602, 602, 605, A606, 606, 610, A625 Celsus 9 Cementum 287, 290 centralis 13 centric occlusion 223, A224 – relation 223, A224 Centrum ciliospinale 468 – genitospinale 111 – semiovale A386 – tendineum 1023 – – diaphragmatis 803, 804, A805, 805, A811, A815 – – perinei 1038, 1039, 1038, A1041, A1042, 1042, 1043, 1051 Cerebellum 363, A364, A365, 365, A367, 368, A372, A380, T382, A390, A393, A403, A413, 486, 490, 504, 509, A510, A532 Cerumen 597 Cerumen obturans 597, 598 cervicalis 13 Cervix uteri 132, 136, 158, 170, 1058, A1069, 1069– 1071, 1074, 1075, A1076, 1076, A1077, 1078, 1079 – vesicae 1056 C-Fasern 482, 483 CFU-Baso A80 CFU-Baso/Eo A80 CFU-E 78, A80 CFU-Eo A80 CFU-G A80 CFU-G/M 78, A80, A81 CFU-GM/DC A81 CFU-GM/O A82 CFU-M A80 CFU-Mast A80 CFU-Meg A80 CFU-O 80, A82 CGL 404, 413, 458, 459, 460, 533 CGM 404, 413, 470 CGRP T508, 574 Chalazion 583 Charcot-Trias 515 Chassaignac-Lähmung 682 Cheiralgia paraesthetica 736 Chemorezeptoren 56, 108, 244, 479, T488, 834 Chemosis 584 Chemotaxis 76, 83 Chiari-Netz 854 Chiasma (Meiose) 118 – crurale 1156, 1203 – opticum A319, 367, A371, 377, A378, A380, A381, A388, A392, 410, A413, 435, A441, A444, 445, 456, A457, 458, A459, A546, 548, 572, 573, A580, A585 – plantare 1156, 1165

Chiasma tendinum A1159 – – (Caperi) A709, 712 Chiasmaplatte A365 Chloasma gravidarum sive uterinum 170 Choanen 90, 312, 313 – primäre 312 Cholangiographie 968 Cholangiopankreatikographie 968 Cholesteatom 599, 600, 627 Cholezystitis 110, 913 Chondroblasten 81 Chondrocranium 178, 179, A180, 186 Chondrodystrophie 1100 Chondroklasten 83 Chondromalazie 1103 Chondropathia patellae 1103 Chopart-Gelenk 1134, 1135 Chopart-Gelenklinie A1130, 1203 Chorda arteriae umbilicalis 1058, 1088 – dorsalis A78, 114, 140, A141, 142, A143, 145, 147, A147, 148, 155, 357, A358, A359, 630 – tympani 108, 208, A258, A259, 260, A261, 262, A266, A274, A276, 276, 280, A281, 281, 480, A601, 601, 605, A606, 606, A607, A608, 608, 609 – urachi A915, 1056, A1060, A1061 – uteroinguinalis 1062, 1071 – uteroovarica 1062, 1070 – uterovaginalis 1070 Chordae obliquae A680, A681, 682, A683 – tendineae A853, A854, 855, A856, 858, A860 Chordafortsatz A141, 142, 154, 165 Chordaplatte A141, 142, A358 Chordotomie 484 choreatisch-athetotische Bewegungen 513 Choriocapillaris 563, 566, A568, 573 Chorioiditis 566, 567 Chorion 84, 139 – frondosum A146, 159, 164, 173 – laeve A146, 159, 164 Chorion-Amnion-Haut 164 Chorionepitheliom 163 Choriongefäße 142 Chorionglatze 159 Choriongonadotropin 136 Chorionhöhle A139, 139, A146, 146, 154, A164, 164, 165, 171 – Obliteration A160 Chorionkarzinom 163

Chorionmesoderm A139, 139, 148, 159, 161 Chorionplatte 159, 161, A162 Chorionzotten 159 Chorionzottenbiopsie 173, A174 Chorioretinitis 561, 567 Choristie 168 Choroidea 553, A554, 559, A562, 562, 566, A571, 573, A579, 581 Chromatiden 116, 118, 120 Chromatin 116 Chromatinbrücken 72 Chromatinverdichtung 85 Chromosomen 115, 116, 118, A119, 120, 122, 134 – homologe 116, 117, 118, A119, 120 – überzählige A119, 120 – unterzählige A119,120 Chromosomenaberrationen 120, 121, 128, 167 Chromosomenbruch 122, 128 Chromosomenkondensation 116, 118, 123 Chromosomenmutationen 122 Chromosomensatz 116, 117, 118, 120, 123, 126, 128, 134 Chromosomensegment-Duplikation 122 Chromosomenzahl 117, 118, 120 Chronotropie 871 Chylus 993 Chylusgefäß 993 Chymus 952, 994 Cicero 9 cingular motor area 498 Cingulotomie 408, 523 Cingulum A378, 378, 400, A400, 478 – membri inferioris 1027 – – superioris 657 – pelvicum 1027, 1099 Circulus arteriosus cerebri (Willisii) 443, A444, 444 – – iridis major A556, A560, 560, 561, 573 – – – minor A560, 561 – – sclerae 573 – – Willisii 67 Circumferentia articularis radii A665, 666, 679 – – ulnae A665, 665, A667, A668, 682 Cisterna ambiens 406, 435 – basalis 420 – cerebellomedullaris A392, 435, A436 – chiasmatis 435, A436 – chyli A89, 89, 90, A896, 896, 996, 1000, 1024 – corporis callosi 435 – fossae lateralis cerebri 435

Cisterna interpeduncularis A390, A392, 435, A436 – lumbalis 439 – magna A392 – pontis 435, 443 – quadrigeminalis 435 – venae cerebri magnae A390, 435, A436 – vestibuli 623 Clara-Zellen 835, A836 Clarke-Säule 428 Claudicatio intermittens 59 Claudius-Zellen 621 Claustrum A384, 398, 399, 400, A406, A446, A526 Clavicula A235, 236, 238, A270, 349, 644, 660, A661, A662, A672–A674, A676, 691, A694, 694, 695, A737, 738, 741, 781, A783, 783, A799, A802, A875, A878, A887 – Fraktur 661 Clearance mukoziliare 890 Cleland-Bänder 770 Clitoris A1060, 1061, A1063, 1063, A1079, 1081, A1081, 1082, A1082, A1083 Clivus (Blumenbach) A185, 193, A193, A210, 213, A316, 382, A385, 412, A641 Cloquet-Hernie 917 Cloquet-Kanal 566 Cloquet-Septum 917 Clunes 1182 Cluster of differentiation 79, 888 CMA 498, 504 CO2-Partialdruck 50 Coarctatio aortae 849 Cocain 169 Cochlea 591, 593, A612, 612–614, 617, A619, A620, 623, A624–A626 – Entwicklung 154 Cochlea-Implantat 472 Cockett-Venen 1172 Coelom 77, A359, 932 – extraembryonales 77 Cohn-Poren 837 Coitus interruptus 130, 131 Colles-Fraktur 666 Colliculus facialis A412, 417 – inferior 365, 410, A412, 413, A466, 470, A470, 471 – seminalis 1088, 1091, A1093, 1094 – superior 365, 403, A406, A407, A412, 413, A414, A457, 462, A466, 468, A470, 507, 509, 573 Collum anatomicum A662, 662, A663, 674 – chirurgicum A663, 664, 739

Register Colliculus costae 796, A796, A798, A809 – dentis A288 – femoris 1100, A1101, 1102, A1111 – fibulae A1104, 1104, 1128, 1178, 1200 – glandis 1095 – mallei A603, 603 – mandibulae 203, A204, 233 – pancreatis 972 – radii 666 – scapulae A659, 660, 746 – tali A1106, 1106, 1107, 1132, 1133 – uteri 1069 – vesicae 1056 – vesicae biliaris A966, 967 Coloboma 554 Colon 988, A1006 – ascendens 934, 936, 938, 982, A983, 988, A995, A998 – descendens A653, A919, A935, 937, 982, A983, A985, 988, 934 – sigmoideum 934, A935, 937, A941, A983, 984, A985, A1053, A1054, A1079 – transversum A919, 934, 936, A938, 940, A941, A942, A944, 982, A983, 983, A985, A995, A997 – Tunica mucosa A989 Colonepithel 21 colony-forming unit CFU 79 Columella 315 Columna 357 – anterior (ventralis) A425, 427, A430 – axialis 1007 – Bertini A1007, 1012 – fornicis 377, 378, A379, A384, A386, A406 – intermediolateralis 104 – lateralis A425, 427, 428 – posterior (dorsalis) A425, 427, A430, A485 – renalis A1006, A1007, 1007 – vertebralis 629 Columnae anales A1044, A1050, 1051 – corticis 532, 534, 536 – rugarum 1078 Commissura alba 483, 484, A485, 486 – anterior A392, 396, 399, 401, 410, A436, A441, A447, 478, A526, 541, A549 – epithalamica 404 – fornicis A379, 401 – habenularum 401 – labiorum 1080 – posterior A392, 402, 404, 405, 443, 541

1273 Compartimentum adductorium femoris 1184 – antebrachii extensorum 717, A757 – – flexorum 717, A757 – brachii extensorum 716 – – flexorum 716 – extensorum femoris 1184 – femoris anterius 1184 – – mediale 1184 – – posterior 1184 – flexorum femoris 1184 – superficiale perinei 1045 complex cells 460 Computertomographie, zerebrale 382 Concha 596 – auricularis A595 – nasalis inferior A190, 200, A202, A304, 315, A316, A317, 317, A579 – – media A190, A304, 316, A317, 317, A579 – – superior A304, A316, A317, 317, A579 – – suprema 316 – sphenoidalis 193, A195 Condylus 35 – humeri 664 – lateralis femoris A1101, 1102, 1116, A1117, A1119, 1120, 1153, A1185 – – tibiae 1103, A1104, 1127, A1128, 1150, 1153, 1160, A1185 – medialis femoris A1101, 1102, 1116, A1117, A1119, 1153, A1185 – – tibiae 1103, A1104, A1128, 1148, A1185 – occipitalis A194, A207, 209, 213, A310, 640 Confluens sinuum A436, A437, A449, 453 Conjugata anatomica 1036 – diagonalis 1036, A1037 – externa 1036 – mediana A1037, 1037 – recta A1037, 1037 – vera (obstetricia) 1032, A1036, 1036, A1037 conjunction 118 Conjunctiva bulbi 584 Conjunctivitis 584 Connexus intertendineus A704, A705, 706, A766, 767 Conn-Syndrom 1019 Constrictio pharyngooesophagealis 304 Contergan 169 Conus arteriosus 842, A852, A853, 855, 856, A862, A869 – cordis A843 – elasticus A328, 328, 331 – epididymidis 1086 – medullaris 362, A424, 425, 426, A427, 439 – pharyngeus 611

– tympanicus 610 Cooper-Hernie 917 Cooper-Septen 788 Cooper-Streifen A680, 680 Copula linguae 272, A272 – ossis hyoidei 183 Cor 840, A884, A898 Corium 1221 Cornea 552, 557, A560, A579 – Entwicklung 155 – Nerven 557 Cornu ammonis T397, 397, 398, 522, A528, 528, 529 – anterius A406 – coccygeum A637, 637 – dorsale 428 – inferius cartilaginis thyroideae A241, 326, A326 – laterale 427, 428 – majus ossis hyoidei A205, 205, A275 – minus ossis hyoidei 205, A205 – posterius A379, A457 – sacrale A636, 637 – uteri 1073 – ventrale 427, 428 Corona dentis 287, A288 – glandis 1095 – mortis 918, 1166, 1191 – radiata 128, 132, A133, A1065 – – capsulae internae 402 – thalami 402, A412 Corpora quadrigemina 413 Corpus adiposum buccae (Bichat) 220, 229, A232 – – fossae ischioanalis 1048 – – infrapatellare A34, A1118, 1118, A1119, 1125, 1194 – – orbitae 576, 578, 581 – – palmare profundum 766 – – popliteum A1118 – – praeepiglotticum A331, 337 – – subacromiale 676, 696 – – subtendineum A1129 – albicans 129, 130, 1066 – amygdaloideum 377, 389, 396, 398, A400, 406, 408, A478, 504, 505, 523 – anococcygeum 1038, 1039, 1040, 1042 – calcanei A1108 – callosum 368, A371, 374, 377, 379, A384, A388, A392, A400, 401, A436, A444, A447, A457, 541 – cavernosum clitoridis A1049, A1067, 1082 – – penis A1039, A1053, A1054, A1061, 1064, A1095, 1096 – – recti 55, 1051 – ciliare A107, 561, A562, 574 – – Pars plana 561, 566

Corpus ciliare, Pars plicata 561 – claviculae 661, A693 – clitoridis 1043, 1082, A1082 – costae 796, A796, A798 – epididymidis A1084, 1086, A1087 – femoris 1100, A1101, 1111 – fibulae 1104, 1153 – fornicis A371, 377, A378 – gastricum (= ventriculi) A945, 945, 945, A946, A989 – geniculatum laterale A381, A403, 404, 406, A407, 407, 410, A413, A457, 458, A466, 570, 573 – – mediale 404, 406, A407, 407, 410, A413, 470, A470, 471, 472 – humeri A663 – incudis A601, A603, 603 – linguae 272 – luteum A127, 128, 129, A129, 130, A135, 1066 – – graviditatis 129, 136 – – menstruationis 128, A129, 130 – mamillare A319, 367, A371, 377, A378, A380, 382, A392, A400, 408, 410, A413, A444, 480, 522, A523, A530 – mandibulae 203, A204 – maxillae A202, 202, 317, 322 – médian de Luys 409 – nuclei caudati 398 – ossis hyoidei 205, 236, 275, A275 – – ilii 1028 – – ischii A1029, 1029 – – metacarpalis A669, A737 – – metatarsalis A1108, 1110 – – pubis 1029 – – sphenoidalis 179, 192, 208, 209, A210, 210, 213, 217, 218, 220, 324, 193 – pancreatis A972, 972, A974 – penis 1094, 1096 – perineale 1038 – phalangis A669, 1110 – – proximalis A737 – pineale A365, 404, 405, A412, 413, 543, A549, 549 – radii 666, A711, A737 – rubrum 1066 – spongiosum penis A1039, A1043, A1046, A1061, 1064, 1092, A1093, 1094, 1095, A1095, 1096 – – urethrae A1082 – sterni 691, 793, A795, 795, A799 – striatum 398, 505

Register

1274 Corpus tali 1106 – tibiae 1103 – trapezoideum A419, A470, 471 – ulnae 665, A705, A711, A737 – uteri 1069, A1069, 1070, 1071, 1074, A1076, A1077, 1078 – vertebrae 632, A632, A634, A635, A638, 796 – vesicae 1056 – – biliaris A966, 967, 968 – vitreum 566 Corpusculum bulboideum 41 – lamellosum 41 – renale 1007, A1009 Corpus-luteum-Insuffizienz 137 Cortes renalis Cortex, auditiver 470, 472, A472 – cerebelli 365, 511, A512, A514 – cerebri 357, 367, 374, T382, A514, 522, 524 – – Phylogenese A532 – entorhinaler 398, 522, 528, 529, 531, 540 – gyrenzephaler 532 – limbischer 378 – lissenzephaler 532 – olfaktorischer 395 – orbitofrontaler 376, 478 – ovarii 1065 – periamygdaloideus 395, 396 – perirhinaler 540 – piriformis 395 – posteriorer parietaler A497 – präfrontaler 525, 539 – prämotorischer 497, A497, 504 – praepiriformis 395, 396 – primär motorischer 408, A499 – – sensibler A499 – – somatosensorischer A503 – renalis A1006, 1007 – sekundär sensibler A499 – supplementärmotorischer A497, A499 – transentorhinaler 528 – visueller 374, 377, A459, 459, A542 – viszerosensibler 375 Corti-Lymphe 621, 622 Corti-Organ A470, 592, 593, A619, 620, A620, A621, 621, A622, 622, A623, 623 – Afferenzen 469 – Efferenzen 470 Corti-Tunnel 621 Corus ossis hyoidei A205 Costa A639, A794, 796, 803, A813, A815

Costa I 237, 238, A239, A339, A662, A672, 694, 781, 795, 796, A798, 798, A799, A802, A810, A817, A840, A887, A898 Costa II A662, A672, 783, 795, A798, 798, A799 Costa III A796, A799, A817 Costa IV A817 Costa IX A840, A884 Costa V A799 Costa VI 798 Costa VII 796, 798, A799 Costa XI 783, 796, 798, A1020 Costa XII 783, 796, 798, A805, A810, A1020, A1146 Costae fluctuantes 796 – spuriae 796 – verae 796 Co-Transmitter 507, T508, 536 Cotton Wool Herde 572 Cowper-Drüse 1088, 1092, 1096, 1061 Coxa 1182 – antetorta 1114 – saltans 1115 – valga 1100, 1114, 1115 – vara 1100, 1115 – – adolescentium 1102 Coxitis 1113, 1115 cranialis 13 Crena analis 1182 – interglutealis 1182 Cri-du-Chat-Syndrom 122, A122 Crista(-ae) 27 – arcuata 327 – ampullaris 592, A614, 615, A616, 617, A617, 618, 627 – articularis capitis costae 796 – capitis costae 798, 800, 800 – conchalis 201, A203 – cutis 764 – frontalis A210 – galli 209, A210, A212, A314, A316, A436, A579, A580 – infratemporalis 193, A207, 208, 233 – iliaca A630, 646, 652, A908, A1020, 1028, A1028, 1031, A1034, 1036, A1040, 1099, 1113, A1114, A1141, 1142, A1143, A1146, A1149, 1160, 1182, 1184, A1185, A1186 – – Labium externum 905 – – – internum 909 – – Linea intermedia A906 – intertrochanterica A1101, 1101, 1111, 1144 – lacrimalis anterior A200, A202, 217, 587

Crista(-ae) lacrimalis posterior A189, A200, 217, 587 – medialis fibulae A1104, 1105 – musculi supinatoris A665, 665, 713 – nasalis 201, A314 – obturatoria A1028, 1029 – occipitalis externa A194, A207, 209 – – interna A193, A210, 213 – pubica 1029 – sacralis intermedia 635, A636, 637, 1031 – – lateralis 635, A636, 1031 – – mediana 635, A636, A1185 – sagittalis externa 191 – sphenoidalis 193 – supracondylaris lateralis A663, 664 – – medialis A663, 664 – suprastyloidea radii 666 – supraventricularis A853, 855 – terminalis A853, 854, 868, A869, 869 – transversa 298 – – meatus acustici interni A626 – tuberculi majoris 663, A663 – – minoris 663, A663, 691, 696, 700 – – – humeri 646 – urethralis 1056, 1059, 1092, A1093, 1094 Crossfilling 444 crossing over 118, 122 Crouzon-Syndrom 187 Crowsfoot A949 Crus ampullare 613 – anterius capsulae internae A384, A388, 403, A501 – – stapedis 603 – antihelicis A595 – breve incudis A603, 603, A606 – cerebri A385, A390, A400, A402, A413, 413, 415, 435, 446, 458, A500, 502 – clitoridis 1043, 1045, 1082, A1082 – commune 616 – corporis cavernosi penis A1093 – dextrum fasciculi atrioventricularis A869, 870 – fornicis 377, A379, 412 – helicis A595 – intermedium diaphragmatis 804, A805, 805 – laterale, Leistenkanal 905, A908, A916 – – diaphragmatis 804, A805, 805

Crus longum incudis A598, 598, A603, 603, 605, A606 – mediale, Leistenkanal 905, A908, A916 – – diaphragmatis 804, A805, A1006, A1146 Cilia – membranaceum commune A617 – osseum commune 613, A624 – – simplex 613 – penis 1043, 1045, A1046, 1094–1096 – posterius capsulae internae A384, 403, 501 – – stapedis 603, 605 – simplex 616 – sinistrum fasciculi atrioventricularis A870, 870 – tecti A414 Crux cordis 864, 865 Cryptae tonsillares 311 Crystallin 563 Cubitus valgus 681 – varus 681 Culmen A366 Cumulus oophorus A127, 128, A1065 Cumulus-Oozyten-Komplex A127 Cuneus A369, 380, A447 Cunnus 1080 Cupula ampullaris A614, 615, A616, 616–618 – cochleae 613, A614, A624 – pleurae A817, 817, 822 Curvatura major 937, 940, A942, A945, 945, 949 – minor 940, A945, 945, 949 – praepubica urethrae 1092 – subpubica urethrae 1092 Cushing-Syndrom 1019 Cuspides 855, 858 Cuspis anterior valvae atrioventricularis dextrae A853, A855, A859 – – – – sinistrae A855, A856, A857, A859 Cuspis posterior valvae atrioventricularis dextrae A853, A855, A857, A859 – – – – sinistrae A856, A857, A859, – septalis valvae atrioventricularis dextrae A855, A857, A859 Cuticula dentis 289, 293 Cutis 1219, A1220 Cymba conchalis A595 Cytosin 116 C-Zellen 184, 337, 338, 339 – Entwicklung 155

D Dach 363 Dakryorrhoe 587 Dakryostenose 587

Register Daktyloskopie 770, 1220 Dammhernien 1039 Dammschnitt 1043 Darm A50, A51, A78 Darmanlage A359 Darmbein 1027 Darmbeinstachel 1182 Darmflora 991 Darmkrypten A993, 993 Darmmotilität 111 Darmperistaltik 61, 65 Darmrohr (ENS) 111 Darmsaft 996 Darmschleimhaut 89 Darmschlingen A151, A152, 156, 165, A926 Darmtonsille 91, 988, 1002 Darmtrakt 91 Darmwandnervensystem A990 Darmzotten 992, A993 Darwin-Höckerchen 596 DAS 447 Dauergebiss 281, 286 Dauergewebe 21 Daumengelenke 37 Daumenhypoplasie 121 Daumen-Kleinfingerprobe 733, 734 Daumensattelgelenk 35, 687 DC 79, A81 – interdigitierende A81 – interstitielle A81 – Keimzentrum A81 – unreife A 81 DC1 A81, A81 DC2, periphere 80, A81 DC-Vorläuferzelle, lymphoide A81 – myeloische A81 Decidua basalis 161, A164, 164 – capsularis A164, 164 – parietalis A164, 164 Deckfalte A582 Deckmembran 622 Deckplatte A361, 361, 366 Declive A366 Decussatio lemniscorum 483, A485 – pedunculorum cerebellarium superiorum A414, 514 – pyramidum A380, A381, 412, 422, 497, A500, 502 – tegmenti dorsalis A414 – – ventralis A414, 415 Defäkation 111, 1052 Defilé-Aufnahme 1125 Deflektion 616, 617, 622 Defloration 1082 Deformation 168 Dehiszenzgelenk 32 Dehnungsgeschwindigkeit 46 Dehnungsreflex 44 Dehnungsrezeptoren 57, T488, A491, 493, 833 Dehnungstrajektorien 23 Deiters-Kern 473, 512, 513

1275 Deiters-Zellen A621, 621, 622 Déjà vu-Erlebnisse 525 Déjerine-Klumpke-Lähmung 743 Dekapsulation 1013 Dekubitus 629, 1182, 1222, 1226 Deletion A122, 122 Delphin 92 Delta, apikales 291 Delta-Granula, Thrombozyten 76 Demenz 527 Demonstrationen, anatomische 4 Dendriten 91, 92, 353, 357, 361, A362 Dens axis A633, 633, A641, 641 dense bodies 76 Dens-Fraktur 642 Densgelenk-Arthrose 642 Dentalfluorose 298 Dentes 281 – canini 286, 296 – concreti 285 – confusi 285 – decidui 281, 298 – geminati 285 – incisivi 286, 296 – molares 286, 297 – permanentes 281 – praemolares 286, 297 Dentin 282, 284, 287, A288, 288–290, A291 – Entwicklung 155 Dentinkanälchen 289, 290 Dentinogenesis imperfecta 285 Dentin-Zement-Grenze 290, A291 Dentition 186 dentogingivale Verbindung 293, A294 Depolarisationswelle 133 Depotfett 1222 Depression 506 De-Quervain-Fraktur 686 Dermatitis, topische 73 Dermatom 95, 97, 98, A147, 148, 427, 431, A432, 432, A491, 903, 1226, A1227 Dermatomyotom A147, 148, 657, 1221 Dermis 1219, 1221, 1222, 1223, 1228 – des Kopfes, Entwicklung 155 Dermis-Subkutis-Grenze 1225 Desakkommodation A562, 563 Descartes 405 Descemet-Membran A557, 558 Descensus costarum 812 – laryngis 336 – testis 914, 918, 1063, 1085

– uteri et vaginae 1071 Deskriptoren 17 Desmocranium 178, 180, 186 Desmodont 30, 284, 288, 294 Desmodontalfasern A294 Desmodontalspalt A288, A294 Desmosomen 137, 567, 572, 1219, 1220 – Cornea A558 Desoxyribonukleinsäure 116 Desquamationsphase 130 Determination 114, 115 Determinationsperiode, teratogenetische 169 Detrusorschleife 1057 Deutsche Horizontale A383, 383, A387 Deviation conjuguée 503 dexter 13 Dezidua 159, 164 Deziduaplatte 161 Deziduareaktion 130, 136 Deziduazellen 136, 137, 159 Diabetes insipidus 544, 545 – mellitus 164, 572, 623, 976, 1014 Diagnostik, neurologischtopische 356 Diakinese 120 Diameter obliqua I A1037, 1037 – obliqua II A1036, A1037, 1037 – transversa A1036, A1037, 1037, 1037 Diaphragma A919, A938, A1004, 1021 – Crus mediale A1146 – Pars lumbalis 943 – oris 238, 279 – pelvis 1038, 1045, 1073 – sellae 211, A320, A411, 411, 437, A580, A585 – thoracoabdominale 783, A802, 803, A805, 809, A815, A840, A851, A874, A876, A882, A884, A887, A889, 891, A898 – urogenitale A915, 1038, A1039, 1042, A1043, A1047, A1053, 1059, A1060, A1061, 1073, 1078, 1082, 1090, 1092, 1096 Diaphyse 22, 26, 27, 78 Diaphysis femoris 1100, A1101 Diarrhö 991 Diarthrose 32, 39 Diastole 51, 55, 873 Diazonien 288 Dickdarm 996 – Head-Zone A110 Diencephalon 363, A364, 364, A365, 366, A366,

367, A369, 373, 378, T382, 399, 404, 505 dienzephales Syndrom 476 Differenzierung 19, 24, 78, 114, 115, 356 Diffusion 61 – paraendotheliale 61 DiGeorge-Syndrom 886 Digiti manus 657, 769 – pedis 1202 Digitus malleus 1139 – recellens 720 Diktyotän 120, 126 Dilatation des Uterus 158 dimeric link chain 223 Dimorphismus 16 Diplocheirie 658 Diploe 27, 214, 251 Diploë-Venen 437 Diplotän 118, A119 direction-selective cells 460 Discus A30 – articularis 35, 221, A222, 223, A232, 233, 234, 671, 672, 683, A799 – articularis sternoclavicularis A672 – – ulnocarpalis 682, A684, 684 – interpubicus A1030, 1030, A1033, A1049, A1067 – intervertebralis 631, 632, 638, A794, A797, 800 – nervi optici A579 disjunction 120 diskomandibulare Kammer 222 diskotemporale Kammer 222 Disruption 168 Disse-Raum 961 distalis 13 Distantia cristarum A1036, 1036 – intertrochanterica 1036 – spinarum A1036, 1036 – trochanterica A1036 Distorsion 1125, 1132 Distraktion des Uterus 158 Divergenz 106, 109, 110, 482, 536 Diverticula ampullae 1088 Diverticulum ilei 933 Divertikel 998 – pharyngooesophageale 309 Divertikulitis 998 Divertikulose 998 Divisio autonomica 98 DNS, mitochondriale 116, 133 – nukleäre 116, 133 DNS-Menge 116, 118, 120, 123, 126, 128 DNS-Molekül 116, 118 DNS-Replikation 118 DNS-Segmente A119 DNS-Verdopplung 118 Dominanzsäulen, okuläre 460

Register

1276 Dopamin 455, A505, 506, 507, T508, 521 Doppelbildungen 168 Doppelhand 658 Doppler-Sonographie 171, 173 – transkranielle 444 Dorn 27 Dornfortsätze 632, 634, 635, 784 dorsal 15, 369, A370 Dorsalaponeurose Hand 691, 706, 715, 717, A718, A719, A769 – Fuß 1136, 1137, 1153, 1156, 1157, 1157, 1162 dorsaler Weg zur Niere 1019 dorsalis 13 dorsolaterales Bündel A1174 dorsoventrale Gliederung 15, 16 – Orientierung 142 Dorsum 629 – linguae 273 – manus 767, A768 – pedis 1208, A1209 – penis 1043, 1095 – sellae 193, A195, A210, 211, A385 Dotterarterien 849 Dottergang A149, 150, 151, A359 Dottersack 77, 79, 84, A138, 138, 139, A139, 141, 142, A146, 146, 148, A148, 149, A149, 150, A150, 151, 155, 165, 171, A358, A359, A847 – primärer 138, A138, 139, A139 – sekundärer A139, 139, 141, A146 Dottersackgefäße A148, 148 Dottersackknall 139 Dottersackplazenta 142 Dottersackwand 116, 123, 126, 139, 148 Dottervenen 847 Douglas-Linie 909 Douglas-Raum 986, A1047, 1073 Down-Syndrom A120, 121 Drehbeschleunigung 473 Drehbewegung 616 Drehmoment 1103 Drehschwindel 602, 613, 618 Dreieckbein 667 Drillinge 167, A167 Drillingsnerv 96 Dromotropie 871 Drosselgrube 235, 347, 783 Drosselvene 64 Druck, intrakranieller 181 – intraokulärer 559, 562 – intrapulpaler 295 Druck-/Überdehnungsschaden 732

Druckausgleich 302, 611 Druckempfindung 1226, 1228 Druckgefälle 55 Druckkammern Subcutis A766 Druckkammerprinzip 1182, 1208 Druckknopfverbindungen A565 Drucklinien A24 Druckpunkt 1178 Druckspannungslinie 29 Drummond-Marginalarterie 1000 Drüsen, endokrine 64 – tubuloalveoläre A1091 Drüsenfeld 786 Duchenne-Erb-Lähmung 743 Ductulus(-i) alveolaris 830, A837 – aberrantes 1062, A1063, A1085, 1086 – efferentes 1062, A1085, 1086, A1087, 1087 – excretorii 585 – excretorius A584, 584 – prostatici 1094 – transversi (Gartner-Gang) 1064 Ductus arteriosus A51, 52, 846, A849, 849, 850, 884 – biliaris A956, A972 – bilifer interlobularis 961 – choledochus A935, 953, A954, A956, A966, 966, A969, 970, A972, A973, 973, A975 – cochlearis 591–593, 614, A614, 615, A617, A619, 620–623 – Cuvieri 847 – cysticus A956, A966, 966, A967, 967, 968, A969, 970, A972 – deferens 125, A914, A915, A1046, A1053, A1055, 1055, A1061, 1061, 1062, A1063, A1084, A1085, 1087, 1088, A1089 – ejaculatorius A1061, 1061, 1062, 1088, 1089, A1091, A1093, 1094 – endolymphaticus 199, 592, 612, A614, 615–618 – epididymidis 1062, A1063, A1085, 1086, 1087 – epoophori longitudinalis, Gartner 1062, A1063, 1064 – excretorius 1089 – glandulae bulbourethralis 1092 – hepaticus 961, A969 – – communis A966, 966, A967, 970, 971, A972 – – dexter A956, 965, A966, 966

Ductus hepaticus sinister 965, 966 – interlobularis bilifer 965 – lactiferi A785, 786, A787, 788 – lymphaticus dexter 70, 88, 89, 90, 253, 729, 832, A896, 897 – – sinister 885 – nasolacrimalis 315, A317, A582, A584, 587 – omphaloentericus 150, 933, A934 – pancreaticus A954, A972, A973 – – accessorius (Santorini) A935, 953, A954, 971, A972, 973 – – major (Wirsungi) A935, 953, 971, 972 – papillaris 1009, A1011 – paraurethrales 1082, 1059 – parotideus A225, A226, A232, A248, A261, 278, A278, 279, A352 – pericardioperitonealis 804 – perilymphaticus 199, A614, 615 – reuniens 593, A614, 615, 617, 620 – saccularis 592, 615, 617, 618 – semicirculares A614, 615, 591, 592 – sublinguales minores A259, 273, A278, A280, 280 – – major A259, 273, 280 – submandibularis A259, 273, A278, 279, 280, A280, A319, A344, 344, 345 – thoracicus 70, 88, A89, 89, 90, 253, A310, A339, 349, 350, 729, 790, 804, 807, A809, A814, A817, 820, 832, A861, A872, A879, A884, 885, A896, 896, A898, 1024 – thoracicus dexter 70 – thyroglossalis (= thyroglossus) 168, A184, 272, 337, 338 – utricularis 592, A614, 615, 616, 618 – venosus (Arantii) A51, 52, 848, 957 – vitellinus 150 Duftdrüsen 787, 1225 Dünndarm 991 – Mucosa A993 Dünndarmepithel 21 Duodenalatresie 121 Duodenaldivertikel, juxtapapilläres 953 Duodenalschlinge A953 Duodenalsonde 968 Duodenalstenose 121 Duodenum 933, A934, A935, 937, A938, 941,

A945, 952, A972, A973,988, A989, A1006 – mobile 952 Dupuytren-Kontraktur 767 Dura mater 29, 95, 215, A370, 433, 435, A438, 578, A580 – – cerebri (= encephali) A371, A411, A436, 612, A614, 618, 627 – – spinalis A424, 426, 439, A440, 637, A640, 881 Duraduplikaturen 434, A436 Durasack A440 Durataschen 439 Durchblutungsregulation 109 Dyaden 570 Dyschylie 279 Dysfunktionen, vegetative 98 Dysgenesie 168 Dysgeusie 608 Dysgraphie 541 Dyshistogenese 168 Dyskranie 187 Dyslexie 541 Dysostosis cleidocranialis 27, 661 Dysphagia lusoria 350 Dysplasien 168, 593 – neuronale intestinale 991 Dysplastiker 17 Dyspnoe 56 Dystonie 506 Dystopie 168 Dystrophie 109 – reflektorische sympathische 109 D-Zellen, Pankreas 976

E Ebenen 9, A11, 12 EBT A866 Eckzahn 286, 296 Eckzahnhochstand 287 Ectocervix 1070 Edinger-Westphal-Kerne 108, 463, 468 Edwards-Syndrom A120, 121 Effektoren A357 Effektorzellen 84, 353 – immunkompetente 86 Efferenzen 96, 101 – motorische 91 Efferenzen der Sehrinde 460 Efferenzkopie 509, 515 Eichel 1064, 1094 Eierstock 125, 1060 Eigelenk 35, A36, 640, 684 Eigenapparat 430, 490, 496 Eigenreflex 489 Eihügel 128 Eileiter 132, 1060, 1066 Eileiterschwangerschaft 1068 Einflussbahn 854, 857

Register Eingeweideschädel 177 Eingeweideschmerzen 109 Einklemmungen, innere 987 Einklemmungssymptomatik 476 Einnistung 131 Einnistungsort 164 Einschnitt 27 Einzapfung 30 Eisenmenger-Reaktion 843 Eisenpigment 417 Eisprung A127, 128 Eiterkörperchen 73 Eizellen 120, 126, 131, 132, A133, 133, 165, A1065, 1065 Eizellmembran 132, 134 Ejakulat 125, 132, 1092 Ejakulation 125, 1088, 1096 Ekstrophie 153 Ektoderm A138, 138, A140, A141, 141, 142, A143, 144, 155, 357, A358, A552, 552, 553, 563, 565, 592, 786, 1219 Ektomesenchym 565, 566 Ektropionierung, Portio 1070 Ektropium 583 Ekzem 64 Elastin 53 elastischer Typ 58, A59 Elefant 92 Elektronenstrahltomographie A866, 867 Elektrostimulation 506 Elephantiasis 89 Elevatio uteri 1071 Elevation 644 Elle 665 Ellenbeuge 751 Ellenbogen, Entwicklung 154 Ellenbogengelenk A30, 677, A678–A681 – Bewegungen 703 – Erguss 756 – Luxation 682 – Mechanik 680 Ellenbogenhöcker 665 Ellenstraße 759 Elongation 61 Elschnig-Membran 572 Embryo 114, 142 – Blutbildung 154 – Gefäßbildung 154 – Körperform A150 – Länge 154 – Stadienzuordnung 154 Embryoblast 134, 135, 136, 138, A138, 139, 142, 154 Embryogenese 114, 140 Embryologie 9, 113 embryomaternaler Dialog 130, 136, 137 Embryonalanlage, Gliederung 142 Embryonalentwicklung 2 Embryonalperiode 114 Embryonaltage 113

1277 Embryonalwochen 113, 114 Embryonentransfer 134 Embryopathien 114, 593 Eminentia arcuata 197, A198, 212, 613, A625 – carpi radialis 667 – – ulnaris A737, 667 – conchae A595 – fossae triangularis A595 – iliopectinea 1139, 1191 – iliopubica 917, A1029, 1029, 1035, 1037, 1144, A1185 – intercondylaris tibiae 1103, A1104, A1126, 1126, A1128 – mediana A380, 411, 546, A547 – pyramidalis 600, 601, A602, 605 – retropubica 1036 – scaphae A595 Emissarien, Auge 556 Emissarium condylare 209 – mastoideum 208 Emotion 521, 525 Empfängnis 131 Empfindungsstörung, dissoziierte 484 Enamelum 287, 288 Enarthrosis 35, 1110, 1111 Encephalin 507, T508 Encephalon 353 Endarterie 64, 65, 66, A66, 981, 1010, 1012 – funktionelle 447 Endhirn 395 Endhirnachse A370 Endhirnbläschen 363 Endkolben 569, A569 Endkörperchen, eingekapselte 1228 – kapsellose 1228 – sensible 41 Endocervix 1070 Endokard 858 Endokarditis 858 Endokardkissen 845 – Defekte 845 Endokardschlauch 841, A841 Endolymphe 591– 593, 612, 613, 615–618, 620, 622, 623 Endolymphstau 618 Endometrium A129, 130, 131, 136–138, A138, 158, A160, 1074, A1074 Endomysium 47 Endoprothese 24, 39 Endorphine 519 endostales Netzwerk 26 Endothel 53, 59, 60, 61, 62, 148, 161 – fenestriertes 61 endothelialer Faktor 57 Endothelin 57 Endothelium corneae A557, 558 Endothelrohrnetze 148

Endothelzellen 77, 78, 80, 81, 88, A434 Endozytose 72 Endphalanx 1224 Endstrecke, gemeinsame motorische 491, 516, A516 Endstrombahn A66 Endstück, Spermium A124, 125 Endzotten 159 Engelflügelstellung 695 Engpasssyndrome 432, 917, 923 Engstand 287 Enophthalmus 218, 468, 574, 581 ENS 91, 99, 101, 111, 989 – Entwicklung 155 Enslin-Syndrom 187 enterisches Nervensystem 111 – – Entwicklung 155 Enteropathia lymphangioectatica 89 Enteroptose 978 Enterozyten 993 Entlastungsstellung A1113 Entoderm 138, A138, A140, A141, 141, 142, A143, 145, 146, 149, 150, 153, 155, A358, 821, 886 Entwicklung 19 – synchrone 123 Entwicklungsakzeleration 20 Entwicklungsalter 171 Entwicklungsdauer, Spermium 125 Entwicklungsgeschichte 2 Entwicklungsmechanik 2 Entwicklungsprognose 20 Entwicklungswoche I 131 Entwicklungswoche II 136 Entwicklungswoche III 140 Entwicklungswoche IV 148 Entzündung 83, 85, 88, 89, 98 – periapikale 295 – physiologische 128 Entzündungszellen 558 Enzephalitis 377 Enzephalozele 187 Enzymdefekt 169 Enzyme, akrosomale 132 Eosinophilenmigration 73 Eosinophilie 73 Ependym A360, 361, A366, 367, 416, 441, 442 Epiblast 138 Epicondylus femoris lateralis A1101, 1102, 1118, 1119, A1185, A1101, 1102, 1118–1120, A1149, A1155, A1185 – – medialis 1147 – lateralis humeri A663, A678, A679, 680, A681, A682, A697, A698, 703,

A704, A705, 706, 713, A737, A750 – medialis humeri A663, 664, A678, 680, A680– A682, A697, A698, A701, A702, 707, A708–710, 711 713, A737, A750, A753, A758 Epidermis 21, A785, 1219, A1220, 1220, 1221–1223, 1225, 1226, 1228 – Entwicklung 151,155 Epididymis 123, A1053, A1061, 1061, A1063, A1084, 1086, A1087 Epiduralanästhesie 440, 637 Epiduralraum A436, 439 epigastrischer Winkel 798 Epigastrium 903, 913 Epiglottis 183, 276, A304, 304, A305, 309, A319, A328, A330, A331, A334 Epiglottiswulst A272, 326 Epikanthus 121 Epikard A809, A809, 860 epikritisch T488 Epilepsie 525, 531, 536, 540 Epimer 904 Epineurium 426, 439 Epiorchium 918, 1085 Epipharynx 303, 591 Epiphora 587 Epiphyse, Knochen 27, A28 Epiphysenfugen A25, A26, 27, 28, A34, A547, A667, A668, 1102 Epiphyseolysis capitis femoris 1102, 1115 Epiphyseonekrose 1104 Epiphysis cerebri (s.a. Corpus pineale) 367, A371, A383, 404, A416, 548, 549 – distalis radii A670 – – ulnae A670 Episiotomie 1043 Episklera 555 Epispadie A152, 153, 1064 Epistaxis 315 Epistropheus A319 Epithalamus A366, 367, T382, 404 Epithel, orales 293, A294 – respiratorisches 21, 835 Epithelium corneae 557, A557 – spermatogenicum 1086 – superficiale ovarii 1065 Epithelknospe primäre A785 Epithelkolben 786 Epithelkörperchen 338, 341 Epithellymphe 1226 Epithelverband 115 Epitympanon 600, 606 Eponychium 1224 Eponyme 9 Epoophoron 1062, A1063, 1064, A1065 EPS 93, 503, 511

Register

1278 EPS-Kerngebiete 505 Erb-Auskultationspunkt A876 Erb-Goldflam-Krankheit 889 Erbgut 118 Erbgutschädigung 169 Erbinformation 116 Erblindung 457 Erb-Punkt 267 Erbsenbein 667 Erektion 1092, 1096 ergotropes System 100 Erinnerungsvermögen, akustisches 473 – optisches A457 Ermüdungsbruch 24, 27, 30 Ernährungszustand 109 Eröffnungsphase 158 Erosion 288 Erregungsausbreitung, divergente 106 Erregungsbildungs- und leitungssystem A868, 868, A869 Erregungsempfang 91 Erregungsleitung, afferente A353 – efferente A353 Erregungsübertragung A353 Erregungsweitergabe 92 Ersatzhaar 1223 Ersatzknochen 22, 27, 28, 177, 178, 191 Ersatzzahnanlage 282, A283 Erysipel 596 Erythroblasteninseln 78 Erythropoese 77, 78, 981 Erythropoetin 77, 78, 1013 Erythrozyten 21, 54, 71, A76, 77, 78, A80 – Abbauorte 72 – Alterung 72 – Elimination 72 – Lebensdauer 72 Erythrozytenmembran 84 Esmarch-Blutleere 724 ET 113 Euchromatin 117 Eustachi-Röhre 600, 610 Eustachius 52 Eversion der Netzhaut 553 Eversions-Inversions-Achse A1106 Evolution 15, 82, 92, 103 EW 113, 114, 131 Excavatio papillae nervi optici 559 Excavatio rectouterina (Douglas) 986, A1047, A1049, 1052, A1060, A1067, A1072, 1073, 1078 – rectovesicalis A938, 986, A1046, A1047, 1052, 1057, A1090 – vesicouterina 986, A1047, 1057, 1073 Exenzephalie 145 Exophthalmus 187, 581 Exozölzyste A139, 139

Exspiration 802, 803, 808, A811, 908, 911, 913, 919 Exspirationsform A812, 813 Extension 14, 35 Extensorenanlage 658 Extensorenloge 1162, 1197, 1200 – Oberschenkel A1162 – Unterschenkel A1163, A1164 Extensorfurchen A665 externus 13 Externusaponeurose A908, A909, A910, 916 exterozeptiv T488 Exterozeptoren 481 extraartikulär 34 extrakapsulär 34 extrapyramidalmotorisches System 93, 398, 399, 491, 503 extrastriate areas 460 Extrauteringravidität 136 extrazelluläre Matrix 81 Extremitas acromialis claviculae 660, A661, A674, A693 – anterior splenis A977, 978 – posterior splenis A977, 978 – sternalis claviculae 660, A661, 671 – tubaria ovarii 1064, 1065 – uterina ovarii 1065 Extremitäten 6, 97 – Entwicklung 97, 155 Extremitätenfehlbildung 169 Extremitätenknospen 156, 1226 Extremitätenrotation 657 extrinsic factor 952 – fibers 290

F F.D.I. 286 Fabella 49, 1120, 1153 Fabricius 84 Fachausdrücke 9 Facies anterior palpebrarum 581 – – radii A665, A683, 712, 713 – – ulnae A665, A683, 712, 713 – – uteri 1070 – anterolateralis humeri A663 – anteromedialis humeri A663, A664 – anterosuperior pancreatis 972 – articularis 32 – – anterior axis A633, 633 – – capitis costae 796, A798 – – incudis A603, 603 – – inferior atlantis 633 – – posterior axis A633, 633

Facies articularis superior atlantis A633, 633 – – superior vertebrae (Wirbel) A634 – – tuberculi costae A796, 796 – auricularis ossis sacri A636, A1029, 1029, 1030, A1053, A1079 – colica splenis A977, 978 – costalis pulmonis 822, A824, A825 – – scapulae A659, 660, A673 – diaphragmatica cordis 851 – – hepatis A955, 955 – – pulmonis 822, A824, A825 – – splenis 941, 978 – dorsalis radii 706, 707 – – scapulae A659 – – ulnae 706 – gastrica splenis A977, 978 – glutealis 1028 – inferior hemispherii cerebri 371, A380, 380 – intestinalis uteri 1070 – lateralis ovarii 1064 – – radii A665, A683 – lunata 1027, A1028 – medialis hemispherii cerebri 371, 374, 377 – – ovarii 1064 – – pulmonis A824, A825 – – ulnae A665, A683 – mediastinalis pulmonis 822 – pancreatica splenis 978 – pelvina ossis sacri 635, A636, 1044, 1051 – posterior cordis 851 – – humeri A663 – – pancreatis 972 – – radii A665 – – scapulae 660 – – uteri 1070 – renalis splenis A977, 978 – sacropelvina A1029, 1029 – sternocostalis cordis 850, 854, 863 – superolateralis hemispherii cerebri A370, 370, 371, 374, 375, A391, 499 – symphysialis A1029, 1029, 1030 – urethralis penis 1095 – vesicalis uteri 1070 – visceralis hepatis 955, 978 Fadenwürmer 89 Faeces 1001 Fahrstuhl 618 Fallhand 664, A736, 736 Fallot-Hexalogie 846 Fallot-Pentalogie 846 Fallot-Tetralogie 120, A846, 846 Falten, postsynaptische A494 Faltenfundus A967

Falx cerebelli 437 – cerebri 209, 371, A371, A371, 373, A436, 453 – inguinalis A909, A910, A914, 914, A915, 915, A916, 917 Farbselektivität 569 Fascia abdominalis superficialis 905, 1085, 1094 – antebrachii 703, 706, 707, 711, 712, 716, A750, A757 – axillaris 738, 739 – brachii 716, 746, A748, 748 – buccopharyngea 242, 306, A352, 353 – cervicalis (= colli) 240 – – Lamina praetrachealis A241, 241, A338, 349 – – Lamina praevertebralis 346, 349, 351, A352, 352, 813, 883, 898 – – Lamina superficialis A241, 241, A268, 279, A338, 343, 349, 350, 652 – clavipectoralis 694, A738, 739, A792 – clitoridis 1082 – cremasterica 907, 918, A925, A1084, 1085, 1088 – cribrosa A906, 1160, 1191 – cruris A1123, 1144, 1150, A1151, 1153, 1162, 1197, 1198, 1204 – – Lamina profunda A1152, A1154, 1156, A1163, A1164, A1204 – – Lamina superficialis A1163, A1174 – dentata 397 – diaphragmatica 892, 913, 1160 – diaphragmatis pelvis inferior A1041, A1042, A1044–A1046, 1047, A1097 – – – superior A1044, 1045, A1046 – – urogenitalis inferior A1041, A1042, 1045, A1046, 1047 – – – superior 1045, A1046, 1047, 1048 – dorsalis manus profunda A766, 769 – – – superficialis A766, 769 – – pedis 1162, A1164, 1208 – – – Lamina profunda 1163 – – – Lamina superficialis 1163 – endopelvina 1044, 1045 – endothoracica 353, A813, 813, 818, 881, 898 – extraperitonealis 1045 – glutea A1041, A1042, 1160, 1182 – iliaca 913, 916, 1139 – iliopsoas, Pars iliaca 1160

Register Fascia iliopsoas, Pars psoatica 1160 – infraspinata A645, A647, 695, 695, A697, 744 – interossea dorsalis 767 – – palmaris 767 – investiens perinei superficialis 1045 – lata 916, A1041, A1042, A1141, 1142, A1143, 1160, A1161, A1162, 1178, 1184, 1187, 1189, 1191, 1193 – lumbalis A653, 1160 – masseterica 226, 241, A270, A352 – musculi infraspinati A692 – – obturatorii interni A1041, 1066 – nuchae 241, 242, 652 – obturatoria A1041, A1042, A1044, A1046, 1047, 1048 – parotidea 226, 241, A270 – parotideomasseterica 278 – pectinea 1160 – pectoralis 241, 738 – pectoralis superficialis 786, 788 – pelvis 913 – – parietalis 1044, 1045, A1046, A1072 – – visceralis 1044, A1044, A1046, A1072 – penis 1096 – – profunda A908–A910, A925, 1045, A1095 – – superficialis A908, A909, A910, A925 – perinei 1045 – – superficialis A1046 – peripharyngea 242 – pharyngobasilaris 242, 306, A307, A310 – plantaris profunda 1164 – poplitea A1118, 1162, 1187, 1195 – praerenalis (Toldt) 1013 – praesacralis 1045, A1046 – prostatica A1047, 1090 – psoica A653 – rectalis A1044, A1046, A1047, A1072 – rectoprostatica 1045 – rectosacralis 1045 – rectovaginalis 1045 – renalis A653, 1013, A1020 – retrocaecalis A1046 – retrorenalis 1013 – spermatica externa A908, A909, A910, 918, A925, A1084, 1085 – – interna A909, A910, 914, 918, A1084, 1085 – supraspinata 695, 744 – temporalis 219, 226, 230, 231, A232, 233 – – Lamina profunda A226, 233

1279 Fascia temporalis, Lamina superficialis A226, 233 – thoracolumbalis A645, 646, A649, 652, A653, 909, 1019, 1139, A1140, A1141, A1143 – – Lamina profunda 919, A1020 – – Lamina superficialis A653, A692, A1020 – transversalis A653, 905, A911, 912–914, 916, 918, 919, A925, A926, 927, 1085, 1160 – umbilicalis 913, A914 – vesicalis A1046, A1047, 1058, A1072 – vesicoumbilicalis A1047, 1058 – vesiculae seminalis A1047 Fasciculus(-i) anterolateralis A485 – arcuatus 401, A540, 540 – atrioventricularis 868, A869, 869, A870 – cuneatus (Burdach) 423, A428, 483, A486 – gracilis (Goll) 423, A428, 483, A486 – interauricularis anterior 869 – – posterior 869 – – horizontalis 859 – interfascicularis, SchultzeKomma A428, A486, A516 – lateralis plexus brachialis A730, A731, 732 – lenticularis 410 – longitudinalis anterior A428 – longitudinales aponeurosis plantae 1163, 1164, 1205 – – dorsalis, Schütz 479, 480, 518 – – inferior A400, 401 – – medialis 408, A414, A418, A419, A421, A462, A463, 464, 465, A466, 466, A474, 474, A475, 475, A476, 476, A486 – – superior A400, 401, 537 – medialis plexus brachialis A730, A731, 732 – posterior plexus brachialis A730, A731, 732, A741 – proprii 430 – retroflexus, Meynert 405 – subthalamicus 410 – sulcomarginalis A475 – tegmentalis dorsolateralis 409 – telencephalicus medialis 478, 518 – thalamicus 410 – thalamocorticales A402, 402, A485 – transversi aponeurosis plantae 1163, 1205 – uncinatus 401, 524

Faserapparat, dentoalveolärer 284 Faserknochen 24, 35 Faserknorpel 211, 221, 795, 799, 1030, 1111, 1122, 1133, 1136 Fasern, adrenerge 102 – afferente 357 – alveologingivale A294 – anulospirale A516 – cholinerge 102 – dentogingivale A294 – efferente 357 – elastische 47, 55, 59, 294, 301, 555, 638, 639, 799, 1221 – interpapilläre A294 – interzirkuläre A294 – intrafusale 46 – kollagene A23, 47, 289, A291, 294, 555, 560, 598, 638, 1221 – kommissurale 368, 377, 401, 536 – kortikofugale 402 – kortikopetale 402 – muscarinerge 102 – parasympathische 260, 608 – periostogingivale A294 – postganglionäre 101, 102, 104, 108, 609 – präganglionäre 99, 101– 104, 108, 608 – semizirkuläre A294 – sympathische 96 – transseptale A294 – vasomotorische 96 – vegetative 46, 91 – viszerosensible 106 – – Pharynx 108 – zirkuläre A294 Fasersysteme 368, 400 Faserzement, azelluläres äußeres 290 – zelluläres inneres 291 Fastigium 443 Faszien 48, 63, 1159 Faustschlusshelfer 43 Fazialiskanal 601, 608 Fazialisknie 609 – inneres 420, 464 Fazialisneurinom 609 Fazialisparese 230, 600, 609 – zentrale 420, 480 Fazialiswulst 602 Fazilitation, neuromuskuläre 45 feedback-loops 544 Feedback-Mechanismen 24, 570 Fehlbelastung Wirbelsäule 643 Fehlbildungen 2, 167, 168, 172, 1100 – Assoziationen 168 – obere Extremität 658 – Ursachen 169 Fehlbildungsentstehung, Noxenspezifität 169

– Phasenspezifität 169 Fehlgeburt 114 Fel 970 Felddefekte, polytope 168 Felderhaut A1205, 1205, A1220, 1221, 1223, 1225 Felsenbein A179, 196, 592, 593, A601, A602, A606, 609, A612, 625, A625, A626 Felsenbeinfraktur 381, 609 Felsenbeinkante 373 Felsenbeinpyramide 212, 214, 376, 591, 611, 613, 615, 618 Femoralhernie 1191 Femoropatellargelenk 1127 Femorotibialgelenk 1126 Femur A24, A25, 28, 29, A34, 1099, 1100, A1101, 1111, A1117, A1118, 1118, A1121, 1139, A1162 – Entwicklung 1102 Femurfraktur 1184 Femurkondylen 1116 Femurkopf 1110, 1111, 1114 Femurtorsion 1102 Fenestra cochleae 601, A602, A609, 612, A614, A625 – vestibuli 600, 601, A602, 602, A609, 612, 623, A624, A625 Fenestrae 61 Fenster, ovales 601, 603, 604, 605, 609, 612 – rundes 601, 612, 615, 623 Fersenbein 1105, A1108, 1108 Fersenbeinfraktur 1109 Fersenbein-WürfelbeinGelenk 1134 Fersenpolster A1129, 1137, A1151, A1152, 1204 Fersensporn, oberer 1109 Fertilisation 131 Fetalblutentnahme A175 Fetalentwicklung 156 Fetalperiode 114, 123, 126 fetofetales Transfusionssyndrom 174 Fetogenese 114, 157 fetomaternale Austauschstrecke 159 Fetopathien 114 Fetoskopie 173, 174 Fettdepot 1222 Fettgewebe, Effektorhormon A547 Fettkörper, retrobulbärer (retroorbitaler) 389, A394, A572 Fettkörper-KehldeckelMechanismus 337 Fettläppchen A1222 Fettzellen 80, 81 Fetus, Größenentwicklung 157 – Mikroblutuntersuchung 173

Register

1280 Fibrae arcuatae breves A400, 400, A401 – – externae 423 – – internae A485 – – longae 400, A400 – corticotegmentales A401 – intercrurales 905, A908, A916 – obliquae A949, 949 Fibrinoid 161 Fibroblasten 80, 81 Fibrocartilago interpubica 1030 – navicularis 1133 Fibronektin 81 Fibula A1104, 1104, A1117, A1120, A1121, 1127, A1128–A1131, 1162, A1163, A1164, 1203 – Entwicklung 1105 fibularer Strahl 1105, 1202 fibularis 13 Fick-Bogenband 685 Fieber 169 Fiederung A44 Fiederungswinkel 42, 43, 44 Figurae tactiles 764 Fila olfactoria 209, A212, 318, 381, 417, 477 – radicularia A363, 425, 426 Filarien 89 Filum durae matris spinalis A424, A427 – terminale durae matris 362, A424, 425, A427, 439 Fimbria hippocampi 377, 397, 522, A527 – ovarica A1063, A1065, 1067 Fimbriae tubae uterinae A1065, 1066, 1067, A1069 Fimbrien 128 Finger 769 – Entzündungen 770 – schnellender 720 Fingerabdruck 770, 1220 Fingeragnosie 376 Fingerbänder 770 Fingerbeere A1220 Fingerbeugefurchen A770, 770 Finger-Boden-Abstand 37 Fingerendgelenk 37 Fingergrundgelenk 37, 688, 691 Fingerknöchel 767 Fingerknospen 154 Fingermittelgelenk 37 Fingernägel 156, 770, 1223 Finger-Nasen-Versuch 516 Fingerstrahlen 154, 657 Fingerstrecksehnenabriss 771 Fissura antitragicohelicina A595 – horizontalis A782, A809, A815, A816, A824, 824, 825 – – cerebelli A401 – ligamenti teretis 957

Fissura ligamenti venosi 940, 957 – longitudinalis cerebri A370, 371, A379, A380, A413, 445 – mediana anterior A380, A381, A425, 426, A428, 430, 450 – – – medullae oblongatae 422 – obliqua pulmonis A782, A809, A815, A816, A824, 824, A825, 825 – orbitalis inferior A207, A217, 218, 220, 257, 258, A437, A575, 578, 588 – – superior A190, 194, A195, A210, 211, A212, A217, 218, 256, 260, A437, A575, 578, 588, 588, 588 – parietooccipitalis 377 – petrosquamosa A198, A199, 208 – petrotympanica (Glaser) 197, A198, A207, 208, 249, 603, 606, 608 – posterolateralis A366 – prima cerebelli A366, 510 – pterygomaxillaris 220, A576 – sagittalis dextra hepatis 957 – – sinistra hepatis 957, 958 – secunda cerebelli A366 – sphenopetrosa 211, 263 – telencephalicodiencephalis 373 – transversa cerebri A372, 373, A390 – urethrae inferior 1064 – – superior 1064 Fissurae cerebelli 365 Fissurenmuster 298 Fisteln 593 – arteriovenöse 66 Fixierung 5, 8 Flächenkrümmung 797 Flechsig-Feld A431 Flechsig-Strang A428, 484 Fleischhaut 1097 Flexio uteri A1070 Flexion 13, 35 Flexions-Extensions-Achse A1106 Flexorengruppe 1197 Flexorenlogen, Bein A1162, A1164 Flexura anorectalis 1051 – coli dextra 936, A942, A944, 968, A983, 983, 984 – – sinistra 69, 897, 934, A935, 937, 983, 984, A985, 996 – duodeni inferior A939, 942, 953, A972 – – superior A939, 942, 953, A972 – duodenojejunalis 933, A935, 936, 937, 942, 953,

A972, A975, 984, A985, 986, A987 – perinealis recti 1039, 1051 – sacralis 1051 Flexurae laterales recti 1051 Flimmerepithel 301, 305, 318, 321, 334, 611, 835, A836, 837, 890 Flimmerepithel, Tuba uterina 1068 Flocculus cerebelli A380, A412, 474 Flower spray 46 Flowzytometrie 76 Flügelfortsatzpfeiler A212, 215 Flügelgaumengrube 220 Flügelknorpel 314 Flügelplatte 361, A361, 364–366, A366, 405, 411 Flügelzellen, Cornea 557, A558 Fluorverbindungen 23 Fluss, uveoskleraler 559 Flüssigkeit, subretinale 567 Flüssigkeitssystem, Auge 551 Flüstersprache 330, A332 fMRT A503, 537, 540, A541 Folia cerebelli 365, 511 Folium vermis A366 Folliculi lymphatici (= lymphoidei) aggregati 91, 988, A990, 1002 – – solitarii 988, A990 – ovarici 1065 Follikel stimulierendes Hormon 122, 130 Follikelatresie 128, 1066 Follikelepithel, Ovar 126, A127, 128 Follikelhöhle 128 Follikelphase 130 Follikelreifung 1066 Follikulogenese 125, 126, A127, 128, 129, A129, 130, A547 Fontanellen 181 Fontanellenknochen 196 Fonticulus anterior 181, A181, 188 – anterolateralis 181, A181, 188 – posterior 181, A181, 188 – posterolateralis 181, A181, 188 Foramen apicale 288, 291 – axillare laterale 742 – – medianum 742 – caecum 209, A210, 210, A212, 251, 318, 453 – – linguae A184, 272, A272, A304, A319 – epiploicum (Winslowi) 936, A938, A942, 943, A969 – ethmoidale anterius 191, A192, A200, 218, 257, 318, A323, 588

Foramen ethmoidale posterius 191, A192, 218, 257, A323, A200, 588 – frontale 191, 256 – incisivum A202, 206, A207, 300, 316 – infraorbitale A189, A190, A202, 202, A217, 249, 258, A576, A584 – infrapiriforme A200, 1048, 1142, 1178, 1183, 1184, A1186 – interventriculare, Herz 845 – – Monroi 364, A365, A383, A406, 406, A441, 441 – – primum 842, 844 – intervertebrale 361, 362, 423, 426, 439, A440, 450, 632, A638, 639 – ischiadicum majus 917, 1031, A1031, A1032, 1035, 1048, 1142, 1183 – – minus 1031, A1031, A1032, 1048, 1142, 1184 – jugulare A207, 207, 209, A210, A212, 213, 252, 262, A264, 264, 265, 352, 353, A437, 453, 615, A641 – – Pars nervosa A422, 423 – lacerum A207, A210, 211, A212, A437 – mandibulae 203, A204, 223 – mastoideum 197, A198, 199, A199, A207, 208, A210 – mentale A189, A190, A204, 205, 249, 260 – nasale 314, 318 – nutricium 26 – – claviculae A661, 661 – – distale femoris A1101 – – femoris 1100 – – humeri 663, A663 – – proximale femoris A1101 – – radii A665 – – tibiae 1103, A1104 – – ulnae A665 – obturatum A1028, 1029, 1030, A1031, A1034, 1035, 1035, 1114 – occipitale magnum 185, A185, 192, A193, A194, A207, 208, A210, 213, 265, A373, 412, 446, 453, 637, 881 – ovale A51, 52, 193, A195, A207, 208, A210, 211, A212, 220, A437, 592 – – Herz 843, A844, 854 – – (Weitbrecht) A674, 675 – palatinum majus 206, A207, 258, 300, 319 – parietale A196, A197 – phrenicum congenitale 807 – primum A844

Register Foramen rotundum 193, 194, A195, A210, 211, A212, 220, 257, A576, 592 – scapulae 660, 673 – singulare A626, 627 – sphenopalatinum 220, 316, 317, 319 – spinosum 194, A195, A207, 208, A210, 211, A212, 220, 249, 259, A437 – sternale 793, A793 – stylomastoideum A180, A199, A207, 208, A609 – supraorbitale A190, 191, A217, 256 – suprapiriforme 1048, 1142, 1178, 1183, A1186 – thyroideum 326 – transversarium 350, 881 – – atlantis A633, 633 – – axis A633 – – vertebrae A634, 634 – venae cavae 53, A805, 805, T806, 807, 1023 – venarum minimarum 854 – vertebrale A632, 632, 633, A634, 634, A635, 635 – zygomaticofaciale A190, 201, A201, 218 – zygomaticoorbitale 201, 218 – zygomaticotemporale 201, A201, 218 Foramina alveolaria maxillae A202 – cribrosa 316 – palatina minora 206, A207, 258, 300 – sacralia dorsalia 635, A636, 1183 – – pelvina 635, A636, 1142 Forel-Achse 369, A370 Forel-Bündel 409 Forel-Campus 410 Forel-Feld H2 409 Forel-Haubenkreuzung 415 forensische Medizin 3 Formaldehyd 8, 9 Formatio reticularis 365, A385, 405, 408, 410, A414, 416, A418, A419, 465, 466, A470, 471, 474, 476, 478, 480, 484, 504, 507, 509, 518, 519, A520 – – laterale parvozelluläre Zone 519 – – laterale Zone 520 – – mediale magnozelluläre Zone 519 – – mediane Zone 519 – – spinalis 428 Formentwicklung, 5.–8. EW 153 Fornix (cerebri) A371, 377, A384, A386, 389, A392, A393, 397, A400, 408, A436, A447, A522, 522, A526, A530 – conjunctivae inferior A579, 584

1281 Fornix conjunctivae superior A579, 584, 585 – humeri 673, 676 – pharyngis 303, A304 – sacci lacrimalis A582, 587 – vaginae 132, A1049, 1052, 1055, A1067, 1070, 1073, 1075, 1078 Fortpflanzung 116 Fortsatz 27 Fossa 27 – acetabuli A1028, 1028, 1111, 1114 – axillaris 739 – bulbi 1094 – canina 229 – cerebellaris A193 – cerebralis A193 – coronoidea A663, 664, A678, 680, A681 – cranii anterior 209, A210, A217, 325, 376 – – media A210, 210, 376, 383, A580 – – posterior A210, 213, 412 – cubitalis 751, 755 – digastrica 237 – glandulae lacrimalis 191, A192, 217, 585 – hypophysialis A185, 193, A195, A210, 211, A314, A316, A317, A323, 382, 411, 437, A576 – iliaca A1029, 1029, 1139 – – dextra 936 – – sinistra 938 – iliopectinea 1189 – incisiva 316 – infraclavicularis 736, 783, A783 – infraspinata A659, 660, 695, 746 – infratemporalis A219, 220, 252 – inguinalis lateralis A914, 914, 915, A983 – – medialis A914, 914, 915, A925, 927, A983 – intercondylaris femoris A1101, 1102, 1118 – interpeduncularis 382, 415, 435 – ischioanalis A1044, 1045, 1047, 1053, A1083, A1097, 1184 – jugularis A199, 207, 235, 600, 783, A783 – lateralis cerebri 375, 445, 452 – malleolaris lateralis 1105 – mandibularis 197, A198, A199, A207, 208, 221, A266, 596, A609 – mesentericoparietalis (Waldeyer) 987 – navicularis urethrae A1093, 1094, A1095 – olecrani A663, 664, A680, 680

Fossa ovalis A50, A815, 854, A869 – ovarica 1066 – paravesicalis 1057 – patellaris, Glaskörper 566 – poplitea 1166, 1187, 1193, 1196 – pterygoidea mandibulae 194, A204, 208, 233 – pterygopalatina 194, 208, 220, 257, 317, A319, 319, A323 – radialis humeri A663, 664, 680, A681 – rhomboidea 415, A422, 471, 473 – sacci lacrimalis A189, 217, 218, A321, A323, A200, 201, A575, 587 – scaphoidea 194, 208 – subarcuata A198 – subscapularis A659, 660, A673, 696 – supraclavicularis major A235, 348, A693, A701, 736 – – minor A235, 235, 350, A693 – supraspinata A659, 660, 695 – supratonsillaris 302, A304 – supravesicalis A914, 915 – temporalis 219 – tonsillaris 183, 302, 304, 311 – triangularis A595 – trochanterica A1101, 1101, 1111, 1112, 1144 – vesicae biliaris 957, 968 – vestibuli vaginae 1081, A1081 Fossula lumbalis A630 – petrosa A199, 208, 262 Fovea 27 – articularis inferior atlantis A633 – – radii A665, 679 – – superior atlantis A633 – capitis femoris 1100, A1101, 1111, 1114 – centralis 551, 570, A571, A571, 571 – costalis inferior A632, 634, 796 – – processus transversi 800 – – superior A632 – – transversalis 634 – dentis A633, 633, 641 – digastrica 205 – lunata radii 684 – oblonga 327, 331 – optica 552 – pterygoidea 203, 222, 233 – radialis 761, A768, 769 – scaphoidea radii 684 – sublingualis A204, 205 – submandibularis A204, 205 – triangularis 327, 329

Foveola A571 – gastrica 947, A948, A989 – ventralis 570 Foveolae epiglottidis 327 – ethmoidales A192 – granulares 191 Fractura radii in loco typico 666 Fractura supracondylica 664 Fraktur, schleichende 24 Frakturheilung 24 Frankenhäuser-Ganglion 1078 Frankenhäuser-Plexus 108 Freiheitsgrade 35, 40 Fremdreflex 490, 496, 495 Fremdstoff-Abwehr A83 Fremdstoffe 83, 87 Frenulum clitoridis 1081, A1081, 1082 – labii inferioris 271 – – superioris 271 – labiorum pudendi 1081, A1081 – linguae 273, A280, 344 – ostii ilealis A998 – praeputii 1095 – veli medullaris A412, 413 Frenzel-Leuchtbrille 613 Frequenzverstärker 623 Frigidität 1083 Frohse-Arkade 714, 755 Froment-Zeichen 734 Frontalebene 12, A12 Frontalhirnsyndrom 503, 539 frontalis 13 Frontallappen 364, 367, 380 Froschkopf 186 Fröschleingeschwulst 277 Fruchtblase 158, 164 Fruchthäute A164 Fruchthöhle 164, 171 Fruchthüllen 158, 159, 163– 165, A166, 167, 169, 172 Fruchtschmiere 1219 Fruchtwasser 158, 163, 164, 172 Fruchtwasserpunktion 173 Frühgeburt 171 Fruktose 125 FSH 122, 126, 128, A129, 130, A547, 548 Fuchs-Hornhautdystrophie 558 Fuchs-Krypten 561 Fuge 30 Führungsbänder 36 Fundus gastricus A945, 945, A946 – meatus acustici interni A626, 627 – uteri 158, A1069, 1070, 1071, 1074–1076, A1077, 1078 – vesicae 1056–1058 – – biliaris 940, A941, A955, A966, 967, 968 Fundusdrüsen, Magen 947

Register

1282 Funiculus anterior A425, A430, 430 – anterolateralis 430 – dorsolateralis 430 – lateralis A430, 430 – posterior A425, A430, 430 – posterolateralis 430 – spermaticus A906, A907, A908, 918, A924, A926, 1085, 1088, A1145, A1161 – ventrolateralis 430 Funktionalis 1074 Funktionalis, Endometrium 130, 164 Funktionsebenen, motorische T489 Funktionsprinzipien 1 Furchungsteilung A133, 134 Furunkel 597 Furunkulose 656 Fuß 1099, A1106, A1108, 1129 – Entwicklung 154, 1099 Fußabdrücke A1138 Fußdeformitäten 121, 1100, 1205 Fußgewölbe 121 Fußhöcker, dorsaler 1109 Füßigkeit 15 Fußplatte 154 – subtalare 1133 Fußrücken, Muskeln 1156 – Ödem 1205, 1208 Fußskelett 1105, A1107, A1138 – subtalares 1106 Fußsohle 1137, 1205, 1208 – Muskeln 1156 Fußstellung 1099 Fußstrahl, lateraler 1105, 1109 Fußwölbungen 1137 Fußwurzel 1099, 1136, 1202 Fußwurzelbucht 1107, 1133 Fußwurzelknochen 1105 – Varietäten 1109 Fusus neuromuscularis 46 – neurotendineus 46 FW 164, 173

G G0-Phase 79 G1-Phase 116, 118 G2-Phase 116, 118 GABA 505, A505, 506, 507, T508, 536 Gähnen 519, 605 Galaktosämie 169 Galanin T508 Galea aponeurotica A225, A226, 230, 342 Galeazzi-Luxationsfraktur 760 Galen-Vene A390 Galle 970 Gallenblase 967 – Head-Zone A110

Gallenblase, Kolik 968 – Variationen 967 Gallenfarbstoffe 970 Gallengang A960 Gallengänge, Entwicklung 155 Gallengangsepithel 81 Gallenkapillaren 961, 965 Gallensäuren 970 Gallensteindurchbruch 983 Gallensteine 969 Gallenwege 965 – Variationen A967, 967 GALT 91 Gameten 118 Gametogenese 114, 115 Gametopathien 114, 120 gamma-Aminobuttersäure 505 gamma-Endplatte A493 Gammaglobuline 85 gamma-Motoneuron 426, 474, A516, 475, 492 Ganglia pelvina A107 Ganglien 92, 101 – autonome 359 – Entwicklung 155 – intramurale 101 – Parasympathicus 108 – paravertebrale 101, 104 – präaortale 101, 102 – praevertebrale 99, 101, 103, 104, 1024 – sensible 357, 359 – vaskuläre 99, 102 – vegetative 101 Ganglienhügel 398 Ganglienzellen 95 – bipolare 627 – Nebennierenmark A1018 – parasympathische 108 – retinale 456 Ganglienzellschicht, Retina 568 Ganglion (Überbein) 720 – aorticorenale 1025 – cardiacum (Wrisbergi) A107,108 – cervicale medium A310, A339, 351, 871, A879 – – superius A246, 263– 265, 279, 280, 281, A310, 346, 351, 353, 320, 405, 468, 550, 574, 586, A607, A608, 871 – cervicothoracicum A310, A339, 351, 353, A861, 871, A872, A879, 895, 898 – ciliare 102, A107, 108, 255, A255, A256, A457, 463, A463, 467, 468, 573, 574, A579, A585, A586, 589 – coeliacum A107, A264, 979, 996, A1024, 1024, 1025 – geniculi 260, A261, A281, 480, 606, A608, 609 – impar 104

Ganglion inferius nervi glossopharyngei A258, 262, A263, 263, 480, A608 – – – vagi A246, A264, 264, 265, A310, A421, 480, A608 – mesentericum inferius A1024, 1025 – – superius 996, A1024, 1025 – nodosum A264 – oticum 102, A107, 108, 220, 222, A258, A259, 260, A263, 263, 279, A281, 607, A608 – pelvicum A1055, 1078 – pterygopalatinum 102, A107, 108, 220, A256, 256, A257, 260, A319, 320, 321, 574, A579, 586, A607, A608, 609 – – operativer Zugang 323 – renale 108, A1024, 1025 – semilunare A256 – sensorium nervi spinalis A427, A440, 469 – spinale A95, A427, A440, 469, 639, A814 – spirale 262, A617, 627 – – cochleae 615, A619 – splanchnicum 898 – stellatum A310, 351, A861, 871, A872, A879, 898 – sublinguale 102 – submandibulare 102, A107, 108, A258, A259, 277, 280, A281, 281, A344, 345, 608 – superius nervi glossopharyngei 262, A263, 480 – – – vagi 213, A264, 264, A421, 480 – thoracicum A879, 898 – trigeminale (Gasseri) 197, 212, A256, A257, A258, A259, A281, A418, 437, 486, 487, A585, A586, A607, 615 – – Arterie 445 – trunci sympathici A95, A814 – vestibulare 262, 473, A617, 627 – vestibulocochleare 592 Ganglionitis ciliaris acuta 574 Gangrän 59 Gänsehaut 1223, 1228 gap 118 – junctions 128, 558, 563 Gartner-Gang 1062, A1063, 1064 Gasabdichtung 55 Gaster (= Ventriculus) A919, A935, A936, 944 Gastrin 952 Gastroknemiuspunkt 1172

Gastroschisis A152, 153, 905 Gastrulation A140, 140, 141, 142 Gaumen 299, A300 – Entwicklung 299 – harter 299, 301 – knöcherner 206 – primärer 312, 316 – sekundärer 313 – weicher 299, 301 Gaumenbein 201, A202 Gaumenbögen A271, 302, 304 Gaumendrüsen 609 Gaumenfortsatz 299, 312 Gaumenmandel 183, A184, 302, 304 Gaumenmuskeln 183 Gaumenschleimhaut 301 Gaumensegel 201, 299 Gaumenspalte 168 Gaumenstrahlung 258 Gebärmutter 1060, 1069, 1074 Gebiss 285 Gebissschema 286 Geburt 113, 157, 170, 173 Geburtshilfe 181 Geburtshindernis 158 Geburtskanal 171, 1035 Geburtsphasen 158 Geburtstermin 137, 170, 171 Gedächtnis 521, 525, 529, 530, 531, 397 Gedächtnisstörungen 522 Gedächtnisverlust 540 Gedächtniszellen 75, 85 Gedenkfeier 5 Gefäßarkaden 65, 995 Gefäße, Altersveränderungen 58 – episklerale A560 Gefäßgeflecht 65 Gefäßinnervation 57 Gefäßläppchen (v. Möllendorff) A1011, 1012 Gefäßmuskelzellen 54 Gefäßmuskulatur, Entwicklung 155 Gefäßnerv 101 Gefäß-Nervenscheide 57 Gefäßnervenstrang, Axilla 740 Gefäßnervenstraßen 57 – mediane A757 – radiale 763, A757 – ulnare A757 Gefäßnetz, Haut 1226 – perimeniskales 11243 1169 Gefäßplexus, Sympathicus 104 Gefäßpol 1007, A1009, 1012 Gefäßregulation 54, 57 Gefäßring, intramuskulärer A556 Gefäßscheide 61

Register Gefäßunterbindung 64, 65 Gefäßvarietäten 58 Gefäßverschluss 65, A66 Gefäßversorgung, Rücken 654 Gefäßverzweigung 58 Gefäßwand 53, 59, 62, 148 Geflechtknochen 23, 24, 25 Gehirn 83, 91, 92, 93, 101, 353, A372 – Entwicklung 144, 155, 363 – Hämorrhagie 445 – Richtungsbezeichnungen A370 – Ventrikel 93, 364 Gehirnanlage 153, A358 Gehirnbläschen 154 Gehirnfehlbildung 164 Gehirnhemisphäre, dominante 445 Gehirnschädel 177 Gehör- und Gleichgewichtsorgan 591 Gehöranteil 620 Gehörgang A184 – äußerer 591, 592, A594, 594, 596, 597, 603, 610 – innerer 608, 612, 613, 625, A626 Gehörgangatresie 593 Gehörgangekzem 596 Gehörgangepithel, Entwicklung 155 Gehörgangfurunkel 597 Gehörganghaare 1223 Gehörknöchelchen 28, 591, 592, A594, 597, 599, 603, A604, 605, A606 Gehörorgan 591 – Entwicklung 593 Gekröse 931 Gelbkörper 128, 129, A129,136, 137 Gelenk 30 – dithalamisches 671 – einfaches 35 – inzisales A224 – knochengesichertes 38 – planes 35, A36 – retropatellares A48 – straffes 35 Gelenkachsen 37, 221 Gelenkaufbau 32 Gelenkband 35 Gelenkentwicklung 32 Gelenkerkrankungen 34 Gelenkersatz 38 Gelenkfacetten 796 Gelenkfläche 32 Gelenkformen 35, A36 Gelenkfortsatz 632, 634, 635 Gelenkfunktionen 32 Gelenkhöhle 32, 33 Gelenkinnenhaut 32, 33 Gelenkkapsel 32 – Kiefergelenk 222 – Kniegelenk 1116 – oberes Sprunggelenk 1132

1283 – Zehengrundgelenk 1157 Gelenkknorpel 27, 32, A33, A34 Gelenkkörper, freier 1127 Gelenkkraft A40 Gelenklippe 32, 35, 674 Gelenkmaus 1127 Gelenkrezeptoren 41, T488 Gelenkscheibe 221 Gelenkschmiere 32, 33, 39 Gelenksicherung 38 Gelenkspalt 32, A40 Gen 116, 120 Generallamellen A23, 26 genetische Defekte 169 – Faktoren 168 – Konstitution 169 – Substanz 116 genetischer Code 116 genetisches Material 117 Genexpression 115 Geniculum 609 Genitalapparat 59 Genitalfalte 1062 Genitalfunktionen 108, 111 Genitalhöcker 154 Genitalorgane 55, 64, 106 Genitalplatte 1073 Genmutationen 122, 167 Gennari-Streifen 460, A498, A533, 533 Genom 116, 120 Genommutationen 120 Genotyp 121 Genprodukt 116 Genregulation 115 Genu capsulae internae 403, A501, 501 – corporis callosi A371, 377, A379, A384, A386, A393, A406 – internum nervi facialis A416, 417 – recurvatum 1127 – valgum 1127, 1104 – varum 1127 Gerdy-Höcker A1123, A1128, 1142 Gerdy-Linie 783 Gerinnung 71 Gerstenkorn 583 Geruchsorgan 312 Gesäßbacken 1182 Gesäßfurche 1182, 1184 Gesäßregion 629, 654 Geschlecht, genetisches 134 Geschlechtsbestimmung, pränatale A157 Geschlechtschromosomen 117 Geschlechtsdimorphismus A16, 16, 17, 206 Geschlechtsdrüsen, akzessorische 125 – primäre 122, 125 – sekundäre 125 Geschlechtsfalte A1062, 1063 Geschlechtsgang 1062

Geschlechtshöcker A1062, 1063 Geschlechtshormone 122, 129, 1018 Geschlechtsmerkmale 17 – sekundäre 122 Geschlechtsorgane 106 – Entwicklung 155, 156 – indifferente 1062 Geschlechtsunterschiede, Becken A1034, 1035 – Kehlkopf 336 Geschlechtswülste A1062, 1063 Geschmacksbahn 480 Geschmacksempfindung 609 Geschmacksfasern 262, 263, 608 Geschmacksknospen 274, 302, 305, 334, 479 Geschmacksnerven 479 Geschmackssinn 479 Geschmacksstörungen 480, 608 Geschmackswahrnehmung 608 Gesicht 342 – Entwicklung 299, A301 Gesichtsfeld 458 Gesichtsfeldausfall 458, A459, 559, 572 Gesichtsfurche 299 Gesichtsfurunkel 226 Gesichtsnerv 96 Gesichtsschädel 177 Gesichtsschmerzen 487 Gesichtsskoliose 186 Gesichtsspalten 299, A301 Gesichtswülste 153 Gestaltungsprinzipien 1 Gestationsalter 170, 171 Gewebe, chromaffine 1019 – diffuses lymphatisches 90 – lymphatisches 86 – lymphoepitheliales 90, 311 – Verknöcherung 22 Gewebeflüssigkeit 50, 88 Gewebelehre 2 Gewebequellen 155 Gewebsnekrose 67 Giacomini-Bändchen 379 Gibson-Faszie 353, 813 Gicht 34, 561 Gießbeckenknorpel 183 Gimbernat-Band 917 Gingiva 284, A288, 293 Ginglymus 35 Glabella A190, 190, 191, A192, T206, 228, 230 Glandula(-ae) anales A1050, 1051 – areolares A786, 786, 787 – axillares 1225 – bronchiales 837 – buccales 271, 277, A278 – bulbourethralis A1043, A1047, 1047, A1053,

A1061, 1061, 1088, A1090, 1092, A1093 – cardiacae 947 – ceruminosae 596, 1225 – cervicales uteri 1073, 1075 – ciliares 581, 1225 – circumanales 1225 – conjunctivales A579 – ductus biliaris 966 – duodenales 953, 988, A989 – gastricae 947, A948, A989 – intestinales 953, 993 – labiales 271, 277, A278 – lacrimales accessoriae 584 – lacrimalis A107, A580, 584, A584, 585, A585, A586 – – Pars orbitalis A582, A584, 585 – – Pars palpebralis A582, 585 – – Sympathicus A105 – laryngeae 334 – linguales 262, 277 – lingualis anterior A275, 277, A278, A280 – mammaria 1225 – molares 277, A278 – nasales 318, 321 – oesophageae A989 – olfactoriae (Bowman) 318 – palatinae 277, 300, 301 – parathyroidea 183, A310, A338, 341 – parotidea A107, A225, 246, 260, A261, A270, A271, A278, A352, 352, A594, 607 – – accessoria 278, A278 – – Entwicklung 155 – – Sympathicus A105 – pharyngeales 305 – pinealis (s. a. Corpus pineale) 549 – praeputiales (Tyson) 1095 – pyloricae 948, A989 – salivariae majores 277 – salivariae minores 277 – sebaceae 581, 596 – – holocrinae 1224 – seminalis 1089 – sublingualis A107, 205, 262, A277, A278, 279, A280, 280, A319 – – Sympathicus A105 – submandibularis A107, 205, A226, 243, A246, A259, 262, A277, A278, 279, 343, A344, 344, 346 – – Sympathicus A105 – sudoriferae 21 – – apocrinae 1225 – – merocrinae 1225 – suprarenalis A937, A939, 943, A951, 1016, A1017, A1022 – tarsales A579, 582, 583

Register

1284 Glandula(-ae) thyroidea A184, A236, A241, A245, A270, A304, A305, A307, A310, 337, A338, A339, 347, A547, A851, A872, A879, A887 – – Entwicklung 155 – trachealis A836, 890 – trigonales 1056 – tubariae 611 – tunicae mucosae 968 – tympanica 606 – urethrales 1059, 1094 – uterinae 1075 – vesiculosa (s. a. Vesicula seminalis) A938, A1061, 1061, A1063, 1088, 1089, A1089, A1093 – vestibulares nasi 315 – vestibularis major (Bartolini) 1047, A1060, A1063, 1081, A1081, 1082 – – minor 1081, 1082 Glans clitoridis 1082, A1082 – penis A152, A1061, 1064, 1092, A1093, 1094, 1095, A1095, 1096, 1224 Glaser-Spalte 208 Glasknochenkrankheit 24 Glaskörper 551, A552, A553, 559, 565, 566, 568 – Abhebung 566 – Blutung 566 – Trübung 561, 566 Glaukom 457, 559 Glaukomanfall 559 Gleichgewichtsapparat 611 Gleichgewichtsbahn 476 Gleichgewichtsorgan 591, 593, 612, 615 Gleichgewichtsstörungen 477 Gleitbewegung 37 Gleithernie, axiale 807 Glia limitans 455 Gliazellen 93, 356, 359, 549, 569 Gliazellen, Entwicklung 155 Gliederung, bilaterale 142 – des Körpers 15 – kochleotope 472 – retinotope 460 – segmentale 147 – somatotopische 409, 429, A431, 483, 487, 487, 504 – tonotope 472 Glioarchitekonik 93 Glioblast A360 Glisson-Dreieck 961 Glisson-Kapsel 959 Glisson-Trias 961 Globulardentin 290 Globus pallidus A384, A386, 389, 396, 399, A403, A406, 408, 409, A446 – – lateralis 398, 399, 505, A505, 506, 507, A526

Globus pallidus medialis 398, 399, 408, 410, 505, A505, 506, 507, A526 Glomerula bulbi olfactorii 477 Glomerulum 66 – cutaneum 65 – digitale 65 Glomerulus cerebellaris A512 – renalis 1007, A1008, A1009, 1010, A1011 Glomus aorticum 56, 834 – caroticum 56, 103, 108, 244, A246, 346, 834 – choroideum A379 – rectale A1050 Glomus-Anastomose 65 Glossoptose 168 Glottis 309, 333 Glottisödem 329, 334 Glucocorticoide A547, 1018 Glukagon 976 Glutamat 498, A505, 506, 507, T508, 529, 535, 536 Glycin T508 Glykosurie 1014 GnRH 130 Goethe 177 Goldblatt-Hochdruck 1013 Golferellenbogen 681 Golgi-Apparat 85, 123, 128 Golgi-Faser A516 Golgi-Mazzoni-Körperchen 41, T488 Golgi-Sehnenorgane 46, 493 Golgi-Zelle A512 Goll-Strang A428, 483 Gomphosis 30, 294 Gonaden 78 Gonadenanlage 116 Gonadendysgenesie 121 gonadotropin releasing hormone 130 Gonadotropine 130 Gonarthritis 1118 Gonarthrose 1118, 1127 Gonitis 1118 Gonoblennorrhoe 585 Gonorrhoe 561 Gonosomen 117 Goormaghtigh-Zellen 1013 Gowers-Strang A428, 484 Graaf-Follikel A127, 128, 1066 Granulationes arachnoideae 191, 437, A438, 442 Granulom 583 Granulopoese 78 Granulosaluteinzellen 129, 130 Granulosazellen 128, 129,130 Granulozyten 21, 71, 72 – basophile 71, 73, 74 – eosinophile 71, 73, A76, A80 – neutrophile 71–74, A76, A80, 83

Granulozyten, polymorphkernige 72 – segmentkernige 72 – stabkernige 72 – übersegmentierte 72 Gratiolet-Sehstrahlung 410, A457, 458, A459 Grau, periaquäduktales 525 graue Substanz 92, 357, 361, A361, 364, 429 – – Rückenmark A425, 427 – Vorwölbung 382 grauer Schleier 379 Graviditas tubaria 1068 Grayson-Bänder 770 Greisenschädel A204,205 Grenzfalte, Kniegelenk A1118 Grenzmembran, äußere 567 – innere 568, A568 Grenzstrang 96, 99, 102, 104, 106, 807, 898 Grenzstrangganglion 96, 99, 104, 898 Grenzzelle A621 Grimmdarm 996 Großhirn 369, 373, 382 Großhirnhemisphären 363, A364 Großhirnkerne 363 Großhirnschenkel 415 Großzehe 1110 Großzehenloge 1164, 1205 Grube 27 Grundbündel A428, 430 Grundplatte 361, A361, 366, A366, 410, 411 Grundspannung 44 Grundstimmung, affektive 408 Grünholzfraktur 30 Guanin 116 Gubernaculum ovarii 918 – testis 918, A1063, 1063 Gürtel 400 Gürtelfurche 379 Gürtelrose 98 gustatorisches System 479 gut associated lymphoid tissue 91 Guyon-Loge 735, 761, 762 Guyon-Tunnelsyndrom 735, 763 Gynäkomastie 121, 789 Gyrierung 368 Gyrus(-i) ambiens 395, 396, 478, A478 – angularis A372, A374, 376, 461, 473, 540, 541 – breves insulae A375 – cerebri 374 – cinguli 368, A369, A371, 373, 378, 379, 389, A390, A393, 397, 398, 400, 401, 408, 497, A522, 522, A523, A524, 537 – dentatus T397, 397, 522, A527, A528, 529 – fasciolaris 397

Gyrus(-i) frontalis inferior A371, A374, 376, 376, A388, 389 – – medius A370, A372, A374, 376, A384, A388, 389, A394, A447, 502 – – superior A370, A372, A374, 376, 379, A384, A388, 389, A393, A447 – intralimbicus 379 – lingualis 379 – longus insulae A375 – occipitales A372, A384, A386 – – laterales 377, 380 – – mediales 380 – occipitotemporalis lateralis 377 – – medialis A369, 377, 398 – orbitales A372, A380, 389 – paracentralis 380 – parahippocampalis 373, A373, 378, 379, A388, 389, A394, 396, 397, 398, 401, A522, 522, A527, 528 – paraterminalis 379, 381, 396 – postcentralis A370, A372, 374, A374, 376, A394, 404, 409, A447, 476, 480, 483, A485 – praecentralis A370, A372, 374, A374, 376, A386, A394, 403, 409, 445, A447, 497, 498, 499, A500 – rectus A369, 376, A380, 381, A385, A388, 389 – semilunaris 396, 478, A478 – supramarginalis A372, A374, 375, 376, 376, 540 – temporales transversi, Heschl A375, 377, A470, 472 – temporalis inferior A372, A374, 377, A394 – – medius A372, A374, 377, A447 – – superior A374, 377, A394, 404, 409, A447, A470, A472, 540 – uncinatus 379

H Haar A1220, 1223 – Lebensdauer 1223 Haaranlage 1223, 1225 Haaraufrichtmuskel 1223 Haarbalg A1220 Haarbalgnerven A1220 Haarfarbe 1223 Haarfollikel-Rezeptoren T488 Haarkanal 1224, 1225 Haarkolben 1223 Haarmatrix 1223 Haarpapille A1220, 1223 Haarschaft A1220, 1223

Register Haarwachstum 1223 Haarwechsel 1223, 1224 Haarwurzel A1220, 1228 Haarzellen 623, 627 – äußere A621, 621, A622, 622 – innere A621, A622, 622 – vestibuläre A616, 617 Haarzwiebel A1220, 1223 Haase-Regel 157 Habenula 521, 549 Habenula perforata 614 Habenulakomplex 404, 405 Hackenfuß 1100, 1138, 1153 Hackensporn 1109 Hämoglobin, fetales 52 Haftstiel A139, 139, 140, 142, A146, 148, 149, A149, 154, 165, A358 Haftstielmesoderm 142 Haftzotten 159, 161, A162 Hagelkorn 583 Haglund-Exostose 1109 Hahnentritt 1081 Hakenbein 667 Hakenbündel 401 Hakenmagen 945, A946 Halbdesmosomen A294 Haller-Schicht 566 Haller-Sehnenbögen 805 Haller-Zellen 324 Hallux rigidus 1139 – valgus 1110, 1139 Halluzination 525 Hals, Gefäß-Nervenstrang 345, 350 Hals-Brust-Grenzlinie 177 Halsfaszien 240, 652 Halsfistel 183 Halsgeflecht 266 Halslordose A631, 642, 651 Halsmark A424 Halsphlegmone 343 Halsrippen 238, 637 Halsrippen-Syndrom 798 Halsschlagader 634 Halswirbel 629, 631–633, A634 Halswirbelsäule A424, 632, 633, A640 Halteapparat, supraalveolärer 293 – zirkulärer metakarpophalangealer 690 Haltungsschwäche 643 Hämarthros 1122 Hamartie 169 Hamartom 169 Hämatom, epidurales 217 – subdurales 217 Hämatotrophe 137, A139, A160 Hämaturie 1014 Hammer 592, 598, 599, A603, 602–606 Hammer-Amboss-Gelenk 182, 603, A604 Hammer-Amboss-SchuppenRaum 605

1285 Hammerfinger 771 Hammerzehe 1139 Hämorrhoiden, innere 1051 Hamulus lacrimalis A200 – laminae spiralis 614, A626 – ossis hamati 667, A668, A669, 712, 716, A719, A737 – pterygoideus 194, A195, A207, 208, 228, A266, 302, 306, 309, A314 Hand, Entwicklung 154, 657 Handgelenk A684 – distales 684 – Furchen 760 – proximales 683 Handplatte 154 Handrücken 767 – Ödem 767 Handwurzel, Luxation 686 Handwurzelknochen 666, A667, A668 Handwurzel-Mittelhandgelenk 688 Harnblase A152, 153, A171, 1056 – Entwicklung 155 – offene 153 Harndrang 1059 Harnleiter 1015, 1054 Harnorgane, Entwicklung 155 Harnpol 1008, A1009 Harnröhre 1059 – Entwicklung 155 – offene 153 Harnsamenröhre 1061 Harnsteine 1016 Harnwegsinfektion 1059 Harnwegsobstruktion 164 Hartmann-Tasche A967, 968 Harvey 3, 9 Hasner-Falte 587 Hasner-Klappe 316 Hassall-Körperchen 886, A888, 888 Haube 363 Hauptachsen 12 Hauptebenen 12 Hauptfurchen 374 Hauptschicht, äußere A498 – innere A498 Hauptstück, Niere A1008, 1008 – Spermium A124, 125 Hauptzellen (Gl. parathyroidea) 341, 947 Haustra coli 982, A983, 997, A998 Haut 6, A362, 1219, A1220 – Anhangsgebilde 1219, 1223 – Arten 1220 – äußerer Gehörgang 596 – Brustwand 785 – Drüsen 1224 – efferente Nervenfasern 1228

Haut, Entwicklung 1219 – Entzündungen 1226 – Farbe 1219 – Gefäße 1225 – Gefäßnetz 1225 – Leisten 1220, A1220 – Nerven 1226 – Ödem 1221 – Ohrmuschel 594 – sensible Versorgung A1227 – Sinne 1226 – vegetatives Nervensystem 1228 Hautarterien, Brustwand 793 Hautdermatom 433 Hautektoderm A359 Hautinnervation 431 – periphere sensible 431 – radikuläre sensible 431 Haut-Melanozyten, Entwicklung 155 Haut-Muskel-Reflex 496 Hautmuskulatur 792 Hautnerven Bein A1171 Hautreflexe 495 Hautvenen Bein A1171 – Brustwand 793 HCG 129, A129, 130, 136, 138 HCG-Nachweis 170 Head-Zonen 433, 808, 873, 895, 952, 1226 Hegar-Zeichen 170 Heister-Klappe 968 Helicotrema 614, A614, 623, A626 Helix 594, A595, 596 Helladaptation 574 Hellin-Regel 167 Helweg-Strang A428 Hemianopsie 458, 459, A459 Hemiballismus 491, 506 hemibladders 153 Hemidesmosomen 293 – Cornea A558 Hemiparese 373, 423 Hemisphärenblase A365 Hemisphärendominanz 542 Hemisphärenspalt 371 Hemisphärenwachstum 364 Hemispherium cerebelli A385, A390, A394 Hemmung, kortikale 536 – laterale 570 Henle-Schleife A1008, 1009 Hensen-Zellen 621 Hepar A653, A878, A880, A919, A933, A934, A936– A938, 954, A1006 – Facies visceralis A956 hepatopankreatischer Ring 954, 971 Hepatozyten 961 Herbivoren 185 Hering-Kanälchen 961, 965 Hernia cicatricea 912, 917 – cruralis 1191

Hernia diaphragmatica 807, 917 – epigastrica 912 – femoralis 917, 927, 1189, 1191 – hypogastrica 912 – inguinalis 925 – ischiadica 917, 1048, 1184 – ischiorectalis 917, 1039 – lineae albae 912 – lumbalis 917 – obturatoria 917, 1048, 1081, 1193 – paraumbilicalis 912 – paravesicalis 917 – perinealis 917, 1039 – postoperativa 912, 917 – rectovesicalis 917 – spinotuberosa 917 – supravesicalis 912 – traumatica 912, 917 – umbilicalis 912 – ventralis 912 – ventralis lateralis 911, 912 Herniation 371 Hernie 923 – paraoesophageale 807 Hernienchirurgie 925 Herpes zoster oticus 596 Herpes-simplex-Virus 169 Herring-Körper 545 Hertwig-Scheide 284 Herz 840, A851, A852, A856, A857, A859, A860, A866, A869, A870, A874, A884, A898 – Entwicklung A148, 155, A841, A842, 842, A843– A846, 841 Herzachse 851, A876 Herzanlage 146, 148, 149, 154 Herzbasis 852 Herzbeutel A852, 860, A861 Herzbeutelerguss 891 Herzbeutelhöhle, Entwicklung 146 Herzbeuteltamponade 862 Herzblock 871 Herzbreite A876 Herzdämpfung 876 Herzdreieck 818 Herzfehler 169 Herzgeräusche 876 Herzgrube 783 Herzkammern A854 Herzkontraktionen 154 Herzkrankheit, koronare 866 Herzkranzgefäße A862, 863, A867, 867 Herz-Leber-Wulst 156 Herzmechanik 873 Herzmuskel 859, A860 Herznerven 871 Herzprojektion auf Brustwand A874, 874, 875 Herzrohr 148 Herzsattel 806

Register

1286 Herzschleife A842, 842, A847 Herzschmerzen 873 Herzseptumdefekt 168 Herzsilhouette im Röntgenbild A876, 876 Herzskelett 855, 859, 869 Herztöne 876 – kindliche 148, 156, 170 Herzwulst A150 Heschl-Querwindungen 375, A375, 377, A470, 472 Hesselbach-Dreieck A925, 927 Hesselbach-Hernie 917 Hess-Schirm 464 Heterochromatin 116 Heterodontie 281 Heterologa 1 Heterotopie 168 Heuser-Membran 138, A138 Hexenmilch 789 HHL 544 Hiatus adductorius (Hunter) A1147, 1147, 1166, A1167, A1168, A1174, 1187, A1188, A1194, 1196 – aorticus 804, A805, T806, 807, 880, A889, 896, A1024, 1024 – basilicus 724, 746 – canalis facialis A602, A608 – – nervi petrosi majoris 609 – maxillaris 200, 202, A203, A323, A579 – oesophageus 804, A805, T806, 807, A889, 891, 898, A969, A1022 – sacralis A636, 637 – saphenus A908, 917, 923, A926, 927, 1160, A1161, 1189, 1191, 1193 – semilunaris A316, A317, 322–324 – tendineus A1167, A1168 – urogenitalis 1038, A1041 Hiatushernien 892 Hilfsatemmuskeln 803 Hill-Sachs-Läsion 674 Hilum ovarii 1064, 1066 – pulmonis 823, A875 – renale 1003 – splenicum 978 Hilumzeichnung 838 Hilus gyri dentatiti 529 Hilus substantiae gelatinosae 429 Himbeerzunge 274 Hinterdarm A149, 150 Hinterhaupt 644 Hinterhauptpfeiler A212 Hinterhauptsbein 191, A193, A194 Hinterhauptskondylen 640 Hinterhauptslappen 374, 376, 377 Hinterhauptsloch 641 Hinterhauptspol 371

Hinterhorn 361, 364, 427, 428, 486, 496 Hinterkammer, Auge 559, 562 Hinterstrang 430 Hinterstrangbahn 361, 482, A485, 496 Hinterstrangfeld, ovaläres A428 Hinterstrangkerne 483 Hinterstrangsystem T488 Hinterwurzel 361, A362 Hinterwurzelfaser, absteigende sensible A516 Hippocampus 368, T382, A390, A394, 397, A406, 442, 478, A522, 522, A527, A530, 530 – praecommissuralis T397, 397 – proprius 397 – retrocommissuralis T397, 397 – supracommissuralis T397, 397 Hippokampusformation 377, 397, 401, 522, 525, 527, A528 hippokratischer Eid 6 Hirci 1223 Hirnabszess 600, 602 Hirnanhangdrüse (s.a. Hypophyse) 382, 544, 411 Hirnbläschen 360, 363, A364 Hirndruck, Einklemmungen A373 Hirndrucksteigerung 412 Hirndrucksymptom 420 Hirnfunktionen, Lokalisation A538, A539 Hirngewicht 368, 369 Hirnhäute 625, 627 Hirninfarkt 445 Hirnmantel 374 Hirnnerven 255 – Ganglien 482 – infratentorielle 417 – supratentorielle 417 Hirnnervenaustritte A422, 422 Hirnnervenkerne 365, 366, T382, 403, 416, A416, 463, A500, 502, A520 Hirnsand 549 Hirnschenkel A373, 382 Hirnsichel 371 Hirnstamm 363, 369, 382, 409, 411, 412, A422 Hirnstammachse A370 Hirnstammläsion 423, 467, 519 Hirnstiel 366 Hirntod 490 Hirntumor 373 Hirnvenen A449, 451, A452, 452 Hirnventrikel, Ausgusspräparat A441 Hirschsprung-Krankheit 991

Hirsutismus 1019 His-Bündel 863, 868, 869 Histamin T508 Histiozyten 818 Histogenese 2 Histologie 2, 9 Histotrophe 137, A160 His-Winkel 895 HIV-Erkrankung 163 HMC-Syndrom 593 Hochwuchs, eunuchoider 121 Hoden 122, 125, A547, 1061, 1084 – basales Kompartiment 122, 123 – luminales Kompartiment 122 Hodenanlage 123 Hodenbiopsie 125 Hodenhypoplasie 121 Hodenkanälchen 122, 123, 126 Hodensack 1061, 1063, 1085, 1096 Hodentorsion 1086 Hodentumor 1086 Hofbauer-Zellen 159, 161 Hoffa-Fettkörper 1118, 1125, 1194 Hoffa-Krankheit 1118 Hoffmann 8 Hohlfuß 1100, 1109, 1138 Hohlhand 763 – Entzündungen 767 – Furchen 763, 764 Hohlknie 1127 Hohlvene, obere 70 – untere 70 Hohlwarzen 788 Holoprosenzephalie 121 Holzknecht-Raum 876 Homologa 1 Homöostase 115 – Nervengewebe 455 Homunculus 483, 499, A499 Hörbahn 409, 410, 413, 469, 470 Hordeolosis 583 Hordeolum 583 Hörempfindung 615 Hörgerät 623 Horizontaladduktionstest 677 Horizontalebene 12 Horizontalzellen 567, 568, 569, 570 Hormone, glandotrope 544 – gonadotrope 544 – somatotrope 544 Horner-Muskel 226, 227, 586, 587 Horner-Syndrom 218, 351, 574, 581 – peripheres 468 – zentrales 468 Hörnerv 623 Hornhaut 552, 553, A554, 557, A557, 558

– Dystrophie A558, 558 – Entzündung 558 – Stroma A557, A558 – Transparenz 557 – Trübung 558 Hornhautendothel A557, 558, 559, 561 Hornhautepithel 552, 557, A558, 584 Hornhautödem 559 Hörrinde 375, 409, 470, 471, 472 Hörstrahlung 404, A470, 471 Hörsturz 471, 623 Hörzentrum, primäres 377 Hottentottenschürze 1081 HPL 136 Hueter-Dreieck/-Linie 681, A682, 756 Hufeisenniere 121, 1003 Hüftbein 1027, 1028, A1029 Hüftdysplasie 1114 Hüfte 1182 Hüftgelenk 1110, A1111– A1115, A1150 – Entzündung 1113 – Gelenkkapsel 1102, 1111, 1113, 1148 – Luxation 1113, A1114, 1114, A1116, 1142 – Muskeln 1139 Hüftgelenksdysplasie 121 Hüftgelenkspfanne 1027, 1110 Hüft-Hüft-Verbindung 168 Hüllmesoderm 139, A139, 141, 146, 148 Hülsenkapillaren A980, 981 human placenta lactogen 136 Humerus 646, 662, A663, A673, A676, A678–A681, A698, A742, A748, A754, A817 – Fraktur 664, 749 Humerustorsion 664 Humor aquosus 559 Humphrey-Band 1124 Hunter-Hiatus 1147 Huntington-Chorea 399, 491 Huntsch-Zone 262 Hustenreflex 519 HVL 544 Hyaluronidase 132 Hydatide 1064 Hydramnion 164 Hydrarthros 1118 Hydrocephalus 158, 169, 181, A187, 188, 420, 438, 443 Hydrops endolymphaticus 618 Hydroxylapatit 288, 289 Hydrozele 1085 Hymen 1060, 1064, 1078, A1081, 1082 – defloratus A1081 – intactus A1081

Register Hymenalatresie 1082 Hyoidbogen 182, 593 Hypakusis 420 Hyperästhesie 433 Hyperdontie 285 Hyperglykämie A547 Hyperkinesie 409 Hypermastie 789 Hypermetrie 515 Hypermetropie 564 Hyperopie 564 Hyperparathyreodismus 341 Hyperplasie 168 Hypersexualität 526 Hypertelorismus 187 Hyperthelie 789 Hyperthyreose 339 Hypertonie 439 – Auge 572 – renale 1013 Hypertrophie 168 – rechter Ventrikel A846 Hypoblast 138 Hypochondrium 903, 913 Hypodontie 285 Hypogastrium 903, 913 Hypogeusie 480, 608 Hypogonadismus 545 Hypokinesie 399 Hypomer 904 Hypomochlion 605, 1109, 1144, 1153, 1203 Hypoparathyroidismus 341 Hypopharynx 303 Hypophyse A319, A320, A381, 382, 410, A411, 411, A436, 544 – Adenom 548 – Arterie 445 – Entwicklung 545 – Hinterlappen 411, 544, 789 – Hormone A547 – Stiel 410, A411, 411, 437, 545 – Vorderlappen 411, 544, 546, 788 – Zugangsweg 325 hypophyseale Signale 158 Hypophysenhormone 157 Hypophysenknorpel 179 Hypophysentasche 179 Hypophysentumoren 212 Hypoplasie 168 Hyposmie 479 Hypospadie 1064 hypothalamo-hypophysäres System 544, A546 Hypothalamus 130, A364, A365, 366, A366, 367, 377, T382, A390, 404, 405, 410, 458, 478, 480, 518, A524, 524, 543, 544, A546, A547, 548, 573, 789 Hypothenar A708, 764 Hypothyreose 339 Hypotonie 515 Hypotympanon 600, 605, 606 Hyrtl 9

1287

I Ichthyosis 1221 ICSH A547 IdA 85 IDC A81 IgA 90, 277, 557 IgD 85 IgE 73, 74, 85 Igel, Gehirn 92 IgG 72, 74, 85 IgM 85 Ileum 91, 934, A935, A941, A983, 985, 988, A989, A990, A995, A998 Ileus 913 – paralytischer 994 Iliolumbar-Syndrom 38 IMA-Bypass 882 Immunabwehr 82, 1002 Immunantwort 80, 83, 85, 86 – humorale 86 – zellvermittelte 86 Immunglobulin 85, 87, A 557 Immunität 73, 75 – humorale 83, 981 – zelluläre 83, 981 Immunprivileg 455 Immunreaktion 888, 981 Immunschwäche 86 Immunsystem 80 Impingement-Syndrom 674 Impingement-Test 677 Impressio 27 – aortae 878 – cardiaca 823, A825 – colica hepatis 955, A956 – duodenalis hepatis 955, A956 – gastrica hepatis 955, A956 – ligamenti costoclavicularis A661 – oesophagealis hepatis 955, A956 – pylorica hepatis 955 – renalis hepatis 955, A956 – suprarenalis hepatis 955, A956 – trigeminalis 197, A198, 212, A422 – vertebralis A824 Impressiones digitatae 209, A210 – gyrorum 370, 381 Impressionsfraktur 216 Impulse, limbische 405 – olfaktorische 405 Inaktivitätsatrophie 24, 205 incisalis 13 Incisivi 182, 205, 296 Incisura 27 – acetabuli 1027, A1028, 1029, 1111 – angularis A945, 945, A946, A949 – apicis cordis A852, A853 – cardiaca A782, 823, A825, A887

Incisura clavicularis A795, 795 – – sterni 671 – cordis 851 – costales A795, 795, 798 – ethmoidalis 191, A192 – fibularis tibiae 1103, 1128 – frontalis 191, A192, A217, 256 – interarytenoidea 304, A305 – intertragica A595 – ischiadica major A1028, A1029, 1029, 1031, 1142 – – minor A1028, 1029, 1031, 1142 – jugularis A193, A194, 213, A795, 795 – – ossis occipitalis 209 – – – temporalis A198, 199 – lacrimalis maxillae A202, A203 – ligamenti teretis A955 – mandibulae A204, 259 – mastoidea 197, A198, A199, A207, 208, 237 – nasalis maxillae A202 – pancreatica 971, 973, 994, 995 – parietalis ossis temporalis A198 – praeoccipitalis A374, 376 – pterygoidea A195 – radialis ulnae A665, 665, 679, 680 – scapulae A659, 660, A673, 673 – sphenopalatina A202 – spinoglenoidalis 660, 673 – supraorbitalis A190, 191, A192, 256 – tentorii 373, 412, A436 – terminalis auris A595 – thyroidea inferior 326 – – superior A326, 326 – trochlearis ulnae A665, 665, A678, 679, A683 – tympanica 197 – ulnaris radii A665, 666, 682 – vertebralis inferior A632, 632, A634, A635 – – superior 632, A635 Inclinatio pelvis 1035, A1037 Incus 182, A259, A603, 603, A606 Index, refraktärer 563 Indifferenztyp, Herz A865 Induktion 100 Indusium griseum 379, 397 Infarkt 59, 67 – hämodynamischer 447 Infektion, ziliare 561 inferior 13 informationsleitende Systeme 456 infratentorieller Raum 373, A436

Infundibulum A319, A365, 367, A371, A380, A381, 382, A393, 410, 411, A413, 437, A444, 545, 546, 548, A549 – Herz 855 – ethmoidale 313, 316, A317, 323, 324 – tubae uterinae 1066, 1067 – vesicae biliaris 967 Inguinaltunnelsyndrom 917 inhibiting factors 544, 546 Inhibition, laterale 536 Injektion, intramuskuläre 1184, A1186 – intravenöse 755 – ventrogluteale 1184 Inkabein 196, A196 Inkarzeration 925, 927 Inklination 641 Inkongruenz, Gelenkflächen 35, 39 Inkongruenzausgleich 1125 Innenbandruptur 1105 Innenglieder 569 Innenknöchelfraktur 1104 Innenohr 591, 611, 625, A625, 627 – Entwicklung 592 Innenohrentzündung 627 Innenohrschäden 471 Innenohrschwerhörigkeit 593 Innenrotation 14, 35 Innensegment A569 Innenzone, Prostata A1091 Innervation 97, 98, 109, 353 – Auge 573, 574 – Brustwand A792, 793 – direkte kortikospinale 502 – Haut 1226 – motorische 46 – Rücken 654 – segmentale 1226 – vaskuläre 103 Inotropie 103, 871 Input-Output-Systeme 353, A353 Inscriptio ossea 744 Inseladenom 976 Inselorgan 976 Inselzisterne 435 Insertio 41 Insertion, bindegewebige 47 – knöcherne 47 – muskuläre 47 Insertionstendopathie 47, 681 Inspektion 6 Inspiration 695, 801, 803, 808, A811 Inspirationsmuskeln 646 Insuffizienz, aktive 43 – passive 43, 1150 – physiologische 43 Insula Reili A367, 367, 375, A375, A379, A381, 399, A403, A413 Insulae pancreaticae 976 Insulin 976

Register

1288 Insult, hämorrhagischer 450 – ischämischer 408, 450 Integrationszentren, motorische 93 Integumentum commune 1219 Intentionstremor 497, 513, 516 Interblob-Region A533 Interferon 75 Interglobulardentin 290 Interkostalmuskeln 16 Interkostalnerven 646 Interkostalneuralgie 820 Interneurone 427, 429, 482, 490, A491, 493, 496, 502, 505, 535, 536 – GABAerge 536 – kortikale 535 Internodalbündel A868, 869 internus 13 Internusaponeurose A909 Interozeption 108 interozeptiv T488 Interozeptoren 109, 481 interprismatische Substanz 289 Intersectio tendinea A42, 42, 236, A802, 905, A906, 911 Intersexualität 17 Interskalenusblock 732 Interspinallinie A1036 Interstitialzellen 1086 intertransversales System 651, 652 Intertrigo 1182 interzelluläre Lücken 61 Intestinum crassum 996 – tenue A938, A941, 991 Intima 53, 59, 62 – synoviale 33 Intimaduplikatur 62 Intimapolster 64 Intimaverdickung 67 intraartikulär 34 intrakapsulär 34 intrinsic factor 948, 952 – fibers 290 Introitus canalis nervi facialis A626 – vaginae 1078 Intumescentia cervicalis A424, 425, 634 – lumbalis A424, 425 Intusionstrauma 286 Involution 19 – Brustdrüse 788 – Rhinencephalon 477 – Thymus 886 Iodmangelkropf 339 Iodopsin 569 Ionenpumpe 562 Iridozyklitis 561, 566 Iris A107, 551, 553, A554, A555, 558–560, A565, 574, A579, A582 – Bindegewebe 553 – Entwicklung 551 – Farbe 561

Iris, Gefäße A556, 561 – Kolobom 554, A554 – Rückfläche 553, 560 – Spaltbildung 554 – Stroma 551, 561 – Sympathicus A105 – Vorderfläche 560, 561 Iritis 561, 566 Irritationsrezeptoren 833 Ischämie 447 Ischialgie 1081 Ischiassyndrom 1187, 1081 Ischium 1029 Isocortex 93, 368, 532, A533 Isthmus aortae 878 – cerebri A365 – endolymphaticus 618 – faucium 90, 302, 303, 304, 309 – glandulae thyroideae 243, 338, 340 – gyri cinguli 379, 397 – pancreatis 972 – prostatae 1090 – tubae auditoriae 611 – – uterinae A1065, 1066, 1067, A1069 – uteri 1069, 1073–1075

J Jackson-Syndrom 423 Jacobson-Organ 314 Jacobson-Anastomose 263, 279 James-Bündel A868 Jeans-Krankheit 917 Jejunum 934, A935, A939, A972, A983, 985, 988, A989, A992, A1006 Jochbein 201 Jochbogen 233 Jochbogenpfeiler 202, A212, 214 Jucken 1226 Juga alveolaria A202, 229 – cerebralia 370, 381 Jugulariskatheter 242 Jugum alveolare A204 Junctio anorectalis A1050, 1051 Junctura cartilaginea 30 – fibrosa 30 – ossea 32 – tendinum 706, 1156 Jungfernhäutchen 1060, 1078, 1082

K Kabat-Methode 45 Kahnbein 1105, 1106, 1109 – Entwicklung 1109 – Fraktur 668 Kahnschädel 187 Kakosmie 479 Kalkaneussporn 1109

Kallosotomie 542 Kallus 24 kalorische Prüfung 477 Kälte-Empfindung 1226 Kälterezeptoren 1228 Kaltsensoren T488 Kammerbucht 558 Kammerseptum 844, A845, 845, 857 Kammerwasser 551, 558, 559 – Abflusssystem 553, 566 – Produktion 553, 561 – Trübung 561 – Venen 559 Kammerwinkel 553, 556, 559, 561 Kantenkrümmung 797 Kantenmerkmal 296 Kanthomeatalebene A383, 383, A387 Kapazitätsgefäß 56 Kapillarbett 53, 60 Kapillaren 52, 53, 54, 55, 60, A60, 61 Kapillarnerven 61 Kapillarplexus 1226 Kapillartypen 60 Kaposi-Sarkom 61 Kapsel, innere 368, 402 Kardinalvenen A847, 847 Karies 284, 285, 288, 295 Karnivoren 185 Karotisaneurysma 445, 574 Karotisangiogramm A448 Karotissinus 56 Karpaltunnel 48 Karpaltunnelsyndrom 432, 668, 733, 763 Kartagener-Syndrom 940 Kartenherzform, Beckeneingang 1035 Kaskadenmagen 945 Katarakt 383, 561, 563, A565 Katzenohr 596 kaudal 13, 15, 370 Kaudruck 205, 215, 234, 294 Kaudruckpfeiler 177, 214 Kaudruckübertragung 202 Kaufläche 296, 297, A297, 298 Kaukraft 234 Kaumuskulatur 45, 183, 231 Kavakatheter, Zugang 756 Kavernosusthrombose 588 Kehldeckel 183, 304 Kehlkopf 325 Kehlkopfkarzinom 334 Kehlkopfschleimhaut 334 Kehlkopfskelett 326 Keilbein 192, A195, 373 – Entwicklung 1109 – Fuß 1105, 1109 Keilbeinflügel A179 Keilbeinhöhle 193, 316, 324 Keilbein-Kahnbein-Gelenk 1135 Keilbeinkörper A179, 179

Keilbein-Würfelbein-Gelenk 1135 Keilknorpel 326 Keilschädel 187 Keilwirbel 643 Keimblätter 17 Keimdrüsen 57, A1062 Keimepithel 1065 Keimscheibe A358 Keimzentrum 84, 87 Keith-Flack-Knoten A868, 868 Kent-Bündel A868 Keratinisierung 1221 Keratitis 558, 561, 585 Keratohyalingranula 1220 Keratokonjunktivitis 585 Kerckring-Falten 953, 988, 992 Kern, blasser 399 – roter 415 – schwarzer 415 – somatosensibler 364 – viszeromotorischer 364 – von Perlia 463 Kernausstoßung 77 Kerne der Mittellinie 409 Kerngebiete, somatomotorische 365 – viszeromotorische 365 Kernig-Zeichen 1187 Kernkettenfaser 46, 492, A493 Kernohans-Syndrom A373 Kern-Plasma-Relation 84 Kernsackfaser 46, 492, A493 Kernsäulen 361 Kernsegmente 72 Kernstar 564 Kieferast 203 Kiefergelenk 221, A222, A224, 596 – primäres 182, 603 – sekundäres 182 Kiefergelenkgrube 221 Kiefergelenkkapsel A222 Kiefergelenkkopf 221 Kieferhöhle A317, 322 Kieferluxation 222, 223 Kieferspalte A301 Kieferverkürzung 185 Kieferwinkel 203 Kiemenbogen 182 Kienböck-Krankheit 668 Killerzellen 75, 86, 87 – natürliche A80 kinetische Kette 45 Kinnvorsprung 205 Kinozilien A1087 Kinozilium, Innenohr 617, 622 Kippversuch 476 Kittlinien A564 Kittsubstanz 25 Kitzler 1061, 1082 Klammeraffe, Gehirn 92 Klappeninsuffizienz 858 Klappensegel 855 Klappenstenose 858

Register Klauenhand 734 Klaviertastenphänomen 661 Kleinhirn 363, 365, A407, 409, 509 – Entwicklung 365, A366 Kleinhirnabszess 610 Kleinhirnaplasie 510 Kleinhirnbrückenwinkel 420, 422, 435 Kleinhirnhemisphäre 365, A394 Kleinhirnkerne 512, A513 Kleinhirnläsionen 515 Kleinhirnplatte A365 Kleinhirnstiele 514 Kleinhirntonsillen A373 Kleinhirnzelt 373, 376 Kleinzehenloge 1164, 1205 Kletterfasern 475, 511, A512, 512, 514 Klimakterium 1064, 1066 Klirren 605 Klivuskante 420 Klivuskantensyndrom 412 Kloake 84, A1062 Klumpfuß 1100, 1138, 1205, 1208 Klumphand 658 Klüver-Bucy-Syndrom 530 Knäuelanastomose A65, 65 Knäueldrüsen 596 Knickfuß 1100, 1138, 1205 Knick-Plattfuß 1138, 1100 Knickplattspreizfuß 1208, 1100 Knie, Gelenkhöhle 1125 – Gelenkkapsel 1116, 1153, 1156 Kniegelenk A34, 1116, A1117–A1124, A1126, A1127, A1150 – Bandruptur 1121, 1125 – Bewegungsausschläge A1127 – Entzündung 1118 – Erguss 1103, 1118 – Innervation 1180 – Luxation 1127 Knie-Hacken-Versuch 516 Kniehöcker 410 – lateraler 573 Kniekehle 1193, 1195 Kniekehlenraute 1195 Kniescheibe 1102 Kniescheibenband 1119 Knöchel, Fraktur 1132, A1132 – Ödem 1202 Knöchelgruben 1204 Knochen 22, A23, 83 – Atrophie 24 – Bälkchensubstanz 22 – Beanspruchung 29 – Dehnung 29 – Dickenwachstum 28 – Epiphyse A26, 26, 28 – Gefäßversorgung 26 – Kompakta 22 – Kortikalis 22, 26, 27 – kurze 27

1289 – Längenwachstum 26, 28 – Leichtbauweise 24 – lufthaltige 27, 200 – Markhöhle 22, A26 – platte 27 – pneumatisierte 200 – portale Gefäße 26 – Rindenschicht 22 – Spongiosa 22, A23, A24, 26 – Stauchung 29 – subchondraler 32, A33 – Substantia compacta 26 – Substantia spongiosa 22 – Trabekelbauweise 23 – Verformung 29 Knochenarten 24 Knochenarterien 26 Knochenatrophie 24 Knochenaufbau 22 Knochenbälkchen 23, 26, 27 Knochenbildung 24, 25, 27 Knochenformen 22,26 Knochenfraktur 27 Knochenführung 1127, 1132 Knochengelenkkette 629 Knochengrundsubstanz 25 Knochenhafte A30, 32 Knochenhaut 22 Knochenhöcker 27 Knochenkern 20, 28, 29, 631, 1028 Knochenlamellen 25 Knochenleiste 27 Knochenleitung 604 Knochenmanschette A26, 28 – diaphysäre A26 Knochenmark 22, A23, 23, 26, 27, 66, 72, 74, 75, 77–81, 83–85 – gallertiges 23 – gelbes 23 – Rekonstruktion 79 – rotes 23 Knochenmarkstroma 81 – Stammzellen 81 Knochenmarkzellen, mononukleäre 79 Knochenmetastasen 639 Knochennekrose, aseptische 1115, 1127 Knochenprofil 30 Knochenpunkte, tastbare 1202 Knochenrahmen 214 Knochenschaft 22, 26 Knochentasche 295 Knochentypen 23 Knochenvenen 26 Knochenverbindungen 30 – diskontinuierliche 32 – kontinuierliche 30 Knochenverkalkung 23 Knochenvorsprung 27 Knochenwachstum A26, 28 Knochenzahl 22 Knochenzusammensetzung 23 Knopflochdeformität 771

Knorpel (Bronchiolus) 22, 83 – elastischer 327, 593, 596, 835 – hyaliner 835 Knorpelatrophie 32 Knorpelgewebe 47 Knorpelhafte 30, A30 Knorpelknickungswinkel 798 Knorpelskelett 1099 Koch-Dreieck 869 Kochleogramm 471 kognitive Leistungen 537 Köhler-Tränenfigur 1114 Kohlrausch-Falte 1051, 1052 Kolbenhaar 1223 Kollagen 23, 25, 53, 81 Kollateralarterien 58 Kollaterale 65 Kollateralfasern 458 Kollateralkreislauf 67, 1189 Kollektorkanal A556, 559 Kollodiaphysenwinkel 1100, 1115 Kolonflexur, primäre 934, 996 Kolonien 79 Kolonschlinge 984 Koloskopie 999 Kolostrum 789 Kolposkopie 1070 Komedonen 1224 Kommissur 374 Kommissuralfasern 534, 541 Kommissurenplatte A365 Kommissurenzellen A428, 496 Kommunikation, nonverbale 50 Kompakta 295 – subchondrale 1114, 1125 Kompartiment 1163, 1159 – innerstriatales 620 Kompartmentsyndrom 48, 1163, 1200 Komplement 72, 73, 74 Komplementärraume 816 Komplementsystem A83 Kompressionssyndrome, Armnerven A731 – N. medianus 707, 756 – Ramus profundus nervi radialis 714 Kondylengelenk 35, A36 Konglomerate 79 Kongruenz 38 – funktionelle 40 Koniotomie 247, 329, 347 Konjunktiva 551 Konjunktivalsack 584 Konjunktivitis 584 Konservierung 8 Konstitutionstypen A18 Konstitutionsunterschiede 20 Kontaktpunkte 296 Kontinenzorgan 1053

Kontraktion, auxotonische 44 – isometrische 44 – isotonische 44 Kontraktionsformen 43 Kontrastmittel A894 Konus-Kauda-Syndrom 427 Konvergenz 106, 482, 536, 571, 574 – Lymphstrom 87 Konvergenzprinzip 570 Konvergenzreaktion 467 Kopf, Parasympathicus 269 – Sympathicus 269 Kopfbein 667 Kopfbeschleunigung 618 Kopfbewegung 616 Kopfbiss 223 Kopfganglien, vegetative 102 Kopfgelenke 37, 209, 640, 641 Kopf-Hals-Grenzlinie 177 Kopfhöhe 20, A21 Kopfmesenchym 178, 282 Kopfnerven 91, 96, 255 Kopfschmerz 439, 642 Kopfschwarte 230 Kopfteil, Parasympathicus A107 Kopfumfang 20 Koppelgetriebemechanismus 1127 Kopplung, arteriovenöse 61 Korbzellen A512, 586 Kornealreflex 420, 519 Körnerschicht, äußere A498, A568, 568, A571 – innere A498, A568, 568, 570, A571 Körnerzellen A512, 529, A533, 535 – Bulbus olfactorius 477 Körnerzellschicht, Kleinhirn 511 Koronarangiographie 867 Koronararterien 67, T863 Koronarstenose A866 Koronarvenen 867 Körperbautypen nach Kretschmer 17 – nach Sheldon 17 Körperchen, eingekapselte 295 Körpergeruch 1225 Körpergestalt A16 Körpergliederung 15 Körperkreislauf 55, 67, 70 Körperlage 591 Körperlänge 19, 20 Körperproportionen A16, A21 Körperspender 3, 5, 6, 7, 8 Körperwachstum 19, 20 Korsakow-Syndrom 522 Kortikalis 1105 Kortikalisring 662 Koxarthrose 1115 Kraftschlüssigkeit 39 Krähenfüße 227

Register

1290 Krallenfuß 1081 Krallenhand A734, 734 Krallenzehe 1139 kranial 13, 15, 369, A370 Kraniopharyngeom 548 Kraniorhachischisis 187 Kranioschisis 186, 187 Kraniosynostose 186 Krankheit 4 Krause-Endkolben 293, T488, 1228 Krebsschere 1138 Kreislauf 49, 54, 77 – Aufgaben 49 – extraembryonaler 77 – fetaler A50, 51, A51, 52 – großer 51 – intraembryonaler 77 – kleiner 51 – postnataler A50 – pränataler 51 – Zentralisation 54 Kreislaufzentren 519 Kremasterreflex 496, 1097 Kreuzband, Ruptur 1121 Kreuzbänder 1120, 1121, A1124, 1127 Kreuzbein A424, 629, 631, 635, A636, 1182 Kreuzbein-Darmbein-Gelenk 1030 Kreuzbeinnervengeflecht 97 Kreuz-Steißbein-Gelenk 1032 Kristalloid 570 Kristeller-Schleimpfropf 1075 Kronendentin 289 Kronenflucht 296 Kronenpulpa 284, A288, 291 Krönlein-Linien A197 Krönlein-Schema 211 Kropf 338, 351 – retrosternaler 339 Krötenkopf 186 Krückenlähmung 739 Krümmung 29 Krümmungsinkongruenz 39 Krümmungsmerkmal 296, A296 Krümmungsprofil 1102 Krümmungsradius A40 Krypten A989 Kryptorchismus 1063 Kubitaltunnel 48 Kubitalwinkel 664, 681 Kugelgelenk 35, A36, 604, 673, 688, 799, 1110 – dimeres 40 Kulschitzky-Zellen 835 Kupffer-Zellen 75 Kurzhaare 1223 Kurzschluss A51 – obliterierter A50 Kurzsichtigkeit 564 Kutikularplatte A622, 622 Kyphose A631, 642 Kyphoskoliose 813

L Labia majora 1166 – oris 271 labialis 13 Labio-Gingival-Leiste 282 Labium anterius 1070 – externum cristae iliacae 1028, A1029 – internum cristae iliacae 1028, A1029 – laterale lineae asperae A1101 – limbi tympanicum A619 – – vestibulare A619, 622 – majus pudendi 918, 923, A1049, 1061, 1062, 1064, A1067, 1071, 1080, A1081, 1083, 1225 – mediale femoris 1100 – – lineae asperae A1101, 1144 – minus pudendi A1049, 1061, 1064, A1067, 1080, A1081, 1083, 1224 – posterius 1070 – superius A317 Labrum acetabulare 1111, A1112 – articulare 32 – glenoidale 35, A674, 674, A676, 700 – ileocaecale A998 – ileocolicum A998 Labyrinth 510, 591, A609, 612, A614, 627 – häutiges 612, A614, 615, 617 – knöchernes A612, 612, 615, 620, A624, A625 Labyrinthaplasie 593 Labyrinthitis 600, 602, 627 Labyrinthkapsel A179, 179 Labyrinthplatte 592 Labyrinthus corticis renalis 1007 – ethmoidale 313, 324 Lacertus fibrosus 700, A701, A747, 749, 751, A752, A753 – musculi recti lateralis 575 lachender Buddha 229 Lachmuskel 229 Lacuna musculorum 916, 917, 923, 1139, 1160, A1191, 1193 – vasorum 69, A915, 916, 917, 923, A926, 927, 1160, 1166, 1189, A1191 Lacunae laterales sinus sagittalis superior 453 – urethrales 1059, A1093, 1094 Lacus lacrimalis 581, A584, 586 LAD 863 Lagesinn 481 Lagesinnstörung 408 Lähmung 46 – periphere 97

– radikuläre 97 – schlaffe 46, 501, 517 – spastische 501, 517 – vegetative 109 – zentrale motorische 517 Laimer-Dreieck 309 Laimer-Membran 895 Laktase 976 Laktation 788 Lakunen, Synzytiotrophoblast A138, A139, 158 Lambda-Granula, Thrombozyten 76 Lamellen 25 – elastische 566 – kollagene 555, 638 Lamellenknochen A23, 23, 25 Lamellenkörperchen 41, A1220 Lamellensysteme 26 Lamina affixa A379, 406, A412 – balisaris A621, 593, 614, A614, A619, 620 – cartilaginis cricoideae A319, A326, 327, 328, A331 – – thyroideae 326 – cribrosa 417, 477 – – Alveolarknochen 295 – – axillaris (Eisler) 739 – – ossis ethmoidalis A185, 209, A210, A212, 255, 257, A314, 316, 318 – – sclerae 556, 571, 572, 588 – dura 295 – elastica choroidea A562 – epithelialis mucosae 988, A948, 988 – functionalis endometrii 1074 – fusca 555 – granularis externa A533, 533 – – interna A533, 533 – horizontalis ossis palatini 201, 206, A207, 299, 300, A314, 316 – intercarotica A241, 242, 243 – intertendinea Pars transversa A690 – – superficialis (Landsmeer) A718 – lateralis processus pterygoidei 194, A195, 220 – limitans anterior 557, A557 – – posterior A557, 558 – medialis processus pterygoidei 194, A195 – medullaris externa putaminis 399 – – – thalami 407 – – interna globi pallidi 399 – – – thalami 407, 408 – – lateralis putaminis 399

Lamina membranacea tubae auditoriae 610 – modioli 614 – molecularis 533, A533 – multiformis A533, 534 – orbitalis ossis ethmoidalis 217, A217, 218, A323, 324, A579 – perpendicularis ossis ethmoidalis 200, A314, 317 – – – palatini 201, 220, 317 – plexiformis 533 – praetrachealis fasciae cervicalis A241, 241–243, 306 – profunda fasciae cruris A1204 – propria, Membrana tympanica 598 – – mucosae 90, A948, 988 – propria mucosae endometrii 1074 – pyramidalis externa 533, A533 – – interna A533, 534 – spiralis A624 – – membranacea 614 – – ossea 614, 615, A619, 620, A621, 623, A626, 627 – superficialis fasciae cervicalis A241, 243, A268, 279, 652 – tecti A371, T382, A385, A390, A392, A393, A412, A413, 413, A414, 458, 469, 470 – terminalis A365, 367, 377, A378, A381, 410, 411, 443 – umbilicalis 912 – vasculosa 566 – vestibularis 593 Laminae, Cortex cerebri A498, 533, 534, 535, 536 – (Rexed), Medulla spinalis 429, A430, 502 Lange-Linie 1113 Längenmessung beim Embryo 153 Längenwachstum 19, 20 Langerhans-Inseln A976, 976 Langerhans-Zellen A81, 557 Langhans-Fibrinoid 161, A162 Langhans-Zellen 160, 161 Langmagen, hypotoner 945 Längsbalken, medianer 214 Längsbündel, mediales 465, A486 – oberes 401 – unteres 401 Längsvenensystem 70 Längsverspannung der Bauchmuskeln 913 Längswölbung des Fußes 1105, 1133, 1136, 1137, 1156, 1157, 1165, 1205 Langzeitpotenzierung 530 Lanugobehaarung 156, 157, 581, 785, 1223

Register Lanz-Punkt 1002 Laparoschisis 153 Laparoskopie 957 Läppchen, portales A959 Lärmtaubheit 471 Larrey-Spalte 807, 881 Laryngopharynx 303 Larynx 108, 325, A878 Larynxkarzinom 334 Larynxmuskeln 183 Larynxtonsille 334 Lasègue-Zeichen 440, 1081, 1187 Läsion, supranukleäre 420, 464 lateral 15 laterale Schleife 471 lateralis 13, 330 Lateralisation 542, A543 Lateralisieruung von Funktionen 15 Lateropositio uteri 1071 Laterotrusion 14, 223, 231 Latissimusachselbogen 740, A741 Laugier-Hernie 917 LCA 863, A866 LCX 863 LDL 54 L-Dopa 455, 507 Lebenszeiten von Zellen 21 Lebenszyklus 116 Leber A50, 51, A51, 52, 56, 75, 77, 78, 84, A811, A812, 954, A1006 – Befestigung 957 – Entwicklung 155, 954 – Head-Zone A110 – Kupffer-Sternzellen 83 Leberarterien 64 Leberazinus A959, 962 Leberbucht 954, 971 Leberepithel 21 Leberfeld 957 Leberläppchen A959, 959, A960, 961 Leberpunktion 957 Lebersegmente A958, 958 Lebersinus 961 Leberthrombose 964 Lebervenengruppen 965 Leberzellstränge 78 Leberzirrhose 66, 964 Lederhaut (s.a. Sclera) 555, 1219, 1221 Lehrsektionen 5 Leibeshöhle 151 – Entwicklung A146, 146 – extraembryonale 139, A149, 151 – intraembryonale A146, 146, A149, 151 Leichenaufbewahrung 8, 9 Leichenbeschaffung 4 Leichenkonservierung 8 Leichenlagerung 9 Leichenwesen 3 Leihimmunität 85, 163 Leistenband 916

1291 Leistenbeuge 1184, 1189, 1099, 1225 Leistenhaut A1205, 1205, A1220, 1220, 1225 Leistenhernie 1063 – angeboren 1085 – direkte, erworbene 915, A924, A925, 927 – indirekte 915, A926 – – angeborene A924, A926 – – erworbene A924 Leistenkanal 168, 905, 907, 918, 923, A926, 1062, 1063, 1071 Leistenverbindungen A565 Leitmuskel 57 Leitungsaphasie 541 Leitungsgeschwindigkeit 482 Lemniscus lateralis 413, A414, A418, A470, 471 – medialis A407, 408, 409, A414, A418, A419, A421, 480, 483, A485, 519 – spinalis 483, A485 – trigeminalis 486 Lendengegend 1019 Lendenlordose A631, 642, 648, 651, 652, A1113 Lendenmark A424 Lendennervengeflecht 97 Lendenrippe 637, 631, 635, 637, A653 Lens 563 Leonardo-Bündel 855 Leptin 548 Leptomeninx 433–435 Leptotän 118, A119 Lernen 525, 526, 531 Leukozyten 71, 72, 75, 76 – Migration 72, 73, 74, – Normwerte 72 Levatoraponeurose A584 Levatorschenkel 1038, 1039, A1041 Levatorschlinge 1039 Levatortor 1038, 1039, 1042 Levatorwulst 302, 303 Leydig-Zellen 122, 130, 1086 L-Glutamat 479 LH 122, 130, 136, A547, 548 LH-Gipfel 128, A129, 130 LHRH 548 Licht leitende Medien 551 Lichtenstein-Verfahren 925 Lichtreaktion 574 Lichtreflex, Trommelfell 597, A598 Lichtrezeption 551 Lidachse 121, 122 Lidachse, antimongoloide A122 Lidapparat 551 Lidbewegung, begleitende 469 Liddrüsenabszess 583 Lidhaut 581 Lidkante 581

Lidkrampf 584 Lidödem 581 Lidplatten 582, 583 Lidschlag 227 Lidschluss 227, 469, 574, 581, 586, 609 Lidspalte 581, A582 Lieberkühn-Krypten (Drüsen) 953, 988, 996, 997, 1001 Lien (= Splen) 90, 940, 977 Ligamentum(-a) acromioclaviculare 672, A673, A674 – alare A641, 641, A642, 642 – anococcygeum 1038, A1039, 1039, 1040, A1041, A1042, A1097 – anulare radii A679, 679, A680, 680, A681, A683, 706, 713, A754, 760 – – stapedis 603, 605 – – tracheae 890 – aorticopericardiacum 862 – apicis dentis 640, A640, 641, A642 – arcuatum laterale 805, A1020 – – mediale 805, A1020 – – medianum 804, 807 – – pubis 1030, A1072 – arteriosum (Botalli) A50, 52, 265, 832, A833, A840, 850, A852, A853, A856, A861, 880, 884 – articulare 32, 35 – bifurcatum A1130, A1131, 1133, 1134 – calcaneocuboideum A1130, A1131, 1134 – – dorsale A1131, 1134 – – laterale 1134 – – plantare A1131, 1134, A1135, 1136, 1157 – calcaneofibulare A1131, 1132, A1132 – calcaneonaviculare A1130, A1131, 1133 – – mediale 1133 – – plantare 1108, A1129, A1131, 1133, A1135, 1137, A1159 – canalis tarsi 1133 – capitatohamatotriquetrum A686 – capitis costae A797, 800 – – femoris 36, 1101, 1102, 1111, A1112, A1113 – – fibulae anterius A1120, 1127, A1128 – – fibulae posterius 1128 – cardinale uteri 1071, A1072, 1073, 1076 – carpi arcuatum dorsale 685 – – dorsale A704 – – palmare A708, A709, A710, A752, 761 – – radiatum 686, 714 – – transversum A719

Ligamentum(-a) carpi volare (= palmare) 717, A752 – carpometacarpale dorsoradiale A687, 687 – – obliquum anterius A686, 687 – – obliquum posterius 687, A687 – carpometacarpalia dorsalia A687, 688 – – interossea 688 – – palmaria A686, 688 – collaterale, Art. metacarpophalangealis A689, A690 – – accessorium, Art. metacarpophalangealis 688, A689, 691 – – carpi radiale A686 – – – ulnare 685, A686, A687 – – fibulare A1117, 1118, A1119, 1119, A1120, A1121, 1122, A1123, A1124 – – proprium 688, 691 – – radiale A679, 680, A681, A683, 703, 706, 706 – – tibiale A1117, 1118, A1119, 1119, A1120– A1122, A1124, A1149 – – ulnare A680, 680, A681 – conicum 329 – conoideum 672, A673, A674, A676 – coracoacromiale 672, A673, 673, A674, A675, A676 – coracoclaviculare 672, A673 – coracoglenoidale 675 – coracohumerale A673, A674, A675, 675 – coronarium hepatis A955, 955, 957 – costoclaviculare A672, 672, A799 – costopleurale 813 – costotransversarium laterale A639, A797, A800, 800 – – posterius 654 – – superius A639, A800, 800 – costoxiphoideum A799, A801 – cricoarytenoideum A328, 329 – cricopharyngeum 329 – cricothyroideum A328, 329, 347 – cricotracheale A328, 328 – cruciatum anterius A1117, A1118, 1120, A1123, A1124 – – genus 34 – – posterius A1117, 1121, A1123, A1124 – cruciforme A640, A641, 641, A642

Register

1292 Ligamentum(-a) deltoideum A1130, 1130, A1132, A1152 – – Pars tibiocalcanea 1130, 1133 – – Pars tibiocalcanearis A1131, A1135 – – Pars tibionavicularis 1130, A1131, 1133 – – Pars tibiotalaris anterior 1130, A1131 – – Pars tibiotalaris posterior 1130, A1131 – – Ruptur 1104, 1105 – denticulatum A424, 439, A440, 486, A640 – epididymidis inferius A1084, 1085 – – superius A1084, 1085 – fabellofibulare 1120 – falciforme hepatis A914, 916 – – hepatis A934, 935, A936, 936, A937, 940, A941, A942, A955, 955, A956, 957, 958 – flavum 30, 455, 441, A638, A639, 639, 640, A800 – fundiforme clitoridis 1082 – – penis 1094, A1145, A1161, 1165 – gastrocolicum 940, A943, 943, A944, 949 – gastrolienale 978 – gastrophrenicum (phrenicolineale) 937, A939, 941, 943 – gastrosplenicum (gastrolienale) 936, 940, 943, 950, 978 – glenohumerale inferius A674, A675, 675 – – medium A674, A675, 675 – – superius A674, 675 – hamatocapitata 686 – hepatocolicum 984 – hepatoduodenale A935, 936, A939, 940, A942, 943, 957, 970 – hepatogastricum 940, 943, 957 – – Pars densa A942 – – Pars flaccida A942, A943 – hyoepiglotticum 329 – iliofemorale A1032, 1111, A1113, 1114 – iliolumbale 1031 – incudis posterius 603 – – superius 603 – inguinale 905, A908, 909, A914, A915, 916, A916, 917, A925, A926, A1032, A1145, A1149, 1160, 1160, A1161, A1191, A1192 – intercarpalia dorsalia 685, A687

Ligamentum(-a) intercarpalia interossea A684, 685 – interclaviculare A672, 672, A799, A801 – intercostale externum 801 – intercuneiformia interossea A1130 – interfoveolare 913, A914, 914, A915, A916, 927 – interspinale 441, A638, A639, 639, A800 – intertransversarium A639, 639, A797, A800 – ischiofemorale A1111, 1112, 1113, A1113 – laciniatum 1203 – lacunare A916, A1191, 1191 – – Gimbernati A908, A915, 917, 927 – laterale articulationis temporomandibularis 222, A226, A232 – – vesicae 1045 – latum uteri 986, 1055, 1064, A1065, 1066, 1070, A1072, 1073, A1074, 1075, 1078 – longitudinale anterius 638, A638, A640, A797, 804 – – posterius 427, 638, A638, A640 – lunitriquetrum palmare 686 – mallei anterius A594, 603, 605 – – laterale 603 – – superius A594, 603, A606 – Marshalli 848 – meniscofemorale anterius (Humphrey) 1121, 1124 – – posterius (Wrisberg ) A1117, 1121, A1123, 1124 – metacarpale dorsale A687 – – dorsale I A686 – – transversum profundum A689, A690, 690, A704, A708, A711, 766 – – – superficiale 764 – metacarpalia dorsalia 688 – – interossea A684, 688 – – palmaria A686, 688 – metatarsale transversum profundum 1136, 1157, 1164 – – transversum superficiale 1163, A1207 – metatarsalia dorsalia A1131 – – interossea A1130 – – plantaria A1134, A1135 – natatorium 764, 1163, A1207 – neglectum 1133 – nuchae A241, 241, 639, 644, A645, A647, A649, 652, A692 – ovarii proprium 128, A1049, A1060, 1062,

A1063, 1065, A1065, 1066, A1067, 1070, 1073, 1078 – palpebrale laterale 226 – – laterale A580, 583, A584 – – mediale 227, A580, 583, A584, 587 – parodontalia 30 – patellae 1103, A1118, 1118, 1119, A1120, A1122, A1123, 1125, A1140, A1145, A1146, A1149– A1151, 1193 – pectineale A915, A916 – periodontalia 290 – phalangoglenoidale 688, A689, 691 – phrenicocolicum A939, 941, 984 – phrenicosplenicum (= phrenicolienale) 941, 972, 973, 978 – pisohamatum A686, 686, 712, 716 – pisometacarpale A686, 688, 712 – plantare longum A1131, A1134, 1134, 1136, 1137, 1153, 1157, 1157, 1158, A1159, 1164, 1165, 1205 – plantaria 1136, 1157 – pleurovertebrale 813 – popliteum arcuatum 1120, A1121 – – obliquum 1118, 1119, A1121, 1148 – praeurethrale A1043, 1045 – pubicum inferius A1030, 1030, A1043, 1082 – – superius A1030, 1030 – pubocapsulare 1112 – pubocervicale 1071 – pubofemorale A1032, A1111, 1112, 1113, A1113 – puboprostaticum 1048, 1090 – – laterale 1045 – – mediale 1045 – pubovesicale 1045, A1046, 1048, 1058, 1071, A1072 – pulmonale 823, A824, A825 – quadratum 680 – radiocarpale dorsale 685 – – palmare 685 – radiolunatum A687 – radiolunotriquetrum A686 – radioscaphocapitatum A686 – radioscaphoideum A687 – radioscapholunatum (Testut) 686 – radiotriquetrum dorsale A687 – radioulnare dorsale 685, A687 – – palmare 685, A686 – rectouterinum 1071, 1073

Ligamentum(-a) rectovesicale 1058 – reflexum 905, A909, A910, A916, 917 – retinaculare obliquum (Landsmeer) A718 – sacrococcygeum posterius profundum A1031, 1032 – – posterius superficiale A1031, 1033 – – anterius 1032 – sacroiliaca 1029 – – anteriora 1030, A1032, A1033 – – interossea 1031, A1031, A1033 – – posteriora 1030, A1031, A1033 – sacrospinale A1031, A1032, 1032, A1033, 1040, A1146, A1149, A1183 – sacrotuberale 1031, A1031, A1032, 1032, A1033, 1035, A1053, A1053, 1139, A1143, 1148, A1149, A1168, A1177, A1183 – sacrouterinum 1071, A1072, 1073 – sagittale, Aponeurosis dorsalis 688, A690, A718 – scapholunatum 686 – scaphotrapezium palmare A686, 686 – scapulae inferius 673 – sphenomandibulare 203, 222, A259 – spirale cochleae 593, A619, 620, A621, 621, A623 – sternoclaviculare anterius 671, A672, A799, A801 – – posterius 672 – sternocostale intraarticulare A799, 799 – – radiatum A799, 799, A801 – stylohyoideum 182, 205 – stylomandibulare 222 – supraspinale A638, A639, 639, A651, A800, A1031 – suspensorium clitoridis 911, 1082, A1082 – – mammae 788 – – ovarii 128, 986, A1049, 1062, A1063, 1065, A1065, 1066, A1067, 1073, A1077 – – penis A908, A909, A910, 911, A925, 1094 – talocalcaneum interosseum A1129, A1130, A1131, 1133 – – laterale A1131, 1133 – – mediale A1131, 1133 – – posterius A1131, 1133 – talofibulare anterius A1131, 1132

Register Ligamentum(-a) talofibulare posterius 1105, A1131, 1132, A1132 – talonaviculare dorsale 1133 – tarsi dorsalia A1131, 1135 – – interossea 1135 – – plantaria A1134, A1135, 1135 – tarsometatarsalia dorsalia A1131 – – plantaria A1134, A1135 – temporomandibulare 222 – teres hepatis 52, A914, 916, 920, 935, 940, A941, A942, A955, 957, 1189 – – uteri 907, 918, 923, A1047, A1049, A1060, 1062, A1063, A1069, 1071, A1072, 1075, A1077, A1077, 1078 – thyroepiglotticum 327, A328, 329 – thyrohyoideum 327 – – laterale 327 – – medianum 327 – tibiofibulare anterius A1128, 1128, 1130, A1131 – – posterius 1128, 1130, A1131, A1132 – tracheopericardiacum 862 – transversum acetabuli 1111 – – atlantis 633, A640, A641, 641, 642 – – cervicis (Mackenroth) 1071 – – genus A1117, A1123, 1124, 1125 – – humeri A673, 675 – – perinei A1043, 1045 – – scapulae 349 – – scapulae inferius A745, 746 – – scapulae superius 660, A673, 673, A676, A745, 745 – trapeziometacarpale A686, 687 – trapezoideocapitata 685 – trapezoideum 672, A673, A674 – trapezotrapezoidea 685 – triangulare dextrum A939, 955, A956, 957 – – sinistrum A939, A955, 955, A956, 957 – ulnocarpale dorsale 685 – – palmare 685 – ulnolunatum 685, A686, A687 – ulnotriquetrum 685, A686 – umbilicale laterale A1053, A1079 – – mediale 849, 1088 – – medianum 142, 1056, A1060, A1061 – uteroovaricum 1065 – venae cavae A956, 957 – venosum A50, A956

1293 Ligamentum(-a) vesicoprostaticum 1058 – vesicouterinum 1073 – vestibulare 329, 333 – vocale A241, A328, 328, A331 Liliputaner 1100 limbisches System 377, 378, 397, 398, 478, 480, 521, A522, 531 Limbus 521 – acetabuli 1027, A1028, 1028 – corneae 551, 557, 584 – fossae ovalis A815, A853, 854 – Giacomini 379 – laminae spiralis osseae A619, A623 – marginalis 857 – palpebralis anterior 581, A582 – – posterior A582, 583 – spiralis 593 Limen insulae 375, A375, 381, 401, A478 – nasi 315, A317 Linea alba A693, A802, 905, 908, A911, 911, 912, A914, A915, A1047, 1094, A1145 – anocutanea A1050, 1051 – anorectalis A1050, 1051 – arcuata A1029, 1029, A1034, 1035, A1037 – – (Douglas) A907, 909, A911, 911, 912, A914 – aspera femoris 1100, A1101, 1102, 1144, A1147, 1184, A1185 – – – Labium laterale 1148, 1160 – – – Labium mediale 1144, 1147, 1160 – axillaris anterior A784, 784, 786 – – media A784, 784 – – posterior A784, 784 – carpi palmaris proximalis 760, 761 – cephalica A719, 764 – glutea anterior 1142 – – posterior 1142 – – superior 1139 – glutealis anterior A1028,1029 – – inferior A1028, 1029 – – posterior A1028, 1029 – intercondylaris femoris 1102 – intermedia cristae iliacae 1028, A1029 – intertrochanterica A1101, 1101, 1111, A1111, 1112, 1148 – mamillaris A784, 784 – mediana anterior A784, 784 – – posterior A784, 784

Linea medioclavicularis A784, 784 – mensalis A719, 764 – musculi solei 1103, A1104, 1153 – mylohyoidea 203, A204, 215, 238, 306 – nuchae inferior 191, A194, A207, 209, 191, A207, 209, 651 – – superior A194, 235, 648, 652, 654 – – suprema 191, 230, 253 – obliqua A204, 215, 237, 306, A326, 326, 340 – – mandibulae 203 – parasternalis A784, 784, 786 – paravertebralis A784, 784 – pectinata A1050, 1051 – pectinea A1101, 1102, 1144 – radicularis posterior 426, 430 – scapularis A784, 784 – semilunaris 909, 911 – sternalis A784, 784 – stomachica 764 – temporalis A190, 191, A192, A609, 610 – – inferior A189, A196, 197, 219 – – superior A189, A196, 219, 233 – terminalis 986, 1035, 1037, 1045, 1054, A1149 – – linguae 272 – trapezoidea claviculae A661, 661, 672 – vitalis A719, 764 Lineae musculares scapulae A659 – transversae ossis sacri 635, A636 Linearbeschleunigung 473, 617, 618 Lingua A259, A271, 272, A320 lingualis 13 Lingula cerebelli A366, A412 – mandibulae 203, A204, 222 – pulmonis sinistri 823, A825, 825, A874 – sphenoidalis A195, A210 Linkshänder 542 Linksherzinsuffizienz 56 Links-Rechts-Shunt 66 Linksversorgungstyp A865, 865 Linse 551, A552, 552, 553, A554, A555, 558, 559, 561, A562, 562, 563, A564, A565, 565, 566 – Aufhängungsapparat A562 – Entwicklung 155, 552 – Gefäßnetz 553 Linsenbläschen 154, 553, 563, A564, 592

Linsenepithel A553, A564 Linsenfasern A553, 563 Linsengrube 154, A552, 552, 563 Linsenkapsel 563 Linsenkern A384, 399, 505 Linsennähte 553 Linsenplakode 153, 154, 552, 553, 563 Linsenplatte A552 Linsenstern 563, A564 Linsenzellen 553, 563, A564, A565 Lipom A392 Lippe 271, 1224 Lippenfurunkel 588 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten 121, A145, 168, 169, 299 Lippenspalte 168 Liquor cerebrospinalis 93, 109, 362, 373, 387, 405, 425, 433, A434, 441, 623, 641 Liquordruck 433 Liquorräume 93, A392, 433, 441 Liquorresorption 437 Liquorrhö 216 Lisfranc-Gelenklinie 1110, A1130, 1136, 1202 Lissosphincter 1059, 1092 Littre-Drüsen 1094 Lobulus auricularis 593, A595 – centralis cerebelli A366, A513, 513 – epididymidis 1086, 1087 – hepatis 959 – mammae 788 – paracentralis A369, 378, A393, 1059 – parietalis inferior A372, 376 – – superior A372, A374, 376 – pulmonalis 830, A831 – renalis 1012 – testis 1085 Lobus anterior cerebelli A366 – axillaris 786 – caudatus cerebelli A366 – – hepatis 940, A942, A951, A956, A956, 957 – colli glandulae parotideae 278 – flocculonodularis A366, 473, 475, 510, 513 – frontalis A367, 374, 376, 380, A384, A524 – glandulae thyroideae 338 – hepatis dexter A941, A944, A955, A956, 958 – – sinister A941, A942, A944, A955, A956, 958 – inferior pulmonis A782, A809, A815, A824, 824, A825, A833, A887

Register

1294 Lobus insularis A367, 375, A375, A379, A384, A388, 389, A394, A394, A472, 480 – mammae 788 – medius cerebelli A366 – – pulmonis A782, A809, A815, A824, A833, A887 – occipitalis A367, 374, 376, 377, A379, A385, 459 – olfactorius A532 – parietalis A367, 374, 376, A390 – piriformis 396 – prostatae 1090 – pyramidalis glandulae thyroideae 336, 337, 338, 243 – quadratus A942, 957 – renalis A1004, 1007, A1011, 1012 – semilunaris inferior cerebelli A401 – simplex cerebelli A401 – superior pulmonis A782, A809, A815, A824, A825, A833, , A887 – temporalis A367, A375, 376, A379, 381, A385, A413, A472, A524 – venae azygos 826, 885 – – cavae A826 Locus coeruleus 417, 511, 518, 519, A520 – Kiesselbachii 315 Löffelfortsatz 604 Löffelohr 596 Loge de Guyon A731, 762 Logen A242 Logensyndrom 48, 1163 Lokalisationshypothese 537 longitudinalis 13 Longitudinalsystem, Rückenmuskulatur A649, A631 long-term potentiation 530 Lordose 642 LTP 530 Luftembolie 56, 242 lufthaltige Räume 591, 599 Luftröhre 889 Lumbalhernie 917 Lumbalisation 637 Lumbalpunktion 362, 440, 635 Lumbalspalt, lateraler T806, 807 – medialer 807, T806 Lumbrikaliskanäle 766 Lunarmonat 113 Lunatummalazie 668 Lunge A50, A51, 56, 75, 83, 103, A782, 821, A816 – Embolie 832, 885 – Emphysem 808 – Entwicklung 155, 815, 821 – Metastasen 791 – Segmente 821, 826, A827, T830 Lungenalveole A837

Lungenarterie 50 Lungenazinus 830 Lungenfell 814 Lungenflügel 822 Lungengrenzen A782, A816, 823, A874, A1004, A1020 Lungenhilum 823, A872 Lungenknospen 146 Lungenkreislauf 55, 70, 70 Lungenläppchen 830, A831 Lungenlappen 824 – akzessorische 826 Lungenödem 56 Lungenparenchymzellen 81 Lungenreifebestimmung 173 Lungenreifung 173 Lungen-Schwimmprobe 822 Lungenspitze 783, 822 Lungenvene 50 Lunula A1224, 1224 Lunula obliqua radii 666, 679 – valvulae semilunaris A855, 856, 858 Luschka-Gänge 968 Lutealphase 130 luteinisierendes Hormon 122, 130 luteotropes Hormon 136 Luxatio acromioclavicularis 661 – cubcoracoidea 676 – erecta 676 – iliaca A1116 – infraglenoidalis 676 – infraspinata 676 – ischiadica A1116 – obturatoria A1116 – suprapubica A1116 Luxation, Ellenbogengelenk 682 – Hüftgelenk A1114 Luys-Körper 410 Lymphabfluss, Brustdrüse 790 – Lunge A833 – Zunge A277 Lymphadenitis 596, 597 Lymphangiom 89 Lymphangitis 89 Lymphäquivalent 551 lymphatische Sammelgefäße 88 Lymphbahnen 89 Lymphdrainagegebiete A1174 Lymphe 50, 70, 87, 88, 88, 89, 1226 Lymphfluss 88 Lymphfollikel 84, 85, 91, 311 Lymphgefäße 50, 67, 87, 88, 89, 832 – Brustraum A898 – Darmwand 996 – Depolarisation 89 – Hauptstämme A896 – Haut 1226

Lymphgefäße, Klappen 87–89 – Rumpf A89 – Sacculi 88 – Schrittmacher 89 Lymphgewebe, schleimhautassoziiertes 84, 90 Lymphkapillaren 88, 89, 1226 Lymphknoten 50, 83–86, A86, 87, 88 – äußere Rinde 87 – Bein A1174 – Blutversorgung 87 – Brustraum A898 – innere Rinde 87 – Intermediärsinus 87 – Kapsel 86, 87 – Lymphsinus 87 – Lymphweg 87 – Marginalsinus 87 – Mark 86, 87 – Marksinus 87 – Markstränge 87 – parakortikale Zone 87 – Parenchym 86, 87 – Primärfollikel 87 – Randsinus 87 – regionäre 88, 727, 790, 791 – Rinde 86, 87 – Sekundärfollikel 87 – Vas afferens 87, 88 Lymphknotenexstirpation 743 Lymphkollektoren 88 – Bein 1173 Lymphkreislauf 50 Lymphoblasten 87 Lymphödem 89 Lymphokine 85, 86 Lymphonodus 86 Lymphorgane 84, 85 Lymphozyten 21, 71, 74, 75, A76, 80, 83–85, 87, 136, 555, 584, 586, 886, 888 – große 84 – kleine 84 – Rezirkulation 84, 87 Lymphozytenscheide, perivaskuläre 981 Lymphozyten-Vorstufen 84 Lymphozytenwall 84 Lymphpumpe 89 Lymphscheide, periarterielle 85 Lymphstämme 88 Lymphstrom 84, 86, 86 Lysosomen 74, 76, 83, 123 Lysozym 83, 277, 557

M M.c.a. 450 Macula A616, 616 – cribrosa inferior 613 – – media 612 – – superior 612

Macula densa A1009, 1013 – gonorrhoica 1082 – lutea 458, 460, 553, 570, 571 – neglecta A617, 618 – sacculi 473, 592, 593, A614, 617, 618, 627 – utriculi 473, 592, A614, 616, A617, 618, 627 Maddox-Kreuz 464 Magen 55, 108, 944 – Entwicklung 933 – Head-Zone A110 – Muskulatur A949 – orthotoner 945 Magenblase 945, 947 Magen-Darm-Kanal, Entwicklung 142, 155 Magendrehung 898, 935, 973 Magenfeld 947 Magenformen 945 Magengrube 783 Magenkarzinom 950 Magenschmerzen 952 Magensonde 890 Magenstraße 947 Magnetresonanztomographie 382 Mahaim-Bündel A868 Mahlbewegung 223 Mahlzähne 205, 297 Maisonneuve-Fraktur 1105, 1132 Maissiat-Streifen 1115 Makroglia A360 Makrophagen 74, 75, 77, 78, 80, A81, 81, A82, A83, 83, 85–87, 161, 311, 359, A434, 435, 555 – perivaskuläre 75 – polynukleäre 81, A82 Makrosmatiker 396, 477 MAK-Werte 9 Malabsorption 994 Malassez-Epithelreste A283 Malassez-Körperchen 285 Malformationen 167, 168 Malignisierungspotenz 169 Malleolarfraktur 1105, 1132 Malleolengabel 1103, 1105, 1128, 1132 Malleolenkanal 1163 Malleolus lateralis 1103, A1104, 1105, 1106, A1128, 1132, A1151, 1153, A1154, A1158, A1159, 1162, A1185, A1199, A1201, A1203, 1203 – medialis 1103, A1104, 1106, A1128, A1152, A1154, A1155, A1158, A1159, 1165, A1185, A1199, A1203, A1204 Mallet-Finger 771 Malleus 182, A259, A594, 597, A603, 603, A606 Malpighi-Körperchen, Milz 84, 980

Register – Niere 1007 Malrotation 1003 MALT 90, 91 Maltase 976 Mamillen 154 Mamma 136, 786, A786 – Histologie A789 Mammakarzinom 743, 790, 791 Mammalia 786 Mammarekonstruktion 646 Mammavergrößerung 170 Mammographie A791, 791 Mandelkern 377 Mandelkernkomplex 395, 396, 404 Mandeln 90 Mandibula A180, 182, A189, A190, 203, A204, T206, 215, A301 Mandibulaköpfchen 203 Mandibularanästhesie 203, A271 Mandibularbogen 182, 593 Mandibulare 182 Mangeldurchblutung 447 männliches Glied 1094 Manteldentin 290, 295 Mantelkante 374, 376, 499 Mantelzone 360, 361, A361 – periurethrale A1091 Manubrium mallei A594, 597, A601, A603, 603, A606, 608 – sterni 236, 237, A672, 691, 781, 793, A795, 795, A799 Manus 657 Marche á petit pas 506 Marginalzellen 620 Marginalzone 361, A361 Margo acetabuli 1027 – acutus 850 – aditus orbitae 217 – anterior fibulae A1104, 1104, A1128, 1150 – – pancreatis 972 – – pulmonis A824, A825 – – radii A665, A683 – – tibiae 1103, A1104, A1128, A1185 – – ulnae A665, A683 – dexter cordis 850 – falciformis 1193 – – Cornu inferius 1160, A1161 – – Cornu superius 1160, A1161 – frontalis ossis parietalis A196, A197 – – ossis sphenoidalis 194, A195 – incisalis 296 – inferior hepatis A955 – – mandibulae T206 – – pulmonis 822, A824, A825 – – splenis 941, A977, 978 – infraorbitalis maxillae A202

1295 Margo interosseus fibulae A1104, 1104, A1128, 1128 – – radii A665 – – tibiae 1103, A1104, 1128 – – ulnae A665 – lacrimalis maxillae A202, A203 – lambdoideus ossis occipitalis A193 – lateralis humeri A663, 713, 713, A737 – – scapulae A659, A662, A673, A674, 696 – liber ovarii 1064 – limitans peritoneai 1065 – linguae 273 – mastoideus ossis occipitalis A193 – medialis humeri A663, A737 – – scapulae A630, 646, A647, A659, A673, 695, A737 – – tibiae 1103, A1104, A1128, 1153, A1185 – mesovaricus ovarii 1064, 1065, 1066 – obtusus 850 – occipitalis ossis parietalis A196, A197 – – – temporalis A198 – parietalis ossis frontalis A192 – – – sphenoidalis 194, A195 – – – temporalis A198 – posterior fibulae A1104, 1104 – – radii A665 – – ulnae A665, A704, 706, 712, A737, 759 – pupillaris A562, A565 – sagittalis ossis parietalis A196, A197 – sphenoidalis 191 – – ossis frontalis A192 – – – temporalis A198 – squamosus ossis parietalis A195, A196, A197 – superior pancreatis 972 – – partis petrosae A198, 199, A210 – – scapulae A659, 660, A662 – – splenis A977, 978 – supraorbitalis 190, 191, A192, T206 – zygomaticus ossis sphenoidalis 194 Mark, verlängertes 361, 415, 422 Markhöhle 26, A28 Marklager, subkortikales 368 Marklagerblutungen 404 Marklagerinfarkt 404 Markscheidenfärbung A498 Markstrahlen 1007, A1011

Markstrahlläppchen (Heidenhain) A1011, 1012 Marmorknochenkrankheit 24 Marschfraktur 27, 1110, 1138, 1139 Martin-Gruber-Anastomose 733 Maskengesicht 506 Massa adiposa pararenalis (Gerota) 1013 – lateralis atlantis 633 Massenbewegungen 1001 Massenblutung 373 Massenmerkmal 296, A296, 297 Massenwachstum 19 Masseterreflex 487 Mastdarm 1049 – Parasympathicus 108 Mastoidektomie 602, 609 Mastoiditis 602, 627 Mastzellen 73, 74, A80, 85 Materialermüdung 24 Materialverschiebungen 1226 maternale Schicht 159 Matrix, extrazelluläre 115 Maus, Gehirn 92 Mausbett 1127 Mausergewebe 21 Maxilla A180, 182. A189, A190, A200, A202, 202, A203, A301, A316, 577 – Facies anterior 323 – – orbitalis A217 – Processus alveolaris 323 Maximalgebiet 98 May-Vene 1172 McBurney-Punkt 999 Meatus acusticus externus 183, 208, 383, A383, A385, 469, 481, 591, A594, 596 – – – cartilagineus 596 – – – osseus 596 – – internus A198, 199, 260, 262, 608, 612, 613, 615, 617, 625, A626, 627 – nasi communis 317 – – inferior 218, 315, 322, 587 – – medius 316, 324 – – superior 316, 324 – nasopharyngeus 317 Mechanorezeptoren 33, 109, 274, 511, 1228 Mechanostruktur, Dura mater A216 mechanozeptiv T488 Mechanozeptoren, atriale 109 Meckel-Divertikel 121, 933 Meckel-Knorpel A180, 182 Media 53, A59, 59, 62 Mediainfarkt 503 medial forebrain bundle 479 medialer Strahl 1105 medialis 13 Medianabstand, Herz A876

Medianebene 12, A12, 13, 15 Medianfurche A783, 783 Median-Sagittal-Ebene 12, A12 medianus 13 Medianusgabel A731, 732, A741, 742 Medianuskompressionssyndrom 763 Medianuslähmung A733, 733, 734, 763 Medianusschlinge A694, 732, A741 Medianusstraße A757, 759 Medianustunnel 707, A731, 755 Mediastinaltumor 880 Mediastinitis 892 Mediastinum T839, A840, A884 – hinteres 242, 791, A879 – vorderes 791 – testis 1085, 1087 Mediastinummetastasen 791 Mediatoren 89 MedikamentenEmbryopathie 163, 169 Mediotrusion 14, 223, 233 Meditation 98 Medulla oblongata 108, 213, 361, 363, A364, 364, A381, T382, A392, A393, 411, 415, A421, 422, 483, 497, 502, A520, A532, 834 – ossium flava 23 – – rubra 23 – ovarii 1065 – renalis 1005, A1006 – spinalis A271, 353, A365, A381, 423, A427, A450 Medullarplatte 552 Megacolon kongenitales 121, 991 Megakaryozyten 79, A80 Megaloblasten 77 Mehrfachbildungen A167, 168 Mehrlinge, eineiige 165 – mehreiige 165 Mehrlingsdiagnostik 172 Mehrlingsgeburten 167 Meibom-Drüsen 557, 582, 583 Meiose 116, 117, 118, A119, 122, 123, 126, 134 – inhibierende Substanz 126 Meissner-Plexus 893, 988, 990 Meissner-Tastkörperchen 273, 293, 481, T488, A1220,1228 Melanin 1219, 1223 Melaningranula 561 Melanoblasten 1219 Melanotropin A547 Melanozyten 359, A547, 555, 557, 566, 1219, 1223 – der Haut, Entwicklung 155

Register

1296 Melatonin 550 Membran, präsynaptische A494 Membrana atlantooccipitalis anterior 640, A640 – – posterior 446, 640, A640, 641, 881 – cricothyroidea 306 – elastica externa 53, 59, 62 – – interna 53, A59, 62 – fibroelastica laryngis 328, A332 – fibrosa 32, A34 – intercostalis A799, A801 – – externa 801 – – interna 802, 820 – interossea antebrachii 29, A680, A681, 682, A683, A684, 706, A711, 712, 713, A753, A757 – – cruris 1103, 1105, A1117, A1120, 1127, A1128, 1128, A1130, A1132, 1150, 1153, 1156, 1162, 1169, 1180, 1198 – limitans, Innenohr A614, 623 – – (Elschnig) 572 – – externa 567 – – gliae perivascularis 435, 455 – – – superficialis 433, A434, 435 – – interna 568, 572 – obturatoria 1030, A1032, 1035, A1046, A1046, 1048, A1072, 1142 – perinei 1042, 1045, 1047 – pleuroperitonealis 804 – quadrangularis 329 – reticularis, Corti-Organ A621, 621, 622 – spiralis 614, A614, A619, 620, A621 – sterni A799, 799, A801 – suprapleuralis (Gibson) 353 – synovialis 32, 33, 34, A34 – tectoria A619, A620, 622, A623, A641, 641, A642 – thyrohyoidea 247, 264, 327, A328, A330, 333, A334, 346, 347 – thyroidea 237 – tympanica 591, 597, A601 – – secundaria 601, 612, 623 – vastoadductoria A1146 – vestibularis ductus cochlearis A614, A619 Membranantigene 80 Membranrezeptoren 74 Membranscheiben 569 Membrum inferius 1099 memory cells 75 Menarche 126 Menière-Krankheit 618 meningeales Syndrom 1187 Meningismus 440

Meningitis 381, 438, 443, 588, 600, 602 Meningoencephalitis 381 Meningomyelozele A144, A145 Meningozele A144, 187 Meningozephalozele A187 Meniscus 34, A34, 35 – lateralis A1117, A1119, 1121, 1122, A1123, A1124, 1125 – medialis A1117, A1118, 1118, A1119, 1122, A1123, A1124, 1125, A1149 Meniskektomie 1125 Meniskopathie 1125 Meniskusganglion 1125 Meniskusriss 1122, 1125 Meniskuszyste 1125 Menopause 126, 548, 1064 Menstruation 113, A129, 130, 136, 1074 – ausbleibende 154 Menstruationsalter 113, 170 Menstruationsblutung 130, 136 Menstruationszyklus A129, 130 Mentum T206 Meralgia paraesthetica 917 Merkel-Tastkörperchen 1228 Merkel-Tastscheiben 293, 481 Merkel-Zellen T488 Mesangiumzellen 83, A1009 Mesencephalon 363, A365, 365, A369, 373, T382, A392, 402, 411, 412, A414, 415, 505, A520, 525, A532, A580, A585 Mesenchym 27, 28, 78, 114, 147, 148, 159, 161, 299, A360, 553, 560, 592, 786, 1221, 1223, 1224 – axiales 630 – extraembryonales 77, 161 – paraxiales 630 Mesenchymzellen 24 Mesenterialgefäße 55 Mesenterium 931, A935, A983, 985, A995, A997 – dorsale commune 932, 934 – Entwicklung A933 – urogenitale 918 – ventrale 933, 935 mesialis 13 Mesiodens 285 Mesoappendix 982, 987, A995, 1002 Mesocolon 936, A997 – ascendens 938, A939, 973 – descendens A935, 938, A939 – sigmoideum A935, 938, A939, 984, A985, 987

– transversum 937, A938, 938, A939, A943, A944, 982, 983, A985, A995 Mesoderm 78, 138, A139, 140, A140, A141, 141, A143, 145, 146, 148, 149, 151, 153–155, A358, 560, 629, 821, 977, 1219 – axiales 145 – extraembryonales 84, A139, 140, 141, 146, 151, 154, A160 – intermediäres A143, 145, 155 – intraembryonales 140, 141, A143, 145, 146, 151, 154 – laterales A143, 145 – paraxiales A143, 145, 147, 149, 155 – parietales A143, 145 – präotisches 153 – viszerales A143, 145 Mesodermkern 159 Mesoduodenum A935, 936 Mesogastrium axiale 936, 937, 943 – dorsale A933, 933, A935, 935, A939, 943, 943, 971, 977 – ventrale A933, A935, 935, 936 Mesohepaticum ventrale 935 Mesokard A841, 841 Mesokortex 93 Mesometrium 1073, 1075 Mesopharynx 303 Mesorchium 1085 Mesorectum 1052 Mesos 931 Mesosalpinx 986, 1064, A1065, 1066, 1068, 1073 Mesotenonium (= Mesotendineum) A47, 47, 719, 761 Mesothel 561, 860, 1065 Mesotheliom 819 Mesotympanon 600 Mesovarium 986, 1064, 1066, 1073 Metacarpus 657 Metachromasie 72, 74 Metamerie 15, 16, 97, 147, 153, 631, 904 Metaphase, Meiose A119, 128 – Mitose 116, 118, 120 Metaphyse 27 Metapodium 657, 1099 Metastasierung 790, 791, 792 Metatarsalgie 1139 Metatarsus 1099, 1202 – varus 1138 Metathalamus 404, 406, 410, 458 Metencephalon A364, A365, 365, A369, T382, 415, A419

Metenzephalonbläschen 363 Meyer-Schleife A457, A459, 459 Meynert-Achse 369, A370, 411 Meynert-Bündel 405 Michaelis-Raute 171, 629, 1182 Michel-Dysplasie 593 Mictio 1058 Migräne 439 Migration 115, 141, 356 Mikroangiopathie 572 Mikrogenie A120 Mikroglia 75, 83 Mikrogliazellen 356, 359, A360, 435, 569 Mikroorganismen intrazelluläre 85 Mikrophagen 72, A83, 83 Mikrophthalmie 121 Mikroretrogenie 168 Mikrosmatiker 477 Mikrotie 593 Mikrotubuli 118, 125, 569 Mikrovilli 567, 993 Mikrozephalie 121, A122, 187 Mikrozephalus 121 Mikrozirkulation 61 Miktion 111 Miktionszentrum 521 Milch 786 Milchdrüse A785, 786, 789 – Entwicklung A785, 786, 789 Milchgänge 786, 787, 788 Milchgebiss 281, 286, A287 Milchleiste A785, 786, 789 Milchmolaren 286 Milchproduktion 789 Milchstauung 788 Milchzähne 282, 298 Milieu, inneres 98 Millard-Gubler-Syndrom 423 Milz 58, 59, 64, 75, 78, 83, 84, 84, 85, 90, 936, A977, 977 – Entwicklung 155 – Segmente 979 Milzaplasie 977 Milzhypoplasie 977 Milzkreislauf A980, 980, 981 Milzlappen 979 Milzlungenwinkel 978 Milznierenwinkel 978 Milznische 941, 984 Milzretikulum A980 Milzruptur 978, 979 Milzschmerzen 979 Milzsinus 83, A980, 981 Milzstroma 979 Mineralocorticoide A547, 1018 Minisphinkter 55 Miosis 468, 574 MIS 126, 128 Mitesser 1224

Register Mitochondrien 45, 116, 123 Mitose 115, 117, 118 Mitosespindel 132 Mitralklappe 858, A876 Mitralstenose 891 Mitralzellen 477, 478 mittelalterliche Medizin 9 Mitteldarm A149, 150, 991 Mittelebene 12 Mittelfach 766 Mittelfurche 764 Mittelfuß 1099, 1105, 1202 Mittelfußknochen 1105, 1110 – Entwicklung 1110 Mittelhandknochen 669 Mittelhirn 108, A364, 412 Mittelhirnbläschen 363 Mittelhirnhaube 415 Mittelhirnkompression 373 Mittellinienverlagerung A373 Mittelloge 1164, 1205 Mittelohr 27, 183, 200, 212, 303, 381, 591, A594, 597–599, 602 – Entwicklung 155, 592 Mittelohreiterung 610 Mittelohrentzündung 600, 602 Mittelohrmuskeln 604, 605 Mittelstrahl 37 Mittelstück, Niere A1008, 1009 – Spermium A124, 125 Mittelwindung 613 Mobilität 30 Moderatorband 855 Modiolus 614, 615, A619, 620, 621, A626, A626, 627 – anguli oris A227, 229 Modulation 100, 109 modulierende Systeme 456 Mohrenheim-Grube 736, 783 Molaren 205, 297, A323 Molekularschicht A498 Moll-Drüsen 581, 583 Mondbein 667 Mondi-Dysplasie 593 Monosomie 120 Monosomie (45, X) 121 monosynaptisches spinales System 490, 491 Monozyten 21, 71, 74, 75, A76, A80, 80, A81, A82, 83 Monro-Linie 999 Mons pubis 923, 1061, 1080 Mons veneris 1061, 1062, 1071, 1080, 1225 Monteggia-Luxationsfraktur 760 Monticuli A719, 764 Moosfasern 475, 511, A512, 512, A514 Morbus Alzheimer 527 – Basedow 339, 581 – Huntington 399 – Menière 477, 618

1297 – Osgood-Schlatter 29 – Perthes 1114 – Pick 527 Morgagni 4 Morgagni-Hernie 918 Morison-Grube 944 Morphogenese 2, 115 Morton-Neuralgie 1139 Morula 116, 134, A135, 154 Mosaik 120 Motocortex 497, A497, A498, 498, 499, 504, 507, 514, 536 – frontaler 507 Motoneurone 44, 46, 109, 429, A362, A494 Motorik 523 – extrapyramidale 524 motorische Einheit 46, 92, 490–492, 516 – Endplatte 46, 490, A491, 493, A494, A495 motorisches System 489 Mouches volantes 566 Moutard-Martin-Zeichen 1081 MPS 75, 981 MPTP 507 MRT 382, 383, A385, 386 Mückensehen 566 Mucosa 988 mucosa associated lymphatic tissue 90 Mucosa-Mastzelle 74 Müller-Gang A1062, 1062, A1063, 1075, 1086, 1094 Müller-Muskel 218, 468, 563 Müller-Zellen 566, 567, 568, A568, 569, 572, 578 Multiple Sklerose 362, 404, 461, 467, 471 Mumps 279 Mundboden 237 Mundbodenmuskulatur 309 Mundbodenphlegmone 343 Mundbucht 153 Mundbuchtektoderm 282 Mundhöhle 270, A271 – Entwicklung A149, 150 Mundhöhlenepithel A283 – Entwicklung 155 Mundöffnung, primitive A301 Mundspalte 299 Mundtrockenheit 608 Muscularis 53, 988 Musculus(-i) abductor digiti minimi A704, A705, A709–A711, 716, A766, T779, A1207 – – – – pedis A1151, A1155, 1157, A1158–A1160, A1164, T1218 – – – – – Tendo A1159 – – hallucis A1129, A1152, A1154, A1155, 1156, A1158–A1160, A1164, A1204, 1205, A1207, T1217

Musculus(-i) abductor pollicis brevis A709, A710, A711, 714, A762, A765, A766, T778 – – – – Tendo A711 – – – longus A704, A705, 706, A708–710, A752, A757, A758, A768, T775 – – – – Tendo A708, A711, A768 – adductor brevis A1112, 1144, A1176, A1192, 1193, T1212 – – hallucis A1158, A1159, A1164, 1164, 1205 – – longus A1112, 1144, A1145, A1146, A1149, A1161, 1189, A1190, A1192, 1193, T1212 – – magnus 41, 1102, A1122, A1141, A1143, A1145, 1147, A1149, A1168, 1187, A1188, 1193, T1212 – – – Tendo A1122, A1152 – – minimus 1147, A1183, T1212 – – pollicis A709, A710, 764, A765, A766 – – – Caput obliquum A711, 714, T778 – – – Caput transversum A711, 714, T778 – adductores A1162 – anconeus 703, T774, A697, A704, A705, A758 – antitragicus A595 – arrector pili A1220, 1223, 1228 – articularis genus A1118, A1119, 1125, 1148 – aryepiglotticus A330, T333, 337 – arytenoideus A319 – – obliquus A330, 330, A332, T333 – – transversus A330, 330, A331, A332, T333 – auricularis anterior A225, 230, A595 – – posterior 230, A261, A595, A655 – – superior A225, 230, A261, 342, A595, A655 – biceps brachii A42, 42, 45, 46, 494, 666, A708, A741, 751, A752, A753, A754, A758 – – – Caput breve 660, 700, A701, A702, A747, A748, T774 – – – Caput longum 660, 675, A676, 700, A701, A747, A748, T774 – – – Tendo 682, A683, A701, A702, A708, A709, A710, A754 – – – Tendo capitis longi A674, A675, A702

Musculus(-i) biceps femoris A1123, 1150, A1154, A1155, 1178, 1187, A1201 – – – Caput breve A1118, A1140, A1141, A1143, 1148, A1151 – – – Tendo A1123, A1140, A1141, A1143, A1151 – – – Caput longum A1042, A1118, A1140, A1141, A1143, 1148 – bipennatus A42, 42 – biventer A42, 42 – brachialis A30, 43, 665, 700, A701, A702, A710, A747, A748, A750, A754, A758, T774 – – Tendo A683 – brachioradialis A30, A697, A698, A701, A702, A704, A705, A708 A710, 713, A747, A750, A752, A753, A754, A757, A758, A762, T777 – – Tendo A768 – buccinator A226, 228, A232, 259, 262, A266, A271, 278, 306, A308, A352, 353 – bulbospongiosus (bulbocavernosus) A1041, A1042, 1042, A1043, 1043, 1045, 1083, 1096, A1097 – ceratoglossus 275 – chondroglossus 275 – ciliaris 102, 417, 463, 464, 551, 559, 562, 563, 574, A579, 589 – – (Riolani) 227 – – Entwicklung 155 – coccygeus A1039, 1039, A1040, 1040, A1041, A1146, A1149 – compressor urethrae 1047 – constrictor pharyngis inferior A236, A263, 264, 306, A307, A308, 326, 327, 346 – – – medius 306, A307, A310 – – – superior A263, A266, A271, A275, A305, 306, A307, A308, 309, A310, A352 – coracobrachialis 660, 691, A694, 700, A701, A702, A741, 746, A747, A748, T774 – corrugator supercilii A226, 227, 231, 262 – cremaster 496, A907, 907, A909, A910, 918, 923, A925, T929, 1071, A1084, 1085, 1097 – cricoarytenoideus lateralis 327, A330, 330, A331, 331, A332, T333 – – posterior A241, A305, 327, 329, A330, 330 331, T333, 336

Register

1298 Musculus(-i) cricopharyngeus 329 – cricothyroideus A263, A264, 264, 327, 329, A330, A331, T333, A334, A339, 346 – deltoideus A630, A645, A647, 664, A676, A676, A692–A694, A697, A701, A702, A738, 743, A745, A747, A750, 783, A792 – – Pars acromialis 695, A698, T773 – – Pars clavicularis 695, T773 – – Pars spinalis 695, T773 – depressor anguli oris A225, A226, 229, 231, A232, A235, A248, A261, 262, A344 – – labii inferioris A225, A226, 229, 262 – – septi 228 – – – nasi 315 – – supercilii A225, 227 – detrusor vesicae 1056, 1058 – digastricus 42, 205, 237, A594 – – Venter anterior 243, A246, 259, 260, A266, A308, 345, 347 – – Venter posterior A246, 262, A266, A270, A276, A308, A310, A344, 344, 345, 346, A352 – dilatator pupillae 429, 468, 551, 561, 574, A579, 589 – – – Entwicklung 155 – epicranius 230 – erector spinae A630, 648, A653, A653, A919, A1079 – – trunci 43 – extensor carpi radialis brevis 42, 669, A701, A702, A704, A705, A708, A709, A710, 713, A752, A754, A757, A758, T777 – – – – – Tendo 666, A704, A705, A758, A768 – – – – longus A698, A701, A702, A704, A705, A708, A709, 713, A750, A752, A754, A757, A758, T777 – – – – – Tendo A704, A705, A758, A768 – – – ulnaris A704, A754, A757, A758, A768 – – – – Caput humerale 706, T775 – – – – Caput ulnare 706, T775 – – – – Tendo A704, A705 – – digiti brevis A707, 707 – – – minimi A704, 706, A757, T775 – – – – Tendo A705, A758, A766

Musculus(-i) extensor digitorum A704, 706, A718, A757, A758, 760, T775 – – – brevis 1133, A1151, 1156, A1209, T1216 – – – longus 1150, A1151, 1169, 1200, A1201, A1209, T1214 – – – – Tendo A690, A719, A758, A766, A768, 769, A1151, 1208 – – – – Vagina tendinis 1165, A1209 – extensor hallucis brevis A1151, 1156, A1209, T1216 – – – longus 1153, 1200, A1201, 1202, T1214 – – – – Tendo A1129, A1129, A1151, A1152, A1164, 1169, 1208 – – – – Vagina tendinis 1165 – – indicis A705, 706, A707, A757, T776 – – – Tendo A704, A705, A766, A768 – – pollicis brevis A704, A705, 706, A708, A752, A757, A758, A768, T775, A766 – – – – Tendo A768 – – – longus 666, A705, 706, A757, A758, T775 – – – – Tendo A704, A705, A758, A766, A768 – flexor carpi radialis 707, A708, A752, A753, A757, A762, A765, T776 – – – – Tendo A709 A711, 761, A768 – – – ulnaris A697, A702, A708 A710, A752, A753, A757, A762, A765 – – – – Caput humerale 712, T776 – – – – Caput ulnare 712, T776 – – – – Tendo A711, 716, 761 – – digiti minimi A1155, A1158, 1158, A1159, A1164, T1218 – – – – brevis A709, A711, 716, A766, T779 – – digitorum brevis A1129, 1157, A1158, 1164, 1205, A1207, T1217 – – – – Tendo A1155, A1159, A1207 – – – longus 1103, A1155, 1156, 1163, 1169, A1199, A1204, 1205, T1216 – – – – Tendo A1129, A1152, A1154, 1156, 1157, A1158, A1159, 1203, A1204, A1207 – – – – Vagina tendinis A1134, 1165

Musculus(-i) flexor digiti profundus A710, A711, 712, A754, A757, T777 – – – – Tendo A689, A690, A709, A710, 714, A719, A765, A766 – – – superficialis A708, A709, A710, A752, A753, A757, A762 – – – – Caput humerale 712, T776 – – – – Caput radiale 712, T776 – – – – Caput ulnare 712, T776 – – – – Tendo A690, A709, A709, A710, A719, A753, A762, A765, A766, A769, A689 – – hallucis brevis A1159, A1164, T1217 – – – longus 1105, 1109, A1129, A1154, A1155, 1156, 1169, A1204, T1216 – – – – Tendo A1129, A1155, A1159, 1203, A1207 – – – – Vagina tendinis A1134, A1135, A1158, 1165 – – indicis superficialis 712 – – pollicis brevis A709, A710, A762, A765 – – – – Caput profundum A711, 714, 766, T778 – – – – Caput superficiale A711, 714, 766, T778 – – – longus A708, A710, A711, A753, A757 – – – – Caput humerale 713, T777 – – – – Caput radiale 713, T777 – – – – Tendo A765, 765, A766 – frontalis 502 – fusiformis A42, 42 – gastrocnemius 37, A1118, 1120, A1122, A1149, A1150, A1154, A1201 – – Caput laterale A1121, A1123, A1141, A1151, 1153 – – Caput mediale A1121, A1122, A1141, A1152, 1153 – gemellus inferior A1143, 1144, A1183, 1183, T1211 – – superior A1143, 1144, A1183, 1183, T1211 – genioglossus A263, A266, 275, A275 – geniohyoideus A233, 234, 238, A263, A266 – gluteus maximus A630, A645, A649, A653, A692, A1020, A1041, A1042, A1046, A1053, A1083, A1112, 1139, A1140, A1141, A1143, A1149,

A1150, 1150, 1160, 1182, A1183, 1184, A1186, A1188, T1211 – – medius A630, A645, A649, A653, A692, A1020, A1112, A1140, A1141, 1142, A1143, A1145, A1147, 1160, A1168, 1182, A1183, A1183, 1183, 1184, T1211 – – – Fascia 1139 – – minimus A1112, 1142, A1168, A1183, 1183, T1211 – gracilis A1122, A1141, A1143, 1144, A1146, A1149, 1162, 1189, A1190, A1192, A1194, T1212 – – Tendo A1141, A1152, A1154, A1155, A1188 – helicis major A595 – – minor A595 – hyoglossus A236, A246, 247, A263, A270, 275, A275, 279, 309, A344, 345, 346 – iliacus A915, A1022, A1039, A1040, A1146, A1149, T1210 – iliococcygeus 1039, 1040, A1041 – iliocostalis A647 – – cervicis 648, A650 – – lumborum 648, A649, A650 – – thoracis 648, A649, A650 – iliopsoas A1046, A1112, 1112, 1139, A1145, A1146, 1160, 1189, A1190, A1191, 1191, A1192, 1193, T1210 – – Faszie A916 – incisivi 228 – infrahyoidei 236 – infraspinatus A630, A645, 663, A674, A675, 695, A698, 744, A745, A745, A750, T773 – infratrochlearis A582 – intercartilagineus 802, 809, 811 – intercostales 42, 793, A815 – – externi A647, A649, A651, A694, 801, A801, 809, 811, A813, A840, A1020 – – interni A694, 801, A801, A802, 803, 812, A813, A840, A879, A1020 – – intimus 802, 819 – interossei dorsales manus A690, A705, A711, A715, 715, A718, A719, A766, A768, T779 – – – pedis 1157, A1160, A1164, A1209,T1218 – – manus 690

Register Musculus(-i) interossei palmares A711, A715, 715, T779 – – pedis A1158, A1159, 1163, 1205 – – plantares 1157, A1160, A1164, T1218 – – – – Tendo A1207 – interosseus dorsalis I A704, A709, A710, A711 – – palmaris A718, A719, A766 – interspinalis A650, 651 – intertransversalis anterior 652 – intertransversarius A650, 651, A653 – ischiocavernosus A1041, A1042, 1042, A1043, 1043, 1045, A1053, 1082, 1083, 1096 – laryngis T333 – laryngopharyngeus A263 – latissimus dorsi A630, A645, 646, A653, 664, A692–A694, A697, A698, A701, A702, A738, 739, A741, A745, A747, A750, A792, 812, A906, 1019, A1020, A1140, A1141, A1143 – – – Tendo A676 – levator anguli oris (caninus) – – ani 1038, 1039, A1041– A1043, A1046, 1047, A1050, A1053, A1054, 1054, 1073, A1079, A1083 – – costae brevis A649, A650, A651, 651 – – – longus A649, A650, 651 – – labii superioris A225, A226, 229, 231, A266 – – – – alaeque nasi A225, A226, 229, 231, 262, 315 – – nasi A225, A226 – – palpebrae superioris 463, 464, A575, A576, 578, A579, A580, A582, 583, A585, 585, A586 – – prostatae 1040 – – scapulae A236, A239, 240, 242, A261, 266, A267, A270, A339, A348, 348, 349, A645, 646, A647, A692, 696, A702, A741, A745, 812 – – veli palatini A263, 264, A266, 301, 303, A305, A308, 309, A594, 611 – longissimus A647, 648, A649, A650 – – capitis 240, A352 – longitudinalis inferior 275, A275 – – superior 275 – longus capitis A236, A239, 239, A241

1299 Musculus(-i) longus colli A239, 239, A241, 881, 897 – lumbricales manus A690, 690, A709, A710, 714, A718, A719, A765, A766, 766, T778 – – pedis 1157, A1155, A1158, 1164, T1218 – – – Tendo A1159, A1207 – masseter 43, 203, A226, 231, A232, A233, 234, A236, A246, A248. A261, A271, 278, A278, A344, 344, A352 – masticatorii 231 – mentalis A225, A226, 229, A248, 262 – multifidus A649, A650, 651, A655, A1020 – mylohyoideus 183, 203, A226, A233, 234, A236, 237, 243, A246, 259, 260, A263, A266, A278, 279, 280, A308, A319, 344, 347 – nasalis 231 – – Pars alaris 228, 315 – – Pars transversa A225, A226, 228, 315 – obliquus auriculae A595 – – capitis inferior A649, 652, A655, 655 – – – superior A649, 652, A655, 655 – – externus abdominis A630, A645, A649, A653, 654, A692–A694, A738, 783, A792, A815, 905, A906, A907–A910, A911, 912, A914–A916, A922, T928, A941, A1020, A1140, A1141, A1143, A1145, A1161 – – – – Aponeurose 1160 – – inferior A255, 463, A575, A576, 577, A577, 578, A579, A582, A584, A586 – – internus abdominis A693, A694, 905, A906, A907, A909–A911, 912, A914, A915, 918, T928, 1085 – – superior 191, A255, 464, 465, A575, 576, A576, A577, 578, A580, A584–A586 – obturatorius externus A1046, 1047, 1048, A1072, A1112, 1144, T1211 – – internus A1039–A1044, A1046, 1048, A1072, 1076, A1089, 1142, A1143, 1144, 1144, A1149, A1168, A1177, 1183, T1211 – – – Tendo A1183 – occipitalis 262 – occipitofrontalis, Venter anterior (frontalis) A225,

A226, 230, 231, A248, 262, A585 – – Venter occipitalis A655 – – Venter posterior (occipitalis) A225, A226, 230, A261 – omohyoideus A233, A235, A241, 241, A339, A693, A694, A702 – – Venter inferior 237, A338, A348, 348, 349, A741, 745 – – Venter superior A226, 237, A246, A266, A270, A344, 345 – opponens digiti minimi A709, A711, 716, A766, T779 – – – – pedis 1158, A1159, T1218 – – pollicis 714, A709, A710, A711, A762, A765, A766, T778 – orbicularis oculi A225, 262, 469, 502, A579, 582, 583, 584, 585, 586 – – – Pars lacrimalis 226, 227 – – – Pars orbitalis A225, A226, 226 – – – Pars palpebralis A225, A226, 226 – – oris A225, A226, 228, 262, A266, A271 – orbitalis (Müller) 218, 468, 574, 578 – palatoglossus A263, A266, A271, 275, A275, 300, 302, 309, A352 – palatopharyngeus A263, A266, A271, 300, A307, 309, A352 – palmaris brevis A708, 716, A753, A762, 764, A766, T779 – – longus A708, A709, A710, 711, A752, A765, T776 – – – Tendo A753, A757, 761, A762 – papillares A853, A855, 855, A857, 857, 858, A860 – papillaris anterior A854, A856, A857, A870 – – posterior A856, A857, A870 – pectinati A853, 854, A857, 857 – pectineus A1112, 1144, A1145, A1146, 1178, 1189, A1190, A1192, 1193, T1212 – pectoralis major 646, 664, A701, A702, A738, 739, A741, A747, 781, 783, 786, 790, 792, A792, 803, 812, A906 – – – Pars abdominalis 691, A693, A694, T772, 913

Musculus(-i) pectoralis major, Pars clavicularis 691, A693, T772 – – – Pars sternocostalis 691, A693, A694, T772 – – – Tendo A676 – – minor 660, 675, 691, A693, A694, A694, A702, A738, A741, T772, 791, A792, 803, 812 – – – Tendo A701 – perforans 712, 1156 – perforatus 700, 712 – peronei, Vagina tendinum communis A1155 – peroneus brevis 1105, A1151, 1153, A1154, A1155, A1199, 1200, A1201, T1215 – – – Tendo A1151, A1158, A1159, 1203 – – – Vagina tendinis 1165 – – longus 1105, 1109, 1110, 1137, A1138, A1151, 1153, A1155, 1179, A1199, 1200, A1201, T1215 – – – Tendo 1109, A1131, A1134, 1136, A1154, A1158, A1159, 1203 – – – Vagina tendinis A1135, 1157, 1165 – – tertius A1151 – – – Tendo A1164, A1209 – piloarrector 100 – piriformis 1035, A1039, A1041, A1046, 1048, A1054, 1142, A1143, A1146, A1149, A1168, A1177, 1178, A1183, 1183, T1211 – plantaris A1118, A1121, A1140, A1141, A1143, 1153, A1154, A1188, A1194, A1199, 1205, T1215 – – Tendo A1204 – planus A42, 43 – popliteus 1102, A1117, A1118, A1121, A1122, 1125, 1128, A1154, A1155, 1156, A1194, A1199, T1216 – – Tendo 1119, A1123 – procerus A225, A226, 228, 315 – pronator quadratus A709, A710, A711, A753 – – – Caput profundum 713, T777 – – – Caput superficiale 713, T777 – – teres 666, A701, A702, A708, A709, A709, A710, A752, A753, A757 – – – Caput humerale 707, T776 – – – Caput ulnare 707, T776

Register

1300 Musculus(-i) psoas major 41, A653, A805, A879, A919, A1020, A1022, A1039, A1040, A1053, A1079, 1139, A1146, A1149, T1210 – – minor A915, A1053, 1139, T1210 – pterygoideus lateralis 203, 208, A219, 220, A222, 223, A232, 233, A233, 234, 259 – – medialis 203, 208, A219, 220, A232, 233, A233, 234, A259, A271, A307, A352, 352 – puboanalis 1039 – pubococcygeus 1039, A1041 – puboperinealis 1039 – puboprostaticus 1040, 1045, 1090 – puborectalis 1039, A1041, A1050 – pubovaginalis 1040, 1057, 1058, 1090 – pubovesicalis 1045 – pyramidalis A906, A907, 911, T928 – quadratus femoris 1120, A1143, 1144, A1168, 1178, A1183, 1183, T1211 – – lumborum A653, A805, 820, A879, 905, 913, 919, A919, T929, 1019, A1020, A1040, A1146 – – plantae A1129, A1155, 1156, 1157, A1159, 1164, 1205, A1207 – quadriceps femoris A495, 1103, A1119, 1148, A1162, 1184, 1193, 1194, T1213 – – – Tendo A1118, 1119, 1125,A1145, A1146, 1148, A1192, – rectococcygeus 1051 – rectourethralis 1051, 1057 – rectouterinus 1075 – rectovesicalis 1051, 1057, 1058 – rectus abdominis 42, 43, A693, A694, 783, A802, 812, A906, A907, 911, 913, A914, A915, T928, A1161, 1166 – – capitis anterior A239, 239 – – – lateralis A239, A267, A650, 652 – – – posterior major A649, 651, A655, 655 – – – – minor A649, 652, A655 – – femoris 42, A1111, A1120, A1140, A1145, A1146, A1146, A1149, A1150, A1161, 1189, A1190, A1192, T1213 – – – Caput rectum 1148 – – – Caput reflexum 1148

Musculus(-i) rectus femoris, Tendo A1140 – – inferior A255, 463, A575, 576, A576, A577, 578, A579, A586 – – lateralis A255, 260, A462, A572, A575, 575, 576, A576, A577, 578, A586 – – medialis A255, A462, 463, 464, A560, A572, A575, 576, A576, A577, 578, A585 – – superior A255, 463, A575, 576, A576, A577, 578, A579, A580, 583, A585 – rhomboideus A630, 646, 652, 696, 812 – rhomboideus major A645, 646, A692, A745 – – minor 646, A745 – risorius A226, 229, 231, A235, 262 – rotatores A650, A651, 651 – sacrospinalis 648, A1020 – sacrouterinus 1075 – salpingopharyngeus A305, 309, 611 – sartorius A1112, A1122, A1140, A1143, A1145, A1146, 1148, A1149, A1154, A1155, A1161, A1162, 1162, 1166, A1167, A1176, A1186, A1188, 1189, A1190, A1192, 1193, T1213 – – Tendo A1141, A1152 – scaleni 242, 353 – – anterior A236, 238, A239, 240, A241, 268, A270, A339, A348, 348, 349, 350, 351, A694, A741, 798, A840, 881, 883, A884 – scalenus medius A236, 238, A239, 240, A241, 266, A270, A348, 348, 349, A647, A694, A741, A840, 881, A884 – – minimus 238, 353, 813 – – posterior 238, A239, 240, A270, A348, 348, A647, A694, A741, A840, A884 – semimembranosus 42, A1122, A1140, A1141, A1143, 1148, A1149, 1150, A1151, A1152, A1154, A1155, 1187, A1188, A1194, T1214 – – Tendo A1117, 1119, A1121, 1125, 1148 – semispinalis A650, 655 – – capitis 240, A645, A647, A649, 651, A655, 655, A692 – – cervicis 651, A655 – – thoracis 651

Musculus(-i) semitendinosus A1042, A1122, A1140, A1141, A1143, 1148, A1149, 1150, 1187, A1188, A1194, T1214 – – Tendo A1154, A1155, A1188 – serratus anterior A630, A645, A647, A692, A693, A694, A698, A702, A738, 739, A741, 783, 786, 792, A792, 798, 803, 812, A813, A906 – – – Pars inferior (convergens) 695, T772 – – – Pars intermedia (divergens) 695, T772 – – – Pars superior 695, T772 – – posterior inferior A645, 646, A653, A692 – – – – Varianten 647 – – – superior 646, A647 – soleus A1118, A1151, A1152, 1153, A1154, A1155, 1179, A1194, A1199, A1199, A1201, T1215 – sphincter ampullae 966 – – ani 496 – – – externus A1039, 1039, A1041–A1044, A1047, 1047, A1049, A1050, 1051, 1052, A1053, 1054, A1067, A1079 – – – – Pars profunda 1040 – – – – Pars subcutanea 1040 – – – – Pars superficialis 1040 – – – internus A1039, A1049, A1050, 1051, 1052, 1054, A1067 – – basis papillae A966 – – corporis papillae A966 – – cunni 1043 – – ductus choledochi A966, 966 – – – pancreatici A966, 966, 973 – – Oddi A966 – – pori papillae A966 – – pupillae 102, 417, 463, 464, 467, 468, 551, 561, 574, A579, 589 – – – Entwicklung 155 – – pyloricus 945, A946, A949, 949 – – urethrae externus 1042, A1043, 1043, 1047, 1059, 1092, 1094 – – – internus 1057, 1092 – – vesicae internus 1056, 1059 – spinalis A649, A650, 651 – spinocostalis A647 – splenius 655 – – capitis A225, A226, A239, 240, A261, A267,

A270, A348, 348, A645, A647, 648, A655, A692 – – cervicis A647, 648 – stapedius 183, 600, 601, A604, 605, 606, 609 – sternalis 792 – sternocleidomastoideus 29, 200, A225, A226, A235, 235, 240, A241, 241, A246, A261, 265, A266, A268, A270, A310, A338, 340, A344, 345, A348, 349, 350, A352, 353, 593, 596, 644, A645, A647, A655, A692–A694, 696, A701, A792, A802, 812 – sternohyoideus A226, A233, A235, A236, 236, A241, A246, A266, A270, A338, A339, A344, A802, A882 – sternothyroideus 236, A241, A246, A270, 326, A338, A339, A802, A882 – styloglossus A236, A263, A266, 275, A275, A276, A308, 309, A344, 344, 352, A594 – stylohyoideus 183, A233, 234, A236, 237, A246, 262, A266, A270, A276, A308, A344, 345, 352, A594 – stylopharyngeus 183, 262, A263, 263, A266, A307, A308, 309, A344, 345, 352, 353, A594 – subclavius A339, A693, A694, 694, A701, A702l, A741, A741, T772 – subcostalis 802 – subscapularis 663, A673, A674, A675, A693, A694, 696, A701, A702, A741, A742, 744, T773 – supinator 665, A705, A709, A710, 713, A753, A754, T777 – suprahyoidei 237 – supraspinatus A645, A647, 663, A675, A676, A692, 695, A698, 744, A745, T773 – – Tendo A674 – suspensorius duodeni 953, 984 – tarsalis inferior 468, A579, 583, 585 – – superior 468, 574, A579, 583, A584, 585 – temporalis 203, A219, 219, A226, 231, A232, 233, A233, 234, 259, A594 – temporofrontalis A225 – temporoparietalis A225, 230 – tensor fasciae latae A1140, 1142, A1145, A1146, 1160, A1161,

Register 1162, A1183, 1183, 1189, A1190, T1211 – – tympani 183, 259, A594, 599, 600, A601, 601, A602, 602, 604, A606, 606, 610 – – – Tendo A594 – – veli palatini 183, 194, 208, 259, A263, A266, 302, A305, A308, 309, 611 – teres major A630, A645, 664, A692, A693, A694, 696, A697, A698, A702, A741, A742, A745, A750, T773 – – – Tendo A676 – – minor 663, A674, A675, A676, 696, A698, A742, 744, A745, A750, T773 – thyroarytenoideus 327, A330, 331, A332, T333, A334 – thyroepiglotticus 331, 337 – thyrohyoideus A226, A233, A236, 237, A263, A266, A270, 309, 326, A334, 337, A339, A344 – tibialis anterior 1150, A1151, A1152, 1169, 1200, A1201, 1202, A1209, T1214 – – – Tendo A1152, A1209 – – – Vagina tendinis 1165, A1209 – – posterior 1103, 1105, 1137, A1138, A1155, 1156, 1163, A1199, T1216 – – – Tendo A1134, A1152, A1154, A1155, A1159, 1203 – – – Vagina tendinis A1134, A1135, 1157, 1165 – trachealis 890 – tragicus A595 – transversooccipitalis A650, A692 – transversus abdominis A653, 654, A693, 801, A802, 805, A882, A907, 907, 908, A910, A911, 913, A914, A915, 918, T929, A941 – – auriculae A595 – – linguae 275, 302 – – menti 229 – – perinei profundus A1041, A1042, 1042, A1043, 1043, 1045, A1046, 1047, 1048, A1083, 1094, 1096 – transversus perinei superficialis A1041, A1042, 1042, 1045, A1083 – – thoracis A802, 803, 812, A882 – trapezius A225, A226, A235, 240, A241, 241, A261, 265, A267, A270, A339, A348, 349, A630, 644, A645, 646, A647,

1301 652, 655, A692–A694, A702, A741, 744, A750, 812 – – Lähmung 646 – – Pars ascendens A697, A745 – – Pars descendens 696, A697, A745 – – Pars transversa A697, A745 – – Sehnenspiegel 644, 655 – triceps brachii 43, A630, 646, 749, A754 – – – Caput laterale A676, A697, A698, A701, 701, A745, A748, A750, A758, T774 – – – Caput longum 660, A674, A675, A676, A697, A698, A701, 701, A709, A710, A742, A745, A747, A748, A750, A750, T774 – – – Caput mediale A697, A698, A701, 701, A709, A710, A745, A747, A748, A758, T774 – – – Tendo A697, A750 – – coxae 1178 – – surae 42, 1153, 1198, A1199, A1204, T1215 – trigoni vesicae 1058 – – – profundus 1056 – – – superficialis 1056 – unipennatus A42, 42 – urethrovaginalis 1047 – uvulae 264, 302, A305 – vastus intermedius A1146, 1148, A1192, T1213 – – lateralis A1112, A1120, A1143, A1145, A1146, 1148, A1161, 1189, A1190, A1192, T1213 – – – Tendo A1151 – – medialis A1112, A1120, A1122, A1140, A1146, A1149, A1152, A1161, 1166, 1189, A1190, A1192, 1193, T1213 – verticalis linguae 276 – vesicoprostaticus 1057, 1058 – vesicovaginalis 1057, 1058 – vocalis A331, 331, T333, A334 – zygomaticus major A225, A226, 229, 231, A248, 262 – – minor A225, A226,, 229, 231, A248, 262 Musikantenknochen 664, 751 Muskel, Atrophie 45 – doppelt gefiederter 42, A44 – einfach gefiederter 42, A44 – eingelenkiger 41 – Entwicklung 1100 – Hypertrophie 45

Muskel, Innervation 46 – mehrgelenkiger 41 – parallelfasriger 42 – platter 43 – Regenerationsfähigkeit 45 – Satellitenzelle 45 – spindelförmiger 42 – zweibäuchiger 42 – zweigelenkiger 41 – zweiköpfiger 42 Muskelanlage 97 Muskelbewegungen, rhythmische 495 Muskelbinde 48 Muskeldurchblutung 45 Muskeleigenreflex 432, 490, 491, 493 Muskelfaserbündel 41 Muskelfasern, intrafusale 492 – phasische 41 – tonische 41 Muskelfaszie 1222 Muskelformen 42 Muskelhilus 41, 46 Muskelhypertrophie 61 Muskelhypotonie 121, 513 Muskelkegel 353 Muskelkette 45 Muskellogen 48, 1150, 1162, 1184 Muskelpumpe 55, 56, 61 Muskelschlinge 45, 913 – Mandibula 233 Muskelsegment 97 Muskelsicherung 38 Muskelspindel 46, 101, A362, A474, 481, 483, T488, 490, A491, 492, A493, A495, 511, 605, 652 Muskeltonus 44, 93, 110, 515, 523 Muskeltraining 45 Muskelverkürzung 44 Muskelwachstum 45 Muskelzelle 41, 45, 46, 47, 53, 59, 65 Muskelzelle, glatte 81 Muskulkatur, epaxonische 644 – hypaxonische 644 – ischiokrurale 41, 43, A1143, 1148, A1150, 1187 – mimische 47, 183, 225, 609 – prävertebrale 242, A271, A338 – Prostata A1091 – spinokostale 644, 646, A647 – suprahyale 309 Musterbildung 115 Mutation 114, 120, 122 Mutterkuchen 158 Muttermund 136, 158, 1070, 1073 Mutterschaftsrichtlinien 171 Myasthenia gravis pseudoparalytica 889

Mydriasis 412, 464, A465, 468, 574 Myelencephalon A364, 364, A365, 365, A369, T382, 415, A421 Myelenzephalonbläschen 363 Myelinisierung 368, 481 Myelinscheide 356, 357 Myelographie 440 myeloproliferative Erkrankungen 78 Myeloschisis 145 Myelose, funikuläre 483 Myelozele A144 Myoblast 45 Myoepithelzellen 788, 789, 1225 Myofibrillen 45 Myofibroblasten 81, A1087 Myogelose 44 Myoglobin 42 Myokard 841, A841, 859 Myokardinfarkt 866 Myokardischämie 866 Myokarditis 858 Myometrium 163, 1074, A1074, 1075, 1076 Myopie 564 Myositis ossificans 1147 Myotom A147, 148, 432, 631, 644, 903 Myozyten 21 Myringitis 597, 607 Myxödem 339 M-Zellen 334, 570

N Nabel 153, 911, 912 Nabelarterien 849 Nabelbruch, physiologischer 146, 151, A151, 154, 156, 165, 933 Nabelfistel 933 Nabelhernie, angeborene 933 Nabelring 146, A149, A150, 151, 165 Nabelschleife 933, A934, 934, 936, 991, 996 Nabelschleifendrehung 936 Nabelschnur 139, A148, A150, A151, 151, A152, A162, 163, A164, 165, 172, 912, A934 Nabelschnurblut 79 Nabelschnurbruch 151, A151 Nabelschnurgefäße A148, 148, 151, 165, A173 Nabelschnurknoten 165 Nabelschnurpunktion 173, A174 Nabelschnurumschlingung 165 Nabelschnurzölom 153, 156 Nabelvene 153, 848 Nachgeburt 163

Register

1302 Nachgeburtsblutungen 158 Nachgeburtsphase 158 Nackenband 639 Nackenbeuge A150, 153, 364, A365 Nackenhygrom A120 Nackenmuskulatur 209, A649, 651, 652 Nackenödem A120, A172, 172 Nackenregion 629, 654 Nackenschmerzen 487 Naegele-Regel 170 Nagel 1223, A1224, 1224 Nagelbettentzündung 1224 Naheinstellungsreaktion 574 Nahtknochen 196 Napoleonshut, umgedrehter 684 Narath-Hernie 917 Nares 312, 314 Nase 313 – Entwicklung 154, 312, 313 Nasenbein 200 Nasenbluten 315 Nasendrüsen 609 Nasenepithel, Entwicklung 155 Nasenflügel 312, 314 Nasenfortsatz 312 – medialer 312 Nasenfurunkel 588 Nasenhöhle 312, 315, A579 Nasenhöhlenknochen 182 Nasenhöhlenschleimhaut A582 Nasenkapsel 179, A180 Nasenknorpel 314 Nasenlöcher A301, 312, 314 Nasenmuscheln 200 Nasennebenhöhlen 27, 200, 312, 313, A321, 321, A579, 587 – Entwicklung 186 – Zilienstrom 322 Nasenscheidewand 201, 299, A314, 317, A320 Nasenschleimhaut 64, 318 Nasenspalte A301 Nasenvorhof-Haare 1223 Nasenvorraum 312, 315 Nasenwülste 299, A301 Nasenzyklus 312 Nasion 314 Nasmyth-Membran 289 Nasolabialfurche 229 Nasopharynx 303 Nates 1182 Nebenastvarikose 1173 Nebeneierstock 1064 Nebengelenke des Schultergelenks 675, 744 Nebenhoden 123, 125, 1061, 1086, A1087 Nebenhodengang 1062 Nebenmilzen 977 Nebennieren 1016 – akzessorische 1017

Nebennierenmark 101, 102, 103, 359, 1016, A1018, 1019 – Entwicklung 155 Nebennierenrinde A547, 1016, A1018 Nebennierenrindenhormone 157 Nebenphrenicus 351, 808 Nebenschilddrüsen 183, A184, 341 Nebenzellen 948 Neencephalon A532 Neenzephalisation 395, 531 Negativwachstum 19 Neglect 538 Nekrosen, hämorrhagische A373 Neocerebellum A366, A510, 511, 513, 515, 504 Neocortex 93, 368, 401, 531, 534, 535 Neocranium 177 Neonatallinie 289, 290 Neonatalperiode 114 Neopallium 92, 368, 379 Neostriatum 399 nephrogener Strang A359 Nephron 66, 1007, A1008 Nephroptose 1014 Nephros 1003 Nephrotom A143, 145 Nerven, nitrerge 574 – periphere 481 – VIP-haltige 574 Nervendekompression 609 Nervenendigungen 1226 – blütendoldenartige 46 – freie 41, 273, 274, 295, 481, T488, 1226 Nervenfaser 92 – afferente 46 – efferente 46 – fusimotorische 492 – motorische 46, A362, A491 – sensible 46, A362 Nervenfaserdicke 482 Nervenfaser-MuskelzellenVerbindung 97 Nervenfaserschicht, Retina A568, 568, A571 Nervengeflechte, Haarwurzel 1228 Nervenlähmungen 1180 Nervenleitungsgeschwindigkeit 481 Nervenpapillen 1228 Nervenplexus 97 Nervenschädigung 97 Nervensystem, Afferenz 91, 92 – animales 91 – autonomes 91, 356 – Efferenz 91, 92 – enterisches 91, 99, 989 – idiotropes 98 – intramurales 111, 951, 996 – oikotropes 91 – peripheres 91, 356, A357

Nervensystem, peripheres, Entwicklung 144 – somatisches 91, 92, 356, A357 – vegetatives 91, 92, 573 – viszerales 91, 98 – zentrales 91, 356, A357 Nervenwasser 373, 387 Nervenwurzeln 637 Nervenzellen 81, 91, 353, A353, A360 – bipolare 255, 318 – granuläre 91 – Netzwerk 353 – pseudouniaxonale 95 – pseudounipolare 426, 482, 493, 496 – sympathische 429 – vaskuläre 91, 101, 103 Nervenzellfortsätze 92 Nervenzellkörper 357 Nervenzellverlust 92 Nervenzellzahl 92, 356 Nervus(-i) 92 – abducens 96, 211, A212, 218, 260, A310, A380, A411, A413, A416, 419, A444, A462, 464, A466, A575, 576, 578, A585, A586, 588, 589, A640 – – Läsion 217 – accessorius 96, A212, 213, 235, A246, A261, 265, A270, A271, 302, A310, A339, 346, A348, 349, 352, A416, 421, A422, 423, A444, A500, A608, 644, A741, A745, 745 – – Läsion 646 – – Radices craniales 265 – – Radices spinales 265 – – Ramus internus 265 – alveolares superiores 325 – – posteriores A586 – alveolaris inferior 203, A219, A258, A259, 260, A271, A276, A281, 288, A607, A608 – ampullaris 615, 618 – – anterior 262 – – lateralis 262 – – posterior 262, 613, 627 – anales inferiores 1052 – – superiores 1052 – anococcygei A1083, A1097 – auricularis anterior 260 – – magnus A261, A267, 267, A268, A269, A270, A348, 350, 597, A655 – – posterior A261, 262, 264, A608 – auriculomandibularis 222 – auriculotemporalis A219, A258, A259, 260, A261, A263, A269, A276, 279, A281, 597, 599, A607, A608

Nervus(-i) axillaris 695, 696, A730, A731, 735, A741, 744, A745, A750 – buccalis A219, A248, A258, 259, A261, A269 – canalis pterygoidei A607, A608 – – – (Vividianus) 220, A319, 320 – capitales 255 – cardiaci A884, 889 – – cervicales 351 – – inferiores A310 – – superiores A310, A339 – – thoracici 871, 898 – cardiacus cervicalis inferior 898 – – – medius 871 – – – superior 871 – caroticotympanici A263, 263, 607 – cavernosi clitoridis 1084 – cervicales 426 – – descendens 266, A267 – cervicalis I 213 – cervicalis II A310, A640 – cervicalis III A640, 656 – cervicalis IV A640, A655 – ciliares breves A255, A256, 468, 573, 574, A585, 589 – – longi A256, 257, 573, 574, A585, 589 – – posteriores breves A586 – clunium inferiores 654, A1083, A1097, A1171, A1177, 1178, A1179, A1183, 1183 – – medii 654, A1171, 1175, A1179, 1182 – – superiores A645, 654, A692, A1171, 1175, A1179, 1182 – coccygeus 426 – cochlearis 469, 470, A470, 592, A619 – craniales 96, 417 – cutaneus antebrachii lateralis A725, A729, A731, 732, A747, 748, A752, A754, 755 – – – medialis A725, A729, A730, A731, 735, A741, 746, A747, A748, A752, 754, A757 – – – posterior A726, A729, 735, 746, A748, A750 – – – lateralis inferior A726, A729, 735, 749 – – – – posterior A729 – – – – superior A726, A731, 735, 743, 744, A745, A748 – – brachii medialis A725, A729, A730, A731, 735, A741, 746 – – – posterior A726, A729, 735, 746, A748, A750, 749 – – dorsalis intermedius A1171, A1176, 1179,

Register 1198, 1200, A1201, 1208, A1209 – – – lateralis A1171, A1176, 1180, 1198, A1201, 1203, 1208, A1209 – – – medialis A1171, A1176, 1179, 1198, 1200, A1201, 1208, A1209 – – femoris lateralis 917, A922, 923, 1160, A1171, 1175, A1176, A1179, A1190, A1191, 1191, A1192 – – – posterior 1048, A1083, 1084, A1097, A1171, A1177, 1178, A1179, 1183, A1183, 1184, 1187, 1196 – – – – Ramus perinealis A1097 – – surae lateralis A1171, A1177, 1178, A1179, 1180, A1188, A1194, 1196, 1198 – – surae medialis A1177, 1178, 1180 – – femoris lateralis A1022 – digitales dorsales 735, 768, A769, 770 – – – nervi radialis A726, A768 – – – nervi ulnaris A726, A768 – – – pedis A1176, 1179, A1209 – – palmares communes A731, 733, A762, A766 – – – proprii A690, A708, A725, A731, A762, A765, A768, A769, 770 – – plantares 1207 – – – communes A1177, 1180, A1206, A1207 – – – proprii A1177, 1180, A1206, A1207 – digiti secundi medialis T1210 – dorsalis clitoridis A1079, A1083, 1084 – – penis A1043, A1053, A1095, 1096, A1097 – – scapulae A270, A348, 349, 646, A731, 732, A741, A745, 745 – erigentes 108, A1055 – ethmoidalis, Rami meningei 439 – – anterior 191, 209, A256, 257, 318, A319, A320, 320, A585, 589 – – – Rami nasales laterales 257 – – – Rami nasales mediales 257 – – – Ramus nasalis externus A248, A256, 257 – – posterior 191, A256, 257, 325, A585, 589 – facialis 96, A107, 108, 183, 199, 208, A212, 213,

1303 A219, 222, 225, 230, 237, A257–A259, 260, A261, A276, 276, 279, A281, A310, 342, A352, A380, A381, A413, A416, 420, A422, 422, A444, 480, 585, A594, 597, 601, 605, A607, A608, 608, 610, 625, 627, A640 – – Genu internum A416 – – Läsion 609 – – Rami buccales A248, A261, 262, 315 – – Rami temporales A261, 262 – – Rami zygomatici A248, A261, 262 – – Ramus colli A246, A261, 262, A268, 345 – – Ramus marginalis mandibulae A219, A246, A248, A261, 262 – – Ramus temporalis A248 – femoralis 923, A1022, A1040, 1139, 1144, A1145, A1146, 1148, A1149, 1160, 1175, A1176, A1179, A1190, A1191, A1192, 1193 – – Läsion 1180 – – Rami cutanei anteriores A1179, A1190, A1192, A1179, A1171, A1176, 1193, 1196 – – Rami musculares A1176, 1193 – frontalis 218, A256, 256 – – A575, A579, A580, A585, 589 – furcalis 1173, A1176 – genitofemoralis A879, 1175 – – Ramus femoralis A922, 923, A1022, 1160, A1171, A1176, A1179, A1171 – – Ramus genitalis A922, 923, A1022, 1084, 1088, 1097, A1176 – glossopharyngeus 96, 102, A107, 108, 183, A212, 213, A246, 260, 262, A263, A266, A271, A274, A276, 276, 279, 302, 306, 309, A310, 311, A344, 345, 352, 353, A380, A413, A416, 420, 421, A421, A422, 422, A444, 480, 520, A607, A608, 834 – – Ganglion inferius A258, 262, A263 – – Ganglion superius 262, A263 – – Rami dorsales linguae A305 – – Rami meningei 439 – gluteus inferior 1048, A1053, 1142, 1144, A1177, 1178, A1183 – – – Läsion 1081

Nervus(-i) gluteus superior 1048, A1053, 1142, A1177, 1178, A1183, 1183, A1186 – – – Läsion 1081 – hallucis lateralis A1209 – hypogastrici 1025, A1055, 1057 – hypoglossus 96, A212, 213, 237, A246, 265, A266, A267, A270, A271, A274, 275, A276, 276, 277, A310, A344, 345, 352, A380, A381, A413, A416, A421, A422, 422, A444, A500, A640 – – Ramus descendens 266 – iliohypogastricus A645, A879, 910, 921, A922, A1004, 1005, A1020, 1020, A1022, 1175, A1176 – – Ramus cutaneus lateralis A1171, A1179, 1183 – ilioinguinalis 910, 921, A922, A1004, 1005, A1020, 1020, A1022, 1084, 1097, A1171, 1175, A1176, A1179 Nervus(-i) infraorbitalis 203, A248, A257, 258, A269, 315, 323, 342, A579, A582, A586, 587, A607 – – Rami labiales superiores A248 – – Rami nasales externi A248,A257 – – Rami palpebrales A580, A582 – – Rami palpebrales inferiores A248, A257 – infratrochlearis A248, A256, 256, 257, A269, 315, A580, 583, A585, 589 – intercostales 16, 646, 801, 802, 803, 808, A813, A814, A817, 818, 820, A840, A879, A882, 921, A922, A1020 – intercostobrachialis A729, 740, 743, 746, 792, 820 – intercostobrachialis II A741 – intermediofacialis 260 – intermedius 108, 199, 211, 213, 256, A257, A258, 260, A261, 276, A310, 420, A444, 480, 586, 608, 609, 627, A640 – interosseus anterior 713, A731, 732, A753, A757 – – cruris 1180 – – posterior 707, 735, A758, A768 – ischiadicus 1048, A1053, A1079, A1143, 1144, 1147, A1162, A1177, 1178, A1183, 1184, A1186, 1187, A1188, 1196 – – hohe Teilungen 1187

Nervus(-i) ischiadicus, Läsion 1081 – labiales anteriores 1084 – – posteriores A1079, A1083, 1084 – lacrimalis 218, A248, A256, 256, A269, A575, 583, A585, A586, 586, 589, 609 – – Rami palpebrales A580, A582 – laryngeus (laryngealis) recurrens 264, A264, 265, A305, A310, 330, 331, 336, A338, A339, 349– 351, A840, A851, A861, A861, A872, 872, A879, 880, A884, 890, 898 – – superior A246, 264, 276, A305, 305, A339 – – – Ramus externus A246, A264, 264, A270, 329, 335, A339, A344, 346, 872 – – – Ramus internus A246, A264, 264, A270, A310, 327, 335, A339, A344, 346, 347, – levator ani A1039, A1040 – lingualis A219, A258, A259, 260, 262. A266, A271, A274, A276, 276, 279, 280, A280, A281, 281, A319, A344, 345, A607, A608 – lumbales 426, 654, 1173 – mandibularis 96, 183, 211, A212, 220, A263, 302, 258, A585, A586, A607, A608 –– – Ramus meningeus 259, 439, A585 – massetericus A219, 222, 231, 259 – maxillaris 96, 211, A212, 220, A256, 257, A257, 288, 311, A319, 325, A411, A579, A607, A608 – – Rami ganglionares 257 – – Rami orbitales 257 – – Ramus meningeus 257, 439, A585 – meatus acustici externi 260 – medianus 664, A701, 707, A708, A709, A710, 711, 712, 714, 715, A729, A730, A731, 732, A741, A747, A747, A748, 749, A752, A753, 755, A757, 761, A762, A765, 766 – – Kompression 664, 707 – – Radix lateralis A741 – – Radix medialis A741 – – Ramus palmaris A753, A762, A765 – mentalis 205, A219, A248, A258, 260, A269, 342 – musculi musculi piriformis 1178 – – obturatorii interni 1178

Register

1304 Nervus(-i) musculi quadratis femoris 1178 – musculocutaneus A694, 700, A730, A731, 732, A741, A747, A748, 748, 749 – mylohyoideus 203, A219, 237, 238, A258, 260, A269, A344, 345 – nasociliaris 73, 218, A256, 256, 315, A575, 575, A585, A586, 588, 589 – – Ramus communicans cum ganglione ciliari 589 – – Ramus nasalis externus 589 – nasopalatinus 206, 258, 318, A320, 321 – obturatorius A915, 1048, A1053, 1066, A1079, A1112, 1144, 1147, A1149, 1175, A1176, 1189, A1192, 1193 – – Läsion 1081 – – Ramus anterior A1176, 1178 – – Ramus capsularis 1178 – – Ramus cutaneus A1171, A1176, 1178, A1179, A. 1190, 1191, A1192 – – Rami musculares A1176 – – Ramus posterior A1176, 1178 – – Ramus profundus A1192 – – Ramus superficialis A1192 – occipitalis major A261, 267, A268, A269, A270, A348, 487, A645, A655, 655, 656, A692 – – minor A261, A267, 267, A268, A269, A270, A348, 597, A645, A655, 655, 656, A692 – – tertius A655, 656 – oculomotorius 96, 102, A107, 108, 211, A212, 218, 255, A256, A310, A319, A381, A411, 412, A413, A414, A416, 417, A444, A457, A462, 463, A466, 467, 468, A500, 548, 574, A575, 575, 578, A580, 583, A585, 585, A586, 588 – – Ramus inferior 255, A255, A585, A586, 589 – – Ramus superior 255, A255, A585, A586, 589 – olfactorii 96, 255, A319, A320, 381, 395, 417, 477 – ophthalmicus 96, 211, A256, 256, A212, A411, 578, A585, A586, A607, A608 – – Rami meningei 439 – – Ramus tentorius A585 – opticus 96, 211, A212, 218, 255, A255, 367, A380, A381, A393, A413,

417, 456, A457, A459, 551, 572, A575, 575, 576, A576, 578, A580, A585, A586, 587 – – Eintrittsstelle A560 – palatini A319, A607, A608 – – minores 206, A257, 258, 300 – – major 206, 220, A257, 258, 300, 320 – pectorales A731, A738, A741, A792 – – lateralis 691, 730 – – medialis 691, 730 – perineales 1084, A1053, A1097 – peroneus (= fibularis) communis A1123, A1141, A1143, 1148, A. 1151, A1154, A1155, A1176, A1177, 1178, A1179, 1187, A1188, A1194, 1195, 1196, A1199, 1200, A1201 – – – Läsion 1081 – – – profundus 1150, 1153, 1156, 1162, A1163, A1164, 1169, A1176, A1179, 1179, 1200, A1201, A1209 – – – superficialis 1153, 1162, A1171, A1176, A1179, 1179, 1198, 1200, A1201, 1208, A1209 – petrosus major 108, 586, A607, A608, 609 – – minor 108, 211, A258, 260, A263, 263, 279, A281, 607, A607, A608 – – profundus 208, A257, A608 – – superficialis major 208, 211, A241, 256, A257, 260, A261, A267, 268, A270, A281, A339, A348, 350, 351, 353 – phrenicus 242, 480, 521, A741, 804, 807, 808, A809, A814, 815, A817, 818, A840, A851, A861, 862, A872, A872, A884, A887, 889, 898, 965, 969 – – accessorius 269, 351, A861, A872 – plantaris A1129 – – lateralis 1157, 1158, A1179, 1203, A1204, A1206, A1207 – – – Ramus profundus 1157, A1177, 1180, 1206, A1207 – – – Ramus superficialis A1177, 1180, 1206 A. 1207 – – medialis 1157, A1177, A1179, 1180, 1203, A1204, A1206, 1207 – – – Rami cutanei A1207

Nervus(-i) pterygoideus lateralis 233, 259 – – medialis 233, 605 – pterygopalatini A319, A608 – pudendus 1039, 1042, 1043, 1048, 1052, A1053, 1059, A1079, A1083, 1084, 1096, A1097, 1097, 1142, A1183, 1183, 1184 – radialis 664, A698, 700, 703, 713, A729, A730, A731, 735, A741, A741, A747, A748, 749, 749, A750, A754, 755 – – Rami musculares 735 – – Ramus profundus A705, 706, 707, A709, A710, 713, 714, 735, A753, 755, 756, A757, A758 – – Ramus superficialis A709, 735, A752, A753, 755, A757, A762, A765, A768, 768, 769 – rectalis inferior A1083, A1097 – saccularis 262, 612, 617, 618, 627 – sacrales 426, 654, A915 – sacralis I A363 – saphenus A1162, A1171, 1175, A1179, A1190, A1192, 1193, 1196, 1198, 1203, A1204, A1209 – – Rami cutanei cruris mediales A1171 – – Ramus infrapatellaris A1171, A1190, A1192 – scrotalis anterior 1097 – – posterior A1053, A1097, 1097 – soleus 1162 – spinalis 95, 104, 106, A362, 426, A440 – splanchnici 101, 951, 1016 – – lumbales 1057, 1078 – – pelvici A107, 108, A1055, 1057, 1078 – – thoracici 103, 104, 106 – splanchnicus major 807, A840, A879, A884, 898, A1024, 1024 – – minor 104, 807, A879, 898, 1024 – stapedius A261, 262, A608 – statoacusticus 96 – subclavius 694, 730, 808 – subcostalis 820, A879, 919, 921, A922, A1004, 1005, 1020, A1022, A1176 – sublingualis A258, 260, A319 – suboccipitalis 426, 640, 651, A655, 655, 655, 656 – subscapularis 696, 696, A731, 732, A741 – supraclaviculares A261, A267, 267, A269, A270,

A726, A729, A738, 738, 743, A792, 793 – – intermedii A268 – – laterales A268, A348 – – mediales A268, A270, A348 – supraorbitalis A248, A256, 256, A261, A269, 342, A586, A607 – – Rami laterales A580, A582, 583, A585, 589 – – Rami mediales A580, A582, 583, A585, 589 – – Rami palpebrales A580, A582 – suprascapularis A270, A339, A348, 349, 660, 673, 695, A731, 732, A741, A745, 745, A750 – supratrochlearis A248, A256, 256, A269, A580, A582, 583, A585, 589 – suralis A1171, A1177, A1179, 1179, A1188, A1194, 1196, 1198, A1201, 1203, 1208, 1196 – temporalis profundus A219, 222, 231, 259 – tensoris tympani A281 – – veli palatini A281 – thoracales 426 – thoracicus A645 – – longus A270, A348, 349, 695, A731, 732, A741, A747 – thoracodorsalis 646, 696, A731, 732, A741, 743, A747 – thyrohyoideus 234, 237, A246, A261, 262, 267, A267–A270, 345, A348, 350 – tibialis A1118, A1141, A1143, 1148, A1152, 1153, A1154, A1155, 1156, 1162, A1163– A1164, A1177, 1178, A1179, 1179, 1187, A1188, A1194, 1196, 1198, A1199, 1203, A1204 – – Läsion 1081 – – Rami articulares 1179 – – Rami musculares 1179 – transversus colli 234, 343 – trigeminus 96, 102, 212, A256, A257, A258, A269, 288, A310, 342, A380, A381, A413, A416, 418, A422, A444, A485, A500, 548, A585, A586, A607, A608 – – Radix motoria 256 – – Radix sensoria 256 – trochlearis 211, A212, 218, 255, A255, A310, A411, A412, A413, 413, A414, A416, 417, A422, A444, 464, 548, A575, 576, 578, A579, A580, A585, A586, 589

Register Nervus(-i) tympanicus 208, 260, A263, 263, 279, 607, A608 – ulnaris 664, A697, A698, A710, 712, 715, A729, A730, A731, 734, A741, A745, A747, A748, A750, 751, A752, A753, 756, A757, A762, 763, A765, 766 – – Kompression 712 – – Rami musculares 734 – – Ramus dorsalis 734, A752, A753, A765, 768 – – Ramus palmaris 734, A752, A753 – – Ramus profundus 714, 715, 716, 734, A762, A765, 766, 767 – – Ramus superficialis 716, 734, A753, A762, A765 – utricularis 262, 616, 618 – utriculoampullaris 262, 612, 627 – vaginales 1080 – vagus 96, 101, 102, 103, A107, 108, 183, A212, 213, A241, 243, A246, 263, A264, 264, A270, A271, A274, 276, 306, A310, 311, 335, 336, A338, A339, 345, 346, 349, 351, A352, 352, A380, A413, A416, 420, 421, A422, 423, A444, A485, 520, 521, A607, A608, A809, 833, 834, A840, A851, A851, A861, 862, 871, A872, 872, A879, A884, A887, A887, 889, 890, 895, 897, 936, A969 – – Rami meningei 439 – – Rami oesophagei A310 – – Rami tracheales A310 – – Ramus auricularis A269 – – Ramus pharyngeus 302 – vestibularis A510, 617, 618 – vestibulocochlearis 96, 199, A212, 213, 262, A310, A380, A381, A413, A419, 420, A422, 422, A444, A416, 473, 591, 592, 608, A617, A640 – vocalis 337 – zygomaticus 218, A256, 256, 257, A257, A586, 586 – – Ramus communicans 609 – – Ramus zygomaticofacialis 257 – – Ramus zygomaticotemporalis 257 Netzbeutel 943 Netzhaut 65, 551, 567, 570 – Ablösung 551, 561, 567 – Diskus 552 – Inversion 551, 553 – Kapillaren 569

1305 Netzhaut, Peripherie 570, 571 – Schichten A568, A571 – Zellarten A568 Neukombination von Merkmalen 118 Neuralfalten 142, 154 Neuralgie postherpetische 409 Neuralleiste 102, 115, A143, 144, 153, 155, 282, 357, A358, A359, 359, 361, A841, 845, 898, 991, 1219 Neuralplatte 142, 357, A358 Neuralrinne 142, A143, 357, A358 Neuralrohr 142, A143, 144, 145, 147, A147, 148, 153, 154, 155, 165, 357, A359, A360, 360, T382, 592 Neuralrohrschluss 360 Neuralwülste 142, 144, 357, A358, 552 Neuriten 46, 91, 92 Neuroanatomie, intravitale 383 – postmortale 383 Neuroblast A360 Neurocranium 177, 178, 180, 186, T206 Neurocranium-Viscerocranium-Verhältnis A186 Neuroektoderm 114, 115, 140, 142, A360, A361, A366, 551 Neuroepithel A360, 617 Neurofibrillen A360 Neurohormone A543 Neurohypophyse 367, 411, 544, 545, A546, A547, 548, A549 – Entwicklung 155 Neuromelanin 415, 506, 519 Neuromodulator 507, 536 neuromuskuläre Einheit 46 neuronales Netzwerk A353, 356 Neurone 21, 91, 92, 95, 104, 353 – der sensiblen Bahn 482, A491 – endostriatale 505 – enterische 991 – multipolare A360 – peripher projizierende 427 – postganglionäre 96, 101, 104, 106 – postsynaptische A353 – präganglionäre 96, 101, 104, 106 – – sympathische 427 – – viszeromotorische 361 – präsynaptische A353 – pseudounipolare 361 – somatomotorische 361 – somatosensible 361 – sympathische 96 – viszerosensible 361 Neuropeptid Y 574

Neuropeptide 507, T508, 536 Neurophysine 545 Neuropil A434 Neuroporus anterior 357, A359, 359, 363, 367 – caudalis 144, 154, 168 – cranialis 144, 154, 168 – posterior 357, 359 – rostralis 187 Neurosekretion 544 Neurosyphilis 467, 483 Neurotensin T508 Neurothel 433, A434, 435, A436 Neurotransmission A353 Neurotransmitter 101, 356, 442 Neurulation 140, 142, A143 Neutral-0-Methode 37 neutrale Ebene 30 – Zone 27 neutrales Zentrum 29 Neutral-Null-Linie 1113 Neutral-Null-Methode 671, A677 – Daumengelenke A688 – Ellenbogengelenk A682 – Fingergelenke 691 – Handgelenk A685 Neutral-Null-Stellung, Ellenbogengelenk 681 Neutralposition 38 Neutrophilen-Pool 72 Nevenzellfortsätze 91 Nickhaut 582 Nidationsblutung 137 Nidationshemmung 131 Niederdrucksystem 55 Niere 66, 78, A547, A653, 1003, A1006 – dystope 1003 – eines Neugeborenen A1004 – Entwicklung 155 – Head-Zone A110 – Segmente A1010 Nierenanomalien 121 Nierenaplasie 168 Nierenbecken 1014 – ampulläres 1015 – dendritisches 1015 – Entwicklung 155 Nierendysplasie 164 Nierenepithel 21 Nieren-Glomerulumzellen 81 Niereninfarkt 1012 Nierenkörperchen 83, 1007, A1009 Nierenlabyrinth 1007 Nierenlappen A1010 Nierenmark 1005 Nierenparenchym A1011 Nierenrinde 1007 Nierenzugang 654, 1019 Niesreflex 519 nigrostriatales System 509 Nischenzellen 837

Nissl-Substanz A360, 429, A498 Nitabuch-Fibrinoid 161, A162 NK-Zellen A81 NO 53, 54 Nodi lymphatici (= lymphoidei) anorectales 1052 – aortici A898, A951 – apicales 790, A790, 791 – axillares 727 – – anteriores 727 – – apicales A728, 729 – – brachiales 727, A728 – – centrales A728, 729 – – humerales 727 – – infraclaviculares 729 – – interpectorales 727, A728 – – laterales 727 – – pectorales 727, A728 – – posteriores 727 – – profundi 729, 921 – – subscapulares 727, A728 – – superficiales 727, 921 – – thoracoepigastrici 727, A728 – bronchopulmonales A809, A824, A825, 832, A833 – buccales A253, 254, 342 – centrales A790 – cervicales A246, A277 – – laterales profundi 597 – – – superficiales 597 – – profundi 253, 254, 320, 346, 655, 832, 895 – – – inferiores A253, 254, 276, 311, 335, 340 – – – superiores A253, 254, 276, 311, 335, 340 – – superficiales A253, 254 – coeliaci 932, 950, A951, 970, 975, 1023 – colici dextri 1000, A1000 – – medii 1000, A1000 – – sigmoidei A1000 – – sinistri A1000, 1000 – cubitales profundi 727 – – superficiales 727, A728 – foraminalis A951, 971 – gastrici dextri 950, A951 – – sinistri 895, 950, A951, 970 – gastroomentales dextri 950, A951 – –sinistri 950, A951 – glandulae suprarenalis A951 – glutei inferiores 1078 – – superiores A1077, 1078 – hepatici A951, 965, 968, 970, A975, 975 – ileicolici A1000, 1000 – iliaci 1088, 1090, 1092 – – communes 1076, A1077, 1080 – – externi 921, 1076, A1077, 1084, 1191 – – interni 1052, 1057, A1077, 1080, 1184

Register

1306 Nodi lymphatici inferiores A975 – infrahyoidei 254, 335 – inguinales 1086, 1096, 1097 – – centrales 1189 – – inferolaterales 1189 – – inferomediales 1189 – – profundi 1173 – – profundus proximalis (Rosenmüller) A1191 – – superficiales A906, A922, 1052, 1071, A1077, 1078, 1080, 1084, A1171, 1173, A1174, 1182, 1189, 1198 – – superolaterales 1189 – – superomediales 1189 – intercostales 791, 820, A898 – interiliaci 1076, A1077, 1078, 1080 – intestinales 932 – jugulodigastricus A253, 254, 276, 311, 320 – juguloomohyoideus A253, 254, 276 – juxtaintestinales 996 – laterales A790 – lienales 979, 980 – lumbales 921, A975, 1016, 1023, A1053, 1066, 1068, 1076, A1077, 1078, A1079, 1086, 1087 – mandibulares 342 – mastoidei 342, 597 – mediastinales A833 – – anteriores 862, 889, 897, A898 – – posteriores 254, 862, A872, 895, 897 – mesenterici A992 – – inferiores 1000, A1000 – – superiores A975, 975, 996, 1000 – – – centrales 996 – occipitales 253, A253, 342, 656 – pancreatici inferiores 975, A975 – – superiores 975 – pancreaticoduodenales inferiores 975 – – superiores 975 – pararectales 1052 – parasternales A790, 790, 791, 820, 862, A882, 897, A898, 921, 965 – paratracheales 335 – parauterini A1077, 1078 – paravesicales 1055, 1057 – parotidei 253, A253, 315, 585, 586, 588 – – profundi 279, 342, 597 – – superficiales 279, 342, 597 – pectorales 790, 792 – penis A1174 – phrenici 897 – – anteriores A898

Nodi lymphatici phrenici posteriores A898 – – superiores 965 – poplitei 1173, A1174, 1196, 1198 – praelaryngei(-eales) A253, 254, 335 – praetracheales 335 – prepubicus A1174 – pulmonales 832, A833 – pylorici 950, A951, A975 – retroauriculares 253, A253, 597 – retrooesophageales 311 – retropharyngeales 243, 254, 320 – sacrales 1052, 1078, A1077 – sigmoidei 1000 – splenici 950, A951, A975 – sternales 921 – subaortici 1078 – submandibulares 243, A253, 254, 276, A277, 280, 281, 315, 318, 344, 347, 585, 588 – submentales 243, A253, 254, 276, A277, 347 – suboccipitales 655 – subscapulares – supraclaviculares A253, A790, 791 – supratrochleares 727 – tibialis anterior 1173 – tracheales 254, 832, A833, 889, 895, 897, A898 – tracheobronchiales 895 – – inferiores 832, A833, A872, 889, 897, A898 – – superiores A817, 832, A833, 889, 897, A898 Noduli lymphatici (= lymphoidei) aggregati A990 – conjunctivae 584 – solitarii A990 Nodulus cerebelli A366, 474 – valvulae semilunaris (Arantii) A855, 856, 858 Nodus atrioventricularis 868, A869 – lymphaticus (lymphoideus) 50, 86 – sinuatrialis 868 Nomenklatur 9 Nomenklaturkommission 9 Nomina anatomica 9 – embryologica 9 – histologica 9 non-disjunction A119, 120 Noradrenalin 57, 102, T508, 530, 544, 1019 noradrenerges System 519 Norepinephrin T508 Normaldruckglaukom 559 Normalität 3 Normalwuchs 20 Normogenese 114 Normvariante 3 NOS 574

Nothnagel-Syndrom 513 Notochorda 142, 178, 179 Nozizeptoren 33, 481, T488 NPY 574 Nucleus(-i) 357 – accessorius 428 – – nervi oculomotorii A416, A457, 463 – accumbens septi 396, 398, 399, 506, 509, 521 – ambiguus 265, 336, A416, A421, 421, 519, 834 – anterior thalami A406, A407, 407, 408, 522, 523, A523 – anterolateralis 428 – anteromedialis 428 – basales 398, 505 – basalis Meynert 396, A407, 408, 518, 525, A526, 527, 536 – caudatus 93, A365, A384, A388, A393, 398, A400, A402, A403, 445, A446, A505, 505, 507, A526 – centralis corporis amygdaloidei 524 – – superior A520 – centromedianus thalami A407, 407, 409 – cerebellares 512 – cochleares A416, A474 – cochlearis anterior 420, 469, 470, A470, 471 – – posterior 415, 420, 469, 470, A470, 471 – coeruleus 525, 530, 536 – colliculi inferioris A414, A470 – commissurae posterioris 466 – commissurales 429 – corporis trapezoidei 415, 470, 471 – corticalis corporis amygdaloidei 396 – cuneatus accessorius A421, 484 – – (Burdach) 409, A421, 483, A485 – Darkschewitsch A466, 466 – dentatus A419, 511, 512, A513, 513, A514 – dorsalis 484 – – corporis trapezoidei A419 – – nervi glossopharyngei A421 – – – vagi 108, A416, 421, A421, 480, A520, 520, 521, 871 – dorsolateralis 429 – dorsomedialis thalami 399, 403, 404, 524, 525 – Edinger-Westphal 417 – emboliformis 409, A419, 512, A513, 513 – fastigii A419, 512, A513, 513

Nucleus(-i) globosus A419, 512, A513, 513 – gracilis (Goll) 409, 483, A485 – habenulares 478 – habenularis thalami 367, 402, 405 – infundibularis 546 – intermediolateralis 429 – – medullae spinalis 898 – interpeduncularis 405 – interpositus 513 – interstitialis Cajal 408, 462, 465, 466, A466, A476, 476 – – rostralis A476, 476 – intralaminares thalami 407, 518 – lateralis dorsalis thalami A407, 408 – – posterior thalami A407, 408 – – thalami A406, 407, 507 – lemnisci laterales 471 – – lateralis dorsalis A470 – lentiformis A384, 389, 399, A400, A403, A406, 445, A501, 505 – marginalis 429 – medialis thalami A406, 407 – mediani thalami 405, 407 – mediodorsalis thalami A407, 408, A524, 538 – mesencephalicus nervi trigemini 418, 482, 487 – motorius nervi accessorii A416 – – – trigemini A416, A418, 419, 487 – – abducentis 415, 417, 419, A419, 420, A462, A463, A466, 466, A474, A475, 475, A476, 502 – – facialis A416, A419, 420, 469, 502 – – hypoglossi A416, 416, A421, 422 – – oculomotorii 366, A414, 415, A416, 417, A462, 463, A463, 464, A466, 466, 468, A474, A475, 475, A476, 502 – – trochlearis 366, A414, A416, 417, A463, A466, A475, 475, A476, 502 – – vagi 417, A421 – oculomotorius accessorius 108 – olfactorius 478 – olivaris A416, A421 – – accessorius dorsalis A421 – – – medialis A421 – – inferior 475, 514 – – superior 470, 471 – pallidus 93 – paraventricularis 56, 545, A546, 546, A547, 549 – Perlia 417, 463

Register Nucleus(-i) phrenicus 428 – pontinus nervi trigemini 418, 486 – pontis 365, 403, 404, A418, 423, 511, A514 – posterior thalami 483 – posterolateralis 428 – posteromedialis 428 – praeopticus magnocellularis 518 – praepositus nervi hypoglossi 417, 462, A462, 464, A466, 476, A476 – praestitialis 466 – principalis nervi trigemini 486 – proprius columnae posterioris 428, A428 – pulposus 427, 638, A638, A639 – – Entwicklung 155 – – Prolaps A639, 639 – raphe 511, 519, 521, 530, 536 – – dorsalis 518, A520 – – magnus A520 – – obscurus A520 – – pontis A520 – reticularis magnus 504, A520 – – thalami A407, 407 – retrodorsolateralis 428, 429 – ruber 93, 366, A373, T382, 398, A414, 415, A416, 463, 505, 513, 514, A514 – salivatorii 518 – salivatorius inferior 108, A416, 421, 480 – – superior 108, A416, 420, 480 – sensorius superior nervi trigemini A418 – septales A522, 523, A523, A524, 525, A526, 527, A530, 536 – septi medialis 518 – solitarius 480, 520 – – inferior 421 – – superior 420 – spinalis nervi trigemini 419, 421, 423, 487 – striae diagonalis 396 – subthalamicus 93, 366, 398, 408, 410, 505, A505, 506 – suprachiasmaticus 456, 549, 550 – supraopticus 56, 443, 545, A546, A547 – tegmenti pedunculopontinus A520 – thoracicus posterior 484 – tractus mesencephali nervi trigemini A416 – – solitarius A421, 834 – – spinalis nervi trigemini A416, A419, A421, 487

1307 Nucleus(-i) tuberalis A546 – ventralis anterior thalami A407, 408, 506, 507 – – intermedius 409 – – lateralis thalami A407, 409, 498 – – posterior thalami 404, A407, 409, A476, 476, 480, 483, A485 – – posterolateralis 409 – – posteromedialis 409 – – thalami 407 – ventrolateralis 429 – ventromedialis hypothalami 406, 524, 525 – vestibulares A416, 417, A419, A421, 510, 513 – vestibularis inferior (Roller) 420, A466, 473, A474, A475, 475, A476 – – lateralis (Deiters) 420, A466, 473, A474, A475, 475, A476, 476, 504, 512, 513 – – medialis (Schwalbe) 420, A466, 473, A474, A475, 475, A476, 476 – – superior (Bechterew) 420, A466, 473, A474, A475, 475, A476, 476 Nucleus-ruber-Läsion 513 Null-Durchgangsmethode 37 Nullwachstum 19 Nussgelenk 35, 1111 Nystagmus 420, 462, 467, 474, 477, 515, 519, 602, 613, 618, 627 – kalorischer 613 – vestibulärer 474, 477

O O-Beine A25, 1104, 1127 Oberflächen-Ag 79 Oberflächenanatomie 3 – Rücken 629, A630 Oberflächenektoderm 142, A143, 144, 145, 147, 151, 153, 155, 1219 Oberflächenmoleküle 84, 87 Oberflächenschmerz T488 Oberflächensensibilität 483 Oberhaut 1219 Oberkiefer 202, A203 Oberkieferhypoplasie 187 Oberkiefernerv 96 Oberkieferwulst 153, 182, 299, A301 Oberlid 553, 581 Oberrippenatmung 809 Oberschenkel 1099 Oberst-Anästhesie 771 Obex 417, A422, 423 Obliquus-externus-Adduktoren-Schlinge 913 occipitalis 13 Occiput 191

occlusalis 13 Ödem 1221 – kollaterales 767 – Pankreatitis 974 Odontoblasten 282, 284, A285, 290, A292, 292 Odontoblastenfortsatz 284, 289 Oesophagotrachealfistel 821, A822, 891 Oesophagus 108, A263, A304, A305, A307, A310, A338, 349, A805, A809, A817, 821, A840, A861, A872, A879, A884, A889, 890, 891, A898, A934, A935, A944–A946, A969, A989, A1022 – Darstellung A894 – Head-Zone A110 – Mesenterium 804 Oesophagusachalasie 991 Oesophagusatresie 164, A822, 891 Oesophagusdivertikel 309 Oesophagusengen 304, 891, A892, 892 Oesophaguskarzinom 893, A894, 895, 896 Oesophagusmund 892 Oesophagussphincter 893 Oesophagusstenose 891 Oesophagusvarizen 895, 921, 964 Oesophagusverätzung 895 Oesophagusverschluss A894 Oesophagusweiten A892 Offline-Verschaltung 570 Ohr 591, 593 – abstehendes 596 – äußeres 591, 593, A594 – Entwicklung 592 – kleines 167 – Radikaloperation 613 Ohransatz, tiefer 187 Ohrbläschen 154, 179, 592 Ohrenschmalzpropf 597 Ohrfistel 593 Ohrfurunkel 597 Ohrgeräusche 605, 618, 623 Ohrgrube 592 Ohr-Hals-Fisteln 593 Ohrhöhle 592 Ohrkapsel A180, 593 Ohrknorpel 594, A595 Ohrkrempe 594 Ohrläppchen 593 Ohrmuschel 591–594, A594, A595, 597 – Entwicklung 154 Ohrmuscheldefekt 121 Ohrmuscheldysplasie 593 Ohrmuschelgrube 183 Ohrmuskeln 594, A595, 597 Ohrplakoden 153, 592 Ohrplatte 592 Ohrschmalz 597 Ohrschmalzdrüsen 596 Ohrspeicheldrüse 278, 596

Ohrspiegeluntersuchung 596, 597 Ohrspülung 597 Ohrtrichter 598 Ohrtrompete 303, 591, A594, 599, 600, 602, 610, 611 Okklusalfläche 298 Okklusion 222, 299 Okularitätssäulen A533 Okulomotorik 461, 464, 475, 476 Okulomotoriusparese 464, A465, 513 okzipital 13 Okzipitalisneuralgie 656 Okzipitallappen 367 Okzipitalwirbel 637 Olecranon 664, A665, 665, A678–A680, 680, A682, A683, 703, A704, A705, 706, A709, A710, 712, A737, A750, A754, 756 – Fraktur 751 olfaktorisches System 477 Oligodaktylie 658 Oligodendroblasten A360 Oligodendrozyten 81, 356, 359, A360 Oligohydramnion 164, 168, 169 Oligozoospermie 121, 125 Oliva inferior 509, 511, A512 – superior A470 Olive A372, A380, A381, A413, 422, A444, A514 Omentum lienale 940 – majus A919, A935, 935, 937, A938, 940, A941, A942, A944, A969, 982, A983, A985, 986, A995 – minus A934, 935, 940, A942, 943, A944, 949 – – Portio densa 940, 965 – – Portio flaccida 940 Omnipotenz 114, 134 Omnivoren 185 Omphalozele 151, A151, 153 Onodi-Zellen 324 Ontogenese 2, 353, 356 Onychmykose 1208 Oogenese 125, 126, 129 – Ruhestadium 126, 128 Oogonien 126 Oozyt I 126, A127, 128 Oozyt II A127, 128, A133, 134 Oozyten 21, 1065 Oozytenmembran 128 Opercula 452 Operculum frontale 375, A375 – parietale 375, A375, 480 – rostrale 375 – temporale 375, 472 Operkularfalte 183, A184 Operkularisation 367, A367 Ophthalmoplegie 464, 467

Register

1308 Opiatrezeptoren 484 Opikusganglienzellen 456 Opposition 35, 37, 687 opsonierte Partikel 74 Optikusatrophie 457 Optikusfasern 552, 572, 573 Optikusfaserschicht A571 Optikusganglienschicht A568, A571 Optikusganglienzellen 567, A568, 568, 570, 571 Optikusneuriten 572 Ora serrata A562, 567, 570, A579 – – Magen A946, 947 oralis 13 Orbiculus ciliaris A562, A579 Orbita 217, A217, 219, 322, A323, 325, 376, 383, 551, 553, A575, 576, 577, A580, 583, A585, A586 – Dach 589 – Fettkörper 551 – Grenzen 587 Orbitalphlegmone 588 Orchis 1061, 1084 ordnende Prinzipien 15 Organanlagen 138 Organdifferenzierung 168 Organe 21 – endokrine 75 – extraperitoneale 932 – immunkompetente 86 – innere, segmentale Versorgung A110 – intraperitoneale 932 – lymphatische 80, 84 – lymphoepitheliale 90 – lymphopoetische 79 – neuroendokrine A549 – paarige 15 – periphere lymphatische 84 – primär retroperitoneale 932 – primäre lymphatische 84 – retroperitoneale 932, 1002 – sekundäre lymphatische 80 – sekundär retroperitoneale 932, 1003 – unpaare 15 Organganglien 110 Organisator 114 Organogenese 2, 114 Organquellen 156 Organstoffwechsel 109 Organsysteme 21 Organum cochleare 591 – olfactorium 312, 477 – spirale 469 – – cochleae 620, 621, A619, 627 – subcommissurale 548, A549 – subfornicale 548, A549 – vasculosum laminae terminalis 377, 548, A549 – vestibulare 591 – vestibulocochleare 591

Organum visus 551 – vomeronasale 314 Orgasmus 125 Orientierung am Körper 12 Orientierungslinien der Brustwand A784, 784 Orificium externum uteri 1070 Origo 41 oro-fazio-digitales Syndrom 168 Oropharynx 303 Orthosympathicus 99 Os acromiale 660 – alveolare 295 – capicis 196 – bregmaticum 196 – breve 27 – capitatum A667, 667, A669, A670, A684, 685, A705, 714, A737 – centrale 1106 – – carpi 668 – coccygis A427, 631, A631, A637, 637, 1035, 1037, 1038, 1040, A1041, A1042, 1139, 1182 – costale 796 – coxae 1027, 1028, A1029, A1033, A1046, A1072 – cuboideum 1105, A1106, A1107, 1109, A1130, 1134, A1135, 1136, 1137, A1138, 1153, 1156, 1157, 1165, A1185 – – secundarium 1109 – cuneiforme intermedium 1105, A1106, A1107, A1108, 1109, 1136, A1138, 1156, A1185 – – laterale 1105, A1106, A1107, 1109, A1135, 1136, A1138, 1156, 1157, A1185 – – mediale 1105, A1106– A1108, 1109, A1129, A1130, A1131, A1134, A1135, 1136, A1138, 1150, 1153, 1156, 1157, A1185 – ethmoidale 179, A190, 200, A200, A316, 317, 324 – – Lamina cribrosa 179, A210 – – Lamina orbitalis A217, A323, 324 – – Lamina perpendicularis 317 – femoris 1100 – frontale A180, 180, 181, A181, A185, 188, 191, A192, A200, A206, A217, A316, 317, 323, – – Pars nasalis 191, 316 – – Pars orbitalis 191, A192, 209 – – Squama frontalis A189, A190, 191 – – Tuber A181

Os hamatum A667, 667, A668, A669, A670, A684, 685, A705, 714 – hamuli proprium 668 – hyoideum 182, 205, A205, A226, A233, A236, 241, A246, A263, A266, 275, A304, A319, A330, A334, 347 – – Cornu majus 183, 237, 306, A307, A310, A328, A331 – – Cornu minus 182, 306, A328 – – Corpus 237 – ilium 1027, A1027, A1028, 1028, A1029, A1031, A1112 – incisivum A301 – irregularium 27 – ischii 1027, A1027, A1028, A1029, 1029, 1035 – lacrimale A180, A189, A200, 201, A202, 217, A217, A301, A316, 317, A323 – lunatum A667, 667, A668, A669, A670, A684, 684, 685 – metacarpale A667, A668, 669, A684, 714, 716, A719, A766, A684 – metacarpale I 35, A667, A668, 669, A684 – metacarpale V A667, A668, 716 – metatarsale 1156 – metatarsale I A1106, A1107, A1108, A1130, 1136, A1164, A1185 – metatarsale II 1136 – metatarsale III 1136 – metatarsale IV 1109, 1136 – metatarsale V A1106, A1130, 1136, 1158, A1164 – multangulum majus A670 – – minus A670 – nasale A180, A189, A190, 200, A200, A301, 313, A314, A316, 316, A317, 317 – naviculare 1105, A1106, 1106, A1107, 1107, 1109, A1129, 1133, A1108 – – manus 668 – occipitale 179, A181, A185, 188, 191, A193, A194, 303, A316, A640– A642 – – Pars basilaris 179, 192, 208, 422 – – Pars lateralis A181, 192, 209 – – Squama A181, 192 – palatinum 182, 201, A202, A316 – – Lamina perpendicularis 220, 317 – – Processus pyramidalis A323

Os palatinum, Processus orbitalis A217, A323 – parietale A180, 180, A181, 188, A190, 196, A196, A197 – peroneum 1109 – pisiforme 667, A667– A670, A709, A710, A711, 712, 716, A719, A737, 761, A762, A765 – planum 27 – pneumaticum 27 – pubis A915, 1027, A1027, A1028, A1029, 1029, 1035, 1039, A1046, A1053, A1054, A1079 – sacrum 32, 629, A630, 631, A631, A636, 646, 648, 1027, 1031, A1031, 1035, A1046, A1072, 1139, 1182 – – Facies pelvina 1142 – scaphoideum A667, 667, A668, A669, A670, A684, 684, 685, A737 – sesamoideum 49, 178, A669, 671, 691, 714, 1110, 1120, A1129, A1185 – sphenoidale 179, 188, 192, A195, 206, A316, 373 – – Ala major A181, A190, 192, A217 – – Ala minor 192, A217 – – Corpus 192 – – Facies maxillaris 220 – – Processus pterygoideus 192 – styloideum 667, A668 – sustentaculi 1109 – suturalium 30 – temporale 188, 196, A198, A199, 206, A394, 592, 596 – – Pars petrosa 179, A181, 188 – – Pars squamosa 180, A181, 182, 188, A189, A190 – – Pars tympanica 180 – tibiale externum 1109 – trapezium A667, 667, A668, A669, A670, A684, 685, 687, A705, 714, A737 – trapezoideum A667, 667, A668, A669, A670, A684, 685, A705, 714 – trigonum 1108, 1109 – triquetrum A667, 667, A668, A669, A670, A684, 684, 685 – zygomaticum A180, 182, A189, A190, A200, 201, T206, A217, A301 Osmorezeptoren 56, T488, 545 Ossa carpi 666, A667, A668 – digitorum manus 671 – – pedis 1105, 1110 – inter parietalia 196 – longa 26 – metacarpi 669

Register Ossa metatarsalia 1105, 1110, 1136, 1157 – pedis 1105 – suturarum 188, 196 – tarsalia 1105 Ossicula auditoria 600, 603 – auris (= auditus) 178 Ossifikation 22, 23 – chondrale 22, 28 – desmale 22, 28, 178, 313 – enchondrale 27, A28, 28, 178, 179, 182, 313 – perichondrale A28, 28, 29 – periostale 28 Ossifikationszentren 1099 Osteoblasten 23, 25, 80, 81, 294 osteoblastische Störungen 24 Osteochondropathia deformans coxae juvenilis 1114 Osteochondrose 656 Osteochondrosis dissecans 1127 – lumbalis 1187 osteofibröse Logen 1159, 1163 osteofibröser Kanal 1165 Osteogenesis imperfecta 24 – – congenita 168 Osteogenin 22 Osteoid 25 Osteoklasten 23, 24, 80, A82, 83 – Differenzierung 80, A82 osteoklastische Reaktion 24 osteoligamentäre Schleife 1133 Osteologie 658 Osteomalazie 24 Osteon A23, 25 Osteophyten 24, 29, A33, 34 Osteoporose 24, 27, 1102, 1116 Osteozyten 21, 23 Ostien, akzessorische 878 Ostium abdominale tubae uterinae 128, 986, A1063, A1065, 1066, 1067 – appendicis vermiformis A998, 1002 – atrioventriculare dextrum 845, 855 – – sinistrum A815, 845, 857, A860 – cardiacum A946 – ileale A998, 998 – maxillae 324 – pharyngeum tubae auditivae 303, A304, A317, A319, A320, 610 – primum 843 – pyloricum A946 – ureteris 1015, 1055, 1056, A1072, A1093 – urethrae A1046 – – externum A1049, 1059, A1063, A1067, 1081,

1309 A1081, A1083, 1092, A1093, 1094 – – internum 1056, 1058, 1059, A1072, 1092 – uteri 1070, 1073 – – internum 1073 – uterinum tubae uterinae 132, 1068 – vaginae A1049, A1063, A1067, 1078, 1081, A1083 – venae cavae inferioris 854 Ostium-primum, Defekt 844 Ostium-secundum, Defekt 844 Östrogene A129, 130, 131, 544, A547, 788, 789, 1018 Oszillation, okuläre 613 Othämatom 596 otic pit 592 – zone 592 Otitis externa 596, 597, 607 Otitis media 599, 600, 602, 607, 609, 627 Otoliquorrhoe 381 Otolithenapparat 593, A616, 618 Otosklerose 604 Otoskopie 596, 597 ototoxische Wirkung 623 Oval-Zellen 81 Ovar(ium) 64, 125, A133, A135, A547, 788, 986, A1049, 1060, A1060, A1063, 1064, 1065, A1065, A1067, A1077 Ovarialanlage 126 Ovula Nabothi 1075 Ovulation 126, A127, 128, A129, 130, 132, A547, 1066 Ovulationsalter 154 Ovulationshemmung 131 Ovulationsinduktion 167 Ovulationsort A133 Ovulationszyklus 1066 Owen-Konturlinien 290 Oxycephalus A187, 187 Oxytocin 157, 545, A547, 789 OZR 519

P P.c.a. 450 Pacchioni-Granulationen 437 Pachymeninx A436 Pachytän 118, A119 painful arc 674 Palaeocerebellum A366, A510, 511, 515 Palaeocortex 93, 368, 395, 478 Palaeocranium 177 Palaeoencephalon A532 palatinalis 13 Palatum 299 – durum 299, A317. A319, A320

Palatum molle A271, 299, A305, A317, A319, A320, A594 – osseum 300 Pallästhesie T488 Pallidum T382, A407 Palliothalamus 407 Pallium 374, T382 Palma manus A762, 763, A765 palmaris 13 Palpebra inferior 581, A582 – superior 581, A582 Panaritium subunguale 1224 – tendinosum 720 Pancreas 65, 66, A919, A933ñA939, 937, 943, A969, 971, A972 – anulare 971 – Diastase 976 – dorsale A954 – Entwicklung 155, A954, 971 – exokrine Acini A976 – Langerhans-Insel A976 – Lipase 976 – ventrale A954 Paneth-Körnerzellen 988, 993 Pankarditis 858 Pankreaskopfkarzinom 953, 974 Pankreasschmerz 975 Pankreatitis 913, 974, 976 Panniculus adiposus 905, A915 – carnosus 234, 740 Papagei, Gehirn 92 Papez-Neuronenkreis 398, 522, A523 Papilla duodeni major (Vateri) 953, 966, A972, 973 – – minor A972, 973 – filiformis 273 – foliata 273, 274 – fungiformis 273 – ilealis A998, 998 – incisiva 300 – lacrimalis A582 – lagenae 593 – mammae A786, A787, 787 – nervi optici 552, 554, A571, 571–573, 587 – parotidea 278 – renalis 1005, A1006, A1007, 1007 – vallata 273, 274, A305 Papillarfurchen 770 Papillarleisten 770 Papillenhals A1007, 1015 Papillenleistenmuster A1220 Pappenheim-Färbung 72, 73, 74, A76 Paracervix 1071, 1073 Parachordalknorpel A179, 179 Paracolpium 1080

Paracystium 1045, A1046, 1058, A1072 Paradidymis 1062, A1063, A1085, 1086 Parafovea A571 Paraganglien 99, 101, 102, 103, 244, 834, 1019 Paraganglion supracardiale 102 Parageusie 608 Parakeratose 293 parakrin 54 Parakusis Willisii 604 Parallelfasern 511, A512 Paralysis agitans 506 paramediane pontine Formatio reticularis 403, A462, 464 Parametrium 1045, 1071, 1073, 1075, 1078 Paraphimose 1095 Paraproctium 1045, A1046, 1052, A1072 parapyramidalmotorisches System 503 Parasit 168 parasternale Abflussbahn 790 Parasympathicoblast 102 Parasympathicus 53, 91, 99–103, 106, A107, 108, 520, 524, 1052 – Auge 463 – Colon 1001 – Glandula lacrimalis 586 – Harnblase 1057, 1058 – Herz 871 – Kiefergelenk 222 – kranialer 106, 108 – Leber 965 – Lunge 834 – Magen 950 – Niere 1012 – Oesophagus 895 – Ovar 1066 – Pancreas 975 – Penis 1096 – periphere Ganglien 108 – Prostata 1092 – sakraler 106, 108, 1001, 1025 – Uterus 1078 Parasympathicuswirkungen 100 Parasympathicuszelle A95 Parathormon 341 Parazentese 599, 608 Parazonien 288 Parenchymkanal, Niere A1007, A1010, 1011 Parierfraktur 760 Paries anterior vaginae A1069, 1078 – – ventriculi 945, 947, 945, 947 – membranaceus tracheae 835, A836, 890 – posterior vaginae A1069, 1078 Parietalauge 405

Register

1310 Parinaud-Syndrom 405 Parkbanklähmung 736 Parkinson-Krankheit 409, 455, 491, 506, 507, 509 Parodontalerkrankungen 285 Parodontium 284, 292, 294 Paroophoron 1062, A1063, 1064, 1065 Parosmie 479 Parotisloge 241, A271, A352, 353 Parotitis 279 Parovarialzysten 1065 Parrot-Kaufmann-Syndrom 1100 Pars abdominalis aortae 69 – – ureteris 1015 – affixa hepatis A956 – alveolaris mandibulae A204, 205 – ampullaris tubae uterinae A133 – – urethrae 1094 – aryepiglottica musculi arytenoidei T333 – ascendens aortae 67 – – duodeni 942, 953, A972 – basalis telencephali 396 – – ossis occipitalis A179, 192, A193, A194, 213 – basilaris pontis 417 – buccopharyngea musculi constrictoris pharyngis 306, A307 – caeca retinae 551, A555, 567 – cardiaca ventriculi A945, 945, A946 – cartilaginea tubae auditoriae 610 – centralis 364 – – ventriculi lateralis A379 – ceratopharyngea musculi constrictoris pharyngis 275, 306, A307 – chondropharyngea musculi constrictoris pharyngis 275, 306, A307 – ciliaris iridis 561 – cochlearis nervi vestibulocochlearis 615, A617, A619, 627 – costalis diaphragmatis A802, A805, 805, A811 – cricopharyngea musculi constrictoris pharyngis 306, A307 – descendens aortae 67 – – duodeni 942, 953, 966, A972, A973 – distalis hypophysis 411, 546 – dorsalis pedunculi cerebri 413 – fixa penis 1094 – flaccida membranae tympanicae 597, A598, 598, 599, 600, 605

Pars funicularis ductus deferentis 1088 – glossopharyngea musculi constrictoris pharyngis A275, 306, A307 – horizontalis duodeni 942, 953, A972, A995 – inferior duodeni A995, 995 – infraclavicularis plexus brachialis 732 – inguinalis ductus deferentis 1088 – intercartilaginea 328, 330, 331, 333 – intermedia cerebelli 510 – – hypophysis 411, 544, 545, 546 – intermembranacea 328, 330, A332, 333 – intramuralis ureteris 1055, 1056 – intramuralis urethrae 1092 – iridica retinae 551, 560 – laryngea pharyngis 303, A304, 304 – lateralis ossis ethmoidalis 200 – – – occipitalis 192, A193, A194 – – – sacri A636 – libera columnae fornicis 378 – – hepatis 955 – – membri inferioris 1099 – – – superioris 657 – – penis 1094 – lumbalis diaphragmatis 804, A805, 807 – mediastinalis pulmonis 823 – membranacea septi interventricularis A857, A869, A870 – – – nasi 317 – – urethrae A1043, A1089, 1092, A1093, 1094 – muscularis septi interventricularis A854, A855, A857 – mylopharyngea 306, A307 – nasalis ossis frontalis A192, 316 – – pharyngis 303, A304, 309, 312, 317 – olfactoria cavitatis nasi 312, 318 – opercularis gyri frontalis inferioris A372 – optica retinae 551, A555, A562 – oralis pharyngis 303, A304, 304, 305 – orbitalis glandulae lacrimalis A582 – – gyri frontalis inferioris A372 – – ossis frontalis 191, A192, 209 – ossea tubae auditoriae 610

– palpebralis glandulae lacrimalis A582 – pelvica ureteris 1015, 1054 – pelvina ductus deferentis 1088 – pendula penis 1094 – perinealis penis 1094 – petrosa, Facies inferior 301 – – Margo superior A210 – – ossis temporalis 25, 179, A181, 196, 197, A199, 199, 210, 213, 592, 596, 610, 612 – plana corporis ciliaris A556, 561, 562, 566 – plicata corporis ciliaris 561 – postsulcalis 273 – praeprostatica urethrae 1092 – praestyloidea 352 – praeurethralis prostatae 1090, 1091 – presulcalis 273 – prostatica urethrae 1062, 1088, 1090, A1091, 1091, 1092, A1093 – pterygopharyngea 306, A307 – pupillaris iridis 561 – pylorica A942, A945, 945, A946, A1006 – respiratoria cavitatis nasi 312 – retrostyloidea 352 – sacculocochlearis 592 – scrotalis ductus deferentis 1088 – spongiosa urethrae 1064, 1092, A1093, 1094 – squamosa ossis temporalis A180, A190, 196, 197, A198, A199, 208, 211, 596, 600, A601, 610 – sternalis diaphragmatis A802, A805, 805 – superior duodeni A942, 942, 943, 952, 968, A972 – supraclavicularis plexus brachialis 730 – tecta columnae fornicis 378 – tensa membranae tympanicae A598, 599 – thoracica aortae 69 – thyroepiglottica musculi thyroarytenoidei T333 – thyropharyngea 306, A307 – triangularis gyri frontalis inferioris 473 – tuberalis hypophysis 411, 545, 546 – tympanica ossis temporalis A180, 196, 197, A198, A199, 208, 596, 598 – uterina tubae uterinae 1067, A1069 – utriculovestibularis 592

– ventralis pedunculi cerebri 413, 415 – vertebralis pulmonis 823 – vestibularis nervi vestibulocochlearis A419, 615, 616, A617, 627 Pars-planitis 567 Passavant-Wulst 306, 309 Pätau-Syndrom 121 Patella A34, A48, 49, 1102, A1102, 1103, A1118, A1119, 1119, A1120, A1122, A1123, 1125, A1140, A1145, A1146, 1148, A1149, A1152, A1161, 1193, A1201 – Fraktur 1103, 1196 – Luxation 1103 – partita 1103 Patellahochstand 1103 Patellarsehnenreflex 494, A495 Pathologie 3 Paukenerguss 599 Paukenhöhle 183., A184, 591, A594, 599, 600, 603, 609–613, 623 – Drüsen 606 – Epithel 605 – Mucosa 605 – Nerven A608 Paukenröhrchen 599, 602 Paukensaite 608 Pauwels 29 Pauwels-Einteilung 1116 PDA 864 pDC2 80, A81 PDGF 76 Pearl-Index 131 Pecten analis A1050, 1051 Pecten ossis pubis A915, A1028, A1029, 1029, A1034, 1035, 1144 Pediculi arcus vertebrae 632 Pedunculi cerebri 382 Pedunculus cerebellaris inferior 365, A381, A385, A390, 409, A412, A414, 415, 417, A418, A419, A421, 422, 474, 484, 486, 511, 513, 514 – – superior A385 – cerebri 366, 413, 415 – mamillaris 480 Pektoralisachselbogen 740 Pektoralistasche 691 Pellicel 289 Pelvis 1027 – major 1035 – minor 1035 – renalis 1005, A1006, 1014, A1015 Pendelbewegungen 994 Pendelshunt 66 Pendred-Syndrom 593 Penetration 133 Penicilli 981 Penis A152, A157, A1046, A1061, 1061, A1063, 1064, 1094

Register Pepsinogen 948 Pepsinsalzsäure 952 Peptid, atriales natriuretisches 841 Perforansvene 62, 63, A63 – direkte 63 – indirekte A63, 63 – Insuffizienz 64 Periarchicortex T397, 397, 398 periartikulär 34 Pericardium fibrosum A809, A815, 860 – serosum A809, A815, 860, A861 Perichondritis 596 Periderm 1219 Periduralanästhesie 440 Periduralraum 439 Perikard A809, A840, A842, A851, 860, A887, 898 – Entwicklung 155 Perikard-Epikard, Umschlagrand 860 Perikardhöhle A146, 146, A149, 815, 841, A841, A842 Perikardioperitonealkanäle 146 Perikaryon 91, 353 perilymphatische Räume 591, 593, A614, 615, 623, 625 Perilymphe 592, 601, 603, 604, 612, A614, 623 Perimetrium 986, 1074, 1075 Perinatalperiode 114 Perineum 1038, A1081, 1182 Perineurium 427, 439 Periorbita 218, 219, 578, A579, A580, 588, 589 Periorchium 918, 1085 Periost 22, A23, 26, 27, A813, 1222 – äußeres Durablatt A440 periphere DC2 80, A81 periportales Feld A960, 961 Peristaltik 65, 109 – Tränenwege 587 Peritinealhöhle 1073 Peritonealduplikaturen 931, 937 Peritonealflüssigkeit 986 Peritonealhöhle, Entwicklung 146, A149 Peritonealmakrophagen 83 Peritoneum 83, A653, A911, 912, A925, A926, A938, A1044, A1046, A1047, 1073, A1079 – Entwicklung 155 – parietale 913, 931, A1049 – – secundarium 937, 938 – viscerale 935, 955 Peritonitis 913, 931, 932, 986, 1000, 1002 perivaskulärer Raum, Virchow-Robin A434

1311 perivitelliner Raum A133, 133, 134 Perizyten 53, A434, 569 Perkussion 838 – Herz 876 – Milz 978 Perlgeschwulst 600 Perlia-Mediankern 463, A463, 467 perniziöse Anämie 72 Peroneuslähmung 1081 Peroneusloge 1162, A1163, A1164, 1197, 1200 Peroxisomen 76 Perseveration 539 Persistenz 168 Perthes-Calvé-LeggKrankheit 1114 Pes 1099 – adductus 1100, 1138 – anserinus 1119 – – profundus A1121, 1148 – – superficialis A1122, 1144, A1145, A1146, 1148, 1148, A1149, A1152, A1161 – calcaneus 1100, 1138, 1153 – cavus 1100, 1138 – equinovarus 1100, 1138, 1205, 1208 – equinus 1100, 1138 – metatarsovalgus 1100, 1208 – pedunculi 366 – planovalgus 1100, 1138 – planus 1100, 1138, 1208 – transversoplanus 1138, 1139 – transversus 1100 – valgus 1100, 1137, 1138, 1205, 1137 PET 537 Petiolus epiglottidis A326, 327, A328 Petit-Hernie 917 peudounipolare Neurone 101 Peyer-Plaques 91, 988 Pfannenband 1107, 1108, 1133, 1133, 1110, 1114 Pfannendach 1028 Pfanneneingangsebene 1111 Pfannenrand 1111 Pfannenrandkerbe 660, A674 Pfeilerzellen A621, 621, 622 Pferdehuftyp 288 Pferdeschwanz 425 Pflugscharbein 201, 208, 317 Pfortader 61, 66, 70, 963 Pfortaderkreislauf 51, 957 Pfortadersegmente A959 Pfortaderstauung 64, 969 Pfortadersystem 548 Pfortaderwurzel A973 Phagozyten 72, 83, 961 Phagozytensystem, mononukleäres 75, 961, 981

Phagozytose 53, 54, 60, 72–74, 77, 83, 86, 87, 122, 356, 567, 569 – frustrierte 72 Phalanges pedis 1099, 1105, 1110 Phalanx distalis manus 671, A737 – – pedis 1110, 1153 – media manus 671, 712, A737 – – pedis 1110 – proximalis manus 671, A769 – – pedis 1110 – – pollicis 714 Phänotyp 121 Phantomschmerzen 409 Phäochromoblastom 103 Phäochromozytom 103, 1019 Pharyngealbögen 153, 155, 182 pharyngealis 13 Pharyngealtaschen 155 Pharynx A241, 300, 302, A352, 352 – Anheftung 209 – Muskeln 183 – Pars nasalis 610 – Schleimhaut 305 Philippe-Gombault-Triangel A431 Philtrum A271 Phimose 1095 Phlebogramm A449 Phlegmone 57 Phokomelie 168, 658 Phonation 326 Phonationsstellung A332, 337 Photorezeptoren 553, 560, 567, A568, 568, 569, A569, 570, 572 – Außenglieder A571 – Außensegmente A568 – Disci 569 – Verbindungsstück 569, A569 Phototransduktion 568 Phrenikotomie 269 Phrenikuslähmung 898 Phrenologie 550 phrygische Mütze A967, 967 Phylogenese 2, 356 – Cortex cerebri 368 – Innenohr 593 physiologischer Flaschenhals A1174 – Querschnitt 44 Pia mater 433, 434, A434, 435 – – spinalis 439, A440 Piercing 788 piezoelektrische Phänomene 24 PIF 789

Pigmentepithel 551, 553, A554, A555, 562, 563, 566, 567, A568, 568, A571 Pigmentflecken 167 Pili 1223 Pilonfraktur 1103, 1200 Pinealom 405 Pinealorgan 549 Pinealozyten 549, 550 Pinozytose 74 Pinselarteriolen 58, A980, 981 Piskacek-Zeichen 170 Pituizyten 545 Placenta 51, 52, 83, 136, 142, 148, A148, 154, 158, 159, A160, 161, A162, 162, 163, A163, A164, 164, 165, 172, 786, 788 – discoidalis 162 – hämo-choriale 162 – hämo-monochoriale 162 – praevia 136, A137 Plagiocephalus A187, 187 planes Gelenk 35, A36 Planta pedis A1134, A1135, 1138, 1153, A1158, 1163, A1205, 1205, A1206, A1207 Plantaraponeurose 1137, 1208 plantare Platten 1136, 1137, 1157 Plantarflexion A1202 plantaris 13 Planum nuchae 191, T206, A207 – occipitale 191 – temporale 231 Plaques 58 Plasmalemm 85 Plasmazellen 73, A80, 84, 85, 86, 87, 311, 584, 586 Plasmozytom 85 Plastination 9 Plastizität, Gehirn 356, 529 – Hämatopoese 79 platelet-derived growth factor 76 Platte, palmare A689, A690, 690, 691 platte Sehne 43 Plattenepithel 305, 315, 334 – mehrschichtiges verhorntes 1219 Plattenepithelmetaplasie 890 Plattfuß 1100, A1138, 1138 Platysma 183, A225, A226, 230, 234, A235, A241, 241, A246, A261, 262, A268 A338, 343, 348, 350, 738, 792 Plazentafunktionen 163 Plazentagefäße 159, A160 Plazentalösung 158 Plazentareifung 159 Plazentaschichten 161 Plazentaschranke 85, 159, A160, 161, 163

Register

1312 Plazentasepten 161, A162 Plazentateile 161 Plazentazotten 158, 161 Pleura A811 – costalis A809, A813, 814, A815, 816, 817, A840, A879, A884, A1004 – diaphragmatica 814, 815, 817 – Entwicklung 155 – mediastinalis A809, 814, 815, 816, A840, 880 A884, 897, 898 – parietalis A782, 813, 814, A817, 818, 823, A1020 – pericardiaca 814 – pulmonalis A809, 814, A815, A831 – visceralis 814, 818, 823, 824 Pleuraerguss 819 pleurafreie Felder 818 Pleuragrenzen A782, A816, 817, T818, A887, A1004, A1020 Pleurahöhle 814, 816 – Entwicklung 146 Pleurakarzinose 819 Pleurakuppel 353, 813, 814, A817, 817, 822 Pleurametastasen 791 Pleurapunktion 820 Pleuraschwarte 819 Pleuraumschlag A851 Pleuraumschlagsstelle A887 Pleuritis 819, 820 Pleuroperikardialmembran 146, 815, 898 Pleuroperitonealfalte 804 Pleuroperitonealmembran 146, 804 Plexus accessoriocervicalis 268, 644 – aorticus 807, A872, A1022, A1024, 1025, 1066, 1086, 1087, 1096 – – thoracicus 895 – areolaris 790 – basilaris 453 – brachialis 97, 104, A236, 238, A241, A267, A270, A339, A348, 349, A694, 729, A730, 739, A741, 798, A817, A840, A879, A884, A887, 1226 – – Pars infraclavicularis A730, A741 – – Pars supraclavicularis A730 – canalis nervi hypoglossi 213 – cardiacus 102, 265, A310, A339, A840, A861, 871, A872, 898 – caroticus A246 – – externus 277, 279, 280, 281 – – internus 211, 263, 264, A607, A608 – cavernosus conchae 318

Plexus cervicalis 97, 235, 238, A246, 265, 266, A267, 267, 644, A645, 655, 793 – choroideus A360, 367, A384, A386, 441, 548 – – ventriculi lateralis A406, 442 – – – quarti A413, 443 – – – tertii 406, 442 – coccygeus 97 – coeliacus 109, 265, A879, 898, A951, 954, 965, 1024 – deferentialis 1088 – dentalis inferior 260 – – superior A257, 258 – entericus 990 – gastricus 1025 – – anterior A951, 951 – – posterior A951, 951 – hepaticus 965, 969, 1025 – hypogastricus 1001, 1052, A1053, A1079, 1086, 1088, 1096 – – inferior 1025, 1057, 1078, 1090 – – superior A1022, 1025, A1055, 1078 – iliacus 1025 – – internus 1016 – intercaroticus A246 – intraparotideus 262 – ischiadicus 97 – lienalis 1025 – lumbalis 97, 104, A1040, 1139, 1173, A1179, 1191, 1226 – – Läsion 1180 – lumbosacralis 97, 1024, 1100, A1149, 1173, A1176 – – Läsion 1180 – lymphaticus axillaris 727 – – plantaris A1174 – mesentericus inferior 1001, 1025, 1052 – – superior 954, 996, 1000, 1025 – mucosus 991 – muscularis mucosae 991 – – profundus 991 – – superficialis 991 – myentericus 893, 895 – – (Auerbach) 951, 988, A990, 990 – Nerven 97 – oesophageus A264, 265, A872, 895, 898, 898 – ophthalmicus 589 – ovaricus 1016, 1025, 1066, 1068 – pampiniformis A910, 1023, A1084, 1086ñ1088 – parotideus nervi facialis 279 – pelvicus 1078, 1084, 1087, 1090, 1092 – pharyngeus 263, 264, 311, A437 – phrenicus 269

Plexus pterygoideus 220, A250, 251, 252, 311, 319, 342, A437, 588 – pudendus 97 – pulmonalis 833, 898, 898 – – anterior 265 – – posterior 265 – pulpocapillaris 292 – rectalis A1054 – – inferior 1052 – – medius 1052 – – superior 1052 – renalis 1012, 1016, A1024, 1025, 1066 – sacralis 97, A915, 1039, A1040, A1046, 1052, A1072, 1142, 1144, 1175, 1178, A1179, 1226 – – Läsion 1180 – solaris 1024 – subareolaris 790 – submammarius 790 – submucosus (Meissner) 893, 988 – – externus A990, 990, 991 – – internus A990, 990 – suboccipitalis 455 – subserosus 991 – suprarenalis A1024, 1025 – sympathicus A840 – testicularis 1016, 1025, 1086, 1088 – thyroideus impar 335, 890 – tympanicus 260, A263, 263, 599, 607, A608 – uterovaginalis 1066, 1068, 1078, 1080 – vasculosus 65 – venosus areolaris 789 – – canalis nervi hypoglossi 252 – – caroticus internus 252 – – foraminis ovalis 211, 252 – – foraminis spinosi 252 – – oesophageus 964 – – pharyngeus 252, A310, 311, 607 – – prostaticus 1092 – – rectalis A964, 964, 1080 – – subcutaneus ani A1050 – – submucosus ani A1050 – – suboccipitalis A250, 655 – – uterinus 1066, 1068, 1076, 1080 – – uterovaginalis 1068, 1073, 1076 – – vaginalis 1080 – – vertebralis externus 252, A437, 454, A454, 455 – – – internus 213, 252, A437, 439, A440, 454, A454 – – vesicalis 1057, 1076, 1080 – – vesicoprostaticus A1046, A1054, 1090 – vesicalis 1057 Plexusanästhesie 732 Plexusbildung 98

Plexuslähmung 97 Plica(-ae) alaris 1125 – aryepiglottica 304, 327, A330, 330, A331, 333, A334, 334 – axillaris anterior 739 – – posterior 739 – bulboventralis 844 – caecalis vascularis 987 – ciliares A562 – circulares 953, A992, 986, 988, 992 – duodenalis inferior 986 – – superior 963, 986 – fimbriata 273, A280 – gastricae 947 – gastropancreatica 943, 949 – glossoepiglottica lateralis A273, 304, A305, 305 – – mediana A273, 304 – ileocaecalis 987 – incudis 605 – interarytenoidea 333 – interureterica 1056 – lacrimalis 587 – longitudinalis duodeni 953, A972 – mallearis anterior 597, A598, 605, A606 – – posterior 597, A598, 605, A606 – mediastinopulmonalis 823, A824, A825 – nervi laryngei A305, 335 – palatinae transversae 300 – palmatae 1073, 1074 – paracolicae 988 – paraduodenalis 963, 987 – rectouterina 986, A1047, A1049, A1065, A1067, 1071, 1073, 1078 – retrocaecalis 987 – sacrouterina A1072 – salpingopalatina 303, A304 – salpingopharyngea 303, A304, A305, 309, A317 – semilunaris conjuncticae 581, A582, 582, 584 – – coli 997, A998 – – Fossa tonsillaris 302 – spiralis (Heister) 968 – stapedis 605 – sublingualis 273, 280, A280 – synovialis 33 – – infrapatellaris A1119, 1125 – transversalis media recti A1049, A1050, 1051, 1052, A1067 – triangularis, Arcus palatoglossus 302 – umbilicalis lateralis A914, A915, 915, 920, A941, A983, A1049, A1067 – – medialis A914, A915, 915, A924, A925, A941, A983, A1049, A1067

Register Plica(-ae) umbilicalis mediana A914, 914, A915, A941, A983 – ureterica 1015, 1055, 1056, A1093 – venae cavae sinistrae 848 – vesicalis transversa 986, A1049, 1057, A1067 – vesicouterina 1071 – vestibularis A328, 329, A331, 333, A334 – vocalis A319, 328, 331, 333, 334 PMA 409, 497, 504, 537, 538, A540, 540 Pneumatisation 210, 322, 324, 587 – primäre 313 – sekundäre 313 pneumatisierte Räume 321, 599, 602, 610 Pneumatisierung 610 Pneumenzephalographie 442 Pneumothorax 56, 242, A818, 818 Pneumozyten 837, 838 PNS, Entwicklung 144 Podozyten 1007, A1009 Poirier-Raum A686 Poland-Symptomenkomplex 691 Polarität 15 Polarterien 1010 Poliomyelitis 517 Polkissen 1012 Polkörperchen 128, 134 Polpyramide 1005 Polsterarterie 64 Polus frontalis A367, A370, 371, A374, A375, A380 – occipitalis A367, A370, 371, A372, A374, A380 – rostralis 371 – temporalis A367, A369, A374, 377, A380, 389, A478 Polydaktylie 168, 658, 1100 Polyhydramnion 164, 891 Polymorphismus 16 Polyneuropathie 1187 Polypen, Rachen 611 Polypeptid, pankreatisches 976 – vasointestinales 574 Polyploidie 120 Polysomie 120 Polysomie (47, XXY) 121 Polyspermieblock 133 polysynaptisches spinales System 490, 495 Pons A319, 363, A364, 364, 365, A372, A378, A380, T382, A385, A390, A392, A393, 411, A413, A414, 415, 417, A418, A500, 502, A520 Pontocerebellum A510, 511, 513, 515 Poplitealzyste 1118

1313 Poren, intrazelluläre 61 Porendiaphragma 61 Porta arteriosa 861 Porta hepatis 957, 965, 970 Porta venosa 861 Portalgefäßsystem, Hypophyse A546, A547, 548 Portio major nervi trigemini 486 – supravaginalis cervicis A1069, 1070, 1075 – vaginalis uteri A1069, 1070, 1075, 1078, 1079 Porus acusticus externus 188, A189, A207, A232, A233, A595 – – – osseus A199 – – internus A198, 199, A210, A212, 213, A422, 446, 592, 625 – duralis 421 Positio uteri 1071 Positivwachstum 19 Posselt-Diagramm 224 posterior 13 Posticus 329 Postkoitalpille 131 postsynaptische Einfaltung A494 Potenziale, akustisch evozierte 471 – proliferative 75, 77 – visuell evozierte 461 Poupart-Band 905 PPFR (PPRF) 403, A462, 464 PP-Zellen, Pankreas 976 prä-B-Lymphozyt A80 Prä-Bötzinger-Komplex 834 Prächordalplatte A140, A141, 141, 142, 146, 148, 149, A149, 150, 153 Prädentin 282, A285, 290, 292 Praecuneus A369, 378, 380 Praeputium 1224 – clitoridis 1081, A1081, 1082 – penis A1093, A1095, 1095 Praesubiculum 398 Prägung 84 Prämaxilla 316 Prämolaren 297 Pränataldiagnostik 171 Pränatalmedizin 170, 173 Pränataltherapie 171, 173 prä-NK A80 präokzipitale Einkerbung 376 Präparation 3, 5, 6 Präparationstechnik 7 Präparieren, Angst 6 – rechtliche Fragen 6 Präparierkurs 3, 5–8 Präpariersaal 7, 9 Präsynapse A494 Prä-T-Lymphozyten A80, 888 Präzement 284

Presbyakusis 623 Presbyopie 564 Pressorezeptoren 244, 833 Primärfollikel A127, 128 – (lymph.) 84 – Milz 980 – Ovar 1065, A1065, 1066 Primärharn 1014 Primärpapillen 273 Primärzotten 159 Primaten 92 Primitivgrube 141, A141, 142, 154 Primitivknoten A140, A141, 141, 142 Primitivreflexe 489 Primitivrinne A140, 140, A141, 141 Primitivstreifen 77, 116, A140, 140, 141, A141, 142, 154 Primordialfollikel 126, A127 Proatlas 637 Processus 27 – accessorius A635, 635, 648 – alveolaris maxillae A202, 202, A203, 205, 316, 323 – anterior mallei 603, 608 – articularis inferior axis A633, – – inferior A632, 632, A634, A634, A635, A639 – – superior A797, A800 – – – ossis sacri A636, 637 – caudatus lobi caudati 957 – ciliares A562, A565 – clinoidei anteriores 193, A195, 209, A210, 211, A323, A436 – – medii 193, A195, A210 – – posterior 193, A195, A210, 211, A323 – cochleariformis A602, 602, 604, 605 – condylaris 182, A189, 203, A204, T206, 221 – coracoideus A659, 660, A662, 672, A673, 673, A675, 675, 691, 700, A702, A737, 738, 783 – coronoideus 203, A204, 231, A665, 665, A678, A680, 680, A681, A683, 707, 712, A737 – costalis A635, 635, A653, 648, 1031 – – vertebrae lumbalis II A1020 – ethmoidalis conchae nasalis inferioris 200 – falciformis 1031 – frontalis maxillae A202, 202, A203, A301, 313, 314, 317 – – ossis zygomatici 201, A201, 201 – globularis A301

Processus intrajugularis A193, A194, 209, 213 – lacrimalis conchae nasalis inferioris 200 – lateralis cartilaginis septi nasi 314 – – mallei A603, 603 – – tali 1107 – – tuberis calcanei A1107, 1108, A1135, 1156 – lenticularis incudis A601, A603, 603, 604, A606 – longus incudis 608 – mamillaris A635 – mastoideus 29, A189, 197, A198, A199, 199, T206, A207, 208, A233, 235, A239, A266, A271, 600, A601, A609, 648, 654 – maxillaris conchae nasalis inferioris 200 – – ossis zygomatici 201, A201 – medialis tuberis calcanei A1135 – muscularis A326, 327, 330 – orbitalis ossis palatini A202, A217, A323 – palatinus maxillae 202, A203, 206, A207, 218, 299, 300 A314, 316, A579 – papillaris lobi caudati 957 – posterior tali A1106, 1107, A1108, 1132 – pterygoideus 179, 192, 193, 208, 220, A263, A314, A316, A323, A576, A586 – – Lamina lateralis 194, A195, A207, 220, 233, 309 – – Lamina medialis 194, A195, A207, 302, 303, 306 – pyramidalis ossis palatini 194, 201, A323 – sphenoidalis ossis palatini A202 – spinosus vertebrae A241, A630, A632, 632, A634, 634, A635, 635, A638, A639, A651, A653, A875, 1036 – styloideus A180, 182, A189, A198, A199, A207, 208, 222, A233, 237, A239, A263, A271, 275, 309, A352, 352, A601, A606, A609 – – ossis metacarpi tertii A667, 669, 713 – – radii A665, 666, A667, A668, A669, A683, A684, 713, A737, 759 – – ulnae A665, 665, 666, A667, A668, A669, A683, 683, A684, A705, A737, A758, 759 – supracondylaris humeri A664, 664, 749

Register

1314 Processus temporalis ossis zygomatici 201, A201 – transversus A 632, 632, A639, 796, A800, 800, A809 – – atlantis A239, A633 – – axis A633, 633 – tympanicus 197 – uncinatus ossis ethmoidalis A316, 317, 324 – – pancreatis A972, 972, A974 – vaginalis peritonei 918, A924, A926, 1063, 1085 – vocalis A326, 327, A328, 328, 331 – xiphoideus 781, 783, 793, A795, 795, A799, 805, 912, A941 – zygomaticus 188, 191, A192, 197, A198, A199, A202, 202, 610 profundus 13 Progenese 114, 115 – männlich 122 – weiblich 125 Progesteron 128, 129, A129, 136, 138, A547, 788 Projektion, kortikopontozerebelläre 511 – mesolimbische dopaminerge 506 Projektionsfasern 368, 402, 534 Projektionsneurone 427 Projektionssystem, dopaminerges 509 Proktodäaldrüsen A1050, 1051 Prolaktin 136, A547, 788 Prolaktin-inhibierenderFaktor 789 Prolaktinom 548 Prolaps 1073 Prolapsus ani 925 – uteri et vaginae 925, 1071 – recti 925 Proliferation 79, 115 Proliferationskapazität 74 Proliferationsphase, Endometrium A129, 130 Prominentia canalis facialis 601 – – semicircularis lateralis A602, 602, 613 – laryngis A235, A236, 325, 336 – mallearis 597, A598 – spiralis A619, 620 Promontorium A171, A631, A1032, 1032, 1035, 1036, A1037, A1146, A1149, A1185 – cavitatis tympanicae 600, 601, A602, 602, 606, A609, 612, A625 – ossis sacri 1035 Pronation 14, 35, 37, 681, A1129 Pronatorkanal 707, A731

Pronatorschlitz 755, 756 Pronator-teres-Syndrom 756 Proontogenese 114, 115 Prophase, Meiose 118, A119, 126 – Mitose 118 Proportionsverschiebungen 20 Propriozeption 40, 45, 46, 475, 482 propriozeptiv T488 Propriozeptoren 481 Prosencephalon 153, 363, A364, T382 Prosenzephalie 121 Prosenzephalonbläschen 377 Prosodie 523 prospektive Bedeutung 114 prospektive Potenz 114 Prostata 125, A915, A938, A1046, A1053, 1053, 1057, A1061, 1061, A1063, 1088, A1089, 1090, A1090, A1091, A1093 – Zugangswege 1091 Prostatadrüsen A1091, 1091 Prostatahypertrophie 1090 Prostatakarzinom 1091 Prostatasekret 1092 Prostatasonographie A1090 Prostatasteine A1091, 1091 Proteinurie 1014 Proteoglykane 53 protopathisch T488 Protozoen 73 Protrusio acetabuli 1114 Protrusion 14, 223, 231, 233 Protuberantia mentalis A204, 205 – occipitalis externa 191, A194, T206, A207, 209, 629, 654 – – interna A193, A210, 213, A436, 453 proximalis 13 Prune-billy-Defekt 168 Prussak-Raum 605 Prussak-Tasche 599 pseudoautosomale Region 118 Pseudodeziduareaktion 130, 136 Pseudodeziduazellen 130 Pseudomastoiditis 596 Pseudotumor 600 Pseudozyste 662 Psoasarkade A805, 805 psychische Situation 6 Psychochirurgie 525 psychomotorische Störungen 399 Pterygium colli 121 Ptosis palpebrae 468, 464, 574, 583 – ventriculi 947 Pubertas praecox 545, 1019

Pubertät 19, 20, 123, 126, 128, 789, 1064, 1066, 1086, 1225 Pubertätsakzeleration 20 Pubes 1029, 1223 Pudendum femininum 1061, 1080 Pulmo 821 – dexter A824 – sinister A825 Pulmonalklappe 856, A876 Pulmonalstenose A846, 846 Pulpa alba 979 – dentis 287, 292 – rote 90, 979 – rubra 979 – weiße 90, 979 Pulpaarterie A980, 980 Pulpahöhle 284, 288 Pulpahörner 291, 298 Pulpanekrose 295 Pulposushernie 427 Pulpozyten 292, 295 Puls 53, 59 Pulsader 52, 724, 734 Pulsfühlen 109 Pulsmessung 342 Pulstaststellen 349, 724, 1198, 1203 Pulswelle A56 Pulvinar acetabuli 1111 – thalami 367, A390, 404–406, A407, 407, 409, A412, A413, A457 Punctum fixum 41 – lacrimale 581, A582, 586 – mobile 41 – nervosum 267 Punktmutation 122 Punkt-zu-Punkt-Diskrimination 481 Pupillarmembran 553, 554 Pupille 55, 551, 558–560, A562, A582 – Anomalie 574 – Erweiterung 574 – Öffner 561 – Reflexe 573, 574 – Schließer 561, 574 Pupillenreflex 402, 405, A457, 458, 468 Pupillenstarre 468 Pupillenverengung 467 Pupillomotorik 464, 574 Pupillotonie 574 Puppenkopfphänomen 476 Purkinje-Fasern A868, 868, 870 Purkinje-Zellen 475, 511, 512 Putamen 93, T382, A384, A386, A388, 389, 398, 399, A403, A406, A446, 505, A505, 507, A526 Pyarthros 1118 Pyelographie A1015 Pyelon 1014 Pykniker 945 Pylorus A945, 945, A989 Pylorushypertrophie 991

Pylorusstenose 991 pyramidalmotorisches System 93, 491, 497 Pyramide 209, 422, 497, 499, A500, 502 Pyramidenbahn 403, 451, A470, 497, 498, 499, A500 Pyramidenbahnläsion 484 Pyramidenkreuzung 422 Pyramidenschicht A498 Pyramidenseitenstrangbahn A428, A486, A500, A428, A486, A500 Pyramidenzellen 497, A500, 529, A533, 534ñ 536 Pyramis A372, A380, A381, A421 – cerebelli A366, 510 – renalis 1005, A1006 P-Zellen 570

Q Quadranten, Trommelfell 598, A598 Quadrantenanopsie 458, A459, 459 Quadratum 182 Quadratusarkade A805, 805 Quadrizepssehne 1118, 1125, 1148 Querbalken A212, 214, 423 Querfortsätze 784, 796 Quergurtung der Bauchmuskeln 912 Querschnittsläsion 109 Querverbindung, hintere 402 – vordere 401 Querwölbung des Fußes 1105, 1109, 1135–1137, A1138, 1156 Quincke-Ödem 581

R RA T488 Rabenschnabelfortsatz 783 Rachendachhypophyse 548 Rachenmandeln 303, 611 – Entzündung 656 Rachenmandelwucherung 187 Rachenmembran 142, A149, 150, 153 Rachenring (Waldeyer), lymphatischer 311 Rachischisis 145 Radfahrerlähmung 763 Radgelenk 35, A36, 679, 682, 800 radialis 13 Radialislähmung 664, A736, 751 Radialispuls 761 Radialistunnel 755 Radiatio acustica A403, 404, A470, 471, 472

Register Radiatio corporis callosi 401 – optica 401, A403, 404, A457, 458 – thalami A401, 402, A402 Radii medullares (Ferreini) 1007 Radius 29, A665, 666, A667–A670, A678–A681, A684, A754, A757 – Aplasie 658 – Fraktur 666, 756 Radiusperiostreflex 494 Radix(-ices) dentis 287, A288 – dorsalis (posterior) nervi spinalis A95, 95, A362, A363, 426, A428, A430, A440, 481, 482, A485, A814 – lateralis nervi mediani A731, A741 – linguae 272, A319 – longa 589 – medialis nervi mediani A731, A741 – mesenterii 938, A939, 942, 985 – mesocolica 972, 973, 982, 983 – motoria A258 – – N. infraorbitelis 258 – nervi spinalis A427 – oculomotoria 255, A463, A585, A586, 589 – – ganglii ciliaris A255 – parasympathica 1057 – penis 1094 – pulmonis 823 – ventralis A95, 95, 104, A814 – – (anterior) nervi spinalis A362, 426, A428, A430, A440, 492, A500 Radspeichenstruktur 85 Rahmenkonstruktion 216 Ramus(-i) acetabularis arteriae obturatoriae 1111, 1170 – acromialis A738, A792 – – arteriae suprascapularis 883 – – – thoracoacromialis A721 – ad pontem A310, A444, 446 – alveolares superiores anteriores A257, 258, 288 – – – posteriores A219, 258, 288 – alveolaris superior medius A257, 258 – – – posterior A257, A607 – anastomoticus A1190, A1192, A1209 – anterior arteriae obturatoriae 1170 – – arteriae renalis 1009 – – nervi cutanei antebrachii medialis A725

1315 Ramus(-i) anterior nervi spinalis 431 – articulares nervi mediani 732 – ascendens arteriae colicae sinistrae 999 – – sulci lateralis A372 – atriales A864, 864 – atrialis anastomoticus A864, 864 – – dexter A864 – – intermedius A864, 864 – atrioventriculares A864, 864 – atrioventricularis sinister A864 – auriculares 247, 597 – – anteriores 248 – auricularis nervi facialis 599 – – – vagi 207, 263, A264, 264, A269, A264, 598, A608 – bronchiales 69, 898, A884, 823, 831, A824 – – anteriores 265 – – aortae 880 – – arteriae thoracicae internae 882 – – posteriores 265 – buccales nervi facialis A261, 315 – calcanei A1168, 1169 – – laterales A1171, 1180, A1201, 1203 – – mediales A1179, 1180, 1203, A1204 – cardiaci 889 – – cervicales inferiores 265, A310, A861, 871, 872, A879, 898 – – superiores 265, A310 – – thoracici 872, 898 – cardiacus cervicalis superior 872 – – inferior A264 – – nervi vagi 345 – – superior A339 – caroticotympanici 606, 607 – carpalis dorsalis arteriae radialis A721, 723, A768 – – palmaris arteriae radialis A721, 723 – – – arteriae ulnaris A721 – centrales arteriae cerebri anterioris et mediae A444, 445, A446 – choroideus arteriae posterioris A444 – circumflexus arteriae coronariae sinistrae 863, A864, 865 – – peronealis 1169 – clavicularis A738, A792 – – arteriae thoracoacromialis A721 – coeliaci 265 – colicus arteriae ileocolicae 999

Ramus(-i) colli nervi facialis 234, A246, A261, 267, A268, 343 – communicans 97, 1024 – – Sympathicus A879 – – albus A95, 96, 104, 106, A814, 898 – – cum chorda tympani A281 – – – ganglio ciliari A256, 257, 589 – – – nervo auriculotemporali A261, A281 – – – – faciali 260, A268, 279 – – – – hypoglosso 260 – – – – lacrimali 586 – – – – laryngeo inferiore A305 – – – – nasociliari A585, 589 – – – – transverso colli A268 – – – – ulnari 733, 735, A768 – – – – zygomatico A256, 256, A580, A585, A586 – – – plexu tympanico 260, A261, 263 – – – ramo meningeo A281 – – griseus A95, 96, 104, 106, 351, 898, A814 – – peroneus 1169, A1177, 1178, 1180 – communicantes A440 – coni arteriosi 863, 864, A864 – corticales arteriae cerebri mediae A444 – cricothyoideus 247, 335 – cutanei anteriores A738, 791, A792, A814, 820 – – – nervi femoralis A922, A1171, A1179, A1190, 1191, A1192 – – arteriae thoracicae internae 882 – – cruris mediales nervi sapheni A1171 – – laterales 738, A738, 791, 793 – – posteriores A745 – cutaneus lateralis 95, 96, A645, 654, A792, A814, 820 – – – nervi iliohypogastrici A1171, A1179, 1183 – – medialis 95, 96, 654, A655, 655, A814 – – nervi obturatorii A1171, A1179, A1190, 1191 – – posterior A645 – – thoracalis lateralis A692 – deltoideus A738, A792 – – arteriae thoracoacromialis A721, A741 – dentales inferiores A258, 260 – dentalis superior A257

Ramus(-i) descendens arteriae colicae sinistrae 999 – – nervi hypoglossi 345, A267 – digastricus A261, 262, 263, A608 – dorsales lingae nervi glossopharyngei A305 – dorsalis nervi spinalis A95, 96, 97, 104, 644, A645, 648, 654, 655, A814, A1020 – – arteriae intercostalis supremae 883 – – – segmentalis A451 – – linguae 247 – – – ulnaris A726, A731, 734 – – Th XII A692 – femoralis nervi genitofemoralis 1160, A1171, A1176, 1191 – frontalis arteriae cerebri anterioris A444 – – – temporalis superficialis A225 – ganglionares 280, 281, A281 – – trigeminales 244 – gastrici A949 – – anteriores A264, 265, 898 – – posteriores A264, 265, 898 – geniohyoideus 266 – genitalis nervi genitofemoralis 1084, 1088, 1097, A1171, A1176 – gingivales inferiores A258, 260 – – superior A257 – glandulares arteriae facialis 237 – – – thyroideae inferioris 883 – hepatici A264, 265, 898, 965 – hypophysialis A444 – ilealis arteriae ileocolicae 999 – inferior ossis pubis A1028, A1029, 1029, 1042, A1043, 1045, 1082, 1144, 1147 – infrahyoideus 247 – infrapatellaris nervi sapheni A1171, A1176, A1190, A1192, 1196, – inguinales 1166 – intercostalis anterior 801– 803, 819, A814, 882 – interganglionares 104, 871 – intermedius, Herz 864 – internus nervi accessorii 264, A264 – interventriculares septales 863, A864 – interventricularis anterior A851, A862, 863, A864, 865, A887

Register

1316 Ramus(-i) interventricularis posterior 864, 865, A864, A867 – intestinales 265 – isthmi faucium 260 – labiales anteriores 1083, 1166 – – – nervi ilioinguinalis 923 – – inferiores A258, 260 – – posteriores 1083, A1083 – – superiores A257 – – – N. infraorbitalis 258 – lateralis A864 – lienales 265 – linguales nervi glossopharyngei 263, A263, A608 – – – hypoglossi 266 – – – lingualis A258 – malleolares laterales A1168, 1169 – – mediales A1168, 1169 – mammarii arteriae thoracicae internae 882 – – laterales 789, 820 – – mediales 789, 820 – mandibulae 203, 220, A271, A352 – marginalis dexter A864, 864 – – mandibulae A219, A246, A248, A261, 343, A344 – – sinister A864, 864 – mastoidei 247 – mediastinales 69 – – aortae 880 – – arteriae thoracicae internae 882 – membranae tympani 260 – meningeus 96 – – arteriae vertebralis 881 – – nervi hypoglossi 266 – – – mandibularis 211, 259, A585 – – – maxillaris A585 – – – trigemini A416 – – – vagi A264, 264 – mentales A258, 260 – musculares plexus sacralis 1178 – musculi stylopharyngei 263 – nasales externi A257, 258 – – interni 258, 318 – – laterales 257, 318, A319 – – mediales 257, 318, A320 – – posteriores inferiores A257, 258 – – – – laterales A319, 320 – – – superiores A257 – – – – laterales 220, 257, A319, 320, 325 – – – – mediales 220, 258, 320, 321, 325 – nasalis externus 257, A269, 318, A320, 589 – nodi atrioventricularis 864, A864

Ramus(-i) nodi sinuatrialis 864, A864 – – – dexter A864 – occipitalis 247, A261, 262 – oesophageales arteriae gastricae 69, A949, 949 – – – thyroideae inferioris 883 – – nervi vagi A310 – oesophagei A264, 265, 895, 898 – – aortae 880 – oesophageus A814 – omentales 949 – orbitales A257 – – nervi maxillaris 325 – ossis ischii A1028, A1029, 1029, 1031, A1043, 1043, 1045, 1144, 1147 – ovaricus arteriae uterinae 1065, 1066, 1073, 1076, A1077 – palmaris nervi mediani A725, 733 – – – ulnaris A725, 734 – – profundus 723 – – – arteriae ulnaris A721 – – superficialis arteriae radialis A721, 723 – – – arteriae ulnaris A721 – palpebrales inferiores A257, 258, A580, A582 – – – lacrimalis A580 – – – supraorbitalis A580 – parotidei 248 – – nervi auriculotemporalis 260 – pectorales A738, A792 – – arteriae thoracoacromialis A721, A741 – perforans 766, 769, A814 – – arteriae interosseae anterioris A758 – – – peroneae A1168, 1169 – – – thoracicae internae A738 – perforantes 13, 1128, A1168, A1209 – – arteriae thoracicae internae A792, 882 – pericardiaci 69, 862 – – aortae 880 – – nervi phrenici 269 – perineales 1178 – perinealis nervi cutanei femoris posterioris A1083 – pharyngeales arteriae thyroideae inferioris 883 – pharyngei nervi glossopharyngei 263, A263, A608 – – – vagi A264, 264, 302, A310 – phrenico-abdominales nervi phrenici 269 – phrenicoabdominalis 807 – plantaris profundus 1206 – posterior arteriae obturatoriae 1170

Ramus(-i) posterior arteriae renalis 1009 – – nervi cutanei antebrachii medialis A725 – – – spinalis A372, 431, 492 – – sulci lateralis A447 – – ventriculi sinistri 864, A864 – posterolateralis dexter 864, A864 – – sinister A864, 864 – profundus arteriae transversae colli A741, 883 – – nervi radialis A731, 735 – – – ulnaris A731, 734 – pterygoidei 249 – pubicus arteriae obturatoriae 1166, 1170 – pulmonales 898 – pyloricus 965 – renales 265 – saphenus 1166 – scrotales 1166 – – anteriores nervi ilioinguinalis 923 – septales anteriores A864 – – posteriores A864 – – – arteriae sphenopalatinae 319 – sinus carotici A246, 263 – – cavernosi 244 – spinales arteriae cervicalis ascendentis 883 – – – intercostalis supremae 883 – – – sacralis lateralis 1170 – – – vertebralis 881 – spinalis 450, A450, A451, A814 – – arteriae intercostalis A440 – splenici 979 – stapedius 247, 605, 609 – sternales arteriae thoracicae internae 882 – sternocleidomastoidei 247, 268 – stylohyoideus A261, 262 – – nervi facialis A608 – stylopharyngeus A263, A266 – subscapulares arteriae thoracoacromialis 720, A721 – superficialis arteriae transversae colli 883 – – nervi radialis A725, A726, A731, 735 – – – ulnaris A731, 734 – superior ossis pubis 911, A1029, 1029, 1144 – suprahyoideus 247 – suprahyoideus arteriae lingualis 237 – sympathicus Ganglion submandibulare A281 – – Ganglion ciliare 589 – temporales nervi facialis A261

Ramus(-i) temporales superficiales 260 – tentorii 256 – – nervi ophthalmici A585 – thenares nervi mediani A731, 733, 765 – thymici 882, 888 – thyrohyoideus A266, 266, A267, A270, A344, 345 – thyroideus A246 – tonsillaris A263, 263 – tracheales 265, 890 – – arteriae thyroideae inferioris 883 – – nervi vagi A264, A310 – transversi, Grenzstrang 104 – trapezius 268 – tubarius A1077 – – arteriae ovaricae 1068 – – – uterinae 1068, 1076 – ureterici 1055 – vaginales 1080 – ventralis nervi spinalis A95, 95, 97, 97, 492, 644, 654 A813, A814, A879 – ventricularis dexter A864 – zygomatici nervi facialis A261, A261 – zygomatico facialis A248, A256, 257, A257, A261, A269 – – temporalis A248, 257, A257, A269 Randleiste 29 – Wirbel 632, 638 Randschlingennetz (Auge) A560 Randvenole 562 Randwulst 24 Rankenarterie 59 Ranula 277 Raphe horizontale A571, 571 – musculi mylohyoidei A236, 347, 238 – perinei 1038 – pharyngis 306, A307 – pterygomandibularis A219, 228, A232, A271, 306, A308, A352 – scroti 1096 Rapidly-adapting-Rezeptoren T488 Rascetta A719, 760, 761, 763 Raschkow-Plexus 292 Rasmussen-Bündel 470 Rathke-Tasche 179, 545 Rauigkeit 27 Rauschgifte 169 Rautengrube 415, 416, 443 Rautenhaube 416 Rautenhirn 108, A364, 415 Rautenhirnbläschen 363 Raynaud-Syndrom 724 RCA 864 RCG 456 RCX 863, 864 Reaktionsschwelle 109

Register Reaktionszentrum 84, 87, 311 Receptaculum seminis 1078 Recessus alveolaris sinus maxillaris 322, 323 – axillaris A673, A674, 674, A676, 676 – cochlearis 612 – costodiaphragmaticus 803, 804, 809, A809, A811, A815, 816, A816, 817, 822, A875, 978, A1004, 1005, 1021 – diaphragmatico-mediastinalis A828 – duodenalis inferior 986 – – superior A985, 986 – durae matris spinalis 439 – ellipticus 612, A624 – epitympanicus A259, 600, A601, 601, 603, A606, 610 – frontalis sinus maxillaris 322 – hepatorenalis 944 – hepatorenocolicus 944 – ileocaecalis inferior 987, A987 – – superior A983, A987, 987 – inferior bursae omentalis 943 – infundibularis A371, A436, A441, 443 – intersigmoideus 984, 987 – labyrinthi 592 – laterales ventriculi quarti A441, 443, 417 – lienalis bursae omentalis 943 – membranae tympanicae 605 – opticus A371, A441, 443, A580, A585 – palatinus sinus maxillaris 322 – paraduodenalis 987 – pharyngeus A594 – – (Rosenmüller) 303, A304,A317, A319 – phrenicomediastinalis 817 – pinealis 405, A441 – piriformis A273, A305, 305, 326, A334, 335 – pleurales 816 – posterior fossae interpeduncularis A414 – pubicus fossae ischioanalis A1046 – retrocaecalis A987, 987 – retroduodenalis 987 – retrooesophageus A809, 817, 897 – sacciformis A679, A680, 680, A681, A683, 683, A684, A754 – sacculi A624 – sinus frontalis 324 – sphaericus 612, A624 – sphenoethmoidalis 316, A317, 317, 325

1317 Recessus subhepatici A944, 944 – subphrenici A944, 944 – subpopliteus A1121, 1125, 1128, 1156 – superior bursae omentalis 943 – suprapinealis A436, A441 – tibiofibularis 1128 – ulnaris 684 – utriculi A624 – vertebromediastinalis 817 – zygomaticus sinus maxillaris 322 Rechtshänder 15, 542 Rechts-Links-Desorientierung 376 Rechts-Links-Shunt 66 Rechtsmedizin 3 Rechtsverschiebung 72 Rechtsversorgungstyp A865, 865 Rectum A171, A915, 934, A938, A939, A1022, 1038, A1040, A1046, 1049, A1049, A1050, 1051, 1052, A1053, 1053, A1055, 1057, A1060, A1067, A1072, A1079, A1090 – fixum 1052 – mobile 1052 Recurrens-Lähmung 335 Redlich-Obersteiner-Zone 482 Reduktionsteilung 118 Reflexbahn, akustische 471 Reflexbogen 101 – primärer 490 Reflexe 489, A491 – bulbäre 519 – kardiovaskuläre 109 – kutiviszerale 433 – monosynaptische A491, 494 – okulozephale 476, 519 – optische 458 – polysynaptische A491 – pulmonale 109 – vegetative 109 – vestibulookuläre 465, 467, 515, 519 – visuelle 365 – viszero-kutane 110 – viszerosensiblesomatomotorische 110 – viszero-somatomotorische 109, 110 – viszero-viszerale 109 Reflexhammer A495 Reflexkollaterale 516 Reflexstatus 495 Reflexzeit 496 Reflux, pyelorenaler 1015 – pyelotubulöser A1015 – pyelovenöser 1015 Refluxhemmung 55 Refluxoesophagitis 807, 895, 896 Refraktionsanomalie 564

Regelblutung 170 Regelkreis, motorischer 506 – polysynaptischer 495 Regenbogenhaut 560 – Entzündung 561 Regeneration 21 Regio abdominis inferior 903 – – media 903 – – superior 903 – analis A1083, A1097 – antebrachii anterior A752, A753, 759 – – posterior 759, A758 – axillaris 739 – brachii 746 – – anterior A747, 748 – – posterior 749, A750 – calcanea 1202, 1204 – carpalis anterior 760, A762, A765 – – posterior A768 – cervicalis anterior 325 – cingularis T397, 398 – colli anterior 235, 343 – – lateralis 237, A344, 347, A348 – – mediana 347 – coxae 1182 – cruris 1197 – – anterior 1200, A1201 – – posterior 1198, A1199 – cubitalis anterior 751, A752, A753 – – posterior 756 – deltoidea 743, A745 – diagonalis 395 – entorhinalis T397, 398, 401, A522–A524, A527, A528, A530 – epigastrica 903, A904, 940, 946 – faciei 342 – femoris 1184 – – anterior 1148, 1189, A1190, A1192 – – posterior 1148, 1187, A1188 – genus 1193 – – anterior 1193, A1195, 1196 – – posterior 1193 – glutealis 629, 654, 1048, 1182 – hyoidea 347 – hypochondriaca 940 – – dextra 903, A904 – – sinistra 903, A904, 978, 946 – hypogastrica 979 – infraclavicularis 736, A738 – inguinalis dextra 903, A904 – – sinistra 903, A904 – laryngea 325, 347 – lateralis dextra 903, A904 – – sinistra 903, A904 – lumbalis 1019 – malleolaris lateralis 1203

Regio malleolaris medialis 1203, A1204 – nuchae 629, 654, A655 – obturatoria 1193 – olfactoria 477 – parotideomasseterica 278 – pedis 1200 – periamygdalaris 395, 396, 478, A478 – perinealis A1083, A1097 – periseptalis 395 – peronealis 1200, A1201 – poplitea 1187, A1194, A1195, 1195 – praeoptica 406, 408 – praepiriformis A392, 395 – praesubicularis T397, 398 – pubica 903, A904 – respiratoria 318, A322 – retrobulbaris 395 – retromandibularis 346 – scapularis 744, A745, A750 – sternocleidomastoidea 350 – subhyoidea 347, 243 – sublingualis 279, 280, A280, A319, 343, 1189, 1191 – submandibularis 279 – submentalis 347 – talocruralis anterior 1202 – – posterior 1202 – thyroidea 347 – trachealis 347 – umbilicalis 903, A904 Regionen, mesenzephale lokomotorische 509 Regiones malleolares 1202 Regulation, endokrine 98 – humorale 98 – parakrine 98 Reichert-Knorpel 182 Reifeteilung (s.a. Meiose) 117, 118, A119, 120, 123, 126, 128, 134 Reifezeichen 158, 1063, 1099, 1102, 1109, 1223 Reifung 19 Reifungsperiode 19 Reifungsphase, Spermatogenese 123 Reinke-Ödem 334 Reissner-Membran 593, 620, A620, A623 Reiterknochen 1147 Reithosenanästhesie 427, 1081, 1193 Reithosenparästhesie 1048 Reiz, adäquater 615, 616 Reizdentinbildung 295 Reizfrequenz 622 Reiz-Reaktionsgeschehen 489, 495 Reizverstärker 1228 Rekanalisation 115 Reklination 640, 641 Rekombination 118 Rektovaginafistel 1079 Rektumkarzinom 1053 Rektumpfeiler 1071

Register

1318 Rektumschlinge 984 Rektusdiastase 918 Rektusscheide 691, 805, 905, A906, A907, 907, 909, 911, 912, 1166 Rekurrenslähmung 880 Relaiszellen A95 releasing factors 544, 546 Ren A653, A919, A936, A937, A939, A944, 1003, A1004, A1006, A1020, A1022, A1024, A1060– A1063 – Capsula fibrosa A1006 – Extremitas inferior A1006 – Extremitas superior A1006 – Margo lateralis A1006 – Margo medialis A1006 Renculus 1007, 1012 Renin 1012 Renkulusniere 1003 Replikation 116, 118 Reposition 35 Repräsentationsfelder 499 rER 85 Reservestreckapparat A1120, 1120 Residualkapazität 834 Residualkörper 122, 123 Residualvolumen 834 Resonanzorgan 312 Resorptionslakunen 291 Respirationstrakt 312 respiratorisches Netzwerk 834 Restricta A719, 761 Retardierung, mentale 121 Rete acromiale 883 – arteriosum acromiale 722 – – scapulare 722 – articulare cubiti 722, 723, 755 – – genus 1166, 1187, 1196 – calcaneum A1206, A1207 – carpale dorsale 723, 724, A768, 769 – – palmare 723 – centroarticulare 1169 – infrapatellare 1166 – malleolare laterale 1169, 1169, 1203 – – mediale 1203, A1204 – mirabile 66 – palmare A728 – patellare 1166, A1190, A1192, 1196 – testis 1062, 1085, A1085, 1087 – venosum dorsale manus 724, 767 – – – pedis 1170 – – plantare 1170, 1172 Retention 285 Retentionszysten 1224 Retikularissystem, absteigendes 519 – aufsteigendes 518 Retikulierungszone 311 Retikulinfasern 87

Retikulum, entodermales 139 Retikulumzellen 80, 84, 85, 87 – dendritische 84 – epitheliale 887 – interdigitierende 85 Retina 65, 367, A457, A459, 469, 551, 553, A554, A555, A562, 567, A571, A579 – Entwicklung 155, 553 – Ganglienzellen 552 – Gefäße 551, 567, 568 – nasale A571 – Neurone 456 – Schichten 567, A568, 568, A571 – temporale A571 – Zellen 569 Retinacula cutis 597, 763, 788, 1165, 1182, 1208, A1220, 1222, 1224, 1226 Retinacula patellae 1148 Retinacula uteri 1071 Retinaculum extensorum 685, A705, A758, 767, A768, 769 – flexorum 667, 685, A709– A711, 714, 716, A719, A753, 761, A762, A765 – musculorum extensorum A704, 716 – – – inferius 1133, 1150, A1151, A1152, 1153, 1156, 1162, 1165, 1169, A1201, 1208, A1209 – – – superius 1150, A1151, 1153, 1162, 1165, 1169 – – flexorum A1154, A1155, 1157, A1159, 1163, 1165, 1169, 1203 – – – Lamina profunda A1152, A1204 – – – Lamina superficialis A1152, A1204 – – peroneorum inferius A1131, A1151, 1153, A1155, A1158, A1159, 1162, 1203 – patellae laterale A1120, A1140, A1146, 1148, A1151 – – longitudinale 1120 – – – laterale 1118, 1127 – – – mediale 1118 – – mediale A1120, A1146, A1152 Retinapigment 154 Retinitis 566 Retinoid-Embryopathie 593 Retinopathia diabetica 566, 572 – hypertensiva 572 Retroflexio uteri A1070, 1071 Retropositio tibiae 1103 – uteri 1071 Retrotrusion 223

Retroversio tibiae 1103, 1127 – uteri 1071 Retroversion 35, 37 Retrusion 14, 233 Retzius-Linien A289, 289 Rex-Cantlie-Linie 958 Rexed-Gliederung 429 Rezeptoren 114, A357 – Gefäßwand 56 – vestibuläre 613 – ionotrope Transmitter 507 Rezeptorsysteme, metabotrope Transmitter 507 Rhabdosphincter 1094 Rhinencephalon A365, 375, 395, 477, A478 Rh-Inkompatibilität 164 Rhinoscopia anterior 313 Rhizarthrose 687 Rhodopsin 569 Rhombencephalon 153, 363, A364, A365, T382, 415, 443 Rhythmik, zirkadiane 405, 456, 543, 549 Rhythmusstörungen 867 Ribbon-Synapsen 570 Ribonukleinsäure 117 Richtungsbezeichnungen 9, A12, 13 – an Gebiss und Zähnen 13 Richtungshören 471 Riechbahn 478 Riechepithel 153 Riechgrübchen 299, 312 Riechhirn 395, 477 Riechkolben 368, 477 Riechnerven 96, 209, 255 Riechplakoden 153, 312 Riechrinde, primäre 417, 477 Riechsäckchen 179 Riechschleimhaut 318, 381 Riechstrang 478 Riechzellen 255, 477 Riesenwuchs 548 Rigor 506 Rima glottidis A273, 326, A328, 328, 333 – palpebrarum 581 – pudendi 1061 – vestibuli 333 Rinde, granuläre 534 – motorische 374 – periamygdaläre 404 – präfrontale 403 – sekundäre sensible 504 – somatosensible 374 Rindenblindheit 540 Rindenkapillaren A1011 Rindentaubheit 540 Ring, episkleraler 573 Ringband A1 A689, A690 Ringband A2 A689 Ringchromosomen 122 Ringknorpel 183 Ring-Schleifen-Modell 864 Rinne 27

Riolan-Anastomose 65, 1000 Rippen 13, 16, 634, 646, 796, A796, 798, A811 – abzählen 783 – Entwicklung 148 – lange 12. 1021 – Varianten 798 Rippenbogen 781, 783, 978 Rippen-Brustbein-Gelenke 798, A799 Rippenfell 814 Rippenfurchen Leber 955 Rippenhals 796, 797 Rippenhöckerchen 634 Rippenknorpel 691, 796, 798 Rippenkopf 634, 796 Rippenkörper 796, 797 Rippenkrümmungen 797 Rippenrudimente 634, 637, 652, 796 Rippenusuren 849 Rippenwinkel 796, 797 Rippen-Wirbel-Gelenke A797, 799, 800 RIVA 863, A866 RIVP 864 RNS 117 RNS-Synthese 115, 126 Robbengliedrigkeit 168, 658 Robin-Trias 168 Rodentia 185 Röhrenknochen 22, 26, 28, 78, 1100 Rohr-Fibrinoid 161, A162 Rokitansky-Aschoff-Krypten 968 Rolandi-Furche 374 Rollendach 1130 Rollenmantel 1106, 1130 Rollenwangen 1106, 1130 Roller-Kern 473 Rollhügel 1101 Romberg-Zeichen 483 Röntgen-Strahlen 169 Rosenkranzvene 63 Rosenmüller-Lymphknoten 1173, A1191 Roser-Nèlaton-Linie 1113, A1114 rostral 369, A370 rostralis 13 Rostrum corporis callosi 377, A388 – sphenoidale 193, A195 Rotationsbeschleunigung 617 Rotatorenmanschette A675, 696 Rotatorenmanschette, Ruptur 696 Röteln 656 Röteln-Embryopathie 163, 169 Roux-Transformationsgesetz 24 Rubeosis iridis 561 Rücken 629, 654

Register Rückenlage-Schock-Syndrom 170 Rückenmark 91, 92, 101, 104, 108, 109, 353, A362, 362, A363, T382, 403, 423, A424, A425, 425, A427, A431, 481, A486, 632, 634 – Arterien 450, A451 – Aszensus A363, 426 – Eigenapparat 516 – Entwicklung 144, 155, 360, A361 – Fehlbildungen A144, 145 – Häute A144 – Querschnitt A428, A430, A425 – Säulen 357 – Segment 361, A424 – Seitensäule 96 – Sympathicus A105 – Tumor 440 Rückenmarkshüllen 632 Rückenmarksnerv 97 Rückenmarkstumoren 1187 Rückenmuskulatur 16, 96 Rückenmuskulatur, autochthone 41, 96, 431, 629, 643, 644, A645, A647, 648, A649–A651, 651, A653, 654 – eingewanderte 644 Rückenrinne 808 Rückensaite 142 Rückfuß 1105, 1129, 1133, 1202 Ruffini-Körperchen 41, 295, T488, 1228 Rufus von Ephesos 9 Rugae vaginales 1078 Ruhetremor 506 Ruhr 988 Rumpf 781 – Entwicklung 144, 155, 156 Rumpfmesoderm 140 Rumpfwand, dorsale 142, 145 – Entwicklung 155 – Fehlbildungen 151 – ventrale 142 Rundfenstermembran 612 Rundfensternische 601 Rutkow-Verfahren 925

S SA T488 Säbelscheidentrachea 339 Sacculus 473, 591–593, 612, 615, 616, A617, 617, 620, 623 – laryngis 333 Saccus cochlearis 592 – conjunctivae A579 – digestorius 949 – endolymphaticus 199, 592, A614, 615, A617, 618 – lacrimalis A584, 587

1319 Saccus lienalis (splenicus) 941, 978 – profundus perinei 1045, A1046 – subcutaneus perinei 1045, A1046 – vestibularis 592 Sagittalebenen 12, A12 Sakralanästhesie 637 Sakraldreieck 629 Sakralisation 637 Sakralmark A424 Sakralteil, Parasympathicus A107, 108 salivatorische Reaktion 479 Salpingitis 110 Salpinx 1060, 1066 Salzsäure 948 Samenbläschen 1061 Samenepithel 1086 Samenflüssigkeit 1089 Samenhügel 1062, 1094 Samenkanälchen 122, 123, 126, 1085 Samenleiter 1061, 1062 Samenspeicher 123 Samenstrang 1085, 1088 Sammelläppchen A962, 962 Sammellymphknoten 727 Sammelrohr A1008, 1009, A1011 Sammelvene A962, 962 Sandalenlücke 121 Sanduhrmagen 945 Sängerknötchen 335 sanguis 71 Santorini-Knorpel 327 Santorini-Spalten 596 Sappey-T 861 Sarkoidose 561 Sarkoplasma 45 Sattelarterie 765 Sattelgelenk 35, A36, 40, 603 Sauerstoffausschöpfung 566, 568 Sauerstoffsättigung 50, 52 Saugader 52 Saugakt 787 Säugetiere 786 Saugmechanismus 56 Saugreflex 519 Saumepithel 293, A294, 295 Saumzellen 993 Säurestarre 123 Scala tympani 593, 612, 614, A614, 615, A619, 620, 621, 623 – vestibuli 593, 612, 614, A614, A619, 620, 623, A626 Scapha A595 Scaphocephalus A187, 187 Scapula 629, A630, 644, A647, 658, A659, A676 – Margo superior 237 – alata 646, 695 Scarpa 1189 Scarpa-Faszie 905 Schabadasch-Plexus 990

Schädel, Entwicklung 178, A179 – Fehlbildungen 186, A187 – Geschlechtsdimorphismus 206 – Gorilla A185 – Hund A185 – Mensch A185 – phrenologischer A550 – Phylogenese 184 Schädelbasis 177, 179, 206, A207, 303 – äußere 206 – innere 209 – Strebepfeiler 214 Schädelbasisfraktur 583 Schädelbasisknickung 185, A185 Schädeldach 177, 214, 341 Schädelform 186 Schädelfrakturen A212, 212, 216, 217 Schädelgrößen A21 Schädelgrube 376 – hintere 213, 625 – mittlere 210, 600, 610 – vordere 209 Schädel-Hirn-Trauma 356, 377 Schädelkalotte 376 Schädelknochen 177, 191, 214, 216 – Entwicklung 155 Schädelkonstruktion 214 Schädelmerkmale T206 Schädelskoliose 186 Schale 399 Schallaufnahmeapparat 591 Schalldruck 604 Schallempfindungsapparat 591, 611 Schallempfindungsschwerhörigkeit 623 Schallintensität 604 Schallleitungsapparat 591, 593 Schallleitungsstörung 604 Schallübertragung 604, 605 Schallwellen 591, 594 Schaltknochen 196 Schaltkreise, motorische 514 Schaltlamellen 26 Schaltstück, Tränendrüse 586 Schaltzellen 109, A491 Schambein 1027, 1029 Schambeinast 1112 Schambeinfraktur 1058 Schambeinfuge A171, A1030, 1030 Schamberg 1061 Schamhaare 1223 Schamlippen A157, 1080 – große 1061 – kleine 1061 Schamspalte 1061 Schangerschaftsstreifen 170 Schärfentiefe 560 Scharlach 274

Scharniergelenk 35, A36, 222, 679, 1132, 1136, 1137 – mit wandernder Achse 223 – verzahntes 684 Scheibe-Dysplasie 593 Scheide 1060, 1078 Scheidengewölbe 132, 1070, 1073, 1078 Scheidensekret 1079 Scheidenvorhof 1061, 1081, 1081 Scheinzwitter 1064 Scheitelbein 196, A196, A197 Scheitelbeuge A150, 153, 364, A365 Scheitel-Fersen-Länge 172 Scheitel-Fuß-Länge 156 Scheitelhinterhauptsfurche 374 Scheitellappen 364, 374, 376 Scheitel-Steiß-Länge A150, 156, 171, 172, A172 Schenkelhals 1114 – Fraktur 1102, A1114, 1116 – Epiphysenlösung 1142 Schenkelhernie 917, A926, 927, 1189, 1191 Schenkelschluss 1147 Scherenbiss 234 Scheuermann-Erkrankung 639 Scheuklappenblindheit 458 Schiebegelenk 222 Schiefhals 235 Schiefschädel 187 Schienbein 1103 Schienbeingegend 1200 Schienbein-WadenbeinGelenk 1127 Schiffbein 667 Schilddrüse 65, 184, 337, 340 – Entwicklung 155, 272 – Fehlbildungen 168 Schilddrüsenfollikel 339 Schilddrüsenhormone 338 Schilddrüsenvergrößerung A172 Schildknorpel 183, 326 Schildknorpelbruch 327 Schizophrenie 399, 506, 525, 539 Schläfenbein 196, A198, A199, 596 Schläfengrube 219 Schläfenlappen 364, 376, 381, 610 Schläfenlappenabszess 212 Schlaf-Wach-Rhythmus 19 Schlagader 52, 53 Schlaganfall 356, 377, 404, 450 Schleimbeutel 36, 47 Schleimbeutelentzündung 48 Schleimhäute 85

Register

1320 Schleimpfropf (Kristeller) 1075 Schlemm-Kanal 553, A556, 556, 559 Schleudertrauma 642 Schluckakt 306, A308, 309, 337 Schluckauf 898 Schluckreflex 519, 895 Schluckrinne 326 Schluckstörungen 164 Schlund 302 Schlundbogen A150, 153, 154, 178, A184, 272, 302, 891 – 1. 182, 183, 231, 272, 592 – 2. 182, 183, 225, 237, 592 – 3. 183, 326 – 4. 183, 325 – 5. 183 – 6. 183, 325 – 7. 183 – Arterien 183, 848, A849 – Derivate 182 – Muskeln 183 – Nerven 183, 898 Schlunddarm A272, 302 Schlundenge 302, 303 Schlundfurche 153, 183, A184 – I 592, 593, 592 Schlundheber 309 Schlundmuskeln A307 Schlundschnürer 183, 306 Schlundtasche 90, 153, 155, 182, 183, A184, 341 – 1. 183 – 2. 183, 184 – 3. 183, 341, 886 – 4. 183, 341 Schlüpfen der Blastozyste 135 Schlüsselbein 660, 781, 784, 795 Schlüsselbein-BrustbeinGelenke A799 Schlüssellochtyp 288 Schlussrotation 1127, 1142 Schmelz 282, 287, A288, 288, A291, A294 Schmelzbüschel A289, 289 Schmelz-Dentin-Grenze A288, 290, 295 Schmelzepithel, äußeres 282, A283, 284, A285 – inneres 282, A283, 284 Schmelzkolben A289, 289, 290 Schmelzkuticula A294 Schmelzlamellen A289, 289 Schmelzmatrix A285 Schmelzoberhäutchen 282, 289 Schmelzorgan A283 Schmelzprismen 282, 288, A289 Schmelzpulpa 282, A283, A285 Schmelzreifung 282 Schmelzspindeln A289, 289

Schmelz-Zement-Grenze A288 Schmerzarten 487, T488 Schmerzbahn 408 Schmerzbeurteilung 523 Schmerzempfindung 1226 Schmerzsyndrome 109, 409 Schmerzthalamotomie 409 Schmorl-Knoten 639 Schnarchen 302 Schnecke 601, 612, 613, 620, A626 Schneckenbasis 627 Schneckenfenster 601 Schneckengang 591, 615, 620 Schneckenspitze 613, 620, 623 Schneckenwindung 601, 612, A619, A624 Schneidezähne 205, 286, 296 Schonhaltung 1113 Schönheitsgrübchen 756 Schräggurtung der Bauchmuskeln 912 Schreger-Hunter-Streifung A289, 289 Schubladenphänomen 1121 Schulterblatt 629, 644, 658 Schulterblattregion 744 Schultergelenk 646, A673, 673, A676, A677 – Achsen 676 – Bewegungen 699 – Funktionstests 677 – Luxation 676, 677, 744 – Mechanik 676 – Punktion 744 Schultergelenkpfanne A674 Schultergürtel 657 – Bewegungen 696, 699 Schultergürtelmuskulatur 644, 781 Schultze-Komma A428, A431, A486, A516, 518 Schürzengriff 646 Schütz-Bündel 479 Schutzdach, osteofibröses A674, A675 Schutzhaare 596 Schutzkleidung 7 Schutzreflex, optischer 469 Schwalbe-Kern 473 Schwanenhalsdeformität 771 Schwangerschaft 59, 136, 170, 171, 788, 1075 – ektopische 136 Schwangerschaftsalter 170, 172 Schwangerschaftsnachweis 138 Schwangerschaftspigmentierung 170 Schwangerschaftsverhütung 130 Schwangerschaftswochen 113, 114, 156

Schwangerschaftszeichen 170, 171 Schwankungsbreite 20 Schwannom 420 Schwann-Zellen 359, 1228 – Cornea A558 Schwann-Zell-Scheide A494 Schwanzfalte 149, A149 Schwanzkern 398 Schwanzknospe A150, 154, 156 Schweifkern 398 Schweigepflicht 6 Schweiß 1225, 1228 Schweißdrüsen 102, 787, A1220, 1225, 1226 – Innervation 106 Schweißdrüsenabszess 740, 1225 Schwellkörper 55, 64, 65, 65, 1082 – Nase 318, 319 Schwerhörigkeit 604, 618 Schwertfortsatz 781, 795 Schwimmbadkonjunktivitis 585 Schwimmhautfalten 763 Schwindel 477, 613, 616, 627 Schwungbein 1112 Schwurhand A733, 733 Scrotum 156, 918, 923, 1045, A1061, 1061, 1064, 1085, 1096, 1097, 1166 sCT 450 Sebum 1224 Sectio alta 1057 Seelenblindheit 461, 540 Seelentaubheit 473 Segelklappen 845 segmentale Gliederung 15 Segmentationsbewegungen 994 Segmentgrenzen 431 Segmentsprung 97 Segmentum renale 1012 Segregation 115 Sehachse 185, 570 Sehbahn 410, 456, A457 Sehgrube 552, 553 Sehlinie 577 Sehloch 560 Sehne 41, 47, A47 – platte 43 Sehnenarkade 712 Sehnenbogen 1169, 1179 Sehnenfächer 716 Sehnenfäden, falsche 870 Sehnenfesseln 719 Sehnenorgan 481, T488 Sehnenriss 47 Sehnenscheiden (s. a. Vagina tendinis) 36, 47, A47, 1165, 1165 – Finger 718 – Hand A719 – Handwurzel 717 Sehnenscheidenentzündung 47

Sehnenspindel 46 Sehnerv 96, 255, 552, 553, A554, A572, 572, 573, 576 Sehnervenabgang 571 Sehnervenkopf 571 Sehnervenkreuzung 377 Sehorgan 551 Sehpigment 567, 569 Sehrinde 374, 409, 446, A457, 459 – primäre 460 – sekundäre 459, 461 Sehschärfe 571 Sehstrahlung 404, 458 Sehventrikel 552, A552, A553 Seitenbänder A1124 Seitenbandruptur 1121 Seitenhorn (= Seitensäule) 104,106, 108, 427, 428, 898 Seitenkanäle 291 Seitenknorpel 314 Seitenlinienapparat 593 Seitenplattenmesoderm 145, 146, A358, 1221 Seitenstechen 54, 55 Seitenstrang 430 Seitenventrikel (s. a. Ventriculus lateralis) A364, 364, 378, A379, 442 Sekretion, holokrine 1224 Sekretionsphase, Endometrium A129, 130, 136 Sekretionsreflex 1082 Sektion 4 Sekundärantwort 84 Sekundärdentin 284, 290 Sekundärfollikel, lymphatisches Gewebe 84, 90 – Milz 980 – Ovar 126, A127, 128, A1065, 1066 Sekundärharn 1014 Sekundärpapillen 273 Sekundärreaktion 85 Sekundärzotten 159 Selbstheilungskräfte 24 Sella turcica 211, 382, A383, 411 Semicanalis musculi tensoris tympani 208, 600, 602, A602, 604, 610, 613, A625 – tubae auditoriae 208, A601, A602, 602, 615, A625 Semisphinkteren 1057 Seneszenzantigene 72 Senkfuß 1109, 1208 Senkniere 1014 Senkungsabszesse 242, 917, 1160, 1184, 1196 Sensibilität, epikritische 480, 481, 483 – protopathische 480, 481, 482, 483 Sensibilitätsausfall 98 Sensibilitätsstörungen 431 – dissoziierte 469

Register sensible Systeme 480, A485, T488 Septa plantaria 1157 Septalzelle A838 Septen, intermediäre, Palma manus A766 – vertikale 764 Septulum testis 1085, A1085 Septum aorticopulmonale 845, A846, 846 – canalis musculotubarii 208 – cochleae A626 – corporum cavernosorum 1082 – femorale A908, 917, A926, 927, A1191, 1191 – glandis 1095 – interalveolare 205 – interatriale A853, 854, A856, A857, A859, 869 – interlobulare A831 – intermusculare 48 – – antibrachii laterale 707 – – – mediale 707 – – brachii laterale A698, 701, A702, 713, 716, 746, A748 – – – mediale A697, 700, A701, 701, A702, 707, A708, A709, A710, 716, 746, A747, A748, A753 – – cruris 1153 – – – anterius A1151, 1162, 1179, A1201, A1163 – – – posterius A1163, A1151, A1155, 1162, A1199, 1200, A1201 – – femoris laterale A1140, A1143, 1148, 1148, A1151, 1160, A1162, 1184 – – – mediale 1160, A1162, 1184 – – pedis laterale A1158 – – vastoadductorium A1192, 1193, 1196 – interradiculare 205, 300 – interventriculare A815, 844, A853, A854, A856, A857, A868, A869, A870 – – Pars membranacea 855, 859, 857 – – Pars muscularis 857 – linguae 275, A275 – medianum posterius A425, 430 – nasi 201, A301, A305, 312, A314, 317, A320, A579 – – osseum A190 – nuchae 639, A645, A647, A649, A692 – oesophagotracheale 821 – orbitale 578, A579, A580, A582, 583, A585 – pectiniforme penis 1096 – pellucidum 368, 396, A371, 378, A381, A384,

1321 A386, A388, A393, 395, 396, A406, 442, A447 – penis A1093, A1095, 1096 – plantare laterale 1164 – – mediale 1164 – primum 52, A843, 843, A844, 854 – rectoprostaticum A1047, 1090, A1090 – rectovaginale 1045, A A1046, 1047, A1049, 1058, A1067, 1078, A1079 – rectovesicale 1090 – sagittale 243, A352, 352, 353 – scroti 1085, 1097 – secundum A843, 843, A844, 854 – sinus frontalis 323 – – sphenoidalis 193, 324 – spurium A843 – suprasternale A338 – transversum 804, 842 – urethrovaginale A1047, A1049, 1059, 1078, A1079 – vastoadductorium 1166 – vesicocervicale 1058 – vesicoumbilicale 1058 – vesicovaginale A1047, A1049, 1058, A1067, 1078 Septumdefekt 121 Septumkerne 378, 396, 405, 478 Sequenzen 168 Sequesterbildung 639 Serotonin 75, 439, T508, 521, 530 Serratuslähmung 695 Serratus-RhomboideusSchlinge 913 Sertoli-Zellen 122, 123, 126, 130 Sesambein A48, 49, 205, 1103, 1120, 1148, 1153, 1157 Sesamknorpel 326, 327 Sexualdimorphismus 16 Sexualhormone 786 Sexualverhalten 525 sexuelle Reifung 20 SFL 156, 172 Sharpey-Fasern 22, A23, 30, 41, 47, 284, A288, 290, A291, 291, 294 Shenton-Munard-Linie 1114 Shoemaker-Linie 1113 Shouldice-Verfahren 925 Shrapnell-Membran 597, 605 Shunt 52, 66 – iatrogener 66 – portokavaler 66 Shuntumkehr 843 Sialolithen 279 Sichelfuß 1100, 1138 side links 622 Siebbein A179, 179, 200, 209 Siebbeinlabyrinth 324

Siebbeinzellen 316, 324, A572, 588 Signalmoleküle 114 simple cells 460 sinister 13 Sinnesepithel 591 Sinnesfeld 616, 617 Sinneshaare A616, 616 – Innenohr 621, A622 – Vestibularapparat 617, 618 Sinnesorgane 91, 1226 Sinnesplakoden 153 Sinneszellen, Innenohr 592, 617, 621, 622 – primäre 477 – sekundäre 479 Sinus anales A1044, A1050, 1051 – aortae (Valsalvae) 845, 858, 863, 864, 878 – caroticus 56, 109, 244, A246, 263, 346 – cavernosus 211, A250, 251, 252, 260, 342, A411, 420, 437, A437, 445, A448, A449, 452, 453, 548, 573, 588 – cervicalis 183, A184 – coronarius 70, A815, A843, 848, 854, A859, A867, 867, 868 – durae matris 64, 251, 434, A436, A437, A449, 453, 548 – endolymphaticus 592, 618 – epididymidis A1084, 1085 – frontalis 313, A314, 316, A317, 318, A319–A321, 323–325, A383, A576, A579, A580, A585, A586, 587 – – Varianten 324 – intercavernosi 453 – lactiferi 786, A787, 788 – lienales 979, 1004 – mammarum 786 – maxillaris 200, 202, A203, A217, 218, 313, 316, A317, A321, A322, 322, A323, 323, A576, A579, A584, 587, A607 – obliquus periardii 861, A809, A861 – occipitalis 437, A437, A449, 453 – paranasales 312, 321 – petrosus inferior 213, A250, A437, 452, 453, 627 – – superior 212, A250, A437, 453, A609, 618 – phrenicocostalis 804, A811 – phrenicomediastinalis A815 – prostaticus 1094 – rectus A250, A436, A437, A449, 452, 453 – renalis A1006, 1013, 1014

Sinus sagittalis inferior A250, A437, A449, 453, 588 – – superior 181, 191, 209, A250, 318, A384, A385, A388, A436, 437, A437, A449, 452, 453 – sigmoideus A250, A310, A437, A449, 453, A609, 610, 618 – sphenoidalis 193, A259, A304, 313, A314, A316, A317, A319, A320, A321, 324, A385, A388, A411, 587, A640 – sphenoparietalis 452, 453 – tarsi 1107, 1109, 1133, 1156 – transversus A250 – – durae matris 373, A422, A437, A449, 452, 453 – – pericardii A815, 841, A861, 861 – trunci pulmonalis 856 – urogenitalis A1062, 1062, 1063 – venarum cavarum 852 – venosus 103, 804, A842, 842, A847, 847, 852 – – sclerae 588 Sinushorn 843, 847, 848 Sinusitis maxillaris 322, 323, 325 Sinusknoten A868, 868, 869 Sinusoide 61 Sinus-tarsi-Syndrom 1133 Sinusthrombose 600, 602, 610 Sinusvenenthrombose 454 Sinus-venosus-Defekt 844 Siphon A448 Situs inversus 940 Sitzbein 1027, 1029 Sitzbeinhöcker 1029 Sitzhalfter A1140, A1141, 1160, 1182 Sitzknorren 1182 Skalenuslücken 238, 242 – hintere 238, 349, 881 – vordere 238, 349 Skalenuslymphknoten 832 Skalenussyndrom 238 Skalp 230 Skapularlinie 784 Skelett 22 Skelettmuskelfaser A494 Skelettmuskelzellen 81 Skelettmuskulatur 41, 45, 46 – Entwicklung 148, 155 Skelettsystem 22 Skene-Gänge 1059, 1082 Sklera 551, 553, A554, 555, 559, A560, A562, A565, 571–573, 576, 578, A579, 584 – Stroma 555, 556 Sklerasporn 559, 563 Skleritis 561 Sklerose, subchondrale 24

Register

1322 Sklerotom 115, A147, 148, 179, 630, 631, 903 Skoliose 15, 629, 637, 643, 646, 652, 803, 919 Slowly-adapting-Rezeptoren T488 SMA 409, 497, 502, 504, 507, 511, 514, 537, 538, 540 Smegma clitoridis 1082 – praeputii 1095 Smith-Fraktur 666 Sog, intrathorakaler 56 Soleuspunkt 1172 Solitärfollikel A993 Soma 91, 353, A353, 357 somatoafferent 109, T488 somatoefferent 109 Somatomotorik 481 Somatopleura 145, 146, 148, 155 Somatosensibilität 481, T488 Somatostatin T508, 976 Somatotopie 356, A430, 499, 507, A510, 511 Somazellen 116 Somiten 15, 77, 115, A143, 145, A147, 147–149, 153–155, 178, 179, 629, 804, 898, 903, 1221 Somitozöl 147 Sommer-Sektor 530 Sonographie 171, 172 Sorgius-Gruppe 790, 792 Sorgius-Lymphknoten 727, 743 Spaltbildungen A144, 168, 173, 299 Spaltblase 153 Spaltfuß 1100, 1138 Spalthand 658 Spaltlinien 740, 1221, A1221 Spannmuskeln A332 Spannungslinien A25 spannungsoptisches Modell 29 Spannungstrajektorien 23 Spasmus, hemifazialer 420 Spastik 494, 495 Spatium axillare 727, 739, 740, 742, A817 – circumbulbare 578 – epidurale 439, 454 – extraperitoneale pelvis 1044, 1045 – interfasciculare 764 – intermusculare vastoadductorium A1190 – intervaginale (Tenon) A572, 578 – lateropharyngeale A242, 243, 306, 351, A352, 352, 353 – parapharyngeum A271, 279, A352, 353 – pararectale A1046 – paravesicale A1046, 1058, A1072

Spatium perilymphaticum 612, A614, 623 – perinei profundum 1042, 1045 – – superficiale 1042, 1045 – perirenale 1013 – praelaryngeale A241 – praeperitoneale 1044 – praetendineum 766 – praetracheale 243 – praevertebrale 244 – praevesicale A938, 1048, A1049, 1058, A1072 – rectouterinum A1072 – retroesophageum A242, 243 – retroperitoneale 1002, A1024, 1044 – retropharyngeale A241, A242, 243, 306, A352, 353 – retropubicum 1044, A1046, A1047, 1048, A1049, 1057, 1058, A1067, A1072, 1091 – retrorectale A1046 – retrotendineum 766 – scalenovertebrale 349 – sternocleidomastoideum 243 – subacromiale 696 – subarachnoidale A434, 434, 435, 625 – subcapsulare 578 – subdeltoideum 742, 743 – subdurale A427 – sublinguale A242 – submandibulare A242, 243 – submentale A242, 243 – subperitoneale pelvis A1044, 1044, A1072 – suprasternale A241, 243, 252 – viscerale colli 347 Speiche 666 Speichel 278 Speicheldrüsen 64, 65, 101, 102, 608 Speichelsekretion, kephale Phase 405 Speichelsekretionsreflex 519 Speichelsteine 279 Speichenarterie 722 Speichenstraße 755, 759 Speichermilz 981 Speiseröhre 64, 890 Sperma 125, 134 Spermatiden 123, 1086 Spermatogenese 123, 125, A547, 1086 Spermatogenesewellen 123, 126 Spermatogonien 115, 123, 1086 Spermatozoon 123 Spermatozyt I 123, 126 Spermatozyt II 123 Spermatozyten 122, 123, 1086

Spermiatio 123, 126 Spermien, abnorme A124 Spermienaszension 131, 132, A133 Spermienmotilität 132 Spermientransport 132 Spermiogenese 122, 123, 126 Spermiogramm 125 Spermiohistogenese 123 Spermium 120, 123, A124, 125, 126, 131, 132, A133, 133, 134 Spermizide 130, 131 Sperrarterien 64, 832 Sperrholzprinzip 25 S-Phase 116, 118 Sphincter Oddi 966 Sphinkteren, präkapilläre 61 Sphinkterkapillaren 61 Spieghel-Hernie 911, 912 Spieghel-Linie 909 Spielbein A1147 Spina 27 – bifida 145, 168, 359, 631 – – aperta 359 – – occulta A144, 145, 359 – – partialis 145 – – totalis 145 – ethmoidalis A195 – helicis 230, A595 – iliaca anterior inferior 1028, A1029, 1111, 1148, A1185 – – – superior A908, A909, A910, 916, A916, A1028, 1028, A1029, A1032, A1034, 1035, 1036, 1113, A1114, A1140, 1142, A1145, A1146, 1148, A1149, 1160, A1161, 1182, A1185, A1186, A1190 – – posterior inferior A1028, 1028, A1029 – – – superior 629, A1028, 1028, A1029, 1030, 1031, A1141, A1143, 1182, A1185, A1186 – ischiadica A1028, A1029, 1029, 1031, 1040, 1045, 1066, A1089, A1143, 1144, 1184, A1185 – mentalis A204, 205, 238, 275 – nasalis 191, A192, 201, A207 – – anterior A189, A190, A200, A203, 313, 314 – – ossis frontalis 191 – – – palatini 300 – ossis pterygoidei 222 – – sphenoidalis 194, A195, 208 – scapulae A630, 644, A659, 660, A662, 695, A697, A698, A737, 744, A745, A750 – supra meatum 188, A189, A198, 610

Spina trochlearis ossis frontalis 191, A192 Spinalanästhesie 440 spinale Kinderlähmung 517 spinales Segment 431 spinales System 651 Spinalganglienzellen 356 Spinalganglion 92, A95, 95, 98, 101, 102, 361, A362, A363, 426, A427, 482, 484, A491, A495, 496, 1228 Spinalkanal 423 Spinalnerven 92, A95, 96, 101, 104, A362, 362, 361, 630, 632, 644, 648, 1226 Spina-Trochanter-Linie 1183, A1186 Spina-Tuber-Linie 1184, A1186 Spindel Cochlea 614 Spinocerebellum 497, 510, A510, 513, 515 spinotransversales System 648, 652 spiny neurons 505 Spiralarterie 55 – Uterus 158 Spiralorgan 469 Spitzenknorpel 326 Spitzenwindung 613 Spitzfuß 1081, 1100, 1138 Spitzgesicht 156 Splanchnopleura 145, 146, 148, 155 Splanchnopleura-Mesoderm 78 Splen (= Lien) 90, A919, A933-A937, A939, 940, A951, A969, A975, 977 Splenektomie 981 Splenium corporis callosi A371, 377, A378, 379, A384, A384, A386, A386, 397 Splenomegalie 978 split brain 542, A543 Spondylitis ancylopoetica 561 Spondylolisthesis 642, 1187 Spondylophyt 29, 34 Spondylose 24, 1187 Spongioblast A360 Spongiosa 27, 205, 295, 632, 813 – Endometrium 158 Spongiosabälkchen 1101, 1105, 1137 Spontanabort 120, 121 Spontannystagmus 613, 618 Spornbildung 24 Sportlerherz 21 Sprachdominanz 542 Sprache, dysarthrische 515 Sprachentwicklung 185 Sprachmelodie 523 Sprachregion 401 Sprachzentren 445, A540, 540

Register Sprachzentrum, motorisches A540, 540 – sensorisches 472, A540, 540 Spreizen der Finger 691 Spreizen und Zusammenführen der Zehen A1160 Spreizfuß 1100, 1138 Sprengel-Deformität 660 Sprengel-Schnitt 905 Spritzgang 1061, 1089 Sprungbein 1105, 1106, A1108 Sprunggelenk, Fraktur 1105, A1132, 1132 – Innervation 1180 – Normalwerte A1130 – oberes 37, 1128, 1129, 1202 – unteres 37, 1107, 1109, 1133 Spüldrüsen (v. Ebner) 274 Sputum 56 Squama ossis frontalis A189, A190, 190, 191, A192, 324 – – occipitalis 179, 180, 191, 192, A193, A194 SSL 156, 172 SSW 113, 114, 156 Stäbchen 569, A569, 570, 571 Stäbchenzellen 456 Stabilität 30 Stammesgeschichte 2 Stammganglien 412 – Infarkt 445 Stammhirn 382 Stammvarikose 1173, 1189 Stammzelldifferenzierung 79 Stammzellen A78, 78, 79, 81 – hämatopoetische 77, 78, 79, 81 – lymphoide 79, 80, A80, A81 – mesenchymale 79, 81 – myeloische 79, 80, A80–A82 – neuronale 441 – pluripotente 79, A80 Stammzellnischen 79 Stammzelltherapie 529 Stammzotten 159, 161, A162 Stand- und Gangataxie 516 Standbein A1147 Stapes 182, A594, A602, A603, 603, A604, 604, A614 Stapesankylose 604 Stapesplastik 604 Star, grauer 563, A565 – grüner 559 statisch-vestibuläres System 490, 511 Statoconia 618 Statolithen 618

1323 Statolithenmembran 617, 618 Stauungsikterus 970, 974 Stauungspapille 457 Steigbügel 592, 598, 600, 601, A603, 603, 605, 606, 622, 612, 623 Steißbein A171, A424, 631, 635, 637, 1182 Steißmark A424 Stellatumblockade 109, 351, 898 Stellknorpel 326 Stellmuskeln A332 Stellula Verheinyi 1012, A1004 Stemmkörperwirkung 188 Stenon-Gang 278 Steppergang 1081 Sterben und Tod 4 Sterblichkeit, perinatale 170 Stereozilien A1087, 1088 – Cortiorgan 621, A622, 622, – Vestibularapparat 617, 618, Sterilisation 1088 Sterilität 138 – immunologische 134 Sternalleisten 796, 813 Sternalpunktion 796 Sternokostalgelenk 799 Sternum 781, A795, 795, 796, 798, A799, A802, A805, A809, 813, A813, A840, A875, A887 – Entwicklung 155, 793 – Fehlbildungen 793 – Varianten 793 Sternumspalte 153 Sternzellen A512, A533, 536, A960 Steroidhormone 169 Steuersysteme, vegetative 518 Steuerung, regionale 111 STH 179, A547, 548 Stierhornmagen 945, A946 Stiftchenzellen 1068 Stigma folliculare 128 Stillfunktion 136 Stilling-Clarke-Säule 484 Stilling-Schere 514 Stimmband 328, 329, 331 Stimmbildung 326, 337 Stimmbruch 336 Stimmritze 326, 330, A332, 913 Stirn 190 Stirnbein 191, A192 Stirnhöhle 323 Stirnhöhlenentzündung 218 Stirnlappen 374, 376 Stirnnasenfortsatz 312 Stirnnasenpfeiler 214 Stirn-Nasen-Wulst 153 Stirnpfeiler 202, A212 Stirnpol 371 Stoffwechselzustand 109

Stomodeum (= Stomatodeum) 150 Stoßdämpferfunktion 566 Strabismus convergens 465 Strahlen, ionisierende 169 Strahlenkörper (Corpus ciliare) 561 Strangbildung 986 Strangzellen 427, A428, 429, 486 Stratum basale 1219, 1228 – – endometrii 130, 1074 – circulare A949, 949, A966, 988, A989, A990, A997 – corneum A1220, 1220 – fibrosum 32, 47 – functionale, endometrii 130, 1074 – ganglionare 568 – gangliosum, Kleinhirn A512 – germinativum 1223 – granulosum 1220 – longitudinale 948, A949, A966, 988, A989, A990, A997 – lucidum A1220, 1220, 1221 – membranosum abdominis 905, A915 – nervosum retinae 567 – neurofibrosum 568 – nucleare externum 568 – – internum 568 – papillare A1220, 1221, 1223, 1226, 1228 – pigmenti iridis 560 – plexiforme externum 568, 569 – – internum 568 – reticulare A1220, 1221, 1222, 1226, 1228 – spinosum 1219, 1228 – subendotheliale 53 – subvasculare uteri A1074, 1074 – supravasculare uteri A1074, 1074, 1076 – synoviale 32, A47, 47 – vasculare uteri A1074, 1074, 1075, 1076 Strebepfeiler A212 Streckerloge 749, 1184 Streifenkörper 398, 505 Stress 1018 Stria(-ae) acustica dorsalis A470, 471 – diagonalis 396 – gravidarum 170 – longitudinales 397 – longitudinalis lateralis 379 – – medialis (Lancisii) 379, A530 – mallearis 597, A598, 599, A599, 603 – medullares ventriculi quarti 415, 422, A470, 471

Stria(-ae) medullares thalami 405, 406, A412, 442 – olfactoria lateralis 381, 395, A413, 477, 478, A478 – – medialis 381, 395, A413, 477, 478, A478 – terminalis 397, 398, 406, 478, A524, 524 – vascularis cochleae 618, A619, 620, 623 striäres System 93 Striatum 398, 399, 505, A505, 506 Striosomen 505 Strohhalmprinzip 27 Stroma ovarii 1065 Stromaödem, Iris 558 Stroma-Stammzellen 79, A80 Stromazellen 81 Strömung, axiale 132 Strömungsgeschwindigkeit 55 Struma 338 Struther-Band 664, 749 Stuhldrang 1052 Stumpfschmerzen 409 Stützfibrillen, Corti-Organ A621, 621 Stützgewebe 24 Stützmotorik 515 Stützzellen, Corti-Organ A621, 621 – Vestibularapparat 617 Stylomuskeln A271, A352 Stylopodium 657, 1099 Subarachnoidalblutung 439 Subarachnoidalraum 93, 362, 373, A392, 434, 435, 439, 441, 593, 635 Subduralraum A370, A436, 437, A438 Subiculum T397, 397, 398, 401, 408, 522, A523, A524, A527, A528, 528, A530 Subkorakoid-pectoralisminor-Syndrom 660 Subkutis 1219, A1220, 1222, 1228 Subluxatio radii 682 Submandibularloge 241, 243 subodontoblastischer Kapillarkomplex A292 – Nervenkomplex A292 Subokzipitaldreieck 655, 656 Subokzipitalpunktion 435, 641, 656 Substantia adamantina 287, 288 – alba 357 – eburnea 287, 289 – gelatinosa (Rolandi) 423, 428, A428, 429, 484 – grisea 357 – – centralis A414, 427, 429 – innominata (Reichert) 396, 399, 509

Register

1324 Substantia intermedia A428, 429, 486 – medullaris A512 – nigra 93, 366, A371, A373, T382, A385, A390, 398, A414, A414, 505 – – Pars compacta 415, 505, A505, 506, 509 – – Pars reticularis 408, 415, 505, A505, 506, 507 – ossea 290 – perforata anterior A380, 381, 395, 396, A413, 445, 477, A478 – – posterior 382, 415, A444, 445 – propria corneae 557, A557 – spongiosa 26, 428 Substanz P 507, T508, 574 subsynoviale Schicht 33 Subthalamus 366, 404, 407, 410 Subtraktionsangiographie 447, A448 Succus entericus 996 – gastricus 952 Sudeck-Dystrophie 24 Sudeck-Punkt 1000 Suizidversuch 734 Sulcus(-i) 27 – antebrachii radialis 755, 759 – – ulnaris 759 – anterolateralis A381 – aorticus A825 – arteriae occipitalis A199, A207, 208 – – subclaviae 238, A798, 798, A824, A825, 881 – – temporalis mediae A198 – – vertebralis A633, 633 – – vertebralis atlantis 881 – arteriosi 191, A210, 211, 370 – – ossis parietalis A197 – basilaris A381 – bicipitalis lateralis 746, A748, 755 – – medialis 746, A748, 749 – bulboventricularis A842, 842 – calcanei 1107, A1108, 1109 – calcarinus 368, A369, 374, 377, A378, A379, 380, A384, A390, A393, 404, 442, A447, 459, 460 – capitulotrachlearis 679, 664 – caroticus A195, A210, 211, 437 – carpi 667, 761 – centralis (Rolandii) 368, A369, A370, A372, A374, 374, A378, A386, A392, A394, A447, A497, A499 – – insulae A375, 375 – cerebri 374 – cinguli A369, 378, 379, A386, 397, A447

Sulcus(-i) circularis insulae 375 – collateralis 397 – coronarius 851, A852, A853, 863, 865 – corporis callosi 378 – costae 797 – costarum pulmonis 803 – deltoideopectoralis A701, A725, 736, A747 – frontalis inferior 376, A374 – – superior A372, A374, 376, 378 – gingivae A288, A294, 294 – glutealis A630, A1140, 1182, A1186 – hippocampi 397, A527 – hypothalamicus 366, A366, 410, 442 – infraorbitalis A190, A202, A217, 218 – intermedius posterior A428 – intertubercularis 663, A663, 675, 696 – interventricularis A843 – – anterior 850, A852, 863, 868 – – posterior 851, A853, 864, 865, A867, 868 – intraparietalis A372, 376, 409, 477 – lacrimalis 201, A203 – lateralis (Sylvii) A367, A372, 374, A374, 376, A385, A388, A394, A472, 499 – – anterior A380, A425 – – cerebri 368 – – posterior A412 – – – medullae oblongatae 423 – limitans 361, A361, A365, 366 – malleolaris 1103 – – fibulae A1104, 1105 – – tibiae A1104, A1135 – medialis fossae interpeduncularis 415 – medianus 415, A422 – – dorsalis (posterior) 423, A425, 426, A428 – – linguae 273 – musculi subclavii A661 – mylohyoideus 203, A204, 345 – nervi petrosi majoris 199, A210, 609 – – – minoris 199, A210 – – radialis A663, 664, A698, 749 – – spinalis, Wirbel A634, 634 – – ulnaris A663, 664 – obturatorius 1029, A1029, 1030, 1048 – occipitales A374 – occipitotemporalis 377 – opticus 552

Sulcus(-i) orbitales 376, A380 – palatini 300 – palatinus major A195, A202, A203 – palpebralis inferior 581, A582 – palpebralis superior 581, A582 – paracolici 984, 988 – parietooccipitalis 368, A369, A372, 374, A374, 376, 380, A393, A447 – postcentralis A372, A374, 376 – praecentralis A372, A374, 376 – prechiasmaticus A195 – pulmonalis 808 – rectus 395 – retroolivaris 422 – rhinalis 398, 528 – sagittalis A436 – sinus petrosi inferioris A193, A198, 199, A210, 213 – – – superioris A198, 199, A210, 212 – – sagittalis superioris 191, A197 – – sigmoidei A193, A197, A198, 199, A210, 213 – – transversi A193, A210, 213 – spiralis internus A623 – subclavius 694 – subparietalis 380 – supraacetabularis A1028, 1028 – tali 1107, A1108 – temporalis inferior A372, A374, 377 – – superior A372, A374, 376, 377 – tendinis musculi flexoris hallucis longi A1107, 1107, A1108 – – musculi peronei longi 1109, A1135, 1165 – terminalis 854, 868 – – linguae 272, A272, 273, 274 – tubae auditivae A207 – tympanicus 197 – – ossis temporalis 599 – venae azygos A824 – – cavae hepatis 957 – – – superioris A824 – – subclaviae 798 Sulcus-ulnaris-Syndrom 664, 756 Sulkusboden 293, 294 Sulzifizierung 368 Supercilia A582, 583, 1223 superficialis 13 superior 13 Supination 14, 35, 37, 45, 680 Supinatorkanal 714, A731

Supinatortunnelsyndrom 756 Suppressorzellen 75 Suprachoroidea 566 Supraspinatussehnenläsion 677 supratentorieller Raum 373, A436 Surfactant 173, 821, 837, A838, 838 Sustentaculum tali A1107, A1108, 1109, 1133, A1152, A1155, A1185, 1202 Sutura 31 – coronalis 181, A181, 188, 189, A189, A190, 342 – frontalis A181, 188 – frontalis persistens A190, 190 – frontonasalis A190, A200 – frontozygomatica 188, A190 – incisiva 182, A207, 300 – internasalis A190, A200, 313 – lambdoidea 181, A181, 188, 189, A189, 342 – metoptica 182 – nasomaxillaris 314 – occipitomastoidea 189 – palatina mediana A207, 299, 300, 301, 316 – – transversa A207, 299, 300 – parietomastoidea 189 – plana 31 – sagittalis 181, A181, 188, 342 – serrata 31, 188 – sphenofrontalis 189 – sphenoparietalis 189 – sphenosquamosa 189 – squamosa 31, 189 – temporozygomatica 189 – zygomaticomaxillaris A190 Suturen 180 Suturenverknöcherung 181 Sylvi-Furche 374 Symmetrie 15 Symmetrieachse 12 Symmetrieebene 15 Sympathicoblast 102 Sympathicus 53, 91, 96, 99, 100–102, 104, A105, 106, 108–110, 218, 1052 – Auge 578, 585 – Colon 1001 – Entwicklung 1016 – Glandula lacrimalis 586 – Harnblase 1057, 1058 – Herz 871 – Kiefergelenk 222 – Leber 965 – Lunge 833 – Magen 951 – Niere 1012 – Oesophagus 895 – Ovar 1066

Register Sympathicus Pancreas 975 – Penis 1096 – Prostata 1092 – Uterus 1078 Sympathikusbahn, zentrale 468, 550 Sympathikusganglien, lumbale 1024 Sympathikuswirkungen 100 Symphysenspalt A1030 Symphysenzerreißung 1030 Symphysis 30 – mandibulae 180 – manubriosternalis 795 – pubica 912, 1030, A1030, 1030, A1032, A1034, 1035, 1036, A1037, 1037, A1039, A1060, A1061, 1144, A1149 – xiphosternalis A795, 795 Synapse en passant 101 Synapsen 101, A353, 353, 356, 357, 568, 569, 570 – axodendritische 536, 536 – neuromuskuläre 493, A494, A495 Synapsis 118 synaptische Endknöpfe 101 – Verbindungen 92 synaptischer Spalt A494 Synaptogenese 529 Synarthrose A30, 30 Synchondrose 30, A30 – basikraniale 179 Synchondrosis intersphenoidalis 180 – intraoccipitalis anterior 180, 213 – – posterior 180, 213 – manubriosternalis 30 – petrooccipitalis 180, 208 – sacrococcygea 1032 – sphenoethmoidalis 180 – sphenooccipitalis 180, 208, 213 – sphenopetrosa 180 – sternalis A795, 795 Syndaktylie 121, 691, 1100 Syndesmologie 658 Syndesmose 30, A30, 327, 1030, 1031 Syndesmosensprengung 1132 Syndesmosis radioulnaris 682 – tibiofibularis 30, 1105, 1127, A1128, 1128, A1130 Syndrom 168 Synergisten 43 Synkope 109 Synonyma 9 Synostosen A30, 32, 187, 631 Synovia 32, 33, 39, 47, 75, 222, 1124 – articularis 32 Synovialhernie 1118 Synzytialknoten 161

1325 Synzytiotrophoblast 130, 137, A138, 154, 159, A160, 161, 162 Syphilis 169, 561 Syringomyelie 484 Systema nervosum 91 – – centrale A353 Systeme 2, 21 Systole 51, 55, 873 Szintigraphie 978

T Tabatière anatomique 722, 761, A768, 769 Tabes dorsalis 483, 516 Tabula vitrea 214, 216 Tachykardie 871 Taenia choroidea 406, A412 – libera 982, A983, A997, 997, A998 – mesocolica 982, A997, 997 – omentalis 982, A997, 997, A998 Talg 1224 Talgdrüsen 157, 787, 1219, A1220, 1223, 1224 – Lid 557, 581, 582 Talus 1105, A1106, 1106, A1108, A1129, A1130, A1131, 1133 – Entwicklung 1108 Talushalstorsion 1107 Taluskopf 1133 Tandler-Bündel 869 Tänien 1051 Tanner-Stadien A785 tanzende Patella 1103, 1118 Tarsalgie 1109 Tarsaltunnel 48, 1163, 1169, 1179, 1203, 1205 Tarsaltunnelsyndrom 1203 Tarsus 1099, 1202 – Lid 578, A579, A580, A582, 582, 583, 584 Taschenband 329 Taschenfalte 334 Taschenklappen 845 Tastballen 764 Tasthaare 1228 Tastkörperchen, Phalanx distalis A762 Tastsinnesorgane 109 Taststrahlung 404 Taubheit, kortikale 377 Tauchkropf 339 Tawara-Schenkel 863, A868 Taxis 1191 TCR 85 Tectum mesencephali 363, 365, 467 Tegmen tympani 197, A198, 212, 381, 600, A601, A602, A606, 610 Tegmentum 363, A371, T382, 507 – mesencephali 366, 410, A414, 415, 446

Tegmentum pontis 365, A390 – rhombencephali 415, 416 Teilungsspindel 118, 128 Teilungssporn A815 Tektorialmembran A620, 622 Tela choroidea A366, 406 – choroidea ventriculi quarti 443 – – ventriculi tertii A371, A379, 442 – subcutanea 792, A813, 905, A908, A909, A911, 1219, 1222 – submucosa 893, A946, A948, 988, A989, A990, A997 – – pharyngis 306 – subserosa A948, 988 Telencephalon 363, A364, A365, 367, A369, 373, T382, 395, 398, 505 Telencephaon, basales A526 Telodendron 429 Telophase, Meiose A119 Telophase, Mitose 118, 120 Temperaturmethode 131, 132 temporalis 13 Temporallappen 367 Tenascin 81 Tendinose 47 Tendo 41 – calcaneus (Achillis) 1108, A1129, A1151, A1152, 1153, A1154, A1155, A1164, 1197, A1199, A1201, 1202, A1204, 1204 – infundibuli 859 – intermedius A42, 42 – musculi bicipitis brachii A680, A681 – – quadricipitis femoris 1118, A1192 Tendopathie 47, 1208 Tendovaginitis 47, 1208 Tendozyten 81 Tennisellenbogen 681 Tenon-Kapsel 551, 578 Tenon-Raum A572, 578 Tentorium cerebelli 213, 256, A371, 373, A373, 376, 380, A436, A436 Tentoriumeinklemmung A373, 373 Tentoriumschlitz 373, A373 Teratogene 169, 169 Teratogenese 114, 167 Teratologie 2, 167 Teratom 169 Terminalarterie 60 Terminalbehaarung 157, 785 terminale Gefäße A60 – Strombahn 61 Terminalhaare 1223 Terminalzotten 159, 161 Territorialinfarkt 447

Tertiärfollikel A127, 128, A1065, 1066 Tertiärzotten 159, A160 Testis 122, A1053, A1061, 1061, A1063, 1084, A1084 Testosteron 122, 130, A547, 789, 1086 Testut-Band 686 Tetanie 341 Tetrade 118, 120 T-Gedächtniszellen 85, 87 Thalamus A364, A365, A366, 367, A378, A381, T382, A384, A386, A390, A392, A393, 398, A400, A401, A402, A403, 403, A406, 406, 408, 409, 442, 445, A446, 474, 486, 487, A501, 504, A505, 514, A514, 534, 535 – dorsalis 366, A379, 404, 405 – Kernkomplexe 408 – ventralis 404, 410 Thalamuskerne, spezifische 407, 408, 409 – unspezifische 407, 409 Thalamusschmerz 408, 409 Thalamusstiele 402, A402, 404 Thalamustaille 442 Thalidomid-Embryopathie 163, 169 Theatrum anatomicum 4 Thebesius-Klappe 854 Theca externa 126 – folliculi 126, A127 – interna 126, 129, 130 Thekaluteinzellen 129 Thelarche 788 T-Helferzellen 85, 87 – (CD4) 888 Thenar, Muskulatur A708 Thenarfurche 764 Thenartunnel 733 Theorie der kausalen Histogenese 29 Thermoregulation 65, 312, 318, 1225, 1226, 1228 Thermorezeptoren 274, 481, 1228 thermozeptiv T488 theta-Rhythmus 526 Thoracic-outlet-Syndrom 238, 660 Thorakopagus A167, 168 Thorax 781, 813, 880 – Form 808, 812 – knöcherner 813 – Röntgen A875 Thoraxapertur 646 Thoraxwand, Entwicklung 146, 151 Thorel-Bündel A868, 869 Thrombophlebitis 588 Thrombopoese 76 Thromboseprophylaxe 61 Thrombozyten 54, 71, 75, 76, A76, A80 Thymin 116

Register

1326 Thymom 889 Thymus 19, 75, 80, 83, 84, 85, 90, 183, A184, A817, 886, A887 – Aplasie 886 – DC2 80, A81 – Entwicklung 155, 886 – Hormone 888 – Hyperplasie 889 – Involution 886 – juvenil A888 – Kapsel A888 – Mark 887, A888 – Rinde 887, A888 Thymusdreieck 818 Thymusrestkörper 886 Thyroglobulin 338 Thyroxin 338, A547 TIA 450 Tibia A25, A34, 1103, A1104, A1117, A1118, A1120, A1121, A1123, 1127, A1128, A1130, 1130, A1131, A1152, A1164, 1197, 1200 – Fraktur 1103, 1105, 1197, 1200 tibialer Fußstrahl 1105, 1202 tibialis 13 Tic douloreux 419 Tiefenschmerz T488 Tiefensensibilität 40, 46, 483, T488 Tieranatomie 4 tight junctions 122, 455 – – Cornea 557, A558, 562 Tinea pedum 1208 Tinnitus 420, 471 – aurium 604 Tintenlöscherfüße 121 tip links 622 T-Killerzellen 85, 888 T-Lymphozyten 75, 78, A80, 80, A81, A83, 83–86, 981 Todaro-Sehne 859 Tomes-Fasern 284, 290 Tomes-Körnerschicht 290 Tonsilla cerebelli A385, A393, A513 – lingualis 273, A304, 304, A305, 311 – palatina 183, A263, A266, A271, A271, 300, 302, A304, 304, A305, 311, 344, A352 – – Entwicklung 155 – pharyngea 303, A304, 311, A319, A320 – tubaria 311, 611 Tonsillarbucht 183 Tonsillektomie 344 Tonsillen 84, 90 Tonus 44 Tonusregulation 53 Tor zum Bewusstsein 403 Torsion 797 – Mittelfußknochen 1110 – Tibia 1103

Torsionsbruch 27 Torsionswinkel 1102 Tortuositas arteriae carotidis internae 346 Torus aorticus 854 – levatorius 302, 303, A304, A317, A319, A320, A594 – Loweri 854 – tubarius 303, A304, A305, A317, A320, A594 Totenflecke 6 Toxoplasma gondii 169 Toxoplasmose 169 Trabecula(-ae) arachnoidales A434, 435 – carneae A853, 855, A855, A857, 857 – corporum cavernosoum 1096 – lienales 979 – septomarginalis A853, 855, 870 Trabeculum corneosclerale A556, 556, 559 Trabekelarterie 980 Trabekelplatte 179 Trabekelvene 64 Trachea A263, A304, A334, A338, A339, 349, 821, A832, A833, A836, A872, A879, A889, 889, 890, A898 Trachealknorpel A836 Trachealschleimhaut A836 Trachealstenose 164 Tracheotomie 243, A304, 347, 880, 886 Tractus 92, 357 – angularis 243, 343 – bulbothalamicus A418 – cerebellorubralis T517 – coracoclavicularis 739 – corticobulbaris 502 – corticonuclearis A403, 403, A414, A418, A419, 462, 499, A500, A501, 501, 502, T517 – corticopontinus 413, A414, A418, A419, A510 – corticopontocerebellaris 514, T517 – corticorubralis A514, A403, 403, A418, A419, A421, 499, A501, 501, A514 – corticospinalis A414, 504 – – anterior A428, A486, 496, A500, 502, A516, T517 – – lateralis A428, A431, A486, 496, A500, 502, A516, T517 – dentatothalamicus 410, 514, T517 – diagonalis 518 – dorsalis (Lissauer) 428 – frontopontinus A403, 403, A414, A414, A501, 502, 511

Tractus habenulointerpeduncularis 405 – horizontalis 1189 – hypothalamicohypophysialis A546 – hypothalamospinalis 468, 518, 549 – iliotibialis 29, 1115, A1120, A1123, A1140, A1141, 1142, A1143, A1145, A1146, A1151, 1160, A1161, 1184, A1188, 1189 – interstitiospinalis 476 – mamillothalamicus (Vicq d’Azyr) A407, 408, 522, A523 – mesencephalicus nervi trigemini A414, A418 – nigrostriatalis 506 – occipitopontinus A403, 404 – occipitotemporopontinus A414 – olfactorius A320, A380, 381, A381, A392, 395, 396, A413, A444, 477, 478, A478 – olivocerebellaris A419, A421 – olivocochlearis 470, A470 – olivospinalis (Helweg) A428, A486, A516 – opticus 367, A380, 396, A402, A407, 409, 410, A413, 413, 456, A457, 458, A459, 573, A585 – pallidothalamicus 408 – paraventriculohypophysialis 545 – parietooccipitotemporopontinus 502 – parietopontinus A501, 511 – parietotemporopontinus A501 – perforans 528, 529, 530 – pontocerebellaris A510 – pyramidalis A401, 413 – reticilospinalis 520 – reticulocerebellaris 511 – reticulospinalis 496, 504, A516, T517 – – anterior 519 – – lateralis A428, A486, 507 – – medialis A428, A486, 507 – retinohypothalamicus 456, 573 – rubrospinalis A414, A414, 415, A418, A419, A421, A428, A486, 496, 497, 514, A516, T517 – solitarius A416, A421, 521 – spinalis nervi trigemini A418, A419, A421, A485, 487 – spinocerebellaris anterior (ventralis) A418, A421,

A428, A431, 484, A486, 486, A510, 511, 512 – – posterior (dorsalis) A419, A421, 428, A428, 475, 484, A486, A510, 511, 512 – spinoolivaris A414, A486, – spinoolivocerebellaris 486 – spinoreticularis 483, 519 – spinoreticulocerebellaris 486 – spinotectalis 484, A486 – spinothalamicus A407, 408, 409, A414, A418, 484 – – anterior 483 – – lateralis A421, A428, 483, A486 – spiralis foraminosus 615, A626, A626, 627 – supraopticohypophysialis 545 – tectonuclearis 469 – tectospinalis A414, A421, A428, 469, 471, A486, 496, 507, 509, A516 – tegmentalis centralis A414, A418, A419, A421, 509, 514, A514 – temporopontinus A403, 404, 511 – trigeminocerebellaris 511 – trigeminothalamicus 408, 409, 487 – tuberoinfundibularis A546, 546 – verticalis 1189 – vestibulocerebellaris A510 – vestibulospinalis A419, A474, 474, 496, A516, T517 – – anterior A428, A486 – – lateralis A428, A466, A475, 475, A486 – – medialis A475, 475 – vestibulothalamicus 408, 476 Tragi 596, 1223 Tragus 593, 594, A595 trajektorieller Bau 23, 27 Trajektorien 23, A24, 205, 215, 1105, 1101 Tränenabflusswege 551 Tränenapparat 551, A584, 585 Tränenbein 201 Tränendrüse 101, 256, 551, 557, 583, 585, 586, 589, 609 – akzessorische 581 Tränenfilm 551, 557, A557, 584 Tränenfluss 227 Tränenflüssigkeit 584 Tränenkanälchen 586 Tränennasenkanal 200, 587 Tränenpünktchen 581, 586 Tränenröhrchen 586 Tränensack 586, 587 Tränensee 581, 584, 586 Tränensekretion 609

Register Tränenträufeln 587 Tränenwärzchen 581 Tränenwege 586 Transdifferenzierung 79 transfalxiale Einklemmung 371, A371 Transformation 84 Transformationsgesetz nach Roux 24 transitorische ischämische Attacke 450 Transkription 115, 117 Translation 115 Translationsbewegung 30, 35 Translokation 122 Transmitter 101, 102, T508, 574 Transplantatabstoßung 85 Transplantation, allogene 79 – autologe 79 Transport, transendothelialer 61 – transzellulärer 61 transportable Gelenkfläche 1126 – Gelenkpfanne 1122 Transposition der großen Arterien 846 Transsudat 56 Transsudation 1079 Transversalebene 12 transversospinales System A650, 651 Trapeziuslähmung 646 Trapezkörper 471 Traube-Raum 947 Treitz-Faszie 973 Treitz-Hernien 987 Treitz-Muskel 984 Tremor 409 Trendelenburg-Zeichen 1081, 1142 Trennschicht, biologische 161 Treponema pallidum 169 TRH T508 Triade 568 Trichter 382 Trigeminusaustrittsstellen 342 Trigeminusbahn, epikritische 486 – protopathische 487 Trigeminusdruckpunkte 203 Trigeminusneuralgie 419 Trigonocephalus A187, 187 Trigonum caroticum A246, 343, 345 – cholecystohepaticum 971 – clavipectorale A693, A701, 736, 739 – deltoideopectorale A694, A701, 736 – femorale (Scarpae) 1189 – fibrosum dextrum A859, 859, 869 – – sinistrum A859, 859 – habenulare 405, A412, 549

1327 Trigonum lemnisci A412, 413, 415 – lumbale A645, A692, 917, A1140, A1141, A1143 – – fibrosum 1019, A1020 – lumbocostale 147, 807, 1005 – nervi hypoglossi A412, 416 – – vagi A412, 417 – olfactorium A380, 381, A413, 477, 478 – omoclaviculare 349, A701 – pericardiacum 818 – spinae A659, A737 – sternocostale T806, 807, 881 – submandibulare A246, 247, 279, 343, 346 – thymicum 818 – vesicae 1015, 1056, 1091, A1093 – – Entwicklung 155 Trijodthyronin 338, A547 Trikuspidalklappe 845, 854, A876 Triploidie 120 Tripus Halleri 69 Trisomie 120, 121 Trizepslähmung 749 Trizepsschlitz 748 Trizepssehnenreflex 494 Trochanter major A630, 1036, A1101, 1101, 1111, 1113, A1114, 1115, 1139, A1141, 1142, A1143, 1144, 1148, 1182, A1183, 1184, A1185 – minor A1101, 1101, 1111, 1139, 1160 – tertius 1102 Trochanterhochstand A1114 Trochanter-Tuber-Linie 1184 Trochlea 49 – capitis phalangis 1110 – humeri A663, 664, A678, 679, A681, A754 – Orbita 191, A255, 257, A576, 577, A584, A585 – peronealis (= fibularis) calcanei A1106, 1109, 1153, 1165 – phalangis 691 – tali A1106, 1106, 1130, 1132, A1185 Trochlearisläsion 217 Trochlearisparese 464, A465 Trommelfell 183, 591, 592, A594, 596, 597, A598, 598, 603, 605, A606, 606 – Entzündung 597 – Gefäße A599, 599 – Nerven 599 – Perforation 600, 608 – Spannung 599, 602 – Taschen 605, A606 Trommelfellring 188 Trommlerlähmung 769

Trompetermuskel 228 trophic state 109 trophische Innervation 24, 109 Trophoblast 114, A135, 135, 136, 137, A138, 138, 139, 154, 159, 162 Trophoblastlakunen 137 Trophoblast-Tumoren 163 Trophoblastzellen 173 trophotropes System 100 Trunci lumbales 1023 Truncothalamus 407 Truncus arteriosus 842, A843, 845, A846, 848 – brachiocephalicus 58, A68, 69, 243, A245, A339, A832, A849, A851, A852, A872, A874, A877, 878, A879, A884, A887 – bronchomediastinalis A89, 90, A833, A898, 832, A896, 897 – cerebri 363 – coeliacus A68, 69, 849, A877, A879, 934, A934, 949, 962, A969, A972, 974, A975, 994, A949, A1022 – corporis callosi 377, A388, 389, A393 – costocervicalis 349, 350, 655, A817, 819, 883 – encephali 363, A367, 411 – fasciculi atrioventricularis A869 – inferior plexus brachialis A730, A731 – intestinalis A89, 90, A896, 896, 996, 1000, 1024, A1022, A1024, 1024 – jugularis A89, 90, 253, 254, 276, 311, A896, 897 – – internus 90 – linguofacialis 346 – lumbalis A89, 90, A896, 896, 921, 1057, 1066, 1068 – lumbosacralis A915, A1053, A1079, 1175, A1176, A1177, 1178 – lymphaticus dexter 88, A89, 790 – – sinister 790 – mammarius internus 90 – mediastinalis 90 – – anterior 897, A898 – medius plexus brachialis A730, A731 – parasternalis 897, A898 – paratracheobronchialis 90 – pulmonalis A50, 52, 58, A815, 831, A832, 842, A846, A849, 850, A851, 852, A853, 856, A862, A864, A874, A876, A878, 883, A898 – spinocerebellaris dorsalis A431

Truncus subclavius 88, A89, 90, 729, A896, A897 – superior plexus brachialis A730, A731 – sympathicus 102, 104, A241, A246, A271, A310, 311, A338, A339, 346, 349, 350, 351, A352, 352, 353, A607, A608, 807, A817, A840, A861, 862, A872, A879, A884, 889, 890, 895, 898, 1052 – – cervicalis 242 – thyrocervicalis A270, 349, 350, 351, A339, A450, 882, A851, A861, 883 – transversus cervicalis 90 – vagalis anterior 108, A264, 265, 807, A840, A879, A884, 898, 950, A951, 965, A1022, A1024, 1024 – – posterior 104, 108, A264, 265, 807, A879, 898, 950, A951, A1022, A1024, 1024 Trypsin 976 Ts/c-Zellen 888 TSH A547 T-Suppressorzellen 85, 86, 87, 888 Tuba auditiva (= auditoria) Euchstachii 183, A184, 302, 303, 591, 599, 600, 605, A606, 606, 610 – uterina 65, 128, 132, A133, 135, A135, A1049, 1060, A1060, 1062, A1063, 1066, A1067, 1073, A1077 Tubargravidität 1068 Tubenenge 611 Tubeninfantilismus 1067 Tubenkatarrh 599, 611 Tubenknorpel 303 Tubenöffnung 303 Tubensterilisation 131 Tubentransport 131, A135 Tuber 27 Tuber calcanei A1106, A1107, A1108, 1108, 1109, A1129, 1133, A1134, 1136, 1137, A1151, A1152, 1153, A1154, A1155, 1157, A1158, A1159, A1185, 1204, A1206, A1207 – – Processus lateralis A1135, 1163 – – Processus medialis A1135, 1157, 1163 – cinereum A380, 382, 408, 410, 411, A413, 423, A444 – frontale A181, 190, 191, A192, T206 – ischiadicum A1028, A1029, 1029, 1031, A1031, 1035, 1037, A1041, A1042, 1042, A1083, A1089, A1097,

Register

1328 1113, A1114, 1142, A1143, 1144, 1148, A1149, 1182, A1185 Tuber maxillae A202, 220, 220, 323 – omentale hepatis 955, A956 – – pancreatis 972 – parietale A181, T206 – vermis A366 Tubercule du trapèze 660 Tuberculum 27 – adductorium femoris A1101, 1102, 1119, A1122, 1147 – anterius atlantis A239, A633, A641 – – processus transversi A634, 634 – articulare 197, A198, A199, A207, 208, 221, A222, 223, A266 – auriculare A595, 596 – calcanei 1108 – Carabelli 298 – caroticum A239, 634 – conoideum A661, 661, 672 – corniculatum 327 – costae 634, A796, 796, A798, 798, 800, 801 – deltoideum A659, 660 – dorsale radii (Lister) A665, 666, 760 – epiglotticum 327 – glenoidale 660 – iliacum A1028, 1028 – impar 272, A272 – infraglenoidale A659, 660, A662, 701 – intercondylare laterale 1103, A1128 – – mediale 1103, A1128 – intervenosum 854 – jugulare A193 – laterale tali 1107 – linguale 272, A272, 296 – majus 28, A662, 663, A663, 674, 675, 695, 696, A737 – mediale tali 1107 – mentale A204, A204, 205 – minus A662, A663, 663, 674, 675, 696, A737 – musculi scaleni anterioris 238, A798, 798 – nuclei cuneati A412, 423 – – gracilis A412, 423 – obturatorium anterius 1030 – – posterius 1030 – olfactorium 398 – ossis scaphoidei 667, A668, 714, A719 – – trapezii 667, A668, A669, 714, A719 – pharyngeum A194, A207, 209, 303, 306 – posterius atlantis A633, 633, 652

Tuberculum posterius processus transversi A634, 634 – pubicum 911, 916, A916, A1028, A1029, 1029, 1035, 1144, A1185 – supraglenoidale 660, 674, 700 – thyroideum 272 – – inferius 326 – – superius 326 – tractus iliotibialis (Gerdy) A1123, A1128, 1142, 1160 Tuberkulose 561 Tuberositas 27 – cuboidea 1153 – deltoidea A663, 664, 695 – glutea A1101, 1102, 1142, A1143 – iliaca A1029, 1029, 1031 – ligamenti coracoclavicularis A661, 661 – masseterica 203, A204, 231 – musculi serrati anterioris 798 – ossis cuboidei A1107, A1108, 1109, 1136, A1159 – – metatarsalis I 1110, A1185 – – metatarsalis V A1106, A1107, A1108, A1130, A1134, A1135, 1136, A1151, 1153, A1154, 1157, A1158, A1159, A1185, 1203 – – navicularis A1106, A1107, A1108, 1109, A1130, A1135, A1152, A1155, 1156, A1158, A1159, 1165, A1185, 1202 – – sacri 1031 – phalangis distalis A669, 671, 1110 – pronatoria 666, 707 – pterygoidea 203, A204, 233 – radii A665, 666, A678, 700 – sacralis A636 – tibiae 29, 1103, A1104, A1117, A1118, 1119, A1120, A1123, A1128, A1140, 1144, A1145, A1146, 1148, A1149, A1151, A1152, A1185, 1193, A1201 – ulnae A665, 665, A680, A681, 700 Tuber-Trochanter-Linie A1186 Tubuli seminiferi 122 Tubulus colligens 1009 – distalis 1009 – intermedius 1009 – proximalis 1008 – seminiferus contortus 1085, A1085, 1086 – – rectus 1085

Tumoren, bösartige 88 – intramedulläre 427 Tunica adventitia pharyngis 306 – – urethrae 1059 – – vaginae 1080 – albuginea, Ovar 128 – – bulbi vestibuli 1083 – – corporis spongiosi 1096 – – corporum cavernosorum A1095, 1096 – – cruris penis/clitoridis 1043 – – epididymidis 1087 – – ovarii 1065 – – testis 1085, A1085 – conjunctiva A576, A582, 583, 584 – dartos A908, A909, A910, 1045, 1097 – externa 53, 59, 62 – – oculi 551 – fibrocartilaginea 835, 837 – fibroelastica A831 – fibrosa oculi 555 – interna oculi 551, 567 – intima 53, 59, 62 – media 53, 59, 60, 62, 65, 88 – – oculi 551 – mucosa A946, A948, 988, A990, A997 – – ductus deferentis 1088 – – laryngis 334 – – oesophagei 892 – – pharyngis 305 – – tracheae 890 – – urethrae 1059 – – uteri 1074 – – vaginae 1079 – – ventriculi 947 – muscularis 53, A946, A948, 988, A989, A990 – – ductus deferentis 1088 – – oesophagei 893 – – pharyngis 306 – – urethrae 1059 – – uteri 1074 – – vaginae 1079 – – ventriculi 948 – propria conjunctivae 584 – serosa A946, 988, A989, A997 – – pleurae 818 – – uteri 1074 – – ventriculi 949 – spongiosa urethrae 1059 – – vaginae 1080 – subserosa pleurae 818 – vaginalis testis 918, A925, A1084, 1085 – vasculosa bulbi 560 – vasculosa lentis 553 Türck-Bündel 404 Turgor 1221 Türkensattel A210 Turmschädel 187 Turner-Syndrom A120, 121 Turricephalus A187 T-Vorläuferzellen 79, 83

Tympanoplastik 604 Typ, athletischer 17, A18 – ektomorpher 17, A18 – endomorpher A18, 19 – leptosomer 17, A18 – mesomorpher A18, 19 – muskulärer 59 – pyknischer 17, A18 Typ-A-Zellen 75 Typhus 988 Typ-I-Pneumozyten 837, A838 Typ-II-Pneumozyten 837, A838 Typologie 17 Tyson-Drüsen 1095 T-Zell-Regionen 80, A81, 84, 85, 87 T-Zell-Rezeptoren 85

U Überbiss 223 Übergangsepithel 1016, 1056, 1059, 1094 Übergangsgelenk 679 Überleitungsstück A1008, 1008 Übersichtigkeit 564 übertragene Kinder 171, 1219 Uferzellen 87 Ulcus cruris 64, 1173 Ulkuskrankheit 913 Ullrich-Turner-Syndrom 121 Ulna 28, 29, A665, 665, A667–A670, A678–A681, A684, A698, A754, A757 – Fraktur 760 ulnaris 13 Ulnarislähmung A734 Ulnarispuls 761 Ulnaristunnel 762 Ulnartunnelsyndrom 763 Ultimobranchialkörper A184, 184, 337 Ultraschall 171, 172 umami 479 Umbilicus A693, A908, A910, 912, A1145 Umbilikalgefäße 148 Umbo membranae tympanicae 597, A598, 598 umherschweifender Nerv 96 Umknicken des Fußes 1132 Umlenkrolle 49 Umschaltung 104 Umstellungsosteotomie 24 Umwelt-Nervensystem 91 Uncus 373, A373, 379, 381, A381, 396, 397, A447, A478, A522, 528 – corporis vertebrae 634 Uncusbändchen 379 Ungues 1223 unspezifisch aszendierendes dopaminerges System 506

Register Unterarm, Fraktur 713 – Phlegmone 767 Unterarmfaszie 716 Unterbauch 982 Unterhaut 1219, 1222 Unterhautfettgewebe 157, 1222, A1222 Unterhorn 364 Unterkiefer 182, 203, A204 – Fraktur 205 – Gelenkfortsatz 203 – Trajektorien A215, 215 Unterkieferdrüse 279 Unterkieferkörper 203 Unterkiefernerv 96 Unterkieferwulst 153, 182, 299, A301 Unterlid 581 Unterschenkelgeschwür 64 Unterschläfengrube 220 Untersuchung, rektale 1073, 1089, 1090, A1090 – vaginale 1073 Unterzungenbeinmuskeln 340, 812 Unterzungendrüse 280 Unterzungennerv 96 Urachus 914, A934 Urachusfistel 153 Urbanisation 20 Ureter A915, A985, 987, A1006, 1015, A1016, A1022, A1046, A1049, A1053, A1055, A1060– A1063, A1067, A1072, 1073, 1076, A1077, A1079, 1079, A1089 – Arterien 1016 – Engen 1015 – Entwicklung 155 – Pars intramuralis 1055 – Pars pelvica 1054 Ureter duplex 168, 1003 – fissus 1003 Ureterfistel 1055 Ureterknospe 1003 Ureteröffnungen A152 Ureterovaginalfisteln 1056 Ureterspindeln 1015 Urethra A152, A1039, A1040, A1043, A1049, 1056, 1057, 1059, A1063, A1067, 1090, A1095 – feminina 1059 – masculina 1061, 1062, 1064, 1092, A1093 Urethraldrüsen 125 Urethrovaginalfistel 1079 Urhirn 395 Urkeimzellen 116, 123, 126 Urniere 57, A78, A78, A1062, 1062, 1064 Urnierengang 1003, A1062, 1062 Urnierenkanälchen 1086 Urnieren-Keimdrüsenband A1062, 1062, A1063, 1063 Urothel 21, 1016, 1056, 1059, 1094

1329 Ursegmente (s. a. Somiten) 15, 147, A359 Ursprung 41 Usher-Syndrom 593 Uterinsegment 158, 1069 Uterus 59, 130, 132, A133, A135, 136, 158, A164, 164, 170, A547, A1049, 1060, A1060, 1062, A1063, A1065, A1067, 1069, A1072, A1074, A1076, A1079 – arcuatus A1076 – bicornis 1075, A1076 – didelphys A1076 – septus 1075, A1076 Uterusepithel A135 Uterusfehlbildungen 1075, A1076 Uterushöhle 1073 Uteruskarzinom 1075 Uteruslumen 132, A135, 135, 164, A164 Uterusretraktion 158 Uterusschleimhaut 130, 136 Uteruswachstum 170 Utriculus 473, 591, 592, 612, 615, 616, A617, 617, 623 – prostaticus 1062, A1063, 1094 Uvea 560 Uveitis 566 Uvula A271, 300, A305 – vermis A366 – vesicae 1056–1059, A1093 Uvulapolster 1058

V V. a. 450 VACTERL-Assoziation 168 Vagina 170, A1040, A1047, 1058, 1060, A1060, 1062, A1063, A1069, A1077, 1078, A1079, 1079 – bulbi (Tenon) 578, A579, 581 – carotica A241, 241, 242, A242, 243 – communis tendinum musculorum flexorum 717, A719, 761, 766 – duplex A1076 – externa nervi optici 456, A579 – fibrosa 47 – – digitorum manus A709, A710, 718, A762, A769 – – – – Pars anularis A709, 719, A762 – – – – Pars cruciformis A709, 719, A762 – – – pedis, Pars anularis A1158, 1165 – – – – Pars cruciformis A1158, 1165

Vagina musculi recti abdominis A693, A802, A907, 907, A911, 912 – plantaris 1153 – processus styloidei A199, 208 – septa A1076 – synovialis 36 – – digitorum manus A711, 718, A719, A765 – – tendinum 47 – tendinis digitorum pedis A1134, A1135, A1155, A1158, 1165, A1207, A1209 – – intertubercularis A673, 675, A676, A702 – – musculi flexoris carpi radialis 718 – – – flexoris pollicis longi 717, A719 – tendinum carpales 717 vaginale Barriere 131 Vagotomie 952 Vagusganglien 108 Vagusgruppe 422 Vagusreizung 109 Vallecula cerebelli A513 – epiglottica A273, A304, 304, A305 Valleix-Punkte 1081, 1187 Valva aortae A815, A855, 858, A859, A870, A874 – atrioventricularis dextra A809, A815, A853, 854, A855, A857, A859, A874 – – sinistra A809, A855, A856, A857, 858, A859, A874 – bicuspidalis A855, 858, A859, A874 – ileocaecalis 934, A987, 987, 998 – mitralis A855, A856, 858, A859, A874 – sinus coronarii 843 – tricuspidalis A853, 854, A855, 855, A859, A874 – trunci pulmonalis A853, 856, A874 – venae cavae 843 Valvula(-ae) 62 – anales 1051, 1052 – foraminis ovalis 857 – fossae navicularis 1094 – – ovalis 854 – semilunaris A855, 856, A857, 858, A859 – sinus coronarii (Thebesii) 854, A859, A869 – venae cavae inferioris (Eustachii) 52, 854, A869 – venosa 854 vanishing twin 167 Varicella-zoster-Virus 169 Varietäten 1 Varikozele 1023, 1086 Varizen 58, 64, 1172, 1197 Vas(-a) afferens, Niere 1008, 1010

Vas(-a) efferens, Niere 1008, 1010 – epigastrica A924, A925, 927 – lymphatica 50, 88, A992 – – digitalia A728 – – femoralia A1174 – – obere Extremität 727 – – plantaria interdigitalia A1174 – – plantaria lateralia A1174 – – plantaria medialia A1174 – – superficialia ulnaria A728 – nutricia 26 – privata 64 – – Herz 852 – – Lunge 831 – publica 64 – – Leber 958 – – Herz 852 – – Lunge 830 – spirale A621 – tibialia posteriora, Hiatus A1155 – vasorum 53, 65, 67 Vasektomie 1088 Vaskularisation 53 Vasodilatation 61, 74, 109, 468 Vasokonstriktorenbahn A431 Vasopressin T508, 545 Vasoresektion 131 Vater-Pacini-Körperchen 41, 481, T488, A1220, 1228 V-Band A686, 686, A687 vegetativ T488 vegetative Innervationsstörungen 109 – Wirkungen 100 – Zentren 111 vegetativer Reflexbogen 101 vegetatives Nervensystem 98, 99, 101, 102, 104, 111 – – Formatio reticularis 111 – – Hypothalamus 111 – – peripherer Reflexbogen 111 – – prosenzephale Steuerung 111 – – spinale Zentren 111 – – spinotegmentale Steuerung 111 Velum medullare inferius 443 – medullare superius A412, 413, 443 – palatinum 299, A304 Vena(-ae) alveolaris inferior 203 – anastomotica A752 – – (Trolard) 452 – – inferior (Labbé) 452 – angularis A248, A250, 251, A261, 315, A437, A580, 585, 588

Register

1330 Vena(-ae) arcuata, Niere A1010, A1011, 1012 – atriales 868 – auricularis posterior A250, 252, A261, 597 – auriculotemporalis superficialis A261 – axillaris 70, A693, 739, A741, 920, 921, 1189 – azygos 70, A310, 654, 807, A809, A815, A817, 819, 820, 826, A833, 847, A848, 862, A872, A879, A884, 885, 895, 921, A964, 1023 – basalis (Rosenthal) 452 – basilica 63, 724, A725, A728, 746, A748, A752, 754 – – antebrachii 724, A725, A726, A752, A757, 760 – basivertebrales 454, A454 – brachialis 727, A748, A753 – brachiocephalica 70, 90, A250, 252, 252, A339, 340, A815, 820, 847, A848, A851, 862, A874, 885, A437, 921, A964 – bronchialis 66, 823, A824, 832 – bulbi penis 1096 – canalis pterygoidei 252 – cardiaca minima 66 – cardinales A78, 815, 847 – cava inferior A50, 52, 53, 62, 70, 455, A653, 806, A815, A843, 847, T847, A848, 852, A853, A856, A857, A861, 861, A867, A869, A870, A874, A919, 920, A936, A939, 943, A956, 957, 959, A964, A969, A1006, 1021, A1022, 1022, A1024, 1052, A1053, 1066, A1079, 1086 – – superior A50, 64, 70, A250, 252, A815, A817, A843, 847, A848, A851, A852, 852, A853, A855, A857, A861, A862, A867, A869, A874, A876, A884, 885, 889, 920, 921 – centralis A960, A962 – – hepatis 959, 962 – – retinae 572, 573 – – suprarenalis 1017 – cephalica 63, A250, A693, 724, A725, A726, A728, A738, 738, A741, 746, A747, A748, A752, 754, A792 – – accessoria antebrachii 724 – – antebrachii 724, A725, A726, A752, A757, 760 – cerebelli inferior 452 – – superior 452 – cerebri anterior 452

Vena(-ae) cerebri inferiores 452 – – interna A379, A392, A449, 451, A452, 452 – – magna (Galeni) A250, A436, A437, A449, 452, 453 – – media profunda 452 – – – superficialis 452 – – superiores A250, A437, A438, A449, 452 – cervicalis profunda A250, A437, A454 – choroidea A379, 452 – ciliares 573 – circumflexa iliaca 920 – – ilium profunda A915 – – – superficialis A1171, 1189 – – scapulae A745 – colica sinistra A939 – collateralis radialis A748 – – ulnaris superior A748 – comitans 57 – – nervi hypoglossi 276, A344, A437 – cordis anteriores A862, 868 – – magna A862, A867, 868 – – media A859, 868 – – minimae (Thebesii) 854, 868 – – parva A867, 868 – coronaria dextra A867 – – ventriculi 950, A969 – coronariae 867 – cremasterica 1088 – cystica 968 – digitales dorsales A769, 1170 – – plantares 1170 – diploica frontalis 250, A251 – – occipitalis A250, 250, A251, A437 – – temporalis anterior 250, A251 – – – posterior 250, A251 – diploicae 438 – – temporales A437 – dorsalis penis A1043, A1053, A1095 – – – profunda A925 – – – superficialis A925 – – profunda penis 1096 – – superficialis penis 1096 – emissaria (Foramen caecum) 209 – – condylaris A212, 251, A437, 455 – – mastoidea 199, A212, 251, A437, 455 – – occipitalis A250, 251, 455 – – parietalis A250, 250, A437 – emissariae 438, 453 – epigastrica inferior A914, A915, 915, 920, 921, A964

Vena(-ae) epigastrica superficialis 920, A922, A964, A1171, 1189, A1190 – – superior 807, 920, 921, A964 – ethmoidalis anterior 191, 209, 325 – – posterior 191, 325 – facialis A219, A246, A248, A250, 251, A261, A270, A271, 280, 315, 342, 343, A344, 345, 346, A437, 588, 597 – femoralis 70, A908–A910, 920, A925, A1040, A1145, A1146, 1160, A1161, A1162, 1172, 1189, A1190, A1191, 1191, 1193 – femoropoplitea A1171, 1172, 1187, 1189, A1194, 1198 – frontoparietalis interna A452 – gastrica dextra 921, A950, 950, 963, A969 – – sinistra 895, 921, A950, 950, 963, A964, A969 – gastricae breves A950 – gastroomentalis dextra A950, 950, A969 – – sinistra A950, 950, A969 – glutea inferior A1040, 1048, A1054 – – superior A1040, 1048, A1054, 1183 – hemiazygos 70, 654, 807, A809, 819, A840, 847, A848, 885, 895, 921, 1023 – – accessoria 654, 819, A840, 885 – hepaticae A50, 70, A848, A939, A956, 959, 962, 964, A1022, 1023, A1024 – hypogastrica A1054 – hypophysiales A546 – iliaca communis 70, 847, A848, A915, A985, 1022, A1053, A1054 – – externa 70, A848, A914, A915, 920, A964, A1049 – – interna 70, A848, A915, A964, A1046, A1049, 1052, A1053, A1054, 1066, A1079, 1080, 1092 – infraorbitalis A248, 587 – intercapitulares 1170 – intercostales 16, 454, 791, 818, A884, A884, 885 – – anterior 820 – – posterior 654, A813, A817, 819, A840, A879, 885, A1020 – – suprema 820 – interlobularis A962, A1011, 1012 – – hepatis 961 – – pulmonis A831 – – renalis A1010 – interossea anterior 727, A757

Vena(-ae) interossea posterior 727, A757 – interventricularis anterior 868 – – posterior 868 – intervertebralis A454, 454, 819 – jejunales A992 – jugularis anterior A250, 252, A268, A338, A693 – – externa A250, 252, A261, A268, A270, A270, A338, A339, 343, 346, A348, 349, 350, A437, 597, A693, 789, 790, 813 – – interna 70, A212, 213, 237, A241, 242, 243, A246, A250, A250, 252, A266, A270, A271, A310, 311, 335, A338, A339, 340, A344, 344–346, 351, A352, 352, A437, A449, 453, A594, 597, A625, A741, A815, A840, A848, A851, A874, A884, A887, A896, 897, A898 – – – sinistra 88, 90 – labyrinthi 213, 453, 625, 627 – lacrimalis A580, 586 – laryngea inferior A310, 335 – – superior 326, 327, 329, 330, 331, 335 – lienalis (splenica) 963, 979 – lingualis A250, 276, 280, 345, 346 – lumbales 16, 70, 454, 654, 1023 – lumbalis ascendens 70, 654, 885, 1023 – marginalis sinistra 868 – maxillaris A250 – mediana antebrachii 724, A725, A752, 754 – – basilica 724, A725, A747, A752, 754 – – cephalica 724, A725, A747, A752, 754 – – colli 252 – – cubiti 724, A728, 754 – – profunda 754 – mediastinales 885 – meningea 211 – – media 252, A437, 599, 607 – mentalis 205 – mesenterica inferior 963, A964, A973, A985, 986, 1000, 1052 – – superior 847, A939, A950, 963, A964, A972, A973, 973, A995, 995, 1000, A1006, 1051 – metacarpales dorsales A726 – – palmares 727, A766 – obliqua atrii sinistri A848, A867, 868

Register Vena(-ae) obturatoria A1040, 1048, A1054, A1112, 1193 – occipitalis A250, 252, A261, A270, A348, A437 – oesophageae (oesophageales) 885, 921 A964, 964 – omphalomesenterica 847 – ophthalmica 576, 577 – – inferior 218, A250, 251, 252, A437, 588 – – superior 211, A212, 218, A250, 251, 342, A437, 453, 573, A575, 586, 588, 589 – ovarica 847, A848, 1065, 1066, 1068, 1073 – – dextra 70 – – sinistra 70 – pancreaticoduodenalis superior A973 – paraumbilicales 920, 921, A922, A964, 964, 1189 – parietooccipitalis interna 452 – perforantes 62, 63, 1187 – pericardiaca 885 – pericardiacophrenica 818, A840, 862, A884, 885 – peronea 70, 1128, 1172 – phrenica 70 – – inferior 808 – – superior 808, 818 – plantaris A1129 – poplitea 70, A1118, A1155, 1172, 1187, A1188, 1189, 1195, A1199 – portae hepatis A50, 52, 64, 66, 70, 847, 921, A935, A956, A960, A964, A969, 970, A972, A973, 973, A950, 957, 963, 1052, 1189 – posteriores ventriculi sinistri A867 – prepylorica A950, 950, 963 – profunda brachii A747 – – femoris A1112, 1172 – – linguae A280 – – penis 1096 – pudendae externae 1083, 1189 – – interna 1048, A1053, A1054, 1083, A1083, 1096, A1097, 1097, 1184 – pulmonales A50, 818, A824, A825, 830, A831, 831, A840, A843, 856, A864, A898 – – dextrae A853, A856, A861, A867, A870, A872, A874, A884 – – sinistrae A853, A855, A856, A861, A867, A870, A872 – radialis 727, A752, A753, A757 – radiculares 454, A454

1331 Vena(-ae) rectalis inferior 921, 1052, A1083 – – media 921, 1052 – – superior 921, A964, A1046, 1052, A1054 – renalis 70, 847, A848, A919, 1005, A1006, A1006, 1012, A1022, 1023, 1066, 1086 – retromandibularis A219, 222, A226, A250, 252, A271, 278, 342, 344, A352 – sacralis mediana A848 – sacrocardinalis 847 – saphena accessoria 1193 – – magna 62, 63, 70, A906, A908–A910, A922, A925, 1097, 1160, A1161, A1162, A1164, A1171, 1172, 1187, 1189, A1190, 1193, 1198, 1203, A1204 – – parva 63, 70, A1163, A1171, 1172, 1187, A1188, A1194, 1195, 1198, 1203 – scrotalis anterior 1097 – – posterior 1097 – segmentorum hepatis 963 – septi pellucidi A379, 451 – splenica (lienalis) 943, A950, 963, A964, 972, A973, A977 – stellatae A1011, 1012 – stylomastoidea 252 – subcardinalis 847 – subclavia 70, 238, A250, 252, A270, A310, A348, 349, 351, 353, A437, 695, A741, 790, A815, A817, A840, A848, A874, A884, A887, A896, , 897, A898, 920, 921, 1189 – – sinistra 88, 90 – subcostalis 654 – subcutanea 57 – sublingualis 276, 279 – sublobularis hepatis 959, A960 – submentalis A250, 252, 280 – supracardinalis 847 – supraorbitalis A248, A250, A261, 342 – –Rami laterales A580, 583 – – Rami mediales A580, 583 – suprarenalis 62, 70, A848, 1017 – suprascapularis A270, A339, A348, 660, 673, A745 – supratrochlearis A437 – temporalis interna 452 – – media A219 – – profunda A437 – – superficialis A219, A250, 250, 342, A437, 597 – terminalis 451, A452

Vena(-ae) testicularis 70, 847, A848, A914, A1022, 1023, A1024, 1086 – thalamica 451, A452 – thalamostriata A379, 398, A406, 406, 451, A452 – thoracica interna 790, A817, 820, A851, A882, 885, A887, 920, 921, A964 – thoracodorsalis 646, A747 – thoracoepigastrica A738, A741, A792, 813, 920, A922, 1189 – thymica 885, 888 – thyroidea superior 345 – – ima 242 – – media 340 – – superior A250, 335, 340, 346 – thyroideae inferiores 242, 335, A339, 340, A887, A851, 885, 890, 895 – tibialis anterior 70, 1128, 1172 – – posterior 70, A1152, A1154, 1163, 1172, 1203, A1204 – tracheales 885, 890 – transversa colli A250 – tympanicae 252 – ulnaris 727, A752, A753, A757, 763 – umbilicalis A51, 52, 165, 848, 916, A934, 935, 940 – uterina A1072, 1073, 1076 – ventriculi sinistri posteriores 868 – vertebralis A241, A250, A437, A454, 640, 792, 820, 885 – vesicalis superior 1088 – vitellina 842 – vorticosa A554, A560, 566, 573, 588 Vena-cava-Gallenblasenlinie 958 Vena-cava-inferior-Syndrom 170 Venen 52, 53, A59, A60, 61, 62, 64 – Entwicklung A847, A848 – epifasziale 63, A63, 1184 – episklerale A556, 556, 559 – muskelfreie 64 – subfasziale 63 – tiefe A63 – epifasziales A63 Venenkatheter, zentraler 889 Venenklappen 55, A56, 57, 61, 62, A63, 454 Venenklappentypen 62, 63 Venenkreuz 852 Venennetz 66 Venenplexus 55 – periostaler 26 Venenstämme 70 Venenstern 70, 1172, 1189 – Niere A1004

Venenverschluss, retinaler 566 Venenwinkel 88, A89, 90, 252, 253, 349, 790, 832, 885, 897 venöse Sinus 61 venöser Rückstrom 55, 61 venöses Wundernetz 66 Venter anterior musculi digastrici 183, A226, A233, 234, A236, 237 – – – occipitofrontalis A226, 342 – frontalis musculi occipitofrontalis A585, – occipitalis musculi frontooccipitalis A655 – – – occipitofrontalis A226, 342 – posterior musculi digastrici 183, 208, A226, A233, 234, A236, 237 – superior musculi omohyoidei A236 Ventilebene 55, 851, A859, 859 ventral 15, 370, A370 ventralis 13 Ventriculus(-i) (= Gaster) A933, A935, A937, A938, A941, A942, A944, 944 – dexter A809, A815, 842, 845, A851, A852, A853, A854, 854, A857, A862, A867, A874, A875 – laryngis A304, A319, A328, A331, 333, A334 – laterales 364, A371, T382, A384, A386, A388, A394, 441, 442 – – Cornu anterius (frontale) A383, A386, A388, 389, 398, A406, A441, 442 – – Cornu inferius (temporale) A383, 389, A394, 397, A441, 442 – – Cornu posterius (occipitale) A379, A383, A390, A441, 442, A457 – – Pars centralis (parietalis) A379, A383, A386, A390, 398, 406, A441, 442 – – Plexus choroideus A386, A406, 442 – opticus 552 – quartus (rhombencephali) 364, A364, 365, T382, A383, A390, A392, 415, 416, A418, A419, 441, A441, 443 – sinister A809, A815, 845, A851, A852, A853, A854, A856, A857, 857, A862, A864, A867, A874, A875, A876, A878 – tertius A364, 364, 366, A366, 367, 377, 378, A383–A386, 389, A390, 404,–406, A406, 410, A436, 441, A441, 442

Register

1332 Ventriculus(-i) tertius, Plexus choroideus 442 Ventrikelausgusspräparat 442 Ventrikelseptumdefekt A846, 845, 846 Ventrikelsystem 441 ventrikuläre Zone 360 Venula recta 1012 Venulen 63, 64, 84, 87 veränderte körpereigene Zellen 83 Verbindungsstück, Niere 1009 Verdauungskanal 65 Verdrehung 1132 Verdunstungskälte 1226 Vereinigungskern, metakarpophalangealer A690 Vererbung 115 – maternale 133 Verhalten, emotionales 509 Verhaltensmuster, komplexe 525 Verhütungsmethode 131 Verkalkung 25 Vermächtnisgeber 5 Vermis cerebelli 365, A385, A390, A419, 475, 510, 513 Vernix caseosa 156, 157, 164, 1219 Verschaltungsarten, Retina 570 Verschlusskrankheit, periphere arterielle 1198 Verschlusssegmente 893 Verschlussstörungen, Mesoderm 145 – Neuralrohr 145 Versorgungsgebiete, Koronararterien A865, T865 – muskuläre A432 Versorgungstyp 864, 865 Verstärkungsbänder 36 Verstärkungspfeiler 214, A215 Verstärkungszüge der Schädelkapsel A216 Verstauchung 1132 Vertebra(-ae) A794 – lumbalis 631, 635, A1032 – lumbalis V A1149 – prominens 629, A631, 631, 632, A645, A692, A810 – sacrales 631 – thoracales 631, 634 Vertebrata 629 Vertiefung 27 Vertikalisation 184 Verwachsungen 986 Verzweigung, büschelförmige 58 – dichotomische 58 – monopodiale 58 Vesal 3, A3, 9 Vesica biliaris (= fellea) A919, A941, A942, A951, A956, A966, A967, 967

Vesica urinaria A914, A915, A938, A939, A1022, A1046, A1049, A1053– A1055, 1056, A1060, A1061, A1063, A1067, A1072, A1079, A1089, A1090, A1093 Vesicula optica 552 – seminalis (s. a. Glandula vesiculosa) A1046, A1055, 1061, 1062, 1089 Vesikel, neurosekretorische A543 – synaptische A494 Vesikovaginalfistel 1079 Vestibularapparat 612, 615 vestibuläre Haarzelle A616 – Rezeptoren 613 vestibuläres System 469, 473, A474, 477, 490 vestibularis 13 Vestibularorgan A474 Vestibulocerebellum 474, 510, A510, 513, 515 Vestibulum bursae omentalis 936, 943, 973 – Innenohr 612–615, A624 – laryngis 329, A332, 334 – nasi 312, 315, A317, A319 – oris 270, 278 – vaginae 1043, 1059, 1061, 1063, 1078, 1081, A1081, 1083 Vestigium processus vaginalis 918 Vibration T488 Vibrationsempfindung 1228, 1226 Vibrissae 315, 1223 Vicq d’ Azyr-Bündel 408, A523, 522 Vicq-d’Azyr-Streifen 460, 533 Vidal-Einteilung 1109 Vieleckbein, großes 667 – kleines 667 viereckiges Mittelfeld 382 Vierfingerfurche 121, 167 Vierhügelplatte A365, 405, 413 Villi intestinales 953, 992 – synoviales 33 Vincula tendinum 47, A719, 719, A769, 1165 VIP T508, 574 Virchow 4 Virchow-Drüse 897, 950 Virchow-Robin-Räume A434, 435 Viren 169 – neurotrope 455 Virilisierung 169, 1019 Viruskeratitis 585 Viscerocranium 177, 178, 181, 186, 200, T206, 206 Viskoelastizität 32 visuelles System 456 Viszeralbogen 182 viszerales Mesoderm A78 viszeroafferent 109, T488

viszeroefferent 109 viszerokutane Reflexe 110 Viszeromotorik 481 Viszeropleura 155 viszerosensibel T488 Viszerosensibilität 481 Viszerozeptoren 481 Vitalkapazität 834 Vitamin B12-Mangel 483 Vitamin-D-Mangel 24 vitelline Gefäße 77 Vitronektin 81 Vivisektion 4 VNS 91, 98, 99, 101, 102, 109 – Entwicklung 102 – Rezeptoren 102 – Umschaltung 101 Vogelspornspalte 374 Vola manus 763 volar ligament A686 Volkmann-Dreieck 1104 Volkmann-Kanal A23, 26, 295 Volkmann-Kontraktur 48 Vomer 201, A207, 208, A314, 317 von Ebner-Linien 290 von Hagens 9 von Kupffer-Sternzellen 961, 965 von Langer-Achselbogen 740 von-Ebner-Fibrillen 290 von-Ebner-Halbmond 280 von-Recklinghausen-Krankheit 341 VOR 467, 519 Vorbiss 223 Vordehnung 43, 44 Vorderdarm 142, 146, A149, 150, 153, A841, 891 Vorderhirn A364, 395, 396, 552 Vorderhirnbläschen 363 Vorderhirnbündel, mediales 395, 479, 518, 525 Vorderhorn (= Vordersäule), Rückenmark 361, 364, 403, 427, 428, 502 Vorderhornzelle, motorische 46 Vorderkammer 551, 558, 559 Vorderseitenstrang 427, 430, 483, A485 Vorderstrang 430 Vorderwurzel 96, 361, A362 Vorderwurzelzellen A428 Vorfuß 1105, 1129, A1129, 1134, 1137, 1202 – Verwringung 1135 Vorhof A842, A843, A847, 852 – Septum A843, 843, A844 – Septumdefekt 843, 846 Vorhofdehnung 109 Vorhofflimmern 871 Vorkerne A133,134

Vorläuferzellen 71, 78, 79, A81 – hämatopoetische 78 – megakaryozytäre 79 – neuronale 529 Vormahlzähne 297 Vormauer 399 Vornagel 1223 Vorsorgeuntersuchung 791 Vorsteherdrüse 1061, 1090 Vortex cordis A860, 860 Vortexvenen 553 V-Phlegmone 720 VTA 504, 506, 509, 518, 536 Vulva 1061, 1080

W Wachstum 19, A21, 115 – auf Organ- und Zellebene 20 – chondrales 186 – intrauterines 167 – kindliches 19 – kraniofaziales 186 – oszillierendes 19 – suturales 180, 186 Wachstumsakzeleration 20 Wachstumsfaktoren 356 Wachstumsfuge 27, 30, 1115 Wachstumshormon 179 Wachstumszentren 179, 180 Wadenbein 1104 Waldeyer-Grube 987 Waldeyer-Magenstraße 947 Waldeyer-Marginalzellen 429 Waldeyer-Rachenring 303 Waldeyer-Scheide 1016 Wallenberg-Infarkt 469 Wallenberg-Syndrom 423 Walzengelenk 35 Wandermilz 978 Wanderniere 1014 Wanderwelle 622 Wangen 228, 271 Wangenbein 201 Wangenfettpfropf 220, 229, 231 Wangengrübchen 229 Wangenmuskel 228 Wärmeabgabe 1226 Wärmeempfindung 1226 Wärmerezeptoren 1228 Warmsensoren T488 Warzenfortsatz A179, 600, 602, 610 Warzenfortsatzzellen 591, 600, 610 Warzenhof 787 Wasserkissen 47 Wasserkissenprinzip 638 Wasserkopf 158 Wasserscheide, Leber 958 – venöse 451 Wasserskelett 93 Watschelgang 1142

Register Weber-Einteilung 1132, A1132 Weber-Fraktur 1105 Weber-Syndrom 423 Wechselgebissphase 286 Wechselschnitt 905 Wehen 157, 545, 1075 Weil-Schicht A292, 292 Weisheitszahn 286 weiße Substanz 92, 357, 361, A361, 364, 368, 400, A401, 430, A431, A486, 534 – – Rückenmark A425 weißes Blutbild 72, 76 Weitwinkelglaukom 559 Weizenkornknorpel 326 Wenckebach-Bündel A868, 869 Wernicke-Sprachzentrum 472, 473, A540, 540, 541 Wespenbein 192 Westphal-Edinger-Kern A463 Wharton-Gang 279 Widerstandsgefäße 55, 60 willkürliche Innervation 46 Willkürmotorik 93, 409, 491, 497, 503 Wimpern 1223 Wimpernhaare 581 Windkessel 55, 58 Windpocken 169 Winkelbeschleunigung 615 Winkelbewegung 37 Winkelblockglaukom 559 Wirbel, Grundform 632 – Hautleisten A1220 Wirbelbogengelenke 632, 640 Wirbelgleiten 642 Wirbelkanal 361 Wirbelkörper A363, 630, 631, 632, 634, 635, 654 Wirbelsäule 15, 37, 38, 39, 142, A144, 145, A145, 629, 631, A631, 642, 652, – Bänder 638, A639 – Entwicklung 148, 629, 630, 631 – Variationen 637 Wirbeltheorie des Schädels 177 Wirbelvenen 573 Wirbelverschmelzung 637 Wirkungsgrad 45 Wirt 168 Wischbewegung 586 Wolf 1182 Wolff-Gang A78, 1003, 1062, 1087 Wollhaare 1223 Wrisberg-Band A1123, 1124 Wrisberg-Ganglion 108, 871 Wulstbruch 30 Wundernetz 66 Wundliegen 1182 Wundränder 1221 Wundreiben 1182 Wundrose 596

1333 Würfelbein 1105, 1109 – Entwicklung 1109 Wurm 365 Wurmerkrankung 73 Wurmfortsatz 2, 91, 982, 1002 Wurzeldentin 284, 289 Wurzeleintrittszone (Redlich-Obersteiner) 428 Wurzelhaut 294 Wurzelkanal 284, 288, 291, 298 Wurzelpulpa A288, 291 Wurzelscheide 284 Wurzelspitze 287

X X-Arm, physiologischer 681 X-Beine A25, 1127 X-Chromosom 116, 117, 118, 134 Xerophthalmie 230

Y Y-Chromosom 116, 117, 118, 134 Yergason-Test 677 Y-Fuge A1027, 1028 Y-Phlegmone 720

Z Zahnalveole 287 Zahnäquator 296, 298 Zahnbein 287, 289 Zahnbogen 205 Zahndurchbruch 284, 286 Zähne 281 – Entwicklung 155, 282, A283 – Farbe 298 – Mineralisation 284 – überzählige 168 Zahnfissuren 285 Zahnfleisch 293 Zahnfleischtasche 295 Zahnformel 286 Zahnglocke 282, A283 Zahnhals 284, 287, 295 Zahnhalteapparat 292 Zahnhartgewebe A285, 287 Zahnhöcker 297, 298, 299 Zahnhöhle 287 Zahnknospe 282, A283 Zahnkrone 287 Zahnleiste 282, A283 Zahnmorphologie A297 Zahnpapille 282, A283, 284, A285 Zahnpulpa 284, 287, A291, 291, A292, 295 Zahnreihen 223 Zahnsäckchen 282, A283, 284 Zahnschmelz 287

Zahnwurzel 284, 287, 297, 298 Zahnzementstruktur A291 Zancolli-Komplex A690, 690 Zangenbiss 223 Zapfengelenk 35, A36, 679 Zapfen-Kugel-Gelenk 1133 Zapfenrezeptoren 569, A569, 570 Zapfenzellen 456 Zehen 1099, 1202 – Deformitäten 1139 Zehenballen 1137 Zehen-Endgelenke 1136 Zehengelenke 37 Zehengrundgelenke 1136 Zehenknochen 1105, 1110 – Entwicklung 1110 Zehenknospen 154 Zehen-Mittelgelenke 1136 Zehennägel 156, 1223 Zehenspreizung A1202 Zehenstand 1129, A1129, A1197 Zeis-Drüsen 581, 583 Zelladhäsionsmoleküle 115 Zellaggregate 78 Zellbiologie 2 Zellen, amakrine 567, A568, 568, 569, 570 – azidophile 546, A547 – basalgekörnte 994 – basophile 546, A547 – bipolare 361, 456, 567, A568, 568, – bipotente 81 – chromaffine 99, 102, 359, A1018, 1018 – chromophile 546 – chromophobe 546, A547 – dendritische 79, 80, A81 – endokrine A836 – enteroendokrine 948, 994 – erythroide 78 – immunkompetente 84, 311 – interplexiforme A568, 568, 570 – lymphoide 87 – lymphoide dendritische 80 – membranöse 334 – multipotente 79 – myeloische 78 – myoepitheliale 80 – neuroendokrine A543, 544 – oxyphile 341 – parafollikuläre 184 – periglomeruläre 477 – perivaskuläre A434, 435 – plasmocytoide dendritische 80 – postmitotische 455 – pseudounipolare A362 – zentroazinäre 975 – zytotoxische 75 Zellenlehre 2 Zellhaufen 79 Zellkern 116 Zellklone 123, 126 Zellkontakte 134

Zellkörper 353 Zellkultur 79 Zelllinien 115, 116 Zellmembran 115 – postsynaptische A494 Zellmembranfusion A133 Zellmembran-Rezeptoren 85 Zellpol 118, 120 Zellsäulen 429, 491 Zellteilung 115–117 – differenzielle 115, 123, 134 – konservative 118 – proliferative 115, 123, 126, 134 Zelltod, programmierter 115 zelluläre Abwehr 85 – Interaktion 81 Zellverbindungen 60, 115 Zellvergrößerung 19, 115 Zellvermehrung 19, 115 Zellzyklus 79, 116, 117 Zement 287, A288, 288, 290, A291, A294 – azelluläres afibrilläres 290 – Entwicklung 155 – Grundsubstanz A291 – zelluläres gemischtes lamelläres 291 Zementoblasten 284, 294 Zementogenese 284 Zementozyten 284, 290, A291 Zenker-Oesophagusdivertikel 309 zentral 13 Zentralarterie A980, 981 zentrales Höhlengrau 366, 416 Zentralfurche 368, 374, 376 Zentralkanal 360 Zentralnervensystem 75, 353 Zentralskotom 457 Zentralvenenläppchen 959 Zentralwindung, hintere 374, 376 – vordere 374 Zentren, depressorische 520 – pressorische 520 Zentriol A124, 125, 133, 134 Zentromer 116, 118, 120 Zerebralisation 184 Zerebralisationsindex 92 Zergliederung 6 Zerrung 1132 Zeruminalpfropf 597 Zervikalkanal 132, 134 Zervixdiagnostik 132 Zervixinsuffizienz 172 Zervixschleim 132 Zeugopodium 657, 1099 Zeugungsfähigkeit 125 Zielmotorik 515 Ziliararterien 553 Ziliarepithel 553, 562 Ziliarfortsätze 553, 559, 561, 562

Register

1334 Ziliargefäße 562 Ziliarkörper A107, 553, A554, A556, 559–561, 565, 574 Ziliarmuskel 551, A555, 562, 563 Zilienaktivität, Nasenschleimhaut 325 Zilienstrom A322, 322 Zilium 569 Zinn-Gefäßkranz A572, 573 Zinn-Haller-Ring 566 Zirbeldrüse (s. a. Corpus pineale) 404, 549 Zirbelstiel 404, A392, 434, 435 Zirkannualrhythmus 19 Zirkumduktion 14, 35, 691 zirkumventrikuläre Organe 377, 521, 548, A549 Zirkumzision 1095 ZNS 98, 353 – funktionelle Systeme 93 – Kerngebiete 357 Zölom, extraembryonales 139, A146, 146, 165 – intraembryonales 145, 146 Zölomepithel 932, 1016, 1062 Zölomkanäle 146, A146, 147, 804, 815 Zölompforten 146 Zölomring 146 Zölomsäcke 146 Zölomspalt 156 Zona columnaris canalis analis A1050 – compacta, Endometrium 130 – cutanea canalis analis A1050, 1054 – fasciculata A1018, 1018 – glomerulosa A1018, 1018 – incerta 407, 409, 410 – intermedia 429 – – canalis analis A1050

Zona orbicularis A1112, 1113 – pellucida A127, 128, 132, A133, 134, A135, 135, A1065 – reticularis A1018, 1018 – – Nucleus raphe 518 – spongiosa A428, 429 – – Endometrium 130 – terminalis A428 – transitionalis analis 1051 Zona-Reaktion 134 Zone, interfollikuläre 85 – intermediäre A430, 513 – kardiogene 148 – kribriforme 559 – parakortikale 85 Zonula ciliaris 559, A562, 562, A565 – occludens 557, 558, 567 Zonula-Apparat 551, 563 Zonulafasern A556, 561, 562 Zotten A989 Zottenbaum 161 Zottenchorion 159 Zottengefäße A993 Zottenplazenta 162 Zottenpumpe 993 Zottenreifung 161 Zottenschicht A162 Zottenstroma 163 Zuckerkandl-Bänder 353 Zuckerkandl-Organ 102 Zugangswege, antekolisch 943 – Pankreas 974 – retrokolisch 943 – Schultergelenk 739 Zügelquerverbindung 401 Zuggurtung 29, 1138, 1160 Zuglinien A24 Zugspannungslinie 29 Zunge 65, 272, A274, 302, 309 – Entwicklung 155, A272

Zungenaponeurose 47 Zungenbein 182, 205, A205 Zungenbeinbogen A301 Zungenbeinmuskeln, obere 237 – untere 236 Zungengrund 304 Zungengrund-KehldeckelMechanismus 337 Zungenkarzinom 254 Zungenkörper 272 Zungenmuskulatur 274 Zungen-Rachen-Nerv 96 Zungenwulst 272 Zungenwurzel 272 zusammengesetztes Gelenk 35 Zuwachszähne 282, 286 Zuwendereflex 471 ZVK 889 Zweizellstadium 165, A166 Zwerchfell 41, 47, 53, 646, 783, 803, A805, A811, A812 – Deszensus 804 – Entwicklung 146, 147, 151 – Head-Zone A110 – Hernien 807 – Öffnungen T806, 807 – Projektion 806 Zwerchfelldefekte 153 Zwerchfellenge 892 Zwerchfellfurchen 808 – der Leber 955 Zwerchfellhernien 147, 917 Zwerchfellkuppel 806 Zwillinge, diamniotische A166 – dichoriale A166 – eineiige 165, A166 – monoamniotische A166 – monochoriale A166 – siamesische A167, 168 – zweieiige 165

Zwillingsschwangerschaft 174 Zwischenbronchus A828 Zwischenhirn 404, A552 Zwischenhirnbläschen 363 Zwischenhirndach A366 Zwischenhirn-Hypophysensystem 410 Zwischenhirnventrikel A552 Zwischenkeilbein-Gelenke 1135 Zwischenknochenmembran 1128 Zwischenknochenstraßen A757, 759, 760 Zwischenrippenmuskeln 801 Zwischenscheibe 35 Zwischensehne 42, 47, 237 Zwischenwirbelgelenke 640 Zwischenwirbelloch 632, 637 Zwischenwirbelscheiben 16, 30, 630, 631, 632, 635, 638, 639, 642 Zwischenzellen 1086 Zwölffingerdarm 952 Zyanose 56 Zygotän 118, A119 Zygote 131, 133, 134, 154 Zyklusabhängigkeit 1225 Zylinderepithelmetaplasie 896 Zymogengranula 975 Zystenniere 121, 1003 Zytoarchitektonik 93, 429, A498, 511, 534, A535 Zytokine 74, 75, 81, 455 Zytologie 2 Zytomegalie-Virus 169 Zytopempsis 61 Zytoplasmabrücken 123 zytotoxische Wirkung 85 Zytotrophoblast 137, A138, 139, 154, 159, A160, 161, 162

Register

1312 Plazentalösung 158 Plazentareifung 159 Plazentaschichten 161 Plazentaschranke 85, 159, A160, 161, 163 Plazentasepten 161, A162 Plazentateile 161 Plazentazotten 158, 161 Pleura A811 – costalis A809, A813, 814, A815, 816, 817, A840, A879, A884, A1004 – diaphragmatica 814, 815, 817 – Entwicklung 155 – mediastinalis A809, 814, 815, 816, A840, 880 A884, 897, 898 – parietalis A782, 813, 814, A817, 818, 823, A1020 – pericardiaca 814 – pulmonalis A809, 814, A815, A831 – visceralis 814, 818, 823, 824 Pleuraerguss 819 pleurafreie Felder 818 Pleuragrenzen A782, A816, 817, T818, A887, A1004, A1020 Pleurahöhle 814, 816 – Entwicklung 146 Pleurakarzinose 819 Pleurakuppel 353, 813, 814, A817, 817, 822 Pleurametastasen 791 Pleurapunktion 820 Pleuraschwarte 819 Pleuraumschlag A851 Pleuraumschlagsstelle A887 Pleuritis 819, 820 Pleuroperikardialmembran 146, 815, 898 Pleuroperitonealfalte 804 Pleuroperitonealmembran 146, 804 Plexus accessoriocervicalis 268, 644 – aorticus 807, A872, A1022, A1024, 1025, 1066, 1086, 1087, 1096 – – thoracicus 895 – areolaris 790 – basilaris 453 – brachialis 97, 104, A236, 238, A241, A267, A270, A339, A348, 349, A694, 729, A730, 739, A741, 798, A817, A840, A879, A884, A887, 1226 – – Pars infraclavicularis A730, A741 – – Pars supraclavicularis A730 – canalis nervi hypoglossi 213 – cardiacus 102, 265, A310, A339, A840, A861, 871, A872, 898 – caroticus A246

– – externus 277, 279, 280, 281 – – internus 211, 263, 264, A607, A608 – cavernosus conchae 318 – cervicalis 97, 235, 238, A246, 265, 266, A267, 267, 644, A645, 655, 793 – choroideus A360, 367, A384, A386, 441, 548 – – ventriculi lateralis A406, 442 – – – quarti A413, 443 – – – tertii 406, 442 – coccygeus 97 – coeliacus 109, 265, A879, 898, A951, 954, 965, 1024 – deferentialis 1088 – dentalis inferior 260 – vsuperior A257, 258 – entericus 990 – gastricus 1025 – – anterior A951, 951 – – posterior A951, 951 – hepaticus 965, 969, 1025 – hypogastricus 1001, 1052, A1053, A1079, 1086ñ1088, 1096 – – inferior 1057, 1078, 1090 – – – (pelvicus) 1025 – – superior A1022, 1025, A1055, 1078 – iliacus 1025 – – internus 1016 – intercaroticus A246 – intraparotideus 262 – ischiadicus 97 – lienalis 1025 – lumbalis 97, 104, A1040, 1139, 1173, A1179, 1191, 1226 – – Läsion 1180 – lumbosacralis 97, 1024, 1100, A1149, 1173, A1176 – – Läsion 1180 – lymphaticus axillaris 727 – – plantaris A1174 – mesentericus inferior 1001, 1025, 1052 – – superior 954, 996, 1000, 1025 – mucosus 991 – muscularis mucosae 991 – – profundus 991 – – superficialis 991 – myentericus 893, 895 – – (Auerbach) 951, 988, A990, 990 – Nerven 97 – oesophageus A264, 265, A872, 895, 898, 898 – ophthalmicus 589 – ovaricus 1016, 1025, 1066, 1068 – pampiniformis A910, 1023, A1084, 1086ñ1088 – parotideus nervi facialis 279

– pelvicus 1078, 1084, 1087, 1090, 1092 – pharyngeus 263, 264, 311, A437 – phrenicus 269 – pterygoideus 220, A250, 251, 252, 311, 319, 342, A437, 588 – pudendus 97 – pulmonalis 833, 898, 898 – – anterior 265 – – posterior 265 – pulpocapillaris 292 – rectalis A1054 – – inferior 1052 – – medius 1052 – – superior 1052 – renalis 1012, 1016, A1024, 1025, 1066 – sacralis 97, A915, 1039, A1040, A1046, 1052, A1072, 1142, 1144, 1175, 1178, A1179, 1226 – – Läsion 1180 – solaris 1024 – subareolaris 790 – submammarius 790 – submucosus (Meissner) 893, 988 – – externus A990, 990, 991 – – internus A990, 990 – suboccipitalis 455 – subserosus 991 – suprarenalis A1024, 1025 – sympathicus A840 – testicularis 1016, 1025, 1086, 1088 – thyroideus impar 335, 890 – tympanicus 260, A263, 263, 599, 607, A608 – uterovaginalis 1066, 1068, 1078, 1080 – vasculosus 65 – venosus areolaris 789 – – canalis nervi hypoglossi 252 – – caroticus internus 252 – – foraminis ovalis 211, 252 – – foraminis spinosi 252 – – oesophageus 964 – – pharyngeus 252, A310, 311, 607 – – prostaticus 1092 – – rectalis A964, 964, 1080 – – subcutaneus ani A1050 – – submucosus ani A1050 – – suboccipitalis A250, 655 – – uterinus 1066, 1068, 1076, 1080 – – uterovaginalis 1068, 1073, 1076 – – vaginalis 1080 – – vertebralis externus 252, A437, 454, A454, 455 – – – internus 213, 252, A437, 439, A440, 454, A454 – – vesicalis 1057, 1076, 1080

– – vesicoprostaticus A1046, A1054, 1090 – vesicalis 1057 Plexusanästhesie 732 Plexusbildung 98 Plexuslähmung 97 Plica(-ae) alaris 1125 – aryepiglottica 304, 327, A330, 330, A331, 333, A334, 334 – axillaris anterior 739 – – posterior 739 – bulboventralis 844 – caecalis vascularis 987 – ciliares A562 – circulares 953, A992, 986, 988, 992 – duodenalis inferior 986 – – superior 963, 986 – fimbriata 273, A280 – gastricae 947 – gastropancreatica 943, 949 – glossoepiglottica lateralis A273, 304, A305, 305 – – mediana A273, 304 – ileocaecalis 987 – incudis 605 – interarytenoidea 333 – interureterica 1056 – lacrimalis 587 – longitudinalis duodeni 953, A972 – mallearis anterior 597, A598, 605, A606 – – posterior 597, A598, 605, A606 – mediastinopulmonalis 823, A824, A825 – nervi laryngei A305, 335 – palatinae transversae 300 – palmatae 1073, 1074 – paracolicae 988 – paraduodenalis 963, 987 – rectouterina 986, A1047, A1049, A1065, A1067, 1071, 1073, 1078 – retrocaecalis 987 – sacrouterina A1072 – salpingopalatina 303, A304 – salpingopharyngea 303, A304, A305, 309, A317 – semilunaris conjuncticae 581, A582, 582, 584 – – coli 997, A998 – – Fossa tonsillaris 302 – spiralis (Heister) 968 – stapedis 605 – sublingualis 273, 280, A280 – synovialis 33 – – infrapatellaris A1119, 1125 – transversalis media 1052 – – – recti A1050 – – recti A1049, 1051, A1067 – triangularis, Arcus palatoglossus 302

Register – umbilicalis lateralis A914, A915, 915, 920, A941, A983, A1049, A1067 – – medialis A914, A915, 915, A924, A925, A941, A983, A1049, A1067 – – mediana A914, 914, A915, A941, A983 – ureterica 1015, 1055, 1056, A1093 – venae cavae sinistrae 848 – vesicalis transversa 986, A1049, 1057, A1067 – vesicouterina 1071 – vestibularis A328, 329, A331, 333, A334 – vocalis A319, 328, 331, 333, 334 PMA 409, 497, 504, 537, 538, A540, 540 Pneumatisation 210, 322, 324, 587 – primäre 313 – sekundäre 313 pneumatische Räume 321 pneumatisierte Räume 599, 602, 610 Pneumatisierung 610 Pneumenzephalographie 442 Pneumothorax 56, 242, A818, 818 Pneumozyten 837, 838 PNS, Entwicklung 144 Podozyten 1007, A1009 Poirier-Raum A686 Poland-Symptomenkomplex 691 Polarität 15 Polarterien 1010 Poliomyelitis 517 Polkissen 1012 Polkörperchen 128, 134 Polpyramide 1005 Polsterarterie 64 Polus frontalis A367, A370, 371, A374, A375, A380 – occipitalis A367, A370, 371, A372, A374, A380 – rostralis 371 – temporalis A367, A369, A374, 377, A380, 389, A478 Polydaktylie 168, 658, 1100 Polyhydramnion 164, 891 Polymorphismus 16 Polyneuropathie 1187 Polypen, Rachen 611 Polypeptid, pankreatisches 976 – vasointestinales 574 Polyploidie 120 Polysomie 120 Polysomie 47, XXY 121 Polyspermieblock 133 polysynaptisches spinales System 490, 495 Pons A319, 363, A364, 364, 365, A372, A378, A380, T382, A385, A390, A392,

1313 A393, 411, A413, A414, 415, 417, A418, A500, 502, A520 Pontocerebellum A510, 511, 513, 515 Poplitealzyste 1118 Poren, intrazelluläre 61 Porendiaphragma 61 Porta arteriosa 861 Porta hepatis 957, 965, 970 Porta venosa 861 Portalgefäßsystem, Hypophyse A546, A547, 548 Portio major nervi trigemini 486 – supravaginalis cervicis A1069, 1070, 1075 – vaginalis uteri A1069, 1070, 1075, 1078, 1079 Porus acusticus externus 188, A189, A207, A232, A233, A595 – – – osseus A199 – – internus A198, 199, A210, A212, 213, A422, 446, 592, 625 – duralis 421 Positio uteri 1071 Positivwachstum 19 Posselt-Diagramm 224 posterior 13 Posticus 329 Postkoitalpille 131 postsynaptische Einfaltung A494 Potenziale, akustisch evozierte 471 – proliferative 75, 77 – visuell evozierte 461 Poupart-Band 905 PPFR (PPRF) 403, A462, 464 PP-Zellen, Pankreas 976 prä-B-Lymphozyt A80 Prä-Bötzinger-Komplex 834 Prächordalplatte A140, A141, 141, 142, 146, 148, 149, A149, 150, 153 Prädentin 282, A285, 290, 292 Praecuneus A369, 378, 380 Praeputium 1224 – clitoridis 1081, A1081, 1082 – penis A1095, 1095 Praesubiculum 398 Prägung 84 Prämaxilla 316 Prämolaren 297 Pränataldiagnostik 171 Pränatalmedizin 170, 173 Pränataltherapie 171, 173 prä-NK A80 präokzipitale Einkerbung 376 Präparation 3, 5, 6 Präparationstechnik 7 Präparieren, Angst 6 – rechtliche Fragen 6

Präparierkurs 3, 5, 6, 7, 8 Präpariersaal 7, 9 Präsynapse A494 Prä-T-Lymphozyten A80, 888 Präzement 284 Presbyakusis 623 Presbyopie 564 Pressorezeptoren 244, 833 Primärfollikel A127, 128 – (lymph.) 84 – Milz 980 – Ovar 1065, A1065, 1066 Primärharn 1014 Primärpapillen 273 Primärzotten 159 Primaten 92 Primitivgrube 141, A141, 142, 154 Primitivknoten A140, A141, 141, 142 Primitivreflexe 489 Primitivrinne A140, 140, A141, 141 Primitivstreifen 77, 116, A140, 140, 141, A141, 142, 154 Primordialfollikel 126, A127 Proatlas 637 Proc. transversus vertebrae, Wirbel A632, 632, A639 Processus 27 – accessorius A635, 635, 648 – alveolaris maxillae A202, 202, A203, 205, 316, 323 – anterior mallei 603, 608 – articularis inferior axis A633, – – inferior vertebrae A632, 632, A634, A634, A635, A639 – – superior A797, A800 – – – ossis sacri, Wirbel A636, 637 – caudatus lobi caudati 957 – ciliares A562, A565 – clinoidei anteriores A436 – – medii 193, A195 – clinoideus anterior 193, A195, 209, A210, 211, A323 – – medius A210 – – posterior 193, A195, A210, 211, A323 – cochleariformis A602, 602, 604, 605 – condylaris A189, 203, A204, T206, 221 – – mandibulae 182 – coracoideus A659, 660, A662, 672, A673, 673, A675, 675, 691, 700, A702, A737, 738, 783 – coronoideus 203, A204, 231, A665, 665, A678, A680, 680, A681, A683, 707, 712, A737

– costalis A635, 635, A653, 648, 1031 – – vertebrae lumbalis II A1020 – ethmoidalis conchae nasalis inferioris 200 – falciformis 1031 – frontalis maxillae A202, 202, A203, A301, 313, 314, 317 – – ossis zygomatici 201, A201, 201 – globularis A301 – intrajugularis A193, A194, 209, 213 – lacrimalis conchae nasalis inferioris 200 – lateralis cartilaginis septi nasi 314 – – mallei A603, 603 – – tali 1107 – – tuberis calcanei A1107, 1108, A1135, 1156 – lenticularis incudis A601, A603, 603, 604, A606 – longus incudis 608 – mamillaris, Wirbel A635 – mastoideus 29, A189, 197, A198, A199, 199, T206, A207, 208, A233, 235, A239, A266, A271, 600, A601, A609, 648, 654 – maxillaris conchae nasalis inferioris 200 – – ossis zygomatici 201, A201 – medialis tuberis calcanei A1135 – muscularis 327, 330 – – cartilaginis arytenoideae A326 – orbitalis ossis palatini A202, A217, A323 – palatinus maxillae 202, A203, 206, A207, 218, 299, 300 A314, 316, A579 – papillaris lobi caudati 957 – posterior tali A1106, 1107, A1108, 1132 – pterygoideus 179, 192, 193, 208, 220, A263, A314, A316, A323, A576, A586 – – Lamina lateralis 194, A195, A207, 220, 233, 309 – – Lamina medialis 194, A195, A207, 302, 303, 306 – pyramidalis ossis palatini 194, 201, A323 – sphenoidalis ossis palatini A202 – spinosus A241, A875, 1036 – – vertebrae A630, A632, 632, A634, 634, A635, 635, A638, A639, A651, A653 – styloideus A180, 182, A189, A198, A199, A207, 208, 222, A233, 237,

Register

1314 A239, A263, A271, 275, 309, A352, 352, A601, A606, A609 – – ossis metacarpi tertii A667, 669, 713 – – radii A665, 666, A667, A668, A669, A683, A684, 713, A737, 759 – – ulnae A665, 665, 666, A667, A668, A669, A683, 683, A684, A705, A737, A758, 759 – supracondylaris humeri A664, 664, 749 – temporalis ossis zygomatici 201, A201 – transversus 796, A800, 800, A809 – – atlantis A239, A633 – – axis A633, 633 – tympanicus 197 – uncinatus ossis ethmoidalis A316, 317, 324 – – pancreatis A972, 972, A974 – vaginalis peritonei 918, A924, A926, 1063, 1085 – – processus pterygoidei 194 – vocalis A326, 327, A328, 328, 331 – xiphoideus 781, 783, 793, A795, 795, A799, 805, 912, A941 – zygomaticus 188, 191, A192, 197, A198, A199, A202, 202, 610 profundus 13 Progenese 114, 115 – männlich 122 – weiblich 125 Progesteron 128, 129, A129, 136, 138, A547, 788 Projektion, kortikopontozerebelläre 511 – mesolimbische dopaminerge 506 Projektionsfasern 368, 402, 534 Projektionsneurone 427 Projektionssystem, dopaminerges 509 Proktodäaldrüsen A1050, 1051 Prolaktin 136, A547, 788 Prolaktin-inhibierenderFaktor 789 Prolaktinom 548 Prolaps 1073 Prolapsus ani 925 – uteri et vaginae 925, 1071 – recti 925 Proliferation 79, 115 Proliferationskapazität 74 Proliferationsphase, Endometrium A129, 130 Prominentia canalis facialis 601 – – semicircularis lateralis A602, 602, 613

– laryngis A235, A236, 325, 336 – mallearis 597, A598 – spiralis A619, 620 Promontorium A171, A631, A1032, 1032, 1035, 1036, A1037, A1146, A1149, A1185 – cavitatis tympanicae 600, 601, A602, 602, 606, A609, 612, A625 – ossis sacri 1035 Pronation 14, 35, 37, 681, A1129 Pronatorkanal 707, A731 Pronatorschlitz 755, 756 Pronator-teres-Syndrom 756 Proontogenese 114, 115 Prophase, Meiose 118, A119, 126 – Mitose 118 Proportionsverschiebungen 20 Propriozeption 40, 45, 46, 475, 482 propriozeptiv T488 Propriozeptoren 481 Prosencephalon 153, 363, A364, T382 Prosenzephalie 121 Prosenzephalonbläschen 377 Prosodie 523 prospektive Bedeutung 114 prospektive Potenz 114 Prostata 125, A915, A938, A1046, A1053, 1053, 1057, A1061, 1061, A1063, 1088, A1089, 1090, A1090, A1091, A1093 Prostata, Zugangswege 1091 Prostatadrüsen A1091, 1091 Prostatahypertrophie 1090 Prostatakarzinom 1091 Prostatasekret 1092 Prostatasonographie A1090 Prostatasteine A1091, 1091 Proteinurie 1014 Proteoglykane 53 protopathisch T488 Protozoen 73 Protrusio acetabuli 1114 Protrusion 14, 223, 231, 233 Protuberantia mentalis A204, 205 – occipitalis externa 191, A194, T206, A207, 209, 629, 654 – – interna A193, A210, 213, A436, 453 proximalis 13 Prune-billy-Defekt 168 Prussak-Raum 605 Prussak-Tasche 599 pseudoautosomale Region 118 Pseudodeziduareaktion 130, 136

Pseudodeziduazellen 130 Pseudomastoiditis 596 Pseudotumor 600 Pseudozyste 662 Psoasarkade A805, 805 psychische Situation 6 Psychochirurgie 525 psychomotorische Störungen 399 Pterygium colli 121 Ptosis palpebrae 468, 464, 574, 583 – ventriculi 947 Pubertas praecox 545, 1019 Pubertät 19, 20, 123, 126, 128, 789, 1064, 1066, 1086, 1225 Pubertätsakzeleration 20 Pubes 1029, 1223 Pudendum femininum 1061, 1080 Pulmo 821 – dexter A824 – sinister A825 Pulmonalklappe 856, A876 Pulmonalstenose A846, 846 Pulpa alba 979 – dentis 287, 292 – rote 90, 979 – rubra 979 – weiße 90, 979 Pulpaarterie A980, 980 Pulpahöhle 284, 288 Pulpahörner 291, 298 Pulpanekrose 295 Pulposushernie 427 Pulpozyten 292, 295 Puls 53, 59 Pulsader 52, 724, 734 Pulsfühlen 109 Pulsmessung 342 Pulstaststellen 349, 724, 1198, 1203 Pulswelle A56 Pulvinar acetabuli 1111 – thalami 367, A390, 404–406, A407, 407, 409, A412, A413, A457 Punctum fixum 41 – lacrimale 581, A582, 586 – mobile 41 – nervosum 267 Punktmutation 122 Punkt-zu-Punkt-Diskrimination 481 Pupillarmembran 553, 554 Pupille 55, 551, 558–560, A562, A582 – Anomalie 574 – Erweiterung 574 – Öffner 561 – Reflexe 573, 574 – Schließer 561, 574 Pupillenreflex 405, A457, 458, 468, 402 Pupillenstarre 468 Pupillenverengung 467 Pupillomotorik 464, 574 Pupillotonie 574 Puppenkopfphänomen 476

Purkinje-Fasern A868, 868, 870 Purkinje-Zellen 475, 511, 512 Putamen 93, T382, A384, A386, A388, 389, 398, 399, A403, A406, A446, 505, A505, 507, A526 Pyarthros 1118 Pyelographie A1015 Pyelon 1014 Pykniker 945 Pylorus A945, 945, A989 Pylorushypertrophie 991 Pylorusstenose 991 pyramidalmotorisches System 93, 491, 497 Pyramide 209, 422, 497, 499, A500, 502 Pyramidenbahn 403, 451, A470, 497, 498, 499, A500 Pyramidenbahnläsion 484 Pyramidenkreuzung 422 Pyramidenschicht A498 Pyramidenseitenstrangbahn A428, A486, A500, A428, A486, A500 Pyramidenzellen 497, A500, 529, A533, 534ñ 536 Pyramis A372, A380, A381, A421 – cerebelli A366, 510 – renalis 1005, A1006 P-Zellen 570

Q Quadranten, Trommelfell 598, A598 Quadrantenanopsie 458, A459, 459 Quadratum 182 Quadratusarkade A805, 805 Quadrizepssehne 1118, 1125, 1148 Querbalken A212, 214, 423 Querfortsätze 784, 796 Quergurtung der Bauchmuskeln 912 Querschnittsläsion 109 Querverbindung, hintere 402 – vordere 401 Querwölbung des Fußes 1105, 1109, 1135–1137, A1138, 1156 Quincke-Ödem 581

R RA T488 Rabenschnabelfortsatz 783 Rachendachhypophyse 548 Rachenmandeln 303, 611 – Entzündung 656 Rachenmandelwucherung 187