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German Pages 239 Year 2012
Amerindiana
Jeanette Sakel, Thomas Stolz (Hg.)
Amerindiana Neue Perspektiven auf die indigenen Sprachen Amerikas
Akademie Verlag
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Redaktion: Cornelia Stroh Einbandgestaltung: hauser lacour Druck: MB Medienhaus Berlin Bindung: Buchbinderei Klotz Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN eISBN
978-3-05-005703-3 978-3-05-005768-2
Inhalt
JEANETTE SAKEL & THOMAS STOLZ Vorwort.............................................................................................................
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MANFRED RINGMACHER Wilhelm von Humboldts Beschäftigung mit den amerikanischen Sprachen: Kontexte und Perspektiven...............................................................................
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JOSÉ ANTONIO FLORES FARFÁN Wearing its interculturalism on its sleeve: travels through Mexican language and culture.........................................................................................................
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THOMAS STOLZ Klassisches Aztekisch.......................................................................................
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KLAUS ZIMMERMANN Otomí: eine kurze strukturelle und soziolinguistische Charakterisierung.........
99
MARTINA SCHRADER-KNIFFKI Zapotekisch (Oaxaca/Mexiko)..........................................................................
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LISA VERHOEVEN Cabécar – a Chibchan language of Costa Rica..................................................
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Inhalt
DIK BAKKER Three languages from America in contact with Spanish...................................
171
JEANETTE SAKEL Mosetén: eine Sprache im Wandel....................................................................
197
WOLF DIETRICH Guaraní .............................................................................................................
207
Personenverzeichnis .........................................................................................
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Autorenindex ....................................................................................................
233
Sprachindex ......................................................................................................
237
Sachindex .........................................................................................................
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JEANETTE SAKEL (BRISTOL) & THOMAS STOLZ (BREMEN)
Vorwort
Unter dem Stichwort Indianersprachen sind der breiten Öffentlichkeit z.B. in Deutschland die autochthonen Sprachen des amerikanischen Doppelkontinents zwar ein Begriff, aber tiefer gehende Kenntnisse darüber, wie diese Sprachen sich von den europäischen Schulsprachen unterscheiden, wie sich ihre gegenwärtige Situation gestaltet und warum ihre Erforschung sprach- und kulturwissenschaftlich hochgradig interessant ist, kann man kaum voraussetzen. Ein paar Sprachnamen (z.B. Aztekisch, Maya, Irokesisch, Quechua) sind einigermaßen geläufig. Dass diese Sprachen aber auch heute noch muttersprachlich verwendet werden, ist durchaus nicht Teil des Allgemeinwissens. Ebenso wenig kann als bekannt vorausgesetzt werden, dass die Gesamtzahl der in Nord-, Mittel- und Südamerika gesprochenen indigenen Sprachen je nach Schätzung zwischen 400 und 500 ergibt, von denen die meisten zu den ernsthaft bedrohten Sprachen zu rechnen sind. Versatzstücke des Wissens über die von Alaska bis Feuerland schon seit der Zeit vor der Ankunft der europäischen Kolonialherren gesprochenen Sprachen mag der eine oder andere aus Filmen ziehen, in denen in den letzten Jahren verstärkt auch die Sprachen der Indigenen zu hören sind. Die Sprachen einmal gehört zu haben ist jedoch nicht mit Wissen über diese Sprachen gleichzusetzen. Vor diesem Hintergrund wurde anlässlich des Festivals der Sprachen (17. September– 7. Oktober 2009) am 4. Oktober 2009 das Gründungskolloquium des Europäischen Netzwerks für Amerindische Linguistik (ENAL) im Übersee-Museum zu Bremen abgehalten. ENAL hat sich zur Aufgabe gemacht, die Kenntnis von den Sprachen Amerikas innerhalb und außerhalb der akademischen Landschaft im europäischen Raum zu stärken. Diese Initiative nimmt mit dem von uns heute vorgelegten Sammelband erstmalig Publikationsform an. In den Sammelband sind die meisten Vorträge eingegangen, die auf dem Bremer Gründungskolloquium der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Wir haben dabei Wert darauf gelegt, dass eine möglichst bunte Palette von Herangehensweisen und Darstellungsformen zu den amerindischen Sprachen dokumentiert wird. Daher enthält der Sammelband sowohl Beiträge, die sich an ein linguistisch-philologisch vorgebildetes Publikum richten als auch solche Aufsätze, die interessierte Laien ansprechen. Synopsen von grammatischen Gesamtsystemen stehen neben Arbeiten, die einzelne interessante Aspekte aus dem Leben der
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Jeanette Sakel & Thomas Stolz
Sprachen herausheben. Die Rolle der amerindischen Sprachen in der Ideengeschichte der Sprachwissenschaft wird ebenso berücksichtigt wie die vielfältigen Kontaktbeziehungen (vornehmlich zum Spanischen) und Gesichtspunkte der kulturellen Diversität. In diesem Zusammenhang sind große amerindische Sprachen (Guaraní, Zapotekisch, Otomí, klassisches Aztekisch) genauso Gegenstand der Betrachtung wie kleine Sprachen (Mosetén, Cabécar). Sprachen mit relativ langer Schriftlichkeitstradition stehen neben Sprachen, deren Verschriftung erst vor kurzer Zeit in Angriff genommen wurde. Auf diese Weise wird der thematische Reichtum des Forschungsgebietes der amerindischen Sprachen gut abgebildet. Drei der Beiträge sind auf Englisch abgefasst, was sich u.a. auch daraus erklärt, dass die Amerindistik eine internationale Disziplin ist, in der das Englische (neben dem Spanischen) als Lingua Franca der wissenschaftlichen Kommunikation dient. Unsere Fallbeispiele konzentrieren sich dieses Mal auf den lateinamerikanischen Raum. Damit soll nicht behauptet werden, nördlich der mexikanisch-amerikanischen Grenze gäbe es keine sprachwissenschaftlich interessanten Objekte – ganz im Gegenteil. In zukünftigen Publikationen wird auch der diesmal nicht sichtbar vertretene nordamerikanische Raum zu seinem Recht kommen. Den Auftakt macht Manfred Ringmacher, der sich in einem den ganzen amerindischen Sprachraum betreffenden Artikel mit der fachgeschichtliche Frage befasst, wie Wilhelm von Humboldt in seinem sprachwissenschaftlichen Werk versucht hat, den indigenen Sprachen Amerikas gerecht zu werden. Danach folgen wir einer Nord-Süd-Ausrichtung beginnend mit José Antonio Flores Farfáns Überblick über die mexikanische Sprach- und Kulturlandschaft. Thomas Stolz befasst sich im Anschluss mit der auch für Wilhelm von Humboldts Schaffen so bedeutsamen klassisch-aztekischen Schriftsprache aus der Zeit vor der mexikanischen Unabhängigkeit. Der Beitrag von Klaus Zimmermann befasst sich mit dem Otomí und Aspekten seiner Beschreibungsgeschichte. Stärker synchron ausgerichtet ist die Darstellung des Zapotekischen von Martina Schrader-Kniffki. Mit Elisabeth Verhoevens Arbeit über das in Costa Rica gesprochene Cabécar verlassen wir Mexiko, um dann mit Dik Bakkers vergleichende Studie zur Hispanisierung von drei amerindischen Sprachen (Otomí, Quechua, Guaraní) den Übergang nach Südamerika zu erreichen. Jeanette Sakel widmet sich hier dem Mosetén, eine Sprache, deren gegenwärtiger Bedrohungszustand als symptomatisch für viele Hundert Sprachen Amerikas gelten darf. Den Abschluss des Bandes bilden Wolf Dietrichs Ausführungen zum Guaraní, dessen Position in Paraguay als aufschlussreicher Sonderfall aufgefasst werden kann. Wir danken allen Autoren dafür, dass sie sich bereitgefunden haben, die Initiative von ENAL durch ihre Mitwirkung zu unterstützen. Für die editorielle Arbeit an den Texten sind wir Cornelia Stroh zu Dank verpflichtet. Dem Akademie Verlag gebührt ebenfalls ein Wort des Dankes dafür, dass dieser Band ohne Wenn und Aber in das Verlagsprogramm aufgenommen werden konnte. Wir hoffen, mit dieser Sammelbandpublikation das allgemeine Interesse an den indigenen Sprachen Amerikas wachzurufen. Wir werden auf jeden Fall die einmal begonnene Initiative im Namen von ENAL in Zukunft fortsetzen. Jeanette Sakel & Thomas Stolz
Bristol & Bremen, im Juni 2011
MANFRED RINGMACHER (BERLIN)
Wilhelm von Humboldts Beschäftigung mit den amerikanischen Sprachen: Kontexte und Perspektiven
Abstract Wilhelm von Humboldt is less commonly known for his interest in American languages. He had no immediate access to these languages and the entire material available to him had already undergone interpretation by others. This paper places Humboldt‘s work on American languages in relationship with the existent, partly unpublished manuscripts and within the context of his own decisions regarding language study. It refers to ongoing publication work on these manuscripts, which finally makes Humboldt‘s linguistic research available beyond the programmatic statements that have been known until now.
1. Ein beinahe in Vergessenheit geratener Gegenstand Der Berliner Philologieprofessor Böckh, ein profunder Kenner der beiden klassischen Sprachen (Latein und Griechisch) konnte sicher mit Zustimmung rechnen, wenn er in einem Nachruf sagte: ―Wilhelm von Humboldt war unter seinen Zeitgenossen derjenige, welcher die meisten Sprachen grammatisch studirt hatte‖ (Böckh 1835: 169). Er sagte allerdings auch: ―Philosophie und Poesie, Redekunst, geschichtliche, philologische, linguistische Gelehrsamkeit waren in ihm zu einer durch keinen Mißklang gestörten Harmonie, und zu jenem wunderbaren Ebenmaß verschmolzen, welches das Gepräge der besonnensten Meisterschaft ist‖ (Böckh 1835: 167f.). Dieser Einschätzung ist häufiger widersprochen als zugestimmt worden. Humboldts potenzielle Leser hatten Mühe, ihm in alle Winkel der Sprachgelehrsamkeit zu folgen, und die vielen verschiedenen Sprachen hatten sicher einen großen Anteil daran.
1.1. Sprachverwandtschaft als thematischer Engpass Die am weitesten verbreitete Haltung im Sprachstudium war, dass man sich bei den Sprachen an das Nahe und Vertraute hielt und das Entferntere nur dann zur Kenntnis nahm,
Ich danke meinen ersten Lesern, Ute Tintemann und Bernhard Hurch, für ihre kritischen Kommentare und weiterführenden Hinweise. Auch Bettina Lindorfer habe ich zu danken, die zwar später kam, aber umso aufmerksamer las.
Manfred Ringmacher
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wenn sich auf den zweiten Blick eine Annäherung ergab. Als im späten 18. Jahrhundert das Sanskrit in Europa bekannt wurde (Morpurgo Davies 1996: 60–66), war es zunächst nur eine von vielen weit hergeholten Sprachen; dann erwies es sich aber als eine der indogermanischen Sprachen, also als ―verwandt‖ und damit dem europäischen Sprachenbetrachter uneinholbar näher als zum Beispiel alle indigenen amerikanischen Sprachen. Berthold Delbrück, ein mit Wilhelm von Humboldt durchaus vertrauter Indogermanist des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, verteidigt den Unterschied, der hier gemacht wird. Ein Sprachwissenschaftler, der ―über die menschliche Sprache schreibt‖, sollte Delbrück zufolge ―eigentlich alle Sprachen‖ oder wenigstens eine relevante Auswahl deutlich verschiedener Sprachen (die ―Haupttypen‖) beherrschen, doch beim Erlernen von etwas so Fremdem muss er sich seinen ―Gewährsmännern auf Gnade und Ungnade ergeben‖. Delbrück fühlt sich freilich unwohl dabei: Die meisten grammatischen Darstellungen enthalten gewisse Theorieen, z.B. über die Bildung der Kasus, der Verbalformen u. ähnl. Sollen wir diesen Theorieen glauben, oder haben wir vielleicht Grund, sie ebenso skeptisch zu betrachten, wie man neuerdings die Bopp‘sche Agglutinationstheorie betrachtet? Darüber läßt sich oft nicht urtheilen, weil wir die Geschichte dieser Sprachen meist nicht kennen und deshalb leicht in die Gefahr kommen können, etwas, was das Ergebnis langer, aber verlorener Entwickelung ist, für uranfänglich zu erklären. (Delbrück 1901: 44f.) In dieser restriktiven Auffassung ist der Vergleich von Sprachen nur dann uneingeschränkt erlaubt, wenn Sprachen ihrer Herkunft nach ―verwandt‖ sind. Dies steht in auffallendem Gegensatz zu der Unvoreingenommenheit, mit der Wilhelm von Humboldt die verschiedenen Arten von Ähnlichkeit zwischen Sprachen bedenkt (vgl. Humboldt 1903–36: VI: 294).1 Man hat den Eindruck, dass die Sprachforschung, je fachmännischer sie betrieben wurde, sich mit den Humboldtschen Anregungen immer schwerer tat und sie schließlich ganz aus dem Blick verlor.
1.2. Die unterbliebene Veröffentlichung Die interessierte Öffentlichkeit ist früh darauf hingewiesen worden, dass Wilhelm von Humboldt sich mit vielen amerikanischen Sprachen beschäftigt und über sie geschrieben hat. In Humboldts Akademieabhandlungen der 1820erjahre (Humboldt 1825, 1830) und 1
Ein Echo dieser Unvoreingenommenheit findet sich unter Delbrücks Zeitgenossen nur noch selten, etwa bei Hugo Schuchardt (1912: 2 [268], ―Sprachverwandtschaft – was immer man darunter verstehen mag‖) oder gar bei dem Amerikanisten Platzmann, einem Dilettanten, der nicht wirklich als Linguist anerkannt war. Platzmann widersprach den Sprachwissenschaftlern: ―Heterogene Sprachen sollen nicht mit einander verglichen werden. Es giebt keine heterogenen Sprachen. Sprachen sind homogene Größen und jede Sprache kann mit jeder Sprache verglichen werden und jede Sprache wird mit unerwartetem Vortheil und großem Nutzen mit jeder Sprache verglichen werden.‖ (Platzmann 1889: 51)
Wilhelm von Humboldts Beschäftigung mit den amerikanischen Sprachen
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in der Einleitung Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues (Humboldt 1836) zu seinem postum vollendeten Hauptwerk Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java (Humboldt 1936–39) kommen amerikanische Sprachbeispiele vor. Im Vorwort des ersten Bandes des dreibändigen Kawi-Werks sagt Alexander von Humboldt, er ―hoffe, daß Herr Buschmann, [...] mit dem mein Bruder die Absicht hatte gemeinschaftlich eine Reihe von Schriften über die Sprachen dieses Welttheils [Amerikas] herauszugeben, bald Muße finden werde, mit Hülfe der bereits angesammelten Materialien jenen vielumfassenden Plan auszuführen‖ (Humboldt 1836–39: I: (XII)). Buschmann selbst verspricht im Vorwort des zweiten Bandes, dass er ―einmal, wenn die Gunst der Zeiten es [ihm] möglich machte, die Sprachen Amerika‘s, gestützt auf die großartigen Forschungen Wilhelm von Humboldt‘s, welche ich binnen Jahresfrist zur Öffentlichkeit bringen werde, massenweise2 darstellen und das Problem ihrer Verwandtschaft zu lösen versuchen würde‖ (Humboldt 1836–39: II: (XIV)). Buschmann hat sein fristbezogenes Versprechen gehalten und 1839 den dritten Band von Humboldts Kawi-Werk veröffentlicht. Er hat auch wichtige Beiträge zu den Verwandtschaftsverhältnissen nordamerikanischer Sprachfamilien, so des sonorischen Teils der uto-aztekischen Sprachen (Buschmann 1859) und der athapaskischen Sprachen (Buschmann 1863) geliefert. Wilhelm von Humboldts amerikanisches Projekt hat er damit aber bestimmt nicht vollendet. Mueller-Vollmer (1993: 27) deutet die zahlreichen Bearbeitungsspuren, die Buschmann in Humboldts amerikanischen Manuskripten hinterlassen hat, als Zeugnisse einer Bemühung um Veröffentlichung, die Buschmann aber nach dem ―Schock, den die Rezeption von Humboldts Kawiwerk durch die Vertreter der offiziellen Sprachwissenschaft in ihm auslöste‖, aufgab. Buschmann geriet tatsächlich in Streit mit Franz Bopp, seinem einstigen Lehrer, über die im Kawi-Werk behandelten sprachlichen Verwandtschaftsverhältnisse (Mueller-Vollmer 1993: 28–37). Trotzdem ist es wenig wahrscheinlich, dass die Edition der amerikanischen Schriften Wilhelm von Humboldts an dieser Frage scheiterte. Eher war es so, dass Buschmann selbst keine Zeit dazu hatte, weil er die Texte nicht einfach edieren, sondern auch noch modernisieren wollte. 3 Eine erste Gesamtausgabe der Werke Wilhelm von Humboldts hatte es schon Mitte des 19. Jahrhunderts gegeben (Humboldt 1841–52); sie enthielt zur Sprachthematik nichts bis dahin Ungedrucktes.4 Die zweite Gesamtausgabe (Humboldt 1903–36) wurde 2
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Buschmann unterscheidet ―einzelne Sprachen‖ und ―Sprachmassen‖ (Nachlass Buschmann, Kasten 4.1, Mappe ―Bemerkungen über einzelne Sprachen oder Sprachmassen u. einzelne Völker‖), offenbar, um über Sprachverwandtschaft zu reden, ohne die Familienmetapher verwenden zu müssen. Das Beispiel einer solchen modernisierenden Umarbeitung ist in Wilhelm von Humboldts Quechua-Grammatik (Humboldt 2011: 23–170) fassbar. Buschmann hat dort die Quellenauswertung mit unendlicher Sorgfalt nachgearbeitet und den Detailbeschreibungen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit gegeben. Humboldts zusammenführende und deutende ―Schlussbemerkungen‖ dagegen hat er fast ganz unbearbeitet gelassen. Hier hatte er mit seiner eigenen, Humboldts zentralem Anliegen fernen Arbeitstechnik nichts mehr beizutragen. Zwar wurde von dem dreibändigen Kawi-Werk nur die Einleitung nachgedruckt (Humboldt 1841– 52: VI: 1–425), aber damit folgte man nur dem Vorbild der Erstausgabe, die neben dem vollständi-
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Manfred Ringmacher
von dem Germanisten Albert Leitzmann geprägt, der sich in der vergleichenden Sprachwissenschaft als zur Schule von Delbrück gehörend verstand, aber auch bei dem Humboldtianer Steinthal gehört hatte (Leitzmann, in: Humboldt 2010: 20, Anm. 30). Diese Ausgabe enthält eine Fülle von bisher ungedruckten Texten, darunter viele mit sprachwissenschaftlicher Thematik. Leitzmann erklärt sich als für die einzelne Sprachen beschreibenden Texte Humboldts nicht zuständig. Zur Rechtfertigung der Entscheidung, neben der abgedruckten Einleitung (Humboldt 1903–36: VII: 1–344) auf das eigentliche Kawi-Werk zu verzichten, erklärt er, dass dieses ―als solches wie die übrigen streng fachwissenschaftlichen Arbeiten von unsrer Ausgabe ausgeschlossen bleibt‖5 (Humboldt 1903–36: VII: 350). Es brauchte dann nur noch den 2. Weltkrieg, in dessen Gefolge manche Texte zugrunde gingen und die anderen wenigstens vorübergehend nicht konsultierbar waren, dass die Zeugnisse von Wilhelm von Humboldts Beschäftigung mit den amerikanischen und anderen exotischen Sprachen, die ―von der zünftigen Sprachwissenschaft unbeachtet‖ geblieben waren (Schlerath 2000: 80), schließlich überhaupt vergessen wurden. In den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts war es so weit, dass behauptet werden konnte: Humboldt ist recht eigentlich der Mann der Einleitungen; entweder ist die Abhandlung selbst nämlich zu kurz im Verhältnis oder sie erscheint gar nicht. Er hat nicht eine einzige vollständige Grammatik geschrieben, weder eine baskische noch eine mexikanische noch eine chinesische. Und so hat er das mit den Romantikern gemein, daß er fast nur Fragmente einer großen Konzeption hervorbringt, nicht aus Unfähigkeit, sondern weil er sich nicht die Zeit nahm, Einzelgrammatiken zu verfassen, da er auf ein höheres Ziel hinstrebte: die Erkenntnis von Wesen, Sinn und Entwicklung der Sprache, d.h. aber der Geschichte des Menschengeistes. (Arens 1955: 182) Wie sehr damals auch in der Amerikanistik der Beitrag Wilhelm von Humboldts in Vergessenheit geraten war, zeigt Gerdt Kutschers Überblick von 1966, wo nur gesagt
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gen Werk eine eigene Ausgabe nur der Einleitung (Humboldt 1836) umfasste (vgl. Mueller-Vollmer 1990). In den ―Bemerkungen zur Entstehungsgeschichte‖ von Wilhelm von Humboldts Akademieabhandlungen ist Leitzmann ausführlicher: ―Es konnte natürlich keine Rede sein, diesen Nachlaß im Rahmen dieser Ausgabe etwa nach der rein empirisch-linguistischen Seite ausschöpfen zu wollen: während die dahin gehörigen Arbeiten [...] von unsrer Ausgabe ausgeschlossen und der eventuellen Bearbeitung und Würdigung durch Fachspezialisten überlassen bleiben, haben dagegen alle diejenigen Aufsätze Aufnahme gefunden, welche allgemeinere sprachwissenschaftliche Probleme behandeln‖ (Humboldt 1903–36: IV: 436). Dass zu den allgemeineren Themen die klassischen Sprachen und das Sanskrit gehörten, zeigt eine Äußerung Leitzmanns in den Editionsakten über das ―sanskrit, das Humboldts hauptarbeitsgebiet war‖, auf die Bernhard Hurch (Humboldt 2010: 20, Anm. 30) hingewiesen hat. Diese verblüffende und unbegründete Behauptung stand sicher im Einklang mit der Stimmung in der für die Edition zuständigen Akademie-Kommission. Dort wollte man allem Anschein nach von allzu exotischen Sprachen nichts wissen.
Wilhelm von Humboldts Beschäftigung mit den amerikanischen Sprachen
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wird, Humboldt habe sich auch mit dem Nahuatl beschäftigt (Kutscher 1967: 89f.), eine Erkenntnis, zu deren Gewinnung schon flüchtiges Durchblättern der gängigsten sprachkundlichen Werke Humboldts (Humboldt 1825, 1830, 1836) genug war. In den 1970er Jahren wurden die Manuskripte in West und Ost wieder zugänglich, und Kurt MuellerVollmer begann, nach ihnen zu suchen (vgl. Mueller-Vollmer 1993, 1995). Als in den Achtzigerjahren die Umrisse von Humboldts handschriftlichem Nachlass (MuellerVollmer 1994) deutlicher wurden, standen die ―mexicanische‖ Grammatik (Humboldt 1994b) und andere wieder zugängliche amerikanische Arbeiten für einen anderen, wiederzuentdeckenden Wilhelm von Humboldt. Die Funde regten ein groß angelegtes Editionsprojekt an, das die bisher unpubliziert gebliebenen Stücke veröffentlichen und schon Publiziertes heutigen Erwartungen entsprechend zugänglich machen sollte.6 Dies ist der Rahmen, in dem sich heute über Wilhelm von Humboldts amerikanisches Projekt in seinen inneren und äußeren Zusammenhängen reden lässt.
2. Vorentscheidungen in der Diskussion um die amerikanischen Sprachen Wilhelm von Humboldt selbst verwies in einem Forschungsüberblick auf die noch wenig erforschten ―Sprachen der sogenannten rohen, uncivilisirten, wilden Völker, der Afrikanischen und Amerikanischen, und einiger uralter, ihre Sprache, wie im Verborgenen forterhaltender Europaeischen Stämme‖ (Humboldt 1903–36: VI: 134). Mit afrikanischen Sprachen hat er zeitlebens wenig zu tun gehabt; dagegen war unter den ―uralten‖ Sprachen Europas das Baskische besonders wichtig für die ersten Schritte auf seinem Weg in die weltweit ausgreifende Sprachforschung (vgl. Humboldt 2010: 4); Humboldt selbst sah die Begegnung mit dem Baskischen als ―ein glückliches Ereigniss in der Reihe[n]folge meiner eignen Sprachuntersuchungen‖ (Humboldt 1903–36: VI: 137), weil es eine Tradition der philologischen Bearbeitung dieser Sprache gab, im Gegensatz zu den amerikanischen Sprachen, wo eine Tradition erst im Entstehen war.
2.1. August Ludwig Schlözer und Salvadore Gilij Wilhelm von Humboldt nennt für den Beginn einer vergleichbaren Arbeit an den amerikanischen Sprachen den Namen des Göttinger Historikers August Ludwig Schlözer, eines seiner Göttinger Professoren (Sweet 1978–80: 1: 37): ―Das Verdienst, die Wichtigkeit der Amerikanischen Sprachen für die Sprachkunde gefühlt zu haben, gebührt 6
Das Projekt ―Wilhelm von Humboldt: Schriften zur Sprachwissenschaft‖ ist an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft angesiedelt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Vgl. http://www. bbaw.de/Forschung/Forschungsprojekte/wvhumboldt/de/.
Manfred Ringmacher
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dem verewigten Schlözer. Er hat wohl überhaupt seit Leibnitz zuerst wieder unter uns den wahren Begriff dieser Wissenschaft aufgefasst‖ (Humboldt 1903–36: VI: 135f.). Schlözer hatte den Plan einer ―filologischen OrientsReise‖ (Schlözer 1802: 305) verfolgt und kam dann wenigstens bis Rom; dort begegnete er7 dem Jesuiten Filippo Salvadore Gilij (Gigli), der Missionar am Orinoko gewesen war und ein Buch darüber geschrieben hatte. In diesem Buch enthält ein ―Anhang‖ mit dem Titel Über die berühmtesten amerikanischen Sprachen acht sehr knappe Skizzen amerikanischer Sprachen, von Nordamerika (mit dem Huronischen) bis ins südliche Südamerika (mit dem Araukanischen, Gilij 1780–84: III: 219–272). Schlözer zeigte in autobiographischen Zeugnissen (Schlözer 1802) ein bemerkenswertes Verständnis für die Sprachen, die er lernte, aber wie Gilij, der zwei Indianersprachen, Maipure und Tamanaku, beherrschte, war er an den Sprachen noch, ehrwürdigen Vorbildern (vgl. Leibniz 1710) folgend, vorwiegend als Indikatoren ethnographischer Verhältnisse interessiert. Bis zur Wahrnehmung der Eigengeltung der Sprachen ist es aber von ihnen aus nur ein kleiner Schritt, der auch bald getan wurde.
2.2. Lorenzo Hervás Wilhelm von Humboldt war von 1802 bis 1808 in Rom als preußischer Resident für den Kirchenstaat; er war von Amtsgeschäften wenig in Anspruch genommen und hatte Muße, verschiedenen Interessen nachzugehen. Schon bald nach seiner Ankunft in Rom8 machte er die Bekanntschaft von Lorenzo Hervás y Panduro, der 1767, als die Jesuiten aus Spanien ausgewiesen worden waren, in Cesena, einer kleinen Stadt im Kirchenstaat, Bibliothekar wurde und in seinen letzten Lebensjahren Bibliothekar der päpstlichen Bibliothek im Quirinal-Palast in Rom war. Er hatte 21 Bände einer kosmologischanthropologischen Enzyklopädie Idea dell‟universo (Hervás 1778–87) geschrieben, in der er, wie Adelung meinte, ―nichts geringers unternahm, als den ganzen Ocean des menschlichen Wissens auszuschöpfen‖ (Adelung & Vater 1806–17: I: 670). 7
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Gilijs Bericht zufolge traf Schlözer im Februar 1782 in Rom ein und suchte Gilij auf. Gilij beschreibt Schlözer als Kenner nicht nur der ―berühmten‖ Sprachen Latein, Griechisch, Hebräisch und Arabisch und der ―Sprachen der kultiviertesten Nationen‖, sondern auch ―der Sprachen der weniger bekannten Völker des Nordens und sogar der amerikanischen Sprachen‖ (Gilij 1780–84: III: 350f.): Offenbar kannte Schlözer gedruckte Beschreibungen amerikanischer Sprachen, die nach Göttingen gelangt waren. In einem lateinischen Brief, den Gilij abdruckt, betont Schlözer, dass es nicht um die bloße Kenntnis der Sprachen gehe, sondern um die Befolgung der alten Empfehlung von Leibniz, die Völker den Sprachen nach zu klassifizieren (―gentes ipsas, linguarum habita ratione, quod dudum suaserat Leibnitius nostras, in classes, ordines, atque genera tribuimus‖, Gilij 1780–84: III: 352). Wilhelm von Humboldt kam Mitte November 1802 in Rom an und schrieb am 15. April 1803 an einen seiner Universitätslehrer, den Philologen Friedrich August Wolf, über Hervás (Batllori 1966: 203). Hervás starb am 24. August 1809 im Alter von 74 Jahren.
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Die Bände I–VIII behandeln die ―Geschichte des Menschenlebens‖ und die Anatomie des menschlichen Körpers, die Bände IX und X sind eine ―Reise zur Planetenwelt‖, die Bände XI–XVI behandeln die ―Geschichte der Erde‖ (Hervás 1986: 89). Die restlichen fünf Bände betreffen die Sprachen: Band XVII, ein ―Katalog der bekannten Sprachen‖ in ihren Ähnlichkeiten und ihrer Verschiedenheit, Band XVIII, die ―Abhandlung über Ursprung, Bildung, Mechanismus und Harmonie der Sprachen‖,9 Band XIX, die ―Arithmetik der Nationen‖, behandelt die Zahlwörter und ihre Systeme in den Sprachen, Band XX ist ein ―vielsprachiges Wörterbuch‖ (Vocabolario poligloto) und Band XXI (―Praktische Probe der Sprachen‖, Saggio pratico delle lingue) gibt Einblicke in die Gestaltung einzelner Sprachen anhand einer einheitlichen Sprachprobe, des Vaterunsers. Wilhelm von Humboldt ist in seinem Urteil gegenüber den Sprachbänden der Enzyklopädie von Hervás zurückhaltend,10 denn er kennt Besseres von ihm, den ―nicht gedruckte[n] Theil der Sammlungen Hervas, welcher ganz grammatischen Inhalts und wichtiger für die eigentliche Sprachkunde ist, als sein Werk‖ (Humboldt 1903–36: VI: 134). Hervás erwähnt schon im Catalogo delle lingue (Hervás 1778–87: XVII: 2) neben den tatsächlich veröffentlichten Folgebänden auch die ―Probe der grammatischen Elemente der Sprachen‖ [il saggio de‟ loro elementi gramaticali], die er gleich nach dem Sprachenkatalog veröffentlichen möchte (was er dann aber nicht tut). Es handelt sich dabei um Grammatikskizzen, die von Hervás selbst oder von anderen sprachkundigen Exjesuiten nach einem festen Schema verfasst worden sind. Diese Texte sind von ungleichem Wert,11 sie behandeln eine Vielzahl von Sprachen, über die in Europa oft sonst nichts bekannt war. Unter den Papieren von Hervás hat sich der Zettel erhalten, auf dem er die Grammatikskizzen notierte, die er am 13. August 1805 dem ―sig. Barone Humbold‖ auslieh (Batllori 1966: 213); dies ist ein wichtiges Datum in Wilhelm von Humboldts sprachkundlichem Werdegang. Humboldt ließ von den Grammatiken von 9
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In diesem Band gibt Hervás eine bemerkenswerte Begründung für die Individualität jeder Sprache bzw. jeder lingua matrice auf Grund der Erzählung von der Verwirrung der Sprachen (Genesis 1: 1–9): die Verwirrung habe die Grammatik (artificio) der Sprachen betroffen, und sie sei das an ihnen, was verschieden ist. An Vater schrieb Humboldt: ―Gewissermaßen ist nun zwar allerdings vor diesen Schriften zu warnen. Denn wie Sie, wenn Sie dieselben (wie doch eigentlich wieder nothwendig ist) besitzen, selbst gefunden haben werden, so wimmeln sie von Nachlässigkeiten u. Unrichtigkeiten, u. es fehlt dem guten Mann ebensosehr an Methode, als gründlicher Gelehrsamkeit, da er wirklich keine alte Sprache mit Tiefe kennt, u. keine neuere correct u. rein spricht. Allein sein Eifer, seine Thätigkeit u. das Verdienst, eine Menge von Notizen gesammelt zu haben, bleibt immer in hohem Grade lobenswürdig‖ (W. von Humboldt an Vater, 26. 3. 1808, Bl. 2 r). Die von Hervás nach fremden Vorlagen geschriebenen Skizzen sind in ihrem Verhältnis zu den beschriebenen Sprachen durchweg problematisch. Bemerkenswert gut sind hingegen die Texte, die ihm von seinen Beratern, Francisco Javier Clavigero für den Norden, besonders Mexiko (die einzige bisher veröffentlichte Grammatikskizze, Humboldt 1994b: 281–307), und Joaquim Camaño für den Süden (Grammatiken des Quechua und Chiquito). Andere Informanten hatten das Problem, dass sie im Exil ihre Missionssprachen vergessen hatten.
Manfred Ringmacher
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Hervás Abschriften nehmen,12 die heute mit Berliner Signaturen in der Biblioteka Jagiellońska in Krakau liegen. Neben zwei Titeln zu asiatischen Sprachen: Mandschu (Coll. ling. fol. 18) und ―Tonkinesisch‖, d.h. Vietnamesisch, (Coll. ling. fol. 44) sind es lauter Bearbeitungen amerikanischer Sprachen: Guaraní, ―Mexikanisch‖ (Nahuatl), Otomí, Maya, Abiponisch, Araukanisch, Betoi, Lule, Mbaya, Mocoví, Omagua, Tamanaku, Quechua, Yarura (Coll. ling. fol. 24, 51, 78–89).
2.3. Alexander von Humboldt Der andere große Zulieferer von Sprachbeschreibungen ist Alexander von Humboldt, der von seiner Amerikareise nicht nur botanische und zoologische Sammlungen und wirtschaftsstatistisches Material, sondern auch Beschreibungen amerikanischer Sprachen mitbrachte. Eine von Mueller-Vollmer auf Wilhelm von Humboldts späte römische Jahre (1806–08) datierte Bücherliste (Mueller-Vollmer 1993: 402–406) zählt neben den 14 Abschriften von Hervás-Grammatiken 17 von Alexander von Humboldt mitgebrachte Titel, und zwar zum Nahuatl (Molina 1571, Vetancurt 1673, Gastelu 1693, Tapia 1753),13 Otomí (Neve 1767), Huastekischen (Tapia 1767), Mixtekischen (Reyes 1750),14 Totonakischen (Zambrano 1752), Cora (Ortega 1732), Muisca (Lugo 1619) und Quechua (Holguín 1608, Anonymus 1753). Ein Werk, das in Wilhelm von Humboldts Liste fehlt, aber von Alexander von Humboldt berücksichtigt wird, ist das Manuskript Gramatica de la lengua Caribe von Fernando Ximenez (Coll. ling. qu. 45). Alexander von Humboldt nennt noch vier weitere Werke, die sein Bruder zu ―dieser Sammlung‖ beigetragen habe: Breton (1665–66) für das Inselkaribische, M.D.L.S. (1763) für das Galibi (Carib), Figueira (1795) und Anonymus (1795) für das Tupí. Das ist alles, was Wilhelm von Humboldt zunächst als ―Hülfsmittel‖ zur Verfügung hatte. Er machte 1812 einen Versuch, sich in die amerikanischen Sprachen einzuarbeiten; das bezeugen der Essai sur les langues du Nouveau Continent (ein heute verlorenes Manuskript, Humboldt 1903–36: 3: 300–341) und die amerikanischen Arbeiten aus dem so genannten Wiener Arbeitsbuch: drei Grammatikskizzen zum Nahuatl (Humboldt 1994b: 201–214), Totonakischen (Humboldt 2009: 101–116) und Otomí (Humboldt 2009: 307–319) sowie ein ziemlich eigenwillig gestaltetes Wörterbuch des Na12
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Nur die Grammatik des Mexikanischen (Nahuatl) wurde teilweise von Humboldt selbst abgeschrieben; er kam damit bis Seite 18 (von 32, vgl. Humboldt 1994b: 295). Alexander von Humboldt sagt, die Grammatik von Tapia (1753) sei von seinem Bruder beschafft worden (A. v. Humboldt 1814–25: I: 504). Tatsächlich gibt die Liste ebenso wie die Anmerkung in der Relation historique (A. v. Humboldt 1814–25: I: 504) und die Erwähnung im Mithridates (Adelung & Vater 1806–17: III.3: 34) als Erscheinungsjahr 1593 an. In dem heute in Krakau aufbewahrten Buch ist das Titelblatt herausgerissen (Humboldt 2009: 4); vielleicht musste Alexander von Humboldt für das vermeintlich ältere Buch einen höheren Preis zahlen, auch wenn er versichert: ―Kaufbar ist kein einziges dieser Bücher, weder in Spanien, noch in Amerika‖ (A. v. Humboldt 1808: 364).
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huatl (Buschmann & Humboldt 2000: 897–1003). Er kam erst 1820, nach seinem unfreiwilligen Abschied aus der Politik, zu den amerikanischen Sprachen (und überhaupt zur Sprachthematik) zurück. In der Zwischenzeit waren die amerikanischen ―Hülfsmittel‖ in den Händen anderer, deren Gesichtspunkte bei der Auswertung der Texte für Wilhelm von Humboldt wegweisend wurden.
2.4. Friedrich Schlegel Der erste, der das amerikanische Material in die Hand bekam,15 Friedrich Schlegel, konnte mit den ―eben so schweren als sonderbaren amerikanischen Sprachen‖ (Schlegel 1808) nur wenig, dafür aber Wichtiges anfangen. Schlegel stützt sich nämlich auf Erfahrungen mit den amerikanischen Sprachen (oder wenigstens mit ihren Beschreibungen), wenn er die Sprachen in zwei diskrete Klassen einteilt: die Sprachen mit Flexion (als ―organische‖ Entfaltung von Wurzelelementen, die als ―fruchtbarer Same‖ gedacht werden) und die anderen Sprachen, deren Elemente im Wort oder Satz ihm ―wie ein Haufen Atome, die jeder Wind des Zufalls leicht aus einander treiben oder zusammenführen kann‖, vorkommen (Schlegel 1808: 44–47, 51; vgl. Trabant 2006: 242f.). Diese Stellungnahme ist, was die amerikanischen Sprachen betrifft, rein negativ und für die Auseinandersetzung mit ihnen wirkungslos geblieben. Dagegen wurde sie mit ihrer Behauptung über die Sprachen mit Flexion für Wilhelm von Humboldt bedeutsam, weil sie ihn zum Widerspruch trieb. Humboldt hat sich immer wieder gegen Schlegels Ansicht gewehrt und mit beidem, lebendig erscheinender Formänderung und mechanisch erscheinender Zusammenfügung, in den Sprachen gerechnet. Er erwartete darum auch, dass ―wohl kein Volk so einförmig in seiner Silbenbildung, so entblößt von Phantasie ist, daß alle Flexion ihm nur Agglutination seyn sollte, und daß es keine ins Gebiet der Grammatik gehörende Verstandeshandlung durch ein Laut-Symbol anzudeuten verstände‖ (Humboldt 1994b: 198).
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―Ausser zwei ziemlich ausführlichen Wörterbüchern und Sprachlehren der mexikanischen und der in Peru und im Reich Quito herrschenden Quichuasprache, wurden mir noch kürzere Handbücher über die Othomi, Cora, Huasteca, Mosca, Mixteca und Totonacasprache mitgetheilt‖ (Schlegel 1808: 46, Anm.). Wenn man die von Schlegel genannten Zahlen so versteht, dass auf das Nahuatl ein Wörterbuch und zwei Grammatiken entfallen, ergibt sich, dass er Molina (1571), Vetancurt (1673), Gastelu (1693), Holguín (1608), Anonymus (1753), Neve (1767), Ortega (1732), Tapia (1767), Lugo (1619), Reyes (1750) und Zambrano (1752) vor sich hatte, eine Kostprobe struktureller Vielfalt, bei der ihn das Fehlen von Gemeinsamkeiten befremden musste, die er ja erwartete: ―die ähnliche Struktur deutet auf ein gleiches Princip der Entstehung bei noch so grosser Verschiedenheit‖ (Schlegel 1808: 44–47, 51).
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2.5. Johann Severin Vater Der Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde mit dem Vater Unser als Sprachprobe (Adelung & Vater 1806–17) wurde von dem Lexikographen und Grammatiker Johann Christian Adelung begonnen; er starb aber schon 1806, im Erscheinungsjahr des ersten, den asiatischen Sprachen gewidmeten Bandes. An seine Stelle trat der Theologe und Sprachforscher Johann Severin Vater, der das Werk nach Adelungs Plan und zunächst ―großentheils aus Dessen Papieren fortgesetzt und bearbeitet‖ hat (Adelung & Vater 1806–17: I: I). Der Plan, nach dem Adelung den Mithridates angelegt hat, erinnert an die Sprachbände von Hervás und verbindet gleichsam den Catalogo (Band XVII) mit dem Saggio pratico (Band XXI). Adelungs Urteil über Hervás ist zwiespältig; er bleibt schließlich bei seinem Eindruck, ―[d]aß der Verfasser in diesem großen Werke bey aller seiner Gelehrsamkeit, und bey seinem unläugbaren Bestreben, überall die neuesten Entdeckungen zu benutzen, [sich] doch bei den bekannten Vorurtheilen seiner Kirche und bey seinem Mangel an gründlicher Kritik und Philosophie, überall viele Blößen werde gegeben haben‖ (Adelung & Vater 1806–17: I: 672). Der zweite Band über die europäischen Sprachen enthält noch sehr viel Material, das von Adelung zusammengetragen wurde. Doch Vater suchte selbst nach Sprachbeschreibungen und konnte im Vorwort zum dritten Band erklären: Wirklich bin ich im Besitze von so vielen Hülfsmitteln über die Sprachen Afrika‘s und Amerika‘s, daß der Reichthum der daher geflossenen Nachrichten für jede billige Erwartung überraschend groß seyn wird. Meine sehr ansehnliche linguistische Sammlung enthält die von mir eigenhändig gemachten vollständigen Auszüge oder Abschriften auch der dicksten Amerikanischen Grammatiken, welche vor des Hrn. Kammerherrn Alex. von Humboldt nicht genug zu preisenden Interesse und Aufopferungen für die Kenntniß Amerika‘s und die Wissenschaften, größtentheils in Europa noch nicht gesehen waren, (Adelung & Vater 1806–17: III.1: IV f.). Er war 1807 an Alexander von Humboldt herangetreten (Schmidt 1996: 80) und hatte von ihm und seinem Bruder umfangreiches Material bekommen.16 Von Alexander von Humboldt hat er eine Anzahl Aztekischer (Mexikanischer) Grammatiken und ein Wörterbuch dieser Sprache, ferner die Totonakische, Huastekische, Othomitische, die Miste16
Es war eine Leihgabe. Alexander von Humboldt schrieb am 2. Juni 1809 aus Paris an Vater: ―Wenn Sie meine Amerikan. Sprachen nicht mehr brauchen bitte ich Sie sie meinem Bruder Wilhelm nach Berlin [...] zu senden. Ich habe sie meinem Bruder geschenkt‖ (Schmidt 1996: 92f.). Wilhelm von Humboldt sagte im Begleitschreiben der Sendung mit den Grammatiken von Hervás: ―Ueber die Länge der Zeit, wo Sie diese Schriften behalten werden, sage ich nichts. Es versteht sich, daß Sie den vollsten Gebrauch davon machen. Hernach verstehen wir uns über die Art der Zurücksendung‖ (Brief an Vater, 26. 3. 1808).
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kische, die Cora, die Mosca, die Qquichua, die Caraiben, die Brasilianische Sprache. Außerdem hat mir das Wohlwollen des Herrn Minister Wilhelm von Humboldt Copien von handschriftlichen Grammatiken folgender Sprachen: der Abipona, Araucana, Betoi, Guarani, Guaicura, Luli, Maya, Mocobi, Omagua, Orinoko, Yarura, aus der Bibliothek des grossen Sprachgelehten Lorenzo Hervas mit der liberalsten Erlaubniß des letztern von Rom übersendet.17 (Vater in A. v. Humboldt 1808: 363 f., Anm.) Diese Werke wurden in den Alexander von Humboldt gewidmeten Untersuchungen über Amerika‟s Bevölkerung aus dem alten Kontinente (Vater 1810) und – 1813 und 1815 – in den Teilen des Mithridates, die von den amerikanischen Sprachen handeln (Adelung & Vater 1806–17: III.2: 307–408; III.3: 1–474), ausgewertet. Als Vater am 16. März 1826 starb, kaufte die Königliche Bibliothek seine sprachkundlichen Papiere.18 Vater bekennt sich als jemand, der ―Sprachen, auch als Quelle, den Zusammenhang der Völker zu entdecken, liebt‖ (Vater 1810: 176), und er hat nicht nur zu den Völkern, sondern auch zu einer strukturellen Gemeinsamkeit der amerikanischen Sprachen etwas zu sagen. Er geht davon aus, daß bei fast allen Sprachen in Amerika, die mehr grammatische Bildung haben, die eigentlichste Tendenz der ganzen Conjugation der Verben ist: das Verhältniß des Bezuges der Handlung auf ihr Object zu bezeichnen, und so von den Fällen zu unterscheiden, wo kein solches Object vorhanden ist. An jeder Person der Verben werden auf diese Art hinzugetretene PronominalAccusative durch besondere Formen jener Personen ausgedruckt; und so nicht in der Qquichua allein und in der ganz verschiedenen Sprache Chili‘s: nein, eben so in dem äußersten Amerika in Norden, in Grönland; eben so in dem Zweige des Chippiwaisch-Delawarischen Stammes, der Sprache von Natik; und eben so da17
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Vater bezeichnet als ―Karaiben‖ die karibisch sprechenden Bewohner des Festlandes, aber auch die von Breton (1667) beschriebenen Inselkariben, die trotz ihres Namens eine Arawaksprache sprechen; von dieser Sprachverschiedenheit hat er keinen klaren Begriff: ―Die Grammatik der InsularSprache kann noch nicht vollständig genug gegeben werden, um einen ganz abgesonderten Platz zu erhalten‖ (Adelung & Vater 1806–17: III.2: 685). – Unter den aus der Bibliothek von Hervás stammenden Manuskripten vermisst man diejenigen zum Nahuatl (Coll. ling. fol. 51) und Quechua (Coll. ling. fol. 88). Sie müssen aber mitgesandt worden sein; Wilhelm von Humboldt schrieb ausdrücklich: ―Es bleibt kein Blatt in meinen Händen‖ (Brief an Vater, 26. 3. 1808). Die Akquisitionsakte Acta B 12 der Staatsbibliothek zu Berlin (―Acta betr. den Ankauf von Sammlungen linguistischer Handschriften und Bücher des Professors Vater‖) betrifft fast ausschließlich den Ankauf von Vaters linguistischer Bibliothek zu dessen Lebzeiten (1817–18). Nur Bl. 1 und 40– 44, eine auf den 19. 3. 1828 datierte Stellungnahme Wilhelm von Humboldts, bezieht sich auf die bereits der Bibliothek gehörigen Manuskripte. Humboldt hatte schon am 24. 10. 1826 an Vaters Sohn Ludwig geschrieben, er ―glaube das Geschäft nun mehr als beendigt ansehen zu können.‖ Es betraf die Konvolute Coll. ling. fol. 1–10, Coll. ling. qu. 1–29 und Coll. ling. oct. 1–3 (MuellerVollmer 1993: 359–369).
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zwischen in Mittel Amerika, in der Totonaka, in der Cora, im Mexikanischen. (Vater 1810: 206) Mit dieser einfachen Formel hat Vater den Amerikanisten, die sich nach ihm den Sprachen zuwandten, eine wichtige Anregung gegeben (vgl. Micaela Verlato, in: Humboldt im Druck b). Dies gilt für den amerikanischen Juristen Peter Stephen (bzw. Pierre Étienne) Du Ponceau, der sich mit amerikanischer Sprachkunde beschäftigte, ebenso wie für seinen jüngeren Kollegen Humboldt in Preußen. Du Ponceau nannte die durch Objektkonjugation entstehenden, vergleichsweise komplexen Verbalformen ―polysynthetisch‖ (Du Ponceau 1819: xxiii), und Wilhelm von Humboldt fand den Begriff der ―Einverleibung‖ (Humboldt 1994b: 93 f.) als zentrale Komponente einer syntaktischen Gestaltungsmethode19 (Humboldt 1903–36: VII: 144).
2.6. Die Suche nach weiteren Quellentexten Die riesenhaften und zugleich eng umgrenzten Ausmaße von Wilhelm von Humboldts amerikanischem Projekt werden fassbar, wenn man verfolgt, wie auch angesichts der ersten Auswertungen die Datensammlung noch weitergeht. Humboldt schreibt am 31. 3. 1827, nach Jahren intensiver Beschäftigung mit den amerikanischen Sprachen an einen seiner Nachfolger als Gesandter in Rom, Josias Bunsen: ―Ich glaube nicht, dass sich jetzt an Einem Ort über Amerikanische Sprachen soviel gedruckte und handschriftliche Hülfsmittel befinden, als ich durch nunmehr 25jähriges Sammeln zusammengebracht habe, indess fehlt mir noch viel, und am meisten von den NordAmerikanischen Sprachen‖ (Tintemann 2009: 184). Humboldt wandte sich an diejenigen, die Verbindungen nach Amerika hatten, und ließ sie nach den Schriften suchen, die ihm noch fehlten. Es genügte ihm nicht mehr wie noch 1822 dem mexikanischen Politiker Lucas Alamán, der nach Paris gekommen war, die Liste der Bücher über amerikanische Sprachen mitzuteilen, die er schon hatte (Humboldt 1994b: 274f.).20 1827 ließ er durch den preußischen Diplomaten Ignaz von Olfers in Brasilien, Chile, Peru und Kolumbien (das damals noch Ecuador und Venezuela mit umfasste) verbreiten (Tintemann 2009: 182f.); 19
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Vater kam zu seiner These, indem er zur Kenntnis nahm, dass die Grammatiken in Verbalformen Affixe feststellten, die sich auf Objektpersonen bezogen. Humboldts Denkweg war komplizierter und führte über die Gleichsetzung der ―Zusammensetzung des Verbs mit seinem Akkusativ‖ (Nahuatl ni-naca-qua ‗ich esse Fleisch‘ [und faste nicht]) mit der Subjekt- und Objektpronomina enthaltenden Verbalform (ni-c-qua in nacatl ‗ich esse (es,) das Fleisch‘ in einer der ausgewerteten Grammatiken (Vetancurt 1673: 572). Diese Gleichsetzung überspringt einen pragmatischen Gegensatz (Zustand vs. Handlung), von dem Humboldt nichts ahnte. Es ist die gleiche Liste wie die von seinem Bruder abgedruckte (A. v. Humboldt 1814–25: 1: 504). Sie ist nur insofern genauer, als für das Quechua neben dem Wörterbuch von Holguín (1608) auch dessen Grammatik (Holguín 1607) erwähnt ist. Alexander von Humboldt war mit solchen Einzelheiten großzügiger.
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sie nennt Bücher, von denen Humboldt Kenntnis hat und die er gern selber haben will.21 Einiges wurde ihm geschickt, anderes fand sich in europäischen Bibliotheken, und er ließ sich Abschriften davon machen.22 Über die nordamerikanischen Sprachen (nördlich von Mexiko) besaß Wilhelm von Humboldt anfangs nur das Werk von Barton (1798), das mit Wortlisten von Indianersprachen die Frage der Besiedlung Amerikas zu lösen versuchte. Als er aber mit dem Juristen (und Amerikanisten) John Pickering in brieflichen Kontakt kam, übersandte er ihm auch das ―Verzeichniß meiner gedruckten Hülfsmittel zum Studium der Amerikanischen Sprachen‖ (Humboldt an Bancroft, 25. 2. 1821), und Du Ponceau reagierte mit der Schenkung eines eigenen Beitrags zur Amerikanistik (Transactions 1819). Andere Kontakte bereicherten Humboldts Sammlung auf unvorhersehbare Weise. Der französische Orientalist Jacquet verschaffte Humboldt 1832 eine Abschrift des in Paris aufbewahrten Manuskripts Grammaire algonquine von Louis Nicolas (Coll. ling. quart. 47); Percy Smythe, der britischer Gesandter in Schweden gewesen war, machte Humboldt ein Zeugnis der schwedischen Präsenz im delawaresprachigen Nordamerika (Lutheri Catechismus 1696) zugänglich (Coll. ling. fol. 36). Eine besonders reiche Liste, die 1831 einer Sendung von Büchern aus Mexiko beigefügt war, hat sich unter Wilhelm von Humboldts sprachkundlichen Papieren erhalten (Archiv Schloss Tegel, Nr. 1061, Bl. 50r). Der Absender der Bücher, der preußische Generalkonsul in Mexiko Carl Wilhelm Koppe, bedauert, noch nicht genug ―Materialien zur Indianischen Linguistick von Neu-Andalusien23 und Hochkalifornien‖ zusammengetragen zu haben. Die Sendung umfasst neben zwei Werken zum philippinischen Tagalog und einem zum Cahita (Anonymus 1740) eine ganze Reihe von Werken über das Nahuatl, die nicht mehr von
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Humboldt fragt nach der Araukanischgrammatik von Febrés (1765), einem Grammatikmanuskript von Ignacio Chomé zum Chiquito, nach Büchern zum Guaraní von Montoya (1639, 1640), zum Kiriri von Mamiani (1699), zum Lule von Machoni (1732), zum Quechua von Torres Rubio (1619/ 1754), zum Mojo von Marbán (1702), zum Kaqchikel nach dem Grammatikmanuskript von Benito Villacañas, zum Maya nach San Buenaventura (1684) und Beltrán (1746), zum Taraskischen nach Gilberti (1558) und nach einem Werk zum Matlatzinco. Auch wünscht er sich eine neuere Grammatik des Mixtekischen als Reyes (1593/1750), mit dem er offenbar nicht zufrieden ist. So kamen in seine Bibliothek Abschriften der Grammatik des Chayma von Tauste (1680, Coll. ling. fol. 75), der Grammatik des Mochica von Carrera (1644, Coll. ling. fol. 76), eine Teilabschrift der Quechua-Grammatik von Torres Rubio (1754, Coll. ling. fol. 77), die inselkaribische Grammatik von Breton (1667, Coll. ling. fol. 90), Grammatik und Wörterbuch des Guaraní von Montoya (1640, Coll. ling. fol. 92 und 93), ein Manuskript über Muisca-Zeitrechnung aus dem Besitz seines Bruders (Coll. ling. quart. 37), die Kiriri-Grammatik von Mamiani (1699, Coll. ling. quart. 49), die taraskische Grammatik von Basalenque (1714), ein Geschenk von Du Ponceau (Coll. ling. oct. 5). Von einem Sohn Schlözers erhielt Wilhelm von Humboldt Manuskripte zum Chiquito und Guaraní (Coll. ling. fol. 23), von der Familie des Herrnhuter Missionars Quandt – Schriften zum Arawak (Coll. ling. quart. 32, 33, 42). Nueva Andalucía war in der spanischen Kolonialzeit eine Provinz im Osten von Venezuela, deren Hauptstadt Cumaná war.
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Humboldt ausgewertet worden sind.24 Das Erstaunlichste an dieser anschwellenden Bücherflut ist nämlich, dass Humboldt nichts von den später beschafften Schriften noch selber ausgewertet hat. Vielmehr zog er sich weitgehend von den amerikanischen Studien zurück, besonders nachdem er im Januar 1829 Eduard Buschmann als amerikanistischen Gehilfen gewonnen hatte (vgl. Buschmann & Humboldt 2000: XIV). Buschmanns Umgang mit den amerikanischen Quellentexten zeigt keine Einflüsse von Wilhelm von Humboldts philologischem Verfahren, das zwischen Gesamteindruck und Würdigung der Einzelheiten hin- und hergeht (vgl. Trabant 2006: 268); er setzt stattdessen ganz auf erschöpfende Auflistungen von Sprachfakten und ist damit moderner, aber auch farbloser als Humboldt. Man hat sich vor Augen zu halten, dass die amerikanischen Sprachen für Wilhelm von Humboldt nie ein alleiniger Forschungsgegenstand waren. Er hat einmal 1820, in der Anfangszeit seiner konzentrierten amerikanischen Sprachstudien seinen Arbeitstag beschrieben: ―Bis zum Frühstück mache ich gewöhnlich alle Korrespondenz ab [...]. Den Vormittag arbeite ich meist an den amerikanischen Sprachen, die unter meinen und Herrn Sachses25 Händen sehr vorrücken. Nachmittags und abends lese ich unausgesetzt Griechisch mit unendlicher Freude‖ (Sydow 1910–16: 7: 28). In der ―Mexicanischen Grammatik‖ lobt Humboldt die ―schöne und behende Gelenkigkeit‖ griechischer Texte und beklagt dagegen die Schwerfälligkeit und Unabgerundetheit der Sätze im Nahuatl. Sein Urteil wäre sicher freundlicher ausgefallen, wenn er sich die Grundlagen dafür nicht mühsam hätte aus Grammatiken zusammensuchen müssen, sondern zum Beispiel den Anfang der – damals noch nicht veröffentlichten – ―Cantares Mexicanos‖ sich auf Nahuatl hätte vorsagen können: Ninoyolnonotza: campa niccuiz yectli auiacaxochitl? ac nictlahtlaniz? manoço yehuatl nictlatlani, in quetzalhuitzitziltzin, in chalchiuhhuitzitzicatzin? manoço ye nictlatlani in çaquanpapalotl? ca yehuantin in machizommati: campa cueponi in yectli, auiac xochitl26 (Gesänge 1957: 1).
3. Wilhelm von Humboldts Fragestellung Die Jahre ab 1820, als Wilhelm von Humboldt sich in konzentrierter Arbeit den amerikanischen Sprachen zuwandte, sind von seinen früheren Versuchen in dieser Richtung 24
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Dagegen lässt sich die Benutzung dieser Werke durch Buschmann nachweisen (vgl. Aldama 1754, Ávila 1717, Paredes 1759, Pérez 1723, Sahagún 1830 auf Kopps Liste und unter den Quellen des von Buschmann ausgearbeiteten Wörterbuchs der mexicanischen Sprache, Buschmann & Humboldt 2000: LXIV–LXXIII). Louis Friedrich Sachse fertigte die Reinschriften von Humboldts amerikanischen Grammatiken an; später war er als Lithograph tätig. Auf Deutsch ungefähr: ―Ich berate mich mit meinem Herzen: / wo nehme ich gute, duftende Blumen her? / Wen werde ich fragen? Frage ich etwa / den Schönfederkolibri, den Grünsteinkolibri / oder etwa den Prachtvogelschmetterling? / Die wissen ja Bescheid, wo / gute, duftende Blumen erblühen.‖
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deutlich zu unterscheiden. 1812 steht er noch dem ethnographischen Anliegen nahe, wie es von seinem Bruder Alexander und von Johann Severin Vater vertreten wird. So träumt er von Völkergeburten in einem geheimnisvoll fremden Amerika: ―Das Innere dieses noch so wenig durchsuchten Welttheils ist höchst wahrscheinlich noch jetzt eine Werkstatt neugeschaffener, oder neugebildeter Sprachen‖ (Humboldt 1994b: 222; 1903–36: IV: 237). Er stellt sich die Entwicklung der Sprachen noch recht laienhaft vor, etwa als ―Uebergang des Griechischen zum Lateinischen und dieses zu den abendländischen Sprachen Europas‖ (ebd.), als ob es sich dabei um eine Völkerwanderung handelte. Ebenso äußerlich klingt seine Kritik der Missionarslinguistik als Gewalttat an den Sprachen, ―um sie in die engen Regeln der lateinischen Grammatik Antonios von Nebrixa, oder irgend eines andren Spanischen Schulpedanten zu zwängen‖27 (Humboldt 1994b: 222f.; 1903–36: IV: 237). So sah er es 1811–12 im Essai sur les langues du Nouveau Continent (Versuch über die Sprachen der Neuen Welt), dessen erste Seiten (Humboldt 1903–36: III: 300–315) er nach 1820, als er sich dauerhaft mit den amerikanischen Sprachen zu beschäftigen begann, ins Deutsche übersetzte. Er ließ den neuen Text allerdings mit einer Ausführung über den Sprachforscher beginnen, der sich ―mit gleichem Interesse zu den Sprachen roher und wilder, und gebildeter und hochverfeinerter Nationen wenden kann‖ und es auch soll, ―wenn er sein weites Gebiet gründlich kennen lernen, und vollkommen durchmessen will‖ (Humboldt 1994b: 219; 1903–36: IV: 233). Auf diesem Gebiet, das nicht mehr der amerikanische Kontinent ist, sondern die Gesamtheit der dort entstandenen Sprachen, stellte sich die Aufgabe eines umfassenden Vergleichs: ―Der Wunsch zu prüfen, wie weit die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues gehe, und gewissermaßen in ein ganz neues Gebiet versetzt zu werden, führte mich zu den Amerikanischen [Sprachen]‖ (Humboldt 1903–36: VI: 140). Diesem Erkenntnisziel entsprach nicht das, was Wilhelm von Humboldt in seiner Rede über das vergleichende Sprachstudium (Humboldt 1822) als den ―Schlussstein des Sprachstudiums‖ bezeichnete, also grundsätzlich die Philologie einer Sprache wie des Griechischen, sondern das, was dort als Untersuchung des ―Organismus‖ der Sprachen beschrieben wird (Humboldt 1822: 244): ein Vergleich, in dem sich die Strukturen der verglichenen Sprachen gegenseitig beleuchten. Dies ist das bleibende Neue an Humboldts Sprachstudium. Er hat es bei der Arbeit an den amerikanischen Sprachen erprobt, nachdem er schon das Studium der 27
Er nennt den Renaissancegrammatiker Antonio de Nebrija nur deshalb, weil er zum Beispiel im Titel der Totonakisch-Grammatik von Zambrano Bonilla genannt wird: Arte de lengua Totonaca, Conforme á el Arte de Antonio Nebrija (Zambrano 1752: I); diese stellt aber ihren Gegenstand, das Totonakische durchaus wiedererkennbar (und vom Lateinischen unterscheidbar) dar. Das lateinische Vorbild stört nicht, wenn es bloß um die Übernahme wohldefinierter Terminologie (Gerundium, Partizip usw.) geht; störend wird es erst, wenn das Vorbild überschritten werden muss. So hat besonders Hervás in seinen Kurzgrammatiken oft die Besonderheiten transitiver Prädikate vergessen zu erwähnen, weil im Lateinischen transitive und intransitive Verben gleich flektiert werden. Es ist letztlich eine Frage der Mühe, die sich ein Grammatiker gibt.
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einen baskischen Sprache in den Zusammenhang von ―Zergliederungen aller Sprachen‖ und ―einer großen allgemeinen Sprachencyclopädie‖ (Humboldt 2010: 54) stellte.
4. Die amerikanischen Manuskripte Der gefundenen Aufgabe stellte sich Wilhelm von Humboldt in Texten aus drei Textsorten: den nach der sprachtheoretischen und nach der ethnographischen Seite hin angelegten einführenden Texten, den Beschreibungen einzelner Sprachen und schließlich in den Texten, in denen die Sprachen nach einzelnen kategorialen Dimensionen verglichen werden (vgl. grundlegend hierzu Tintemann in Vorbereitung).
4.1. Einleitungen Genau besehen gibt es für die amerikanischen Sprachen nicht nur zwei, sondern drei Arten von Einleitung; die erste und die zweite Art gehören als frühere und spätere Stufe zusammen; die dritte Art zeichnet sich durch einen eigenen (ethnographischen) Gegenstand aus.28 Die Einleitung der ersten Art gibt eine technische Einführung in das Projekt des Vergleichs der amerikanischen Sprachen, skizziert seine Vorgeschichte von Gilij (1780–84) an bis zum Gegensatz zum Mithridates von Adelung & Vater (1806–17), diskutiert die Frage eines allgemeinen Alphabets und entschließt sich, doch lieber bei den Schreibungen der einzelnen Quellen zu bleiben. Buschmann hat diesen Text mit einer landeskundlichen Einführung (Einleitung der dritten Art) zusammengearbeitet; der Text liegt in dem Berliner Konvolut Coll. ling. fol. 146 in mosaikartiger Stückelung zusammengefügt vor. Die ineinander gewobenen Stücke lassen sich nach ihrer ursprünglichen Seitenzählung auseinanderhalten. Als Albert Leitzmann die Akademie-Ausgabe der Werke Wilhelm von Humboldts zusammenstellte, rekonstruierte er diese Texte an Hand der alten Seitenzahlen und druckte sie getrennt ab (Humboldt 1903–36: V: 345–363: ―Untersuchungen über die Amerikanischen Sprachen. Bruchstück‖, S. 1–30: ―Inwiefern lässt 28
In dem 1812 angekündigten, dann aber nicht ausgeführten Baskenwerk sah Wilhelm von Humboldt bereits einen landeskundlichen ersten Teil vor, ―um vieles selbst in der Sprache, in welche natürlich die Sitten der Nation, und die Localität des Landes verwebt sind, richtig zu verstehen‖; er suchte damals in der Sprache ―den individuell bestimmten Ausdruck einer gewissen nationellen Charakterform‖ (Humboldt 2010: 53, 55). Das auf die Landeskunde gerichtete Augenmerk wurde dann eine Konstante vom Baskenwerk an bis zum Kawiwerk (vgl. dort das Buch I, Humboldt 1836–39: I: 1–312). Ute Tintemann (in Vorbereitung) verweist auf eine einschlägige Äußerung Humboldts zur unterstützenden Rolle der Ethnographie bei der Beurteilung von Sprachverwandtschaft, derart, ―dass bei nicht ganz nahe verwandten Sprachen die Einerleiheit auch mehrerer Laute und die Aehnlichkeit des grammatischen Baues für sich keinen Beweis gleicher Abstammung abgeben, wenn nicht auch geschichtlich wenigstens die Wahrscheinlichkeit vorhanden gewesener Verbindungen feststeht‖ (Humboldt 1903–36: VI: 187).
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sich der ehemalige Culturzustand der eingebornen Völker Amerikas aus den Ueberresten ihrer Sprachen beurtheilen?‖). Dagegen trägt der Text ―Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus‖ (Humboldt 1903–36: V: 364–473) den ausdrücklichen Untertitel ―Als Einleitung zu ausführlichen Untersuchungen über die Amerikanischen Sprachen‖ (S. 364).29 Dieser Text geht im Manuskript (Coll. ling. fol. 146, Mappe VII, Bl. 255–336) zusammen mit dem Text ―Ueber die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues‖ (Mappen II– V, Bl. 66–222; vgl. Humboldt 1903–36: VI: 111–303). Wenn man diese Konstellation mit Humboldts letztem großen Projekt, über die Kawi-Sprache auf der Insel Java (Humboldt 1836–39) vergleicht, findet man das Nebeneinander von zentrifugal angelegter Gesamteinleitung und landeskundlicher Situierung wieder. Wilhelm von Humboldt kam von allen Sprachen aus gleich gut zu den Problemen der allgemeinen Sprachkunde, während umgekehrt der behandelte sprachliche Einzelfall in seiner Erwartung offenbar noch die Einbettung in einen ethnographisch bestimmten Horizont brauchte. Im Kawi-Werk wählte er dazu die Geschichte des Buddhismus in Indien (Humboldt 1936–39: I: 1–312); im Amerika-Projekt steht an derselben systematischen Stelle ein Überblick über die archäologischen Überreste der indigenen Völker Amerikas. Man hat dies als letzten Schritt zu einer Charakterisierung anzusehen, die aus Mitteln der Sprachstrukturen nicht vollständig zu leisten war.
4.2. Grammatiken Wilhelm von Humboldt betont den Vorzug eigener Ausarbeitungen zu den amerikanischen Sprachen gegenüber dem bloßen Abdruck von Quellenwerken, der im späten 19. Jahrhundert bevorzugten Lösung (vgl. Platzmann 1889), weil sie ―eine neue gleichförmige Ueberarbeitung aller dieser Grammatiken‖ ermöglichen30 (Humboldt 1903–36: V: 354). Humboldt hat solche Grammatiken für das ―Mexicanische‖ (Nahuatl, in dem Konvolut Coll. ling. fol. 102), Otomí, Araukanische, Betoi, Maya, Muisca, Mixte29
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Der Text enthält noch zwei auf das Amerikaprojekt bezügliche Zwischenüberschriften: ―Darstellung der Amerikanischen Sprachen an sich, und nach ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit‖ (S. 368) und: ―Darstellung der Amerikanischen Sprachen in der Art und nach dem Verfahren ihres Wirkens‖ (S. 373). Dann (S. 374) ist die Rede nur noch von der ―Natur der Sprache überhaupt‖. Wilhelm von Humboldt leitet die Notwendigkeit einer Umarbeitung der Quellenwerke ―aus der unzweckmässigen, dem Standpunkte des Sprachstudiums unter uns gar nicht entsprechenden Einrichtung dieser Schriften‖ ab (Humboldt 1903–36: V: 354). Ihr Standpunkt ist der eines unproblematischen Zugangs zu der zu erlernenden Sprache, die bei ihren Sprechern gehört und nachgeahmt werden kann. Dagegen rechnet Humboldt für das Sprachstudium, wie er es versteht, nur mit schriftlichen Quellen: ―Soll überhaupt die allgemeine Sprachkunde jemals zu einem, auch für denjenigen, dem sie nicht eigner ausschliesslicher Beruf ist, zugänglichen Studium werden, so muss es nach gleichen Grundsätzen ausgearbeitete Grammatiken und Wörterbücher aller Sprachen geben, und diese müssen, als ein beständiger Stoff neuer Forschungen, nach Massgabe der immer fortschreitenden Sprachenkunde berichtigt und erweitert werden‖ (S. 354f.).
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kische, Totonakische, Tupinamba und Guaraní (als Nord- und Südguaraní, in Coll. ling. fol. 145), Abiponisch, Karibisch, Lule, Maipure, Mbaya, Mocoví, Omagua, Tamanaco, Yaruro (in Coll. ling. fol. 147), Quechua (in Coll. ling. fol. 149), Onondaga (in Coll. ling. fol. 150), Massachusetts und Muhhekaneew (in Coll. ling. fol. 151), Tarahumara und Cora (Nachlass Buschmann, Kasten 6, Mappe XIV) geschrieben.31 Je nach der Qualität der zu Grunde gelegten Schriften brachte er unterschiedlich sichere und detaillierte Beschreibungen zu Stande. Die einzelne Beschreibung durchläuft, soweit die Ausführlichkeit der Quellen32 es zulässt, einen Katalog von Aufgaben vom Lautsystem über die Kasuistik der ―Redeteile‖ (Nomen bzw. Substantiv, Adjektiv und Pronomen, Verb, Prä- bzw. Postposition, Konjunktion) bis zur Syntax, Prosodie und Dialektologie, dann folgt ein Verzeichnis der in der Grammatik der Sprache vorkommenden Morpheme (―grammatischen Bildungssilben‖) und schließlich ein zusammenfassender Abschnitt, in dem Wilhelm von Humboldt die jeweilige Sprache als zusammenhängendes Ganzes zu charakterisieren versucht. Deutliche Ansätze zu diesem Beschreibungsprogramm sind schon in den 1812 entstandenen Beschreibungen des Nahuatl, Totonakischen und Otomí zu erkennen (Coll. ling. fol. 16, Bl. 3–23, 151–161, 129–140, bzw. Humboldt 1994b: 201–214, 2009: 101–116, 307–319). Neben den Grammatiken spricht Wilhelm von Humboldt auch von Wörterbüchern. Er hat sich 1812 an einem Verzeichnis der ―mexikanischen Wurzelwörter‖ versucht (Coll. ling. fol. 16, Bl. 1–3, 23–113, bzw. Buschmann & Humboldt 2000: 897–1003). Humboldt hat zahlreiche Konvolute zusammengestellt, in denen er den Wortschatz einer Sprache zu erschließen versucht. Wenige davon sind Umarbeitungen von Wörterbüchern, die das Material nach der europäischen Sprache ordnen, so für Cora (Coll. ling. fol. 15) und Tupinamba (―Brasilianisch‖, Coll. ling. fol. 32), in vielen Fällen sucht Humboldt nur die Wörter zusammen, die in den Grammatiken vorkommen (Coll. ling. fol. 59–67, 69–72); die besonders kleinen Wortlisten, oft einzelne Wörter aus ethnographischen Werken, sind in einer mehrbändigen Sammlung (Coll. ling. fol. 45–48) zusammengestellt. Buschmann hat nur die Grammatiken für eine künftige Veröffentlichung zurückbehalten und die Wortlisten zusammen mit den für das 1839 fertige Kawi-Werk (Humboldt 1836–39) nicht mehr benötigten Materialien der Königlichen Bibliothek übergeben.33 31
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Vgl. die Bände Mexicanische Grammatik (Humboldt 1994b), Mittelamerikanische Grammatiken (Humboldt 2009) mit Mixtekisch, Totonakisch, Huastekisch, Maya, Otomí, Cora und Tarahumara, Südamerikanische Grammatiken (Humboldt 2011) mit Quechua, Araukanisch, Guaraní, Muisca, Betoi, Omagua, Karibisch, Tamanaco, Maipure, Yaruro, Lule, Abiponisch, Mocoví und Mbaya, Nordamerikanische Grammatiken (Humboldt im Druck) mit Massachusetts, Muhhekaneew und Onondaga. Bei einer Reihe südamerikanischer Sprachen hat Humboldt zunächst keine vollständige Grammatik zusammengestellt, sondern einen Text, den er ―Conjugationsform‖ nannte. Doch diese Texte werden von Listen begleitet, die in den ausgewerteten Quellen Fundstellen für die übrigen Teile einer vollständigen Grammatik bereitstellen. Die Signaturen der Folio-Bände der Collectanea linguistica in der Staatsbibliothek zu Berlin PK verraten es: die Grammatiken haben Nummern ab 102 und entsprechen der Erwerbung von Manu-
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4.3. Vergleichende Arbeiten Wilhelm von Humboldt sieht als Aufgaben einer ―allgemeinen‖ Betrachtung der amerikanischen Sprachen dreierlei: erstens ―die vergleichende Darstellung des Baues der uns zu diesem Endzweck genügend bekannten Sprachen‖, d.h. nach einander das Lautsystem, die grammatischen Formen, die Wortbildung und die Ideenbezeichnung, und die Constructionsordnung dieser Sprachen (Humboldt 1903–36: V: 361), zweitens die ―Untersuchung der Verwandtschaft der einzelnen Sprachen unter einander zum Behuf einer Classification derselben‖ und drittens ―die Vergleichung der Amerikanischen Sprachen im Allgemeinen und im Einzelnen mit den Sprachen der übrigen Welttheile‖ (ebd.). Für den ersten Punkt gibt es unter Wilhelm von Humboldts Papieren wenigstens Vorarbeiten unter der Rubrik ―Materialien zur allgemeinen Abhandlung‖ (Mueller-Vollmer 1993: 341), Kollektaneen zu einzelnen Punkten des ―Baues‖; die jedes Mal zuerst die Daten des Nahuatl referieren (ohne die Sprache beim Namen zu nennen) und erst dann die übrigen Sprachen anführen (Coll. ling. fol. 151, Mappe 5). Nur zwei Punkte sind weiter ausgeführt, die ―Buchstaben‖ (Coll. ling. fol. 151, Mappe 3) und das ―Verbum in den amerikanischen Sprachen‖ (in dem heute verlorenen Konvolut Coll. ling. fol. 105).34 Wilhelm von Humboldt erklärt, er habe ―eine Zeitlang zwischen dem doppelten Plane geschwankt, die Herausgabe der einzelnen Grammatiken und Wörterbücher, oder die Darstellung der aus den Forschungen über die einzelnen Sprachen gezogenen allgemeinen Folgerungen vorangehen zu lassen‖ (Humboldt 1903–36: V: 366). Er entscheidet sich dafür, mit der allgemeinen Darstellung zu beginnen, auch wenn er sieht, ―dass der Leser, dem die Hülfsmittel zu dem Studium der einzelnen Sprachen, bei der Seltenheit und der oft sehr unbequemen Einrichtung der vorhandenen, erst geschaffen werden müssen, die Richtigkeit der allgemeinen Behauptungen nur sehr unvollständig zu prüfen im Stande ist‖ (ebd.).
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skripten nach dem Tod Buschmanns 1880; die Wortlisten haben Nummern von 15 bis 72 und entsprechen der Erwerbung von handschriftlichen und gedruckten Materialien, nachdem Buschmann die herausgeberischen Arbeiten am Kawi-Werk abgeschlossen hatte. Die heutige Grundlage für die Kenntnis dieses Textes ist eine Abschrift, die sich im Nachlass von Daniel G. Brinton gefunden hat, der den Text ins Englische übersetzte (vgl. Brinton 1885; vgl. Humboldt 1994a: 82–97, 247–252).
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5. Die Wilhelm-von-Humboldt-Edition Die Beschreibung der Humboldt-Manuskripte durch Kurt Mueller-Vollmer (1993) führte zu der Initiative einer neuen Edition, welche mit der thematischen Einseitigkeit der bisherigen Editionen ein Ende macht und die ungedruckt liegen gebliebenen Werkteile ernst nimmt. Die amerikanischen Sprachen sind einer von sieben Strängen, in die das Editionsvolumen aufgeteilt worden ist (1. Die Formierung von Humboldts Sprachwissenschaft, 2. Die baskischen Schriften, 3. Amerikanische Sprachen, 4. Allgemeines und vergleichendes Sprachstudium, 5. Indoeuropäische und asiatische Sprachen / Schrift, 6. Austronesische Sprachen, 7. Sprachwissenschaftliche Korrespondenz) und sie profitieren von dieser Einbettung, etwa im Fall der Einleitungstexte, deren zweite thematische Dimension die 4. Abteilung ist, oder in Fällen wie der amerikanischen Korrespondenz, besonders aus dem Konvolut Coll. ling. fol. 52.35 Die Editionsarbeit in der dritten Abteilung hat sich in der von Wilhelm von Humboldt verworfenen Reihenfolge abgespielt: Sie begann mit der Veröffentlichung der Grammatiken (Humboldt 1994b, 2009, im Druck a, im Druck b). Aber der Band mit den einleitenden und vergleichenden Texten folgt nicht nur mit der Zählung als erster Band, sondern auch mit der Zusammennahme von Einleitungen und vergleichenden Texten Humboldts Entscheidung, die ―allgemeinen‖ (vergleichenden) Texte vor die einzelnen Grammatiken zu stellen. Wenn alle im Druck und in Vorbereitung befindlichen Bände vorliegen, wird sich vom Autor Humboldt her die Bedeutung der amerikanischen Phase seiner Sprachforschung in der Spannung zwischen den baskischen Anfängen und der austronesischen, im Kawi-Werk erkennbaren Spätphase neu abschätzen lassen; von den Sprachen her stellt sich die Frage nach der Leistung von Humboldts Art der Sprachbetrachtung im Fall einer so uneinheitlichen Gruppe von Sprachen, die dem Humboldtschen Wunsch nach verstehender Gesamtschau besondere Hindernisse entgegengesetzt hat.
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Die von Mueller-Vollmer (1993: 447–453) im Zusammenhang der sprachkundlichen Konvolute gefundenen 285 Briefe sind eine wichtige Vervollständigung des bisher bekannten Briefcorpus (vgl. Mattson 1980). Diese Briefe wurden von Wilhelm von Humboldt wie Quellen für die Beschreibung einzelner Sprachen behandelt.
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JOSE ANTONIO FLORES FARFÁN (MEXICO)
Wearing its interculturalism on its sleeve: travels through Mexican language and culture
Abstract In this contribution an overview of the immense Mexican linguistic and cultural diversity is presented. For this purpose, the results of a long-term project entitled Proyecto de Revitalización, Mantenimiento y Desarrollo Lingüístico y Cultural (PRMDLC: Linguistic and Cultural Revitalization, Maintenance and Development Project) is discussed. This includes reviewing different multimedia materials that the PRMDLC has produced for over a decade now, as well as introducing the main participants of the PRMDLC, all of which is aimed at celebrating Mexican indigenous languages and cultures, in an effort to enhance the country‘s amazing heritage. For this purpose, a discussion of the main strategies to promote interculturalism is developed, together with a critique of the approaches developed by the Mexican state, offering bottom-up language planning alternatives, including revitalization methodologies aimed at involving the general, mainstream public, especially children.
1. Introduction In this paper I will provide a detailed account of some intercultural education initiatives undertaken in Mexico. My efforts in intercultural education are incorporated into the framework of the Proyecto de Revitalización, Mantenimiento y Desarrollo Lingüístico y Cultural (PRMDLC) (Linguistic and Cultural Revitalization, Maintenance and Development Project).1 For this purpose, I will present materials associated with its main objective, which focus is the strengthening and celebration of the great Mexican linguistic and cultural legacy. As a precursor it is important to consider the contexts in which these initiatives are being developed and the realities confronted by most languages and cultures of the world in both a global and local context, or glocal context. Similar to the fight to save earth‘s biodiversity, brought to the forefront by organizations such as Greenpeace and 1
The PRMDCL has counted on the support of the Consejo Nacional de Ciencia y Tecnología (National Science and Technology Council, CONACYT) and the Coordinación General de Educación Intercultural Bilingüe (General Coordination of Intercultural Bilingual Education, CGEIB), both branches of the Secretaría de Educación Pública (Secretary of Public Education, SEP) in Mexico and has always had the support of Lingua Pax. All of their generous support is greatly appreciated.
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other environmentalist movements, most of the threatened languages and cultures of the world find themselves in critical situations if urgent action is not taken soon. Their survival is not totally dependent on governments, even though states‘ cooperation in the defense of incorporeal heritage and legacies is fundamental. The most pessimistic calculations estimate that in this century a large part of the cultural and linguistic diversity on the globe will disappear: nearly 90% (cf. Crystal 2000; Robins & Uhlenbeck 1991; Hagège 2000). Some go as far as to assert that this trend is part of the ―natural‖ course of humanity. In other terms, of the 6000 to 8000 languages on the planet, roughly 300 will survive this century, among them official languages, colonial languages, and state-sponsored or state-endorsed languages. The norm is conformity with the monolingual perspectives that prevail in many parts of the world and society, with all of their racist and discriminatory tendencies. The great western powers manifest this monolingualism against the majority of a planet which is dominated by multilingualism (cf. Skutnabb-Kangas 2000; Fishman 1967). Many states, like Mexico, have subscribed to international treaties and have instituted their own laws, some going as far to create institutions in defense of their peoples, languages and cultures. Mexico has the Instituto Nacional de Lenguas Indígenas (National Institute of Indigenous Languages, INALI) and the Mexican Intercultural Universities, for example. However, the ideologies of these institutions are seldom put into practice and are far too often nothing more than good intentions or on-paper initiatives which fail to escape the realm of politics and public decrees. They are similar to counterinsurgency strategies in that they seek to mute the active and growing indigenous voices and movements. They are rhetorical decrees which aim to legitimize governments that are facing an increasing lack of credibility in the eyes of national and international public opinion. Their top-down policies seldom branch out beyond their narrow limitations. Rather, they tend to become more paternalistic postures born of state corporatism, something all too familiar in Mexico where this has become a tradition of sorts. It is not the author‘s intention to enter into a debate about these macro issues. Instead I make an effort to present an alternative perspective which may, at times, involve the critique of state policies like the ones mentioned above which target the most dispossessed populations. For this aim, I develop a different lens with which we can better see the point of view of the actor so as to re-vindicate it in educational practice, a micro-political practice just waiting to be re-conceptualized within an innovative and unconventional model. This is a pilot experience within the context of Mexico‘s vast cultural and linguistic diversity: approximately 10% of the country‘s population of 120,000,000 people is indigenous, representing roughly 12,000,000 speakers of between 100 and 300 languages (Ethnologue, INALI 2008) without a doubt the largest group of minority language speakers and the absolute largest demographic of indigenous people in the Americas. Many variations in these numbers are due to ideological, political and economic interests of institutions which administer censuses. What is very clear is that there is incredible qualitative
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and quantitative diversity in Mexico‘s complex linguistic panorama. The numerical expression, from a language differential perspective, of the existence of up to 13 linguistic families in Mexico speaks to the potential of the world‘s language diversity. To summarize, it can be said that Mexico shares the same distinction in terms of linguistic and cultural diversity that it boasts in terms of bio-diversity. After all, both fields are inextricably related. This is the third or fifth most bio-diverse country in the world, depending on the species which are considered. In the face of such diversity there is much to be done, particularly in terms of linguistic and cultural policies. To go beyond received approaches such as those of government officials and even academia, where official public policies targeting Mexican indigenous groups have been undermined, a critique is required. I present an initiative undertaken in such a spirit, using as examples some of the many Mexican indigenous languages and cultures. This work outlines the development of a bottom-up project and focuses on the issue at hand to which we have been summoned to address, known to us as interculturalism for society at large.
2. Proyecto de Revitalización, Mantenimiento y Desarrollo Lingüístico y Cultural (PRMDLC) This project now has a trajectory of more than a decade and is still operating. Due to the nature of this kind of work (a revitalization project requires work with several generations) the project is still very much at a pilot stage. The goals and objectives include development of a collaborative methodology with the local speakers of threatened languages, concretely a co-authorship, that seeks to empower them via their own active participation and is dignifiedly rewarded with the production and dissemination of (re) vitalizing materials in the domains of society and community. The co-authorships are conceived as works in which the premise is that from that start each person is given credit where credit is due, in which the researcher is a mere facilitator of the potential development of cultural outputs like the ones I will describe, going much deeper than the common extractive nature of traditional social research. Furthermore, in the search for active empowerment of language speakers the partnership among researchers can even foster multiple authorships, complementing the first authorships of the language speakers and leveling the power field to their favor. As the project is geared towards a general public relatively inexperienced in these kinds of interventions, one of the key elements is the development of materials for use beyond the classroom but does not presume that they cannot be used in schools. 2 It 2
In fact together with several indigenous speakers and Spanish-speaking individuals we have produced and coauthored a large part of the books which in turn have been selected in SEP‘s annual Classroom Libraries contests, a program instituted during President‘s FOX six year period. The
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seeks to break down stereotypes among the indigenous population as well as to sensitize the majority population about our rich and valuable cultural and linguistic diversity. An intercultural focus has been developed among other pilot projects (cf. infra ―Las Machincuepas del Tlacuache‖. ―The opossum somersaults‖) as well as a multicultural focus among others (books in various languages) and even an emphasis on inverse monolingualism that gives weight to indigenous language (cf. in the bibliography the monolingual books in Nahuatl and Maya) in those contexts in which the language has sufficient community vitality – still not few in Mexico.3 Now I will briefly summarize a part of a series of premises that I have described in previous publications (e.g. Flores Farfán 2008, 2007a, etc.). The principal premises are the recuperation of local knowledge, including vocal and plastic arts of the native cultures, seeking to break from the subordination of the native languages and cultures to those of castellano or what is commonly known in Mexico as español ‗Spanish‘, and its models, such as the alphabetical script, a base upon which many of the top-down, inside-out, monolingual Hispanization initiatives are built upon and then targeted towards indigenous languages. Such ethno-centric views generally entail a subordinate and consequently hierarchical model that subjects the indigenous languages to content originating from castellano and the presumed national (official) culture. This is manifested in textbooks published for indigenous people and in school curriculum that abuse indigenous languages as a means to an end: Hispanization. Additionally, the project develops a hedonistic model of enjoyment of the native languages and cultures with a positive, lucid focus, recreating them in prestigious medium such as television, DVD and interactive CDs (cf. infra Las Aventuras del Tlacuache) and developing quality state-of-the-art technologies using digital animation and web page design (examples available at www.ciesas.edu.mx). One of the most powerful lessons that this experience has taught us is that the quality of the materials,
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program donates literary materials to schools, including schools in indigenous regions. This has resulted in the massive publishing and printing of hundreds of thousands copies, roughly 80,000 to 100,000 copies per title, which has facilitated the placing of over 500,000 copies in Nahuatl, Yucatec Maya and Mixteco in public schools across the country. Another great resource which we have taken advantage of is our entrance into the commercial book market, taking us beyond the public schools and into the national and international market. (cf. the catalogs of Artes de México http://artesdemexico.com/adm/09/index.php/revista/categories/C29/ or Ediciones ERA http://www. edicionesera.com.mx/index.php?option=com_virtuemart&page=shop.browse&category_id=36& Itemid=3). Around 1% of the total indigenous population in Mexico is still monolingual. This figure may seem small, but it represents more than one million people and is indicative of the level of vitality of indigenous languages, such as Nahuatl or Maya, in certain regions of the country. If we were to compare our situation with other countries in the world, such as our neighbor to the north, the United States of America, where there are no children who speak an indigenous language as their first language, in Mexico there are still communities, such as Oapan in the state of Guerrero, in the Balsas region, where I have researched over the years, where children speak castellano as their second language.
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combining ancient wisdom with new technologies, despite access being limited to some (academics who study codices), actually have a very positive effect on the renewed appreciation of indigenous languages and cultures. These new materials cultivate status and prestige for indigenous language and culture in mediums traditionally unfavorable to them, moving back and forth from private to public sectors and fomenting the cultural consumption of local products. This is reinforced through a methodology of workshops facilitated in indigenous languages in native communities and in castellano with Spanish-speaking children from urban areas or from indigenous towns that already speak the colonial language as their primary language, although their parents may or not still be speakers of their native languages. We also work with the Spanish-speaking public in general, including children, be it in rural settings, indigenous or not, or urban settings, such as Mexico City. The workshops are summoned as invitations to the children to see a movie. These events turn into intergenerational exchanges such as riddles, story-telling or both and become as welcomed as the screening of a movie. The events usually coincide with local festivals or celebrations. This tends to increase attendance as long as most people are not pre-occupied with other obligations. The dynamic consists of the incentivization of spontaneous participation through the screening of the movie (e.g. Aalamatsiin, la Sirena). From the beginning one of the principal objectives of the work is to reinforce appreciation of the local language and culture. This frequently implies breaking internalized stereotypes on the part of the local speakers of the language due to the extraordinary stigmatization associated with speaking it. A contest is also organized through the application of the riddles. The children who successfully solve the riddles receive awards in the form of a book with accompanying audio tracks of the same riddles or other materials in their language. Sometimes bilingual versions are awarded, such as the very movies which are screened o other audio books which contain materials such as tongue twisters in Nahuatl or Maya, for example. Our aim is for all of the participants to receive complementary copies of the materials we present. A comparative advantage to this approach is that it is not a sharply dividing treatment of indigenous populations from non-indigenous populations, something that is characteristic of indigenous education in Mexico with all of its segregationist effects, or ―ghettoization‖, if you will. First of all, the materials designed for some can be consumed by all. After all, the majority of indigenous language speakers are bilingual (and the materials are subtitled in Spanish or other languages depending on the type of dialogue, in the indigenous language, in bilingual form, or even only in Spanish). Unfortunately the contrary is not entirely true. Spanish-speakers that speak indigenous languages are rare exceptions (anthropologists and linguists included), and in the regions this does exist, the indigenous language is usually spoken by persons who occupy positions of power and control, such as the cacicazgo mestizos in the Huasteca region where the ability to speak the indigenous language is used to perpetuate power systems and structures. The monolingualism of the indigenous people there is directly related to the
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exploitation of them, as they are denied access to castellano. This is a form of social and political domination carried out by those in power and it is the ugliest face of indigenous monolingualism. The PRMDLC aims to break or at least set the foundation for breaking of these structures, opposing the unilateral interculturalism so resonant in many monolinguals‘ positions and policies on the issue which presume to benefit populations that are overwhelmingly indigenous. Their message of interculturalism is that the minority language speakers are the ones who must learn to be intercultural, not the Spanish-speakers. To overcome such unilateral perspectives the construction of an emerging interculturalism forged in from the bottom-up, in interactive processes, is at stake. One in which the intercultural actors come from different cultural backgrounds, indigenous or not, and possess complementary abilities to produce materials. It is a construction built on the grounds of collectivism of work with a social distribution that places equal value on unique linguistic and other competencies such as the indigenous plastic arts production in the form of amates and hunes created by native painters, together with the vocal arts in indigenous languages for videos, music and cinematography production.4 The work of the intercultural production teams carries with it a formative stream of professionalization of indigenous staff of varying abilities, such as actor‘s diction for the audio accompaniment to the videos. This has resulted in increased professional development of the project participants. Now that I have provided a brief summary of the PRMDLC, I will now move on to describe the project in greater detail.
3. Principal project participants As previously mentioned, there are just as many non-indigenous language-speakers participating in the project as there are indigenous language-speakers. All of them possess different knowledge, skills and abilities. As key staff of CIESAS, the first two people listed below have worked and continue to work with the institution: Cleofas Ramírez Celestino Cleofas is a speaker of a variation of Nahuatl pertaining to Balsas, Guerrero. She is an amate painter who has become the chief illustrator of children‘s books and drawings 4
Traditional ―paper‖, Nahuatl and Mayan, respectively. These materials, above all the amate (in reality the tree bark is harvested and produced in the Sierra Norte of Puebla by the hñahñus or otomíes and procured by the Nahuas of Balsas), have become so popular that towards the end of the 1980s there was an amate boom which allowed the communities of Balsas to make a living with its production and commercialization and has since become a very popular craftsmanship in Mexico and in other countries (cf. Amith 1995, Good 2001). In the case of hun (―paper‖ in Yucatec Maya), it has not become as popular but we have used it extensively as an interesting material with which we can illustrate Mayan materials produced within the framework of the PRMDLC (Briceño Chel et al., 2006–2007).
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used in the presentations in the Nahua region. Originally from Xalitla, Cleofas has also participated a great deal in material production, making her a key element of the project. She has refined her style through active and dedicated participation in the project since its inception, transitioning from more rustic creations typical of ―traditional‖ content (simply decorated amates of birds and history, both geared towards tourists and different levels of sophistication with additional content such as farming, parties, weddings, etc.) directly to illustrating stories and other genres of vocal art, basing her work in the local style of description on amates. Now she has begun to develop much more deliberate plastic ethnographies, focusing much more on the quality of her work and less on the creation of series, as happens frequently with amates created for the tourist market. Cleofas has progressed so much in her work that today she is considered by some to be a native painter of considerable national artistic significance. She has even been invited to display her work in several regions of Mexico. Alejandra Cruz Ortiz A native speaker of Tu‟un Savi (Mixtec language, ―The language of the rain‖ of the Ñuu Savi ―the People of the Clouds‖), Alejandra is from Pinotepa Nacional, on the Pacific coast in the Mixteca Baja region of the state of Oaxaca. Oaxaca is the state with the largest linguistic diversity in Mexico – over a dozen different languages. Alejandra has created a series of books about her language and culture. She officially joined the PRMDLC with her book of Mixtec riddles, for which she won one of the Secretaría de Educación Pública (Secretary of Public Education, SEP) SEP contests, facilitating the placement of more than 100,000 copies of her work in public libraries. The book also earned a place on the commercial book circuit after being published by one of the most prestigious art publishing houses in Mexico, Artes de México. As with Cleofas, these achievements have resulted in dignified compensation and recognition for her work. PRMDLC‘s most recent area of development involves the creation of more interactive materials, including books which can later be converted to animation in an effort to produce material kits in indigenous languages that an can be used locally and by the population at large. An advantage to this approach is that production is not limited to printed materials, a prominent tendency in many sectors, especially official interventions with the indigenous population. Such official productions tend to overvalue and even mystify the written word as the presumed safeguard of the indigenous languages and cultures. A book of Mixtec dreams is now in print and we are working with Alejandra on the creation of a new book on the Ñuu Savi interpretations of the clouds. We hope to convert these materials to more audiovisual mediums as soon as possible and continue on our aforementioned approach with other languages. Octavio Moctezuma Vega A Mexican painter, Octavio illustrated Alejandra‘s book of Mixtec riddles and Mixtec dreams and volunteered as a designer of the book Axolotl. El Ajolote, illustrated by Cleofas. It is a text which recovers the myth of the origins of the sun and the moon in
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Teotihuacán, ―The City of the Gods‖, and, among other things, tells of the rabbit in the face of the moon and the ajolote, ―The Water Monster‖, a very special amphibian considered a delicacy by the Aztecs which has become a symbol of the ecological movement in favor of the recovery of the lake at Xochimilco, where it previously prospered but today is seriously threatened. This book was also selected for SEP‘s Classroom Libraries program with a printing of approximately 80,000 copies. It was also published by Ediciones ERA and became a commercial success. Marcelo Jiménez Santos A talented Mayan painter and sketch artist, Marcelo illustrated the books of Mayan riddles and tongue twisters. He illustrated the color version and the coloring-book version in an enthusiastic and unselfish manner, motivated more by the idea of creating materials for his community than by the compensation he received for his participation in the project. Marcelo works in the Dirección General de Culturas Populares (General Direction of Popular Cultures) in Chan Santa Cruz (today known as Felipe Carrillo Puerto), a Mayan linguistic and cultural Mecca. He is one the most recognized and committed activists for his language and culture. Through Marcelo we have been able to connect with numerous other activists and collaborate on behalf of the language and culture of the Yucatán, including children from Tihosuco, Yucatán. The children created and performed the voices for the animation of the Mayan riddles together with radio announcers from Chan Santa Cruz. All of them eventually participated in the development of the voices for the animation of the Mayan Riddles and every one worked absolutely selflessly and generously in the production. Fidencio Briceño Chel One of the most recognized Mayan linguists, Fidencio‘s participation has been essential in the creation of so many materials (he compiled the Mayan riddles and tongue twisters) and in guaranteeing that the written language has done justice to its phonetic structure, which includes tones and vocal quantity. He also collaborated in the diffusion of materials all over the Yucatec Peninsula. As with Marcelo all of the Mayans with whom we have the good fortune to collaborate with, Fidencio has offered his services without compensation, placing more value on work which benefits his language and culture rather than that which benefits him personally. Flor Canché Teh A young, female linguist, Flor has contributed directing the workshops we have facilitated on the Yucatec Peninsula with children from Mayan communities, including her own community. Recently we were invited by Eugenio Toussaint, one of the most respected Mexican musicians, to assess the pronunciation of Mayan through one of his works, ‗Kay Nicte‟ or ―Song for the Flower‖, based on one of the oldest and most classic poems, Cantares del Dzibalché. The poem represents an invocation of the renewal of life. ―Kay Nicte‖ was first performed by the Fuente Clara chorus with accompaniment by the Bellas Artes Chamber Orchestra at the Bellas Artes Theater, the premier
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venue for concerts in Mexico City. Canché Teh and Flores Farfán produced a new literary translation of the poem which appears in the program of the performance of ‗Kay Nicte‟ in April of 2010. Flor recited the poem in Mayan as a prelude to the concert. Jaime Cruz et al. (Barlovento Films) Jaime Cruz is a well known documentarian and animator in Mexico and is the Director of Barlovento Films. Jaime and his team have produced several hours of animation with us, together with a documentary about indigenous language music in the southern part of the state of Veracruz. On several occasions Barvolento and his team have been trained in the production of Nahuatl voices to develop roles for animations such as Aalamatsiin of La Sirena ―The Mermaid‖ and Axolotl, El Ajolote (misleadingly translated as tadpole into English). Flores Farfán facilitated the training Nahuatl courses for them. Félix and Paula Alejandro Ramírez The daughters of Cleofas Ramírez Celestino, Félix and Paula are young, enthusiastic speakers of Nahuatl. Through their participation in the project, they have both developed acting abilities to produce professional-quality Nahuatl voices. Felix, for example, is the actress who performs the voice of the child in La Sirena, and she co-developed with Flores Farfán the voice of the audio accompaniment to the most recent book of tongue twisters in Nahuatl. It is noteworthy that since both Felix and Paula joined the project their competencies in Nahuatl have advanced from that of mere auditory capacity to one of a production capacity. Previously they only spoke with their grandmother (rest in peace) in Spanish and she responded in Nahuatl. This is a clear example of how it is possible to recover the active use of a language and that in this specific case it was achieved in a couple of years. Felix and Paula are developing professionally in an indigenous context, in Felix‘s case as a bilingual education teacher and in Paula‘s case as a candidate for a Bachelor‘s Degree in Anthropology.
4. Description of materials Las Aventuras del Tlacuache (The Adventures of the Opossum) Geared directly towards Spanish-speaking children, this material is an interactive CD and includes games such as using Tlacuache to dive into the lake at Xochimilco to catch ajolotes. There are also crossword puzzles in Nahuatl. The CD also contains the animated story about the Ajolote, linking it to the creation of the sun and the moon in Teotihuacan, ―The City of the Gods‖, and other games such as riddles and the Moctezuma Zoo which provides a view of Mexican fauna. Animation and books in indigenous languages: Las Machincuepas del Tlacuache (The Somersaults of the Opossum) A machincuepa is a somersault or a pirouette. The word is derived from Nahuatl ma ‗hand‘, -tsin (changed to -chin in castellano) ‘buttock, bottom, base‗, and -cuepa ‘turn
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around, return, turn over‗. This material consists of animation superimposed onto a live image of the Mexico City subway, known as the Metro, and is approximately 2 hours in duration. It even includes behind-the-scenes footage of interviews with animators, designers, producers and a guest researcher, Tlacuachologo the Great (Alfredo López Austin), all conducted by Tlacuache. There is also a presentation about Tlacuache conducted by Tlacuache himself. This material takes us on a trip through the tunnels of the Metro, during which Tlacuache, or zarigüeya, visits the stations bearing names in Nahuatl and deciphers them all while interjecting facts about the most ancient Mexican language and culture. There are even remains of the Templo Mayor, the main ceremonial site of the ancient Aztec city of México Tenochtitlán, lying just beneath the Metro. In a joyful and concise manner, Tlacuache shows us Cuitláhuac, ―the dry (divine) excrement,‖ colloquially known as La Gran Caca, Mr. Big Shit, the final defender of Aztec sovereignty. He also introduces us to Xochimilco and what remains of the original lake area with its canals and ancient pre-Hispanic city structure. We also get to see Chapultepec ―the hill of the grasshoppers‖. Another visit is made to Popotla, where the Aztecs won a victory over their Spanish enemies, and where the famous Árbol de la Noche Triste (Tree of the Sad Night) is located. It is said that Cortés wept there after the defeat. Throughout the entire tour the public is encouraged to pursue their own research into the toponymy or onomatology of Nahuatl at other Metro stations, out on the streets and all over the country. Some guidelines are provided in a simple manner so as to reconstruct some Nahua words. For example, it is highly probable that words which end in the syllable -te are of Nahua origin, such as cua-te (‗friend‘), cacahua-te (‗peanut‘), jitoma-te (‗tomato‘), elo-te (‗corn‘), chocola-te (‗chocolate‘), aguaca-te (‗avocado‘), peta-te (‗mat‘), meta-te (‗mortar‘) and many more. The syllable -te represents the Nahuatl sound tl, which does not exist in castellano, even though it does form part of the resounding repertoire of Mexican Spanish words such as tlacoyo, a corn patty of sorts topped with beans, and Tlalpan, a neighborhood in Mexico City. All of this material is accompanied by a book of the same name in which we delve deeper into some of the local meanings and significance of the indigenous epistemology and its contemporary legacy, such as the pitso cuitero, the pig that eats excrement and whose meat is to this day very much sought after in communities in the states of Morelos and Guerrero. Aalamatsiin. La Sirena. (The Mermaid) This work tells the story of a child who was to be sacrificed to a mermaid in order to free his father, who had violated social norms, over-exploiting fish and even giving fish to his lover as gifts. The boy escapes, but the story is one of reciprocity between the boy and the animals he finds and feeds with his tortillas along the way: ants, fish, hawks and other birds. These animals finally help the boy turn into the sun. Tlakwaatsiin. El Tlacuache. (The Opossum) This is the Balsas version of the original myth. El Tlacuache is the equivalent to the Mesoamerican Prometheus. It is the animal manifestation of one of the most interesting and
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distinguished gods in the Mesoamerican pantheon, Quetzalcoatl, ‗the feathered serpent‘. El Tlacuache, ‗the glutton, greedy guts‘, is an old, smelly, wise one who appears in much of the Mesoamerican mythology but is also an animal of flesh and bone. He is the only Mesoamerican marsupial and a distant relative of the kangaroo. We chose this animal to host many of our productions (e.g. www.kokone.com.mx). In the Guerrero version, the Tlacuache steals fire from a bewitching and gives it away to two children who are looking for their father so that they can cook the meat from a deer they hunted during their search. See Tosaasaanil. See Tosaasaanil. Na'at le Ba'ala Paalen. (Riddles in Nahuatl and Maya) In the case of animation, selections are made of riddles that appear in our books, including the Nahua riddles about the chile, the snail, the tortilla, the pig and the wind. Mayan riddles include the achiote (a seed used to make a paste for cooking pibil, a traditional Yucatán dish), the bucket or the jacket, the rocket and the hammock. Alush, the Mayan elf or goblin that causes trouble and makes annoying jokes appears as well as a special guest of Tlacuache (known in the Yucatán as zorro, ―fox‖, in castellano). It is worth mentioning that this material combines the contemporary plastic arts of the aforementioned indigenous artists with elements of pre-Hispanic iconography, such as the ancient Nahua images of Tlacuache and symbols of the wind god Ehecatl. Such integration seeks to recover at least a part of the ancestral legacy for the indigenous communities in contemporary formats which are appealing to children. These points are rarely emphasized in the realm of study of codices and their iconography, which is usually left to specialists in such areas. In the majority of cases the original materials are already in the local indigenous language and castellano subtitles are added. This gives priority and status to the local language. In some cases English or French subtitles are added as well (Briceño et al. 2007) to appeal to an international audience.
5. The beginning of the end or the end of the beginning The PRMDLC does distance itself from bureaucratic and politically influenced institutions charged with providing education services to the indigenous and non-indigenous population. It has opened up a much needed debate and new directions, moving towards the construction of interculturalisms, in plural form, like the interculturalism being constructed among the indigenous population. In this sense, the PRMDLC has been able to promote connections between languages normally apart, such as the development of multilingual products in indigenous languages, bringing together speakers of various languages in different contexts. For instance, we have produced indigenous language versions of the original Yucatec Maya riddles, translating them into other Mayan languages such as Tzetal, Tzotzil, Ch‟ol, Q‟anjobal, Mochó, etc. We have always tried to give priority to the endangered languages and cultures and in symbolic and practical gestures have even at times left castellano translations as an appendix or a
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secondary supplement (cf. Briceño et al. 2009, 2007, 2006). Nahua riddles have also been developed using many of the numerous variations of Nahuatl (cf. e.g. Flores Farfán et al. 2002). Additionally, our search for support for the project led to increased interaction with the Catalan community, and its support has resulted in the development of monolingual works in indigenous languages. This constituted a very interesting experience (cf. Flores Farfán et al. 2006, 2007, 2009). This welcomes reflection about the travels through interculturalism (or not), meaning the many complementary paths run in different directions and languages, requiring a certain positioning with respect to decisions in favor of threatened languages and cultures. For example, it is true that rather than talk about threats to linguistic and cultural diversity, we would prefer to talk from a more optimistic and constructive point of view, coming together and facilitating the development of strategies to empower language speakers through the production of materials as mentioned above. Such empowerment comes with its share of dilemmas. Some propose approaches which affect some of society‘s most strongly rooted ideologies. These ideologies would need to be modified, if not openly contested in the construction of non-unilateral interculturalism, or, why not, of multiculturalisms fed by interculturalisms. A couple of examples speak for themselves. On more than one occasion private editors and/or people in charge of publishing our books have attempted to (and on many occasions have imposed) the placing of the hegemonic language first in order, literally, in the books. Surely none of these editors would think of placing castellano before English if the latter was the original language of the text. On another occasion we have confronted censorship by the authorities that financed Las Machincuepas del Tlacuache. Such censorship does not comprehend nor does it respect local epistemologies or scatological cultures such as the Nahua, in which excrement is NOT perceived as something dirty, disgusting, taboo and not worthy of being incorporated into stories for children, when in fact such themes actually provoke much laughter and enjoyment at least in the Nahua culture. These authorities disrespected the values and heroes of the Nahua people, such as Cuitlahuac, when they censured the chapter about that Metro station in Las Machincuepas del Tlacuache (cf. supra: materials). Another example of negative discrimination can be found in the classification of the riddles or stories as strictly children‘s genres, which is a Eurocentric point of view. These prejudices are reinforced with a pejorative vision of the expression ―children‘s games‖, once again disrespecting the children and the value of riddles in ancient cultures. Such riddles are very powerful forms of reproduction of local language and culture. Just think of their contemporary ritual use or the ancient Mayan texts of Chilam Balam in which the riddles formed part of sacred and secret rituals of Mayan priests. Unlike ―external‖ and/or extreme ethnocentric positions, which are also unilateral, the PRMDLC has struggled to revive local content, or ethno-content, recreating it in mediums that are already present in the indigenous communities: DVD, television, not to mention the internet. These medium have taken on a definite prestige and there is growing interest in them among children and youth.
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Ethnocentrism is a theme which must be qualified in various ways. If we are to talk about interculturalism, first of all we must examine the contexts where interculturalism is at stake. Be that as it may, ethnocentrism will always be or will lean towards being unequal, alluding to a sphere of power and perception and tolerance towards one another or, culturally speaking, without imposing an Other (as is, capitalized). In this way the myth of harmonic interculturalism swaggers or zigzags and it requires forging diverging paths which can eventually converge. With respect and clear understanding, the ethnocentricities (extreme or not) may achieve a level of precise change celebrating the possibility of inter- and multiculturalism as well as a mutual enrichment, celebrating the best of both (or more) worlds, including opening the possibility of criticism of those ethnocentric aspects that threaten fundamental human rights, for example. All of this alludes to what I would call an emerging, constructed, relational and negotiated interculturalism, which in our case has needed to be thought of systematically and will have to continue to be evaluated in each situation and specific context, as I have been suggesting is best practiced with an open and constructionist focus of interculturalism in which the very notion of it can be taken on in different ways. It may even be at least critically questioned under specific determined circumstances so that it is brought to light, taking back the perspective of its principal actors, the culturally and communicatively competent speakers themselves in an emergent, relational, more democratic way.
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Wearing its interculturalism on its sleeve
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THOMAS STOLZ (BREMEN)
Klassisches Aztekisch
Abstract This article provides a survey of those aspects which make Classical Aztec especially interesting for linguists and the general public. The focus is on grammatical facts. Phonological, morphological and syntactic issues are discussed. The data are drawn mostly from the extant codices and religious texts which saw the light of day during the Spanish colonial period. It is argued that it is worthwhile studying Classical Aztec in more depth as it promises many new insights into the nature of human language(s).
1. Aufriss In diesem Beitrag gebe ich einen sehr selektiven Überblick über einige sprachwissenschaftlich besonders interessante Eigenschaften des Klassischen Aztekischen (Abschnitt 3). Der Präsentation der strukturellen Charakteristika des Klassischen Aztekischen geht Abschnitt 2 voran, in dem allgemeine Information zur äußeren Sprach- und Forschungsgeschichte gegeben wird. Ziel meiner Darstellung ist es, den Lesern zu vermitteln, dass es sich aus sprachwissenschaftlicher Perspektive in hohem Maße lohnt, dem Klassischen Aztekischen verstärkte Aufmerksamkeit als Gegenstand von Forschung und Lehre zu schenken. Als Klassisches Aztekisch bezeichne ich nach Smailus (1990: 263) die Sprachform, in der lateinschriftliche aztekische Texte in der frühen spanischen Kolonialzeit niedergeschrieben wurden (Newman 1967, Suárez 1968). Ich folge Garibay K. (2000), indem ich diese Phase den Zeitraum von 1524–1750 umfassen lasse. Auf eine weitere Untergliederung in hoch-, spät- und nachklassische Perioden verzichte ich jedoch. Der nicht weiter qualifizierte Begriff Aztekisch wird von mir verwendet, um frühe und heutige Varietäten ohne Differenzierungszwang unter ein gemeinsames Dach zu stellen. Wenn ich nachstehend bibliographische Verweise zu bestimmten Themen gebe, die für die Forschungen zum Aztekischen interessant sind, so geschieht dies durchweg in sparsamer Auswahl. D.h. dass ich häufig nur eine für den jeweiligen Zusammenhang markante Arbeit pro Thema oder Autor anführe, selbst wenn es ein Vielfaches an einschlägigen Titeln zu nennen gibt.
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2. Ein wenig Hintergrundinformation Das Aztekische gehört zu den uto-aztekischen Sprachen, in deren südlichen Zweig es fällt. Seine Sprecherschaft ist schon seit der Periode vor der alphabetschriftlich dokumentierten Zeit (16. Jahrhundert) in Zentral-Mexiko konzentriert, wohin die Azteken ausweislich ihrer eigenen Überlieferung aus einem nordwestlich liegenden Gebiet eingewandert waren (Prem 1989: 28). Mit gegenwärtig ca. 1,2 Millionen Sprechern bilden die verschiedenen modernen Varietäten die größte indigene Sprachgemeinschaft Mexikos (gerundet nach Lastra 1998: 18), die aber dialektal relativ stark fragmentiert ist (Lastra 1986, Canger 1988)1, ohne dass die ältere Sprachstufe ihrerseits völlig homogen gewesen ist (Flores Farfán 2004a). Die Kontinuität zwischen dem eigentlichen Klassischen Aztekischen und den modernen aztekischen Varietäten ist unter Experten durchaus strittig. Mehrsprachigkeit Aztekisch-Spanisch ist gegenwärtig die Regel (Field 2002), so dass man von einer wenigstens latenten Bedrohung des Aztekischen durch Sprachwechsel zum Spanischen ausgehen darf. Im Sprachkontakt ist es sowohl zur bisweilen massiven Aufnahme von Hispanismen auf allen Sprachebenen des Aztekischen als auch zur Herausbildung von speziellen (Kontakt-)Varietäten gekommen, die sprachliche Hybridität (―Mischsprachen‖) dokumentieren (Hill & Hill 1986), was auch für die auf aztekischem Sub- und Adstrat beruhenden nicht-nativen Varietäten des regionalen Spanischen gilt (Flores Farfán 1999: 163–206). Flores Farfán (2003) berichtet auch über puristische Tendenzen, die sich bei den modernen indigenistischen Sprachaktivisten gegen die allgegenwärtigen Hispanismen in den modernen aztekischen Varietäten richten. Zur lexikalischen und grammatischen Hispanisierung der modernen aztekischen Varietäten gibt es eine bereits ansehnliche Forschungstradition, zu der ich der Kürze halber nur noch die Arbeiten von Canger (1990b), Masera (2001), Hill & Hill (2004), Canger & Jensen (2007) und Flores Farfán (2008) erwähne. Die heutige prekäre Situation kann jedoch nicht sehr weit in die Vergangenheit projiziert werden (Jensen 2008). Man darf davon ausgehen, dass bis eingangs des 18. Jahrhunderts das Aztekische sich trotz beobachtbarer Zunahme von Hispanismen (Karttunen & Lockhart 1976) in einer relativ stabilen Lage (Jensen 2008) einschließlich einer gewissen Schriftlichkeit innerhalb der Sprachgemeinschaft (Karttunen 1982) befand. Das Klassische Aztekische wurde im Vizekönigreich Neuspanien von den Kolonialbehörden durchaus auch außerhalb seines angestammten Verbreitungsgebietes verwendet, ohne jedoch den rechtlichen Status einer lengua general d.h. einer von den spanischen Kolonialherren zu Verwaltungszwecken überregional verwendeten indige1
Umstritten ist z.B. die Rolle des in El Salvador – also weit südlich des aztekischen Kerngebietes – gesprochenen Pipil, für das Campbell (1985: 5–6) den Status eines distinkten Zweigs innerhalb des süd-uto-aztekischen Subphylums reklamiert, während in den Augen anderer Aztekischforscher (darunter Lastra 1986 und Canger 1988) das Pipil als ein Nahuat d.h. als eine moderne aztekische Varietät anzusehen sei.
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nen Sprache zu erlangen (Pury-Toumi 1994). Nach der Unabhängigkeit Mexikos (1821) wurde seine Verdrängung durch das Spanische beschleunigt (Flores Farfán 2001). Im Folgenden lege ich das Hauptaugenmerk auf Aspekte, die sich auf die Zeit vor diesem Umbruch zu Ungunsten des Aztekischen beziehen. Für die modernen Varietäten verweise ich u.a. summarisch auf die zahlreichen grammatischen Skizzen in den von Langacker (1977, 1979, 1982, 1984) herausgegebenen Sammelbänden sowie Robinson (1969), Lastra (1980) und Wohlgemuth (1981). Unter den indigenen Sprachen Amerikas kommt dem Aztekischen (oder Nahuatl) wissenschaftsgeschichtlich eine wichtige Sonderstellung zu. Das Aztekische weist mit seiner nun fast ein halbes Jahrtausend umfassenden, auf dem Lateinalphabet basierenden Schriftlichkeitstradition nicht nur die längste Beleggeschichte einer außereuropäischen Sprache unter kolonialzeitlichen Bedingungen auf, sondern kann auch auf einen viele verschiedene Textgattungen umfassenden reichhaltigen Schatz an Schriftprodukten zurückblicken (León-Portilla 1988), dessen Gesamtinventarisierung wegen der noch ausstehenden Edition von Manuskripten, die in verschiedenen Archiven weltweit lagern, eine Aufgabe für die Zukunft bleibt (Garibay K. 2000). Darüber hinaus existieren beginnend mit Olmos (1547) und Molina (1571) für das Aztekische verschiedene missionarslinguistische Beiträge aus der Zeit vor der mexikanischen Unabhängigkeit (Canger 1995), die für den deutschen Sprachraum schon im Artikel über die Mexicanische Sprache im Mithridates (Adelung & Vater 1816: 85–106) z.T. ausgewertet wurden und schließlich bei der Konzeption der Allgemein-Vergleichenden Sprachwissenschaft durch Wilhelm von Humboldt indirekt eine herausragende Rolle gespielt haben. Wie wichtig die Beschäftigung mit dem Aztekischen für Humboldts eigenes Schaffen war, verdeutlichen jetzt die Editionen seiner Mexicanischen Grammatik (Ringmacher 1994b) und des mit seinem Sekretär Eduard Buschmann zusammen kompilierten Wörterbuch der Mexicanischen Sprache (Ringmacher 2000). Durch die Prominenz, die Humboldt dem Aztekischen als Beispielsprache für das ―einverleibende Verfahren‖ (Ringmacher 1994a: 64–67) gegeben hat, etablierte es sich bei seinen Nachfolgern im 19. Jahrhundert als eine der für die sich entwickelnde Sprachtypologie wichtigen Referenzsprachen. Bei Humboldts selbsterklärtem Nachfolger Steinthal hat das weiterhin Mexicanisch genannte Aztekische in jedem seiner zahlreichen Entwürfe von Klassifikationssystemen einen Platz für sich (Ringmacher 1996: 151–160) und dies bis hin zur Überarbeitung seines Lebenswerks durch Franz Misteli (Steinthal & Misteli 1893: 109). Auch Müller (1879: 260–270) widmet dem Aztekischen eine grammatische Skizze, allerdings ohne anzugeben, in welchem Maße er auf die Arbeiten seiner Vorgänger zurückgegriffen hat. In Frankreich und Deutschland haben etwa zur gleichen Zeit Buschmann (1853), Siméon (1885), Seler (1887) und La Grasserie (1903) dazu beigetragen, dass sich die Altamerikanistik als akademische Disziplin an europäischen Universitäten etablieren konnte und gleichzeitig das Aztekische zur ―Indianersprache‖ par excellence wurde, die gewissermaßen das Bild mitgeprägt hat, das sich europäische Sprachwissenschaftler lange Zeit von den indigenen Sprachen Amerikas machten.
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Aber auch auf anderem Gebiet hat das Aztekische während der spanischen Kolonialzeit in vielerlei Hinsicht Ausstrahlungskraft besessen. Aztekische Lehnwörter – sogenannte Nahuatlismen (Ruiz González 2001) oder Aztekismen (Cabrera 1980) – sind in recht großer Zahl in das Spanische der Eroberer gelangt und machen heute einen Gutteil der Mexikanismen (Gómez de Silva 2004) aus, mit denen sich das Mexiko-Spanische von anderen Varietäten des Spanischen absetzt. Einige aztekische Wörter wie tomātl > Tomate, chīlli > Chilli sind (oft) über das Spanische quasi zu Internationalismen geworden. Darüber hinaus sind (z.T. vermittelt über das Mexiko-Spanische) zahlreiche Wörter aztekischen Ursprungs sowohl in andere indigene Sprachen Mexikos (Miller 1990) als auch in die austronesischen Sprachen der von Neuspanien aus verwalteten spanischen Besitzungen in Ozeanien und auf den Philippinen gelangt (Albalá 2001). Außerdem haben die bereits früh verfassten grammatischen Beschreibungen und Wörterbücher des Aztekischen die grammatiko- und lexikographische Praxis der sich als Linguisten betätigenden spanischen Missionare in anderen Teilen Lateinamerikas (Zimmermann 2009: 163) und auf den Philippinen beeinflusst (Ridruejo 2000). Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass im Rahmen des internationalen Forschungsprogramms der Missionarslinguistik dem Klassischen Aztekischen immer wieder Aufmerksamkeit geschenkt wird. Canger (1997), Esparza Torres (2007), Flores Farfán (2007, 2009), Hernández Sacristán (1997), Launey (1997), Máynez (2009) und Ringmacher (1997) befassen sich mit unterschiedlichen Fragestellungen aus der dem Aztekischen gewidmeten Missionarslinguistik, wenn sie einzelne Autoren, bestimmte Grammatiken und Wörterbücher, den Umgang mit bestimmten sprachlichen Phänomenen usw. thematisieren. Dakin (1994: 79–115) stellt alle ihr damals bekannten sprachwissenschaftlichen Publikationen zum Aztekischen zusammen und kommt auf ansehnliche 36 Druckseiten, die etwa 350 Titeln entsprechen. Seit ihrer Bestandsaufnahme sind zahlreiche weitere Arbeiten hinzugekommen. Dieser positiv zu wertende Umstand macht es allerdings unmöglich, dass ich in diesem Beitrag mehr als einen Bruchteil der zum Aztekischen einschlägigen Schriften überhaupt erwähnen kann. Allein in dem allen indigenen Sprachen Amerikas gewidmeten International Journal of American Linguistics sind bis heute (Herbst 2010) 66 Beiträge (Aufsätze und Rezensionen) erschienen, die sich linguistisch mit dem Klassischen Aztekischen oder den modernen Varietäten des Aztekischen beschäftigen. Sie in ihrer vollen Bandbreite inhaltlich zu referieren, sprengt das Aufsatzformat. Ich beschränke mich stattdessen auf eine Auswahl von wichtigen Basistexten. Das Aztekische verfügt über eine eigene Philologie (Lockhart 1991: 66–158), die sich sprachwissenschaftlicher und literaturwissenschaftlicher Themen annimmt, von denen ein Großteil sich auf die klassische Sprachform und die in ihr verfassten Texte bezieht. Als Forum der aztekischen Philologie im engeren Sinne erwähne ich hier die in Mexiko erscheinende Zeitschrift Estudios de Cultura Náhuatl, neben der noch die ebenfalls mexikanischen Periodika Tlalocan und Anuario de Letras zu nennen sind, in denen allerdings aztekologische Themen kein Monopol besitzen. In den Estudios de Cultura Náhuatl werden in regelmäßigen Abständen Informationen über Neuerschei-
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nungen im Bereich der aztekischen Philologie veröffentlicht (so kürzlich León-Portilla 2009). Wichtigster Bestandteil der aztekischen Philologie sind die in beträchtlicher Zahl vorliegenden und größtenteils qualitativ hochstehenden kommentierten Editionen von Texten aus der klassischen Periode. Die meisten dieser Ausgaben sind zudem mit deutscher, englischer, französischer oder spanischer Übersetzung versehen, wodurch die Inhalte der aztekischen Originale auch dem kulturgeschichtlich interessierten Leser ohne Aztekischkenntnisse zugänglich sind. Von manchen Texten existieren mehrere kritische Ausgaben. Gegenstand solcher Texteditionen sind die verschiedenen großen Codices (Jarquin Ortega 1998), Annalen (z.B. Lehmann 1974, Kirchhoff et al. 1989) und Chroniken (z.B. Riese 2004), aber auch Privatbriefe und halboffizieller Schriftverkehr (Zimmermann 1970), notarielle Urkunden, Testamente, Verträge (Anderson et al. 1976; Sullivan 1987), christlich-religiöse Literatur (z.B. Anderson 1993), Theaterstücke (in der von Barry Sell und Louise M. Burkhart betreuten Reihe Nahuatl Theater), Weisheiten (= Huehuetlàtōlli) und Dichtkunst der präkolonialen Epoche (Silva Galeana 1991, Schultze Jena 1957) u.a.m. Nicht in jedem Fall ist die Autorenschaft eindeutig geklärt, für einige Texte können spanische Kleriker als Autoren oder als an der Abfassung Beteiligte angenommen werden. Bei wieder anderen Texten handelt es sich um Übersetzungen zumeist aus dem Spanischen oder Latein (Kutscher et al. 1987). Ohne diese philologisch aufbereiteten Quellen wäre eine die ältere Sprachstufe einschließende linguistische Beschäftigung mit dem Aztekischen sowie die fundierte rekonstruktive Arbeit im Rahmen des utoaztekischen Phylums (z.B. Dakin 1996, 2004) kaum möglich. Der mit großem Abstand längste zusammenhängende Text, der in einer indigenen Sprache während der europäischen Kolonialzeit weltweit abgefasst wurde, dürfte die Historia general de las cosas de Nueva España aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sein, die gemeinhin dem spanischen Franziskanermönch Bernardino de Sahagún – wohl in der Funktion des Organisators zugeschrieben wird. Dieser zweisprachig Aztekisch-Spanisch abgefasste Text ist eine Enzyklopädie der aztekischen Geschichte, Kultur und Gesellschaft, wie sie sich in der Anfangsphase der spanischen Kolonialherrschaft noch manifestierten. Mit zwölf thematisch geordneten Bänden und einer Gesamtlänge von 1.725 Druckseiten gemäß der von mir benutzten Ausgabe des Codex Florentinus von Anderson & Dibble (1974–1982) ist dieser Text eine konkurrenzlos reichhaltige Quellen, deren erschöpfende linguistische Auswertung noch aussteht. Eisinger (1998) hat mit der Erstellung seines umfangreichen Wortindexes für den Codex Florentinus ein wertvolles Instrument geschaffen, mit dessen Hilfe sprachwissenschaftliche Untersuchungen auf der Basis dieses klassisch-aztekischen Dokuments erheblich erleichtert werden (z.B. Stolz 2001). Es gibt zudem auch eine Reihe von in der universitären Lehre erfolgreich eingesetzten (deutschen, englischen, französischen, spanischen) Lehrbüchern des Klassischen Aztekischen, die wie Schœmbs (1949), Sullivan (1988), Garibay K. (1989), Campbell & Karttunen (1989a–b), Launey (1980, 1995), Lockhart (2001) und Andrews (2003) auch als grammatische Nachschlagewerke sowie zum Selbststudium genutzt werden
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können. Nimmt man die seit jüngster Zeit verfügbaren Online-Ressourcen hinzu, kann kein Zweifel darüber bestehen, dass das Klassische Aztekische eine sehr gut dokumentierte außereuropäische Sprache ist, die sich für linguistische Studien ganz besonders gut eignet. Dass sie zudem auch für die Allgemeine Sprachwissenschaft Interessantes zu bieten hat, soll meine auf wenige Phänomene beschränkte Datenschau im folgenden Abschnitt 3 verdeutlichen.
3. Sprachliche Charakteristika – eine kleine Auswahl Es versteht sich von selbst, dass in einem Beitrag dieser Art dem strukturellen Reichtum keiner natürlichen Sprache adäquat Rechnung getragen werden kann. Das gilt auch für meine Darstellung des Klassischen Aztekischen. Die von mir ausgewählten Phänomene sind hauptsächlich deshalb in die engere Wahl gekommen, weil sie mir nicht nur für die linguistisch vorgebildeten Fachleute, sondern auch für die allgemeine Leserschaft interessant und nicht zuletzt auch ohne spezielle Vorkenntnisse nachvollziehbar erscheinen. Ich orientiere mich bei der Untergliederung des Darstellungsbereiches relativ frei (und in dieser Reihenfolge) an den traditionellen Sprachebenen Phonologie, Morphologie und Syntax. Bei der graphischen Repräsentation der Sprachbeispiele aus dem Klassischen Aztekischen verwendete ich bei morphologisch analysierten Belegen die normalisierte Orthographie von Launey (1995); wo keine Morphemglossen mitgeliefert werden, belasse ich es bei der Originalschreibung meiner Primärquellen. Die zur Glossierung und an anderen Stellen verwendeten Abkürzungen sind im Abkürzungsverzeichnis am Ende des Texts aufgeschlüsselt. Für den jeweiligen Diskussionszusammenhang wichtige Teile von Beispielen hebe ich durch Fettdruck hervor. Sofern für die Bestimmung von lautlichen Eigenschaften nötig, greife ich auf das Zeicheninventar des Internationalen Phonetischen Alphabets zurück. Wo keine explizite Angabe erfolgt, sind alle Übersetzungen von mir, wobei in jedem Fall andere in der Literatur verzeichnete Übersetzungsvorschläge konsultiert wurden.
3.1. Phonologie Das Lautwesen des Klassischen Aztekischen umfasst eine Reihe von Eigenschaften, die den spanischen Missionarslinguisten große Schwierigkeiten bereiteten, sodass wichtige phonologische Phänomene bei der Erstverschriftung der Sprache mit Hilfe des Lateinalphabets unter den Tisch fielen.2 Smith-Stark (2005) diskutiert zahlreiche solche Fälle auch für das Klassische Aztekische, weist aber außerdem darauf hin, dass einige Ein2
Aus Raumgründen gehe ich nicht auf subphonematische Phänomene etwa aus dem Bereich der Allophonie ein.
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sichten, die frühe Missionarslinguisten in die phonologische Struktur des Klassischen Aztekischen bereits gewonnen hatten, von ihren Nachfolgern vernachlässigt wurden, um dann erst viel später wieder entdeckt werden zu müssen (Smith-Stark 2005: 23). Mittels philologischer Verfahren sind diese Eigenschaften jedoch allesamt rekonstruierbar (Canger 1990a). Zu den von den frühen Grammatikern des Klassischen Aztekischen meistens unterschlagenen Eigenschaften gehört die phonematische Vokalquantität, also die bedeutungsunterscheidende Funktion von Kurz- und Langvokalen, die den spanischsprachigen Missionarslinguisten aus ihrer Muttersprache nicht bekannt war. Die vokalische Quantitätenkorrelation ist zwar typologisch markiert (Stolz 2007: 53), kommt aber in den indigenen Sprachen Mesoamerikas weit verbreitet vor (Yasugi 1995: 45–49). In den Tabellen 1–2 führe ich zwischen den Schrägstrichen /…/ die vokalischen Phoneme des Klassischen Aztekischen an, neben denen rechts in einer gesonderten Zelle zwischen den spitzen Klammern das Zeichen angegeben wird, welches das jeweilige Phonem in der Orthographie vertritt. Kurzvokale zentral
vorn Hoch Mittel Tief
/i/
hinten
/e/
/o/ /a/
Tabelle 1: Die Kurzvokale des Klassischen Aztekischen Langvokale zentral
vorn Hoch Mittel Tief
/i:/
hinten
/e:/
/o:/ /a:/
Tabelle 2: Die Langvokale des Klassischen Aztekischen In der Schrift werden Langvokale durch das Makron über dem Vokalzeichen von den Kurzvokalen unterschieden. Die Minimalpaare unter (1) belegen, dass die vokalische Quantität dazu dient, Wortbedeutungen distinkt zu halten. Für jedes Minimalpaar steht das Wort mit dem Kurzvokal links, seine langvokalischer Oppositionspartner rechts. (1)
Minimalpaare – Vokalquantitäten calli ‗Haus‘ ≠ cālli ‗Zange‘ cecec ‗etwas Kaltes‘ ≠ cēcec ‗er/sie/es fror‘ ilhuiz ‗besonders‘ ≠ īlhuiz ‗maßlos‘ cococ ‗scharf im Geschmack‘ ≠ cocōc ‗Schmerz spürend‘
Betrachtet man die Tabellen 1–2 etwas genauer, fällt sicher auf, dass das Vokalsystem bezogen auf die phonematischen Qualitäten verhältnismäßig klein (Maddieson 2005b) und nicht ganz symmetrisch aufgebaut ist, womit das Klassische Aztekische weltweit
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zu einer Minderheit gehört (Stolz 2007: 53), was auch im Vergleich zu der Mehrheit der mesoamerikanischen Sprachen gilt (Yasugi 1995: 48–54). Ein hoher hinterer Vokal – etwa dem deutschen /u/ entsprechend – ist als klassisch-aztekisches Phonem nicht verzeichnet, sodass dem isolierten hinteren Vokalphonem /o/ mit /i/ und /e/ zwei vordere Vokalphoneme gegenüber stehen. Seiler & Zimmermann (1962) betrachten dieses Problem unter der Lupe, weil in den Originaltexten aus der Kolonialzeit die Verwendung der Vokalzeichen und extremen Schwankungen unterworfen war.3 Das Oszillieren zwischen O-Schreibungen und U-Schreibungen erklärt sich zumindest teilweise damit, dass das lange /o:/ in klassisch-aztekischer Aussprache sehr geschlossen artikuliert worden sein muss, sodass es oft als halblanges hohes [ʊ] realisiert wurde (Launey 1995: 14). Durch diese geschlossene Artikulation konnte das Allophon des /o:/ von den spanisch-sprachigen Missionarslinguisten als kurzes /u/ interpretiert und dann mit orthographisch wiedergegeben werden. Unter (2) gebe ich eine Handvoll von Schreibvarianten aus dem Codex Florentinus (Anderson & Dibble 1974–1982) unter Zuhilfenahme des Wortindex von Eisinger (1998). Die Schreibvarianten stehen links mit der Angabe ihrer Häufigkeit in eckigen Klammern; nach dem Gleichheitszeichen wird die Schreibung in normalisierter Orthographie samt Übersetzung geboten. (2)
O~U-Schwankung elotl [15] ~ elutl [2] = ēlōtl ‗junger Maiskolben‘ iaotl [7] ~ iautl [13] = yāōtl ‗Feind‘ ichpopochti [6] ~ ichpopuchti [7] ~ ichpupuchti [6] = ichpōpōchtin ‗junge Frauen‘ ioli [27] ~ iuli [5] = yōlli ‗Herz‘
Im Konsonantenbereich umfasst das Phonemsystem 15 distinkte Einheiten4, womit es vom Umfang her am unteren Rand der von Maddieson (2005a: 10) als ―moderately small‖ eingestuften Inventare liegt, die weltweit die zweitgrößte Gruppe bilden. Laut Yasugi (1995: 15) sind Sprachen mit 15 Konsonantenphonemen in Mesoamerika gut etabliert und bilden in seinem Sprachsample die drittstärkste Gruppe. Zudem setzt er ein pan-mesoamerikanisches Kerninventar von Konsonantenphonemen an, das exakt 15 Einheiten umfasst, von denen 14 mit denen des klassisch-aztekischen Systems übereinstimmen (Yasugi 1995: 57). Man kann also sagen, dass auf die Konsonanten bezogen das Klassische Aztekische ein typischer Repräsentant Mittelamerikas ist. In Tabelle 3 führe ich den konsonantischen Phonembestand des Klassischen Aztekischen gemäß den üblichen Rastern auf, in denen von oben nach unten die Artikulationsarten nach absteigender Obstruenz geordnet sind und die Artikulationsorte spaltenweise von links nach rechts von den Lippen zum hinteren Mundraum fortschreiten. Für 3
4
Die Alternanz von O- und U-Schreibungen ist bereits Wilhelm von Humboldt in seiner Mexicanischen Grammatik aufgefallen (Ringmacher 1994b: 86). Übrigens können nicht alle U-Schreibungen pauschal als Nachweis eines langen mittel-hohen hinteren Vokals /o:/ akzeptiert werden. In Stolz (2007: 53) habe ich fälschlicherweise und aus Unachtsamkeit nur 14 Konsonantenphoneme gezählt und damit das Klassische Aztekische in eine andere Klasse verlegt.
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manche Phoneme gibt es Allographien, die z.T. den Schreibkonventionen für das kolonialzeitliche Spanische geschuldet sind.5 Artikulationsart plosiv
labial /p/
alveolar /t/
Artikulationsort palatal
labialisiert affriziert frikativ nasal lateral lateral-affriziert approximant
/ʦ/ /s/ /m/
/w/
/n/ /l/ /tł/
velar
/kw/
/k/
/ʧ/ /ʃ/
/j/
glottal /Ɂ/
Tabelle 3: Die konsonantischen Phoneme des Klassischen Aztekischen Deutsch-sprachigen Lesern fällt sicher auf, dass im Klassischen Aztekischen die Stimmhaftigkeitskorrelation keine Rolle spielt, d.h. dass aus dem Deutschen vertraute Phoneme wie /b/, /d/, /z/ usw. nicht vorkommen. Maddieson (2005c: 22) konstatiert die Absenz von stimmhaften Konsonanten in rund einem Drittel der Sprachen der Welt. Stimmhafte Frikative sind in ganz Mittelamerika eher rar (Yasugi 1995: 60), wohingegen Systeme mit ausschließlich stimmlosen Konsonanten in derselben Weltgegend eine (wenn auch ansehnliche) Minderheit bilden (Yasugi 1995: 24). Was ein deutscher Leser vielleicht noch vermissen wird, ist ein rhotisches Phonem. Das Klassische Aztekische hat nur eine Liquida, und zwar den Lateral /l/. Ein ebenfalls liquidischer rhotischer Trill /r/, /ʀ/, Flap /ɽ/ oder Tap /ɾ/ oder eine sonstige R-ähnliche Einheit ist nicht gegeben.6 Diese Situation ist in Mesoamerika nicht ganz ungewöhnlich: in 27 Sprachen aus Yasugis (1995: 41) Sample ist die Situation genau wie im Klassischen Aztekischen, in 21 weiteren fehlen rhotische Kononanten ebenfalls. Das 5
6
Das betrifft den Wechsel von Z-, C- und QU-Schreibungen in Abhängigkeit von der lautlichen Umgebung: steht für /s/, sofern kein vorderer Vokal folgt, sonst wird geschrieben: zancē /sanse:/ ‗nur einer‘; wo auf kein vorderer Vokal folgt, steht es für /k/, das wiederum vor vorderen Vokalen durch den Digraphen vertreten wird: caqui /kaki/ ‗hören‘. Bei den allographischen Paaren ~ für /kw/ und ~ für /w/ haben wir es mit Positionsvarianten zu tun: die jeweils erste steht im Silbenanlaut, die zweite dann im Silbenauslaut, wobei diese Auslautposition mit bestimmten allophonischen Schwächungstendenzen verbunden sein soll (Launey 1995: 16–17): cuauhtic /kwawtik/ ‗etwas Großes‘, huachtli /waʧtłi/ ‗Samen‘, tēuctli /te:kwtłi/ ‗Herr‘. Für den Glottalverschluss /Ɂ/ gilt, dass er wortintern durch den Gravis auf dem vorangehenden Vokal gekennzeichnet wird, während er im Wortauslaut durch den Zirkumflex repräsentiert ist: chapopòtli /ʧapopoɁtłi/ ‗Teer‘, cihuâ /siwaɁ/ ‗Frauen‘. Zur Verteilung der Liquiden in Europa inklusive laterale Affrikaten verweise ich auf Stolz et al. (2010).
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Klassische Aztekische folgt in dieser Beziehung zwar nicht der Mehrheit der Sprachen seiner geographischen Nachbarschaft, die doch über rhotische Konsonantenphoneme verfügen, aber es steht mit seiner Lösung keineswegs allein da. Die Verteilung des klassisch-aztekischen Laterals über die Positionen in Silbe und Wort ist eingeschränkt, da /l/ im Wortanlaut gar nicht und im Silbenanlaut nur unter bestimmten Bedingungen vorkommen kann. Das klassisch-aztekische Konsonanteninventar ist aber nicht nur deswegen interessant, weil aus eurozentrischer Sicht einige Lücken zu bestehen scheinen, sondern auch weil Phoneme auftreten, die in Europa keine oder nur eine marginale Verbreitung haben. Zu den lautlichen Kennmarken des Klassischen Aztekischen gehört sicherlich die laterale Affrikate /tł/ = .7 In der phonologischen Theorie ist die Interpretation von Affrikaten uneinheitlich; ich wähle hier (wie auch sonst) die monophonematische Analyse, d.h. dass ich /tł/ als ein komplexes Segment und nicht als Abfolge von zwei Segmenten auffasse. In dem klassisch-aztekischen Wort tletl /tłetł/ ‗Feuer‘ ist dieses komplexe Segment gleich zweimal belegt, nämlich in den beiden Wortrandpositionen. Als rein konsonantisches Suffix kommt -tl in Verbindung mit sogenannten absoluten Nomina und als Anlaut des indefiniten Objektmarkers tla-, der als Präfix an Verben für nicht-menschliche Referenten steht, in so hoher Frequenz in klassisch-aztekischen Texten vor, dass die laterale Affrikate als typisches Merkmal der Sprache interpretiert werden kann.8 Für den mittelamerikanischen Kontext hält Yasugi (1995: 43) fest, dass /tł/ ―a specific feature of Nahuatl and Totonac‖ ist, das ―divide[s] Nahuatl from other Nahuan languages and Totonac from Tepehuan.‖ Mit anderen Worten: die laterale Affrikate ist auch in der weiteren Nachbarschaft des Klassischen Aztekischen ein seltenes Phonem. Den Angaben in Maddieson (2005d: 38) zufolge kommen laterale Affrikaten (bei ihm unter lateralen Obstruenten subsumiert) in weniger als 10% der Sprachen der Welt vor. Die Existenz eines phonologisch relevanten Glottalverschlusses im Deutschen ist nicht allen Muttersprachlern des Deutschen bekannt; sein genauer phonologischer Status ist in der einschlägigen Literatur umstritten (Hall 2000). Im Klassischen Aztekischen kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei /Ɂ/ um ein distinktes konsonantisches Phonem handelt. Positionelle Allophone von /Ɂ/ sind in intervokalischer Position [h], vor Konsonanten [h]/[x] und wortauslautend [Ɂ] (Launey 1995: 15). Für die spanischen Missionarslinguisten entzogen sich diese Realisierungsformen weitgehend ihrer phonetischen Erwartung und sind daher in der graphischen Repräsentation weitgehend unterschlagen worden, obwohl einige frühe Grammatiker 7
8
Wilhelm von Humboldt hat in seiner bekannten Schrift Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts diesem Konsonanten eine ausführliche Fußnote gewidmet, in der er versuchte, den genauen phonetischen Charakter auch sprachvergleichend zu bestimmen (Flitner & Giel 1963: 532–533). Es existiert auch eine diachron orientierte Forschungstradition, in der die Herkunft von /tł/ bzw. -{tl} geklärt werden soll (Whorf 1937, Launey 1996), auf die ich hier nicht weiter eingehen kann.
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des Klassischen Aztekischen den sog. Saltillo (‗kleiner Sprung‘) und seine Allophonie sehr wohl erkannt hatten (Smith-Stark 2005: 30–31). Die Setzung bzw. Nichtsetzung des Glottalverschlusses ist bedeutungsunterscheidend, was die Beispiele unter (3) belegen. Wörter ohne Glottalverschluss stehen links, ihre mit Glottalverschluss versehenen Gegenstücke folgen rechts. (3)
Minimalpaare: Wörter mit und ohne Glottalverschluss maca ‗Medizin nehmen‘ ≠ màca ‗sodass nicht‘ nōnōtza ‗mit sich zu Rate gehen‘ ≠ nònōtza ‗sich besprechen‘ pāpāca ‗lächerlich machen‘ ≠ pàpāca ‗baden‘ cuīca ‗er/sie/es singt‘ ≠ cuīcâ ‗sie singen‘ tlacua ‗er/sie/es isst‘ ≠ tlacuâ ‗er/sie/es aß‘
Der Glottalverschluss verlangt einen vorangehenden Vokal als ―Träger‖, weshalb dieses konsonantische Phonem im Wortauslaut nicht auftritt. Vokale, die dem Glottalverschluss vorangehen, sind automatisch kurz. Innerhalb Mesoamerikas gesellt sich das Klassische Aztekische mit seinem phonematischen Glottalverschluss zur großen Mehrzahl der indigenen Sprachen dieses Raumes. Laut Yasugi (1995: 19) ist dieses Phonem in 174 Sprachen ihres Samples belegt, während es nur in 23 Sprachen fehlt. Auch außerhalb der mesoamerikanischen Zone ist der Glottalverschluss als Phonem weltweit gut vertreten.9 Eine Sonderstellung im klassisch-aztekischen Konsonantensystem nimmt der (im Deutschen unbekannte10) labialisierte velare Plosiv /kw/ ein. Er ist nicht nur der einzige labialisierte Konsonant der Sprache, sondern auch der einzige Fall, bei dem eine phonematische Koartikulation (= Labialisierung) auftritt. Phonematische Koartikulationen sind in Mittelamerika zwar nicht unbekannt, aber mit Ausnahme von /kw/ jeweils nicht besonders weit verbreitet (Yasugi 1995: 23). Damit bewegt sich das Klassische Aztekische in dem Rahmen, den das areale Umfeld bietet. /kw/ tritt in klassisch-aztekischen Wörtern sowohl silbenanlautend als auch silbenauslautend auf; Beispiele bietet die Liste unter (4). (4)
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10
Wörter mit labialisiertem Velarplosiv cuāchtli /kwa:ʧtłi/ ‗große Baumwolldecke‘ quitzauc /kiʦakw/ ‗er/sie/es schloss es‘
Im Gegensatz zu den zuvor behandelten phonologischen Phänomenen liegen zum Glottalverschluss keine typologischen Statistiken vor, was sicher damit zu tun hat, dass der Glottalverschluss ein phonologischer Problemfall ist in dem Sinne, dass seine Einordnung als konsonantisches Phonem oder prosodische Eigenschaft der Silbe (oder des assoziierten Vokals) in der Literatur zu vielen Sprachen ganz unterschiedlich gehandhabt wird. Was in der deutschen Orthographie mit dem Digraphen geschrieben wird, ist eine Sequenz von zwei separaten Segmenten /k/ + /v/, während es sich im Klassischen Aztekischen bei /k w/ um eine unteilbare Lauteinheit handelt. Im Deutschen liegt keine Koartikulation und mithin auch keine Labialisierung vor.
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Ein Wort zur Silbenstruktur des Klassischen Aztekischen ist angebracht. Dem hierarchischen Silbenmodell Vennemanns (1988) folgend kann man die klassisch-aztekische Silbenstruktur formelhaft wie unter (5) darstellen (Stolz 2007: 55).11
(5)
Klassisch-aztekische Silbenstruktur σ
Auftakt
Reim
Nukleus
(K)
V(:)
Coda
(K)
Diese Formel besagt, dass im Klassischen Aztekischen eine Silbe aus maximal drei Segmenten besteht, von denen eine obligatorisch ein Vokal ist. Die Silbenränder können von jeweils maximal einem Konsonanten besetzt werden, d.h. dass zur selben Silbe gehörige Konsonantengruppen ausgeschlossen sind. Unter (6) gebe ich für jeden im Klassischen Aztekischen möglichen Silbentyp ein Beispiel. Das Zeichen $ in der phonologischen Schreibung gibt die Silbengrenze an. Die links von diesem Zeichen stehenden Segmente exemplifizieren den Silbentyp, der eingangs jeder Zeile beschrieben wird. (6)
Silbentypen im Klassischen Aztekischen OFFEN und NACKT – V: omitl ‗Knochen‘ → /o$mitł/ GESCHLOSSEN und NACKT – VK: octli ‗Pulque‘ → /ok$tłi/ OFFEN und BEDECKT – KV: teci ‗mahlen‘ → /te$si/ GESCHLOSSEN und BEDECKT – KVK: quechtli ‗Hals‘ → /keʧ$tłi/
Ungeachtet der strikten Beschränkungen, die im Klassischen Aztekischen die Besetzung der Silbenränder betreffen, gehört es bereits zur Klasse der Sprachen mit modera11
Es erübrigt sich fast darauf hinzuweisen, dass die deutsche Silbenstruktur wesentlich komplexer ausfällt, weil der Nukleus auch die im Klassischen Aztekischen unbekannten Diphthonge zulässt und an den Silbenrändern im Auftakt maximal drei und in der Coda sogar maximal vier Konsonanten stehen dürfen.
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ter Komplexität der Silbenstruktur, was nach Maddieson (2005e: 54) auf mehr als die Hälfte der Sprachen der Welt (hochgerechnet nach seinem Sample) zutrifft. Diesen Unterabschnitt schließe ich mit einer Bemerkung zum Akzentwesen des Klassischen Aztekischen ab. Mit einer Ausnahme liegt der Akzent in mehrsilbigen Wörtern immer auf der Paenultima, d.h. dass die vorletzte Silbe betont wird. Werden die Wortformen durch Anfügung von silbischen Suffixen länger, wandert der Akzent auf die jeweils neue Paenultima. Abgewichen wird von diesem rigiden Schema nur beim sogenannten Vokativ, bei dem der Akzent auf die Ultima, also auf die letzte Silbe verschoben wird. Unter (7) führe ich Beispiele für die Akzentwanderung auf. Die Akzentstelle wird in der phonologischen Repräsentation durch einen hochgestellten Strich unmittelbar vor dem ersten Segment der betonten Silbe angegeben. (7)
Paenultimaakzent und Ultimaakzent chichi /'ʧiʧi/ ‗Hund‘ → chichimê /ʧi'ʧimeɁ/ ‗Hunde‘ pilli /'pilli/ ‗Kind‘ → nopil /'nopil/ ‗mein Kind‘ nopiltzin /no'pilʦin/ ‗mein liebes Kindchen‘ nopiltziné /nopilʦi'ne/ ‗oh mein liebes Kindchen!‘
Durch die eindeutige Präferenz für die Paenultima als Akzentstelle reiht sich das Klassische Aztekisch in der weltweit größten Gruppe von Sprachen mit festem Akzent ein: etwa 22% der Sprachen im Sample von Goedemans & Van der Hulst (2005: 62) bevorzugen den Akzent auf der Paenultima. Die von diesen Autoren mit berücksichtigten Sprachen Mittelamerikas lassen kein areales Muster erkennen: neben Sprachen, die sich wie das Klassische Aztekische verhalten, gibt es Sprachen mit Ultimaakzent, Initialakzent oder freiem Akzent (Goedemans & Van der Hulst 2005: 65). Phonologisch ist das Klassische Aztekisch also eine Sprache, die zwar oft deutlich von dem abweicht, was aus dem Deutschen oder den typischen europäischen Schulsprachen bekannt ist, aber dabei geht das Klassische Aztekisch häufig mit den Sprachen des mittelamerikanischen Raumes konform12 und/oder verhält sich so, wie es viele Sprachen weltweit tun. Nur in wenigen Fällen geht das Klassische Aztekisch einen phonologischen Sonderweg (wie beispielsweise bei der lateralen Affrikate), ohne dadurch völlig idiosynkratisch zu werden.
12
Eines in Mittelamerika recht stark vertretenen phonologischen Charakteristikums ermangelt das Klassische Aztekisch: Yasugi (1995: 54–56) zeigt, dass Tonsysteme in einer ganzen Reihe von Sprachen dieses geographischen Raums auftreten, ohne dabei Flächendeckung zu erreichen. Auch Maddiesons (2005f: 61) Karte der Verbreitung von Tonsprachen auf der Welt zeigt eine auffällige Ballung auf mexikanischem Territorium.
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3.2. Morphologie Das Klassische Aztekische ist weit überwiegend kopfmarkierend, d.h. dass grammatische Relationen am Nukleus einer syntaktischen Konstruktion kodiert werden (Nichols 1986). Damit verhält sich das Klassische Aztekisch wie die Masse der koterritorialen indigenen Sprachen Mittelamerikas (Nichols 1992). Einige aus deutscher Sicht ―auffällige‖ morphologische Eigenschaften meiner Objektsprache spreche ich nachstehend ohne Anspruch auf Vollständigkeit an. 3.2.1. Komplexität Die Formen morphologisch komplexer Wörter werden im Klassischen Aztekischen weit überwiegend nach den Prinzipien der Agglutination gebildet (Stolz 2007: 56). Nur in recht geringem Maße gibt es auch Anzeichen von Fusion. D.h. dass meistens funktional spezialisierte Affixe verwendet werden, die relativ klar voneinander zu segmentieren sind. Das Klassische Aztekisch lässt Präfigierung und Suffigierung zu, es kennt partielle Reduplikation und macht von Komposition sowie Inkorporation reichlich Gebrauch. Da es gleichzeitig die Verkettung von mehreren Affixen auf beiden Seiten des lexikalischen Morphems zulässt, können die Wortformen einen Komplexitätsgrad erreichen, der weit über das Maximum hinaus geht, das morphologische Komplexität im Deutschen und den meisten europäischen Schulsprachen haben kann. Dies gilt, obwohl bestimmte grammatische Kategorien wie Genus und (grammatischer) Kasus (siehe dazu unten) im Klassischen Aztekischen nicht gegeben sind. Beispiel (8) vermittelt einen ersten Eindruck von der morphologischen Komplexität klassisch-aztekischer Wörter. Es handelt sich dabei keineswegs um einen Extremfall, sondern um eine eher durchschnittlich komplexe Wortform. (8)
(Sell & Burkhart 2004: 138) nimitznoneltoquititzinohua ni-mitz-no-nel-toqui-tì-tzin-oa 1SG.S-2SG.O-1SG.REFL-wahr-folg-APPL-HON-VERBAL ‗Ich glaube dir Geehrtem.‘
In dieser Wortform sind drei Präfixe (nämlich: {ni} für das Subjekt in der 1. Person Singular, {mitz} für das Objekt in der 2. Person Singular und {no} für das Reflexivum in der 1. Person Singular) und drei Suffixe (nämlich: {tia}, das den Applikativ kodiert, {tzin}, das Honorativ anzeigt, und {oa}, das die Wortform verbalisiert) kombiniert. Sie umschließen zwei lexikalische Morpheme: {nel} und {toca}. Den Kern des morphologischen Komplexes bildet {toca}, das für sich allein die Bedeutung FOLGEN trägt und transitiv ist. Es geht eine Verbindung mit {nel} ein, dem lexikalischen Morphem von nelli ‗etwas Wahres‘ und bildet das wahlweise transitive oder reflexive Verb neltoca ‗glauben‘. Da in der Verbform durch das Objektpräfix {mitz} explizit angezeigt wird,
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wem geglaubt wird, muss die Verbvalenz um eine Stufe erhöht werden. Dies geschieht dadurch, dass toca durch Suffigierung von {tia} in die Applikativform gesetzt wird. Die Aussage, dass der Sprecher seinem Ansprechpartner Glauben schenkt, soll höflich erscheinen. Für diesen Zweck wird das Honorativsuffix {tzin} angefügt, da die dafür sonst verwendete Strategie – Reflexivierung (siehe unten) – bei einem bereits reflexiven Verb blockiert ist. Das Honorativsuffix {tzin} bewirkt zweierlei: Zum einen hat es den regelmäßigen morphonologischen Effekt, dass das direkt links vorangehende Applikativzeichen {tia} zu {tì} gekürzt wird. Zum anderen nominalisiert das Honorativzeichen {tzin}, sodass es nötig wird, die Wortform wieder zu einer Verbform zu machen, was mittels {oa} geschieht. Die Komplexität der morphologischen Wortformen des Klassischen Aztekischen resultiert also nicht nur aus der im Vergleich zum Deutschen hohen Anzahl von Affixen, die gemeinsam auftreten können, sondern auch aus der Interaktion zwischen den einzelnen Elementen, deren Auftreten u.a. Veränderungen an der lautlichen Gestalt benachbarter Morphe verursachen oder die Setzung bzw. Nicht-Setzung bestimmter anderer Affixe auslösen können. Nach der Typologie von Bickel & Nichols (2005: 95) kann man das Klassische Aztekische in die Klasse V einordnen, die Sprachen umfasst, die bis zu neun Kategorien an einer Verbform kodieren.13 Die massive Akkumulation von morphologischer Information an syntaktisch zentralen Worteinheiten nennt man Polysynthese. Viele indigene Sprachen Amerikas (Mithun 1999: 38–19), aber auch solche anderer Weltgegenden (z.B. im Kaukasusgebiet) sind wie das Klassische Aztekisch polysynthetisch (Evans & Sasse 2002). Auf die syntaktischen Implikationen der klassisch-aztekischen Polysynthese gehe ich noch in Unterabschnitt 3.3 ein. Hier soll es vorläufig genügen, das Raster der morphologischen Wortformen von Verben anzugeben, das gegenüber Newman (1967: 192–194) und Eisinger (1998: 41) von mir leicht modifiziert (d.h. erweitert) die in Tabelle 4 gegebene Struktur hat. Abweichend von der üblichen Praxis ordne ich die morphologischen Positionen beginnend mit dem äußersten Präfix vertikal an. Die Positionen sind nach ihrer Entfernung vom grau schattierten lexikalischen Kern der Wortform römisch durchnummeriert. Über die Elemente, die im grau schraffierten Bereich auftreten können, spreche ich im Unterabschnitt 3.3 zur Syntax. Sofern mehr als ein Morph für eine der Positionen in Frage kommt, identifiziere ich durch tiefgestellte Indizes die genaue Funktion bei jedem der Affixe. Wo nur ein Morph zur Auswahl steht, genügt die Angabe in der Spalte Funktion. Position Präfix VIII Präfix VII Präfix VI
13
Funktion Aspekt: Anterior Subjekt Objekt definit
Morph ōni-1SG, ti-2SG/1PL, an-2PL, xi-2SG/PL.OPT nēch-1SG, mitz-2SG, qui-3, tēch-1PL, amēch-2PL
Laut Tabelle 4 bietet das klassisch-aztekische Verb weit mehr als nur neun Positionen für grammatische Morpheme. Jedoch können nicht alle Positionen gleichzeitig gefüllt werden, sodass sich in der Kombination ein Maximum von neun grammatischen Affixen ergibt.
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66 Position Präfix V Präfix IV Präfix III Präfix II Präfix I +2 +1 0 –1 –2 Suffix I Suffix II Suffix III Suffix IV
Funktion Objekt definit belebt 3. Plural Direktional Reflexiv Objekt indefinit menschlich Objekt indefinit nicht-menschlich Inkorporation: Adverbial Inkorporation: Argument Lexikalisches Verb Ligatur Modal-/Auxiliarverb Diathese: Kausativ Diathese: Applikativ Diathese: Passiv, Impersonale Tempus, Modus, Aspekt
Suffix V
Plural (Subjekt)
Morph im-3PL on-hin, huāl-her no-1SG, to-1PL, mo-2/3SG/PL, ne-IMPERS tētlaNominales Element Nominales Element Verbales Element -tiVerbales Element -tia -lia -loPASS, -huaIMPERS -zFUT, -yaIMPERF, -^PERF, -caPLQ, -zquiaIRR, -quiuhINTRO.INKOMP, -coINTRO.KOMP, -quiINTRO.OPT, -tīuhEXTRO.INCOMP, -toEXTRO.KOMP, -tiEXTRO.OPT, -niEVENT -^PL, -quêPL.PERF, -cānPL.OPT, -tinPL.VET, -mêPL.EVENT
Tabelle 4: Morphologische Positionen in klassisch-aztekischen Verbformen Die Besetzung der verschiedenen Positionen ist nicht willkürlich; vielmehr bestehen Abhängigkeitsverhältnisse, die regeln, unter welchen Bedingungen welche Position durch welches Affix besetzt werden muss. Nach der Typologie von Dryer (2005: 110) kann man das Klassische Aztekisch als ein Sprache einordnen, die ungefähr gleichgewichtigen Gebrauch von Präfigierung und Suffigierung macht oder ggf. eine leichte Präferenz für Präfigierung erkennen lässt. In beiden Fällen steht das Klassische Aztekisch der Masse von Sprachen gegenüber, die ausschließlich oder überwiegend auf Suffigierung zurückgreifen. Dryers (2005: 113) Karte deutet allerdings an, dass Sprachen, in denen Präfigierung eine wichtigere Rolle spielen, als durchschnittlich zu erwarten ist, in Mittelamerika massiert auftreten, sodass sich das Klassische Aztekisch bestens in sein areales Umfeld einfügt. Die reine Identifikation der verschiedenen Positionen in der Morphemkette allein reicht aber nicht aus, um die Vielfalt der morphologischen Phänomen im Klassischen Aztekischen zu erfassen. Ein wichtiger morphologischer Prozess, der in Tabelle 4 nicht adäquat eingeordnet werden kann, ist die Reduplikation, der ich den folgenden Unteranschnitt widme. 3.2.2. Reduplikation Für das Klassische Aztekisch ist ausschließlich partielle Reduplikation belegt 14, womit die Sprache der von Rubino (2005: 114) aufgestellten typologischen Implikation wider14
Im Deutschen sind heute nur noch philologisch ermittelbare Reste der sog. reduplizierten Verben zu finden, die schon zur althochdeutschen Zeit keine produktive Klasse mehr bildeten (Weinhold et
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spricht, dass die grammatische Nutzung von partieller Reduplikation die grammatische Nutzung von totaler Reduplikation in derselben Sprache voraussetzt. Da Reduplikation ein für mehrere grammatische Kategorien wichtiges Verfahren im Klassischen Aztekischen bildet, ist sie nicht nur Gegenstand von Spezialuntersuchungen (z.B. Tuggy 2003), sondern wird auch in den meisten lehrbuchähnlich konzipierten Grammatiken der Sprache bisweilen sehr ausführlich thematisiert. Rubinos (2005: 117) Kartierung des mittelamerikanischen Gebiets vermittelt den Eindruck, dass die weit überwiegende Zahl der Sprachen dieser Region über Reduplikation als produktive morphologische Prozessform verfügen. Die partielle Reduplikation betrifft den linken Rand lexikalischer Morpheme und involviert technisch gesagt den Silbenkörper, d.h. den Auftakt und den Nukleus der Silbe nach dem unter (5) schematisch dargestellten Modell. Der Silbenkörper wird im Reduplikationsprozess kopiert und die auf diesem Wege erzeugte Kopie unmittelbar links von besagtem Silbenkörper an die Wortform angefügt. Zum besseren Verständnis nehme ich zwei durch Fettdruck hervorgehobene Wortformen aus dem unter (9) zitierten Abschnitt aus dem Codex Florentinus (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 95) heraus. (9)
Kontextbeispiel für reduplizierte Wortformen njman ie ic qujntauhtia, qujnmaca in tlaviztli, in chimalli, yoan qujncacacavatique, cecen xicalpechtli in qujnmacaque cacaoatl. ‗Dann machten sie ihnen Geschenke, sie gaben ihnen Ausrüstungsgegenstände, Schilde, und sie versahen jeden mit Kakaobohnen. Jedem einzelnen gaben sie ein großes Kürbisgefäß mit Kakaobohnen.‘
Die beiden markierten Wortformen enthalten das gleiche lexikalische Morphem – und zwar in seiner absoluten ―nominalen‖ Form und einmal redupliziert als Teil des verbalen Prädikats. Ich schlüssele dies unter (10)–(11) morphologisch auf. (10)
(11)
Absolutform cacaoatl =
cacahua-tl Kakao-ABS ‗Kakao(bohne)‘
Reduplizierte Form qujncacacavatique
=
quin-cà-cacahua-tì-qu-ê 3PL.O.DEF-RED-Kakao-KAUS-PERF-PL ‗sie versahen jeden mit Kakao(bohnen)‘
Durch Fettdruck ist unter (11) die zusätzliche Silbe hervorgehoben, die aus der Kopie des anlautenden Silbenkörpers des lexikalischen Morphems cacahua- entstanden ist, al. 1972: 119). Vergleichbar sind die klassisch-aztekischen Beispiele mit den reduplizierten Perfektformen des Lateinischen (etwa cado – cecidī ‗herabfallen‘, fallo – fefellī ‗täuschen‘, posco – poposcī ‗verlangen‘ [Meiser 2003: 181])
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wobei die Kopie durch den Glottalverschluss zu einer geschlossenen Silbe wurde: /ka$/ → /kaɁ$ka$/. Die Funktion dieses Typs der partiellen Reduplikation ist der Ausdruck von Distributivität, d.h. dass die Handlung (―Ausgabe von Kakaobohnen‖) mehrfach und mit verschiedenen Empfängern durchgeführt wurde. Es wird auf diese Weise etwas morphologisch ausgedrückt, was in den Bereich der sogenannten verbalen Pluralität fällt (Dressler 1968). Distributivität wird aber nicht nur im Kontext von Verben reduplikativ symbolisiert, wie die Form cecen = cècem /seɁsem/ ‗jeder einzelne‘ aus der Textpassage unter (9) zeigt. Hier wird das Numerale (cē ~) cem ‗ein(s)‘ ganz analog redupliziert, indem der Silbenkörper mit dem silbenschließenden Glottalverschluss links vor die Basis gestellt wird. Da der Glottalverschluss nur auf kurze Vokale folgen kann, werden bei Reduplikationen nach diesem Muster Langvokale der Basis in der Kopie gekürzt: huēyi /we:ji/ ‗groß‘ → huèhuēyi /weɁwe:ji/ ‗groß (bezogen auf alle Referenten)‘ (Launey 1995: 267). D.h. dass die Kopie sich in zweierlei Hinsicht abweichend von der Basis verhält: (a) sie weist einen festen Codakonsonanten auf, der nicht aus der Basis stammt, (b) ihr Vokal ist grundsätzlich kurz – unabhängig von der Quantität des Vokals der Basis. Insgesamt gibt es drei Typen von partieller Reduplikation im Klassischen Aztekischen, die ich in Tabelle 5 im Überblick darstelle (nach Launey 1995: 70–71 und 264– 266). Zur besseren Orientierung ist die Kopie durch Fettdruck markiert. Typ I II III
Basis (K)V(K)V:(K)V(K)V:(K)V(K)V:-
Kopie (K)VɁ(K)V:(K)V-
Beispiel motlaloâ → motlàtlaloâ nitlazāca → nitlazàzāca motlaloâ → motlātlaloâ nitlazāca → nitlazāzāca nopiltzin → nopiltzitzinhuān cihuātōntli → cihuātotōn
Übersetzung ‗sie laufen in verschiedene Richtungen‘ ‗ich trage Sachen an verschiedene Orte‘ ‗sie laufen sehr schnell‘ ‗ich trage viele Sachen/schwer‘ ‗meine lieben Kinderchen‘ ‗kleine Frauen‘
Tabelle 5: Typen der Reduplikation im Klassischen Aztekischen Die Beispiele zeigen, dass ein und dasselbe Wort verschiedenen Typen von Reduplikation unterliegt, sodass sich Minimalpaare bilden lassen. Während Typ I mit obligatorischem Kurzvokal und Glottalverschluss dazu dient, Distributivität und Dispersivität zu markieren, ist die Aufgabe von Typ II (mit obligatorischem Langvokal) zu intensivieren. Typ III (mit obligatorischem Kurzvokal) bildet den Plural von Wortformen, die ein evaluatives Affix enthalten. Bei Substantiven wird allerdings wieder Typ II für die Pluralbildung eingesetzt: pilli ‗Kind‘ → pīpiltin ‗Kinder‘. 3.2.3. Ein Seitenblick auf weitere Kategorien 3.2.3.1. Numerus und Belebtheit: Aus der obigen Darstellung ergibt sich, dass im Klassischen Aztekischen die Numerusopposition Singular ≠ Plural bestand. Allerdings gehorcht sie semantischen Restriktionen. Im Unterschied zum Deutschen, dessen Substantive in ihrer überwiegenden Zahl pluralisierbar sind, zeichnen sich im Klassischen
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Aztekischen drei Klassen von Substantiven ab, die auf Grund ihrer Pluralisierbarkeit unterschieden werden. Substantive mit dem Merkmal [+menschlich] tendieren dazu, den Plural explizit zu machen. Dazu werden verschiedene Suffixe (-^, -mê, -tin) mit oder ohne begleitende partielle Reduplikation vom Typ II verwendet: tlācatl ‗Mensch‘ → tlācâ ‗Menschen‘, tēuctli ‗Herr‘ → tētēuctin ‗Herren‘. Das gilt in etwas weniger ausgeprägter Form auch für Substantive, die sich auf nicht-menschliche Animata beziehen, also das Merkmal [+belebt] tragen: pitzotl ‗Schwein‘ → pitzomê ‗Schweine‘, cìtli ‗Hase‘ → cīcítin ‗Hasen‘. In diese Klasse fallen auch kosmologische oder fallweise Personifizierungen sowie kulturell prominente Konzepte wie z.B. cōmitl ‗Topf‘ → cōmî ‗Töpfe‘, cītlalin ‗Stern‘ → cīcītlaltin ‗Sterne‘. Die Masse der Substantive jedoch weist das negative Merkmal [¬belebt] auf. Sie sind formal unveränderlich, d.h. dass sie numerusneutral sind. Die Beispiele (12)–(13) aus der Crónica Mexicayotl (Riese 2004: 191 und 204) illustrieren das unterschiedliche Verhalten von Animata und Inanimata in Kombination mit Numeralia. (12)
Pluralmarkierung ynic no yehuatl o quinchiuh Tlacacuitlahuatzin yn omentin ychpochhuan ‗Er, der Tlacacuitlahuatzin hat auch zwei Töchter gezeugt.‘
(13)
Transnumeral yn tahtocat cenpohualli ypan maculli xihuitl ‗Er hat fünfundzwanzig Jahre lang geherrscht.‘
In Beispiel (12) ist das Syntagma omentin ychpochhuan ‗seine zwei Töchter‘ wie folgt zu analysieren: ōme-n-tin ī-(i)chpōch-huān = {zwei}-{PL}-{PL} {POR.3}-{Tochter}{PUM.PL}. Sowohl am Numerale als auch am possedierten Nomen wird explizit der Plural markiert. Im Unterschied hierzu kommt cenpohualli ypan maculli xihuitl = cempōhualli īpan mācuīlli xihuitl ‗fünfundzwanzig Jahre‘ ohne jede Pluralmarkierung aus; das Substantiv xihuitl ‗Jahr‘ bleibt unveränderlich in seiner transnumeralen Form stehen, das komplexe Numerale beherbergt ebenfalls kein Pluralzeichen. Die Belebtheitsbedingung für die Setzung des Plurals gilt ebenso bei Verben, die pluralische Subjekte auf Animata (im obigen erweiterten Sinne) beschränken. Auch die Objektpräfixe der 3. Person stehen nur dann im Plural, wenn sie definite und belebte Referenz haben. Hierzu bieten (14)–(15) aus dem Buch XII des Codex Florentinus (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 9) Belege. (14)
Objektpräfix im Plural Auh in motecuçoma: qujncentlali in jtecuioan ‗Und Moctezuma versammelte seine Fürsten.‘
(15)
Objektpräfix transnumeral in tlatlatique vel qujpiazque ‗Die Wächter werden sie gut bewachen.‘
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Die Pluralform des definiten Objektpräfixes ist {quim} (eigentlich {c} + {im}). Sie tritt mit assimiliertem Nasal unter (14) in der Wortform qujncentlali = quincentlālî ‗er versammelte sie‘ auf, wo es sich kataphorisch auf die von Moctezuma zusammengerufenen Anführer ītecuiyōhuān ‗seine Herren‘, also auf ein Animatum bezieht. Durch das possessivische Affix {huān} ist der Plural explizit markiert. In Beispiel (15) ist die Rede von den blauen Türkisen, den Edelsteinen, die Moctezuma vor dem Zugriff durch die Spanier geschützt wissen will. Es handelt sich zwar um mehrere Edelsteine, auf die dennoch im weiteren Kontext mit dem transnumeralen Ausdruck matlalteuxivitl = mātlālteōxihuitl wörtlich ‗dunkelgrüner Göttertürkis‘ referiert wird. Ganz konsequent steht dann auch das Objektpräfix {qui} in qujpiazque = quipiyazquê ‗sie werden es bewachen‘ nicht im Plural. 3.2.3.2. Pronominale Possession:15 Substantive können im Klassischen Aztekischen entweder in der absoluten Form erscheinen, die in den allermeisten Fällen durch das Suffix {tl} oder seine Allomorphe {li}/{tli}/{in} gekennzeichnet ist, oder aber possediert sein, d.h. dass an ihnen durch ein Präfix die Person des Besitzers oder durch ein Suffix ihre Rolle als Possessum angegeben wird. Beispiel (16) aus einem klassischaztekischen Schauspiel mit christlichem Inhalt (Sell & Burkhart 2004: 180) bietet gleich zwei Fälle von possessivisch markierten Wortformen. (16)
Possedierte Substantive otiquinhualcauhque in totepantlatocahuan yezque in motlatocaixpantzinco ‗Wir haben sie gelassen, damit sie unsere Fürsprecher in deiner königlichen Gegenwart seien.‘
Die Wortformen sind jeweils morphologisch komplex. Bei totepantlatocahuan = to-tēpan-tlàtòcā-huān wörtlich ‗unsere Nachsprecher‘ und motlatocaixpantzinco = motlàtòcā-īx-pan-tzin-co wörtlich ‗vor deinem geehrten Sprechergesicht‘ sind gleich fünf bis sechs Morpheme zu einer Wortform verkettet. Drei der Morpheme stehen mit der grammatischen Kategorie der Possession in direkter Beziehung: die Präfixe {to} ‗unser‘ und {mo} ‗dein‘ geben den Besitzer an, während das Suffix {huān} anzeigt, dass die Referenz des Gesamtausdrucks auf eine Gruppe aus mehreren menschlichen Wesen zielt, die possediert werden. Possedierte Substantive verlieren ihr Absolutsuffix. Das Paradigma für calli ‗Haus‘ sieht unter Possession wie folgt aus: nocal ‗mein Haus‘, mocal ‗dein Haus‘, īcal ‗sein/ihr Haus‘, tocal ‗unser Haus‘, amocal ‗euer Haus‘, īncal ‗ihr Haus‘. Vergleichbare Strukturen abundieren in Mesoamerika (Stolz & Stolz 2001: 1543–1544). Für bestimm15
Auf andere Spielarten der Possession kann ich aus Platzgründen nicht eingehen. ―Genitivische‖ Nomen-Nomen-Konstruktionen sind in den Satzbeispielen reichlich vertreten. Ein dem deutschen haben entsprechendes allgemeines possessivisches Verb besaß das Klassische Aztekische in der frühen Überlieferungszeit noch nicht. Prädikative Possession wurde durch Existenzialkonstruktionen wie oncatê nopilhuān ‗es gibt meine Kinder‘ = ‗ich habe Kinder‘ oder prädikative Possessivnomina wie nicalê ‗ich bin ein Hausbesitzer‘ = ‗ich habe ein Haus‘ ausgedrückt (Launey 1995: 102–194).
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te Substantive gibt es die Möglichkeit, formal zwischen zwei Possessionskategorien zu unterscheiden, was ebenfalls ein in Mittelamerika weit verbreitetes Charakteristikum ist (z.B. im Yukatekischen [Lehmann 1998]).16 Alienabler oder veräußerlicher Besitz wird dabei von inalienablem oder unveräußerlichen Besitz mit morphologischen Mitteln geschieden. Als unveräußerlich gekennzeichnete possedierte Wortformen kommen in Satz (17) aus der Crónica Mexicayotl (Riese 2004: 87) gleich dreimal vor.17 (17)
Inalienable Possession ynin yzcahuitli ca huel nonacayo neço notlapallo ‗Dieser Teichwurm ist tatsächlich mein Fleisch, mein Blut, mein roter Saft.‘
Das Zeichen für Inalienabilität ist das Suffix {yō}18, dessen konsonantischer Anlaut sich an den Stammauslaut des lexikalischen Morphems assimiliert. Die drei Wortformen nonacayo = nonacayō ‗mein eigenes Fleisch‘, neço = nezzō ‗mein eigenes Blut‘ und notlapallo = notlapallō ‗mein eigener roter Saft (= Blut)‘ beziehen sich auf integrale Bestandteile des Körpers des Besitzers; sie sind in diesem Sinne nicht von ihm trennbar. Von jedem der Substantive lässt sich aber noch eine weitere possedierte Form bilden, die des Inalienabilitätsmorphems ermangelt: nonac ‗mein Fleisch (das ich auf dem Markt erworben habe)‘, nezhui ‗mein Blut (das ich für ein Opfer in einem Gefäß gesammelt habe)‘, notlapal ‗meine Tinte/mein rotes Färbemittel‘ (Launey 1995: 100). In diesem Fall handelt es sich um veräußerliches Besitztum, über das der Besitzer frei verfügen kann, da er in keiner Teil-Ganzes-Beziehung zu den Objekten steht. 3.2.3.3 Morphologische Varia: Zu den auffälligen Charakteristika des klassischaztekischen Diskurses gehört der fast allgegenwärtige Gebrauch von gebundener evaluativer Morphologie, die in Form von verschiedenen Diminutiv- und Augmentativsuffixen auftritt. Dabei dienen diese Suffixe nicht nur dazu, dimensionale Eigenschaften von Objekten zu kodieren, sondern haben auch den Zweck, Werturteile aus Sprechersicht abzugeben, was auch in anderen Sprachen z.B. in Europa der Fall ist (Dressler & Merlini Barbaresi 1994). Das besonders häufig auftretende {tzin} ist zudem als Honorativzeichen in Verwendung.19 So finden wir es oft bei Namen von Personen, denen gegenüber der Sprecher oder Schreiber seine Reverenz erweisen möchte wie in Beispiel (18) aus dem Codex Florentinus (Anderson & Dibble 1974–1984, XIII: 31). 16
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18
19
Dass die Differenzierung des Possessionsbereich nach verschiedenen Subkategorien auch in Europa nicht gänzlich unbekannt ist, stellt eines der Hauptargumente von Stolz et al. (2008b) dar. Diese Äußerung tätigt Huitzilipochtli. Riese (2004: 87, Fußnote 381) vermutet hier eine Anspielung auf biblische Vorbilder. Abweichend von Launey (1995: 100) nehme ich mit Karttunen (1992) für dieses Suffix einen Langvokal an. Aus dem Kontext entnehme ich, dass es sich bei Launeys Kurzvokal möglicherweise nur um einen (recht konsequent durchgehaltenen) Verschreiber oder die Umsetzung der Annahme handelt, auslautende Vokale seien phonetisch grundsätzlich kurz. Dieses ―höfliche‖ {tzin} hat auch Wilhelm von Humboldt beschäftigt, der ihm die §§88–89 in seiner Schrift Ueber die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaus (Flitner & Giel 1963: 262–267) gewidmet hat.
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(18)
Eigennamen mit Diminutivsuffix -tzin Inin tzioacpopocatzin, qujmjxiptlatica in Motecuçomatzin. ‗Dies ist Tzihuacpopocatzin, der geehrte Moctezuma schickt ihn.‘
Das zu besprechende Affix tritt an zwei Eigennamen auf. Beim Namen von Moctezuma20, des Herrschers des Aztekenreiches zur Zeit der spanischen Conquista, in deren Kontext Beispiel (18) gestellt ist, handelt es sich um ein trennbares Element. In den narrativen Passagen des Textes und in den wenig respektvollen Äußerungen der Spanier kommt der Name ohne affigiertes {tzin} vor. Hingegen ist von Tzihuacpopocatzin immer nur mit Diminutivsuffix die Rede, unabhängig davon ob es sich um direkte Rede oder narrativen Text handelt. Dies ist mit einer Reihe anderer Namen von aztekischen Adligen nicht anders, sodass man davon ausgehen kann, dass das Honorativum Teil des Eigennamens war. Das Paradigma der evaluativen Morpheme ist übersichtlich bei Launey (1995: 107– 109) beschrieben. Tabelle 6 bietet einen knappen Überblick. Suffix -tzin -tōn -pōl -pil -zol
Funktion Diminutiv, Honorativ Diminutiv
Singular pil-tzin-tli
Plural pī-pil-tzi-tzin-tin
pil-tōn-tli
pī-pil-to-tōn-tin
Augmentativ, Deprekativ Diminutiv Deprekativ
cihuā-pōl(-li) tōtō-pil
cihuā-po-pōl(tin) tōtō-pi-pil cal-zol-li
Übersetzung ‗geehrtes Kindlein‘, ‗geehrte Kinderlein‘ ‗kleines Kindlein‘, ‗kleine Kinderlein‘ ‗dicke Frau(en)‘ ‗süße(s) Vögelchen‘ ‗Bruchbude‘ = ‗schlechtes Haus‘
Tabelle 6: System der evaluativen Morphologie (am Substantiv) Morphologisch sind diese evaluativen Affixe in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Besonderheit Nummer 1 manifestiert sich darin, dass – mit Ausnahme von {zol}, das nur an transnumerale Substantive (Inanimata) tritt – alle Affixe numerus-sensitiv sind und durch partielle Reduplikation vom Typ III pluralisierbar sind, sodass in manchen Fällen pro Wortform dreimal Plural markiert wird. Eine weitere interessante Distributionseigenschaft einiger dieser evaluativen Affixe ist ihre Fähigkeit, auch außerhalb des substantivischen Bereichs aufzutreten, namentlich an Verben. Beispiel (19) aus Launey (1995: 208) dokumentiert den Gebrauch von {pōl} zwecks Bildung einer deprekativen Verbform. (19)
20
Deprekative Verbform Ō-qui-tlazòtla-pōl-ô in à-cual-li in à-yec-tli. ANT-3SG.O.DEF-lieb-DEPR-VERBAL DET NEG-gut-ABS DET NEG-recht-ABS ‗Er liebte (schlimmerweise) das Schlechte [lit. das Ungute, das Unrechte].‘
Klassisch-aztekische Eigennamen sind ―sprechende Namen‖, das sie überwiegend transparente mehrgliedrige Bildungen darstellen. Bei Moctezuma kann man von einer perfektivischen reflexiven Verbform mit adverbialer Inkorporation mo-tēuc-zōmâ ausgehen, was wörtlich als ‗er hat sich als Herrscher erzürnt‘ oder freier ‗zorniger Herrscher‘ übersetzt werden kann.
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Die evaluativen Affixe werden oft bei Personennamen gesetzt. Daher kommen sie auch in der direkten Anrede mit gewisser Regelmäßigkeit vor. In diesem Kontext werden sie für gewöhnlich mit dem Vokativ kombiniert. Dabei zeichnet den Vokativ nicht nur die bereits erwähnte Betonung auf der Ultima aus, sondern auch der an das Geschlecht der Sprecher gebundene Wechsel zwischen langen und ―kurzen‖ Formen. Zwei Beispiele sollen dieses Zusammenspiel von evaluativem Affix und Vokativ belegen, vgl. (20)–(21). (20)
Männlicher Vokativ (Lehmann 1949: 87) titlacavane cujlompole, ilamaxoxolochpule, necociaotle ‗O (du) dessen Vasallen wir sind, o großer Schandbube! O runzelige alte Vettel! O nach beiden Seiten hin Feindlicher!‘
(21)
Weiblicher Vokativ (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 2) Nonopilhoantzitzin, ie ic çan ie tonvi ‗O meine geliebten Kinderlein, nun gehen wir schon dahin.‘
Bei (20) handelt es sich um die Anrufung einer aztekischen Gottheit im Zorn. Dieser Umstand erklärt die Verwendung des deprekativen {pōl} in drei der insgesamt vier vokativischen Wortformen. Alle Wortformen unter (20) enden auf betontes {e}, das den männlichen Vokativ darstellt: ilama-xōxoloch-pōl-é {alte_Frau}-{Runzel}-{DEPR}{VOK} ‗o altes runzeliges Weib!‘ – hier wird eine weibliche Gottheit beleidigt, der Sprecher muss ein Mann sein, da der Vokativ mit {e} gebildet wird. Im Gegensatz dazu ist die Wortform nonopilhuāntzitzin21 ‗o meine geliebten Kinderlein!‘ aus Satz (21) ein Beleg für einen weiblichen Vokativ. Auf das diminutivisch-honorativische Suffix {tzin} folgt kein weiteres Affix. Zwar fehlt im Unterschied zum männlichen Vokativ ein spezialisiertes Affix, aber dennoch ist der weibliche Vokativ vom rein deklarativen Gebrauch der Wortform dadurch zu unterscheiden, dass der Vokativ auch hier den (orthographisch nicht sichtbaren) Akzent auf der Ultima hat. Dass dies auch bei Wortformen gilt, die keine evaluative Morphologie tragen, zeigt das diesen Unterabschnitt beschließende Beispielpaar (22)–(23) – wiederum aus dem Codex Florentinus (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 67). (22)
Männlicher Vokativ Tiacavane, mexicae, ie onqujça in amoiauoan ‗O mutige Krieger, o Mexikaner, eure Feinde kommen schon heraus!‘
(23)
Weiblicher Vokativ Mexica, xioalnenemjcan, ie qujça, ie navalqujça in amoiaovan ‗O Mexikaner, bewegt euch alle her, eure Feinde kommen schon heraus, sie kommen heimlich heraus!‘
21
Auffällig ist an dieser Wortform, die in der verwendeten Quelle mehrfach auftritt, die Reduplikation des initialen Possessivpräfixes {no}.
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Beide Sätze stammen aus ein und demselben Paragraphen in Kapitel 24 (Buch XII), in dem die Flucht der Spanier und Tlaxcalteken aus Tenochtitlan geschildert wird. Der Ausruf (22) wird einem namentlich unbekannten Mann zugeschrieben, der seinen Landsleuten von der Huitzilopochtli-Pyramide aus die Information zuruft. Wenige Zeilen zuvor wird berichtet, wie eine ebenfalls anonyme Frau, die zufällig beim Wasserschöpfen die Beobachtung macht, die aztekischen Krieger auf ähnliche Weise warnt (siehe [23]). In beiden Fällen werden die Azteken mit ihrem Ethnonym direkt im Vokativ angesprochen. Der männliche Sprecher verwendet die Langform Mexìcàé, die Sprecherin nimmt die endbetonte Kurzform Mexícấ. Soweit sich dies überblicken lässt, machen sich Geschlechterunterschiede im Gebrauch grammatischer Kategorien für das Klassische Aztekische nur beim Vokativ bemerkbar.
3.3. Syntax Über die syntaktischen Eigenschaften des Klassischen Aztekischen ließen sich viele Seiten schreiben. Ich muss mich auf das Nötigste beschränken. Den weiteren Unterabschnitten sei vorangestellt, dass das Klassische Aztekisch wie die große Masse der Sprachen weltweit (darunter auch das Deutsche) syntaxtypologisch zu den NominativAkkusativ-Sprachen gehört, während in Mesoamerika durchaus auch ErgativAbsolutiv-Sprachen (z.B. die Mayasprachen) auftreten. Um einen Überblick über die Hauptmerkmale der klassisch-aztekischen Syntax zu gewinnen, ist es angeraten, die Diskussion mit den Wortarten zu beginnen. Erst danach können wir uns anderen Themen aus der Syntax zuwenden. 3.3.1. Wortarten und Omniprädikativität Das Arbeiten mit den aus der Analyse europäischer Sprachen gewonnenen Wortartbegriffen führt im Sprachvergleich nicht selten zu Problemen. Für viele indigene Sprachen Amerikas ist die Nomen-Verb-Distinktion, wenn nicht gleich gänzlich hinfällig (Sasse 1993), so doch deutlich anders geartet, als man dies aus der Kenntnis europäischer Schulsprachen vermutet. Morphologisch lassen sich zwar auch im Klassischen Aztekischen Nomen und Verben voneinander unterscheiden, aber ihre Zuordnung zu den syntaktischen Funktionen des Prädikats und seiner Argumente entspricht nicht den eurozentrisch geprägten Erwartungen. Dies zeigt sich beispielsweise an den in Satz (24) hervorgehobenen Elemente aus Lehmann (1949: 113). (24)
―Konjugierte‖ Nomen occêca tehoâtin techmotlaçotilia in titlaca in timaçehualti ‗Besonders uns liebt Er, die wir Menschen sind, die wir Untertanen sind.‘
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In den fettgedruckten Wortformen titlācâ ‗wir sind Menschen‘ und timācēhualtin ‗wir sind Untertanen‘ haben wir eine Kombination aus typisch verbaler Präfixmorphologie – hier das Subjektpräfix der 1. Person Plural {ti} ‗wir‘ – und der Pluralform eines Substantivs – hier tlācâ ‗Menschen‘ (Singular tlācatl) und mācēhualtin ‗Untertanen‘ (Singular mācēhualli) – zu tun. Beide Wortformen sind Beispiele für nominale Prädikate des Klassischen Aztekischen. Eine dem deutschen Seinsverb entsprechende Kopula gibt es nicht (siehe dazu unten). Was im Deutschen als Prädikativum in Kombination mit der Kopula erscheint, ist im Klassischen Aztekischen unmittelbar der Prädikatskern selbst, d.h. dass das Nomen morphologisch und syntaktisch wie ein Verb behandelt wird. Unter (25) liste ich weitere Beispiele für nominale Prädikate auf, die Subjektpräfixe der 1. Person Singular, der 2. Person Singular bzw. der 2. Person Plural tragen. (25) Weitere nominale Prädikate (25a) 2. Person Singular – Präfix {ti}: (Sell & Burkhart 2004: 232) Ca tinnoteyollaliCatzin ‗Du bist mein Trost.‘ (25b) 1. Person Singular – Präfix {ni}: (Sell & Burkhart 2004: 118) ca nintetlayecolticauh in yeintin tlatoque ‗Ich bin der Diener der drei Könige.‘ (25c) 1. und 2. Person Singular – Präfixe {ni} und {ti}: (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 31) qujlhujque. Cujx ie te in tiMotecuçoma? Conjto. Ca nehoatl in namotechiuhcauh in njMotecuçoma. ‗Sie sprachen zu ihm: Bist du vielleicht Moctezuma? Er antwortete: Ich bin euer Herrscher, ich bin Moctezuma.‘ (25d) 2. Person Plural – Präfix {am}: (Lehmann 1974: 101) ca amjxiptlavâ, amjpatilloâ ‗Ihr seid seine Abbilder, ihr seid seine Vertreter.‘ Es treten also sämtliche overten Subjektpräfixe in Kombination mit nominalen Elementen auf, um zusammen nominale Prädikate zu bilden. An Bedeutung gewinnt diese Beobachtung, wenn man die 3. Person Singular und Plural mit berücksichtigt. Das hierzu passende Beispiel (26) gibt die insistierenden Fragen der Spanier wieder, die von den aztekischen Boten Auskünfte über Moctezuma haben wollen (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 25). (26)
Nominale Prädikate in der 3. Person Singular I quenamj cujx telpuchtli, cujx yiolloco oquichtli, cujx ie veve, cujx ie tlachicalhuja, cujx ie veve tlamati, cujx ie veve tlacatl, cujx ie quaiztac? ‗Wie ist er? Ist er vielleicht jung? Ist er etwa ein erwachsener Mann? Ist er etwa körperlich stark? Ist er vielleicht schon ein weiser Alter? Ist er vielleicht ein alter Mensch? Ist er schon grauhaarig?‘
Diese Textpassage enthält acht Fälle von nominaler Prädikation, die sämtlich auf Moctezuma bezogen sind, indem sie ihm mögliche Eigenschaften zuschreiben. Die Prädika-
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te ihrerseits bestehen aus Substantiven bzw. durch Attribute modifizierten Substantiven (tēlpōchtli ‗ein junger Mann‘, [īyōllòco] oquichtli ‗ein [in seinem Herzen] erwachsener Mann‘, [huēhuê] tlācatl ‗ein [großer/greiser] Mensch‘) oder aus deverbalen Wortformen (quēnamî ‗wie ist er/sie/es?‘, tlachicalhuia ‗er/sie/es erstarkt‘, [huēhuê] tlamati ‗ein [großer/greiser] Wissender‘, cuāiztāc ‗Graukopf‘). Diese Prädikativa stehen – abgesehen von den optionalen begleitenden interrogativen und modalen Partikeln – allein; sie sind satzwertig, wie die Antworten von Moctezumas Boten auf die obigen Fragen zeigen, siehe (27) (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 25–26). (27)
Nominale Prädikate in der 3. Person Singular II Ca yiolloco oquichtli, amo tomaoac, çan pitzactõtli, çan pipitzactontli, çan cujllotic, cujllotcatontli. ‗Er ist ein erwachsener Mann, er ist nicht dick, er ist eher schlank, er ist wohl ziemlich schlank, er ist eher dünn, er ist recht dünn.‘
Die letzte Wortform in dieser Kette steht ohne begleitende Modalpartikel. Cuilōtcātōntli ist durch das Absolutivsuffix {tli} als Substantiv ausgewiesen. Auch das vorangehende Diminutivzeichen {tōn} steht für gewöhnlich bei Substantiven. Das lexikalische Morphem selber verweist auf das Nomen cuilōtl ‗Stock‘, das mittels {ti} verbalisiert und durch das Partizipialzeichen {cā} wieder als Ausdruck einer abstrakten Eigenschaft nominalisiert wurde.22 Morphologisch haben wir es also mit einem komplexen Nomen zu tun, dessen wörtliche Bedeutung etwa mit ‗(das) ein-wenig-wie-einStock-geworden-sein‘ = ‗(das) ein- bisschen-dünn-sein‘ wiedergegeben werden könnte. Ihm könnten die bekannten Subjektpräfixe angefügt werden, etwa nicuilōtcātōntli ‗ich bin recht dünn‘. Ohne Präfixe kommt nur ein Subjekt der 3. Person in Frage, sodass cuilōtcātōntli als ‗er/sie/es ist recht dünn‘ zu übersetzen ist. Der Vollständigkeit halber gebe ich aus der Crónica Mexicayotl (Riese 2004: 228) noch ein Beispiel für ein nominales Prädikat in der 3. Person Plural unter (28). (28)
Nominales Prädikat in der 3. Person Plural Yn oc omentin cihua In oc ōme-ntin cihua-^ DET noch zwei-PL Frau-PL ‗Die beiden anderen sind Frauen.‘
Hier steht der normale Plural cihuâ des Substantivs cihuātl ‗Frau‘ als nominales Prädikat. Zwischen dem pluralisierten Numerale ōmentin ‗zwei‘ und diesem nominalen Prädikat stellt kein Funktionselement die Verbindung her. Die Juxtaposition von lexikali-
22
Das /i/ der Verbalisierung kann in Kombination mit dem Partizipialsuffix {cā} synkopiert werden: cuilōticā > cuilōtcā ‗wie ein Stock geworden sein‘ = ‗dünn sein‘. Die volle Form mit dem Vokal ist noch in dem in Beispiel (27) unmittelbar vorangehenden Prädikat cuilōtic ‗er ist wie ein Stock (geworden)‘ = ‗er ist dünn‘ zu erkennen.
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schem Subjekt und nominalem Prädikat ist hinreichend, um eine grammatisch korrekte Konstruktion zu bilden. Tatsächlich verhalten sich nominale Prädikate und intransitive Verben im Präsens morphologisch gleich, was für Launey (1994: 50–51, 2004: 60–61) u.a. ein wichtiges Indiz dafür ist, dass im Klassischen Aztekischen Omniprädikativität obwaltet.23 Darunter versteht der französische Aztekologe die Eigenschaft der klassisch-aztekischen Inhaltswörter, ohne Rücksicht auf ihre Wortartzugehörigkeit als vollgültige Prädikate fungieren zu können. Nicht nur jedes Verb hat diese Eigenschaft, es teilt sie vielmehr mit allen Elementen, die nach europäischer Auffassung als Substantive, Adjektive, Numeralia u.a.m. zu klassifizieren wären. Zu einer vergleichbaren Interpretation gelangt auch Andrews (2003: 102–103), allerdings ohne eine sprachtheoretische Einbettung vorzunehmen. Die morphologische Parallele verbaler und nominaler Prädikate ist aus Tabelle 5 ersichtlich. Das Fehlen eines phonologisch realisierten Exponenten für das Subjekt der 3. Person markiere ich durch geklammerte Nullmorphemzeichen in Fettdruck und folge damit der Konvention von Andrews (2003) und Launey (2004), ohne damit etwas über die ―psycholinguistische Realität‖ des Nullmorphems zu präjudizieren. Person 1. Singular 2. Singular 3. Singular 1. Plural 2. Plural 3. Plural Grundbedeutung
Verbales Prädikat ni-cochi zi-cochi (0-)cochi ti-cochi-^ an-cochi-^ (0-)cochi-^ ‗schlafen‘
Nominales Prädikat ni-cihuā-tl ti-cihuā-tl (0-)cihuā-tl ti-cihua-^ an-cihua-^ (0-)ciuhua-^ ‗Frau‘
Tabelle 7: Paradigmata verbaler und nominaler Prädikate im Vergleich Der morphologische Parallelismus zwischen intransitiven verbalen und nominalen Prädikaten ist nicht vollständig, da beispielsweise die besonders bei den Bewegungsverben im engeren Sinne häufig auftretende Verwendung von Direktionalpräfixen an nominalen Prädikaten ausgeschlossen ist, während Verben grundsätzlich keine lokativischen Affixe/Klitika (siehe unten) zulassen, die bei Nomen sehr gängig sind. Ein viel wichtiger Unterschied ist jedoch, dass nominale Prädikate im Gegensatz zu verbalen Prädikaten durch gebundene Morphologie weder temporal noch modal noch aspektuell modifizierbar sind. Für diese Zwecke muss auf komplexe Konstruktionen zurückgegriffen werden, die auf den ersten Blick den Verdacht aufkommen lassen, dass im Klassischen Aztekischen gar nicht von Kopulalosigkeit gesprochen werden kann. Die Kopulalosigkeit ist allerdings für Launey (2004: 59) die an höchster Stelle rangierende Bedingung dafür, dass Omniprädikativität strukturell überhaupt möglich wird. 23
Für Launey (1994: 282) ist das Klassische Aztekische das Paradebeispiel für eine graduelle typologische Eigenschaft d.h. Omniprädikativität, die bislang sprachvergleichend noch nicht in hinreichendem Maß untersucht worden ist.
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Wenn nun in nicht-präsentischen Kontexten nominale Prädikation erfolgen soll, bedient sich das Klassische Aztekische einer Konstruktion, die aus zwei separaten Prädikationen besteht (je eine nominal und eine verbal), die koindiziert sind, d.h. dass sie identische Subjektpräfixe tragen (Launey 2004: 61). Das verbale Prädikat in dieser biklausalen Konstruktion nennt Launey (2004: 63–64) ―tense copula‖, deren Gebrauch das Beispiel (29) aus Lehmann (1949: 94) illustriert. (29)
Tempus-Kopula inic vel amjmacevalhuâ aniezque in-ic huel am-ī-mācēhual-huān DET-LOK gut 2PL-POR.3SG-Untertan-POSS.PL ‗damit ihr seine Untertanen sein werdet‘
an-ye-z-quê 2PL-sei-FUT-PL
Das nominale Prädikat amīmācēhualhuān ‗ihr seid seine Untertanen‘ kann nicht direkt in das Futur gesetzt werden. Dafür muss die Tempus-Kopula verwendet werden, die über zwei suppletive Stämme verfügt, nämlich ye- für Futur und Irrealis sowie cā für Tempora aus dem Vergangenheitsspektrum. Die Wortform anyezquê ‗ihr werdet sein‘ zeigt die normale futurische Morphologie des verbalen Paradigmas. Wo ―genuine‖ verbale Prädikate nur eine Wortform benötigen, um z.B. Tempusangaben zu integrieren, verteilen die nominalen Prädikate lexikalische und tempusbezogene Information auf zwei Wortformen. Zwar verhalten sich nominale Prädikate mithin morphosyntaktisch durchaus anders als verbale Prädikate; dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass auch substantivische Wortformen ohne Weiteres prädikativ sind. Dieser Umstand hat weitreichende Implikationen den Satzbau allgemein betreffend. Da ein autosemantisches Wort für sich nicht nur prädikativ, sondern auch satzfähig ist, liegt tendenziell ―Holophrasismus‖ vor, d.h. die Begriffe (Voll-)Wort und Satz sind koextensiv. Damit syntaktische Strukturen oberhalb der Einwortgrenze gewährleistet werden können, bedarf es Mechanismen, die potentielle Prädikate deprädikativieren d.h. zu Argumenten von anderen Prädikaten machen (Stolz 2008). Das Klassische Aztekisch bedient sich für diesen Zweck des Determinators in, den man allgemeiner als Deprädikativator bezeichnen kann. Sein funktionales Gegenstück ist die fakultative (und hier nicht weiter zu besprechende) Assertivpartikel ca, die als Prädikativator Verwendung findet (Launey 1994). Ohne in die Einzelheiten gehen zu können, illustriere ich dieses Wechselspiel anhand eines weiteren Beispiels aus dem Codex Florentinus (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 25). (30)
Deprädikativator und Prädikativator Injc chicunavi capitulo: vncã mjtoa in quenjn chocac Motecuçomatzin, yoan in chocaque mexica, in jquac oqujmatque, ca cenca chicaoaque in Españoles. ‗Das neunte Kapitel, wo gesagt wird, wie Moctezuma weinte und die Mexikaner weinten, als sie erfuhren, dass die Spanier sehr stark waren.‘
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In dieser Textpassage tritt der Determinator in viermal auf, die Assertivpartikel ca kommt nur einmal vor. Je nach grammatischer Beschreibung wird in als (spezifischer) Artikel, Relativpartikel oder multifunktionales Element eingestuft. Unabhängig von dieser Variation bei der Einstufung ist in jedem Fall klar, dass die Elemente, über die sich der Skopus von in erstreckt, zusammen keine syntaktische Einheit bilden, die für sich satzwertig ist. Vielmehr benötigen sie ein Prädikat, mit dem sie durch in verbunden werden. Mit anderen Worten: in leitet Argumente von Prädikaten ein. Argumente sind nach europäischer grammatischer Tradition typischerweise Nominalphrasen. Das trifft unter (30) lediglich auf das letzte Vorkommen des Determinators zu: in Españoles ‗die Spanier‘ ist das externe Argument (= ―Subjekt‖) des Prädikats chicāhuaquê ‗sie sind stark (geworden)‘. Hier fällt der Gebrauch von in aus europäischer Sicht auch nicht besonders auf, weil es mit dem Gebrauch des definiten Artikels z.B. in der deutschen Übersetzung korrespondiert. Das ist bei den drei übrigen Vorkommen von in allerdings nicht der Fall, da der Determinator jeweils mehrgliedrige syntaktische Einheiten mit eigenen verbalen Prädikaten einleitet, die von dem reflexivem mìtoa ‗es wird gesagt‘ abhängig sind:
in quēnin chōcac Motēuczomàtzin – wörtlich: ‗das wie-sehr-Moctezuma-weinte‘, in chōcaquê mexícâ – wörtlich: ‗das (die)-Mexikaner-weinten‘ in ícuāc ōquimatquê, ca cencâ chicāhuaquê in Españoles – wörtlich: ‗das als-siewussten-die-Spanier-waren-sehr-stark‘.
Es lässt sich also sagen, dass in satzwertige Ausdrücke anderen ihrerseits prädikativen Ausdrücken unterordnet. Mittels dieses Verfahrens können mehrgliedrige Syntagmen miteinander kombiniert werden, womit sie europäischen Satzgefügen aus mehreren Teilsätzen entsprechen. Im Unterschied zu den europäischen komplexen Sätzen ist die klassisch-aztekische Strategie aber auf alle Einheiten anzuwenden, die als Argumente fungieren sollen, d.h. ―einfache‖ Äquivalente von europäischen Nominalphrasen. Auf das Engste mit der Omniprädikativität verbunden ist auch noch die Rolle der Adjektive (Stassen 1997: 323–324 und 605). Es ist äußerst problematisch, von einer distinkten Wortart Adjektiv im Klassischen Aztekischen zu sprechen (Launey 1994: 116–122). Während Verben und Substantive sehr wohl über ihnen eigene morphologische Eigenschaften verfügen und somit voneinander unterschieden werden können, gelingt es nicht, eine Klasse Adjektive aufgrund von einheitlichen formalen Kriterien zu identifizieren. Mit wenigen Ausnahme wie huēyi ‗groß‘ lassen sich die meisten Übersetzungsäquivalente deutscher Adjektive als (mehr oder minder stark) verbale Wortformen analysieren, was typologisch keine ganz überraschende Konstellation darstellt (Pustet 1989: 112). Ich greife auf einige Wortformen aus den Beispielsätzen (26)– (27) und (30) zurück, um den verbalen Charakter der adjektivisch ins Deutsche übersetzten Belege zu beweisen (Launey 1995: 109–113). Die Bildung cuāiztac ‗Graukopf‘ ist ein Kompositum aus dem lexikalischen Morphem des Substantivs cuāitl ‗Kopf‘ und dem Farbausdruck iztac ‗weiß‘. Dieser Farbausdruck wiederum setzt sich zusammen
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aus dem lexikalischen Morphem des Substantivs iztatl ‗Salz‘ und dem Perfektzeichen {c}. Iztac kann also als ‗(wie) Salz geworden sein‘ verstanden werden. Dieses Muster der Verwendung von verbalen Perfektformen zwecks Eigenschaftszuweisung dominiert den Adjektivbereich. Die in Beispiel (27) belegte Wortform tomāhuac ‗dick‘ reflektiert die reguläre Perfektform des intransitiven Verbs tomāhua ‗dick werden‘; in dem gegebenen Kontext ist àmo tomāhuac als ‗er ist nicht dick geworden‘ übersetzbar. Eine Parallele bietet chicāhuaquê ‗sind sind dick (geworden)‘ aus Beispiel (30): das intransitive Verb chicāhua ‗dick werden‘ hat die Perfektform chicāhuac im Singular, die im Plural regelmäßig chicāhuaquê lautet. Im Unterschied zu den regulären Perfektformen der Verben können die auf ihrer Grundlage gebildeten ―Adjektive‖ nicht mit dem Anteriorpräfix {ō} kombiniert werden. Bei manchen Wortformen ist der Anschluss an Verben synchron nicht mehr ohne Weiteres möglich (z.B. bei [pi]pitzactōntli ‗ein [ziemliches] bisschen Schlankheit‘ aus [27]: dass eine etymologische Verbindung zu pitzāhui/pitzāhua ‗dünn werden‘ und pitzāhuac ‗dünn [geworden sein]‘ besteht, ist unbestreitbar, die nötige Verbform pitza ist mit passender Bedeutung jedoch nicht überliefert). Andere Möglichkeiten zur Eigenschaftszuweisungen, die das Klassische Aztekische nutzt, ist die Bildung von Komposita und Nomen-Nomen-Konstruktionen (Launey 1995: 109–110). 3.3.2. Weitere typologisch interessante syntaktische Eigenschaften Mit der komplexen Problematik der Wortklassen und der Omniprädikativität ist mittelbar eine Reihe von syntaktischen Phänomenen verknüpft, die auch in typologischer Hinsicht von Interesse sind. Um den Rahmen eines Aufsatzes nicht zu sprengen, spreche ich eine kleine Auswahl dieser Phänomene in geraffter Form an. Jedes einzelne von ihnen verdiente jedoch eine ausführliche Darstellung in einer Einzelstudie. 3.3.2.1. Adpositionen und/oder Lokalkasus: Das Klassische Aztekische wird gemeinhin nicht als Kasussprache angesehen, da es keine morphologisch kodierten grammatischen Kasus gibt, die mit bestimmten semantischen Rollen oder syntaktischen Funktionen korrelieren. Dennoch gibt es sog. Lokative in der Sprache, die sich morphosyntaktisch ambig verhalten. Wichtig zu wissen ist noch, dass Launey (1994: 233–253) Nomen u.a., die einen Lokativmarker tragen, aus dem von ihm propagierten System der Omniprädikativität ausschließt, weil sie keine eigene Satzwertigkeit besitzen, sondern nur in Kombination mit anderen Elementen auftreten können. Die Lokativmarker treten als morphologische Elemente – kaum Suffixe, eher Enklitika – an Substantiven und Pronomina auf, können aber auch von diesen getrennt auftreten, müssen dann allerdings obligatorisch das Possessivpräfix der 3. Person tragen (Launey 1995: 226). Daher nimmt Launey an gleicher Stelle an, dass es sich bei den Lokativzeichen um stärker grammatikalisierte relationale Nomina handelt (Stolz 1992a). Ein recht häufiges Element (unter ansehnlich vielen anderen) ist {pan} etwa
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‗an, bei‘, dessen schwankenden morphosyntaktischen Status das Satzpaar unter (31) aus Sell & Burkhart (2004: 128) dokumentiert. (31) Wechselnder morphosyntaktischer Status (31a) Enklitikon Xontlatemocan tlahueliloqueyen in teoamoxpan ‗Ihr Nichtsnutze, geht in dem heiligen Buch suchen!‘ (31b) Possediertes relationales Nomen oncan tlatemosque ipan in teoamoxtli in Judio teopixque ‗An diesem Punkt werden die jüdischen Priester in dem heiligen Buch suchen.‘ In beiden Fällen geht es darum, dass die jüdischen Priester nach Angaben über die Geburt Jesu in den heiligen Schriften suchen sollen. Das Heilige Buch heißt klassischaztekisch teōāmoxtli. Unter (31a) geht dieses Nomen mit {pan} eine enge Verbindung ein, sodass das Lokativzeichen als Teil der Wortform (in) teōāmoxpan ‗an (dem) Heiligen Buch‘ erscheint, wo es das Absolutivsuffix {tli} verdrängt. Mit derselben Bedeutung finden wir unter (31b) das zweigliedrige Syntagma īpan in teōāmoxtli, das wenigstens auf den ersten Blick wie eine Präpositionalphrase aussieht. Die Beziehung zwischen der ―Präposition‖ und ihrem nominalen Komplement kodiert das Possessorpräfix {ī} in īpan. Abgesehen von der Frage, ob die Omniprädikativität für lokativische Ausdrücke in den beiden unter (31) angeführten Fällen gleichermaßen blockiert ist, deutet die Variation des morphosyntaktischen Status der Lokativexponenten auf eine weitere Eigenschaft des Klassischen Aztekischen hin, die aus europäischer Perspektive überraschend ist, nämlich die hohe Flexibilität hinsichtlich der Zusammenstellung und Auflösung von Sätzen, Phrasen und Wörtern. 3.3.2.2. Wortstellung und Konfigurationalität: Das Klassische Aztekische firmiert als verbinitiale Sprache mit der Konstituentenfolge VSO. Damit gehört die Sprache zu einer der kleineren Klassen von Sprachen, die gerade einmal 7% seines 1.228 Sprachen umfassenden Samples ausmachen (Stolz 2007: 57). Innerhalb Mittelamerikas jedoch sind verbinitiale Sprachen mit ca. 45% ganz eindeutig überrepräsentiert (Yasugi 1995: 130–131), während sie beispielsweise in Europa nur ganz marginal vertreten sind. Steele (1976) nimmt zudem an, dass sich die VSO-Konstituentenfolge erst relativ spät im Laufe der uto-aztekischen Sprachgeschichte aus einer vorherigen SOV-Anordnung entwickelt habe. Die Formel VSO täuscht aber darüber hinweg, dass die Wortstellung im Klassischen Aztekischen pragmatisch gesteuert wird und daher recht flexibel ist (Launey 1995: 37– 40). Das ist sicher auch ein Effekt der relativ lockeren syntaktischen Integration von potentiell autonomen Prädikationen in einen strukturellen Komplex. Diese relative Freiheit der ―Satzglieder‖ führt nicht nur dazu, dass auf der obersten Ebene der unmittelbaren Konstituenten des Satzes gegen die kanonische Wortfolge wie in Satz (31) aus Anderson & Dibble (1974–1982, XIII: 66) verstoßen werden kann, sondern sie ermög-
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licht es außerdem, dass die Bestandteile dessen, was gemeinhin als eine zusammengehörige Phrase verstanden wird, voneinander getrennt an verschiedenen Stellen der Äußerung platziert werden können. Dies zeigt Beispiel (32) aus Reise (2004: 108). (32)
Thematisierung Auh in Itzquauhtzin conacalhujto Auh in Itzcuāuhtzin c-on-ā-cal-hui-to-^ und DET Itzcuahtzin O.3SG.DEF-hin-Wasser-Haus-geh-EXTRO.KOMP-PL ‗Aber den Itzcuauhtzin brachten sie auf einem Boot fort.‘
(33)
Distanzstellung Auh ycpac quitlalli yn tepetzintli yn itzonteco Auh ī-cpac qui-tlali-^ in tepē-tzin-tli in und POR.3-auf 3O.DEF-leg-PERF DET Berg-DIM-ABS DET ī-tzontecon POR.3SG-Schädel ‗Und er legte seinen Kopf auf den kleinen Berg.‘
In Beispiel (32) steht das Patiens Itzcuauhtzin links vom verbalen Prädikat, an dem es durch das Präfix {c} als definites Objekt der 3. Person indiziert ist. Die Objekt-NP nimmt diese Position ein, weil sie pragmatisch hervorgehoben ist. Im unmittelbar vorangehenden Paragraphen wird geschildert, was die aufgebrachten Azteken mit der Leiche von Moctezuma machen. Danach muss die Person Itzcuauhtzin als neuer Redegegenstand eingeführt werden, wofür die kanonische postverbale Position der NP ungeeignet ist. Wesentlich dramatischer als diese pragmatisch motivierte ―Allerweltserscheinung‖ ist das in (33) belegte Phänomen. In diesem Fall stehen die Elemente, die in der deutschen Übersetzung durch die Präpositionalphrase auf den kleinen Berg wiedergegeben werden, im klassisch-aztekischen Original keine unmittelbaren Nachbarn auf der syntagmatischen Ebene. Zwischen īpan ‗an/bei ihm/ihr‘ und seinem Bezugsnomen (in) tepētzintli ‗(der) kleine Berg‘ erscheint das verbale Prädikat quitlalî ‗er hat es niedergelegt‘. Syntaktische Wörter, die nach gängiger Analyse eine funktionale Einheit bilden, sind so über die Äußerung verteilt, dass sie durch den Einschub anderer Elemente, die nicht unmittelbar zu dieser funktionalen Einheit gehören, voneinander getrennt werden. Damit ist die Konfigurationalität in Frage gestellt, auf deren Nachweisbarkeit linguistischer Konstrukte wie z.B. der Phrase basieren. Für das Klassische Aztekische ist es aufgrund von Befunden wie dem unter (33) gebotenen z.B. problematisch, eine PP als syntaktische Einheit zu postulieren. Eine Sprache, in der die syntaktische Nachbarschaftsbeziehung von Elementen in hohem Maß variabel ist, wird als nichtkonfigurational eingestuft. Damit verhält sich das Klassische Aztekische anders als die meisten modernen Sprachen Europas. 3.3.2.3. Inkorporation und verwandte Phänomene: Europäischen Erwartungen entgegen stehen noch andere gängige Phänomene der klassisch-aztekischen Morphosyntax. In diesem Unterabschnitt werfe ich ein Schlaglicht auf Komposition, Inkorporation
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und Couplets, weil in diesen Bereichen die Grenzen zwischen Satz, Syntagma und Wort diffus zu werden scheinen. Wie oben bereits ausgeführt wurde, können klassisch-aztekische Wörter mittels Affigierung einen hohen Grad an morphologischer Komplexität erreichen, der sich in der zunehmenden Länge der Lautkette niederschlägt, die eine Wortform bildet. Multiple Affigierung ist jedoch nicht die einzige Quelle für morphologische Komplexität. Verkettende Komposition d.h. die Verbindung von mehreren lexikalischen Morphemen zu einer gemeinsam flektierten syntaktischen Wortform ist eine besonders im feierlichen Stil der klassischen Epoche gepflegte Strategie, die ich mit den Beispielen (34)–(35) aus dem Schauspiel über die Heiligen Drei Könige (Sell & Burkhart 2004: 144) belege. (34)
Nominales Kompositum in itlaçomahuizpepetlaquiliiÇenquizaÇenteconetzin in ī-tlazò-mahuiz-pe-petlaqui-liz-cen-quīz-(c)ā-cen-tē-conē-tzin DET POR.3-lieb-bewunder-RED-glänz-NOM-ein-herauskomm-PART-einINDEF.HUM-Kind-DIM ‗ihr geliebtes, bewunderungswürdiges, glänzendes, perfektes einziges Kindlein‘
(35)
Verbales Kompositum quimomiquiztlatzomtequililiznequi qui-mo-miqui-z-tla-tzon-tequi-lì-li-z-nequi O.3SG.DEF-REFL-sterb-NOM-O.INDEF-Haar-schneid-APP-APP-FUT-woll ‗Er will ihn zum Tode verurteilen.‘
Die Wortform ītlazòmahuizpepetlaquilizcenquīzcācentēconētzin besteht aus insgesamt 13 morphologischen Untereinheiten, die sich ins Deutsche nur durch eine enumerative Folge von fünf adjektivischen Attributen und ihrem diminuierten Kopfnomen halbwegs angemessen übersetzen lassen. Das Beispielwort unter (34) enthält sieben lexikalische Morpheme, die man als reine Stämme analysieren kann, d.h. dass ihnen jeweils mindestens ein morphologisches Element fehlt, um als eigenständiges syntaktisches Wort auftreten zu können: tlazò- < tlazòtla ‗lieben‘, mahuiz- < mahuizoa ‗bewundern‘, petlaquiliz- < petlaquiliztli ‗Glanz‘ (abstrakte Nominalisierung von pepetlaca ‗glänzen‘). Cenquīzcā- ist die gebundene Form von cenquīzqui ‗perfekt‘ (wörtlich: ‗als einer herauskommen‘), alle Vorkommen von cen- sind gebundene Formen von cē ‗ein(s)‘, conē- ist das lexikalische Morphem von conētl ‗Kind‘, das für die gesamte durch das Präfix {ī} als possediert gekennzeichnete Wortform das Diminutivzeichen {tzin} trägt. Wir haben es also nicht mit einer Anreihung von Wörtern, sondern mit der Verkettung von Stämmen zu tun, die alle zusammen das letzte Kompositionsglied, den Kopf der Konstruktion modifizieren. Dies fügt sich gut zu der obigen Beobachtung, dass eine distinkte adjektivische Wortart im Klassischen Aztekischen nicht ausgeprägt war und Eigenschaftszuweisung über andere Mittel – darunter Komposition – geleistet wurde. Komposition im verbalen Bereich ist keineswegs selten, wie dies die Wortform quimomiquiztlatzontequilìliznequi unter (35) andeutet. Von den elf Morphemen sind
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vier als lexikalisch einzuordnen. Das finale Element in der Morphemkette ist das Modalverb nequi ‗wollen‘, daher ist auch die gesamte komplexe Wortform als verbal anzusehen. Die Wortform illustriert ein übliches Verfahren unserer Objektsprache, nämlich den Zusammenschluss von Matrixverb und untergeordnetem Verb in einer gemeinsamen komplexen Wortform. In Beispiel (35) ist dies die Kombination aus dem Modalverb nequi mit dem lexikalischen Verb tzontequi ‗urteilen‘, das nicht nur selber bereits komplex ist (< tzontli ‗Haar‘ + tequi ‗schneiden‘), sondern doppelte Applikativmarkierung trägt – einmal, um anzugeben, dass jemand verurteilt wird, und einmal, um eine honorative Verbform zu bilden. In Kombination mit dem Modalverb nequi muss das lexikalische Verb zudem im Futur stehen, das durch das Affix {z} kodiert wird. Was im Deutschen durch mehrwortige Modalverbkonstruktionen geleistet wird, erfolgt im Klassischen Aztekischen durch Einbettung in einer Wortform. In (35) wird zudem durch miquiz- (< miquiztli ‗Tod‘) angegeben, welche Art von Strafe durch das Urteil bestimmt wird. Im Deutschen würde dies durch eine adverbiale Angabe etwa in Form einer PP geschehen. Im Klassischen Aztekischen wird hingegen sehr häufig auf das Mittel der Inkorporation zurück gegriffen, das vereinfacht gesagt darin besteht, dass in der verbalen Wortform alle die Satzglieder integriert oder vertreten sind, die in dem zu beschreibenden Sachverhalt eine Rolle spielen.24 Inkorporation ist in der indigenen Sprachenwelt des amerikanischen Doppelkontinents ein weit verbreitetes Phänomen (Mithun 1984). Launey (1999) unterscheidet für das Klassische Aztekische modifizierende Inkorporation, die wie in (36) (Lehmann 1949: 88) adverbiale Funktionen ausübt, von sättigender Inkorporation, bei der nominale Argumente des verbalen Prädikats in dessen Wortform integriert werden, wofür (37) aus der Crónica Mexicayotl (Riese 2004: 190) ein Beispiel liefert. (36)
Modifizierende Inkorporation in iehoantin anquĵteutlapiquja in yèhuā-n-tin an-quin-teō-tlapīquia-^ DET PRO.3-PL-PL 2PL.S-3PL.O-Gott-ausgeb-PL ‗diejenigen, welche ihr für Götter ausgebt‘
(37)
Sättigende Inkorporation quinhualcihuamacaque quin-huāl-cihuā-maca-qu-ê 3O.DEF:PL-her-Frau-geb-PERF-PL ‗Sie gaben ihnen Frauen.‘
Während in (36) teō- (< teōtl ‗Gott‘) in der Argumentstruktur des Verbs keine obligatorische Position einnimmt, keinen Partizipanten vertritt und daher nur die Verbbedeutung modifiziert, verhält es sich mit dem inkorporierten cihuā- (< cihuātl ‗Frau‘) in (37) 24
Inkorporation als sprachliches Verfahren hat Wilhelm von Humboldt so sehr fasziniert, dass er dem sogenannten ―Einverleibungssystem‖ in seiner epochalen Schrift Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues… breiten Raum zubilligte (Flitner & Giel 1963: 528–544).
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anders. Das ditransitive Verba maca ‗geben‘ erfordert neben dem Agens (= die herrschenden Brüder Huitzillihuitl und Tlatolzacatzin) und dem Rezipienten (= die Azteken) auch das transferierte Patiens (= Frauen). Nach traditioneller Lesart liegt eine Konstellation aus Subjekt, indirektem und direktem Objekt vor. Lexikalische direkte Objekte können unter bestimmten Bedingungen im Klassischen Aztekischen in Form ihres lexikalischen Morphems in den verbalen Komplex inkorporiert werden. Günstig für die Inkorporation ist es, wenn das direkte Objekt indefinit, unspezifisch, generisch ist und/oder die Handlung, an der es qua Partizipant beteiligt ist, habituell durchgeführt wird (Stolz 1991). Bezogen auf (37) bedeutet dies, dass die Frauen, von denen die Rede ist, unspezifisch sind. Es geht darum, dass die aztekischen Männer die Möglichkeit zu heiraten bekommen, wobei es für den Kontext irrelevant ist, welche Frauen genau von dieser Maßnahme betroffen sind. In den Satz (37) im Textzusammenhang vorangehenden und den unmittelbar folgenden Passagen spielen diese und andere Frauen als Redegegenstände keine Rolle. Inkorporation ist neben Passivierung u.a.m. eines der gängigen klassisch-aztekischen Verfahren, um Diskurspartizipanten in den Hintergrund zu schieben (Pustet 1992: 43–44). So kann die Entsprechung eines aus mehreren Satzgliedern bestehenden deutschen Satzes im Klassischen Aztekischen ein seinerseits mehrgliedriges Einzelwort sein. Dieser gewissermaßen integrativen Tendenz zur Zusammenfassung von verschiedenen Elementen zu einem Wort stehen wiederkehrende Muster gegenüber, in denen Einheiten aufgegliedert werden. Hierzu gehören die sogenannten Couplets, die feste zweigliedrige Verbindungen lexikalischer Elemente darstellen, die auf der Grenze zwischen Syntagma, Kollokation, Binominale und Kompositum angesiedelt sind (Stolz 1991). Höltker (1930) stuft diese Bildungen als ―dvandva-ähnlich‖ also eher als Komposita ein. Wälchli (2005: 151) erkennt die klassisch-aztekischen Fälle nur bedingt als Ko-Komposita an. Montes de Oca Vega (1994: 70–71) weist auf Parallelen in anderen indigenen Sprachen vor allem Mittelamerikas hin. Die Grundstruktur der Couplets gestaltet sich wie folgt: zwei nominale Ausdrücke, die für gewöhnlich durch den Determinator in eingeleitet werden, werden parallel flektiert und bilden eine in ihrer Linearisierung strikt festgelegte mehrwortige Einheit, die durch keinerlei Einschübe aufgebrochen werden kann. Jedes der beteiligten Wörter hat ein von dieser Verbindung unabhängige eigenständige Bedeutung, während die Bedeutung der Gesamtkonstruktion nicht unbedingt kompositionell erschließbar ist. Für viele Couplets gibt es einwortige Synonyme. In Tabelle 8 gebe ich drei Beispiele nach Montes de Oca Vega (2004: 75). Couplet I II in cuēitl ‗der Rock‘ in huīpilli ‗die Bluse‘ in cuāuhtli ‗der Adler‘ in ōcēlōtl ‗der Jaguar‘ in ātlan ‗im Wasser‘ in ōztōc ‗in der Höhle‘
Einzelwortsynonym in cihuātl ‗die Frau‘ in tēyāōchīhuani ‗der Krieger‘ in ohuìcayotl ‗die Gefahr‘
Tabelle 8: Typische Couplets und ihre Synonyme
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Der syntaktische Gebrauch von Couplets erhellt aus Beispiel (38), das ich dem Codex Florentinus entnehme (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 49). (38)
Couplet im Satzkontext Niman ie ic vi in vel itlatlatiaia Motecucoma in vmpa mopia in vel itech iaxca in motecucoma ‗Danach gingen sie auch schon zu Moctezumas Magazin, wo Moctezumas (höchstpersönliches) Eigentum aufbewahrt wurde.‘
In diesem Satz tritt das Couplet ītech īāxcā ‗sein (höchstpersönliches) Eigentum‘ auf, dessen Bestandteile durch das Präfix {ī} als possediert ausgewiesen sind. Der Besitzer wird auf das Couplet folgend durch den Eigennamen Moctezumas identifiziert. Während -tech ein stets possediertes relationales Nomen mit der Bedeutung ‗Nähe‘ ist, vertritt āxcā- das lexikalische Morphem von āxcāitl ‗Besitz‘. Die beiden Konstituenten des Couplets verhalten sich morphologisch und syntaktisch solidarisch. Mindestens eines der gängigsten Couplets schwankt zwischen zweiwortiger Konstruktion und Kompositum (Stolz 1991). Es handelt sich um die Ausdrücke für das Konzept STADT. Unter (39) führe ich typische Realisierungsformen an. (39) Ausdrücke für das Konzept STADT (39a) (Lehmann 1949: 73) yn vncan vey altepetl iiolloco ‗dort im Herzen der großen Stadt‘ (39b) (Sell & Burkhart 2004: 118) in ihuey Altepetzin Jerusalem ‗die große verehrte Stadt Jerusalem‘ (39c) (Sell & Burkhart 2004: 122) in noAltepeuh ‗meine Stadt‘ (39d) (Lehmann 1949: 94) in amatzin in amotepetzin ‗eure Stadt‘ (39e) (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 44) in Matzin, in motepetzin mexico ‗deine geehrte Stadt Mexiko‘ (39f) (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 44) in atl, in tepetl in Mexico ‗die Stadt Mexiko‘ Alle Ausdrücke enthalten die lexikalischen Morpheme der Substantive ātl ‗Wasser‘ und tepētl ‗Berg‘. Die Beispiele (39a)–(39c) zeigen ihre Verbindung als Kompositum āltepētl ‗Stadt‘ mit einem gemeinsamem morphologischen Apparat, während die Beispiele (39d)–(39f) die Coupletstruktur mit zwei parallel flektierten Wörtern reflektieren: trägt eines der beiden Glieder ein Affix – sei es Possessorpräfix, Diminutivsuffix oder Absolutivsuffix, trägt auch das zweite Glied dieses Affix: in ātl in tepētl ‗die Stadt‘. Für die Wahl der Kompositions- oder Coupletvariante ist es unerheblich, ob durch Apposition oder Attribution eine Modifikation des Ausdrucks erfolgt. Dieses Oszillieren zwischen Kompositum und Couplet ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Grenze zwischen Wort und Syntagma im Klassischen Aztekischen relativ leicht überschreitbar ist.
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3.3.2.4. Prodrop und “aktantielle Höflichkeit”: Eine weitere Eigenschaft, die zur Omniprädikativität beiträgt, besteht in der Optionalität von pronominalen Subjekten im Klassischen Aztekischen. Das Klassische Aztekische ist somit eine Prodrop-Sprache (Launey 1994: 43), wie es sie in großer Zahl auch in Europa und in anderen Weltteilen gibt. Zwar gibt es Pronomina im Klassischen Aztekischen, ihr Einsatz ist jedoch ziemlich strikt auf pragmatische Kontexte beschränkt, in denen es um Emphase, Thematisierung und Kontrafokus geht. Ein typisches Beispiel für ihren Gebrauch bietet (40) aus Anderson & Dibble (1974–1982, XIII: 44). (40)
Gebrauch der Pronomina qujto in Motecuçoma, ca quemaca ca nehoatl ‗Moctezuma antwortete: Ja doch, der bin ich.‘
Dieser Satz gibt Moctezumas Reaktion auf Córtez Frage wieder, ob er denn wirklich Moctezuma sei. Durch die Verwendung des Pronomens der 1. Person Singular nèhuātl ‗ich (bin es)‘ wird ausgeschlossen, dass irgendjemand anderes den Anspruch erheben könnte, Moctezuma zu sein. Pronomina gibt es in Kurz- und Langformen. Ihre Langformen tragen die typischen Absolutivsuffixe der Substantive. Wie diese Substantive sind die Pronomina gleichzeitig auch prädikativ, d.h. dass sie allein satzwertig sind: nèhuātl ‗ich (bin es)‘, tèhuātl ‗du (bist es)‘, yèhuātl ‗er/sie/es (ist es)‘, tèhuāntin ‗wir (sind es)‘, amèhuāntin ‗ihr (seid es)‘, yéhuāntin ‗sie (sind es)‘. Pronomina werden äußerst sparsam eingesetzt und wenn sie gebraucht werden, dann sind sie ihrerseits vollgültige Prädikationen. Durch die Optionalität der Pronomina mag sich bei deutschen Lesern die Frage einstellen, wie denn Höflichkeit, die im Deutschen u.a. über die Wahl von Pronomina geregelt ist, ausgedrückt wird. Tatsächlich geschieht der Ausdruck von Höflichkeit im Klassischen Aztekischen nicht über die aus Europa bekannt pronominale Strategie, sondern u.a. durch die Valenzerhöhung bei Verben (Launey 1995: 201–207) (siehe Tabelle 9). Ausgangsvalenzstufe Intransitiv (1) Transitiv (2) Ditransitiv (3) Reflexiv (2)
Prozess Kausativierung Applikativierung Applikativierung Affigierung von {tzin}
Höfliche Valenzstufe Transitiv (2) Ditransitiv (3) Tritransitiv (4) Reflexiv (2)
Tabelle 9: Valenzerhöhungsschema zwecks Höflichkeitsausdruck Es wird gewissermaßen ein ―Scheinaktant‖ (Stolz 1992b) eingeführt, der dazu dient, die verbale Wortform morphologisch komplexer zu machen und auf diesem Wege der respektwürdigen Person über zusätzliches morphologisches und phonologisches Material angemessen Bedeutung zuzubilligen. Dabei muss der Adressat der Respektsbezeugung keineswegs die angesprochene Person sein. Zentral ist bei der Valenzerhöhung, dass der zusätzliche Aktant durch ein Reflexivpräfix und die Diathesesuffixe für Kausativ bzw. Applikativ kodiert wird. Nur bereits von sich aus reflexive Verben entziehen sich diesem Mechanismus, weil mehrere Reflexivaf-
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fixe nicht nebeneinander stehen können. In solchen Fällen wird das Diminutivsuffix {tzin} verwendet und durch {oa} reverbalisiert. Durch die sonst übliche Reflexivierung wird zwar formal dem durch das Subjekt vertretenen Partizipanten eine zweite Leerstelle zugewiesen, weil Subjekt-Reflexiv-Identität gilt, aber dies bedeutet nicht automatisch, dass genau diesem Partizipanten auch der Respekt gilt (Launey 1995: 204). Ein Beispiel, bei dem den Angesprochenen Respekt gezollt wird, ist (41), das aus dem religiösen Streitgespräch zwischen aztekischen Adligen und spanischen Missionaren stammt (Lehmann 1949: 81). (41)
Respekt gegenüber Angesprochenen (= Agens/Subjekt) Oancômocaqujtique ō-an-c-on-mo-caqui-ti-^-quê ANT-2PL.S-O3.DEF-hin-REFL-hör-KAUS-PERF-PL ‗Ihr habt es gehört.‘
Das Verb caqui ‗hören‘ ist grundständig transitiv. Es hat daher obligatorisch eine Leerstelle für ein Objektpräfix, die in Beispiel (41) von {c} besetzt wird. Die andere Leerstelle steht für das Subjektpräfix zur Verfügung, das in diesem Fall {an} ist. Eine grammatische korrekte, aber pragmatisch unangebrachte Wortform wäre mithin ōanquicaquê ‗ihr habt es gehört‘. Höflich wird die Wortform dadurch, dass über Kausativierung25 mittels {tia} die Valenz um eine Stelle erhöht wird. Damit einher geht die Notwendigkeit, die höhere Valenz durch ein weiteres Präfix mit zu kodieren. Dafür kommt nur das Reflexivzeichen {mo} in Frage. Man könnte die aus diesen Prozessen resultierende Wortform daher auch mit ‗ihr habt euch veranlasst es zu hören‘ übersetzen. Ein Fall von Reverenz gegenüber dem Redegegenstand ist unter (42) aus demselben Text zu finden (Lehmann 1949: 85). (42)
Respekt gegenüber Redegegenstand (= Rezipient/indirektes Objekt) Tictomāquilia Ti-c-to-maqui-lia-^ 1PL.S-3O.DEF-1PL.REFL-geb-APP-PL ‗Wir geben es ihm.‘
Hier berichten die aztekischen Adligen über ihre kultischen Praktiken bei der Götterverehrung, wobei sie ihrem alten Gott durch Valenzerhöhung die Ehre erweisen, obwohl er nicht Agens, sondern Rezipient bei der Opferhandlung ist. Das ditransitive Verb maca ‗geben‘ hält zwei Positionen für Objektpräfixe frei, von denen nur eines von zwei definiten gesetzt werden kann (und zwar immer das auf der Belebtheitsskala höher stehende). Zusammen mit der präfixalen Subjektangabe ergibt sich die grammatisch korrekte, aber wiederum pragmatisch ungeeignete Wortform ticmacâ ‗wir geben es ihm‘. Erst durch Applikativierung und der damit verbundenen Einfügung des Reflexiv25
Es ist möglich, dass es sich um einen der unsystematisch auftretenden Applikative handelt, die mit dem Kausativ formal synkretistisch sind und daher {tia} verwenden (Launey 1995: 194).
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präfixes wird der Höflichkeitseffekt erzielt. Auch wenn die wörtliche Übersetzung ‗wir geben es uns für ihn‘ lautet, sprechen die aztekischen Adligen nicht höflich über sich selber, sondern signalisieren ihre Ehrerbietung gegenüber der alten Gottheit durch das Mehr an morphologischem Aufwand, den die von ihnen produzierte Wortform verlangt. 3.3.2.5. Numeralklassifikation: Zum Abschluss dieses Katalogs von strukturellen Eigenschaften des Klassischen Aztekischen werfe ich einen raschen Blick auf den Bereich der Numeralia. Dass das Klassische Aztekische wie viele andere Sprachen seiner Region ein (quinär-)vigesimales Numeralsystem hat (Yasugi 1995: 77–106) und damit in globaler Perspektiv zur Minderheit der Sprachen zählt (Comrie 2005: 530), ist vielleicht etwas besser bekannt als das Faktum, dass das Klassische Aztekisch auch über ein System der Numeralklassifikation verfügt (Aikhenvald 2000). Dieses System habe ich ausführlich in Stolz (2001) beschrieben. Der gebotenen Kürze halber fasse ich seine Grundstruktur vereinfacht zusammen. Soll eine numerische Quantifikation vorgenommen werden, so können nicht alle Substantive des Klassischen Aztekischen auf dieselbe Weise mit den Numeralia kombiniert werden. Insbesondere Nomen, die auf menschliche Wesen referieren, stehen mit dem Numerale in einer zweiwortigen Konstruktion ohne Relator, wobei Numerale und Substantiv im Numerus kongruieren (siehe [43]). Mensurative, speziell kalendarischer Art, bilden mit dem Numerale gewöhnlich ein Kompositum (genannt Autoklassifikator [konstruktion]) – siehe hierzu das Beispiel [44]. Inanimata anderer semantischer Klassen stehen wiederum in einer zweiwortigen Konstruktion, in der das Numerale allerdings mit einem speziellen Klassifikator zusammen ein Kompositum bildet. Diese Regeln gelten auch bei den analytisch aus den Kardinalia gebildeten Ordinalia, was in Beispiel (45) belegt wird. (43)
Numerale + Nomen[+menschlich] (Sell & Burkhart 2004: 122) in yeintin tlatoque in (y)ēyi-n-tin tlàtò-quê DET drei-PL-PL sprech-PL ‗die drei Herrscher‘
(44)
Numerale + Mensurativ (Sell & Burkhart 2004: 130) matlactli yhuan yeilhuitica màtlāctli īhuān (y)ēy-ilhui-ti-ca zehn und drei-Tag-LIG-mit ‗dreizehn Tage lang‘
(45) Numerale + Inanimatum (Anderson & Dibble 1974–1982, XIII: 2) Injc etetl tetzavitl in-īc ē-te-tl tētzāhui-tl DET-mit drei-Stein-ABS Omen-ABS ‗das dritte Omen‘
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In allen drei Beispielen ist das Numerale ēyi ‗drei‘ beteiligt. Aber nur unter (45) tritt es zusammen mit einem Klassifikator auf. Der Klassifikator ist identisch mit dem Substantiv tetl ‗Stein‘ und tritt als weitgehend generalisierter Klassifikator für Inanimata auf. Andere Klassifikatoren treten nur in bestimmten Kontexten auf und haben dann spezifischere Funktionen (Stolz 2001). Die Verwendung der Klassifikatoren ist aber in keinem der überlieferten Texte aus der klassischen Zeit obligatorisch, sodass nicht ohne Weiteres entscheidbar ist, ob sich zum Beginn der spanischen Kolonialherrschaft das System der Numeralklassifikation noch im Aufbau oder bereits im Abbau befand. Mit der Zunahme des spanischen Einflusses ist die Numeralklassifikation jedenfalls aus dem Sprachsystem verschwunden. Keine moderne aztekische Varietät macht Gebrauch von Numeralklassifikation.
4. Ausblick Um den vielfältigen und interessanten Aspekten der klassisch-aztekischen Sprachstruktur und ihrer Pragmatik gerecht werden zu kennen, bedarf es einer viel detaillierteren Darstellung als der von mir in diesem Beitrag gebotenen. Eine ausführliche deutschsprachige Grammatik des Klassischen Aztekischen ist seit dem heute in vielerlei Hinsicht revisionsbedürftigen Werk von Schœmbs (1949) nicht mehr publiziert worden. Die von mir vorgestellte Auswahl von Phänomenen weist allerdings darauf hin, dass eine nach den Gepflogenheiten der modernen Linguistik und auf dem heutigen Wissensstand geschriebene klassisch-aztekische Gesamtgrammatik einen großen Gewinn für gleich mehrere Interessentengruppen bedeuten dürfte. Verschiedene Zweige der Linguistik – darunter nicht zuletzt die Typologie und die allgemein-vergleichende Grammatik – können großen Nutzen daraus ziehen, wenn die Daten aus dem Klassischen Aztekischen in aufbereiteter Form zugänglich gemacht werden, um sie in allgemein-sprachwissenschaftliche Forschungen einfließen zu lassen. Wie die in Abschnitt 3 präsentierten Phänomene zeigen, kann das Klassische Aztekische oft als Kontrastfolie und Korrektiv für selbst nur unbewusst eurozentrisch geprägte linguistische Hypothesen fungieren. Das ist nur dann möglich, wenn die Strukturzüge der Sprache den Formaten der übereinzelsprachlich ausgerichteten Linguistik gemäß dargeboten werden. Für die Altamerikanistik im Allgemeinen und für die Aztekischforschung im Besonderen verspricht die Abfassung und Veröffentlichung einer deutschsprachigen klassisch-aztekischen Grammatik eine sichtbare Stärkung des Potentials dieser Forschungsrichtungen im akademischen Fächerkanon der deutschsprachigen Staaten. Sie bietet zudem die Möglichkeit, das Klassische Aztekische im deutschen Sprachraum über den universitären Rahmen hinaus bekannter zu machen, indem sie eine sprachliche Hürde weniger für den Zugang von linguistischen Laien bietet. Gleichzeitig bietet eine auf dem neuesten Stand der Forschung erstellte Grammatik die Chance, die Sprachbeschreibung adäquater zu gestalten und alte Rätsel mit neuen Mit-
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teln zu lösen, sodass die innere Systematik der Objektsprache mehr Transparenz gewinnt. Durch die hier ins Spiel gebrachte deskriptive Grammatik erhält auch die aztekische Philologie ein Instrument, mit dessen Hilfe die Arbeit an den klassischaztekischen Originaltexten erleichtert wird. Keineswegs zuletzt bedeutet das Projekt einer klassisch-aztekischen Grammatik auf Deutsch auch einen nicht geringen Wertschätzungszuwachs für die heutige (heterogene) Sprach- und Kulturgemeinschaft der sich auf die aztekische Herkunft berufenden ethnischen Gruppen Zentralmexikos. Dass es selbst zu den Gebieten, zu denen ich mich oben wortreich geäußert habe, noch viel mehr zu sagen gibt, braucht hier nicht mehr vertieft zu werden. Auch ohne weitere Einzelheiten anzusprechen, kann man den Schluss ziehen, dass sich die sprachwissenschaftliche Arbeit an und mit dem Klassischen Aztekischen lohnt.
Abkürzungen ABS ANT APP DEF DEPR DET DIM EVENT EXTRO FUT HON HUM IMPERF IMPERS INDEF
Absolutiv Anterior Applikativ definit Deprekativ Determinator Diminutiv Eventualis Extroversiv Futur Honorativ menschlich Imperfekt Impersonale indefinit
INKOMP INTRO IRR
K KAUS KOMP LIG LOK NEG NOM
NP O OPT PART PASS
Inkompletiv Introversiv Irrealis Konsonant Kausativ Kompletiv Ligatur Lokativ Negation Nominalisierer Nominalphrase Objekt Optativ Partizip Passiv
PERF PL PLQ POR POSS
PP PRO RED REFL
S SG
V VERBAL VET
Perfekt Plural Plusquamperfekt Possessor Possessum Präpositionalphrase Pronomen Reduplikation Reflexiv Subjekt Singular Vokal Verbalisierer Vetativ
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KLAUS ZIMMERMANN (BREMEN)
Otomí: eine kurze strukturelle und soziolinguistische Charakterisierung
Abstract The article gives a descriptive account of Otomi (Hñahñu), a language spoken in Mexico. Information provided includes a discussion of the range of alternate names of Otomi as well as geographical information on Otomi settlements. The article illustrates the language situation of Otomi and Spanish, the Dachsprache, which can be characterised in terms of a substitutive diglossia. It provides statistical and sociolinguistic data on mono- and bilingualism, describes the degree of endangerment of Otomi and the revitalization efforts of recent Mexican language policies. Phonological, grammatical, lexical, pragmatic and discursive features of Otomi are outlined in a structural sketch based on a typological and, in some cases, contrastive perspective with Spanish. Further topics include the linguistic lineage of Otomi and its phylum membership, a description of its dialects and an account of contact phenomena such as transferences from Spanish, contact varieties, and code switching. In addition, historic work on Otomi is outlined with special emphasis on the linguistic contribution by European missionaries.
1. Ethnohistorische Hinweise Die Sprache, die im folgenden beschrieben werden soll, wird im heutigen Mexiko entweder mit dem aus dem Náhuatl stammenden Fremdethnonym Otomí oder seit den 1980er Jahren auch zunehmend mit dem Eigenethnonym (in regional unterschiedlichen Realisationsformen) Hðähðu, Hðatho, Yuhu, N‟yũhũ benannt. Der Name Otomí wird aus Náhuatl tototl ‗Vogel‘ und mitl ‗Pfeil‘ hergeleitet und bedeutet Vogeljäger. Die Erklärung für Hñähñu ist teilweise gesichert: hñä ‗gesprochene Sprache‘, teilweise spekulativ: hñu < xi hño ‗es ist gut‘. Im 16. Jahrhundert, also zu Beginn der Kolonialzeit, aus der schriftliche Dokumente vorliegen, war das Siedlungsgebiet dieser Ethnie in Zentralmexiko, und zwar in den Gebieten, die man heute geographisch beschreiben kann als die Umgebung des Nevado de Toluca, die Provinz Xilotepec, Tula, die Sierra de las Cruces, der Norden des Valle de México, das Valle del Mezquital, Metztitlan, die Sierra de Puebla, Acolhuacan, Teile Tlaxcalas, das Valle de Puebla, der Osten von Michoacan und sogar bis in den Norden von Teilen Colimas. Die Otomíes hatten vor der Ankunft der Mexicas in der Hochebene nördlich des Texcoco-Sees das Otomí-Reich von Xaltocan (1220–1385) gegründet. Nach deren Ansiedelung gab es vielen Gebieten ein örtliches Nebeneinander zwischen den
Klaus Zimmermann
100
Otomíes und Náhuatl- oder anderssprachigen Völkern. Zur Zeit der Eroberung durch die Spanier waren die Otomíes vom Aztekenreich unterworfen und diesem tributpflichtig. Innerhalb des Aztekenreiches hatten sie ein niederes Sozialprestige (Carrasco 1950).
2. Heutige soziolinguistische Situation 2.1. Das Otomí – eine bedrohte Sprache
Sprache
Sprecher 2010
einsprachig 2010
Sprecher 2000
Sprecher 1990
Zweisprachig 1990 %
Einsprachig 1990 %
Ohne Angabe %
Sprecher 1970
Zweisprachig 1970 %
Jährliches Wachstum 1970–1990 %
Das Otomí muss als eine vom Aussterben bedrohte Sprache angesehen werden. Wie die meisten indigenen Sprachen Mexikos ist es von der Verdrängung durch das Spanische betroffen. Rein demographisch scheinen die Daten dieser Feststellung sogar zu widersprechen, denn wie Tabelle 1 zeigt, ist die Zahl der Sprecher absolut gesehen, jedenfalls wenn man den Erhebungsmethoden und -praktiken des offiziellen Zensus glaubt, sogar von 221.000 im Jahre 1970 auf 292.000 zu Beginn des 21. Jahrhunderts gestiegen. Diese Zahlen stellen allerdings nur eine oberflächliche Sicht dar. Gleichzeitig ist nämlich die Zahl der monolingualen Otomí-Sprecher gesunken und die Anzahl der bilingualen Sprecher sowie die Anzahl der jungen Otomíes, die nur noch Spanisch sprechen, gestiegen. Das Otomí ist eine der wenigen indigenen Sprachen, die von 2000 bis 2010 absolut an Sprechern verloren hat. In der Rangfolge der Monolingualen liegt sie mit 5,9% (3,8% bei der männlichen, 8,0% bei der weiblichen Bevölkerung) weit unter dem nationalen Durchschnitt.
Otomí
284.992
5,9
291.722
280.238
89,8
6,7
3,6
221.062
82,9
0,6
indigene 6.695.228 15,9 Sprachen Gesamt Mexiko
6.044.547
5.282.347 80,2
15,8
3,9
3.111.415 72,4
2,6
Tabelle 1: Sprecherzahlen des Otomí zwischen 1970 und 2010 (zweisprachige und einsprachige über 5 Jahre; relative Anzahl in Prozent, und jährliches Wachstum 1970–1990). (Quellen: INEGI 1993, Manrique Castañeda 1994, INEGI.gob.mx 2000, 2010) Wesentlich für das Überleben sind zwei weitere Faktoren: der Gebrauch der Sprache und damit die Weitergabe an die nächste Generation. Seit kurzem stellt die Comisíon Nacional para el Desarrollo de los Pueblos Indígenas einen Index der ethnolinguistischen Weitergabe (Índice de Reemplazo Etnolingüístico (IRE)) auf. Dieser stellt die Fähigkeit der sprachlichen Reproduktion einer Spre-
Otomí
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chergruppe dar, d.h. die Weitergabe der Muttersprache von den Eltern auf die Kinder oder generell in den Beziehungen der Vorfahren zu den Nachkommen. Der IRE misst also die Bedingung, ob die neuen Generationen die indigene Sprache überhaupt von den Eltern lernen können (vgl. CDI 2009). Dieser Index unterscheidet 4 Grade: beschleunigtes Aussterben, langsames Aussterben, Gleichgewicht der beiden konkurrierenden Sprachen sowie langsame Steigerung der Sprecherzahl. Das Otomí fällt nach den Daten von 2005 unter die erste Gruppe der beschleunigt aussterbenden Sprachen. Dieser Index bündelt die soziolinguistischen Beobachtungen im Feld. Zu beobachten ist, dass der Gebrauch des Otomí in den verschiedenen kommunikativen Domänen ständig abnimmt. Auch intraethnische und öffentliche Angelegenheiten in OtomíDörfern werden zunehmend auf Spanisch verhandelt, die sogenannte bilingualinterkulturelle Erziehung in den Schulen kommt nicht oder nur in einzelnen lokalen Programmen voran. Sie müsste, dem proklamierten Geist der neuen mexikanischen Sprachgesetze (Ley de derechos lingüísticos 2003) gemäß, auf breiter Front in Gang gesetzt werden. Ökonomisch bedingte, dauerhafte oder temporäre Migrationen (sowohl von Männern als auch von Frauen) bedeuten, dass entweder eine Abwanderung aus den ländlichen Gebieten und damit von Sprechern stattfindet und dass diese Migranten in den Zielgebieten, meist Städte, keine Verwendung mehr für ihre Herkunftssprache sehen (Terborg & Velázquez 2008). Allein die soziokulturelle Bindung an die ehemaligen Herkunftsdörfer wirkt dem entgegen, hat aber auch eine andere Seite, die des Hineintragens des Spanischen in die Herkunftsdörfer durch die Remigranten oder in den Zeiten der oft durch Patronatsfeste verursachten Rückkehr für eine bestimmt Zeit.
2.2. Substitutive Diglossie Das Verhältnis des Otomí zum Spanischen ist von der 500-jährigen politischen Vorherrschaft des Spanischen geprägt. Man findet in den Otomí-sprachigen Regionen unterschiedliche Formen eines sich in der soziolinguistischen Geschichte entwickelt habenden Machtverhältnisses zwischen den beiden Sprachen vor, die die politischen und sozialen Verhältnisse der Sprechergruppen widerspiegeln. Otomí-Gemeinden sind also keineswegs dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen ausschließlich Otomí gesprochen würde. Stattdessen ist die Situation in den Gemeinden am besten, wenn auch nicht wirklich genau, mit dem Begriff der Diglossie kategorisiert, allerdings in unterschiedlicher lokaler Ausprägung und in einem ständigen Wandel, dessen Richtung bisher einen abnehmenden Gebrauch des Otomí feststellen lässt. Man kann diese Tendenz am besten als substitutive Diglossie (Hamel & Muñoz 1982) bezeichnen. Zu beobachten ist auf der einen Seite eine Reduktion des Gebrauchs in früher dem Otomí vorbehaltenen Domänen verbunden mit dem Aufkommen neuer Domänen, die es früher nicht gab, in denen mit der Kommunikationsdomäne zusammen der Gebrauch der Sprache Spanisch übernommen wird. Spanisch ist Kommunikationsmittel und Unterrichtsgegenstand im Schulunterricht (teilweise abge-
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mildert durch Otomí als erlaubtem Kommunikationsmittel in den ersten Schulklassen), beim Handel mit außerdörflichen Partnern, beim Umgang mit außerdörflichen administrativen und juristischen Institutionen, bei temporärer Migration, in katholischen Gemeinden in religiösen Angelegenheiten (in evangelikal geprägten Riten wird dagegen Otomí verwendet), während man bei familiären und innerdörflichen oder zwischendörflichen Gesprächssituationen weiterhin die indigene Sprache bevorzugt. Eine Auszählung hat ergeben, dass auch hier in keinem Fall mehr alleine Otomí verwendet wird (Hekking 1995: 849). Jedoch wird auch in diesen Fällen in einigen Gemeinschaften oft schon Spanisch, und sei es nur durch zeitweiligen Wechsel in diese Sprache (Sprachalternation, Code Switching), verwendet.1 Sprachalternation ist ein Symptom für die zunehmende Akzeptanz des Spanischen. Die Funktionen des Wechsels zum Spanischen in primär Otomígeprägten Gesprächen zeigt oft einen strategischen Einsatz auf, der das soziale Prestige der Sprachen im diskursiven Bereich widerspiegelt. Auf der anderen Seite ist der schon im Zensus zum Ausdruck kommende Zuwachs der Zweisprachigkeit bzw. Abnahme der Otomí-seitigen Monolingualität auch soziolinguistisch konkreter fest zu machen. Es gibt Dörfer, in denen die indigene Sprache nur noch von den Alten gesprochen wird. Dörfer, in denen nur wenige Bewohner das Spanische beherrschen, die es in den 1970er Jahren noch gab, werden immer seltener, wie die sukzessiven Volkszählungen ausweisen. Die Verhältnisse sind sehr unterschiedlich von Dorf zu Dorf. Vereinfachend kann von einer prototypischen Situation ausgegangen werden, in der junge Männer und immer mehr auch junge Frauen eher zweisprachig und alte Frauen eher einsprachig sind. Als Reaktion auf den ökonomischen Druck ist in den Dörfern eine Zunahme an Bilingualität und – davon zu unterscheiden – eine Abnahme der Loyalität gegenüber der autochthonen Sprache festzustellen. Am weitesten geht diese, wenn OtomíEltern beschließen, mit ihren Kindern nur noch Spanisch zu sprechen, um ihnen vermeintlich die schulische Sozialisation zu erleichtern und dadurch Vorteile im Berufsleben außerhalb der Dorfgemeinschaften zu verschaffen.2 Eine gravierendere Situation entsteht, wenn Otomís ihr Dorf verlassen und in die Stadt auswandern. In der ersten Generation dieser Auswanderer kommt es noch nicht zum Sprachverlust. In der Stadt wird die Sprache der zweiten Generation meist nicht weitergereicht, da hier ganz besonders oft mit den Kindern Spanisch, und zwar ein durch besondere Merkmale gekennzeichnetes Otomíspanisch, gesprochen wird. Eine andere Art der Migration scheint allerdings dem Gebrauch des Otomí förderlich zu sein, die temporäre Migration in die USA. Unter diesen Migranten findet sich eine hohe Anzahl an Indianern. Otomís wohnen dort oft zusammen und pflegen in diesen ―Wohngemeinschaften‖ die ethnisch-kulturelle Heimats- und Identitätssprache (eigene Erhebungen). 1
2
Mit modernen Analysemethoden wurden diese dokumentiert und beschrieben für das Otomí von Hamel (1988). Zur Frage der Diglossie in Mexiko allgemein und des Otomí vgl. Zimmermann (2010a).
Otomí
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3. Geschichte der Erforschung des Otomí Sprachzeugnisse des Otomí aus der Kolonialzeit gibt es nur wenige, die existierenden sind bei Wright Carr (1997 und 2004) aufgelistet. Unser Wissen über das Otomí der vergangenen Jahrhunderte basiert weitgehend auf den Arbeiten der Missionarslinguistik. Schon im Zuge der Missionierungsbestrebungen und der nachfolgenden seelsorgerischen Betreuung der Otomíes durch die katholische Kirche in der Kolonialzeit, bis zur Unabhängigkeit Mexikos (1810–1820), entstanden eine ganze Reihe von sprachwissenschaftlichen Studien (Grammatiken und Wörterbücher) sowie Katechismen in Otomí (vgl. Zimmermann 1997). Viele dieser Studien wurden jedoch nicht publiziert und liegen nur als Manuskripte verstreut in mehreren Ländern vor, einige wurden im 20. Jahrhundert nachträglich veröffentlicht, andere sind offenbar verschollen. Die Aufstellung von Contreras García (1986) zeigt – auch hinsichtlich der anderen Indianersprachen – eine erstaunliche sprachwissenschaftliche Aktivität dieser heute als Missionarslinguistik bezeichneten frühen Form von Angewandter Linguistik zum Zwecke der Sprachvermittlung an Missionare (Zimmermann 2004). Gedruckt oder nachträglich ediert sind z.Zt. folgende Grammatiken und Wörterbücher allgemein zugänglich: Die Grammatik des Pedro de Cárceres ist Ende des 16. Jahrhunderts entstanden (1580), als Manuskript überliefert gewesen, aber erst 1905 ediert worden. Im 18. Jahrhundert entstanden die Grammatik des Luis de Neve y Molina (1767, Faksimile 1975) und die anonymen Luces del Otomí, deren Entstehung E. Buelna, der das Manuskript 1896 edierte, als kurz nach der Grammatik des Neve y Molina angibt. Die Luces del Otomí stellen nicht nur eine Sammlung von Exzerpten und Zusammenfassungen früherer Manuskripte und Schriften zur Grammatik und zum Wortschatz des Otomí dar, sondern können auch gewissermaßen als erste sprachwissenschaftliche Studie der Otomí-Missionarslinguistik und überhaupt der Missionarslinguistik angesehen werden (vgl. Zimmermann 2012). Berichtet wird darin über Manuskripte folgender Autoren: 1. Don Eusebio de Escamilla, Lehrstuhlinhaber an der Universität Mexikos 2. Den Schülern von D. Ignacio Santoyo, Capellan am Hospital Real und Synodal des Otomí 3. Horacio Carochi 4. Francisco Jiménez 5. Juan Sánchez de la Baquera, Sekularpriester von Tula (Diese Studie ist nur als Manuskript erhalten.) 6. Luis de Neve y Molina, der von Kind auf Otomí gesprochen haben soll. Als Manuskript erhalten ist ein Wörterbuch von Alonso Urbano (1605, ediert 1990 von René Acuña) und das Manuskript eines anonymen Wörterbuchs (Horacio Carochi zugeschrieben) von 1640.3 Außerdem das Manuskript einer Kurzgrammatik von Antonio de Agreda (1771). 3
Für eine nähere Beschreibung und eine Studie zu diesen Wörterbüchern vgl. Zimmermann (2009).
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Als Katechismen in Otomí-Sprache zu nennen sind der frühe 1576 von Vargas, 1783 von Guadalupe Ramírez und der 1826 von Joaquín López Yepès verfasste. Für das 19. Jahrhundert ist weiterhin auf das Vokabular hinzuweisen, das als Anhang in dem schon genannten Katechismus von López Yepes (1826) enthalten ist. Mit diesen, auch noch in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit erscheinenden Katechismen und darin enthaltenen Vokabularien und Graphisierungen kann man die missionarslinguistischen Beiträge zum Otomí (abgesehen von den evangelikalen des 20. Jahrhunderts) als beendet betrachten. Im 19. Jahrhundert beginnt parallel zu den missionarslinguistischen Arbeiten – zögerlich – eine neue Phase der amerindischen Linguistik in Mexiko. Interessanterweise spielt hierbei das Otomí eine wichtige Rolle, denn als erste Arbeit dieser neuen Generation muss die Dissertation von Manuel Crisóstomo Náxera (1845) gelten, in der es nicht mehr um religiöse und sprachlehrende Ziele geht, sondern um komparativistische Fragen hinsichtlich der angenommenen Verwandtschaft des Otomí zum Chinesischen (wegen der Tonhöhen). Eine weitere Dissertation zum Otomí hat der Otomí-Muttersprachler G. Mendoza (1872a) verfasst und im Boletín de la Sociedad Mexicana de Geografía y Estadística (in dem später auch die Grammatik des Pedro de Cárceres editiert wurde) publiziert. Interessant ist diese Arbeit weniger wegen ihres Beitrages zum Otomí selbst als wegen der Kontroverse mit Francisco Pimentel, zu der sie Anlass gab (Pimentel 1872a, Mendoza 1872b, Pimentel 1872b). Hier wurden am Beispiel des Otomí einige interessante Fragen sprachwissenschaftlicher Ideologien (Armut-Reichtum von Sprachen, soziogenetische Entstehung von Sprachen, subjektive ästhetische Empfindungen gegenüber einer bestimmten Sprache u.ä.) diskutiert, die auch heute noch als Diskussionspunkte immer wieder auftauchen. Neben diesen in Mexiko entstandenen Beschreibungen ist im 19. Jahrhundert auch auf die auf der Grundlage von Neve y Molinas Grammatik und in einigen Teilen auf den linguistischen Teilen des Katechismus von López Yepes beruhende Grammatik des Otomí von Wilhelm von Humboldt hinzuweisen, die er im Rahmen seines Projektes der vergleichenden Beschreibung aller (indigenen) amerikanischen Sprachen verfasste, die allerdings Fragment geblieben ist.4 Die auf Italienisch erschienene Grammatik des Piccolomini ist nur eine Übersetzung der Grammatik von Neve y Molina. Im Zuge des Projektes eines Otomí-Wörterbuches hat Ecker (1949/50) als Einleitung zu diesem nicht zu Ende geführten Vorhaben auf der Grundlage einiger der genannten Schriften einen Abriss der Grammatik des – kolonialzeitlichen – Otomí versucht. In eine modernere und revidierte Darstellungsform bringt Kudlek (1982) das ―klassische‖ Verbalsystem des Otomí auf der Grundlage der handschriftlich überlieferten Grammatiken von Cárceres und Alonso Urbano (1605). Letztere ist eine kurze Grammatik von 30 Seiten mit einem dreisprachigen Wörterbuch Spanisch-Náhuatl-Otomí (ediert 1990). 4
Herausgegeben und eingeleitet 2009 von Klaus Zimmermann in der Sammlung seiner Schriften zu den ―mittelamerikanischen‖ Sprachen. Eine Studie dazu von Zimmermann (1994).
Otomí
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Die erste deskriptive Beschreibung des Otomí im 20. Jahrhundert gibt Jacques Soustelle (1937: 103–263) innerhalb der ethnographischen Studie zur Sprachfamilie der Otomí-Pame-Gruppen.5 Er beschreibt darin nicht nur das Otomí, sondern leistet auch eine diatopische Gliederung und bietet eine kleine Geschichte des Sprachwandels seit den ersten schriftlichen Dokumenten. Die weitere Beschäftigung mit dem Otomí in diesem Jahrhundert ist dann geprägt von den Linguisten des Summer Institute of Linguistics (in den spanischsprachigen Ländern: Instituto Lingüístico de Verano), obwohl auch außerhalb dieser Organisation wichtige Studien zum Otomí durchgeführt wurden (z.B. von dem in Mexiko naturalisierten Österreicher Robert Weitlaner und seinen Schülern sowie dem Nordamerikaner H. Russel Bernard). Neben vielen Studien in Fachzeitschriften von Ethel Wallis, Donald Sinclair, Doris Bartholomew, Joyce Jenkins, Katherine Voigtlander, Nancy Lanier, Harwood Hess, Artemisa Echegoyen Gleason, sind an größeren Werken vor allem Hess (1968), Luces contemporáneas (1979, erarbeitet v.a. von Voigtlander, Jenkins, Echegoyen Gleason) zu nennen. Nach 1990 haben sich vor allem Yolanda Lastra und Ewald Hekking intensiv mit der Struktur des Otomí beschäftigt. Neben einer Anzahl von Artikeln ist die Grammatik mit Wörterbuch des Otomí von Toluca (Lastra 1992) und die Grammatik des Otomí von Santiago Mexquititlán von Hekking & Andrés de Jesús (1984) zu nennen, sowie die Studie zur Frage des Adjektivs von Palancar (2006). Lexikographisch ist das Otomí in einer Reihe von Wörterbüchern erfasst. Zu nennen ist das lange Zeit einzig verfügbare kleine Diccionario des Otomí des Valle del Mezquital von 1956/1972. Dann haben Hekking & Andrés de Jesús (1989) in Anlehnung an das genannte für das Otomí des Staates Querétaro ein Wörterbuch SpanischOtomí erstellt. Das bisher anspruchsvollste zweisprachige Wörterbuch mit einer komplexen Mikrostruktur ist das von Hernández Cruz, Luis; Victoria Torquemada, Moisés & Sinclair, Donaldo erarbeitete, 2004 veröffentlichte Diccionario del Hñähñu (Otomí) (das einen Teil Otomí-Spanisch und einen Spanisch-Otomí enthält). Im Druck befindet sich ein für die bilingual-interkulturelle Erziehung konzipiertes zweisprachiges Wörterbuch von Hekking; Andrés de Jesús & Santiago Quintanar. Bezeichnend für die soziolinguistische Situation und die der Erforschung durch exogene Wissenschaftler ist, dass die lexiko-semantische Welt des Otomí bis heute immer noch nur aus der Sicht und in Termini des Spanischen dargestellt wird. Ein Wörterbuch des Otomí, dessen Semantik in Otomí für Otomís dargestellt wird, gibt es bis heute nicht. Dieser innovativen Aufgabe stellen sich Hekking; Ángeles González & Bernabé Chávez (2007: 699–704), die ein hybrides Wörterbuch, das mono- und bilingual gleichzeitig ist, planen. Darüber hinaus gibt es eine Anzahl von historisch-komparativen Studien zur Otomangue-Sprachfamilie, von denen als einschlägig neben Soustelle (1937) noch Bartholomew (1965) und Rensch (1976) zu nennen sind, sowie soziolinguistische Stu5
Handschriftliche Aufzeichnungen zum Otomí aus den 1930er Jahren liegen auch von Walter P. Lehmann vor. Sie befinden sich im Archiv des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin.
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dien zum Sprachkontakt Otomí-Spanisch, wie etwa von Hamel (1988), Zimmermann (1992a) und Hekking (1995), Terborg & Velázquez (2008), Bakker & Hekking 2010.
4. Genetische Charakterisierung und Zugehörigkeit zu Sprachfamilien Das Otomí ist eine Sprache, die – genetisch klassifiziert – innerhalb der OtomangueSprachfamilie zu der Untergruppe des Otopame zählt. Die Otomangue-Familie enthält daneben noch die Untergruppen des Popolocanischen, des Subtiaba-Tlapanekischen, des Amuzgo, des Mixtekanischen, des Chatino-Zapotekischen, des Chinantekanischen und des Chiapanekisch-Mangue. Innerhalb der Otopamegruppe bilden die Gruppen des Otomianischen und des Pameanischen zwei Hauptgruppen. Die Otomianische Gruppe gliedert sich in das Otomí einerseits und das Mazahua andererseits (vgl. hierzu Suárez 1983: XVI). In Mexiko werden neben der Otomangue-Sprachfamilie noch die UtoAztekische, die Totonak-Tepehua, die Taraskische, die Cuitlatekische, die Huave-Familie mit nur einer Sprache, die Tequistlatekisch-Jicaque, die Mixe-Zoque und die MayaSprachfamilie (mit einem Hauptanteil von Sprachen in Guatemala) unterschieden, von denen die meisten ähnlich komplexe Untergliederungen aufweisen wie die OtomangueFamilie. Zwar hat Greenberg (1987) die These aufgestellt, dass sich alle auf den beiden Teilen des amerikanischen Kontinentes befindlichen Sprachen (außer dem EskimoAleutischen und dem Na-Dene) zusammenfassen lassen, also genetische Verwandtschaft aufweisen (―fall into a single vast assemblage‖, Greenberg 1987: 38), doch ist allein in Mexiko mit seinen neun Sprachfamilien und 72 Sprachen – ohne die dialektale Untergliederung zu berücksichtigen – die Situation sicher ebenso komplex wie in ganz Europa. Allerdings ist dieser Vergleich nicht ganz unproblematisch. Da es oberhalb des Begriffs Sprache keine Standardterminologie für Grade der Differenzierung von Gruppierungen gibt (Suárez 1983: 26), spricht Suárez bei Gruppierungen wie ―Otomangue‖ lieber von ―Hyperfamilie‖ oder ―Stamm‖ (stock). In diesem Sinne befände sich die Gruppierung ―Otomangue‖ sogar auf der Ebene ―Indogermanisch‖. Wenn man – abweichend vom genetischen – das Kriterium des Sprachbundes ins Spiel bringt, und parallel zum kulturellen Raum Mesoamerika einen mesoamerikanischen Sprachbund ansetzt, wofür Campbell et al. (1986), gestützt auf fünf Kriterien, plädieren, dann ist Mexiko in dieser Hinsicht mindestens zweigeteilt, denn die nördliche Grenze dieses mesoamerikanischen Sprachbundes verläuft durch Mexiko, entlang einer Linie, die in etwa durch die Städte Tepic, Guanajuato und Tampico markiert wird. Zum mesoamerikanischen Sprachbund gehören somit nur die südlich dieser Linie gesprochenen Sprachen. Die nördlich dieser Linie gesprochenen indomexikanischen Sprachen wären einem nordamerikanischen Sprachbund angehörig.
Otomí
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5. Typologische Beschreibung 5.1. Zum Ansatz einer perspektivischen Charakteristik Mit Bezug auf den Begriff ―Charakteristik‖ soll in Anlehnung an Humboldt (VI: 150 f.) eine bestimmte individuelle Eigentümlichkeit des Otomí herausgeschält werden. Und mit der näheren Bestimmung ―perspektivisch‖ soll dem Umstand Ausdruck verliehen werden, dass diese Charakteristik von einer bestimmten Position aus auch kontrastiv durchgeführt wird. Diese Position ist eine indoeuropäische und besonders hispanistische. Dies rechtfertigt sich aus der konkret vorliegenden Situation, dass das Otomí seit ca. 500 Jahren mit dem Spanischen im Rahmen einer kolonialen und nach der Unabhängigkeit Mexikos intern-kolonialen Beziehung in Kontakt steht. Daraus resultierend ist es als eine vom Spanischen ―überdachte‖ Sprache zu sehen.6 Und manche ―Besonderheit‖ wird deshalb hier aufgeführt, da sie durch den Sprachkontakt von spanischen Formen und Strukturen ersetzt wird und dadurch typologische Neueinstufungen einhergehen können. Eine Charakterisierung aus indoamerikanistischer Sicht (eine frühere Überdachung in vorspanischer Zeit kann durch das Náhuatl angesetzt werden) würde sich davon beträchtlich unterscheiden. Sie würde entweder die genealogischen Beziehungen der amerikanischen Sprachen thematisieren und müsste die dafür relevanten Aspekte in Betracht ziehen. Oder sie würde zum Zweck der Darstellung der Einbettung des Otomí in einen mesoamerikanischen Sprachbund (Campbell et al. 1986: 556) die in diesem Zusammenhang relevanten Merkmale fokussieren, nämlich die Merkmale, die als Kandidaten für Gemeinsamkeiten mit Sprachen in geographischen Arealen in Frage kommen, und die nicht auf die Suche nach genetischer Gemeinsamkeit zum System der jeweiligen Sprache abzielen. Die gewählte Form der perspektivischen Charakteristik bezieht Elemente dessen mit ein, was Ineichen (1979: 111) ―typologische Charakterisierung‖ genannt hat, indem entlang der geläufigen Typologisierungsmerkmale vorgegangen wird, so dass auch ein Anschluss an die Sprachtypologie gegeben ist.
5.2. Typologische Charakteristik Die Forschungslage zum Otomí war offenbar so defizient, dass bis vor kurzem keine typologische Beschreibung des Otomí möglich war. Die Handbücher waren diesbezüglich jedenfalls sehr zurückhaltend. In Handbuch von Meillet & Cohen (1952) beschränkte man sich, ebenfalls wie noch in den Current Trends in Linguistics (1973), 6
―Überdachung‖ ist ein sprachpolitisches Verhältnis, das eine besondere Art von Spracheinfluss einer politisch dominanten und kulturell hegemonialen Dachsprache auf die überdachte Sprache hervorrufen kann, vgl. zum Phänomen der ―Überdachung‖ Kloss (1978: 60f.).
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fast gänzlich auf Angaben zur Einordnung in Sprachfamilien, zur geographischen Lage und zu demographischen Zahlen. Eine spezielle typologische Charakterisierung existiert (mit Ausnahme der Beschreibung von Adelung 1806) auch heute noch nicht, jedoch kann man den von Suárez (1983) in äußerst verdienstvoller Arbeit zusammengestellten und synthetisierten Analysen mesoamerikanischer Sprachen wertvolle typologisch relevante Daten entnehmen.7
5.3. Phonetisch-phonologischer Bereich 1) Tonalität Die charakteristischste Erscheinung im phonologischen Bereich des Otomí ist sicher der phonematische Charakter der Tonhöhen. Das Otomí operiert auf zwei Tonhöhen und unterscheidet drei Tonhöhenausprägungen: Hochton, Tiefton und steigender Ton. Die Erkenntnis, dass das Otomí eine Tonsprache ist, war lange umstritten. Als erster hat darauf seltsamerweise ein Historiker zu Beginn des 17. Jahrhunderts, Herrera (1601), mit ziemlicher Deutlichkeit hingewiesen. In Kenntnis dieses Textes hat der spanische Jesuit und Sprachforscher Lorenzo Hervás 1805 ebenfalls diese Feststellung getroffen. In seiner Dissertation hat auch Náxera (1845: 32,47) die Qualität des Otomí als Tonsprache erkannt und dieses Merkmal zum Ausgangspunkt seiner These der Verwandtschaft mit dem Chinesischen genommen. Pedro de Cárceres (1580) scheint in dieser Richtung etwas geahnt zu haben, macht aber keine klare Aussage und Ecker (1949/50), der seine Kenntnisse aus den kolonialzeitlichen Grammatiken bezieht, ebenfalls nicht. Soustelle (1937: 430) spricht sich noch explizit und polemisch gegen den von Náxera (1845) als ―modulaciones de la voz‖ benannten Sachverhalt der Töne aus: Il a d‘abord essayé d‘établir que tout les mots otomís se comportent fondamentalement qu‘une syllabe, qu'il y a donc de nombreux homophones, et qu‘on distingue ceux-ci au moyen de tons analogues à ceux du chinois (cf. Náxera 1845: 29). Nous ne voyons là que la description maladroite des nasalisations, des glottalisations etc. (...) qui devaient surprendre si fort un Espagnol. Mais Náxera, lui, en déduit que l‘otomí possède des tons, il ajoute même que les tons ne suffisent pas, car ‗muchas palabras, aun con los mismos tonos, significan distintas cosas (...)‘ (Soustelle 1937: 430; Hervorhebung von K.Z.). In der neueren Otomí-Forschung ist es seit dem Aufsatz von Sinclair & Pike (1948) jedoch allgemein anerkannt, dass das Otomí eine tonale Sprache ist (Andrews 1949, Wallis 1968, Bernard 1966), dass Tonhöhen – segmentalphonetisch gesehen – homophone Wörter unterscheiden, und dass Tonhöhen phonologische Qualitäten aufweisen. 7
Um eine typologische Charakterisierung zu leisten, orientiere ich mich an Serébrennikows (1975 II: 432) Raster.
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hoch /´/, tief /`/ und steigend /ˇ/ 'pá ‗er verkauft‘ 'pà ‗er geht normalerweise‘ 'h c é ‗er legt etwas auf eine Oberfläche‘ 'h c è ‗es (die Frucht) ist auf dem Baum‘ 'h c è ‗es breitet sich aus, z.B. eine Krankheit‘ [Beispiele aus Wallis 1968] ‗Lied‘ ‗Hunger‘ (Name) ‗ich säubere (etwas)‘ ‗ich schärfe (ein Messer)‘ ‗er reitet es (ein Pferd)‘ ‗er geht‘ ‗ich niese‘ ‗ich bedecke (jemanden) mit einer Decke‘ [Beispiele aus Andrews 1949: 215] rá jù-ni ‗sein/ihr Teig‘ rá jǔ-ni ‗sein/ihr metate‘ rá jú-ni ‗sein Schnurrbart‘ [Beispiele aus Luces contemporáneas 1979: 24] 2) Vokalsystem: Oral- und Nasalvokale thúhu thǔhu thùhu dí-hóhki dí-hòhki rá- yó rá- yǒ dí-hèc e dí-héc e
Das Vokalsystem des Otomí hat neben den Oralvokalen /i/, /e/, /ε/, /ɨ/, /a/, /u/, /o/ und /ɔ/ auch den Schwalaut /ə/ und einige Nasalvokale. Im Otomí des Valle del Mezquital gibt es nach Wallis (1968: 90) nur nasales /ę/ und nasales /ą/. Bernard (1967, 1973) spricht dem Otomí des Mezquital für die neuere Zeit den phonematischen Status der Nasalität ab. Im Otomí der Sierra de Puebla gibt es nach Luces contemporáneas (1979: 346) zusätzlich nasales / ą/, / /, / / und / /, jedoch nicht nasales /ę/. Eine phonematische Opposition von langen und kurzen Vokalen existiert nicht, jedoch die von Offenheit und Geschlossenheit (bei e/ε und o/ɔ). vorn hoch mittel tief
oral i e ε
zentral nasal () ę
oral ɨ ə (ʌ) a
nasal
ą
oral u o ɔ
hinten nasal ( )
Tabelle 2: Vokalsystem des Otomí (in Klammern: zusätzliche Nasalvokale im Otomí der Sierra de Puebla)8 8
Eine ausführliche Beschreibung für den Ort San Andrés Cuexcontitlán, auch mit Allophonen und im Textzusammenhang findet sich in Lastra (1989).
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3) Konsonantensystem Das Konsonantensystem weist (im Vergleich zum mexikanischen Spanisch) kein /l/ auf, beinhaltet jedoch die Phoneme /h/, /θ/9, /ts/, /ʃ/ 10 und /z/. Ein hervorstechendes Merkmal im Bereich des Konsonantismus ist der Glottisschlag (in der Terminologie der Missionarslinguistik: ―saltillo‖). Dieser Laut hat unterscheidenden Charakter und muss als ein Phonem angesehen werden: ra tøhø ra t'øhø ra yo ra 'yo
Stimmlose Obstruenten Stimmhafte Frikative Stimmlose Frikative Stimmlose Sibilanten Stimmhafte Sibilanten Nasalkonsonanten Halbkonsonanten Vibranten
‗der Stab‘ (ø = Schwalaut ʌ) ‗der Berg‘ ‗die Kerze‘ ‗der Stengel‘ [Beispiele aus Luces contemporáneas 1979: 21] labial p b f
m w
apikal t d θ
n
palatal c
s z ñ y
velar k g x
Glottal ʔ h
ʃ
r
Tabelle 3: Konsonanten des Otomí des Valle del Mezquital (nach Wallis 1968: 89) Das von Bernard (1973) aufgestellte System stimmt in der Art der Konsonanten mit dem von Wallis überein. Er ordnet sie nur teilweise anders ein, z.B. die Sibilanten innerhalb der Frikativa, differenziert apico-dental und apico-alveolar einerseits und lamino-velar und dorso-velar andererseits. Damit entfällt die Kategorie palatal. 4) Silbenstruktur Die bevorzugte Silbenstruktur im Otomí ist KV. Dies gilt offenbar für die meisten Sprachen der Otomangue-Familie (Suárez 1983: 37). Jedoch finden sich nach Andrews (1949) im Otomí von Temoaya auch sowohl offene wie geschlossene Silben und (bis zu zwei) Konsonantenhäufungen. Drei Konsonanten treten nur dann auf, wenn der Anfangskonsonant ein nasaler ist. Vokalhäufungen finden sich nur mit i in zweiter Position. Im Überblick: Offene Silben: KV, KVi, KKV, KKVi, NKV, NKVi, NKKV Geschlossene Silben: KVK, KKVK, NKVK, NKKVK 9 10
Die Differenz besteht hier zum mexikanischen Spanisch, das kein θ kennt (seseo). /ts/ und /ʃ/ sind im mexikanischen Spanisch jedoch in jedermann geläufigen Namen oder Toponymen indigener Herkunft vertraut: z.B. Uxmal, oder aus geläufigen Náhuatl-Namen: Huitzilopochtli, Nezahualcóyotl, Quetzalcóatl, Chichén-Itzá.
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5.4. Die Situation der Orthographie Wie viele indigenen Sprachen hat das Otomí bis vor kurzem noch keine verbindliche Orthographie gehabt. Erst seit ca. 20 Jahren gilt ein vom Erziehungsministerium festgelegtes, für den schulischen Gebrauch etabliertes System. Erst in jüngster Zeit werden in Otomí geschriebene Texte auch von Otomí-Muttersprachlern geschrieben (meist von bilingualen Lehrern), früher von Sprachwissenschaftlern und in der Kolonialzeit und dem 19. Jahrhundert von Missionarslinguisten. Bis vor kurzem verfasste Texte und linguistische Beschreibungen wählten als Graphie zum Teil sehr unterschiedliche Konventionen. Auch die Frage, welche phonologischen Phänomene (also z.B. die Tonhöhen) überhaupt (und wann) graphischen Niederschlag finden, war uneinheitlich gelöst.11 Daneben finden sich auch häufig phonetische Transkriptionssysteme, die als praktikable Orthographie ausscheiden.12 Die Unterschiede betreffen v.a. die graphische Realisierung des Glottisschlages, die Nasalvokale und die Markierung der Tonhöhen. Zum Teil unterliegen den Unterschieden in der Graphie auch unterschiedliche theoretische Einschätzungen über das Phonemsystem. So nimmt Bernard z.B. keine Markierung der Nasalität vor, weil er sie als nicht mehr phonologisch relevant ansieht Ein Teil der Schwierigkeiten der Schaffung einer Orthographie liegt aber auch in soziolinguistischen gepaart mit pädolinguistischen Aspekten. Früher galt neben der primären Aufgabe einer Repräsentation aller phonologischen Kontraste einer Sprache für die indoamerikanischen Sprachen noch die erziehungsministerielle Anforderung, dass das Graphiesystem nicht zu sehr von der Laut-Graphie-Zuordnung des spanischen Orthographiesystems abweichen sollte, damit keine Verwirrung bei der Castellanisierung (das ist der mexikanische Terminus für die im Spanischen erfolgende Alphabetisierung und generell der sprachlichen Assimilierung) entstünde (vgl. für die Zeit bis in die siebziger Jahre, Bravo Ahuja 1977). Zweitens galt lange Zeit die Vorgabe, dass nur Zeichen verwendet werden sollten, die in handelsüblichen Druck- und Schreibmaschinen gängig sind. Diese ―Einschränkung‖ ist mit der Vielfalt an Zeichensätzen, die in den Computerprogrammen zur Verfügung gestellt werden, obsolet geworden. Gleichzeitig bricht sich (gegen die rein linguistische Perspektive) langsam die Erkenntnis Bahn, dass Orthographien auch für Normalschreiber praktikabel sein müssen, dass nicht jedes phonetischphonologische Merkmal eine Repräsentanz in der Graphie haben muss (was ja auch in den indoeuropäischen Sprachen nicht der Fall ist). Darüber hinaus stellt sich in vielen 11
12
Zum Problem der Graphie des Otomí vgl. die Diskussion von Hensey (1972) und Bernard (1973), Bartholomews (1979) Kritik an dem System, das Bernard & Salinas Pedraza (1976) gewählt haben und Bernards (1980) Entgegnung darauf. Probleme der Orthographie sprechen erneut Hill & Hill (1984) in ihrer Rezension der Luces contemporáneas (1979) an. Trotz einiger Mängel sehen sie deren System als das bisher Beste an und nennen das von Bernard entwickelte ―ill-conceived‖, denn ―it includes grotesqueries‖ (Bernard 1980: 240). Siehe auch die vergleichende Darstellung der verschiedenen Transkriptions- und Graphiesysteme in der Geschichte der Otomí-Verschriftung bei Zimmermann (1992a: 253–274) und (2003).
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amerindischen Sprachen, auch dem Otomí, die Frage einer Standard-Orthographie für alle dialektalen Varietäten. Auch dieser Aspekt spricht für eine Konzeption der Orthographie die sich nicht streng an phonetischen Erkenntnissen orientiert (wobei die soziale Akzeptanz einer Standard-Orthographie oftmals große Probleme bereitet, da man sich der einerseits Zwang ausübenden, aber andererseits Kommunikation über Varietätengrenzen hinaus ermöglichende Rolle der Standardisierung noch nicht bewusst ist).
5.5. Grammatikalischer Bereich 1) Wortklassen Im Otomí sind nach Luces Contemporáneas (1979: 33) folgende Wortklassen zu unterscheiden: Substantiv Verb (Adjektiv)
Artikel Pronomen
Adverb
Konjunktion
(Präposition)
Hierbei ist die Kategorie Präposition ein besonderer Fall. Ursprünglich scheint es keine Präpositionen im Otomí zu geben. Die heute existierenden sind Transferenzen aus dem Spanischen (mit weitreichenden Konsequenzen für die Grammatik des Otomí). Obwohl es Konjunktionen im präkolumbianischen Otomí gab, sind einige durch spanische Transferenzen ersetzt worden. 2) Wortfolge Die Wortfolge ist eines der geläufigsten Typologisierungsmerkmale, da es einen Vergleich mit vielen anderen Sprachen erlaubt (Ineichen 1979: 130ff.). Suárez (1983: 95) charakterisiert das Otomí de la Sierra (auf der Basis von Luces contemporáneas 1979) nach diesem Merkmal: VOS13 – Pr – NG – AN – DN – NIN – AMSt Im Einzelnen besagt dies: a) VOS: Verb steht im Hauptsatz in Anfangsposition, gefolgt vom Objekt und dann dem Subjekt (vgl. auch Luces contemporáneas 1979: 31). Die anderen Satzglieder bleiben hier unberücksichtigt b) Pr: besagt, dass bestimmte Relationen von der Stellung des Ausdrucksmittels her präpositional (statt postpositional) zu stehen kommen. (Das bedeutet nicht, dass es sich um die Wortklasse Präposition handeln muss). Es wird hier nicht gesagt, ob es sich um die entlehnten spanischen Präpositionen handelt. 13
VOS setzen auch Campbell et al. (1986: 547) an.
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c) NG: Genetivattribute, darunter sind alle Besitzerrelationen in nominalen Konstruktionen zu verstehen, stehen nach dem regierenden Nomen. d) AN: Adjektive, darunter sind typologisch alle Wörter zur verstehen, die Qualität ausdrücken und attributiv zu einem Nomen stehen (auch wenn sie den Status von Verben und Nomen haben), stehen vor dem regierenden Nomen. e) DN: Determinatoren stehen vor dem Nomen. f) NW: Numerale stehen vor dem regierenden Nomen. g) AMSt: Bezieht sich auf die Stellung der Elemente in Vergleichsstrukturen. Die hier angegebene Stellung besagt, dass das Adjektiv (A) vor dem Vergleichsmarker (M) und dieser vor dem Vergleichsstandard (St) zu stehen kommt. Diese Struktur entspricht der Deutschen (besser (A) als (M) Fritz (St)). 3) Das Substantiv Das Substantiv hat keine Kategorie Numerus. Es gibt im Otomí jedoch einen Determinator (Artikel) (was offenbar nur für wenige mesoamerikanische Sprachen zutrifft, Suárez 1983: 86), der eine Singular- und eine Pluralform hat. Die konzeptuelle Unterscheidung Einzahl/Mehrzahl wird also alleine am Artikel und Verb (s.u.) geleistet und ist nicht redundant wie z.B. im Spanischen, das eine grammatikalische NumerusKonkordanz von Substantiv, Adjektiv, Artikel und Verb erfordert. Das Substantiv kennt ebenfalls nicht die Kategorien des Genus. Bei Lebewesen, deren Geschlecht unterschieden werden soll, existieren entweder geschlechtsspezifische Lexeme, oder es gibt entsprechende Präfixe, die dies ausdrücken (cf. Luces contemporáneas 1979: 51 und 57). Es werden kategorial zwei Arten von Substantiven unterschieden: belebte und unbelebte. Diese Unterscheidung korreliert mit einer doppelten Besetzung der Verben des Habens und Seins, d.h. bei einem belebten Substantiv muss eine Art der Sein-/HabenVerben gewählt werden, bei unbelebten Substantiven die andere Klasse: unbelebt
i ja i pε'ts'i
‗ist, es gibt‘ ... ‗(er) hat‘ ...
belebt
i‟bʉi i si
‗(er) lebt, es gibt, ist‘ ... ‗(er) hat‘ [Luces contemporáneas 1979: 51]
4) Konversion bzw. Substantiv-Verb-Unterscheidung Im Otomí existieren Wörter, die ohne Markierung als Verben und als Substantive fungieren. Diese kann als Fall durchlässiger Wortklassen angesehen werden oder als Verfahren der Konversion. Manchmal wird dies auch durch die Prä-Elemente m- oder nkenntlich gemacht (cf. Luces contemporáneas 1979: 57). 5) Wortzusammensetzung Wie im Deutschen besteht die Möglichkeit der Substantivkomposition, so dass (manchmal mit leichten Veränderungen an den Auslauten des ersten Lexems) komplexe
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Formen gebildet werden können, und zwar: Substantiv-Substantiv, Verb-Substantiv, Adjektiv-Substantiv. Dies ist wie im Deutschen ein offenes und kreatives System, bei dem es zu spontanen Neubildungen kommen kann (Luces contemporáneas 1979: 49). 6) Das Adjektiv Bisher haben alle Autoren die Wortklasse Adjektiv im Otomí für existent gehalten. Nach Palancar (2006: 328) war das Motiv dafür die semantische Entsprechung der Elemente in den Sprachen, die für die ausgedrückten Konzepte Adjektive verwenden, also ein translingualer Fehlschluss.14 Die Existenz der Wortklasse Adjektiv im (nicht vom Kontakt beeinflussten) Otomí wird von Palancar (2006) mit Verweis auf das morphologische und syntaktische Verhalten der Eigenschaften bezeichnenden Konzepte bestritten. Solche Strukturen seien entweder Substantive oder Verben. Dass es zwischen der Kategorie Substantiv und Adjektiv (z.B. im Spanischen: Pedro es muy trabajador, Pedro es trabajador en la fábrica X) ebenfalls oft keine morphologische Unterscheidung gibt, ist bekannt. Weniger leicht einsichtig ist die Kategorisierung einer Einheit wie tx‟úlo nicht als ‗klein‘ sondern ‗klein sein‘ (und damit als Verb) weniger evident. Palancar präsentiert jedoch Beispiele, die solche Einheiten in Verbindung mit Verbalpräfixen (hier mí) aufweisen: Ma ngü mí ich POSS Haus 3IMP ‗Mein Haus war groß‘
dötá groß-sein
Die entsprechende Einheit sei also nicht Adjektiv sondern als Verb ‗groß sein‘ zu klassifizieren. Bakker & Hekking (2010) versuchen zu zeigen, dass das Otomí unter dem Kontakt-Einfluss des Spanischen (und des Transfers von spanischen Adjektiven) dabei ist die Wortklasse Adjektiv zu entwickeln. 7) Das Verb Der Bereich des Verbs ist im Otomí äußerst komplex. Hess (1968: 20) unterscheidet neun semantische Verbtypen, darunter solche wie transitiv, intransitiv, indefinit, stativ und qualitativ. Die Konjugation der Verben ist dabei sehr vielfältig, und zwar werden hierzu sowohl Prä- als auch Suffixe eingesetzt. Das Otomí-Verb existiert in den Kategorien Modus, Tempus, Aspekt, Person und Vox. Diese Kategorien werden durch Präfixe (genauer: proklitische Elemente) ausgedrückt. Die Präfixe sind ―verbunden‖ (Fusion), d.h. ein Formelement drückt alle genannten Kategorien simultan aus. Der Numerus der Personen wird als Suffix des Verbs realisiert, nicht am Präfix selbst. Dies sind Kennzeichen, die im Allgemeinen auf flektierende Sprachen zutreffen. Hervorzuheben ist, dass innerhalb der 14
Hierbei ist zu beachten, dass alle Linguisten, die sich zu dem Problem geäußert haben, NichtMuttersprachler sind. Vgl. zu dieser Problematik auch Zimmermann (2010b).
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Kategorie Modus ein ungewöhnlicher ―Modus des Umstandes‖ (s.w.u.) existiert und dass unter der Kategorie ―Aspekt‖ nicht Dauer oder Abgeschlossenheit der Handlung zu verstehen sind, sondern eine besondere Verbalkategorie der Lokalisierung. Hervorheben im Bereich des Verbs möchten wir zusätzlich einige auffallende Phänomene: Im Bereich des Numerus hat das Verb im Otomí nicht nur Singular und Plural, sondern auch einen Dual, der außerdem noch in sich differenziert ist in einen inklusiven Dual (d.h. der Angesprochene ist mit eingeschlossen) und einen exklusiven Dual (d.h. der Angesprochene ist nicht mit gemeint, sondern ein Dritter; Luces contemporáneas 1979: 79). Das Otomí hat die Kategorien Aktiv und Passiv (Luces contemporáneas 1979: 109f.). Voigtlander & Bartholomew (1972) sprechen hinsichtlich des ―Passivs‖ von Objekt- und Subjektdefokussierung (in kasusgrammatischer Terminologie: ―goal and agent defocus‖) mittels bestimmter Präfixe, d.h. einer semantischen Passivkategorie. Das Passiv kommt den kulturellen Nonnen des indirekten Sprechens sehr entgegen, da es im Otomí die Nennung des Agens nicht erlaubt, d.h. obligatorisch unpersönlich ist (im Gegensatz etwa zum Passiv im Deutschen, wo die Nennung des Agens fakultativ ist) (Luces contemporáneas 1979: 110). Der schon genannte Lokativ-Aspekt hat diese – vielleicht ungewöhnliche – Bezeichnung, weil es sich um eine Verbalkategorie handelt. Sie wird im Verbund mit anderen Kategorien mittels Präfixen der Verbkonjugation ausgedrückt und indiziert, dass sich die Handlung an einem anderen Ort als dem der Sprechsituation abspielt oder abspielte (Luces contemporáneas 1979: 123). Dieser Aspekt hat damit lokal-deiktische Funktionsweisen; seine Bedeutung hängt von der deiktischen Sprachorigo ab. In Luces contemporáneas (1979: 123) wird als sekundäre Nuance dieses LokativAspektes angegeben, dass bestimmte Präfixe im Otomí de la Sierra auch anzeigen können, dass sich die Aktion unterhalb, oberhalb oder auf gleicher Höhe wie die Sprechsituation abspielt. Diese grammatikalisierte Höhenlokalisierung erklärt sich aus dem Siedlungsgebiet der Otomíes in jener gebirgigen Region. Bei den Verben ist noch hervorzuheben, dass es bei den Verben des Seins und Habens jeweils zwei Varianten gibt, die sich kollokativ unterschiedlich verhalten, nämlich im Hinblick auf Substantive mit dem Merkmal ―belebt‖ bzw. ―unbelebt‖15 (bei Sein: Subjektfunktion, bei Haben: Objektfunktion): i ja – (sein) i pε'ts'i – (haben) i'bui – (sein) i si – (haben)
15
unbelebt belebt
Diese Unterscheidung schätzt man in Luces contemporáneas (1979: 339) als ―diferencia étnica de ver la realidad‖ ein.
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8) Präpositionen Das Otomí kennt vor dem Sprachkontakt mit dem Spanischen keine Präpositionen und hat ―stattdessen‖ zum Ausdruck von lokativen, temporalen, benefaktiven, kausalen u.a. Beziehungen ein äußerst komplexes System von Verbformen entwickelt (vgl. den oben genannten Lokativ-Aspekt). Aber im heutigen Otomí sind eine großen Anzahl transferierter Präpositionen aus dem Spanischen festzustellen, so dass die Aussage der nichtvorhandenen Präpositionen derzeit so nicht mehr aufrechterhalten werden kann (Hess 1968: 63ff., Luces contemporáneas 1979: 301ff., Zimmermann 1992a: 272–305, Hekking 1995: 150–160). Das Otomí ist durch den Kontakt mit dem Spanischen zu einer Sprache mit Präpositionen geworden, wenngleich die beiden Systeme des Verballokativ und der Präpositionalsyntagmen parallel nebeneinander und noch konkurrierend existieren. 9) Morphemfuge Zwei weitere, und zwar morpho-phonologische Erscheinungen des Verbs sind zu erwähnen: der Wegfall von Teilen des Verbstammes an dessen Ende und ein Wechsel des Anfangskonsonanten der Verbwurzel.
Wegfall von Elementen am Ende der Verbwurzel
Dieser Wegfall stellt sich ein, wenn das Verb auch durch Numerus, direkte und indirekte Objekte, den Benefaktivus, emphatisierende oder adverbiale Pronomen, sei es in Suffixform oder nominalen und adverbialen Formen, markiert wird, die nach dem Verb stehen. Von der Elision sind Laute und Silben betroffen. Es kann also gesagt werden, dass sich unter dem Einfluss von hinzutretenden Elementen das Verb an seinem Ende verkürzt (Luces contemporáneas 1979: 129ff.). Die Formen des Wegfalls sind sehr komplex und können nach der Art der Verbendungen klassifiziert werden. Luces contemporáneas (1979) unterscheiden hinsichtlich ihres Verhaltens bei der Apokope drei Hauptkategorien von Verben, wobei die dritte Gruppe in weitere acht Untergruppen unterteilt werden kann.
Wechsel des Anfangskonsonanten
Die Verben einer bestimmten Konjugationsklasse (nämlich die, die die 3. Person des Präsens mit dem Präfix i und die 3. Person des Futurs mit da bilden) wechseln in bestimmten Formen, nämlich der 3. Person der Tempora Präteritum, Futur, Perfekt und Plusquamperfekt des Aktiv den Anfangskonsonanten der Verbwurzel. Dieser Wechsel kann als Lenisierung gefasst werden (es finden sich k/j → g, t/tj → d/nd, p/f → b/mb, s → z). Ein weiterer Fall betrifft die 2. Person der gleichen Tempora, dort wechseln aber nur h → hy und ' →'y. Eine noch komplexere Form und komplexere Bedingungsfaktoren dieses Konsonantenwechsels findet man bei der Defokussierung (Passiv). Die Art des Konsonantenwechsels ist dabei unterschiedlich zu der des Aktivs (vgl. Luces contemporáneas 1979: 114ff.) Solche Erscheinungen finden sich nicht bei agglutinierenden und isolierenden Sprachen.
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10) Komparation Das Otomí hatte ursprünglich ebenfalls keine genuine morphologisch markierte Struktur zur Komparation. Hier hat – ebenfalls durch Transfer von más aus dem Spanischen im Rahmen des Sprachkontaktes – eine Änderung stattgefunden (vgl. Stolz & Stolz 2001).
6. Lexikalischer Bereich Es ist nicht möglich, den lexikalischen Bereich des Otomí auch nur annähernd irgendwie befriedigend in diesem Rahmen zu beschreiben. Das bisher ausführlichste Wörterbuch des Otomí von Hernández Cruz; Victoria Torquemada & Sinclair (2004)16 ist zweisprachig, und gibt jeweils nur ein oder – bei Homonymen und Polysemien – mehrere spanische Entsprechungen an. Es enthält systematisch Angaben zu Wortklassen, Synonymen und Antonymen sowie Beispielsätze mit deren spanischer Übersetzung. Weiterhin findet sich die Angabe der Varianten, die sich durch die oben beschriebenen Wechsel der Anfangskonsonanten ergeben. Der Zugang zur Otomí-Semantik erfolgt – das ist allen bilingualen Wörterbüchern inhärent – über das Spanische. Es entsteht – aufgrund der den bilingualen Wörterbüchern zugrundeliegenden Grundkonzeption der Existenz von Äquivalenten – der irrtümliche Eindruck einer weitgehenden Parallelität der Konzepte in beiden Sprachen. Eine solche Deckungsgleichheit ist kulturell nicht gegeben, auch wenn es in manchen Bereichen zweifellos durch die 500 Jahre währende Überdachung durch das Spanische eine Konvergenz im semantischen Bereich festzustellen ist, die durch semantische Transfers verursacht wurde. Ein Desiderat ist weiterhin ein monolinguales Wörterbuch bzw. eines, in dem die Bedeutungen definiert und mit Wortfeldangaben ergänzt werden, wie dies offenbar bei Hekking et al. (im Druck, Konzeption dargestellt in Hekking et al. 2007) beabsichtigt ist, das die Otomí-Einträge sowohl auf Otomí definiert (wie in einsprachigen Wörterbüchern) als auch spanische Äquivalente aufführt. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Wortschatz des Otomí heute in einigen Domänen sehr stark durch Transferenzen aus dem Spanischen geprägt ist (vgl. hierzu Hekking 1995). Das oben erwähnte, im Druck befindliche Wörterbuch von Hekking et al. führt diese ebenfalls auf und markiert sie als solche (préstamos).
16
Auf 384 Seiten werden pro Seite zwischen 17 und 20 Einträge behandelt. Geschätzt dürfte es sich also um ca. 7.000 Einträge handeln, wobei jedoch Varianten, Doppeleinträge u.a. bei einer quantitativen Festlegung des Wortschatzes abzuziehen wären. Das Wörterbuch verzeichnet auch die Entlehnungen aus dem Spanischen.
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7. Pragmatischer und diskursiver Bereich Im pragmatischen und diskursiven Bereich können natürlich auch nur einige ausgewählte Hinweise gegeben werden. Die Erforschung des Otomí auf dieser Ebene ist bisher kaum erfolgt. Es sollen drei Phänomene, der Bereich der Höflichkeit, der des Stils und eine Besonderheit der Deixis genannt werden. Das Otomí kennt Respektbezeugungen und Ehrerbietung in der nominalen Anrede.17 So gilt in der Anrede beim Gruß innerhalb der Familie, dass der ältere vom jüngeren Bruder mit juädä und die ältere Schwester vom jüngeren Bruder mit nju angeredet wird. Diese Titulierung gilt auch schon während der Jugend und nicht erst im Erwachsenenalter. Nach Auskunft unseres Informanten wird diese Titulierung auch auf außerfamiliäre Grußsituationen übertragen. qui de nju qui de nju (+Vorname)
(señora, señorita) für erwachsene Frauen
qui de juada qui de (+ Vorname ohne Titulierung)
(señor) für erwachsene Männer nur für Kinder möglich
Im Otomí gibt es die Möglichkeit der Ehrerbietung mittels eines spezifischen Ehrerbietungsartikels zí. Dieser markiert Ehrerbietung, Respekt oder eine affektive Beziehung. Dieser Artikel kann alleine oder zusammen mit dem bestimmten oder unbestimmten Artikel stehen.18 17
18
Luces contemporáneas (1979: 273) nennt zusätzlich eine emphatische Form der unabhängigen Pronomen und sieht diese emphatische Anrede nu-e als mit einem leicht stärkeren Höflichkeitswert als die normale Anrede mit nu-i besetzt. Die Erkenntnis von respektindizierenden Markern im Otomí ist nicht neu. Nach Náxera ist oder war zur damaligen Zeit die häufigste Referenzialpartikel bei den Otomís go: ―Sie wird benutzt bei Substantiven, Verben und bei jeder Gelegenheit, wenn man sich zuvorkommend und dankbar zeigen will.‖ (Náxera 1845: 138; Übersetzung von K.Z.). In seiner Abhandlung von 1845 führt er weitere Beispiele für Respektmarker auf: ―Wenn man zu einem Gleichrangigen spricht: Ni ho gui má vel i má na bùy ║ tú amas la vida Tu dignidad amas ó ama la vida Gegenüber Höhergestellten und Alten: Rzu ki iā ║ tu duermes La grandeza, venerable, duerme Gegenüber Damen oder diejenigen, die man so behandelt: Ti nsu mà ║ tu dì Riquezas, hembras dí Gegenüber Niederrangigen: Tsi nsu mà ║ tu dì Retoño, femenino, dí T‟si vel Tu mà ║ Hijo,dí tu El hijo dí‖
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Eine affektive Beziehung drückt er in folgendem Beispiel aus: Ra zí Der (ehrerbietend) Der (mitleidig)
fo'ye bin tumanthuhu Hund hat-Hunger Hund hat-Hunger
Respekt drückt er in folgendem Beispiel aus: Ha bi mba (Frage) weggeht ‗Ging die Person weg?‘
va zí die (ehrerb.)
ja‟i Person
Ehrerbietung/Unterordnung: Hmiqui ts'u ni zí leihe mir wenig Deine (ehrerb.) ‗Leihe mir bitte Deine Machete‘
juai Machete [Luces contemporáneas 1979: 58]
In diesem letzten Fall wird also durch Erhöhung des einer angeredeten Person gehörenden Gegenstandes mittels des Gebrauchs des zí-Artikels dieser Person selbst Ehrerbietung zuteil. Auf eine stilistische Funktion des Verfahrens der Wiederholung in Otomí-Diskursen hat schon Soustelle (1937: 247ff.) aufmerksam gemacht. Danach gilt in narrativen Texten die Wiederholung oder Paraphrasierung von Satzteilen als Zeichen für Schönheit (―beau langage‖). In Reden unseres Corpus, die nicht narrativ zu kennzeichnen sind, ist uns dies auch immer wieder aufgefallen. Wir meinen deshalb, dass dieses Mittel nicht auf narrative Texte beschränkt ist.19 Nennenswert ist eine Charakteristik bei den Personenbezeichnungen im Bereich der Verwandtschaftsbeziehungen. Diese können in Anwendung der Klassifikation verschiedener Deixistypen von Levinson (1983: 91) als absolute Sexualdeixis kategorisiert werden: Gleiche Personen werden in ihrem Verwandtschaftsstatus anders bezeichnet, je nachdem ob der Sprecher männlich oder weiblich ist.20 So wird ñøhø ‗Mann‘, nur von Männern für Männer benutzt. So ergibt sich folgendes Benennungschema: Bezeichnete Person
Von männlichen Sprechern benutzt
Von weiblichen Sprechern benutzt
Älterer Bruder
juädä
idä
Ältere Schwester
nju
juhuë
Mann
„ðøhø
däme
19
20
[Nebenbei sei bemerkt, dass dieser Autor, wie man erkennen kann, schon die strukturabbildende Wort-für-Wort-Übersetzung zur Datenpräsentation eingeführt hat.] Es ist äußerst wichtig, dieses Stilmittel in dieser Funktion zu erkennen. Dieses Vertextungsverfahren ist wohl mit dem Bereich der Oralität genuin verbunden. In den letzten Jahrzehnten wurde die Wiederholung als Verfahren der Alltagssprache in verschiedenen Sprachen in diskursanalytischen Arbeiten erforscht. Cf. Diccionario (1956/1972). Eine ausführliche Liste der Verwandtschaftsbezeichnungen, die auch eine dialektale Variation aufweisen, findet sich bei Tranfo (1974: 148–149).
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Nach Tranfo (1974: 149) gibt es diese geschlechtsdeiktische Differenzierung auch bei den Verwandtschaftsverhältnissen der Schwägerschaft, d.h. bei den Bezeichnungen für Schwager, Schwägerin und Schwiegervater, Schwiegermutter. Diese sexualdeiktische Form wurde bereits in den ersten Wörterbüchern des Otomí beschrieben (Urbano 1605, Diccionario anónimo 1640).
8. Dialektale Gliederung des Otomí Die Erforschung der dialektalen Unterschiede des Otomí scheint noch nicht abgeschlossen. Je nach angesetzten Kriterien ergeben sich Abweichungen in der Festlegung einiger dialektaler Zonen, jedoch sind andere offenbar auch unstrittig. Die erste systematische diatopische Gliederung des Otomí hat Soustelle (1937: 179ff.) erarbeitet. Sie basiert im Wesentlichen auf phonetischen Unterschieden. Stichprobenartige Überprüfungen an lexikalischen und semantischen Unterschieden bestätigen die Gliederung auf phonetischer Grundlage. Auf grammatischer Ebene jedoch gibt es nach Soustelle keine nennenswerte diatopische Differenzierung, sondern eine hohe Übereinstimmung.21 Soustelle hat dies mittels eines phonetischen Rasters von 32 Merkmalen an 33 Orten untersucht. Aufgrund der Erhebung konnte er die erhebliche Variation, die übrigens in keinem Falle absolut gleiche Merkmalskonstellationen in zwei Orten ergab, zu sieben Hauptdialektgruppen ordnen:
21
Die Otomí-Regionen in Guanajuato und Querétaro, bis zum Río Moctezuma im Südosten und im Osten bis zum Laja-Tal. Die ganzen Zentralplateaus des Bundesstaates Hidalgo und der Südosten der Sierra Gorda zwischen dem Río Moctezuma und dem Río Metztitlán, heute meist als Otomí des Valle de Mezquital (MO) bezeichnet. Das Gebiet um Jilotepec mit dem Norden der Sierra de las Cruces und einem Teil des Hochplateaus. Auch die Otomí-Enklave in Michoacán gehört dazu. Das Plateau von Ixtlahuaca mit der Westseite der Berge und ebenfalls die Enklave Amanalco in den Bergen, die den Bundesstaat Mexico von Michoacán trennt. Der südlichste Teil der Sierra de las Cruces und der Teil des Plateaus zu ihren Füßen. Das heute sogenannte Otomí de la Sierra oder östliche Otomí im äußersten Osten des Bundesstaates Hidalgo und übergreifend auf die Staaten Veracruz und Puebla. Nach Soustelle gehört zu dieser Varietät auch ein weitentfernter Teil südlich von Toluca im Bundesstaat Mexico.
―Si différencié du point de vue phonétique, l‘otomí ne l‘est que très peu du point de vue morphologique et syntaxique‖ (Soustelle 1937: 207).
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Ixtenco, das einzige Otomí-Dorf im Südosten Tlaxcalas, am Fuße des MalincheVulkans. Nach Weitlaner (1933) hat dieser Dialekt engere Beziehungen zu denen des Valle de Toluca und Mezquital als denen der nahegelegenen Sierra de Puebla.
In Luces contemporáneas (1979: 10) wird eine ähnliche, doch in Teilen andere Gliederung gegeben. Sie stimmt mit der von Soustelle in den Gruppen I, II und VII überein, fasst jedoch die Gruppen III, IV und V zu einer Varietät Otomí del Estado de México zusammen und benennt die Varietät VI als Otomí Oriental (ohne den Teil im Staat Mexico, den Soustelle noch dazu zählte). Diese letztere Gruppe wird unterteilt in weitere drei Gruppen. Die dieser neuen Einteilung zugrundeliegenden Untersuchungen und Kriterien im Summer Institute of Linguistics sind nicht veröffentlicht (vgl. S. 338). Lastra (1996) hat einen weiteren Vorschlag zu einer dialektalen Gliederung auf der Basis von eigenen Untersuchungen von phonetischen und einigen grammatikalischen Merkmalen vorgelegt. Bei den grammatikalischen Merkmalen hat sie die Variation bei den Personalpronomina, den Possessiv-Präfixen der 2. Person (ri-, di-, ir-…-ge), den Existenzmarkern (dra-, dar-, dan-, či-, nuga + Substantiv) sowie Dual- und PluralVorkommen und ihre Markierung (und in der 1. Person in exklusiver und inklusiver Unterscheidung). Aufgrund dieser Kriterien kommt Lastra zu drei Hauptgruppen (mit Untergruppierungen) der Dialektgliederung: 1. Östliche Dialekte a. Sierra Texcatepec, Ixhuatlán, San Antonio Huehuetla, Tutotepec, San Pablito, Santa Ana Hueytlapan b. Tilapa c. Ixtenco 2. Nordwestliche Dialekte a. Valle del Mezquital b. Querétaro (ohne Amealco) und Guanajuato 3. Südwestliche Dialekte: Amealco, San Martín, Tuchicuitlapilco (Jilotepec), Dongú (Chiapa de Mota), San Felipe, San Andrés, Jilotzingo.
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Aktuelle Verteilung der Otomí-Pame-Dialekte (nach Soustelle 1937, Manrique 1969, und Galinier 1979)
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9. Sprachkontakt 9.1. Soziolinguistische Aspekte der Kontaktsituation Oben wurde gesagt, dass das Otomí seit ca. 500 Jahren vom Spanischen überdacht ist und als niedere Varietät in einer Diglossiebeziehung zur ehemaligen Kolonialsprache steht. Spanisch wurde mittels verschiedenster sprachpolitischer Maßnahmen in der Kolonialzeit und weitergeführt seit der Unabhängigkeit als offizielle Sprache des Landes etabliert. Von der europäisch-hispanischen Kultur dominiert ist die potentiell eigenständige Entwicklung der Otomí-Kultur und Lebensweise unterbrochen worden. Die Sprache wird gleichfalls dominiert von der sich als hohe Varietät etablierenden Kolonialsprache, was dazu führte, dass das Otomí nie in einer die kulturelle Entwicklung eigenständig gestaltenden Weise gefördert wurde, sondern im Gegenteil einem langandauerndem Verdrängungsdruck in die informellen Kommunikationsdomänen ausgesetzt war. Gleichzeitig unterliegt das Otomí (wie andere amerindische Sprachen auch) starken Kontakteinflüssen verschiedenster Art. Dazu gehören nicht nur die auch anderweitig in solchen Situationen charakteristischen sprachstrukturellen, sondern zudem soziokulturellen und auf das überdachende Sprachsystem des Spanischen hin orientierten Sprachplanungsmaßnahmen, z.B. in der Frage der Wahl von Verschriftungssystemen, der Art der grammatiktheoretischen Beschreibungsraster und aus dem spanischen Kulturraum übernommenen Sprachideologien der Minderwertigkeit der eigenen Sprache, der Qualifizierung als Dialekt, der keine Grammatik habe, der Ansicht der Unbrauchbarkeit für moderne Kommunikationszwecke usw. Zu letzterem gehört auch in neuerer Zeit die Gründung einer Otomí-Sprachakademie (nur eine solche verspräche einen hohen Status der Sprache) mit den dieser Institution charakteristischen Sprachplanungsideologien der Revitalisierung mittels Corpusplanung (statt Förderung des Gebrauchs). Dazu gehört auch ein auf der normierten Schriftsprache basierter Sprachbegriff, der deshalb problematisch ist, da er mit der Seinsweise als bislang vorwiegend oraler Sprache kollidiert, zumindest insofern als das Otomí damit oft im Wettbewerb zum Spanischen die Kriterien, die für das Spanische gelten, angewendet werden und das Otomí darin unvorteilhaft abschneidet. Ferner ist zu bemerken, dass das Otomí bis heute entweder von exogenen Linguisten oder aus der Sicht und dem Raster exogener Sprachen beschrieben worden ist, und eigentlich auch weitgehend diese als Rezipienten im Auge hat, weshalb keine der vorhandenen Beschreibungen auf Otomí vorliegt (vgl. jedoch oben unter Wörterbücher).
9.2. Transferenzen aus dem Spanischen Die Einflüsse aus dem Spanischen manifestieren sich nicht nur im Bereich der Lexik, sondern auch der Grammatik und der diskursiven Struktur (Diskursmarker einerseits und Sprachalternation andererseits).
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Lexik Lexikalische Transferenzen (Entlehnungen) finden sich in allen Wortarten, die große Mehrzahl jedoch in der Wortart der Substantive (50%). Das ist theoretisch erwartbar und ist ein Spiegelbild dieser Art von Kulturkontakt. Die zweitgrößte Gruppe bilden die Verben mit 10% der Transferenzen. Dennoch ist laut Hekkings (1995) Auszählung in den 1990er Jahren nur etwas mehr als 1% des Wortschatzes entlehnt, allerdings macht er im Gebrauch (tokens) fast 16% der vorkommenden Wörter aus. Nach semantischen Feldern betrachtet, finden sich in keinem Feld mehr als 7% spanische Entlehnungen (types). Hohe Transferenz-Raten zwischen 5 und 7% finden sich im Bereich Religion, Landwirtschaft, sozialer Organisation, Abstrakta, Bauwesen, Zeitrechnung und (katholischen) Feiertagspraktiken. Niedrige Raten zwischen 0,5 und 1% finden sich im Kernwortschatz (Fauna und Flora, Sprache, (Kunst)handwerk, Haushalt, Jagd, Maße, Krankheiten und Farben) (Hekking 1995: 139). Alle diese Transferenzen sind an die phonetisch-phonologische Struktur angepasst und in die grammatikalische Struktur des Otomí integriert (Beispiel für das der Otomíkonjugation angepasste aus dem Spanischen entlehnte Verb sufrir und das Adverb bastante: Dá koje dá hðoyaje‟bya da sufreje bastante). Der Gebrauch der Transferenzen ist sozial nicht gleichmäßig sondern individuell und nach sozialen Gruppen differenziert. Grammatik Präpositionen und Konjunktionen stellen einerseits die dritthäufigste Gruppe von Transferenzen dar, andererseits weisen sie die drastischsten Kollateralveränderungen im Bereich der Grammatik auf. Die Integration dieser Elemente (und die der Komparationsstrukturen) verursachte starke Veränderungen auch in der grammatischen Struktur des Otomí. Die Präpositionen ersetzen nicht authentische Präpositionen sondern Verbalkategorien, mit denen die entsprechenden semantischen Relationen (Komitativ, Lokativ, Benefaktiv, Absentiv, Instrumentiv, Kausativ, Possessiv etc.) ausgedrückt werden. In manchen Bereichen sind dadurch Parallelstrukturen von authentischer Form und kontaktbedingter Hybridform entstanden (vgl. Zimmermann 1987, 1992a: 282–283, Hekking 1995: 147ff.). Einerseits bedeutet die (wohl soziolinguistisch, nicht semantisch motivierte) Transferenz der Präpositionen die Einführung einer neuen Wortart, die auch grammatikalisch eindeutig als Präposition fungiert. Andererseits bedeutet diese Transferenz eine Verdrängung authentischer verbmorphologischer Sprachmittel und bringt ―einfachere‖ Strukturen zum Ausdruck der genannten semantischen Effekte mit sich, was eine drastische Umgestaltung eines Teiles der Verbgrammatik bedeutet. Langfristig kann dies entweder zum Absterben der authentischen Formen oder zu einer stilistischen Variation beider Systeme führen. Die Übernahme von Adjektiven, die allerdings nur ca. 5% der Transferenzen ausmachen, scheint aber, wie oben bereits erläutert, eine grammatikalische Innovation, d.h. eine Erweiterung der Wortarten einzuläuten, da es Adjektive im autochthonen Otomí nicht gab. Bakker & Hekking (2010) postulieren, dass die (aus semantischen Gründen) entlehnten Adjektive den Adjektivstatus aus dem Spanischen mitnehmen (also nicht als
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Substantive oder Verben behandelt werden) und diese Wortart somit in das Otomí mit ―einschleppen‖.
9.3. Kontaktvarietäten Überträgt man diesen Befund auf eine varietätenlinguistische Ebene, so kann man feststellen, dass die Transferprozesse nicht nur grammatisch-lexikalisch zu bestimmen sind, sondern dass man unterschiedliche Kontaktvarietäten bestimmen kann, die auch unter Otomí-Sprechern wahrgenommen werden, die eine Art Kontinuum zwischen den beiden Polen Otomí und Spanisch bilden. Für das Valle del Mezquital wurde von Zimmermann (1986) und Hamel (1988: 617) versucht komplementär solche Kontaktvarietäten zu bestimmen. Hamel definiert auf der Seite des Otomí-Pols: 1. 2.
Eine informelle Alltagsvarietät des Otomí, die kaum Transfers und wenige neue, nicht assimilierte Entlehnungen aufweist. Eine formelle Varietät des Otomí, die sich durch eine hohe Zahl von neuen Transferenzen, Sprachalternation und anderen Merkmalen des formellen Stils des Spanischen auszeichnet.22
Zimmermann (1986) definiert auf der Seite des Spanisch-Pols: 3.
4.
22
23
Das ―Español revuelto‖, eine Zweitsprachenvarietät des Spanischen, die von den Otomí-Indianern gesprochen wird, die keinen oder wenig Schulunterricht des Spanischen genossen haben und nur oberflächlichen Kontakt zur hispanophonen Gesellschaft pflegen. Vom Spanischen her gesehen handelt es sich um eine defizitäre Kontaktvarietät mit vielen Vereinfachungen und Interferenzen aus dem Otomí. Diese Varietät ist mit zunehmender Beschulung rückläufig. Das Otomí-Spanische, eine andere Kontaktvarietät des Spanischen. Sie zeichnet sich durch zwar starke, aber begrenzte Interferenzen aus dem Otomí und Simplifizierungen aus. Sie wird von den Otomíes gesprochen, die eine schulische Castellanisierung erfahren haben und die nachhaltige kommunikative Interaktionen mit der hispanophonen Gesellschaft pflegen. Interferenzen sind auf phonetische und grammatikalische Ebene begrenzt. Es finden sich interessanterweise keine lexikalischen Interferenzen aus dem Otomí.23 Sie bereitet Spanischsprechern keine Verständnisschwierigkeiten.
Zum Gebrauch dieser Varietäten nach Gesprächssituationen und strategischen Gesichtspunkten vgl. Hamel (1988). Im Einzelnen dokumentiert ist diese Varietät, wie sie in den 1980er Jahren verwendet wurde, bei Zimmermann (1986 und 1992a: 210–251).
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9.4. Sprachalternation – Code Switching Die Rekonstruktion von vier Kontaktvarietäten gibt ein idealisiert systematisches Bild wider. Im Alltagsgebrauch werden die Sprachen nicht nur in dem Sinne ―gemischt‖, indem Interferenzen und Transferenzen, wie oben beschrieben, vorkommen, sondern es findet sich häufig, je nach Bilingualitätsgrad des Sprechers und der Gesprächspartner, eine Sprachalternation statt. Diese ist freilich nicht eine zwischen ―reinem‖ Otomí und ―korrektem‖ Spanisch, sondern zwischen dem durch Sprachkontakt beeinflussten Otomí und dem Otomí-Spanischen, also den oben beschriebenen Varietäten. Das macht eine Analyse recht schwierig, da die Kontaktresultate auf mehreren Ebenen zu verorten sind. Code Switching findet in verschiedenen Formen statt: a) Ganze Gesprächssequenzen in der einen Sprache und andere in der anderen Sprache beim Sprecherwechsel, also an der Grenze von einem Beitrag zum anderen, b) turninterner Sprachwechsel, sowohl in Form von satzinternem Wechsel als auch zwischen Sätzen, c) Übergang zum Spanischen beim Einsatz von Diskursmarkern wie pues. Diskursmarker können sowohl als Wortentlehnungen als auch als Entlehnungen von diskursiven Mitteln (Gesprächsgliederung, Ausdruck der Einstellung zum Gesagten, Abtönung u.a.) verstanden werden. Sprachalternation ist nicht nur partnerbedingt sondern findet gegenüber demselben Partner statt, der otomísprachig ist, also auch in intraethnischen Gesprächssituationen und wird somit auch diskursstrategisch eingesetzt, z.B. um sich als Kenner der spanischsprachigen Welt auszuweisen oder um vom Prestige der spanischen Sprache zu profitieren, das ihr in der Diglossiesituation zugeschrieben wird. Beispiel für intraethnische Sprachalternation zu einem dorfinternen Thema, dessen Hauptanteil hier Otomí ist und bei dem die Wechsel zum Spanischen stattfinden. 24: ya da zoxa ri edad nubu ma qui pasa a ser wenn du schließlich dazu kommst dueño de esos terrenos nubu nu-i como ejemplo nubu nu-i Besitzer dieser Äcker zu werden wenn du zum Beispiel wenn du danja-ri nthécate gui umba na zu xeni nuyu ri cú deinen Schwestern ein Stück abzugeben qué bien y nubu hina ni modos pero ya cuando date wie schön, und wenn nicht, aber wenn du dann naa siempre y cuando ga xi-i bien claro nube embi wächst, und nur dann, das will ich euch ganz klar sagen bi bi cargo guihe ua ya ja-i nuna autoridad und uns haben die Nachbarn mit dieser Autorität ausgestattet [Familienstreit, aus: Hamel 1988: 345]
24
Es ist hinzuzufügen, dass andere Passagen dieses Gesprächs dominanter Spanisch geprägt sind mit kürzeren Passagen in Otomí.
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In diesem Beispiel sind verschiedene Aspekte zu erkennen: a) b) c)
Nominale Worttransferenzen: edad, autoridad, cargo Binnensyntaktische Alternation vom Otomí ins Spanische: pasa a ser dueño de esos terrenos; ni modos pero ya cuando und zurück Transfers von formalhaften Ausdrücken: qué bien, siempre y cuando, bien claro in Otomí-Sequenzen.
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MARTINA SCHRADER-KNIFFKI (BREMEN)
Zapotekisch (Oaxaca/Mexiko)
Abstract Das Zapotekische ist eine der zahlreichen amerindischen Sprachen, die im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca gesprochen werden. Die Sprecher des Zapotekischen stellen die drittgrößte Sprechergruppe amerindischer Sprachen in Mexiko und die größte Gruppe in Oaxaca dar. In diesem Beitrag wird ein umfangreicher Überblick über das Zapotekische gegeben, der neben sprachstrukturellen Aspekten, auch kolonialgeschichtliche, ethnographische und sprachpolitische Informationen einbezieht, die den Status der Sprache und Sprachkompetenz sowie sprachliches Handeln ihrer Sprecher in Mexiko betreffen. Eine umfangreiche Bibliographie zu Arbeiten über das Zapotekische schließt die Darstellung ab.
1. Das Zapotekische: Überblick Zapotekisch ist eine der 56 amerindischen Sprachen Mexikos. Die zapotekische Sprache gehört zur Familie der Otomangue-Sprachen und wird im südmexikanischen Bundestaat Oaxaca gesprochen. Die Sprecher des Zapotekischen sind Teil der pluriethnischen und plurilingualen Realität Oaxacas, die 15 unterschiedliche ethnische Gruppierungen und Sprachen umfasst. Mit 444.822 Sprechern1 sind die Zapoteken die größte Sprechergruppe Oaxacas,2 ihr Sprachgebiet erstreckt sich von der Sierra Juárez im Norden des Bundestaates, über das Tal von Oaxaca (Valle de Oaxaca), die Sierra Sur im Süden des Bundesstaates bis zum Isthmus von Tehuántepec. Entsprechend lässt sich eine Anzahl diatopischer Varietäten des Zapotekischen voneinander unterscheiden, die ähnlich der Unterscheidung der romanischen Sprachen untereinander nur sehr bedingt, zum Teil nicht verständlich sind. Innerhalb der genannten Gebiete werden weitere regionale – von den Sprechern selbst auch lokale – Varietäten voneinander unterschieden, so dass sich das Bild einer dialektal sehr heterogenen Sprach(en)gruppe ergibt.
1 2
Vgl. http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=zap In Mexiko gilt Zapotekisch nach dem Náhuatl und den Maya-Sprachen als drittgrößte Sprachengruppe. Weiteren Sprachen im Bundesstaat Oaxaca sind Mixteco, Mixe, Chontal, Amuzgo, Trique, Mixe, Mazateco, Huave, Chinanteco, Náhuatl, Chatino, Cuicateco, Chocholteco, Zoque.
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Seit der Kolonialzeit steht das Zapotekische in intensivem Kontakt mit dem Spanischen.3 Dies hat Konsequenzen sowohl für die Sprecher der Sprache, die mit wenigen Ausnahmen bilinguale zapotekische und spanische Sprachkompetenzen unterschiedlichen Grades besitzen, als auch für die zapotekische Sprache selbst, in deren Lexikon und Grammatik sich Konsequenzen dieses seit der Kolonisierung des heutigen Oaxaca bestehenden Kontaktes manifestieren.4 Gegenstand der folgenden Darstellung ist das Zapotekische des Rincón (Zapoteco del Rincón), eine der regionalen Varietäten, die in einer marginalisierten Region 5 in der nordöstlich der Stadt Oaxaca gelegenen gebirgigen Region der Sierra Juárez gesprochen werden. Ziel der Darstellung ist es, einen breit angelegten Überblick über diese Varietät des Zapotekischen zu geben. Neben historischen, ethnographischen und sprachpolitischen Informationen zu Zapoteken und zum Zapotekischen wird daher lediglich auf solche Aspekte der Phonetik, Grammatik, und Pragmatik des Zapotekischen eingegangen, mittels derer spezifische Eigenheiten der Sprache herausgestellt werden können. Zur Vertiefung des Studiums des Zapotekischen sei auf die ausführliche Bibliographie am Ende dieses Beitrags verwiesen.
2. Kolonialgeschichtliche Aspekte des Zapotekischen Die Geschichte der Zapoteken steht in engem Zusammenhang mit dem ehemaligen religiösen Zentrum und der ―Wiege‖ dieser Kultur, der heutigen archäologischen Stätte Monte Albán, die sich in der Stadt Oaxaca, der Hauptstadt des Bundesstaates, befindet. Bedingt durch Konflikte mit der ethnischen Gruppe der Mixteken wanderte – ca. 100 Jahre vor der Eroberung durch die Spanier – ein Teil der Zapoteken aus dem ehemaligen Siedlungsgebiet der heutigen Stadt Oaxaca und ihrer näheren Umgebung (Valles Centrales de Oaxaca) in das Gebiet des nördlichen Teils der Ausläufer der Sierra Madre Occidental, der sog. Sierra Juárez6 ab, in dem sie bis heute angesiedelt sind. 1526 wurde die Region nach einigen erfolglosen Versuchen7 durch die Spanier erobert. Mit der Gründung der Stadt San Ildefonso de Villa Alta als kolonialem Gerichtsbezirk 3
4 5 6
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Sprechergemeinschaften, deren Lebensraum sich in größerer Nähe zur Stadt Oaxaca befindet, zeigen in ihrem Sprachgebrauch größeren Einfluss des Spanischen als andere, die in räumlicher Entfernung zu diesem urbanen Zentrum leben. Vgl. Schrader-Kniffki (2001a; 2003a; 2004b). Rincón bedeutet ‗Winkel‘ und bezieht sich auf die geographische Lage der Region. Die Bezeichnung Sierra Juárez bezieht sich auf den Namen einer der ehemaligen zapotekischen Staatspräsidenten Mexikos, Benito Juárez, der aus diesem Teil Oaxacas stammte. Zwei Gründe für die genannten erfolglosen Versuche der Eroberung der Sierra Juárez werden in der einschlägigen Literatur angegeben: Zum einen wehrte sich die Bevölkerung einige Zeit erfolgreich gegen die Eroberung und Kolonisierung, zum anderen wird von einer geographisch und klimatisch bedingt, schwer zugänglichen Region gesprochen (vgl. Chance 1987), ein Merkmal, das bis heute Einfluss auf sprachliche und kulturelle Aspekte hat.
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(juzgado) und Sitz des spanischen Obersten Richters (alcalde mayor) durch spanische Kolonisten und mit der Hilfe sogenannter indios conquistadores (indianische Eroberer) aus Tlaxcala (vgl. Chance 1987: 17) beginnt die Kolonisierung der Sierra. Zu der ehemaligen spanischen kolonialen Verwaltungseinheit, die dem jetzigen Distrikt Villa Alta entspricht, gehören bis heute die ethnischen Gruppen der Zapoteken, Mixes und der Chinanteken mit ihren jeweiligen Sprachen und deren diatopischen Varietäten: Bereits für die Kolonialzeit spricht man bezüglich dieser Region von der Existenz dreier unterschiedlicher regionaler Varietäten des Zapotekischen, als Bixano, Netzicha und Cajonos bezeichnet. Die folgende Darstellung wird sich auf eine Subvarietät der Netzicha-Varietät des Zapotekischen, das Zapoteco del Rincón, beziehen, das, wie der Name sagt, in einem geographisch abgelegenen ―Winkel‖ gesprochen wird.8 Mit der spanischen Kolonisierung und regelmäßigen Interaktionen mit der seit 1526 in Villa Alta ansässigen gewordenen, hispanophonen Bevölkerung beginnen auch die Zweisprachigkeit sowohl der spanisch- als auch der zapotekischsprachigen Bevölkerung der Region, eine rege Dolmetscher- und Übersetzungstradition sowie, durch beides bedingt, die gegenseitige Beeinflussung der beiden Sprachen Spanisch und Zapotekisch. In diesem Zusammenhang wird in historischen Dokumenten auch der Begriff des Ladino zur Bezeichnung der zweisprachigen Zapoteken gebraucht: (1)
En el pueblo y cavecera de san juan yaee, 23 june 1741, don juan francisco de la puerta alcalde mayor[...] a quienes yo dicho alcalde mayor certifico que conosco sin embargo de ser los mas de ellos ladinos en la lengua castellana y vestir traje de espanol para la maior inteligencia de los que no lo son por medio de francisco bohorques ynterprete jurado de mi jusgado en el ydioma sapoteco dijeron [...] (Quelle: (AJVA) Ramo Civil, Leg 3, exp 160. Protocolos de Instrumentos Publicos. 1739; Hervorhebung M.S.-K.)9
Mit Ladinos sind im kolonialen Diskurs die gehobenen sozialen Schichten der indigenen Bevölkerung (nobles und principales) gemeint,10 die sich taktisch und strategisch zwischen den beiden Welten der spanischen Kolonialmacht und der indigenen Tradition bewegten und damit die spanische Kolonialpolitik zu einem Teil mit gestalteten und beeinflussten. Dazu war Sprach(en)kompetenz sowohl im mündlichen als auch im schriftsprachlichen Gebrauch die Schlüsselqualifikation, die in diesen indigenen Perso8
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Die Autorin hat dort 10 Jahre intensive Feldforschung betrieben und die Daten gesammelt, die u.a. die Grundlage für die Sprachbeschreibung in diesem Beitrag sind. Für diese Darstellung sind die ausgelassenen Textstellen, in denen diverse Eigennamen genannt werden, nicht relevant. Die Übersetzung der hervorgehobenen Textstelle lautet wie folgt: ―[…] für die ich, der Alcalde Mayor, bestätige, dass ich sie kenne, auch wenn die meisten von ihnen Ladinos in spanischer Sprache sind und spanische Kleidung tragen, zum besseren Verständnis derer, die es nicht sind mit Hilfe von Francisco Bohorques vereidigter Dolmetscher meines Gerichtsbezirks sagten sie in zapotekischer Sprache […]‖. Für die Zeit der Kolonisierung durch die Spanier kann (noch) von einer ausgeprägten sozialen Stratifizierung der zapotekischen Gemeinschaften gesprochen werden.
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nenkreisen und zu dieser Zeit offenbar – die einschlägigen Dokumente belegen dies – in hohem Maße gegeben war. Wie die noch erhaltenen Dokumente aus dem 16. bis 18. Jahrhundert ebenfalls belegen, fallen in diese Zeit auch Entlehnungen aus dem Spanischen in das Zapotekische als erste, heute nachvollziehbare Konsequenzen des Sprachkontaktes.11 Ein Textausschnitt kann dies beispielhaft verdeutlichen:12 (2)
Nahatza martes beinte anos dias del mes de octubre de mil secientos ochenta y siete anos nigua rigui xuig Don Pablo de Bargas gobernador paçado cuenta que bne yetze cobi etto nocce gayona peso yoho chieno pesos rebecij cuenta gobernador alcalde bene leni bayoho yogo bene goque bene xobaa(?) leni yogo bene yetze zeal nigaa leni alcalde mayor leni lao escribano rebeij yogotee indio servicio personal y cuenta que yogo tee bene yetze-----------Y zela nigaa ribequi yela buela justicia alcalde mayor don Juan Manuel acabata quinaba neto pleito yela lachi coxueg tomines que bene yetze tzela acabata ecto laça quinaba neto 16 nigaa yela lachi goxoeg yela naca na lize tzela rigaa rilequi firma que yogo te netto guinebi nigaa Don Felipe de Santiago Y Don Francisco de Pas y Juan Bautista Y Don Juan Ximenes, Don Antonio Ximenes, Don Juan de Pas (Quelle: Villa Alta Criminal Leg. 5 Expediente. 4 Contra Jose Mendez y socios de Yatzona por sedicioso. San Juan Yatzona 1695, 39 ff.; Hervorhebung M.S.-K.)
Die aus dem Spanischen entlehnten Elemente sind in der Mehrzahl Nomina bzw. Nominalsyntagmen und Numeralia aus dem administrativen Kontext. Zu diesen gehören z.B. Datumangaben, Bezeichnungen im Kontext administrativer Ämter und Geldwirtschaft, aber auch Konzepte wie z.B. pleito ‗(Rechts-)Streit‘. Wie Dokumente aus dieser Zeit damit auch belegen, fällt der Beginn der zapotekischen Schriftsprache mit lateinischen Buchstaben in die Zeit der Kolonisierung der Region durch die Spanier. Die zahlreichen Dokumente, die sich in den Archiven finden, belegen eine rege Produktion an schriftlichen Texten. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die Tradition des schriftlichen Sprachgebrauchs des Zapotekischen in dieser Region als Alltagspraxis heute nicht mehr praktiziert wird. Eine rezente Ausnahme bildet die relativ zu den Sprecherzahlen kleine Gruppe der ―Schriftsteller in indigenen Sprachen‖, zu welchen auch und besonders Zapoteken gehören (vgl. §4).
11
12
Ebenso sind Einflüsse aus dem Zapotekischen in das Spanische erkennbar, die jedoch in diesem Beitrag nicht diskutiert werden. Spanische Elemente erscheinen in Fettdruck im zapotekischen Text.
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3. Ethnographie und Sprachkompetenzen der heutigen Zapoteken des Rincón Auf Grund außergewöhnlicher geographischer Bedingungen lebt die Sprechergruppe des Zapoteco del Rincón bis heute in relativer Isolation vom städtischen Zentrum Oaxaca. Die an Steilhängen gebauten zapotekischen Dörfer dieser Region liegen eingeschlossen von einer gebirgigen und zerklüfteten Landschaft, die durch steile Anhöhen und tiefen Schluchten geprägt ist. Die Region zeichnet sich zudem durch ausgeprägte Zeiten starker Regenfälle aus, während derer die Straße, die den Zugang zur ca. 150 km entfernten Stadt Oaxaca bildet, oftmals für Wochen unpassierbar ist. Diesen Bedingungen wird der Erhalt der zapotekischen Sprache auch durch die nachkommenden Generationen zugeschrieben, ein Merkmal, das für näher an der Stadt Oaxaca gelegene zapotekische Gemeinden nicht zutrifft, in denen der Gebrauch des Zapotekischen rückgängig ist. Abwanderung aus ökonomischen Motiven, z.B. in die Städte Oaxaca, Mexiko-Stadt sowie in die USA, spielt im Rincón nur vereinzelt eine Rolle.13 Oft handelt es sich um eine zeitweise Migration, deren Protagonisten nach einer bestimmten Zeit in ihr Dorf und damit auch zum zapotekischen Sprachgebrauch zurückfinden. Die Zapoteken dieser Region bezeichnen sich selbst in ihrer Sprache als böni shidza ‗unsere Leute‘, ihre Sprache als didza shidza‗ ‗unsere Sprache‘. Die Eigenbezeichnung als ‗Zapoteken‘ gilt in der Regel nicht, was dem Fehlen eines ethnischen Zugehörigkeitsgefühls entspricht. Vielmehr wird lokale Zugehörigkeit gelebt, das Dorf bildet den Nukleus des individuellen und gesellschaftlichen Lebens, sein Bestand als soziale Gruppe wird mittels der Bewahrung interner Zusammengehörigkeit und einer geschlossenen Präsentation nach außen gesichert. Es wird großer Wert auf die Einhaltung gruppenspezifischer Verhaltensnormen gelegt, Abweichungen werden sanktioniert. Die Bevölkerung der Dörfer des Rincón lebt von Subsistenzwirtschaft (Mais, Bohnen, Kaffee, Zuckerrohr, Yucca, wild wachsende Früchte und Kräuter, Haustierhaltung und Jagd) und dem Verkauf von Kaffee. Mit rezenten Verbesserungen der Zugangswege zu den Dörfern der Region sind kleine Läden entstanden und die Möglichkeiten der Kommunikation haben sich zunächst durch ein Telefon im Dorf, inzwischen durch das Internet entscheidend erweitert. Dies gilt auch für den Gebrauch der zapotekischen Sprache.14 Die genannten Veränderungen spiegeln sich deutlich in der Sprachkompetenz der Zapotekisch-Sprecher wieder. Dies betrifft sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte, d.h. es gibt deutlich mehr zweisprachige Sprecher, deren Spanischkenntnisse deutlich näher am regionalen Standard des Spanischen ausgerichtet sind. In der Regel 13
14
Dies ist ein Unterschied zu anderen zapotekischen Regionen, in welchen oftmals migrationsbedingt ganze Dörfer weitgehend verlassen scheinen und sich lediglich aus Anlass von Patronatsfesten temporär wieder füllen. Das Zapotekische wird am Telefon gebraucht, im Internet jedoch nicht, da sich, wie bereits erwähnt, die für die Kolonialzeit belegbare Tradition des Schreibens nicht erhalten hat.
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werden zapotekische Kinder einsprachig zapotekisch sozialisiert und erwerben ab dem Moment der Einschulung in die Vorschule Kompetenzen in der spanischen Sprache. Die Qualität der Sprachkenntnisse des Spanischen variiert individuell mit den Zugangsmöglichkeiten zu entsprechenden Domänen des Spanischen, die sich innerhalb der dörflichen Grenzen auf Schule, Kirche und ein Gesundheitszentrum beschränken. Seit der Verbesserung der Zufahrtswege besucht eine größere Zahl von Kindern weiterführende Schulen in anderen Gemeinden bzw. der Stadt Oaxaca, wo Spanisch sodann ihre Umgangssprache wird.
4. Aspekte der Sprachpolitik des Zapotekischen Mit der Unabhängigkeit und Gründung des mexikanischen Nationalstaates wird das Spanische als Nationalsprache etabliert und rechtlich verankert. Damit wird für ganz Mexiko eine diglossische Beziehung zwischen dem Spanischen und den amerindischen Sprachen zementiert, die eine deutliche Tendenz zu Sprachkonfliktsituationen und als Ergebnis partielle Sprachverdrängung zeigt. Dieser Tendenz sollte im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca und damit für das Zapotekische mit einer Verfassungsänderung Einhalt geboten werden: Seit 1994 existiert in Oaxaca ein Gesetz für die Rechte der indigenen Gemeinschaften Oaxacas, in dem die 15 ethnischen Gruppen – darunter die Zapoteken – des Staates erstmals namentlich genannt und damit anerkannt werden. Teil dieses Gesetzes ist ein Passus zum Schutz, dem Recht auf Gebrauch, Schulbildung und Weiterentwicklung der amerindischen Sprachen, die von diesen Gruppen gesprochen werden. Wenngleich die Umsetzung bilingualer schulischer Erziehung für die Sprecher der amerindischen Sprachen eine lange, vor das genannte Gesetz datierende Geschichte der ―Nicht-Realisierung‖ hat,15 so muss der Tatsache dieser Verfassungsänderung dennoch Bedeutung zugemessen werden. In der Stadt Oaxaca kann heutzutage eine zunehmende Präsenz der amerindischen Sprachen – hierbei insbesondere des Zapotekischen – im halböffentlichen Raum konstatiert werden. Dies ist eine Veränderung zur Situation noch vor ca. 10 Jahren, als die zahlreichen Sprachen des Bundestaates in der Stadt kaum präsent und bekannt waren (vgl. Schrader-Kniffki 2004a: 194).16 15
16
Bereits 1935 wurde unter Präsident Lázaro Cárdenas und der Mitarbeit des u.a. in Mitla/Oaxaca angesiedelten US-amerikanischen Summer Institut of Linguistics sowie der Modifizierung des Artikel 3 der mexikanischen Verfassung bilinguale Schulerziehung für die indigene Bevölkerung Mexikos beschlossen, jedoch auf Grund fehlender Unterrichtsmaterialien niemals umgesetzt. Beim Befragen von Einwohnern Oaxacas mit gehobenem Bildungsgrad wurde jedoch festgestellt, dass die Verfassungsänderung nicht bekannt ist. Es ist anzunehmen, dass dies weniger einem Desinteresse an den amerindischen Sprachen, die dennoch zur Kenntnis genommen werden, sondern einem allgemeinen Desinteresse bis hin zu einer generellen Abneigung gegen politische Angelegenheiten geschuldet ist.
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Vor ca. 20 Jahren gründete sich als Ausdruck einer von den Sprechern amerindischer Sprachen selbst vertretenen Sprachpolitik eine Vereinigung von Schriftstellern in amerindischen Sprachen, in der zapotekische Schriftsteller, die u.a., je nach Herkunft, in der Varietät des Istmo von Tehuantepec und der Varietät der Sierra Norte literarische Werke verfassen, durch die Zahl ihrer Veröffentlichungen eine hervorgehobene Rolle einnehmen. Inzwischen gibt es eine rege Produktion an Literatur in zapotekischer Sprache, veröffentlicht mit Übersetzungen ins Spanische in Büchern, die sich in den Buchhandlungen der Stadt Oaxaca finden.
5. Strukturelle Aspekte des Zapotekischen 5.1. Typologische Aspekte Das Zapotekische17 ist eine agglutinierende Sprache.18 Der Wortstamm ist ein- oder zweisilbig und gleichzeitig zentraler Teil von Verben, an den Präfixe und Suffixe mit bestimmten Funktionen angefügt werden. Daraus ergeben sich Verbformen unterschiedlicher Komplexität, wie z.B. die folgende: (3)
ts
-eaj -ödzhi -xi -ru„ -nu gehen benachrichtigen EN 1PL.I 2SG.F ‗wir werden tatsächlich (Emphase) gehen, um sie zu benachrichtigen‘ FUT
17
18
19
19
Die Erforschung des Zapotekischen beginnt unmittelbar nach der Eroberung und mit Beginn der Kolonisierung von Oaxaca mit den Arbeiten der ersten Missionare des Dominikanerordens. Aus dieser Epoche resultiert ein Wörterbuch und eine Grammatik, beides verfasst von Fray Juan de Córdova ([1576]1886). Das zapotekische Wörterbuch ist nicht nur das erste sprachwissenschaftliche Werk zum Zapotekischen, es legt gleichzeitig über erste Kontaktphänomene zwischen dem Zapotekischen und dem Spanischen Zeugnis ab. Im Anschluss erscheinen weitere frühe Werke zum Zapotekischen wie zum Beispiel Molina (1892), Junta Colombina de México (1893), Archivo de Lenguas Indígenas del Estado de Oaxaca (1974) und, sehr viel später, Munro & López (1999). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Erforschung der amerindischen Sprachen Mexikos und damit auch des Zapotekischen durch die Zusammenstellung von Sprachdaten zur Bestimmung von Sprachfamilien und Zugehörigkeiten zu diesen geprägt. Dafür sind die Arbeiten von Morris Swadesh von besonderer Bedeutung (z.B. Swadesh 1947), die auch die Grundlagen der Arbeiten von Rendón (1967; 1970; 1975), Suárez (1983) und Fernández de Miranda (1995) bilden. An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass auch die Informationen zu strukturellen Aspekten des Zapotekischen auf die Varietät des Zapoteco del Rincón bezogen sind und sich die jeweils genannten Aspekte in anderen Varietäten durchaus anders darstellen können. Zudem handelt es sich um Informationen, die aus einem von der Autorin des Beitrags selbst erhobenen Corpus an Spontangesprächen und narrativen Interviews gewonnen wurden. Die in den Interlinearversionen der Bespiele verwendeten Abkürzungen basieren auf spanischen Termini und werden im Abkürzungsverzeichnis aufgelöst.
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Sehr komplexe Verbformen können eine Folge an Präfixen, Stamm und Suffixen aufweisen, die wie folgt aussieht: (Tempus) – Aktionsart – (Tempus) – Aspekt – Stamm – Modalität – Person – Numerus. Präfixe und Suffixe der Verben unterscheiden sich nach semantischen (z.B. Aktionsart oder Possession), grammatischen (z.B. Person und Numerus) und pragmatischen Funktionen (z.B. Modalität). Einige dieser Affixe können auch an andere Wortarten, wie zum Beispiel Substantive, angehängt werden: (4)
sh
-dzhin Arbeit ‗unsere Arbeit‘ POS
-ru„ 1PL.I
Zapotekische Substantive unterscheiden keine Singular- und Pluralformen. Zur Numerusmarkierung gibt es zwei Möglichkeiten. Zu diesen gehört zum einen die Voranstellung von Numeralia: (5)
tu eins
nigula Frau
chopa nigula zwei Frau
tsona drei
nigula Frau
Zum anderen gibt es die Möglichkeit, dass sich die Numerusmarkierung aus der dem Substantiv nachgestellten konjugierten Verbform ergibt: böni„ yeashu Mann alt ‗die alten Männer sagen‘
(6)
ta‟ PL
-na sagen
-gaquie„ 3PL.M
Zapotekische Substantive besitzen keine Genusunterscheidung; diese ergibt sich ausschließlich im Falle von Substantiven, deren Bedeutung eine Genusunterscheidung impliziert wie z.B. nigula ‗Frau‘ und böni‗ ‗Mann‘. Wie alle Sprachen, die der Oto-Mangue-Sprachfamilie zugerechnet werden, unterscheidet das Zapotekische eine inklusive und eine exklusive Form der 1. Person Plural: (7a)
ri
-naba -ru„ fragen 1PL.I ‗wir (alle Anwesenden eingeschlossen) fragen‘ ri -naba -tu„ PRÄS fragen 1PL.E wir (Teil der Anwesenden ausgeschlossen) fragen PRÄS
(7b)
Zapotekische Verben werden nach einem komplexen Schema konjugiert, das neben Genus- und Numerusunterscheidungen auch gemäß Alter und nach Mensch vs. Tier unterscheidet. Das Zapotekische besitzt neben Aktiva und Passiva als weitere semantische Rollen Reflexiva und Kausativa. Transitive Verben werden von intransitiven Verben unterschieden.
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Das Zapotekische besitzt eine umfangreiche Anzahl an Kategorien wie Verben, Substantive, Adjektive, Adverbien, Numeralia, Präpositionen, Konjunktionen, Interjektionen und Partikel.
5.2. Aspekte der Phonetik und Phonologie des Zapotekischen Das Vokalsystem des Zapotekischen setzt sich aus sechs Vokalen zusammen, die sich zu einem Teil gemäß kurzer und langer Vokale voneinander unterscheiden.
i [i]
u [u], [u:]
ö [ə
e a [a], [a:] Die Varietät des Zapotekischen des Rincón besitzt den Reduktions- oder Schwa-Vokal als sechsten Vokal und unterscheidet sich damit von anderen Varietäten des Zapotekischen, die an seiner statt [e] realisieren. Hinsichtlich der Kombinationen von Vokalen lassen sich zwei Typen voneinander unterscheiden: 1. Vokoide Verschleifungen wie z.B.: náa ‗meine Hand‘, ruúna ‗von Neuem tun‘, léi ‗das‘. 2. Diphthonge wie z.B. [ea]: reaja ‗ich gehe‘, [eu] beu ‗Mond‘, [ia] rnia‗ ‗ich sage‘, [ie] quiegaquie ‗sie‘, [ua] sua‗ ‗ich bin‘, [ui] lahui ‗gemein‘. Das Konsonantensystem besteht aus 25 Konsonanten, zu welchen auch die Semivokale [j] und [w] gerechnet werden.
Oklusiva:
labial
dental
[p] b
t t d s ſ z ʒ ts tſ ds dʒ ŋ ŋŋ l ll r
Frikativa: Africaten Nasale Laterale Vibranten Semivokale
[m] w
palatal velar
uvular glotal k [ʔ] g r,Χ
ks
j
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5.3. Morphosyntax des Zapotekischen Zu den Konstituenten der Nominalphrase im Zapotekischen gehören Substantiv und nachgestelltes Adjektiv, evtl. Erweiterungen durch Präpositionalphrasen; Numeralia fungieren als Artikel. Suffixe in Funktion von Demonstrativa können an das Substantiv angehängt werden, wie z.B. böni-na‗ ‗Mann-dieser‘. Mittels unterschiedlicher Präfixe und/oder Suffixe können zapotekische Substantive Possession anzeigen. Dafür werden zwei Klassen von Substantiven20 unterschieden: 1.) Substantive mit obligatorischer Possessionsmarkierung und 2.) Substantive ohne obligatorische Possessionsmarkierung. Possessive Substantive, d.h. Substantive, deren Formeninventar ausschließlich aus possessionsanzeigenden Formen besteht, unterscheiden sich von anderen, oftmals gleicher Bedeutung, ohne Possessionsmarkierung. Beispiele hierfür sind: ladzha‗ ‗mein Dorf‘, vs. yödzi ‗Dorf‘; lidzha‗ ‗mein Haus‘ vs. yu‟u ‗Haus‘; zhicua‗ ‗mein Hund‘ vs. böcu ‗Hund‘. Die possessionsanzeigenden Substantive werden mittels der Flexionssuffixe verändert, die auch für die Verbkonjugation gebraucht werden. Es wird demnach also unterschieden zwischen: (8)
ladzh-a‗ ladzh-u‗, ‗mein Dorf‘ ‗dein Dorf‘ ladzh-anu ladzh-abi‗ ‗ihr (F) Dorf‘ ‗sein (M/F) Dorf‘ ladzh-atu‗ ‗unser Dorf‘ (exklusiv) ladzha-gácanu ‗ihr Dorf‘ (F.PL)
ladzh-e‗ ‗sein (M) Dorf ‘ ladzha-ru„ ‗unser Dorf‘ (inklusiv) ladzha-gaquie‗ ‗ihr Dorf‘ (M.PL) ladzha -gácabi„ ‗ihr Dorf‘ (M/F)
Für nicht possessive Substantive kann Possession mittels eines nachgestellten Possessivpronomen angezeigt werden, also z.B. dzhin queru‗ ‗Arbeit von uns‘; zum anderen mittels Prä- und Suffigierung, also dzhin ‗Arbeit‘, sh-dzhin-ru‗ ‗unsere Arbeit‘. Hier ist sh- das possessionsanzeigende Präfix und -ru‗ das mit Genus und Numerus den Possessor anzeigende Suffix. Zapotekische Adjektive besitzen weder Numerus- noch Genusmarkierung und folgen dem Substantiv, das sie näher bestimmen. Mit diesem werden sie entweder asyndetisch, wie z.B. böni‗ yeashu ‗Mann alt‘ oder mit einem Kopula-Verb verbunden, wie z.B. naca cuchi zhön ‗das Schwein ist groß‘.21 Das Zapotekische besitzt eine Anzahl von Präpositionen, die durch Entlehnungen aus dem Spanischen vergrößert wird. In der zapotekischen Alltagssprache werden die 20
21
Diese beiden Substantiv-Klassen entsprechen der Unterscheidung in alienable und inalienable in der Possessivmarkierung. An diesem Beispiel zeigt sich die zapotekische Wortfolge VSO, vgl. dazu das Unterkapitel zur zapotekischen Syntax.
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Präpositionen oftmals weggelassen, die entsprechende Bedeutung ergibt sich in diesem Fall durch Inferenz. In Funktion von Präpositionen werden insbesondere Substantive in metaphorischer Bedeutung gebraucht, die ursprünglich für Bezeichnungen von Körper und Körperteilen stehen. Beispiele hierfür sind zhan ‗Gesäß‘, ‗unter‘, cudzi ‗Rücken‘, ‗hinter‘, ra‟zhga ‗Stirn‘, ‗gegenüber‘. Zur zapotekischen Verbalphrase gehört ein finites Verb mit den Argumenten Subjekt und Objekt sowie optional adverbiale Bestimmungen. Zapotekische Verben lassen sich nach semantischen, morphosyntaktischen, syntaktischen, funktionalen und formalen Aspekten differenzieren. Gemäß des Kriteriums semantischer Differenzierung von Verben werden drei Aktionsarten voneinander unterschieden. Zu diesen gehört die Klasse der Verbformen zum Ausdruck repetitiver Handlungen, formal durch das Präfix ru- gekennzeichnet, z.B: ri-ben ‗hinaufgehen‘ vs. ru-ben und bedeutet ‗wieder, erneut hinaufgehen‘. Weitere Klassen zapotekischer Verben bezeichnen Handlungen, die mit einer Bewegung weg vom bzw. hin zum Origo des Sprechers verbunden sind, z.B. ri-naba ‗bitten‘, reaj-naba ‗gehen um zu bitten‘; ru-shía ‗beschaffen‘, zudu-shía ‗kommen, um etwas zu beschaffen‘. Zur Morphosyntax zapotekischer Verben gehören auch das besonders produktive Wortbildungsverfahren der Komposition bzw. die auf diesem beruhenden zahlreichen verbalen Wortbildungen. Im alltäglichen Gebrauch des Zapotekischen lässt sich eine Vielzahl solcher zusammengesetzter Verben mit oftmals metaphorischer Bedeutung feststellen, deren Muster den Regeln V+N, V+N+N oder V+ADJ gehorchen. Beispiele dafür sind: V+N: raca ue ‗es geschieht Krankheit‘ (= ‗krank sein‘), V+N+N, ribeaj yela lahui ‗herausziehen Schlaf Gesicht‘ (= ‗nicht schlafen können‘), V+ADJ: zua yatsa ‗sein durcheinander‘ (= ‗glücklich sein‘). Das zapotekische Verb runa ‗machen, tun‘ ist die Basis für eine Reihe von zapotekisch-spanisch gemischten kompositorischen Wortbildungen des Typs V+N oder V+V, die auch oftmals spontan im Gespräch entstehen. Beispiele hierfür sind runa favori ‗einen Gefallen tun‘ und runa (a)yudari ‗helfen‘. Gemäß syntaktischer Kriterien lassen sich intransitive, transitive und reflexive Verben voneinander unterscheiden. Zudem gibt es Verben, deren konjugierte Form das Objekt bereits impliziert, ein Beispiel dafür ist das Verb rine‗ ‗(jemandem) sagen‘. Reflexive Verben des Zapotekischen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Personen- und Numerusmarkierung haben; ein nachgestelltes Possessivpronomen ist Träger der entsprechenden Bedeutungen. Das der Verbform folgende Possessivpronomen trägt diese Markierungen. Das Forminventar der zapotekischen Verben umfasst tempusmarkierte Verbformen (Ausdruck von Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit); aspektuelle Unterscheidungen wie z.B. Kontinuativ, Kompletiv und Stativ. Gemäß Modus werden Indikativ und Imperativ unterschieden. Es gibt keine infiniten Verbformen.
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5.4. Aspekte der Syntax Die unmarkierte Wortstellung des Zapotekischen folgt dem Prinzip Verb-SubjektObjekt, da es sich um eine agglutinierende Sprache handelt, kann sich die Wortfolge VSO innerhalb eines Wortes zeigen: (9)
guizhaj -a‟ FUT-avisar 1SG ‗ich gebe ihm Bescheid‘
-ne‟ 3M
Zum Zweck von Topikalisierung (10) und/oder Fokalisierung (11) kann sich die Wortfolge VSO ändern: (10)
(11)
le‟ zian guca lo mucho PRÄT-estar‗viele Dinge sind ihm passiert‘
que POS
yugu obra le‟ be -n -li‟ cada obra lo PRÄT -hacer- 2PL ‗jede Arbeit, die sie dieses Jahr machten‘
-li‟ -2PL iza año
na‟a ahora
Sätze sind einfache oder komplexe Sätze, für komplexe Satztypen können parataktische und hypotaktische Konstruktionen voneinander unterschieden werden. Die Konkordanzrelationen im Zapotekischen sind: Genus- Numerus-, Art und Personenkonkordanz.
5.5. Pragmatik: Deixis und Modalpartikel Personaldeixis wird im Zapotekischen mittels des Gebrauchs von Personalpronomen ausgedrückt. Zu diesen gehören auch die spezifischen Personalpronomen, deren Bedeutung den Ausdruck von Emphase impliziert, z.B. cuinru‗ ‗wir selbst‘. Die Form cuinu‗, d.h. die Form der zweiten Person Singular, dient gleichzeitig als Respekt markierte Anredeform, deren Bedeutung mit der deutschen distanzierten Anredeform Sie verglichen werden kann und ist somit ein Beispiel für Sozialdeixis im Zapotekischen. Zum Ausdruck von Temporaldeixis können die Formen, na‟a ‗jetzt‘, cushö‗ ‗morgen‘, neje ‗gestern‘ und neje nasi ‗vorgestern‘, von solchen unterschieden werden, die sich auf längere Zeitabschnitte beziehen, wie z.B. ya‟chida„ gubidza, ‚von jetzt ab in 14 Sonnen‗ (=zwei Wochen). Wie im Spanischen auch, werden im Zapotekischen drei Möglichkeiten des Ausdrucks von Lokaldeixis unterschieden, ni ‗hier‘, na‗ ‗da‘, ni‗ ‗dort‘. Da Zapotekische verfügt über eine Reihe von Partikeln, mittels derer der Sprecher seine Haltung zum Gesagten modifizieren kann. In der Regel handelt es sich um Suffi-
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xe oder Infixe, wie z.B. -xi zum Ausdruck von Emphase,22 -lja, zum Ausdruck von Unsicherheit gegenüber der Wahrheit oder Wirklichkeit eines geäußerten Inhalts, -tsa, um einen geäußerten Inhalt als Hypothese zu markieren, -tse, zum Ausdruck von Überraschung hinsichtlich eines geäußerten Tatbestandes sowie -zi, mit dessen Gebrauch dem Inhalt einer Äußerung gegenüber Geringschätzung oder geringe Bedeutung beigemessen wird.
6. Textsorten In der mündlichen Alltagssprache der zapotekischen Sprecher lassen sich unterschiedliche Textsorten feststellen. Es handelt sich dabei um vorwiegend orale Texte, die durch ein jeweils spezifisches Textmuster mit zugeordneter Funktion charakterisiert sind und Teil einer stark ritualisierten öffentlichen, halböffentlichen oder privaten Alltagskommunikation sind. Unter Einbezug der sehr seltenen schriftlichen Texte lassen sich idealtypisch die Texttypen poetischer Text, religiös-zeremonieller Text, zeremonieller Text der stilistisch gehobenen Alltagskommunikation, Alltagserzählung im öffentlichen vs. Alltagserzählung im nicht-öffentlichen Bereich, argumentativer Text, deskriptiver Text und dialogischer Text differenzieren. Der folgende Text ist ein Beispiel des Typs ―Alltagserzählung‖23 und zeigt einen Ausschnitt des unmarkierten, alltäglichen Gebrauchs der zapotekischen Sprache: ati´ na´a gudödi nigula rnanu huazìu‟ quiu´ yöjedi huaca réa‟nu huazìa‟ba´ neda´ rnia´ gúi´tu´ba´ chimil ti´ síxa´ba´ neda´ rnaanu guzhi quiu‟ zhacula quia‟ zuabana´ rnanu chinacheba´ tapa zhi´niba´do´ tu böraj shidza´ rnanu tsona yöjedido´ nache´ba´ rnanu guzhí´ba´ quiu´ ati´ réanu gája´zhi síuba´ guzhí´ba´ quiu´ ati´ réanu gája´zhi síuba´ guzhí´ba´ quiu´ ati´ réanu gája´zhi síuba´ na´ rnanu chiun guidu´ len zhini´ba´do´ ‗und dann kam eine Frau, sie sagt, kauf das Huhn, ist gut, sage ich zu ihr, ja, ich werde es kaufen, zu mir selbst sage ich, geben wir zehntausend [Pesos], ich werde das Tier nicht kaufen; sie sagt, nimm auch meine Truthenne, da ist sie, sagt sie, sie hat schon vier Junge, ein Wildgeflügel, drei Hühnchen bringt sie, dann sage ich ihr also, wie viel willst du für dieses Tier, sie sagt 50, alles in allem mit der Brut‘ Der Text ist ein prototypisches Beispiel eines Alltagsgesprächs/Alltagserzählung innerhalb der Sprechergemeinschaft. Gekennzeichnet ist er zum einen durch universelle Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit, wie z.B. die Themenwahl eines ―Alltagsthe22 23
Zum Gebrauch dieser Partikel vgl. auch Beispiel (3) in diesem Beitrag. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus einer Transkription eines auf Tonträger aufgenommenen Gesprächs zwischen zwei alten Frauen, von denen eine zum Zweck des Verkaufs von lebendem Geflügel an die Haustür der anderen kam.
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mas‖, die parataktische Aneinanderreihung von Satzgliedern und elliptische Syntagmen. Ein besonderes nähesprachliches Merkmal, das zapotekische Alltagstexte charakterisiert, ist die Einbettung fast sämtlicher inhaltlicher Bestandteile der Erzählung in syntaktische Strukturen der Redewiedergabe, markiert durch den repetitiven Gebrauch des verbum dicendi ‗sagen‘ rnia´ (‗sage ich‘), rna-anu (‗sagt sie‘). Dies schließt auch die Darstellung von Denkpassagen als innere Monologe ein.
Abkürzungsverzeichnis 1 2 3 ADJ EN F FUT M
N
1. Person 2. Person 3. Person Adjektiv Emphase Femininum Futur Maskulinum Nomen
PL PL.E PL.I POS PRÄS PRÄT SG
V
Plural exklusiver Plural inklusiver Plural Possessionsmarker Präsens Präteritum Singular Verb
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Die Angaben in dieser Bibliographie gehen weit über die im Text erwähnte Literatur hinaus und stellen einen Versuch dar, eine möglichst umfassende Bibliographie zum Zapotekischen zu erstellen.
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ELISABETH VERHOEVEN (BERLIN)
Cabécar – a Chibchan language of Costa Rica
Abstract This article presents an overview of Cabécar, an indigenous language of Costa Rica spoken in the Talamanca Mountain Range. The language is endangered in that many young ethnic Cabécars exclusively speak Spanish. From a linguistic point of view, Cabécar possesses a number of outstanding characteristics, which are the subject of this article.
1. Introduction: The language and its speakers1 Cabécar is the name of a language spoken by an indigenous population living in the Talamanca mountain range of Costa Rica. More recent statements regarding the number of speakers vary to a considerable degree: while Margery Peña (1985a: 131, 1991: 121, 1989/2003: xi) mentions between 2000 and 3000 speakers, Lewis (2009)reports the number of 8840 speakers in the year 2000. The official census from the year 2000 mentions 9861 ethnic Cabécars of which approximately 85% identify themselves as speaking the language (Solano 2002). There are four enclaves in the Talamanca mountain range of Costa Rica where Cabécar is spoken: Chirripó, La Estrella, and San José Cabécar, all three located at the Atlantic side of the mountain range in the province of Limón, and Ujarrás, located at the Pacific side of the mountain range in the province of Puntarenas (Margery Peña 1991: 121, 1989/2003: xi, see Figure 1). In general people of these four regions do not have much contact to each other so that the varieties of the language spoken may differ to a considerable degree. Margery Peña (1989/2003) identifies two main dialects on the basis of phonological, morpho-syntactic and lexical characteristics, namely a northern 1
This article is based on fieldwork carried out in Ujarrás (Costa Rica) in April 2009 and July/August 2010. The fieldwork was financially supported by the German Academic Exchange Service (DAAD) and the Universidad Nacional Costa Rica (PROLIBCA, Programa de Lenguas Indígenas de la Baja Centroamérica) which is gratefully acknowledged. I am greatly indebted to my Cabécar consultants. Furthermore, I would like to thank Diego Quesada, Stavros Skopeteas and an anonymous reviewer for very helpful comments.
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dialect spoken in the areas of Chirripó and La Estrella, and a southern dialect spoken in Ujarrás and San José Cabécar. Furthermore, while the communities of San José Cabécar and Ujarrás are quite easily accessible, this does not hold for the communities located in the Chirripó area. So speakers in San José Cabécar and Ujarrás are mostly bilingual with Spanish (even the elder ones) while it is reported that in the Chirripó regions there is a considerable number of monolinguals.2 In those communities with easy access from the outside, younger speakers and children often do not speak Cabécar anymore. This holds true irrespective of the fact that the language is taught at primary school in these communities.3 Thus, the language seems to be under the threat of extinction – at least in these communities. Regarding the absolute number of speakers, chances for a longer term survival of the language are not very high.
Chirripó
La Estrella
San José Cabécar
Ujarrás
Figure 1: Geographic distribution [http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mapa_cab%C3%A9car.png#filelinks; created by Guillermo González Campos for Wikimedia]
2
3
While Margery Peña (1989/2003: xi) reports that most Cabécar speakers are bilingual with Spanish, Lewis (ed.) 2009 gives the number of 80% of monolinguals. Since 1996 the Costa Rican Ministry of Education is undertaking a programme to support teaching of the indigenous languages in primary school (Solano 2002).
Cabécar – a Chibchan language of Costa Rica
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Cabécar is one of six Chibchan languages spoken in Costa Rica (see Margery Peña 1989/2003: xi, Quesada 2007). Next to Cabécar, there are indigenous communities speaking Guatuso, Bribri, Teribe, Guaymí, and Bocotá (Buglere). Genetically, Cabécar belongs to the Isthmian branch of the Chibchan language family. Together with its closest sister Bribri it forms the Viceita branch of the Isthmian languages (see Table 1). Group/Language Paya (Pech) Southern Pota Isthmian
Rama Guatuso Viceita Boruca (†) Teribe Guaymian Doracic
Magdalenian
Cabécar Bribri
Guaymí Bocotá (Buglere) Chánguena † Dorasque †
Cuna (Kuna) Boyacan Muisca † Duit † Tunebo Arhuacan Kogui (Kogi) Ika Damana Atanques † Chimila Barí
Country Honduras Nicaragua Costa Rica Costa Rica Costa Rica Costa Rica Panama, Costa Rica Panama, Costa Rica Panama, Costa Rica Costa Rica, Panama Panama Panama, Colombia Colombia Colombia Colombia Colombia Colombia Colombia Colombia Colombia Colombia, Venezuela
Table 1: The Chibchan language family (adapted from Constenla 1991, Quesada 2007)4 The genetic arrangement of the languages in Table 1 corresponds to their geographic distribution quite neatly, extending from the northernmost members of the family, Paya in Honduras and Rama in Nicaragua, over the Isthmian languages in Costa Rica and Panama to the Magdalenian languages of Columbia and Venezuela.
4
Languages marked with † are extinct.
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Elisabeth Verhoeven
2. History of investigation5 In the second half of the 19th century, first studies about the indigenous languages of Costa Rica, also referring to Cabécar, are published, written by Spanish-, English-, and German-speaking scholars (see Scherzer 1855, Gabb 1875, Thiel 1882, Fernández Guardia & Fernández Ferraz 1892). Research continues in the 20th century with works by Lehmann (1920) and Shuller (1928). Since the late 70s, Cabécar has been investigated intensively by linguists at the University of Costa Rica, most prominently by Enrique Margery Peña who published numerous articles about diverse aspects of the Cabécar language including phonological, morphological, morpho-syntactic, and lexical aspects. His work on the language culminated in the publication of the comprehensive lexicon Diccionario cabécar – español, español – cabécar (Margery Peña 1989/2003) which is the most important source for this language until today. It comprises a thorough lexicographical study of the language, taking into account the currently spoken Cabécar in all language areas in Costa Rica. The lexicon is accompanied by a grammatical introduction which describes the basic properties of the parts of speech in the language. It is also Margery Peña who established an orthography for Cabécar which is now officially accepted in the language community (Margery Peña 1985a). Furthermore, there are a number of specific studies on diverse aspects of Cabécar grammar including its phonology, morphology, and syntax. The first study of the phonology of Cabécar is Jones & Jones (1959), followed by articles by Bourland (1975) and Margery Peña (1982, 1985a). Verbal morphology is studied in Jones (1974, 1983) and Margery Peña (1985d). Diverse aspects of nominal morphology are dealt with in Bertoglia (1983) and Margery Peña (1983, 1985b, 1985c, 1985e). A syntactic account of Cabécar is provided in Bourland (1974). Studies dealing with lexical and/or semantic aspects of Cabécar include Camacho-Zamora (1983) with emphasis on ethno-botanical vocabulary, Margery Peña (1984) with emphasis on ethno-ornithological vocabulary, and Hernández Poveda (1992) with emphasis on kinship terminology. Furthermore, there are Cabécar texts and text collections available such as Varas & Fernández (1989), Margery Peña (1986a, 1995), and also studies on indigenous text genres and music (Cervantes 1991, Constenla Umaña 1996, Margery Peña 1986b, 1989, 1991). Finally, Quesada (1999, 2007) analyses Cabecar in a comparative Chibchan perspective discussing issues at all grammatical levels with a special emphasis on participant alignment and participant marking. Still, nowadays the Chibchan languages are only poorly considered in general comparative linguistic research due to the fact that comprehensive reference grammars are missing or have been completed only recently (see Quesada 2000 on Teribe, Quesada 5
Work on this chapter was facilitated by a bibliography of scientific works on Cabécar provided by Guillermo González Campos, Universidad de Costa Rica.
Cabécar – a Chibchan language of Costa Rica
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2007 for a comparative study of Chibchan). For other Chibchan languages reference grammars are available in Spanish (e.g. Constenla & Margery Peña 1978, 1979 for Bribri, CIDCA-Craig 1990 for Rama, Constenla 1999 for Guatuso, Quesada-Pacheco 2008 for Panamanian Guaymi, Murillo forthc. for Costa Rican Guaymi, Quesada forthc. for Buglere). Given the fact that there is no reference grammar for Cabécar and that most specific works are published in Spanish, the language is still not accessible to the wider non-Spanish-speaking part of the linguistic community.
3. Some grammatical characteristics 3.1. General This grammatical characterization is based on the works that have been published on Cabécar grammar, in particular Margery Peña (1989/2003) as well as on own fieldwork in Ujarrás undertaken in April 2009 and July/August 2010.6 Cabécar morphology displays a high degree of allomorphy and fusion in the verbal domain where categories such as voice, diverse aspect and mood categories, and verbal number are highly fusional (see section 3.3.2). In the nominal domain, morphology is limited, since case relations and plural are encoded through unbound formatives (see various examples in section 3.3). The only nominal inflectional category which displays a high degree of fusion is numeral classification (see examples in (4)). As regards a syntactic characterization, Cabécar is a head-final language, i.e. the head generally follows its dependent: verbs strictly follow their direct object, adpositions are postpositions and the possessed follows its possessor. Furthermore, Cabécar is a dependent-marking language, i.e. the dependent is morphologically marked for the relation to its head. This holds for the arguments and adjuncts of a verb the relation of which is marked through postpositions. Apart from postpositional marking syntactic relations are expressed though word order. The following paragraphs introduce to some basic grammatical properties of Cabécar in the domains of phonology, morphology, and syntax.
6
The author is currently working on the grammar of Cabécar in collaboration with Christian Lehmann (University of Erfurt) and Stavros Skopeteas (University of Bielefeld). The results of this collaboration are currently compiled in an Online Documentation of Cabécar, see http://www. christianlehmann.eu/ling/sprachen/cabecar/index.html (access date 27.09.2010). If not otherwise indicated examples illustrating Cabécar grammatical phenomena stem from fieldwork in Ujarrás.
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3.2. Phonology One of the remarkable characteristics of the Cabécar vowel system is the systematic opposition between oral and nasal vowels. Cabécar displays two series of vowels as shown in the Table 2 (see Margery Peña 1989/2003: xvi–xvii). There are seven oral vowels and five nasal vowels which largely correspond to each other in their position on the horizontal (position of tongue: front – back) and vertical (degree of opening: close – open) axes. In contrast to the nasal vowels, the oral vowels display a distinction between close mid (i.e. /ɪ/, /ɤ/) and mid vowels (i.e. /ɛ/, /ɔ/) both in the front and in the back axis respectively. Table 2 indicates orthographic representations in angle brackets in those cases where they differ from the phonemic representations.
close close mid mid open
Oral vowels front back /i/ /u/ /ɪ/, /ɤ/, /ɛ/, /ɔ/, /a/
Nasal vowels front back /ĩ/, /ũ/, /e/,
/õ/, /ã/ ,
Table 2: Vowels Figure 2 shows a plot of F1 and F2 frequencies of 8 instances of the 7 oral vowels produced by a female native speaker. F1 values correspond to the degree of opening in Table 2: close vowels have low F1, open vowels have high F1. The degree of vowel frontness/backness is reflected in F2 frequencies: front vowels are characterized by high F2 while back vowels show low F2. For each vowel we selected two words which were recorded 4 times (= 8 measurements per vowel).7 The variation visible for each vowel phoneme is expected as is the overlap of the spaces of F1/F2 values for neighbouring vowels, i.e. /ɪ/ () and /ɛ/ (), and /ɤ/ () and /ɔ/ ().8 Figure 2 indicates that the vowels labeled as mid and close-mid in Table 2 are articulated with a similar F1 value range, i.e. with a similar degree of opening on the vertical axis.
7
8
The following lexical items were used (the measured vowel is indicated in bold): dawá ‗brother-in-law‘, bata ‗peak‘; jé ‗that‘, sértsö ‗person‘; p ‗people, b chí ‗devil‘; jí ‗this‘, dí ‗chicha‘; kugö ‗roast‘, jula ‗hand, arm‘; sértsö ‗person‘, sögötö ‗start‘; óshkoro ‗hen‘. The diacritic on vowels indicates a pitch accent. Generally, pitch accent bearing syllables are stressed and are realized with a rising pitch contour. The exact phonetic correlates of this accent and the interaction with several tonal environments need further investigation. Note that the consonantal environment of the vowels was not controlled, which increases the variation as visible in Figure 2.
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F2 in Hz 3000
2500
2000
1500
1000
500
0 0
200
400
600
F1 in Hz
800
1000
1200
Figure 2: Vowel formants (F1, F2) The Cabécar consonant system consists of 14 consonants with phoneme status (see Table 3). These may occur with different phonetic realizations dependent on the phonetic context in which they appear. As Table 3 shows, there are six plosives, of which four come in voiced – voiceless pairs, namely /p/ vs. /b/ and /t/ vs. /d/. The velar consonant /k/ may be realized voiceless or voiced dependent on its immediate phonetic environment. Furthermore, Cabécar has three affricates (i.e. /ts/, and the voiceless – voiced pair /ʧ/ and /ʤ/) and three voiceless fricatives /s/, /ʃ/, and /h/. As concerns nasal consonants, only the velar nasal // is considered to have phoneme status while [m], [n], and [ɲ] are analyzed as prenasal allophonic realizations of the phonemes /b/, /d/, and //, respectively (see Margery Peña 1982, 1989/2003: xxii). Finally, Cabécar has a liquid retroflex phoneme /ɽ/ which is generally realized as a tap. Place of articulation Manner of articulation \ plosive voiceless voiced affricate voiceless voiced fricative voiceless nasal liquid
Table 3: Consonants
bilabial p b
dental / alveolar t d ts
dental / velar tk
retroflex
alveolar / palatal
velar
glottal
k ʧ ʤ ʃ
s
h
ɽ
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3.3. Morphology and syntax 3.3.1. Nominal grammar The Cabécar noun phrase can be formed by a noun or a pronoun. A noun may either constitute a noun phrase on its own or may be accompanied by modifiers such as adjectives or determiners such as demonstratives. In the following, pronouns are addressed first followed by nouns and their modifiers and determiners. The Cabécar paradigm of personal pronouns is represented in Table 4. The singular forms of the first and third person appear in two forms: a full form and a short clitic form, as indicated in Table 4. Furthermore, there is a distinction between exclusive first person plural and inclusive first person plural. The pronoun sá excludes the hearer(s) from the group of persons referred to while sé includes them. Next to the third person pronouns given in Table 4, there is the pronoun sa which is exclusively used for anaphoric reference to human beings. Number Person 1. exclusive inclusive 2. 3.
singular
plural
yís ~ s
sá sé bás jiéwá
bá jié ~ i
Table 4: Personal pronouns The personal pronouns do not show variation conditioned by their syntactic function. Thus, the same forms occur independent of whether the pronoun has possessive (1a), subject (1b) or object function (1c). (1a)
(1b)
(1c)
yís mína 1.SG mother ‗my mother‘ (Margery Peña 1989/2003: xliii) Yís të Carlos shkawá. 1.SG ERG Carlos hit:PFV ‗I hit Carlos‘ Carlos të yís shkawá. Carlos ERG 1.SG hit:PFV ‗Carlos hit me.‘
Table 3 shows that plural formation is not regular in the paradigm of personal pronouns. In the third person, the morpheme wá indicates plural. Wá also indicates plurality with nouns. It follows the noun or a modifying postnominal adjective (2a). However, number marking is not obligatory. Thus, a noun not marked with wá is not necessarily interpreted as singular, i.e. as referring to a single item of the class denoted
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by the noun. It is rather unspecified for number so that there may be an ambiguity as to singular vs. plural reference as in (2b). (2a)
(2b)
míchi (dolóna) wá cat (black) PL ‗the (black) cats‘ Óshkoro köpö-gé. hen sleep-HAB ‗(The/A) hen(s) is/are sleeping.‘
Number marking is sensitive to the animacy hierarchy (see Margery Peña 1989/2003: xliii), in a way that is in line with facts known from other languages (see Smith-Stark 1974; Corbett 2000: 54–132). With (full) pronouns, number marking is obligatory (see Table 4). The same holds for human animates if they are referential as in (3a). With non-human animates and inanimates number marking may be optional as in (2b) and (3b). (3a)
(3b)
Yaba wöbötsö i kága wá suwa. child like 3 father PL see:INF ‗The child likes to see his parents.‘ Páiglö (wá) dö paskulë. shirt PL COP washed ‗The shirts are washed/clean.‘
Nominal categories such as gender or definiteness, which are well-known from Indoeuropean languages, do not occur in Cabécar.9 Next to number, nominal class plays a role in Cabécar nominal grammar, more specifically in the formation of numerals. Numeral classifiers occur with numerals as can be seen in (4). They are selected according to the semantic class of the counted noun. Cabécar distinguishes six noun classes: neutral entities (including humans) (see (4a)), round entities (4b), long entities (4c), flat entities (4d), containers (4e), groups/portions (4f). The class of neutral entities is the unmarked member of the contrast, i.e., all entities can be used with this class (for more details see Margery Peña 1989/2003: xlvii). (4a)
9
aláglöwa égla / ból / woman one:CLF.NEUT two:CLF.NEUT tkél / skél four:CLF.NEUT five:CLF.NEUT ‗one/two/three/four/five woman/women‘
mañál / three:CLF.NEUT
In the Isthmian languages, definiteness distinctions are conveyed at the (morpho-)syntactic level, i.e. by overt plural marking and/or different positions of quantifiers and numerals (D. Quesada, p.c.). This issue needs further investigation in Cabécar.
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(4b)
(4c)
(4d)
(4e)
(4f)
ják égla wö / ból wö / mañál wö / stone one CLF.ROUND two CLF.ROUND three CLF.ROUND tkél wö / skél wö four CLF.ROUND five CLF.ROUND ‗one/two/three/four/five stone/stones‘ míchi étaba / bótabö / mañátabö / cat one:CLF.LONG two:CLF.LONG three:CLF.LONG tkétabö / skétabö four:CLF.LONG five:CLF.LONG ‗one/two/three/four/five cat/cats‘ óshkoro étka / bótkö / mañátkö / hen one:CLF.FLAT two:CLF.FLAT three:CLF.FLAT tkétkö / skétkö four:CLF.FLAT five:CLF.FLAT ‗one/two/three/four/five hen/hens‘ kököblë éyaka / bóyökö / mañá yaka basket one:CLF.CONT two:CLF.CONT threeCLF.CONT tkél yökö / skél yökö four CLF.CONT five CLF.CONT ‗one/two/three/four/five basket/baskets‘ tsalá élga / bólga / mañálga / banana one:CLF.PORT two:CLF.PORT three:CLF.PORT tkélga / skélga four:CLF.PORT five:CLF.PORT ‗one/two/three/four/five bunch(es) of bananas‘
/
The Cabécar numeral system is quinary, i.e. it uses the number five as a basic unit in its counting system.10 Numbers higher than five are construed by addition (by means of kí ‗plus‘) or multiplication (by means of postponing the respective number word) using sá jula lit.: ‗our hand‘ as basic unit, as illustrated in example (5). (5)
móglö sá jula bótkö kí gun 1.PL.EXCL hand two:CLF.FLAT plus ‗thirteen guns‘ (Margery Peña 1989/2003: l)
mañátabö. three:CLF.LONG
As is evident from (5), the numeral classifiers are chosen according to the class of the counted entity, i.e. bótkö relates to sá jula ‗our hand‘ and takes the classifier for flat entities while mañátabö directly relates to the counted entity móglö ‗gun‘ and thus takes the classifier for long entities.
10
See Pittier de Fábrega (1904) for a very early account of the numeral systems in the indigenous languages of Costa Rica.
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While definiteness is not morphologically marked in the Cabécar noun phrase, there are a number of demonstrative determiners that combine with nouns to form a noun phrase. Following Margery Peña (1989/2003: xliv) Cabécar demonstratives are distinguished according to the parameters of visibility of the determined entity by the speaker and its location with respect to the speaker, as indicated in Table 5. The location of the entity includes its distance with respect to the speaker and, for distal entities, its position at the same, a superior or inferior level with respect to the speaker. Location Distance speaker Level speaker Visibility
proximal close near visible non-visible
jí
jé
same jamí jé ñéwa
distal far superior jöí jé
inferior diá jé
Table 5: Demonstratives The position of the demonstrative with respect to the noun is not fixed but varies according to factors that still have to be detected. Margery Peña (1989/2003: xliv) identifies the postnominal position of the demonstratives as the basic one, but the reverse order equally occurs in texts and elicitation as can be seen in (6b). (6a)
(6b)
Yaba jí kie José. child PROX be.called Jose ‗This child is called José.‘ (Margery Peña 1989/2003: xlv) Jí ksë dö ksë-na jir. PROX song COP sing-MID.INF today ‗This song should be sung today.‘
The possessive noun phrase is formed by juxtaposition of possessor and possessed in that order (7). The possessor phrase can be formed by a noun (7b) or a pronoun (7a) and can itself be complex, e.g. a possessive noun phrase as in (7c). In contrast to many other languages, Cabécar does not structurally distinguish between different kinds of possessive relations, juxtaposition being the only structural means to indicate a possessive relationship in the nominal domain. The possessive construction can be lexicalized resulting in a compound as in (7d). (7a)
(7b)
(7c)
yís mína 1.SG mother ‗my mother‘ José mína J. mother ‗José‘s mother‘ yís mína ju 1.SG mother house ‗my mother‘s house‘
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(7d)
ju kö house door ‗door (of the house)‘
3.3.2. Verbal grammar The Cabécar verb phrase consists of a verb and its dependents, i.e. complements and/or adjuncts. There are intransitive (2b) and transitive verbs (3a) as well as copular verbs (3b). Cabécar has two copular verbs: dö (which has as an allomorphic variant rö when following a vowel) and tsó. The copula dö is used to form a predicate with an adjective or a noun (phrase) as in (8a, b). Similarly, the copula tsó can combine with an adjective as in (8c). The semantic difference between dö and tsó corresponds to the difference between Spanish ‗ser‘ and ‗estar‘. While dö is used for properties, tsó is used as a copula with adjectives conveying a state. (8a)
Jí
ju dö kéyegé. house COP big ‗This house is big.‘ Oló dö du. vulture COP bird ‗The vulture is a bird.‘ jié tsó dawë 3.SG COP ill ‗he is ill‘ (Margery Peña 1989/2003: lxix) PROX
(8b)
(8c)
Next to its function as a copular, tsó fulfils further grammatical tasks, i.e. it functions as an existential verb (9a) and forms the progressive aspect with full verbs (9b). Both dö and tsó are defective in their conjugation paradigms, however tsó possesses a suppletive past form báklë/báklö (9c) and a negative form kúna (9d). (9a)
(9b)
(9c)
(9d)
Jú na díglö tsó . pot in water COP ‗There is water in the stew pot.‘ Jiéwá tsó köpö. 3.PL COP sleep ‗They are sleeping.‘ sá báklë ksö 1.PL COP:PFV sing ‗we were singing‘ (Margery Peña 2003: lxxxv) bá chéga ká kúna díglö ska 2.SG friend NEG COP.NEG water in ‗my friend wasn‘t in the river‘ (Margery Peña 1989/2003: lxx)
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Next to the existential verb, Cabécar possesses a number of positional verbs which indicate body positions of animate and inanimate entities. To these belong dúl ‗stand, be upright‘, tkél/tkátkë ‗sit, be seated‘, tél/mél ‗lie‘, jar ‗hang‘, kulëwa ‗lean‘ (see Margery Peña 1989/2003: lxvi–lxviii). (10a) Jiéwá mél köpö. 3.PL lie sleep ‗They lie sleeping.‘ (10b) bá páiglö mél yís jaká kíga 2.SG skirt lie 1.SG bed on ‗your skirt is on my bed‘ While the aforementioned functional verbs are defective in their paradigms, the full inventory of inflectional categories marked on lexical verbs includes aspect, mood, polarity, and verbal number.11 The category person is not coded in the verb, i.e. there are no agreement or cross-reference markers on the verb. Rather, person is coded through nouns or personal pronouns alone. The Cabécar verb distinguishes a number of aspect/mood categories among them imperfective, perfective, habitual, potential, assurative (future), perfect, and pluperfect. The following examples illustrate the basic forms: imperfective (11a) and perfective (11b). (11a) Yís të yaba 1.SG ERG child ‗I see the child.‘ (11b) Yís të yaba 1.SG ERG child ‗I saw the child.‘
suwé. see:IPFV suwá. see:PFV
The habitual, assurative (future), and potential are construed on the basis of the imperfective form, as illustrated in (12) (12a) Yís të yaba suwé-gé. 1.SG ERG child see:IPFV-HAB ‗I (generally) see the child.‘ (12b) Yís të yaba suwé-rá. 1.SG ERG child see:IPFV-ASS ‗I will see the child.‘ (12c) Yís të yaba suwé-mi. 1.SG ERG child see:IPFV-POT ‗I may see the child.‘ 11
Margery Peña (1989/2003, ch. 2.3) describes the verbal categories as additionally involving the notion of tense, e.g. the perfective is defined in terms of occurrence anterior to the moment of utterance. This issue needs further examination.
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Further aspectual and modal meanings are coded by means of auxiliaries, i.e. the progressive (see (9b) above), prospective (13a), obligative (13b), and desiderative (13c). Note that in these auxiliary constructions, the agent/actor is not marked by the ergative postposition. For a detailed discussion of such constructions see Verhoeven (2010). (13a) Yís ma yaba suwa. 1.SG go child see:INF ‗I am going to see the child.‘ (13b) Yís káwöta i suwa. 1.SG must 3 see:INF ‗I have to see it.‘ (Margery Peña 1989/2003: Ixxxvii) (13c) Yís kiana i suwa. 1.SG want 3 see:INF ‗I want to see it.‘ As concerns voice distinctions, the Cabécar verb distinguishes between an active voice and a middle voice. The middle form of the verb is directed to the undergoer (patient) as its sole argument. The middle voice displays similar aspect/mood distinctions to the active voice. Transitive as well as intransitive verbs possess middle forms, as is illustrated in (14). (14a) Jir ksëna barama. today sing:MID:INF nice ‗Today they sing nicely.‘ (14b) Konó suná yíkí. tepezcuintle see:MID:PFV yesterday ‗The tepezcuintle was seen yesterday.‘ Furthermore, the Cabécar verb may be marked for verbal number, a category not known in Indo-European languages, but for example present in other Amerindian languages as e.g. Huichol. Verbal number quantifies the event expressed by the verb, indicating that it occurs more than once. This generally implies that it involves more than one subject or object. Thus, although the object in (15b) is not marked for plurality, it is inferred that the hunter sees more than one tepezcuintle. Note that this inference is defeasable, so that – dependent on the context – the sentence can also mean that the event expressed by the verb occurred more than once with respect to the same object or with respect to a generic object (see Skopeteas 2010 for a detailed analysis of verbal plurality in Cabécar). The verbal plural form is derived from the verb tulá-mi ‗throw-AVERS‘ (alternatively tulá-sa ‗throw-ELAT‘), which still exist as independent verbs in the language. (15a) Yëria të konó suwá. hunter ERG tepezcuintle see:PFV ‗The hunter saw (one or more) tepezcuintle.‘
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(15b) Yëria të konó suwá-tulámi. hunter ERG tepezcuintle see:PFV-V.PL ‗The hunter saw more than one tepezcuintle.‘ ‗The hunter saw a tepezcuintle more than once.‘ Finally, lexical verbs can be followed by so-called postverbs which are enclitics and indicate meanings related to movement and direction. The following items belong to the class of postverbs: (j)u associates with movement verbs, ka encodes an ascending movement, të indicates that a movement will reach a defined point, mí combines with verbs encoding a movement away from the agent, sa occurs with verbs of separation, ne encodes a backward/reverse movement (see Margery Peña 1989/2003: lxxi). Example (16) illustrates the use of some of these postverbs. Note that the postverbs do not occupy a single position, but they can be combined, as illustrated in (16a). (16a) jayëwa mane-ulu=mí=ne man go.PFV-V.PL=AVERS=REVERS ‗many men went away and back‘ (16b) Pedro döwa=ju ju járga P. enter.PFV=MOT house within ‗Peter entered the house‘ 3.3.3. The clause Cabécar uses postpositions for the coding of participant relations such as agent, recipient, experiencer, instrument, comitative, etc. The only participant of an intransitive verb (17b) and the patient of a transitive verb occur without a postposition (17a). The agent of a transitive verb is marked by the ergative postposition, which is të/te in affirmative and wa in negative contexts. (17a) Yís mína të i ktawá. 1.SG mother ERG 3 kill:PFV ‗My mother killed it (recently).‘ (17b) I duwáwá. 3 die:PFV ‗(S)he died.‘ Postpositions occur at the right edge of the NP, i.e. they follow the noun including postnominal modifiers and determiners. The following examples illustrate further postpositions: the dative postposition adjoins recipients (18a), the comitative postposition adjoins companions (18b), the instrumental postposition adjoins instruments (18c). Furthermore, there are a number of local postpositions such as the locative ska ‗in‘, the lative na ‗in, to, from‘, the adessive mi ‗near‘, and the superessive gi ‗above, in‘. Both
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the local and the non-local postpositions are more abstract in their meaning than their labels suggest, i.e. they convey further semantic roles. (18a) Carlos të jayekúo kágömá Pedro ia. Carlos ERG book donate:PFV Pedro DAT ‗Carlos donated a book to Pedro.‘ (18b) Yís ma yë bölö yís el da. 1.SG go hunt 1.SG brother COM ‗I will go hunting with my brother.‘ (Margery Peña 1989/2003: cxi) (18c) S páiglö wötená jíshökö wa. 1.SG shirt dirty:PFV earth INS ‗My shirt got dirtied with earth.‘ The position of the object of a transitive verb and the main participant of an intransitive verb is fixed with respect to the verb: both are strictly left adjacent to the verb. For the other members of the clause there is greater positional freedom. The agent of a transitive verb may either precede the ‗object-verb‘ complex or occur in the postverbal domain (19). (19a) Carlos të Carlos ERG ‗Carlos hit me.‘ (19b) Yís shkawá 1.SG hit:PFV ‗Carlos hit me.‘
yís shkawá. 1.SG hit:PFV Carlos Carlos
të. ERG.
4. Summary This article has given a short overview of some basic grammatical properties of the Chibchan language Cabécar. Cabécar is a head-final language with ergative alignment in the coding of participants. Instead of case marking, the language has a set of postpositions to indicate participant relations. Verbal morphology is relatively complex encoding categories such as voice, diverse aspect and mood categories, polarity, and verbal number. In the nominal domain, morphology is less complex but characterized by the use of numeral classifiers in the formation of count constructions. At the level of phonology, the systematic opposition between oral and nasal vowels and the general prominence of nasalazation are characteristic of Cabécar.
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Abbreviations ASS AVERS CLF COM CONT COP DAT ERG
assurative aversive classifier comitative container copula dative ergative
EXCL HAB IPFV INF INS MID MOT NEG
exclusive habitual imperfective infinitive instrumental middle voice motive negation
NEUT PL PORT POT PROX PFV REVERS SG V
neutral plural portion potential proximal perfective reversive singular verbal
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DIK BAKKER (LANCASTER)
Three languages from America in contact with Spanish
Abstract Long before Europeans reached the American shores for the first time, and forced their cultures upon the indigenous population, including their languages, a great many other languages were spoken on that continent. These dated back to the original discoverers of America, who probably came from the West rather than the East. This article briefly sketches the arrival of those first Americans, and the languages that they introduced. Then three modern languages that developed out of these are discussed in some more detail, with respect to both sociolinguistic and grammatical aspects: Otomi, Quechua and Guaraní. Finally, an impression is given of what kind of linguistic changes the clash between these languages and Spanish, the official language in many of today‘s American countries, has brought about.
1. Introduction This is the story of three languages from America: Otomi from Mexico, Quechua from Peru, and Guarani from Paraguay. They are just a few of the more than 1,000 indigenous languages that are currently spoken in the Americas. All these languages are the direct descendants of the languages that were spoken by many millions of ‗Indians‘ around the year 1492, when Columbus got sight of the island of Hispaniola, thinking that he was approaching India. So, it must have been the ancestors of the Otomi, the Quechua, and the Guarani speakers who were the real discoverers of America. According to archeological and biological evidence, these ancestors came from the Siberian steppes, and entered Alaska via what we now call the Bering Strait. The two continents were once connected thanks to the much lower sea level during the last Ice Age. This situation existed maximally from 60,000 to 10,000 years ago. Arguably, those Asian peoples must have crossed before the latter date. Until recently, the oldest reliable evidence of human presence in the Americas was an excavation site near the town of Clovis, in New Mexico (USA), dated by archeologists around 13,500 B(efore) P(resent). However, more recent findings, near Tlapacoya (Mexico), and Monte Verde (Chile), suggest an earlier date for immigration from the west: around 16,000 BP, or possibly
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25,000 BP, or even as early as 50,000 BP.1 Most of the wrongly named ‗Indians‘ are assumed to descend from these first Americans. There could have been more than one group that crossed over to the New World at the earliest stages. But evidence, based both on DNA samples and cultural communalities seems to point towards genetic relatedness among all pre-Columbian inhabitants of America and the populations of East Asia and Siberia.2 Those early invaders, now known as Paleoamericans, were hunters, and might have followed their favorite prey across the Bering Strait.3 Some groups of invaders settled, possibly after the larger species of animals that they were hunting became extinct. This happened especially in Meso-America, and the northern part of South-America, where the climate and the vegetation were more welcoming than the plains of North America, encouraging food gathering and the invention of agriculture. Other groups migrated further to the South, eventually spreading over the whole continent. We must assume that the language, or languages, that the Paleoamericans spoke in the days of their migration were related to the languages of the population of East Asia, with whom these people were also genetically related. Therefore, we might suspect that there would still exist some traces of that relationship in the modern descendants of those languages on both sides of the Bering Strait. However, languages change from generation to generation. And when two groups of people with the same language are no longer in contact with each other, their speech will change autonomously, and in different, and far from predictable directions. After several generations, they will be like two dialects of the same language. After around 1,000 years they will be so different from each other that linguists will consider them as two (related) languages, no longer as two dialects of one language. After more than 5,000 years without contact – equivalent to around 250 generations of speakers – many of the traces that would reveal an historic relationship between two languages, such as an overlap in their every day lexicon, sound correspondences, and certain morphological and word order patterns will have disappeared. Such languages may be as different as today‘s Welsh, Lithuanian and Albanian, which have a Proto-Indo-European ancestor in common. After 10,000 years it will be virtually impossible to decide on the basis of language data alone whether they ever had a common ancestor. Further information, such as historical, archeological and genetic evidence is then called for. So, linguistics cannot be the only source, or even a reliable source to decide whether the early Asian immigrants in America came as one group, and shared one language, or that there was more than one such invasion. Not even under the (conservative) assumption that the Clo1
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Cf. Gruhn (1997: 103). Recent studies of mitochondrial DNA and Y chromosome data suggest an initial entry into the Americas around 18,000 – 15,000 BP (cf. Jones 2004). It has also been suggested that the earliest inhabitants of the Americas actually came over sea, and were related to Southeast Asians or Polynesians rather than Northeast Asians (Erlandson 2002; Steele & Powell 2002). Others have even speculated about an early European immigration (Stanford & Bradley 2004), or one from the Middle East. This scenario is supported by most authors on the subject, notably Campbell (1997) and Fortescue (1998).
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vis settlers were the first to arrive, and did so relatively recently. What linguistics can do, however, is cluster the languages into families of related languages that testify of later splits, when the immigrants spread over the entire continent. As a result, we can distinguish today a large number of language families in the Americas. Estimates run from around 100 to 150. This includes some 30 isolates, i.e. languages that are so different from any other language that they are considered to be a language family of their own.4 In general, these families cannot be related to one common ancestor language on the basis of linguistic evidence alone, although languages of some families show some resemblance with languages of one or a few other families. In the academic tradition of the study of the languages of the Americas, two approaches to the relation problem may be distinguished, which originate with two scholars from the first half of the 20th century: Edward Sapir and Franz Boas. Very broadly speaking, the followers of Sapir may be associated with a trend to ‗lump‘ languages and language families into larger groups. Their method, later refined by Joseph Greenberg (1957; 1987), relies in the first place on the mass comparison of the words that languages employ for everyday notions, such as body parts, natural phenomena, and common activities. The most extreme position here may be that of Greenberg‘s pupil Merritt Ruhlen (1991), who posits an Amerindian phylum, or superfamily, under which the vast majority of the languages to be found in the Americas are subsumed, implying that they have one common ancestor. The followers of Boas, on the other hand are sometimes characterized as ‗splitters‘. They apply the methodology of historical linguistics, which consists of the stepwise reconstruction of language relationships, which relies more on the comparison of language sound and structure. The latter approach is more conservative than the first one in the sense that there is less of a tendency to stipulate higher order groupings. A complication for any approach is that we cannot always be sure whether resemblances between languages have a genetic origin or are the result of the contact between the cultures who speak them. Such contact, if long and intensive enough, may lead to bilingualism and linguistic borrowing between these languages, blurring the initial differences between them, or even leading to one mixed language. Thus, apart from the largely held assumption that the original population of the Americas came from East-Asia rather than from elsewhere, there is definitely no agreement among scholars with respect to the precise pattern of the immigration, and thus to the origin and the development of their languages. Two groups of languages however are so different from all the others, as are their speakers, both culturally and genetically, that we must assume that there have been at least two later waves of immigrants, equally from Asia, and probably after the end of the Ice Age. It is therefore likely that these peoples had to travel partially by sea, hopping from island to island. The first of these families is generally known as Na-Dene. The people belonging to this group are mainly found in Northwest Canada, with pockets in the United States, along the Pacific coast, and in Arizona. Arguably, their ancestors arrived in America not later 4
The lower number stems from the Ethnologue (Lewis 2009), the higher one from Campbell (1997: 94).
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than 9,000 years ago. The around 40 languages belonging to the Na-Dene family that are still spoken today may be related to each other on the basis of the vocabulary elements that they share. As an illustration of this relationship, Table 1 shows the forms some of these languages use for five elements from the so-called Swadesh 100 list. This is a list of 100 English words, compiled by Morris Swadesh, all representing an everyday object or activity, and for which every language is supposed to have a word. Moreover, that word is typically not borrowed from another language and relatively stable over time. Swadesh‘s wordlist was precisely meant to be an instrument for relating languages genetically.5 Language Carrier Hupa Apache Navajo
‗eye‘ una na‟ da ana‟
‗tooth‘ ugo wo‟ wo awo‟
‗hand‘ ula la‟ la ala‟
‗dog‘ like liŋ thini li
‗path‘ ti tin ikin atin
Table 1: Several words from the Swadesh list in some Na-Dene languages As may be clear from this list, even for someone not specialized in the diachronic development of sound systems and lexicons, these correspondences in form can hardly be the result of sheer coincidence, but must have an historical basis. Furthermore, the Na-Dene languages have some very specific rules for the formation of their rather complex verbal clusters. This is shown in example (1) below, from Koyukon, a Na-Dene language from Alaska with around 100 speakers, according to a census held in 2000.6 (1)
Koyukon (Thompson 1996: 355) neel-h-ee-to-de-ts‟eyh RECP-3-once-FUT-CLF-pinch ‗They will pinch each other once.‘
The second exceptional family is Inuit, part of a larger group known as Eskimo-Aleut. This group consists of only 11 languages, spoken in the Arctic area, from Eastern Siberia via Alaska to Greenland. It is the only family present in America that still has more or less clear relatives in Asia. The ancestors of these people entered America probably around 7,000 BP. Culturally, they are very distinct from the Na-Dene and the Paleoamericans. Table 2 shows the word correspondences for three Inuit languages for the same meanings as used in Table 1 above. Not alone are the correspondences between these three languag-
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See Swadesh (1955). The lexical information in this table, and some of the tables below stems from the online database of the ASJP project, which attempts to create a framework for large scale classification of the languages of the world, and takes a particularly stable subset of the Swadesh list as a point of departure (http://email.eva.mpg.de/~wichmann/ASJPHomePage.htm). See also Holman et al. (2008) and Bakker et al. (2009). Definitions for the abbreviations used in the examples may be found towards the end of the article.
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es striking, but even more so the complete difference from the forms in Table 1, suggesting a considerable time distance between these two groups, if related at all. Language Central Yupik Inuktitut West Greenlandic
‗eye‘ ii iyi isi
‗tooth‘ kǝxun kigut kixut
‗hand‘ aixaq agak assak
‗dog‘ qimuxta qimiq qimmiq
‗path‘ tumyaxaq agquti aqqusiaq
Table 2: Several words from the Swadesh list in some Inuit languages There is linguistic and non-linguistic evidence that relates the Eskimo-Aleut languages to three other language families of Eastern Asia: Uralic, Yukaghir, and possibly also Chukotko-Kamchatkan. This would give support to the Asian origin of at least these people. There is much less evidence for the relationships between Asian languages of today and the other language groupings in America, which therefore must be much farther apart in terms of time.7 Typical for the Inuit languages, though not unique even in the Americas, are long and complex words, which may consist of several noun and verb stems at a time, and may contain the information expressed in a whole sentence in some other languages. A flavor of this may be found in example (2), from WestGreenlandic. (2)
West-Greenlandic (Fortescue 1984: 76) ini-n-nuka-laar-niar-lunga-ana room-1POS-go.to-a.little-FUT-1SG-CONT ‗I am going to my room for a while.‘
The three-wave theory as discussed above, although definitely not the only one, is the currently most accepted theory with respect to the early population of the Americas. Being there first, the immigrants of the first wave of around 15,000 BP had the area as it were for themselves. They could spread over the whole continent, opposed only by natural obstacles, over time covering the around 20,000 kilometers between Alaska and Tierra del Fuego.8 Those of the Na-Dene group, who came some 6,000 years later, found other people there already. They populated the free spaces they found on the wide plains of today‘s Canada and the USA. Finally, the Inuit, who came another 2,000 years later, did not travel much further than the Arctic zone. Given their current geographic locations, the three American languages that we will discuss in more detail below most probably all go back to the first wave of immigrants. But there is no purely linguistic evidence for this whatsoever: the last contact between their supposed ancestor languages was simply too long ago for there to be any trace left of a relationship in the lexicons or grammatical systems of the modern languages. As a 7 8
Cf. Fortescue (1998). That figure for the distance is more or less as the crow flies. When following today‘s PanAmerican Highway, it would be more like 30,000 kilometers, or three quarters of the circumference of the earth.
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result, Otomi, Quechua and Guarani differ as much from each other as they differ from West Greenlandic and Koyukon, and from any language in East Asia for that matter. In fact, many of the ‗first wave‘ languages are so different that some authors assume that the differentiation between them must have begun already before the migration to America. A direct consequence of this would be that they must go back to different immigrant groups themselves.9 In short, unless we will understand much better than today how languages may change, it will probably not be on the basis of linguistic evidence that we will one day have more detailed information about the earliest population dynamics in the Americas. If so, then it will have to come from biology (genetics), and possibly also from further archeological finds. However, there does not exist a one-toone relationship between genetic features of a group of people on the one hand and the language they happen to speak on the other hand. The drift of genes within and across human populations and the drift of languages among them are in principle independent from each other, and correspond to different sociological factors. It is therefore not very likely that we will ever know whether it was just one language that gave rise to America‘s rich linguistic patchwork – which would justify the postulation of one big Amerind language family in the sense of Ruhlen (1991) – or that it sprung from several languages, be they or their speakers related or not. This does not mean, however, that nothing can be said about the relationships among the close to 1000 languages that do not belong to either the Na-Dene or the Inuit families. Systematic comparison has lead to the establishment in the Americas of up to 150 language families and isolates that have been accepted more or less widely among experts. The three languages on which we will focus in the rest of this article each belong to one of these. For any higher orderings and groupings no firm linguistic support has been found so far. As for our languages, Otomi is part of the Otomanguean family. With a total of around 175 distinct languages, and many more dialects, this is arguably the largest language family of the New World. It once ranged over the whole of Meso-America, although extant languages are now found in Mexico only. A potential candidate for the homeland of this family – the area where Proto-Otomanguean might have been spoken – is the Tehuacán valley in the Mexican state of Puebla. It is in this region that early forms of agriculture were introduced. Traces of this are found in the shared vocabulary of some of the Otomanguean languages, above all in the names for domesticated plants from that area. Specific linguistic traits of the Otomanguean family are vowel nasalization, a rather simple CV syllable structure, and the presence of up to five tones, rare in 9
Campbell (1997: 96f.) systematically discusses several logical possibilities, from just one group of Paleoamericans migrating to up to 33 consecutive groups, and either assuming a spread scenario, when part of the population stays behind in Asia, or the complete emigration of a whole population, not leaving any trace. The latter scenario might get support from the observation that to date there is three to four times as much linguistic diversity in the New World as in the Old World. And of this diversity, by far most is found in the West, which might be indicative of a greater time depth, and therefore of a West-East direction of the migration.
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the Americas. Otomi itself belongs to the Otopame subgroup. Other subgroups of this family are Chinantec, Popolocan, Mixtecan and Zapotecan. The second language that I have selected is Quechua. This name is in fact the label for a group of some 45 language varieties that is sometimes seen as a continuum of dialects, since there is a considerable amount of similarity between all the varieties, especially between neighboring ones. Taken together, the Quechua continuum has some eight million speakers, making it the largest extant indigenous language of the Americas. The languages belonging to this family are found over the whole Andes area, from Southern Colombia to Northern Chile. Possibly, Quechua is related to Aymara, another Andean language.10 The Quechua family is often split up in two subgroups: Central Quechua (or Quechua I), in Central Peru, and Peripheral Quechua (or Quechua II), in the other areas. Generally, these languages are characterized by SOV constituent order, both glottalized and aspirated consonants, and a complex agglutinative morphological system. Our third language, Guarani belongs to the Tupi family, together with around 75 other languages. These are found in Paraguay, Bolivia, and spread over the Brazilian Amazon area, up to the Guyanas. The greatest variety among these languages is found in Rondônia, in Western Brazil. This is often taken as an indication that this is the homeland of the family, in this case of the Proto-Tupi speakers. These languages are typically postpositional, and have many prefixes on verbs and nouns. They often have ergative alignment. The predecessors of the speakers of Guarani, the largest language of the family in terms of its current number of speakers, must have moved away from this area, first around a thousand kilometers to the southeast, and later even much further to the northeast. An interesting member of this family is Nhengatú, spoken today by 8000 speakers in northwest Brazil, near the Colombian and Venezuelan borders. In the 17th and 18th centuries this language served as a lingua franca in large parts of Brazil, both among native Americans and between them and the Portuguese invaders. Thus, our three languages share a number of features with languages in the areas surrounding them, testifying of family relationships. But even though it is not impossible that they all have Paloeamerican for their common ancestor, there is virtually no trace of that left in the modern languages. Just a few elements from the Swadesh list may be used to illustrate this. Table 3 below gives an impression of the formal correspondences between some everyday words for two languages from the same family as opposed to those of the two other families.
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Campbell (1995) gives arguments for this relationship. Mannheim (1991), on the other hand, claims that the communalities between the two languages are due to intensive language contact, or more in general to areal tendencies.
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178 Family Otomanguean Quechuan Tupi
Language Otomi Mazahua Quechua (Ancash) Quechua (Pastaza) Guarani Juruna
‗louse‘ t‟o t‟oni uhe usa ky kǝpa
‗tree‘ za‟a za munti kaspi mata ka
‗fish‘ xwã xmõ‟õ ʧalwa ʧalywa pira piča
‗water‘ dehe ndexe yaku yɐku y iya
‗nose‘ siŋu siŋu seŋqo siŋa iĩ i‟ã
Table 3: Several words from the Swadesh list in some Amerindian language families As the data in the table suggests, there is not much reason to assume that the words for these five basic meanings have a common origin across the three language families. Only the words for ‗nose‘ might have a common source for the Otomanguean and the Quechuan languages. Other language families from the Americas are Salishian, Siouan and Uto-Aztek in North America, Mayan in Meso-America, and Arawak in South-America, to mention just a few of the larger, more well-known groupings. Most of the pre-Columbian history of the vast number of cultures that must have thrived in America before the contact with Europeans is unknown to us. It lives only in archeological finds, and in the oral history and the languages of the cultures that are still extant. Traces of large scale empires with city-like establishments are found only in today‘s Peru (e.g. the Inca empire), and in Mexico, Guatemala and Honduras (e.g. Olmec, Zapotec, Maya, and Aztec). Only the Meso-American cultures developed a more or less full-fledged writing system. The Mayan system is possibly the earliest, and certainly the most elaborate of these. It is also the only one for which a reasonable amount of text has survived, despite the fact that the Spaniards have tried to burn all the codices they found. Since the Maya script – at least partially a syllabic system – has been largely deciphered, quite a few details are now known about the pre-contact stages of this culture, which flourished between 250 and 900 AD.11 I will concentrate now on the three languages that we started out with: Otomi, Quechua and Guarani. In section 2 I will give an impression of their current position in the respective societies. Section 3 presents a short sketch of the grammars. And in section 4 we will see what influence contact with Spanish and widespread bilingualism has had so far on each of them.
2. The sociolinguistic situation The figure of 1,000 mentioned above for the number of languages that are spoken anywhere in the America‘s today may suggest a healthy linguistic situation. However, since the arrival of the European conquerors, many of the indigenous languages are in decline. The number of languages at the time of contact is estimated to have been 50% 11
Cf. Coe & Van Stone (2001).
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higher, so languages have disappeared at an average rate of around 100 per century, or one per year. More worrying however is the fact that most of these languages have become extinct only in the last century. Especially after 1950 contact between the indigenous cultures and the ‗official‘ culture has intensified, in terms of education, the media, and the infrastructure in general. As a result, most of the speakers of the indigenous languages are bilingual, in English, Spanish, Portuguese, French, Dutch, or some Creole language. People are leaving their native villages at a large scale, to seek employment in the towns where the colonial language is omnipresent. In a multilingual situation, with one language completely dominant everywhere except at home, the native language may no longer be passed on to the next generation. Therefore, without a language community and a living culture to support it, languages may go lost within a few generations, even if the current number of speakers would be an impressive 100,000 or more. In fact, many of the languages that are still extant today are spoken by a small number of people, the youngest of them often being over 50 years of age. It has been suggested that, at the end of the 21st century, most of the native languages of the Americas will not be spoken anymore, and that only the very large ones have a chance to survive the next 4 generations.12 I will discuss the sociolinguistic situation with respect to the three languages selected here briefly in the following subsections. A more detailed description may be found in Bakker et al. (2008), and the references given there.
2.1. Otomi Otomi is the native language of some 250,000 people on the highlands around Mexico City. The data we will discuss here stem from the northwestern dialect, with around 33,000 speakers. Together with Mazahua and several other languages, Otomi belongs to the Otopame branch of the Otomanguean family. With around 175 extant languages, this is the largest family in the Americas in terms of linguistic diversity, and it is among the ten largest families in the world. In the pre-colonial era the Otomis reigned over the Mexican highlands for a long time, but they were subjugated from around 1000 AD onwards by the Aztecs, speakers of the Nahuatl language, who were in control of the area when the Spanish arrived. The word ‗Otomi‘ is probably of Nahuatl origin, meaning something like ‗bird hunters‘. The Otomis prefer to call themselves Ñähñu, i.e. ‗he who speaks well‘, and their language Hñähñu. Being marginalized by the Aztecs, a sizeable number of Otomis joined the Spaniards against their enemies, and they regained part of their territory as a result after these had been defeated. Given their relatively central position in the early colonial 12
Mithun (1999: 2), when discussing Navajo, with 100,000 speakers the most widely spoken and well-studied native language of North America, assumes that all languages of North America will be extinct by the end of this century.
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society, they were a clear target for conversion to Catholicism. From the middle of the 16th century onwards, a number of Spanish missionaries have studied the language, and published dictionaries, grammars, spelling systems, and religious texts in Otomi.13 After the Independence of Mexico in 1813 the Otomis lost the special status they enjoyed during the colonial era, and so did their language. Otomi was no longer written by the civil authorities, only by a handful of scholars, and a process of language shift started. The Mexican Revolution (1911–1917) did not lead to social change for the indigenous population. On the contrary, their degradation continued. Today, the Otomis belong to the lowest social levels of the Mexican society, as is the case for many other indigenous groups. They dwell in the most remote and less fertile places on the highlands, living from agriculture of subsistence. Many have migrated to the bigger towns, such as Mexico City, Guadalajara and Monterrey. Several attempts have been made in Mexico to integrate the indigenous communities in the national processes by means of a bilingual education scheme, so far without much success. Most Otomis are illiterate in their first language. Today, Otomi is only spoken within informal domains such as the family, while Spanish has become the language in all other domains, leading to a high degree of bilingualism. In the near future, it may be expected that increasing globalization and stigmatization will push Otomi, and many of the more than 100 indigenous languages and dialects of Mexico closer to extinction.
2.2. Quechua With over eight million native speakers, the Quechua family is the largest of the indigenous American families in terms of language users. Some 45 varieties, each typically called Quechua followed by a regional indication, may be found over a large stretch of the Andes, from Ecuador via Peru to Bolivia, with pockets in Colombia, Argentina and Chile. The largest variety is spoken around Cusco, in Peru, with around 1,500,000 speakers, a quarter of whom are monolingual. Many varieties of Quechua have less than 5,000 speakers, and some are on the brink of extinction. As stated above, there is a lot of similarity among the Quechua languages, especially in the lexicon. Neighboring versions are often mutually understandable, but those at greater distances from each other are not. The variety that I will look at in more detail below, Chimborazo Quechua, is from Ecuador, and has a total of around one million speakers, many of them monolingual. The Ecuadorians call their language Quichua rather than Quechua. When the Spanish invaders arrived in the Northern Andes, around 1530, the socalled Incas, ancestors of today‘s Quechua people, had just completed the expansion of their empire. They started out from their basis in Cusco around 1450, and subjected the surrounding civilizations to their rule. In less than 80 years they established the largest 13
Cf. Urbano (1990 [1605]).
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empire of pre-Columbian America, which covered the Andean area from today‘s Ecuador to Bolivia. In the process, they exported their language, Quechua, much in the way Latin spread over southwest Europe, via soldiers, officials, tradesmen and immigrants. In their turn however, the Incas were rapidly subjected by the Spanish, mainly as a result of internal feuds, the superior European weapons, and imported diseases. Although a number of very different languages must have been spoken within the boundaries of the Inca Empire, most of them had disappeared 100 years after the Spanish invasion. This was partially due to the role of Quechua, which had become a lingua franca in the area. The colonial powers built up on this by ordering that, for the purpose of spreading the Catholic faith, texts should be translated into a standardized variety of Quechua.14 Dictionaries and grammars were produced precisely for this purpose. However, when it became apparent that the common language had grown into a unifying factor for the suppressed native peoples, the Spanish abandoned their multilingual policy. Apart from this, the indigenous population saw its place in society being reduced as a result of the 18th century hacienda system under which large amounts of land were expropriated by the colonial newcomers. As in the case of Otomi discussed above, the position of Quechua and other indigenous languages was marginalized even more after the liberation of the Spanish Americas, and the birth of the modern republics around 1825. Being the creation of the descendants of the colonizers rather than the original population, these states introduced Spanish as the only official language. Only after 1980 Quechua was introduced in primary education. Arguably, this is too late to stop further Hispanicization of the indigenous population, resulting from the large scale depopulation of the countryside and massive migration to the monolingual cities. For some Quechua communities in Ecuador, who live literally halfway between both cultures, this has had an enormous impact on their language. The permanent bilingualism of those who divide their time between family life in a traditional village and professional life in the modern city has lead to the development of Media Lengua – or half way language – a mix of Quechua grammar and Spanish lexicon.15
2.3. Guarani Guarani is part of the Tupi family, with around 75 languages one of the most widespread families of the Americas. Together with three other languages – Aché , Kaiwá and Xetá – it forms a subgroup of the Tupi-Guarani branch. Paraguyan Guarani, or Avanye‘e, is the major variety, boasting 4.6 million speakers. Four more varieties – Ava, Mbyá, Eastern and Western Guarani – which have only between 7,000 and 35,000 speakers each, are found in Paraguay, Bolivia and Brazil. Although the area of modern day Paraguay was visited by Spanish explorers as early as 1516, these did not find it interesting enough to settle in any numbers. The town of 14 15
Cf. Adelaar (2004: 183). Cf. Muysken (1994).
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Asunción counted one European on every ten Indians around 1600. Polygamy with indigenous women became the norm for the Spanish men, and Guarani remained the everyday language for all – Indians, mestizos and Spaniards alike – despite the fact that Spanish was the official language. Also the evangelization process was rather different from elsewhere in the Americas. In this area, the Jesuits developed so called reducciones (reductions), economically self-sustaining village-like communities, where thousands of Indians lived under the supervision of priests. The obvious goal was evangelization, however without affecting the local culture, including the language. A specific kind of standardized Guarani developed here, until the Jesuits were expelled on papal orders, in 1768, and the reductions abolished and destroyed. Further developments of the language took place in the cities, and foremost in Asunción. It is as yet unclear what influence the Guarani of the reductions has had on the urban varieties. After its independence, in 1814, Paraguay developed rather in isolation from the surrounding republics, which were much more open for external – European, North American – influences. Different Paraguayan regimes held different attitudes towards Guarani. Some considered it a symbol of national unity. This is especially prominent in periods of war with the surrounding countries. Other regimes saw the language as a sign of backwardness. But even the periods of extreme suppression have not been able to displace the language. Quite the opposite, Guarani was given the status of national language in 1967, next to Spanish. Over time, in the larger towns a variety of Guarani developed with many traces of Spanish. An extreme version of this, called Jopara, is a kind of mixed language, or rather a speech attitude of bilinguals who, in certain speech situations make constant code switches between Guarani and Spanish.16 In the smaller, rural communities a more ‗pure‘ variety of Guarani may be found. A recent census in Paraguay established that 59% of the population of Paraguay is bilingual in Guarani and Spanish, while 27% is monolingual in Guarani, and a mere 7% monolingual in Spanish.
3. Three Amerindian languages, three different grammars In this section I will have a look at our three languages from a typological perspective. Only those aspects will be illustrated that will be relevant for section 4, where I will explore the influence that contact with Spanish has had on them. No attempt is made to give a representative sketch of the languages in any way. For that, descriptive grammars should be consulted, or more specialized studies on specific phenomena, and above all of course native speakers.17
16 17
Cf. Dietrich (2010). Cf. Hekking & Andrés de Jesús (1984) for Otomí; Cole (1982) for Imbabura Quechua; and Gregores & Suarez (1967) for Guaraní.
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3.1. Otomi Like many other Otomanguean languages, Otomi is a tone language, which distinguishes between a high, a low and a rising tone. The basic word order pattern of classical Otomi is VOS. Only when in focus, the subject may be fronted. Compare examples (3a) and (3b) below. (3a)
(3b)
mi=ñä-wi ár to ar Xuwa PAST.3=speak-with his mother-in-law the Juan ‗Juan spoke with his mother-in-law.‘ ar Xuwa mi=ñä-wi ár to the Juan PAST.3=speak-with his mother-in-law ‗It was Juan who spoke with his mother-in-law.‘
The morphological type is fusional, with tense+person markers affixed to the verb, either as a prefix or a suffix. Otomi has articles, both definite and indefinite ones; (3a,b) above and (4b) below give examples of these. As typical for a V-first language, Otomi has prepositions rather than postpositions. However, there are only a few of these, among them dige ‗with respect to‘, which has a very general meaning and wide application, as exemplified in (4a,b). Most relations of noun phrases within a clause, typically coded with a preposition in Spanish, remain unexpressed. (4a)
(4b)
di ñä-he dige ma boni-he Maxei we speak-1PL.EXCL about our trip-1PL.EXCL Querétaro ‗We speak about our trip to Querétaro.‘ 'nar jä' pwede da du dige-r t'ete IND.SG person may FUT.3 die through-DEF.SG witchcraft ‗A human being may die through witchcraft‘
Although Otomi has several coordinators and subordinators at its disposal, the prevailing form for both coordination and subordination is asyndetic juxtaposition at the clause level. Apart from lexical elements which specialize as a verb or a noun, Otomi has very few words that have only an adjectival application. To my knowledge, this is the complete set: t‟olo, t‟uku ‗small‘; hogi ‗good‘; „bente ‗poor, unfortunate‘; and „bet‟o ‗older‘. For all other nominal modification, either nouns or verbs are used. (5) below gives an example of the former. That goda ‗blind‘ is a noun rather than an adjective is shown by the definite article preceding it. In (6), a verb is used as a nominal modifier, witness the past participle prefix. (5)
ar
tsat‟yo ar goda dog DEF.SG blind ‗The blind dog.‘ DEF.SG
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(6)
ar
n-t‟axu PP-be.white ‗The white sheet.‘ DEF.SG
‟bitu sheet
3.2. Quechua Quechua is a typical V-final language, with SOV main clause order (7), and postpositions, which are suffixed to the nominal (8).18 (7)
kanun-ka ilkimas rundin tuka-ria-n today-TOP only pan.flute play-DUR-PRES.3 ‗Today they play only the pan flute.‘
(8)
kitu-man ri-rka-ni chay-pi Quito-to go-PAST-1 that-in ‗I went to Quito to work there.‘
trabaja-ngapaj work-SBJNC
Morphologically it is an agglutinative language, with a large number of suffixes, as can be seen in the examples above, and in (9) below. (9)
miku-chi-wa-shka-rka-ngui eat-CAUS-1-PERF-PAST-2 ‗You had fed me.‘
Quechua has a word class specific for verbal use (verb), and one for words that can function both as a nominal head (noun) and as a nominal modifier (adjective). An example of the latter is given in (10). In (10a) hatun is used as a noun, while in (10b) it functions as an adjective. (10a) rika-sha-ka: hatun-ta see-PAST-1SG big-ACC ‗I saw a big one.‘
(10b)
chay
hatun runa big man ‗That big man.‘ DEM
The flexibility of this word class is demonstrated in (11), where a typical nominal, duktur ‗doctor‘ is modified by an adverb. (11)
Chay
warmi maymi woman very ‗That woman is a real doctor.‘ DEM
duktur-mi doctor-FOC
Quechua has no articles.
18
For that reason, some authors analyze them as case markers (cf. Cerrón-Palomino 1987). Given enough time, this is likely what at least some of them might develop into anyway.
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3.3. Guarani Guarani is a SVO language, as shown in example (12). (12)
tuvisava o-gweraha-vai orereta president 3-manage-badly country ‗The president manages our country badly.‘
Unlike most SVO languages, it has postpositions.19 (13) gives an example. (13)
a-jahe‟o pochy-rehe 1SG-cry anger-by ‗I cry from anger.‘
Guarani is a fusional language, and is mainly prefixing, as can be gathered from the examples above and below. In terms of its parts of speech system, it is very flexible, even more so than Quechua. Not only are there a large number of words that have nominal as well as adjectival use, as demonstrated in (14a,b). Many others are ambivalent between noun and verb, as shown in (15a,b). (14a) ko karai tuja that man old ‗That old man.‘
(14b)
che tuva tuja I father old ‗My father‘s old age.‘
(15a) a-jahe‟o pochy-rehe 1SG-cry anger-by ‗I cry from anger.‘
(15b)
che che-pochy I I-anger ‗I am angry.‘
There are no articles in Guarani.
4. What has contact with Spanish done to them? As may be clear from the short historical sketches in section 2, all three languages that concern us here have been in close contact with Spanish. Otomi enjoyed some special status until the beginning of the 19th century, but has lost that completely since. Until the middle of the 20th century, it was spoken mainly in isolation. However today, contact of the Otomi speakers with the outside world is very intensive, thanks to recent developments in society. As a result, most of them are bilingual, and use Spanish outside the realm of the family. Education beyond the primary level is in Spanish, and so are the media in Mexico. These aspects hold as well for Quechua, be it that this language never had any official status in the Ecuadorian and Peruvian societies, and con19
In the WALS database (http://wals.info/, and see Haspelmath et al. 2005), only 20% of the SVO languages are postpositional.
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tact with the Spanish speaking world started much earlier on, and has been more intensive since. Guarani has had a higher status than both of the other two languages throughout the last two centuries, culminating in its recognition as the ‗other‘ national language of Paraguay. However, it has always been in close contact with Spanish, which in its turn has always been the language of the upper echelons of society, and the ‗modern world‘, especially in the cities, but not only there. Given the different position and roles in the respective societies, and in communicative situations of Spanish on the one hand and Otomi, Quechua and Guarani on the other hand, we may expect that there has been mutual influence, and that this influence will have mainly gone from ‗dominating‘ Spanish to the ‗dominated‘ indigenous languages. Thus, we expect to find traces of Spanish in all three of them, lexical as well as grammatical ones. In order to test this assumption, three sets of spoken language were collected in situ by Bakker et al. (2008). In each case, a number of native speakers were involved stemming from different categories in terms of age, gender, educational level, and profession. In order to test whether borrowing is dependent on certain aspects of the grammars of the source and target languages of the process, data were collected from two different, non-contiguous dialects of each of the languages. These data collections were transcribed, and entered into a database. Subsequently, all Spanish elements were marked, and a computer program was developed to explore the database. Table 4 gives a global overview. Otomi 59 2 110,541
Number of respondents Number of dialects Corpus size (tokens)
Quechua 25 2 79,469
Guarani 38 2 57,828
Table 4: Data collected for the three languages What I will be interested in here is whether there are qualitative and quantitative differences between the three languages in terms of what they have borrowed from Spanish. If there would be significant differences, the next step would be to try and explain these on the basis of the contact history, as well as the typological characteristics of the three languages in their relation to Spanish. Table 5 shows the language features I have selected for this discussion. Word Order Adposition Type Articles Parts of Speech
Spanish SVO Prepositions DEF/IND V/N/A
Otomi VOS/SVO Prepositions DEF/IND V/N/–
Table 5: Relevant features of the four languages
Quechua SOV Postpositions –/– V/N+A
Guarani SVO Postpositions –/– V+N+A
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Now let us first have a look at the overall borrowing figures in terms of words. Of the total number of tokens – i.e. individual word occurrences in the text – in the respective subcorpora, Quechua has the highest number of borrowings with 19.0%, or almost one in every five words of running conversation. Guarani comes second with 17.4%. And Otomi ends up last with 14.1%, slightly less than one in seven words. Although these percentages are not dramatically different, they are nevertheless statistically significant. The sociolinguistic facts seem to give an explanation for this. Quechua has been in contact with Spanish virtually from the earliest days of the invasion, with a relatively high proportion of bilinguals as a result. Guarani has been spoken in an environment with a much lower amount of Spanish speakers, and has had spells of a relatively high status, when purism prevailed. For Otomi, intensive contact started only half a century ago, with until recently much lower levels of bilingualism. When we make a breakdown in percentages of the major parts of speech – Verb, Noun and Adjective – that the borrowed words have in Spanish, we find the following. I will give the relative percentages of the tokens rather than the absolute ones, since these three word categories can be seen as in competition for the same semantic space with each other. This is hardly the case for the more grammatical elements that are borrowed, such as prepositions and articles, which will be discussed separately below. Therefore, comparing the mutual contributions that these three major categories make in relation to just each other seems to be the more interesting angle. The following percentages were found in the corpus. Noun Verb Adjective Total
Quechua 68% 22% 11% 100%
Guarani 59% 29% 12% 100%
Otomi 86% 10% 4% 100%
Table 6: Relative percentages of major parts of speech borrowed In all three cases nouns are the most often borrowed category. This does not come as a surprise: nouns are among the first items to be borrowed. They belong to the largest of all word classes, are relatively easy to identify in a context, are often stressed in speech, and are morphologically not very complex in most languages. Their meanings are often concrete, and they may be adopted by a language community along with hitherto unknown objects or concepts. These may be the reasons why they are by far the largest contingent for Otomi, the language with the least intensive exposure to Spanish. Quechua and Guarani have considerably lower percentages of nouns, and have borrowed considerably more words from the other two major categories. The fact that Quechua has a higher percentage of nouns than Guarani may be caused by its even longer exposure to contact, during which the borrowing of elements from this largest and most open class has simply continued, while that of the more restricted classes slowed down. An in depth study of the pre-
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cise meanings of the words borrowed could throw more light on this aspect.20 Interestingly, Guarani seems to be borrowing relatively more verbs as opposed to adjectives: the proportions are 2.4:1 for Guarani and 2:1 for Quechua, respectively. Possibly, this could be related to the fact that Guarani is a SVO language, just like Spanish. This would then make a Spanish verb easier to access for a speaker of Guarani than for a speaker of Quechua with its SOV perspective, and given that verbs are much more formally complex than nouns in the languages studied here. Note also that Guarani has the most flexible of parts of speech systems of all three languages. This may make identification by meaning rather than function in Spanish easiest for Guarani natives. The nature of the part of speech system may also help explain why for Otomi both the overall figure of adjectives borrowed, and its proportion to verbs is so low. This language does not have an open class of adjectives, and typically resorts to a noun or verb to modify nominals. Let us now move on to the minor parts of speech. In this case we will take the absolute percentages, since some of these seem to be rather remarkable, as Table 7 shows. Preposition Definite article Conjunctions
Quechua 0.5% 0.0% 7.7%
Guarani 0.5% 19.4% 7.6%
Otomi 20.2% 0.0% 12.4%
Table 7: Absolute token percentages of some minor parts of speech borrowed The differences of the figures between the languages are considerable, especially for the first two categories, for which the percentage is very high for one language, and (close to) zero for the other two. This begs for an explanation. Starting with the prepositions, we see that more than one in five of the borrowed tokens in Otomi belong to this category. In fact, it is the second largest loan category after the nouns, which cater for 40.7% overall. Our tentative explanation is that Otomi is a prepositional language, be it that the number of prepositions is rather small. This means, however, that native speakers of this language will have little difficulty with the identification of prepositions in Spanish, which has a very large number of them, several of them being highly frequent.21 It also means that Otomi has a syntactic slot to insert them in. Since most of the relations at the phrase level are not expressed in classical Otomi, but have to be inferred from the context, insertion of a preposition makes a relation more explicit. Guarani and Quechua, on the other hand, borrow only very few pre-
20
21
Haspelmath & Tadmor (2009) present a database with information on loanwords for around 1600 lexical entries, which could give support to such an exercise. Unfortunately, of the three languages discussed here, only Otomí is represented in this collection (cf. Hekking & Bakker 2009). In the 100 million word Spanish corpus of Brigham Young University (Davies 2002), around 13.5% of the tokens are prepositions, with the top three de ‗of‘ (6.8%), a ‗to‘ (2.4%), and en ‗in‘ (2.2%). Among the prepositions borrowed by Otomí, con ‗with‘, para ‗for‘, and de ‘of‘ are the most frequent ones found in the corpus of Bakker et al. (2008).
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positions from Spanish. The ones that I found in the corpus are typically part of a fixed expression that is borrowed as a whole, as in example (16) from Quechua. (16)
ñuka-ka por-gusto 1SG-TOP by-pleasure ‗I like to go to drink‘
ri-ni go-1SG
ufia-ngapa drink-PURP
Other examples are a lo menos ‗at least‘, de repente ‗suddenly‘, and por ejemplo ‗for example‘ (in the Quechua corpus), and a lo mejor ‗perhaps‘, de lado ‗on the side‘, and en cambio ‗in return‘ (in Guarani). Both languages have a sizeable set of postpositions, which are suffixed to the noun or nominal expression that they are relating to the rest of the clause. So, there is no natural syntactic slot for prepositions, nor does there seem to be much functional need for them. The borrowing of Spanish definite articles shows the same, rather dramatic differences. Again, one language, in this case Guarani, borrows them at a very large scale: around one in five loans in the corpus is an article. Quechua and Otomi, on the other hand, borrow none at all. Otomi has both definite and indefinite articles, and uses them frequently. They have more or less the same function as the ones in Spanish, so there does not seem to be much functional gain in borrowing them. But both Guarani and Quechua lack articles. Still, the former borrows them at a large scale, while for the latter none were found. A possible explanation is the following. When we look at the actual use of the borrowed definite articles in Guarani, then it is not so much definiteness versus indefiniteness that they seem to code. They either function as demonstratives in a noun phrase headed by a noun, coding [+remote, –visible], an extension of the function of the native demonstratives, which only code a tripartite spatial dimension. Or they appear as independent constituents, as anaphoric elements, in positions that would be left empty in the classical language, which is ‗pro drop‘. The overall effect is mainly pragmatic, in the sense of further distinguishing the topical from the focal elements of the utterance. There seem to be no native forms in Guarani that have the function of marking topics. Quechua, on the other hand, has a rather explicit system for the topic – focus distinction. The suffix -ka marks the topic and the suffix -mi the focal element of a sentence. Compare (17a) and (17b). (17a) ñuka tayta-ka alpa-ta-mi yapu-n 1SG father-TOP land-ACC-FOC plow-3 ‗It is the field that my father plows.‘ (17b) ñuka tayta-mi alpa-ta-ka yapu-n 1SG father-FOC land-ACC-TOP plow-3 ‗It is my father who plows the field.‘ Since definiteness and topicality are closely related, there seems to be less functional motivation within the Quechua system to import definite articles.
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The third minor category that we will have a look at are conjunctions, i.e. coordinators and subordinators. Here, according to Table 7 the three languages seem to be in agreement: all borrow considerable numbers of conjunctions, be it that Otomi borrows even more of these than the other two languages. Let us try to find an explanation for this. Both classical Otomi and classical Guarani do have a small set of coordinators with a more or less general meaning. Some are used frequently, others less so. In the Otomi corpus there are 1708 occurrences of ne ‗and‘, 153 of wa ‗or‘, and 93 of pe ‗but‘. Nevertheless, almost all speakers use the Spanish loans y ‗and‘ (200 instances), pero ‗but‘ (188), and o ‗or‘ (188). The Guarani corpus counts no less than 3036 instances of native ha ‗and‘, but only 32 of tera ‗or‘, and there is no equivalent for ‗but‘. On the other hand there are 225 instances of Spanish pero ‗but‘, 32 of o ‗or‘, but only 6 of y ‗and‘. Finally, Quechua speakers make very frequent use of the native suffix -pash ‗and‘, which may be attached to the final element of a noun phrase or a clause. There are no forms for ‗or‘ and ‗but‘. However, we find 301 instances of Spanish pero, 217 of y, and 124 of o used by the vast majority of the speakers in the corpus. A further point, already observed in the short grammatical sketches of section 3, is that in all three cases, and in contrast to Spanish, the classical languages leave many connections without overt marking. So it seems that these borrowings literally fill a gap, by making the nature of the connections more explicit, in the way Spanish does, by using the borrowed coordinator, especially when none is available in the language itself. This kind of borrowing strategy may have a rather pragmatic background. Coordinators like ‗and‘, ‗but‘ and ‗or‘ are typically located at the periphery of utterances, and therefore also serve the purpose of turn holders in conversation very well. In this respect it is interesting to note that in all three subcorpora there are quite a few instances of Spanish o sea ‗that is to say‘, a very colloquial element of spoken Spanish, that precisely serves that very same pragmatic purpose. As for subordination, classical Otomi and Guarani often resort to asyndetic coordination where a language like Spanish (and English) would have a subordinate clause marked by some kind of subordinator. The typical Quechua strategy is nominalization in such cases. Although these languages do have markers, either neutral (‗that‘) or with different modal shades of subordination (cause, reason, purpose, concession), the latter often in the form of adverbs, they are rare in comparison to Spanish, and are used only very infrequently. They are, however borrowed from Spanish, and are rather popular in their use. The most frequently borrowed subordinator is porque ‗because‘, used by 87% (Guarani), 76% (Otomi), and 40% (Quechua) of the speakers in the corpus, respectively. Semantically unmarked Spanish que ‗that‘ is highly frequent in Otomi, but less so in the other languages. Many subordinators of Spanish are a combination of a preposition and que: hasta que ‗until‘, para que ‗in order to‘, porque ‗because‘, sin que ‗without‘. These are all present in the Otomi corpus, sometimes occurring with and sometimes without the que form. As such, they strengthen the presence of the corresponding prepositions in this language. As for a motivation of this borrowing, we may assume that,
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just like the borrowed coordinators, their use makes the relation between the corresponding clauses more explicit, while in the classical language it has to be inferred. Their systematic introduction in the three languages, however, may lead to some syntactic restructuring with respect to the classical formats, resulting in (marked) subordination being the norm rather than the original (asyndetic) coordination. This would imply a typological shift in all three cases. A final point in this section concerns morphology. In none of the three subcorpora there is systematic borrowing of Spanish bound morphemes, tight to a native lexical element. Among the few examples to be found are those in (18) below, each used by just one speaker.22 Both are derivations based on a Quechua noun and the Spanish agentive suffix -ero. (18a) huasipunguero ‗villager, farmer‘ (18b) warminero ‗womanizer‘
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