Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten: Band 1 [Reprint 2021 ed.] 9783112409725, 9783112409718


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German Pages 976 [980] Year 1878

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Table of contents :
Vorwort zur sechsten Ausgabe des ersten Sandes
Vorwort zur siebenten Ausgabe des ersten Landes
Inhaltsverzeichniß des Ersten Bandes
Publikations-Patent vom 5. Februar 1794
Publikations-Patent vom 11. April 1803
Spätere Einführungen
Einleitung
Erster Theil.
Erster Titel. Von Personen und deren Rechten überhaupt
Zweiter Titel. Von Sachen und deren Rechten überhaupt
Dritter Titel. Von Handlungen und den daraus entstehenden Rechten
Vierter Titel. Von Willenserklärungen
Fünfter Titel. Von Verträgen
Sechster Titel. Von den Pflichten und Rechten, die aus unerlaubten Handlungen entstehen
Siebenter Titel. Vom Gewahrsam und Besitz
Achter Titel. Vom Eigenthume
Neunter Titel. Von der Erwerbung des Eigenthums überhaupt und den unmittelbaren Arten derselben insonderheit
Zehnter Titel. Bon der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums
Elfter Titel. Von den Titeln zur Erwerbung des Eigenthums, welche sich in Verträgen unter Lebendigen gründen. Part 1
Elfter Titel. Von den Titeln zur Erwerbung des Eigenthums, welche sich in Verträgen unter Lebendigen gründen. Part 2
Nachträge und Berichtigungen
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Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten: Band 1 [Reprint 2021 ed.]
 9783112409725, 9783112409718

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Allgemeines Landrecht für die

preußischen Staaten. In zwei Theilen oder vier Bänden.

E r st e r Band.

Allgemeines Landrecht

für die

preußischen Staaten. Unter Andeutung der obsoleten oder aufgehobenen Borschriften und Einschaltung der jüngeren noch geltenden Bestimmungen, herausgcgeben

mit

Kommentar in Anmerkungen von

Dr. C F. Koch. Nach des Verfassers Tode

bearbeitet von

Dr. Franz Förster,

K. Johow,

Ministerial-Direttor.

Ober-Tribnnals-Nath.

Dr. p. Hinschius, ord. Professor der Rechte.

X Achilles,

A. Dalcke,

StadtgerichtS-Rath in Berlin.

Ober-Staatsanwalt in Marienwerder.

Erster Band. Siebente Ausgabe.

Berlin, 1878. Verlag von I. Guttentag. (8. Collin.)

Vorwort Mr sechsten Ausgabe des ersten Sandes. Kochs Kommentar zum Allgemeinen Landrecht ist zu einem der Rechtspraxis unentbehrlichen Hülfsbuche geworden. Als der geniale Verfasser desielben aus dem Leben abgerufen wurde, gingen die Vorräthe der letzten Ausgabe (des ersten Bandes fünfte, der übrigen Bände vierte) zur Neige. Es galt daher, eine neue Ausgabe so schnell wie möglich herzustellen. Dieses Ziel ließ sich nur erreichen, wenn Mehrere sich in das Werk theilten. Die Bearbeiter der hier vorliegenden neuen Ausgabe sind be­ müht gewesen, durch vorgängige sorgfältige Verständigung den Nachtheilen der Ar­ beitstheilung zu begegnen. Gleichwohl muß Jedem von ihnen die wissenschaftliche Verantwortung seiner Leistungen verbleiben. Bei jedem Bande wird deshalb in einem Vorworte die Betheiligung der einzelnen Mitarbeiter ersichtlich gemacht werden. In dem ersten Bande sind bearbeitet: die Publikations-Patente, die Einleitung, die Titel 1 bis 4 und 7 von dem Ober - Tribunals - Rath Johow, die Titel 5, 6, 9 und 10 von dem Ministerial-Direktor Dr. Förster, der Titel 8 sowie der 8. und 9. Abschnitt des 11. Titels von dem Stadtgerichts-Rath Achilles, der Titel 11 Abschnitt 1 — 7 von dem Ober-Staatsanwalt Dalcke. Es war Kochs Bestreben, in diesem Werke außer der Erläuterung des Landrechts­ textes „eine möglichst vollständige Statistik des gegenwärtig bestehenden Rechtszustandes.zu geben"; er sagt in der Vorrede zur letzten Ausgabe: „Die Gesetzgebung und die Rechtsfortbildung durch die Praxis ist in einem solchen Flusse, daß sowohl der Theo­ retiker, wie besonders der Praktiker, dessen Zeit und Kräfte meistens durch die ermü­ denden Dienstverrichtungen verzehrt werden , sich nur mit Aufmerksamkeit und Mühe auf der Höhe der Lage des augenblicklich geltenden Rechtsstandes halten kann. Dabei Hülfe zu leisten, war der Zweck dieses Werkes von Anfang an." Die Bearbeiter der neuen Ausgabe glaubten bei der Würdigung dieses Zweckes von dem bisherigen Plane des Werkes insoweit abgehen zu sollen, als die größeren, eine ganze Rechtsmaterie erschöpfenden Gesetze der Neuzeit auszuscheiden, jedoch selbst-

VI

Vorwort zur sechsten Ausgabe deS ersten Bandes.

ständige Kommentar-Ausgaben derselben dem Hauptwerke in gleichem Formate zur Ergänzung anzuschließen seien.

Dem werthvollsten Theile des Koch'schen Kommentars,

den jeder Kenner in der Erläuterung des noch in Geltung stehenden Landrechtstextes

und der älteren Ergänzungen erblicken wird, geschieht hiedurch nicht nur kein Abbruch, derselbe gewinnt vielmehr an Uebersichtlichkeit, und auch jene neueren Gesetzeswerke

kommen bei dieser Einrichtung besser zu ihrem Rechte. Ausgeschieden ist ferner mancherlei Beiwerk von Verwaltungs-Reglements, In­

struktionen u. dergl., welches ohne entsprechenden Nutzen den Umfang und Preis der letzten Ausgaben vergrößert hatte.

Im Uebrigen ist die Arbeit in dem Sinne Kochs fortgeführt.

Der Inhalt seiner

Anmerkungen ist, abgesehen von der Ausscheidung des inzwischen Veralteten und von

formalen Aenderungen (durch Kürzung, Zusammenziehung, Umstellung u. dergl., wo solches durch sachliche Gründe geboten schien), durchweg konservirt worden.

Die neuen

Zusätze sind durch (6. 91.) — d. h. sechste Ausgabe — kenntlich gemacht, dagegen die bisher den neuen Zusätzen der zweiten bis fünften Ausgabe vorangestelltcn Ausgabe­ zahlen als entbehrlich fortgelassen.

Die hiermit in Verbindung stehende Weise Kochs,

die Numerirung der älteren Anmerkungen durch alle Ausgaben beizubehalten und neu eingeschobene Anmerkungen mit der voranstehenden Nummer und hinzugefügten

Buchstaben zu bezeichnen, erwies sich als eine der Sache nachtheilige Fessel und hat deshalb einer neuen Numerirung Platz gemacht. Bei dem Citiren mehrbändiger Werke ist die Bandzahl in der Regel nicht, wie

bisher, in römischen, sondern in arabischen Ziffern ausgedrückt.

Den Hinweisungen

auf Erkenntnisse des Ober-Tribunals und des Reichs-Ober-Handelsgerichts ist, so­ weit dies gus den betreffenden Sammelwerken zu ersehen war, die Nummer des Se­

nats in römischen Ziffern hinzugefügt.

Das von St riet horst herausgegebene „Ar­

chiv für Rechtsfälle, die zur Entscheidung des K. Ober-Tribunals gelangt sind", ist

der Kürze halber mit „Str. Arch." bezeichnet.

Sonstige Kürzungen dürften ohne

Weiteres verständlich sein.

Man hat es nicht für die Aufgabe dieses Kommentars erachtet, eine Uebersicht der auf die Rechtsgebiete des Landrechts bezüglichen Literatur zu geben, und demzu­

folge die ohnedies unvollständigen Literaturnotizen, welche Koch in der letzten Auflage hinter die Ueberschriften der einzelnen Titel gestellt hat, sortgelassen.

Es ist aber in

den Anmerkungen auf die einschlagende Spezialliteratur Rücksicht genommen. Während des Druckes eintretende erhebliche Neuerungen werden am Schluffe

des Werkes ihre Berücksichtigung finden.

Vorwort zur siebenten Ausgabe des ersten Landes.

Die vorliegende neue Ausgabe ist von denselben Bearbeitern und mit derselben

Arbeitstheilung wie die sechste Ausgabe besorgt worden.

Die am Schluffe des Bandes zusammengestellten Nachträge und Berichtigungen werden der Beachtung des Lesers empfohlen.

Wie die letzte, schnell vergriffene, Auslage wird auch diese neue Ausgabe von

Kochs Kommentar zum Allgemeinen Landrecht unter Weglassung der großen kodifizirten Gesetze der Neuzeit (Allg. Deutsche Wechselordnung — Allg. Deutsches Handelsgesetzbuch — Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich —

Preuß. Berggesetz — Grundbuchgesetze vom 5. Mai 1872) 4 Bände umfassen und

schnell hintereinander erscheinen.

Das ganze Werk wird im Laufe d. I. 1879 voll­

ständig in den Händen der Abonnenten sein und ca. 80 Mark kosten.

Die genannten kodifizirten Gesetze können denjenigen geehrten Abonnenten des Koch'schen Landrechts, welche dies wünschen, als Supplemente geliefert werden

in selbstständigen kommentarischen Bearbeitungen, und zwar das Allgemeine Dentsche Handelsgesetzbuch von Makower, 7. Aufl. 1877. 15 M. das Deutsche Strafgesetzbuch von Mdorf, 2. Aufl.

io M.

das Preußische Berggesetz von Dr. Klostermann, 3. Aufl.

9 M.

die Preuß. Grundbuchgesetze von Achilles, 3. Aufl. (in Borbereitung). Berlin, 1878.

Aie Werlagshandlung

Jnhallsverzeichmß des Ersten Bandes Publikations-Patent vom 5. Februar 1794 .......................................................................................... Publikations-Patent vom 11. April 1803 .......................................................................................... Spätere Einführungen.......................................................................................................... . .

Sette 1 18 19

cL i n t e i 1 u n g.

I Von den Gesetzen überhaupt................................. 20 II. Allgemeine Grundsätze des Rechts ......................................................................................................59

Erster Theil. Erster Titel. Von Personen und deren Rechten überhaupt.................................................. 72 Zweiter Titel. Von Sachen und deren Rechten überhaupt....................................................86 Dritter Titel. Von Handlungen und den daraus entstehenden Rechten........................... 115 Vierter Titel. Von Willenserklärungen.........................................................................................126 Fünfter Titel. Von Verträgen.................................................................................................... 168 Sechster Titel. Von den Pflichten und Rechten, die aus unerlaubten Handlungen entstehen 271 Siebenter Titel. Vom Gewahrsam und Besch........................................................................ 298 Achter Titel. Vom Eigenthume.........................................................................................................355 Neunter Titel. Von der Erwerbung des Eigenthums überhaupt und den unmittelbaren

Arten derselben insonderheit....................................................................................................437 Erster Abschnitt. Von der ursprünglichen Besitznehmung..................................................439 Zweiter Abschnitt. Von der Besitznehmung verlassener und verlorener Sachen . . 440

Dritter Abschnitt. Von gefundenenSchätzen.......................................... 448 Vierter Abschnitt. Vom Thierfange....................................................................................... 452 Fünfter Abschnitt. Von der Beute......................................................................................... 475 Sechster Abschnitt. Von der Erwerbung derAn- und Zuwüchse........................................ 479 Siebenter Abschnitt. Von preisgegebenen Sachen oder Geldern.................................497 Achter Abschnitt. Von Erwerbung der Erbschaften.............................................................498 Neunter Abschnitt. Bon der Verjährung............................................................................. 529 Zehnter Titel. Von der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums...................................... 605 (Stifter Titel. Von den Titeln zur Erwerbung des Eigenthums, welche sich in Verträ­ gen unter Lebendigen gründen....................................................................................................617 Erster Abschnitt. Von Kauf- und Verkaufs-Geschäften.................................• ... 617 Zweiter Abschnitt. Vom Tauschvertrage.............................................................................711 Dritter Abschnitt. Von Abtretung der Rechte.................................................................. .713 Vierter Abschnitt. Vom Erbschaftskaufe............................................................................ 742 Fünfter Abschnitt. Vom Trödelvertrage..............................................................................752 Sechster Abschnitt. Von gewagten Geschäften und ungewissen Erwartungen ... 753 Siebenter Abschnitt. Vom Darlehnsvertrage................................................. 773 Achter Abschnitt. Von Verträgen, wodurch Sachen gegen Handlungen oder Hand­ lungen gegen Handlungen versprochen werden . ..................................................................821 Neunter Abschnitt. Von Schenkungen...................................................................................913 Nachträge und Berichtigungen......................................

968

Patent wegen Publikation des neuen allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten.

Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen rc. rc., thun kund und fügen hierdurch Jedermann zu wissen: Nachdem Wir die bereits un­ term 20sten März 1791 vorläufig bekannt gemachte Gesetzsammlung für Unsere Staa­ ten einer nochmaligen Revision zu unterziehen gut befunden haben; und dieselbe nun­ mehr dergestalt eingerichtet ist, daß Wir durch ihre wirkliche Einfühmng Unsere landes­ väterliche Intention in jeder Rücksicht zu erreichen Uns versichert halten sönnen1); so haben Wir resolviret, besagte Gesetzsammlung in dieser ihrer gegenwärtigen Gestalt, und mit den darin gemachten Verbesserungen, unter dem Titel: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, hierdurch anderweit publiciren zu lassen, in Unsern gesammten2) Landen wirklich ein­ zuführen , und diesem Allgemeinen Landrechte vom Isten Junius 1794 an ®a$«Än volle Gesetzeskraft beizulegen ; also, daß nach diesem benannten Tage dasselbe bei v. i "unms Vollziehung und Beurtheilung aller rechtlichen Handlungen und deren Folgen, so wie^nd^sraft bei Entscheidung der sich ereignenden Rechtsstreitigkeiten zum Grund gelegt werden soll. I>atienDamit aber auch über die verbindliche Kraft und Anwendbarkeit dieses Allgemei­ nen Landrechts, nach besagtem Zeitpunkte, keine Zweifel oder Ungewißheiten mehr übrig bleiben mögen: so finden Wir nöthig, nachstehende nähere Bestimmungen dar­ über festzusetzen. 1) Diese „Gesetzsammlung" sollte nach dem Publikationspatent vom 20. März 1791 unter dem Titel: Allgemeines Gesetz-Buch für die Preußischen Staaten, den 1. Juni 1792 in Gesetzeskraft treten. Aber aus überwiegend politischen Gründen wurde das Gesetzbuch durch die K.O. vom 18. April und 5. Mai 1792 auf unbestimmte Zeit suspendirt, unter dem Vorwande, daß das Publikum noch nicht Zeit genug gehabt habe, sich mit demselben bekannt zu machen. R. des Großkanzlers v. C arm er vom 5. Mai 1792, Rabe 2 S. 314. Darauf befahl die K.O. vom 17. Nov. 1793, Jahrb.52 S. 141, eine nochmalige Revision und Umarbeitung mehrerer in der K.O. vom 18. Dez. 1793 bezeichneten Stellen. Die Schlußrevision brachte mehrere Abänderungen (s. Suarez amtliche Borträge bei der Schlußrevision des A. L.R., in den Jahrb. 41 S. 1 ff.), mit welchen das Werk unter dem ver­ änderten Titel durch dieses Publikationspatent endgültig eingeführt wurde. Vergl. über die Geschichte der Einführung des L.R. G oßler, juristische Miszellen, S. 60, Klein, Annalen Bd. 1 S.XXXV, Bd.3 S. XIII u. Bd. 12 S. 191, Elvers u. Bender, Jurist. Zeitschr. Bd. 3 S. 3 u. 13, Jahrb. Bd. 9 S. 55. 289, Bd. 41 S. 14», Göschel u. v. Strampff in Simons Zeitschr. Bd. 1 S. 1.165, Bd. 2 S.3. 173. 199, Förster, Theorie u. Pr. §§. 2 ff., Dernburg, Preuß. Privatr. §§.6—14 2) Das Stift Quedlinburg stand damals nur unter der Schirmherrschaft des König-, und gehörte deshalb nicht zu den gesammten Landen. Als es kraft deS Reichsdeputattons-Haupt­ schlusses vom 25. Februar 1803 §. 3 dazu trat, wurde das A. L.R. noch nicht eingeführt. Erst bei der Einführung desselben in die neu- und wiedererworbenen Provinzen und LandeStheile hat eS auch dort Gesetzeskraft erhalten. Koch, Allgemeines Landrecht. I. 7. Aufl.

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2

PublikationS-Patent von 1794.

§. I.

I. ^Stelle des Das gegenwärtige allgemeine Landrecht soll an die Stelle der in Unsern LanRömischen u. den bisher ausgenommen gewesenen Römischen, gemeinen Sachsen- und anderer frem-

d"n verneinen den subsidiarischen Rechte und Gesetze«') treten; also, daß von dem oben bemerkten Rechte. Zeitpunkte, dem'isten Junius 1794 an, auf die bisherigen subsidarischen b) Gesetze 2a) (7. A.) Zu denselben gehört auch das kanonische Recht; dasselbe findet, abgesehen von den auf dem rein kirchlichen Gebiete liegenden Glaubenssachen, nur in den Fällen und Verhältnissen noch Anwendung, rücksichtlich deren das L.R. selbst darauf verweist. O.Tr. Entsch. 73 S. 5 f. 3) Darunter ist auch das bis dahin gültig gewesene allgemeine Gewohnheitsrecht begriffen. O.Tr. II v. 18. April 1871, Entsch. 65 S. 196, Str. Arch. 81 S. 285; wegen Beibehaltung deS partikulären Gewohnheitsrechts folgt besondere Bestimmung im §. VII. Bergl. Einl. §. 1. Die ge­ meinten Gegensätze sind diejenigen, welche sich auf den geographischen Umfang der Geltung verschie­ dener Rechte innerhalb desselben Staates beziehen, wonach man das Recht in gemeines (jus com­ mune) und in partikuläres (jus particulare) eint eilt. Das gemeine Recht kommt erst dann zur Anwendung, wenn das Partikularrecht keine Rechtsregel bietet, daher ist daS gemeine Recht ein subsidiarisches, nach dem Grundsätze der Rechtsparömie: Willkür bricht Stadtrecht rc. (Einl. §.21.) Es erhoben sich Zweifel darüber, welche Rechte denn in die Klasse des subsidiarischen und welche in die des Partikularrechts oder der „besonderen Provinzialverordnungen und Statuten" gehören möchten, namentlich wenn Sätze aus dem gemeinen Rechte in einzelnen Landestheilen durch die frühere Staatsgewalt oder durch altes Herkommen besondere Anerkennung gefunden haben, wie z. B. in Schlesien hinsichtlich des Sachsenrechts und in Preußen mit dem R. R. der Fall ist. Diese Zweifel entscheiden: a) O.Tr. Pr. 58, Präj.S. S. 1. DaS Provinzialrecht in Schlesien ist beibehalten, selbst in Ansehung solcher Sätze, durch welche nur gemeines Recht festgesetzt oder abgeändert worden ist. b) O.Tr. I (Pr. 373) v. 10. Nov. 1837, Präj.S. S. 1. Das Sachsenrecht war nur ein sub­ sidiarisches Recht für Schlesien, es ist mithin, sofern es nicht in dieser oder jener Materie in die be­ sonderen Provinzialrechte ausgenommen worden, durch daS A. L.R. verdrängt. Deshalb kommt auch nicht die Sächsische Verjährungsfrist zur Anwendung, wenn die Verjährung mit dem 1. Juni 1794 oder später begonnen hat. c) O.Tr. I (Pr. 432) v. 26. Februar 1838, Präj.S. S. 1 u. Entsch. 3 S. 292. In den Pro­ vinzen, woselbst das Provinzialrecht in ein in sich abgeschlossenes System ausgenommen ist, und dieses Provinzialrecht ein besonderes Gesetzbuch bildet, sind auch diejenigen Grundsätze, welche lediglich aus dem Römischen oder Sächsichen Rechte entnommen sind, als Provinzialgesetze zu betrachten und kom­ men daher, in sofern sie von dem A. L.R. abweichen, vor diesem zur Anwendung. Dieser wiederholt ausgesprochene Grundsatz ist dann auf die dagegen erhobenen Zweifel durch den Pl.-Beschl. (Pr. 622) v. 8. April 1839 bestätigt und seitdem durch dre Erk. IV v. 10. Nov. 1853 u. I v. 4. Oktbr. 1867, Str. Arch. 11 S. 43 u. 68 S. 217, anerkannt worden. d) O.Tr. III v. 7. Mai 1866, Entsch. 57 S. 329, Str. Arch. 66 S. 32. Das Magde­ burgische Recht charakterisirt sich als Ausdruck der besonderen Anwendung, welchen das Sachsenrecht bei dem Schöffenstuhle in Magdeburg gefunden hat; dasselbe ist ein aus dem Sachsenspiegel ergänztes und glossirtes Recht, und daher nicht als Provinzialrecht, sondern als subsidiarisches gemeines Sachen­ recht anzusehen, mithin durch den §. I des Publ.-Pat. aufgehoben; es ist auch durch die Kottbuser Willkür von 1409 nicht als etwas ganz Besonderes an Stelle des früheren Sachsenrechts in den Kreis Kottbus eingeführt worden und gilt dort nicht als Provinzialrecht. Eine weitere Meinungsverschiedenheit bezieht sich auf eine andere Unterscheidung, bei welcher eS auf den geographischen Umfang der Geltung gar nicht ankommt. Von einer Seite wird nämlich behauptet: daS deutsche Privat-Fürstenrecht (jus privatum personarum illustrium) gelte noch neben oder vor dem A. L.R., weil es nicht gemeines Recht sei, und weil die besonderen Rechte und Gesetze im §. 1 ff. der Einleitung aufrecht erhalten seien, während von der anderen Seite solches bestritten und behauptet wird, daß das deutsche Privat-Fürstenrecht ein Theil des gemeinen deutschen Privatrechts und mit demselben bei Einführung des A. L.R. aufgehoben sei. Die erste Meinung vertritt das Reskr. deS J.M. vom 12. Januar 1836, Jahrb. 47 S. 295, jedoch mit Unrecht. Das Privat-Fürstenrecht ist ebenso ein Bestandtheil des gemeinen deutschen Privatrechts, wie die Privatrechte des Bürger- und Bauernstandes oder anderer Personenklassen, z. B. der Juden; auch das O.Tr. erkennt das frühere reichsständische (fürstliche) Eherecht „als eine gemeinrechtliche Norm" an. Entsch. 19 S. 232. Mit Rücksicht auf diese besonderen Rechtswahrheiten, welche auf bestimmte Personenklassen sich beziehen, wird das deutsche Privatrecht eingetheilt in allgemeines (generelles) und in besonderes (spe­ zielles). Diese Einteilung berücksichtigt das A. L.R. und das Publikationspatent nicht, vielmehr bezieht der §. 1 ff. der Einleitung sich lediglich auf jene geographische Einteilung, indem dort keineSweges die besonderen Rechte und Gesetze überhaupt, sondern nur die „besonderen Gesetze", die „be­ sonderen Provinzialverordnungen und Statuten einzelner Gemeinheiten und Gesellschaften", „Gewöhn-

Publikations-Patent von 1794.

§§. I—III.

3

und Rechte nicht mehr zurückgegangen, sondern in vorkommenden späteren«) Fällen nur nach den Vorschriften des gegenwärtigen Landrechts in allen Unsern unmittelbaren und mittelbaren b) Gerichtshöfen erkannt werden soll.

II. Eben so tritt dieses allgemeine Landrecht an die Stelle der über einzelne Rechts- D>° «g* Materien von Zeit zu Zeit ergangenen allgemeinen Edikte und Verordnungen, welche Uv-, welche bisher in allen Unsern Provinzen als gemeine«) Landesgesetze gegolten haben; indemw-rd-n°"find dafür gesorgt worden ist, daß diese einzelnen Edikte und Verordnungen bei der Anfer- Ä tjgung des Landrechts nochmals revidirt, und ihrem Inhalte nach, bei den Gegcnstän-ut” «S.er' den, welche sie betreffen, gehörigen Orts ausgenommen und eingeschaltet 'worden. In sofern jedoch in dem gegenwärtigen Landrechte auf ein solches über einzelne Mate­ rien ergangenes Edikt, oder sonstige Verordnung, Bezug genommen, und dahin ver­ wiesen worden, versteht es sich von selbst, daß dergleichen Edikt oder Verordnung seine gesetzliche Kraft, in Ansehung aller Stellen und Vorschriften, die nicht etwa in diesem Landrechte ausdrücklich geändert sind, nach wie vor beibehalte.

III. Die in den verschiedenen Provinzen bisher bestandenen besondern Provinzialgesetze und Statuten?) behalten zwar vor der Hand noch ihre gesetzliche Kraft und Gültigkeit«); _____________ _ Hand noch heitsrechte und Observanzen, welche in den Provinzen und einzelnen Gemeinheiten gesetzliche Kraft ll)rc Äroft* haben", beibehalten werden. Was also dem gemeinen deutschen Rechte angehört, ist nach §. I des Publikationspatents aufgehoben, folglich auch die auf bestimmte Personenklassen sich beziehenden Rechts­ normen desselben. S. daS Weitere unten in der Rote 9.

4) Auf Fälle, welche der Vergangenheit anaebören, findet eS in der Regel keine Anwendung. S. unten §. VIII und Einl. §§. 14, 51. 5) Die mittelbaren Gerichtshöfe find aufgehoben.

P. vom 2. Januar 1849 §. 1, (G.S. @.T.)

6) Der Umstand allein, daß eine einzelne Verordnung nicht in allen Provinzen, sondern nur in einigen oder einer gegolten hat, entscheidet noch nicht, daß sie eine besondere Provinzialverordnung ist, vielmehr kommt eS auf dm Grund dieser Beschränkung und auf den rechtlichen Charakter deS Inhalts an. Wird dadurch eine zur Zeit der Erscheinung zweifelhafte Rechtsfrage oder eine Satzung des sub­ sidiären gemeinen Rechts entschieden oder näher bestimmt, so ist sie keine „besondere Provinzialverordnung", sondern eine solche, welche in die Kategorie der „gemeinen Landesgesetze" tritt. Grund der geographischen Beschränkung jst meistens der Umstand, daß der Gesetzgeber zur Zeit des Erlasses noch keine anderen Länder überhaupt, oder doch nicht solche beherrschte, welchen er dieselbe Verordnung vor­ zuschreiben Veranlassung hatte. eit ist, gestanden, und bloß von seinem freien Entschlüsse abgehangen habe, die rechtli­ chen Folgen der früheren Handlung oder Begebenheit, durch Willenserklärungen oder sonst, zu bestimmen, und auf andere Art, als in dem neuen Landrechte geschehen ist, sestzusetzen; oder ob eine solche abändernde Bestimmung in der Gewalt und einseitigen Entschließung desjenigen, den die Handlung oder Begebenheit angeht, nicht mehr ge­ standen habe? Im letztem Falle sollen die auch später eintretenden rechtlichen Folgen dennoch nur nach den älteren Gesetzen, welche zur Zeit der vorgefallenen Handlung oder Begeben­ heit gültig gewesen sind, beurtheilt werden 2’). Im erstem Falle hingegen soll, wenn auch die Handlung oder Begebenheit älter, aber keine solche abändernde Bestimmung vorhanden märt28 * * ), *29 * *bei * * *Beurtheilung 27 der erst nach dem tsten Junius 1794 eintretenden rechtlichen Folgen, dennoch nur die Vor­ schrift des gegenwärtigen neuen Landrechts Auwendung finden.

XI. Es find daher insonderheit alle Verträge, welche vor dem tsten Junius 1794 errichtet worden, sowohl ihrer Form und Inhalte nach, als in Ansehung der daraus

entstehenden rechtlichen Folgen nur nach den zur Zeit des geschlossenen Kontrakts be­ standenen Gesetzen zu beurtheilen; wenn gleich erst später auf Erfüllung, Aufhebung, oder Leistung des Interesse aus einem solchen Kontrakte geklagt würde22). v. 19. März 1861, Entsch. 45 S. 174); b. darüber, ob dem Pächter der Einwand der Verletzung über die Hälfte zustehe (O.Tr. III v. 4. Sept. 1868, Str. Arch. 72 S. 129); c. über den Vorzug der Erbtochter vor der Regredienterbin (O.Tr. I v. 30. Nov. 1866, Entsch. 57 S. 87). (7. A.) Das Pl. des Strass, des O.Tr. hat unterm 28. Jan. 1867 eintragen lassen folgendes Präj. 310: „Die vor Einführung des A. L.R. in den damaligen Preuß. Staaten vorhandenen, seinen Voraussetzungen entsprechenden, obwohl durch Privilegien nicht geschützten Verlagsrechte sind unter der Herrschaft des gedachten Gesetzbuchs des Schutzes desselben gegen Dritte in Ansehung des Nach­ drucks theilhaft geworden." Präj.-S. 3 S. i, Entsch. 57 S. 26*. 27) Die Vorschrift entspricht der Regel nach allgemeinen Grundsätzen (Note 25) vollkommen.

28) Alsdann will man sich, so wird angenommen, den Bestimmungen des A. L.R. unterwerfen. Doch wird dieser Satz durch den folgenden §. XI wieder beschränkt. Denn dieser bezieht sich nach dem Wortlaute auf alle Verträge, nicht bloß auf die einseitig unwiderruflichen, wogegen der §. X, ohne diese Beschränkung oder beziehungsweise Ausdehnung, auch die nach altem Rechte einseitig wider­ ruflichen Verträge, wie z. B. Schenkungen unter Eheleuten, umfaßt. Die Bestimmung trifft eine etwas dunkle Ausnahme von der Regel (Note 25). Das österreichische Einf.-Pat. v. n.Juni 1811 Abs. 5 bleibt bei dem allgemeinen Grundsätze. 29) Alle Verträge ohne Ausnahme. S. die vorige Note. Dazu paßt freilich das Bindewort „daher" nicht; man scheint an widerrufliche Verträge nicht aedacht zu haben. — Vergl. oben Anm. 25 Nr. I A. 4 und Bornemann, Erörterungen, Heft 1 S. 24 ff. — Die Vorschrift enthält nichts weiter, als eine richtige Anwendung des allgemeinen Grundsatzes. Alle rechtlichen Folgen eines Vertrages, mögen sie schon eingetreten sein, oder noch künftig eintreten, gehören zu den bereits er­ worbenen Rechten und sind keine bloßen Erwartungen. Das Gleiche enthalten alle späteren transi­ torischen Gesetze. —- Der §. Xi enthält einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, welcher auch auf alle neueren Gesetze, in sofern nicht in diesen besondere Ausnahmen gemacht sind, volle Anwendung findet, so daß z. B. ein unter der Herrschaft des A. L.R. mündlich geschlossener Vertrag, welcher zu seiner Gültigkeit der Schriftform bedurfte, durch Einführung des Handels-G.B., nach welchem dieser Vertrag der Schriftform nicht bedarf, nicht ohne Weiteres verbindlich wird. O.Tr. IV v. 9. Febr.

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14

PublikatwnS-Patent von 1794.

§§. XII—XIII.

XII. In Ansehung der Testamente und anderer letztwilligen Verordnungen sehen Wir besonders fest, daß alle diejenigen, welche vor dem isten Junius 1794 errichtet wor­ den, nach den Vorschriften der älteren Gesetze durchgehends»«) beurtheilt werden sol­ len , wenngleich das Ableben des Testators erst später erfolgte; und soll bei dieser Art von Verfügungen aus den Unterschied: ob eine solche Disposition in der Zwischenzeit und bis zum Isten Junius 1794 noch hätte abgeändert werden können, oder nicht, zur Vermeidung der sonst für Unsere getreuen Unterthanen zu besorgenden großen Weit­ läufigkeiten und Kosten, keine Rücksicht genommen werden.

XIII. Die gesetzliche Erbfolge3 x) zwischen Eltern und Kindem, auch andern Familien­ mitgliedern, so weit dieselbe nicht auf Verträgen, Fideikommiß-Stistungen, Lehnskonstitutionen u. s. w. unabänderlich beruhet, sondern durch rechtsgültige Willenserklä­ rungen des Erblaffers abgeändert werden konnte, ist, wenn der Erbfall sich vor dem Isten Junius 1794»») ereignet, nach den bisherigen Gesetzen, späterhin aber, wenn der Erblasser keine solche rechtsgültige Abänderung gemacht hat, nach den Vorschriften des neuen Landrechts, jedoch unter dem §. VII bemerkten Vorbehalte*), zu beurtheilen. 1864, Str. Arch. 53 S. 124. In dem Erk. IV v. 29. November 1864, Str. Arch. 55 S. 324, wird dies abermals auf das Dienstverhältniß zwischen Prinzipal und Handlungsdiener und die Auf­ lösung desselben angewendet. — Dagegen erkennt dasselbe durch Erk. IV v. 30. Juni 1868, Entsch. 60 S. 342, Str. Arch. 70 S. 352, das Gegentheil, daß der Art. 61 des Allg. Handelsgesetzbuches auch da Anwendung findet, wo der Vertrag nicht unter der Herrschaft des Allg. Handelsgesetzbuches er­ richtet, vielmehr nur nach Einführung desselben fortgesetzt worden ist. Bezüglich auf diesen Wider­ spruch heißt es: „Daß diese (jetzige) Ausführung mit den Gründen der vom Imploranten zur Recht­ fertigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde angeführten, durch Striethorst's Archiv veröffentlichten Ober­ tribunals-Entscheidungen vom 9. Februar und 29. November 1864 nicht im Einklänge steht, ist anzuerkennen; die diesen Entscheidungen zum Grunde liegende Ansicht hat jedoch, mit Rücksicht auf die obigen Erwägungen, auf gegeben werden müsse n." — (6. A.) Die Anwendbarkeit des D. H.G.B. auf die Rechtsverhältnisse der vor Einführung desselben begründeten und nach derselben in Liquidation gekommenen Handelsgesellschaften wird behauptet von Keyßner, die Liquid, der of­ fenen Handelsgesellschaft, Erlangen 1866 S. 1 Anm. 1, u. in Goldschmidts Zeitschr. 10 S. 327.

30) Durchgehends, also auch in Ansehung des Inhalts. (6. A. Abweichender Ansicht Heydemann, Einl. in das System des Pr. Civilr. Bd. 1 S. 91.) Dies ist eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen (Note 25), welche bei den späteren Einführungen (Publ.-Pat. von 1814 §. 6 und von 1816 §. 8) nicht gemacht worden ist. Diese unterscheiden zwischen Form und Inhalt und schließen sich den allgemeinen Grundsätzen in beiden Beziehungen an. Die persönliche Fähigkeit ist in allen Einführungspatenten übergangen, es bleibt deshalb bei dm allgemeinen Grundsätzen.

31) Die Jntestaterbfolge richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, immer nach den zur Zeit des Todes des Erblassers geltenden Gesetzen. Denn vorher hat der bezeichnete Erbe nichts weiter als eine ungewisse Erwartung, welche ebenso durch Errichtung eines Testaments, wie durch ein neues Gesetz rechtlich, und auch thatsächlich durch Verfügungen unter Lebendigen vereitelt werden kann, gleichwie die Erwartung eines eingesetzten Testamentserben durch Zurücknahme des Testaments zer­ störbar, also ungewiß ist. Der §. Xiil und alle späteren Einführungspatente übereinstimmend schreiben also nur die Anwendung eines allgemeinen Grundsatzes vor. 32) In den beiden Ausgaben von 1794 u. 1796 heißt es „1796"; erst in der Ausgabe von 1804 ist diese Jahreszahl, auf Kirch eis en's Vorschlag, der darin einen Druckfehler sah, welcher nicht vorhanden war (R. v. 25. Sept. 1795 ad 3, in Stengel Bd. 1 S. 436), in 1794 abge­ ändert worden. S. Simon's Zeitschr. 2 S. 176 u. Jur. Wochenschr. 1838 S. 337. Es ist bei der §. VII verordneten Suspension gleichgültig: ob es 1794 oder 1796 heißt. Denn liest man 1794, so tritt die Suspension in Wirksamkeit; heißt es 1796, so ist die zweijährige Suspension eingerechnet.

*) Die splendid gedruckten Worte stehen nicht in der von dem Könige unterschriebenen Rein­ schrift deS Patents. Simon a. a. O. S. 177.

Publikations-Patent von 1794.

§§. XIV—XV.

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XIV. Das Verhältniß der Eheleute, die sich vor dem Isten Junius 179433)34verheira35 thet haben, soll, so weit es auf Rechte und Pflichten unter Lebendigen ankommt, so »er Eheleute, wie in Fällen, wo die Ehe durch richterliches Erkenntniß getrennt wird, nach den zur Zeit der geschlossenen Ehe bestandenen Gesetzen beurtheilt werden"). Bei der Erb­ folge hingegen, insofern dieselbe nicht durch Verträge, letztwillige Verordnungen, Pro­ vinzialgesetze, oder Statuten bestimmt wird, sondern nach gemeinen Rechten anzuord­ nen ist, soll der überlebende Ehegatte, bei einem nach dem isten Junius 1794 sich er­ eignenden Successionsfalle, die Wahl haben: ob er nach den zur Zeit der geschloffenen Ehe vorhanden gewesenen gemeinen Rechten, oder nach den Vorschriften des gegen­ wärtigen Landrechts erben wolle33).

XV. Da in dem gegenwärtigen Landrechte bestimmt ist, daß die gesetzlichen und still­ schweigenden Hypotheken zwar ihre bisherigen Vorrechte gegen den eigentlichen Schuld­ ner und dessen Erben, so wie bei einem über das Vermögen oder den Nachlaß des Schuldners entstehenden Konkurse behalten, auf den dritten Besitzer der damit behaf­ teten unbeweglichen Sache aber, welcher nicht Erbe seines Vorfahren im Besitze gewor­ den ist, nur insofern übergehen sollen, als dieselben diesem dritten Besitzer bei der Erwerbung des Grundstücks bekannt gewesen, oder in das gerichtliche Hypothekenbuch eingetragen sind; so soll zur Eintragung solcher Hypotheken ein dreijähriger Zeitraum offen bleiben, dergestalt, daß der Berechtigte, welcher sich vor dem Isten Junius 1797 zu der Eintragung eines solchen Rechts in das Hypothekenbuch gehörig meldet, dazu noch gelassen werden muß, wenngleich das Grundstück in der Zwischenzeit an einen anderen Besitzer, als denjenigen, gegen welchen er das Recht erworben hat, oder des­ sen Erben gediehen wäre. 33) Auch hier heißt eS, in den ältesten beiden Ausgaben (Note 32), 1796. Es kommt zur Zeit nichts mehr darauf an; auch die Frage: ob Ehescheidungsursachen und Ehescheidungsstrafe nach dem alten oder dem neuen Rechte zu bestimmen stnd, hat ihr praktisches Interesse verloren.

34) Diese Vorschrift bezieht sich nicht etwa auf die persönlichen Verhältnisse der Eheleute zu einander und auf die Ehescheidungsgründe, sondern auf die Güterrechte der Eheleute und auf die Grundsätze wegen Auseinandersetzung in Folge einer Ehetrennung. M. s. die späteren Einf.-Pat. von 1814 §. 9 und von 1816 §. 11. Sie entspricht mithin dem allgemeinen Grundsätze (Anm. 25). Die Ehescheidungsgründe sind übergangen. In den späteren Patenten a. a. O. findet sich gleichfalls der allgemeine Grundsatz angewendet, mit Ausnahme einiger Thatsachen, die nach dem alten Gesetze nicht die Scheidung begründen. 35) Der zweite Theil dieses §. enthält eine positive Bestimmung. Das Wahlrecht ist nur für den Fall gegeben, wenn die Ehe nicht unter der Herrschaft eines besonderen Rechts, sondern unter dem G.R. geschlossen worden ist. Das gewählte Recht muß in allen seinen Beziehungen aus­ schließlich zur Anwendung kommen, und es kann nicht die eine Frage nach diesem, die andere nach jenem entschieden werden. Darüber hat man bei der Gütergemeinschaft gestritten, und es hat erst eines Pl.-Beschl. (Pr. 867) v. 2. Juni 1840, Entsch. 5 S. 299 bedurft, um außer Streit zu setzen, daß, wenn die Wahl auf das A. L.R. fällt, auch die Frage: was zu dem, der ehelichen Güterge­ meinschaft unterworfenen Vermögen gehöre, nicht nach den zur Zeit der Eheschließung hinsichts der Gemeinschaft geltend gewesenen Grundsätzen, sondern nach den Vorschriften des A. L.R. zu entschei­ den. — (6. A. Das Wahlrecht steht übrigens nur dem Ehegatten zu und geht nicht auf dessen Erben über. Jungmeister in Jur. Wochenschr. 1839 S. 37. Förster, Theorie u. Praxis, 3. Aufl. Bd. 1 S. 45. Contra: Bielitz, Komment, zum A. L.R. 1 S. 41.) — Eine Nachbildung des Satzes deS §. XIV findet sich wieder in dem Einf.-Pat. zum Westpreuß. Provinzialrechte, vom 19. April 1844 §. 7, G.S. S. 103, und in dem Schles. G. vom 11. Juli 1845, betr. die Aufhebung der in Schlesien rc. geltenden besonderen Rechte über die ehelichen Güterverhältnisse und die gesetzliche Erb­ folge, §. 8 Nr. 2, G.S. S. 471. In Schlesien hat er die Kontroverse veranlaßt: ob unter den gemeinten Vorschriften deö A. L.R. stets dessen gemeinrechtliche Erbfolge §§. 500 ff. u. §§. 621 ff. Th. II Tit. 1; oder diese, resp, dessen Bestimmungen bei bestandener Gütergemeinschaft §§. 634 ff. a. a. O., je nachdem die Eheleute nach den früheren Rechten in getrennten Gütern oder in Güter-

Publikations-Patent von 1794.

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§§. XVI—XVII.

XVI. wegen der Real-Ser­ vituten, wegen der mahrung,

Fällt weg 26).

XVII. Was insonderheit die Verjährung betrifft: so sollen diejenigen Fälle, in welchen ^j^blbe schon vor dem Isten Junius 1794 vollendet worden, lediglich nach bisherigen Rechten beurtheilt werden, wenngleich die daraus entstandenen Befugnisse oder Ein­ wendungen erst späterhin geltend gemacht würden. In Ansehung derjenigen Verjäh­ rungen hingegen, deren bisherige gesetzmäßige Frist mit dem isten Junius 1794 noch nicht abgelaufen ist, sollen die Vorschriften des neuen Landrechts in allen Stücken be­ folgt werden 7). Sollte jedoch zur Vollendung einer schon vor dem Isten Junius 1794 angefange­ nen Verjährung in dem neuen Landrechte eine kürzere Frist, als nach bisherigen Ge­ setzen vorgeschneben sein: so kann derjenige, welcher sich in einer solchen kürzeren Ver­ jährung gründen will, die Frist derselben nur vom Isten Junius 1794 zu rechnen an­ fangen 2«). gemeinschast gelebt haben, zu verstehen. Das Plenum des O.Tr. hat durch Beschl. v. 5. Novbr. 1855 das Erstere für das Richtige erklärt. (I.M.Bl. S. 416 und Entsch. 31 S. 198.) In West­ preußen hat sich der Streit wiederholt; hier aber ist die Entscheidung in letzter Instanz im entgegen­ gesetzten Sinne ausgefallen, aus dem zutreffenden Grunde, weil das neue Provinzialrecht die pro­ vinzialrechtliche Gütergemeinschaft aufrecht erhält und nur die landrechtlichen Vorschriften über die Gütergemeinschaft an die Stelle des alten Provinzialrechts darüber setzt. Vergl. ferner Ges. v. 16. Febr. 1857 Art. V, G.S. S. 87, Ges. v. 5. Juni 1863 Art. IV, G.S. S. 374; Ges. v. 4. Aug. 1865 Art. V, G.S. S. 873, Ges. v. 5. Febr. 1869 Art. III, G.S. S. 329. 36) Da der §. 18 u. f. Tit. 22 Th. I des A. L.R. verordnete, daß Grundgerechtigkeiten, welche durch keine in die Augen fallenden Kennzeichen oder Anstalten angedeutet werden, und gleichwohl den Nutzungsertrag des belasteten Grundstücks schmälern, gegen einen dritten Besitzer des belasteten Grundstücks nur in sofern sollten ausgeübt werden können, als sie zur Zeit der Besitzveränderung in das Hypothekenbuch schon eingetragen wären, oder deren Eintragung noch binnen zwei Jahren nach der Besitzveränderung von dem Besitzer des berechtigten Grundstücks gehörig nachgesucht würde; so bestimmte der §. xvi die Berechnungsart dieser 2 Jahre und gab den Gerichten Anweisung in Betreff ihres Verhaltens bei Besitzveränderungen. Dieselbe fällt weg, weil jene Vorschrift des A. L.R. bald nach der Publ. wieder aufgehoben ist. Anh. §. 58 (zu I 22 §. 18). R. v. 12. Dezbr. 1840, I.M.Bl. S. 399.

37) Die Vorschrift, welche sich in den späteren Einführungspatenten von 1814 §. 12 und von 1816 §. 16, nur mit Weglassung der Worte ,,in allen Stücken", wiederfindet, spricht den allgemeinen Grundsatz (Anm. 25) aus und ist nicht positiv oder eine Ausnahme. Das O.Tr. hat in zwei Be­ ziehungen eine andere Meinung ausgesprochen und angewendet. Erstlich behauptet es: die Frage, ob die Verjährung gültig begonnen habe, müsse nach den zur Zeit solches Anfangs geltend gewesenen Grundsätzen beurtheilt werden. Vergl. die oben zu §. Vili in Note 25 unter B. 1. a cit. Ent­ scheidungen. Hierüber ist dort das Nöthige bemerkt. Zweitens hat es ausgesprochen: daß eine durch das neue Gesetz eingeführte längere Verjährung nicht Anwendung finde, wenn die kürzere Verjährung nach dem alten Gesetze schon angefangen habe, insbesondere hat es die neue (längere) Wechselver­ jährung auf die schon nach A. L.R. angefangene Verjährung eines Wechsels für unanwendbar er­ klärt. Erk. IV (Pr. 2210) vom 15. Febr. 1850, Entsch. 19 S. 260. Die Gründe treffen alle nicht zu. Der §. xvil soll darum gewichtslos sein, weil er nur eine spezielle transitorische Bestimmung enthalte. Damit ist ja aber ganz und gar nicht bewiesen, daß sie kein allgemein gültiger Grundsatz sei. Natürlich fehlt der Beweis dafür, so wie die Nachweisung eines anderen Grundsatzes ganz und gar. Es wird nur behauptet, daß der §. 14 der Einl., wonach neue Gesetze nicht Rückwirkung haben sollen, anzuwenden sei. Die Anwendbarkeit desselben ist aber eben näher zu bestimmen, da es außer Streit ist, daß er keine Allgemeingültigkeit hat; das O.Tr. räumt in einem jüngeren Erk. I v. 8. Febr. 1861, Str. Arch. 39 S. 357, selbst auch ein, daß Verjährungsgesetze unter einer näheren Maßgabe rückwirkende Kraft haben. In dieser Beziehung enthalten die Entscheidungsgründe nicht das allergeringste zur Sache; es wird auf die Frage gar nicht eingegangen. (6. A.) Vergl. F ö r st er, Theorie u. Praxis, 3. Aust. Bd. 1 S. 44, Bornemann, Erört. Hft. 1 @.39; ferner Publ.Pat. v. 19. April 1844, G.S. S. 103, Ges. v. 16. Febr. 1857 Art. vi, G.S. S. 87, Ges. v. 5. Juni 1863 Art. V, G.S. S. 374, und Ges. v. 4. Aug. 1865 Art. VI, G.S. S. 873.

38) Eine solche kürzere Frist ist auch die neu eingeführte 50j. Verjährung (I. 9 §. 660), welche an Stelle des abgeschafften JmmemorialbesitzeS gesetzt worden ist. Wenn also eine 50j. Präskription

Publikations-Patent von 1794.

§. XVIIL

XVIII. Fällt Weg 3 *). Unter vorstehenden Maßgaben und Bestimmungen nun wollen Wir dieses allgemeine Landrecht, vermöge der Uns zustehenden landesherrlichen und gesetzgebenden Macht, als ein wahres und allgemeines Land^sgesetz hierdurch, und in Kraft dieses, vorschreiben und publiciren; also, daß in Unseren königlichen und Chur- auch sämmt­ lichen übrigen40 * * )*41 *unter ** ** * *Unserer * * * * * *Hoheit * * 39 und Oberbotmäßigkeit stehenden Landen, Pro­ vinzen und Distrikten, nach den in diesem neuen Gesetze enthaltenen Vorschriften ver­ fahren und erkannt, und dasselbe in allen und jeden sowohl gerichtlichen, als außer­ gerichtlichen Angelegenheiten, von Jedermann, der zu Unseren Unterthanen gehört, oder in Unseren Landen Geschäfte zu betreiben hat, genau beobachtet, insonderheit aber bei allen Ober- und Untergerichten, ohne Unterschied oder Ausnahme, in Beur­ theilung der bei ihnen vorfallenden, oder zu ihrer Entscheidung gelangenden Angele­ genheiten und Geschäfte, zum Grunde gelegt werden soll. Alle älteren Gesetze, Edikte

und Verordnungen, an deren Stelle das gegenwärtige neue Landrecht nach den §§. 1 u. 2 enthaltenen nähern Bestimmungen treten soll, werden hierdurch gänzlich aufgeho­ ben und abgeschafft, und es soll von dem bestimmten Zeitpunkte an, kein Kollegium, Gericht, oder Justizbedienter sich unterfangen, diese älteren Gesetze und Verordnungen auf die vorkommenden Rechtsangelegenheiten, außer den im gegenwärtigen Patente bestimmten Fällen, anzuwenden ; oder auch nur das neue Landrecht nach besagten auf­ gehobenen Rechten und Vorschriften zu erklären oder auszudeuten: am allerwenigsten aber von klaren und deutlichen Vorschriften der Gesetze, auf den Grund eines vermein­ ten philosophischen Raisonnements, oder unter dem Vorwande einer aus dem Zwecke und der Absicht des Gesetzes abzuleitenden Auslegung, die geringste eigenmächtige Abweichung, bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade und schwerer Ahndung, sich zu erlauben44), vielmehr soll, wenn in ein oder anderem Falle über den Sinn und erforderlich ist und zugleich ein Jmmemorialbesitz behauptet wird, so kann der 50j. Präskription die vorlandrechtliche Zeit nicht hinzugerechnet werden. O.Tr. Pr. 2118 v. 27. April 1849, Entsch. 18 S. 192. Vgl. Pl.-Beschl. v. 24. Okt. 1845, Entsch. 12 S. 124, wonach umgekehrt in Fällen, wo praescriptio immemorialis und definitiva zusammentreffen, und die Bedingungen der ersteren sich erst nach Publikation des A. L.R. herausstellen, auch, die Zeit nach Einführung des A. L.R. in Anschlag kommen kann. — Dieser Grundsatz findet eine analoge Anwendung auch auf den Fall, wo die Ver­ änderung dadurch herbei geführt ist, daß Jemand seinen Wohnsitz nach dem Jnlande verlegt, und dadurch das hier geltende Gesetz über die Verjährungsfristen auch in Beziehung auf schon bestehende Verbindlichkeiten Wirksamkeit erlangt hat. Demnach kann der Lauf der kürzeren Verjährung der preußischen Gesetze nicht von einer früheren Zeit ab als von seiner Niederlassung in hiesigen Landen an gerechnet werden. O.Tr. I v. 8. Febr. 1861, Str. Arch. 39 S. 358. Vergl. unten Anm. 44 Nr. I, 3, lit. b, y, zu §. 33 der Einl. — (7. A.) Die Bestimmung rechtfertigt sich durch die Erwä­ gung, daß das neue Gesetz nur in dem Sinne etwas Neues enthält, als es eine kürzere Frist für genügend erklärt; eS negirt also nur das Erforderniß einer längeren Zeit, nicht aber das Genügen einer längeren Zeit. Unger, System des österr. Privatr., 4. Aust. I S. 147. (Gemeinrechtliche Literatur das. Note 81.)

39) Diese Vorschrift betrifft die Anwendung der Strafgesetze auf die schon vor der Publ. sich ereigneten Fälle und ist außer Kraft gesetzt durch das Gesetz über die Einführung des Strafgesetz­ buches für die Preußischen Staaten v. 14. April 1851, G.S. S. 93. 40) Diese Unterscheidung der Lande gründet sich auf die damalige deutsche Reichsverfassung und fällt jetzt weg. Unter den königlichen Landen verstand man das Königreich (die heutige Provinz) Preußen, unter den Churlanden die Churmark Brandenburg nebst Zubehörungen, und unter den übrigen Landen die sonst noch unter der Landeshoheit des Königs unter verschiedenen Titeln ste­ henden deutschen Reichsländer.

41) Das sind ähnliche Gedanken, wie sie einst Justinian aussprach, als er bei Strafe und Ver­ nichtung der Bücher alles weitere Bücherschreiben bei der Herausgabe feines Werkes verbot. Unser Verbot hier enthält zweierlei. Zuerst soll das neue Recht nicht nach dem voranaegangenen Rechte erklärt und ausgedeutet werden, d. h. der Zusammenhang mit der bisherigen Literatur soll ganz vernichtet sein. DaS hat sich denn.auch von Stund an erfüllt. Erst nach einem Menschenalter hat Koch, Allgemeines Landrecht. I.

7. Aufl.

2

wegen der

tr°9qc6e

Publikations-Patent von 1803.

18

die richtige Auslegung einer der neuen Vorschriften Zweifel entstehen, oder irgend ein Richter keine hinlängliche Bestimmung eines zu seiner Entscheidung gelangenden Falles in dem Landrechte anzutreffen vermeinen möchte, alsdann lediglich nach den Vorschriften §§. 46, 50 der Einleitung zu dem gegenwärtigen Landrechte verfahren werden. Nach dieser Unserer solchergestalt erklärten Allerhöchsten Willensmeinung hat sich also ein Jeder, den es angeht, insonderheit aber sämmtliche Landeskollegia und ühri-

gen Gerichte, genau und pflichtmäßig zu achten. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem größern königlichen Jnsiegel. So geschehen Berlin, den 5ten Februar 1794.

Fried-ich Wilhelm.

(L. 8.)

Lärmer.

Patent zur Publikation der neuen Auflage des allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten.

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen rc. rc. thun kund und fügen hierdurch Jedermann zu wissen: daß der Mangel einer gehöri­ gen Anzahl von Exemplarien des allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten eine neue Auflage desselben nöthig gemacht, welcher Wir bei der wörtlichen Ueberein­ stimmung mit der ersten, nicht nur die allerhöchste Sanktion hierdurch ertheilen, son­ dern auch die Veranstaltung getroffen haben, daß die Erläuterungen und Abänderun­ gen desselben, welche zeither gesetzlich ergangen, und das allgemeine Recht betreffen, verkürzt gesammelt, der neuen Edition gehörigen Orts eingeschaltet, und unter dem Titel des ersten Anhanges u. s. w. zum Besten der Besitzer der älteren Edition gedruckt sind. Nur die Erläuterungen und Abänderungen des Zwanzigsten Titels, des Zweiten Theils sind ausgelassen, weil derselbe durch das nächstens42 * * )*43 *erfolgende * * * * * * neue Krimi­ nalrecht für die Preußischen Staaten ergänzt werden wird. Mit Bezug auf das Pu­ blikationspatent vom 5ten Februar 1794 haben sämmtliche Ober- und Untergerichts­ stellen diese neue Auflage des Landrechts und diesen ersten Anhang gesetzlich anzuwen­ den, und erhalten dieselben zugleich die Anweisung, in ihren Urtelssprüchen auf keine Privat-Gesetzes-Sammlung Bezug zu nehmen, sondern sich lediglich an diejenigen Gesetze zu halten, welche ihnen zugefertigt, gehörig publiciret, auch") durch das neue man spärlich versucht , sich eine gründliche Einsicht in das neue L.R. dadurch zu ermöglichen, daß man den in dasselbe übergegangenen Begriffen und RechtSregeln bis dahin, wo sie wurzeln, wieder nachgegangen ist. — Das Andere ist, daß das L.R. die ursprüngliche Grundlage eines neuen posi­ tiven Rechts und einer neuen Rechtswissenschaft sein soll, doch mit dem Justinianischen Ansprüche auf ein Gedankenmonopol. Darum soll keiner bei schwerer Ahndung sich erlauben, die klaren und deutlichen Vorschriften der Gesetze in seinem Sinne aufzufaffen: das G.B. lehrt und besinnt ausschließend; die Autorität löste die Zweifel und erleuchtete (belehrte, eröffnete) den Unterthanenverstand. Darum wollte keine neue Rechtswissenschaft entstehen, bis zu Ende des dritten Jahrzehnts der Glaube an die Autorität anfing zu wanken, und die literarische Thätigkeit sich regte. Vergl. Anm. 10 zu §. 6 der Einl. u. Anm. 58 zum Marginal bei §. 46 der Einl.

42) Gerade nach 48 Jahren, den 14. April 1851.

43) Hierdurch sollte kein neuer PublikationS-ModuS eingeführt, sondern nur angedeutet werden: welche Abdrücke als authentisch gelten sollten. O.Tr. n v. 21. Dezbr. 1854, Str. Arch. 16 S. 101. Man hat darüber gezweifelt. Mathis, Vorrede zu Bd. i S. vi Ziff. 2; Jurist. Zeit. 1833 Sp. 252 und 1835 Sp. 901. Ueber die heutzutage geltende PnblikationSart f. Zus. zu tz. 11 der Einl.

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Die späteren Publikations-Patente.

Archiv der Preußischen Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit zu ihrer Kenntniß ge­ bracht, und in die akademische Edikten-Sammlung hiernächst ausgenommen werden. Urkundlich unter Unserer höchst eigenhändigen Unterschrift und beiaedrucktem Kö­ niglichen Jnsiegel. Gegeben Berlin, den Ilten44) April 1803.

(L. 8.)

Friedrich Wilhelm.

Golddeck. Die späteren Einführungen in die neu- und wiedererworbenen Landestheile sind, da sie meistens nur ein provinzialrechtliches Interesse haben, hier weggelassen. Sie sind folgende: 1) Patent wegen Wiedereinführung des Allgemeinen Landrechts und der Allge­ meinen Gerichtsordnung in die von den Preußischen Staaten getrennt gewesenen, mit denselben wieder vereinigten Provinzen. Vom 9. September 1814 (G.S. S. 89). 2) Patent wegen Wiedereinführung des Allgemeinen Landrechts und der Allge­ meinen Gerichtsordnung in die mit der Provinz Westpreußen vereinigten Distrikte, den Kulm- und Michelauschen Kreis und die Stadt Thorn mit ihrem Gebiet. Vom 9. No­ vember 1816 (G.S. S. 217). Dazu : Deklaration des §. 12 des Patents vom 9. November 1816 wegen Wiedereinfüh­ rung des Allgemeinen Landrechts und der Allgemeinen Gerichtsordnung in die mit der Provinz Westpreußen vereinigten Distrikte, den Kulm- und Michelauschen Kreis und die Stadt Thorn mit ihrem Gebiete. Vom 28. März 1820 (G.S. S. 62). 3) Patent wegen Wiedereinführung der Preußischen Gesetze in das Großherzogthum Posen. Vom 9. November 1816 (G.G. S. 225). Dazu: Allerhöchste Kabinetsorder vom 20. Juni 1816, die Uebersetzung der Preußischem Gesetze in die polnisch« Sprach«, Behufs der Einfühmng derselben in das Großherzogthum Posen, betreffend (G.S. S. 204). 4) Patent wegen Einführung des Allgemeinen Landrecht? in die mit den Preu­ ßischen Staaten vereinigten ehemals Sächsischen Provinzen und Distrikte. Vom 15. No­ vember 1816 (G.S. S. 233). 5) Verordnung wegen Einführung des Allgemeinen Landrechts und der Allge­ meinen Gerichtsordnung in den mit den Preußischen Staaten vereinigten, zwischen den älteren Provinzen belegenen Distrikten und Ortschaften, und wegen Einrichtung des Hypothekenwesens. Vom 25. Mai 1818 (G.S. S. 45). 6) Verordnung wegen der Anwendung der Preußischen Gesetze in den ehemaligen Schwarzburg - Rudolstädtischen Aemtem Heringen und Kelbra. Vom 20. Oktober 1819 (G.S. S. 246). 7) Patent wegen Einführung des Allgemeinen Landrechts und der Allgemeinen Gerichtsordnung in das Herzogthum Westphalen, das Fürstenthum Siegen mit den Aemtern Bürbach und Neuen-Kirchen (Freie- und Hücken-Grund) und die Graf­ schaften Wittgenstein-Wittgenstein, und Wittgenstein-Berleburg. Vom 21. Juni 1825 (G.S. S. 153). 8) Verordnung, betreffend die Einfühmng der Preußischen Gesetze und die Ju­ stizverwaltung in der vormals Baierischen Enklave Kaulsdorf. Pom 22. Mai 1867 (G.S. S. 729). 9) Gesetz, betreffend die Ausdehnung mehrerer in den älteren Landesthetten gel­ tenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf die Bezirke der Provim Hannover, in denen das Allgemeine Landrecht gilt. Vom 1. März 1869 (G.S. S. 377). 44) Dieses Datum hat das Pat. in der AuSg. von isos. vom ersten April.

In späteren Ausgaben datirt es

® t n 1111 u n g*). ’ÄuenCl1 überhaupt.

§- 1. Das allgemeine Landrecht enthält die Vorschriften, nach welchen die Rechte und Verbindlichkeiten der Einwohner des Staats *), so weit dieselben2) nicht durch besondere3) Gesetze bestimmt worden, zu beurtheilen sind. §. 2. Besondere Provinzialverordnungen4) und Statuten5) einzelner Gemein­ heiten und Gesellschaften erhalten nur durch' die landesherrliche Bestätigung die Kraft

der Gesetze. *) Gans, über die Einleitung zum Preußischen Landrecht; in den Beiträgen zur Revision der Preußischen Gesetzgebung, S. 97 ff. Koch's Darstellung in den Ergänzungen und Erläuterungen der Preußischen Rechtsbücher z. A. L.R. Einleitung §§. 1—13. Koch, Abh. Von den Gesetzen und deren Abfassung, Jur. Zeit. 1833 Sp. 250. Förster, Theorie u. Pr. §§♦ 9—17. Dernburg, Preuß. Privatr. §§. 15 ff. 1) Der Wortlaut drückt nicht die Meinung aus: nicht lediglich die Einwohner des Staats, denn einerseits auch Fremde, welche hier oder in Beziehung auf hier befindliche Gegenstände kontrahiren oder Recht suchen , haben sich nach dem hiesigen Rechte zu achten, und andererseits Einwohner des Staates können sich nicht auf das allgemeine Landrecht da berufen, wo man dasselbe nicht anerkennt, da das System des persönlichen Rechts nirgend mehr gilt. Die Meinung ist, daß dasjenige Recht, welches innerhalb der Grenzen, in welchen der Gesetzgeber Gewalt hat, herrschen soll, durch dieses Gesetzbuch urkundlich gemacht sein solle.

2) Nämlich die Rechte und Verbindlichkeiten. Auch das ist ungenau, denn das Gesetzbuch ent­ hält nicht bloß Privatrecht, sondern auch Kirchenrecht, Staatsrecht, Gemeinderecht und Kriminalrecht, Rechtsgebiete, welche man unter den „Rechten und Verbindlichkeiten" der Einwohner nicht zu be­ greifen pflegt. 3) Wird durch §. I des Publ.-Pat. näher bestimmt.

4) Wer außer dem Landesherrn in einer Provinz allgemeine Verordnungen sollte erlassen kön­ nen, weiß man nicht. Das Erforderniß der landesherrlichen Bestätigung erscheint daher als eine müßige Bestimmung. Vielleicht hat man dabei an die damals üblichen Provinzialverwaltungen durch besondere Provinzialminister gedacht; doch auch diese konnten schon nach allgemeinen Grundsätzen keine das Recht ändernden Bestimmungen erlassen. 5) Durch diese Vorschrift ist den Statuten ihr wesentlicher Charakter der Autonomie genommen; die Statuten erhalten darnach nicht mehr vermöge der den Gemeinden und Gesellschaften zugestan­ denen Autonomie ihre Kraft, sondern nur durch den Willen des Landesherrn: sie treten damit in die Reihe der gewöhnlichen landesherrlichen Verordnungen, die nur von der Gesellschaft oder Ge­ meinheit entworfen und vollzogen zu werden pflegen, aber nur in soweit zur Geltung kommen, als sie unverändert bestätigt werden. Was daran gestrichen wird, fällt weg, und was zusätzlich oktroyirt wird, muß angenommen und angewendet werden. Das O.Tr. hat auch den landesherrlich bestätigten Vertrag (s. g. Statut) eines KnappschaftsVereins als ein Gesetz angesehen. Erk. in v. 14. Mai 1866, Str. Arch. 64 S. 123. Das ist jedoch ein durch die Namensgleichheit veranlaßter Irrthum. Die im §. 2 gemeinten Statuten sind schriftlich ausgezeichnete allgemeine Rechtsnormen, welche durch Hinzutritt der landesherrlichen Genehmigung nur den Charakter der öffentlichen Glaubwürdigkeit annehmen und damit in die Reihe der geschriebenen Gesetze treten; der also genehmigte Vertrag einer Gesellschaft aber bleibt nach wie vor ein privatrechtlicher Vertrag und die landesherrliche Prüfung und Genehmigung bezweckt nur die Wahrung des landespolizeilichen Interesses. — Dies ist von dem IV. Senat des O.Tr. später, bezüglich auf eine Aktiengesellschaft, ausdrücklich dahin anerkannt, daß die landesherrliche Be­ stätigung nur Bedingung für die Existenz und das Jnslebentreten der Gesellschaft sei, aber nicht den privatrechtlichen Charakter der Gesellschaft ändere und nicht den die Vertragsbestimmungen enthal--

Einleitung.

§§. 1—5.

i

Bon bett Gesetzen überhaupt.

21

§. 3. Gewohnheitsrechte und Observanzen«), welche in den Provinzen und einzelnen Gemeinheiten gesetzliche Kraft haben sollen, müssen den Provinzial-Landrech­ ten einverleibt sein?). §. 4. In sofern aber durch Observanzen etwas bestimmt wird, was die Ge­ setze unentschieden gelassen haben, hat es, bis zum Erfolge einer gesetzlichen Bestim­ mung, dabei sein Bewenden«). §. 5. Die von dem Landesherrn in einzelnen Fällen, oder in Ansehung einzel­ ner Gegenstände, getroffenen Verordnungen können in andern Fällen, oder bei andern Gegenständen, als Gesetze nicht angesehen werden«). tenden Statuten die Eigenschaft eines Gesetzes gebe. Erk. IV v. 31. März 1868, Str. Arch. 70 S. 277. In dem späteren Erk. IV v. 14. Mai 1868, Str. Arch. 71 S. 176, erklärt das O.Tr., eS lasse sich als allgemeine Regel nicht anerkennen, daß Statuten eines Vereins oder einer Gesell­ schaft durch die landesherrliche Bestätigung in allen Theilen gleiche Wirksamkeit mit Gesetzen er­ halten. Damit ist nichts anzufangen. In einem oder dem anderen Theile sollen sie also doch Ge­ setze sein. Welche Theile sind dies? (6. A.) Das Reichs-O.H.G. betont die Vertraysnatur eines solchen Statuts, „soweit es sich auf die Regelung der Beziehungen des Vereins zu feinen Mitglie­ dern beschränkt", Erk. I v. 21. Nov. 1871, Entsch. d. R.O.H.G. 4 S. 56. (7. A.) In dem Erk. des O.Tr. Hl v. 12. April 1875, Entsch. 75 S. 1, ist angenommen, daß landesherrlich bestätigte Deichstatute zu den Gesetzen gehören und die Nichtigkeitsbeschwerde auf Verletzung der Bestim­ mungen eines solchen Deichstatuts gegründet werden könne. In den Gründen ist ausgeführt: Aus §. 2 der Einl. sei freilich nicht herzuleiten, daß das Statut einer jeden Privatgesellschaft, in welchem nur die für die Theilnehmer verbindlichen Bestimmungen festgesetzt werden, durch die im landes­ polizeilichen Interesse hinzutretende landesherrliche Bestätigung die Kraft eines Gesetzes erlange. Als Gesetze seien vielmehr nur allgemein festgestellte Grundsätze anzusehen, deren Befolgung von Allen erzwungen werden könne, die dem Kreise angehören, für welchen jene Grundsätze Geltung haben sollen. Der Grund der Wirksamkeit der Gesetze sei nicht die dem Privatrecht angehörige Willens­ einigung der denselben unterworfenen Personen, sondern der nach den Vorschriften des öffentlichen Rechts alle Betheiligte verbindende Wille des Gesetzgebers. Ob der Kreis, für welchen die Vor­ schriften gegeben, weiter oder enger sei, ob sie für alle Einwohner des Landes oder nur für die eines^ örtlich begrenzten Theils desselben, oder nur für gewisse Klassen von Personen maßgebend sein sollen, mache dabei keinen Unterschied; gertibe für Gesetze von solcher enger begrenzten Wirksamkeit sei die Bezeichnung „Statute" gebräuchlich.

6) Ueber das Verhältniß beider Spezien des ungeschriebenen Rechts s. ob. Note 14 zum Publ.Patente; über den Beweis und die Erfordernisse s. Note 16 und 17 ebd.

7) Damit hören sie auf, Gewohnheitsrechte und Observanzen zu sein; sie sind dann geschrie­ benes Recht. Vergl. §. 60. In wiefern sich dergleichen ungeschriebene Rechtsnormen noch nach Einführung des A. L.R. bilden können, darüber s. m. oben Note 15 zum Publ.-Patente. Uebrigens ist von der Regel der §§♦ 3 und 4 eine Ausnahme für Kirchenbesserungen vorgeschrieben im §. 7io Th. II Tit. 11. Vergl. O.Tr. I v. 16. Juli 1860, Entsch. 43 S. 14. 8) S. Note 7. Nur Observanzen (Note 14 zum Publ.-Patent), keine anderen Spezien des ungeschriebenen Rechts, sollen in dem in §. 4 vorausgesetzten Falle berücksichtigt werden. Kann nach Beschaffenheit des Falles eine Observanz überhaupt nicht entscheiden, oder fehlt es für den an sich geeigneten Fall an einer Observanz, so kommt die Regel des §.49 Einl. zur Anwendung. Uebrigens kann zwischen zwei bestimmten Parteien ein Rechtsverhältniß durch Observanz zwar nie­ mals begründet, wohl aber ein gehörig begründetes erklärt, d. h. durch Usual-Jnterpretation oder ausführende Handlungen der Parteien ausgelegt werden. Hiernach ist das, was in den Gründen der Revisionsentscheidung, welche in Simones Rechtspr. Bd. I Nr. 94 mitgetheilt ist, unter Ziffer 4 S. 375 gesagt wird, aufzunehmen.

9) Welche bestimmte Beziehung diese Verordnung hat, ist unklar. (6. A. Das O.Tr. bezieht sie in dem Erk. I v. 13. Juni 1870, Str. Arch. 77 S. 356, auf Privilegien, woran die Verfasser des L.R. schwerlich gedacht haben.) Gemeinrechtlich unterschied man, nach dem ean. R., Gnadenund Iu stiz reskripte des Landesherrn, je nachdem dadurch Etwas in Hoheitssachen bewilligt, oder in einer streitigen Rechtssache bestimmt wurde. Justinian hat allen kais. Erlassen eine allgemeine Gesetzeskraft beigelegt, wenn sie auch in einer Spezialsache ergangen waren. L. 12 C. de leg. (I, 14.) Der Entwurf des G.B. deutete auf beide Arten hin; denn der §. 5 der Einleitung erwähnte, wie der jetzige §. 5, der Verordnungen in einzelnen Fällen, und der folgende §. 6 gedachte der Macht­ sprüche, die zu den Iustizreskripten zählen. Der §. 6 wurde bekanntlich bei der Schlußreviston des G.B. gestrichen. Der §. 5 wurde schon bei der Revision für überflüssig gehalten, weil man meinte, daß die darin erwähnten Verordnungen alle Mal zu den Machtsprüchen gehörten, welche der fol­ gende §. 6 nicht zulassen wolle. DaS erklärte Su arez für ein Mißverständniß, denn es lasse sich

Einleitung.

22

§. 6—11 (Zusätze).

§. 6. Auf Meinungen der Rechtslehrer, oder ältere AuSsprüche der Richter, soll, bei künftigen Entscheidungen, keine Rücksicht genommen werden"). 31 §§• 7 bis 9 fallen weg"). 1. Verfassung des deutschen Reichs. Art. 2. (Satz i.) Innerhalb dieses Bundesgebietes übt daS Reich das Recht der Gesetzgebung

nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus,

daß die Reichsgesetze den

Landesgesetzen vorgehen.

denken, daß der Landesherr in einzelnen Fällen etwas verordnen könne, ohne noch gleich einen Macht­ spruch zu thun, z. B. er erkläre in casu individuo, es solle erlaubt sein, daß Jemand seine Stief­ tochter heirathe rc.; es solle von einem gewissen Mineral, so unstreitig ad regalia gehört, kein Zehent gegeben werden. Die Meinung des §. sei also eigentlich die: wenngleich der Landesherr bei Ent­ scheidung eines einzelnen Falles einen allgemeinen Grund gebraucht habe, so solle dennoch die Ent­ scheidung auf andere Fälle nicht amplifizirt werden, wenngleich dabei derselbe Grund auch Anwen­ dung finde. (Mat. Bd. 30 Abschr. Bd. I Fol. 9, nach den Mot. der Ges.-Revis. zu §. 3 des Entw. S. 97.) Die Beispiele find Fälle der Gnade und Verwaltung. Darnach wäre der §♦ 5 nicht auf Iustizreskripte zu beziehen. Um so mehr scheint er überflüssig zu sein. Auf ers chlichene R. be­ zieht sich die V. gar nicht; dergleichen auf einseitige Vorstellung ergangene Erlasse gelten auch in der speziellen Sache nicht. P. O. Tit. 24 §§. 43, 44. Vergl. Cod. Fr. March. Th. Hl Tit. 1 §. 15 und die alte V. v. 16. Januar 1706 (C. C. M. II, 4 S. 115). 10) Der Ausspruch von Gans (Beiträge S. 15), daß Haß gegen die Wissenschaft die Quelle dieser Vorschrift sei, ist nicht zutreffend, wenngleich es an sich nicht bestreitbar ist, daß das Landrecht alle Wissenschaftlichkeit verachtet, was zuletzt noch in dem Epilog des Publikations-Patents Ausdruck erhalten hat, wo bei höchster Ungnade und schwerer Ahndung verboten ist, das neue Landrecht nach den früheren Rechten zu erklären oder auszudeuten, oder gar auf den Grund eines vermeintlichen philosophischen Raisonnements oder unter dem Vorwande einer aus dem Zwecke und der Absicht des Gesetzes abzuleitenden Auslegung von den Vorschriften der Gesetze abzuweichen, indem vielmehr die richtige Auslegung zweifelhafter Stellen der höchsten Autorität Vorbehalten wird. Mit größerer Nichtachtung läßt sich die Bestrebung der Wissenschaft doch wohl schwerlich zurückweisen. Allein die Vorschrift dieses §. 6 fließt nicht daher, sondern hat ihre bestimmte Beziehung. Unter den „Mei­ nungen der Rechtslehrer" wird auf die s. g. communis doctorum opinio und die Responsa der Rechts­ gelehrten gezielt, welche man dem geschriebenen Rechte an die Seite stellte. Gail, Pract. obs. L. I obs. 153 Nr. 5; Men och, de praesumt. L. II c. 71 Nr. 2. Das wollte man in Pr. nicht zu­ lassen. Schon die Verordnung vom 21. Juni 1713 c. 50 verbot die Einholung und Berücksichti­ gung von Responsen, und der §. 6 wiederholt das Verbot in allgemeineren Ausdrücken: man soll sich auf Meinungen der Rechtslehrer nicht wie auf Gesetze berufen. Damit ist nicht der Einfluß der Wissenschaft auf die Ueberzeugung des Richters untersagt und kann auch nicht gehindert wer­ den. — Mit den „älteren Aussprüchen der Richter" werden nicht Judikate, sondern Präjudize ge­ meint. In dem gedr. Entw. §. 4 heißt es: „Entscheidungen der Richter vertreten nur unter den Parteien, zwischen welchen sie ergangen sind, die Stelle eines Gesetzes." Infolge der gegen die Fassung eingegangenen Erinnerungen faßte man in dem umgearbeiteten Entw. die Stelle so: „Ent­ scheidungen der Richter und Meinungen der Rechtslehrer sollen niemals als Gesetz gelten." Woher dann die Bestimmung in ihrer jetzigen Fassung des §♦ 6 gekommen, ist aus den Mat. nicht zu er­ sehen. (Gesetzrev. Motive zu §. 4 S. 99.) Darnach ist verboten, daß man die in älteren Entschei­ dungen ausgesprochenen Rechtssätze als bindende Rechtsnormen ansehe. Dadurch ist die Meinung beseitigt, daß die Richter an ältere Aussprüche, weil dadurch eine Art Gewohnheitsrecht (der Ge­ richtsgebrauch) entstehe, gebunden seien (Thibaut, Pand. §. 16). Die L. 13 C. de sent. et interloc. (VII, 45) enthält schon ein ähnliches Verbot. In neuerer Zeit ist eine Modifikation des Verbots eingetreten, durch die auf die Präjudize des O.Tr. sich beziehenden Gesetze, welche in Note 58 zum Marginal bei §.46 zusammengestellt sind. — Auf die Fälle, wo es sich um den Beweis eines Gewohnheitsrechts handelt und dem Zeugnisse älterer Richtersprüche Gewicht beigelegt wird, bezieht sich der §. 6 gar nicht. Vergl. Pr. des O.Tr. v. 18. Febr. 1837, Simon's Entsch. 2 S. 240; v. 16. März 1838 und 4. Dezbr. 1840, Schles. Arch. 2 S. 480, 485; Bd. 4 S. 295. — Der §. 6 bezieht sich auch nicht auf ausländische Rechte und Gesetze. O.Tr. Straff. I v. 25. Juni 1858, Str. Arch. 30 S. 140.

11) Sie schreiben vor, daß jeder Entwurf einer neuen Verordnung, vor der Vollziehung, der Gesetzkommission, welche schon lange aufgehoben ist, zur Prüfung vorgeügt, und daß die Gesetzkom­ mission eine deutliche bestimmte Fassung des zu gebenden Gesetzes m Vorschlag bringen solle. — Ueber die äußere Form der älteren Verordnungen s. K o ch, Privatrecht §. 21 u. O.Tr. n ö. 21. Dez. 1854, Str. Arch. 16 S. 101.

i. Von den Gesetzen überhaupt. Art. 5.

23

Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den BundeSrath und den Reichstag.

Die

Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend. Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegsmarine und die im Art. 35 bezeich­

neten Abgaben12) giebt, wenn im Bundesrathe eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechthaltung der bestehenden Einrichtungen

auSspricht. Art. 17.

Dem Kaiser steht die Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze und die

Ueberwachung der Ausführung derselben zu.

Die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers werden

im Namen des Reichs erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanz­

lers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. 2.

Verf.-Urkunde vom 31. Januar 1850.

Art. 62.

Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kam­

mern ausgeübt. Die Uebereinstimmung deS Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich. Finanzgesetz - Entwürfe und Staatshaushalts-Etats werden zuerst der zweiten Kammer vorgelegt; letztere werden von der ersten Kammer im Ganzen angenommen oder abgelehnt.

Art. 63.

Nur in dem Falle, wenn die Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit, oder die Be­

seitigung eines ungewöhnlichen Nothstandes es dringend erfordert, können, insofern die Kammern nicht

versammelt sind, unter Verantwortlichkeit des gesammten Staatsministeriums, Verordnungen, die der Verfassung nicht zuwiderlaufen, mit Gesetzeskraft erlassen werden.

Dieselben sind aber den Kammern

bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen.

Art. 64.

Dem Könige, so wie jeder Kammer steht das Recht zu, Gesetze vorzuschlagen.

Gesetzesvorschläge, welche durch eine der Kammern oder den König verworfen worden sind, kön­ nen in derselben Sitzungsperiode nicht wieder vorgebracht werden.

§. 10. Das Gesetz erhält seine rechtliche Verbindlichkeit erst von der Zeit an, da es gehörig bekannt gemacht worden. §.11. Fällt Weg13).14 Publikation. 3.

Verfassung des deutschen Reichs.

Art. 2.

(Satz 2 u. 3.)

Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündi­

gung von Reichswegen, welche vermittelst eines Reichsgesetzblattes geschieht.

Sofern nicht in dem

publizirten Gesetze ein anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist,

letztere mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages,

beginnt die

an welchem das betreffende

Stück des Reichsgesetzblattes in Berlin auSgegeben worden ist.

4.

Verordnung,

betreffend die Einführung des Bundesgesetzblattes für

den Norddeutschen Bund.

Vom 26. Juli 1867.

(B.G.Bl. S. 24.)

Wir re. verordnen zur Ausführung der Artikel 2 u. 17 der Berfassungsurkunde des Norddeutschen Bundes, waS folgt: §. 1. Für daS ganze Gebiet des Norddeutschen Bundes wird in.Berlin ein „Bundesgesetzblatt

deS Norddeutschen Bundes"") erscheinen, durch welches sämmtliche Bundesgesetze (Artikel 2 der Ver12) (6. A.) Art. 35 betrifft die Gesetzgebung über daS Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups, über den gegenseitigen Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Verbrauchsabgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die Strafregeln, welche in den Zollausschlüssen zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforderlich sind. (6. A. Vergl. hierzu wegen Würtembergs und Badens das Prot. vom 15. Nov. 1870, B.G.B. S. 650 unter 2 zu Art. 35 und wegen BaiernS das Schlußprot. zu dem Vertrage vom 23. Novbr. 1870, B.G.Bl. 1871 S. 23, unter x.) 13) Schreibt den alten modus pubiicationis vor, nämlich: Anschlag der Gesetze an den ge­ wöhnlichen öffentlichen Orten und Einrücken eines Auszuges in die Jntelligenzblätter der betreffenden Provinz. 14) (6. A.) DaS Blatt nahm mit der Nummer 4 des Jahrgangs 1871 den Namen „Bundes-

Einleitung.

24

§. 11 (Zusätze).

fassungsurkunde deS Norddeutschen Bundes) und Anordnungen und Verfügungen des BundeSpräsi-

diumS (Artikel 17) verkündet werden sollen. §. 2.

Der Tag der Ausgabe des Bundesgesetzblattes in Berlin (Artikel 2 der VerfafsungS-

urkunde des Norddeutschen Bundes) ist auf dem Blatte anzugeben. §. 3.

5.

Die Herausgabe des Bundesgesetzblattes erfolgt im Büreau des Bundeskanzlers.

Gesetz, betreffend die Organisation der Bundeskonsulaterc. vom 8. Novbr.

186 7. (B.G.Bl. S. 137.) §. 24. (Alin. 2.) Neue Bundesgesetze erlangen in den Konsular-Jurisdiktionsbezirken nach

Ablauf von 6 Monaten von dem Tage gerechnet, an welchem dieselben durch das Bundesgesetzblatt verkündet worden stnd, verbindliche Kraft.

6. Verf.-Urkunde vom 31. Januar 1850. Art. 45. Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu. — Er befiehlt die Verkündigung

der Gesetze und erläßt die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen. Art. 86.

Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch unabhängige, keiner andern

Autorität als der des Gesetzes unterworfene Gerichte ausgeübt.

Art. 106.

Gesetze und Verordnungen stnd verbindlich,

wenn sie in der vom Gesetze vorge­

schriebenen Form bekannt gemacht worden sind. Die Prüfung der Rechtsgültigkeit gehörig verkündeter königlicher Verordnungen steht nicht den Behörden, sondern nur den Kammern zu.

7.

Gesetz über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850.

§. 5.

(G.S. S. 265.)

Die mit der örtlichen Polizei-Verwaltung beauftragten Behörden sind befugt, nach Be­

rathung 1B) mit dem Gemeindevorstande,

ortspolizeiliche,

für den Umfang der Gemeinde gültige

Vorschriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Geldstrafen bis zum Betrage von 3 Thlrn. anzudrohen. Die Strafandrohung kann bis zum Betrage von 10 Thlrn. gehen, wenn die Bezirksregierung

ihre Genehmigung dazu ertheilt hat. Die Bezirksregierungen haben über die Art der Verkündigung der ortspolizeilichen Vorschriften,

so wie über die Formen, von deren Beobachtung die Gültigkeit derselben abhängt, die erforderlichen Bestimmungen zu erlassen").

§. 6.

Zu den Gegenständen der ortspolizeilichen Vorschriften gehören:

a) der Schutz der Personen und des Eigenthums; b) Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen,

Brücken, Ufern und ©etoäffeni1 *7 * )* ;15 16

gesetzblatt des Deutschen Bundes" und mit der Nummer 19 dess. Jahrg. den Namen „Reichsgesetz­ blatt" an. — Dasselbe wird allen Empfängern der Gesetz-Samml. unentgeltlich geliefert. Vgl. J.M.Bl. 1866 S. 382.

15) Die Berathung, d. i. die Einholung der Meinung, genügt. „Die Rechtsgültigkeit der von den Polizeibehörden erlassenen ortspolizeilichen Vorschriften ist von der Zustimmung des Ge­ meindevorstandes nicht abhängig." O.Tr. Straff, v. 3. Mai 1854, J.M.Bl. S. 268. Dem Er­ fordernisse der Berathung ist genügt, wenn die projektirte Verordnung dem Gemeindevorstande zu seiner Erklärung vorgelegt worden ist, dieser aber ein Bedenken dagegen nicht geäußert hat. Erk. dess. vom 7. Okt. 1858 Nr. 2, J.M.Bl. S. 366. Zu vergl. unten die Anm. zu §. 17. 16) Hierdurch und durch den folgenden §. 11 Abs. 2 ist die K.O. v. 8. Febr. 1840 über die Art der Publikation kreis- und lokalpolizeilicher Verordnungen (G.S. S. 32) aufgehoben. Auch ist durch dieses Gesetz die Befugniß der Oberpräsidenten, im Auftrage oder mit Genehmigung des be­ treffenden Ministeriums für den ganzen Umfang der Provinz solche allgemeine Verbote und Straf­ bestimmungen zu erlassen, wie es sonst nach §. 11 der Regierungsinstruktion vom 23. Okt. 1817 den Regierungen zustand (Jnstr. für die Oberpräsidenten vom 31. Dez. 1825 §. 1 Nr. HI; §§. 11. 12, G.S. v. 1826 S. 1), aufgehoben. Vgl. O.Tr. Straff. H v. 16. Juli 18 7, J.M.Bl. S. 378.

17) Die Verwaltungsbehörden haben vermöge des ihnen zustehenden Rechts der Oberaufsicht über die Benutzung der öffentlichen Ströme und Flüsse, insbesondere über die Schifffahrt und Flöße­ rei auf denselben, die Befugniß, zu bestimmen: ob, wo und wie lange Flößholz in einem öffent-

i- Bon den Gesetzen überhaupt.

25

c) der Marktverkehr und daS öffentliche Feilhalten von Nahrungsmitteln; d) Ordnung und Gesetzlichkeit bei dem öffentlichen Zusammensein einer größeren Anzahl von Per­ sonen ; e) das öffentliche Interesse in Bezug auf die Aufnahme und Beherbergung von Fremden; die Wein-, Bier- und Kaffee-Wirthschaften und sonstige Einrichtungen zur Verabreichung von Speisen und Getränken; 0 Sorge für Leben und Gesundheit; g) Fürsorge gegen Feuergefahr bei Bau-AuSführungen, sowie gegen gemeinschädliche und gemein­ gefährliche Handlungen, Unternehmungen und Ereignisse überhaupt; h) Schutz der Felder, Wiesen, Weiden, Wälder, Baumpflanzungen, Weinberge u. s. w.; i) alles andere, was in besonderem Interesse der Gemeinden und ihrer Angehörigen polizeilich an­ geordnet werden muß. §. 7. Zu Verordnungen über Gegenstände der landwirthschaftlichen Polizei ist die Zustimmung der Gemeindevertretung erforderlich. Die Berathung erfolgt unter dem Vorsitze des mit der örtlichen

Polizei-Verwaltung beauftragten Beamten. §. 8. Von jeder ortspolizeilichen Verordnung ist sofort eine Abschrift an die zunächst vorgesetzte Staatsbehörde einzureichen1 * 8* ).* §. 9. Der Regierungspräsident ist befugt, jede ortspolizeiliche Vorschrift durch einen förmlichen Beschluß unter Angabe der Gründe außer Kraft zu setzen. Dem Beschlusse muß, mit Ausnahme dringender Fälle, eine Berathung mit dem Bezirksrathe vorangehen. Die Erklärung des Letzteren ist entscheidend: 1) wenn eine ortspolizeiliche Vorschrift außer Kraft gesetzt werden soll, weil sie das Gemeindewohl

verletzt; 2) wenn es sich darum handelt, eine Verordnung über Gegenstände der landwirthschaftlichen Polizei wegen chrer Unzweckmäßigkeit aufzuheben. §. io. Die Bestimmungen der §§. 8 u. 9 finden auch auf die Abänderung oder Aufhebnng

ortspolizeilicher Vorschriften Anwendung. Zus. zu §§. 5 — 10: KreiSordnung vom 13. Dezember 1872.

(G.S.

S. 661.) §♦ 62. DaS durch die §§. 5 ff. des Gesetzes vom 11. März 1850 der Ortspolizeibe­ hörde für den Umfang einer Gemeinde ertheilte Recht zum Erlaß von Polizei-Strafver­ ordnungen wird auf den Amtsvorsteher mit der Maßgabe übertragen, daß er nicht nur für den Umfang einer einzelnen Gemeinde oder eines einzelnen Gutsbezirks, sondern auch für den Umfang mehrerer Gemeinden oder Gutsbezirke und für den Umfang des ganzen Amtsbezirkes unter Zustimmung des Amtsausschusses, auch im Falle des §. 7 des Ge­ setzes, derartige Verordnungen zu erlassen berechtigt ist. Versagt der Amtsausschuß die Zustimmung, so kann dieselbe auf Antrag des Amts­ vorstehers durch den Kreisausschuß ergänzt werden. §. 78. Der Landrath ist befugt, unter Zustimmung des Kreisausschusses nach Maß­ gabe der Vorschriften des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 für mehrere Amtsbezirke oder für den ganzen Umfang des Kreises gültige Polizeivorschriften

lichen Gewässer lagern darf. Dergleichen Anordnungen find als polizeiliche zu betrachten, es ist daher der Rechtsweg gegen dieselben unzulässig. Erk. des Komp.-Gerichtsh. vom 9. Juni 1866, I.M.Bl. S. 220. Vergl. unten Th. n Tit. 15 §§. 38, 47. 18) Der Vorschrift des §. 8 ist genügt, wenn eine ortspolizeiliche Verordnung der zunächst vor­ gesetzten Behörde eingereicht ist; dann ist es gleichgültig, zu welchem Zwecke diese Einreichung er­ folgte. Die Gerichte haben nicht zu prüfen, ob die Einreichung einer ortspolizeilichen Verordnung an die zunächst vorgesetzte Behörde erfolgt ist, nach §. 17. Erk. des O.Tr. vom 19. Sevtbr. 1866, I.M.Bl. S. 303. Dagegen läßt sich die Befugniß der Gerichte, die Gültigkeit einer Verordnung der örtlichen Polizeiverwaltung oder der Bezirksregierung auch nach der Richtung hin zu prüfen: ob der Gegenstand derselben den §§. 6 u. 12 entsprechend sei, mit Grund nicht bezweifeln. S. die Motive des Erk. Pl. d. Straff, v. 8. Mai 1865, Entsch. 55 S. 5*.

Einleitung.

26

§. 11 (Zusätze).

zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Geldstrafen biS zum Betrage von

10 Thalern anzudrohen19).20 21 Das durch die §§. 5 beziehungsweise 9 deS Gesetzes vom ii. März 1850 der Bezirksregierung beziehungsweise dem Regierungspräsidenten beige­

legte Recht: über die Art der Verkündigung der ortspolizeilichen Vorschriften, sowie über die For­

men, von deren Beobachtung die Gültigkeit abhängt, die erforderlichen Bestimmungen zu erlassen, sowie ortspolizeiliche Vorschriften außer Kraft zu setzen, steht denselben in gleichem Umfange auch fortan bezüglich der kreispolizeilichen9 °) Vor­

schriften zu. §• ii»

Die Bezirksregierungen sind befugt, für mehrere9*) Gemeinden ihres Verwaltungsbe­

zirks oder für den ganzen Umfang desselben gültige Polizei-Vorschriften zu erlassen und gegen die

Nichtbefolgung derselben Geldstrafen bis zum Betrage von 10 Thlrn. anzudrohen. Der Minister des Innern hat über die Art der Verkündigung solcher Vorschriften, sowie über die Formen, von deren Beobachtung die Gültigkeit derselben abhängt, die erforderlichen Bestim­ mungen zu erlassen *). §. 12. Die Vorschriften der Bezirksregierungen (§. n) können sich auf die im §. 6 dieses Ge­

setzes angeführten und alle anderen Gegenstände beziehen, deren polizeiliche Regelung durch die Ver­

hältnisse der Gemeinden oder des Bezirks erfordert wird9). §♦ 13.

Zum Erlasse solcher Vorschriften der Bezirksregierungen, welche die landwirthschaftliche

Polizei betreffen, ist die Zustimmung deS Bezirksrathes erforderlich.

§. 14.

Die Befugniß der Bezirksregierungen, sonstige allgemeine Verbote und Strafbestim­

mungen in Ermangelung eines bereits bestehenden gesetzlichen Verbotes mit höherer Genehmigung zu

erlassen, ist aufgehoben9). 19) (6. A.) Den Landräthen stand die Befugniß, Polizei-Strafverordnungen zu erlassen, bisher nicht zu; ebensowenig war die Regierung ermächtigt, die ihr in dieser Beziehung zustehende Befug­ niß (§. ii des Ges. v. ii. März 1850) auf den Landrath zu übertragen. O.Tr. Straff. I vom 7. Oktober 1858 Nr. 4, I.M.Bl. S. 366.

20) (6. A.) Auch der Verordnungen des Amtsvorstehers? Es fehlt an einer ausdrück­ lichen Bestimmung des Gesetzes. Andrerseits ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Verordnungen des Amtsvorstehers geschützter sein sollen als die des Landraths. Daß im §.62 der Kreisordnung die §§. 5 und folgende des Ges. v. n. März 1850 in Bezug genommen sind, berechtigt zur Be­ jahung der Frage.

21) Diese Vorschrift ist so zu deuten, daß die Regierungen überall da einzutreten haben, wo die den Orts-Polizeibehörden eingeräumte Befugniß nicht ausreicht, und daß es bezüglich der Re­ gierungsverordnungen nur darauf ankommt, die geographische Begrenzung ihrer Gültigkeit zu fixiren, so daß z. B. eine Verordnung der Regierung, die Ausübung der Fischerei in den Gewässern gewisser bestimmter Kreise betr., völlig in den Grenzen der Kompetenz der Regierung liegt. O.Tr. Straff, i v. 26. Sept. 1860, I.M.Bl. S. 410. 1) (6. A.) Dies ist geschehen durch das Reskr. v. 6. Juni 1850, M.Bl. d. i. B. S. 176. — Nach Nr. 1 dieses Reskr. muß der Erlaß der Regierung auf den obenstehenden tz.li Bezug neh­ men und ausdrücklich als polizeiliche Vorschrift, Polizei-Verordnung oder Polizei-Reglement bezeich­ net sein; mangelt es hieran, so ist der Erlaß ungültig. O.Tr. Straff. H v. 16. Mai u. 14. Nov. 1872, Entsch. 67 S. 202* u. 68 S. 52*. 2) Zu Ende des Jahres 1862 hielten sich Bezirksregierungen für ermächtigt, allgemeine Ver­ ordnungen zu erlassen, wodurch sie unter Androhung einer Strafe bis zu 10 Thlrn. verboten, öf­ fentlich bekannt zu machen, daß Jemand Beiträge zum „Nationalfonds" annehmen werde, oder daß Jemand einen Beitrag dazu gegeben habe. Die Gültigkeit einer solchen Verordnung ist nach tztz. 14 u. 15 dieses Gesetzes bezweifelt worden, weil sie mit der Verf.-Urkunde Art. 27 in Widerspruch steht. In diesem Sinne haben auch mehrere Polizeigerichte und Appellationsgerichte erkannt. Das O.Tr. Pl. Straff, hat jedoch im Erk. v. 8. Mai 1865, Entsch. 54 S. 459 u. 55 S. 1*, ange­ nommen, daß die von einer Regierung für ihren Bezirk erlassene Verordnung, durch welche (außer der öffentlichen Aufforderung zu Kollekten) alle öffentlichen Aufforderungen zu Sammlungen über­ haupt bei einer Polizeistrafe verboten worden, als eine gültige Polizei-Strafverordnung nicht an­ zusehen ist. Der auf Grund einer Polizei-Verordnung mit der Sache befaßte Strafrichter ist zur Prüfung berufen: ob diese Verordnung dem Gegenstände nach gültig sei. (S. 5* a. a. O.) 3) Ueber die hier aufgehobene Befugniß verhielten sich die V. v. 26. Dezbr. 1808 tz. 45 a. E.

27

i- Von den Gesetzen überhaupt. §• 15.

ES dürfen in die polizeilichen Vorschriften (§§. 5 u. H) keine Bestimmungen ausge­

nommen werden, welche mit den Gesetzen oder den Verordnungen einer höheren Instanz im Wider­ sprüche stehen 4 * ). *5

§. 16.

Der Minister deS Innern ist befugt, soweit Gesetze nicht entgegenstehen, jede polizeiliche

Vorschrift durch einen förmlichen Beschluß außer Kraft zu setzen.

Die Genehmigung deS Königs ist hierzu erforderlich, wenn die polizeiliche Vorschrift von dem Könige oder mit dessen Genehmigung erlassen todt6).

§♦ 17.

Die Polizeirichter haben über alle Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften

(§§. 5 u. 11) zu erkennen, und dabei nicht die Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit,

sondern nur

die gesetzliche Gültigkeit jener Vorschriften nach den Bestimmungen der §§. 5, ii u. 15 dieses Ge­ setzes in Erwägung zu ziehen«).

§. 18.

Für den Fall des Unvermögend des Angeschuldigten ist auf verhältnißmäßige Gefäng­

nißstrafe zu erkennen.

Das höchste Maß derselben ist 4 Tage

statt 3 Thlr. und 14 Tage statt

10 Thlr.

§. 19.

Die bisher erlassenen polizeilichen Vorschriften bleiben so lange in Kraft, bis sie in Ge­

mäßheit dieses Gesetzes aufgehoben werden. §. 20.

Die den Polizeibehörden nach den bisherigen Gesetzen zustehende Exekutionsgewalt wird

durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt.

Jede Polizeibehörde ist berechtigt, ihre polizeilichen Verfügungen durch Anwendung der gesetz­ lichen Zwangsmittel durchzusetzen 7).

Wer es unterläßt, dasjenige zu thun, waS ihm von der Polizeibehörde in Ausübung dieser Befugniß geboten worden ist, hat zu gewärtigen, daß es auf seine Kosten zur Ausführung gebracht

werde, — vorbehaltlich der etwa verwirkten Strafe und der Verpflichtung zum Schadensersätze. (Rabe 9 S. 486); die Instruktion zur Geschäftsführung der Regierungen v. 23. Oktbr. 1817 §. 11, G.S. S. 154.

4) Wie z. B. das Verbot, mit Bracken zu jagen. O.Tr. Straff, ll v. 6. Sept. 1855, Entsch. 31 S. 314. (6. A.) Dagegen ist angenommen, es stehe mit der Reichs-Gewerbeordnung nicht im Widerspruch, wenn durch Polizeiverordn. Gastwirthen geboten wird, der Polizei Fremdenzettel einzureichen (O.Tr. Straff, n v. 24. Nov. 1870, I.M.Bl. für 1871 S. 30), oder ihnen verboteu wird, ohne besondere poliz. Erlaubniß Tanzmustk zu halten (O.Tr. Straff. I v. 18. Ian. 1871, I.M.Bl. S. 114, Entsch. 64 S. 50*), oder Schülern den Aufenthalt zu gestatten und Speisen oder Getränke zu verabreichen (O.Tr. Straff. 1 v. 4. Nov. 1870, I.M.Bl. S. 350). — Einer Polizeiverordnung darf die Gültigkeit nicht deshalb abgesprochen werden, weil sie einen Eingriff in Privatrechte enthalte; für diesen Fall kann nur auf Grund des §. 4 des Gesetzes vom n. Mai 1842 Hülfe gesucht werden. Den von der Verwaltungsbehörde erlassenen polizeilichen Vorschriften kann nur insofern rechtliche Wirksamkeit versagt werden, als sie mit den Gesetzen oder den Ver­ ordnungen einer höheren Instanz in Widerspruch stehen. O.Tr. Strass, ii vom 5. Februar 1863, I.M.Bl. S. 102. 5) Hierdurch ist die K.O. v. 4. Juli 1832, G.S. S. 181, wodurch die Ministerien zum Er­ lasse solcher Verfügungen, welche das Gesetz nicht ändern, oder nicht eine gesetzliche Deklaration enthalten, ohne besondere Autorisation befugt erklärt werden, modifizirt. 6) Dieser deutlichen Bestimmung ungeachtet ist doch, unter Berufung auf Art. 106 der Verf.Urk., behauptet worden, daß die Frage über die Rechtsverbindlichkeit der hier in Rede stehenden Polizeiverordnungen, nachdem dieselben in vorschriftsmäßiger Form bekannt gemacht worden, einer weiteren Prüfung von Seiten der Gerichte nicht unterliegen könne. Das O.Tr. hat diese Behaup­ tung, auf Grund des §. 17 und weil der Art. 106 der Verf.-Urk. sich nur auf königliche Ver­ ordnungen beziehe und daher die Prüfung der Gültigkeit einer, in Gefolge des G. vom n. März 1850 erlassenen ortspolizeilichen Vorschrift nicht hindere, abgewiesen. Erk. v. 3. Mai 1854, I.M.Bl. S. 268. Vergl. vorstehend Anm. 18 u. 4 zu §§. 8 u. 15 dieses Ges.

7) Zu den gesetzlichen Zwangsmitteln gehört auch die Androhung und Festsetzung von Geld­ strafen. Gegen dergleichen Straffestsetzungen findet keine Berufung auf rechtliches Gehör statt, da es stch hier nicht um Bestrafung wegen Uebertretungen auf Grund einer erhobenen Anklage, oder um ein administratives Strafverfahren, sondern lediglich um die Vollziehung eines von der Polizei­ behörde innerhalb ihres Berufs und ihrer Kompetenz erlassenen Gebots handelt. Der Rechtsweg ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Anordnung nicht durch eine schriftliche Verfügung der Be­ hörde, sondern nur mündlich durch den dazu befugten Beamten getroffen worden ist. Vergl. die im I.M.Bl. abgedruckten Erk. des Gerichtshofes zur Entsch. der Komp.-Konfl. v. 14. Januar 1854

Einleitung.

28 8.

§.11 (Zusätze).

Königliche Verordnung über die Erscheinung und den Verkauf der neuen

Gesetzsammlung.

§. 1.

Vom 27. Oktober 1810.

(G.S. S. 1.)

Es soll für die gesammte Monarchie eine Gesetzsammlung erscheinen, und eS werden in

dieselbe alle die vom heutigen Tage an erlassenen Gesetze und Verordnungen ausgenommen, welche

mehr als ein einzelnes Regierungsdepartement betreffen.

§. 2.

Es soll für jedes Regierungsdepartement ein Departementsblatt erscheinen, in welche-

alle Vorschriften und Publikationen aufzunehmen sind, welche das Departement allein betreffen.

§. 3.

Die allgemeine Gesetzsammlung erscheint in Quarto: die Redaktion erfolgt im Büreau

Unsers Staatskanzlers, der gesammte Debit aber durch das General-Postamt9 * ). *10 *****8 9.

Verordnung über die Einrichtung der Amtsblätter in den Regierungs­

departements und über die Publikation der Gesetze und Verfügungen durch

dieselben und durch die allgemeine Gesetzsammlung.

Vom 28. März 1811.

(G.S. S. 165.) §.i.

Es soll in jedem Regierungsdepartement sogleich ein öffentliches Blatt unter dem Titel:

„Amtsblatt der (Churmärkschen) Regierung", nach jährlich fortlaufenden Nummern in

dem Format der Gesetzsammlung, jedoch mit weniger kostspieligem Druck und Papier erscheinen und

der Inhalt nach den Hauptzweigen der innern Verwaltung geordnet sein.

§. 2.

Das Amtsblatt erscheint an bestimmten Tagen und enthält:

a) Titel, Datum und Nummer der in der allgemeinen Gesetzsammlung enthaltenen Gesetze.

b) Alle zur allgemeinen Bekanntmachung geeigneten Verfügungen der verschiedenen Landesbehörden, also sowohl der Regierungen und der Ober-Landgerichte, als sonstigen öffentlichen Provinzial­

behörden, welche ein gemeinsames Interesse für das ganze Departement, einzelne Kreise und Oerter derselben, oder auch nur für einzelne Klassen der Einwohner des Departements haben.

Es fallen mithin alle schriftlichen Cirkularien an die Unterbehörden, und soweit es irgend möglich ist, auch die Cirkularien der Letztern an einzelne Gemeinden hinweg.

c) Belehrungen über öffentliche Angelegenheiten.

§. 3.

Auch öffentliche Verfügungen in speziellen Fällen, die eine allgemeine Bekanntmachung

erfordern, z. B. Vorladungen, können in eine, unter besondern Nummern, unter dem Namen des

öffentlichen Anzeigers fortlaufende Beilage des Amtsblatts, gegen Entrichtung der Einrückungsgebühren, ausgenommen werden; doch bleibt die rechtliche Wirkung an die Insertion in die Intelligenzblätter

der Provinz gebunden, und werden in dieser Hinsicht hierdurch die früheren Gesetze nicht abgeändert9).

§. 4.

Mit dem Anfänge des 8. Tages,

nachdem die Verordnungen und Verfügungen zum

erstenmale im Amtsblatte abgedruckt worden, sind sie für gehörig bekannt gemacht anzunehmen.

Die

Tage werden hierbei vom Datum der Nummer des Amtsblatts an, und dieses Datum mit ein­

gezählt 1 °). §. 5.

Ist der Inhalt einer Verfügung von der Art, daß sogleich etwas zur Ausführung ge­

bracht werden soll, so versteht sich von selbst, daß jede Behörde und jeder Einzelne sogleich nach dem

Empfange der Amtsblätter das Nöthige einleiten muß, ohne den Ablauf jener Frist abzuwarten, die nur in Beziehung auf rechtskräftige Wirkungen festgestellt ist.

(S. 283), v. 16. Dezbr. 1854 (für 1855 S. 74), v. io. März 1855 (S. 162), v. 3. Mai 1856 (S. 206), v. 7. Nov. 1857 (für 1858 S. 30), v. 12. März 1859 (S. 113), v. 9. Nov. 1861 (für 1862 S. 192), v. 14. Okt. 1865 (für 1866 S. 29), v. 13. März 1869 (S. 104), v. 13. Januar u. 9. März 1872 (S. 99 u. 127). — Die Polizeibehörden sind berechtigt, für die Befolgung der von ihnen erlassenen Anordnungen zu sorgen und die Ausführung derselben nötigenfalls auf Ko­ sten des Säumigen durch einen Dritten bewirken zu lassen. Die dafür bezahlten Geldbeträge kön­ nen demnächst im Wege der Exekution eingezogen werden, ohne daß der Rechtsweg dagegen zulässig ist. Bergl. die im I.M.Bl. abgedruckten Erk. des Komp.-Gerichtsh. v. 13. Febr. 1864 (S. 129), v. 11. April 1868 (S. 255), v. 12. Juni 1869 (S. 178), v. 11. Sept. 1869 (S. 213) und v. 9. Okt. 1869 (für 1870 S. 17). 8) (6. A.) Der weitere Inhalt der V. ist antiquirt.

9) Abgeändert durch das Gesetz, betr. die Aufhebung des Intelligenz-JnsertionszwangeS und der amtlichen Jntelligenzblätter v. 21. Dez. 1849, G.S. S. 441. 10) (6. A.) Der zweite Absatz ist antiquirt durch das nachfolgende Ges. v. 3. April 1846.

29

1. Von den Gesetzen überhaupt. §♦ 6.

Nur die in dieser Verordnung vorgeschriebenen oder bestätigten Arten der Publikationen

von Gesetzen und Verordnungen haben öffentliche Gültigkeit 11).12 13 14 15

Deklaration wegen des Anfangs der rechtlichen Wirkung der durch die

10.

Gesetzsammlung und durch die Amtsblätter bekannt gemachten Gesetze und Verfügungen.

Wirre, rc.

Vom 14. Januar 1813.

(G.S. S. 2.)

Thun"kund und fügen hiermit zu wissen, daß, nachdem Uns vorgetragen worden,

welchergestalt über den Anfang der rechtlichen Wirkung der durch die Gesetzsammlung und durch die

Amtsblätter bekannt gemachten Gesetze und Verfügungen Zweifel entstanden seien, Wir zu deren

Hebung die hierauf Bezug habenden Vorschriften des A. L.R. Einleitung §§. io bis 13, der Ver­ ordnung vom 27. Oktober 1810 über die Erscheinung und den Verkauf der neuen Gesetzsammlung und der Verordnung vom 28. März 1811 über die Einrichtung der Amtsblätter zu deklariren geruht haben, wie folgt:

1.

Jedermann im Staate ist schuldig, die in die Gesetzsammlung und die in die Amtsblätter

eingerückten Gesetze und Verfügungen zu befolgen und sich darnach zu achten, sobald er davon Kennt­ niß erhalten §at19).

2.

Es wird angenommen, daß das Amtsblatt acht Tage nach seiner Erscheinung an allen Orten

des Departements bekannt sei.

Nach Ablauf dieses Zeitraums kann sich daher Niemand damit ent­

schuldigen, daß ihm eine in die Gesetzsammlung oder in das Amtsblatt eingerückte Verordnung un­

bekannt geblieben sei. 3.

Hierbei versteht sich von selbst, daß da, wo auf dem gewöhnlichen oder auf einem unge­

wöhnlichen Wege die Gesetzsammlung oder das Amtsblatt früher bekannt wird, die verbindende Kraft

der darin aufgenommenen Vorschrift sofort eintritt, und daß insbesondere alle öffentlichen Behörden

sich darnach unverzüglich zu achten verbunden sind, insofern das Gesetz selbst nicht einen andern Zeit­ punkt der Anwendung festsetzt. 11.

Gesetz,

betreffend die Publikation der Gesetze.

Vom 3. April 1846.

(G.S. S. 151.) iS) tz. 1.

Landesherrliche Erlasse, welche Gesetzeskraft erhalten sollen, erlangen dieselbe nur durch

die Aufnahme in die Gesetzsammlung") ohne Unterschied16)*, ob sie für die ganze Monarchie, oder für einen Theil derselben bestimmt sind.

§. 2.

11a.

(ist aufgehoben durch daS Gesetz vom 16. Febr. 1874, Zusatz iia.) Gesetz, betreffend den Beginn der verbindlichen Kraft der durch die

Gesetz-Sammlung verkündeten Erlasse.

Vom 16. Februar 18 74. (G.S. S. 23.) *»)

11) (6. A.) Der übrige Inhalt der V. ist antiquirt. 12) Abgeändert durch das G. v. 3. April 1846 §. 3. der Veröffentlichungen durch das Amtsblatt in Betracht.

Die Deklar. kommt nur noch wegen

13) (6. A.) Nach dem Vorbilde dieses Gesetzes sind aus Anlaß der Erwerbung neuer Landes­ theile wegen der Publikation der Gesetze ergangen: a) für das Jadegebiet das Ges. v. 14. Mai 1855, G.S. S. 306; b) für die im Jahre 1866 der Monarchie einverleibten Landestheile die Ges. v. i. Dezember 1866, G.S. S. 743 u. v. 29. Januar 1867, G.S. S. 139. — Zu bemerken ist ferner die Kab.O. v. 29. März 1837, G.S. S. 71, betreffend die Anwendung der Preuß. Gesetze in denjenigen Orten, welche bei Grenzregulirungen als Gebietstheile der Monarchie anerkannt oder in Folge eines Austausches an dieselbe abgetreten sind. 14) Organische Erlasse in Staatswirthschaftsangelegenheiten und über Gegenstände der Finanz­ verwaltung haben die Behörden zu befolgen, wenn sie auch nicht auf diesem Wege vublizirt wor­ den sind. Darauf gründet sich wohl das Pr. 1682 v. 30. Jan. 1846, Entsch. 12 S. 145: Den fiskalischen Behörden ist nicht gestattet, einen nach älteren Gesetzen gerechtfertigten Anspruch gegen einen Unterthan durchzuführen, wenn der Landesherr in einem neuern Erlasse — falls derselbe auch nicht durch die G.S. publizirt wäre, sondern nur sonst kein Bedenken gegen die Wirklichkeit des Erlasses besteht, — seinen Willen, daß ein solcher Anspruch forthin nicht erhoben werden solle, kundgegeben hat.

15) Wenn nicht in dem betreffenden Gesetze selbst eine andere Verkündigungsart vorgeschrieben ist, wie z. B. in der K.O. v. 2. Juli 1836 , betr. das Verbot der Strohdachbedeckungen in der Rheinprovinz, welche a. E. die Vorschrift enthält: „diese Bestimmungen durch die Amtsblätter zur

30

Einleitung.

§. N (Zusätze).

§. 12.

Wir rc. rc. verordnen, unter Zustimmung der beiden Häuser deS Landtages Unserer Monarchie, was folgt: §. i. Ist in einem durch die Gesetz-Sammlung verkündeten Erlasse der Zeitpunkt, mit wel­

chem derselbe in Kraft treten soll, nicht bestimmt, so beginnt") dessen verbindliche Kraft in dem ganzen Umfange Unserer Monarchie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück der Gesetz-Sammlung in Berlin ausgegeben worden ist17).

Die entgegenstehenden Bestimmungen des Gesetzes vom 3. April 1846 (G.S. S. 151),

der

Verordnung vom 1. Dezember 1866 (G.S. S. 743) und der Verordnung vom 29. Januar 1867 (G.S. S. 139) werden aufgehoben.

Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. März 1874 in Kraft.

§. 2. 12.

Gesetz, betreffend die Gerichtsbarkeit der Konsuln. Vom 29. Juni 1865.

(G.S. S. 681.)

§. 18.

Neue Gesetze erlangen in den Konsulatsbezirken Gesetzeskraft nach Ablauf von sechs

Monaten, von dem Tage an gerechnet, an welchem das betreffende Stück der Gesetz-Sammlung in Berlin ausgegeben worden ist, in sofern nicht das neue Gesetz eine andere Zeitbestimmung für den Anfang seiner Geltung in den Konsulatsbezirken oder die Bestimmung einer späteren Zeit für den Anfang seiner allgemeinen Geltung enthält. 13.

Gesetz, betreffend die Bekanntmachung landesherrlicher Erlasse durch

die Amtsblätter.

Vom 10. April 1 87 2.

(G.S. S. 357.)

Wirre., verordnen für den gesammten Umfang der Monarchie, einschließlich des Jadegebietes,

mit Zustimmung beider Häuser des Landtages, was folgt:

§. 1.

Landesherrliche Erlasse und die durch dieselben bestätigten oder genehmigten Urkunden

werden fortan durch die Amtsblätter, im Jadegebiet durch das Gesetzesblatt, mit rechtsverbindlicher Kraft bekannt gemacht, wenn sie betreffen:

1) die Verleihung des Expropriationsrechts; 2) die Verleihung des Rechts zur Entnahme von Chaussee-, Wegbau- und Unterhaltungs-Mate­

rialien ;

3) die Verleihung des Rechts zur Erhebung von Chaussee- und Wegegeld; 4) die Statuten der Deichverbände und der Genossenschaften zu Meliorationen durch Entwässerung

und Bewässerung; 5) die Ertheilung von Konzessionen zum Bau und Betriebe von Eisenbahnen, sowie die (Statuten

der Unternehmer; 6) die Reglements für die öffentlichen und Privat-Feuersozietäten;

allgemeinen Kenntniß zu bringen". Der Polizeirichter hatte gleichwohl von der Anklage der Uebertretung dieses Verbots freigesprochen, weil eine die ganze Rheinprovinz betteffende Vorschrift durch die Gesetzsammlung hätte publizirt werden müssen, um verbindliche Kraft zu erlangen. Mein das O.Tr. hat durch eine Entsch. v. 6. Nov. 1856 wegen der Schlußbestimmung der gedachten K.O., worin ein spezieller Ausspruch des Gesetzgebers über die Art der Verkündigung des vorliegenden Gesetzes gesehen werden müsse, die so erfolgte Verkündigung als rite geschehen anerkannt. Goltdammer, Archiv 5 H. 1 Nr. 6. — (6. A.) Vergl. die K.O. v. 24. Juli 1826, betr. die öffent­ liche Gültigkeit der nur durch die Amtsblätter bekannt gemachten Gesetze, G.S. S. 73. — Alles dies ist nur noch anwendbar auf Gesetze, die älter sind als das Ges. v. 3. April 2846. — We­ gen Bekanntmachung landesherrlicher Erlasse durch die Amtsblätter ist daS unten als Zus. 13 ab­ gedruckte Ges. v. 10. April 1872 ergangen.

16) Die Schule nennt die Zeit bis dahin „vacatio“. Lex Julia et Papia Poppaea.

Ein Beispiel davon gibt im R. R. die

17) Nach dieser Bestimmung ist es so anzusehen, als wenn vor Eintritt des Zeitpunkts das Gesetz als solches noch nicht existirte, so daß weder ein Recht, noch eine Pflicht, sich darnach zu achten, vorher zur Entstehung kommt. Dies ist in den späteren Publikations-Gesetzen (Anm. 13) ausdrücklich gesagt, vergl. in jedem dieser Ges. den §. 3. — Nach dem Eintritt der Gesetzeskraft kommen die §§. 12 u. 13 der Einl. zur Anwendung.

31

i. Von den Gesetzen überhaupt.

7) die Reglements für die landschaftlichen Kreditvereine und ähnliche Kreditinstitute;

8) die Einrichtung deS Landarmen- und Korrigendenwesens; 9) die Privilegien zur Ausgabe von Papieren auf den Inhaber. Auf dieselbe Weise erfolgt die Bekanntmachung von Ergänzungen und Abänderungen der be­

zeichneten Erlasse und Urkunden,

auch wenn diese selbst durch die Gesetz-Sammlung bekannt ge­

macht worden sind.

Die Bekanntmachung erfolgt durch die Blätter derjenigen Bezirke, in welchen in den

§♦ 2.

Fällen des §. 1 Nr. 1—5 das betreffende Unternehmen ausgeführt werden soll oder ausgeführt wor­

den ist, der Eisenbahn-Unternehmer (§. i Nr. 5) und der Ausgeber der Papiere (§. 1 Nr. 9) ihren Sitz oder Wohnsitz haben, oder für welche die Feuersozietät (§. 1 Nr. 6), der Kreditverein oder das

Kreditinstitut (§. 1 Nr. 7) bestimmt und das Landarmen- oder Korrigendenwesen (§. 1 Nr. 8) ein­ gerichtet worden ist.

Die Kosten der Bekanntmachung trägt der Unternehmer,

§. 3.

die Sozietät, der Verband,

daS Kreditinstitut oder der Ausgeber der Papiere. Ist in einem in Gemäßheit dieses Gesetzes verkündeten Erlasse der Zeitpunkt bestimmt,

§. 4.

mit welchem derselbe in Kraft treten soll, so ist der Anfang seiner Wirksamkeit nach dieser Bestim­

mung zu beurtheilen; enthält aber der verkündete Erlaß eine solche Zeitbestimmung nicht, so be­ ginnt dessen Wirksamkeit mit dem achten Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages, an welchem das

betreffende Stück des Blattes, welches den Erlaß verkündet, ausgegeben worden ist. Eine Anzeige von jedem in Folge dieses Gesetzes verkündeten Erlasse ist in die Gesetz-

§. 5.

Sammlung aufzunehmen. 14.

Gesetz,

betreffend die Verpflichtung zum Halten der Gesetz-Samm­

lung und der Amtsblätter.

Vom 10. März 1873.

(G.S. S. 41.)

Wirre, verordnen mit Zustimmung beider Häuser deS Landtages, für den ganzen Umfang der

Monarchie, was folgt: §. 1.

Vom 1. Januar 1873 ab sind nur die Gemeinden und selbstständigen Gutsbezirke zum

Halten der Gesetz-Sammlung und deS Amtsblattes desjenigen Bezirks, in welchem sie belegen sind, verpflichtet. §. 2.

Von der im §. 1 vorgeschriebeneu Verpflichtung dürfen die Bezirks-Verwaltungsbehörden

(Regierungen, Landdrosteien) Gutsbezirke und kleinere Gemeinden auf Zeit entbinden.

§. 3.

Alle bisherigen, über die Vorschrift des §. 1 hinausgehende Verpflichtungen zum Halten

der darin bezeichneten amtlichen Blätter sind aufgehoben").

. §.12. Es ist aber auch ein jeder Einwohner des perinde est, quasi quavis bora lucis actum esset.“ Das heißt, der Tag ist ein unheilbarer Zeitabschnitt; nach dem Augenblicke, in welchem während des

124

Erster Theil.

Dritter Titel.

§§. 46—49.

§. 46. Ist die Erwerbung eines Rechtes an einen gewissen Tag gebunden, so wird dasselbe, so bald der Tag angesangen ist, für erworben geachtet. Laufes des Tages etwas geschehen ist, wird nicht gefragt. Der Grund liegt in der Unmöglichkeit, den Anfangs- und den Endpunkt mit Gewißheit auszumitteln, nicht allein wegen Mangelhafttgkeit und Ungleichheit der Werkzeuge, sondern auch wegen der ungleichen Länge der Tage und Stunden, welche bie vollkommenste Uhr nicht richttg angeben kann. Dies ist die civile Zeitrechnung der Neueren. Die Zeitrechnung, wobei auf den mathematischen (wirklichen) Endpunkt gesehen wird, nennt das R.R. a momento ad momentum. L. 6, 7 D. de usurpat. (XLI, 3); L. 3 §.3 D. de minor. (IV, 4); L. 134 D. de verb. sign. (L, 16). Sie wird nur einmal, bei der Restitutton ex capite minor., angewendet. L. 3 §.3 de minor. Das A. L.R. hat den Grundsatz des R.R.; die civile Zeitrech­ nung kommt in der Regel bei Zeiträumen aller Art zur Anwendung. (6. A. Dies gilt auch im deutschen Wechselrecht. O.Tr. IV v. 30. Mai 1861, Str. Arch. 42 S. 87.) Die Regel findet auch noch bei Zeiträumen Anwendung, welche nach dem Maße von 24 Stunden bestimmt sind, doch hier mit Ausnahmen. Das Erk. des O.Tr. v. 21. Aug. 1841, Entsch. 7 S. 53, spricht in Uebereinstim­ mung damit aus: „Die in den Gesetzen zur Abgabe einer Erklärung oder zur Leistung einer Hand­ lung bestimmte Frist: „„binnen 24 Stunden"", ist für innegehalten anzusehen, wenn die Erklärung oder Handlung im Laufe des nächsten Tages erfolgt." Eine Ausnahme gilt bei der Zeitrechnung nach Stunden, wenn der Ablauf eines Zeitraumes nicht als Bedingung einer Rechtsänderung in Be­ tracht kommt, sondern wenn an die Erscheinung einer Begebenheit innerhalb einer gewissen Frist nach einer Handlung eine Bermuthung über das Alter der Entstehung geknüpft ist, wie z. B. bei dem Ausbruche von Viehkrankheiten. Hier wird von Moment zu Moment gerechnet. Anerkannt durch das Erk. des O.Tr. IV (Pr. 2100) v. 18. Dez. 1848, Entsch. 17 S. 152 :'„Die Frist von 24 Stunden nach der Uebergabe, binnen welcher die Vermuthung gilt, daß ein erkranktes Stück Vieh schon vor der Uebergabe krank gewesen sei, endet mit dem Momente, in welchem sie am vorhergehenden Tage zu laufen angefangen hat." Die Rechtfertigung ist leicht; ein ausdrücklicher Gesetzesausspruch fehlt; der Beweis muß anders als negativ dadurch geführt werden, daß ein Fall, wie die §§. 46 u. 47 d. T. voraussetzen, nicht vorliege. Denn diese handeln gar nicht von der Statthaftigkeit der civilen oder natürlichen (mathematischen) Zeitrechnung, sondern von den verschiedenen Anwendungen der civilen Zeitrechnung; wovon bei der natürlichen Zeitrechnung selbstverständlich nicht Rede sein kann. — Unter 24 Stunden kann immer nur ad momenta gerechnet werden, denn für Stunden giebt eS keine civile Rechnung, weil kein Bedürfniß derselben. Das R.R. kennt die Stunde als Zeitabschnitt in RechtSregeln nicht. Alle übrigen in Rechtsregeln vorkommenden Zeitabschnitte führen immer nur auf den Tag, diesen zu 24 Stunden gerechnet (D. St.G.B. §. 19), zurück. Dieselben sind: die Woche, der Monat, das Jahr. Die Woche ist ein wiederkehrender Cyklus von aufeinander folgenden Tagen, welcher ganz selbst­ ständig, ohne ein Theil des Monates oder Jahres zu sein, die Reihe dieser Zeitabschnitte' durchzieht. Sie gründet sich auf die Mondbeobachtung und soll dem Mondviertel entsprechen. Da dieses aber in die Mitte zwischen 7 und 8 Tagen fällt, so kann man die Woche zu 8 oder zu 7 Tagen annehmen. Die Römer hatten 8tägige Wochen, mit dem Grenztage der Nundinä; die Juden hatten 7tägige, und von diesen ist die 7tägige Woche auf die christlichen Völker gekommen. In röm. Rechtsregeln kommt die Woche nicht vor. Im deutschen Rechte wie im Pr. R. erscheint sie aber häufig, sowohl im Civilrechte, als im Prozesse und im Strafrechte. Man versteht darunter einen Zeitraum von 7 Tagen. (D. St.G.B. §. 19.) Die einzelnen Wochentage werden bekanntlich nicht wie die Monats­ tage durch Zahlen und Heiligennamen, sondern durch Eigennamen bezeichnet. Der Monat hat, wegen der drei verschiedenen Längen der Kalendermonate jedes Jahres, eine zweifelhafte Bedeutung. Die Zeitmessung nach einer Zahl von Monaten kann auf zweierlei Weise geschehen: entweder durch eine Normalzahl von Monatstagen — daS ist die Weise des R.R., wel­ ches unter Monat 30 Tage versteht; oder so, daß das Ende des Zeitraumes an dem Monatstage angenommen wird, welcher dem MonatStage des Anfang- entspricht, so daß eine am 31. Dez. ange­ fangene zweimonatliche Frist am 28. (29.) Febr. abläuft. Diese Rechnungsweise hat in der deutschen Gerichtspraxis, namentlich bei den Prozeßfristen, stattgefunden, aber man hat auch beide Weisen- an­ gewendet. (Strube, Bed., 1 S.47.) Das geschieht auch im Pr. R. Bei Verjährungen (I. 9 §. 550) und bei Strafen (D. St.G.B. §. 19) wird der Monat zu 30 Tagen gerechnet, bei Verträgen aber, namentlich bei auf Monate lautenden Wechseln, wird die Zeit nach den wirklichen Monats­ tagen bestimmt, so daß sie an dem, dem Anfangstage (z. B. v. 2. Jan. nach 2 Monaten) durch seine Zahl entsprechenden Monatstage (2. März), wenn aber diese Zahl im letzten Monate fehlt, am letz­ ten Tage desselben abläuft. II. 8 §§. 855, 856; A. D. W.O. Art. 32. Diese- Verfahren ist un­ anwendbar, wenn die Frist durch „halben Monat" bestimmt ist. Dann kehrt man wieder zur röm. Rechnungsweise zurück und rechnet für einen „halben Monat" 15 Tage. A. D. W.O. Art. 32 a. E. Eine allgemeine Regel ist nicht vorgeschrieben; es ist jedoch, nach diesen Anwendungen, die röm. Rechnungsweise als Regel anzunehmen, weil sie in allen Fällen anwendbar ist, die andere, auf

Von den Handlungen und den daraus entstehenden Rechten.

125

§. 47. Soll aber eine Pflicht an einem bestimmten Tage geleistet werden, so kommt dem Verpflichteten der ganze Tag zu Statten40 * * ).*41 * *42 * 43 §. 48. Trifft die Erfüllung einer Pflicht auf einen Tag, an welchem nach allge­ meinen Polizeiverordnungen44), oder nach den Religionsgrundsätzen des Verpflichte­ ten dergleichen Handlungen nicht voracnommen werden dürfen4 s), so ist der Ver­ pflichtete in der Regel an dem nächstfolgenden Tage zur Leistunq verbunden. (Th. II, Tit. 8, Absch. 8)"). §. 49. Ist die Zeit durch den Ausdruck: Jahr und Tag, bezeichnet, so wer­ den darunter Ein Jahr und Dreißig Tage verstanden. Bruchtheile unanwendbare, Weise aber nur als Ausnahme in Fällen, wo sie vorgeschrieben ist, zu betrachten. Das Jahr bedarf zu seiner Anwendung keiner weiteren Bestimmung; aus den Schalttag wird nicht Rücksicht genommen. I. 9 §§. 547—549. (6. A.) Darüber, welcher Tag als der letzte zu be­ trachten, vgl. O.Tr. I v. 6. Mai 1870, Str. Arch. 78 S. 212, u. v. 21. April 1871, Entsch. 65 S. 18, Str. Arch. 82 S. 26.

40) Wenngleich dem Berechtigten daraus, daß die Leistung zu einer späteren Tageszeit erfolgt, Nachtheil entsteht. Bergl. den Rechtsfall über Leistung von Bierfuhren im Schl. Arch. 6 S. 372. Die beiden §§. 46, 47 gehören zusammen. Die civile Zeitrechnung hat, wenn der Anfangspunkt der Handlung nicht mit Punkt Mitternacht zusammenfällt, immer die Folge, daß der nach ihr abge­ messene Zeitraum einen größeren oder kleineren Bruchtheil eines Tages mehr oder weniger enthält, als der mathematisch berechnete, je nachdem man den Tag des Anfangs mitzählt, oder nicht. Da der Tag als ein untheilbarer Zeittheil bei der civilen Rechnung behandelt wird (Anmerk. 41 am Ans.), so ist um Mitternacht, welche nach der Stunde der Handlung (des Anfangs) folgt, schon der erste Tag ganz vollendet. Hätte also die Besitzergreifung um 10 Uhr Abends stattgefunden, so ist 2 Stunden später ein ganzer Tag verflossen. Eine zweitägige Frist wäre mithin um die zweite Mitter­ nacht nach dem Anfänge abgelaufen. Dabei kann der eine Theil fast um einen ganzen Tag zu kurz kommen, während der andere so viel gewinnt. Das umgekehrte Verhältniß tritt ein, wenn man den Endpunkt in die nächst folgende Mitternacht nach dem mathematischen Endpunkte verlegt, d. h. wenn man den Anfangstag nicht mitzählt. Man mag also zählen, wie man will, immer verliert Einer zum Vortheile des Anderen. Eine oder die andere Zählart muß aber, zur Lösung der Aufgabe, den Zeitraum zu bestimmen, gewählt werden. Das R.R. wendet beide Zählarten, nach Verschiedenheit der Fälle an, nicht willkürlich, sondern nach einem bestimmten Prinzipe, welches zwei Regeln giebt: Soll durch den Ablauf des Zeitraumes ein Recht erworben werden, wie bei der Ersitzung, so' wird der Anfangstag mitgezählt; soll dadurch ein Recht verloren gehen, wie bei der Klagverjährung und Einlegung eines Rechtsmittels, oder der Rechtszustand verschlimmert werden, wie bei der Nichter­ füllung einer Verbindlichkeit durch Mora, so wird dieser Tag nicht mitgezählt, v. Savigny, Sy­ stem 4 S. 350. Diese Grundsätze hat daS A. L.R. angenommen und in den §§. 46 u. 47 ausge­ sprochen. Die Handlungsfähigkeit deS Minderjährigen, bei welcher das R.R. die mathematische Rech­ nung anwendet (L. 3 §. 3 D. de minor.), wird als Erwerbung eines Rechtes behandelt. (I. 5 §. 18.) 41) Dazu gehören namentlich die von den Regierungen erlassenen polizeilichen Bestimmungen zur Bewahrung der äußeren Heilighaltung der Sonn- und Festtage. K.O. v. 7. Febr. 1837, G.S. S. 19.

42) Dergleichen Tage sind die Sonntage und die allgemeinen, d. h. die durch Gesetzgebung anaeordneten Feiertage. 11. 11 §§. 34, 35. Bergl. A. G.O. I. 7 §. 23; I. 8 §. 5; II. 2 §. 11; Anh. §. 420. Diese Tage sind der öffentlichen Ruhe (Feier) von allen bürgerlichen Geschäften und den gottesdienstlichen Verrichtungen gewidmet; Niemand kann an denselben von dem Anderen eine Leistung oder die Annahme einer angebotenen Leistung mit rechtlicher Wirkung fordern. Dieser Grund­ satz gilt selbst im strengen Wechselverkehr; denn auch dieser soll an diesen Tagen ruhen. II. 8 §. 870 u. A. D. W.O. Art. 92. Die allgemeinen Feiertage in preuß. Landen sind zur Zeit: Weihnachten, Ostern, Pfingsten, jedesmal 2 Tage; Neujahr; ein Bußtag (Mittwoch nach Jubilate); Charfreitag und Himmelfahrt. Ed. v. 12. März 1754; V. v. 28. Jan. 1773 ; V. v. 4. März 1789; K.O. v. 22. Juli 1839, G.S. S. 249. 43) Die bloß kirchlichen Festtage werden in rechtlichen Beziehungen nicht berücksichtigt, wenn auch unter Umständen den Verhältnissen thatsächlich Rechnung getragen wird. Der §.48 bezieht sich darauf in den Worten: „oder nach den Reliqionsgrundsätzen nicht vorgenommen werden dürfen". Dieser theoretische Satz aber findet keine unmittelbare Anwendung, da der Richter über religiöse Fragen zu entscheiden nicht kompetent ist; vielmehr erfordert er seine Anwendung durch den Gesetzgeber, wie sich solche denn in der That auch findet. Proz.-Ordn. Tit. 10 §§. 317 ff. u. A. L.R. II. 8 §§. 985— 988. Das Allegat am E. dieses §. 48 bezieht sich eben auf eine solche Ausnahme zum Vortheile der Juden, nun aufgehoben durch die A. D. W.O. Art. 92. Ohne besondere Anordnung der Gesetzgebung kann der Richter auf bloße kirchliche Feste und Religionsfragen nicht Rücksicht nehmen.

Erster Theil.

126

Vierter Titel.

§§. 1—5 (Zusätze).

Vierter Titel.

Bon Willenserklärungen*). §• Die Willenserklärung ist eine Aeußerung») dessen, was nach der Absicht Erklärenden geschehen, oder nicht geschehen soll. r-ngen. § 2. Wenn eine Willenserklärung rechtliche Wirkung hervorbringen soll'), so muß der Erklärende über den Gegenstand, nach dem Inhalte seiner Erklärung, zu verfügen berechtigt sein. §. 3. Er muß das Vermögen besitzen, mit Vernunft und Ueberlegung zu handeln. §. 4. Die Willensäußerung muß frei, ernstlich und gewiß oder zuverlässig sein'). Gegenstände. §. 5. Alle Sachen und Handlungen, auf welche ein Recht erworben, oder An­ dern übertragen werden sann4), können Gegenstände der Willenserklärung sein. nchtsaWiger

Willenserllä-des

1.

Reichs-Gewerbe-Ordnung v. 21. Juni 1 869.

§. 1.

(B.G.Bl. S. 245.)

Der Betrieb eines Gewerbes ist Jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz

Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. §. io.

Ausschließliche Gewerbeberechtigungen oder Zwangs- und Bannrechte, welche durch Ge­

setz aufgehoben oder für ablösbar erklärt worden sind, können fortan nicht mehr erworben werden 6). Realgewerbeberecktigungen dürfen fortan nicht mehr begründet werden. Der §. 48 bezieht sich übrigens überhaupt nur aus einen für die Handlung bestimmten Tag, wie z. B. den Zahltag, nicht aber aus den Fall, wo eine Rechtsveränderung von dem Ablaufe eines Zeit­ raums abhängt und das Ende auf einen Sonn- oder Festtag fällt. Dadurch kann die Frist niemals verlängert werden. (6. A.) O.Tr. III (Pr. 883) v. 13. Juni 1840, Pr.S. S. 386; v. 8. Okt. 1842, Jur.W. 1843 S. 731; v. 23. Juli 1846 u. v. 9. Juni 1848, Jur.W. 1848 S. 287 u. 312, sowie v. 28. Mai 1866, Gntsch. 59 S. 445. Vgl. auch D.W.O. Art. 92 u. D. H.G.B. Art. 329 u. 330.

*) Die Willenserklärung ist eine Spezies von Handlungen, dieser Titel ist daher gewiffermaßen eine Fortsetzung des vorhergehenden. Die hier ausgesprochenen Grundsätze beziehen sich sowohl auf Rechtsgeschäfte unter Lebendigen, als auf die von Todeswegen. Man hat aber hierbei überhaupt nur an das Sachenrecht gedacht; denn der Titel bildete im Entwürfe die Einleitung zum Sachenrechte und hatte die Ueberschrift: von den Quellen der Sachenrechte überhaupt. Willenserklärungen, und zwar sehr wichtige, kommen jedoch auch im Personenrechte vor. — Aus der gemeinrechtlichen Literatur aehört vorzugsweise hierher: v. Savigny, System 3 §§. 130—134; Heimbach sen., von der Wil­ lenserklärung , in Weiske's Rechtslexikon 9 S. 204; Sintenis, praktisches Civilrecht 1 §. 17; Windsche'id, Pand. 1 S. 157; Regelsberger, eivilrechtliche Erörter.Heft 1 S. 1 ff. — Preußi­ sches Recht: Bornemann, von Rechtsgeschäften. 2te Ausg.; Koch, Privatrecht, 8te Ausa. 1 §§. 103 u. flg. und Recht der Forderungen, 2te Ausg., 2 §§. 82 u. flg,; Förster, Theor. u. Pr., §§.25 ff.; Dernburg, Preuß. Privatr. §§. 71 ff., 119 ff.; Gruchot, Beitr. 1 S. 141. 1) Sie ist der sinnlich wahrnehmbare Ausdruck der Willensmeinung, der nicht bloß durch Laute, sondern auch durch Zeichen für den Sinn des Gesichts verlautbart werden kann. Die Ausdrücklichkeit besteht nicht nothwendig in Worten einer bekannten Sprache. 2) Nämlich die nach dem Inhalte der Erklärung beabsichtigte Wirkung, z. B. die Uebertragung des Eigenthums beim Verkaufe einer fremden Sache. (I. 11 §. 19.) Ob die Erklärung in anderer Hinsicht wirksam sei, d. h. verbindlich mache, oder als nichtig anzusehen, ist hier unentschieden gelassen, oder hängt von manchen anderen Umständen ab.

3) Wenn ein Kontrahent bei dem Abschlüsse des Vertrages über die Zuweisung eines Käufers für sein Grundstück von Seiten des anderen Kontrahenten bie Bestimmung der Hohe der diesem zu zahlenden Belohnung seinem Ermessen Vorbehalten hat, so läßt sich hierin nicht eine der Bestimmung des §. 4 widerstreitende Ungewißheit oder Unzuverlässigkeit der Willenserklärung des Promitienten an­ treffen und deshalb dieser Vertrag nicht für ungültig erklären. O.Tr. IV v. 13. Juni 1865, Stt. Arch. 58 S. 347 ff. 4) Bergt, unten §§. 14 ff., 29, 39—45; I. 5 §. 58, 5) Das Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe v. 7. Sept. 1811 bestimmte in §§. 51 und 54, daß in Rücksicht seiner eigenen Konsumtion Niemand mehr einem Mahl- und Getränke­ zwange unterworfen, und Verträge, wodurch sich Jemand unterwirft, den Bedarf zur eigenen Konsum-

Von Willenserklärungen.

127

2. K.O. v. 19. April 1813, bett, die Verträge, welche die gesetzliche Ge-

werbefreiheit beschränken.

(G.S. S. 69.)

In sofern zwischen verschiedenen Kontrahenten Verträge bestehen, welche die gesetzlich gegebene Gewerbefreiheit beschränken oder hindern, kommt es bei Beurtheilung ihrer Gültigkeit darauf an, ob sie vor der Publikation des Gewerbesteuer-Ed. vom 2. November i8io, oder erst nach derselben ge­

schlossen worden sind.

Im letztenß) Falle sind sie gegen Bestimmung eines allgemeinen Landesgesetzes

errichtet, und also dergestalt nichtig^), daß daraus keine Klage desjenigen Kontrahenten, der dadurch Rechte erlangt zu haben glaubt, von einem Gerichtshof angenommen werden darf.

tion aus einer bestimmten Stätte zu entnehmen, für nicht geschlossen zu achten. (6. A.) Die GewerbeOrdnung v. 17. Ian. 1845 bestimmte dagegen, daß ausschließliche Gewerbeberechtigungen oder Zwangs­ und Bannrechte durch Verträge oder andere Rechtstitel, mit Ausnahme der Verjährung, noch begründet Werden können, aber nicht auf einen längeren als zehnjährigen Zeitraum. Die gedachten Bestim-. mungen des Ges. v. 7. Sept. 1811 wurden hierdurch dahin abgeändert, daß solche Verträge erlaubt und auf 10 Jahre gültig sind. Solche gehen aber nicht auf die Erben des Verpflichteten über, wenn dieser vor Ablauf der Zeit stirbt. Denn sie begründen kein wahres Zwangs- und Bannrecht, son­ dern eine vorübergehende Verbindlichkeit für die Person des Verpflichteten; eine Verbindlichkeit zur Entnahme des Bedarfs dieser Person. Auch sind die vor Publikation der G.O. v. 1846 bereits er­ richteten Verträge dieser Art nicht etwa auf 10 Jahre ipso jure verbindlich geworden. Die ReichsG.O. hat die prinzipwidrige Bestimmung der G.O. v. 1845 wieder beseitigt.

6) Was im ersten Falle Rechtens sein soll, ist nicht ausgesprochen. Argumente a contrario ist die fortdauernde Gültigkeit der älteren Verträge anzunehmen. Darüber war zwischen den Gerichten Streit entstanden, welcher durch Plenarbeschluß (Pr. 1220) v. 5. Dez. 1842, Entsch. 8 S. 112, dahin entschieden ist, daß jene Verträge nicht für aufgehoben zu erachten. 7) Bei der Frage: ob ein solcher Vertrag nichtig, sind die Fälle nach ihrer Verschiedenheit zu sondern, a) (7. A.) In Ansehung der Frage, ob ein Vertrag, durch den sich Jemand verpflichtet, ein freies Gewerbe in einem bestimmten Orte oder Bezirke nicht zu betreiben, wegen Verletzung der gesetzlichen Gewerbefreiheit nichtig sei, besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Obertribunal und dem Reichs-Oberhandelsgericht. Letzteres nimmt an, daß die Kab.O. v. 19. April 1813 mit den Worten „Verträge, welche die gesetzlich gegebene Gewerbesreiheit beschränken oder hindern," keineswegs einen jeden Vertrag, welcher die gewerbliche Freiheit eines Einzelnen in irgend einer, wenn auch noch so geringfügigen Richtung oder auf eine noch so kurze Frist beschränkt, ausnahmslos für nichtig erkläre, vielmehr der Natur der Sache nach dem Richter die Prüfung der Verträglichkeit des einzelnen Falls mit dem Prinzip der Gewerbefreiheit Vorbehalten habe. (Entsch. des R.O.H.G. 7 S. 420.) Auf Grund solcher Prüfung ist in den einzelnen Fällen für gültig erachtet: 1. der Vertrag, in wel­ chem ein Kommis, bei der Erneuerung des Dienstvertrages auf vier Jahre unter erheblicher Gehalts­ verbesserung, sich dem Prinzipal gegenüber verpflichtet hat, innerhalb der nächsten fünf Jahre nach seinem Austritt in E., in B. und überhaupt im Zollverein weder ein Konkurrenzgeschäft neu zu er­ richten, noch sich an einem bestehenden zu betheiligen. R.O.H.G. I v. 5. Nov. 1872, Entsch. dess. 7 S. 418; 2. der Engagementsvertrag, in welchem der Kommis gegen den Prinzipal sich verpflichtet hat, binnen vier Jahren nach seinem Austritt nirgends ein Konkurrenzgeschäft zu errichten. R.O.H.G. I v. 5. Dez. 1873, Entsch. dess. 12 S. 30; 3.'die Bestimmung eines Gesellschaftsvertrages, wonach der austretende Gesellschafter innerhalb zwanzig Jahren vom Tag' des Austritts an mit Waaren, mit wel­ chen die Gesellschaft handelt, in jenen Gegenden, wo sie ihren Handel treibt, kein Handelsgeschäft für sich oder Andere oder gemeinschaftlich mit Andern treiben darf. R.O.H.G. 1 v. 21. Novbr. 1874, Entsch. dess. 15 S. 163. — Das O.Tr. erachtet dagegen eine solche freie Würdigung der konkreten Sachlage für nicht zulässig (Entsch. 77 S. 250) und hat'in folgenden Fällen für ungültig erklärt: 1. die Bestimmung eines Kaufvertrages über eine Handlung, in welchem der Verkäufer unter Verspre­ chung einer Konventionalstrafe sich verpflichtet, binnen sechs Jahren kein gleiches Geschäft an demselben Orte zu etabliren. O.Tr. v. 17. Febr. 1844, Entsch. 11 S. 179; 2. tue Bestimmung eines Kauf­ vertrages, nach welcher der Verkäufer sich verpflichtet, während der Besitzzeit des Käufers am Orte kein offenes Kolonialwaarengeschäft zu errichten. O.Tr. IV v. 31. März 1863, Str. Arch. 47 S. 282; 3. den Vertrag, in welchem der Vermiether eines städtischen Geschäftslokals, z. B. zum Betriebe einer Destillation, sich verpflichtet, in dieser Stadt daffelbe Geschäft nicht zu betreiben, auch mit Waaren dieses Geschäfts nicht zu handeln. O.Tr. III v. 5. Febr. 1864, Str. Arch. 52 S. 230; 4. die Ver­ abredung, daß ein Brennereibesitzer den Branntwein an einem gewissen Orte und in einem gewissen Umkreise nicht verkaufen dürfe. O.Tr. II v. 3. Juni 1856, Str. Arch. 21 S. 251; 5. die Bestim­ mung eines Rezesses, daß diejenigen Bauern, welche im Besitze von Kalkbrüchen seien, Kalk nur zum eigenen Verkauf zu brechen und nur an Wirthe des Dorfes zu verkaufen berechtigt seien. O.Tr. II d. 11. Sept. 1847, Rechtsf. 2 S. 189; 6. die Bestimmung in dem Kaufverträge über ein MälzereiGrundstück, wonach der Verkäufer sich bei Konventionalstrafe verpflichtet, das Mälzereigeschäft weder

Erster Theil.

128 3.

Vierter Titel.

§§. 5 (Zusätze)-6.

Verf.-Urk. v. 31. Januar 1850.

Art. 42.

Bei erblicher Überlassung eines Grundstückes ist nur die Uebertragung des vollen

Eigenthums zulässig; jedoch kann auch hier ein fester ablöslicher Zins Vorbehalten werden.

Die weitere Ausführung dieser Bestimmungen bleibt besondern Gesetzen Vorbehalten. 4.

Gesetz v. 2.März 1850, betr. die Ablösung der Reallasten und die Re-

gulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse. §. 91.

(G.S. S. 77.)

Bei erblicher Überlassung eines Grundstücks ist fortan nur die Uebertragung des vollen

Eigenthums zulässig.

Mit Ausnahme fester Geldrenten dürfen Lasten, welche nach dem gegenwärtigen Gesetze ablösbar sind, einem Grundstück von jetzt ab nicht auferlegt werden«). an demselben Orte noch in einem Umkreise von zehn Meilen zu betreiben, sich auch nicht an einem solchen Geschäfte zu betheiligen. O.Tr. in v. 15. Mai 1876, Entsch. 77 S. 231. In den Gründen dieses Erkenntnisses wird die Kontroverse sowohl nach der Reichsgewerbeordnung §§. 1 u. 10 als auch nach der Kab.O. v. 19. April 1813 ausführlich erörtert. Dernburg, Pr. Privatr. §.78 Nr. 4 pflichtet dieser strengeren Auffassung bei, indem er ausnahmslos für nichtig erklärt „Verträge, welche die persönliche oder dingliche Verpflichtung enthalten ein gewisses Gewerbe überhaupt nicht oder in einem gewissen Bezirke oder an einem Orte, sei es für immer oder innerhalb einer gewissen Frist, nicht auözuüben oder dorthin keinen Handel zu treiben." Nach seiner Meinung (a. a. O. Anm. 7) verstößt auch die — von dem O.Tr. IV in dem Erk. v. 23. Okt. 1862, Str. Arch. 47. S. 103 für verbindlich erachtete — vertragsmäßige Verabredung, daß zwei Fabriken ihre Fabrikate nur je in einem bestimmten geographischen Bezirke abzusetzen berechtigt seien, gegen die Gewerbefreiheit. — Unter das Verbot der'Kab.O. v. 19. April 1813 ist von dem O.Tr. IV nicht subsumirt das Abkommen, nach welchem der Agent einer FeuerVersicherungsgesellschast sich verpflichtet, nach seinem Austritt vor Ablauf eines gewissen Zeitraums keine Geschäfte für eine andere Feuer-Versicherungsgesellschaft zu übernehmen. Erk. v. 17. Jan. 1854, Str. Arch. 11 S. 238. Auch ist angenommen, daß ein Vertrag, wodurch der Inhaber eines zur Auf­ nahme von Gästen bestimmten öffentlichen Lokals den Debit des Weines in demselben einem Dritten gegen Entgelt übertrügt, aus dem Grunde, weil er eine unzulässige Beschränkung der Gewerbefreiheit öder die Konstituirung eines Krugsverlagsrechts enthalte, nicht angefochten werden kann. O.Tr. v. 14. Juni 1845, Entsch. 12 S. 291. (7. A.) Vgl. auch Anm. 51 zu I. 23 §. 56. b) Ein Gewerbe, wozu sonst eine gewerbliche Berechtigung erforderlich war, und noch gegenwärtig eine Konzession gesucht und erlangt werden muß, z. B. die Apothekerei, ist kein freies, sondern hängt von der Erlaubniß des Staates ab, welche von dem Bedürfnisse bedingt ist. Wird die Konzession gegeben, so ist damit das Bedürfniß anerkannt und der Konzessionirte tritt in den Genuß der Ge­ werbesreihe it. Diese kann ihm durch keinen Privatvertrag verkümmert werden. (6. A.) Anders liegt die Sache in dem Falle des O.Tr. Erk. II v. 6. Dez. 1864, Str. Arch. 57 S. 154, in welchem der eine Kontrahent aus seine Schankkonzession verzichtete, damit dem andern die Konzession ertheilt werde, was sonst nicht geschehen wäre, da nur für eine Schankstelle ein Bedürfniß obwaltete. c) Verträge, wodurch ausbedungen wird, daß in einem Hause ein bestimmtes Gewerbe nicht be­ trieben werden dürfe, sind unverboten, weil dadurch nicht die Gewerbesreiheit beschränkt oder gehindert, sondern die Benutzung des Grundstücks, nach Art der Grundgerechtigkeiten, beschränkt wird. R. vom 13. Jan. 1832, Jahrb. 39 S. 113, und O.Tr. III v. 30. Nov. 1847, Rechtsf. 3 S. 174, v. 17. Dez. 1851, Str. Arch. 4 S. 187, v. 3. Febr. 1854, Str. Arch. 12 S. 101, (6. A.) u. v. 14. Febr. 1873, Str. Arch. 88 S. 139. Anderer Ansicht Dernburg a. a. O. 1 S. 139 Note 7. d) Verträge, wodurch Jemand sich bei einer Konventionalstrafe verpflichtet hat, aus einer bestimm­ ten Mühle nicht mahlen zu lassen, sind nichtig, weil zum Schutze der Gewerbefreiheit auch gehört, daß denjenigen, welche in der Lage sind, von den Diensten des Gewerbetreibenden Gebrauch zu machen, hierbei keine gesetzlich nicht besonders gerechtfertigten Hindernisse in den Weg gelegt werden, und weil Niemand mehr einem Mahlzwange auch nur indirekt, nach §. 51 des Ges. v. 7. Sept. 1811, unter­ worfen werden kann. O.Tr. III v. 1. Okt. 1858, Entsch. 39 S. 24. e) Verträge, durch welche Jemand sich gegen Andere verpflichtet, ihnen gewisse Gewerbshand­ lungen während eines längeren oder kürzeren Zeitraumes gegen einen für die einzelnen Leistungen im Voraus verabredeten Preis zu leisten, z. B. für die Mitglieder der Gemeinde zu einem bestimmten Preise zu backen, laufen der Gewerbefreiheit nicht zuwider; die Länge des Zeitraumes, für welchen dergleichen Verpflichtungen eingegangen worden sind, kann für sich allein den Vertrag nicht zu einem gegen die Grundsätze der Gewerbesreiheit verstoßenden machen. O.Tr. UI v. 17. Sept. 1860, Str. Arch. 39 S. 60. 8) Verträge zwischen Grundbesitzern und Bauern/ wodurch die Letzteren zum Vortheile der Er­ steren in der Benutzung ihres freien Eigenthums, z. B. im Betriebe ihrer Kalksteinbrüche beschränkt werden sollten, wurden schon vorher nicht geschützt. O.Tr. II v. 20. Nov. 1845 u. v. 11. Sept. 1847, RechtSf. 2 S. 189.

129

Von Willenserklärungen.

Neu auferlegte feste Geldreuten ist der Verpflichtete, nach vorgängiger sechsmonatlicher Kündigung

mit dem zwanzigfachen Betrage abzulösen berechtigt, sofern nicht vertragsmäßig etwas Anderes bestimmt

Es kann jedoch auch vertragsmäßig die Kündigung nur während eines bestimmten Zeitraums,

wird.

welcher 30 Jahre nicht übersteigen darf, ausgeschlossen, und ein höherer Ablösungsbetrag als der fünf

und zwanzigfache der Rente nicht stipulirt werden; ersteres gilt auch von den in den §§. 51—55 ge­ dachten Renten. Vertragsmäßige, den Vorschriften dieses Paragraphen zuwiderlanfende Bestimmungen sind wir­

kungslos, unbeschadet der Rechtsverbindlichkeit des sonstigen Inhalts eines solchen Vertrags.

§. 92.

Die Kündigung von Kapitalien, welche einem Grundstücke oder einer Gerechtigkeit aufer­

legt werden, kann künftig nur während eines bestimmten Zeitraums, welcher 30 Jahre nicht über­

steigen darf, ausgeschlossen werden. Kapitalien, welche auf einem Grundstücke oder einer Gerechtigkeit angelegt sind, und bisher Sei­ tens des Schuldners unkündbar waren, können von jetzt ab, sobald 30 Jahre seit der Verkündigung

dieses Gesetzes verflossen sind, mit einer sechsmonatlichen Frist Seitens des Schuldners gekündigt werden. Diese Bestimmungen finden auf sämmtliche Kreditinstitute keine Anwendung. §. 93.

Wenn bei Zerstückelung von Grundstücken die darauf hastenden, den Bestimmungen deS

§. 64 unterliegenden Reallasteu weder durch Kapital,

noch nach den Vorschriften des Gesetzes vom

heutigen Tage über Errichtung von Rentenbanken abgelöst werden, so bleiben für solche Reallasten das Hauptgrundstück und die Trennstücke in solidum verhaftet °).

Dagegen ist der Berechtigte hinsichtlich solcher Renten, welche den Bestimmungen des §. 64 nicht unterliegen (§§. 53 biS 55, 65, 66 und 91), verpflichtet, sich eine Vertheilung dieser Renten auf die Trennstücke nach Verhältniß des Werthes derselben gefallen zu lassen.

Er ist jedoch zu fordern berechtigt, daß diejenigen Rentenbeträge, welche nach der Vertheilung jährlich unter 4 Thlrn. betragen, durch Kapitalszahlung Seitens des Pflichtigen abgelöst werden.

Der §. 2 des Edikts v. 14. September 1811 wegen Beförderung der Landeskultur und der §r2 des Gesetzes vom 18. Juni 1840 über die, den Grundbesitz betreffenden Rechtsverhältnisse im Her-

zogthum Westphalen (G.S. 1840, S. 153), soweit er diesen Bestimmungen entgegen ist, werden auf­ gehoben. §. 97.

Die Ablösbarkeit der Reallasten, sowie die Regulirungsfähigkeit der noch nicht zu Eigen­

thum besessenen Stellen, ist ohne Rücksicht auf früher darüber ergangene Judikate, lediglich nach den

Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zu beurtheilen.

5. 1 8 50.

Dekl. des §. 97 des Gesetzes, betr. die Ablösung der Reallasten, v.2.März

V. 24. Mai 1853.

§. 2.

(G.S. S. 240.)

Willenserklärungen und Judikate, durch welche vor Verkündigung des Gesetzes, betreffend

die Ablösung der Reallasten rc. v. 2. März 1850, die Regulirungsfähigkeit einer Stelle ausgeschlossen worden ist, sind durch die Vorschrift des §.97 des gedachten Gesetzes nur in soweit außer Wirksam­

keit gesetzt, als sie ausdrücklich in Anerkennung des Mangels der gesetzlichen Erfordernisse zur Regu­

lirungsfähigkeit abgegeben, beziehungsweise ergangen sind. §. 3.

Bei den vor Erlaß des gegenwärtigen Gesetzes getroffenen rechtsgültigen Festsetzungen,

welche den Bestimmungen desselben zuwiderlaufen, behält es sein Bewenden.

Dagegen findet dieses

Gesetz auf alle noch nicht rechtskräftig entschiedenen streitigen Fälle Anwendung.

§. 6. Zu Handlungen, welche die Gesetze verbieten1 °), kann durch Willenser­ klärungen Niemand verpflichtet oder berechtigt werden. 9) Es müssen vor dem Vertragsabschlüsse stets Bestimmungen über die Ablösung, Vertheilung oder Uebernahme der auf den Grundstücken haftenden Reallasten und Renten, desgleichen wegen etwai­ ger Hypothekenschulden getroffen werden. G. v. 24. Mai 1853 §. 7. (G.S. S. 241.) — (7. A.) Die Vertheilung der öffentlichen Lasten bei Grundstückstheilunaen ist neuerdings geordnet durch die §§. 1 bis 12 des für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und Westfalen erlassenen Gesetzes vom 25. August 1876, G.S. S. 405. 10) Die Regel der L. 5 C. de leg. (I, 14), wonach jedes Rechtsgeschäft, durch welches verbotene Koch, Allgemeines Landrecht 1.

7. Aust.

9

Erster Theil.

130

Vierter Titel.

§§. 7—13 (Zusätze).

7 Auch nicht zu Handlungen, welche die Ehrbarkeit") beleidigen. §' 8. Willenserklärungen, welche zur Verheimlichung12) einer durch die Ge­ setze gemißbilligten Handlung, oder auf Entschädigung oder Belohnung des Uebertteters abzielen, sind nichtig"). §. 9. Gewissensfreiheit kann durch keine Willenserklärung eingeschränkt wer­ ä

den "). Handlungen übernommen werden, ungültig sein soll, gilt sür uns nicht. Es koinmt auf den Inhalt jedes einzelnen Verbotgesetzes an. Vergl. z. B. §. Si a. E. des Ges. v. 2. März 1850 (Zus. 4), die Eheverbote II. 1 §§. 968 ff., die K.O. v. 19. April 1813 (Zus. 2), §. 152 Alin. 2 der ReichSGew.O. 2C. — Zu den verbotenen Handlungen gehört die Entsagung der ordentlichen Rechtsmittel und Unterwerfung unter den Ausspruch einer bestimmten richterlichen Person im Voraus nicht. Pr.-O. Tit. 2 §. 137 und Tit. 30 §§. 48 ff. O.Tr. v. 1. Febr. 1845, Entsch. 12 S. 473. Wohl aber sind Verträge zwischen Gemeindemitgliedern, durch welche die Grundsätze des Armenpflegegesetzes abgeändert werden, ungültig. O.Tr. I v.' 15. März 1854, Entsch. 27 S. 304. — Die testamentarische Bestim­ mung des Vaters: der bedachte Sohn solle während der mit seiner derzeitigen Ehefrau bestehenden Ehe nur die Nutzungen seiner Erbportion erhalten, die Substanz dagegen auf die Kinder desselben über­ gehen; für den Fall aber, daß dieser Sohn von seiner Ehefrau durch richterlichen Ausspruch geschie­ den würde oder seine Ehefrau überlebte, sollten die Wirkungen der Subhastation gänzlich aushören und die väterliche Erbportion sein freies Eigenthum werden, enthält weder eine Bedingung für den Sohn, ehelos zu sein oder seinen Wittwenstand nicht zu ändern (§§. 10, 11), noch verlangt sie von ihm eine Handlung, welche die Gesetze verbieten (§. 6), oder welche die Ehrbarkeit beleidigt. O.Tr. I v. 30. Nov. 1860, Entsch. 44 S. 225, Str. Arch. 39 S. 254. — (6. A.) Vgl. die Fälle der Ungül­ tigkeit wegen Verletzung der Gewerbesreiheit oben Anm. 7. 11) Vergl. L. 26 D. de verb. obl. (XLV, 1); §. 24 J. de inutil. stip. (III, 20). Ob etwas unehrbar, unsittlich (turpe) sei, ob nicht, ist eine thatsächliche Frage, welche in jedem einzelnen Falle besonders beurtheilt werden muß, und deren richterliche Entscheidung nicht mit der Nichtigkeitsbeschwerde angegriffen werden kann. Aeltere Fälle dienen dabei nicht zur Belehrung; es kommt auf die innere Ueberzeugung und das Sittlichkeitsgesühl des Richters an. — Hierher gehören auch Pakta, wodurch sich Jemand verbindlich macht, keine strafbaren Handlungen zu begehen, z. B. nicht zu stehlen, L. 7 §. 3 und L. 27 §. 4 D. de paet. (II, 14). Vergl. u. i 16 §§. 210, 211; oder Zusicherung von Vortheilen sür die Erfüllung obliegender Pflichten. L. 2 D. de cond. ob turp. (XII, 5); A. L.R. I. 16 §. 210. In allen diesen Fällen ist die cond. ob turp. c. begründet. Ebd. §§. 205 ff.; I. 11 §§.581, 714, 1070, 1071. — Ein anderer Fall der Nichtigkeit wegen Unsitte ist I. 11 §.446. Ebenso ist ein Vergleich, die Ehe mit der Geschwächten unter der Bedingung zu vollziehen, daß sie gleich nachher ohne Weiteres wieder getrennt würde, wider die guten Sitten und deshalb nichtig. R. v. 13. März 1797, Rabe 4 S. 40. Ein Vertrag, wodurch Jemand seine Bemühungen sür das Zustandebringen einer bestimmten Heirath gegen Belohnung verspricht, ist nicht als gegen die guten Sitten und deshalb als die Ehrbarkeit beleidigend angesehen worden. O.Tr. IV v. 22. Sept. 1859, Str. Arch. 35 S. 92. Dagegen ist ein Vertrag, durch welchen während des Prozesses der unschuldige Theil auf die Ehescheid'ungsstrafe verzichtet,' falls der Schuldige den Ehescheidungsgrund zugesteht und sich im Voraus verpflichtet, nicht zu appelliren, nichtig. O.Tr. IV v. 13. März 1857, Str. Ärch. Ü4 S. 123. — Verabredungen in einem Ehevertrage, durch welche für den Fall einer künftigen Ehescheidung Bestimmungen über die Abfindung des unschuldigen Theils getroffen werden, beleidigen die Ehrbarkeit und sind deshalb unverbindlich; es treten in einem solchen Falle die gesetz­ lichen Bestimmungen ein. O.Tr. I v. 13. Dez. 1854, Entsch. 29 S. 373. — (6. A.) Vgl. auch das Erk. I v. 30.' Nov. 1860 in Anm. 10. 12) Hiermit steht der I. 16 §.416 nicht in Widerspruch, denn dort ist nur vom Vergleiche über die Folgen einer Handlung, deren Verfolgung in der Privatwillkür des Verletzten steht, Rede. Hand­ lungen, welche von der Staatsbehörde ohne Antrag verfolgt werden dürfen und müssen, sind eben der Privatwillkür entzogen. Der §. 8 hier bezieht sich in seiner Allgemeinheit auch nur auf künftige unerlaubte Handlungen. Hinsichtlich schon begangener Handlungen treffen die §§. 415 u. 416 Be­ stimmung. Vergl. L. 27 §. 4 D. de pactis (II, 14). 13) — „ab initio non valet.“ L. 123 D. de verb. obl. (XLV, 1). Vgl. die Anm. 16. Ein Vertrag darüber, wer von den Kontrahenten die Staatsabgabe (Stempelsteuer) tragen soll, ist zwischen den Parteien völlig verbindlich und auch die zuqesicherte Schadloshaltung für den Fall der Nichterfül­ lung dieser Verbindlichkeit ist nicht unerlaubt. Wird das Versprechen nicht erfüllt und der Berechtigte in die Kontraventionsstrase genommen, — denn für die Steuerbehörde ist der Vertrag nicht vorhan­ den, — so kann dieser von dem Anderen Schadloshaltung fordern.

14) Vergl. u. §§. 136—138; I. 5 §§. 227, 228 ; I. 12 §.63; II. 11 §§. 1 u. 2. — Der Sinn des §.'s ist dunkel. Das Gewissen, der Glaube über Gott und in göttlichen Dingen, ist, als

131

Von Willenserklärungen.

§. 10. Zusagen, wodurch eine Mannsperson bis über das dreißigste, und eine Frauensperson bis über das fünf und zwanzigste Jahr hinaus^5), zum ehelosen Stande verpflichtet werden soll, sind ungültig16 * * ).*17 * *18 * *19 * *20 * * * * * 15 §. 11. Auch ist Niemand an eine Willenserklärung gebunden, wodurch er sei­ nen Wittwenstand nicht zu ändern angelobt bat17). §. 12. Ist aber die Ehelosigkeit das nothwendige Erforderniß eines gewissen Standes, so dauert die Verpflichtung dazu so lange, als Jemand in diesem Stande sich befindet16). §. 13. Zur Sklaverei oder Privatgefangenschaft16) kann Niemand durch Wil­ lenserklärungen verpflichtet werden66). 6.

Ed. v. 9. Oktober 1 807.

§. X.

(G.S. S. 171.)

Nach dem Datum dieser V. entsteht fernerhin kein Unterthänigkeitsverhältniß, weder durch

Geburt, noch durch Heirath, noch durch Uebernehmung einer unterthänigen Stelle, noch durch Vertrag, etwas Inneres, schon an sich keiner Bestimmung durch Willenserklärung empfänglich. Die Bestim­ mung geht daher vermuthlich aus die Religion und die Wahl der Religionspartei, zu welcher man sich bekennt. So verstanden ist der Sinn des Gesetzes der, daß Niemand sich verbindlich machen kann, einer bestimmten Religionspartei anzugehören, oder nicht; daß ein solcher Bertrag unkräftig ist. Was etwa gegen Uebernahme solcher Verbindlichkeit gegeben und geleistet worden, fällt unter die Grund­ sätze von der cond. ob turpem causam. Das aber ist es wohl nicht, was die Vorschrift sagen soll. Wenn jedoch darüber die Bestimmung gegeben sein soll: daß es unerlaubt, die Beibehaltung oder Veränderung der Religion zur Bedingung einer Verbindlichkeit oder eines Rechts oder Vortheils zu machen, so ist die Fassung der Absicht nicht entsprechend. Denn der bedingte Berechtigte oder Ver­ pflichtete hat freie Wahl, die Bedingung zu erfüllen, oder unerfüllt zu lassen; er ist mithin durchaus nicht in seiner Freiheit eingeschränkt. Man legt jedoch die Bestimmung in Verbindung mit §. 136 so aus, daß die conditio de mutanda vel retinenda religione pro impossibili erklärt worden. Ber. des I.M. v. Goldbeck v. 6. Juni 1804; K.O. v. 12. Juni 1804, Rabe 8 S. 197. Das ist auch die Meinung Suarez' gewesen, die Fassung ist jedoch nicht entsprechend. Nach G. R. ist die Frage streitig. Vergl. Sell, über bedingte Traditionen (Zürich 1839) S. 142, wo die Unzulässigkeit, rmd Vangerow, Pandekten 1 S. 110, wo die Zulässigkeit behauptet wird. Ueber die vorlandrechlliche pr. Gerichtspraxis s. Hymmen, Beitr. 5 S. 144 und Mathis 4 S. 237; 6 S. 137. Das O.Tr. hat angenommen, daß die in einem Lehnbriese enthaltene Bestimmung, daß die Lehnssuccessionsfähigkeit an das Bekenntniß zu einer bestimmten Konfession gebunden sein solle, nach dem Gemeinen Rechte zulässig und rechtsgültig sei. Erk. I v. 5. Dez. 1856, Str. Arch. 23 S. in. (6. A.) Vgl. Dernburg,' Lchrb. 1 S. 138 Note 3; Förster, Theör. u. Pr., 3. Ausg. 1 S. 149 Note 11.

15) Dieses Gesetz ist eine verbesserte Auflage der Bestimmung der Lex Julia et Papia Popp., daß die Bedingung: nicht zu heirathen, für nicht geschrieben zu erachten. H ein eccius, Comm. ad Leg. J. et P. P. p. 289. Dieselbe ist nach zwei Richtungen verändert durch die Ausdehnung auf Verträge und durch Beschränkung aus eine bestimmte Zahl von Jahren. Durch die zweite Verände­ rung ist Ungewißheit veranlaßt: ob eine Erklärung oder Bedingung, welche diese Zahl von Jahren auch nur um eiu Minimum überschreitet, ganz und von Anfang an nichtig sein, oder die Nichtigkeit erst mit dem Ablaufe der erlaubten Zeit eintreten soll. Die Meinungen darüber widerspreckien sich. Für den zweiten Fall müßte die Bedingung als eine aufschiebende angesehen werden, welche so lange wirksam ist, bis die Zeit eintritt, wo sie unerlaubt wird und deshalb wegfällt. §. 109 d. $. Das ist aber nur bei letztwilligen Erklärungen möglich; bei Verträgen wirkt die Bedingung Nichtigkeit des Vertrages, und ein Vertrag kann nicht von Änfang rechtsgültig sein und nach einer Reihe von Jahren ipso jure nichtig werden. Hier müßte also die Bedingung resolutiv wirken. Wegen dieser Verwicke­ lung ist es praktischer und auch ohnedies logischer, die gegen den Inhalt des §. 10 gefaßte Bedingung und Erklärung als eine unerlaubte von Anfang wirken zu lassen. Damit stimmt auch der Wortsinn des Gesetzes. Vergl. übrigens unten §. 120 und die Anm. 123 dazu.

16) Die Ausdrücke „ungültig" und „nichtig" (§. 8) werden hier gleichbedeutend gebraucht. Ueberhaupt ist die Terminologie des Ä. L.R. in der Bezeichnung der nichtigen und der bloß anfechtbaren Rechtshandlungen, außer bei der Ehe, unbestimmt. Vgl. d. Erk. p. 30. Nov. 1860 in Anm. 10, 17) Vgl. d. Erk. v. 30. Nov. 1860 in Anm. 10. 18) Betrifft die Cölibatpslicht der katholischen Geistlichkeit. 19) (6. A.) Die Begrenzung der kirchlichen Disziplinar-Gewalj ist hiermit in Uebereinstimmung gebracht durch die Bestimmung im §. 5 des Ges. vom 12. Mai 1873, wonach die Vollstreckung einer disziplinarischen Freiheitsentziehung wider den Willen des Betroffenen weder begonnen noch fortgesetzt werden kann. 20) Oder zu Handlungen und Duldungen, welche die Ehre verletzen.

I 5 §§. 297, 298.

Erster Theil.

132 §. xii.

§§. 13 (Zusätze)-22.

Mit dem Martinitage 1810 hört alle Gutsunterthänigkeit in Unsern sämmtlichen Staa­

Nach dem Martinitage 1810 gibt es nur freie 2eute21).

ten auf. 7.

Vierter Titel.

Ed. zur Beförderung d er Landkultur vom 14. Sept. 1 811.

§. 7.

(G.S. S. 300.)

Jedem Grundbesitzer steht zwar frei, so viel Arbeitsfamilien, wie er zu bedürfen glaubt,

auf seinem Eigenthum anzusetzen, und solche ganz oder theilweise durch Landnutzung abzulohnen.

Damit stch aber hierdurch nicht neue kulturschädliche Verhältnisse bilden, so sollen die Miethsverträge einen Zeitraum von längstens zwölf Jahren umfassen, erbliche Ueberlassung solcher Stellen aber niemals

unter Verpflichtung zu fortwährenden Diensten geschehen, sondern nur im Wege des Verkaufs ober22) mit Auflegung einer bestimmten Abgabe an Geld und Körnern, zulässig sein22).

§. 14. Soweit eine Sache dem Privatverkehr entzogen ist, so todt2 4)25kann sie kein Gegenstand einer Willenserklärung sein"). tz. 15. Nicht nur durch Natur26)27oder 28 Gesetz"), sondern auch durch rechtliche Privatverfügungen2 8) können Sachen dem Verkehre entzogen werden. 21) Die persönliche Freiheit ist auch in der Verfassungs-Urkunde, Art. 5, gewährleistet. 22) Diese Eventualität ist modifizirt durch §. 91 d. G. v. 2. März 1850 (Zus. 4). 23) Ist dieser Vorschrift zuwider ein Vertrag, die Gründung einer Dienstfamilie betreffend, geschlossen, so ist nicht der dienstberechtigte Gutsbesitzer von dem Vertrage zurückzutreten und dem Dienstverpflichteten ohne weitere Entschädigung das Grundstück abzunehmen berechtigt; vielmehr kann nur der Dienstverpflichtete für befugt erachtet werden, auf Hinwegräumung des der Kultur schädlichen Hindernisses durch Aufhebung der Dienstpflicht zu dringen. O.Tr. in v. 14. Dezbr. 1866, Str. Arch. 65 S. 225. 24) Bergl. I. 5 §. 58. Mit der sog. res extra commercium hat es nach dem L.R. eine ganz andere Bewandtniß als nach dem R. R. Das L.R. gestattet die Erwerbung von Eigenthum an sol­ chen Sachen unter gewissen Voraussetzungen und vermehrt auch diese Art von Sachen dadurch, daß es der Privatwillkür gestattet ist, Sachen dem gemeinen Verkehre zu entziehen. S. die Anm. 26—28. Deshalb ist der röm. Rechtsgrundsatz, daß eine res extra commercium selbst unter der Voraussetzung, daß sie aufhören würde dies zu sein, nicht Gegenstand eines gültigen Rechtsgeschäfts sein kann (L. 83 §. 5; L. 137 §. 6 D. de verb. obl. XLV, 1; § 2 J. de inutil. stip. III, 20), ganz passend nicht beibehalten, vielmehr ausdrücklich gestattet, darüber gültig zu kontrahiren, insoweit die Eigenschaft der Sache sich verändern läßt und wirklich ändert.

25) Ein Vertrag, dessen Objekt eine Kaution dafür ist, daß sich eine bestimmte ausländische Per­ son hier den diesseitigen Gesetzen gemäß führe, ist nicht ungültig; ein solches Vertragsobjekt gehört nicht dem jus publicum an, mithin findet auch der an sich richtige Satz: jus publicum privatorum pactis mntari non potest, darauf keine Anwendung. O.Tr. IV v. 3. Okt. 1865, Str. Arch. 60 S. 186. — (6. A.) Die Entsagung der aus der erlangten Konzession, in einem bestimmten Grund­ stück das Apothekergewerbe zu betreiben, erworbenen Rechte Seitens des Verkäufers zu Gunsten des Käufers ist zulässig. O.Tr. I. v. 25. Febr. 1867, Entsch. 58 S. 396, 405. — Vgl. auch Anm. 78 zu Tit. 2. 26) Wie Luft, Licht. Meer, Wasser in öffentlichen Seen und Flüssen, die sog. res eommunes omnium der Römer. L. 2 §. 1 D. de rerum div. (I, 8); §. 1 J. eod. (II, 1). A. L.R. II. 15 §.44; I. 8 §. 3.

27) Die Sachen, welche durch Gesetz dem Verkehre entzogen sind, befinden sich alle im Eigenthume einer juristischen Person. Die vorzüglichsten Arten solcher Sachen sind die sogen, öffentlichen, welche dem Staate oder einer Kommunität zustehen, als: Land- und Heerstraßen, woran gar keine Privatrechte erworben werden können (II. 15 §§.7, 8, 2 und 3); öffentliche Plätze und Straßen in Städten; sowie Häsen und Meeresuser, die öffentlichen Flüsse. Ferner diejenigen Sachen, welche im besonderen Eigenthume der Religionsgesellschaften sich befinden und zu religiösen Zwecken bestimmt find, namentlich: Kirchen, Gebethäuser, Synagogen, Kirchengeräthe, Begräbnißplätze. So lange diese Sachen ihrer Bestimmung dienen, sind sie dem Verkehre entzogen. Vergl. K.O. v. 14. April 1840, J.M.Bl. S. 143; v. 26. Okt. 1840, J.M.Bl. S. 340; II. 11 §§. 173, 179. Die Bestimmung der­ selben kann jedoch verändert werden, wodurch sie dann in den Verkehr kommen. §§. 173, 180 ff. a. a. O. — Litigiöse Sachen sind den durch Gesetz dem Privatverkehre entzogenen, nach A. L.R., nicht gleichzustellen. Bergl. Entsch. 13 S. 157. 28) Dabei ist muthmaßlich an Familien-Fideikommisse gedacht. II. 4 §. 15. (6. A. Auch die Bestimmung eines Testators, daß der Erbtheil eines eingesetzten Erben besonders verwaltet werden und den Angriffen der Gläubiger des Erben entzogen sein solle, gehört hierher. O.Tr. III v. 6. Juli 1859 und I v. 17. Juni 1872, Str. Arch. 35 S. 28 u. 85 S. 249.) Das R. R. kennt diese Art

Don Willenserklärungen.

133

§. 16. Dergleichen Privatverfügung bindet einen Jeden, welchen der Verfü­ gende zu verpflichten berechtigt war. §. 17. Doch darf auch ein Dritter, welchem dergleichen Privatverfügung be­ kannt geworden ist29 * * ), *30 * *derselben 31 * * * * * * nicht entgegenhandeln. §. 18. Die bloße öffentliche Bekanntmachung ist zum Beweise, daß der Dritte die Verfügung gewußt habe, noch nicht hinreichend. §. 19. Dagegen kann sich Niemand mit der Unwissenheit einer in das Hypothe­ kenbuch eingetragenen Verfügung entschuldigen"). §§. 20—22"). Aufgehoben durch das nachstehende, für den ganzen Umfang der Monarchie erlassene Gesetz. von res extra commercium nicht. Um durch Privatbestimmung eine Sache dem Verkehre zu entriehen, muß nicht nur die Form, welche das Rechtsgeschäft nach seiner Natur erfordert, beobachtet, sondern es muß auch dafür gesorgt werden, daß diese einer solchen Sache beigelegte Eigenschaft keinem Dritten, bei Anwendung der schuldigen Vorsicht, unbekannt bleiben kann. §§. 17—19. — „Durch eine Privatverfügung, bte den Eigenthümer resp. Besitzer einer Sache in seiner Befugniß, über die Sache zu disponiren, beschränkt oder ihm diese Dispositionsbefugniß ganz untersagt, wird die Sache, welche Gegenstand der Verfügung ist, noch nicht dem Privatverkehre entzogen." O.Tr. III (Pr. 694) v. 3. Juni 1839, Pr.S. S. 6. Der Veräußerer kann durch Ueberschreitung des Verbots seine Verbindlichkeit verletzen, das macht jedoch das Veräußerungsgeschäft nicht unwirksam. Die Sache, welche willkürlich dem Privatverkehre entzogen werden soll, muß einem bestimmt ausgesprochenen Zwecke gewidmet werden. 29) Wenngleich nur durch formlose besondere Anzeige eines Betheiligten. — (7. A.) Die durch Privatverfügung dem Grundbesitzer auferlegte Beschränkung, ohne Einwilligung eines Andern das Grundstück nicht veräußern oder verpfänden zu dürfen, verpflichtet auch dritte Personen, soweit die Beschränkung im Hypothekenbuch eingetragen war (§. 19 d. T.), oder sie von derselben Kenntniß hatten. Das Grundstück kann in diesem Falle ohne die Genehmigung des Andern auch nicht Gegen­ stand der Subhastation werden. O.Tr. IV v. 5. März 1874, Str. Arch. 91 S. 159. 30) Von dem, was im Grundbuche gehörigen Orts eingetragen steht, wird fingirt, daß es Je­ dermann wisie; ob diese Fiktion mit der Wirklichkeit zusammentrefse, wird gar nicht gefragt, der Ein­ wand, daß man den Inhalt des Hypothekenbuches nicht gekannt habe, ist unzulässig. Dieser Grund­ satz gilt nicht bloß hier, sondern er gilt ganz allgemein in allen Beziehungen. Vergl. Entsch. des O.Tr. 8 S. 68; 10 S. 16 u. 199; 14 S. 236; 17 S. 498; 21 S. 52^ Vergl.' Publ.-Pat. v. 5. Febr. 1794 §. XV. Später ist dieser Grundsatz, unter Aushebung des Pr. 1846 b. 16. Febr. 1847 (Entsch. 14 S. 232, 236), aus das Sachenrecht beschränkt und vom Bertragsrechte ausgeschlossen durch den Plenarbeschluß v. 18. Mai 1857, Entsch. 36 S. 1. Vgl. hierüber die Anm. zu '§. 183 Tit. 11. (6. A. Der Zeitpunkt der Eintragung wird nicht durch den JngrossationSbefehl, sondern durch den Vermerk im Grundbuche: wann die Eintragung geschehen, festgestellt. Dabei gilt der Tag jetzt für­ einen untheilbaren Zeittheil. Vergl. Grundb.Ordn. §. 44 u. Ges. über den 'Eigenthumserwerb v. 5. Mai 1872 §. 36.) Die Anwendung der im §. 19 hier gegründeten Rechtsfiktion in der Allgemein­ heit, daß, weil die spätere Post dem Raume und der Zeit nach später eingetragen sei als die voran­ stehende, wenngleich dies aus Grund derselben Verfügung und an einem Tage geschehen ist, und das Hypothekenrecht zu einer Zeit gegründet war, wo dievor stehende Po st noch nicht einge­ tragen st and, angenommen' werden müsse, der später Eingetragene habe sich bei Erwerb seines Rechts in bösem Glauben befunden, ist ungerechtfertigt. O.Tr. III v. 11. Juli 1859, Str. Arch. 37 S. 26. — (6. A.) Die Erwähnung eines nicht eingetragenen Altentheils in dem Vermerk der Besitztitel-Berichtiqung, Rubr. I, benimmt dem Gläubiger einer demnächst eingetragenen Hypothek noch nicht den guten Glauben. O.Tr. III. v. 26. Okt. 1868, Entsch. 60 S. 1. — Der §. 19 setzt nicht ein nach der Hyp.O. v. 1783 regulirtes Hypothekenbuch voraus, vielmehr genügt es, daß aus dem Hypo­ thekenbuche, wie solches vorhanden war, die Beschränkung des Besitzers,'darüber zu verfügen, ersichtlich war. O.Tr. II v. 24. Okt. 1871, Str. Arch. 84 S. 102. — Die neuen Grundbuchgesetze ändern an dem Grundsätze des §. 19 nichts. (7. A.) Insbesondere ist auch nach der Einführung der Gesetze v. 5. Mai 1872 die im Grundbuche eingetragene Beschlagnahme einer Hypothek gegen Dritte wirksam, auch wenn sie aus der Hypothekenurkunde nicht vermerkt worden ist. O.Tr. Ill'v. 18. Juni 1875, Entsch. 75 S. 139.

31) Diese §§. lauteten: §. 20. Alle Willensäußerungen der Kinder, welche das siebente Jahr noch nicht zurückgelegt haben, sind nichtig. §.21. Willenserklärungen der Unmündigen, welche das vierzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben, sind nur insofern gültig, als sie sich dadurch einen Vortheil erwerben.

Erster Theil.

134 8.

Vierter Titel.

§§. 22 (Zusätze)—24.

Gesetz, betreffend die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger und dieAuf-

hebung der Wiedereinsetzung in den vorigenStand wegen Minderjährigkeit. Vom 12. Juli 1875. (G.S. S. 518)--). §. 1. Minderjährige, welche daS siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind zur Vor­ nahme von Rechtsgeschäften nicht fähig. §. 2. Minderjährige, welche das siebente Lebensjahr vollendet haben, sind ohne Genehmigung des Vaters,

Vormundes oder Pflegers«») nicht fähig,

durch Rechtsgeschäfte Verbindlichkeiten zu

übernehmen oder Rechte aufzugeben, jedoch fähig, durch Rechtsgeschäfte, bei welchen von ihnen keine

Gegenleistung übernommen wird, Rechte zu erwerben oder von Verbindlichkeiten sich zu befreien. §. 3.

Die wegen fehlender Genehmigung unwirksamen Geschäfte werden wirksam, wenn der

Minderjährige nach erlangter Selbstständigkeit sie anerkennt.

Durch Zeitablauf werden sie nicht

wirksam. §. 4.

Derjenige, mit welchem der Minderjährige ein wegen fehlender Genehmigung unwirk­

sames Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, ist an dasselbe gebunden«^); er wird jedoch von seiner Ver­

bindlichkeit frei, wenn der Vater, Vormund oder Pfleger die Genehmigung zu dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft verweigert. Der Verweigerung steht es gleich, wenn auf ergangene Aufforderung der Vater, Vormund oder Pfleger oder der Minderjährige nach erlangter Selbstständigkeit die Genehmigung innerhalb

einer Frist von zwei Wochen nicht ertheilt. §. 5.

Hat der Vater oder unter Genehmigung des Vormundschaftsgerichts der Vormund den

selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes dem Minderjährigen gestattet, so ist Letzterer zur

selbstständigen Vornahme derjenigen Rechtsgeschäfte fähig, welche der Betrieb des Erwerbsgeschäfts mit sich bringt.

Zu einzelnen innerhalb dieses Betriebs vorkommenden Rechtsgeschäften bedarf der Minderjährige der Genehmigung deS VormundschastSgerichts in gleicher Weise, wie nach den bestehenden Vorschriften

der Vater oder Vormund dieser Genehmigung bedürfen würde. §. 6.

Hat der Vater oder Vormund seine Genehmigung ertheilt, daß der Minderjährige in

§. 22. Sind mit dem Vortheile, den ein solcher Unmündiger durch seine Willensäußerung er­ werben soll, zugleich Pflichten und Lasten verbunden, so erlangt die Willenserklärung ohne Einwilliguug seines Vorgesetzten keine rechtliche Wirkung. (Tit. 5, §§. 11, 12, 13.) 32) (7. A.) Dieses Gesetz ist auch im vierten Bande dieses Werkes, und zwar unter den Ergän­ zungen zu Tit. 18 Th. II abgedruckt und dort, im Anschluß an die neue Vormundschaftsordnung, mit exläuternden Anmerkungen versehen. 33) (7. A.) Aettere noch beachtenswerthe Entscheidungen: a) Die über sieben Jahre alten Min­ derjährigen sind, unter hinzutretender Genehmigung des Vaters, Vormundes oder Pflegers, selbst die Kontrahenten, sie werden nicht durch denselben vertreten, der Vater re. heißt nur gut, was der Min­ derjährige gethan und vereinbart hat. Deshalb kann der Vater, dessen minderjährige, über sieben Jahre alte Kinder ein Rechtsgeschäft unter sich abgeschlossen haben, durch seine Genehmigung allein dasselbe nach beiden Seiten rechtsverbindlich machen. O.Tr. III (Pr. 1662) v. 6. Dez. 1845, Entsch. 12 S. 332. — b) Die Unfähigkeit des Minderjährigen, ohne Genehmigung des Vaters rc. keine Ver­ bindlichkeit übernehmen zu können, gilt auch im Wechselrecht, und zwar ohne Rücksicht auf den guten Glauben des Wechselberechtigten. O.Tr. IV v. 4. Febr. 1869, Entsch. 61 S. 172, Str. Arch. 73 S?317.

34) (7. A.) Diese Bestimmung enthält eine bemerkenswerthe Aenderung des bisherigen Rechts. Nach §. 22 d. Tit. hatte die Willenserklärung des Unmündigen keine Wirkung, und zwar weder nach der einen, noch nach der anderen Seite. Diese Verträge waren mithin keine eigentlichen pacta daudicantia, d. h. solche, woraus der Eine berechtigt ist, seinerseits unbedingt zu klagen, während der An­ dere davon ausgeschlossen ist, wie z. B. in den Fällen I. 5 §.185; I 16 §.414; II. 1 §. 199. Der Unmündige konnte, auch durch seinen juristischen Vertreter, gleichfalls nicht klagen. Das Ge­ schäft war nur bedingt gültig und diese Bedingung — die Genehmigung — mußte hinzutreteu, wenn es noch in seiner ursprünglichen Lage war. Daher konnten „die mit einer noch unter väter­ licher Gewalt stehenden Person geschlossenen lästigen Verträge, so lange dem Vater noch kein Antrag zur Genehmigung gemacht worden, von denselben Kontrahenten, unter alleiniger Zustimmung des Unfähigen, auch wieder aufgehoben werden." O.Tr. III (Pr. 1862) v. 13. April 1847, Entsch. 14 S. 177. — Das Gleiche galt bezüglich auf Personen, welche unter Vormundschaft stel-en. O.Tr. III v. 15. Dez. 1862, Str. Arch. 48 S. 131 u. Entsch. 49 S. 36.

135

Von Willenserklärungen.

Dienst oder Arbeit trete, so ist Letzterer selbstständig zur Eingehung und Auflösung von Dienst-- oder Arbeitsverhältnissen der genehmigten Art befugt. Dem Vater oder Vormund steht es frei, eine solche Genehmigung zurückzuziehen oder

einzu­

schränken, soweit dadurch Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden.

§• 7.

Hat sich ein Minderjähriger fälschlich für geschäftsfähig ausgegeben und einen Andern

ohne dessen Verschulden zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts verleitet, so kann letzterer den Ersatz des hierdurch ihm zugefügten Schadens aus dem Vermögen des Minderjährigen verlangen,

ß. ö.

Die Fähigkeit der Minderjährigen zur Eingehung einer Ehe

oder eines Verlöbnisses,

sowie zu letztwilligen Anordnungen wird von diesem Gesetze nicht berührt. §. 9.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährigkeit findet gegen die nach

Erlaß dieses Gesetzes vorgenommenen Rechtsgeschäfte nicht statt.

Dies gilt auch von den Rechtsgeschäften der den Minderjährigen gleichgestellten Personen. §♦ 10.

§. achten. §. behaftet

Dies Gesetz tritt am 1. Januar 1876 in Kraft.

23. Rasende und Wahnsinnige sind Kindern unter sieben Jahren gleich zu (§. 20.) 24. So lange den Personen, welche mit Anfällen einer solchen Krankheit stirb35),36 noch kein Bormund bestellt ist, gilt die Vermuthung^), daß sie

35) Dergleichen Personen alle, ohne Ausnahme, können für geisteskrank erklärt werden. „Auch gegen Ehefrauen, die sich in maritalischer, und Kinder, die sich in väterlicher Gewalt befinden, ist das Verfahren zulässig." Pr. des O.Tr. 1780 v. 14. August 1846.

36) So lange eine Person unbevormundet ist, kann die Geisteskrankheit nur ein faktisches Hin­ derniß, den Witten wirksam zu äußern, sein, und dieses muß, wie jede Thatsache, bewiesen werden. Bei der Beweisführung veranlaßt die Natur der Sache mancherlei Zweifel. Dieser kann z. B. bei einer Person, welche bei der Untersuchung für ununterbrochen und völlig wahnsinnig erkannt wird, sich daraus beziehen: ob dieser Zustand schon in einem bestimmten früheren Zeitpunkte vorhanden war. Der Wahnsinn kann aber unstreitig auch schon zu jener früheren Zeit vorhanden gewesen sein, doch mit lichten Zwischenräumen, sog. dilucidis intervallis, und der Zweifel kann sich darauf beziehen: ob die Person zu einem bestimmten Zeitpunkte, dem der Willensäußerung, einen lichten Zwischenraum gehabt habe. Wem in diesen Fällen die Beweislast obliege, war vor dem L.R. streitig. Dieser Streit wird durch den §. 24 beseitigt: Daß die Person, deren Willensäußerung wegen Geisteskrankheit ange­ griffen wird, zu derselben Zeit wahnsinnig gewesen, muß der Angreifer beweisen, und es hilft ihm dabei nichts, daß jene Person später geisteskrank befunden wird. — Der Beweis gegen diese Vermu­ thung hat in den meisten Fällen eine an die Unmöglichkeit grenzende Schwierigkeit darin, daß er nurindirekt durch ein Urtheil Kunstverständiger geführt werden kann und die gewöhnlichen Beweismittel nur zur Feststellung von Thatsachen, die dabei zur Grundlage dienen sotten, brauchbar sind. Die gerichtliche oder notarielle Form der angefochtenen Willenserklärung schließt an sich den Beweis nicht aus, denn es handelt sich dabei nicht um die Glaubwürdigkeit der Urkunde, sondern um die objektive Wahrheit der darin bezeugten Meinung des instrumentirenden Beamten über eine Sache, die er, nach der Gesetzgebung, eigentlich nicht gründlich versteht. Nach der Meinung des O.Tr. (Erk. IV v. 20. Sept. 1864, Str. Arch. 56 S. 176) sollen die Materialien zu den §§. 20, 21 I, 12 ergeben, daß man die Regel im §. 24 d. T. in Betreff der Vermuthung, daß Rasende und Wahnsinnige, so lange ihnen noch kein Vormund bestellt ist, ihren Willen bei völliger Verstandeskrast geäußert haben, auch bezüglich der Blödsinnigen gelten lassen wollte. Dies muß ebenso bestritten werden wie die fer­ nere Ausführung, daß diese Auffassung auch der Wissenschaft, wie den gewöhnlichen Lebenserfahrungen entspreche, da Geisteskrankheiten, gleich den Kürperkrankheiten, aus denen sie sich in der Mehrheit der Fälle entwickeln, ihre Stufen haben, wo erst ihre Unheilbarkeit oder ihre Beständigkeit eintrete. Die Aerzte sind anderer Meinung. „Der Entstehung dieses Krankheitszustandes (des Blödsinns)", sagt Mende, ausführliches Handbuch der gerichtlichen Medizin 6 S. 147 §. 171, „liegt häufig eine an­ geborene Anlage zum Grunde, seltener findet man ihn aber als überhaupt angeboren, wie beim Cretin, häufiger als angeerbt; in welchem Falle er gemeiniglich erst kurz vor dem Eintritte der Pubertät zum Ausbruche kommt." Und §. 173 S. 149: „Hinsichtlich der Heilbarkeit — ist der Blödsinn allerdings die Seelenkrankheit, in der die Vorhersage am ungünstigsten ist, doch darf man ihn nicht in allen Gestalten und unter allen Umständen für ganz unheilbar erklären. Er ist dies nur, wenn er angeboren ist, und die Gegenwart des Nebels in dem ganzen Aeußeren, besonders aber in der Klein­ heit und Flachheit des Schädels, und in dem verhältnismäßig großen Gesichte ausgeprägt ist. Auch beim nachentstandenen Blödsinn kommt nach und nach eine ganz ähnliche Verbildung des Körpers zu Stande, und sie liefert dann jedesmal den Beweis der Unheilbarkeit." Hiernach ist es ungerechtfer­ tigt, die Vermuthung des §. 24, gegen den Wortlaut des Gesetzes, auch auf Blödsinnige,

136

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 24—30.

ihren Willen bei völliger Verstandeskraft, und nicht während eines Anfalls ihrer Krankheit, geäußert haben. §. 25. Sind aber dieselben unter Vormundschaft gesetzt, so kann, so lange diese bauert37 * * ),*38 * auf * * * das * * * Vorgeben, daß die Erklärung in einem lichten Zwischenräume er­ folgt sei, keine Rücksicht genommen werden. §. 26. Von Willenserklärungen der Blödsinnigen, die unter Vormundschaft ge­ nommen worden, gilt das, was von Unmündigen verordnet ist. (§§. 2t, 22.) §. 27. Wenn auch der Blödsinnige noch nicht unter Vormundschaft gesetzt ist, so gilt doch die Vermuthung33), daß derjenige betrügerisch gehandelt habe, welcher durch die Willenserklärung ’ mit dem Schaden desselben, sich zu bereichern sucht, die der Gesetzgeber au- guten Gründen weggelassen hat, zu beziehen. Zu diesem Resultate sind auch die Gesetzrevisoren gekommen, welche zu dem §. 24 sagen: „Anders, als bei Wahnsinnigen, gestaltet sich das RechtSvcrhältniß in Betreff der Blödsinnigen. Das Gesetz bezeichnet mit diesem Ausdrucke diejenigen, welche aus Geistesschwäche die Folgen ihrer Handlungen zu überlegen nicht im Stande sind (§. 28 Tit. 1); von lichten Zwischenräumen kann daher nicht die Rede sein, der Zustand der Geistesschwäche muß als fortdauernd gedacht werden. Des­ wegen läßt sich hier eine solche Vermuthung, wie sie bei den Wahnsinnigen die Abstufung bildet, nicht ausstellen." Motive zu Tir. 4 Pensum XIV S. 29. (6. A.) Zwei andere Senate des O.Tr. sind inzwischen der richtigen Auffassung des §. 24 beigetreten. Erk. I v. 8. März 1867, Entsch. 58 S. 158, 169, u. III v. 31. Mai 1869, Str. Arch. *75 S. 96, 98.

37) Mit der Bevormundung tritt eine juristische Handlungsfähigkeit der betroffenen Person ein. Deshalb kommt bei der Beurtheilung der Gültigkeit einer Willensäußerung des Bevormundeten nichts darauf an: ob gleichzeitig auch physische Willensunfähigkeit vorhanden war. Ein wegen Geisteskrankheit Interdizirter bleibt auch nach eingetretener Genesung bis zur Aushebung des Inter­ dikts handlungsunfähig. In der Interdiklion also,' welche nach A. L.R. in Form der Bevormundung geschieht, liegt die juristische Handlungsunfähigkeit. Daraus folgt, daß dieselbe nicht schon mit der Bestellung des Kurators ad lites über die Gemüthskrankheit, welche Kuratel auch nicht von der Vormundschaslsbehörde ausgeht, anfangen kann. Hiergegen ist gesagt worden, die Präsumtion des §. 24 könne nach Einführung dieser Kuratel nicht mehr gelten, denn sie werde durch die Verität verdrängt, weil die WahnsinnigkeitSerklärung durch Urtel nur dann geschehe, wenn der Wahnsinn festgestellt wor­ den sei. Das aber betrifft die faktische Handlungsunfähigkeit und deren Beweis. Wahrscheinlich wird der Richter den Beweis des Daseins der Krankheit zu einer gewissen Zeit nach Einleitung des Prozesses leichter für geführt annehmen, wenn derselbe mit der Wahnsinnigkeitserklärung endet. Aber juristisch unfähig wird der Provokat sicherlich nicht durch die Einbringung der Provokation und Ein­ leitung der Untersuchung. Vergl. I. 12 §§. 21, 22.

38) Der Sinn ist dunkel. Nach einer Auslegung sollen hiermit nur solche Personen gemeint sein, welche bereits richterlich für blödsinnig erklärt, aber noch nicht bevormundet sind. Darnach würden solche Gemüthskranke, vor der Blödsinnigkeitserklürung, für handlungsfähig gelten, wenn­ gleich der thatsächliche Blödsinn zur Zeit der Willensäußerung vollständig erwiesen würde. Das stände mit dem Prinzipe deS §. 3 d. T. in geradem Widersprüche und kann unmöglich gemeint sein. Man muß hier, wie vorhin (Anm. 36 u. 37), zwischen dem Zustande der faktischen WillenSunfähigkeit, welche aus dem Blödsinne als Thatsache wie aus Trunk u. s. w. entsteht, und dem Zu­ stande der durch die Bevormundung (Interdiktion) entstehenden juristischen Handlungsunfähigkeit unterscheiden. Der §.27 handelt von dem faktischen Zustande. Wird erwiesen, daß derjenige, des­ sen Willenserklärung angefochten wird, zur Zeit der Willensäußerung in der That an Blödsinne litt, so ist die scheinbar vorhandene Willenserklärung, zufolge des §. *3 d. T., wegen Mangels der Vernunft und Ueberlegung, nichtig, ohne daß es noch erst auf einen Betrug ankommt. Kann aber die Gemüthsbeschaffenheit zu jener, vielleicht schon zu lange vergangenen, Zeit nicht mehr festgestellt werden und ist die betroffene Person in der Folge für blödsinnig erklärt worden, so soll, in dem Falle der Bereicherung des Anderen durch die angefochtene Willenserklärung, eine betrügerische Ver­ anlassung derselben vermuthet werden. So hat' auch daS O.Tr. III am 23. März 1849 in der Sache Pape w. Troschke, 560/2280, III, 48, dieses Gesetz ausgelegt. Außer dem Falle der Bereiche­ rung muß stets bewiesen werden, daß der Erklärende zur Zeit der Willensäußerung blödsinnig war. In dem Erk. IV v. 10. Mai 1859, Str. Arch. 35 S. 17, ist gesagt: die Anwendbarkeit des §. 27 sei dadurch bedingt, daß die Person, welche sich über dasjenige geäußert hat, was nach der auSgedrückten Absicht geschehen, oder nicht geschehen soll (§. 1), zu eben dieser Zeit erwiesenermaßen that­ sächlich blödsinnig gewesen ist. Das ist ungenau. Der §.27 setzt einen thatsächlich Blödsinnigen voraus, der noch nicht unter Vormundschaft gestellt, d. h. dem noch nicht die Handlungsfähigkeit (durch Interaktion) genommen worden ist. Wenn ein solcher eine Rechtshandlung vollzogen hat, so ist die Frage: ob er thatsächlich dazu fähig war zu der Zeit der Vollziehung. Nun sagt der §. 27:

Don Willenserklärungen.

137

§. 28. Personen, welche durch den Trunk") des Gebrauchs ihrer Vernunft be­ raubt worden, sind, so lange diese Trunkenheit dauert, den Wahnsinnigen gleich zu achten. (§. 23.) §. 29. Ein Gleiches gilt von denjenigen, welche durch Schrecken, Furcht, Zorn, oder andere heftige Leidenschaft, in einen Zustand versetzt worden, worin sie ihrer Vernunft nicht mächtig waren40 * * ).* * * * * * * * * * * 39 §. 30. Daß Trunkenheit oder Leidenschaft bis zu einem solchen Grade gestiegen sind, wird nicht vermuthet. (§. 91)41). ES wird vermuthet, der Andere habe betrügerisch gehandelt und dadurch sich mit dem Schaden des Erklärenden zu bereichern gesucht. Der Andere muß deshalb beweisen, daß er nicht betrogen und auch sich nicht zu bereichern gesucht habe. Dann ist dieser Anfechtungsgrund beseitigt. Dann bleibt aber der selbstständige Ungüttigkeitsgrund der thatsächlichen Willensunfähigkeit in jenem Zeitpunkte noch stehen, und dieser muß von dem Ansechter bewiesen werden, insofern nicht aus der Natur der Geisteskrankheit und deren Entstehung in dem konkreten Falle das Vorhandensein der Krankheit von Kindheit an erhellet. Vergl. Anm. 36 zu §. 24. Diese drei scharf zu scheidenden Ungültigkeitsgründe laufen in jenem Erk. und in dem jüngeren Erk. III v. 19. Dez. 1859, Str. Arch. 36 S. 105, durch­ einander. In einem älteren Rechtsfaile sagt auch daS O.Tr. ganz richtig: gegen einen gerichtlichen Vertrag sei der Einwand der Ungültigkeit desselben wegen stattgehabten Blödsinnes eines nicht bevor­ mundet gewesenen und von dem Gerichtsdeputirten für dispositionsfähig erachteten Kontrahenten zuläs­ sig. Erk. IV v. 7. Mai 1857, Str. Arch. 24 S. 280. Zu dieser Ansicht bekennt sich auch neuer­ dings wieder das Erk. IV v. 20. Sept. 1864, Str. Arch. 56 S. 173. 39) Oder durch Genuß von Opium und anderen berauschenden Mitteln. — Welche Gedanken des Gesetzgebers den §§. 28 u. 91 zum Grunde liegen, erhellet aus folgender Bemerkung Suarez'. Er sagt: ^Trunkenheit und heftige Leidenschaften schließen entweder den Gebrauch der Vernunft ganz

aus, oder sie hindern nur die richtige Auwendung derselben, und verleiten den trunkenen oder von heftigen Leidenschaften eingenommenen Menschen zu Irrthümern des Verstandes. Insoweit ein sol­ cher Irrthum das Subjekt, Objekt oder essentialia negotii betrifft, vereitelt er den Effekt der Wil­ lenserklärung schon an und für sich, ohne Rücksicht auf die Quellen, woraus er entsprang. Betrifft aber der Irrthum bloß Nebenumstände, so kann man in foro externo eine Unwirksamkeit der Wil­ lenserklärungen im Allgemeinen daraus nicht herleiten, ohne zu einer allzugroßen Ungewißheit in den Geschäften und Verhandlungen des bürgerlichen Lebens Anlaß zu geben. Hat hingegen Jemand den Anderen in Umstände versetzt, die ihn zu einem solchen Irrthume verleiten, so ist es den Grund­ sätzen sowohl des Rechts, als der Billigkeit gemäß, daß er daraus nicht Vortheil ziehen kann." Bornemann, System 1 S- 332; Entsch. des O.Tr. 38 S. 12. Hiernach ist zu unterscheiden, a) Betrifft der Irrthum des Verstandes essentialia negotii, so ist nach allgemeinen Grundsätzen (§§. 75 ff.) die Willenserklärung ungültig, b) Bezieht sich der Irrthum auf Nebenumstände, so wird, abweichend von der sonstigen Regel (§. 83), die Willenserklärung doch vereitelt, wenn derjenige, welcher daraus ein Recht erlangen will, die Trunkenheit herbeigeführt hat (§. 91). O.Tr. Hl v. 29. März 1858, Entsch. 38 S. 13. — In dem ersten Wechselfalle, wenn „Trunkenheit rc. den Ge­ brauch der Vernunft ganz ausschließen" (der Fall des §. 28), bedarf es zur Erhaltung des Klagrechts beziehungsweise Einwandes nicht der im §. 92 d. T. vorgeschriebenen vorgängigen Anzeige, es muß aber der Mangel der zur Eingehung des Vertrages erforderlichen Willensfähigkeit zur Zeit der Ver­ tragsschließung bewiesen werden. O.Tr. III v. 14. Juli 1854, Str. Arch. 14 S. 150. 40) Schwerlich wird der Fall vorkommen, daß Jemand in dem hier vorausgesetzten Grade des Zornes, in welchem er kein Bewußtsein hat, eine Rechtshandlung vollzieht. Veranlassung zu dieser Gleichstellung des Zornigen mit dem Wahnsinnigen hat die L. 48 D. de reg. jur. (L, 17) und L. 3 de divort. (XXIV, 2) gegeben, wo von der feierlichen Formel der Ehescheidung Rede ist, die schwer­ lich ein aus Zorn Bewußtloser wird aussprechen können. — Jeder mit dem Wahnsinne gleichartige Zustand, d. i. ein solcher, worin zwar eine äußerliche menschliche Thätigkeit vorhanden ist,' aber dem Menschen der Vernunftgebrauch fehlt, ist der für den Fall des Wahnsinns gegebenen Regel unter­ worfen , ohne Unterschied der EntstehungSursache. Dergleichen Zustände sind noch das Fieberdelirium, das Nachtwandeln, der Somnambulismus. 41) Die Verweisung auf §. 91 ergiebt den Gegensatz: wenn auch Trunkenheit rc. erwiesen wird, so ist damit doch ein bewußtloser Zustand noch nicht dargethan, folglich wird angenommen, daß die im trunkenen oder leidenschaftlichen Zustande gegebenen Willenserklärungen mit Bewußtsein, also an sich gültig geschehen sind. Der §. 30 bezieht sich auf den Zustand der Bewußtlosigkeit, verbunden mit dem äußeren Scheine einer menschlichen Thättgkeit. S. die vor. Anm. Was in diesem Zu­ stande etwa ausgesprochen oder geschrieben wird, gilt für nichts. Die Meinungen sind darüber ge­ theilt: ob zur Erhaltung des Anfechtungsrechtes hier gleichfalls die im §. 92 vorgeschriebene 8tägige Frist zur vorläufigen Anmeldung beobachtet werden müsse. Nein, weil Fristbestimmungen keine ana-

138 Freibeit bi Willens.

Erster Theil.

Vierter Titel,

tztz. 31—42.

§.31. Aeußerungen des Willens, wozu Jemand durch physische Gewalt genö­ thigt worden, haben keine verbindliche Kraft"). §. 32. Ein Gleiches gilt von solchen Willenserklärungen, wozu Jemand durch Entziehung der Nahmngs- und Heilmittel, oder durch Zufügung körperlicher Schmer­ zen vermocht worden. §. 33. Auch gefährliche Bedrohung des Lebens, der Gesundheit, der Freiheit und Ehre machen jede darauf folgende Willensäußerung unkräftig"). §. 34. Drohungen sind gefährlich, wenn die Ausführung derselben entweder an sich, oder auch nur nach der Meinung ") des Bedrohten in der Gewalt des Drohen­ den steht. §. 35. Die Drohung, Jemanden eines Verbrechens wegen, mit oder ohne Grund, Aerichtlich angeben zu wollen, vereitelt") in der Regel") jede darauf er­ folgte Willenserklärung des Bedroheten. §. 36. Bei Drohungen, welche nicht unmittelbar Leben, Gesundheit, Freiheit und Ehre betreffen, muß, nach der Beschaffenheit des angedrohten Uebels an sich, und nach dem Verhältnisse desselben zu dem Gegenstände der Erklärung, von dem Rich­ ter vernünftig beurtheilt werden: ob dadurch die Willenserklärung wirklich erzwungen worden sei. ' loge Anwendung finden, und weil dort , im §. 92, von rechtsgültigen Willenserklärungen Rede ist, die aus einem besonderen Grunde, nämlich wegen mißbräuchlicher Benutzung einer aufgeregten Stim­ mung des Erklärenden zur Begründung eines Rechts für den Anderen, unwirksam gemacht werden sollen; wogegen hier gar keine' Willenserklärung, sondern nur der äußere, der betroffenen Person unbewußte Schein einer solchen vorhanden ist. Der Fall hat übrigens ein sehr untergeordnetes In­ teresse. Denn bei der Vermuthung des §. 30 Verb, mit §. 91 wird es kaum Vorkommen, daß ein bewußtloser Zustand eines Menschen aus Trunkenheit erweislich zu machen wäre, in welchem derselbe eine rechtliche Willenserklärung ohne Mitwirkung eines Anderen ausgesprochen oder unterschrieben hätte. Vergl. Anm. 39. 42) Die §§. 31—42 enthalten die Bestimmungen über die actio quod metus causa; die §§. 43, 44 gehören mit den §§. 28, 29 zusammen. Es macht keinen Unterschied, ob der Zwang von einer Privatperson oder von einem innerhalb seines Amtes sich bewegenden Beamten, z. B. Polizeibeamten, ausgegangen ist. O.Tr. IV v. 11. Sept. 1856, Str. Arch. 22 S. 169. 43) Ob metus infamiae zur Restitution genüge, war streitig. Das A. L.R. entscheidet hierdurch den Streit. Vergl. L. 7 D quod metus causa (IV, 2). — In dem §.31 vorausgesetzten Falle ist gar kein Wille vorhanden, die genöthigte Person wird als Sache oder Mittel zur Herstellung des äußeren Scheins einer Willenserklärung gemißbraucht; die §§. 33 u. 34 umfassen die Fälle, wo der Erklärende wirklich will, d. h. wo er sich selbst entschließt zu thun und demzufolge willkürlich thut, was geschehen ist, aber nur um ein Uebel von sich abzuwenden. Beide Arten von Fällen stellt das L.R. ganz gleich, in Uebereinstimmung mit der damals vorherrschenden Meinung der Rechtslehrer, aber im Widersprüche mit dem R. R.

44) — ex affectu metuentis intelligitur. L. 3 D. ex quibus c. major. (IV, 6). Vergl. Ley­ ser, med. sp. 58 m. 3. — Aber wie soll der Richter diese wissen können? Die eigene Angabe des Bedrohten kann nichts beweisen, denn: hujus rei disquisitio judicis est. L. 3 cit. Woher der Richter seine Ueberzeugung gewinnen soll, das sagen ihm die §§. 36 u. 37. Ganz mit Unrecht hat man in den §§. 34 u. 36 eine Disharmonie, einen logischen Fehlgriff sehen wollen: auch in den §§. 36 u. 37 ist die subjektive Meinung des Bedrohten über die Gefährlichkeit der Drohung das zu Beweisende, wie im §. 34. Vergl. L. 6 D. quod metus (IV, 2) u. L. 8 §. 2 D. eod. 45) Der Einwand, durch eine solche Drohung zu einer Willenserklärung bestimmt worden zu sein, gilt als Einrede des Zwanges und muß daher bei Verlust des Rechts der Eideszuschiebung und der Verstattung zum Erfüllungseide innerhalb acht Tagen gerichtlich angemeldet werden. §§. 45, 49, 50. O.Tr. IV v. 16. Nov. 1852, Str. Arch. 7 S. 141. — Nach dem Wortsinne genügt die bloße Drohung mit einer Denunziation, um die darauf erfolgte Willenserklärung als eine dadurch veran­ laßte und erzwungene zu erachten. Vergl. Entsch. 17 S. 100. Doch ist der Beweis, daß die wahre Veranlassung eine andere gewesen, nicht ausgeschlossen, auch muß, um jene Vermuthung eintreten zu lassen, der gedroheten Denunziation die darauf gefolgte Willenserklärung entsprechen. Vergl. die §§. 38 u. 39 und die Anm. dazu. 46) Die Ausnahme machen solche Verbrechen, welche für die Civilsache präjudiziell sind, oder bei welchen nur in Verbindung mit der Strafsache der Civilpunkt verfolgt werden kann.

Von Willenserklärungen.

139

§. 37. Auch ist, bei Bestimmung des Einflusses der Drohungen in den Willen des Bedroheten, zugleich auf dessen Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit Rücksicht zu nehmen *’). §. 38. Die Drohung, sich seines Rechtes") gesetzmäßig zu bedienen, kann niemals als Zwang angesehen werden. §. 39. Eine Willenserklärung also, wozu Jemand durch die Aeußerung des Andern, sein Recht gerichtlich verfolgen zu wollen, bewogen worden, ist keineswegs für erzwungen zu erachten"). §. 40. Die gedrohete Entziehung eines Vortheils, welchen der Drohende dem Andern zwar zugedacht, aber noch nicht eingeräumt hatte, macht die Willenserklärung des Bedroheten niemals unkräftig. §. 41. Der Vorwand, daß Scheu oder Ehrfurcht die Willenserklärung veran­ laßt habe, verdient keine Rücksicht 50 47 ).48 49 §. 42. Erzwungene Willenserklärungen sind auch alsdann ungültig, wenn die Gewalt oder der Zwang nicht von dem, zu dessen Vortheil die Erklärung gereichen soll, sondern von einem ^Dritten51) verübt worden. 47) Vergl. oben die Anm. 44, und von den Schriftstellern Voet, Comment. IV, 2 §.11. 48) Welches Rechts? Ein Grundbesitzer hat auf dem Grundstücke des Nachbarn eine bedeutende Hypothek zur letzten Stelle zustehen. Er wünscht von dem Nachbarn ein an seinen Garten stoßen­ des Ackerstück billig zu erwerben, um seinen Garten auszudehnen. Der Nachbar ist zur Abtrennung dieses seines besten Ackerstücks nicht geneigt. Da sagt ihm Jener, wenn ihm das Ackerstück nicht für den und den Preis abgelassen würde, so werde er von seinem Rechte Gebrauch machen und die Hy­ pothek einziehen. Der Schuldner kann die Anschafsungskosten des Geldes nicht erschwingen und hat auch wenig Realkredit mehr; er sieht sich also bei der Ausführung der Drohung aus seinem Besitzthume vertrieben. Er wählt das geringere Uebel und überläßt das Ackerstück für den gebotenen Spottpreis. Ist dieser Fall mit gemeint? Nach dem Zusammenhänge, nein. Denn die Bestimmung betrifft das bestimmte Recht, auf welches sich die fragliche Willenserklärung bezieht. Dennoch aber wird auch in dem gesetzten Falle der Kauf wohl für einen erzwungenen gelten können. 49) Die Auslegung der §§. 38 u. 39 und die Bereinigung derselben mit §. 35 ist streitig. Die §§.38 u. 39 sollen, nach einer Meinung, sich zum §. 35 wie Ausnahme zur Regel verhalten und den Fall betreffen, wo durch ein Verbrechen wirklich eine Beschädigung zugefügt worden ist. Dann soll die Abforderung der Entschädigung unter der Drohung, daß sonst das Verbrechen angezeigt werden würde, nur als Aeußerung, sem Recht gerichtlich verfolgen zu wollen, nicht als Zwang an­ gesehen werden können; sonst würden die §§. 38 u. 39 dem §. 35 widersprechen. Diese Auslegung widerspricht schon dem klaren Wortsinne. Die §§. 38 u. 39 sprechen von der angekündigten gesetz­ mäßigen Verfolgung des Rechts, also von der Civilklage; der §. 35 aber von der Denunziation des Angesprochenen zur Bestrafung. Diese Anzeige führt nicht zur Verwirklichung des Rechts; deshalb ist sie keine solche Drohung,' die nur eine Aeußerung, sich seines Rechtes gesetzmäßig zu bedienen und sein Recht gerichtlich verfolgen zu wollen, enthält. O.Tr. IV (Pr. 2086) v. 30. Okt. 1848, Entsch. 17 S. 97.

50) Metus reverentialis, nicht durch Drohungen veranlaßt, kommt nicht in Betracht, auch nach L. 6 C. de his, quae vi. Von einigen wurde es gleichwohl behauptet, auf Grund des c. 14 X. de sponsal. Aber die vorlandrechtliche Gerichtspraxis verwarf den Einwand dieser Art Furcht. Hymmen, Beiträge 7 S. 84 Nr. 21. 51) Die Eigenschaft der röm. actio quod metus causa als actio in rem scripta (L. 9 §. 8; L. 14 §. 5 D. quod metus causa IV, 2; L. 4 §. 33 D. de doli mali exc. XLIV, 4) ist hier aus­ drücklich beibehalten. Ueber die Wirkung des Zwanges und der Furcht bei Willenserklärungen ist die Praxis nicht im Klaren, und die Erscheinung, daß auch gegen einen Dritten geklagt werden kann, ist aus einer Nichtigkeit ipso jure erklärt worden. Zwar ist der hiergegen behauptete Ein­ wand: das L.R. kenne den Unterschied zwischen der Nichtigkeit ipso jure und der ope exceptionis nicht, nicht gegründet. (S. Tit. 3 §. 43 u. Anm. 38 dazu.) Dennoch ist jener Erklärungsgrund hier nicht zutreffend; denn die erzwungenen Willenserklärungen sind an sich rechtsbeständig,' aber von Seiten des Gezwungenen anfechtbar (§. 45). Der juristische Grund, warum die mit Erfolg unternommene Anfechtung auch gegen den Dritten, sei eS in mala oder in bona fide — unbeschadet der besonderen Rechte des Redlichen — wirkt, ist der, daß die hier anwendbaren Rechtsmittel in rem restitutoria sind. Die Wirkung ist daher Wiederherstellung des früheren Zustandes. Dieses Ziel kann erreicht werden, nach Wahl, entweder durch die aus demjenigen Rechtsverhältnisse, wel­ ches durch die erzwungene Erklärung aufgehoben oder verändert werden soll, entspringende eigen-

Erster Theil.

140

Vierter Titel.

§§. 43—52.

§. 43. Dadurch aber, daß eine drohende Gefahr zu der Willenserklärung bloß Anlaß gegeben hat^?), wird diese noch nicht entkräftet. §. 44. Hat jedoch Furcht vor der Gefahr das Vermögen des Erklärenden, mit Freiheit und Ueberlegung zu handeln, gänzlich ausgeschloffen, so findet die Vorschrift des §. 28 sqq. Anwendung. §. 45. Wer eine sonst rechtsbeständige Willenserklärung wegen erlittenen Zwan­ ges anfechten will, muß dieses, sobald als er einen Richter hat antreten können, spä­ testens aber binnen acht Tagen nach diesem Zeitpunkte5 s), gerichtlich anzeigen. §. 46. Dergleichen vorläufige Anzeige kann bei einem jeben54) Gerichte gültig geschehen; sie muß aber die zur Sache gehörigen Umstände unter Anführung der Be­ weismittel enthalten. §. 47. Uebrigens hängt es von dem Anzeigenden ab, die Ungültigkeit der Willenserklärung gegen den,' welcher sich des Zwanges und der Gewalt schuldig ge­ macht hat, gerichtlich auszuführen5 5); oder den Anspruch aus der Willenserklärung

thümliche Klage, indem die erzwungene Erklärung ignorirt, und wenn sie eiugewendet wird, mit der Replik quod metus causa unwirksam gemacht wird, oder auch, indem hauptsächlich die Erklä­ rung angegriffen und folgeweise, nach durchgesetzter Rescission, das alte Recht, kumulativ oder be­ sonders, geltend gemacht wird. Deshalb ist in diesem Falle die Klage bald in rem bald in personam, je nachdem die zuständige alte Klage, die jetzt utiliter gebraucht wird, die eine oder die an­ dere war. L. 9 §§. 4, 6; L. 21 §. 6 D. quod metus causa (IV, 2); L. 3 C. eodem. Oder durch die prätorische actio quod metus causa, welche besonders in dem Falle praktische Dienste leistet, wo durch die erzwungene Erklärung ein persönliches Rechtsverhältniß ursprünglich begründet werden soll oder eine nicht schuldige Leistung abgenöthigt worden ist. L. 9 §. 3 D. eodem. Es versteht sich, daß diese Formeln nicht unmittelbar jetzt anzuwenden sind, und daß auch die Operationen der Re­ stitution und der erst demnächst eintretenden Anwendung der alten Klage nicht äußerlich unterschieden werden, namentlich bei stattfindender Kumulation. Aber der organische Zusammenhang, die Inner­ lichkeit der Institute ist noch heute dieselbe. Vergl. §. 47.

52) Z. B. Mehrere befinden sich bei einer Ueberschwemmung in einem von den Wasserfluthen mngebenen Gebäude, und die drohende Gefahr des Bruchs veranlaßt Willenserklärungen. Diese sind unanfechtbar, wenn der Erklärende nicht etwa seiner Vernunft durch die Todesgefahr beraubt worden ist, auf welchen Fall der folg. §. 44 geht. Die §§. 43, 44 gehören nicht der Materie von der actio quod metus causa an, die" Fälle dieser Bestimmungen sind nicht unter die Grundsätze die­ ses Klagerechts zu stellen; sie sind der L. 9 §. 1 D. quod metus causa (IV, 2) und L. 34 §. 1 D. de donationibus (XXXIX, 5) nachgebildet und stehen mit den §§. 28, 29 in Verbindung. Die §§. 43 u. 44 setzen nämlich voraus, daß die drohenden Gefahren keiner fremden Einwirkung oder bösen Absicht beizumessen sind. Der durch eine ohne fremdes Zuthun drohende Gefahr erregte Zu­ stand der Furcht ist schon im §. 28 berücksichtigt. Es hätte zwar ein nochmaliges Zurückgehen da­ rauf nicht bedurft, doch ist hier die Erinnerung daran, daß die Fälle der §§. 43 , 44 nicht den Grundsätzen der actio quod metus causa (§§. 31 bis 42), welche die schuldbare Einwirkung eines Menschen voraussetzen, sondern dem Prinzipe des §. 29 unterzuordnen, nützlich. Die §§. 43 u. 44 entscheiden dadurch zugleich den Meinungsstreit über die Frage: ob und inwieweit durch, ohne fremde Schuld, erregte Affekte die rechtliche Fähigkeit zur Willensbestimmung aufgehoben werden könne. O.Tr. II v. 29. Mai 1856, Entsch. 33 S.'s. Ueberhaupt findet die Bestimmung des §. 43 nur da Anwendung, wo eine Kausalverbindung zwischen der Willenserklärung und den Handlungen des Promissars oder eines Dritten zu dessen Gunsten nicht ersichtlich ist. Haben dagegen Drohungen des Promissars oder eines Dritten die Willenserklärung des Promittenten veranlaßt, so kommen nur die §§. 33—45 zur Anwendung. O.Tr. II v. 3. Dez. 1857, Str. Arch. 28 S. 127. 53) Jedes, unmittelbar nach Wegfall des Zwanges eintretende Hinderniß, z. B. Krankheit, Ab­ wesenheit zur See oder im Auslande,' hindert den Anfang der achttägigen Frist, muß jedoch beson­ ders bewiesen werden. Ein im Laufe der Frist eintretendes Hinderniß unterbricht jedoch den Lauf nicht; die Frist ist ein Fatale. S. die Anm. 59 zu §. 49.

54) Inländischen. dort nicht zufällig gilt. 55) D. rung sowohl O.Tr. III v. dingung des

Denn im Auslande richtet man sich nicht nach dem A. L.R., wenn dieses

h. abgesehen hiervon (§§. 45, 46) kann er die Ungülttgkeit der fraglichen Willenserklä­ klagend oder wiederklagend, als auch einwandsweise ausführen.' In dem Erk. des 28. gebt. 1853, Str. Ärch. 8 S. 328, wird die Erstattung der Anzeige als eine Be­ fakultativen Gebrauchs der Rechtsmittel hingestellt. Dies ist inkorrekt. — Die Klage

Von Willenserklärungen.

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abzuwarten "); oder sich der in der Gerichtsordnung vorgeschriebenen Wege zur Er­ haltung seiner Beweismittel zu bebienen57 * * ).56 §. 48. Ist jedoch die angezeigte Gewalt so beschaffen, daß dadurch eine peinliche Untersuchung begründet werden kann, so muß der Richter, bei welchem die Anzeige geschehen ist,' demjenigen inländischen Richter 58),59vor welchen die Untersuchung gehört, davon sofort zur weiteren Verfügung Nachricht geben. §. 49. Ist die vorläufige Anzeige nach §.45 nicht geschehen"), so verliert der angeblich Gezwungene dadurch das Recht, sich des Eidantrags zum Beweise zu be­ dienen, und muß den Einwand auf andere Art vollständig darthun. §. 50. Auch wird durch die Unterlassung der Anzeige die dem Einwande entge­ genstehende rechtliche Vermuthung dergestalt verstärkt, daß zur Ergänzung eines gegen diese Vermuthung nicht vollständig geführten Beweises kein Erfüllungseid stattsindcn sann60).61 62 §.51. Ist der Erklärende gestorben, ehe er nach §. 45 die vorläufige Anzeige hat machen können, so steht es seinem Erben frei, noch innerhalb dreier Monate, nach erhaltener Kenntniß von dem Dasein der Willenserklärung87), den Zwang mit der vorgedachten Wirkung anzuzeigen. §. 52. Eine Willenserklärung, woraus Rechte und Verbindlichkeiten entstehen sollen, muß ernstlich sein"). entspricht der actio rescissoria utilis in rem vel in personam, d. i. das alte Klagrecht, u. der actio quod metus causa. S. 0. Anm. 51. 56) Und die exceptio quod metus causa entgegen zu setzen; auch diese ist in rem scripta. L. 4 §. 33 D. de doli mali et met. exc. (XLIV, 4). ' 57) Durch Aufnahme des Beweises zum ewigen Gedächtnisse. Die provocatio ad agendum er­ fordert eine besondere Begründung durch Berühmung seitens des Anderen oder durch Anerkennung der Forderung des Anderen unter Behauptung von Einwendungen dagegen seitens des Provokanten, und ist daher kein hier brauchbares Mittel.

58) Jetzt dem Staatsanwalte.

V. v. 3. Januar 1849 §. 5.

59) Oder ist sie nicht nach Vorschrift des §. 46 substantiirt. Beide Bestimmungen sind nicht zu trennen, sonst, wenn die unsubstantiirte Anzeige nach §.45 allein genügen könnte, würde die Vor­ schrift des §. 46 ganz und gar überflüssig fein. So ist es aber auch in der That. Die Verf. (Suarez und Klein) haben nur die Zeitbestimmung im Sinne gehabt. Jahrb. 52 S. 3 und 66; 51 S. 3. — Ein Appellationsgericht hatte die durch Gewaltthat erzwungene Flucht eines Grundbe­ sitzers aus seinem Besitzthume für eine „sonst rechtsbeständige Willenserklärung" (§. 45) genommen, welche der Vertriebene zwar wegen Zwanges angreifen könnte, wobei ihm aber die Beweisführung durch Eidesdelation wegen unterlassener Anzeige nicht gestattet sei. Das O.Tr. hat denn die Nich'-tigkeitsbeschwerde wegen Verletzung der §§. 45 u. 49 für begründet erkannt. Erk. Hl v. 20. Sept. 1861, Entsch. 46 S. 25, Str. Arch. 42 S. 334. — (6. A.) Ist trotz unterbliebener Anzeige über den behaupteten Zwang der Eid dem Gegner angetragen, von demselben ohne Erinnerung zurück­ geschoben und demnächst abgeleistet, so ist ihm beweisende Kraft nicht abzusprechen. O.Tr. 111 v. 25. Okt. 1872, Str. Arch. 86 S. 304.

60) Die Unzulässigkeit eines nothwendigen Eides ist eben die nothwendige, sich von selbst ver­ stehende Folge der Schlußbestimmung des vorhergehenden §. 49. Wer den Beweis vollständig führen muß, kann den unvollständig ausgefallenen Beweis nicht durch sein eigenes Zeugniß ergän­ zen. Die Verstärkung der widrigen Vermuthung, erst eingeschaltet auf ein Mon. von Klein (Jahrb. 52 S. 61), ist überflüssig. 61) Oder von dem Erbanfalle, wenn er den Zwang schon vorher erfahren hatte. 62) Deshalb ist bei einer schriftlichen Erklärung, abgesehen von der vorgeschriebenen Form, die Unterschrift des Erklärenden nothwendig, sonst fehlt es an der Gewißheit, daß der Verfasser die Er­ klärung ernstlich gemeint habe. Aus diesem Grunde ist eine nicht unterschriebene schriftliche Erklä­ rung auch dann nicht gültig, wenn die mündliche Form genügen würde. Entsch. des O.Tr. i S. 88. Doch mit Unterscheidung, Der Wille ist nämlich ein inneres, an sich unwahrnehmbares Ereigniß und muß deshalb offenbart werden. Dazu dienen hauptsächlich die Sprache und die gewöhnlichen Zeichen. Dem wirklichen Entschlüsse geht aber meistens ein Zustand der Unentschiedenheit, der Er­ wägung voraus, und die Worte oder Zeichen, an sich geeignet, das vollendete Wollen erkennbar zu machen, können als Ausdruck deS unentschiedenen Zustandes gebraucht sein. Wer seinen Willen

Ernster Wille.

142

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 53—60.

§. 53. Wer über Angelegenheiten seines Berufes oder Gewerbes sich geäußert bat, dem steht die rechtliche Vermuthung, daß die Aeußerung nicht bloß zum'Schein, oder nur aus Scherz, geschehen sei, entgegen. §. 54. Eben das gilt, wenn die Erklärung in einer besondern durch die Gesetze bestimmten $orm6 3) abgegeben worden. §. 55. Ueberhaupt muß die Richtigkeit des Vorgebens, daß eine Erklärung nur zum Schein, oder nur scherzweise") geschehen sei, aus den Umständen klar erhel­ len««). §. 56. Hat Jemand einen Andern durch ungebührlichen Scherz zu Anstalten und Handlungen, die diesem lästig sind, wissentlich verleitet««), so muß er ihn des­ halb schadlos halten. durch Schrift auszudrücken beabsichtigt, kann den Inhalt zu Papiere bringen, bevor er noch mit sich selbst einig ist, er kann den beabsichtigten, doch noch nicht zur Vollendung gekommenen Entschluß entwerfen. Auf dieser Stufe kann der Gemüthszustand stehen bleiben; er geht nicht in einen ent­ schiedenen Willen über. Die Schrift, ohne Namensnnterschrift, kann in diesem Falle, für sich allein, den wahren Willen als vollendete Thatsache unmöglich beweisen. Nehme man aber hinzu, daß der Erklärende diese Schrift dem Anderen mit der Aeußerung, daß sie seinen Willen enthalte, aushän­ digte, so würde an der Gewißheit des Willens als Thatsache, auch ohne Unterschrift, kein Zweifel fein; denn kein Umstand macht erkennbar, daß der wahre Wille mit dem Ausdrucke nicht überein­ stimme. Es gilt abee der Grundsatz, daß auf den in Gedanken behaltenen, inneren Widerspruch (Mentalreservation) zwischen dem Willen und der Erklärung im Verkehre nicht geachtet wird. Um­ gekehrt kann eine selbst unterschriebene Schrift die Gewißheit des Willens nicht beweisen, so lange sie der Schreiber nicht der Gegenpart aushändigt. O.Tr. IV v. 28. Juni 1850, Entsch. 19 S. 71. Die, aus anderen Umständen äußerlich erkennbar zu machende, Nichtübereinstimmung der Er­ klärung mit dem Willen kann im Bewußtsein des Erklärenden sein, und auch nicht. In dem letz­ teren Falle steht die Erklärung unter dem Einflüsse eines Irrthums. Jene wissentliche Abwei­ chung kommt in zwei Hauptanwendungen vor: 1. wenn man gar keine Rechtshandlung will (Scherz, Uebung); 2. wenn man ein anderes Rechtsgeschäft will, als der Ausdruck bekundet, oder wenn an­ dere Personen als die genannten die Subjekte sein sollen (Simulation). In allen diesen Fällen gilt die Regel: der wahre Wille, die thatsächliche Meinung gilt, nicht daS, was die Erklärung ent­ hält. I. 11 §§. 70 bis 74. „Plus valere quod agitur quam quod simulate eoncipitur.“ Tit. C. IV, 22. (6. A.) Vgl. O.Tr. IV v. 21. März 1872, Str. Arch. 85 S. 69 u. III v. 24. Jan. 1873, Entsch. 69 S. 25 u. Str. Arch. 88 S. 18. (7; A.) Wenn vor Unterschreibung eines Notariatspro­ tokolls der Berechtigte erklärt, es sei gleichgültig, ob die Exnexuationsverpflichtung des andern Theils in demselben stehen bleibe, da er unter keinen Umständen davon Gebrauch machen werde, und wenn der sich Verpflichtende diese Erklärung annimmt, dieselbe aber in das Protokoll nicht ausgenommen wird, so fehlt es dem Niedergeschriebenen an dem übereinstimmenden ernsten Willen der'Parteien, durch welchen allein dasselbe die Bedeutung eines verbindenden Vertrages erlangen kann. O.Tr. III v. 23. Novbr. 1874, Str. Arch. 93 S. 5. — Auch gegen die exceptio rei judicatae ist der Einwand (die Replik) zulässig, daß die Erklärung, auf welcher das Judikat beruht, mit Genehmiguna deS Gegners nur zum Schein abgegeben sei. Vergl. Ges. v. 9. Mai 1855 §. 7 Nr. 2 u. §. 8. O.Tr. III v. 11. Juli 1864, Entsch. 52 S. 1, 7. (7. A.) Auch eine Auflassung kann als nicht ernstlich gemeint angefochten werden. O.Tr. III v. 31. Mai 1875, Entsch. 75 S. 22, und v. 12. Juni 1876, Entsch. 78 S. 86. 63) Die Anwendung der positiv vorgeschriebenen Ausdrucksweise (Form) für gewisse Erklärun­ gen ist das zuverlässigste Zeichen des zur Reife gekommenen Entschlusses und wahren Willens. Doch schließt die Form den Gegenbeweis nicht aus, dieser wird nur sehr überzeugend geführt werden müssen. 64) Oder zur Uebung im Sprechen, Schreiben, Deklamiren. obl. (XLV, 1).

Bergl. L. 3 §. 2 D. de verb.

65) Das ist die Thatsache, auf die es ankommt: es muß erhellen, d. h. es muß für den An­ deren äußerlich erkennbar sein; auf die innere Thatsache, daß der Handelnde oder Erklärende sich heimlich etwas Anderes gedacht, also wirklich nicht den Willen, welchen die Erklärung auSdrückt, gehabt habe (Mentalreservation), kommt nichts an. Deshalb ist weder nothwendiger Eid, noch Eidesdelation über diese innere Thatsache zulässig; wohl aber über die Umstände, wenn darüber vor dem Richter gestritten wird. O.Tr. IV v. 7. Nov. 1851, Str. Arch. 5 S. 19, wo die Ergänzung des Beweises der Simulation durch einen nothwendigen, und insbesondere durch einen ErsüllungSeid für zulässig erklärt wird.

66) Die Anwendung dieses Gesetzes müßte einen eigenthümlichen Fall haben, so, daß er weder

Bon WillenSerklärungm.

143

§. 57. Willenserklärungen werden für zuverlässig oder gewiß angesehen, wenn die Absicht des Erklärenden, ein Recht erwerben, übertragen,' oder aufheben zu wol­ len, durch Worte oder andre deutliche Zeichen ausgedrückt«7) wird. §. 58. Handlungen, aus denen die Absicht des Handelnden mit Zuverlässigkeit ®‘in%.cli= geschlossen werden kann"), werden für stillschweigende Willensäußerungen angesehen, Äsem-i§. 59. Stillschweigende Willensäußerungen haben mit den ausdrücklichen gleiche run9C,L Kraft««). §. 60. Wo die Gesetze eine ausdrückliche Erklärung zu der rechtsgültigen Form des Geschäftes erfordern, ist eine stillschweigende Willenserklärung unkräftig««'). unter das des §. 55 (s. die vor. Anm.) fiele, noch auch dem Anderen ein Versehen vorgeworfen werden könnte. Wenn klar erhellet (§. 55), daß Jemand zum Scherze oder zur Uebung Worte spricht, die fähig find, einen Willen kund zu geben, und nur der, welcher die Worte auf sich be­ zieht, blind ist; so kann er schwerlich Schadloshaltung fordern.

67) Der Titel (in margine) „gewisser Wille" ist nicht passend: er sagt eigentlich nichts Anderes als „ernster Wille" (§. 52), d. h. wahrer Wille. Hler ist aber die Ausdrucksweise, die äußere Er­ scheinung des Willens gemeint. Dieser §. 57. spricht von ausdrücklichen Willenserklärungen, lm Gegensatze von stillschweigenden §. 58. Eine ausdrückliche Willenserklärung ist nicht bloß dann vorhanden, wenn die Absicht des Erklärenden in allen ihren Wirkungen und Folgen mit be­ stimmten Worten ausgedrückt wird, sondern überhaupt dann, wenn aus dem Inhalte der Erklärung, aus den Worten in ihrem Zusammenhänge oder auS anderen deutlichen Zeichen der ernste und ge­ wisse Wille unzweideutig erhellet. O.Tr. H v. 7. Juli 1857 u. v. 27. Februar 1868, Str. Arch. 26 S. 100 u. 70 S. 10tz. 68) Es muß ein sicherer Schluß von der Handlung auf den Willen möglich sein. Z. B. die Annahme des Schuldscheines über ein Darlehn, ohne den darin ausgesprochenen Modalitäten zu widersprechen. Entsch. des O.Tr. 23 S. 19. Alsdann ist sie ein Mittel zur Erkennung deß Wil­ lens, wenn sie auch zunächst einen selbstständigen Zweck hat. „Die Annahme einer stillschweigenden Erklärung beruht also stets auf einer wirklichen Beurtheilung der einzelnen Handlung, mit'Rück­ ficht auf alle Umstände, von welchen sie begleitet ist, und diese Beurtheilung nimmt hier dieselbe Stelle ein, wie bei der ausdrücklichen die gebrauchten Worte. Nicht selten wird die Handlung für sich allein gar nicht als Willenserklärung gelten können, sondern es wird dazu der positiven Mit­ wirkung äußerer Umstände bedürfen; aber auch wo aus ihr allein ein Schluß auf den Willen in der Regel wohl begründet sein mag, kann derselbe dennoch durch entgegenwirkende Umstände entkräftet werden." v. Savigny, System 3 S. 245. (6. A. Vgl. O.Tr. 1 v. 7. Sept. 1868, Str. Arch. 72 S. 132.) Völlig beseitigt wird die Wirksamkeit einer Handlung als stillschweigender Erklärung durch Protestation und Reservation. Beispiele sind: wenn die Regulirung der Beitragspflicht einer Gemeinde zur Anlegung einer Kunststraße oder anderer öffentlicher und gemeinnütziger Anla­ gen unter Leitung und ausdrücklicher Genehmigung der Regierung als Landespolizeibehörde erfolgt, so ist hierin auch deren Genehmigung in ihrer Eigenschaft als Gemeinde-Aufsichtsbehörde enthalten. O.Tr. Hl v. 12. Juni 1854, Str. Arch. 14 S. 52. Oder: wenn eine Ehefrau den Wiederverkauf des von ihreni Ehemanne ohne ihre Vollmacht für sie angekauften Grundstücks ausdrücklich geneh­ migt, so enthält diese Genehmigung zugleich eine rechtsgültige stillschweigende Genehmigung des frü­ heren Kaufkontrakts. O.Tr. III v. 27. Febr. 1854, Str. Arch. 13 S. 28. Dagegen begründet der Umstand allein, daß der Käufer die ihm mit einer Faktura übersendete Waare ohne Vorbehalt an­ genommen hat, obwohl in der Faktura nicht derjenige, mit welchem er kontrahirte, sondern ein Dritter als Verkäufer bezeichnet ist, nicht die Verpflichtung des Käufers, diesen Dritten als seinen Verkäufer anzusehen. O.Tr. IV v. 17. Sept. 1863, Str. Arch. 51 S. 96. — (6. A.) Vgl. auch I. 12 §.612 u. I. 22 §.43 u. die Anm. daselbst. 69) In den Fällen nämlich, wo eine formlose Willenserklärung genügt. (6. A. Vgl. O.Tr. III v. 14. März 1873, Str. Arch. 88 S. 288, (7. A.) u. v. 26. Ium 1874, Entsch. 72 S. 243.) Die Eintheilung der Willenserklärungen in ausdrückliche und stillschweigende bezieht sich eben nur auf formlose im Gegensatze zu förmlichen.

69a) (7. A.) Der Begriff einer ausdrücklichen Willenserklärung bezeichnet jede durch Worte, Schrift oder Druck geschehene Aeußerung des Willens, welche unmittelbar dazu bestimmt und geeignet ist, als Ausdruck des Gewollten zu dienen, also nicht, wie die stillschweigenden Willenser­ klärungen, zur Klarstellung deS Gewollten noch einer Schlußfolgerung bedarf. Diese Definition läßt Raum für die Interpretation einer undeutlichen, aber auf ein bestinnntes Geschäft gerichteten Erklä­ rung und schließt auch nicht aus, daß eine ausdrückliche Willenserklärung nicht durch Worte, son­ dern durch untrügliche Zeichen, z. B. durch Kopfnicken auf eine gestellte Offerte geschehe. Vgl. Aus­ führung im Pl.-Beschl. deß O.Tr. v. 6. Nov. 1854, Entsch. 29 S. 51, O.Tr. in v. 19. März 1869

144

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 61—70.

§.61. Bloßes Stillschweigen wird nur alsdann für Einwilligung geachtet, wenn der Schweigende sich erklären konnte, und vermöge der Gesetze7 °) dazu verbunden war. §. 62. Wer also durch einen auf die Gesetze gegründeten7 l) richterlichen Befehl zu einer Erklärung aufgefordert wird, und sie beharrlich verweigert, dessen Erklärung wird von dem Richter, der dem Befehl beigefügten Warnung gemäß, ergänzt. Vermuthete §. 63. Soll die Absicht des Handelnden aus den Umständen bloß vermuthet ruusen. werden, so ist keine rechtsgültige Willenserklärung vorhanden. §; 64. Haben jedoch die Gesetze selbst bestimmt, was aus solchen Handlungen geschlossen werden soll, so ist die Absicht des Handelnden nach dieser gesetzlichen Ver­ muthung so lange zu beurtheilen, bis eine andere Willensmeinung desselben klar aus­ gemittelt worden7 ?). Auslegung §. 65. Der Sinn jener ausdrücklichen Willenserklärung muß nach der gewöhnerkläruugcn. lichen Bedeutung der Worte und Zeichen verstanden werden"). in Gruchot, Beitr. 14 S. 288 u. IV v. 22. Jan. 1874, Entsch. 71 S. 218 ; ferner Entsch. 72 S. 140 f.; Dernburg, Pr. Privatr. I S. 173; Förster, Theorie u. Praxis §. 34.

70) Eine Ausnahme von der Regel, daß das Stillschweigen zu Handlungen oder auf Fragen eines Anderen nicht als Zustimmung angesehen werden darf (L. 142 D. de reg. jur. L, 17; C. 44 de reg. jur. in 6. — das C. 43 ib. bezieht sich auf die Ausnahmen), kann nur durch die Pflicht, sich zu erklären, begründet werden. Solche Pflicht kann nicht etwa ein Anderer durch die Ankün­ digung: wie er das Stillschweigen auslegen werde, auflegen; denn er hat kein Recht, den Schwei­ genden zu einer Handlung zu nöthigen; nur eine Rechtsregel kann sie in gewissen Fällen auflegen, deren Ausdehnung auf andere ähnliche Fälle unzulässig ist, eben weil es sich um Ausnahmen handelt. Dergleichen Fälle der Ausnahmen sind §. 62 d. T.; L 6 §.59; I. 22 §. 43; I. 13 §§. 126 , 127; I. 11 §. 336; II. 2 §. 216. Der §. 349 I. 21 wird nicht für anwendbar auf den Fall gehalten, daß ohne rechtmäßigen Grund gekündigt wird. O.Tr. Pl. (Pr. 1988) v. 6. Mai 1848, Entsch. 16 S. 43. 71) Befehle und Warnungen, welche für den vorliegenden Fall nicht vorgeschrieben sind, bleiben wirkungslos. B. v. 14. Dezbr. 1833 §. 5 Nr. 2. 72) Der Gegensatz, auf welchen die beiden §§. 63 u. 64 sich beziehen, ist nicht richtig ausge­ drückt. Die vorhergehenden §§. 57 bis 62 gehen auf Fälle, in welchen der Wille als thatsächlich wirklich vorhanden angenommen wird. Außerdem giebt es jedoch Fälle, wo kraft einer positiven Vorschrift eine Willenserklärung angenommen wird, ohne daß der Wille als Thatsache vorhanden ist, ja ohne daß eine Handlung, aus welcher auf den Willen geschlossen werden könnte, behauptet werden kann. Diefe Willenserklärungen sind eigentlich f i n g i r t e, gewöhnlich präsumtive genannt. Auf diese, im Gegensatze zu den w i r k l i ch e n, beziehen sich diese §§. 63 u. 64. Dergleichen vermuthete Willenserklärungen beruhen nicht auf einer einzelnen Handlung, sondern auf einem dauernden per­ sönlichen Verhältnisse. Der Hauptfall ist das sog. mandatum praesumtum. Dieses wird, unter Vor­ aussetzung des bestimmten Verhältnisses, angenommen, wenn es auch ganz gewiß ist, daß der ver­ muthliche Machtgeber von der Sache gar nichts wissen kann, mithin weder eine Absicht, noch eine Handlung von ihm zu behaupten ist. I. 13 §§. 119 ff. Insofern daher die §§. 63 u. 64 die ver­ mut h e t e n Willenserklärungen an Handlungen knüpfen, ist die Bestimmung nicht zutreffend.— Der Grundsatz, daß nur die entgegengesetzte Erklärung die Fiktion endet, hängt mit derselben orga­ nisch zusammen. S. L. 40 §. 4 D. de proc. (III, 3); L. 4 §. 1 D. quibus mod. pign. (XX, 6). Vergl. I. 13 §§. 126, 127. Diese Protestation muß folglich am gehörigen Orte angebracht oder aus­ gesprochen (klar ausgemittelt, wie der §.64 sagt) sein.

73) Wenn ein als Bürge Auftretender die Bürgschaftsurkunde mit dem Zusatze „als Zeuge" unterschreibt, so ist keine Bürgschaft vorhanden; denn er hat durch die der Unterschrift beigefügte, mit dem Inhalte der Urkunde im Widersprüche stehende Einschränkung noch im letzten entscheidenden Augen­ blicke erklärt, daß er nicht Bürge sein wolle, sondern nur als Zeuge unterschreibe. O.Tr. IV v. 8. Juni 1852, Str. Arch. 4 S. 301. (6. A.) In Betreff der dem Prozeßrechte angehörenden, hier beiläufig zu erwähnenden Frage, ob die richterliche Auslegung einer Willenserklärung wegen Verletzung gesetzlicher Auslegungsregeln mit der Nichtigkeitsbeschwerde erfolgreich angefochten werden könne, schwankt die Praxis deS O.Tr. Wegen Verletzung solcher Auslegungsregeln sind Appellationserkenntnisse vernichtet durch die Erk. III v. 19. Juni 1857 u. 6. Juli 1860, Str. Arch. 38 S. 115, 123; und II v. 15. Juli 1862, das. 46 S. 199. Dagegen verwirft das Erk. IV v. 5. Mai 1868, das. 71 S. 158, eine wegen Verletzung der §§. 65—74', 147 u. 151 dieses Titels erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, weil diese Gesetzesstellen keine Rechtsgrundsütze enthalten, vielmehr lediglich aus dem Gesichtspunkte bloßer Anweisungen und Instruktionen für den Richter anzusehen seien. Die letzte Ansicht ist nicht zu billigen. Die positiven Auslegungsregeln sind Grundsätze des materiellen Rechts, deren klare Nichtachtung sonach die Nich-

145

Don Willenserklärungen.

§. 66. Die gewöhnliche Bedeutung ist nach der Zeit, wann") die Erklärung abgegeben worden, zu beurtheilen. §. 67. Ist der Sprachgebrauch nach Beschaffenheit der Person verschieden, so muß auf die Person des Erklärenden gesehen werden. §. 68. Hat Jemand seinen Willen durch einen Andern erklärt, so kommt es aus den Sprachgebrauch des Letzteren an7 5 * ),* * in * sofern derselbe nicht solcher Ausdrücke, die von dem Machtgeber bestimmt vorgeschrieben worden, sich bedient hat. §. 69. Sind, nach Beschaffenheit des Gegenstandes, besondere Ausdrücke oder Redensarten im Gebrauch7 6), so muß der Sinn der Willensäußerung diesem Ge­ brauche gemäß erklärt werden. tz. 70. Ist in der Erklärung die Absicht77) deutlich ausgedrückt, so sind zwei­ felhafte Stellen dieser Ansicht gemäß auszulegen. tigkeitSbeschwerde begründet. Unrichtig aber ist es andrerseits, wenn der Nichtigkeitsrichter, wie in den zuerst cit. Erkenntnissen geschehen, lediglich aus seiner eigenen Interpretation der Willenserklä­ rung darthun zu können meint, das angefochtene Erkenntniß habe zu seiner Auslegung nur durch Nichtachtung einer gesetzlichen Auslegungsregel gelangen können; das angefochtene Erkenntniß muß viel­ mehr, wenn es vernichtet werden soll, seinerseits eine Auslegungsregel aufgestellt haben, welche der gesetzlichen Vorschrift widerspricht. Bei solcher Sachlage hat dasR.O.H.G. am 27. Juni 1871 wegen ausdrücklicher Zurückweisung eines gesetzlich zulässigen Interpretationsmittels auf Vernichtung er­ kannt (Entsch. dess. 3 S. 1); daß die Verletzung der Rechtssätze über Interpretation die Nichtigkeits­ beschwerde begründe, erkennt derselbe Gerichtshof auch im Erk. I v. 21. Nov. 1871, Entsch. dess. 4 S. 56 (58), rm Prinzip an.

74) Das O.Tr. sagt in dem Erk. I v. 20. April 1855, Str. Arch. 17 S. 124: Hinsichtlich der Auslegung von Urkunden dienen diejenigen allgemeinen Vorschriften zur Richtschnur, welche zur Zeit des zu fällenden Urtheils maßgebend sind. Das giebt der irrigen Annahme Raum, als sei die späte Zukunft berechtigt zu bestimmen, was für ein Sinn heute mit einer gewissen Redesorn: habe ver­ bunden werden müssen. Dies maßt sich die Gesetzgebung, wie der §§. 66 zeigt, nicht an. Die Frage fällt überhaupt nicht unter die Lehre von der Anwendung der Gesetze, sondern ist thatsächlicher Natur. — Maßgebend ist neben der Zeit besonders auch der Ort, wo die Erklärung abgegeben wor­ den, oder vielmehr, wo der Erklärende einheimisch ist. Besonders gilt dies von brieflichen Erklärungen, bei welchen in der Regel auf den Sprachgebrauch deS Ortes, an welchem der Schreiber zu Hause ist, zu sehen sein wird. Auch in dem Falle, wo Jemand eine Erklärung an einem ihm fremden Orte giebt, wird erwogen werden müssen: ob der Erklärende den Sprachgebrauch desselben kannte und wahrscheinlich sich dessen bediente, oder nicht. Was hierdurch von dem Orte angemerkt, erkennt der folgende §.67 durch Bezugnahme auf die Verschiedenheit des Sprachgebrauchs nach der Person an, und zwar hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Stellung oder Herkunft. 75) Diese Auslegungsregel findet auch auf den instrumentirenden Beamten, welcher die Erklä­ rung abfaßt, Anwendung. Dies ist bestritten, weil der Richter oder Notar sich einer allgemein ver­ ständlichen Sprache bedienen solle. Allein hier handelt es sich nicht um Anwendung oder Befolgung einer gesetzlichen Vorschrift, sondern um die Ausmittelung einer Thatsache, nämlich um die thatsäch­ liche Frage: welchen wahren Gedanken der Erklärende hat ausdrücken wollen. Diese Thatsache kaun durch den Inhalt der Dienstinstruktion des Beamten nicht festgestellt werden, zumal deren gewissen­ hafteste Befolgung doch erst von der Auffassungsgabe des Beamten abhängt.

76) Jeder, welcher an dem Orte des Sprachgebrauchs Geschäfte treibt, er sei ein Einheimischer, oder ein Fremder, hat sich mit demselben bekannt zu machen oder die Folgen seiner Urkunde sich selbst zuzuschreiben; dem Anderen liegt eine Verpflichtung, ihm von dem Sprachgebrauche noch aus­ drücklich Kenntniß zu geben, nicht ob, und der Einwand, daß ihm der Sprachgebrauch nicht bekannt gewesen, ist unerheblich. O.Tr. IV v. 20. April 1858, Str. Archiv 29 S. 267. 77) Darunter ist die Wirkung zu denken, welche die Erklärung in der Zukunft hervorbringen soll; der Zweck, die Absicht unterscheidet sich von dem Grunde dadurch, daß dieser in der Vergan­ genheit liegt. Er kann, wenn er bekannt ist, zur Erkenntniß des Willens gleichfalls beitragen. Verfügt z. B. ein Vater letztwillig, daß seine beiden Söhne und Erben sich gütlich einigen mögen, wer von ihnen das zu seinem Nachlasse gehörige Gut für den bestimmten Preis übernehmen solle, und daß für den Fall, daß sie sich darüber nicht einigen wollen oder können, das Loos unter ihnen entscheiden solle, so ist darin die Absicht zu erkennen, daß er seinen Söhnen einen moralischen An­ laß zu einer brüderlichen Einigung bieten wollte. Eine Vormundschaft kann diesen väterlichen Zweck einer brüderlichen Einigung nicht erfüllen, woraus denn folgt, daß, um diesen Zweck deS Testators zu erreichen, seiner Absicht gemäß der Akt der Einigung während der Bevormundung des Einen wegen Minderjährigkeit ruhen muß, wenn auch der Majorenne, um die Entscheidung durch da- LooKoch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aust.

10

146

Irrthum.

Erster Theil.

Vierter Titel.

ZZ. 71—77.

tz. 71. Hat der Erklärende seinen Willen bei anderer Gelegenheit deutlich ge­ äußert, so muß das Dunkele einer streitigen Erklärung dieser deutlichen Aeußerung ge­ mäß verstanden werden. §.72. Ausgenommen ist der Fall, wo die Absicht, eine frühere Willenserklä­ rung durch eine spätere zu ändern, deutlich erhellet. §. 73. Unbestimmte Willensäußerungen sind nach den in den Gesehen enthalte­ nen Bestimmungen zu erklären. §. 74. Doch ist jede Willensäußerung im zweifelhaften Falle so zu deuten, daß sie nicht ohne alle Wirkung bleibe78 * * ). * §. 75. Irrthum78)80im 81Wesentlichen des Geschäftes88), oder in dem Hauptge­ genstande 8x) der Willenserklärung macht dieselbe ungültig82).

herbeizuführen, erklärt, daß er sich nicht einigen wolle, weil die künftige Willensäußerung deS noch nicht handlungsfähigen Bruders sich nicht voraussehen läßt. O.Tr. I v. 10. Juli 1863, Entsch.

50 S. 20. 78) Wenn also von mehreren an sich zulässigen Auslegungen

die eine ein Resultat giebt, die

andere nicht, so ist jene vorzuziehen. 79) Irrthum überhaupt ist der Mangel deS Bewußtseins von der wahren Beschaffenheit eines Gegenstandes. Er kann in gänzlicher Bewußtlosigkeit über denselben (Unwissenheit, ignorantia), oder in einem unrichtigen Bewußtsein (Irrthum, error) bestehen. Beide Zustände haben vor dem Rechte Gleichheit. Bon den mancherlei Beziehungen, in welchen der Irrthum in Betracht kommt, ist der­ selbe hier insofern, als er den Konsens bei wechselseitigen Willenserklärungen ausschließt, und als wesentlich bezeichnet wird, Gegenstand der Gesetzgebung. Insofern er sich auf den Beweggrund einer Willenserklärung bezieht, ist davon später Rede (§§. 149, 150). Unter wesentlichem Irrthume wird nicht der Irrthum gemeint, welcher sich auf den ganzen Willen bezieht, z. B. wenn aus Gedan­ kenlosigkeit etwas, ganz Anderes ausgesprochen oder unterschrieben als gemeint wird, denn dabei fehlt der Wille gänzlich; sondern es wird darunter derjenige Irrthuni verstanden, welcher in einem ein­ zelnen Theile deS Willens vorfällt. Für wesentlich gilt der Irrthum, welcher sich auf die Natur deS Rechtsgeschäfts, oder aus den Gegenstand desselben (§§. 75, 77), oder auf die Person des anderen Theiles (§. 76) bezieht. Der Irrthum des Erklärenden vernichtet eine gerichtlich aufgenommene Willenserklärung auch dann, wenn die sie aufnehmenden Gerichtspersonen die Worte des Erklärenden richtig gefaßt und protokollirt haben. Der Nachweis, auf welche Weise der Irrthum entstanden sei, ist hierbei nicht un­ bedingt erforderlich. O.Tr.l v. io. März 1856, Str. Arch. 20 S. 261. (7. A.) Vgl. auch O.Tr. I v. 22.Sept. 1873, Str. Arch. 92 S. 36. —- Hier, im §. 75, ist nur ein thatsächlicher Irrthum, nicht auch ein Rechtsirrthum gemeint. O.Tr. I v. 5. Ian. 1853, Str. Arch. 8 S. 153. In glei­

cher Art ist schon in einem früheren Erk. v. 10. Juni 1847, Rechtsf. 1 S. 247, ausgeführt, daß nach 8. 75 d. T. nur Irrthum in erheblichen Thatsachen unter Umständen eine Willenserklärung ungültig mache, nicht Irrthum, der aus Mangel der Kenntniß gesetzlicher Vorschrift entstehe. Allein der Grundsatz: error juris nocet, stützt sich immer nur aus die allgemeine Vorschrift im §. 12 der Einleitung, und nur um solche Gesetze handelte es sich in jenen Urteln und Rechtfällen. Dieser Grundsatz findet daher auf den Irrthum über ein Erbrecht nach einem Gewohnheitsrechte und über eine darüber abgegebene irrthümliche Willenserklärung keine Anwendung, ein solcher Irrthum ist ein faktischer. O.Tr. I v. 19. Febr. 1864, Entsch. 51 S. 41, Str. Arch. 53 S. 153.

80) Der Gedanke, welcher mit dem „Wesentlichen des Geschäfts" ausgedrückt werden soll, ist nicht klar. Man versteht unter dem wesentlichen Irrthume im Geschäfte den Irrthum, welcher sich auf die Natur des Rechtsgeschäfts bezieht. Dieser Irrthum kann auf zweierlei Weise Vorfällen. Ein­ mal so, daß der Eine ein in Wahrheit gemeintes Geschäft anbietet, und der Andere, in Folge eines zweideutigen oder mißverstandenen Ausdruckes, ein anderes anzunehmen glaubt, z. B. wenn Einer eine Sache zum Kauf anbietet, der Andere aber Miethe versteht und annimmt. Hier irrt Keiner im Wesentlichen des Geschäfts, aber Jeder irrt in Beziehung auf die Erklärung deS Anderen, und deshalb fehlt der Konsens, folglich entsteht keine Verbindlichkeit. Dann kann der Irrthum auch so erschei­ nen, daß der Eine einen Kauf antragen will, aber dieses, aus Unbeholfenheit, in solchen Ausdrücken erklärt, unter welchen man eine Miethe abschließt. Dieser Fall steht jenem gleich. Ohne Zweifel werden diese Fälle unter dem „Wesentlichen des Geschäftes" verstanden. 81) Der einfachste Fall ist der, wo Jeder eine andere Sache meint. Der Eine verkauft in seinem Sinne seine schwarze Stute, und der Andere meint dessen schwarzen Hengst. Ebenso der Irrthum der Parteien bei Abschluß eines Kaufvertrages, daß das dem LehnSverhältmsse unterworfene Grund­ stück im fteien Eigenthume deS Verkäufers stehe: in beiden Fällen betrifft der Irrthum nicht einen

Don Willenserklärungen.

§• 76. welchen aus den erhellet, würde ^2). §. 77. oder Sache

147

Ein Gleiches gilt von einem Irrthume in der Person desjenigen, für der Willenserklärung ein Recht entstehen soll, sobald aus den Umstän­ daß ohne diesen Irrthum die Erklärung solchergestalt nicht erfolgt sein Auch Irrthum in ausdrücklich vorausgesetzten Eigenschaften der Person vereitelt die Willenserklärung^).

bloßen Fehler in den Eigenschaften der Sache, sondern den Hauptgegenstand der Willenserklärung. O.Tr. Hl v. 9. Mai 1853, Str. Arch. 9 S. 154. (Error in corpore.) Daraus entsteht kein Rechts­ verhältniß, das gilt auch von einem Theile eines Begriffsganzen. Bei Sachen, die nach Gattung und Quantität bestimmt werden, gestalten sich die Fälle verwickelter und deshalb oft zweifelhaft. Wird über die Gattung geirrt, so ist der Fall dem vorigen ganz gleich; stimmt man jedoch in der Summe aus Mißverständnis nicht überein (was beim Briefwechsel in undeutlicher Schrift öfter vorkommt), so ist, je nach der Natur des Geschäftes, die Erklärung bald gültig, bald ungültig. Sie ist gültig auf den Betrag der Summe, über welche beide Erklärungen Zusammentreffen (auf die geringste von bei­ den verschiedenen Summen), wenn die Quantität für sich allein, ohne Beziehung aus eine Gegen­ leistung, Gegenstand der Erklärung ist, da, wer 20 zum Geschenke anbietet, wovon der Andere "aus Mißverständniß nur 10 angenommen, auch diese Zehn angeboten hat. L. 1 §. 4 D. de verb. obi. (XLV, 1). In dem zweiten Falle gilt die Erklärung dann, wenn der, von welchem die Summe gefordert wird, mehr zusagt, auf den Betrag der geringeren Summe, denn diese wollen Beide (consensus); sie gilt gar nicht, wenn er weniger verspricht. L. 52 D. loc. (XIX, 1). Die Behauptung, daß eine schriftliche Erklärung mit dem wahren Willen des Erklärenden im Widersprüche stehe, d. h. anders niedergeschrieben worden sei (was bei der Abfassung durch Andere, namentlich bei Aufnahme von Protokollen über die Erklärungen einfältiger Landleute gar oft vor­ kommt), enthält die Behauptung eines Irrthums, keineSweges die einer mündlichen Nebenabrede. Pr. deS O.Tr. ohne Datum im Schles. Arch. 3 S. 283. Ist für sich klar. 82) Dieser Grundsatz gilt von Willenserklärungen jeder Art, also auch von Vergleichen. Da­ her kann ein Erb- oder SchichtungSrezeß, wenn er als Privattheilung nach den Regeln von Ver­ gleichen zu beurtheilen ist, gemäß §. 417 Tit. 16 wegen eines Irrthums in dem Wesentlichen des Geschäftes oder in dem Hauptgegenstande desselben, nicht aber nach §. 418 ebend. wegen eines vor­ gefallenen Irrthums über die Beschaffenheit des streitigen Rechts selbst, d. h. über die Beschaffenheit der der Schichtung unterworfenen gemeinschaftlichen Masse, z. B. ob gewisse streitige Grundstücke ihrer Substanz nach mit zur Schichtung zu ziehen waren, oder nicht, — angefochten werden. O.Tr. I v. n.Febr. 1861, Str. Arch. 40 S. 263. Vergl. unten Anm. zu §. 418 Tit. 16 u. O.Tr. in v. io. Okt. 1870, Str. Arch. 79 S. 267. (7. A.) „Ungültig", d. h. hier soviel als anfechtbar, nicht absolut wirkungslos, nichtig. Denn nach I. 5 §§. 186—188 können diejenigen Einwendungen, welche sich auf den Mangel einer freien und ernstlichen Einwilligung beziehen, durch späteres uneingeschränktes Anerkenntniß mit rückwir­ kender Kraft gehoben werden, der Irrthum begründet also nur Einwendungen gegen die Gültig­ keit der Willenserklärung. Hieraus folgt zugleich, daß nur der Irrende selbst zur Anfechtung einer Willenserklärung wegen Irrthums befugt ist. O.Tr. III vom 10. Januar 1876, Str. Arch. 94 S. 347, 355. 83) Also wenn nicht die Person des Anderen gleichgültig ist, wie z. B. bei Käufen auf Märkten. Soll aber gerade mit einer bestimmten Person, die man vielleicht nicht kennt, kontrahirt werden, und es tritt eine andere auf, so kommt keine gültige Willenserklärung zu Stande. So, wenn Jemand einen bestimmten geschickten Werkführer in seinen Dienst nehmen will und den Kontrakt mit einer anderen gleichnamigen Person abschließt. Freilich muß diese abweichende Richtung des Willens „aus den Umständen erhellen". Bergl. oben die Anm. 62 u. unten Anm. zu §. 417 Tit. 16.

84) Der hier in Betreff der Person vorausgesetzte Fall ist von dem vorhergehenden (Anm. 83) darin verschieden, daß die richtige Person vor uns steht, daß sie aber, nach der Verabredung, gewisse Eigenschaften haben soll, die ihr in der That fehlen. — Für den die Eigenschaften der Sache be­ treffenden Irrthum ist der Ausdruck: error in substantia (L. 9 §. 2 D. de contr. ernt. XVIII, 1) oder in materia (L. 9 §. 2; L. 11 pr.; L. 14 D. eod.) nicht erschöpfend, denn der Stoff ist nicht der alleinige Gegenstand, aus welchen sich der Irrthum beziehen muß, um die Wirkung eines error in corpore zu haben. Der §.77 verweiset durchaus sachgemäß auf die „ausdrücklich vorausgesetzten Eigenschaften" der Sache und läßt nur den Irrthum, aber diesen auch ohne weitere Unterscheidung, für wesentlich gelten, welcher sich auf eine solche bezieht. Dadurch werden eine große Anzahl von Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten beseitigt, welche das G.R. über diesen Irrthum auszuweisen hat. Es ist an sich willkürlich, welche Folgen man dem Irrthume in Eigen­ schaften beilegen will, aus juristischen Gründen folgt die Nichtigkeit an sich nicht. Deshalb ist dem A. L.R. Beifall zu geben. Es kommt nicht auf die Verschiedenheit deS Stoffes an stch, auch nicht darauf: ob die Sache, nach den im gemeinen Verkehre herrschenden Begriffen, zu einer anderen Art

148

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 78—84.

§. 78. In allen diesen Fällen (§§. 75, 76, 77) bleibt die Willenserklärung ungültig, auch wenn der Erklärende den Irrthum hätte vermeiden sönnen85 * * ).*86 *** ' §.79. Ist jedoch derselbe durch eigenes grobes oder mäßiges Versehen in den Irrthum gerathen, und der Andere hat nicht gewußt, daß der Erklärende sich irre, so ist der Erklärende zum Ersatz des durch seine Schuld entstandenen Schadens88) ver­ pflichtet. §. 80. Ist von beiden Seiten ein vermeidlicher Irrthum vorgefallen, so findet von keiner Seite eine Entschädigung statt.

gerechnet wird; sondern lediglich darauf an: ob eine Sache von einem bestimmten Stoffe oder von einer gewissen Eigenschaft gefordert worden ist. Z. B. man will ausdrücklich männliche Perlhühner kaufen und der Händler überliefert, selbst im Irrthume über das (für Nichtkenner unkennbare) Ge­ schlecht, lauter weibliche. Dieses Geschäft ist, wie bei dem Irrthume in corpore, nichtig. (6. A.) Auch die Größe der Sache kann eine ausdrücklich vorausgesetzte Eigenschaft sein. O.Tr. III v. 22. Mai 1871. 85) Die Willenserklärung bleibt ungültig, mithin muß sie von Anfang ungültig sein. Dar­ an- könnte man entnehmen wollen, daß eine absolute Nichtigkeit gemeint werde. Dieser Punkt ist unklar, ebenso wie die Auffassung und Darstellung mancher Rechtslehrer vor dem A. L.R., welche die verschiedenen Gestalten und Beziehungen des Irrthums nicht scharf oder nicht richtig unterschie­ den. Der error in corpore hat entschieden Nullität zur Folge; der Irrthum in der Person auch. Hinsichtlich des letzteren trifft man schon auf widersprechende Meinungen, dadurch verursacht, daß dem Irrenden in vielen Fällen die Person gleichgültig ist, mithin gar nichts daran liegt, die Un­ gültigkeit zu rügen und in ihren Folgen durchzuführen. Der Irrthum in Eigenschaften (in substantia) hat nur au- einer positiven Gleichstellung mit dem error in corpore nach R.R. Nichtigkeit zur Folge; diese Folge verschwindet aber oft, weil hier, wie bei der Person deS Anderen, der Irrende in manchen Fällen kein Interesse dabei hat. Deshalb gehen auch in Beziehung auf diesen Irrthum die Meinungen durcheinander. Die Fassung des L.R. hat darin nichts gebessert. Nach der Natur der Sache muß in den Fällen der §§.75 u. 76 Nichtigkeit eintreten, wegen Mangels des Konsenses. Dessen waren sich die Pers, wohlbewußt: Suarez äußerte mit Bezug'auf diesen §.78, daß doch immer ein defectus in consensu da sei, der error möge vincibilis oder invincibilis sein, und daß deshalb der Kontrakt, wozu Jemand durch einen solchen Irrthum verleitet worden, nicht gültig sei. Bei der Verleitung durch Irrthum denkt er zwar an den Beweggrund, während bei dem error in corpore und in persona das Sachverhältniß ganz ein anderes ist; indeß sagt er doch den in diesen Fällen wirkenden richtigen Grund, der es unmöglich macht, einen Kontrakt al- existent anzu­ nehmen. Die Folge deS unbestimmten Ausdruckes im Gesetze ist eine schwankende Praxis. Das O.Tr. meint, nach einer Entscheidung gegen die Natur der Sache, daß ein Irrthum über die Natur des Geschäftes oder in dem Hauptgegenstande die Willenserklärung nur ungültig (angreifbar von Seiten des Irrenden durch eine Rescisstonsklage), aber keineswegs absolut nichtig oder ipso jure nicht existent mache; der §.75 solle nur die persönlichen Rechte des Irrenden wahren; ob aber der Irrende davon Gebrauch machen wolle, stehe nur bei ihm. (Central-Bl. 1843 Col. 359.) Das läßt sich sehr wohl von dem error in substantia (§. 77) sagen, denn hierbei ist die wirklich gemeinte Spe­ zies der Gegenstand einer bewußten Willenserklärung, mithin ist der Konsens in der That vorhan­ den; in jenen Fällen (§§. 75 u. 76) aber fehlt der Konsens thatsächlich ganz und gar. Die Verf. deS L.R. glaubten mit dieser Bestimmung etwas ganz Neues einzuführen. Suarez äußert über die §§. 78—80: „Diese Sätze sind neu; ich halte sie aber für nothwendig. Die DD. sagen: error, qui evitari potuit et debuit, erranti nocet. Dieser Satz ist richtig; eS folgt aber nicht daraus, daß der Kontrakt selbst, wozu Jemand durch einen solchen Irrthum verleitet worden, gültig sei. Dies kann niemals angenommen werden, weil immer ein defectus in consensu da ist, der error mag vincibilis oder invincibilis sein. Aber das folgt daraus, daß ein solcher Irrender den anderen Theil indemnisiren muß, der den Irrthum nicht gewußt, auf seine Willenserklärung sich verlaffen und seine Maßregeln darnach genommen hat." Bornemann i S. 347 Anm.*. Jenes sagen nicht allein die DD., sondern eine große Anzahl von Stellen des R.R., z. B. L. 9 §. 2 D. de juris et facti ignorantia (XXII, 6): „sed facti ignorantia ita demum cuique non nocet, si non ei summa negligentia objiciatur.“ Allein dieser Grundsatz bezieht sich gar nicht auf den sog. wesentlichen Irrthum: die Willenserklärungen, bei welchen ein solcher vorfällt, sind nicht aus dem Grunde deS Irrthums, sondern weil der Wille fehlt, nichtig, mag der Irrthum vermeidlich gewesen sein, oder nicht. L. 9 §. 2; L. 11 pr. D. de contrah. ernt. (XVIII, 1); v. SaVigNy, System 3 §§. 135, 138. Nur auf den unwesentlichen Irrthum bezieht er sich. Zufällig stimmt daher daS L.R. mit dem R.R. in den Hauptpunkten überein. 86) Dieser kann stets nur ein mittelbarer sein.

Die Satzung ist neu.

S. die vor. Anm.

Don Willenserklärungen.

149

§.81. Irrthum in solchen Eigenschaften der Person oder Sache, welche dabei gewöhnlich vorausgesetzt werden, entkräftet ebenfalls die Willenserklärung8?). §. 82. Doch besteht dieselbe, wenn der Irrende durch eigenes grobes oder mäßi­ ges Versehen seinen Irrthum veranlaßt |>at8 8). §. 83. Durch Irrthum in andern Eigenschaften oder Umständen wird die Wil­ lenserklärung niemals vereitelt89 87).90 88 §. 84. In keinem Falle aber kann derjenige, welcher einen Irrthum wissentlich und vorsätzlich veranlaßt99) hat, daraus ein Recht erwerben. 87) (6. A.) Ueber das Verhältniß dieser Bestimmung zu I. 5 §. 325 f. vergl. O.Tr. ui v. 24. Febr. 1872, Entsch. 69 S. 135. Die Zahlungsunfähigkeit des Bestellers ist keine Eigenschaft der Person im Sinne des §. 81. O.Tr. IV v. 2. März 1871, Str. Arch. 80 S. 304. 88) Sei er der Empfänger, oder der Geber. Vergl. das in der Anm. 81 angef. Erk. v. 9. Mai 1853. — Anwendungen: §. 19 d. T.; I. 5 §. 330; I. 16 §. 39 ; I. 21 §. 6. 89) Dadurch ist der wichtige röm. RechtSsatz, daß kein Irrthum, außer dem wesentlichen (und den beigefügten Erweiterungen), die Gültigkeit der Erklärungen aufhebt, anerkannt. Eine Aus­ nahme macht der Irrthum aus Trunkenheit, wenn der Andere diesen Zustand veranlaßt hat. §91. Dieser Fall gehört jedoch in das Kapitel vom Betrüge. Anm. 95 zu §. 91.

90) S. oben Anm. 15 zu I 3 tz. 15. Betrug ist, nach dieser Definition, wissentliche, d. h. dem Urheber bewußte, und vorsätzliche, d. h. beabsichtigte — zum Nachtheile des Anderen beabsichtigte — Veranlassung eines Irrthums. In dieser Gestalt ist der Betrug eine unsittliche Verletzung des, dem menschlichen Verkehre zu Grunde liegenden, allgemeinen Vertrauens. (Dolus malus, frans.) Der Be­ griff setzt positive Thätigkeit deö Betrügers voraus. Daraus folgt die Regel, daß nur ein auf solche Weise hervorgebrachter Irrthum berücksichtigt wird, aber auch dann berücksichtigt wird, wenn er an und für sich ganz unerheblich ist. Hat z. B. der Verkäufer den Gründern einer Aktiengesellschaft die Sache zu einem niedrigeren, als dem in dem Prospekte bezeichneten und von den Aktionären zu zah­ lenden Preise verkauft und mit den Gründern verabredet, daß, unter Geheimhaltung des verein­ barten niedrigeren Kaufpreises, die Preisdifferenz unter denselben vertheilt werden solle; so ist dieser Kaufvertrag, der Aktiengesellschaft gegenüber, als durch Betrug veranlaßt, unverbindlich. O.Tr. UI v. 18. Febr. 1861, Str. Arch. 42 S. 6. Oder haben die Käufer verschiedener Zechen und Muthungen einem Dritten, unter Angabe eine- weit höheren, als des wirklichen Erwerbspreises derselben, das Anerbieten gemacht, bei dem Ankäufe sich mit einer bestimmten Summe zu betheiligen und mit ihnen und anderen Interessenten über diese Grundstücke in der Art zu disponiren, daß solche einer zu gründenden Aktiengesellschaft für einen höheren Preis für gemeinschaftliche' Rechnung übertragen wer­ den sollten; so kann der Dritte, wenn er dies Anerbieten angenommen und demgemäß nnt einem bestimmten Kapitale bei dieser Erwerbsgesellschaft sich betheiligt hat, diesen Vertrag wegen betrüglicher Verleitung zu einem wesentlichen Irrthume widerrufen. O.Tr. IV v. 24. April 1862, Str. Arch. 46 S. 65. — Eine Ausnahme ist es, wenn das bloß leidende Verhalten, nämlich das wissent­ liche, stillschweigende Dulden und Benutzen eines nicht von dem Betrüger hervorgebrachten Irrthums Einfluß auf die irrthümliche Willenserklärung hat. Diese Ausnahme gilt aber in solchen Rechtsver­ hältnissen, wo Einer von dem Andern besondere Treue, Redlichkeit und Aufrichtigkeit zu erwarten berechtigt ist. So bei gewagten Geschäften. I. li §§. 540, 541; II 8 §§. 2024—2029. Vergl. L. 43 §. 2; L. 35 §. 8 D. de contr. ernt. (XVIII, 1); L. 11 §.5 D. de act. emti (XIX, 1). Das O.Tr. III hat in einer Entscheidung v., 17. Febr. 1860, Str. Arch. 36 S. 226, gesagt: „Der civilrechtliche Dolus kann auch durch wissentliche Verheimlichung von Thatsachen begangen werden, sofern sich ersichtlich der andere Kontrahent darüber im Irrthume befand, der erste Kontrahent aber wußte oder nach den Umständen annehmen mußte, daß sie auf dessen Willensbestimmung von un­ zweifelhaftem Einflüsse sein könnten." Das ist insofern richtig, als der Dolus im Allgemeinen in einer positiven, oder in einer omissiven Handlung bestehen kann. Vergl. oben Anm. 15 zu §. 15 Tit. 3. Aber die rechtlichen Folgen sind nicht in allen Fällen die gleichen. Wenn z. B. Jemand ein rotziges Pferd auf den Markt bringt, was sich ein Jeder besehen kann, die Krankheit aber nicht anzeigt, so ist er sicher in Dolo. Aber dieser Dolus reicht hin, den Handel wegen Betruges anzufechten. Deshalb ist eben der Grundsatz deö ädilitischen EdiktS eingeführt und dem unvorsichtigen Käufer (denn der Rotz ist bei genauer Untersuchung erkennbar, wenn aber auch nicht) ist das ädilitische Rechts­ mittel gegeben. Dies gilt, wenn daS kranke Individuum als einzelnes Stück oder mit anderen ein­ zelnen Stücken zusammen verkauft wird; eS gilt aber nicht, wenn ein Inbegriff von Sachen ver­ schiedener Art z. B. ein Landgut mit seinem Inventar, wie es steht und liegt, in Pausch und Bogen feil geboten und verkauft wird. DaS O.Tr. macht aber von seinem Lehrsätze Anwendung auf einen solchen Landgutsverkauf in Pausch und Bogen. Es waren unter dem Zugvieh 4 rotzige Pferde ge­ wesen. Diese Anwendung ist irrig. Die ädilitische Klage fand nicht statt, wie das O.Tr. selbst aus­ führt. Eine selbstständige BetrugSklage (Anm. 15 Nr. 3 zu §. 15 Tit. 3) war auch nicht zu begrün-

Betrug.

150

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 85—98.

§. 85. Vielmehr ist jede durch Betmg veranlaßte Willenserklärung9 *) für den Betrogenen unverbindlich. . §. 86. Nicht nur den Betrogenen, sondem auch Andere, die bet einem solchen Irrthume Schaden leiden, muß der Betrüger entschädigen. §. 87. Ist die Willenserklärung zwar nicht durch Betrug veranlaßt, aber doch der Erklärende zu einem Irrthume bei derselben9 vorsätzlich verleitet worden, so hängt es von der Beschaffenheit dieses Irrthums, an und für sich betrachtet, ab, ob und wie­ weit die dadurch veranlaßte Erklärung nach obigen Grundsätzen bestehen könne, oder nicht. (§§. 75 — 83.) §. 88. Wenn aber auch hiernach die Willenserklärung in Ansehung des Haupt­ geschäftes besteht, so muß dennoch der Erklärende, wegen des aus dem Irrthume ent­ standenen Nachtheils, von dem Betrüger entschädigt werden. §. 89. Hat ein Dritter den Erklärenden ohne Zuthun des Andern, zu dessen Gunsten die Erklärung geschieht, hinteraangen, so entscheidet ebenfalls die Beschaffen­ heit des Irrthums, zu welchem der Erklärende verleitet worden, ob derselbe an seine Willenserklärung, in Ansehung des Hauptgeschäftes, gebunden sei, oder nicht. (§§. 75 —83)93 * * ). *94 * * * * * * * * 91 92 §. 90. Wegen der von dem Betrüger beiden Theilen zu leistenden Entschädigung hat es bei der Vorschrift der §§. 86, 88 sein Bewenden9^). §.91. Wer, auch ohne die Absicht, den Andern zu hintergehen, ihn durch Trunk, oder Erregung heftiger Leidenschaften, in einen solchen Zustand versetzt, wo den, weil der Verkäufer den Betrug nicht veranlaßt hatte und ein Ausnahmefall (s. diese Anm. oben) nicht vorhanden war. Die ausgesprochene Vernichtung deS Appellationserkenntnisses auf Grund jeneS Satzes in diesem Falle war daher ungerechtfertigt. — Zum Beweise genügt die auf Verstellung oder Verfälschung der Wahrheit gerichtete Handlung. Entsteht daraus, nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge, Nutzen für den Handelnden und Nachtheil für den Anderen, so ist, nach einem logischen Ge­ setze, anzunehmen, daß dieses beabsichtigt worden sei. — (6. A.) Der veranlaßte Irrthum muß sich auf gegenwärtige Zustände beziehen. Die getäuschte Erwartung, daß der Andere ein für die Zukunft gegebenes Versprechen halten werde, enthält einen solchen Irrthum nicht. O.Tr. III v. 16. Mai 1870, Str. Arch. 78 S. 240. — (7. A.) Der §. ist angewendet auf den Fall einer von dem Vermiether selbst veranlaßten Unpünktlichkeit in der Zahlung des MiethSzinseS von dem O.Tr. III in dem Erk. v. 28. Sept. 1874, Entsch. 73 S. 57.

91) Jede ohne Unterschied, ob der Irrthum wesentlich, oder unwesentlich, vermeidlich, oder un­ vermeidlich war. — Die Veranlassung der Willenserklärung ist, in dem hier vorausgesetzten Falle, nicht eigentlich der Betrug, sondern Irrthum deS Erklärenden. §. 89. Der Irrthum muß — und das ist es, was das Gesetz hier fordert — durch die unsittliche Einwirkung deS Anderen entstanden sein. Diese thatsächliche, in die äußeren Sinne fallende Einwirkung ist der Gegenstand des Beweises für den, welcher seine Erklärung auf Grund des Betruges anfechten will. Die Verjährung hängt mit dem zuständigen Klagerechte zusammen. Gegen den anderen Theil kann die auS dem Rechts­ geschäfte, daS an sich gültig ist, entspringende Klage gebraucht werden; gegen den Dritten (§. 86) nur die actio doli, welche nach I 6 §. 54 in 3 Jahren erlischt. 92) Bei derselben. Die Willenserklärung selbst, im Ganzen , beruht nicht auf Irrthum, aber nebenher, in Beziehung auf gewisse Einzelheiten oder Theile deS Willens, ist ein Irrthum vorgefallen, der seine Entstehung in der böswilligen Einwirkung deS Anderen hat. Dann kommt es daraus an, welchen Einfluß dieser Irrthum an und für sich hat; der Betrug ist ohne Einfluß auf die Gültigkeit der Willenserklärung. S. §. 88. 93) Im Falle der Irrthum ein wesentlicher ist, treten die Folgen und ohne Rücksicht auf den Betrug, ein, auch in Ansehung Dritter: es ist alsdann in Wahrheit nicht vorhanden. S. oben die Anmerkung 79-85. Der gute Dritten hat auf die Zulässigkeit der Vindikationsklage niemals Einfluß; nur Gegenforderungen deS Vindikationsbeklagten ist er maßgebend.

Wirkungen desselben, eine Willenserklärung oder böse Glaube deS in Beziehung auf die

94) Ist der durch einen Dritten ohne Wissen deS anderen Kontrahenten hervorgebrachte Irrthum unwesentlich, so ist daS Rechtsgeschäft unanfechtbar und der Betrogene kann sich, wegen des erlittenen Nachtheiles, nur mit der actio doli an dem Betrüger erholen. Von dem Anderen hat er gar nichts zu fordern. Auch das läßt sich im Allgemeinen nicht bestimmen: ob ihm gegen den Anderen die Be­ reicherungsklage (actio in factum) zustehe. Der Umstand, daß der Betrüger zur Entschädigung un­ fähig ist, genügt für sich nicht zur Begründung derselben.

151

Don Willenserklärungen.

er seine Handlungen und deren Folgen nicht mehr richtig zu beurtheilen vermag "), der kann aus den in solchem Zustande abgegebenen Erklärungen desselben kein Recht erlangen. §. 92. Doch muß der, welcher auS diesem Grunde (§. 91) seine sonst rechtsbe­ ständige 9 6) Willenserklärung anfechten will, solches binnen acht Tagen nach Abgebung derselben"), der Vorschrift des §. 46 gemäß, gerichtlich anzeigen. §. 93. Ist diese Anzeige unterblieben, so kann in der Folge auf den Einwand keine Rücksicht genommen werden99). §. 94. In sofern die Gesetze einer Art von Willenserklärung keine bestimmte ÄÄ Form vorgeschrieben haben, ist jede99) Aeußerung derselben, bei welcher die Erforder- rangen, niffe §§. 2, 3, 4 anzutreffen sind, gültig. §. 95. Ist aber dergleichen Form in den Gesetzen ausdrücklich bestimmt, so gilt davon alles das, was wegen der Form der rechtlichen Handlungen überhaupt festgesetzt ist. (Tit. 3, §.40 sqq.) §. 96. Bloße auch an sich gültige Willenserklärungen sind, für sich allein, die Wirkung Erwerbung, Uebertragung oder Aufhebung eines Rechts zu bewirken, in der Regel"9) bertc noch nicht hinreichend. §. 97. Was hinzukommen müsse, um einer Willenserklärung die volle recht­ liche Wirkung zu verschaffen, ist nach den verschiedenen Arten derselben in den Gesetzen besonders bestimmt. §. 98. Willenserklärungen, zu welchen Jemand in den Gesetzen selbst oder von 95) Ueber die Dogmengeschichte der in den §§.91—93 enthaltenen Bestimmung s. m. Koch, Anleitung zur preuß. Prozeßpraxis Th. I §. 34 Nr. 3, und die dort angeführten Schriftsteller. Vgl. ferner o. Anm. 41 zu §. 30 u. Anm. 39 zu §. 28. — Auch wenn der Erklärende in den Zu­ stand der Trunkenheit in dem hier vorausgesetzten Grade doloser Weise versetzt worden ist, muß die vorgeschriebene Anzeige rechtzeitig gemacht werden, wenn die Erklärung aus dem Grunde der Trun­ kenheit angefochten werden soll. Ist der Erklärende zugleich auch durch Betrug im Sinne des §. 85 veranlaßt worden, so steht ihm die Anfechtung auS diesem selbstständigen Grunde frei, er kann dabei aber auf den anderen Einwand, daß er m dem, im §. 91 erwähnten Grade betrunken gewesen sei, überhaupt nicht weiter zurückkommen. O.Tr. I v. 27. Mai 1861, Entsch. 45 S. 52.

96) Die Willenserklärung, welche mit Bewußtsein gegeben worden, ist recht-beständig, wenn auch der Erklärende die Folgen nicht übersieht, mag dieses in einer Gedankenlosigkeit, oder in einem Rausche seinen Grund haben. Aber wenn der Andere der (physische oder intellektuelle) Urheber, mit oder ohne betrügerische Absicht, ist; so soll dem Erklärenden Schutz gegen die Wirkungen seiner Wil­ lenserklärung, auf Verlangen, gewährt werden, doch nur unter der beigefügten Bedingung. Hat er ohne fremde Mitwirkung sich in den fraglichen Zustand versetzt, so kann er seine Erklärung gar nicht angreifen, gleichwie Niemand mit dem Vorwande gehört werden darf, daß er sich die Sache nicht überlegt habe. Anders bei bewußtlosem Zustande. S. o. §§. 29 und 30. 97) „Darunter ist nur eine einwöchentliche, auS sieben Tagen bestehende, nicht eine Frist von vollen acht Tagen zu verstehen." O.Tr. Pl. (Pr. 2632) v. 2. Juli 1855, I.M.Bl. S. 327; Entsch. 31 S. 189. Veral. §. 1635 Th. II Tit. 8 und das Pr. 2560. — Die hier vorgeschriebene Anzeige darf auch dann nicht unterbleiben, wenn die Trunkenheit von dem Gegner in betrüglicher Absicht hervor­ gebracht worden ist. O.Tr. I v. 27. Mai 1861, Entsch. 45 S. 52, u. m v. 11. Mai 1866, Str.Arch. 63 S. 183. — Dle Vorschrift des §. 92 gilt auch nicht im Falle der gänzlichen, den Gebrauch der Vernunft aushebenden Trunkenheit. Denn dann ist die Willenserklärung von Anfang nichtig und wird nicht durch die Unterlassung jener Anzeige geheilt. O.Tr. III v. 14 Juli 1854, Str. Arch. 14 S. 150. — Vorausgesetzt ist, daß nicht natürliche Hindernisse dazwischen treten, wodurch der An­ fang des Fristenlaufs ausgeschlossen wird. Hat der Lauf einmal begonnen, so tritt keine Unterbre­ chung ein, gleichwie bei einem Fatale. Tritt Tod vor dem Ablaufe dazwischen, so kommt den Er­ ben die UeberlegungSfrist zu gut.

98) Der Einwand oder vielmehr daS Schutzmittel geht verloren, nicht etwa nur die BeweiSlast wird verändert, wie im Falle des Zwanges §§. 49, 50. Vgl. Leyser, Med. sp. 59 m. 3 und sp. 348 m. 1. 99) Also auch die stillschweigende. Bergl. §§. 59 und 60. (6. A.) S. auch O.Tr. in v. 27. Ja­ nuar 1871, Str. Arch. 80 S. 276. 100) Ausnahmen macht z. B. die Einräumung eines Untersagungsrecht-,

i. 7 §. 87.

152

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 98—103.

dem Richter, vermöge gesetzlicher Vorschriften, aufgefordert worden, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit keines weitern Zusatzes 101). Bedingung»), §. 99. So weit Jemand über eine Sache verfügen kann, so weit kann er auch seiner Willenserklärung darüber Bedingungen beifügen. §. 100. Eine Willenserklärung ist bedingt, wenn das daraus entstehende Recht von einem Ereigniß"*), welches eintreffen oder nicht eintreffen soll, abhängig gemacht worden. ’) Wchie§.101. Ist die Bedingung in der Art beigefügt, daß durch den Eintritt dersel­ ben die Erwerbung des Rechts 103) erst vollendet werden soll, so heißt sie eine auf« schiebende"«) Bedingung. 101) Die Erklärung wird in diesen Fällen fingirt.

*) (6. A.) Vgl. Wendt, die Lehre von den bedingten Rechtsgeschäften, Erlangen 1872. 102) DaS Ereigniß muß das wesentliche Erforderniß der Ungewißheit haben, wenn es eine Be­ dingung sein soll. Deshalb kann nur ein künftiges Ereigniß eine wahre Bedingung sein, wie es auch durch das „eintreffen soll" angedeutet wird. Vergangene Ereignisse machen dre Erklärung nicht zur bedingten, aber die Wirksamkeit derselben ist wegen der im Bewußtsein der Parteien liegen­ den Ungewißheit gehindert, weshalb die Erklärungen mit einem dergleichen Zusatze, Aehnlichkeit mit den bedingten haöen. S. u. §§. 140ff. Der Zusatz: „wenn der Berechtigte es verlangt", ist gar keine Bedingung (O.Tr. II v. 6. Nov. 1849, Entsch. 18 S. 151), weil kein Ereigniß. So wenig durch den Zusatz: „wenn der Verpflichtete will", ein bedingtes Rechtsverhältniß begründet werden kann, da vielmehr gar keins zu Stande kommt (§.108 d. T. u. Anm. dazu), ebenso wenig wird das verabredete Rechtsverhältniß durch den Zusatz: „wenn der Berechtigte die Leistung verlangt", ein be­ dingtes, da es vielmehr die Auflage enthält, daß der Verpflichtete sich jeden Augenblick nach dem Winke deS Berechtigten zur Leistung bereit halten muß: die Verabredung vertritt den Zahlungster­ min und die Kündigung. — Zweifelhaft ist die Bestimmung in einem Assekuranzvertrage: daß jeder nicht innerhalb sechs Monate nach dem Unfälle festgestellte oder nicht vor den Richter gebrachte Ent­ schädigungsanspruch erloschen sei. Man hat darüber gestritten: ob darin eine Bedingung, oder die Verabredung einer kürzeren Verjährung enthalten sei. Das O.Tr. hat, im Einverständnisse mit den vorinstanzlichen Richtern, eine Bedingung gefunden. Erk. v. 25. Ian. 1849, Entsch. 17 S. 361. Auch Erk. IV v. 13. Mai 1851, Str. Ärch. 2 S. 130. Doch wird es unklar gelassen: ob eine auf­ schiebende, oder eine a u f l ö s e n d e. „Der Entschädigungsanspruch" — heißt es — „beruht nicht darauf, daß ein Brand eingetreten ist, sondern darauf, daß dieser Brand die versicherten Ge­ genstände betroffen hat. Dieses Ereigniß mit der hinzutretenden Maßgabe, daß die Existenz und der Betrag des Schadens binnen 6 M. festgestellt oder binnen dieser Frist die richterliche Feststellung nach­ gesucht worden, ist es, welches den Anspruch begründen soll." — „Das konkurrirende Ereigmß, von dessen Eintritte das Recht abhängig gemacht worden, ist die erfolgte Feststellung, oder in deren Er­ mangelung die Anstellung der Klage binnen der verabredeten Frist." Damit ist offenbar eine aufschiebende Bedingung' gemeint. Als entsprechende Stellen aber, welche hiernach von dem Appell­ richter nicht verletzt sein sollen, werden die §§. 114, 115 bezeichnet, welche von der auflösenden Bedingung handeln. Die Begründung ist aber auch dem Wortlaute der Verabredung widersprechend, indem hiernach die Entschädigungsforderung mit Ablauf der Frist erloschen sein soll, so daß die Absicht der Betheiligten nicht auf eine suspensive, vielmehr auf eine resolutive, wenn überhaupt auf eine Bedingung gerichtet gewesen ist. Ein Recht, welches noch gar nicht existent geworden, kann nicht erlöschen. Die Feststellung des Schadens ist keine wahre Bedingung, sondern gehört zur Be­ stimmung des Quantums der Forderung, die durch den Feuerschaden aus dem BersicherungSkontrakte entstanden ist; die Fristbestimmung ist gleichfalls keine Bedingung, folglich enthält die Verabredung gar keine Bedingung. — Vergl. unten die dritte Anm. zu §. 565 Tit. 9. 103) D. i. die Entstehung des Rechtsverhältnisses.

104) Nach der Art der Einwirkung der Bedingungen auf das Rechtsverbältniß theilt man die­ selben in aufschieb ende (suspensive), wenn dadurch der Anfang, und in a u f l ö s e n d e (resolutive), wenn das Ende des Rechtsverhältnisses dadurch bestimmt werden soll (§. 114). Diese Einteilung ist die wichtigste. Das L.R. hat auch die Kunstausdrücke der heutigen Juristen beibehalten; das R.R. hat dafür keine. (6. A.) Vgl. Enneccerus, Begriff und Wirkung der Suspensivbedingung rc., I. Hälfte, Göttingen 1871. Eine praktische Frage begegnet hier. Gewöhnlich wird sie ganz allgemein so gefaßt: ob, bei zweifelhaftem Ausdrucke, nur eine aufschiebende, oder eine auf lösende Bedingung anzuneh­ men sei, oder mit anderen Worten: woran der Richter die Absicht der Parteien erkennen solle. Diese thatsächliche Frage hat jedoch ein beschränktes Gebiet. Man kann nämlich den Endzweck der Reso­ lutivbedingung, d. i. Beendigung des Rechtsverhältnisses, auch dadurch erreichen, daß das Ereigniß

Von Willenserklärungen.

153

§. 102. Der unter einer aufschiebenden Bedingung Berechtigte muß, ehe er das Recht ausüben kann, die Wirklichkeit des Ereignisses abwarten 105). §. 103. Inzwischen darf der bedingungsweise Verpflichtete zum Nachtheil des dem Andern zugedachten Rechtes nichts vornehmen. umgekehrt und als Suspensivbedingung auögedrückt wird. Dann ist die Frage: welche Art von Be­ dingung gemeint worden ist, eine thatsächliche, die durch Auslegung gelöst werden muß. Eine verwandte Rechtsform, welche den Zweck der Resolutivbedingung hat, ist ein angehängter Nebenvertrag unter Suspensivbedingung, wodurch die Herstellung des früheren Zustandes verabredet wird. Man nennt dergleichen Nebenabreden „Geschäftsklauseln" und eine Klausel, welche den Zweck der Resolutivbedingung hat, Kassationsklausel, clausula cassatoria. (Vergl. unten Anm. 115 ju §. 114 d. T., u. die Anm. zu §. 761 Tit. U.) Ein solcher Nebenvertrag unterscheidet sich von der Bedin­ gung wesentlich dadurch, daß er nur eine Obligatton begründet, während vermöge der Bedingung der frühere Zustand von selbst eintritt. Ob die Parteien eine Resolutivbedingung oder einen derar­ tigen Nebenvertrag gewollt haben, ist gleichfalls eine faktische Frage. Das R.R. kennt in dieser Be­ ziehung keine allgemeine Präsumtion; nur bei der addictio in diem und der lex commissoria ver­ muthet es für eine Bedingung und bei der retrovenditio für einen Nebenvertrag. Neuere Juristen wollen eine allgemeine Präsumtion für den Nebenvertrag aufstellen (Sell, von bedingten Traditio­ nen, Zürich 1839, S. 220 ff.); Andere geben die Auslegungsregel, daß verba directa aus eine Be­ dingung , und verba obliqua auf ein pactum objectum deuten. Das L.R. folgt keiner dieser Meinungen. Der wahre Wille der Parteien muß durch Auslegung gefunden werden. (6. A.) Beispiel bei einer Hypothek, die bei nicht pünttlicher Zinszahlung vorzeitig kündbar wird: O.Tr. Hl v. 7. März

1873, Str. Arch. 88 S. 258. 105) Während des Zustandes der Unentschiedenheit (ubi conditio pendet) ist noch gar kein Recht vorhanden; es ist nur eine solche Vorbereitung getrosten, daß die künfttge Entstehung desselben ledig­ lich von der Willkür der Betheiligten nicht mehr abhängig ist. Dieser unbestimmte Satz deS R. R. (§. 4 J. de verb. obl. III, 16) ist unverändert hier ausgenommen. Vergl. I. 11 §. 258 u. I. 12 §. 491. Darin unterscheidet sich wesentlich die Suspensivbedingung von der Zeitbestimmung. §. 165 d. T. — Der bedingt Berechtigte ist aber, während dieses Zustandes, schon berechtigt, in Fällen, wo Umstände eintreten, welche Gefährdung des künfttgen Rechts besorgen lassen, Sicherstellung zu fordern. I 14 §. 5. — Er hat schon vor Eintritt der Bedingung einen Titel zu dem ihm zuaedachten Rechte, mit­ hin, sofern eine Sache Gegenstand dieses Rechtes ist, ein Recht zur Sache. O.Tr. IV v. 15. Jan. 1867, Str. Arch. 67 S. 35, Der ungewisse Zustand kann sich in Gewißheit verwandeln, entweder so, daß das Ereigniß ein­ tritt (conditio existit, conditio impleta oder expleta, erfüllte Bedingung), oder so, daß das Nicht­ eintreten des Ereignisses gewiß wird (deficit conditio, vereitelte Bedingung). Diese Gewißheit tritt z. B. ein mit Ablauf der bestimmten Zeit, oder durch eintretende Unmöglichkeit des Ereignis­ ses , etwa Tod dessen, welcher handeln soll. Kommt das Recht durch Eintritt der Bedingung zum Dasein, so entsteht die Frage: ob die Wirkung auf den Tag des eingegangenen Rechtsgeschäfts zurückzubeziehen ist. Das L.R. entscheidet die Frage nicht, und nach dem R.Ä. ist man darüber nicht einig. Das Richtige ist, daß man als Regel die Rückwirkung annimmt und nur Ausnahmen macht. 1. Ist eine Sache auf einen beding­ ten Vertrag voraus tradirt, so ist der Empfänger unterdeß Verwalter (I. u §. 259), doch wird, wenn das Ereigniß eintritt, dieses Verhältniß ganz wegfallen und sein Eigenthum zurückbezogen werden müssen, wie nach L. 8 pr. D. de peric. (XVIII, 6), L. 9 §. 1; L. 11 §. 1 D. qui pot. (XX, 4). Sell, von bedingten Traditionen, S. 157. Wenn aber die Sache zufällig untergeht und darauf das Ereigniß eintritt, so ist nach den Grundsätzen des L.R. das ganze Geschäft vernichtet, wegen Unmöglichkeit der Erfüllung. 2. Nach denselben Grundsätzen entscheidet sich die Frage über Heraus­ gabe der Früchte. Nach G.R. ist sie streitig. 3. Bei der bedingten Erbeseinsetzung', sowie bei dem bedingten Legate findet keine Rückwirkung statt; für die Zwischenzeit (pendente conditione) tritt der Jntestaterbe und beziehlich der Erbe als Eigenthümer und Nutznießer ein. I. 12 §§. 480—483. Nach R. R. ist eS anders. Bei der Erbesemsetzung tritt Rückwirkung ein, bei Legaten gleichfalls hinsichtlich des Eigenthums, L. 11 §. 1 D. quemadmodum servit. (VIII, 4), L. 150 D. de cond. (XXXV, 1), L. 3 §. 3 C. comm. de leg. (VI, 43), nicht aber hinsichtlich der Nutznießung, in Be­ ziehung auf welche die Bedingung zugleich als Fristbestimmung angesehen wird. L. 22 pr. D. quando dies (XXXVI, 2). Iss von den Betheiligten keine Zeit festgesetzt, innerhalb welcher die Entscheidung eintreffen soll, so kann keineswegs eine richterliche Ergänzung, durch analoge Anwendung der für die Zeit der Er­ füllung einer Verbindlichkeit gegebenen Vorschrift der §§. 61 u. 230 I. 5 stattfinden, da die wesent­ liche Voraussetzung der Analogie, die Ähnlichkeit zwischen beiden Verhältnissen gänzlich fehlt. Dort ist von Erfüllung einer Verbindlichkeit Rede, hier handelt eS sich um die der freien Bestimmung der Betheiligten anheimgegebene Entstehung eines RechtS. Auch der Fall deS bedingten Legats, dessen Bedingung auf die Willkür deS Beschwerten gestellt ist, ist unähnlich. L 12 §.495. (6. A.) Die

154

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 104—112.

§. 104. Hängt die Bedingung von einem bloßen Zufalle ab, so dürfen weder der Berechtigte, noch der Verpflichtete, ein Jeder bei Verlust seines Rechts, etwas vornehmen, wodurch das Eintreten des Zufalls hervorgebracht oder verhindert roirb106 * * ). §. 105. Hängt die Bedingung von einer freien Handlung des Berechtigten oder eines Dritten ab, und hindert der Verpflichtete vorsätzlich, daß die Bedingung nicht zur Wirklichkeit gelangt, so ist dieselbe in Ansehung seiner für erfüllt zu achten 107).108 §. 106. Ein Gleiches findet statt, wenn der Verpflichtete durch Betrug oder an­ dere unerlaubte Mittel den Entschluß bewirkt, nach welchem die Bedingung fehlschlägt. §. 107. Wenn aber der Verpflichtete sich erlaubter Mittel zur Bewirkung dieses Entschluffes bedient hat, so ist er dem Berechtigten dafür nicht verantwortlich"«). §. 108. Ist die aufschiebende Bedingung so beschaffen, daß sie von einer ganz Festsetzung einer Frist braucht aber nicht ausdrücklich zu geschehen, es genügt, wenn sie sich auS der Lage der Sache ersehen läßt. O.Tr. IV v. 20. Oft. 1870, Str. Arch. 78 S. 368. 106) D. h. die Bedingung gilt für erfüllt oder für vereitelt, je nachdem es dem dolose Einwirkenden nachtheilig ist. S. auch §. 119 b. X. Es ist der tönt. Rechtssatz: jure civili receptum est, quotiens per eum, cujus interest conditionem non impleri, fiat, quo minus impleatur, perinde haberi, ac si impleta conditio fuisset. L. 161 D. de reg. jur. (L, 17); L. 24 D. de cond. (xxxv, 1) und viele andere Stellen. — Ein Beispiel unpassender Anwendung dieses §. s. in Anm. zu Tit. 11 §. 869. 107) Ist z. B. die Rechtsverbindlichkeit einer Verabredung von dem Ausfälle des gutachtlichen Ermessens eines Dritten abhängig gemacht, so ist darin eine Bedingung, kein Kompromiß enthalten. O.Tr. IV v. 24. Sept. 1857 , Str. Arch. 37 S. 61. Vergl. §. 72 Tit. 5 u. §§. 13 ff., 48 Tit. 11. — Der Dolus ist der Grund der Fiktion; die Absicht muß auf Herbeiführung der Entscheidung aus Eigennutz, nämlich um den Vortheil zu behalten, gerichtet sein. L. 38 D. de statulib. (XL, 7). Das hat auch das O.Tr. angenommen und deshalb eine solche Absicht darin allein nicht gefunden, daß die Kontrahenten denjenigen Vertrag aufheben, von welchem das bedingte Recht eines Dritten abhängig ist. Erk. IV v. 28. Januar 1858, Str. Arch. 27 S. 256. DaS O.Tr. ist jedoch bei dieser Äuffassung nicht geblieben, es hat später angenommen und darnach erkannt, daß unter dem vorsätzlichen Hindern nur ein Vornehmen zu verstehen sei, welches an sich den hindernden Er­ folg hat, und daß dabei eine auf die Hinderung des Eintretens der Bedingung gerichtete Absicht nicht erforderlich sei. Erk. I v. u. Sept. 1863, Entsch. 50 S. 24, u. Str. Arch. 51 S. 78. Quod non verum. Wohl zu unterscheiden ist der unrichtige Rechtssatz von der Feststellung der Thatsache, daß die fragliche Absicht bei dem Vornehmen vorhanden gewesen sei. Die Absicht ist sinnlich nicht wahrnehmbar und muß aus dem „Vornehmen" und sonstigen Umständen gefolgert werden. 108) Diese Beschränkung der Rechtsregel ist neu. Sie entspricht auch dem RechtSgrunde dersel­ ben, daß der Betheiligte, welcher die Zufälligkeiten der Bedingung willkürlich aufhebt, dadurch keinen Vortheil haben soll, nicht. Ohne die Erläuterung, welche Suarez in der Revision der Mon. rc. giebt, ist es auch dunkel, was eigentlich gemeint sei. Er sagt: „z. E. dem Kandidat Titio sind ioo Thlr. vermacht, wenn er die Pfarre zu A. erhalten sollte. Casus, der Erbe, gleichfalls ein Kandidat, be­ wirbt sich um eben diese Pfarre, und erhält dieselbe durch erlaubte Mittel. Soll er dann doch noch Titio das Legat bezahlen? Ich würde sagen: Verhindert er durch Mittel oder Anstalten, welche die Gesetze mißbilligen, daß die Bedingung rc^" Das Monitum war gegen die Folgen der vorsätzli­ chen Verhinderung (§. 105) gerichtet. DaS Beispiel zeigt, daß der Fall, für welchen die Bestim­ mung gegeben ist, nicht unter die dolose Verhinderung gehört. S. die vor. Anm. 107. Klein trat dem Monitum im Wesentlichen bei und meinte: Das zur Bedingung gemachte Ereigniß solle entweder in einem bloßen Zufalle, oder in einer willkürlichen Handlung bestehen. Im ersteren Falle dürfen weder der Verpflichtete noch der Berechtigte einwirken. Sei die Willkür deS Verpflichteten zur Bedingung gemacht, so trete §. 108 ein. Beruhe die Bedingung auf der Handlung des Berechtigten selbst oder eines Dritten, so sei die eigentliche Verhinderung jederzeit unerlaubt; mixta qualitas conditionum mache hier keinen Unterschied. Es blieben also nur die Fälle zu entscheiden übrig, wo der Andere nicht gehindert worden sei zu handeln, sondern nur BewegungSgründe erhalten habe, sich so und nicht anders zu entschließen. Alsdann komme die von S. angegebene Regel zur Sprache; denn in dem angeführten Falle werde der Kollator nicht verhindert, dem Berechtigten die Stelle zu geben, sondern nur durch Gründe bestimmt, es nicht zu thun. ES ständen also folgende Sätze fest: Wenn der Verpflichtete die Erfüllung oder den Eintritt der Bedingung vorsätzlich hindert, so ist dieselbe in Ansehung seiner für erfüllt zu achten. Ein Gleiches findet statt, wenn er durch Betrug oder andere unerlaubte Mittel den Entschluß bewirkt, auf welchem die Bedingung beruht. Wenn der Verpflichtete durch erlaubte Mittel den Entschluß befördert, welcher daS Ausbleiben

Von Willenserklärungen.

155

unbestimmten109 * * * )110 Willkür * des Erklärenden oder dessen, welcher durch die Erklä­ rung verpflichtet werden soll, abhängt, so hat die Erklärung selbst gar keine rechtliche Wirkung. §. 109. Ist zwar ein bestimmtes Ereigniß, aber nur ein solches, dessen Eintref­ fen oder Nichteintreffen an sich von dem freien Willen des Erklärenden oder Verpflich­ teten abhängt, zur Bedingung gesetzt, so kann der Begünstigte den Verpflichteten nicht hindern "°), über den Gegenstand der Erklärung, so lange dies Ereigniß noch nicht eingetroffen ist, nach Gutbefinden zu verfügen. §. 110. Setzt durch dergleichen Verfügung der bedingungsweise Verpflichtete sich selbst außer Stand, bei künftig eintretendem Ereigniß der Erklärung zu genügen, so kann der Berechtigte, welcher in Rücksicht dessen bereits etwas gegeben oder geleistet hat»"), vollständige Schadloshaltung dafür fordern. §. 111. Kann zur Zeit des wirklich eintretenden Ereignisses der Erklärung noch genügt werden, so hat der Berechtigte ein unbedingtes Recht darauf erworben 112). §. 112. Ist ein Vortheil, der einem Dritten verschafft werden soll, zur Bedin­ gung gemacht worden, so muß auch diese schlechterdings erfüllt werden"9). der Bedingung zur Folge hat, so wird er dadurch dem Berechtigten nicht verantwortlich. S. 66. Diese drei Sätze finden fich im Wesentlichen in den §§. 106—107 wieder.

Jahrb. 52

109) Durch diesen Ausdruck soll ohne Zweifel der klare röm. Rechtssatz bestätigt werden, wonach die Bedingung „si velit“ daS Dasein eineS Rechtsverhältnisses ganz verhinderte, nicht allein bei ein­ seitigen Verpflichtungen (L. 17, 45 §. 3; L. 108 §. 1 D. de Verb. obl. XLV, 1; L. 7 pr. D. de contr. emt. xviii, i), sondern auch bei wechselseitigen Verträgen (L. 7 pr. eit.; L 13 C. de eontr. ernt. IV, 38), mit alleiniger Ausnahme des KauPS ad gustum (L. 34 §. 5 D. eod.; tz. 4 J. de emt. III, 23). Dagegen war die Bedingung, welche auf eine bestimmte freie äußere Handlung deS Verpflichteten gestellt war, allerdings rechterzeugend. Darauf gründet sich die Gültigkeit ^der Konventionalstrafen und des legati poenae nomine relicti. L. un. C. de bis quae poenae (VI, 41); §§. 35, 36 J. de legatis (II, 20). Nichts deutet darauf hin, daß der Berf. des L.R. etwas Ab­ weichendes hiervon haben einführen wollen; im Gegentheile: die Wirksamkeit der Konventionalstrafen ist allgemein anerkannt und namentlich ist die Bedingung derselben, wenn der Verpflichtete eine ge­ wisse bestimmte Handlung nicht unterlassen würde,'für gültig erklärt. I 5 §. 303. Hiernach ist anzunehnten, daß unter der „ganz unbestimmten Willkür" die allgemeine Bedingung: „wenn er will", verstanden wird, daß hingegen eine in die Willkür deS Verpflichteten gestellte ganz bestimmte Handlung oder Unterlassung eine wirksame Bedingung ist. DieS erhellet auS dem Gegensatze deS folgenden §. 109. Diese Art von Bedingungen heißen in unseren Rechtsquellen c. potestativae (Potestativbedingun­ gen) L. un. §. 7 c. de cad. toll. (VI, 51), und man theilt hiernach alle Bedingungen in casuales, potestativae und mixtae. Das L.R. hat diese Terminologie nicht. 110) Ist bloße Anwendung des Grundsatzes §. 102. Dieser erleidet dadurch, daß die Bedingung auf eine willkürliche Handlung des Verpflichteten gestellt ist, keine Aenderung.

in) S. d. folg. Anm. a. E. 112) Die beiden §§. HO u. in regeln das Klagrecht, welches dem Berechtigten zusteht, wenn das Recht durch daS Eintreffen der Potestativbedingung zum Dasein kommt. Drei verschiedene Fälle können eintreten. Der Verpflichtete hat den Gegenstand noch in seiner Gewahrsam: dann ist das Verhältniß ganz einfach; eS wird die aus dem Rechtsgeschäfte entspringende Klage auf Einräumung des Gegenstandes angeweudet. Oder der Verpflichtete hat den Gegenstand nicht mehr; dieser ist im Besitze eines Dritten. Oder der Gegenstand ist vernichtet, oder unerreichbar. In dem zweiten Haupt­ falle hat der Dritte daS Rechtsverhältniß gekannt, oder nicht gekannt. Hat er eS gekannt, so muß er die analoge Klage aus dem Rechtsverhältnisse gegen fich gelten lassen und die Sache unentgeltlich herausgeben. 1. 10 §. 25, Verb, mit §. 103 d. T. Hat er es nicht gewußt, so tritt der dritte Hauptfall ein. In diesem fordert der Berechtigte, mit der dem Rechtsverhältnisse eigenthümlichen Klage, Entschädigung, und zwar, zufolge §. 110, vollständige. Doch ist diese Forderung des Interesses ausdrücklich an den Fall gebunden, wo der Berechtigte auf das bedingte Geschäft bereits etwas gegeben oder geleistet hat. Wo nicht, fällt das Klagrecht ganz weg, daS folgt aus dem argumento a contrario. Darin liegt denn eine Beschränkung der aufgenommenen röm. Rechtsregel (Anm. 109): das Rechtsverhältniß wird in diesem Falle durch die Willkür des Verpflichteten ganz vereitelt, es kommt gar nicht zur Entstehung.

156

b) Auflö­ sende.

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 113—120.

§. 113. Es kommt also dem bedingungsweise Berechtigten nicht zu Statten, wenngleich der Dritte den Vortheil ausschlägt, oder sich selbst an dessen Erlangung hindert"^). §. 114. Ist eine Bedingung in der Art beigefügt, daß durch den Eintritt dersel­ ben die Wirkung der Willenserklärung wieder aushören soll, so heißt solches eine auf­ lösende Bedingung*"), §. 115. Der unter einer auflösenden Bedingung Berechtigte verliert sein Recht mit dem Augenblick116 113 ), 114wo 115die Bedingung zur Wirklichkeit gelangt. 113) Das zu diesem §. eingetragene Pr. 1571 des O.Tr. gehört nicht hierher, sondern zu I5 §. 74. S. die Anm. dazu.

114) Nach R. R. gilt die Bedingung für erfüllt (die Erfüllung wird fingirt), wenn der Dritte, zu dessen Bortheile die Bedingung gemacht ist, den Vortheil ausschlägt oder sonst die Erfüllung hindert. Ulpian II §, 6$ L. 5 §.5 D. quando dies (XXXVI, 2); L. 78 pr., 14, 31 D. de cond. (XXXV, 1); L. 3, 11, 23 D. de cond. instit. (XXVIII, 7). Die beiden §§. 112 u. 113 bestimmen das gerade Gegentheil von dieser Regel. Dadurch ist eine gleiche Wirkung dieser Bedingung für alle Fälle eingeführt, während nach R. R. in dem Falle, wo die Zuwendung des Vortheils zusällig unmöglich geworden, etwa weil der Dritte verstorben war, bie Bedingung für vereitelt galt (L. 31, 94 pr.; 72 §. 7 D. de cond.; L. 23 tz. 2 D. ad L. Aquil. IX 2; L. 4 C. de cond. VI, 46); wogegen in jenem Falle, wo der Wille des Dritten hinderte, die Erfüllung fingirt wurde.

115) S. o. die Anm. 104 zu §. 101 und Anm. 102 zu §. 100. Mit einer solchen Bedingung kann auch zugleich eine Konventtonalstrafe verbunden werden, doch find dann die Folgen von beiden wohl zu unterscheiden. M. s. den praktischen Fall in Entsch. deS O.Tr. 15 S. 264. Die Definition, welche der §. 114 von der „auflösenden Bedingung" giebt, ist korrekt, schützt je­ doch nicht vor Verwechselung mit verwandten Willenserklärungen. In einem Kolonatkontrakte war bestimmt: der Kolon dürfe bei Vermeidung der Entsetzung aus dem Kolonate kein Eichenholz aus dem dazu gehörigen Busche fällen. Er that dies aber doch. Der Gutsherr machte nun sein Recht, den Kolonen abzumeiern, geltend. Der Kolon widersprach, weil jene Verabredung als Bestimmung einer Konventtonalstrafe anzusehen sei, die jedoch ungültig, da solche den doppelten Betrag des In­ teresses des Verpächters übersteige. DaS O.Tr. erklärt in dem Erk. II v. 28. März 1865, Str. Arch. 57 S. 278, die Bestimnung für eine auflösende Bedingung und sagt: „Eine Bedingung, durch de­ ren Eintritt die Wirkung der Willenserklärung wieder aufhört, die also das Rechtsverhältniß ganz auflöst, ist, wenn sie sich auch als Strafe heraüsstellt wie hier, doch wesentlich verschieden von einer Konventionalstrafe, welche im Voraus das Interesse bestimmt, das ein Kontrahent dem andern bei nicht gehörig geleisteter Erfüllung des Vertrages zu vergüten hat. Die Konventtonalstrafe ist eine Nebenabrede, bei welcher das Hauptgeschäft in Kraft bleibt, während die Resolutiv-Bedingung das Hauptgeschäft in der Wurzel trifft." Der angegebene Unterschied zwischen Resolutiv-Bedingung und Konventionalstrafe mag richtig sein, berührt aber die vorliegende Verabredung nicht, denn diese ent­ hält weder die Beifügung einer Resolutivbedingung, „durch deren Eintritt (also ipso jure) die Wirkung der Willenserklärung wieder aufhören soll", noch eine Konventionalstrafbestimmung, sondern eine jener Nebenabreden, welche man „Geschäftsklauseln" nennt, und zwar hier diejenige, welche dem Gutsherrn, unter der bestimmten Voraussetzung das Recht giebt, von dem Vertrage vor der Zeit wieder abzugehen (clausula cassatoria): die bezeichnete That oder Unterlassung soll für ihn ein vertragsmäßiger Aufhebungsgrund sein, durch den Eintritt des Falles hört die Wirksam­ keit deS Vertrages noch nicht aus, dies geschieht erst mit dem Augenblicke, wo der Berechtigte dem Anderen gegenüber erklärt, daß er von seinem Rechte Gebrauch machen wolle und daher die Räu­ mung verlange; es steht lediglich bei ihm, die Kontravention zu übersehen, in welchem Falle das Verhältniß unverändert fortdauert. Anders bei der Resolutivbedingung. Deren Eintritt wirkt so, wie ein vertragsmäßig festgesetzter bestimmter Endtermin. Mit dessen Eintritt erlischt das Rechts­ verhältniß ipso jure, in Beziehung auf beide Theile, es bedarf dazu von keiner Seite einer Willens­ erklärung, die faktische Fortsetzung deS Verhältnisses wird nicht mehr durch die Bestimmungen des er­ loschenen Vertrages beherrscht; um dieses zu bewirken, bedarf eS einer neuen Vereinbarung, sei sie eine ausdrückliche, oder, wo sie rechtlich stattfindet, eine stillschweigende (Prolongation). — Bergl. oben Anm. 104 Abs. 3 und unten die Anm. zu §. 761 Tit. u.

116) Bon Anfang steht das an eine Resolutivbedingung geknüpfte Rechtsgeschäft einem unbe­ dingten gleich. DaS Eintreffen der Bedingung aber wirkt von selbst eine völlige Vernichtung des­ selben; daS Recht oder Eigenthum fällt an den Berechtigten (in Beziehung auf welchen die Bedin­ gung als eine suspensive aufgefaßt werden kann, für die Erwerbung deS Gegenstandes) ohne neue Rechtshandlung zurück, und alle inzwischen von dem bisher berechtigt Gewesenen vollzogenen, an sich gültigen Veräußerungen und Belastungen erlöschen gleichfalls von selbst. I. 19 §. 33 ; L. 41 pr. D. de rei vind. (VI, 6); L. 4 §. 3 D. de in diem addict. (XVIII, 2); L. 3 D. quid. mod.

Von Willenserklärungen.

157

§. 116. Erhellet aber aus den Umständen, daß das Recht, beim Eintritt der Bedingung, als ungültig, von der Zeit der Einräumung an, habe angesehen werden sollen117 * * * ), * so müsten auch die bisher gezogenen Nutzungen wieder herausgegeben werden112).119 120 §. 117. Soll die auflösende Bedingung von einem bloßen Zufall abhängen, so findet die Vorschrift §. 104 Anwendung. §. 118. Ist die Bedingung von dem freien Willen desjenigen, dem bei ihrem Eintritt der Vortheil zusallen soll ,19), abhängig gemacht, so verliert der Andere das unter einer auflösenden Bedingung erhaltene Recht von der Zeit an, da sich Jener sei­ ner19 °) Befugniß bedient121). §. 119. Beruht die Bedingung auf einer freien Handlung dessen, der bei ihrem Eintritt das Recht verlieren soll, oder eines Dritten, und hat der, welchem alsdann das Recht zufallen soll, durch Betrug oder andere unerlaubte Mittel den Entschluß, durch welchen die auflösende Bedingung wirklich wird, veranlaßt; so wird in An­ sehung seiner angenommen, daß die Bedingung nicht eingetreten sei122).123 §. 120. Ist Jemanden ein Recht oder Vortheil unter der Bedingung, daß er seinen verwittweten Stand nicht ändere, eingeräumt worden, so kann derselbe, wenn er sich wieder verheirathet, die gezogenen Nutzungen herauszugeben, niemals angehal­ ten werden122). pignus (XX, 6). (6. A. Bergl. Czyhlarz, Zur Lehre von den Resolutivbedingungen, Prag 1871.) Die Vindikationsklage gegen den Dritten ist keineswegs bedingt durch dessen guten Glauben, sondern nur die Frage: welche Gegenforderungen der Besitzer hat, ist davon abhängig. Aber jura in re er­ löschen nicht, wenn sie redlich erworben find. Unten Anm. zu §♦ 33 Tit. 19. 117) Aus den Umständen des Rechtsgeschäfts muß dies erhellen, d. h. die Absicht der Betheilig­ ten muß durch Auslegung ermittelt werden; eine Beweisführung über die angebliche, außerhalb der Willenserklärung zu suchende, Absicht ist unzulässig. — Bon der Zeit der Einräumung, oder von einem späteren Zeitpunkte an. O.Tr. IV v. 9. März 1858, Entsch. 38 S. 17. 118) Der gedruckte Entwurf §. 95 II. 1 wollte in allen Fällen der Auflösung durch Eintritt der Resolutivbedingung die Herausgabe der Nutzungen. Das wurde im Widersprüche gefunden mit dem Grundsätze: daß das Recht in dem Augenblicke des Eintritts verloren geht. §. 115. Höchstens — meinte man — könnte man jenes nur dann gelten lassen, wenn die auflösende Bedingung der­ gestalt conditio sine qua non war, daß man sieht, derjenige, welcher das ZUS conditionatum einge­ räumt hat, würde solches gar nicht gethan haben, wenn er an den Fall gedacht hätte, daß die con­ ditio resolutiva jemals zur Wirklichkeit gelangen möchte. Darauf ist konkludirt: approbatum. Suarez, Revis, der Monita re. in Jahrb. 52 S. 5.

119) Ist dieser der ursprüngliche Andere, so treten alle Wirkungen einer eingetroffenen Resolu­ tivbedingung ein, sobald der Andere seinen Willen, dem Verpflichteten gegenüber, erklärt, oder die Handlung vollzieht, z. B. heirathet. Ist derselbe aber ein Dritter, welcher dem ursprünglichen Rechts­ geschäfte nicht mit Zustimmung beider Theile beigetreten ist; so kann, wenngleich ihm em Recht, etwa durch Cession des Berechtigten, übertragen worden ist, der Eintritt der Bedingung doch nicht derge­ stalt wirken, daß z. B. das Eigenthum ipso jure auf ihn überginge. Denn unmittelbar aus dem Rechtsgeschäfte hat er gar kein Recht, und der Berechtigte kann kein anderes Recht cediren, als er selbst hat, dieses aber besteht nicht darin, daß der Gegenstand an ihn zurückkehren soll, sondern nur darin, zu fordern, daß der Dritte solchen erhalte. Mittelst der Cession gelangt daher der Dritte nur zu dieser Forderung. Es muß daher zwischen ihm und dem Verpflichteten eine, zur Uebertragung des Gegenstandes geeignete, neue Rechtshandlung (Tradition oder Cession) vollzogen werden. Von da an erlöschen die in der Zwischenzeit vorgenommenen Veräußerungen und Belastungen von selbst. 120) „Seiner". fehler ist.

In der Ausgabe von 1817 heißt es „einer", waS augenscheinlich ein Druck­

121) Oder durch unerlaubte Mittel seitens des Anderen verhindert wird, sich seiner Befugniß zu bedienen. S. o. Anm. 106 zu §. 104. — Suarez erläutert die Bestimmung so: „Z. E. der Testa­ tor hat gesagt: Titio vermache ich mein Haus; wenn aber mein Erbe Cajus heirathen sollte, so soll ihm Titius das Haus zurückgeben." Jahrb. 52 S. 68. 122) S. 0. Anm. 106 zu §. 104.

123) Dieses Gesetz hat eine eigene Geschichte. Die Ehelosigkeit ist so wenig unsittlich, daß sie sogar dem Stande, der die Pflege der Sittlichkeit ganz besonders zu seinem Lebensberufe hat, besondere

158

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 121—130.

§. 121. ES hängt von dem Erklärenden ab, für daS unter einer auflösenden Be­ dingung einzuräumende Recht, gleich bei der Einräumung124) desselben, Kautionslei­ stung zu fordern. §. 122. Ist dieses nicht geschehen, so kann der Berechtigte nur in dem Falle zur Sicherheitsbestellung angehalten werden, wenn eine erhebliche12^ Besorgniß entsteht, daß er sich selbst außer Stand sehen werde, bei eintretender auflösender Bedingung seiner Verbindlichkeit, wegen Zurückgabe der Sache oder des Rechtes, eine Genüge zu (elften126). §. 123. Die Kaution dauert alsdann so lange, als die auflösende Bedingung noch eintreffen kann. §. 124. Sind unschätzbare Rechte oder Vortheile unter einer auflösenden Be­ dingung eingeräumt worden, so tritt in Fällen, wo selbst Kaution geleistet werden muß, die Verbindlichkeit zur Uebernehmung einer Konventionalstrafe an deren Stelle. §. 125. Diese muß von dem Richter nach den Umständen bestimmt, und von dem Berechtigten auf so lange, als die auflösende Bedingung noch eintreten kann, sicher gestellt werden. e) Mögliche §. 126. Durch Beziehung auf Ereignisse, welche nach dem natürlichen Laufe un\$™09= der Dinge nothwendig eintreffen müssen, wird eine Willenserklärung nicht bedingt. §. 127. Wird das eingeräumte Recht daran gebunden, daß ein dergleichen Ereigniß eintreten soll, so ist dieses für eine Zeitbestimmung zu achten. Pflicht ist; deshalb kann auch die Bedingung der Ehelosigkeit unmöglich unsittlich sein. Sie ist von der Römischen Gesetzgebung aus publizistischen Gründen durch die lex Julia ausdrücklich verboten wor­ den. L. 22, L. 63 §. 1, L. 72 §.5, L. 77 §. 2, L. 100 D. de cond. (XXXV, 1); L. 65 §. 1 D. ad 8. C. Treb. (XXXVI, 1). Unter welcher Veränderung das Verbot in das L.R. übergegangen, ergießt der §. 10 d. T. — Anders ist es mit dem Wittwenstande gewesen: die Bedingung'der Ehe­ losigkeit nach einer früheren, durch den Tod getrennten Ehe, ist im jüngsten R. R. zugelassen. Die Verf. des L.R. haben dies ausgenommen, doch wieder mit einer willkürlichen Beschränkung in An­ sehung der Nutzungen. Im Uebrigen ist in der Wirksamkeit der Bedingungen nichts geändert. — Die Verabredung in einem Erbvertrage, daß der Ueberlebende für den Fall, daß er heirathe, einen ihm im Erbvertrage eingeräumten Vortheil wieder herauszugeben verpflichtet sei, ist keine unerlaubte. O.Tr. I v. 2. Ium 1856, Str. Arch. 26 S. 13. (6. A.) Anderer Meinung: Scharnweber (Der letzte Wille und der Erbvertrag, Potsdam 1861, Abschn. 2; Gruch. Beitr. 7 S. 489) und G. Hartmann (Ger.Z. 1861 S. 329).

124) Das braucht freilich nicht erst durch ein Gesetz festgestellt zu werden, da die Betheiligten unter sich ausmachen können, was sie wollen. Deshalb kann die Sicherstellung auch bei einer aufschiebenderl Bedingung ausbedungen werden. Allein der praktische Vortheil diese- Gesetzes liegt an­ derswo ; er tritt hervor bei den unfreiwilligen Ueberlassungen (Expropriationen) auf Zeit, d. h.' unter dem Bedinge der künftigen Rückgabe, wenn der Erwerber von der Sache nicht mehr sollte Gebrauch machen können. In solchem Falle muß er den Eigenthümer für den unverschlechterten Zustand der Sache bei der künftigen Rückgabe und für die ihm entgehenden Abnutzungen während der Zwischenzeit, bei der Uebernahme der Sache sicher stellen. Vergl. I. 14 §. 182. DaS O.Tr. ist dieser Ansicht nicht beigetreten. Durch das Rev.-Erk. III v. 18. Mai 1863, Str. Arch. 49 S. 211, hat dasselbe die Kautionsforderung wegen des einer Gewerkschaft überlassenen Grundes und Bodens abgewiesen. (6. A. Die gegen diese Entscheidung von Koch gerichtete Polemik kann auf sich beruhen, da sie durch das Berggesetz v. 24. Juni §§. 148 — 154 das praktische Interesse verloren bat.) — Die Muciana cautio ist eine Anwendung des Prinzips auf die aufschiebende negative Potestativbedingung für Erben und Legatare (L. 7, 73 D. de cond. [XXXV4 1]). Der unter einer anderen Bedingung eingesetzte Erbe erhielt die bonor. poss. gegen Kautionsleistung. L. 5 pr., L. 10 D. de bon. poss. sec. tab. (XXXVII, 11). 125) D. i. eine begründete, durch die Umstände gerechtfertigte Besorgniß. 126) Tritt der Fall der Unsicherheit, oder doch der gegründeten Besorgniß einer Gefährdung ein, so ist die Klage auf Sicherheitsleistung zulässig, wie in den Fällen I. 11 §§. 759, 760; I 20 §. 442. Die Sicherheitsleistung geschieht nach den Grundsätzen I. 14 §§. 186 ff. DaS Recht, Sicherstellung zu fordern, wird durch die Art der Resolutivbedingung, namentlich dadurch bestimmt, daß die Be­ dingung auf eine freie Handlung desjenigen, demdaS Recht zufallen soll, gestellt ist. Denn die so­ fortige Aushebung des Rechtsverhältnisses durch willkürliche Vollziehung der Handlung ist ein Recht, aber'keine Pflicht; durch Verschiebung der Ausübung dieses RechtS geht das andere Recht auf Sicher-

Don Willenserklärungen.

159

§. 128. Wird aber das Recht von dem Nichteintreffen eines solchen nothwen­ digen Ereignisses abhängig gemacht, so ist die Willenserklärung nichtig1 * 27 * ). §. 129. Kann ein Ereigniß entweder nach dem natürlichen Lause der Dinge überhaupt128), 129oder nach den besonderen Beschaffenheiten und Verhältnissen be^ jemgen*28), dem die Bedingung gemacht worden, nicht eintreffen, so wird die Be­ dingung selbst unmöglich 130)131 genannt. §. 130. Ist eine unmögliche Bedingung in der Art, dah solche nicht eintreffen solle, beigefügt, so wird die Erklärung für unbedingt geachtet*3 *). stellung nicht verloren; beide Rechte sind von einander unabhängig. Vergl. i. li §. 159: I 20 442. 127) Die drei §§. 126—128 gehören nicht unter den Marginaltitel von möglichen und unm ö g l i ch e n Bedingungen; denn sie handeln von den nothwendigen Bedingungen, d. h. solchen Ereignissen, welche ganz gewiß stattfinden. Diese sind, wegen des fehlenden Merkmals der Ungewiß­ heit, keine wahren Bedingungen. Das Marginale sollte daher heißen: nothwendige und un­ mögliche Bedingungen. Die'Erklärungen, welchen eine nothwendige Bedingung beigefügt ist, gelten als unbedingte, wie der §. 126 ausspricht, gleich wie die L. 9 §. 1 D. de novat. (XLVI, 2); L. 7, 8 D. de verb. obl. (XLV, 1); L. 17, 18 D. de cond. ind. (XII, 7); L. 50 § 1 D. de bered, instit. (XXVIII, 5). Dergleichen Zusätze können, wie wahre Bedingungen, positiv und auch negativ ausgedrückt sein. Hierauf beziehen sich die beiden §§. 127 und 128. Erkläre ich: wenn jemals das Pferd, was ich Dir verkaufe, sterben sollte, so zahle ich Dir ioo, dann ist der Fall des §. 127 da; erkläre ich: 100 zahle ich, wenn daS Pferd nach Abschneidung des Kopfes nicht todt ist, so ist gar keine verbindlichmachende Erklärung vorhanden. §. 128. Derartige Bedingungen können auch juri­ stisch nothwendig sein. So das Darlehn unter dem Bedinge der Wiederbezahlung: wenn Dar­ lehen wiedergegeben werden müssen (§. 127); oder negativ: wenn die Rückzahlung nicht mehr zu ge­ schehen braucht, so werde ich Dir leihen (§. 128). Die negativ gestellte nothwendige Bedingung ist eine unmögliche. 128) Nämlich absolut oder nach seiner dauernden Natur, nicht bloß nach vorübergehenden Zu­ ständen oder dem Wechsel der Zeit. Ein Ereigniß also, welches zur Zeit der Erklärung unmöglich war, später aber vermöge seiner veränderlichen Natur möglich werden kann, z. B. wenn einem ledigen Wahnsinnigen für den Fall seiner Verheirathung eine Summe versprochen wird, so ist das eine an sich mögliche Bedingung, obgleich sie, so lange der Wahnsinn dauert, ganz unmöglich ist. Denn der Wahnsinnige kann wieder gesund werden und heirathen. Umgekehrt bleibt die Bedingung, welche zur Zeit der Erklärung möglich war, eine mögliche, wenn sie auch später unmöglich wird (I. 3 §. 42); sie ist dann vereitelt, und hat die Wirkung des Nichteintreffens zur Folge. Vergl. L. 94 pr. D. de cond. (XXXV, 1); L. 23 §. 2 D. ad L. Aquil. (IX, 2); L. 19, 20 §. 3 D. de statulib. (XL, 7). 129) Damit werden die relativ unmöglichen Ereignisse gemeint, die nur zufällig nicht in Er­ füllung gehen können, während sie unter anderen Umständen sehr wohl eintreffen könnten. So z. B. Verheirathung mit einer bestimmten Person, welche nicht mehr lebt. L. 72 §. 7, L. 6 §. i D. de cond.; L. 45 D. de bered, instit. (XXVIII, 5); L. 26 §. 1 D. de statulib. (XL, 7). Der Aus­ druck unseres Gesetzes geht aber weiter. Das R. R. rechnet zwar wohl auch solche Ereignisse zu den unmöglichen, welche nach der herrschenden Meinung sich nicht verwirklichen lassen; allein der Grund davon muß in allgemeinen Zuständen liegen, z. B. die Bedingung der Freilassung eines Sklaven: wenn der Erbe 5 Millionen gezahlt erhalte. L. 4 §. 1 D. de statulib. Dagegen wird auf die be­ sonderen Verhältnisse desjenigen, welcher mit der Bedingung beschwert ist (subjektive Unmöglichkeit), nicht geachtet, z. B. wenn er eine mäßige Summe zahlen soll, welche aufzubringen er unvermögend ist. L. 137 §. 4 D. de verb. obl. (XLV, 1). Damit ist es nach dem Wortlaute des §. 129 anders. Doch ist die bloße Schwierigkeit auch nach dieser Bestimmung nicht zu beachten; und es wird in je­ dem einzelnen Falle vom Richter zu befinden sein: ob die Bedingung, mit Rücksicht auf die besonde­ ren Verhältnisse oder Beschaffenheiten der Person, unmöglich, oder bloß schwierig sei. 130) Eine theilweise mögliche, theilweise unmögliche Bedingung ist für eine unmögliche zu erach­ ten ; denn jede Bedingung ist untheilbar und muß ganz erfüllt werden, wenn sie für eingetreten er­ achtet werden soll. I. 12 §§. 491, 492.

131) Eine unmögliche Bedingung ist eben so wenig wie die nothwendige eine wahre Be­ dingung ; beide Arten von falschen Bedingungen stehen in einem umgekehrten Verhältnisse: die nega­ tiv auSgedrückte unmögliche Bedingung wirkt wie die positiv beigefügte nothwendige, und um­ gekehrt. §. 131. Das Gesetz unterscheidet übrigens nicht: ob der Erklärende über die Art der Bedingung als einer unmöglichen im Irrthume war, was bei der relativ unmöglichen leicht der Fall sein kann; oder ob er die Unmöglichkeit wußte. Deshalb gilt für beide Fälle das Gleiche. Nach G. R. ist eS streitig.

160

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 131—144.

§. 131. Wird aber daS Recht von dem Eintreffen der unmöglichen Bedingung abhängig gemacht, so wird dadurch die ganze Willenserklärung entkräftet'»»). 132. Ein Gleiches geschieht, wenn Bedingungen beigefügt worden, deren Sinn, und wie sie erfüllt werden sollen, ganz unverständlich ist'»»). §. 133. Bedingungen, von deren Erfüllung kein Nutzen abzusehen ist, müssen, d) unnütze. so lange der Erklärende lebt, und darauf besteht, dennoch erfüllt werden. §. 134. Ist aber der Erklärende, ohne sich über den bei der Bedingung gehab­ ten Zweck näher zu äußern, verstorben, so kann der bedingt Berechtigte auf deren Er­ lassung bei dem Richter antragen1S4). §. 135. Der Richter muß diejenigen, welche ein Interesse bei der Sache haben, rechtlich darüber hören, und darf nur nach befundener ganz offenbaren Unnützlichkeit der Bedingung die Erfüllung derselben erlassen'»»). §. 136. 1 Was selbst kein Gegenstand einer Willenserklärung sein kann (§§. 7— e) Uner­ laubte. 14)'»«), das kann auch Niemandem als eine Bedingung aufgelegt werden. §. 137. Ob dergleichen Bedingungen die Erklärung entkräften, oder für nicht beigefügt zu achten sind, ist nach den verschiedenen Arten der Willenserklärungen in den Gesetzen besonders bestimmt. (Tit. 5, §. 227 sqq.; Tit. 13, §. 63) *»7). §. 138. Was in Fällen, wo die Beibehaltung des verwittweten Standes zur Bedingung gemacht worden, Rechtens sei, ist oben verordnet (§. 120). 132) S. die vor. Anm. DaS gilt nicht bloß von Verträgen, sondern auch von letztwilligen Ver­ ordnungen I. 12 §§. 504 — 507. Das Justinianische R. unterscheidet bekanntlich beide Arten von Willenserklärungen und läßt Verträge, welchen eine unmögliche Bedingung beigefügt ist, nichtig sein, während es die gleiche Bedingung, einem Testamente zugesetzt, für nicht geschrieben erachtet. Vor­ her stritten die Juristen über die Frage. Die Prokulejaner waren für die Gleichstellung aller Wil­ lenserklärungen, nämlich für die Nichtigkeit derselben (Gajus III §. 98). Die Sabinianer für die Unterscheidung. Deren Meinung hat Justinian den Vorzug gegeben. Ueber die Gründe dieser un­ gleichen Behandlung ist man nicht einverstanden. Gewöhnlich erklärt man solche durch eine Begünsti­ gung der Testamente, doch unbefriedigend. M. s. die geistreiche Erklärung v. Savigny's im Systeme 3 S. 196 ff. 133) Conditiones perplexae, d. b. solche, welche sich selbst widersprechen und deshalb nach dem logischen Gesetze unmöglich sind. Beispiele: L. 16 D. de condit. instit. (XXVIII, 7); L. 39 D. de manum. test. (XL, 4); L. 88 pr. D. ad L. Falc. (XXXV, 2). 134) Das geschieht in Form einer Klage gegen die Betheiligten, welche die Bedingung zu er­ lassen besugt sein würden und sich dazu nicht verstehen wollen (§. 135). Die Form der Exception ist dazu nicht geschickt, nicht bloß aus dem formellen Grunde, weil darauf der Richter nicht die Er­ lassung in der Urtelsformel positiv aussprechen kann, was nur auf eine Wiederklage thunlich ist; sondern auch auS dem sachlichen Grund, weil die Erlassung nicht excipirt werden kann, so lange sie nicht vorhanden ist. Die bedingte Erklärung soll noch erst in eine unbedingte verwandelt werden.

135) Remittit praetor condjtionem. Dies geschah nach R. R. mit der conditio jurisjurandi bei Testamenten (nicht bei Verträgen), wenn es der damit Belastete verlangte. L. 14 §. 1 D. de leg. III (XXXII); L. 8 pr. §§. 1—5 D. de cond. instit. (XXVIII, 7); L. 29 §. 2 D. de test. mil. (XXIX, 1); L. 20 D. de cond. (XXXV, 1). Die Bedingung wurde dagegen in eine Auflage (Mo­ dus) verwandelt. L. 26 pr. D. eodem; L. 8 §§. 7. 8 D. de cond. instit. (XXVIII, 1). Mit dieser vereinzelten Einrichtung hat die hier getroffene Bestimmung keine Ähnlichkeit; sie ist ohne Vorbild neu erdacht. Im gedruckten Entwürfe wird zu dem §. 121 II. 1, d. i. der §. 135 d. T., angemerkt: „Von einer offenbar unnützen Bedingung ist zu vermuthen, daß solche nur zum Scherze beigefügt worden. So lange aber der Erklärende lebt, und auf die Erfüllung der Bedingung besteht, kann diese Vermuthung nicht Platz greifen." 136) Muß heißen: §§. 6—14. R. v. 29. Dezbr. 1837, Jahrb. 50 S. 469. Vergl. I. 12 §. 63. — ES wird lediglich auf die Zeit der Erklärung gesehen; die Wirkung der Unerlaubtheit fällt durch die spätere Aufhebung des Verbots nicht weg. I 3 §§. 42, 43.

137) Das R. R. stellt die unerlaubten Bedingungen, daS sind solche, deren Inhalt eine verbotene oder unsittliche Handlung oder Unterlassung ist, den unmöglichen in der Wirkung gleich, insofern durch die Bedingung, wenn sie gestattet wäre, daS Schlechte befördert werden würde, v. Savigny 3 S. 172. DaS L.R. hat die Gleichstellung aufgegeben und erachtet die unsittliche Bedingung bei letzt­ willigen Erklärungen für nicht geschrieben. Dadurch bleibt es, hinsichtlich der Wirkung dieser Be­ dingungen, mit dem R. R. im Ganzen in Uebereinstimmung, während es davon bei den unmög­ lichen abgeht. Anm. 132.

Eon Willenserklärungen.

161

§. 139. Sind mehrere ertaubte13 8) Bedingungen, von welchen eine oder die ^n" F-' andere erfüllt werden soll, festgesetzt, so hat in der Regel derjenige, welcher damit be- fügte« Be­ lastet worden, die Wahl, welche derselben er erfüllen wolle. ' t,l"9un9t"§. 140. Auch vergangene Begebenheiten können zur Bedingung gemacht wer- ^^mt Be­ den 13 9). die aus oer= §. 141. In diesem Falle kann der Besitz des unter einer solchen Bedingung ein- 9a"b/,!h-i?en geräumten Rechts nicht eher gefordert werden, als bis die zur Bedingung'gemachte sich beziehen, vergangene Begebenheit ftar 440) erwiesen ist. §. 142. Doch erstreckt sich, wenn die Willenserklärung nicht ein Anderes be­ sagt, die rechtliche Wirkung derselben auf diejenige Zeit zurück, in welcher sie sich geäußert haben würde, wenn die Willenserklärung unbebingt4 4 4) gewesen wäre. §. 143. Ist eine vergangene Begebenheit zu einer auflösenden Bedingung ge­ macht worden, so wird, bei erwiesener Wirklichkeit derselben, das dagegen eingeraumte Recht als von Anfang an ungültig443) angesehen. §. 144. Doch kann Derjenige, welcher den Erklärenden zu einem Irrthume über die Wirklichkeit oder Beschaffenheit des Ereignisses verleitet443) hat, aus der Erklä­ rung keinen Vortheil ziehen 444). 138) Ist eine von zwei alternative gefaßten Bedingungen unmöglich oder unzulässig, so gelten, kraft des logischen Grundsatzes, daß die alternative Fassung die Möglichkeit einer Wahl voraüssetzt, beide nicht, d. h. die Willenserklärung ist ungültig; bei letztwilligen Verordnungen aber fallen sie, wenn die eine unerlaubt (nicht unmöglich) ist, beide weg und die Disposition ist unbedingt. Vergl. auch L. 8 §. 5 D. de cond. inst. (XXVIII, 7). Sind 'mehrere Bedingungen aber kopulativ (konjunktiv) auferlegt, und ist eine davon unerlaubt, so gilt daS Gegentheil bei Testamenten: dieses ist bedingt, die erlaubte Bedingung muß erfüllt werden und nur die unerlaubte gilt für nicht ge­ schrieben. So auch nach L. 45 D. de bered, inst. (XXVIII, 5) und L. 6 §. 1 D. de cond. (XXXV, 1), bei welchen zu erinnern, daß unmögliche und unsittliche Bedingungen nach R. R. gleichbehandelt werden. Ist eine der mehreren Bedingungen unmöglich, so ist es so gut als wären alle unmög­ lich: die Erklärung ist ungültig, sei sie ein Testament, oder eine andere Willenserklärung. Vergl. Tit. 12 §. 492. 139) Nur ist solche Bedingung keine wahre und das Rechtsgeschäft entweder ein schon unbedingt gewordenes, oder bereits erloschenes, je nachdem daS Ereigniß sich zugetragen hat, oder nicht. S. o. Anm. 102 zu §. 100. Vergl. L. 10 §. 1, L. 11 pr. D. de cond. (XXXV, 1). S. u. Anm. 141. 140) Was heißt hier „klar" erwiesen? Bewiesen werden muß jede Thatsache, für welche keine Vermuthung streitet; es muß also mehr verlangt werden als ein Beweis im Allgemeinen. Erwägt man, daß es sich hier um einen Bestandtheil eines Rechtsgeschäftes und folgewelse um die Existenz oder Nichtexistenz des Geschäfts handelt; so rechtfertigt sich das Verlangen. Koch versteht darunter die Forderung eines vollständigen Beweises, also die Ausschließung eines nothwendigen Eides.

141) Denn daS Geschäft wird als ein solches behandelt, dessen wahre Bedingung zur Zeit der Eingehung schon erfüllt war. Dies nämlich ist die röm. Rechtsauffassung unter der Voraussetzung, daß der Erklärende von der Erfüllung nichts wußte. Wußte er es und kann das Ereigniß sich nicht wiederholen — in welchem Falle auf den Wiedereintritt gewartet werden muß; so gilt die Erklärung von Anfang als eine unbedingte. L. 10 §. 1, L. 11 pr. D. de cond. Der »praktische Unterschied hiervon bestand darin, daß in jenem Falle die Erklärung an sich eine bedingte und folglich ungültige war, wenn sie ein Geschäft betraf, welches durchaus unbedingt sein mußte, z. B. die Accepülatiön oder die Einsetzung des suus. Außerdem ist eine erhebliche Verschiedenheit zwischen dieser Art Be­ dingung und der nothwendigen. S. o. Anm. 127. Diese Feinheiten fallen nach unserer An­ schauung heutzutage weg, weshalb ein innerer Grund fehlt, die vergangenen Bedingungen nicht ganz ebenso wie ine nothwendigen zu behandeln. §§. 126—128.

142) Ebenso wie bei einer negativ ausgedrückten nothwendigen Bedingung.

§. 128.

143) Verleitung setzt Geflissenheit, also Vorsatz voraus, folglich ist hier Betrug gemeint.

144) Zweifellos ist, daß der Betrogene die gewöhnlichen Schutzmittel gegen den Betrug (actio und exc. doli) hat. §.85. Aber was heißt das: der Betrüger kann aus der Erklärung keinen Vor­ theil ziehen? Die Wirkung des Betruges ist doch nur die: daß der Betrogene das Geschäft umstoßen kann, wenn er will. Will er nicht, so muß er auch seinerseits leisten. In diesem Falle gelangt der Betrüger, wenn er der andere Theil ist, allerdings zu seinem Vortheile aus der Erklärung des Be­ trogenen. Nach den hier, im §. 144, gebrauchten Ausdrücken könnte man denken, der Betrogene könne zwar von dem BetÄger dessen Leistung einfordern, aber sich selbst könne er durch die exc. doli

Koch, Allgemeines Landrecht. I.

7. Aust.

j\

162

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 145—152.

Bewegungs§ 145. Wird bei einer Erklärung eine gewisse Begebenheit oder Thatsache, als 8tun ‘ eine solche, die entweder schon geschehen ist, öder noch geschehen soll, bloß vorausgesekt, so ist sie nur als ein Bewegungsgrund 14 ,r’) anzusehen. §. 146. Der angeführte Bewegungsgrund dient hauptsächlich nur zur Erklä­ rung einer zweifelhaften Absicht. §. 147. Ist also die Absicht klar, so wird durch die Unrichtigkeit des angeführ­ ten Bewegungsgrundes die Willenserklärung selbst noch nicht entkräftet. §. 148. Hat der Erklärende den falschen Bcwegungsgrund aus Irrthum für richtig angenommen, so kann der, welcher diesen Irrthum vorsätzlich veranlaßt hat, daraus keinen Vortheil ziehen44«). §. 149. Außer diesem Falle gibt bei Willenserklämngen, woraus gegenseitige Rechte und Verbindlichkeiten entstehen, ein Irrthum im Bewegungsgrunde dem Inen­ den niemals das Recht, von seiner Erklärung wieder abzugehen444). von der Gegenleistung frei machen, denn der Betrüger kann „aus der Erklärung keinen Vortheil ziehen". Gewiß ist das nicht gemeint, die Fassung ist aus der Neigung zur Abwechselung in den Ausdrücken hervorgegangen, und eS hat hier nichts anderes als die gewöhnliche Wirkung des Betruges gesichert werden sollen. 145) Der Bewegungsgrund (causa) ist zwar verschieden von der bloßen Voraussetzung, doch wird Beides hier gleich behandelt. Die Thatsache oder Begebenheit, welche vorausgesetzt wird oder den Erklärenden bewogen hat, sich so zu erklären, kann, wie die Bedingung, bereits eingetreten oder auch als zukünftig gedacht werden. Nicht diese Ähnlichkeit allein hat der Beweggrund mit der Bedingung, sondern er kann auch zugleich als Bedingung beigefügt werden, d. h. er kann Bedingung oder auch Beides zugleich sein, und als Beide oder als Bedingung allein wirken. Das hängt ledigUch von der Willkür des Erklärenden ab. Aber im einzelnen Falle kann es zweifelhaft sein, welche Bedeutung die Erklärung haben soll, welches festzustellen Sache der Auslegung ist. §. 31 J. de leg. (II, 20). So, wenn der Hypothekengläubiger in die Löschung der Post, „wegen welcher er vollständig befriedigt zu sein" erklärt, willigt, wird die Erklärung der Befriedigung in' Beziehung auf die Entsagung des Pfandrechts nur als Bewegungsgrund anzusehen fein. O.Tr. v. 30. August 1849, Entsch. 18 S. 264. Die Erklärung in solcher Fassung ist wohl kaum zweifelhaft. Es kommt aber auch vor, daß die Par­ tikel „wenn" gebraucht nnrd. Beispielsweise: „wenn ich nun wegen meiner Forderung befriedigt worden, so" u. s. w., wie in den alten Bestätigungsformeln: „wenn wir nun hierbei nichts zu erin­ nern gefunden haben, so konfirmiren" u. s. w., wo sie statt „weil" gelten soll. Dann kommt es auf die Auslegung an. 146) Der Bewegungsgrund muß als solcher angeführt sein. Denn die Ersichtlichkeit des Beweggrundes einer 'Willenserklärung ist bei Abgebung derselben nothwendig, wenn diese wegen eines Irrthums in dem Beweggründe soll angefochten werden können. §§. 146, 147, 150. In wel­ cher Form der Beweggrund bei Abgebung der Erklärung erkennbar gemacht werden müsse, kann zweifelhaft gesunden werden. Nahe liegt es, anzunehmen, daß daß Gesetz unter dem „angeführten Beweggründe" der Erklärung einen integrirenden Theil der Erklärung verstehe, also daß bei schrift­ lichen^ Erklärungen der Beweggrund in denselben selbst „angeführt" werden muß und nicht mit Er­ folg nebenher bloß mündlich ausgesprochen werden kann. Indeß ist die Kundgebung des Beweggrun­ des keine verpflichtende oder befreiende Willenserklärung, zu deren Rechtsgülügkeit eine gewisse Form erforderlich sein würde, sondern sie ist die Mittheilung einer Thatsache; und da die Schriftlichkeit der „Anführung" des Beweggrundes nirgend vorgeschrieben ist, so läßt sich nicht behaupten, daß eine in deutlichen Worten bei Abgebung der Erklärung ausgesprochene Kundgebung wegen Formmangels nicht vernommen worden sei. Das O.Tr. ist sogar der Meinung, daß in einzelnen gegebenen Fällen jene Ersichtlichkeit möglicherweise selbst dadurch hergestellt werden könne, daß nach der ganzen Sachlage daS von dem Erklärenden später geltend gemachte irrige Motiv mit Evidenz als der allein denkbare Be­ weggrund seiner Erklärung hervortritt. Erk. IV v. 10. Juli 1856, Entsch. 33 S. 29. Dies ist we­ niger bedenklich als die wörtliche „Anführung" deS Beweggrundes, da die Anführung vielleicht nicht den wahren Gedanken des Sprechenden auSdrückt. Allein' entscheidend ist der Grundsatz, daß ein­ seitige Willens- oder Meinungsäußerungen, welche nicht eine Verpflichtung oder Verzichtleistung deS Erklärenden begründen sollen, nur in den Fällen der schriftlichen Form bedürfen, wo die Gesetze solche ausdrücklich vorschreiben. O.Tr. Pl. v. 1. März 1847, Entsch. 14 S. 33. — S. o. die Anm. 144. Was mit dem „daraus keinen Vortheil ziehen" gemeint ist, ergiebt sich hier noch bestimmter auS dem Schlüsse deS folg. §. 149.

147) Auch wenn der Beweggrund ausgesprochen und unrichtig ist (falsa causa), macht er das Rechtsgeschäft in der Regel nicht ungültig, denn der Erklärende kann noch andere Beweggründe ge­ habt haben, die er nicht ausgesprochen hat. Aber der Dolus des Anderen macht davon eine Aus-

163

Don Willenserklärungen.

§• 150. Hingegen sind Willenserklärungen, woraus nur der, zu dessen Gun­ sten sie geschehen, allein den Vortheil ziehen würde, unkräftig, sobald erhellet"^), daß der ausdrücklich angeführte irrige Bewegungsgrund die einzige Ursache der Willens­ äußerung selbst gewesen sei149 * * * ).148 150 §. 151. Was von falschen Bewegungsgründen verordnet ist, das gilt auch von Beschreibung, falschen Beschreibungen 15°). §. 152. Wenn aus dem Inhalte der Willenserklärung, oder aus den Umständen Zweck, erhellet, daß der Erklärende bei demjenigen, was er dem Andern zu Ihun oder zu unter­

nähme. Dies stimmt mit dem R. R. überein, und darin, daß der Betrug eines Dritten keinen Ein fluß auf die Gültigkeit der Erklärung hat (§. 148), wogegen der Betrüger mit der actio doli ans Entschädigung belangt werden kann. * L. 18 §. 3 D. de dolo (IV, 3). 148) ES muß aus den Umständen sicher zu entnehmen Bergt. §. 55 und L. 1 C. de falsa causa (VI, 44).

sein; anderer Beweis ist

unzulässig.

149) Eine zweite allgemeine Ausnahme von der Regel (Anm. 147). DaS R. R. hat den gleichen Grundsatz bei Legaten, wenn aus den Umständen erhellet, daß ohne den Irrthum im Beweggründe das Vermächtniß unterblieben sein würde. L. 72 §. 6 I). de cond. (XXXV, 1); L. 1 i. f. C. de falsa causa (VI, 44). Eine einzelne Anwendung davon ist das Vermächtniß einer irrig für eine eigene gehaltenen fremden Sache. §. 4 J. de leg. (II, 20); L. 67 §. 8 de leg. II; A. L.R. I. 12 §. 384. Dieser Grundsatz ist absichtlich hier auf alle lukrativen Geschäfte ausgedehnt. Zwei beson­ dere Ausnahmen machen noch die condictio indebiti (I. 16 §§. 166. 178, 181) und die Fälle der ädilitischen Klagen (I. 5 §§. 329—331), ebenfalls in Uebereinstimmung mit dem R. R. — Bei be­ reits durch Uebergabe vollzogenen Willenserklärungen dieser Art kommt diese Vorschrift nicht zur An­ wendung. O.Tr^ IV v. 24. April 1856, Str. Arch. 21 S. 128. 150) Falsche Beschreibung (demonstratio) ist Angabe bezeichnender Eigenschaften oder Verhält­ nisse der Person oder Sache, welche nicht vorhanden'sind. Diese Unrichtigkeit, wenn sie auch ans einem Irrthume beruht, schadet nicht, vorausgesetzt, daß der Erklärende das falsch beschriebene Indi­ viduum wirklich gemeint hat. Vergl. 1. 12 tz. 518. — Das Gleiche gilt von unrichtiger Benennung (nomen), wenn sonst das richtige Individuum gewiß ist, z. B. ein Testator beruft sein einziges Bru­ derkind, Namens Johann, zum Erben, welches nicht Johann, sondern Maria heißt, tz. 29 J. de leg. (II, 20); L. 16 §. 1 D. de leg 1; L. 4 C. de test. (IV, 23). So bei leginen Sachen, bei Verträ­ gen, bei Traditionen, bei Beschlagnahmen rc. Daher hat z. B. die unrichtige Bezeichnung der für den Exekutionssucher mit Arrest belegten und hiernächst demselben überwiesenen Hypothekenforderung seines Schuldners die Unwirksamkeit des Arrestes und der Ueberweisung nicht zur Folge, in sofern nur gegen die Identität der nach der Absicht des Exekutionssuchers mit'Arrest zu belegenden uud zu überweisenden, sowie der mit Arrest belegten und überwiesenen mit der eingetragenen Post kein Zweifel obwaltet. O.Tr. IV v. 11. Dez. 1855* Str. Arch. 20 S. 51. — Eben so gleichgültig ist die etwa aus Rechtsunkunde geschehene, unrichtige Benennung des Rechtsgeschäftes. — Anders verhält cs sich, nach R. R., mit der unrichtigen appellativen Benennung einer Gattung. Wenn z. B. der Testator seine Betten, Wäsche und Mobilien vermachen will und in dem Glauben steht, daß unter dem ver­ machten „Hausrathe" diese Sachen begrisieu seien, so wird nach dem Pandektenrechte (vorher war darüber Meinungsverschiedenheit) angenommen, das Vermächtniß gelte nicht, denn das Ausgesprochene sei nicht gemeint, und daS Gemeinte nicht ausgedrückt. L. 4 pr.* I). de leg. I; L. 7 §. 2 I). de suppell. (XXXIII, 10). Nach den Grundsätzen des L.R. ist das nicht anzunehmen. Wenn darüber kein Zweifel ist, was der Erklärende gemeint hat, so ist die irrige Benennung unerheblich. Damit ver­ wandt ist der Fall, wo eine Gattung, der Meinung entsprechend, richtig benannt, aber mit solcher Eigenschaft irrig versehen, also auf diese besondere Art beschränkt wird, welche gar nicht vorkommt. Z. B. der Fall der L. 7 §. 1 D. de trit. (XXXIII, 6): es werden 100 Scheffel Weizen von der Art vermacht, von welchem jeder Scheffel 200 Pfund schwer ist. Die Röm. Juristen sagen: es sei nichts legirt. Auch das entspricht unseren heutigen Ansichten nicht; die Erklärung muß so aufgelegt werden, daß sie nicht ohne alle Wirkung ist (§. 74 d. T.), und deshalb ist anzunehmen, der Testator habe die beste Sorte zuwenden wollen. Vergl. I. 12 §. 518. Ein nach §. 151 zu beurtheilender Fall ist auch der, wenn zwei Grundstücke zusammen für einen Preis gekauft sind und in der Kaufsurkundr nur das eine Grundstück genannt wird in der Meinung, daß damit auch das andere bezeichnet sei. Hier fehlt eS nicht an dem schriftlichen Vertrage über daS andere mitgemeinte aber nicht spezifisch bezeich­ nete Grundstück. O.Tr. HI v. 18. Febr. 1859, Str. Arch. 32 S. 273. Ebenso wenn bei dem Ab­ schlüsse eines Kaufkontrakts über ein Gut „mit allen Pertinenzieu" die Absicht der Kontrahenten auch auf den Mitverkauf eines bis dahin selbstständigen, mit einem besonderen Hypothekeufolium versehenen Grundstücks gerichtet gewesen ist. O.Tr. I v. 17. Dez. 1856, Str. Arch. 33 S. 159. — Vergl. zu §. 151 die Anm. 73 Äbs. 2 zu 65 d. T.

164

Erster Theil.

Vierter Titel.

§§. 152—159.

lasten auferlegt, den eigenen Vortheil desselben zur Absicht gehabt habe, so ist eine solche Bestimmung eher für einen Endzweck als für eine Bedingung zu erachten151). §. 153. Ist etwas ausdrücklich zu einem gewissen Endzweck bewilligt worden, so tritt, wenn die Erklärung nicht das Gegentheil klar besagt, der Berechtigte sofort in die Ausübung und den Genuß des ihm bewilligten Rechtes 152). 151) Der Empfänger muß also von dem Geber verpflichtet worden sein, den bestimmten Zweck zu erfüllen. O.Tr. IV v. 8. März 1860, Str. Arch. 37 S. 86. Die Frage ist, was für ein Rechts­ geschäft gemacht worden sei, wenn Jemand einem Anderen Geld giebt, um damit eine gewisse Zah­ lung zu bestreiten. Jemand hatte seine Ackerwirthschaft verkauft und der Käufer hatte die Kosten übernommen. Wenige Stunden nachher fand sich der Käufer bei dem Verkäufer ein nnd empfing von ihm zur Berichtigung der Kosten 80 Thlr. Der Verkäufer klagte demnächst auf Rückzahlung der 80 Thlr. mit der Darlehnsklage, erreichte jedoch seinen Zweck nicht, weil der Beklagte den ihm zuge­ schobenen Eid dahin ableistete,' daß er das Geld nicht unter dem Bedinge der Rückgabe empfangen habe. Nun klagte der Geber aus der nützlichen Berwendnng unter der Behauptung, daß das Geld zur Zahlung der Kvntraktskosten gegeben und angenommen sei. Der erste Richter' verurtheilte den Beklagten aus Grund dieser Behauptung, toemi dieselbe durch einen Eid festgestellt worden sein würde. Der Beklagte hatte ausdrücklich eingeräumt, daß er das Geld nicht geschenkt erhalten habe. Der Appellationsrichter wies den Kläger ab, weil er ein Geben unter einem Zwecke erkannte. Dies ist in dem Erk. des O.Tr. reprobirt, weil eine freigebige Absicht des Gebers und eine bestimmte Ver­ pflichtung des Nehmers von Seiten des Gebers (§. 152) nicht festgestellt war. Deshalb vernichtete das O.Tr. das zweite Erk. und bestätigte das erste. Die Vernichtung ist völlig gerechtfertigt, aber über die Bestätigung des ersten Erk. fehlen die Gründe, die gerade interessiren. Eine Klage de in rem verso ist nicht zu begründen, weil die Hingabe des Geldes eine versio in rem im rechtlichen Sinne nicht darstellt. Eine Schenkung hat auch nicht stattgefunden, wie der Beklagte eingeräumt hatte; das Geschäft war demnach ein lästiges. Aber wie ist dasselbe zu qualifiziren, um über das geeignete Klagerecht ins Klare zu kommen? Es ist ein unbenannter Realkontrakt, ein Geben in der Absicht, daß das Gegebene zurückgegeben werden solle, die Klage mithin eine der Darlehnsklage nach­ gebildete actio in factum. Unter „Zweck" und „Endzweck" wird das Rechtsinstitut gemeint, welches im R. R. technisch Modus heißt. Er ist eine besondere Form der Belastung einer Erwerbung. Im R. R. kommt er nur bei Schenkungen und bei testamentarischen Zuwendungen vor, weil er bei anderen Rechtsge­ schäften unnöthig war. Das L.R. spricht hier in ganz allgemeiner Beziehung aus alle möglichen Rechtsgeschäfte davon, obgleich bei lästigen und zweiseitigen Verträgen doch auch nach L.R. keine prak­ tische Anwendung vom Modus vorko'mmt, weil eben die Rechtsmittel aus solchen Rechtsgeschäften kräftiger und sicherer als der Modus den Erfolg sichern. Denn das Rechtsinstitut dient als zwingen­ des Mittel in Fällen, wo weder die Form der Bedingung zweckmäßig, noch der direkte Zwang durch Klage zulässig oder möglich ist. — Der Modus grenzt auf der einen Seite an den bloßen Rath, auf der anderen an die Bedingung. Die Unterscheidung dieser verschiedenen Formen ist praktisch wichtig; welche davon gemeint sei, muß aus den Umständen entnommen werden. Ist die Absicht zweifelhaft, so wird die mindere Beschränkung angenommen. Dieser Satz ist unstreitig und hier ausdrücklich an­ gewendet. Man entscheidet darnach, wenn es zweifelhaft ist: ob die Nebenbestimmung eine Bedingung oder einen Modus enthalte, für den Modus, besonders wenn das, was geschehen oder unterbleiben soll, den Vortheil des Begünstigten bezweckt; liegt der Zweifel auf der anderen Seite, so wird ein bloßer Rath angenommen. — Der Inhalt der Auflage kann bestehen entweder in der Verwendung zum eigenen Vortheile des Empfängers (z. B. zum Ankäufe einer Alterspension), oder in einer Lei­ stung an den Geber, oder in einer Leistung an einen Dritten, oder in einer Handlung, welche keiner Person nützlich ist, z. B. die Pflege eines Grabes. Gemeinrechtliche Juristen lehren:' die erste dieser Auslagen verpflichte nicht, sondern gelte nur als bloßer Rath. Dieses gilt nach dem L.R. nicht, vielmehr wird eine solche Auslage, wenn ausdrücklich ein gewisser Zweck der Verwendung vorgeschrie­ ben ist, als wirklicher Modus angesehen (§. 153), nur entscheidet man sich im Zweifel: ob Modus oder Bedingung beabsichtigt worden sei, nach unserem §. 152 eher für den Modus. Und darin stimmt das L.R. mit dem R. R., dem Grundsätze nach, völlig überein. Denn auch das R. R. behandelt diesen Fall als wahren Modus, wenn die Verbindlichmachung in der Absicht des Gebers gelegen hat, und dies ist eine thatsächliche Frage, L. 71 pr. D. de cond. (XXXV, 1); L. 2 §. 7 D. de don. (XXXIX, 5), deren Entscheidung durch den §. 153 erleichtert ist. Denn es wird darnach angenom­ men, daß der Geber bei einer' solchen ausdrücklichen ^Bestimmung zu einem gewissen Zwecke einen wirklichen Modus und nicht einen bloßen Rath beabsichtigt habe. Ist in der That die Nebenbestim­ mung nur als Rath anzusehen, so versteht sich auch nach L.R., daß keine Verpflichtung vorhanden ist. 152) Darin liegt die Hauptverschiedenheit des Modus von der Bedingung. Die Bedingung suspendirt den Erwerb, verpflichtet aber nicht; der Modus verpflichtet, suspendirt aber nicht den Erwerb, das dies cedit und damit die Erwerbung tritt, ohne Unterschied der Fälle, sogleich ein. Besagt die Erklärung das Gegentheil, so ist kein Modus vorhanden, sondern das Geschäft ein anderes.

Von Willenserklärungen.

165

§. 154. Er verliert aber das Recht wieder, wenn der Zweck nicht erfüllt wird15 3). §. 155. Es findet also bei dem Zwecke alles153 154) das statt, was in Ansehung der auflösenden Bedingungen §. 114 sqq. verordnet ist. §. 156. Ist zur Erfüllung des Zweckes keine gewisse Zeit bestimmt, so kann das dazu bewilligte Recht- so lange die Erfüllung noch möglich bleibt155), nicht zu­ rückgenommen werden. §. 157. Bei Willenserklärungen unter Lebendigen muß der bestimmte Zweck schlechterdings nach der Erklärung erfüllt werden. §. 158. Kann156) oder will der Begünstigte diese Erfüllung nicht leisten, so ist die Erklärung unverbindlich. §. 159. Ist jedoch der Zweck durch etwas Aehnliches nach der Erklärung er­ füllt worden, und der Erklärende hat sich dabei wissentlich ein Jahr hindurch beruhigt, so können dessen Erben die Art der Erfüllung nicht anfechten. 153) Wenn z. B. ein Müller nach seinem Erbpachtskontrakte Bauholz zu einem geringeren als dem zeitüblichen Preise aus den Forsten des Erbverpächters zu fordern hat, und zu einem veran­ schlagten bestimmten Baue das Holz wirklich erhält, hinterdrein aber dasselbe dazu, gleichviel weshalb, nicht verwendet, sondern verkauft, so muß er dem Erbverpächter den vollen zeitüblichen Preis für das Holz bezahlen. O.Tr. II v. 17. Nov. 1857, Entsch. 37 S. 24. 154) Alles. Dazu würde auch gehören: 1. daß das Recht mit dem Augenblicke der Nichterfül­ lung ipso jure aufhört und auf den Geber zurückgeht (§§. 115 u. 116). Das geht aber nicht an, weil es lediglich in der Willkür des Erklärenden steht, ob die Erfüllung geschehen soll, ob nicht. Jedenfalls muß er darüber seinen Willen äußern, es ist mithin seine Mitwirkung erforderlich, um den Verlust des Rechts eintreten zu lassen. So ist es auch nach R. R.: der Geber hat ganz allge­ mein die condictio ob causam. L. 3, 8 C. de cond. ob causam (IV, 6). Nur die Zurückforderung des Gegebenen steht nach §. 158 gleichfalls zu, denn die Erklärung ist unverbindlich, wenn nicht erfüllt wird. Dabei ist freilich eine einseitige Erklärung (Schenkung sub modo) vorausgesetzt. Wäre eine wechselseitige Erklärung vorhanden und die Gegenleistung des Empfängers in die' Form des Modus gebracht, so würde der Geber allerdings die Erfüllungsklage (ex stipulatu) haben. 2. Daß die Auf­ hebung nicht zurück (ex tune) wirkt, und also die gezogenen Früchte dem Berechtigtgewesenen verbleiben. Hätte z. B. Jemand den Nießbrauch eines Landguts geschenkt erhalten, damit er seinen Sohn die Rechte studiren lasse, und ließe darauf, nachdem er mehrere Jahre das Gut genutzt, den Sohn zwar die Universität beziehen, aber Theologie studiren, so fiele natürlich das Nießbrauchsrecht weg. Aber soll er die bisher gezogenen Nutzungen behalten können- Sicher hat das nicht in der Absicht des Gebers gelegen. 3. Daß auch die eingetretene Unmöglichkeit das Recht aufhebt. Das ist allerdings beabsichtigt und ausdrücklich festgesetzt (§. 158). Nach R. R. gilt das gerade Gegentheil. L. 8 C. de cond. ob causam (IV, 6); L. 8 §. 7 D. de cond. inst. (XXVIII, 7); L. 1 C. de bis quae sub modo (VI, 45). 4. Daß bei theilweiser Erfüllung der Modus für gar nicht erfüllt gilt; denn eine auflösende Bedingung muß allemal vollständig erfüllt sein, wenn sie für eingetreten gelten soll (Anm. 128 u. 130). Die Folge davon ist, daß, wenn der Modus von Anfang theilweise unmöglich war, der ganze Modus für unmöglich gilt, mithin die Erklärung (das Geben) von Anfang ungültig ist (§. 131), so daß der Empfänger Alles zurückgeben muß, wenn er auch den möglichen Theil geleistet hat; daß hingegen, wenn der Modus erst in der Folge theilweise unmöglich wird, der ganze Modus für vereitelt (die Bedingung für wegfallend) erachtet wird (Anm. 128), so daß der Empfänger Alles behält, wenn er auch das Mögliche nicht leistet. Beides ist unrichtig: der Empfänger kann im ersten Falle das Verwendete abziehen (I. li §§. 1055, 1057) und muß im zweiten Falle Alles zurückgeben (§. 158). 5. Daß ein unerlaubter Zweck die Erklärung entkräftet und den Geber zur Zurücknahme des Gegebenen berechtigt. (§. 137 d. T. u. I. 5 §. 227.) Auch das ist nicht wahr: die Grundsätze der condictio ob turpem causam treten in Wirkung. (I. 16 §§. 205, 206.) Hiernach enthält der §. 155 keine Rechtswahrheit. Der Grund dieser Verworrenheit und Abweichung von dem Quellen­ rechte ist die ganz eigenthümliche Ausfassung der Natur und des Zwecks dieses Rechtsinstituts. Die röm. Erfinder erkennen es nur als Nebenöestimmung bei lukrativen Zuwendungen, so daß bei Ver­ eitelung der Nebenabsicht doch immer die Hauptabsicht der Freigebigkeit stehen bleibt. Daher auch ha­ ben die Verfasser des L.R. sich genöthigt gesehen, bei Erklärungen von Todes wegen besondere, von den hier gemachten Satzungen wesentlich abweichende, Bestimmung zu treffen. §. *160. 155) Ist keine Zeit zur Erfüllung des Modus bestimmt, so kann nachträglich auch keine richter­ liche Zeitbestimmung hinzutreten: es muß die Erfüllung oder der Eintritt der Unmöglichkeit abge­ wartet werden. Ist aber die Zeit bestimmt, so findet die Zurückforderung statt, sobald Verzögerung eintritt. L. 18 pr., §. 1 D. de don. (XXXIX, 5). 156) Das Gegentheil vom R. R. S. die vor. Anm.

1G6

Zeit.

Erster Theil.

Bierter Titel.

tz§. 160—169.

§. 160. In wiefern bei Erklärungen von Todes wegen der bestimmte Zweck schlechterdings oder durch etwas Aehnliches, und vor oder nach dem Ableben des Er­ klärenden zu erfüllen sei, ist durch besondere Gesetze bestimmt. (Tit. 12, §. 508 15 7) sqq.) §. 161. In allen Fällen^«), roo Recht selbst, welches den Gegenstand der Willenserklärung ausmacht, auf die Erben übergehen kann, treten diese auch in Ansehung der Befugniß, die Bedingung oder den Zweck zu erfüllen, in die Rechte des Erblassers. §. 162. Ist aber die Bedingung oder der Zweck an die Person des Berechtigten gebunden, und stirbt dieser vor der Erfüllung, so verliert die Erklärung selbst ihre Wirksamkeit15 9). §. 163. Eine der Willenserklärung beigesügte ungewisse 16°) Zeit, wo das Recht aus derselben entweder entstehen, oder aufhören soll, wird einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung gleich geachtet. 157) In den authentischen Ausgaben steht aus einem Druckfehler „§. 505". R. v. 29. Dez. 1837, Iahrb. 50 S. 469. 158) In allen Fällen, also auch bei Erklärungen von Tode- wegen. Tit. 12 §. 485. Nicht so nach R. R. hinsichtlich der Bedingung. Darnach ist es in der Regel unmöglich, daß die bloße, wenn­ gleich juristisch begründete und gesicherte Hoffnung, Jemandem nach dessen Tode titulo singulari oder universal! zu succediren, auf den Erben transmittirt werde. §. 2 J. quib. mod. testam. infirm.; L. 4 pr., 5 §. 2 D. quando dies leg. (XXXVI, 2). Anders ist es bei bedingten Verträgen. Aus diesen geht in der Regel das bedingte Recht ebenso gut wie jedes andere an sich transmisstble Recht, auf den Erben über. §. 4 J. de Verb. obl.; §. 45 J. de inutil. stipul.; L. 42 pr. D. de obl. et act. (XLiv, 7). Die Verf. des L.R. haben hierin alles gleich gemacht. Bergl. I. 12 §. 485. Der erhobene Zweifel: ob der Uebergang nur bei einer cond. casualis oder auch bei einer c. potestativa gelte, hat gar keinen auch nur scheinbaren Grund; weder die Röm. Juristen denken (bei den bedingten Verträgen) an einen solchen Unterschied, noch haben die Verfasser des L.R. ihn machen wollen, wozu and) gar keine innere Nothwendigkeit vorhanden ist; im Gegentheile, Suarez hat ausdrücklich an­ gemerkt, daß der Satz von allen Bedingungen, von potestativen wie von rein zufälligen, gelte (Ges. Rev. Mot. ad h. tit. zu §§. 131—154 des Entw., S. 45). Dies ist auch von dem O.Tr'., in dem Erk. I v. 27. Febr. 1854, Pr. 2509, als Rechtsgrundsatz angenommen. Entsch. 27 S. 346. Die nicht fungiblen Handlungen machen eine nothwendige Ausnahme. §. 162. 159) Dies ist z. B. der Fall, wenn der bäuerliche Gutsabtretende in dem Uebertrags- und Altentheilsvertrage seinen übrigen Kindern gegen den Gutsübernehmer eine Abfindung an Geld und Natu­ ralien bei deren Verheiratung oder erreichten 30sten Lebensjahre ausbedingt, und bis zum Tode des berechtigten Kindes keiner dieser beiden Fälle eingetreten ist: dann geht die Abfindung auf dessen Erben nicht über. O.Tr. I v. 30. Juni 1856, Str. Arch. 22 S. 66. Conditio, quae inest. 160) Dies incertus conditionem — facit. L. 75 D. de cond. (XXXV, 1), L. 30 §. 4 D. de leg. I. Also die ungewisse Zeit hat die Bedeutung einer Bedingung: diese Regel wird durch §. 163 aus dem R. R. unverändert hierher übertragen. Eine Zeitbestimmung kann aber in aller Hinsicht fest und gewiß sein, oder nur in gewisser Hinsicht ungewiß, und es kommt daraus an: welche Ungewißheit hier gemeint wird. Z. B. es wird erklärt: Jemand solle an seinem Hochzeitstage, oder an dem Tage, wo ein Dritter Premierminister werden würde, 1000 erhalten. Hier ist Alles unge­ wiß, sowohl die quaestio an als die quaestio quando. Dieser Fall ist unzweifelhaft. L. 21 pr. D. quando dies (XXXVI, 2); L. 56 D. de cond. ind. (XII, 6); L. 8 C. de test, manum. (VII, 2). Die Ungewißheit kann aber auch die quaestio quando allein treffen, z. B. wenn eine Leistung aus den Todestag des Bedachten versprochen wird, denn der Tod ist Jedem gewiß, nur die Zeit ist unge­ wiß. Auch ist sonst keine Ungewißheit bei der qu. an, denn Jeder erlebt auch seinen Todestag. Dieser Fall ist wiederum zweifellos, er enthält keine ungewisse Zeit in dem hier gemeinten Sinne, das darauf versicherte Recht ist unbedingt und bloß betagt. Zweifelhaft aber ist ein dritter Fall, wenn das Recht auf die eigene Volljährigkeit oder aus den' Tag der Volljährigkeit oder des Todes eines Dritten gestellt ist: hier ist es ungewiß, ob der Bodachte den Tag der eigenen Volljährigkeit oder den Tag des Todes des Dritten erleben werde; und bei der Volljährigkeit' des Dritten ist noch die weitere Ungewißheit: ob er selbst den Tag erleben werde. Diesen Zweifel läßt das L.R. unerledigt. Das R. R. sieht dergleichen Zeitbestimmung bei Verträgen stets als eine gewisse Zeit an (L. 10, 16 §. 1; L. 17 D. de cond. ind. XII, 6), bei Testamenten aber in der Regel als einen dies incertus, doch mit der Ausnahme, wenn nicht der Testator das Gegentheil wolle. (L. 21 pr., L. 22 pr. D. quando dies (XXXVI, 2); L. 36 §. 1 D. de condit. (XXXV, 1); L. 49 §§. 2, 3 D. de leg. I, vergl. mit L. 26 §. 1 D. quando dies; L. 46 D. ad 8. C. Trebell. (XXXVI, 1) und L. 3, 5 C. quando dies (VI, 53). Hiernach ist es quaestio facti: ob der Anfall des Rechts, oder

Von Willenserklärungen.

167

§. 164. Ist eine gewisse Zeit dergestalt beigefügt, daß mit dem Ablauf der­ selben die Ausübung des Rechts ihren Anfang nehmen soll161 * * * ), *162 * *so*163 *muß 164 zwar 165 der Berechtigte den Eintritt dieses Zeitpunkts abwarten: §. 165. Doch ist das Recht selbst für vollständig erworben zu achten, und geht daher, wenn es nicht an die Person des Berechtigten gebunden ist, auf die Erben desselben über1611). §. 166. Der Verpflichtete darf in der Zwischenzeit nichts vornehmen16 6), wo­ durch das Recht des Andern geschmälert, oder gar vereitelt werden könnte. §. 167. Ist eine gewisse Zeit dergestalt beigefügt, das1") dadurch die Dauer des durch die Willenserklärung übertragenen Rechtes bestimmt werden soll166),167so hört mit dem Ablauf dieser Zeit das Recht von selbst wieder auf166). §. 168. Derjenige, dem solchergestalt ein Recht nur auf eine gewisse Zeit ein­ geräumt worden, darf, während derselben, zum Nachtheil desjenigen, an welchen das Recht, nach Ablauf dieser Zeit, gelangen soll, nichts vornehmen. §. 169. In beiden Fällen (§§. 164, 167) behält derjenige, welcher mit dem Ablauf der bestimmten Zeit die Sache herausgeben muß, die inzwischen gezogenen Nutzungen16 ?). nur die Erfüllung suspendirt sein soll. Das muß auch nach L.R. behauptet werden, und zwar ohne Unterscheidung der beiden Arten von Willenserklärungen, weil in dieser Beziehung hier kein Unter­ schied gemacht wird. Es handelt sich somit bloß um Auslegung der Willenserklärung in solchem zweifelhaften Falle. — Das Bersprechen des Schuldners, Zahlung zu leisten, sobald er zu besseren Vermögensumständen gelaugt sein würde, enthält eine ungewisse Zeitbestimmung im Sinne des §. 163.' O.Tr. IV v. 19. Juli 1853, Str. Arch. 9 S. 355. — (6. A.) Der §. 163 findet keine Anwendung, wenn nicht das Recht selbst erst entstehen soll, sondern nur die Erfüllung betagt ist. O.Tr. iv'v. 25. April 1872, Str. Arch. 85 S. 112.

161) Darauf kommt nichts an, ob die Zeit absolut gewiß (durch Bestimmung eines Kalender­ tages) oder nur relativ gewiß ist (durch Verknüpfung mit einem gewiß eintreffenden Ereignisse). Wesentlich ist nur die Gewißheit des künftigen Ereignisses, wie der Tod jedes Menschen. S. übri­ gens die vor. Anm. wegen der zweifelhaften Zeitbestimmung und o. §.127 d. T. — Man nennt eine solche Zeit Anfangstermin, terminus a quo; in den Quellen heißt es ex die und in diem. 162) Darin besteht eben die wesentliche Verschiedenheit der Zeitbestimmung von der Bedingung. Allein diese Verschiedenheit hat ja durch die Uebertragbarkeit und Vererblichkeit eines bedingten Rechts, welche durch die Bestimmung des §. 161 als Regel eingeführt ist, ihre Wichtigkeit verloren, sie hat nur noch für die seltenen Ausnahmefälle des §. 162 praktische Bedeutung. 163) Geschieht das dennoch, so kann Sicherheitsbestellung gefordert werden, wenn der Verpflichtete sonst an sich auch nicht für unsicher gelten möchte; denn der Berechtigte hat gerade dieses bestimmte Recht zu fordern und braucht sich nicht auf das Aequivaleut der Entschädigung verweisen zu lassen. In welcher Gesinnung das „vornehmen" geschehen sein muß, darüber s. die Anm. 107 zu §. 105.

164) Es muß „daß" heißen.

R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 469.

165) Diese Zeit nennt man Endtermin, terminus ad quem; in den Quellen heißt das Ver­ hältniß ad diem. Der Endtermin ist der Resolutivbedingung ganz ähnlich. Welche Wirkung ein unmöglicher Endtermin habe, ist ungewiß. Z. B. ein Haus wird an Jemand aus ioo Jahre ver­ mischet. Der natürlichste Gedanke ist der, daß in solchem Falle das Rechtsverhältniß gar nicht ad diem geschlossen sei, denn die Zeitbestimmung ist wesentlich eine zeitliche Beschränkung des Rechts und das Miethsrecht ist seiner Natur nach vergleichungsweise bald vergänglich, so daß der Endtermin, wenn er seine natürliche Bedeutung haben soll, das längste Ziel, welches die Miethe möglicherweise haben kann, nicht überschreiten darf. Sonst würde ein ganz neues Institut, eine Erbmiethe entstehen. 166) Vergl. unten §. 314 Tit. 11 und die Anm. dazu.

167) Daß bei einer Zeitbestimmung überall nicht von einer ipso jure rückwirkenden Kraft die Rede sein könne, ist eine sich von selbst verstehende Sache. Man hat solches ausdrücklich zu sagen nur zur Vermeidung aller Zweifel für gut gefunden. Suarez, in Jahrb. 52 S. 69. Dadurch wird nicht verhindert, daß aus Grund einer besonderen Willenserklärung die Auslieferung einer Sache mit den Nutzungen nach Verlauf einer bestimmten Zeit gefordert werden darf.

168

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 1—6.

/finster Titel. Bon Verträgen*). Begriffe.

§. 1. Wechselseitige 2) Einwilligung zur Erwerbung oder Veräußerung eines Rechtesb). wird Vertrag*) genannt. 1) DaS L.R. ist in der Aufzeichnung der Rechtswahrheiten bisher vom Allgemeinen zum Beson­ deren fortgeschritten: von Thatsachen (Personen und deren Rechtsfähigkeit, Sachen und deren Beschaf­ fenheit) zur freien Handlung, von dieser zur Willenserklärung als einer Art der Handlung, von der Willenserklärung zu Verträgen, welche wieder eine besondere Art der Willenserklärung von sehr aus­ gedehnter Anwendbarkeit ist. Denn man sieht, daß Rechtsverhältnisse aller Art Gegenstände von Verträgen sind: die Verträge finden Anwendung im Völkerrechte (Friedens-, Handels-, Grenz- und dergl. Verträge), im Staatsrechte (Wahlartikel mit dem Regenten, Verträge zwischen Ständen und Landesherren) und am häufigsten im Privatrechte nicht allein bei den Obligationen, sondern auch im Sachenrechte (Tradition, Verträge über Begründung von Grundgerechtigkeiten, Einräumung einer Hypothek oder eines Pfandrechts in den Fällen, wo keine Eintragung und keine Uebergabe möglich ist) und im Familienrechte (Ehe, Adoption). Mit den Verträgen schließt der allgemeine Theil deS L.R., die Darstellung geht nachher über zu den besonderen Rechtsinstituten. (6. A.) Diese Behaup­ tung kann angezweifelt werden: Suarez selbst bezeichnet die 7 ersten Titel als allgemeine Wahrheiten (Siewert B. 1 S. 3—22) und diese Charakteristrung trifit auch den 6. und 7. Titel, in denen noch nicht besondere Rechtsinstitute, sondern allgemeine Rechtsverhältnisse geregelt werden. Der besondere Theil des Systems beginnt erst mit dem Eigenthum. 2) (7. A.) Auch bei der Acceptation einer Offerte ist es, wie bei der Offerte selbst, zur Perfek­ tion des Vertrages erforderlich, daß sie zur Kenntniß des Offerenten gelangt ist. Diese Acceptation ist nicht in der Aufnahme der Genehmigung durch den Gerichtsdeputirten zu finden. O.Tr. I v. 10. Okt. 1873, Str. Arch. 90, S. 252. Es wird dies in §. 1 d. T. durch das Wort „wechselseitig" zum Ausdruck gebracht.

3) Vertrag überhaupt ist die wechselseitig ausgesprochene WillenSvereinigung mehrerer sich einan­ der gegenüberstehender Personen zur Bestimmung eines Rechtsverhältnisses unter ihnen. (7. A.) Unter „Bestimmnng" eines Rechtsverhältnisses ist zu verstehen: Begründung, Erhaltung, Aenderung oder Auflösung eines Rechtsverhältnisses. Die Definition des §. 1 ist ihrem Wortlaut nach zu eng, da sie nur Erwerbung und Veräußerung eines Rechts erwähnt. — Ebenso sagt das O.Tr.: „Auch nach der landrechtlichen Definition ist der Vertrag immer als die übereinstimmende Willenserklärung meh­ rerer Personen, unter sich ein Rechtsverhältniß zu bestimmen, aufzufassen, weshalb sein Zweck nicht aus­ schließlich auf die Erwerbung eines neuen Rechts, und nicht bloß auf die Begründung eines neuen, sondern auch auf die Sicherung und Erhaltung eines bereits unter den Kontrahenten bestehenden Rechtsverhältnisses gerichtet sein kann. Berührt ein Rechtsverhältniß das gegenseitige Interesse der Kontrahenten, und wird dessen Bestehen in einem Vertrage unter Anführung der damit verbundenen Leistungen anerkannt, so machen dergleichen Erklärungen einen integrirenden Theil des Vertrages aus und können nicht als bloße historische Erwähnungen aufgefaßt werden, welche außerhalb deS Bereichs der vertragsmäßigen Festsetzungen ständen. Dies gilt um so mehr, wenn in einem AuSeinandersetzungsrezesse ausführlich darüber gehandelt wird, wie es rücksichtlich der verschiedenen Lasten und Abgaben nach erfolgter Ausführung der Auseinandersetzung gehalten werden soll." Erk. I. v. 3. Nov. 1865, Str. Arch. 62 S. 16. Der §. 1 hat nur den obligatorischen Vertrag zum Gegenstände, zufolge der Darstellung der damaligen juristischen und philosophischen Schriftsteller. (Kantes Be­ griffsbestimmung ist noch enger; er beschränkt den Vertrag auf die Veräußerung von Eigenthum. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Königsberg 1797, S. 98.) Diese Begriffsbestimmung im §. 1 hindert die Anwendung des allgemeinen Begriffs von Vertrag nicht, denn der §. 1 handelt eben nur von der Anwendung der Vertragsformen bei Obligationen und schließt andere Anwendungen keineswegs aus. Die wesentlichen Erfordernisse eines jeden Vertrages sind: 1. Mehrere Personen, wenigstens zwei, die einander gegenüber stehen und wenn auch nur unter ihrem Geschäftsnamen (Firma) genannt sein müssen. Unter der Benennung einer Sache oder eines Lokals, z. B. „Expedition eines Blattes", kann ein Vertrag nicht geschlossen werden, es fehlt an dem wesentlichen Erfordernisse eines Vertrages in Ansehung der Personen, nicht etwa in Ansehung der Form, wie irrig angenommen worden ist. Vergl. Entsch. des O.Tr. 4 S. 197 und Koch, Beurtheilung S. 246. Ebenso unmöglich ist es, daß eine Person, welche mehrere Personeneigenschaften in sich vereinigt, z. B. Vormund ist, in diesen verschiedenen Eigenschaften mit sich selbst einen Vertrag schließen kann. Gegen dieses Axiom verstößt das zu I. 20 §§. 104 u. 105 eingezeichnete Pr. 1487 v. 18. September 1844. Der Fall ist die Verpfändung einer Sache für eine fremde Schuld. Der Eigenthümer und Verpfänder des Pfand­ stücks war Vormund des Gläubigers. Der Gläubiger mußte nach §§. 104 und 105 eit. in Besitz gesetzt werden von Seiten des EigenthümerS. Der Eigenthümer konnte unmöglich an sich selbst die

Bon Verträgen.

169

§. 2. Die Erklärung, einem Andern ein Recht übertragen, oder eine Verbind­ lichkeit gegen denselben übernehmen zu wollen, heißt Versprechen. §. 3. Dagegen ist die bloße Aeußerung, etwas thun zu wollen, noch sür kein Versprechen anzusehen5 * ). **4 §. 4. Zur Wirklichkeit eines Vertrages wird wesentlich erfordert, daß das Ver­ sprechen gültig6)7 angenommen worden. (§. 78 sqq.) §. 5. Bloße Gelübde haben, als bloß einseitige Versprechen, nach bürgerlichen Gesetzen keine Verbindlichkeit'). §. 6. Hat der Erblasser ein Gelübde zu erfüllen angefangen, so wird vermuthet, daß er den Erben zu dessen Vollendung habe verpflichten wollen 8). Sache aus seinem Eigenthumsbesitze in seinen vormundschaftlichen Besitz übertragen, er konnte sich nicht in zwei Personen spalten. Nun hatte man es so gemacht: er gab dem Schuldner die Sache, um sie zu verpfänden, und der Schuldner gab ihm die Sache als Pfand für den Mündel zurück. Das erklärt jenes Pr. für eine wirksame Pfandbestellung. Aber wo bleibt da die Trennung des Besitzes des Mündels von dem Besitze des Eigenthümers? Ein Pfandstück, was nicht der Gläubiger, sondern der Schuldner oder Eigenthümer in seiner physischen Gewalt Hot, ist kein Faustpfand. (6. A. Der hier ausgesprochene Tadel gegen das Präjudiz 1487 trifft wohl nicht zu, der Schuldner ver­ pfändet in diesem Fall eine fremde Sache mit Einwilligung de- Eigenthümers, die Pfandbestellung wird durch Uebergabe an diesen Eigenthümer in dessen Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des Gläu­ bigers auSgesührt. §. 105 I. 20 schließt nur den stellvertretenden Besitz des Schulduers aus.) 2. Von beiden Seiten muß man etwas wollen (Gegenstand) und zwar 3. genau das Nämliche; jedoch auch noch so geringe Differenz hindert die Vereinigung, daher entsteht durch eine bedingte oder beschränkte oder ausgedehnte Acceptation eines Anerbietens (Versprechens) kein Vertrag, §. 84. Die Willensübereinstimmung muß ausgedrückt und erkennbar gemacht werden. Wenn mehrere Per­ sonen in ihren Gedanken über einen gewissen Gegenstand übereinstimmen, und Jeder oder auch nur Einer seine Gedanken verheimlicht, so entsteht kein Vertrag. Vergl. Entsch. 19 S. 363. 5. Der Gegenstand muß die Bestimmung eines Rechtsverhältnisses betreffen: die Willensübereinstimmung über einen gleichen und gleichzeitigen Spaziergang mit einander ist kein Vertrag. 6. Das Rechts­ verhältniß muß diese Personen selbst angehen, kein ihnen durchaus fremdes sein. Deshalb ist z. B. der Beschluß eines Richterkollegiums über das ihm vorgetragene Rechtsverhältniß kein Vertrag, wenn auch Stimmeneinhelligkeit stattfindet. — Die Ungültigkeit in einem Theile des Vertrages hat in der Regel totale Nichtigkeit des Vertrages zur Folge. Wenn z. B. die in einem Erbrezesse geschehene Veräußerung eines Nachlaßgrundstücks wegen eines wesentlichen Mangels nichtig ist, so sind alle übrigen damlt im Zusammenhänge stehenden Verabredungen, resp, der ganze Erbrezeß nichtig. O.Tr. I. v. 28. Juni 1852 , Str. Arch. 5 S. 328. Der Rechtssatz kann für richtig gelten, weil eine Theilung des Geschäfts ohne wechselseitige Einwilligung dem Wesen eines Vertrages widerspricht. 4) Die Bezeichnungen: Uebereinkunft, Abkommen, Verabredung, Vereinbarung, Paktum, Kon­ trakt, Konvention, werden synonym gebraucht; selbst die Bezeichnung Vergleich kommt in dieser allgemeinen Bedeutung vor. 5) Dieser Gegensatz soll das Versprechen (das Anerbieten) (§. 2) begrenzen. Der Gegensatz eines Versprechens nach dieser Seite ist die Aeußerung eines in die Zukunft gestellten Wollens, z. B. ich beabsichtige oder ich bin nicht abgeneigt, dir mein Haus für 1000 zu verkaufen. 6) Die Annahme ist eben das Erforderniß der gegenseitigen Kundgebung der Willensübereinstim-mung. Die Gültigkeit ist nicht bloß bei der Annahme ein Erforderniß, sondern auch und noch mehr bei dem Versprechen: es soll aber durch die ausdrückliche Erwähnung dieses Erfordernisses nur erin­ nert werden, daß auch die Annahme in gültiger Weise ausgedrückt sein müsse.

7) Diese Vorschrift ist auf Klostergelübde nicht zu beziehen. Arch. 40 S. 249. Vergl. die folg. Anm. 8.

O.Tr. Hl. v. 4. Febr. 1861, Str.

8) Unter Gelübde wird das Schenkungsversprechen an eine Stadtgemeinde (poliicltatio) oder zum Gottesdienste (votum) verstanden. Es soll nach Civilrecht nicht gültig, d. h. nicht erzwingbar sein. Der §. 6 bestimmt eine Ausnahme davon, aber eine sehr gefährliche Ausnahme, indem darnach das Schenkungsversprechen maßlos sein kann und kurz vor dem Tode nur anfangsweise erfüllt zu werden braucht, um den Erben um die ganze Erbschaft zu bringen. Auch das R. R. kennt den Anfang der Erfüllung, z. B. deö verheißenen Baues, als Verpflichtungsgrund für den Erben, aber mit der verständigen Beschränkung, daß eine Reduktion auf den fünften Theil der Erbschaft eintreten kann, wenn die Vollendung mehr kosten, vielleicht das Ganze erschöpft würde. L. 6 pr., 9, 14 D. de pollicitat. (L, 12). Die Unbeschränktheit des §. 6 harmonirt nicht mit den Grundsätzen des L.R. über Schenkungen. Jedenfalls muß auch nach L.R. der Pflichttheil ungeschmälert bleiben. Uebrigens kommt auf die Form des Gelübdes nichts an, denn ein in der strengsten (gerichtlichen) Form gemachtes

170

Erster Theil,

Fünfter Titel.

§§. 7—13.

§. 7. Wenn beide Theile gegenseitige Verbindlichkeiten übernehmen, so wird solches ein lästiger Vertrag genannt9). §. 8. Wohlthätig heißt ein Vertrag, durch welchen nur (Sin10) Theil etwas zu Gunsten des Andern zu geben, zu leisten, zu dulden, oder zu unterlassen verpflich­ tet wird. §• 0. So weit Jemand zu rechtsgültigen Willenserklärungen fähig ist, so weit Verträge kann et auch durch Verträge sich verpflichten. zu sch reßen. §.io. Verträge, wodurch unfähige Personen verpflichtet werden sollen, müs­ sen durch die im Gesetz oder vom Richter ihnen bestellten Vormünder11) geschlossen werden. ($it. 4, §§. 20—26.) Gelübde ist ebenso unverbindlich wie das ganz formlose. Für den Erben ist lediglich der Anfang, aber der freiwillige, auf Handlungs- und Wiüensfähigkeit beruhende Anfang des Erblassers mit der Erfüllung der VerpflichtungSgrund. Ist der Erblasser willens- oder handlungsunfähig, so gilt auch die angefangene Erfüllung nicht als rechtsgültiger Anfang. Dies ist jedoch praktisch nicht richtig, weil Jemand, der die Erfüllung eines Gelübdes angefangen hat, doch auch über die Mittel dazu muß haben verfügen können, woraus sich denn auch die Gültigkeit des Anfanges insoweit von selbst ergiebt. 9) Es ist richtig, daß ein zweiseitiger Vertrag allemal ein lästiger ist, aber der lästige Vertrag ist nicht immer ein zweiseitiger. Die hier gemeinten Gegensätze sind zweiseitige und einseitige Verträge. Der einseitige Vertrag ist der Urbegriff des Vertrages; er erzeugt nur eine einfache Verbindlichkeit oder Berechtigung mit einer einseitigen Klage (actio direeta), so daß nur der Eine Gläubiger und der Andere Schuldner ist. Darum muß mcht die übernommene Schuld unvergolten sein; die Ver­ geltung kann in der Vergangenheit liegen oder in der Zukunft erwartet werden. Wird sie gleich­ zeitig in der Form der Gegenleistung bestimmt, so entsteht ein zweiseitiger Vertrag, d. i. ein untrenn­ barer Doppelvertrag, zusammengesetzt aus zwei einfachen, die sich gegenseitig bedingen.

10) Nicht jeder einseitige Vertrag ist ein wohlthätiger (s. die vor. Anm.); wohlthätig ist viel­ mehr nur ein solcher, bei welchem die Bereicherung des Anderen, ohne alle Vergeltung für den Versprechenden oder Geber, beabsichtigt wird. Die acceptirte Erklärung, wodurch der Eine dem Anderen für eine empfangene bestimmte Dienstleistung als Vergeltung 100 zu geben verspricht, ist gewiß ein einseitiger, denn der Andere hat daraus für seinen Theil nichts zu leisten, zu dulden oder zu unter­ lassen; aber er ist kein wohlthätiger, denn der Empfänger hat gleichfalls geleistet und erhält nur Vergeltung. Die Definition ist nicht treffend, aber auch in dem Gesetzbuche entbehrlich.

11) Die bestellten Vormünder selbst sind die Vertreter der Persönlichkeit des Unfähigen, nicht das Vormundschaftsgericht; auch reicht zur Ungültigkeitserklärung eines vom Vormunde für den Mündel abgeschlossenen Vertrages der Umstand allein, daß die Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts vorgeschrieben aber nicht eingeholt ist, nicht hin. O.Tr. Pl. (Pr. 1758) v. 22. Juni 1846, (Lutsch. 13 S. 3. (7. A.) Die ältere preußische Praxis schwankte in der Auffassung der rechtlichen Be­ deutung der Genehmigung der Handlungen eines Vormundes durch das Vormundschaftsgericht, wesentlich verleitet durch Aussprüche wie §. 235, bes. 237 A. L.R. II. 18. Es ist ein Verdienst deö O.Tr., die richtige Auffassung, daß der Vormund, nicht das vormundschaftliche Gericht, der Rechtsvertreter des Mündels sei, festgehalten zu haben. Die neue Bormundschaftsordnung v. 5. Juli 1875 (G.S. S. 431) läßt darüber keinen Zweifel. Nach §.27 liegt dem Vormund die Sorge für die Person und die Bermögensangelegenheiten des Mündels, sowie die erforderliche Ver­ tretung desselben ob. Nach §. 29 wird der Mündel durch solche Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet, welche der Vormund ausdrücklich im Namen des Mündels oder unter Umständen abge­ schlossen hat, welche ergeben, daß das Geschäft nach dem Willen der Betheiligten (d. h. des Vor­ mundes und des anderen Kontrahenten) für den Mündel geschlossen werden sollte. Nach §. 51 hat das Vormundschaftsgericht über die gesammte Thätigkeit des Vormundes die Aussicht zu führen, es ist also nicht berechtigt, Handlungen selbst vorzunehmen, durch welche der Mündel rechtlich ver­ treten , d. h. berechtigt oder verpflichtet wird. Zu gewissen Rechtsgeschäften bedarf der Vormund der Genehmigung des Gegenvormundes (§. 41) oder der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§. 42), aber durch die Genehmigung des Gegenvormundes wird nicht der Vormund, und durch die Genehmigung des Gerichts weder der Vormund noch der Gegenvormund von ihrer Haftpflicht dem Mündel gegenüber befreit (§. 49). Hat der Vormund für den Mündel ein Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Genehmigung abgeschlossen, so hat dasselbe nur die Wirkung wie ein von einem Mündel, welcher sich mit Genehmigung des Vormundes verpflichten kann, ohne Genehmigung des Vormundes abgeschlossenes Rechtsgeschäft (§. 46). Hierüber giebt nähere Auskunft daS Gesetz v. 12. Juli 1875 betr. die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger re. (G.S. S. 518). Dasselbe gilt für den ganzen Um­ fang der Monarchie, beseitigt alle Verschiedenheiten des gemeinen, altpreußischen und rheinischen Rechts und hat die folgenden §§. des Textes vielfach modifizirt. Es bezieht sich allgemein auf Rechts-

Bon Verträgen.

171

§. 11. Sol! eine Person, welche durch Willenserklärungen nur Vortheile zu er­ werben fähig isti2), durch einen von ihr geschlossenen Vertrag zugleich Lasten über­ nehmen, so hängt die Gültigkeit des ganzen") Vertrags von der vormundschastlichen Genehmigung ab14). §. 12. Aufgehoben"). §. 13. Aufgehoben"). geschäfte (ausgenommen Ehe, Verlöbniß, letztwillige Anordnungen, §♦ 8), mithin auch auf Verträge, und nicht bloß auf bevormundete minderjährige Personen, sondern auch auf Minderjährige unter väterlicher Gewalt. 12) Diese Grundsätze sind auch auf Ehefrauen, welche ohne Zuziehung ihrer Männer lästige Verträge geschlossen haben, anwendbar. O.Tr. IV v. 28. Juni 1860, Entsch. 43 S. 33 u. Str. Arch. 38 S. 85. (7. A.) DaS Ges. v. 12. Juli 1875 (s. vor. Note) schreibt vor: „Minderjährige, welche daS siebente Lebensjahr vollendet haben, sind ohne Genehmigung deS Vaters, Vormundes oder Pflegers nicht fähig, durch Rechtsgeschäfte Verbindlichkeiten zu übernehmen oder Rechte aufzugeben, jedoch fähig, durch Rechtsgeschäfte', bei welchen von ihnen keine Gegenleistung übernommen wird, Rechte zu erwerben und von Verbindlichkeiten sich zu befreien." Die Worte deS §. u „welche durch Willenserklärungen nur Vortheile zu erwerben fähig ist" werden jetzt ersetzt durch die bestimmteren Aus­ drücke : „fähig, Rechte zu erwerben und von Verbindlichkeiten sich zu befreien". Die Vorschrift bezieht sich auf alle'Minderjährige über 7 Jahr. Die Worte des §. 11 „durch einen von ihr geschlossenen Vertrag zugleich Lasten übernehmen" sind ersetzt durch die Worte: „durch Rechtsgeschäfte Verbindlich­ keiten zu übernehmen oder Rechte aufzugeben". Zu solchen Rechtsgeschäften gehört die Genehmigung deS Vaters, Vormundes oder Pflegers, ohne dieselbe sind sie unwirksam. Ob auch noch die Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts nothwendig ist, hängt von der Natur des Rechtsgeschäfts ab und wird in der Vorm.O. bestimmt. (S. vor. Note.) Die Unwirksamkeit des nicht genehmigten Geschäfts wird nicht durch Zeitablauf beseitigt, wohl aber durch Anerkennung desselben Seitens deS Minderjährigen nach erlangter Selbstständigkeit. Ges. v. 12. Juli 1875 §. 3. 13) (7. A.) Der Ausdruck: „des ganzen Vertrages" hat im Sinn deS A. L.R. die Bedeutung, daß der Vertrag auch nicht einseitig als pactum claudicans bestehen bleibt. Nach §♦ 4 deS Ges. v. 12. Juli 1875 gilt dies nicht mehr. Der Vertrag ist trotz fehlender Genehmigung für den hand-^ lungsfähigen Kontrahenten verbindlich biS zur erklärten Verweigerung. Vergl. unten Note 14. Hat ein Vater mit dem unter seiner Gewalt stehenden minderjährigen Sohn einen Vertrag abgeschlos­ sen, so gilt dasselbe. Auf Seiten deS Sohnes wird der Vertrag erst dann verbindlich, wenn die Genehmigung des Pfleger-, der für diesen Fall zu bestellen ist (Vorm.O. v. 5. Juli 1875 §. 86), erklärt ist. 14) Diese Genehmigung kann bei gewagten Geschäften auch nach der Zeit, in welcher die Ent­ scheidung des Wagnisses eingetreten ist, mit Erfolg ertheilt werden. O.Tr. IV v. 28. Juni 1860, Entsch. 43 S. 34. Vorausgesetzt ist dabei, daß keine Erklärungsfrist bestimmt, oder daß die bestimmte noch nicht abgelaufen war. Hat z. B. ein Handlungsunfähiger eigenmächtig ein Lotterieloos mit einem Anderen zusammengenommen und seinen Antheil am Einsätze' dem Anderen, der das Ganze vorgeschossen hat, nicht erstattet, so kann die Genehmigung noch erfolgen, nachdem das große LooS daraus gewonnen worden. 15) (7. A.) Der §. 12 lautete: „So lange der Vormund sich noch nicht erklärt hat, kann der andere Theil von dem Vertrage nicht zurücktreten." Das Gesetz v. 12. Juli 1875 §. 4 Abs. 1. bestimmt: „Derjenige, mit welchem der Minderjährige ein wegen fehlender Genehmigung unwirksames Rechts­ geschäft abgeschlossen hat, ist an dasselbe gebunden; er wird jedoch von seiner Verbindlichkeit frei, wenn der Vater, Vormund oder Pfleger die Genehmigung zu dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft verweigert." Dem Sinne nach ist dies mehr, alö was §. 12 d. T. gesagt hat. Der andere Kon­ trahent ist gebunden bis zur erklärten Verweigerung der Genehmigung; es ist ihm nicht bloß der einseitige Rücktritt versagt, sondern er ist aus dem Vertrage sofort verpflichtet. Natürlich behält er gegen die Klage des Minderjährigen oder dessen Vertreters die Einrede des nicht erfüllten Vertrages, wenn dieselbe an sich nach der Natur deS Vertrages zulässig ist. Das ist der Standpunkt deS römischen Rechts, pr. J. I, 21. §. 9 J. III, 19. 1. 13 §. 29 D. XIX, 1. 1. 9 pr. D. XXVI, 8.

16) (7. A.) Der §. 13 lautete: „Doch steht demselben zu allen Zeiten frei, dem Vormund eine Frist zu bestimmen, binnen welcher er sich über die Ertheilung und Versagung seiner Genehmigung erklären müsse." Das Ges. v. 12. Julr 1875 §. 4 Abs. 2 schreibt vor: „der Verweigerung steht eS gleich, wenn auf ergangene Aufforderung der Vater, Vormund oder Pfleger oder der Minderjährige nach erlangter Selbstständigkeit die Genehmigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nicht ertheilt." Der handlungsfähige Kontrahent kann also willkürlich zu jeder Zeit eine Erklärungsfrist setzen, er kann auch ohne Fnstbestimmung sofort zur Genehmigung aufsordern und dann gilt letztere als ver­ weigert, wenn zwei Wochen ohne Erklärung verstrichen sind. Die Erklärung der Verweigerung ist an keine Form gebunden; das gilt auch schon nach älterem Recht. Entsch. des O.Tr. 12 S. 163.

172

Erster Theil.

Fünfter Titel,

tztz. 14—26.

§. 14. Minderjährige17) unb Verschwender18) werden in Ansehung der Fähig­ keit, Verträge zu schließen, den Unmündigen gleich geachtet. §. 15. Die Unfähigkeit eines Verschwenders, sich durch Verträge zu verpflich­ ten, nimmt mit der Mittagsstunde desjenigen Tages ihren Anfang, an welchem das Blatt der öffentlichen Anzeigen, dem die gerichtliche Bekanntmachung zuerst einver­ leibt ist, ausgegeben worden 19).20 21 22 23 §. 16. Doch kann derjenige, welcher weiß, daß ein Mensch wegen Verschwen­ dung bereits gerichtlich angeklagt sei, aus einem mit demselben auch noch vor der öffentlichen Bekanntmachung") geschlossenen Vertrage kein Recht erlangen. §. 17. Die Unfähigkeit des Verschwenders, sich durch Verträge zu verpflichten, dauert bis zur Mittagsstunde desjenigen Tages, an welchem die Wiederaufhebung der Vormundschaft verfügt wird"). §. 18. Bei Minderjährigen endigt sich die Unfähigkeit, lästige Verträge zu schließen, mit dem Anfänge desjenigen Tages, an welchem sie die Volljährigkeit errei­ chen"). §. 19. Die Fähigkeit solcher Personen, die zwar das in den Gesetzen für sie be­ stimmte volljährige Alter noch nicht erreicht, aber doch das zwanzigste Jahr bereits zurückgelegt haben, ingleichen derer, welche für volljährig erklärt sind, ist gehörigen Orts näher bestimmt"). 17) (7. A.) Das Gesetz v. 12. Juli 1875 macht keinen Unterschied von Minderjährigen und Unmündigen, es begreift unter der ersteren Bezeichnung auch die letzteren. 18) (7. A.) Auf Verschwender bezieht sich das Ges. v. 12. Juli 1875 nicht. Dagegen hat die deutsche Civilprozeßordnung Buch VI Abschn. 2 §. 621 flg. das Verfahren, durch welches ein Ver­ schwender entmündigt wird, gegenüber dem bisherigen preußischen Recht wesentlich geändert. Nicht mehr durch Erkenntniß, sondern durch einen Beschluß des Amtsgerichts, gegen welchen die sofortige Beschwerde und eine Anfechtungsklage zusteht, wird die Entmündigung herbelgeführt. 19) Oder wissen muß, nach I. 4 §. 19. Bergl. I. 12 §. 33 und Proz.O. Tit. 38 §. 22. (7. A.) Die deutsche Civilprozeßordnung (§. 623) sagt: „Der die Entmündigung aussprechende Beschluß tritt mit der Zustellung an den Entmündigten in Wirksamkeit." Der §. 627 schreibt zwar vor, daß die Entmündigung einer Person wegen Verschwendung, sowie die Wiederaufhebung einer solchen Entmündigung von dem Amtsgericht öffentlich bekannt zu machen ist. Welche civilrechtliche Wirkung eine solche Bekanntmachung aber hat, oder ob sie überhaupt eine solche haben soll, darüber sagt die Civ.Pr.O. nichts. Der §.15 d. T. ist aber jedenfalls durch die Civ.Pr.O. geändert. Gegenüber dem Verschwender tritt die Wirkung ein im Moment der Zustellung, also nicht erst in der Mittagsstunde des Tages der Bekanntmachung. Wie steht es Dritten gegenüber? Man wird annehmen müssen, daß, da über die civilrechtliche Wirkung der Bekanntmachung die Civ.Pr.O. nichts sagt, diese Wirkung nach dem Landesrecht, als dem materiellen Recht angehörig, zu beurtheilen ist. Hat daher der Dritte keine Kenntniß von dem Zustellungsakt, so entscheidet ihm gegenüber die Mittagsstunde des Tages, an welchem das Bekanntmachungsblatt ausgegeben ist. Hiernach ergiebt sich die Modifikation deS §. 15 d. T. Die Vorm.O. v. 5. Juli 1875' schreibt die öffentliche Be­ kanntmachung in §. 85 vor, hat aber an der materiellen Wirkung der Bekanntmachung, wie sie das A. L.R. vorschreibt, nichts geändert. Ueber die Bedeutung der öffentlichen Bekanntmachung vergl. auch R.O.H.G. v. 17. Oktbr. 1873, Entsch. 11 S. 207.

20) (7. A.) Nach §. 623 der Civ.Pr.O. tritt die Zustellung des Beschlusses an den Verschwen­ der an die Stelle der Bekanntmachung.

21) (7. A.) Der §. 17 ist in ähnlicher Weise wie §. 15 (s. Note 18) durch die Civ.Pr.O. modifizirt. Die Unfähigkeit hört auf mit der Zustellung des Beschlusses, die Mittagsstunde des Tages, an welchem die Wiederaufhebung der Entmündigung verfügt worden ist, entscheidet nicht. UebrigenS hat das O.Tr. auch schon nach §. 17 angenommen, daß nicht das Datum der Verfügung, sondern die Insinuation an den Entmündigten das entscheidende Moment sei. Pr. 1274 v. 25. Febr. 1843, Entsch. 8 S. 384. 22) Nämlich mit dem Anbruche des 22sten Geburtstages. (6. A. Ges. v. 9. Dezbr. 1869, G.S. S. 1177.) Diese Veränderung wird als Erwerb eines Rechts behandelt. I- 3 §. 46. 23) (7. A.) Das dem §. 19 beigefügte Citat Th. II Tit. 18 Abschn. 8 fällt jetzt weg, nachdem durch die neue Vormundschaftsordnung v. 5. Juli 1875 der Tit. 18 des A. L.R. aufgehoben ist. Letztere enthält über die Fähigkeit solcher Personen, die zwar noch nicht volljährig, aber doch über 20 Jahre alt find, keine besondere Vorschrift; sie war auch nicht nöthig, theils weil jetzt die Voll-

Von Verträgen.

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§. 20. Aufgehoben^). §. 21. Aufgehoben - 5). §. 22. Von den Verträgen der Kinder, die noch in väterlicher Gewalt sind, in­ gleichen der verheiratheten Frauenspersonen, sind nähere Bestimmungen gehörigen Orts festgesetzt. (Th. II, Tit. 1 u. 2).26 * * )* * * 24 25 §. 23. Unverheiratete Frauenspersonen werden, dafern die Provinzialgesetze keine Ausnahme machen27), 28 29 bei30 Schließung 31 der Verträge den Mannspersonen gleich geachtet. §.24. Blinde, Taube und Stumme können in soweit Verträge schließen, als sie ihren Willen deutlich und mit Zuverlässigkeit zu äußern vermögen^). §. 25. Sind ihnen aber Vormünder bestellt2 9), so haben sie wegen der Fähig­ keit, Verträge zu schließen, die Rechte der Blödsinnigen3 °). §. 26. In wiefern, und unter was für Erfordernissen Korporationen und Ge­ meinen durch Verträge verpflichtet werden können, ist nach ihren vom Staate geneh­ migten Grundverträgen zu beurtheilen3 *). jährigkeit mit dem vollendeten 21. Jahr bereits eintritt, theils weil es ganz im Ermessen des Vor­ mundes liegt, dem herangewachsenen Mündel, wenn er ihm dazu reif erscheint, eine größere Frei­ heit zu gewähren. Der 18jährige Mündel soll gehört werden, ehe über die Veräußerung einer un­ beweglichen Sache desselben entschieden wird (B.Ö. §. 55). Nach zurückgelegtem 18. Lebensjahr kann der Mündel für großjährig erklärt werden (V.O. §. 61.)

24) (7. A.) Der §. 20 lautete: „Pflegebefohlene, welche unter vormundschaftlicher Genehmigung eine eigene Wirthschaft angestellt haben, werden, auch ohne Beitritt des Vormundes, durch solche Verträge verpflichtet, welche zur Führung dieser eigenen Wirthschaft unmittelbar gehören." An Stelle dieses §. tritt jetzt §. 5 des Ges. v. 12. Juli 1875 : „Hat der Vater oder unter Genehmi­ gung des Vormundschaftsgerichts der Vormund den selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts dem Minderjährigen gestattet, so ist Letzterer zur selbstständigen Vornahme derjenigen Rechtsgeschäfte fähig, welche der Betrieb des Erwerbsgeschäfts mit sich bringt. — Zu einzelnen innerhalb dieses Betriebes vorkommenden Rechtsgeschäften bedarf der Minderjährige der Genehmigung des Vormundschaftsge­ richts in gleicher Weise, wie nach den bestehenden Vorschriften der Vater oder Vormund dieser Ge­ nehmigung bedürfen würde."

25) (7. A.) Der §. 21 lautete: „Pflegebefohlene, welche unter vormundschaftlicher Genehmigung sich zu einem gewissen Zwecke oder Geschäft bestimmt haben, sind fähig, alle Verträge zu schließen, ohne welche sie diese Bestimmung nicht erfüllen könnten." An die Stelle dieses §. tritt jetzt §. 6 des Ges. v. 12. Juli 1875: „Hat der Vater oder Vormund seine Genehmigung ertheilt, daß der Minderjährige in Dienst oder Arbeit trete, so ist Letzterer selbstständig zur Eingehung und Auflösung von Dienst- oder Arbeitsverhältnissen der genehmigten Art befugt. — Dem Vater oder Vormund steht es frei, eine solche Genehmigung zurückzuziehen oder einzuschränken, soweit dadurch Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden."

26) (7. A.) Der gehörige Ort, wo jetzt die Vorschriften über die Fähigkeit der unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder zu finden sind, ist das Gesetz v. 12. Juli 1875. Für die großjährigen Hauskinder finden sich die Vorschriften noch in A. L.R. II. 2.

27) (7. A.) Solche Provinzialgesetze existiren nicht mehr. 28) Die physische Möglichkeit ist die Grenze. Taube, welche zugleich blind sind, befinden sich in dem Zustande der Unmöglichkeit. Denn wenn sie auch durch Worte ihren eigenen Willen aus­ drücken können, so vermögen sie doch die Gegenerklärung weder durch Worte, Zeichen noch Schrift zu vernehmen, da sie die Laute nicht hören und die Zeichen nicht sehen können, durch das Gefühl aber nur auf eine unzuverlässige Weise, etwa vermittelst erhöhter Buchstaben, der Wille deS Ande­ ren vernommen werden kann. Wäre dies aber auch möglich, so würde doch in dem Falle, wo die schriftliche Form erforderlich ist, die Vollziehung unmöglich bleiben, indem der Taubblinde, wenn er auch seinen Namen schreiben würde, doch den'Inhalt der Schrift nicht erfahren, mithin nicht zur Ueberzeugung wird kommen können: ob der Inhalt mit seinem Willen übereinstimmte. Solche Per­ sonen können mithin nur durch Vormünder handeln. R. v. li. April 1841, J.M.Bl. S. i5i.

29) Dann sind sie juristisch handlungsunfähig, und es kommt nichts darauf an, wie im Falle des vor. §♦ 24: ob und in wie weit sie sich zuverlässig zu äußern vermögen. 30) Mithin die der Unmündigen.

I. 4 tz. 26.

31) Jede juristische Person hat eine beschränkte Rechtsfähigkeit, denn sie kann nur Vermögens­ rechte und gewisse politische Rechte haben; sie ist aber, aus natürlichen Gründen, völlig willens-

174

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 27—37.

§. 27. Wo diese nichts bestimmen, ist auf die wegen der verschiedenen Arten der Korporationen ergangenen Gesetze Rücksicht zu nehmen. §. 28. Wo auch diese nichts Besonderes verordnen, da bleibt es bei den von Verpflichtung der Korporationen überhaupt vorqeschriebenen allgemeinen Grundsätzen. (Th. II, Tit. 6.) §. 29. Oeffentliche Kassen33 * * )*34 *können *35 * *36 * *37 nur * * 32unter Genehmigung des vorgesetzten Departements durch Verträge verpflichtet werden. §. 30. Ist nach der Verfassung der Kasse die unmittelbare ®cnet)niung33) des Landesherrn nothwendig, so muß das vorgesetzte Departement denjenigen, der mit der Kaste sich einlassen will, vor oder doch gleich bei Abschließung des Vertrages, bei eigener Vertretung, davon benachrichtigen"). §. 31. Jeder Kontrahent ist schuldig, nach den Eigenschaften des Andern, welche auf dessen Fähigkeit, Verträge zu schließen. Einfluß haben können, sich gehörig zu erkundigen33). §.' 32. Der bloße Mangel der Wissenschaft von der Unfähigkeit des einen Theils soll also dem Andern niemals zu Statten kommen. §. 33. Wer aber, nach gehörig angestellter Erkundigung, dennoch von einem Unfähigen33) zur Schließung eines Vertrages verleitet worden3'), kann aus dem Vermögen desselben Schadloshaltung33) fordern. und handlungsunfähig, gleich einer vernunftlosen physischen Person. Sie wird nur durch den Wil­ len bestimmter einzelner Menschen vertreten; wer diese sind, muß für jede zunächst durch das Ge­ setz, dem sie ihr Dasein verdankt, bestimmt sein. DieS ist ihre Verfassung. (7. A.) Die neuere Ge­ setzgebung hat sich hauptsächlich in dieser Beziehung mit den kirchlichen Korporationen beschäftigt, für' deren Vermögensverwaltung die Organe bestimmt, und das Erforderniß der Genehmigung ge­ wisser Rechtsgeschäfte durch die Staatsbehörde genau fixirt. Vergl. Ges. v. 20. Juni 1875 über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden (G.S. S. 241), Ges. v. 3. Juni 1876 bett, die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie (G.S. S. 125) und dazu die Kirchengemeinde- und Synodalordnung v. io. Septbr. 1873 nebst Ges. v. 25. Mai 1874 (G.S. S. 147) und die Generalsynodalordnung v. 20. Januar 1876 (G.S. S. 7.) Für daö Vermögen der katholischen Diözesen das Gesetz v. *7. Juni 1876 (G.S. S. 149).

32) Nämlich fiskalische. Die einzelnen Kassen sind immer dasselbe Rechtssubjekt, d. i. der Fis­ kus. Die Vertreter deö Fiskus aber sind nach den verschiedenen Geschäftszweigen und Bezirken an­ dere Personen. Damit verhält es sich wie mit einem Bevormundeten, welcher mehrere Vormünder­ hat, die sich in die Verwaltung getheilt haben.

33) Soll heißen „Genehmigung". R. v. 29. Dezbr. 1837, Jahrb. 50 S. 469. Bei Ankäufen von Grundstücken seitens des Fiskus genügt der Konsens deS betreffenden Verwaltungschess zur Be­ richtigung doS Besitztitels (6. A. Nach neuem Recht muß gesagt werden: zur Eintragung des Eigenthumsüberganges auf Grund der Auflassung; Ges. v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb rc.), ohne Vorlegung einer besonderen k. Ordre. K.O. v. 21. Febr. 1845, J.M.Bl. S. 70. 34) Wenn die Verfassung nicht durch gehörig publizirte Verordnungen bekannt ist. muß ein Jeder die Gesetze kennen.

Außerdem

35) Das bloße Befragen eines Darlehn und Kredit suchenden minderjährigen Menschen, ob er selbstständig sei, kann als eine „gehörig angestellte Erkundigung" nach seiner Berfügungssähigkeit nicht gelten. Vergl. §§. 32, 35 d. T. und §§'. 20, 21, Tit. 3; ferner §. 3 des G. v. 2. März 1857, G.S. S. 111. O.Tr. IV v. 1. Mai 1862, Str. Arch. 45 S. 210. 36) Auch auf Schreibunfähige, welche einen Anderen verleiten, sie für Schreibkundige zu halten und mit ihnen zu kontrahiren, finden diese Grundsätze Anwendung. Entsch. des O.Tr. 12 S. 167.

37) Die Anwendung dieses §. bedingt, daß, neben der Thatsache der Kontraktsschließung, dem unfähigen Schuldner solche, wenn auch nicht eben betrügliche Handlungen nachgewiesen werden kön­ nen, welche den Entschluß des Anderen, sich mit ihm in ein Geschäft einzulassen, bestimmt haben. Pr. 683 v. 10. Jun: 1839. Wirklich betrügliche Handlungen haben nur auf die Bestrafung Ein­ fluß. §. 36. — Bei dem Dolus des Unfähigen ist es auch unerheblich: ob der Irrthum vermeid­ lich war, ob nicht; denn der Dolus des Einen absorbirt das Versehen des Anderen. I. 4 §. 84 und I 6 §. 10. Nicht entgegen ist II. 2 §. 35, denn dort wird gerade auf die §§. 33—36 und I. 6 §. 10 Bezug genommen, wonach nicht Dolus und keine Ausnahme von der Regel vorhanden sein muß. Zwei Ausnahmen machen aber gerade die beiden §§. 34 u. 35. — (7. A.) Das Ges. v. 12. Juü 1875 tz. 7 schreibt vor: „Hat sich ein Minderjähriger fälschlich für geschäftsfähig auSgegeben

Bon Verträgen.

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§. 34. Wer mit einer Person unter achtzehn3 9) Jahren Verträge schließt, kann sich mit der Unwissenheit ihres minderjährigen Alters niemals entschuldigen"). §. 35. Ein Gleiches gilt gegen den, welcher einen Unfähigen bloß auf dessen Versicherung, auch wenn dieselbe eidlich bestärkt würde"), für fähig angenommen hat. §. 36' Wer, seiner Unfähigkeit sich bewußt, einen Andern zur Schließung eines Vertrages verleitet hat, soll als Betrüger gestraft werden. (Deutsches Str.G.B. §. 263.) §. 37. Ein Vertrag, welcher wegen der Unfähigkeit des einen Theils ") unver­ bindlich ist, erlangt durch ein nach gehobener Unfähigkeit erfolgendes Anerkennt­ nis ") nur insofern verbindliche Kraft, als dies Anerkenntniß selbst für einen neuen rechtsgültigen") Vertrag angesehen werden kann. und einen Andern ohne dessen Verschulden zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts verleitet, so kann Letzterer den Ersatz des hierdurch ihm zugesügten Schadens aus dem Vermögen des Minderjährigen verlangen." 38) Nur die actio doli ist gegeben, das Geschäft wird nie gültig durch den Dolus des Unfähi­ gen. Der Rechtsstand ist nach L.R. ein anderer als nach R. R. Nach R. R. war das von einem Minderjährigen eingegangene Geschäft gültig, und man kam ihm nur zur Hülfe mit der restitutio in integrum*. Die Restitution wurde ihm aber versagt, wenn er dolose gehandelt hatte, mithin blieb es bei dem Rechtsgeschäfte. L. 2 und 3 C. si minor se majorem dixerit (II. 43). Das L.R. er­ klärt das Geschäft geradezu für ungültig wegen Mangels der Handlungsfähigkeit, der Dolus des Unfähigen kann ihm die fehlende Eigenschaft nicht verschaffen, folglich kann das Geschäft durch den Dolus nicht gültig werden. — (7. A.) Der §. 7 des Ges. v. 12. Juli 1875 (s. vor. Note) giebt auch nur die actio doli auf Schadenersatz, entscheidet aber nicht die Frage, ob das Rechtsgeschäft gültig oder ungültig sei. Das thut auch nicht §. 33. Wenn Koch vorstehend ausgeführt hat, das A. L.R. erkläre das Geschäft geradezu für ungültig, eS könne durch den Dolus des Unfähigen nicht gültig werden, so ist nicht recht zu verstehen, wie er von einer actio doli sprechen kann, statt von einer exceptio doli gegen die Klage aus dem ungültigen Rechtsgeschäft. Der §. 33 steht vielmehr insoweit mit dem R. R. in Uebereinstimmung, daß er wie dieses das Geschäft als gültig zur Vor­ aussetzung hat, aber er unterscheidet sich von dem R. R., alS er dem verleiteten Kontrahenten nicht durch restitutio in integrum, sondern durch eine actio doli auf Schadenersatz zu Hülfe kommt, was freilich praktisch auf dasselbe ausläuft. Diesen Standpunkt hat auch §. 7 des Ges. v. 12. Juli 1875.

39) Wenn der Dolus deS Unfähigen die Verbindlichkeit zur Schadloshaltung begründen soll, so muß der andere Kontrahent selbst nicht in dolo sein: er muß sich in der That irren und dieser Irrthum muß verzeihlich sein, d. h. ex adspectu corporis nicht berichtigt werden können. L. 32 D. de minor. (IV, 4); L. 3 C. si minor se majorem dixerit (11, 43). Wer eine Unreif aussehende Person für großjährig hält, versieht sich gröblich, und ein grobes Versehen steht dem Dolus gleich. Dann tritt Kompensation des Dolus ein, mithin hat der angeblich Hintergangene von dem dolose handelnden Unfähigen nichts zu fordern. Sehr verständig setzt das L.R. hier ein gewisses Alter fest, unter welches immer fingirt wird, der Andere sei selbst in dolo oder culpa lata gewesen.

40) Entschuldigen. Der Ausdruck ist unpassend. Die Lage ist die, daß die actio doli durch den DoluS des Unfähigen begründet ist. Dieser Klage steht die exceptio doli entgegen, und gegen diese soll nicht die Entschuldigung deS Irrthums gelten, wenn der Unfähige noch nicht 18 Jahre alt ist. 41) In diesem Falle versagte die L. 3 C. si minor se majorem (II, 43) unbedingt die Restitu­ tion. Nach unserem §. kommt auf einen solchen Eid gar nichts an; der Fähige muß, wenn er den Vorwurf des Dolus oder der groben Fahrlässigkeit (An'm. 35) von sich abwenden will, anderen Nach­ weis fordern und sich nicht mit der bloßen Versicherung des Unfähigen und dem adspectus corporis begnügen.

42) Es gilt kein Unterschied zwischen einer gänzlichen Willensunfähigkeit, wie sie den Kindern und Wahnsinnigen eigen ist, und der relativen Handlungsunfähigkeit der Unmündigen, Piinderjährigen, Blödsimugen und Verschwender; denn auch deren lästige Verträge sind ganz ungültig, wenn sie nicht von dem Vorgesetzten genehmigt werden. (7. A.) O.Tr. III v. 30. Novbr. 1874, Str. Arch. 93 S. 44. Das Gesetz v. 12. Juli 1875 kennt auch keinen Unterschied zwischen Unmündigen und Min­ derjährigen. Entsch. 74 S. 164. 43) Wenn ein Großjähriger einen Wechsel, welcher über eine in seiner Minderjährigkeit von ihm kontrahirte Schuld auf ihn gezogen worden ist, aceeptirt, so enthält dies zugleich ein rechts­ gültiges Anerkenntniß dieser Schuld. O.Tr. IV v. 10. März 1859, Str. Arch. 33 S. 57. (6. A.) Ein solches Anerkenntniß liegt auch darin, wenn eine minderjährige Ehefrau mit Genehmigung ihres Vormundes das Handelsgeschäft ihres Ehemannes selbstständig übernommen und dasselbe nach er-

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Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 38—45.

§. 38. Ein solcher neuer Vertrag erstreckt sich nur alsdann auf den Anfang des Geschäftes zurück, wenn dieses zugleich ausdrücklich verabredet worben45). 1Lft®eben’ §• 39. Ueber alles, was der Gegenstand einer rechtsgültigen Willenserklärung QU ’ sein kann, können auch Verträge geschlossen werben46). (Tit. 4, §§. 5—19.) a)ubÄe §• 40. Verträge, durch welche Jemand die Handlung4 7) eines Dritten verHandlungen spricht, verpflichten denselben in der Regel nur, seine Bemühung zur Bewirkung der ol,cr versprochenen Handlung anzuwenden46). langter Großjährigkeit fortgesetzt hat. Sie ist dann auch für die älteren Handelsschulden verhaftet. O.Tr. IV v. 12. Mai 1870, Emsch. 64 S. 238. 44) Daraus folgt Zweierlei: 1. Ein stillschweigendes Anerkenntnis ist ganz unwirksam, es ist eine ausdrückliche Erklärung schlechterdings erforderlich. Diesem entspricht das Pr. 1660 v. 6. Dezbr. 1845, Entsch. 12 S. 332: „Bei Verträgen, die wegen persönlicher Unfähigkeit des einen Kontra­ henten ungültig sind, genügt eine nach erlangter Fähigkeit von demselben erfolgende stillschweigende Genehmigung, z. B. die einfache Annahme einer Zahlung aus dem Vertrage, zur Heilung jenes Mangels nicht." Das Anerkenntniß muß entweder selbst die wesentlichen Punkte des Geschäfts ein­ zeln m sich aufnehmen und wiedergeben, oder eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Vertrag als Anlage enthalten, mit der bestimmten Erklärung: daß es eben jetzt noch Absicht sei, das Geschäft in allen Stücken, wie solche in dem Relatum niedergeschrieben worden, für gültig anzuerkennen. (Ebd. S. 336.) ES genügt auch nicht, daß der fähig gewordene ehemalige Unfähige den Abschluß deS Vertrages als bloße Thatsache einräume, das Anerkenntniß muß auch in der Absicht erfolgen, die verbindende Kraft des Vertrages einzuräumen. Pr. 1510 v. 22. Novbr. 1844, Entsch. 10 S. 361. 2. Das Anerkenntniß muß dieselbe Form haben, welche der Vertrag, der durch dasselbe wirksam werden soll, als Konsensualvertrag zu seiner Vollgültigkeit erfordert haben würde; denn ein ungültiger Realkontrakt kann nicht wiederholt werden. Vergl. unten Anm. 47 zu §. 713 Tit. 11. Dem entsprechend ist das Pr. deS O.Tr. v. 10. Februar 1838, Entsch. 3 S. 147: „Das vom Schuldner nach gehobener Unfähigkeit erklärte Anerkenntniß eines während derselben empfangenen Darlehns von mehr als 50 Thlrn. erfordert zu seiner Rechtsverbindlichkeit die schriftliche Form." Eine einschränkende Ausnahme von dieser Regel macht der Fall II. 2 §. 137, wo die gerichtliche oder notarielle Form positiv gefordert wird. — (7. A.) Durch §.37 d. T. erhält §. 3 des Ges. v. 12. Juli 1875 seine nähere Bestimmung. 45) Von selbst kann das neue Geschäft nicht zurückwirken, weil daS alte nicht einmal zum con­ stitutum taugte, denn hierzu muß wenigstens eine natürliche Verbindlichkeit vorhanden sein. Aber­ verabreden können die Parteien in dieser Hinsicht, was sie wollen. Durch diese Wirkung ex nunc unterscheidet sich dieses Anerkenntniß (eigentlich neue Geschäft) von der bloßen Genehmigung, welche retrotrahirt wird. 46) Verträge, welche gegen daS öffentliche Interesse verstoßen, sind unkräftig. Daher können gesetzliche Verordnungen zum gemeinen Besten durch Privatverträge weder aufgehoben noch abgeän­ dert werden. O.Tr. Ill v. 27. Oktober 1852, Str. Arch. 7 S. 292.

47) Hier werden unter Handlungen Leistungen verstanden, das sind Handlungen nicht im Sinne des I. 3 §. 1, sondern im Sinne des I. 2 §. 2, in sofern sie den Gegenstand des Rechtes eines Anderen auSmachen und zu den Sachen im Allgemeinen gehören. 48) Die herrschende Meinung der gemeinrechtlichen Schriftsteller. Das R. R. hatte, wegen der Strenge und Förmlichkeit der Stipulation, die Regel, daß die Stipulation über fremde Handlungen nichtig sei. Dieser Grund fällt heut zu Tage weg, man legt daher ziemlich allgemein das Verspre­ chen einer fremden Handlung so auS, daß der Versprecher sich alle Mühe geben wolle, den Dritten zu der Leistung zu vermögen, wenn nicht etwas Anderes beabsichtigt worden sei. Diese Ansicht ist in diesem §. und tm §. 45 bestätigt. (7. A. O.Tr. in v. 27. Novbr. 1874, L>tr. Arch. 93 S. 36. Der Versprechende kann auf Aufwendung seiner Bemühungen verklagt werden.) Dabei aber ist im Falle unseres §. 40 die Frage: was gejchehen solle, wenn dre Leistung des Dritten ausbleibt. Dann kann Viererlei möglich sein: 1. Der Promittent hat seine Mühe redlich aufgewendet, doch fruchtlos; 2. er hat sich in seinen Bemühungen nachlässig gezeigt; 3. er hat sie ganz unterlassen, also sein Verspre­ chen gar nicht erfüllt; 4. er hat nicht nur sein Versprechen nicht erfüllt, sondern noch entgegenge­ wirkt. Hierauf beziehen sich die nächstfolgenden §§. 41—44. Den Gegensatz davon enthält der §. 45. DaS Versprechen eines Beistandes eines schreibunkundigen Kontrahenten bei Abschließung einet Vertrages: daß er die Unterschrift jenes Kontrahenten bei der Aufnahme des gerichtlichen Vertrages bei 1000 Thlr. Konventionalstrafe verschaffen wolle, enthält keine Bürgschaft, da eine Hauptverbind­ lichkeit fehlt, sondern kann keinen anderen Sinn haben als den , daß er sich bemühen wolle, um die Partei zu jener Handlung der Unterschrift, welche von ihrem freien Willen abhängig, zu bestimmen. Hat er daS vergeblich versucht, so ist er dem anderen Kontrahenten nichts weiter schuldig. O.Tr. IV v. 12. Nov. 1861, Str. Arch. 44 S. 65.

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Bon Verträgen.

§.41. Kann er dadurch die Handlung nicht bewirken, so ist auch für den an­ dern Theil keine Verbindlichkeit, den Vertrag von seiner Seite zu erfüllen, vorhanden. §. 42. Vielmehr muß ihm dasjenige, was er aus Rechnung eines solchen Ver­ trages bereits gegeben oder geleistet hat, zurückgegeben, oder, wenn dies nicht ge­ schehen kann, vergütet werben49).50 §. 43. Hat der Versprechende keine Mühe angewendet, die versprochene Hand­ lung zu bewirken, so muß er dem andern den aus deren Unterbleibung entstehenden Schaden ersetzen"). §. 44. Ein Gleiches findet statt, wenn der Versprechende durch sein eigenes gro­ bes oder mäßiges Versehen Schuld daran ist, daß die versprochene Handlung nicht erfolgt51).52 * §. 45. Erhellet aus dem Vertrage59), daß der Versprechende nicht bloß feine 49) Beide §§. 41 und 42 entscheiden über den ersten Fall. Der Vertrag fällt zusammen und das Gegebene oder Geleistete kann kondizirt werden. — Wenn ein Käufer zur Berichtigung der Kaufgelder seinem Verkäufer eine Forderung an Zahlungsstatt überwiesen hat, und der Kaufkontrakt demnächst für ungültig erklärt wird, so kann der Käufer nur die Rückgewähr der Forderung, nicht aber die Baarzahlung ihres Betrages verlangen. O.Tr. HI v. 7. Jan. 1852, Str. Arch. 5 S. 25.

50) Hierdurch ist eine direkte Entscheidung für den dritten Fall (Anm. 48) gegeben. Sie ist weise. Nach der Regel muß derjenige, welcher sein Versprechen wissentlich nicht erfüllt, dem Ande­ ren das Interesse leisten. Aber worin besteht hier das schätzbare Interesse des Anderen'? Es ist ja völlig ungewiß, ob die allergrößte Bemühung den allermindesten Erfolg gehabt hätte. Gewiß ist nur der wirkliche Schade, welchen die Unterlassung der Bemühung verursacht hat, wenn sie einen verursacht hat. Im Uebrigen fehlt der ursachliche Zusammenhang zwischen der Unterlassung und dem gehofften Gewinne; folglich kann der Inhalt der Klage, welche hier die Kontraktsklage ist, nicht größer sein. Für den zweiten Fall (Anm. 48) ist keine Entscheidung getroffen. Das Richtige nach der Ab­ sicht des Gesetzgebers wird sein, daß dieser Fall dem ersten gleich behandelt wird. Denn Bemühn^ gen sind angewendet und die Qualität oder Quantität ist unbestimmbar, auch ist völlig unfaßbar­ em Schaden, der aus einer etwas verspäteten oder weniger zudringlichen Bemühung erstanden sein könnte, ja es ist selbst eine Nachlässigkeit (ein Versehen) in der Bemühung nicht begreiflich zu machen, so lange nicht eine normale Beschaffenheit der zu leisten gewesenen Bemühung und eine Diffe­ renz zwischen dieser und der geleisteten festzustellen ist. Deshalb kommt die Frage: ob ein Unter­ schied zwischen einem unvergoltenen Versprechen und einem vergoltenen zu machen sei, in diesem Falle nicht zur Sprache. Hat der Versprechende erklärt, daß er den Dritten zu der fraglichen Handlung nicht veranlassen wolle, so ist durch diese Erklärung in Verbinduug mit der Thatsache, daß der Versprechende bis da­ hin keine Bemühungen zur Bewirkung der Handlung angewendet hatte, dem Anderen das Recht er­ wachsen, gemäß §. 43 den ihm aus dem Unterbleiben* der Handlung erwachsenen Schaden ersetzt zu verlangen, und der Andere ist dieses Rechts nicht wieder verlustig geworden, wenn auch der Ver­ sprechende später den vergeblichen Versuch gemacht haben sollte, der ihm schon lange obliegenden Ver­ pflichtung zur Bewirkung der Handlung zu genügen. O.Tr. IV v. 13. Juli 1867, Str. Arch. 66 S. 363. Diese Anwendung des §. 43 auf den unterliegenden Rechtsfall (der Bekl. war verurtheilt, die Cession einer ihm nicht gehörigen bestimmten Hypothek an den Kläger zu bewirken, oder den Kläger zu entschädigen) ist bedenklich, denn der §. 43 erklärt den Versprechenden nur für schuldig, dem Anderen den aus der Unterbleibung der Mühwaltung entstehenden Schaden zu er­ setzen, er fingirt aber nicht, daß die Anwendung der Mühe Erfolg gehabt haben würde und deshalb für die unterbliebene Handlung des Dritten Ersatz zu leisten sei. 51) Dies ist die Entscheidung für den vierten Fall (Anm. 48). ES wird kein Unterschied zwi­ schen einem lästigen und wohlthätigen Versprechen gemacht, mit Recht, weil hier nicht in der Erfül­ lung gefehlt worden, die ja in der That, durch Anwendung der Bemühungen, geschehen sein kann; sondern weil positiv entgegengewirkt worden und eigentlich eine Beschädigung außer dem Kontrakte durch Versehen zugefügt worden ist. Dabei hat der Umstand, daß das (vielleicht ganz gut erfüllte) Versprechen umsonst gegeben worden, keinen Einfluß, es muß auch in diesem Falle für den durch ein mäßiges Versehen entstandenen Schaden eingestanden werden. Es ist gesagt worden: die Worte „grobes öder mäßiges Versehen" enthielten eben die fragliche Unterscheidung; denn das „grobes" fei auf wohlthätige und das „mäßiges" auf lästige Verträge zu beziehen. Bornemann, 2 S. 415 Note *). Doch wäre das eine willkürliche Beziehung und Unterscheidung, denn diese Verbindung der mehreren Grade durch „oder", welche der Schuldner alle leisten soll, ist die gewöhnliche Sprach­ weise des L.R. Vergl. z. B. I. u §. 338. 52) S. Anm. 48. Aus dem Vertrage muß die Absicht des Versprechens sicher hervorgehen. Koch, Allgemeines Landrecht. I. 7. Aufl.

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Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 45—61.

Bemühungen anzuwenden, sondern wirklich für den Erfolg zu stehen übernommen habe, so muß er bei nicht bewirkter Handlung dem Andern vollständige Genug­ thuung 6 3) leisten. gütabie §. 46. Haben beide Theile ausdrücklich") über fremde Sachen oder Rechte Dnttm einen Vertrag geschlossen, so ist anzunehmen, daß der eine sich nur verpflichten wol­ len, den Dritten zum Besten des Andern zu einer dem Vertrage gemäßen Handlung zu vermögen33). §. 47. Kann diese Absicht der Kontrahenten nach dem Inhalte des Vertrages oder nach den Umständen nicht angenommen werden, so hat dergleichen Vertrag keine rechtliche Wirkung33). §. 48. Doch muß Jeder dem Andern dasjenige, was in Rücksicht auf einen sol­ chen Vertrag wirklich gegeben, oder geleistet worden, vergüten. §. 49. Hat derjenige, welcher die fremde Sache verspricht, für den Erfolg zu stehen, sich ausdrücklich3 *) verpflichtet, so findet die Vorschrift des §. 45 Anwendung. §. 50. Lag bei dem Vertrage um die Sache oder das Recht eines Dritten eine unerlaubte Handlung von Seiten beider Theile zum Grunde, so fällt der von Einem oder dem Andern daraus schon gezogene Gewinn dem Fiskus anheim. e) über UN§. 51. Verträge, wodurch Jemand zu absolut unmöglichen Handlungen oder HaÄngen. Leistungen verpflichtet werden soll, sind nichtig33). §. 52. Gleiche Bewandtniß hat es mit der bedingten (hypothetischen)33) Un­ möglichkeit, wenn sie zur Zeit des geschlossenen Vertrages beiden Theilen bekannt, oder beiden unbekannt war. Dieses festzustellen ist Sache der Auslegung; Beweisführung über sonstige Aeußerungen ist nicht zu­ lässig, es kommt lediglich auf den durch die Erklärung ausgesprochenen Willen an. 53) Nämlich das ganze Interesse aus dem unerfüllten Vertrage. 54) (6. A.) Vergl. Str. Arch. 75 S. 358 (III). — Dann gilt wesentlich derselbe Grundsatz wie bei Verträgen über fremde Handlungen, §. 40. Was Rechtens sei, wenn über eine Sache nicht aus­ drücklich als eine fremde kontrahirt worden, bestimmt sich nach der Beschaffenheit des besonderen Falles und Geschäftes. Die Veräußerung einer fremden Sache, z. B., welche beiden Theilen als solche bekannt war, wird wirksam, wenn der Veräußerer nachher die DiSpositionsbefugniß erwirbt. Entsch. des O-Tr. 16 S. 452. S. auch u. §. 57. (6. A.) Bei Grundstücken, die nach dem Gesetz v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb jetzt nur durch Auflassung und Eintragung veräußert werden können, wird nur der VeräußerungS v e r t r a g hinterher gültig und erzeugt die Klage auf Ertheilung der Auflassung. 55) Die Quelle ist die gemeinrechtliche Praxis. Diese hatte angenommen, daß eine promissio facti alieni als ein Versprechen anzusehen, sich Mühe zu geben, den Dritten zu der Leistung deS Versprochenen zu vermögen. Glück, Kommentar 4 §. 304 S. 208. 56) Ist die Sache nur zum Theil eine fremde und darüber ausdrücklich als über eine theilweise fremde kontrahirt worden, so ist das Geschäft untheilbar und, wenn der Fall des §. 47 eintritt, ganz unwirksam; sonst würde man einen fremden Willen an Stelle des Willens der Parteien setzen. Anders, wenn nicht ausdrücklich als über eine theilweise fremde Sache kontrahirt worden. S. die folg. Anm. 57) Damit soll nicht etwas Anderes als der §. 45 für den Fall, wo über frenibe Handlungen kontrahirt worden, bestimmt, vorgeschrieben sein, denn in solchem Falle muß gleichfalls der Wille ausgedrückt werden. Auf den Ausdruck selbst komnlt nichts an, wenn nur daraus der wahre Wille erhellet. Wenn z. B. Jemand eine theilweise fremde Sache verkauft, übergiebt, und die Gewährlei­ stung übernimmt, so ist kein Zweifel, daß er für den Erfolg einstehen will und muß, wenn er auch diese Worte nicht gebraucht hat. Vergl. das Pr. 437 v. 1837 und dessen Motive, Entsch. 3 S. 242.

58) Tritt die Unmöglichkeit erst später ein, so kommen die Grundsätze §§. 364 ff. zur Anwen­ dung. — Im Allgemeinen gilt von unmöglichen Gegenständen das Gleiche, was von unmöglichen Bedingungen. L. 137 §. 6 D. de Verb. obl. (XLV, 1); L. 185 D. de reg. Juris (L, 17). Auch ein Erkenntniß auf Unmögliches ist unwirksam. L. 3 pr. D. quae sententiae sine appellatione (XLIX, s); O.Tr. IV v. 3. Febr. 1852, Str. Arch. 6 S. 16. 59) DaS ist eine solche, welche durch die Natur der besonderen Verhältnisse des Versprechenden oder des Gegenstandes deS Versprechens, nicht etwa bloß durch die persönliche Leistungsunfähigkeit, unmöglich ist. Z. B. eS macht sich Jemand verbindlich, seine Schwester (Adoptivschwester), oder eine bereit- verehelichte Person zu heirathen. DaS R. R. stellt solche Bedingungen den unmöglichen völ-

Bon Vertragen.

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§. 53. War die bedingte Unmöglichkeit nur demjenigen bekannt, der zu der un­ möglichen Handlung oder Leistung sich verpflichtet, so muß er den andern Theil voll­ ständig entschädigen""). §. 54. Wußte nur derjenige, welcher eine Handlung oder Leistung sich verspre­ chen ließ, daß dieselbe dem Versprechenden unmöglich fei, so hat zwar der Vertrag selbst keine verbindliche Kraft. §. 55. Hat jedoch der, welcher sich das Unmögliche versprechen ließ, dem Ver­ sprechenden in Rücksicht auf den Vertrag bereits etwas gegeben oder geleistet, so ist das Geschäft für eine Schenkung angesehen"'). §. 56. In allen Fällen"?) besteht der Vertrag, wenn darin einem oder dem andern Theile die Wahl gelaffen worden, statt des Unmöglichen etwas anderes zu fordern oder zu leisten. §. 57. Gleiche Bewandtniß hat es alsdann, wenn die bei Schließung des Ver­ trages obwaltende bedingte Unmöglichkeit bis zu der zur Erfüllung bestimmten Zeit aufhört6$). §. 58. Verträge über Sachen, welche dem Verkehr entzogen worden, sind in so fern gültig, als das Hinderniß gehoben werden kann""). »e»,'Verkehr §. 59. Doch kann die Erfüllung erst nach wirklich erfolgter Hebung des Hin-^°"°"^"" dernisses gefordert werden. §. 60. Ist dazu eine gewisse Zeit bestimmt, so verliert, nach fruchtlosem Ab­ lauf derselben, der Vertrag von selbst seine Kraft. §.61. Ist keine Zeit bestimmt, so muß dieselbe auf Verlangen des einen oder des andern Theils, von dem Richter, nach Bewandtniß der Umstände festgesetzt werden. lig gleich. L. 137 §§. 4 u. 6 D. de verb. obl. DaS L.R. giebt dafür hier folgende besondere Re^ geln: Die unmögliche Bedingung ist der einzige Gegenstand, oder sie ist mit einem möglichen alter­ native verbunden. In dem zweiten Falle gilt' der Bertrag unbedingt auf den möglichen Gegenstand (§. 56). In dem ersten Falle hört die bedingte Unmöglichkeit bis zur Erfüllungszelt auf, oder nicht. In jenem Falle besteht der Vertrag (§. 57). Hört sie nicht auf, so ist die Unmöglichkeit entweder Beiden oder nur Einem bekannt oder unbekannt. In jenem Falle ist der Vertrag nichtig (§. 52). War sie nur dem Einen bekannt, so ist dieses entweder der Promittent oder der Pronnssar. Ist es der Promittent, so ist er gehalten, d. h. der Vertrag besteht, er muß das Versprochene oder das Interesse aus dem Geschäfte leisten (§. 53). Ist der Promissar der Wiffende, so ist der Vertrag nichtig und das darauf freiwillig Geleistete gilt für geschenkt (§§. 54, 55).

60) Wenn er nämlich die hypothetisch unmögliche Leistung nicht ermöglichen kann. Der Vertrag ist völlig verbindlich, und es kann mit der Kontraktsklage auf das ganze Interesse geklagt werden. DieS erhellet auS dem Gegensatze §. 54, auch ist dasselbe Prinzip anwendungsmeise ausgesprochen in I. 11 §. 40, und eine gleiche Anwendung desselben findet sich im §. 49. Denn dieser Fall, wo Jemand unbedingt eine fremde Sache verspricht, ist eine hypothetische Unmöglichkeit im Sinne des L.R., gleichwie der Fall, wo Jemand sein dem Anderen bekanntes Pferd verkauft, was er unmittel­ bar vorher schon einem Dritten tradirt hat. Diese Fälle behandelt das R. R. gar nicht als mögliche, sondern nur alS schwierige für den Versprecher; denn die Schwierigkeit hat ihre Ursache nur in der bedingten persönlichen LelstungSunfähigkeit, wenn der Dritte die Sache nicht ablassen will. L. 137 §§. 4, 5 D. de verb. obl. (XLV, 1). In beiden hier gedachten Fällen ist es nicht unmöglich, daß der Promittent die Sache von dem Dritten erwerbe und daS Pferd wieder zurückkaufe. Deshalb ist der Vertrag bindend. 61) Darauf findet denn auch der Widerruf, ganz wie bei einer Schenkung, Anwendung. 62) Nämlich in allen Fällen der hypothetischen Unmöglichkeit. Aus den §. 51 bezieht sich diese Bestimmung nicht, aus den-in der Anm. 138 zu §. 139 Tit. 4 angegebenen Gründen. Bei den hypothetischen Unmöglichkeiten kann das Hinderniß vielleicht durch ungeheuere Geldopfer und An­ strengungen beseitigt werden (Anm. 60). Vergl. §. 67. Deshalb ist die Möglichkeit der Wahl nicht ausgeschlossen, wie bei der absoluten Unmöglichkeit. 63) Der Satz paßt logisch weder zur Theorie von bett Wirkungen der Unmöglichkeit, noch zu der von der bloßen Schwierigkeit. Bei der ersten entscheidet die Zeit der Kontrakt-schließung, bei der anderen ist die Zeit der Ermöglichung ohne Einfluß. Die Bestimmung ist al- eine ganz positive zu betrachten, nicht als ein Prinzip. 64) S. o. Anm. 23 zu §. 14 Tit. 4. Die Verträge gelten immer für bedingte, ohne Unter­ schied: ob man ausdrücklich oder stillschweigend als über eine solche Sache kontrahirt hat. Kannten

180

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 62—72.

§. 62. Hängt die Hebung des Hindernisses von der Handlung eines Dritten ab, zu deren Bewirkung sich einer der Kontrahenten verpflichtet hat, so finden die Vorschriften §§. 40—45 Anwendung. §. 63. Hat keiner von beiden Theilen sich zur Hebung des Hindernisses beson­ ders verpflichtet, so liegt die Verbindlichkeit dazu demjenigen ob, dem allein das Dasein desselben bekannt war. §. 64. War das Dasein des Hindernisses beiden Theilen bekannt, so muß der­ jenige, welcher, wegen eines Mangels in seiner Person, über eine solche Sache den Vertrag nicht schließen kann, für die Hebung des Hindernisses sorgen. §. 65. Kann auch hiernach die Frage nicht entschieden werden, so ist bei bloß wohlthätigen Verträgen derjenige, welcher den Vortheil genießen will, für die He­ bung des Hindernisses zu sorgen verpflichtet. §. 66. Bei lästigen Verträgen aber haben beide Theile dazu gleiche Verbind­ lichkeit. §. 67. Kann, der gehörig angewandten Mühe ungeachtet, das Hinderniß nicht gehoben werden, so findet alles dasjenige statt, was für den Fall, wenn über eine bedingt unmögliche Handlung oder Leistung ein Vertrag geschlossen worden, §§. 52 bis 57 verordnet ist65). «) Uberuner§. 68. Verträge über unerlaubte Handlungen gelten eben so wenig66), als über hingen, unmögliche 6 7). §. 69. Kann jedoch von dem entgegenstehenden Verbotsgesetze Dispensation stattfinden, so gilt von solchen Verträgen eben das, was von Verträgen über Sachen, die dem Verkehr entzogen sind, §§. 58—67 vorgeschrieben ijt68). f)ioRn Seit §. 70. Verträge, deren Erfüllung Niemandem einen Vortheil oder Nutzen ge­ tragen. 3 währen kann, müssen auf den Antrag desjenigen, welcher dadurch belastet ist, von dem Richter aufgehoben werden^). aber nicht beide Theile das Dasein des Hindernisses und kann der, welcher eS wußte, dasselbe nicht bis zur Zeit der Erfüllung heben (§§. 63, 64), so kommen die Grundsätze über eine bedingt un­ mögliche Handlung oder Leistung unbedingt zur Anwendung. 65) S. die vor. Anm. Voraussetzung ist, daß der Irrthum, in welchem sich der eine Theil über das Dasein deS Hindernisses befunden hat, nicht durch Betrug verursacht worden ist, sonst kommen die über denselben gellenden Grundsätze zur Anwendung. 66) Sie sind also im Falle des absoluten Verbotes nichtig und in jeder Hinsicht unwirksam (§. 51), bedürfen daher keiner besonderen Anfechtung und Nichtigkeitserklärung durch den Richter. Für einen solchen Vertrag wird der Vertrag unter Eheleuten, getrennt von einander zu leben, nicht angesehen, obgleich die eigenmächtige Trennung verboten ist, nach II. 1 §. 176. O.Tr. I v. 31. Jan. 1851, Entsch. 20 S. 143.

67) Auch die Unterscheidung des absolut und des hypothetisch Unerlaubten kommt hier zur An­ wendung. S. den folg. §. 69. Ist das Verbot absolut, und folglich der Vertrag nichtig (Anm. 64), dennoch aber darauf etwas gegeben oder geleistet worden, so kann wegen der entgegenstehenden turpis causa nicht kondizirt werden. Dabei' verbleibt es auch, wenn hinterdrein die Handlung allge­ mein und unbedingt erlaubt wird, nach dem Grundsätze I. 3 §§. 42 u. 43, anwendungsweise aus­ gesprochen auch im §. 77 II. 1. (7. A.) Ueber den Begriff „unerlaubte Handlung" in §. 68, 69 d. T. s. R.O.H.G. v. 22. Dez. 1874, Entsch. 15 S. 416; sie muß gegen ein bestimmtes Verbotsgesetz gerichtet sein. Es sind da­ runter also nicht solche Handlungen zu verstehen, durch welche nur- kontraktliche Pflichten verletzt werden. 68) Verträge über absolut verbotene Handlungen sind von Anfang nichtig; Verträge über un­ erlaubte, aber von dem Verbote dispensable Handlungen sind gültig, begründen jedoch nur ein be­ dingtes Verhältniß. Anm. 64. Eine Ausnahme von dem zweiten Theile dieser Regel macht das Ehegelöbniß zwischen Personen, welchen ein obwohl dispensables Ehehinderniß entgegen steht (II. 1 §. 77). Dieses fällt unter den ersten Theil der Regel.

69) Nach der Lehre mancher Neueren, z.B. Leyser, Sp. XL, m. 5, welcher erzählt, sie hät­ ten das Versprechen, welches eine Frau ihrem sterbenden Manne gegeben, daß sie ledig bleiben wolle, aufgehoben; und Glück, Kommentar 4 S. 310, wegen der L. 15 D. de servit. (VIII, 1). Die

Von Verträgen.

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§- 71. Verträge, deren Gegenstand sich gar nicht 70) bestimmen läßt, oder deren «> Bestimmung oder Erfüllung der Willkür des Verpflichteten71) lediglich7 ?) überlassen Verträgen, ist, sind unverbindlich. (§§♦ 235—240)7 3). 72. Ist die nähere Bestimmung einer unbestimmt übernommenen Verbind­ lichkeit dem Ausspruch eines Dritten74) überlassen worden, so ist der Vertrag gültig, wenn der Dritte den Ausspruch thut7 5). Lehre hat keinen Grund. Nach §. 70 kann förmlich geklagt werden; wird der Belastete verklagt, so hat er die exceptio tua non interest. Aber das Interesse muß nicht nothwendig ein Geldinter­ esse sein. 70) Z. B. bei dem Versprechen, ein Thier zu geben, oder Getreide, ohne Angabe der Gattung und Menge. L. 94, 115 pr. D. de verb. obl. (XLV, 1); L. 69 §. 4 D. de jure dot. (XXIII, 3). — Vergl. unten Anm. zu §. 1047 Tit. 11. (6. A.) §♦ 71 bezieht sich nur auf den H aUp tgegenstand des Vertrages. Str. Arch. 82 S. 184 (IV). — (7. A.) Verträge, durch welche dem billigen Ermessen des Verpflichteten der Umfang der Ver­ pflichtung überlassen wird, gehören nicht zu denjenigen, deren Gegenstand sich gar nicht bestimmen läßt. R.O.H.G. d. 2. März 1875, Entsch. 16 S. 431. 71) Die Bestimmung kann auch nicht der Willkür deS Berechtigten lediglich überlassen bleiben, z. B. das Versprechen, zu geben was und wie viel man verlangen werde. Damit würde die Per­ son des Schuldners im Ganzen der willkürlichen Herrschaft unterworfen, also unfrei sein, während nur eine einzelne bestimmte Handlung fremder Willkür unterworfen werden kann. Anm. zu Tit. 2 §. 2. Deshalb kann die Entscheidung eines Streits über die Verpflichtung mit rechtlicher Wirkung nicht in die Willkür des Berechtigten, z. B. bei Verträgen mit dem Fiskus nicht in die Willkür der fiskalischen Behörde «gestellt werden; auf richterlichen Schutz kann man im Voraus nicht verzichten.

72) Lediglich. Z. B. wenn ich werde wollen, gebe ich 10. L. 7 pr. D. de contr. emt. (XVIII, 1). Vergl. Tlt. 4 §.108 und Note 109 dazu; ferner I. 11 §.30. Eine ganz besondere Ausnahme macht der sog. Kauf ad gustum und das pactum displicentiae. Dagegen ist die Bestim­ mung durch Bezugnahme auf ein Ereigniß (s. einen Fall in Entsch. n S. 173), oder auf das Gut­ finden eines Dritten, oder auf den Befund einer bestimmten Gattung und Menge genügend zur Ausschließung der Willkür des Verpflichteten. §. 72. Z. B. ein Vertrag, welcher das Pachtgeld auf eine bestimmte Summe für jeden Brand von Ziegelsteinen festsetzt (O.Tr. III v. 3. Okt. 1855, Str. Arch. 22 S. 229); oder die in einem Kauf- und Ausgedingevertrage enthaltene Einigung, daß der Käufer die nicht näher bestimmten, dem Verkäufer, dessen Ehefrau und Kindern zu gewährenden Ausgedingeleistungen nach billigem Ermessen des Verkäufers zu entrichten habe (O.Tr. III v. 15. Febr. 1856, Mr. Arch. 20 S. 173). Auch auf den Vertrag eines Grundeigenthümers mit einem Kommissionär, worin Jener Diesem für den Nachweis eines Käufers für sein Grundstück eine Be­ lohnung zusagt, deren Höhe zu bestimmen er seinem Ermessen vorbehält, findet die Vorschrift des §. 71 keine Anwendung. O.Tr. IV v. 13. Juni 1865, Str. Arch. 58 S. 347. Dasselbe hat dabei die Beweiserhebung darüber für erheblich erklärt, daß der Beklagte Dritten gegenüber erkannt habe, dem Kläger J Prozent des Kaufpreises zugesichert zu haben.

73) Diese Vorschrift (§. 71) findet nur in dem Falle statt, wo der Hauptgegenstand eines Ver­ trages ganz unbestimmt, oder dessen Erfüllung der Willkür des einen Theiles überlassen ist, nicht aber dann, wo nur bei einer Nebenabrede eine solche Mangelhaftigkeit sich zeigt. In dem letzteren Falle bleibt der Vertrag selbst bei Kräften, und es wird nur über den Gegenstand der Nebenabrede nach den sonst vorhandenen gesetzlichen Vorschriften vom Richter befunden.' Pr. 961 v. 21. Dezbr. 1840. Die Fassung ist in den Worten: „oder dessen Erfüllung der Willkür eines Theiles", fehlerhaft. Die Erfüllung darf nur nicht von der Willkür des Verpflichteten abhängen, der Willkür des Berechtigten kann sie völlig gültig überlassen werden. Ein Fall eines aus diesem Grunde un­ gültigen Vertrages ist z. B. daS Versprechen, einem Dritten für den Fall, daß er die Pflegetochter des Versprechenden heirathe, die Hälfte seines Nachlasses zuzuwenden. Denn dieses Versprechen stellt zwar nicht eine Schenkung von Todeswegen, sondern einen lästigen Vertrag, welcher eine Handlung zum Hauptgegenstande hat (unten Anm. zu §. 165 d. T.), dar; derselbe ist aber wegen Unbestimmt­ heit der versprochenen Zuwendung und der Abhängung von der Willkür des Versprechenden unver­ bindlich. O.Tr. I v. 5. Oktbr. 1855, Str. Arch. 18 S. 178. Ein fernerer Fall ist auch ein Kauf­ kontrakt über das ganze Vermögen, wie eS nach dem Tode des Verkäufers sein wird, oder ein Schen­ kungsvertrag über das künftig bei dem Tode des Schenkers vorhandene Vermögen, indem es ledig­ lich in der Willkür des Verkäufers, beziehungsweise Schenkers, steht: ob alsdann etwas oder gar nichts vorhanden sein wird. Ueber die Gültigkeit einer solchen Schenkung besteht jedoch Meinungs­ verschiedenheit. S. unten Anm. zu §. 1087 Ttt. n und Anm. zu §. 656 Tit. 12. (7. A.) R.O.H.G. v. 9. Jan. 1874, Entsch. 11 S. 381, v. 10. März 1874, Entsch. 13 S. 312. Vergl. ferner O.Tr. III v. 8. Jan. 1875, Entsch. 74 S. 1. 74) Dieser muß individuell bezeichnet sein, oder die Parteien müssen sich nachträglich über ihn

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§. 73. werden"), h)ü£Tei?e §• 74-

Erster Theil.

Fünfter Titel,

tztz. 73-75.

Er kann aber, denselben zu thun, Wider seinen Willen nicht angehalten

Auch die Vortheile eines Dritten können der Gegenstand eines Vertra-

Vortheil gts ftllt77). einesDritten. ” einigen, sonst gilt der Vertrag nicht. L. 25 D. locati (XIX, 2). Eine Ausnahme macht das Ver­ sprechen einer Summe zu einem bestimmten Zwecke nach Ermessen von Sachverständigen oder des Richters, z. B. Alimente oder Ausstattung. 75) Dieser zur Bestimmung des Preises einer Sache, oder der Vergütung einer Arbeit bestellte Dritte ist darum noch nicht als' Schiedsrichter, und die Vereinbarung nicht als ein Kompromiß an­ zusehen. O.Tr. v. 14. Dez. 1844, Entsch. 11 S. 180. Die Verabredung enthält eine Bedingung. Der Ausspruch eines solchen Dritten macht nur den Vertrag fertig (perfekt), ist aber kein Laudum, welches den ordentlichen Richter ausschließt oder vollstreckbar ist. Pr.-O. Tit. 2 §§. 167 ff. Eine Anwendung davon ist Tit. 11 §.48. Vergl. auch daS O.Tr. II v. 7. Februar 1854, Entsch. 27 S. 450, und oben Anm. 107 zu §. 105 Tit. 4.

76) Vielmehr bleibt der Vertrag unvollkommen, wenn der Ausspruch nicht erfolgt. I. 11 §. 51. Das gilt auch von einem Kompromisse, wenn der Schiedsrichter nicht vermocht werden kann, seinen Spruch zu fällen. O.Tr. IV v. 7. Dez. 1849, Entsch. 19 S. 96. Der ordentliche Richter macht eine Ausnahme, wenn auf dessen Ermessen Bezug genommen ist in Fällen, wo es thunlich ist (Anm. 74); dieser ist verpflichtet, seinen Ausspruch zu thun, allenfalls nach Anhörung von Sach­ verständigen. 77) Die Kontrahenten dürfen gegen einander auf die Erfüllung dieses Vertrages dringen, ohne daß es des Nachweises bedarf, daß'sie bei letzterer ein besonderes Interesse Habey. O.Tr. Pr. 1571 v. 10. Mai 1845, Entsch. 12 S. 150. Den Beweis dafür entnimmt man (Entsch. 14 S. 69) aus I 4 §. 112, wonach eine Bedingung, daß einem Dritten ein Vortheil verschafft werden soll, erfüllt werden muß. Das ist etwas ganz' anderes. Diese Bestimmung entscheidet die Frage: ob die Er­ füllung der Bedingung angenommen (fingirt), oder ob sie vielmehr für vereitelt gelten soll, wenn der Dritte den Vortheil a'uöschlägt. Daraus ist nicht das Allermindeste für die Frage zu entnehmen, ob der Promissar, dem die Leistung an einen Dritten zu dessen Vortheile versprochen worden ist, auf die Erfüllung klagen kann, auch ohne ein besonderes Interesse zu haben. Dies wird im R.R. (L. 38 §. 7 D. de verb. obl. [XLV, 1]; L. 11 D. de obl. et act. [XLIV, 7]; L. 9 § 4 D. de reb. cred. [XII, 1]; §.4 J. de inutil. stip. [III, 19]) ganz entschieden verneint und auch von neueren Schrift­ stellern nicht behauptet. Glück 4 S. 564 und des. der dort all. J. H. Böhmer. Einige waren st. M., z. B. genügt dem Leyser, Med. 519 m. 4, 5, quaelecunque Interesse, er verlangt nicht, ut specialius ipsius intersit, doch ohne einen RechtSgrund anzugeben; er beruft sich auf die lex naturalis. Das O.Tr. behauptet a. a. O. S. 153, das L R. habe die Regel des R.R. beseitigt, doch ohne Beweis zu führen. Das L.R. enthält darüber gar nichts; die herangezogenen §. 112 I. 4 und §. 270 d. T. gehören nicht hierher, jeder andere §. würde ebenso passen. Allein deshalb ist der Satz keine juristische Unwahrheit, er ist durch innere Nothwendigkeit geboten und zur Ergänzung des syste­ matischen Zusammenhanges wie zur Befriedigung des praktischen Bedürfnisse« ganz unentbehrlich. S. die folg. Anm. In Beziehung aus die Frage: welche Verträge als zum Vortheile eines Dritten abgeschlossen zu erachten, hat das O.Tr. den an sich unzweifelhaften Satz als Pr. angenommen: „Wenn in einem Kaufkontrakte der Käufer sich verpflichtet, einen Theil des Kaufgeldes an einen Dritten auszuzahlen, so begründet dies nicht den Begriff eines Vertrages zum Vortheile eines Dritten im Sinne und mit den Wirkungen der §§. 74—77." Pr. 2464 Nr. 1 v. 21. Juni 1853. Dies ist ein Fall des adjectus solutionis causa. Durch Versendung des Prospekts und Statuts über die Gründung einer Aktiengesellschaft for­ dern die Unterzeichner des Prospekts Jedweden, welcher den beigefügten Betheiligungsschein aussüllen und vollziehen will, auf, dadurch und nach Maßgabe jener Urkunden der Gesellschaft 'beizutreten. Wer also einen, von einer Mittelperson, sei diese ausdrücklich beauftragt oder nur als negotiorum gestor anzusehen, ihm zugekommenen Betheiligungsschein aussüllt, vollzieht und jener zustellt, hat dadurch eine ihm gewordene Offerte acceptirt, und ist folglich gebunden, wenn auch der Vermittler den Schein den Proponenten noch nicht auögehändigt hat. O.Tr. IV v. 24. Mai 1862, Str. Arch. 46 S. 106. (6. A.) Der §. 74 drückt den ihm unterliegenden Gedanken übrigens nicht korrekt aus; es müßte heißen: Auch Leistungen zu Gunsten (oder zum Vortheil) eines Dritten können u. s. w., denn der Vortheil des Dritten ist nur die Wirkung, nicht der Gegenstand des Vertrages. (6. A.) Ans §. 74 ist nur der Rechtssatz zu entnehmen, daß der Regel nach aus Verträgen nur unter den Kontrahenten Rechte und Pflichten entstehen. R.O.H.G. v. 21. Okt. 1871, Entsch. 3 S. 362. (7. A.) Der Dritte ist nicht ein solcher, welcher von einem der Kontrahenten durch Auftrag oder Gesetz vertreten wird. R.O.H.G. v. 6. Aug. 1873, Entsch. 10 S. 390.

Von Verträgen.

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§. 75. Der Dritte selbst aber erlangt aus einem solchen Vertrage, an dessen Schließung er weder inittelbar noch unmittelbar Theil genommen hat, erst alsdann ein Recht, wenn er demselben mit Bewilligung der Hauptparteien") beigetreten ist"). (6. A.) Wenn zwei Personen über die Sache eines Dritten einen Kaufvertrag abschließen, so wird die daraus hervorgehende Kaufgeldersorderung nicht dem Dritten, dem Eigenthümer der «Dache erwor­ ben; der Vertrag'ist nicht zu jeinen Gunsten abgeschlossen worden, mithin können auch seine Gläu­ biger diese Forderung nicht im Wege der Exekution in Anspruch nehmen. Str. Arch. 87 S. 93 (III). 78) Durch einen von allen Interessenten unterschriebenen Auszug aus dem den Vortheil eines Dritten betreffenden Vertrage wird bewiesen, daß der Dritte diesem Vertrage mit Bewilligung der Hauptkontrahenten beigetreten ist. O.Tr. IV v. 2. Nov. 1852, Str. Arch. 7 'S. 132. 79) Grundsatz des R.R. ist es, daß ein Vertrag, wodurch einem Dritten ein Vortheil zugewen­ det werden soll, dergestalt ungültig ist, daß weder der Handelnde, noch der Dritte daraus eine Klage hat. (M. s. die vor. Anm. 77.) In einer Anzahl von Fällen wird jedoch hiervon eine Ausnahme gemacht, wo dem Dritten ohne Weiteres ein Klagerecht aus unmittelbare Leistung an ihn zugeschrieben wird. Meistens sind die Ausnahmen nur scheinbare, indem das Klagerecht des Dritten sich aus ein anderes Rechtsverhältniß zwischen ihm und dem Kontrahenten zurückführen läßt; in einigen Fällen ist aber der Zusammenhang nicht so klar und es fehlt auch nicht an einer wirklichen Neuerung darunter. (Hierüber s. m. Koch, Recht der Forderungen 2 §. 145.) Daraus haben die Neueren eine allgemeine Regel gemacht, wonach der Dritte, ohne Anerbieten seitens der Kontrahenten und ohne Beitritt von seiner Seite, aus dem Vertrage zu klagen berechtigt sein soll. Diese Regel ist in die gemeinrechtliche Praxis übergegangen. Damit war die Strenge des alten Rechts ausgeglichen und für das praktische Bedürfniß gesorgt. Diesen Zusammenhang hebt der §. 75 mit Absicht der Verfasser und gegen die Erinnerung mehrerer Monenten wieder auf, und darum ist der in der Anm. 77 besprochene Satz ganz nothwendig. Der ß. 75 giebt die Regel: der Dritte muß Mitkontrahent werden, wenn er ein Älagerecht erwerben will. Auf Versicherungsverträge, nach welchen die Zahlung der Versicherungssumme an einen Dritten geschehen soll, findet diese Regel nicht Anwendung. Th. II Tit. 8 §. 2280. O.Tr. I v. 4. Mai 1864, Entsch. 51 S. 47. (7. A.) Dagegen hat das O.Tr. IV v. 26. März 1874 angenommen, daß die Summe, mit welcher der Vater sein'Leben zu Gunsten des unter seiner Gewalt stehenden Kindes bei einer Lebensversicherungsgesellschast versichert hat, nach seinem Tode dem Kinde zufällt, und nicht zur Nachlaßmasse gehört. Entsch. 72 S. 90. — Dies, nämlich daß der Dritte Mitkontra­ hent werde, ist zu bewirken weder durch bloße Anstellung der Klage, indem es hier an dem Aner­ bieten von der anderen Seite fehlt und das Recht schon vor der Klage existent und erworben sein mutz (O.Tr. v. 15. August 1833, Simon, Rechtsspr. 3 S. 172), noch durch Annahme einer Zahlung von einem der Hauptkontrahenten aus dem Vertrage (Pr. v. 17. Mai 1847, Rechtss. 1 S. 167), noch durch Konfirmation des Vertrages von Seiten der Gerichtsobrigkeit, wie solche ehemals beson­ ders in Schlesien bei den bäuerlichen'Stellenverkäufen üblich war (Schles. Arch. 2 S. 497); auch ist in dem §. 370 I. 16 kein Grund zu einer Ausnahme von der Regel zu finden. Vielmehr gehört dazu ein mit Bewilligung der Hauptparteien erfolgter Beitritt zum Vertrage (Pr. 1406 c v. 27.' Jan. 1844), welchem eine Aufforderung dazu von Seiten der Kontrahenten vorangegangen sein muß, dergestalt, daß der erfolgte Beitritt des Dritten, ohne solche vorangegangene Aufforderung, den Kon­ trahenten das Recht nicht entzieht, den Vertrag mit ihrem beiderseitigen Einverständnisse zu ändern oder wieder anfzuheben; nur daß, wenn nur der eine Kontrahent sich etwas zum Vortheile eines Dritten hat versprechen lassen, es auch nur auf die Einwilligung dieses Kontrahenten, nicht auf ein Einverständniß Beider ankommt. O.Tr. v. 4. Jan. 1845, Entsch. 10 S. 349. Das Gesetz for­ dert mithin einen neuen Vertrag zwischen den Hauptparteien oder demjenigen, welcher sich den Vor­ theil für den Dritten ausbedungen hat, einerseits, und demjenigen, für welchen der Vortheil entstehen soll, und zwar in der Form, welche erforderlich gewesen sein würde, wenn sogleich ursprünglich mit demselben kontrahirt worden wäre. (Die ältere Meinung des O.Tr., welche in dem Urtel v. 5. Febr. 1816, Simon, Rechtsspr. S. 118, dahin ausgesprochen' ist, daß schon Zahlungsannahme und Beitritt durch Klage das Rechtsverhältniß begründe, ist später ausdrücklich verlassen.) Eine Ausnahme von dieser Regel ist es auch nicht, daß stlpulirte Reallasten von späteren Singularsuccessoren der ursprüng­ lichen Kontrahenten, ohne solchen besonderen Beitritt zu dem Vertrage, gefordert werden können und geleistet werden müssen; denn die pacta in rem fallen, bezüglich auf die Nachfolger im Besitze der be­ rechtigten und belasteten Sache, überhaupt gar nicht unter die'Grundsätze über Verträge zum Vortheile eines Dritten. (Entsch. des O.Tr. 16 S. 202.) Bei dieser Regel verbleibt es auch, wenn zwischen dem Staate und einer Privatperson über einen das öffentliche Interesse betreffenden Gegenstand, ins­ besondere über die Verpflichtung zur Unterhaltung einer Landstraße, ein Vertrag geschlossen worden ist. O.Tr. II v. 24. März 1863, Str. Arch. 49 S. 127. — Der Verpächter Ist in Bezug auf die von seinem Pächter hinsichtlich der verpachteten Sache ausgeübten Besitzhandlungen nicht als Dritter anzusehen, und vielmehr dabei ipso jure durch den Pächter repräsentirt. (Entsch. des O.Tr. 27 S. 317.)

Dagegen ist eine wirkliche Ausnahme von der Regel bei den Guts Überlassungen der Eltern

184

Erster Theil.

Fünfter Titel.

76.

§. 76. Bis dieser Beitritt erfolgt, kann der zu seinem Vortheile geschlossene an Kinder hinsichtlich der in dem Vertrage ausgesetzten Abfindungen für andere nicht zugezogene Kinder, nach langem Schwanken, von der Praxis angenommen. Das O.Tr. hat durch Plenarbefchluß (Pr. 1770) v. 25. Aug. 1846, Entsch. 14 S. 68, den Satz angenommen: „Wenn ein Vater in dem mit einem seiner Kinder abgeschlossenen Gutsüberlassungsvertrage seinen anderen Kindern Ab­ findungen ausgesetzt hat, so kann der Gntsannehmer dem die Abfindung einklagenden Kinde nicht ent­ gegensetzen, daß er dem Vertrage nicht beigetreten sei." (7. A.) Das Präjudiz N. 1770 setzt voraus, daß der Vater bei dem Gutsüberlassungsvertrage seinem nicht dabei zugezogenen Kinde eine „Abfin­ dung" ausgesetzt, d. h. demselben Vortheile, die ihm der Gutsübernehmer gewähren solle, ausgesetzt habe. O.Tr. IV v. 6. März 1873, Str. Arch. 90 S. 92. — Der Grundsatz des Pr. 1770 wird auch auf andere Ascendenten ausgedehnt; namentlich ist angenommen, daß auch von der Großmutter zu Gun­ sten ihrer Enkelin, die nach den Regeln der Jntestaterbfolge ihre frei-einstige Erbin ist, eine solche Ab­ findung ohne Zuziehung derselben oder ihres Vaters mit rechtlicher Wirftamkeit ausbedungen werden könne. O.Tr. III v. 28. Juni 1858, Str. Arch. 30 S. 151. — Der Pl.-Beschl. findet auch in dem Falle Anwendung, wenn der Vater diese Abfindungen nicht bloß in Gelde oder anderen Leistungen ausgesetzt, sondern den Gutsübernehmer verpflichtet hat, seinen Geschwistern einen Theil des über­ lassenen Grundstücks zu übereignen. O.Tr. III v. 28. Febr. 1853, Str. Arch. 10 S. 9. — Man hat auch angenommen, daß der Vater, welcher nach dem Tode seiner Ehefrau durch Vertrag das gesammte gütergemeinschaftliche Vermögen an eines seiner Kinder übertragen und in diesem Vertrage zugleich die Abfindungssummen der übrigen Kinder festgesetzt hat, nicht berechtigt sei, hiernächst dtese Abfin­ dungssummen auf einen geringeren Betrag herabzusetzen. O.Tr. I v. 13. Dez. 1852, Str. Arch. 8 S. 112. Für die Fälle, wo der Wille des anwesenden Parens durch dessen Tod unwandelbar geworden, hat der Satz eine innere Begründung. Darauf soll er sich aber nicht beschränken, der Abstndling soll sogleich noch bei Lebzeiten des Parens, ohne weiteren Beitritt befugt sein; das Gleiche soll nicht bloß Dom Vater, sondern auch von der Mutter, nicht allein bei Gutsabtretungen, sondern bei Vermögens­ abtretungen überhaupt, nicht allein für die Abfindlinge in der elterlichen Gewalt, sondern für jedes auch schon selbstständige Kind, nach den Gründen gelten. Die Gründe sind: „Bei diesen Verträgen vertreten die Eltern zugleich ihre sämmtlichen Kinder — nicht bloß der Vater seine Kinder in potestate, sondern alle Kinder — und dasselbe thut die Mutter, der Großvater. Durch sie nehmen also die Kinder, ganz wie der §. 75 es zur Klagbarkeit für dieselben verlangt, mittelbar Theil an der Schließung des Vertrages — und auf diesem Wege, der im §. 87 in sehr erweiterter Weise ausdrück­ lich anerkannt ist, wird der Rechtsstand dem, was die gemeinrechtlichen Praktiker überhaupt in Betreff des Klagerechts dritter Personen aus Stipulationen zu ihren Gunsten in fremden Verträgen erstrebt haben, ziemlich nahe gebracht." Diese Begründung ist rechtlich unmöglich, sie verstößt gegen das Axiom, daß eine Person nicht gleichzeitig zwei, einander gegenüberstehende Personen vorstellen, daß eine Person in verschiedenen Eigenschaften nicht mit sich selbst einen Vertrag schließen kann, an einem Theile sie für sich und am anderen Theile wieder sie als Bevollmächtiger des Anderen. Anm. 3 zu §. 1 fr. T. Die Vorstellung ist freilich so, daß der Gutsabtreter stipulirt: versprichst du zu geben mir 100 und meinem Sohne' Joseph 100? und der Gutsannehmer entsprechend zusagt. Dadurch soll es vermieden werden, daß der Abtretende und der Abfindling als Gegentheile erscheinen. Aber so ausgesaßt gehört das Geschäft ja ganz und gar nicht hierher, sondern es ist ein Vertrag, den die Betheiligten selbst in ihrem eigenen Interesse schließen, der eine von den zwei Nebenparteien (Genossen) persönlich, der An­ dere durch einen Bevollmächtigten. §. 87 vergl. mit §. 89. Allein der vorausgesetzte Fall, wo eine fingirte Stellvertretung angenommen werden darf (Dringlichkeit), fehlt auch ganz und gar (I. 13 §. 119), außerdem ist sie unzulässig, wie das O.Tr. selbst ausdrücklich ausspricht'im Pr. v. 30. März 1849, Entsch. 18 S. 207, und in der Ausführung selbst wird kurz vorher auch ausdrücklich behauptet, daß das Geschäft allerdings zu den Verträgen gehöre, worin für einen Dritten ein Vortheil ausgemacht worden. Und so ist es in der That. Der Gutsabtreter beabsichtigt ganz und gar nicht, einen Vertrag für seinen Sohn als dessen Vertreter zu schließen, sondern er will seinen eigenen Vertrag für sich' selbst, über sein eigenes Vermögen schließen, und thut dies auch. Dann aber sind Vater und Ab­ findling nicht Genossen, sondern gegenüberstehende Parteien, welche sich vereinbaren müssen. (7. A. Vergl. hiergegen O.Tr. IV v. 26. März 1874, Entsch. 72 S. 92.) Gehört also der Fall, wie das O.Tr. selbst behauptet, unter die Verträge zum Vortheile eines Dritten, so ist man mit der Annahme jenes Satzes über das Ziel weit hinaus gerannt. Man nehme an: Jemand überläßt sein Gut einem Kinde und bedingt aus, daß die Zahlung sogleich und noch vor der Uebergabe geschehen, die Uebergabe aber erst nach geraumer Zeit erfolgen solle; er weist von dem Preise einem andern, völlig selbst­ ständigen Kinde eiue Abfindung an. Durch diesen Vertrag ist die Kaufgeldersorderung eine unbetagte und unbedingte, nicht von der Uebergabe abhängige, geworden. Der Abfindling fordert die ihm be­ stimmte Summe — vor der Uebergabe — klagend ein, und der Annehmer kann ihm nicht den Ein­ wand, daß er nicht Mitkontrahent fei, entgegensetzen, nach jenem Satze. Nachher aber finden die Kon­ trahenten die Aufhebung des Geschäfts — noch vor der Uebergabe — in ihrem Interesse und heben den Vertrag wirklich auf. Da müßte denn also — nach jenem Satze — der nicht zugezogene Ab-

Bon Verträgen.

185

findling ein Beto haben oder doch seine schon geltend gemachte Forderung ohne Rücksicht darauf, waS die Kontrahenten unter sich weiter ausgemacht haben, behalten und durchsetzen können. Oder soll der Parens hier auch wieder der fingirte Bevollmächtige oder der negotiorum gestor des Abfindlings und als solcher berechtigt sein, das ihm rechtskräftig Eingeräumte wieder wegzunehmen? Diese Konse­ quenzen möchten kaum einen Vertheidiger finden. Der Hülfsgrund: „sie können noch mehr, sie kön­ nen die Abfindung zur Bedingung machen", ist gewichtlos. Es ist nicht findbar, wie daS mehr sein soll. Auf die Erfüllung der Bedingung kann ja weder der Kontrahent noch der Dritte, dem ein Vor­ theil zugewendet werben soll, klagen. Es ist unverständlich, was damit bewiesen werden soll. Dem sei wie ihm wolle, so viel ist gewiß, daß diese Ausnahme keine Anwendung findet außer nur bei Guts­ überlassungen der Eltern an eines ihrer Kinder hinsichtlich der Aussetzung von Abfindungen für an­ dere Kinder. Das O.Tr. hat auch später den durch jenen Pl.-Beschl. sestgestellten Satz einerseits als eine nur für alle Fälle des Gutsüberlassungsvertrages zwischen Eltern und Kindern geltende Ausnahme bezeich­ net (in einem Erk. III v. 25. Mai 1857, Str. Arch. 24 S. 339, wird jedoch der Pl.-Beschl. auch dann für anwendbar erklärt, wenn nicht einem der Kinder, sondern der Ehefrau das Gut überlassen wird), andererseits zur Abweisung der Konsequenz, daß der Abfindling ohne Rücksicht darauf, was die Kontrahenten noch weiter unter sich abmachen möchten, die angewiesene Abfindung von dem Gutsüber­ nehmer sogleich einzuklagen befugt sei, den beschränkenden Satz hingestellt, daß auch auf diese Verträge der §. 76 Anwendung 'finde. Erk. I v. 13. Oktbr. 1856, Entsch. 34 S. 39. Allein da es dabei stehen geblieben ist, daß auch schon bei Lebzeiten des anweisenden Parens, ohne dessen Zustimmung, der Abfindling direkt gegen den Gutsübernehmer aus dem Vertrage, dem er nicht beigetreten ist, auf Zahlung der Abfindung an ihn klagen könne, so ist mit dieser Beschränkung und näheren Bestimmung nichts gewonnen; denn die Konsequenz, daß die Kontrahenten in ihrer Wittensäuderung durch jenen Dritten beschränkt werden können, oder daß eine beliebte Aenderung vereitelt werden kann, wenn der Abfindling ohne Weiteres sofort zu klagen befugt ist und von der Klage unverzüglich Gebrauch macht, — diese abnorme Konsequenz bleibt bestehen. Es fehlt jede Sicherheit der Kontrahenten für die Frei­ heit in ihrer weiteren Willensbestimmung; es entscheidet lediglich die Prävention: der Abfindling kann möglicherweise die Abfindung ausklagen und betreiben, ehe der anweisende Parens, weil er vielleicht abwesend ist, davon etwas erfährt. Daß der Vater vor der Dazwischenkunft des Abgefundenen zur Abänderung des Vertrages im Sinne des §.76 befugt sei, hat das O.Tr. wiederholt ausgesprochen in dem Erk. i v. 22. Mai 1857, Str. Arch. 25 S. 131. In einem jüngeren Erk. (III v. 20. Nov. 1863, Str. Arch. 51 S. 245) ist das O.Tr. endlich auf den rechten Weg soweit zurück gekommen, daß es zur Klagelegitimation eines solchen Abfindlings, der dem Vertrage des Vaters nicht schriftlich beigetreten ist, eine schriftliche Ueberweisung der Kaufgelder nach §. 253 I. 16, oder eine gültige, d. i. schriftliche Cession der Rechte des Vaters aus den bei der Abschließung des Kaufvertrages mit dem Uebernehmer getroffenen Verabredungen fordert. — Doch hat das Obertribunal jenen Satz von der Stellvertretung auch angewendet auf' den Fall, wo ein Verkäufer seiner künftigen, nicht nament­ lich genannten Ehefrau seitens des Käufers ein Ausgedinge hatte versprechen lassen. „Sie (die Ehe­ frau)" — heißt es — „wird durch deu Ehemann vertreten und der andere Kontrahent, welcher die Gewährung des Ausgedinges versprochen hat, darf sich daher auf den §. 75 nicht berufen. In con­ creto war zwar der Bauer H. bei Abschluß des Vertrages noch nicht verheirathet. Kein Gesetz entzog ihm aber das Recht, schon im Voraus für seine künftige Ehefrau zu sorgen." Erk. II v. 25. Febr. 1858, Entsch. 38 S. 25. Ein Gutsliedlöhner, z. B. ein Schäfer, ist nicht berechtigt, die von ihm bestellte Kaution von einem späteren Erwerber des Gutes ohne Weiteres zurückzufordern, wenn dieser ihn im Dienste beibehalten und in dem Kontrakte mit seinem Borbesitzer die Kaution übernommen hat, ohne daß der Liedlöhner diesem Kontrakte beigetreten ist, wenn auch der Erwerber, dem Liedlöhner gegenüber, die Uebernahme schriftlich anerkannt hat. O.Tr. I v. 6. Nov. 1863, Entsch. 50 S. 335. (6. A.) Das in §. 75 ausgesprochene Prinzip, wonach ein Dritter aus Verträgen anderer Per­ sonen ein direktes Klagerecht gegen letztere nicht erwerben kann, ist durch §.41 des Gesetzes v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb durchbrochen. Durch denselben ist §. 54 I. 20 und die Deklaration v. 21. März 1835 aufgehoben. Der Erwerber eines Grundstücks, welcher eine aus demselben einge­ tragene Hypothek in Anrechnung aus das Kaufgeld übernimmt, haftet nicht allein mit dem Grundstück aus dem dinglichen Recht, sondern wird auch persönlicher Schuldner des Hypothekengläubigers, auch wenn dieser dem Uebernahmevertrage nicht beigetreten ist; der erste persönliche Schuldner wird von seiner persönlichen Verbindlichkeit frei, wenn der Gläubiger nicht innerhalb eines Jahres, nachdem ihm der Veräußerer die Uebernahme bekannt gemacht hat, die Hypothek dem Eigenthümer gekündigt und binnen sechs Monaten nach der Fälligkeit eingeklagt hat. Allerdings kann eine solche Schuld­ übernahme insofern nicht als ein Vertrag'„zum Vortheil eines Dritten" aufgefaßr werden, als der Gläubiger dadurch keinen Vortheil gewinnt, denn die Forderung stand ihm schon zu, sondern nur einen neuen Schuldner erhält und gegen diesen direkt die persönliche Klage anstellen kann. Aber sowohl §.75 als §. 54 I. 20 beruhen auf demselben Prinzip: durch Verträge können nicht Rechte für Personen be­ gründet werden, die an dem Vertragsabschluß nicht Theil genommen haben oder deni Vertrage nicht bei-

186

Erster Theil.

Muster Titel.

§§. 77- 90.

Vertrag nach dem Einverständniß88) der Kontrahenten geändert, oder gar aufgehoben werden bt). §. 77. Ist aber dem Dritten der Antrag zum Beitritt einmal geschehen88). so müssen die Kontrahenten seine Erklärung über die Annahme abwarten. acceftation.1 §• 78. Alles, was zur Rechtsgültigkeit einer Willenserklärung überhaupt ge­ hört, wird auch zur Gültigkeit der Annahme eines Versprechens erfordert. §• 79. Durch die Annahme eines gültigen Versprechens wird der Vertrag ge­ schlossen 8 3). §. 80. Der Augenblick, in welchem die Annahme gehörig erklärt worben84), bestimmt also auch den Zeitpunkt des geschlossenen Vertrages. §. 81. Handlungen, welche die Annahme des Versprechens voraussehen, wer­ den einer ausdrücklichen Annahme gleich geachtet88). §. 82. Wenn das, was der eine Theil fordert oder verlangt, von dem andern bewilligt worden, so bedarf es von Seiten des Erstem keiner besondern Annahme88), getreten sind. (7. A.) Ein großjähriger, nicht mehr unter väterlicher Gewalt stehender Sohn erwirbt aus einem zwischen seinen Eltern zu seinen Gunsten abgeschlossenen Vertrage ohne Beitritt kein Recht. O.Tr. IV u. 12. März 1874, Entsch. 72 S. 12. S. übrigens unten bei §. 54 I. 20.

80) Einseitig kann keiner der Kontrahenten einen solchen Vertrag widerrufen, dergestalt, daß der Andere durch den einseitigen Widerruf des Einen gezwungen werden könnte, das, waS er dem Dritten vertragsmäßig zu leisten hatte, dem Widerrufenden oder dessen Erben zu leisten. §. 270. O.Tr. I v. 25. Juni 1858, Entsch. 39 S. 31. 81) Vgl. O.Tr. I v. 22. Mai 1857, Str. Arch. 25 S. 133.

82) Auch wenn sonst Schriftform erforderlich, ist es doch nicht nothwendig, daß das Einverständniß der Kontrahenten mit dem Beitritte des Dritten oder der Antrag zum Beitritte an den Letzteren schriftlich erklärt werde. Pr. des O.Tr. 2464 Nr. 2 v. 21. Juni 1853. 83) Erst durch die Annahme wird ein Vertrag perfekt. Auch accesssorische Verträge, namentlich Bürgschaften und Hypothekbestellungen, machen davon keine Ausnahme, nur kann sie hier ganz form­ los geschehen, und deshalb hat eine stillschweigende Annahme bei solchen Verträgen mit der ausdrück­ lichen gleiche Kraft. §. 81 d. Tit. und Tit. 4 §. 59; Entsch. des O.Tr. 12 S. 335.

84) Vorausgesetzt, daß die Erklärung dem Antragenden wirklich zugegangen ist. Vergl. §. 102 d. T. u. O.Tr. IV v. 28. Juni 1850, Entsch. 19 S. 69. — Das gilt auch von gerichtlichen Ent­ scheidungen und Verfügungen. Nur erst durch den Akt der Publikation oder der Insinuation an die betreffenden Interessenten gelangen solche auf eine äußerlich erkennbare Weise zur Existenz und da­ durch zugleich zu ihrer rechtlichen Bedeutung und Wirkung, bis zu jenem Akte ist es dem Richter jederzeit unbenommen, sie noch umzuändern und selbst ganz zurückzunehmen. O.Tr. IV v. 7. Okt. 1862, Str. Arch. 46 S. 256. 85) S. o. Anm. zu §.59 Tit. 4. Damit die formlose Annahme genüge, muß die Erklärung wesentlich auch nichts weiter sein als eine bloße Annahme. Die Anwendungen in der Praxis sind bisweilen falsch, man spricht von Annahme, wo die Erklärung ein Versprechen enthält. So hat man die Annahme eines Schuldscheins über ein erwartetes Darlehn für genügend halten wollen, den An­ nehmer zur Zahlung des Darlehns verbindlich zu machen, während die Erklärung: ein Darlehn geben zu wollen, doch selbstverständlich das Versprechen und nicht die Annahme eines Versprechens ist, mithin die vorgeschriebene Form erfordert. Simon, Rechtsspr. 1 S. 119. — Ebenso hat man behaupten wollen öder doch für zweifelhaft gehalten: ob nicht der, welcher ein Lotterieloos unbestellt zugesandt erhält und nicht zurückschickt, den Einsatz zu zahlen verpflichtet sei, weil darin eine still­ schweigende Annahme liege. Ist gleich sehr verkehrt. S. o. die Anm. zu §. 61 Tit. 4. —. Gleich­ falls ist vorgekommen, daß behauptet worden, Jemand, dem ohne alle Verabredung die Cession einer Forderung zugeschickt worden, die er bei sich liegen lassen, sei dadurch zur Zahlung der Valuta ver­ bindlich gemacht, denn zur Cession genüge eine stillschweigende Annahme. Das freilich, denn die Cession ist bei Forderungen das, was die Tradition bei körperlichen Sachen; aber die Annahme der Tradition ist ja kein Versprechen, etwas zu geben oder zu leisten. S. Pr. des O.Tr. 1345 vom 30. Sept. 1843, Entsch. 9 S. 213. Umgekehrt ist, wenn der Andere, dem Jemand eine Offerte unter Vorbedingung einer bestimmten Leistung oder Gegenleistung macht, statt einer förmlich erklärten An­ nahme sofort die Bedingung der Offerte erfüllt, eben dadurch, mittelst stillschweigender Annahme, der Vertrag zu Stande gekommen. O.Tr. III v. 20. Nov. 1857 , Str. Arch. 22 S. 146. Es ist sogar noch mehr geschehen: der zweiseitige Vertrag ist von dem anderen Theile bereit- erfüllt und dadurch zum Realkontrakte gemacht worden.

86) Hierdurch wird die Meinung eines Theiles der gemeinrechtlichen Schriftsteller beseitigt, daß

Von Verträgen.

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§. 83. Durch die Annahme kann Niemand mehr Recht erwerben, als von dem Andern angetragen worben87). §. 84. Die Annahme muß unbedingt und uneinaeschränkt sein, wenn dadurch der Abschluß des Vertrages erfolgen soll. §. 85. Geschieht die Annahme nur unter Bedingungen oder Einschränkungen, so kann der Versprechende seinen Antrag zurücknehmen»«). §. 86. Verträge können nicht nur persönlich oder durch Bevollmächtigte, sondern auch durch Briefwechsel errichtet werden. §. 87. Soweit88) Personen auf dem Grunde einer wirklich aufgetragenen, oder einer zu vermuthenden Vollmacht, die Geschäfte eines Andern zu besorgen berechtigt sind, soweit können sie auch Anträge, die ihm geschehen, in seinem Namen anneh­ men88). ($it 13, §. 12081) sqq.) §. 88. Außer diesem Falle erlangt durch die Annahme eines Dritten derjenige, welchem das Versprechen geschehen ist, in ber Regel noch kein Recht. (Tit. 11, ß. 1060.) §. 89. Ist aber durch die erklärte Annahme ein wirklicher Vertrag zwischen dem Versprechenden und dem Annehmenden8 2) ju Gunsten des Dritten geschlossen wor­ den, so finden die Vorschriften §§. 74—77 Anwendung. §. 90. Die Annahme eines Versprechens muß, wenn sie gegen den Versprechenden verbindliche Kraft haben soll, zur gehörigen Zeit geschehen88). Annahme. die geschehene Annahme noch von dem Antragenden gutgeheißen, also die Annahme aceeptirt werden müsse.

87) Bei der Veräußerung eines Grundstücks ist daher der Vorbehalt oder die vertragsmäßige Ausbedingung zulässig, daß der Käufer dasselbe nicht ohne Zustimmung seiner Ehefrau mit Schulden oder sollst belasten, noch es ganz oder theilweise ohne deren Genehmigung veräußern solle. Eine solche Vereinbarung erscheint nicht wirkungslos und steht auch den Gläubigern des Käufers entgegen, weil sie nicht mehr Rechte haben, als ihr Schuldner erworben hat. Äst die berechtigte Ehefrau des Käufers ein minorennes Kind des Verkäufers, so hat sie durch Vertretung ihres Vaters unmittelbar die im Vertrage ausbedungenen Rechte erworben und kann die im Wege der Exekution auf das Grundstück genommenen Eintragungen von Forderungen der Gläubiger ihres Mannes für unwirksam und löschungs­ fähig erklären lassen. O.Tr. III v. 1. Mai 1865, Entsch. 54 S. li. 88) (6. A.) In Verbindung mit §. 90 f. d. T. folgt aus §§. 84, 85, daß ein Antrag, welcher nicht unbedingt oder uneingeschränkt, oder nicht rechtzeitig aceeptirt ist, seine rechtliche Bedeutung ver­ liert und bei etwaigen weiteren Unterhandlungen nur noch als thatsächliches ÄnterpretationS-Moment in Betracht kommen kann. R.O.H.G. v. 19. Juni 1872, Entsch. 6 S. 243.

89) Denn nicht alle Verträge könnm durch Stellvertreter geschloffen werden, z. B. Ehe, Erbeinsetzungsverträge. 90) Nur müssen sie selbst nicht auch das Anerbieten machen, da Niemand mit sich selbst einen Vertrag schließen kann, weil die Parteien sich gegenüberstehen. Anm. 3 zu §. 1 d. T.

91) Muß „119" heißen.

R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 469.

92) Nämlich inl eigenen Namen. Dieser §. enthält den Grundsatz zu der Klaffe von Fällen, auf welche sich die §§.87 u. 88 beziehen. In diesen Fällen geschieht die Annahme durch Stellver­ tretung; der Annehmende oder Kontrahent ist nicht derjenige, welcher die Annahme erklärt, sondern der, für welchen er sie erklärt: dieser ist der Geschäftsherr. Der §. 89 aber setzt eine VertragSschließung zwischen den Erklärenden selbst voraus, und wenn der Vertrag den Vortheil eines Dritten zum Gegenstände hat, so finden die Grundsätze §§. 74—77 auf ihn Anwendung, wogegen in den Fällen der §§. 87 u. 88 die Grundsätze Tit. 13 §§. 119 u. f. zur Anwendung kommen.

93) Aus diesem Grundsätze folgt Zweierlei: 1. Der Antragende ist bis zum Ablaufe der Erklä­ rungszeit einseitig gebunden und muß den Vertrag, .bei erfolgender Annahme, gelten lassen, wenn er auch in der Zwischenzeit seinen Willen geändert hatte und diese Aenderung dem Anderen, vor der Erklärung, nicht bekannt gemacht worden. 2. Mit Ablauf der gehörigen Zeit verliert das Anerbieten von selbst seine Kraft, wenn die Annahme bis dahin nicht eingegangen ist; selbst wenn die anneh­ mende Erklärung ohne Verschulden des Annehmenden dem Antragenden zu spät zugekommen wäre, O.Tr. IV v. 21. Juni 1860, Entsch. 48 S. 45; es bedarf dann keiner Erklärung des Rücktritt- von Seiten des Antragenden. §§. 103 u. 104 verglichen mit 105. Ist zwar angezweifelt, aber von der Praxis in letzter Instanz angenommen, nach dem Pr. des O.Tr. III v. 31. August 1849; Ein Macht­ geber, welchem sein Bevollmächtigter die geschehene Ueberschreitung des erhaltenen Auftrages anzeigt,

188

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 91—102.

§. 91. Hat der Antragende einen gewissen Zeitraum zur Erklärung über den Antrag bestimmt, so ist der Andere bis zum völligen Ablauf eines") Zeitraumes zur Annahme berechtigt. §. 92. Hat der Antragende die Zeit zur Erklärung über den Antrag dem Gut­ befinden des Andern überlassen, so kann er dennoch, wenn der Andere zögert, dem­ selben eine Frist zur Annahme bestimmen. §. 93. Ist jedoch die Bedenkzeit ausdrücklich zu einem gewissen Zwecke verstattet worden, so muß die zu bestimmende Frist so beschaffen sein, daß innerhalb derselben der Zweck erreicht werden sönne95 * * ).*96 * * * * * * * * * * 94 §. 94. Ist bei dem Anträge wegen der Zeit zur Annahme gar nichts bestimmt worden95), so muß die Erklärung über einen mündlichen Antrag sogleich, als derselbe geschehen ist, abgegeben werben97).98 99 §. 95. Ist unter Personen, die an Einem Orte sich aufhalten, der Antrag schrift­ lich geschehen, so muß die Erklärung darüber binnen 24 Stunden9 9) erfolgen. §. 96. Ist der Antrag unter Abwesenden schriftlich geschehen, so kommt es auf den Zeitpunkt an, da der Brief an dem Orte, wo der Andere sich aushält, nach dem gewöhnlichen Lause der Posten hat eingehen können. §. 97. Mit der nächsten fahrenden oder reitenden Post, welche nach diesem Zeit­ punkte abgeht, muß der Antrag beantwortet werden. §. 98. Doch ist, wenn mit der ersten Post keine Antwort erfolgt, der Antra­ gende schuldig, noch den nächstfolgenden Posttag, wegen möglicher Zwischenfälle, ab­ zuwarten. §. 99. Ist der schriftliche9 9) Antrag durch einen eigenen Boten geschehen, so ist, wenn er diese Ueberschreitung nicht innerhalb der bestimmten Fristen genehmigt hat, durch eine spätere Erklärung das inzwischen von dem Kontrahenten und dem Bevollmächtigten wieder aufgelöste Geschäft sich zuzueignen oder Entschädigung zu fordern, nicht berechtigt. Entsch. 18 S. 220. Ist von denr O.Tr. auch in unmittelbarer Anwendung auf den im §. 90 vorausgesetzten Fall für richtig an­ erkannt worden. Erk. Hl v. 21. Okt. 1859, Str. Arch. 34 S. 331. Erfolgt die Annahme später, so ist sie als ein neuer Anttag anzusehen, welchen nun der Andere erst noch entsprechend annehmen muß, wenn der Vertrag zu Stande kommen soll. Es ist, in Beziehung auf das Zustandekommen des Vertrages, völlig gleichgültig, welche Ursache das Ausbleiben oder die Verspätung der Annahme hat: das Anerbieten erlischt in jedem Falle durch den Ablauf der Zeit. Welche Folgen die zufällige Verspätung, zum Vortheile des umsonst Acceptirenden, haben kann, bestimmt §. 105. Bei der Annahme einer Erfüllung findet eine Zeit zur Erklärung eines Vorbehaltes nie statt. Pr. 1263 v. 28. Januar 1843 und §. 307 d. T.

94) Muß heißen „dieses".

R. v. 29. Dezember 1837, Iahrb. 50 S. 469.

95) In dem Falle des vorhergehenden §.93 nämlich, wo anfangs die Zeit dem Gutbefinden überlassen worden ist. Ist schon dem Anträge eine Fristbestimmung beigefügt, so kann solche ohne Zustimmung des Antragenden nicht verändert werden, weil es eben von ihm abhängt, wie er daS Anerbieten stellen will. 96) Die für solchen Fall hier subsidiarisch getroffenen Zeitbestimmungen gelten nicht für die Er­ klärung eines Vormundes oder Vormundschaftsgerichts über einen Vertrag, welcher mit dem Mündel selbst bereits abgeschlossen ist, sondern dergleichen Vorgesetzte sind darin unbeschränkt und der Fähige bleibt an den einmal vorgelegten Vertrag seinerseits gebunden, bis er nachträglich eine Frist bestimmt hat und diese, ohne daß die Genehmigung'erfolgt, abgelaufen ist. §. 13 d. T., und Entsch. deS O.Tr. 14 S. 185. Vergl. auch den Rechtsfaü in Simon Rechtsspr. 1 S. 302.

97) „Widrigenfalls der Antragende an seinen Antrag nicht länger gebunden ist", fügt das H.G.B. Art. 318 hinzu. Der §. 94 d. T. setzt das als ganz selbstverständlich voraus. 98) Darunter wird, nach dem gewöhnlichen Sprachgeb rauche, ein Tag verstanden, mit der Be­ deutung, daß nicht a momento ad momentum gerechnet wird, sondern dem, welcher sich erklären soll, außer dem Tage, an welchem er den Antrag erhalten hat, noch der ganze folgende Tag zu Statten kommt. I, 3 §. 47. Entsch. des O.Tr. 12 S. 395. 99) Oder mündliche; denn auch durch die mündliche Willenserklärung mittelst eines Boten kann ein Vertrag zu Stande kommen. Dieser Bote ist nicht etwa als der Stellvertreter beider Theile zu betrachten (Anm. 3 zu §. 1 d. T.), er tritt vielmehr auf als der Beauftragte des Absenders und

Von Verträgen.

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muß der Antragende den längsten Zeitraum, binnen welchem ein solcher Bote ohne un­ gewöhnliche Zwischenfälle zurückkommen kann, abwarten. §. 100. Kommt der Bote in diesem Zeitraum nicht zurück, so muß der Antra­ gende den Andern davon benachrichtigen, und ihm zugleich eröffnen, ob er noch ferner an den Antrag gebunden sein toolle 10°). §. 101. Geschieht der Antrag einer Korporation oder Gemeine, so muß der Antragende auf die Erklärung derselben so lange Zeit warten, als erforderlich ist, daß über den Antrag ein verfassungsmäßiger Entschluß genommen und ihm bekannt ge­ macht werden könnet). §. 102. In allen Fällen, wo nicht ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, wird dafür gehalten2 * ), 1 daß die Annahme in dem Zeitpunkte geschehen sei3), wo der An­ schließt als solcher den Vertrag mit dem Anderen. Auf diesen Fall sind jedoch die Bestimmungen der §§. 99 und 100 über die Folgen der verspäteten Rückkehr unanwendbar, vielmehr kommen die Grundsätze über die Vertragsschließung durch einen Beauftragten zur Anwendung. — (6. A.) Die hier von Koch vertretene Ansicht ist bedenklich. Der Bote ist nicht Stellvertreter und schließt nicht als solcher den Vertrag ab. Er ist wie der Bries nur ein Mittel, Surrogat der mündlichen Erklä­ rung unter Gegenwärtigen. Es können also auch nicht die Grundsätze von der Vertragsschließung durch einen Beauftragten hier zur Anwendung kommen. Die neuere Zeit hat noch ein anderes Mittel der Vertragsschließung unter Abwesenden geschaf­ fen : den Telegraphen. Dieser Fall ist auf gleiche Linie zu stellen mit dem schriftlichen Anträge unter Anwesenden (§. 95); denn ein Fall der mündlichen Anfrage ist es nicht und die Bestimmungen über den Postenlauf passen darauf gar nicht. Aber wegen des Mangels der Unterschriften ist hinsichtlich der Bündigkeit der Anfrage und Antwort der Fall doch nur einer mündlichen Verhandlung gleich zu achten, wenn nicht die Depesck)e von dem Absender eigenhändig unterschrieben worden ist. Man muß deshalb unterscheiden. Der §. 21 des Telegraphen-Regl. verlangt nämlich, daß jede zu befördernde Depesche im Texte ohne Wortabkürzungen und deutlich geschrieben sei, auch den Namen des Absen­ ders enthalte. Die Form ist dahin vorgeschrieben, daß der Absender die Adresse obenan zu setzen, hierauf den Text und am Schlüsse die Unterschrift folgen zu lassen hat. Dieses Original bleibt nach §§. 35 u. 36 in Verwahrung der Telegraphenbeamten. Diese Vorschriften sind bloße Instruktion für die Beamten und es ist nicht vorgeschrieben, daß der Absender die Depesche eigenhändig unter­ schrieben haben müsse, und wenn es'vorgeschrieben wäre, würde die Vorschrift undurchführbar und zweckwidrig fein; es ist nicht mehr erforderlich, als eine schriftliche Vorschrift, deren Inhalt telegraphirt wird und welche demnächst zum Ausweise aufbewahrt wird. Ist nun diese Vorschrift von dem Aufgeber eigenhändig unterschrieben, so hat sie unbedenklich den rechtlichen Werth eines von dem Ab­ sender unterschriebenen Briefes, dessen Inhalt der Briefsteller dem Adressaten durch eine Mittelsper­ son vorlesen oder sonst wie eröffnen läßt. Ist hingegen die vorgeschriebene Depesche von dem Ab­ sender nicht eigenhändig unterschrieben, so ist der Antrag nur ein mündlicher. — Hiermit stimmt die Praxis des O.Tr. überein, indem dasselbe den Rechtssatz ausgesprochen und angewendet hat: Ein mittelst telegraphischer Korrespondenz geschlossener Vertrag ist als schriftlicher anzusehen, wenn die Aufgabe-Depeschen von den Kontrahenten selbst unterschrieben sind. Erk.iV v. 2. Mai 1861, Entsch. 45 S- 59. 100) Unterläßt er dies, so kommt der §. 105 zur Anwendung. — Bei Handelsgeschäften finden die Vorschriften der §§♦ 94—100 keine Anwendung; die Art. 319 — 323 des H.G.B. geben dafür besondere Vorschriften.

1) Dieser §. bezieht sich nur auf die Zeit der Annahme eines Antrages, nicht auf den Fall, wenn ein nicht gehörig legitimster Bevollmächtigter einer Korporation Namens derselben einen Ver­ trag wirklich abgeschlossen und darin ausbedungen hat, daß der Vertrag für nicht geschlossen ange­ sehen werden solle, wenn die Genehmigung versagt werden sollte. Alsdann ist der Grundsatz der §§. 230 u. 231 bestimmend. O.Tr. in v. 6. Febr. 1849 in Sachen Castringius wider Ruhr-KanalAktien-Verein, 219/832 III, 48. 2) Es wird fingirt, vorausgesetzt, daß die Annahme dem Antragenden noch vor Ablauf der ge­ hörigen Frist bekannt geworden ist; außerdem ist der Vertrag nicht zu Stande gekommen. §. 103. 3) „Der Offerent, der die Annahme der ihm von dem anderen Theile zugesandten, dessen Acceptation enthaltenden schriftlichen Erklärung verweigert hat, kann hierauf allein mit Erfolg nicht den Einwand gründen, daß ein schriftlicher Vertrag nicht zu Stande gekommen sei." O.Tr. IV (Pr. 2571) v. 14. Nov. 1854, Entsch. 29 S. 154. Unter der „Annahme der — schriftlichen Erklärung" ist hier die Empfangnahme des Schriftstückes (Briefes re.) gemeint, nicht eine Annahme in der Bedeutung der Acceptation; denn eine Acceptation der Acceptation ist zur Perfektion eines Vertrages unter Ab­ wesenden nicht erforderlich. §. 82.

190

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 102—111 (Zusatz).

nehmende alles gethan hatte, was von seiner Seite zur Bekanntmachung seiner Erklä­ rung an den Antragenden erforderlich war4). §. 103. Sobald aber die vorstehend §. 90 sqq. bestimmten Fristen zur Erklä­ rung über den Antrag fruchtlos verlaufen sind»), kann der Antragende zurücktreten6). §. 104. Er muß jedoch demjenigen, welchem der Antrag geschehen ist. unter Gegenwätigen sofort, unter Abwesenden aber mit der nächsten Post Nachricht geben, daß er den Antrag zurücknehme. tz. 105. Hat er dieses unterlassen, und es findet sich in der Folge, daß der An­ dere seine Annahme wirklich zu rechter Zeit erklärt ljabe7), so muß er demselben für den Schaden, welcher aus den zur Erfüllung des Vertrages gemachten Anstalten in der Zwischenzeit erwachsen ist, gerecht werden»), §. 106. Wenn nach geschehenem Anträge, und vor dem Ablaufe der vorstehend bestimmten Fristen, der eine oder der andere Theil verstirbt, so wird durch diesen Tod in den Rechten und Pflichten wegen der Annahme nichts») geändert. §. 107. Zielte jedoch der Antrag ausdrücklich nur auf persönliche Begünstigung desjenigen ab, welchem derselbe gemacht wurde, so sind seine Erben zu der von dem Erblasser noch nicht geschehenen Annahme nicht berechtigt4»). §. 108. In Fällen, wo wegen des Absterbens eines oder des andern Theils, von einem schon wirklich geschlossenen Vertrage vor der Erfüllung wieder abgegangen werden kann, geht durch den Tod auch das Recht zur Annahme verloren. (§. 415 sqq.) "sß'rtTbcr §• 109. Zur Gültigkeit eines Vertrages gehört, außer der wechselseitigen Ein' tafle- willigung, auch die Beobachtung der in den Gesetzen vorgeschriebenen Form44). 4) (6. A.) „Der §. 102 hat die Frage, ob ein Bertrag zwischen dem Antragenden und dem Promissar durch die Seitens des Letzteren erfolgte Annahme des Antrags des Ersteren zu Stande gekommen sei, überhaupt nicht zum Gegenstände; er bezweckt vielmehr, über den Zeitpunkt zu entscheiden, von welchem ab, unter der Voraussetzung des rechtsbeständigen Abschlusses des Vertrages, dieser seine Wirksamkeit äußern soll." O.Tr. IV v. 21. Juni 1860, Entsch. 43 S. 47.

5) Oder sobald der Antrag abgelehnt ist. Die Ablehnung erfordert in keinem Falle eine schrift­ liche Form, welche das Ratiborer AppellationSgericht für nothwendig erklärt hat, indem ihm die Zu­ rückweisung der Offerte als die Entsagung eines Rechts, nämlich des Rechts zur Acceptation, vorge­ kommen ist, wozu nach §. 134 d. T. die schriftliche Form erforderlich sei. Das O.Tr. hat die durch solche „unpassende Anwendung des §. 134" motivirte Entscheidung durch Erk. in v. 14. April 1856, Entsch. 33 S. 30, vernichtet. ' 6) S. Anm. 93. Dieser Grundsatz gilt auch bei nothwendigen Subhastationen in dem Falle, wenn die SubhastationSinteressenten über eine Frist einverstanden sind, binnen welcher sie sich über den Zuschlag (Annahme des Meistgebots) erklären wollen. Geht die Erklärung vor Ablauf der Frist nicht ein, so ist der Meistbietende an sein Gebot nicht mehr gebunden. O.Tr. v. 22. Oft. 1836, Entsch. 1 S. 275. 7) In diesem Falle ist nämlich die Meinung deS Annehmenden, daß der Vertrag wirklich zu Stande gekommen sei, gerechtfertigt, denn er kann nicht wissen, daß Zwischenfälle daS Eintreffen seiner Erklärung in der gehörigen Zeit vereitelt haben. Hat der Antragende daun seinen Willen geändert, so soll er den Irrthum des Anderen berichtigen, um Schaden abzuwenden. Ist aber die Erklärung schon nicht mehr zu rechter Zeit abgegeben, so hat der Erklärende keinen Grund zu seiner Meinung und keine Veranlassung, Anstalten zur Erfüllung eines Vertrages zu treffen, von welchem er weiß oder wissen muß, daß er nicht zu Stande gekommen; in diesem Falle hat der Andere nicht nöthig, von seiner Willensänderung Nachricht zu geben. 8) (6. A.) Aber an den Vertrag gebunden ist er nicht.

Str. Arch. 84 S. 262 (IV).

9) Also auch nichts in Ansehung der Zeit, mithin ist der Antragende nicht verpflichtet, noch die Ueberlegungsfrist hindurch in Ungewißheit zu bleiben. Wird zur gehörigen Zeit acceptirt, so sind die Erben selbst, für ihre Person, als Kontrahenten zu betrachten, denn für den Verstorbenen kann nicht mehr erworben werden und von ihm haben sie weiter nichts geerbt als die Möglichkeit, eine Erwer­ bung zu machen, wenn sie wollen. Mehrere Miterben müssen jedoch gemeinschaftlich davon Gebrauch machen; acceptirt auch nur Einer nicht in der gehörigen Zeit, so ist der Vertrag nicht zu Stande gekommen.

10) (7. A.) Vergl. R.O.H.G. v. 3. März 1874, Entsch. 13 S. 298. 11) S. o. die Anm. 36 zu Tit. 3 z. 41.

AuS einem nicht bestätigten AblösungSvertrage z. B.

191

Von Verträgen.

§. 110. Ist aber die Beobachtung einer Formalität im Gesetze nur unter Andro­ hung einer Strafe verordnet, so bleibt der Vertrag gültig, wenn gleich die Formali­ tät verabsäumt worden. §. 111. Die Form") eines Vertrags ist nach den Gesetzen des Ortes, wo er^ch.w-^ geschlossen worden, zu beurtheilen. F°r>» $u °

n

'

1.

beurtheilen

K.O. v. 19. Juli 18 34.

§§. 1 u. 4.

(G.S. S. 132.)

sei.

ES wird nachgegeben, daß die zu den Garnisonen der Bundesfestungen Mainz und

Luxemburg") gehörigen diesseitigen Militärpersonen und Beamten,

die sich daselbst mit königlicher

Erlaubniß aufhaltenden, auf Jnaktivitätsgehalt oder Pension stehenden Offiziere, Letztere, so lange sie in Kriminal- oder Jnjuriensachen den Militärgerichtsstand behalten, deren Eheftauen, Kinder, Ange­

hörigen, welche als zu ihrem Hausstande gehörig zu betrachten, und Dienstboten mit ihren Eheftauen und Kindern, in so fern diese Angehörigen und Dienstboten preuß. Unterthanen sind, endlich die

Wittwen und geschiedenen Eheftauen, so lange sich dieselben nach dem Tode ihrer Ehegatten, oder kann weder auf Erfüllung, noch auf Nachholung der mangelnden Form geklagt werden. O.Tr. II v. 12. April 1855, Str. Arch. 17 S. HO. 12) Locus regit actum. Bergt. §. 148. Ausnahme: §. 115 d. T. S. Einl. §. 33 und die Anm. dazu. Daher kommen bei Verträgen, die zwischen Preußen in der Rheinprovinz errichtet wor­ den sind, in Bezug auf die zur Rechtsgültigkeit des Geschäfts erforderliche Form des Vertrages die Vorschriften des Code civil zur Anwendung. Pr. des O.Tr. 352» v. 23. Sept. 1837, Entsch. 3 S. 325. — Auch auf die von Preußen im Auslande, namentlich in Schottland (Gretna-Green), ge­ schlossenen Ehen findet der Grundsatz Anwendung. O.Tr. I (Pr. 2595 Nr. i) v. 15. Jan. 1855, Entsch. 29 S. 380: „Die Regel locus regit actum (§. in Th. I Tit. 5 A. L.R.) gilt auch für die Beurtheilung der Form einer Eheschließung." — Hinsichtlich der Gültigkeit der Form der von einem Preußen im Auslande erfolgten Eheschließung entscheiden zwar die Gesetze des Ortes derselben; die Zulässigkeit einer gültigen Ehe, die Ehehindernisse und die Folgen davon sind aber nach den inlän­ dischen Gesetzen, welchen der Mann durch seinen Wohnsitz unterworfen war, zu beurtheilen. O.Tr. I v. 17. März 1862, Str. Arch. 49 S. 248. Eine andere richtige Anwendung von dem Grundsätze macht das O.Tr. in dem Erk. IV v. 3. April 1856, Entsch. 32 S. 333, einem Rechtsfalle, wo zwei Inländer im Auslande (Dresden) sich mit einander verglichen hatten und der Eine, wegen seiner Schreibunfähigkeit, daran nicht gebunden sein wollte. Diese Regel bezieht sich aber nur aus die allgemeine äußere Form. Die besondere Form, welche gewisse Personen, wegen ihres Zustandes, zu beobachten haben, richtet sich nach den Personal-Statuten. S. o. Anm. zu §. 33 der Einl. Auch in Beziehung aus die Wirkung und den Umfang der Wir­ kung einer Obligation entscheidet ein anderer Grundsatz. S. ebend. Nr. 4. ' Die Regel des §. in bezieht sich auf die wesentliche Form. Es kommt jedoch vor, daß an dem Orte der Kontraktsschließung die Wirksamkeit eines an sich in der civilrechtlichen Form geschlossenen Kontrakts vor den dortigen Landesgerichten wegen anderer Ursachen nicht anerkannt wird. In Eng­ land z. B. kann von einer Kontraktsurkunde, welche nicht gestempelt ist und wegen Versäumung der dazu nachgelassenen Frist von vier Wochen auch nicht mehr gestempelt werden darf, vor Gerichten, zur Strafe der Stempelkontravention, kein Gebrauch gemacht werden. Dieser Mangel steht vor preu­ ßischen Gerichten der Rechtsgültigkeit deS Kontrakts nicht entgegen, weil die Nichtanwendung des Stempels weder nach englischem'Rechte noch nach preuß. Rechte ein wesentlicher Formmangel ist. O.Tr. IV v. 19. Mai 1857, Str. Arch. 25 S. 45. (Bergl. unten die Anm. 59 zu §. 149 d. T.) Der locus contractus entscheidet nicht unbedingt über die materiellen Wirkungen, sondern das Recht desjenigen OrtS, wo das gegründete Rechtsverhältniß einheimisch ist oder, wie v. Savigny sagt, seinen Sitz hat. Dies ist etwas Thatsächliches, welches aus der Absicht der Kontrahenten'fest­ gestellt werden muß. In Anerkennung jenes Prinzips oder — um mit dem O.Tr. zu reden — je­ ner „jetzt durchgehends adoptirten Theorie" hat das O.Tr. erkannt, daß ein in Preußen wohnender debitor cessus keinen Anspruch auf einen Vortheil aus der lex Anastasiana habe, die für ihn nicht gelte, wenngleich die Cession im Auslande oder an einem Orte geschehen ist, wo diese lex gilt und dort der Wohnsitz des Cedenten ist. Erk. IV v. 16. Nov. 1858, Str. Arch. 30 S. 360 und Entsch. 40 S. 51. Auch die Form eines von einem Inländer im Auslande geschlossenen Ehegelöbnisses ist nach den Gesetzen dieses Auslandes zu beurtheilen, nicht aber die Wirkungen; vielmehr sind für die Eingehung der durch das Verlöbniß versprochenen Ehe, und folgeweise für deren Verweigerung die Gesetze deS Inlandes, wenn hier der Sitz der Ehe (der erste Wohnsitz der Eheleute) sein sollte, maßgebend. O.Tr. I v. 23. April 1860, Entsch. 43 S. 52.

13) Luxemburg hat 1867 ausgehört, Bundesfestung zu sein und haben.

eine preußische Garnison zu

Erster Theil.

192

Fünfter Titel.

§§. 111 (Zusatz)—116.

nach rechtskräftig erfolgter Scheidung zum Zwecke der Regulirung ihrer Angelegenheiten und bis diese erfolgt ist, in den Bundesfestungen aufhalten, — mit den Einwohnern gedachter Städte und fremden14) Unterthanen, so weit es gültiger Weise geschehen kann15), mündlich, unter Privatunterschrift, oder vor einem dortigen Notar, Verträge abschließen können, und wird in diesen Fällen die Gültig­

keit derselben, hinsichtlich ihrer Form, in Gemäßheit des §. 111 Tit. 5 Th. I des A. L.R. auch von den diesseitigen Gerichten nach den dortigen Landesgesetzen beurtheilt.

§♦ 6.

Das Appell. Gericht zu Hamm und das Kreisgericht zu Wesel verwalten die Justiz nach

den Vorschriften der allg. preuß. Gesetzgebung, mit Berücksichtigung der Personal- und Realstatute

nach §§. 23 und 32 der Einl. z. A. L.R.

Mit der zu 4 gedachten Ausnahme, hinsichtlich der Form

der Verträge mit Fremden, erkennen sie hinsichtlich ihrer Auslegung und rechtlichen Folgen nach den

Grundsätzen des preuß. Rechts 16),17wenn diese Verträge auch mit Fremden, nach den Formen aus­ ländischer Gesetze geschlossen worden, und die aus den, nach den preuß. oder fremden Formen wäh­ rend ihres Aufenthaltes in den Bundesfestungen, von den bezeichneten Personen geschlossenen Ver­

trägen erworbenen Rechte und übernommenen Verpflichtungen erleiden durch die später erfolgte Ver­ setzung derselben, oder durch ihren freiwilligen Umzug in das preuß. Staatsgebiet keine Veränderungen, sollten auch die allgemeinen preuß. Gesetze an dem Orte, wo sie ihr neues Domizil nehmen, noch

nicht eingeführt sein.

§. 112. Ist unter Abwesenden ein förmlicher Vertrag errichtet worden, so wird die Form desselben nach den Gesetzen desjenigen Ortes beurtheilt, von welchem das In­ strument datirt ist"). §. 113. Ist aber der Vertrag unter Abwesenden bloß durch Briefwechsel, ohne Errichtung eines sörmlichen Instruments, geschlossen worden, und waltet in den Wohn­ örtern der Kontrahenten eine Verschiedenheit der gesetzlichen Formen ob, so ist die Gül­ tigkeit der Form nach den Gesetzen desjenigen Orts zu beurtheilen, nach welchen das Geschäft am besten bestehen sann18). 14) Nach dem argumentum a contrario werden also die Verträge, welche die bezeichneten Perso­ nen unter sich schließen, in der im L.R. vorgeschriebenen Form einzugehen sein. Dadurch sind sie schlechter gestellt als andere Preußen, welche sich nur vorübergehend dort aufhalten. S. d. Pr. 352a in der Anm. 12. Es wird also angenommen, daß die dort wohnhaften Preußen unter der Herrschaft des L.R. leben. 15) Darüber sollen nämlich die dortigen Rechte entscheiden; die mündliche oder privatschriftliche oder notarielle Form soll nicht unbedingt, sondern in sofern solche nach dortigem Rechte genügt, nach­ gegeben sein. 16) Diese positive Vorschrift kann die Folge haben, daß ein Rechtsverhältniß von verschiedenen Gerichten nach widersprechenden Rechtsgrundsatzen beurtheilt wird, je nachdem die Sache vor ein dort­ ländisches oder vor ein hierländisches Gericht gebracht wird. Ueber die allgemeinen Grundsätze des preuß. R. hinsichtlich der Frage: nach welchem Rechte ein Rechtsverhältniß und dessen Folgen zu be­ urtheilen, s. 0. die Anm. 44 zu §. 33 der Einl. Diese allgemeinen Grundsätze sind durch die hier gegebene anomale Vorschrift für die Verträge der bezeichneten Personen ausgeschlossen; es wird nicht weiter nach der Absicht der Parteien, und nach dem besonderen Sitze des Rechtsverhältnisses gefragt.

17) Wenn es ohne Datum ist, so kommt es auf das Recht desjenigen Ortes an, wo das In­ strument unterschrieben worden ist. 18) Zu Stande gekommen ist ein solcher Vertrag an demjenigen Orte, wo der antragende Brief empfangen und zustimmend beantwortet worden ist, gerade so, als wenn der Anfragende dorthin ge­ reist wäre und mündlich angefragt hätte. Die Gesetze dieses Ortes sollen hier aber nicht entscheiden, vielmehr die des Wohnsitzes der Parteien. In der Sache liegt kein Grund, warum es in diesem Falle anders sein soll als in dem des vorhergehenden §. 112. Indeß ist es einmal bestimmt, es ist mithin das Recht des Wohnsitzes der Parteien das anwendbare. Für den Fall eines verschiedenen Rechts am Wohnsitze beider Parteien ist hier eine aushelfende Regel' gegeben in der wohlwollenden Absicht, das Rechtsgeschäft aufrecht zu erhalten. Diese kann jedoch nur auf die Form angewendet werden, wie denn hier auch ausdrücklich nur von der äußeren Form Rede ist. Allein der §. 113 spricht doch aus, daß hauptsächlich das Recht des Wohnsitzes der Parteien für die aus einem Rechts­ geschäfte entstehenden Rechtsfragen bestimmend sei; nnd es liegt gewiß im Sinne dieser Vorschrift, daß dieser Grundsatz auch in anderen Beziehungen, wo es auf die Art der Wirkung des Vertrages ankommt, anzuwenden sei. Daraus folgt, daß bei zweiseitigen Verträgen die Verbindlichkeiten eine-

Don Verträgen.

193

§. 114. Eben dieses findet statt, wenn der Vertrag von mehreren Orten, welche in Ansehung der Form verschiedene Rechte haben, datirt ist. §. 115. In allen Fällen, wo unbewegliche Sachen, deren Eigenthum, Besitz oder Nutzung der Gegenstand eines Vertrages sind, müssen wegen der Form die Ge­ setze des Ortes, wo die Sache liegt, beobachtet werden"). §. 116. Verträge, welche vermöge des Gesetzes, oder einer Abrede der Parteien, -LZL, schriftlich geschlossen werden sollen, erhalten ihre Gültigkeit erst durch die Unterschrift2 °) . Verträgen, jeden Theiles nach dem an dessen Wohnsitze geltenden Rechte zu beurtheilen, wenn nicht ein anderes örtliches Recht der Obligation in der Absicht der Parteien gelegen hat. S. oben Anm. 44 zu §. 33 der Einleitung.

19) Ausnahme von der Regel §. ill. Ueber unbewegliche Sachen entscheiden also immer die statuta realia auch in Ansehung der Form, mag der Vertrag geschlossen worden sein wo er will. Enthält die besondere örtliche lex rei sitae darüber keine Bestimmung, so ist die schriftliche Abfassung erforderlich, denn das L.R. fordert für alle Verträge über Grundstücke und Grundgerechtigkeiten — folgeweise also auch über Gerechtigkeiten, welche zu den unbeweglichen Sachen gerechnet werden — unbedingt die schriftliche Form. §. 135 d. T.; I, 10 §§. 15—17; I, 21 §. 233. O.Tr. v. 12. Aug. 1836, Entsch. 1 S. 263. Vergl. Bd. 17 S. 132. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß dergleichen Verträge von Ausländern über ein im Inlande belegenes Grundstück nur vor einem diesseitigen Ge­ richte gültig abgeschlossen werden könnten. Man hat mit der vorgeschriebenen Form die Erfüllung derselben verwechselt und ist dadurch zu der Behauptung gekommen, daß ein gerichtlicher Vertrag', welcher in einem Lande des Gemeinen Rechts nach der daselbst geltenden Geschäftsordnung, also ohne Mitunterschrift der Parteien, vorschriftsmäßig ausgenommen und' vollzogen worden ist, in Preußen im Bereiche des A. L.R. nicht gelte. Gegen diesen falschen Rechtssatz ist das Erk. des O.Tr. v. 22. Juni 1857, Str. Arch. 25 S. 234, gerichtet. Schon vorher hat das O.Tr. den Rechtssatz festgestellt, daß die Frage, wie die Form zu erfüllen, weiter nach den Gesetzen des Ortes, wo gehaudelt wird, zu ent­ scheiden ist. In den Fällen, wo das A. L.R. einen gerichtlichen Vertrag vorschreibt, bedarf es bei einem von Ausländern im Auslande, nach den dort für die Aufnahme gerichtlicher Verträge gel­ tenden Vorschriften gerichtlich geschlossenen Vertrage, zur Gültigkeit der darin enthaltenen EigenthumöÜbertragung eines im preußischen Gebiete belegenen Grundstückes, der Mitunterschrift der Kontrahent ten nicht. Pr. v. 4. Juli 1856, Entsch. 33 S. 1. (6. A.) In wiefern der RechtSsatz, daß Vertrüge über Grundstücke schriftlich errichtet werden müssen, durch §. 10 deS Ges. v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb modifizirt worden ist, s. unten zu §. 135 d. T.

20) U n t e r s ch r i f t. 1. Die Unterschrift muß eigenhändig von der Partei oder ihrem legitimirten Vertreter geschehen. Daß die Namensunterschrift von einem Anderen, mit Wissen und Willen einer Partei, geschrieben worden, und der darauf bezügliche Inhalt deS Diffesstonseides, ist darüber, ob ein formell gültiger schriftlicher Vertrag vorhanden, noch nicht entscheidend. Pr. 2077 v. 14. Dez. 1848, Entsch. 17 S. 457. Denn die in der Norm des Diffessionseides enthaltene Bestimmung, wonach der Produkt zugleich schwören soll: „daß die Namensunterschrift unter dem ihm vorgelegten Instrumente auch nicht an seiner Statt *öon einem Anderen mit seinem Wissen und Willen geschrieben worden sei", schließt die Einwendungen gegen die Rechtsgültigkeit dieser von einem Anderen erfolgten Unter­ schrift nicht auS. War daher nach den Vorschriften des materiellen Rechts eine schriftliche Voll­ macht erforderlich, so muß eine solche auch zur Leistung der Unterschrift ertheilt worden sein. Pr. 1602 v. 23. August 1845, Entsch. 12 S. 477. Das spätere Pr. v. 30. März 1849 sagt noch ausdrück­ licher, No. Hl: Wenn Jemand eine Urkunde für einen Anderen mit dessen Willen und in dessen mündlichem Auftrage durch dessen Namensunterschrift vollzieht, so ist dieser Andere, dem Dritten ge­ genüber, dadurch in solchen Fällen noch nicht gebunden, wo die Gesetze einen schriftlichen Auftrag erfordern und eine vermuthete Vollmacht nicht stattfinden lassen. (Entsch. 18 S. 207.) Deshalb erscheint dieser Eid gar nicht unerheblich in den nicht seltenen Fällen, wo die zu diffitirende Urkunde nur die Thatsache irgend einer Erklärung des angeblichen Ausstellers feststellen soll. Nur wo mehr alS dies, wo das Dasein eines schriftlichen Vertrages nöthig ist, da ist dieser Theil des Eides uner­ heblich. (Ebend. S. 480.) — Dies Alles bezieht sich auf den Fall, wenn ein Anderer den Namen der Partei unterschreibt. Anders, wenn ein Anderer im Namen der Partei den Vertrag schließt und seinen eigenen Namen unterschreibt, in Fällen, wo es eines schriftlichen Auftrages bedurfte, und ohne schriftlichen Auftrag, jedoch in der vorgeschriebenen Form gehandelt hat. Dann kann nicht nur durch eine schriftliche, sondern auch durch eine mündlich oder stillschweigend erklärte Genehmigung des Macht­ gebers eine vertragsmäßige Verbindlichkeit aus solchem Geschäfte, dem Dritten gegenüber, entstehen. Pr. 2196 (Pl.-Beschl.) v. 22. April 1850, Entsch. 19 S. 29. Dieser Pl.-Beschl. hat Veranlassung gegeben, jenen ziemlich einleuchtenden Rechtssatz streitig zu machen. Jemand hatte einen mündlich verabredeten Verkauf durch seinen Sohn aufschreiben lassen, und, statt den Aufsatz zu unterschreiben (§. 118), seinem Sohne geheißen, seinen, deS Vaters, Namen darunter zu setzen. Auf diesen Fall wollte der betreffende Senat des O.Tr. den Rechtssatz des Pl.-Beschl. v. 22. April 1850 anwenden Koch, Allgemeines Landrecht I. 7. Ausl. j3

194

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 117—119.

§. 117. In allen Fällen, wo die Parteien den Vertrag schriftlich zu schließen ver­ abredet haben, wird vermuthet, daß nicht bloß der Beweis/sondern selbst die verbindund den streitigen mündlichen Kaufkontrakt, gegen die einstimmige Meinung der beiden Jnstanzgerichte, für rechtsverbindlich erklären. Das Plenum des O.Tr. hat jedoch, mit richtigem Takte, diese neue Meinung verworfen und als Rechtögrundsatz ausgesprochen: „Aus einem Kontrakte wird derjenige, dessen Namensunterschrift von einem Anderen, in Folge eines demselben mündlich oder stillschweigend ertheilten Auftrages, geleistet worden:, nicht wie aus einem schriftlichen Bertrage verpflichtet, selbst wenn eine nachträgliche, mündliche oder stillschweigende Genehmigung hinzukommt." Pl.-Beschl. v. 4. Dez. 1854, J.M.Bl. 1855 S. 30 und Entsch. 29 S. 293. In der That sind beide Fälle wesent­ lich verschieden. Tritt Jemand für einen Anderen als dessen Bevollmächtigter zur Eingehung eines Negotiums auf und schließt er als Stellvertreter unter eigener Namensunterschrift in der gesetzlichen Form ab: so ist das Rechtsgeschäft formgemäß vollzogen. Die Legitimation des Stellvertreters be­ rührt bloß die Frage: ob zwischen dem anderen Kontrahenten und dem Vertretenen ein unmittelbares Verhältniß hergestellt ist. Fehlt es dem Auftrage an der vorschriftlichen Form, so ist damit das Rechtsgeschäft selbst nicht nnllifizirt, der Stellvertreter haftet dem anderen Kontrahenten, und der Stellvertreter hält sich ganz einfach an seinen Auftraggeber: dieser muß ihm für den vollzogenen Auf­ trag, wenngleich derselbe nur mündlich ertheilt war, aufkommen, er muß ihn befreien, und statt dieses Unweges kann der Stellvertreter seine Rechte aus dem Auftrage auch dem anderen Kontrahenten abtreten, wodurch ein unniittelbares Verhältniß zwischen ihm und dem Vertretenen hergestellt ist. Vergl. unten Tit. 13 §. 9 und die Anmerkungen dazu. So hat Alles seinen juristischen Zusammen­ hang, während jener Fall, wo Jemand den Namen eines Anderen unterschreibt, völlig unähnlich ist. Der Auftrag zur Unterschreibung eines fremden Namens erfordert dieselbe Form, welche für daS Rechtsgeschäft, worüber der Aufsatz lautete, selbst vorgeschrieben ist, wie das Plenum des O.Tr. in den Motiven des Befehl, v. 4. Dez. 1855 gleichfalls logisch zutreffend ausgesprochen hat. 2. Die Unterschrift muß mit dem Namen des für sich selbst Unterschreibenden geschehen. Zur schriftlichen Form als solcher ist es zwar nicht erforderlich, aber der Beweis der Ernstlichkeit deS Willens fehlt in Betracht desjenigen, welcher unter eine schriftliche Erklärung einen fremden Namen setzt. I. 4 §. 54 und Anm. zu §. 52 Tit. 4. Ein richtiger Vorname oder eine fehlerhafte Schreib­ art des NamenS — die bei gemeinen Leuten sehr oft. und in ungleichförmiger Weise vorkommt — ist unerheblich. So ist auch erkannt von dem O.Tr. v. 16. Juni 1865, Str. Arch. 58 S. 356. 3. Die Unterschrift muß mit den Zeichen einer bekannten Buchstabenschrift vollzogen werden; wendet man andere Zeichen an, so sind die §§. 175 ff. vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu beobachten, sonst ist die Erklärung unverbindlich. Anh. §. 5. Verast. R. v. 27. März und 9. Mai 1818, Jahrb. 11 S. 221, 223. Unleserlichkeit einer wirklichen Schrift ist unerheblich, auch ohnehin nur relativ vorhanden. 4. Die Unterschrift muß unter einen bereits niedergeschriebenen Aufsatz gesetzt werden. Eine Unterschrift in Blanko kann daher einen Beweis des Inhalts einer schriftlichen Willenserklärung nicht liefern; der Beweis und die verbindende Kraft einer solchen schriftlichen Erklärung auch nicht auf andere Weise hergestellt werden. O.Tr. Ill v. 18. Dez. 1863, Str. Arch. 51 S. 318 und Entsch. 50 5. 29. (6. A.) O.Tr. IV v. 7. Nov. 1872, Entsch. 68 S. 129. (7. A.) Unter dem Kontext der Urkunde, nicht an einer beliebigen anderen Stelle derselben. O.Tr. III v. 1. Febr. 1875, Entsch. 74 S. 168. 5. Die Urkunde über einen wechselseitigen Vertrag muß von beiden Parteien unterschrieben werden. Folgende Fälle können bei einseitiger Unterschrift Vorkommen, a) Es werden zwei gleich­ lautende Urkunden gemacht, jede von einem anderen Kontrahenten einseitig unterschrieben und die Exemplare gegeneinander ausgewechselt, wie es bei Völkerverträgen gewöhnlich ist. Hierüber bestimmt der Pl.-Beschl. (Pr. 717) v. 2. Sept. 1839, Entsch. 5 S. 30: „Es reicht zur Gültigkeit eines zweiseiti­ gen schriftlichen, in zwei Exemplaren ausgefertigten Vertrages hin, wenn jeder Kontrahent nur das­ jenige Exemplar unterschreibt, welches der andere Theil übergeben erhält. Doppelt ausgestellte sog. Schlußscheine, von denen das eine, seitens deS Käufers unterschriebene Exemplar dem Verkäufer, das andere, seitens deS Letzteren unterschriebene Exemplar dem Käufer eingehändigt worden, unterliegen — der Stempelsteuer." (Anwendung: Erk. v. 4. Juli 1850, Str. Arch. 3 S. 193.) b) Die Aus­ wechselung erfolgt nicht, oder die von dem Einen unterschriebene Urkunde wird dem Anderen nicht ausgehändigt. Dann ist der Vertrag nicht zu Stande gekommen. §. 119 d. T» und Entsch. des O.Tr. 19 S. 69 u. 71. (Wieder angenommen in dem Erk. dess. v. 16. Okt. 1860, Str. Arch. 38 S. 315. Es macht keinen Unterschied, daß die Auswechselung bloß aus Irrthum unterblieben.) c) Der, welcher die Urkunde unterschrieben hat, hat solche dem anderen Theile behändigt. Dann darf derselbe den Mangel der Unterschrift des Letzteren nicht vorschützen. Pr. 292 v. 9. Juni 1837. —Der Andere wird durch die Annahme der Urkunde seinerseits nicht verbindlich. Wenn er aber auf Grund derselben Klage erhoben hat, so kann er den Mangel der schriftlichen Form nicht entgegen­ setzen, wenn der Bekl. gegen ihn, auf Grund desselben Vertrages, Gegenansprüche erhebt und diese aus dem Inhalte des, wenn auch nur einseitig vollzogenen Instruments abgeleitet werden. Pr. 1046

Von Verträgen.

195

liche Kraft2 *) des Vertrages von der schriftlichen Abfassung desselben abhängen solle. §. 118. Auch eigenhändig geschriebene Aufsätze sind,' vor hinzugekommener Un­ terschrift, nicht für vollendete Verträge zu achten22). §. 119. Die Besiegelung eines unterschriebenen und ausgehändigtcn2 3) Instru­ ments aber ist nicht nothwendig"), wenn gleich darin der Siegel gedacht wird23). v. 2. Ott. 1841. Verhält sich der, welcher die von dem Anderen einseitig unterzeichnete Urkunde enipsangen hat, ruhig, so befindet sich die Sache in der Lage eines schriftlich gemachten Antrages, zu dessen Annahme eine beliebige Zeit gelassen ist. Dieser Fall steht mit dem, tob der eine Theil unter schrieben, der andere aber, ein Analphabet, unterkreuzt hat, auf gleicher Kirne. Der, welcher unter­ schrieben hat, bleibt einseitig gebunden, bis der Andere den Handel, gleichviel in welcher Form und in welchen Ausdrücken, ausschlägt. O.Tr. v. 1. Nov. 1845 , Entsch. 12 S. 163. Dieser Ungewiß­ heit kann er dadurch ein Ende machen, daß er dem Anderen nachträglich eine Frist bestimmt, um sich auf eine gültige Weise über die Annahme zu erklären. §.92 d. T. und Entsch. 12 S. 165. Der fruchtlose Ablauf der Frist macht ihn wieder frei. (6. A.) Die Unterschrift bezieht sich nicht auf später in den Text hineingeschriebene Aenderungen oder Zusätze. O.Tr. IV v. 27. März 1873, Entsch. 69 S. 200. (6. A.) Die §§. 116, 117 haben keine Anwendung auf Briefwechsel. Str. Arch. 82 S. 28? (IV). 21) Der §. 117 soll einen sehr lange und lebhaft geführten Meinungsstreit der gemeinrechtlichen Juristen entscheiden. Die Geschichte dieses Streites s. Koch, Recht d. Ford. 2 §. 70 S. 57, 2teAusg. S. 67 ss. Nach pr. J. de ernt. (III, 24) und L. 17 C. de fide instrum. (IV, 21) ist in dem vor­ ausgesetzten Falle die Gültigkeit des Vertrages von der Schrift abhängig. Man war einverstanden darüber, daß die Parteien auch verabreden könnten, daß nicht die Gültigkeit, sondern nur der Beweis von der Schrift abhängen solle. Der Streit wurde darüber geführt, was anzunehmen sei, wenn die Parteien sich darüber nicht ausgesprochen Ijätten. Der §. 117 entscheidet: es solle eine Vermuthung für die Absicht, daß die Gültigkeit von der schriftlichen Form abhängen solle, cintreten. Die Bestim­ mung ist nicht ganz angemessen. Ist eine Absicht nid)t ausgesprochen , so kommt auf dieselbe nichts an; ist aber eine Absicht irgendwie erklärt worden, so ist es Sache der Auslegung, den wahren Willen zu erklären. Der Beweis und Gegenbeweis kann nur auf äußere, in die Sinne fallende Laute, Zei­ chen und Handlungen, woraus man einen Schluß auf den Willen machen kann, niemals direkt aus geheim gebliebene Gedanken gerichtet werden. Diese Richtung hat aber die im §. 117 gegründete Ver­ muthung, folglich müßte auch der Gegenbeweis — denn eine Vermuthung regelt nur die Beweislast — direkt geführt werden können und Dürfen. Da diese Anwendung nicht stattfindet, so kann der wahre Sinn des §. 117 kein anderer sein, als: bei der vorausgesetzten Verabredung wird angenommen, eS solle die Gültigkeit des Vertrages von der schriftlichen Form abhängen, wenn nicht aus Der Erklärung ein anderes erhellet. Uebrigens ist der Wirkungskreis der ^Bestimmung im pr. R. außerordentlich klein, da er nur die Verträge trifft, die an sich mündlich geschlossen werden können. (6. A.) Er be­ zieht sich auch nicht auf die in einem schriftlichen Vertrage getroffene Abrede, daß er demnächst notariell ausgenommen werden soll. O.Tr. III v. 12. Febr. 1872, Entsch. 67 S. 66; Str. Arch. 83 S. 306. (6. Ä.) Der §. 117 findet auf Handelsgeschäfte keine Anwendung. R.O.H.G. v. 14. Sept. 1872, Entsch. 7 S. 94; v. 5. April 1875, Emsch. 16 S. 130.

22) Vergl. 0. die Anmerk. 62 zu Tit. 4 §. 52.

23) Ohne Aushändigung wird selbst der Kontrahent, welcher den von dem anderen Theile voll­ zogenen schriftlichen Kontrakt zugestellt erhalten und dann gleichfalls unterschrieben, doch aber zurück­ behalten hat, nicht gebunden. Pr. des O.Tr. IV v. 28. Juni 1850, Entsch. 19 S. 69. Das gilt freilich nicht in dem Falle, wenn nach der Uebereinkunft beider Theile die von ihnen unterschriebene Urkunde in den Händen Dieses oder Jenes von ihnen bleiben soll; denn Einer kann sie nur haben. 24) (6. A.) d. h. sofern nicht die Besiegelung gesetzlich nothwendig ist, z. B. §. 10 der Landgemeinde-Ordn. v. 14. April 1856. O.Tr. II v. 22. Okt. 1872, Entsch. 68 S. 117. — Der Stoff, worauf und womit geschrieben wird, ist gleichgültig. ES ist wohl behauptet, daß auf Schiefer, Holz und dergl. mit Kreide, Rüthel, Schieferstift, ingleichen aus Papier zwar, aber mit Blei-, Roth- und dgl. Stift anfgetragene Schriften keinen Anspruch haben aus den Charakter einer Urkunde. Merkel, willkürliche Gerichtsbarkeit; in Weiske 'S Rechtslexikon 14 S. 696 (besonders abgedruckt unter dem Titel: das Notariat und die willkürliche Gerichtsbarkeit, Leipzig 1860). Vergl. (Satterer, Abriß der Diplomatie, §. 9 S. 7. Doch giebt es dafür keinen haltbaren Grund. Nach mosaisck)em Rechte ist die Frage vielfach behandelt. Nach den Rabbinen der Mischnah, VI, Kap. 2 M. 3 darf man Scheidebriefe schreiben mit Tinte, Kreide, Nöthel, Gummi, Vitriol, kurz mit Allem, wovon eine leser­ liche Schrift sichtbar bleibt, und man kann sie auch schreiben aus Alles, was die Schrift annimmt, z. B. auf ein Baumblatt, auf das Horn einer Kuh, die man der Frau giebt, auf die Hand eines Sklaven, den man gleichfalls der Fran giebt; weil nach 5. Mos. 24, 1 das Schreiben und das Geben der Schrift das Wesentliche ist, ganz so wie heutzutage. Nun versteht sich freilich ungesagt, daß das

196 3. Bon Punktat to­ nen.

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 120—127.

§. 120. Eine von beiden Theilen unterschriebene Punktation, aus welcher die gegenseitige Einwilligung derselben in alle wesentliche^) Bedingungen des Geschäftes erhellet, ist mit einem förmlichen Kontrakte von gleicher Gültigkeit^). §. 121. Es kann also auf Erfüllung derselben geklagt werden 28). §. 122. Ist zur gerichtlichen Verlautbarung, Bestätigung oder Eintragung eine förmliche Ausfertigung des Vertrages nothwendig, so kann diese nach dem Inhalte der Punktation von dem Richter verfügt werden 29). mosaische und talmudische Recht keine unmittelbare Anwendung findet, aber es beweiset, daß schon vor alten Zeiten gelehrte und denkende Männer den Stoff als Nebensache behandelt haben. Der ent­ scheidende Grund sür das heutige Recht ist, daß kein Gesetz das Gegentheil vorschreibt, und die Natur der Sache nicht hindert, jeden Stoff, der eine Schrift ausnimmt und dem, welchem solcher gegeben wird, lesbar überliefert, dazu zu verwenden.

25) Dies ist der Hauptgegenstand der Bestimmung des §. 119. Denn die ältere Sitte, den Urkunden, namentlich den Privaturkunden, durch Untersiegelung Kraft und Gültigkeit zu geben, war schon vor der landrechtlichen Gesetzgebung insofern wieder verschwunden, als man die Untersiegelung nicht mehr zur Gültigkeit der Urkunde verlangte. Vergl. Instruktion für die Notarien, vom 11. Juli 1771, §. 9 (N. C. C. Tom. V. Abth. 1 p. 271) und A. G.O. I. 3 §. 30 Nr. 6 a. E. In Frage konnte nur noch kommen, ob und welche Bedeutung und Wirkung der Erwähnung der BesiegelunA in dem Schriftstücke beizulegen sei, wenn gleichwohl die Beidrückung des Siegels unterblieben war. Dieses entscheidet der §. 119. 26) Ob über alle Essentialien Bestimmung getroffen ist, muß in jedem einzelnen Falle nach der Natur des Rechtsgeschäfts befunden werden. Z. B. ein Kauf in Pausch und Bogen nach einem An­ schläge, der nicht vorhanden, ermangelt der Bestimmung des Gegenstandes (Simon, Rechtsspr. 2 S. 102), denn Pausch und Bogen, und Anschlag oder Inventarium schließen sich aus. Sind aber die Essentialien bestimmt, so darf doch kein Vorbehalt über Nebenabreden gemacht sein, denn dadurch wird der endgültige Konsens eben suspendirt. §. 125. (7. A.) R.O.H.G. v. 9. Jan. 1874, Entsch. 11 S. 379. 27) Diese Bestimmung ist nur für die Fälle gegeben, wenn die schriftliche Form zur Rechts­ beständigkeit des Vertrages genügt, gilt aber keineswegeS, wenn die gerichtliche oder notarielle Abfas­ sung des Vertrages vorgeschrieben ist. Pr. d. O.Tr. ü. 1. Okt. 1838, Entsch. 4 S. 123. Aber sie gilt sür die Fälle des §. 126. 28) Diese Klage kann vor der aus dem folg. §. 122 Verb, mit I. 10 §. 17 zustehenden Klage angebracht, sie kann auch mit derselben kumulirt werden, nach Gutfinden, weil sie beide neben einan­ der zustehen und keineswegs sich ausschließen, auch eine die andere nicht konsumirt. Der I. M. auch spricht in einem R. v. 11. Mai 1836 (Erg. ad h. §.) die vorgängige Zulässigkeit dieser Klage vor der des §. 122 aus, doch ohne einen juristischen Grund zu geben. ' Die Abweisung der Erfüllungs­ klage ist der anderen auch nur dann präjudizirlich, wenn das Geschäft materiell sür ungültig erklärt und deshalb der Kläger lediglich abgewiesen wird.

29) Auf die Errichtung eines förmlichen Instruments, als einen Theil der Erfüllung des Kon­ trakts, muß ordentlich geklagt werden, wenn der Richter helfen soll. I. 10 §.17. (6. A.) Die Klage kann auch noch angestellt werden, wenn die Auslassung und Eintragung im Grundbuch bereits erfolgt ist, denn wenn auch nach §. 10 des Ges. v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb :c. die Auf­ lassung die mangelnde Form des Geschäfts heilt, mithin auch aus einem mündlichen Veräußerungs­ verträge oder einer Punktation geklagt werden kann, so wird doch dadurch das aus der vertragsmäßi­ gen Abrede entspringende Recht der Kontrahenten auf förmliche Errichtung des Vertrags nicht alterirt. — Dieser Klage kann nicht der Einwand entgegengesetzt werden, daß der Andere mit der Erfüllung des Vertrages ganz oder theilweise im Rückstände sei. Pr. des O.Tr. 2069 v. 3. Okt. 1848, und Erk. v. 9. Sept. 1850, Str. Arch. 1 S. 75. Dagegen sind alle gegen die Gültigkeit des Rechts­ geschäfts zulässigen peremtorischen Einreden auch gegen diese Klage zulässig (Pr. des O.Tr. v. 1. Juli 1836, Jur. Wochenschrift 1837 S. 217, O.Tr. III ö. 6. Okt. 1873, Str. Arch. 89 S. 313), weil sich solche eben nur aus dieses Rechtsgeschäft gründet, folglich mit demselben zugleich hinsällt; namentlich berechtigt die sür den einen Theil vorhandene Unmöglichkeit der Erfüllung des durch die Punktation abgeschlossenen Geschäfts den anderen Theil, den Abschluß eines förmlichen Vertrages auf dem Grunde der Privatpunktation zu verweigern. O.Tr. III v. 12. Juli 1852, Str. Arch. 6 S. 259. Das kann juristisch gar nicht in Frage gestellt werden. Aber den Einwand der Verjährung hat das O.Tr. sür unzulässig erklärt. Pr. 1437 unten Anm. zu §. 506 Tit. 9. Die Ausführung des sür den Kläger obsieglichen Urtels geschieht entweder in der Weise, daß der Punktation eine Ausfertigung des Urtels mit dem Atteste der Rechtskraft angehängt wird, wodurch die­ selbe authentisch wird; oder so, daß der Prozeßrichter einen Dritten, in Vollziehung des Urtels durch ein Dekret, ermächtigt, den förmlichen Vertrag im Namen des Eignenden mit dem anderen Theile,

Von Verträgen.

197

§. 123. Weigert ein Theil seine Unterschrift beharrlich, so kann der Richter die­ selbe ergänzen. §. 124. Ist der Gegenstand ein auswärtiges Grundstück, und nach den Gesetzen des Ortes ein von beiden Theilen unterschriebener förmlicher Kontrakt nothwendig, so kann der die Unterschrift beharrlich verweigernde Theil durch Exekution dazu angehal­ ten werden. §. 125. Fehlen aber in der Punktation wesentliche Bestimmungen, oder haben die Parteien die Verabredung gewisser Nebenbedingungen sich bann30 * * )*31 *ausdrücklich *32 *** vorbehalten3i), so sind dergleichen Punktationen nur als Traktaten anzusehen. §. 126. Das von Gerichten oder von einem Notario aufgenommene Proto­ koll33) über einen zu errichtenden Vertrag hat mit einer Punktation gleiche Wirkung. §. 127. Ist ein Vertrag schriftlich geschlossen worden, so muß alles, was auf 4; Ä" die Verabredung der Parteien ankommt, bloß nach dem schriftlichen Kontrakte beurtheilt Nebcnab" werden33). rc6c,L nach Inhalt der Punktation, gerichtlich oder notariell zu verlautbaren. In diesem Falle darf jedoch die neue Urkunde nichts anderes als die Punktation enthalten, und deshalb muß zur Legitimation des Dritten der Inhalt der Punktation in die Ermächtigung ausgenommen werden. (6. A.) Die Vorschrist des §. 122 hat jetzt für die Geschäfte bei dem Grundbuch keine beschränkte Bedeutung. Die Parteien sind nicht verpflichtet, die Beräußerungsverträge dem Grundbuchrichter vorzulegen, es bedarf daher auch nicht deren förmlicher Ausfertigung für die Auflassung. Für die Eintragung einer Hypothek ist dagegen die Beilegung der Schuldurkunde in gerichtlicher oder notarieller Form nöthig, weil sie dem Hypothekenbuch angehestet werden muß. Grundbuchordnung v. 5. Mai 1812, §. 46. 48. 33. 122. 30) „Darin", also in der über die Punktation aufgesetzten Schrift. Ist in der, alle wesentliche Bestandtheile eines Kaufs enthaltenden Pnnktation selbst ein derartiger Vorbehalt nicht gemacht, stellt sich vielmehr in der Urkunde das Geschäft als ein definitiv abgeschlossenes dar, so sinkt die Punktation nicht dadurch zu Traktaten herab, wenn ein solcher Vorbehalt,'z. B. daß der Kontrakt erst dann in Gültigkeit treten solle, wenn der Verkäufer die in der Vertragsschrift aus das Kaufgeld vorbehaltlos an Zahlungsstatt angenommene Hypothek für sicher und annehmbar befinden würde, — nur mündlich gemacht ist. O.Tr. I v. 16. Nov. 1866, Str. Arch. 65 S. 143. — (6. A.) Vergl. Str. Arch. 85 S. 43. (III.) 31) S. o. Anm. 26 zu §. 120. suspendirt den endgültigen Konsens.

Jeder Vorbehalt einer Vereinbarung über irgend einen Punkt

32) Vorausgesetzt ist die Beobachtung der wesentlichen Förmlichkeiten eines Protokolls, namentlich derjenigen, welche hinsichtlich der Analphabeten vorgeschrieben sind. „Den über Verträge mit Anal­ phabeten aufgenommenen Notariatsprotokollen, wobei die hinsichts der Unterschrift der Analphabeten gesetzlich angeordnete Form beobachtet worden, kann die rechtliche Wirkung schriftlicher Punktationen nicht um deshalb abgesprochen werden, weil die Ausfertigung der Notariatsurkunde nicht erfolgt ist." Pr. 986 v. 31. Juli 1840, Entsch. 6 S. 300. Es kann auch nicht eingewendet werden, daß ein vor­ schriftsmäßiges Notariatsprotokoll erst alsdann verbindliche Kraft erlange, wenn in Folge desselben das Dokument förmlich errichtet und vollzogen worden sei. Pr. 1180» v. 5. Aug. 1842. Der §.40 der Not.-Ordn. v. 11. Juli 1845 hat für die Zukunft alle derartigen Zweifel beseitigt, auch bedarf es darnach zur Ausfertigung der förmlichen Notariatsurkunde keiner Mitwirkung der Parteien mehr. — Das Pr. des O.Tr. v. 1. Okt. 1838 (Anm. 27) bezieht sich nur auf Privatschnften und gilt hier nicht: die fr. Protokolle haben auch in den Fällen, wo gerichtliche oder notarielle Abfassung vorgeschrieben ist, volle Gültigkeit. 33) Ein Auktionsprotokoll stellt keinen schriftlichen Vertrag dar. O.Tr. III v. 7. Dez. 1860, Str. Arch. 39 S. 281. Der Einwand des anders verabredeten als niedergeschriebenen Vertrages wird dadurch nicht dar­ gestellt, daß eine nähere Maßgabe der übernommenen Verbindlichkeit, z. B. die Sicherstellung derselben, vorher nicht ausdrücklich verabredet worden sei. Zu dessen Begründung gehört vielmehr der Nachweis, daß wirklich etwas wesentlich Anderes verabredet als geschrieben sei. Wie die übernommene Verpflich­ tung in dem aus Grund der mündlichen Abrede niedergeschriebenen Vertrage festgestellt worden, davon sich zu überzeugen, ehe man diesen unterschreibt, ist Sache des Unterschreibenden; und daß er mit seiner Unterschrift alle in der Schrift ausgedrückten näheren Bestimmungen des Verabredeten, soweit sie nicht wesentlich Anderes enthalten, als verabredet worden ist, genehmigt, das liegt im Wesen des schriftlich zu Stande gekommenen Vertrages. O.Tr. III v. 9. Ian. 1863, Entsch. 49 S. 34. In einem jüngeren Erk. IV v. 9. Febr. 1864 sagt Dass, wieder: Um den schriftlichen Revers un­ wirksam zu machen, genügt der Nachweis, daß derselbe im Widerspruch steht mit dem, was die Kon-

198

Elfter Theil.

Fünfter Titel.

§§. 128—129.

§. 128. Aus vorgeschützte mündliche Nebenabreden31) wird, ohne Unterschied des Gegenstandes33), keine Rücksicht genommen3«). trahenten in Wirklichkeit verabredet haben, ohne daß auch der Nachweis geführt werden müßte, warum der Bertrag anders niedergeschrieben als verabredet worden. Str. Arch. f. Rechtss. 53 S. 130. In dieser Allgemeinheit ist der Satz keine Wahrheit, er stößt auch solche Verträge um, welche in Nebenbcstimmungen und Modalitäten Abweichungen von der ursprünglichen Verabredung enthalten, was unnachweisbar ist. Es giebt absolut keinen vernunstmäßigen Grund, warum im letzten Augen­ blick nicht eine Abweichung von der ursprünglichen Verabredung sollte genehmigt und diese Genehmi­ gung durch die Unterschrift verlautbar oder ausgedrückt werden können. Der später abfallende Kon­ trahent kann daher auf die friihere mündliche Verabredung anders nicht zurückgehen, als daß er die spätere schriftliche Vereinbarung beseitigt, d. h. seine ihm entgegenstehende Genehmigung und Vollzie­ hung des schriftlich verlautbarten Vertrages entkräftet. Dies ist nur möglich, wenn er thatsächliche Momente nachweiset, aus welchen zu schließen, daß es dieser formalen Genehmigung der Schrift an seinem Konsense fehle; sonst ist es eben durch die schriftliche Urkunde nackjgewiesen, „was die Kontra­ henten in Wirklichkeit verabredet haben". Bergl. auch die folg. Anm. 36 Abs. a. 34) (6. A.) Vergl. Str. Arch. 75 S. 87 (IV).

(7. A.) Str. 93 S. 5.

35) Bezieht sich nicht auf die rechtliche Natur des Gegenstandes, sondern auf dessen Werth, um das Bedenken zu beseitigen: ob nicht mündliche Abreden, neben einem schriftlichen Vertrage, wirksam sein möchten, wenn der Gegenstand nicht über 50 Thlr. werth ist. §. 131.

36) Der §. 128 ist nicht aus solck)e mündliche Abreden zu beziehen, welche eine Anfechtung des schriftlichen Vertrages als rechtsungültig begründen. Pl.-Beschl. (Pr. 1523) des O.Tr. v. 31. Ian. 1845, Entsch. 10 'S. 259. (6. A.) Str. Arch. 87 S. 147 (III). — Dadurch soll die unjuristische Meinung, daß die „Nebenabrede" sich auf das äußere Verhältniß der Mündlichkeit neben der Schrift beziehe, abgethan und die entgegengesetzte Meinung, wonach der Gegenstand und dessen rechtliches Ver­ hältniß zu'den Esseutialien des Geschäfts in Betracht kommen, unterstützt werden. Die negative Fas­ sung erledigt aber nicht die Zweifel: in wiefern mündliche Verabredungen, welche in der That nur Naturalien und Accidentalien betreffen, neben der Schrift in Betracht kommen, nämlich wenn die Schrift die wahre Verabredung der Parteien gegen deren Willen nicht ausgenommen hat, oder wann mündliche Abrede eine Nebenabrede im Sinne deö §. 128 sei. In einem Erk. III v. 17. Juni 1852, Str. Arch. 9 S. 284 drückt das O.Tr. sich positiv dahin aus: die §§. 127—129 beziehen sich ledig­ lich auf Bestimmungen über nicht wesentliche Bestandtheile des Vertrages, hinsichtlich deren in Er­ mangelung einer ausdrücklichen Einigung der Kontrahenten der schriftliche Vertrag aus den Vorschrif­ ten der Gesetze zu ergänzen ist. — Das würden die Naturalien des Geschäfts sein. Aber auch da­ durch wird jener Zweifel nicht erledigt. Als Grundsatz ist anzunehmen, daß auch die mündlichen Verabredungen über Abänderung der Naturalien erheblich sind, wenn sie einen Bestandtheil des ver­ einbarten Vertrages ausmachen und demnächst in der darüber errichteten Urkunde ohne Willen auch nur einer Partei übergangen worden sind. Folgende Anwendungen sind bekannt geworden: a) Wenn neben einem schriftlichen Vertrage ein Gegenstand, der zu den wesentlichen Erforder­ nissen des Geschäfts gehört, mündlich abweichend von dem schriftlichen Vertrage vereinbart wird, so begriindet eine solche Vereinbarung die Anfechtung eines schriftlichen Vertrages. Auf dieselbe kann also der §. 128 nicht bezogen werden. Pr. des O.Tr. 1533 v. 15. Febr. 1845. Der juristische Grund ist, daß der Vertrag anders niedergeschrieben als verabredet worden. Zum Erweise des AnfechtungSgrundes genügt aber nicht die Behauptung, daß die Vereinbarung über gewisse Punkte später in die Urkunde nicht ausgenommen worden sei, denn man kann noch bei der Niederschreibung anderen Sinnes geworden sein; vielmehr muß behauptet werden, daß die Weglassung wider den Willen der Parteien'und warum? geschehen sei, z. B. weil die Parteien den Punkt aus Irrthum dem Verfasser nicht kundgegeben, während sie doch übereinstimmend beabsichtigt hätten, die Verabredung zum Be­ standtheile des schriftlichen Vertrages zu machen; oder weil der Verfasser den ihm wirklich verlaut­ barten Pnnkt aus Versehen weggelassen und die Parteien den Fehler bei der Vorlesung nicht bemerkt hätten. Pr. des O.Tr. v. 6. Marz 1849 in Sachen Rossow wider Müller, 8O5|3184 III, 48, Das O.Tr. schwankt auch in dieser Beziehung in seinen Ansichten und Auslassungen. S. Anm. 33 Abs. 2. Es will sich auch nicht schlechthin zu dem Inhalte des angeführten Erk. v. 6. März 1849 bekennen. In dem in der Anm. 33 Abs. 2 angeführten Erk. v. 9. Febr. 1864 sagt dasselbe: „Um den schrift­ lichen Revers unwirksam zu machen, genügt der Nachweis, daß derselbe im Widerspruch steht mit dem, was die Kontrahenten in Wirklichkeit verabredet haben. Nur dahin gehen auch die Ent­ scheidungen des Obertribunals. Nirgends aber hat dasselbe ausgesprochen, daß auch der Nachweis geführt werden müsse, warum der Vertrag anders nie­ dergeschrieben als verabredet worden, namentlich nicht in dem citirten Urtheil vom 6. März 1849, es ist vielmehr auch in diesem Urtheil für allein entschei­ dend erachtet worden die Behauptung, der Vertrag sei anders niederaeschrieben, als verabredet worden." Das ist eine Ausweichung. Denn davon ist keine Rede, daß die Behauptung, der Vertrag sei anders niedergeschrieben als verabredet worden, für allein eutschei-

Von Verträgen.

§. 129.

Vielmehr müssen Nebenbestimmungen, welche die Art, den Ort, oder

dend nicht zu erachten fei; dieses Beweisthema ist ja völlig außer Streit. Es handelt sich lediglich darum: wie dieser Beweissatz bewiesen werden könne. Und in dieser Beziehung muß es aus logi­ schen Gründen dem O.Tr. bestritten werden, daß solches durch den Zeugenbeweis': wie die ursprüng­ liche mündliche Beredung der Kontrahenten gelautet habe, möglich sei.' Die jüngste Willenserklä­ rung der oder des Kontrahenten liegt schriftlich vor. Beide, 'die frühere mündliche und die letzte schriftliche, können thatsächlich existireu und von einander abweichen, und es fragt sich nun: welche von beiden ist die bindende. Natürlich die schriftliche als die letzte, aus bekannten Gründen. Will der Produzent das nicht gelten lassen, weil die Urkunde nicht die eigentliche und wahre Willensmeinung ausdrücke, so muß er doch sagen, warum? da jede Erklärung durch eine spätere abänderlich ist und er ja den ihm entgegenstehenden vollständigen Beweis seiner jüngsten Willenserklärung vernichten will. Hier stehen wir auf dem Punkt, an das O.Tr. die Frage zu richten: was es denn mit den Worten^ daß es niemals ausgesprochen habe (d. h. doch wohl, daß es niemals erforderlich sei), daß auch der Nachweis geführt werden müsse, warum der Vertrag anders niedergeschrieben als verabredet worden — der Rechtswissenschaft gegenüber sagen wolle? b) Wenn in einem Adjudikationsbescheide dem Adjudikatar auferlegt ist, ein Auszugshaus zu gewähren, und behauptet wird, daß nach der Verabredung ein Auszug in einer weiteren Ausdehnung habe geleistet werden sollen, so wird nicht eine mündliche Nebenabrede, sondern die unrichtige Fassung der von den Parteien verlautbarten Erklärung behauptet, wodurch der schriftliche Vertrag unwirksam wird. Pr. des O.Tr. v. 1834, Schles. Arch. 3 S. 290. c) Wenn in einem Kaufkontrakte die Zeit der Uebergabe und damit der Uebergang der Gefahr festgesetzt worden ist, und nachher die Parteien die Uebergabe formlos früher vollziehen, so ist das keine mündliche Nebenabrede oder Abänderung eines schriftlichen Vertrages, sondern eine gültige Er­ füllung des Vertrages, die später nur geschehen konnte aber nicht mußte. O.Tr. v. 27. Sept. 1844, Entsch. 11 S. 244. d) Wenn unter den Parteien ein ganz anderes Rechtsgeschäft, als der Wortlaut des schriftlichen Vertrages ergiebt, verabredet worden ist, so ist dies keine mündliche Nebenabrede. O.Tr. III v. 18. Jan. 1858, Str. Arch. 29 S. 29. e) Eine unter den Kontrahenten getroffene, ihre wahre Willensmeinung enthaltende Vereinba­ rung, welche dem Inhalte der schriftlichen Urkunde entgegenläuft, und denselben als einen solchen dar­ stellt, den der Aussteller in seinem ganzen Bestände nicht ernstlich gewollt hat, gehört nicht unter die Nebenbestimmungen des Vertrages, von welchen in den §§. 128, i 29 die Rede ist, vielmehr betrifft sie die Essentialien des Vertrages. O.Tr. IV v. 6. Mai 1858 (ebd. S. 285). f) Ist ein in dem schriftlichen Vertrage übergangenes Essentiale mündlich festgesetzt, so ist dies zwar nicht unter den Gesichtspunkt einer mündlichen Nebenabrede zu bringen, aber das Geschäft selbst ist wegen mangelnder Form hinfällig. O.Tr. III v. 21. Juni 1858, Entsch. 39 S. 46. g) Wenn' neben dem schriftlichen Vertrage eine mündliche Abrede getroffen ist, welche zur Aus­ legung einer i n dem Vertrage enthaltenen unklaren und undeutlichen Willenserklärung dient, z. B. das mündliche Versprechen des Verkäufers, die in dem schriftlichen Vertrage angegebene Größe der verkauften Grundstücke vertreten zu wollen; so ist dies feine mündliche Nebenabrede im Sinne des §. 128. Bergt. §. 71 Tit. 4 und §§. 212, 214 Tit. 11. O.Tr. HI v. 3. Dez. 1858, Str. Arch. 31 S. 302. h) Die mündliche Zusicherung des Verkäufers eines noch erst zu verleihenden Bergwerksantheils, daß die Beleihung mit der bezeichneten Grube z. B. in der Grüße von einer Fundgrube und 1200 Maßen erfolgen und das; der fragliche Kux als Antheil an einer Grube von jener Größe verkauft werde, betrifft nicht, wie das Appellationsgericht angenommen hatte, eine Nebenabrede, sondern ein wesentliches Ersorderniß des Vertrages, nämlich den Vertragsgegenstand, und entkräftet den Vertrag wegen Irrthums im Wesentlichen des Geschäfts auf der Seite des Käufers. Tit. 4 §.75. O.Tr. III v. 3. Dez. 1858, Str. Arch. 31 S. 307. i) Wenn in einem Kaufkontrakte über ein Pferd das Abkommen getroffen ist, daß die Gewähr­ leistung erlassen sei, so stellt dies keine mündliche Nebenabrede dar, sagt das O.Tr. IV v. 8. Okt. 1857, Str. Arch. 26 S. 266. Wenn die Verabredung bei dem Handel selbst — der wahrscheinlich mündlich geschlossen worden war — getroffen worden, so ist der Ausspruch richtig, anderenfalls ist er unrichtig. Die Geschichtserzählung ist nicht vollständig. Vergl. §. 147. k) Sind durch einen schriftlichen Vertrag ein Grundstück und einzelne speziell genannte Jnventarienstücke verkauft unter der mündlichen Verabredung, daß für den bedungenen Preis außer jenen Jnventarienstücken noch ein anderes Stück mitverkauft sein solle, so ist diese Verabredung nicht als eine unzubeachtende Nebenabrede zu betrachten, vielmehr betrifft sie den Gegenstand des Kaufgeschäfts und die §§. 127—129 sind auf diesen Fall nicht anwendbar. O.Tr. III v. 29. Nov. 1858, Entsch. 40 S. 20. l) Die Abrede neben einem schriftlichen Kaufkontrakte, daß der Verkäufer die Hälfte des bei einem Wiederverkäufe erzielten Surplus erhalten solle, ist keine unverbindliche Nebenabrede, sie enthält viel­ mehr die Bestimmung des Kaufpreises. O.Tr. in v. 15. Mai 1857, Stt. Arch. 24 S. 304.

200

Erster Theil.

Fünfter Titel,

tztz. 129—133.

die Zeit der Erfüllung, oder andere dabei vorkommende Maßgaben betreffen37), so­ weit sie im Kontrakte nicht festgesetzt worden, von dem Richter lediglich nach den Vor­ schriften der Gesetze ergänzt werden3«). §. 130. Was im Kontrakte unleserlich geschrieben, oder undeutlich ausgedrückt3 3) worden, und nicht aus dem Zusammenhänge klar erhellet, muß aus andere zuverläs­ sige Art ausgemittelt werden. N°§wÄg- ' §• 13L Ein jeder Vertrag, besten Gegenstand sich über fünfzig Thaler43) in ^cher^Ber- Silber - Eourant beläuft, muß schriftlich errichtet werben41). trage.

m) Auf mündliche Verabredungen, welche eine bedingte Erhöhung des Kaufpreises zum Gegen­ stände haben, ist der §. 128 nicht zu beziehen. O.Tr. III* t). 13. Okt.' 1856, Str. Arch. 23 S. 3. n) Abgeschlossene mündliche Verabredungen, die in das Wesen des schriftlich errichteten Vertrages eingreifen (was ist das?) und zur Begründung des Einwandes der Simulation oder des Einwandes, daß etwas Anderes niedergeschrieben als verabredet worden, angeführt werden, sind nicht als bloße Verhandlungen oder mündliche Nebenabreden anzusehen; sie vernichten ganz oder theilweise den In­ halt der schriftlichen Urkunde und ihre Beweiskraft. — Ist daher nach dem schriftlichen Kaufverträge der Kaufpreis baar zu zahlen, in Wirklichkeit aber dessen Berichtigung auf andere Art vereinbart, so ist der Vertrag ungültig. O.Tr. III v. 17. Juni u. IV v. 14. Sept. 1852, Str. Arch. 9 S. 284; 6 S. 311. — Diese Anwendung würde dem von Koch oben, im ersten Satze präcisirten Grundsätze entsprechen. 37) Verabredungen also, welche nicht Art, Ort oder Zeit der Erfüllung oder andere Maßgaben betreffen, sind nicht Nebenabreden im Sinne der §§. 127—129, mithin ist auch die Verabredung über die Beschaffenheit der Sache, z. B. daß ein erkauftes Pferd nicht fehlerhaft sein dürfe, sonst der Han­ del nicht gelte, keine solche Nebenabrede, sondern eine wesentliche, in die Beschaffenheit der Sache gesetzte (den Gegenstand bestimmende) Bedingung des Rechtsgeschäfts. O.Tr. v. 17. und 22. Febr. 1859, Str. Arch. 32 S. 267. In einem Erk. v. 24. März 1838 hatte das O.Tr. das Gegentheil ausge­ sprochen. Diese Auffassung hat Koch schon im Schles. Archive 3 S. 640 Note 4 bekämpft. Das O.Tr. IV ist also davon, nach der Entsch. v. 17. u. 22. Febr. 1859 und nach einem Erk. v. 8. Okt. 1857, Str. Arch. 26 S. 266, wieder abgegangen. (6. A.) In Str. Arch. 87 S. 247 (III) ist behauptet, daß die mündlich versprochene Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes unter die „dabei vorkommenden Maßgaben" falle. 38) Die Bestimmung bezieht sich auf Verabredungen, welche in der über den Vertrag abgefaßten Urkunde nicht enthalten sind und nicht Essentialien des Rechtsgeschäfts betreffen, denn diese können nie von dem Richter ergänzt werden, vielmehr ist der Vertrag immer impersekt, wenn daran etwas fehlt: aus solche beziehen sich die §§. 127—130 gar nicht. Die Auslassung der Nebenabreden kann eine von drei Ursachen haben: a) Man hat sich über gewisse Nebenpunkte vereinbart und gewollt, daß das Ganze in die Urkunde ausgenommen werden solle: man hat alles dem Verfasser kundgegeben, dieser aber hat aus Versehen das Eine oder das Andere ausgelassen, und die Parteien haben die Lücke bei der Vorlesung nicht gemerkt. Dann ist die mündliche'Verabredung erheblich, und die Schrift ent­ scheidet nicht: denn diese ist irrthümlich unvollkommen und nicht nach dem Willen der Parteien nie­ dergeschrieben. b) Die Verabredung über Nebenpunkte ist absichtlich in der Urkunde weggelassen wor­ den, weil die Parteien ihren Worten vertrauten oder die Niederschreibung nicht für erforderlich hielten. Dann kommt die Bestimmung dieses §. zur Anwendung, d. h. die Naturalien des Geschäftes treten ein und aus die Accidentalien' (Veränderung der Naturalien durch Verabredung) wird nicht geachtet. Dieses ist es, was mit dem „von dem Richter lediglich nach den Vorschriften der Gesetze ergänzt werden" gemeint wird, c) Die Parteien haben nichts weiter als die Essentialien verabredet, und nach der Abfassung der Schrift werden sie über Naturalien oder Nebenpunkte uneinig. Dann gilt das Gleiche. Vgl. Pr. des O.Tr. (Pl.-Beschl.) 1631 v. 7. Nov. 1845 in den Motiven, Entsch. 7 S. 49.

39) Dabei soll nicht bloße Auslegung für sich allein den wahren Willen der Parteien feststellen, sondern es soll anderweiter Beweis über die ausgesprochene Absicht zulässig sein. Dies ist bei der Abfassung beabsichtigt worden; denn forma in lege praescripta sei beobachtet und es komme nur auf die Ausmittelung der eigentlichen Intention der Kontrahenten an, welche durch andere Beweismittel erfolgen könne. Bornemann 2 S. 472. 40) Enthält der Vertrag keine Vereinbarung über den Geldwerth, z. B. bei Tauschen, so muß der streitige Werth durch Sachverständige ermittelt werden. Gegen den verabredeten Werth findet in dieser Beziehung kein Einwand statt, weil der Vertrag eben nur diesen Werth zum Gegenstände hat und dieser ganz allein über die Form entscheidet. (6. A.) Das Deutsche Münzgesetz v. 9. Juli 1873 (R.G.Bl. S. 233) hat an die Stelle der in Deutschland geltenden Landeswährungen die Reichsgoldwährung eingesührt. Der Thaler wird zu 3 Mark berechnet. 41) (7. A.) Der Engagementsvertrag zur Annahme von Hülfspersonal eines Fabrikanten ist im

Von Verträgen.

201

§. 132. Ist der Vertrag auf Gold geschloffen, so werden 3 Thlr. Silber-Cou­ rant einem Dukaten, und 51/. Thlr.") einer Goldmünze von 5 Thlrn. gleich gerechnet. §. 133. Auch andere bloß einseitige Willenserklärungen müssen bei Gegenstän- AKUden über 50 Thlr., sobald ihre Folgen sich auf die Zukunft hinaus erstrecken sollen4 3), Abfassung bei schriftlich abgesaßt werden44) • lenscrllärun______________

gen nothwen-

Sinne deS Art. 273 H.G.B. ein Handelsgeschäft, mithin nicht dem §. 131 d. T. unterworfen. R.O.H.G. v. 11. Novbr. 1873, Entsch. 11 S. 388. (7. A.) Die Einwilligung deS Vaters zu dem über den Ankauf eines Grundstücks von einem Haussohne geschlossenen Vertrage muß in der für diesen Vertrag vorgeschriebenen Form erklärt wer­ den. O.Tr. III v. 26. Juni 1874, Entsch. 72 S. 243.

42) Hier dauert dieses Mißverhältniß noch fort; nur insofern der Werth streitiger Gegenstände auf den Prozeß Einfluß hat, ist eS aufgehoben. D. v. 21. Juli 1843, Einl. (G.S. S. 297). (6. A.) Unter Gold ist in §. 132 die Reichsgoldmünze nicht zu verstehen. Diese hat einen festen Werth. (Reichsgesetz v. 4. Dezbr. 1871, R.G.B. S. 404, und Münzgesetz v. 9. Juli 1873, R.G.B. S. 233.) 43) Wenn nicht die Willenserklärung von der thatsächlichen Erfüllung begleitet wird und dadurch erlischt, vielmehr eine Verbindlichkeit oder ein Rechtsverhältniß begründet, bestärkt. Anwendungen: a) Wenn der bisherige Besitzer seinen Willen, die Sache nunmehr für einen Anderen in seiner Ge­ wahrsam zu halten, erklärt (constitutum possessorium). (Entsch. des O.Tr. 2 S. 266 und unten Anm. zu 8. 73 Tit. 7.) b) Zu der ausdrücklichen Genehmigung, wodurch Geschäftsführung in ein Mandat verwandelt werden soll, gehört in allen Fällen, wo' überhaupt Schriftlichkeit des Rechtsge­ schäfts erfordert wird und insbesondere insofern, als sich die Folgen der Genehmigung auf die Zu­ kunft erstrecken sollen, auch die schriftliche Form. Pr. deS O.Tr. III v. 30. März 1849 Nr. IV, Entsch. 18 S. 207. c) Die Einwilligung des Bermiethers, daß der Miether den ihm eingeräumten Gebrauch der Sache einem Anderen überlasse, bedarf nicht der schriftlichen Form. Pr. 2029 v. 9. Juni 1848 u. Erk. Hl v. 12. Juni 1854, Entsch. 28 S. 102. Dieser Fall ist lediglich auf den Dolus, nicht auf eine Verbindlichmachung des VermietherS zurückzuführen, deshalb ist die Form entbehrlich. Allein das stimmt nicht zu dem Ausdrucke: „sobald ihre Folgen sich auf die Zukunft hinauserstrecken". Das O.Tr. III hat auch später dieses Pr. 2029 auf den Fall beschränkt, daß nach abgeschlossenem Vertrage die Einwilligung des VermietherS in die Ueberlassung der gemietheten Sache an einen An­ deren in Beziehung auf eine bestimmte Person gefordert und ertheilt worden. Der aufgestellte Grundsatz soll aber nicht anzuwenden sein, wenn nach abgeschlossenem schriftlichen Vertrage münd­ lich die Abrede getroffen ist, daß dem Miether die Befugniß zustehen soll, die gemiethete Wohnung beliebig einem Anderen zu überlassen. Eine solche Abrede soll vielmehr zu ihrer RechtSgültigkeit der schriftlichen Form bedürfen. Pr. 2447 v. 29. April 1853, Entsch. 25 S. 388. Dieser Unterscheiduna fehlt die Sachlichkeit. „Hat der Vermiether" — sagt daS O.Tr. — „seine Einwilligung in die Abtretung deS Miethsrechts an eine bestimmte Person, wenn auch nur mündlich, ertheilt, so kann nicht behauptet werden, daß der Miether eigenmächtig gehandelt habe; seine Handlungsweise steht vielmehr mit dem Willen des VermietherS im Einklänge'. Dieser Grund trifft aber nicht zu, wenn es sich nicht um die Einwilligung in die Uebertragung des Miethsrechts an eine b e st i m m t e Person handelt." Das bleibt zu erweisen. Wenn der Miether den Vermiether bittet, zu erlauben, daß er eine Stube z. B. an irgend einen Referendar oder Offizier vermieden dürfe, und der Bermiether solches erlaubt, wer kaun da behaupten, „daß der Miether eigenmächtig gehandelt habe", wenn er dieS nachher gethan hat? DaS O.Tr. hat die Gegensätze nicht rm Bewußtsein gehabt und darum auch nicht richtig ausgedrückt. Zwei Fälle können eintreten. Entweder soll der Vermiether oder Verpächter nur die Aufnahme eines Untermiethers rc. erlauben: dann ist keine Form des Willens­ ausdrucks erforderlich, weil es lediglich auf die Thatsache, daß der Miether rc. nicht „eigenmächtiger Weise" einen Untermiether annehme, ankommt; alsdann kommt es auch nicht darauf an, daß die Person des UntermietherS bestimmt sei. Oder eS ist eine Abtretung des Miethsrechts rc. oder doch ein solches Verhältniß, daß der Vermiether in kontraktliche (obligatorische) Beziehung zu dem Unter­ pächter oder Untermiether trete: alsdann muß die Form der Willenserklärung des VermietherS oder Verpächters angewendet werden, welche für den vorliegenden Kontrakt, vermöge des Gegenstandes, vorgeschrieben ist, und außerdem muß, sachlich, der Vermiether oder Verpächter seine Willenserklä­ rung unmittelbar dem Untermiether oder Unterpächter gegenüber geben, dergestalt, daß sie beide alS vertragschließende Theile erscheinen. Hierdurch unterscheidet sich im Wesentlichen die Erklärung des VermietherS rc. in dem ersten Falle, wo dieselbe nichts weiter alS eine Erlaubniß oder Ermächtigung, welche der Vermiether rc. seinem Miether rc. giebt, ist; dieselbe ist für den Machtgeber ohne Rücksicht auf die Form deshalb bindend, weil ihn sein Dolus hindern würde, gegen die Ausführung seiner Ermächtigung anzustreben. — Uebrigens paßt die vage Bestimmung deS §. 133 überhaupt nicht zu den übrigen einschlagenden Gesetzen, weil sie später eingeschoben und die Aenderung der übrigen Be­ stimmungen versäumt worden ist. In Erwägung der besonderen Bestimmungen über die Form der

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202

fitomu.tg”n

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 134 —137.

§. 134. Zu Entsagungen und Verzichtleistungen"), nicht aber zum Beweise der erfolgten Zahlung, oder sonstigen Erfüllung einer Verbindlichkeit"), sind schrift­ liche Urkunden erforderlich. §• 135Verträge und Erklärungen über Grundgerechtigkeiten"), ingleichen

») bei Gerech------------------ -- —

t io leite«,

einseitigen Willenserklärungen, Tit. 4 §§. 94, 95, hat die Praxis den §. 133 auf die einseitigen Ver­ träge, die contractus unilaterales beschränkt. Pl.-Beschl. v. 1. März 1847, Entsch. 14 S. 39. Die Entstehungsgeschichte dieses §. 133 s. in der folg. Anm. 45.

44) Der Gläubiger, welcher seinem Schuldner gegen eine angenommene Gegenleistung Zahlungs­ fristen bewilligt hat, kann, ungeachtet des Mangels der gesetzlich nothwendigen Form, nur gegen Rück­ gabe des Empfangenen von dem Abkommen zurücktreten. §. 156. O.Tr. IV v. 6. Nov. 1851, Str. Arch. 4 S. 77. (6. A.) Der §. 133 beschränkt sich auf einseitige Verträge, Str. Arch. 80 S. 276 (III), und zwar auf solche, durch welche Rechte konstituirt werden, Str. Arch. 84 S. 181 (III). 45) Mit dieser Bestimmung verhält es sich wie mit der vorigen, sie ist mit ihr gleichzeitig in den fertigen Entwurf eingeschaltet und paßt eben so wenig in den Zusammenhang: daher hier die­ selbe Ungewißheit und Meinungsverschiedenheit darüber: ob alle Berzichtleistungen und Entsagungen, und zwar — wie der Wortlaut ist — ohne Rücksicht auf den Werth des Gegenstandes, die schrift­ liche Form nöthig haben — was dem §. 387 I. 16 widerspricht, — oder ob auch hier die Unter­ scheidung des §. '131 hinsichtlich deS Gegenstandes, und zwar bei allen Arten oder nur bei einigen Entsagungen und bei welchen? vorausgesetzt ist. Die beiden Einschiebsel §§. 133, 134 sind entstan­ den auf ein Monitum zu §. 132 f daß auch der bloß einseitigen Erklärungen und Versprechungen erwähnt werden könnte, z. B. Quittungen, Konsense u. s. w. Suarez bemerkte darauf: Das Edikt v. 1770 rede von Kontrakten, Verträgen und Versprechungen. Hiernach könnte es scheinen a) als ob bloße Entsagungen eines Rechts der schriftlichen Abfassung nicht bedürfen. Es sei aber daö Gegentheil angenommen (Tit. 16 §§. 380, 381), wohingegen b) bei Quittungen scriptura nicht noth­ wendig erfordert werde. Er glaube, daß man den Satz so formiren könne: „Auch zur Aufhebung der Verbindlichkeiten, insofern solche durch die bloße Willenserklärung des „Berechtigten erfolgen soll, ist die schriftliche Abfassung nothwendig. Zum Beweise der Erfüllung „einer Verbindlichkeit ist keine schriftliche Urkunde nothwendig. Wenn aber eine Verbindlichkeit „durch andere gesetzmäßige Handlungen gehoben worden, so bedarf es zum Beweise darüber keiner „schriftlichen Urkunden." Man findet hier die beiden ganz verschiedenen Zwecke der Form: Entstehung (Begründung) einer gültigen Erklärung, und Beweis, wieder mit einander vermengt. S. fährt fort: c) Es giebt noch viele andere einseitige Erklärungen, wodurch weder etwas versprochen, noch eine Verbindlichkeit er­ lassen wird, z. B. die Konsense der Agnaten in Lehnsachen, die Konsense der Eltern in die Verheirathung der Kinder, die Entlassung eines Kindes aus der väterlichen Gewalt. Hier fragt sich: in­ wiefern zu diesen scriptura erforderlich sei. Da dergleichen Erklärungen gewöhnlich weiter hinaus­ gehende Folgen haben, so dürfte es wohl rathsam fein, die Regel zu etabliren, daß auch einseitige Erklärungen, insofern die Folgen sich auf die Zukunft hinaus erstrecken, nur durch die schriftliche Ab­ fassung verbindliche Kraft erhalten. Die etwaigen Ausnahmen würden bei den einzelnen negotiis zu bestimmen sein. — Ad marg. ist bemerkt: 1. Entsagung schriftlich, 2. andere einseitige Erklärungen schriftlich, 3. Beweis der Erfüllung nicht schriftlich. Hieraus sind die beiden §§. 133, 134 hervor­ gegangen und die Aenderung der übrigen verschiedenen Bestimmungen darnach ist unterblieben. Der §.34 wirft die verschiedenartigen Entsagungen und Verzichtleistungen ohne Unterscheidung zusammen. Die Herstellung einer Uebereinstimmung mit anderen einschlagenden Sätzen geschieht, auf gleiche Weise wie bei dem §. 133, durch Beziehung des §. 134 auf solche Entsagungen, welche ein Vertrag sind, z. B. Erlaß (pactum remissorium), Akkord, da hier eben nur von Verträgen gehan­ delt wird und hierzu die Vorschrift I. 16 §. 387 genau paßt; und wenn man dagegen alle anderen Entsagungen und Verzichtleistungen, B. Erbschaftsentsagung, Adelsentsagung, Verzicht auf Rechts­ wohlthaten und Einwendungen, nach der für einseitige Willenserklärungen I. 4 §§. 94 u. 95 schon gegebenen allgemeinen Regel' behaudelt. S. die vor. Änm. 43. — Wenn in einem Gutsüberlassungsvertrage der Uebertragende sich die Regierung Vorbehalten hat, so ist die spätere mündliche und that­ sächliche Abtretung derselben nicht als Theil der Erfüllung des Ueberlassungsvertrages zu beurtheilen, sondern als eine Verzichtleistung auf ein kontraktliches Recht anzusehen, welche in mündlicher Form nicht rechtsbeständig ist. O.Tr. III v. 13. Dezbr. 1858, Str. Arch. 31 S. 329. Bergl. auch die Anm. 5 zu §. 103 d. T. (6. A.) Ablehnung eines Vertragsanerbietens ist nicht Entsagung. O.Tr. III v. 14. April 1856, Entsch. 33 S. 30.

46) Weil Zahlung und Erfüllung Realrechtsgeschäfte sind, zu deren rechtsverbindlichmachender Vollziehung eben die Leistung, ohne andere Förmlichkeit, genügt. Die Schrift ist dabei ein bloßes Beweismittel. — (6. A.) Auch Kompensation. Str. Arch. 84 S. 182 (III).

Bon Verträgen.

203

über beständige persönliche Lasten und Pflichten, erfordern allemal eine schriftliche Ab­ fassung. 8- 136. Bei terminlichen Leistungen, wo entweder die Zahl der Termine unbestimmt ist, oder sämmtliche Termine zusammen die Summe von 50 Thlrn. übersteigen, Leistungen, sind schriftliche Kontrakte nothwendig. §. 137. Doch bedarf es bei den Miethen des gemeinen Gesindes keines schriftli­ chen Vertrages. (Th. II, Tit. 5, Abschn. I)47 48). 47) Ausdrücklich ist in Beziehung auf Eigenthum an Grundstücken die schriftliche Form nicht vor­ geschrieben und die Schriftsteller streiten darüber, ob unbedingt auch bei einem Werthe nicht über 50 Thlr. die schriftliche Form erforderlich sei. Die Praxis hat sich dafür entschieden, auf Grund der §§. 16, 17 I. 10 vergl. mit §§. 146, 156 d. T. Das O.Tr. hat bisher gleichförmig angenommen: „Zum gültigen Verkaufe eines Grundstückes ist ein schriftlick)er Vertrag unbedingt nothwendig." Pr. v. 12. August 1836, Entsch. 1 S. 363. Ferner: 4 S. 221; Pl.-Beschl. v. 22. März 1847, Entsch. 14 S. 51; 17 S. 132 und O.Tr. II v. 20. Okt. 1853, Entsch. 27 S. 36. Auch aus wissenschaftlichen Gründen ist es zu behaupten. Nicht allein, wenn Grundgerechtigkeiten der Gegenstand sind, ist un­ bedingt ohne Rücksicht auf den Werth die schriftliche Form erforderlich, nach diesem §. 135, sondern auch bei dem nutzbaren Eigenthume (I. 18 §.691); bei dem Pfandbefitze (I. 20 §. 100); bei Ge­ brauchs- und Nutzungsrechten (I. 21 §. 233); bei dem Kolonate (I. 21 |. 626). Gilt diese Form bei den dinglichen Rechten an Grundstücken für nothwendig, so ist kein logischer Gruud nachweisbar, auS welchem bei dem ersten und stärksten dinglichen Rechte, dem Eigenthume, davon abzugehen sei, und die den gleichen Grundsatz bei diesem Rechte aussprechenden §§. 16, 17 I. 10 so zu deuten, daß sie nur zur Beglaubigung bei dem Grundbuche die schriftliche Form forderten, und mit dem allge­ meinen Prinzipe in Widerspruch träten. (6. A.) DaS Gesetz v. 5. Mai 1872 über den EigenthumSerwerb bestimmt in §. 10: „Die An­ fechtung (der Eintragung des Eigenthunisüberganges) ist auch auf Grund des Rechtsgeschäfts, in dessen Veranlassung die Auflassung erfolgt ist, statthaft, jedoch wird die mangelnde Form dieses Geschäfts durch die Auflassung geheilt." Nach dem neuen Recht wird also auch ein münd­ lich über ein Grundstück, Bergwerkseigenthum oder eine selbstständige Gerechtigkeit abgeschlossener VeräußerungSvertrag klagbar, sobald die Auflassung ertheilt und die Eintragung des neuen EigenthümerS erfolgt ist. Dagegen kann eine Klage auf Ertheilung der Auflassung nur auf einen Vertrag gegrün­ det werden, der schriftlich abgefaßt worden ist. Auch wird durch jenen §. 10 in Betreff der obliga­ torischen Beziehungen der Kontrahenten nichts an dem RechtSsatz geändert, daß neben dem schriftlichen Vertrage mündliche Nebenabreden keine Bedeutung haben. (§. 128 d. T.) Verträge, durch welche Grundstücke zertheilt, von einem Grundstück Theile abgezweigt oder Grundstücke, welche Zubehör eines anderen Grundstücks sind, abgetrennt werden, bedurften nach §. 2, 3, 4 des Ges. v. 24. Mai 1853 (G.S. S. 241) der gerichtlichen Form; sie mußten bei Strafe der Nichtigkeit von dem Hypotheken­ richter ausgenommen werden. Durch das Ges. v. 5. Mai 1872 über die Form der Verträge rc. (G.S. S. 508) ist diese Form-Singularität beseitigt: solche Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit keiner an­ deren Form, als die Verträge, durch welche Grundstücke im Ganzen veräußert werden. Zur Erwerbung einer Grundgerechtigkeit genügt es, wie ein Appellationsgericht angenommen hat, nicht, daß der Erwerber mit der mündlichen Einwilligung des Anderen Einrichtungen traf, in Folge deren nur ihm die Ausübung der Grundgerechtigkeit möglich war. O.Tr. II v. 10. Juni 1858, Str. Arch. 30 S. 86. — Wenn aber eine solche Anlage auf Grund eines lästigen bloß münd­ lichen Vertrages gemacht worden ist nnd das dadurch belastete Grundstück nach beiderseitiger Erfüllung jenes Vertrages an einen Dritten veräußert wird, ohne daß der Veräußerer von seinem persönlichen Klagerechte auf Wegschasiung der Anlage Gebrauch gemacht hat oder dasselbe dem Dritten mit zu cediren, so hat dieser kein Recht, auf Befreiung des mit der Last erworbenen Grundstücks zu klagen; der actio negatoria steht der Einwand der älteren Erwerbung, deren Titel nur von dem Autor hätte mit der condictio ob causam oder einer actio rescissoria angegriffen werden können, nun aber un­ angreifbar ist, entgegen. O.Tr. II v. 2. Dez. 1858, Str. Arch. 31 S. 298 und Entsch. 40 S. 25. Es ist auch zur Äufrechthaltung einer, durch mündlichen, beiderseits erfüllten Vertrag, errichteten Grundgerechtigkeit nicht erforderlich, daß derjenige, welcher das Bestehen der Grundgerechtigkeit be­ hauptet, Rechtsnachfolger des DorbesitzerS, welcher den mündlichen Vertrag geschlossen hat, geworden ist. O.Tr. II v. 15. März 1864 , Entsch. 51 S. 55 u. O.Tr. II v. 3. Mai 1870, Str. Arch. 78 S. 209. Ist nicht zweifelhaft. Der Vertrag, einmal erfüllt, begründet kein obligatorisches Rechts­ verhältniß, sondern hat ein dingliches Recht geschaffen. (7. A.) Sind Grundgerechtigkeiten auf Grund eines mündlichen Vertrages errichtet, so sind sie zwar widerruflich, aber es muß der frühere Zustand wieder hergestellt werden. O.Tr. II v. 26. Okt. u. 4. Dezbr. 1873, Str. Arch. 90 S. 312. 48) DaS „Abschnitt 1" wird als Druckfehler angezeigt und soll gestrichen werden nach R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 469. Es ist aber keln Fehler, denn es soll nicht auf Tit. 5 über-

Erster Theil.

204

Fünfter Titel.

§§. 138—148.

§. 138. Bei gewagten Verträgen wird nicht auf die Größe des ungewissen Ge­ winnes, sondern nur auf das gesehen, was dagegen gesetzt oder versprochen worden. §. 139. Ist aber von beiden Seiten ein gewagtes Geschäft vorhanden, so muß der Vertrag allemal schriftlich abgefaßt werden^9). d) bei Kon­ §. 140. Konventionalstrafen werden nicht zu der Summe oder dem Werthe der ventional­ Sache gerechnet, worüber die Hauptverbindlichkeit eingegangen worden. strafen, §. 141. Uebersteigt aber 5») die Konventionalstrafe selbst die Summe von 50 Thlrn., so ist ein schriftlicher Vertrag nothwendig. Schlicsiung §.142. Zwischen Abwesenden^) vertritt die geführte Korrespondenz die Stelle schriftlicher des schriftlichen Vertrages 5a), in sofern die Bedingungen und die wechselseitige Ein­ Verträge durch Brief­ willigung der Kontrahenten daraus zu entnehmen ftnb53). wechsel. §. 143. Ist zu dem Geschäfte, worüber der Vertrag geschloffen worden, die Ausfertigung eines förmlichen Instruments erforderlich, so vertritt der Briefwechsel die . Stelle einer Punktation"). (§. 120 sqq.) il-n-s reine« §. 144. Es bedarf keines schriftlichen Vertrages, wenn Jemandem Sachen in Vcrtraoes Verwahrung gegeben werden. (Tit. 14, Abschn. 1.) bedarf. §. 145. Ungleichen, wenn Gastwirthen, Fuhrleuten, oder Schiffern Habselig­ c) bei gewag­ ten Verträ­ gen,

keiten von Reisenden anvertraut werden. Haupt, sondern auf den ersten Theil desselben (§§. 1—176), welcher ad marginem die Ueberschrift hat: „I. Von gemeinem Gesinde", verwiesen werden. 49) Der Satz ist angewendet worden auf den Fall, wo zwei Eigenthümer von Lotterieloosen die Hälfte ihres Looses mit einander vertauscht haben (Ullrich, Arch. 13 S. 359). Die Anwendung ist bedenklich. Hätte der Eine dem Anderen das halbe Loos verkauft, so wäre der Handel (unter 50 Thlrn.) gültig gewesen, wie man dort selbst behauptet. Hätten beide Loose körperlich getheilt und beiderseitige Hälften mit einander vertauscht werden können, so würde das wohl auch gültig gewesen sein. Warum soll es anders sein, wenn Jeder das gemeinschaftlich gewordene LooS für den Änderen

mitbesttzt?

Der Gegenstand und dessen Werth ist immer derselbe.

50) Man hat gefragt: Wenn über eine Konventionalstrafe von mehr als 50 Thlrn. ein schrift­ licher Vertrag, der Hauptvertrag, dessen Gegenstand sich nicht über 50 Thlr. beläuft, aber nur münd­ lich errichtet worden, ist das gültig? und hat die Frage einerseits bejahet, andererseits verneint, beides aus einem und demselben Grunde, nämlich wegen des „aber". Man kann die Frage durch eine an­ dere beantworten: Ist die Ausbedingung einer Konventionalstrafe unter einer Bedingung zulässig, z. B. wenn Jemand einem Anderen eine Konventionalstrafe von 60 Thlrn. unter der Bedingung schriftlich verspricht: wenn er ihm nicht eine gewisse Probe biS zum nächsten Ersten zuschicken würde, ist das gültig? Schwerlich kann eine separate Schrift über eine Konventionalstrafe allein, ohne gleich­ zeitige Hauptverbindlichkeit, anders als so gefaßt sein, daß die Strafe in obligatione, die Leistung in conditione ist; sonst müßte ja die Schrift die Hauptverbindlichkeit gleichfalls enthalten. Warum aber soll ein solcher Vertrag nicht gültig sein? 51) Damit werden hier alle Kontrahenten gemeint, welche nicht persönlich zusammen kommen, sondern, wenngleich an Einem Orte anwesend, sich doch ihre Erklärungen brieflich zuschicken.

52) Die Parteien haben es ganz in ihrer Willkür, die Perfektion ihrer Willensübereinstimmung abhängig zu machen, wovon sie wollen. Wenn daher die brieflich Kontrahirenden darüber einig ge­ worden sind, daß vorerst noch eine Punktation aufgesetzt und vollzogen werden solle, so ist nach §§. 116 u. 117 d. T. anzunehmen, daß die verbindliche Kraft des Vertrages von der schriftlichen Abfassung und Unterschrift der Punktation hat abhängen, und erst mit dieser anfangen sollen — hier um so eher, als bei dergleichen mündlicher Abrede, weil es dabei zum Zwecke des schriftlichen Beweises einer Punktation nicht mehr bedarf. Die Korrespondenz vertritt in diesem Falle unter keiner Bedingung die Stelle des schriftlichen Vertrages. Pr. des O.Tr. v. 1. März 1813. (Simon, Rechtsspr. 1 S. 29.) — In Betreff der Vertragsschließung mittelst telegraphischer Korrespondenz s. oben Anm. 99 Abs. 2 zu §. 99. 53) Die Bedingungen deS Vertrages müssen in den Briefen vollständig enthalten, und eS darf hinsichtlich dieser Bedingungen nicht lediglich auf die mündlichen Unterhandlungen Bezug genommen sein. O.Tr. IV v. 21. April 1853, Str. Arch. 9 S. 119.

54) Wird in diesem einzelnen Punkte, welche mäßig ist es, statt dessen der förmliche Vertrag zu

Falle auf Errichtung eines förmlichen Instruments geklagt, so müssen die ausgenommen werden sollen, alle in der Klage aufgeführt werden. Zweck­ der Klage einen Entwurf beizufügen, um erkennen zu lassen, daß darnach verlautbaren.

Bon Verträgen.

205

§. 146. Wenn ein Vertrag»») über bewegliche»«) Sachen »7) von beiden Theilen sogleich»») erfüllt»») wird, so kann, zur Anfechtung des solchergestalt ab­ gemachten Geschäftes, der Mangel eines schriftlichen Vertrages nicht vorgeschützt werden. §. 147. Auch kann keiner von beiden Theilen wegen eines solchergestalt abge­ machten Geschäftes, aus dem Grunde vorgeblicher mündlicher««) Nebenabreden, den andern in Anspruch nehmen"). §. 148. Wenn über bewegliche körperliche«») Sachen außerhalb Landes an 55) Auch auf Vergleiche findet diese Vorschrift Anwendung. Pr. 1853» v. 19. Februar 1847, Entsch. 15 S. 83. — Auch die mündliche Vereinbarung über die Aufhebung eines bereits angetrete­ nen Dienstvertrages ist ein unter dem §. 146 stehender Fall, wenn das Abkommen durch beiderseitige Leistung erfüllt, namentlich das, was der Dienstherr geben soll, gegeben und dagegen der Dienst von der anderen Seite verlassen worden ist. O.Tr. IV v. 14. Mai 1857, Str. Arch. 24 S. 42. M. s. auch Erk. IV dess. v. 26. Mai 1853, Str. Arch. 9 S. 203, und desselben Senats v. 10. März 1863, betr. einen mündlichen Vergleich über eine streitige Forderung, nach welchem der Schuldner einen Wechsel über einen geringeren Betrag dem Gläubiger an Zahlungsstatt übergiebt und dieser dagegen seiner Mehrforderung entsagt, Str. Archiv 49 S. 114.

56) Betreffs unbeweglicher Sachen s. u. Anm. zu §. 156 d. T.

57) Und diesen gleichstehende Rechte. I. 2 §. 7. Pr. 1853» s. die vor. Anm. 55. Auch die ausgetragene Handlung aus einem ausgeführten mündlichen Auftrage ist als bewegliche Sache anzu­ sehen, wenngleich sie sich auf ein Grundstück bezieht. Doch kommt darauf nichts an,'denn eine „Hand­ lung" an und für sich, als Gegenstand eines Vertrags, ist weder eine körperliche Sache noch ein Recht, daher gelten für Verträge über „Handlungen" oder „Unterlassungen" eigenthümliche Grundsätze und Regeln. §§. 137, 165—167 d. T. verb. mit Tit. 11 §§. 869 ff. und Tit. 13 Anm. zu §. 7. Vergl. Anm. 61 zu §. 147 d. T. (7. A.) Anwendung auf die Aufhebung eines Mietvertrages durch mündliche Einigung mit hin­ zugetretener Räumung der gemietheten Sache: O.Tr. III v. 20. Novbr. 1874, Entsch. 73 S. 200. 58) Das „sogleich" hat hier seine eigentliche Bedeutung nicht, es ist überflüssig. Sonst müßte ein mündlicher Vertrag, welcher von dem Einen erst nach einiger Zeit, von dem Anderen aber noch viel später erfüllt worden, wieder aufgerufen werden können. So ist es nicht. Von beiden Seiten abgemachte Geschäfte sollen nicht wieder zerrissen werden. S. die Quelle dieser Bestimmung im Ed. v. 8. Febr. 1770 §. 6 a. E. Ist auch angenommen von dem O.Tr. IV am 25. Oktbr. 1859, Str. Arch. 35 S. 195.

59) Vollständig nämlich. Pr. deS O.Tr. 436 v. 3. Febr. 1838 (Entsch. 3 S. 341). Für voll­ ständige Erfüllung gilt eS aber, wenn Leistung und Gegenleistung ohne Rückstand ausgewechselt wor­ den sind. Die erst hieraus, aus dem Geben, entstehende Verbindlichkeit zur Gewährleistung ist nur rechtliche Folge der Erfüllung. Vergl. Pr. des O.Tr. v. 24. März 1838, Schl. Arch. 3 S. 638. Eine unvollständige Erfüllung ist es z. B., wenn auf Grund eines mündlichen Kaufs einer Forde­ rung einerseits die Valuta bezahlt und andererseits das Schuldinstrument, ohne schriftliche Cession, übergeben wird. Pr. 1663 v. 12. Dez. 1845, Entsch. 14 S. 237. — (7. A.) O.Tr. I v. 15. Jan. 1875, Str. Arch. 93 S. 118. — (7. A.) Ist in einem mündlichen, sofort erfüllten Vertrage der Aus­ schluß der Gewährleistung verabredet, so ist die Abrede gültig, und kann nicht als mündliche Neben­ abrede aus §. 128 d. T. beseitigt werden. O.Tr. IV v. 11. Novbr. 1875, Entsch. 76 S. 55. Ein mündlicher Vergleich, sagt das O.Tr. IV in einem Erk. v. 8. März 1851, Str. Arch. 2 S. 45, nach welchem die Parteien ihren gegenseitigen Forderungen, wenngleich zum Betrage von mehr als 50 Thlrn., entsagen, ist, als ein über bewegliche Sachen sich verhaltender und gleich erfüllter Vertrag, auch ohnechinzukommende schriftliche Abfassung, gültig. — Das ist nicht richtig. Der §. 146 fordert den Hinzutritt einer Realleistung zum formlosen Verbalvertrage, so daß der formlose und des­ halb unverbindliche Konsensualkontrakt die Natur eines erledigten Realkontrakts angenommen hat. Ein Vergleich aber besteht auS der bloßen Entsagung zweier, einander gegenüberstehender Personen (§. 134) und bleibt in den Grenzen eines bloßen Verbalvertrages, der nur durch die vorgeschriebene Form Rechtsbeständigkcit erhalten kann. Die nach vorgängiger Verabredung erfolgte Hingabe und Annahme eines Wechsels an Zahlungs­ statt ist rechtsgültig, wenngleich jene Verabredung nur mündlich getroffen ist. O.Tr. IV v. 18. Sept. 1851, Str. Arch. 3 S. 86. 60) D. h. anderer Nebenbestimmungen, als welche die Gesetze subsidiarisch getroffen haben; denn nur diese gelten. 61) Die §§♦ 146, 147 sind auf Verträge über Handlungen nicht anwendbar. O.Tr. IV v. 11. Okt. 1864, Str. Arch. 56 S. 227. Vergl. oben Anm. 57 zu §.146 d. T. 62) Eine Beschränkung der Regel §. in. Warum? ist nicht zu ergründen. Im Entwürfe fehlt

206

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 148—156.

einem Orte, wo mündliche Verträge ohne Unterschied gültig sind, dergleichen Verträge geschloffen worden, so kann der Mangel der schriftlichen Abfaffung auch in den hiesigen Gerichten nicht voraeschützt werden. §. 149. Kaufhandlungen über Meß. und Markt-Waarendie von Kauf­ leuten mit andern Personen während der Messe oder des Marktes") geschloffen, und sogleich erfüllt, oder in kaufmännisch geführte Bücher eingetragen wordener), ^for­ dern keinen schriftlichen Kontrakt. §. 150. Außerdemb«) müssen auch solche Kaufhandlungen schriftlich abgefaßt, oder von beiden Theilen dem, nach Vorschrift der Gerichtsordnung, anzuordnenden Meß- oder Marktgerichte mündlich angezeigt werden. §. 151. Was wegen der schriftlichen Verträge bei kaufmännischen Geschäften, un­ ter Kaufleuten, in und außer den Messen und Märkten Rechtens sei, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II, Tit. 8, Abschn. 7.) §. 152. Die von dem Schuldner geschehene Unterschrift67) einer Rechnung über eerte Waaren oder Arbeiten 68) vertritt in allen Fällen die Stelle eines schriftlichen ages°°). §. 153. Wenn ein Dritter einem zwischen andern Kontrahenten geschlossenen Vertrage, welcher nach den Gesehen schriftlich verfaßt werden mußte, beitreten will70), so muß dieser Beitritt ebenfalls schriftlich erklärt werden. daS Wort; es findet fich erst in der von einer Kanzleihand geschriebenen Reinschrift deS Mann­ skripts deS Gesetzbuchs von Suarez' Hand eingeschaltet. Bornemann, System 2 S. 461.

63) D. h. HandelSwaaren, welche der betreffende Kaufmann in seinem Geschäfte führt, denn der Handel muß ein kaufmännisches Geschäft für ihn sein. 64) Wenn eine Waarenlieferung in ein gehörig geführtes HandlungSbuch eingetragen ist, so hat dieS auch außer dem Falle, daß der betreffende Handel auf Messen oder Märkten abgeschlossen worden, die Wirkung, daß das zum Grunde liegende Kaufgeschäft nicht wegen Mangels besonderer schriftlicher Abfassung angefochten werden kann. II. 8 §. 597 ; Pr.-O. Tit. 10 §. 168; Ed. v. 8. Febr. 1770 §. IV, Pr. des O.Tr. 1597 v. 2. Aug. 1845, Eutsch. 12 S. 154. Nach dem H.G.B. Art. 317 ist bei Handelsgeschäften die Gültigkeit der Verträge durch schriftliche Abfassung oder andere Förmlich­ keiten überhaupt nicht mehr bedingt. 65) Der unter der Herrschaft der französtschen Gesetzgebung wohnende Kaufmann, dessen Han­ delsbücher nicht dem Art. 11 des Code de commerce gemäß folnrt, paraphirt und visirt sind, kann den Mangel der schriftlichen Form eines unter der Herrschaft der Preußischen Gesetzgebung geschlosse­ nen mündlichen Handelsgeschäfts nicht durch dessen Eintragung in seine Handelsbücher ersetzen. §. in d. T. O.Tr. IV v. ll. Februar 1851, Str. Arch. 1 S. 222. Dieser Rechtssatz fällt in Beziehung auf die preuß. Rheinproviuz fort, Einf.-G. v. 24. Juni 1861 Art. 60 Nr. 2.

66) D. h. wenn nicht sogleich erfüllt, oder nicht in kaufmännische Bücher eingetragen ist, also der Fall sich dazu noch nicht eignete. S. die Anm. 64. Denn nicht alle Kaufgeschäfte eignen sich nach den Grundsätzen der kaufmännischen Buchführung zur Eintragung, sondern nur diejenigen, welche bereits ein kaufmännisches Resultat von Kredit und Debet geben, namentlich von Seiten deö Kauf­ manns erfüllt sind. Z. B. über Gegenstände des kaufmännischen Verkehrs zwischen Kaufleuten ge­ schlossene Verträge, deren Erfüllung von beiden Seiten erst an einem noch bevorstehenden Termine erfolgen soll, — namentlich Verträge über künftige Waarenlieferungen oder gewagte Verträge, ins­ besondere über den Kauf von Staatspapieren auf Zeit (also s. g. „Differenzgeschäfte", über deren Grenzen das Pr. nicht auszudehnen ist, zufolge Erk. IV dess. v. 23. Septbr. 1862, Str. Arch. 58 S. 6) — eignen sich zur Eintragung in die Handlungsbücher nicht. Ist die Eintragung dennoch er­ folgt, so kann sie weder einen Beweis liefern, noch die mangelnde schriftliche Form ersetzen. Pr. 800 b v. 25. Jan. 1840, Entsch. 5 S. 389. Das Gleiche gilt von einem solchen Handel, der nicht zu den kaufmännischen Geschäften des betreffenden Kaufmanns gehört. II. 8 §§. 563—565. Die 150 f. d. T. und der §. 197 II. 8 haben also verschiedene Wirkungskreise und widersprechen sich nicht. — Die §§. 150 u. 151 find übrigens in Folge der Einführung des H.G.B. (Art. 317) außer Kraft getreten. 67) Oder die briefliche Anerkennung. O.Tr. IV v. 13. Dezbr. 1847, RechtSf. 3 S. 225. 68) Die Rechnung darf sich aber in einzelnen Posten nicht auf andere Urkunden oder Vorgänge beziehen. Der Posten z. B. „Saldo 10 Thlr." wird mit der Unterschrift nicht verbindlich anerkannt. §. 190 d. T. 69) Bergl. übrigens Art. 294 des H.G.B.

Von Verträgen.

207

§. 154. Mündliche Verlängerungen eines nach den Gesetzen in Schriften abgefaßten Vertrages gelten nur soweit, als die Gesetze die Zulässigkeit einer stillschweigenden Verlängerung, und deren Fristen, ausdrücklich bestimmen 7 * *»). *****S. (Tit. 11* 21, Abschn. 2)7«). §. 155.' Ist in Fällen, wo die Gesetze einen schriftlichen Vertrag erfordern, der- ->W"w°na selbe bloß7 b) mündlich geschlossen, und noch von keinem Theile erfüllt rootben74), so«elWfHi$e findet daraus keine Klage statt7»). Ä& §. 156. Hat aber ein7«) Kontrahent von dem Andern die Erfüllung bereits 'st70) Bergt, o. §. 75 d. T. Darnach auch die Bewilligung der Hauptparteien. Verql. auch Pr. 269 ZU §. 185. 71) Die Grundsätze über die Folgen der unterbliebenen schriftlichen Abfassung gelten in der Regel auch für Verlängerungen der gehörig schriftlich abgeschlossenen Verträge. Vergl. Pr. des rhein. Rev.Hofes (ohne Datum) von 1851 in J.M.Bl. 1851 S. 349. (6. A.) §. 154 ist nicht analog anwendbar auf bereits gekündigte Pachtverträge, Str. Arch. 78 S. 184 (III). 72) Es mutz „Abschn. 3" heißen. R. v. 29. Dez. 1837 (Jahrb. 50 S. 469). Nicht dort allein finden sich Ausnahmen, sondern auch ein schriftlicher, mit einem HauSoffizianten geschlossener Dienst­ vertrag kann stillschweigend verlängert werden. Pr. 1921 (Pl.-Beschl.) v. 18. Okt. 1847, Entsch. 15 S. 61. 73) S. über den Fall, wenn auS einem nur von dem Kläger mündlich geschlossenen, von dem Anderen einseitig unterschriebenen Vertrag Wiederklage erhoben wird, das Pr. 1046 in der Anm. 20 Nr. 4 zu §. 116 d. T. 74) Wenn in Folge einer über ein Grundstück geschlossenen Kaufpunktation der Käufer den Ver­ käufer auch nur mündlich beauftragt, das Grundstück an einen Dritten zu übergeben, oder mit dem­ selben einen förmlichen Kaufkontrakt darüber zu errichten, so ist die demgemäß auch wirklich an den Dritten geleistete Uebergabe, oder die Errichtung des förmlichen Kontrakts mit demselben, eine gültige Erfüllung der Punktation von Seiten deS Verkäufers. O.Tr. in (Pr. 1752) v. 30. Mai 1846, Entsch. 13 S. 169.

75) Die §§. 155, 156 finden auch auf schriftliche Verträge, welche hätten gerichtlich abge­ schlossen werden sollen, analoge Anwendung. O.Tr. Ili v. 15. Mai 1857, Str. Arch. 24 S. 305. — (7. A.) Nichtanwendung des §. 155 d. T. auf einen mündlichen Grenzregulirungsvertrag trotz §. 388 I 17: O.Tr. II v. 13. Septbr. 1875, Entsch. 75 S. 308.

76) (6. A.) Auch auf schriftliche Verträge, in denen der Kaufpreis simulirt und der wahre Kauf­ preis nur mündlich (wenn auch geringer als der fimulirte) verabredet worden ist. O.Tr. IV v. 11. Okt. 1870, Entsch. 64 S. 62. (6. A.) Die §§. 155 — 157 finden auch auf mündliche Verträge über Grundstücke und Gerech­ tigkeiten statt. Der zurücktretende Theil muß klagen, Str. Arch. 77 S. 35 (II); 80 S. 216 (III). Haben beide Kontrahenten und zwar vollständig erfüllt und ist der Gegenstand eine unbewegliche Sache, mithin der tz. 146 unanwendbar, so treten die hier gegebenen Vorschriften wegen Rücktritts und Rückgabe gleichfalls ein. Denn von einem, nach den Gesetzen schriftlich zu errichtenden, aber nur mündlich geschlossenen Kontrakte kann — außer dem Falle des §. 146 — auch derjenige Kon­ trahent, welcher denselben seinerseits selbst vollständig erfüllt hat, zurücktreten und daS Gegebene zurückfordern. Pr. 436 v. 3. Februar 1838, Entsch. 3 S. 341. Dies ist von mehreren Seiten bestritten, die Praxis in letzter Instanz ist jedoch gleichförmig. M. s. noch die Pr. deS O.Tr. in der Jur. Wochenschrift 1846 S. 321, und v. 28?Juni und 23. August 1847, Rechtsf. 2 S. 26 und 184. Dieser Gerichtsl)of hat auch den Satz ausdrücklich für anwendbar erklärt auf den Fall, wenn der mündlich geschlossene Vertrag eine unbewegliche Sache betrifft und von beideü Seiten vollständig erfüllt ist; und angenommen, daß die Grundsätze der §§. 156 ff. deshalb, weil sie allgegemeine Grundsätze über die rechtlichen Folgen, wenn die schriftliche Abfassung eines Vertrages, welcher schriftlich hätte geschlossen werden sollen, unterblieben ist, find, in allen Fällen Anwendung finden, wofür keine besonderen Vorschriften gegeben sind. Für unbewegliche Sachen gibt eS der­ gleichen nicht; der hierher gezogene §. 233 I. 21 bezieht sich auf unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen. Pr. v. 13. Febr. 1849 in Sachen Bußemann w. Wilke, 600/9489 III. 48. Vergl. O.Tr. in. v. 26. April 1858, Entsch. 38 S. 32. (6. A.) Dieser RechtSzustand ist durch §. 10 des Ges. v. 5. Mai 1872 über den EigenthumSerwerb rc. wesentlich geändert. S. oben Anm. zur 6. A. der Note 47 zu tz. 135. Ein mündlich abgeschlossener Kaufvertrag über ein Grundstück kann, wenn die Auflassung ertheilt ist, nicht mehr rückgängig gemacht werden. Ist eine unbewegliche Sache Gegenstand deS Vertrages, darüber auch ein schriftlicher Vertrag aufgesetzt, darin aber die Gegenleistung (das Kaufgeld) anders niedergeschrieben als wirklich ausgemacht worden ist; so ist der Fall dem bloß mündlichen Vertrage gleich.' Hier ist die Praxis ergänzend

208

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 156—161.

ganz ober zum Theil angenommen77), so ist er verpflichtet79), entweder den Vertrag auch von seiner Seite zu erfüllen79), ober das Erhaltene zurückzugeben ober zu ver­ güten"). §. 157. Wählt er Letzteres9*), so muß er die aus Rechnung des Vertrages er­ haltene Sache in dem Stande, wie er sie empfangen hat"), zurückgeben9 3). eingeschritten. Wenn nämlich dieser simulirte schriftliche Vertrag von beiden Seiten der wahren Ver­ abredung gemäß vollständig erfüllt, namentlich auch von dem Kaufgelde nichts mehr rückständig ist; so soll es m diesem Falle so gehalten werden wie in dem gleichen Falle bei beweglichen Sachen nach 146 d. T. S. Anm. 59 dazu, und unten Pr. 1371 v. n. Nov. 1843, in der Note zu §. 74 Tit. 11. O.Tr. III v. 2. Oktober 1857, Str. Arch. 28 S. 7. 77) S. Pr. 1064 und in der Anm. zu i. li §. 128. (6. A.) O.Tr. III v. 23. Febr. 1872, Entsch. 67 S. 100. 78) Aber nicht berechtigt, d. h. er ist nicht befugt zu erfüllen, wenn der Geber zurückfordert. Der Rechtsstand ist dieser: Will der Geber bei dem Vertrage stehen bleiben und macht der Empfänger seinerseits zur Erfüllung keine Anstalten, so kann der Geber nicht unbedingt auf Erfüllung klagen, sondern muß dem Empfänger die Wahl lassen zwischen Rückgabe und Erfüllung. Die Praxis hat angenommen, daß der Geber in diesem Falle das Klagepetitum nicht nothwendig alternativ formuliren müsse, vielmehr dasselbe zwar auf Verurteilung zur Erfüllung richten könne, doch sich den Einwand gefallen lassen müsse, daß die Sache zurückgegeben werde. Das dem Empfänger überlassene Wahl­ recht trete also erst dann in Wirksamkeit, wenn der Verkäufer durch Forderung des Kaufpreises Er­ füllung fordere; alsdann könne der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises durch wirkliche Rückgabe der Sache beseitigt werden. O.Tr. v. 29. Sept. 1843, Jur. Wochenschr. 1844 S. 524, und (111) v. 26. Febr. 1856, Str. Arch. 20 S. 205. (In dem Erk v. 27. Sept. 1864 kehrt das O.Tr. (IV) jenes Verhältniß wieder um, indem es sagt: „Bei mündlichen Verträgen hat derjenige, welcher zur Erfüllung des Vertrage- etwa- gegeben, streng genommen nur ein Recht auf Rückgewähr des Ge­ gebenen; der Empfänger kann nach §. 156 die Rückgewähr abwenden, wenn er das seinerseits Ver­ sprochene leistet, weiter aber geht sein Recht nicht," Str. Arch. 56 S. 201. Mit dem „weiter aber geht sein Recht nicht" wird der mit Recht für unrichtig erklärten Ansicht des Appell.-Gerichts Hamm entgegen getreten, daß der Geber zur Begründung seiner Klage auf Rückgabe oder Vergütung deS theilweise Geleisteten — wie nach tz. 271 bei einem formell gültigen Konsensualverträge — sich auch zur Leistung des Rückstandes erbieten müsse, was unjuristisch ist.) Tritt hingegen der Geber selbst zurück, so kann er das Gegebene condictione ob causam unbedingt zurückfordern (§. 161), und der Empfänger kann die Klage nicht durch Anbietung der Gegenleistung beseitigen. Pr. des O.Tr. v. 3. u. 17. Febr. 1838, Entsch. 3 S. 351, u. v. 30. Jan. 1846, Schief. Archiv 6 S. 268. In den Gründen des letzteren wird (S. 271) auszuführen gesucht, daß eine völlige Uebereinstimmung deS A. L.R. mit dem Röm. Innominatkontrakte (L. 3 §. 2 D. de cond. causa data Xll, 4) bestehe. Für den Fall, daß nicht der Geber, sondern der Empfänger zurücktritt, ist das unrichtig: der Empfänger hat nach R.R. und nach den Grundsätzen der condictio ob causam keine Befugniß ahzugehen, er muß unbedingt erfüllen, wenn der Geber Erfüllung verlangt. Das L.R. hingegen hat den entgegenge­ setzten Grundsatz, daß die Annahme der Leistung nicht zur Gegenleistung verpflichte, §. 156. Z)aS ist eine große Abweichung von dem Röm. Innominatkontrakte.

79) Wählt der Beklagte die Erfüllung, so kann er trotz seines Wahlrechts begehren, daß auch die mündliche Verabredung bezüglich der zu gewährenden Eigenschaften der Sache für beide Kontra­ henten ihre Wirksamkeit behalte. O.Tr. v. 22. Dez. 1863 , Str. Arch. 51 S. 324. 80) Der §. 156 setzt zu seiner Anwendung voraus, daß der nur mündlich geschlossene Vertrag an sich zum definitiven Abschlüsse, d. h. zur Perfektion gelangt ist, O.Tr. IV v. 22. Dez. 1863, Str. AM. 51 S. 327. (6. A.) Die in den folg. §§. vorgeschriebenen Nachtheile des zurücktretenden Kontrahenten kommen nur dann zur Anwendung, wenn der Rücktritt lediglich wegen der gesetzlichen Unverbindlichkeit des Vertrages erfolgt, Str. Arch. 81 S. 13 (III). (7. A.) Ein (d. h. nach älterem Recht) durch mündlichen Vertrag und Uebergabe erworbenes Grundstückäeht — unbeschadet des Rechts deS Veräußerers, den Vertrag zu widerrufen — in das Eigenthum

deS Erwerbers über, letzterer bedarf nicht mehr der Ersitzung. O.Tr. HL v. 8. März 1875, Entsch. 74 S. 265. 81) Bis zur reellen Ausübung dieses Wahlrechts ist der Empfänger Eigenthümer der empfange­ nen Sache, das Eigenthum geht erst durch die Zurückgabe auf den Geber' zurück. Geht die Sache vorher zu Grunde, krepirt z. B. das betreffende Thier, so trägt er den Schaden und muß nunmehr die andere Alternative unbedingt erfüllen. — Die Rückgabe muß an dem Wohnorte deS Gebers zur Zeit des Vertragsschlusses geleistet werden. §. 248 d. T. Der §. 27 Tit. 16 kommt bei Verträgen ausnahmsweise nicht zur Anwendung. O.Tr. v. 19. Nov. 1863, Str. Arch. 52 S. 103. 82) Mehrere fungible Sachen oder Stücke einer Gattung alle. Sind einige davon nicht mehr

Von Verträgen.

209

§. 158. Wegen der Nutzungen, ingleichen wegen der in der Zwischenzeit vorge­ fallenen Verbesserungen, ist er einem unrechtfertiaen Besitzer aleich zu achten. (lit. 7, §. 223 sqq.)8*). ' §. 159. Kann er die empfangene Sache in dem Stande, in welchem sie sich zur Zeit der Uebergabe befunden hat88), nicht zurückgeben, und will dennoch den mündlichen Vertrag nicht erfüllen, so muß er den mündlich verabredeten Werths) er­ setzen. §. 160. Ist kein Werth verabredet worden, so muß derjenige, welcher die Sache zur Zeit der Uebergabe gehabt hat, ausgemittelt8') und ersetzt werden. §. 161. Hat der, welcher den mündlichen Vertrag nicht erfüllen will, dem an­ dern Kontrahenten auf Rechnung desselben etwas gegeben, so kann er88) dasselbe zwar ebenfalls zurückfordern ; vorhanden, so muß der Empfänger auch die übrigen behalten, wenn alle zusammen als ein Ganzes zu betrachten sind, so daß die einzelnen Einheiten eine in die andere gerechnet worden, mithin der Empfälmer nicht die besseren Stücke verbrauchen und bezahlen, den schlechten Rest aber zurückgeben darf. Vergl. unten die §§. 339—342 und die Anm. dazu. Diese Vorschrift und die sich anschlie­ ßenden §§. 158—160, 162, 163 und 165 begründen nur einen Einwand; denn sie betreffen im We­ sentlichen nur die Gerechtsame, welche dem Bekl., gegenüber dem vom Vertrage abgehenden Kl., zu­ stehen sollen. Der Bekl., nicht der Kl. ist eS also, der ein Interesse dabei hat, diejenigen Umstände vorzubringen und zu beweisen, welche die Anwendung jener Bestimmungen voraussetzt. Plen.-Beschl. des O.Tr. v. 19. Mai 1851, Entsch. 21 S. 335. — Vergl. unten §. *327 und die Anm. zu §. 162. 83) Aus dieser Verpflichtung, die Sache in dem Stande, wie sie empfangen, zurückzugeben, folgt nicht ohne Weiteres, daß der Empfänger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten habe, die er auf die Erhaltung der Sache bis zu deren Rückgabe verwendet hat. §§. 163, 164; Tit. 7§§. 216, 236. O.Tr. IV (Pr. 1189) v. 8. März 1850, Entsch. 19 S. 76.

84) Dieser §. kann sich auf die folg. §§. 159 und 160 gar nicht beziehen — wie man als eine Zweifelsfrage aufgeworfen hat — denn in diesen Fällen behält ja der Empfänger Alles. Wegen dieser Bestimmung soll der zurücktretende Besitzer nach der Meinung des Obertribunals, gleich einem unredlichen Besitzer, auch Rechnung über die, während der ganzen Dauer seines Besitzes, also auch in der Zeit, wo er noch nicht dachte, unrechtfertiger Besitzer zu werden, gezogenen Früchte zu legen gehalten sein, und zwar „als Strafe für seinen Wankelmuth". O.Tr. III v. 11. Juli 1864, Entsch. 52 S. 9. S. auch unten Anm. zu §. 235 Tit. 7. Eine ganz nene Idee, nur ohne juristisches Prinzip. 85) Dabei ist vorausgesetzt, nicht: daß die Sache sich zur Zeit in einem gegen die Uebergabe völlig veränderten Zustande befinde, in welchem sie ihrer Bestimmung gemäß gar nicht gebraucht werden kann, — sondern vielmehr: daß überhaupt nur die vorgenommenen oder eingetretenen Ver­ änderungen die Sache in ihrer Bestimmung und Brauchbarkeit gegen den Zustand zur Zeit der Uebergabe alteriren, als worüber nöthigenfalls Sachverständige mit ihrem Gutachten zu hören sind. O.Tr*. 1II (Pr. 2152) v. 30. Okt. 1849, Entsch. 19 S. 87. Dadurch ist die Frage wegen Deteriorationen abgeschnitten. Ganz richtig sagt daher das O.Tr., der Geber mußte das Pferd, wenn es sich nicht mehr in dem Zustande zur Zeit der Hingabe befand, ablehnen und dafür den ganzen (mündlich verabredeten) Werth fordern; nahm er aber das Pferd trotz seiner Verschlechterung zurück, so fiel für ihn auch der Anspruch auf Vergütung, insbesondere für etwanige Verschlimmerungen, fort. O.Tr. IV v. 8. März 1866, Str. Arch. 62 S. 208.

86) Ganz, nicht etwa nur die Differenz zwischen dem verschlechterten und dem verabredeten Werthe mit der Befugniß, auch die verschlechterte Sache zurückzugeben. Der Empfänger hat hier gar kein Recht, sondern nur Pflichten. §. 156 u. Anm. 78. 87) Ist die Sache unschätzbar, so ist die Gegenleistung der Maßstab; denn beide Theile haben sie auf so hoch durch den Umtausch gewürdigt. Nur wenn diese auch unschätzbar ist, kann der Schätzungseid des Berechtigten entscheiden.

88) Er, der Geber. Ist also auf der einen Seite von Mehreren gemeinschaftlich der Vertrag geschlossen, und hat nur Einer allein von ihnen darauf Etwas gegeben, so kann auch er allein das Gegebene zurückfordern; es steht ihm nicht der Einwand der Gemeinschaft mit den Uebrigen entgegen, weil nicht der gemeinschaftlich geschlossene mündliche Vertrag, sondern das Geben ohne gültige causa der Grund der Rückforderung ist. O.Tr. III v. 18. Sept. 1857, Str. Arch. 26 S. 193. Denn die Zurückforderungsklage wird ganz allein durch das bloße, in Folge des formlosen Vertrages geschehene Geben begründet, und es kommt gar nicht darauf an, daß der Geber Eigenthümer des Gegebenen sei. O.Tr. ui v. 6. Januar 1860, Str. Arch. 36 S. 133. (6. A.) Auch machen die §§. 161, 162 Koch, Allgemeines Landrecht 1. 7. Aufl. 14

210

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 1G2—165.

§. 162. Er muß aber die gegebene Sache in dem Stande wieder annehmen, in welchem sie sich zu der Zeit, da seine Weigerung zur Wissenschaft des Andern gelangt ist, befunden tjat89 * * ).90 91 §. 163. Ueberbaupt hat derjenige Kontrahent, welcher den mündlichen Kon­ trakt zu erfüllen bereit war, in Ansehung der an den Andern, welcher zurücktritt , zu leistenden Rückgabe durchgehends die Rechte eines redlichen Besitzers"). (Tit. 7, §. 188 sqq.) §. 164. Ist einem oder dem andern Theile, auf Abschlag des mündlichen Ver­ trages, etwas bezahlt worden, so muß der, welcher zurücktritt, vom Tage der em­ pfangenen Zahlung, der Andere aber, welcher den Kontrakt zu erfüllen bereit war, vom Tage des ihm angekündigten gegenseitigen Rücktritts, landübliche Zinsen ent­ richten 91). keinen Unterschied zwischen sog. wohlthätigen und lästigen Verträgen. O.Tr. I v. 16. Febr. 1872, Entsch. 66 S. 2. 89) Er muß also auch die Meliorationen mitnehmen und vergüten. §. 163. (7. A.) Vergl. auch O.Tr. III. v. 11. Mai 1874, Str. Arch. 91 S. 267. — Wenn aber der Empfänger die Sache nicht mehr hat, so kann der Geber nur aus der Bereicherung desselben mehr fordern als bedungen worden. Vergl. Suarez in Jahrb. 52 S. 7. — Zur Begründung der Rückforderungsklage ist nicht erfor­ derlich, daß der Kläger in der Klageschrift zur Vergütung alles dessen sich bereit erkläre, gegen dessen Erstattung der Beklagte zur Herausgabe verpflichtet ist. Pl.-Beschl. des O.Tr. v. 19. Mai 1851, Entsch. 21 S. 335 und Str. Arch. 2 S. 302. — Der Kläger braucht daher zur Begründung seines Anspruches in der Klage auch nicht zu behaupten, daß er bereit und im Stande sei, das Grundstück in dem empfangenen Zustande herauszugebeu und dabei seinen Verpflichtungen als unrechtfertigen Be­ sitzers zu genügen. O.Tr. III v. 11. Juli 1864, Entsch. 52 S. 4. Der Empfänger der auf dem Grunde eines wegen mangelnder Form für ihn unverbindlichen Vertrages ihm übergebenen Sache, welcher nur einen Theil der vereinbarten Naturalgegenleistungen gewährt, hiernächst aber statt des rückständigen Theils derselben eine bestimmte Geldsumme zu zahlen übernommen hat, ist, wenn er den Vertrag nicht erfüllen will, nur verpflichtet, entweder die Sache in dem früheren Zustande zurückzugeben, öder den ausgemittelten Werth zur Zeit deren Uebergabe, nach Abzug des Werths der bereits gewährten Gegenleistung, zu vergüten. O.Tr. IV v. 5. Jan. 1854, Str. Arch. u S. 179.

90) Der §. 163 bezieht sich nur auf mündliche Verträge, welche schriftlich hätten errichtet werden müssen, aber nicht auf solche, welche wegen mangelnder Dispositionsfähigkeit ungültig sind. O.Tr. III v. 22. Sept. 1862, Str. Arch. 47 S. 58. Auch nicht auf solche, welche wegen Mangels der bei Strafe der Nichtigkeit vorgeschriebenen Form nichtig sind, wie z. B. außergerichtliche Parzellirungsverträge. O.Tr. III v. io. April 1863, Str. Arch.' 51 S. 26, und v. 27.' April 1866, ebend. 62 S. 322. (6. A.) Diese Entscheidungen entsprechen seit dem Ges. v. 5. Mai 1872 über die Form der Verträge, durch welche Grundstücke zertheilt werden, nicht mehr dem jetzt geltenden Recht.

91) 1. Die §§. 163, 164 sind auch anwendbar, wenn von einem mündlichen Kaufverträge der eine Kontrahent zurücktritt; und der Verkäufer eines Grundstücks, welcher den mündlichen Vertrag aufrecht erhalten will, braucht daher, wenn auch der zurücktretende Käufer ihm das Grundstück nebst allen Nutzungen gewähren muß, das empfangene Kaufgeld erst von dem Tage des ihni angekündigten Rücktritts zu verzinsen. Pr. des O.Tr. 973 v. 22. Januar 1841. (6. A.) Das gilt jetzt nur noch, wenn der Käufer vor erhaltener Auflassung zurücktritt. §. 10 des Ges. v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb rc. Wenn umgekehrt von einem über ein Grundstück nur mündlich abgeschlossenen Kaufverträge der Verkäufer zurücktritt, so treffen den Käufer, welcher denselben zu erfüllen bereit ist, die Pflichten eines unredlichen Besitzers nicht schon vom Tage des ihm von dem Verkäufer erklärten Rücktritts. Behält hiernach der Käufer die Früchte und Nutzungen, so muß er den rückständig gebliebenen Theil des Kaufgeldes vom Tage der Uebergabe des Grundstücks an landüblich verzinsen. O.Tr. III v. 9. Juli 1852, Str. Arch. 6 S. 249. (6. A.) Auch der Verkäufer kann wegen mangelnder Schriftform jetzt nur vor der Auflassung zurücktreten. S. vorigen Satz. Der Verkäufer, welcher von einem über ein Grundstück bloß mündlich abgeschlossenen, beiderseits durch Uebergabe und Zahlung des Kaufpreises erfüllten Kaufkontrakte (6. A. vor der Auflassung) zu­ rücktritt, muß das Kaufgeld vom Tage des Empfanges an landüblich verzinsen, obwohl der Käufer die Früchte und Nutzungen des Grundstücks behält. O.Tr. in v. 13. März 1854, Str. Arch. 12 S. 240. 2. Eine Klage, welche auf Herausgabe deS Gegebenen gegen Erstattung des Empfangenen, aus Grund deS §. 156 ff. d. T., gerichtet worden ist, kann, wenn sich im Prozesse ergeben hat, daß der

Von Verträgen.

211

§. 165. Hat der mündliche Vertrag Handlungen^) zum Hauptgegenstande gehabt^s), und sind diese sämmtlich geleistet worden', so muß die Vergütung nach der mündlichen Abrede erfolgen95). Bekl. als ein redlicher Besitzer zu behandeln sei, nicht aus dem Grunde an und für sich allein ganz oder angebrachtermaßen abgewiesen werden, weil nicht schon in der Klage die Wiederaunahme in 'dem gegenwärtigen Zustande und die Gestattung aller Vortheile des redlichen Besitzers angeboten worden sind; sondern der Richter ist befugt, die Rechte des Bekl. und die dadurch bewirkte Einschränkung der Ansprüche des Klägers festzusetzen. Pl.-Beschl. (Pr. 2289) v. 19. Mai 1851, Entsch. 21 S. 329.

92) Oder Unterlassungen. Vergl. unten §§. 869 ff. Tit u. Pr. i?oo v. 6. Febr. 1846, Entsch. 13 S. ns, u. O.Tr. IV v. 10. Febr. 1859, Str. Arch. 32 S. 235. Es kommt jedoch in jedem konkreten Falle darauf an, nicht nur, ob ein'Uebereinkommen eine Unterlassung zum Haupt­ gegenstande hat, sondern auch, ob dasselbe nur Rechtsverhältnisse betrifft, welche unmittelbar und allein unter den Kontrahenten zur definitiven Austragung kommen können, oder ob dasselbe auch ein Obli­ gationsverhältniß zu dritten Personen angeht, welche an dem Uebereinkommen nicht Theil genommen haben, auf welches aber der mündlich Verpflichtete nach der Bedeutung des Uebereinkommens soll zu­ rückzugreifen im Stande sein. So sagt das O.Tr. (IV) in einem Erk. v. 11. Okt. 1864, Str. Arch. 63 S. 10. Der Thatbestand, auf welchen diese Theorie angewendet worden, war dieser: Der Kläger, welcher die Exekution und Subhastation gegen seinen Schuldner verfolgte, hatte sich gegen den Bekl. (einen Dritten) mündlich verpflichtet, die Fortsetzung dieses Verfahrens zu unterlassen' und der Dritte (der Bekl.) dagegen versprochen, ihm die Schuld des Exequendus zu bezahlen. Der Exekutionsbe­ treibende erfüllt sein Versprechen, der Andere aber bezahlt hinterdrein nicht und das O.Tr. weiset Jenen, unter Vernichtung des Appellationserkenntniffes, auf Grund seiner gemachten Unterscheidung, mit der Forderung ab, weil in dem Versprechen des Bekl. eine Jntercession liege, welche ohne Schrift­ form ungültig fei. Durch diese Entscheidung wird dem Kläger Unrecht gethan. Jene untergelegte Unterscheidung ist ohne Rechtsboden. Das Versprechen des Bekl. ist dem Kläger gegenüber keine Jntercession, vielmehr ist das Uebereinkommen zwischen Beiden ein zweiseitiger Vertrag (facio ut des), der Kläger hat seinerseits erfüllt, d. h. sein Recht fahren lassen, der Status quo ante kann nicht wieder hergestellt werden, folglich ist der Kläger „von Rechts wegen" — wie soll man sagen — ge­ fangen worden, der Schuldner ist vorläufig mit Hülfe des für Recht erkannten Wortbrüchs seines Freundes durchgeschlüpft. __ Die durch Vergleich übernommene schriftliche Quittirung über die erfolgte Aufhebung einer Schuld ist nicht als eine selbstständige, für sich den Gegenstand eines Rechtsgeschäfts bildende Leistung, und mithin nicht als eine Handlung in dem Sinne anzusehen, wie sich das Gesetz dieses Ausdrucks bei der Klassifikation der Verträge bedient. O.Tr. IV v. 8. März 1851, Str. Arch. 2 S. 45. Welchen Sinn das A. L.R. mit dem Ausdrucke „Handlungen" als Gegenstände von Verträgen verbindet, s. unten Anm. zu §. 393 Tit. 11. (6. A.) Handlungen im Sinne der §§. 860 flg. I. 11, d. h. solche, die ein Kontrahent dem an­ dern oder in seinem Interesse zu leisten verspricht, Str. Arch. 70 S. 214 (III). 93) Anwendungen: 1. Vollziehung eines mündlichen Auftrages. Deshalb kann der Beauftragte auch dann, wenn er zum Ankäufe von Sachen zum Werthe von mehr als 50 Thlrn. bloß einen mündlichen Auftrag hatte, von dem Kommittenten Erstattung der Auslagen, und als Kaufmann Pro­ vision fordern. Pr. des O.Tr. v. 3. Mai 1845, Entsch. n S. 345. — Dahin gehört auch die münd­ lich , unter Zusicherung einer bestimmten Geldsumme aufgetragene Anfertigung eines Werks, z. B. eines Monuments, welches, wenn es auftragsmäßig ausge'führt ist, abgenommen und bezahlt werden muß. „Die Abnahme und Bezahlung eines verdungenen Werkes darf, wenn auch der Werth des­ selben oder der dafür vereinbarte Preis die Summe von 50 Thlrn. übersteigt, doch deshalb allein, weil der Vertrag nur mündlich geschlossen worden, nicht verweigert werden." Die Anwendung ist auch nicht dadurch ausgeschlossen', daß nicht die Handlungen als solche, sondern nur ihr Erfolg' als der Gegenstand oder Zweck des geschlossenen Vertrages hervortreten oder bezeichnet sind. O.Tr. IV (Pr. 2653) v. 29. Nov. 1855, Lntsch. 31 S. 374. ' 2. Eingehung einer Ehe. Deshalb kann derjenige, der dem Anderen eine unbewegliche Sache unter der Vereinbarung, daß derselbe eine bestimmte Person heirathe, abgetreten hat, diesen Vertrag wegen Mangels der schriftlichen Form nicht mehr anfechten, nachdem der Andere die bezeichnete Per­ son wirklich geheirathet hat. Pl.-Beschl. (Pr. 1631) v. 7. Nov. 1845, Entsch. 12 S. 31. Vergl. oben Anm. 73 zu §. 71 d. T. 94) Ist nicht konsequent; denn der Vertrag gilt nicht, weshalb lediglich das Geleistete zu kondiziren wäre, d. h. der Werth der Handlungen, oder der übliche Lohn, möchte er mehr oder weniger betragen, müßte gefordert werden können, da die Handlungen oder Unterlassungen begreiflich nicht wie eine körperliche Sache zurückgegeben werden können. Darauf kommt man auch zurück, wenn kein Preis in Gelde verabredet worden ist. Dieser Grundsatz findet sich angewendet in einem an­ deren Falle der Ungültigkeit des Vertrages, nämlich wegen kasueller Unmöglichkeit der Erfüllung. Tit. 11 §. 882. Die Bestimmung des §. 165 gründet sich auf Nützlichkeit, um AuSmittelung deS Werths

212

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 166—169.

§. 166. Sind die Handlungen nur zum Theil geleistet worden, und der Ver­ pflichtete will durch Leistung der übrigen den Vertrag nicht vollständig erfüllen, so abzuschneiden. Deshalb kann sie nur angewendet werden, wenn die Gegenleistung in Gelde verab­ redet ist; sonst würde die Werthsermittelung auf eine andere Sache oder Handlung, als diejenige ist, welche vergütet werden soll, gerichtet werden, und es würde weder Vertragserfüllung, noch Kondiktion, sondern ein unnennbares juristisches Drittes zur Anwendung kommen. Dies gilt begreiflich nur von Handlungen, welche dem Vermögensrechte angehören. Bei anderen Handlungen, z. B. bei der Heirath, muß es bei der Gegenleistung lediglich verbleiben, da nichts kondizirt werden kann. Pr. 1631 in Anm. 93 Nr. 2. — Üebrigens ist unter der Vergütung nach der mündlichen Abrede die bei Ein­ gehung des mündlichen Vertrages verabredete Vergütung zu verstehen, nicht etwa eine Vergütung, welche hinterdrein, nachdem die zu vergütende Handlung bereits vollständig geleistet war, mündlich verabredet worden ist. Der Satz ist als ein zweifelhafter von dem O.Tr. (IV) durch das Pr. 2674 v. 2. Dez. 1856 festgestellt, Entsch. 34 S. 48. Worin das Zweifelhafte liegen soll, wird nicht ange­ deutet und ist sonst nicht findbar. Denn der §. 165 handelt eben von der Wirksamkeit eines zwei­ seitigen mündlichen Vertrages, wenn der eine Kontrahent vorgeleistet hat. Dann soll, obgleich nach dem Grundsätze des A. L.R. der Vertrag als Konsensualkontrakt nicht bindend ist, es doch bei dem römischen Grundsätze verbleiben und der' andere Theil das gegenzuleisten verbunden sein, was er bei Eingehung des Kontrakts versprochen hat. Würde erst hinterher, nach der Vorleistung, die Gegen­ leistung auf eine bestimmte Summe vereinbart, so wäre das ein neuer Vertrag und zwar ein Ver­ gleich, welcher als Konsensualvertrag nur durch die gesetzliche Form rechtsverbindlich werden kann und nickt Gegenstand der Bestimmung des §. 165 ist, weil dieser nur von dem Realkontrakte facio ut des handelt. Wenn die versprochene Gegenleistung in einem Prozentsätze (Tantieme) von einem gewissen Ein­ kommen des Geschäftsherrn besteht, z. B. wenn einem Förster von der Holzeinnahme eine Tantieme zugesichert worden ist, so gebührt dieselbe nur von der wirklichen Einnahme, nicht auch von denjenigen Geldern, welche zwar aus den während der Dienstführung geschlossenen Verträgen herrühren, jedoch erst nach der Dienstentlassung fällig geworden, resp, eingegangen sind. O.Tr. IV v. 24. Jan. 1856, Str. Arch. 19 S. 306. Die mündliche Abrede kann auch durch Bezugnahme aus eine vorhandene Vertragsurkunde ge­ troffen werden. Wenn z. B. ein Gutsbesitzer erklärt, einem von dem Vorbesitzer angestellten Wirthschastsbeamten auf den Grund dessen früheren schriftlichen Dienstvertrages beibehalten zu wollen, so ist er verpflichtet, die von dem Wirthschaftsbeamten hiernächst geleisteten Dienste nach Maßgabe jenes schriftlichen Vertrages zu vergüten. O.Tr. v. 8. Jan. 1852, Str. Arch. 4 S. 241. (7. A.) O.Tr. IV v. 25. Juni 1874, Str. Arch. 92 S. 184, II v. 6. April 1875, das. 93 S. 321. 95) In einem Erk. d. O.Tr. (IV) v. 20. Okt. 1857, Str. Arch. 26 S. 297, ist ausgesprochen, daß der §. 165 Kontrahenten voraussetze, welche für sich selbst rechtsfähig sind. Dies ist in mehr­ facher Hinsicht unrichtig. Zuerst ist der Ausdruck unzutreffend; denn es ist von einem Haussohne Rede, welcher einer Person 200 Thlr. als Abfindung versprochen hatte, ohne schriftliche Einwilligung des Vaters. Ein Haussohn ist als solcher durchaus rechtsfähig, aber er ist nicht handlungsfä­ hig. Sodann würde der §. 165 nicht anwendbar gewesen sein, wenn auch der Versprecher „für sich selbst rechtsfähig" (soll heißen handlungsfähig) gewesen wäre; denn er bezieht sich auf den Fall, wo über Handlungen mündlich kontrahirt worden ist, ehe dieselben geleistet worden sind, was bei dem einer Geschwängerten hinterdrein gemachten Versprechen einer Abfindung nicht paßt. Drittens ist es nicht anzuerkennen, daß der §. 165, den richtigen Fall vorausgesetzt, nicht Anwendung finden soll auf einen kontrahirenden Haussohn, wenn der Vater bloß mündlich genehmigt hat; es ist ja dann ein vollständiger mündlicher Vertrag vorhanden. (6. A.) Keine Forderung auf Verzugszinsen, Str. Arch. 83 S. 308 (I). Der Spediteur, welcher einen nur mündlich geschlossenen Speditionsvertrag erfüllt hat, kann seine Ansprüche an den Befrachter mit der Klage aus dem Mandate, oder mit der' Klage aus einem Ver­ trage über Handlungen verfolgen. O.Tr. IV v. 4. Sept. 1851, Str. Arch. 3 S. 248. Das Gleiche gilt auch für den mündlichen und ausgeführten Vollmachtsvertrag. O.Tr. IV v. 20. Sept. 1864, Str. Arch. 56 S. 179. Vgl. Tit. 13 §. 7 Anm. dazu. Hat bei einem Neubau an der Grenze der Nachbar ein Untersagungsrecht geltend gemacht und dabei mündlich erklärt, daß er mit dem Baue zufrieden sein wolle, wenn die Mauer bis an das Dach abgebrochen werde, und hat der Bauende diese Forderung sogleich erfüllt; so kann der Nachbar von diesem mündlichen Abkommen nicht mehr zurüütreten, vielmehr sind dadurch alle entgegenstehenden früheren Verhandlungen der Parteien über den Bau erledigt. O.Tr. II v. 25. Febr. 1864, Str. Arch. 53 S. 164. (7. A.) Die Anwendung des §. 165 I. 5 ist ausgeschlossen, wenn für die Handlung nicht von Hause aus ein fester MiethspreiS oder eine sonstige feste Vergütung ausbedungen worden, die Parteien vielmehr erst nach erfolgter Leistung der Handlung sich geeinigt haben. O.Tr. IV v. 9. Sept. 1873, Str. Arch. 89 S. 214.’

Von Vertrügen.

213

kann der Berechtigte von der mündlich verabredeten b«) Vergütung so viel abziehen. als erforderlich ist, sich die noch rückständigen Leistungen zu verschaffen»1). §. 167. Will hingegen der Berechtigte die Leistung der noch rückständigen Hand­ lungen nicht annehmen, so muß der Werth der schon wirklich geleisteten nach den Ge­ setzen ausgemittelt und vergütet werden. §. 168. Uebrigens finden aus einem bloß mündlichen»«) Vertrage, wegen der von dem einen oder dem andern Theile verweigerten»») Erfüllung, keine Forderun­ gen von Entschädigungen oder Jntereffe statt100). §. 169. Ist ein schriftlich abgefaßter Vertrag verloren gegangen, so sind zur W°sR°chAusmittelung seines Inhalts alle in den Gesetzen gebilligte Beweismittel zulässig. der schriftliche ------------------------

Vertrag nicht

96) Besteht diese in Sachen oder geldwerthen Handlungen, so werden diese geschätzt, und von mehrvorhanbcn deren Werthe werden die Kosten der noch riickständigen Leistungen abgezogen. Der Rest ist dasjenige,

was dem Anderen für die geleisteten Handlungen gebührt. Ist das Resultat ein Deficit, so erhält derselbe nichts, ist aber auch nichts weiter schuldig, nach §. 168 d. T. 97) Zur Ausführung eines Abzuges aus eine zu leistende Vergütung wird erfordert, daß sowohl die Vergütung als der darauf zu machende Abzug in bestimmten, ihrer Quantität nach feststehenden fungiblen Sachen besteht. Sind die Handlungen und Leistungen spezifischer Art, welche von Zeit, Person und anderen Umständen abhängen und in ihren einzelnen Leistungen und ihrem Umfange im Voraus nicht bestimmt werden können, so sind sie nicht geeignet, unter den Begriff der im §. 166 gemeinten Vergütung, welche die Möglichkeit eines Abzugs gestatten muß, subsumirt zu werden, weil sie nicht die Rechnungsfaktoren darbieten, welche erforderlich sind, um an einer Geldsumme oder einem anderen Werthgegenstande einen Abzug vornehmen zu können. Außerdem enthält der §. 166 eine Vorschrift nur zur Bestimmung, in welchem Umfange derjenige, dem der Rücktritt vom Vertrage zur Last fällt, für seine bereits geleisteten Handlungen die verabredete Vergütung fordern kann; nicht aber verhält er sich über den Anspruch, den der andere Kontrahent für' seine Leistungen als Vergütung oder sonst als Entschädigung erheben darf, wofür die §§. 156—160, 163, 167, 168 maßgebend sind. O.Tr. IV v. 26. März 1868, Str. Arch. 70 S. 262. (6. A.) Die verabredete Vergütung muß aber von der Art sein, daß sich etwas abziehen läßt, Str. Arch. 70 S. 260 (IV). 98) Aber schriftlich abzufassen gewesenen. R. v. 26. Sept. 1838, Jahrb. 52 S. 147. S. Anm. 100. 99) Lediglich auf den Fall der ganz oder theilweise verweigerten Erfüllung bezieht sich diese Vor­ schrift. Ist der Vertrag von beiden Seiten vollständig erfüllt, und hat er keine unbewegliche Sache zum Gegenstände, so hat er Geltung und Beständigkeit erhalten, mithin auch rechtliche Folgen. §. 146 und die Anm. dazu. Das ist auch von dem O.Tr. angenommen. Den ersten Satz enthält das Pr. 693 v. 29. Mai 1839: „Dies Gesetz bezieht sich nicht auf eine geforderte Vergütung behaupteter Gewährsmängel bei einem, seinem Hauptgegenstande nach bereits erfüllten Vertrage, sondern lediglich aus eine Entschädi­ gung für solche Nachtheile, die einem Kontrahenten daraus, daß der verabredete Kontrakt wegen erfolgter Sinnesänderung des einen Kontrahenten gar nicht zur Erfüllung gekommen, oder rückgängig geworden, entstanden sein sollen." Das Andere sagt das Pr. 1645 v. 21. Nov. 1845: „Ist in Fällen, wo die Gesetze einen schrift­ lichen Vertrag erfordern, derselbe bloß mündlich geschlossen, aber von beiden Seiten erfüllt worden, so wird der, wegen nicht gehöriger Erfüllung des einen Kontrahenten von dem anderen erhobene An­ spruch auf Entschädigung durch die Vorschrift des §. 168 nicht ausgeschlossen." (6. A.) Auf bloß kulpose Nichterfüllung bezieht sich §. 168 nicht, Str. Arch. 83 S. 254 (III). 100) Der Grund ist der Mangel eines gültigen Vertrages, daher eben die entsprechende Klage aus dem Rechtsgeschäfte nicht gegeben ist. Nur wenn durch Leistung ein Realkontrakt daraus geworden ist, findet zwar auch nicht die actio praescriptis verbis (die Kontraktsklage) statt, worin eben eine wichtige Verschiedenheit des L.R. vom R.R. liegt; Wohl aber die condictio ob causam, bei welcher selbstver­ ständlich weder von Entschädigung, noch von Interesse die Rede sein kann. (Deshalb ist der Anspruch auf Vergütung oder Nachleistung wegen nicht gehöriger Erfüllung durch die Vorschrift des §. 168 nicht ausgeschlossen. Bergt. O.Tr. IV v. 16. Juni 1853, Str. Arch. 10 S. 75.) Das setzt natürlich einen solchen mündlichen Vertrag voraus, welcher schriftlich hätte abgefaßt werden müssen und deshalb un­ gültig ist; aus einem an sich gültigen mündlichen Vertrage finden diese Ansprüche allerdings statt. Anm. 98. Aber aus dem Grunde, aus welchem die Unzulässigkeit dieser Ansprüche ruhet, folgt, daß die Bestimmung des §. 168 auch auf solche schriftliche Verträge Anwendung findet, welche gericht­ lich oder notariell hätten abgeschlossen werden müssen. Pr. des O.Tr. v. 1. Okt. 1838, Entsch. 4 S. 126, und §. 174 d. T. Zu den Entschädigungen und dem Interesse, welche nach §.168 nicht gefordert werden können, gehören auch Verzögerungszinsen. O.Tr. I v. 6. Juni 1859, Entsch. 41 S. 25 u. Str. Arch. 34 S. 69; u. O.Tr. I v. 19. Febr. 1872, Str. Arch. 83 S. 308.

214

Erster Theil.

Fiinster Titel,

tztz. 170—175.

§. 170. Hat einer der Kontrahenten den Verlust oder die Vernichtung des In­ strumentes vorsätzlich veranlaßt, so wird die Angabe des Andern von dem Inhalte so lange für richtig angenommen, bis das Gegentheil klar erwiesen ist1). « V°n §. 171. Blinde und Taubstumme 2) müssen ihre schriftlichen Verträge gerichtIßerträgen. lief) aufnehmen lassen3). §. 172. Personen, die des Schreibens und Lesens ^) unkundig oder durch einen Zufall am Schreiben verhindert fuib5), müssen in Fällen, wo es eines schrift­ lichen Kontrakts bedarf, solchen gerichtlich oder vor einem 9totario6) errichten?). 1) Die Pr.-Ordnung Tit. 10 §. 120 läßt, wenn eine Partei die zur Aufklärung der Wahrheit erforderlichen Urkunden vorsätzlich wegschafst, den Gegner zur eidlichen Bestärkung des Inhalts. Man hat diesen Widerspruch auf verschiedene Weise zu heben und die Stellen zu vereinigen versucht, er ist aber nicht zu heben, da zwei geschichtlich vorhandene, sich widerstreitende Meinungen der Rechtsgelehrten angenommen worden sind. Man muß daher, wenn man nicht dem Prinzipe des L.R. als der jüngeren Vorschrift — denn das Prinzip der Pr.-O. steht schon im Corp. jur. Frid. und die Stelle ist bei der zweiten Ausgabe, nämlich bei der Redaktion der Pr.-O., unverändert übernommen — allgemein den Vorzug geben will, jeder Stelle ihren besonderen Wirkungskreis anweisen. Dann kommt die Bestimmung des §. 179, als die spezielle für Verträge, bei den über Verträge verfaßten Instrumenten zur Anwendung, und der §. 120 Tit. 10 der Pr.-O. gilt in Beziehung auf alle übri­ gen Urkunden. So scheint auch das Obertr. die Bestimmungen aufzusassen und angewendet zu haben. Die Voraussetzung der Anwendung des §. 170 bei Verträgen ist, daß das Rechtsgeschäft, welches die fragliche Urkunde zum Gegenstände gehabt haben soll, unstreitig oder erweislich überhaupt wirklich statt­ gefunden hat. O.Tr. IV v. 25. Hanuar 1859, Entsch. 40 S. 297. 2) Auch bloß Taube oder bloß Stumme, welche nicht schreiben und Geschriebenes lesen können. Vergl. A. G.O. III. 3 §§. 4, 5 u. Not.-Gesetz v. 11. Juli 1845 §. 11, wo die in den §§. 4 u. 5 vor­ geschriebene Prozedur, welche jene Kunde voraussetzt, den Notaren zur Pflicht gemacht ist. Ohne diese Kunde können also Notare mit Tauben oder Stummen nicht prozediren.

3) (7. A.) Dies gilt auch für die von Blinden ausgestellten Wechsel. 1875, Entsch. 17 S. 283.

R.O.H.G. v. 22. Mai

4) Wer zwar seinen Namen schreiben aber sonst Geschriebenes nicht lesen kann, ist einem Anal­ phabeten gleich. Anh. zur A. G.O. §. 72; O.Tr. IV v. 25. März 1858, Str. Arch. f. Rechtsf. 28 S. 210, u. O.Tr. III v. 17. Okt. 1855, Str. Arch. 17 S. 365. Dagegen ist „derjenige, welcher einen Vertrag unterschrieben hat, und Geschriebenes lesen kann, als schriftlich verpflichtet anzusehen, und es findet, wenn er auch ein Mehreres nicht, als seinen Namen, schreiben kann, die Einrede, daß die schriftliche Form nicht beobachtet sei, nicht statt." O.Tr. v. 24. Januar 1848, Entsch. 16 S. 108. Wieder angewendet in dem Erk. dess. (III) v. 21. Febr. 1868, Str. Arch. 71 S. 73. (6. A.) Desgl. Str. Arch.'71 S. 72 (III). Den Analphabeten gleich stehen in dieser Beziehung auch diejenigen Personen, welche die Schrift, in welcher das Instrument abgefaßt ist, weder lesen noch schreiben können, wenn sie anch andere Schrift lesen und schreiben. Denn der Kontrahent muß im Staude sein, sich von der Uebereinstim­ mung des Niedergeschriebenen-mit der Verabredung zu überzeugen (Pr. des O.Tr. v. 11. Febr. 1837, Entsch. 1 e>. 164), weil die «Dchrift nicht bloß wesentliche Form, sondern auch Beweismittel ist. Dies gilt namentlich von Juden, welche in jüdischen Schriftzügen zu schreiben und zu lesen verstehen, deutsch aber außer ihrem Namen nicht schreiben, noch Geschriebenes lesen können: solche sind in Beziehung auf einen in deutscher Sprache abgefaßten, von ihnen unterschriebenen Vertrag als Analphabeten zu erachten. Angenommen von dem Plenum des O.Tr. am 2. Juli 1855, Pr. 2635. (I.M.Bl. 302 und Entsch. 31S. i.) (6. A.) R.O.H.G. v. 3. Okt. 1871, Entsch. 3 S. 305. Vgl. Str. Arch. 86 S. 183 (III).

5) Ueber die Beweislast läßt sich nur in jedem einzelnen Falle nach Beschaffenheit der behaup­ teten Thatsache urtheilen. Muß z. B. Jemand seine Unterschrift unter einer Urkunde anerkennen, oder wird sonst bewiesen, daß er eigenhändig unterschrieben habe, und er behauptet, daß er Geschriebenes nicht lesen und mehr als seinen Namen nicht schreiben könne, so wird er dies zu beweisen haben; denn er hat geschrieben, und wenn Jemand schreibt, so hat er eine Anzeige gegen sich, daß er auch lesen kann. Gelingt der Beweis, so ist der mit der Unterschrift versehene Revers oder Vertrag für den Unterschreibenden unverbindlich. O.Tr. IV v. 10. Dez. 1850, Str. Arch. 12 S. 5. — Auf Per­ sonen, die zwar von fremder Hand Geschriebenes vorgeblich nicht lesen, jedoch Etwas mehr als ihren Namen schreiben können, findet die Vorschrift des §. 172 keine Anwendung. O.Tr. IV v. 14. Juni 1853, Str. Arch. 9 S. 261. 6) Die Protokolle der Verwaltungsbeamteu haben für Analphabete keine verbindende Kraft. Eine Ausnahme machen die LicitationSprotokolle, welche zufolge des §. 9 der V. v. 27. Juni 1811 (G.S. S. 208) über Veräußerungen von Domänen und deren Pertinenzien von den Regierungen aufgenom-

Von Verträgen.

215

§. 173. Bei gemeinen Landleuten dieser Art«) ist die Ausnehmung vor den Dorfgerichten o j mit Zuziehung eines vereideten Gerichtsschreibers hinreichend1()). §. 174. Außergerichtliche, auch schriftliche Verträge solcher Personen, bei wel­ chen die §§. 171, 172, 173 vorgeschriebene Form nicht beobachtet worden, werden den bloß mündlich geschlossenen gleich geachtet^). §. 175. Kann ein solcher Kontrahent dennlprotokoll oder Kontrakt auch seine Namensunterschrift nicht eigenhändig12) beifügen, so muß er das Instrument an der zur Unterschrift bestimmten Stelle mit Kreuzen oder einem andern gewöhnlichen Hand­ zeichen bemerken 13). §. 176. Unter diesen Zeichen muß der Richter oder Notarius gehörig attestiren, daß und warum sie von dem Kontrahenten statt der Unterschrift gebraucht worden. §. 177. Kann der Kontrahent auch keine solche Zeichen beifugen, so muß ein men sind, welchen ebendieselben rechtlichen Wirkungen, als dergleichen gerichtlichen Verhandlungen, auch rücksichtlich der meistbietend gebliebenen Analphabeten beigelegt werden. Pr. 3 von 1832. 7) Haben schreibensunkundige Personen einen Vertrag, der schriftlich zu errichten gewesen, von einem Anderen aufsetzen lassen, und genehmigen sie demnächst vor dem Richter nach vorheriger Vor­ lesung diesen Aufsatz seinem Inhalte nach, findet ihn auch der Richter deutlich und dem Willen der Parteien entsprechend abgefaßt, so bedarf es keiner nochmaligen vollständigen Niederschreibung des­ selben zum Protokolle; der Aufsatz kann vielmehr mit dem Protokolle über die erfolgte Vernehmung der Parteien ausgefertigt werden, um als ein gerichtlicher Vertrag zu gelten. Pr.-O. Tit. 10 §. 125. Pr. des O.Tr. 1558 v. 5. April 1845, Entsch. n S. 185. (7. A.) O.Tr. III v. 21. Juni 1875, Entsch. 75 S. 257. Gegen Wechselerklärungen ist der Einwand, daß der Aussteller zwar seinen Namen schreiben, sonst aber nicht schreiben und auch Geschriebenes nicht lesen könne, im Wechselprozesse überhaupt unzulässig. O.Tr. IV (Pr. 2269) v. 6. Februar 1851, Entsch. 20 S. 355 u. Str. Arch. 1 S. 217. 8) Gemeine Landleute dieser Art sind eben solche, welche nicht schreiben können (§. 172), sonst aber keinen bei Verhandlungen mit Anderen beschwerlich werdenden Mangel haben. In diesem Falle aber, namentlich also auch bei gemeinen Landleuten, die der Sprache, worin das Instrument abge­ faßt werden soll, unkundig sind, ist die Aufnahme desselben vor den Dorfgerichten mit Zuziehung eines vereideten Gerichtsschreibers nicht hinreichend. O.Tr. III v. 24. Mai 1854, Entsch. 28 S. 53. 9) II. 7 §.79. Zu einem gehörig besetzten Dorsgerichte sind außer dem Schulzen und Gerichts­ schreiber, nicht sämmtliche in einer Gemeine bestellte Schöppen erforderlich, sondern nur zwei. Pr. deS O.Tr. 1615 v. 27. Seprbr. 1845. 10) Die nachträgliche Wiederholung vor Gericht ist zur formellen Gültigkeit nicht erforderlich, wo es nicht besonders vorgeschrieben. 11) Wenn ein Vertrag, welcher zu seiner Rechtsgültigkeit der schriftlichen Abfassung bedarf, nur von dem einen Kontrahenten gehörig unterschrieben, von dem anderen des Schreibens und Lesens un­ kundigen Kontrahenten dagegen bloß mit Kreuzen unterzeichnet ist, und deshalb für den Letzteren keine verbindliche Kraft hat, so kann der Erstere sich auf diese mangelhafte Vollziehung des Vertrages nicht berufen, und von demselben ohne weiteres nicht zurücktreten. Er hat nur das Recht, von dem ande­ ren Kontrahenten zu verlangen, daß dieser entweder ebenfalls den Vertrag in rechtgültiger Form voll­ ziehe, oder sich die gänzliche Aufhebung gefallen lasse. Pr. des O.Tr. 495 v. 29. Juni 1838, Entsch. 4 S. 214. — Dazu kann er ihm aber eine Frist bestimmen, mit deren Ablauf er auch seinerseits von selbst entbunden ist, wenn vor Ablauf derselben keine verbindliche Vollziehung erfolgt. Anm. 20 Nr. 4 a. E. zu §. 116 d. T. — Hat der Analphabet die Erfüllung angenommen und will nicht zu­ rücktreten, so kann er nicht einwenden, daß mündlich andere Bedingungen, als die niedergeschriebenen, verabredet worden. Pr. v. 11. Februar 1837, Entsch. 2 S. 162. So lange der Analphabet die privatschriftliche Punktation über ein Grundstück oder über einen anderen Gegenstand, worüber schriftlich kontrahirt werden muß, noch nicht in rechtsgültiger Form als verbindlich anerkannt hat, kann er auch in jeder Form, wofern es nur ausdrücklich geschieht, von dem Geschäfte wieder zurücktreten. Ist dies aber geschehen, so ist auch der andere Kontrahent nicht weiter gebunden. Pr. des O.Tr. 1636 v. 1. Novbr. 1845, Entsch. 12 S. 163. 12) 'Anm. 20 zu §. 116 d. T. 13) Vergl. Not.-Ordn. v. 11. Juli 1845, §. 13. Die Handzeichen sollten eigenhändig gezeichnet werden. ES ist aber sehr üblich, daß der Schreiber der Urkunde die Zeichen macht und daß der Be­ theiligte dabei nur die Feder oben am Ende anfaßt, woraus bisweilen ein Anfechtungsgrund gemacht wird. Das O.Tr. hat in einem solchen Falle den Satz angenommen: „Einer notariellen Verhand­ lung kann deshalb, weil der Betheiligte das die Unterschrift vertretende Handzeichen nicht selbstständig, sondern mit Hülfe eines Anderen gefertigt hat, die beweisende Kraft nicht versagt werden. Es genügt vielmehr, wenn der Betheiligte bei Fertigung des Handzeichens in. einer Weise mitgewirkt hat, daß daraus sein Wille erkennbar ist, das Handzeichen als Zeichen seiner Genehmigung der aufgenommenen Verhandlung belustigen." O.Tr. Hl v. 22. Nov. 1854, Entsch. 29 S. 245; Str. Arch. 14 S. 333.

Erster Theil.

216

Fünfter Titel.

§§. 177—184.

von ihm gewählter") Beistand die Unterschristin seinem Namen leisten; und daß die­ ses geschehen sei, von dem Richter oder Notario attestirt werden. '§. 178. Die unterlassene Beobachtung dieser Vorschriften (§§. 175, 176, 177) benimmt zwar sür sich allein dem Vertrage "noch nichts an seiner verbindlichen Kraft; der Richter oder Notarius aber wird wegen der daraus entstehenden Weitläufigkei­ ten und Kosten verantwortlich. Anh. §. 5.

Personen, die nicht schreiben und Geschriebenes lesen können, müssen Jemand mit

zur Stelle bringen * 8), der, es sei ein Rechts an walt oder sonst ein glaubhafter Mann, in ihrem

Namen die Unterschrift verrichtet'8). Diese Vorschrift muß der Richter solchen Kontrahenten, deren Stand oder Ansehen es zweifelhaft machen, ob sie lesen oder schreiben können, gleich vor dem Anfang der Verhandlung bekannt machen,

und auf deren Befolgung dringen.

Ist diese Vorschrift nicht befolgt, so ist die Verhandlung für die

Partei, welche nicht schreiben und Geschriebenes lesen kann, unverbindlich").

2.

K.O. v. 2 0. Juni 1816.

(G.S. S. 203.)

Der Zuziehung eines glaubhaften Mannes zu gerichtlichen Verhandlungen mit solchen Personen, welche deö Schreibens und Lesens unerfahren sind, bedarf es nicht, sobald die Verhandlung von dem Richter unter Zuziehung1 14 8)15eines * 17 Aktuars, vereideten Protokollführers oder zweier Gerichtsschöppen ausgenommen wird. 3. K.O. v. 8. Oktober 183 7.

(G.S. S. 154.)

Ein zugezogener, gehörig vereideter Dolmetscher gehört zu den vereideten Protokollführern und

ist deshalb zugleich die zweite Gerichtsperson. 14) Oder von dem Richter zugeordneter, wenn die Partei keinen mitbringt oder wählt. Anh. z. A. G.O. §. 70. — Nicht bloß bei prozessualischen, sondern auch bei Handlungen der freiwilligen Ge­ richtsbank muß der Richter, wenn die schreibensunkundige Partei unterläßt, zum Zwecke der zu ver­ richtenden Unterschrift einen glaubhaften Mann mitzubringen, derselben den Schreibzeugen vom Amts­ wegen zuordnen. Pr. des O.Tr. 1822 (Pl.-Beschl.) v. 15. Januar 1847, Entsch. 14 S. 3. 15) S. d. vor. Anm. — 1. Wenn ein Protokollführer zugezogen, ist der Beistand nicht erforder­ lich. (Zus. 2 zu Anh. §. 5 u. Entsch. des O.Tr. 17 S. 460.) Allein der Umstand, daß der zuge­ zogene Unterschriftszeuge eine Gerichtsperson ist, reicht nicht auS, um eine, mit Analphabeten abge­ haltene Verhandlung älS eine von zwei Gerichtspersonen aufgenommene zu erachten. Pr. I vöm 8. Januar 1848, Entsch. 16 S. 101. 2. Wenn bei zweiseitigen Verträgen beide Kontrahenten des Schreibens unkundig sind, so ist der Umstand für sich allein, daß der instrumentirende Richter Beiden ein und denselben Unterschriftszeugen zugeordnet hat, noch nicht ausreichend, um den Vertrag auf einseitiges Anrufen des einen Theils für nichtig zu erklären. Dass. Pr. Nr. II. iß) Der bei einer gerichtlichen, ohne Protokollführer aufgenommenen Verhandlung zugezogene Un­ terschriftsbeistand muß den Namen der schreibensunfähigen Partei selbst schreiben (efr. §.46 Tit. 2 Th. II A. G.O.), und eS genügt nicht, wenn der Richter neben den von der Partei gemachten Kreuzen die Namen geschrieben, und der Beistand bemerkt hat, daß die Kreuze in seiner Gegenwart gemacht worden. Pr. 749 v. 31. Okt. 1839. Von dieser Meinung ist daS O.Tr. durch Pl.-Beschl. v. 7. Mai 1855, J.M.Bl. S. 176 u. Entsch. 30 S. 393; Str. Arch. 17 S. 168, wieder abgegangen, welcher lautet: „Bei einer von einem Richter ohne Zuziehung eines Protokollführers mit einem Schreibens­ unerfahrenen aufgenommenen Verhandlung ist es nicht erforderlich, daß der zugezogene Unterschrifts­ beistand den Namen des Schreibensunerfahrenen oder irgend einen Theil desjenigen Vermerks selbst schreibt, der die Handzeichen deö Schreibensunerfahrenen betrifft. Es genügt vielmehr die bloße Na­ mensunterschrift des Beistandes." Beides ist juristisch betrachtet, gleichgültig, Jedes hat gleich gute Gründe für sich, wie denn auch die Gründe dieses Plenarbeschl. nicht gewichtiger sind als die deö Pr. 749; aber EinS ist von Nöthen: wir müssen Rechtsgewißheit haben und uns darauf verlassen können, daß die Meinungen in solchen Din­ gen nicht gewechselt werden. Der vorliegende Wechsel hat keinen zwingenden Grund und fördert nichts. Desgleichen bleibt eine ohne Protokollführer aufgenommene Verhandlung für den Analphabeten unverbindlich, wenn die Kreuze nur von dem Richter attestirt sind, wenngleich ein mit dem Analpha­ beten erschienener Assistent für sich selbst, ohne als Schreibzeuge adhibirt worden zu sein, die Verhand­ lung unterschrieben hat. Pr. 246 v. 5. Mai 1837. ' Die von einer einzelnen Gerichtsperson mit einer schreibensunkundigen Partei aufgenommene Ver­ handlung ist aus dem Gruude, weil das Protokoll keine Angabe darüber enthält: „daß und wie der zugezogene Unterschriftsbeistand der Unterkreuzung und Genehmigung desselben beigewohnt hat", für die schreibensunkundige Partei nicht unverbindlich. Pr. 2065 (Pl.-Beschl.) v. 6. Nov. 1848, Entsch. 17 S. 66. 17) S. o. die Anm. 11 zu §. 174. 18) S. Pr. I v. 8. Januar 1848 o. in der Anm. 15 Nr. 1 zu Anh. §. 5.

Bon Verträgen.

217

§. 179. Wer der Sprache, worin das Instrument abgefaßt werden soll, unkun­ dig ist19), wird Einem, der nicht schreiben kann, gleich geachtet. (§. 172)20). §§. 180—183. Sind aufgehoben. §. 10, Nr. 5, Äbs. 2 des Gesetzes, be­ treffend die Geschäftssprache der Behörden, Beamten und politischen Körperschaften des Staates, v. 28. August 1876. (Ges.S. S. 389.)2‘-«s) §. 184. Die Unterlassung dieser Vorschriften (§§. 180, 181, 182) macht zwar 19) Gänzlich unkundig. Auf den Fall einer unvollständigen Kenntniß der fremden Sprache findet die Bestimmung keine Anwendung. O.Tr. IV v. 4. Febr. 1858, Str. Arch. 27 S. 266. (6. A.) Str. Arch. 80 S. 343 (III).

20) Deshalb ist es unerheblich, wenn ein Solcher seine Unterschrift rekognoszirt, oder den Diffessionseid (Pr.-O. 10 §. 134) nicht leistet. Dem Leugnenden muß der Beweis seiner Sprachkunde ge­ führt werden. — Schriftliche Verträge eines der Sprache, worin die Schrift abgefaßt worden, Un­ kundigen können auch nicht als mündliche bestehen bleiben, es sei denn, daß daS Zustandekommen eines dem Schriftstücke entsprechenden mündlichen Vertrages bewiesen wird. O.Tr. III v. 2. März 1868, Str. Arch. 69 S. 354. 21—23) An die Stelle der aufgehobenen §§. 180—183 treten folgende Vorschriften des Gesetzes vom 28. August 1876: §. 4. Ist vor Gericht unter Betheiligung von Personen zu verhandeln, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so muß ein beeidigter Dolmetscher zugezogen werden. Personen, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, leisten Eide in der ihnen geläufigen Sprache. Das Protokoll ist in diesen Fällen in deutscher Sprache aufzunehmen und falls es einer Genehmigung Seitens einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Person bedarf, derselben durch den Dolmetscher in der fremden Sprache vorzutragen. Die Führung eines Nebenprotokolls in der fremden Sprache findet nicht statt, jedoch können Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, wenn und soweit der Richter dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache für erforderlich erachtet, auch in der fremden Sprache in das Proto­ koll oder eine Anlage niedergeschrieben werden. In dazu geeigneten Fällen kann dem Protokolle eine durch den Dolmetscher zu beglaubigende Uebersetzung beigefügt werden. §. 5. Die Beeidigung des Dolmetschers erfolgt ein für allemal oder vor Ausübung seiner Ver­ richtung im einzelnen Falle dahin: daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Wird ein Be­ amter als Dolmetscher angestellt, so ersetzt der Diensteid den Dolmetschereid. §. 6. Bei Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit können die Betheiligten dem Dolmetscher die Ableistung deö Eides erlassen. Dieser Verzicht muß in der Sprache der Betheiligten im Protokolle vermerkt werden. Bei denjenigen Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei denen die Zuziehung eines Pro­ tokollführers gesetzlich nicht erfordert wird, bedarf es auch der Zuziehung eines Dolmetschers nicht, wenn der Richter der fremden Sprache mächtig ist. §. 7. Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unterbleiben, wenn die betheiligten Personen sämmtlich der fremden Sprache mächtig sind. In diesem Falle kann das Protokoll, sofern eS Hand­ lungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrifft, in der fremden Sprache ausgenommen, es muß je­ doch die Uebersetzung in das Deutsche alsbald bewirkt werden. Falls^das in deutscher Sprache aufgenommene Protokoll der Genehmigung Seitens einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Person bedarf, ist es derselben durch eine der amtlich mitwirken­ den Personen in der fremden Sprache vorzutragen. §. 8. Der Dienst des Dolmetschers kann von dem Gerichtsschreiber oder Protokollführer wahr­ genommen werden, sofern der Gerichtsschreiber oder Protokollführer gleichzeitig als Dolmetscher an­ gestellt ist. §♦ 9. Die in den §§. 4 bis 8 für die Verhandlungen vor den Gerichten gegebenen Vorschrif­ ten finden auf die Verhandlungen vor den Verwaltungsbehörden in denjenigen Angelegenheiten, für welche ein kontradiktorisches Verfahren vorgeschrieben ist, sowie auf die Verhandlungen vor den Aus­ einandersetzungsbehörden und den Kommissionen derselben und auf die mündlichen Verhandlungen vor den Standesbeamten entsprechende Anwendung. Der Vorbehalt, den §. 3 dieses Gesetzes dahin macht, daß durch Königliche Verordnung für die Dauer von höchstens 20 Jahren für einzelne Kreise oder Kreistheile der Gebrauch einer fremden Sprache neben der deutschen für die mündlichen Verhandlungen und die protokollarischen Aufzeich­ nungen der Schulvorstände, sowie der Gemeinde- und Kreisvertretungen, der Gemeindeversamm­ lungen und Vertretungen der sonstigen Kommunalverbände gestattet werden kann, ist durch die kgl. Verordnung v. 28. August 1876 (G.S. S. 393) zunächst auf die Dauer von fünf Jahren zur Aus­ führung gekommen. Dieselbe bezeichnet die einzelnen Ortschaften und Kreise der Provinzen Posen und Preußen, in denen die polnische Sprache, der Provinz Preußen, in denen die lithauische Sprache, der Provinz Schleswig-Holstein, in denen die dänische Sprache, der Rheinprovinz, in de­ nen die französische Sprache als Geschäftssprache gebraucht werden darf.

218

V. Bon Berstärkung der Verträge 1. durch An­ erkennt-

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 184—186.

den Vertrag, wenn dessen Richtigkeit sonst nachgewiesen werden sann24), nicht ungül­ tig, wohl aber den Richter wegen Weitläufigkeiten und Kosten verantwortlich. §. 185. Derjenige, welcher sich schriftlich oder zum Protokoll zu einem mündlich geschloffenen2Vertrage bekannt t)at27), kann, so weit22) als die Verabredungen22) 24) Hier hat man wieder nur das Zeichen der Perfektion eines Vertrages als Zweck der Form im Sinne gehabt, nicht den des Beweises, welcher aliunde geführt werden kann. 25) Das Anerkenntniß ist, nach dem A. L.R., nur Bestärkungsmittel für Verträge, keinesweges, wie behauptet worden, ein selbstständiger Verpflichtungsgrund, da es vielmehr seine Verbindlichkeit auS der ursprünglichen causa debendi herleitet und diese m sich aufnehmen muß. O.Tr. v. 4. Juni 1866, Entsch. 57 S. 316. Als ein neues Erzeugniß der Rechtsbildung durch Theorie und Praxis ist der s. g. „Anerken­ nungsvertrag" aufzufassen, welcher in der bloßen Anerkennung, kraft des geeinigten und gethätigten Willens, ohne Angabe einer anderen causa, gleich den kaufmännischen Verpflichtungsscheinen nach Art. 301 des H.G.B., einen selbstständigen klagbaren Verpflichtuugsgrund 'darstellen soll und bereits in dem sächsischen Gesetzbuch §§. 1397 ff. seine Vertreter gefunden hat. Die Theorie dieses Vertrages ist gemeinrechtlich entwickelt von dem Ober-Appellationsgerichtsrathe Dr. Bähr in dem Werke ,',Dic Anerkennung als Verpflichtungsgrund (2. Auflage 1867)". Die Lehre hat auch auf Grund des Allgemeinen Landrechts ihren Anhänger gefunden in dem Obertribunalsrath Meyer, welcher in der Abhandlung „zur Lehre vom Anerkennungsvertrag und der cautio indiscreta nach Preußischem Rechte" (in Hinschius, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 2 sBerlin 1868], S. 754 ff.) ausführt, daß sich aus der Behandlung, welche das Anerkenntniß in den §§. 185 ff. d. T. erfahre, nicht herleiten lasse, daß das Allgemeine Landrecht, wenn es auch das We­ sen deS Anerkennungsvertrages, so wenig wie andere frühere Gesetzgebungen erkannt hat und desselben nicht ausdrücklich erwähnt, denselben nicht zulasse. Er kommt zu dem Resultat: daß der Anerkenntnißvertrag durch die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts nicht ausgeschlos­ sen wird, daß also nichts im Wege steht, ihm in dem Bereiche derselben Anerkennung zu verschaf­ fen, daß sonach eine Klage auf Grund eines Anerkenntnisses in gesetzlicher Form, wo diese ge­ boten ist, an sich einen gültigen Klagegrund erhält und daß es dem Verpflichteten obliegt, im Wege des Einwandes denselben, fei es wegen der dem Vertrage entgegenstehenden Mängel, sei es unter den Bedingungen der condictio indebiti wegen Ungültigkeit der Voraussetzung, der causa, anzmechten. Wichtiger und einschneidender als dieser allgemeine Grundsatz erscheint ihm für die Praxis die Frage, ob eine cautio indiscreta ungültig und nicht geeignet sei, eine rechtliche Verpflichtung herbeizuführen. Indeß widerlegt er, mit guten Gründen, auch dieses Bedenken und resumirt schließlich: es werde anzuerkennen sein, daß das Allgemeine Landrecht der Entwickelung und Durchführung der Lehre vom Anerkenntnißvertrage nicht entgegensteht, daß ein Verpflichtungsschein, eine cautio, nicht bloß ein Beweismittel ist, sondern als formaler, von der causa abgelöseter selbstständiger Rechtsakt auf­ zufassen ist, auch wenn die causa debendi nicht angegeben worden, daß der Satz cautio indiscreta non valet zu verwerfen ist. — Durch das besprochene Institut würden wir einen neuen allgemeinen Formal-Vertrag, einen neuen Literal-Vertrag, oder — wenn mündliche Form beliebt würde — eine neue Stipulation haben, und die übrigen genannten Verträge würden wieder Ausnahmen sein. In der That ist nicht findbar, warum das nicht gehen sollte. Allein die Schwierigkeit bei einer geschlos­ senen Gesetzgebung, wie wir sie haben, liegt darin, daß es nicht genügt, daß die Gesetzgebung nicht ausdrücklich entgegen ist, sondern daß eine so wichtige Institution ausdrücklich anerkannt sein muß, um vor Gericht Geltung zu finden. 26) Dies ist so aufgefaßt worden, daß einer schriftlichen Vertragsurkunde, wenn sie rechtlich wirksam sein soll, immer eine mündliche Stipulation (Promission)' des Ausstellers vorausgehen müßte. So ist es nicht. Auch solche Urkunden, welchen eine ausdrückliche mündliche Willenserklä­ rung des Ausstellers nicht voraugegangen ist, deren Inhalt aber dem vorher kundgegebenen Witten des anderen Kontrahenten entspricht, wie das bei Verträgen, die unter Abwesenden brief­ lich geschlossen werden, der gewöhnliche Fall ist (§. 142), wie auch bei Verträgen stummer Personen (§. 24), sind von verbindlicher Kraft. O.Tr. IV v. 22. Mai 1860, Entsch. 43 S. 40. 27) Das schriftliche Anerkenntniß eines mündlich geschlossenen Vertrages kann auch in dem mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrage abgegeben sein, dem der andere Kontrahent des ersteren nicht förmlich beigetreten ist, wenn jenes Anerkenntniß nur in der nicht zu verkennenden Absicht abgege­ ben worden, die durch den mündlichen Vertrag begründete Verbindlichkeit auch zum Besten des an­ deren mündlichen Kontrahenten auszusprechen. Pr. 269 v. 12. Mai 1837. Damit derjenige, welcher sich schriftlich oder zum Protokolle zu einem mündlich geschlossenen Vertrage bekennt, des Einwandes der mangelnden schriftlichen Abfassung verlustig erachtet werden könne, genügt es nicht, daß er den mündlichen Abschluß des Vertrages als bloße Thatsache einräume. Das Anerkenntniß muß auch in der Absicht erfolgen, die verbindende Kraft des Vertrages einzu­ räumen. O.Tr. Hl (Pr. 1510) v. 22. November 1844, Entsch. 10 S. 361. — Das Anerkenntniß eines mündlichen Vertrages setzt denWillensauSdruckderVerpflichtuna voraus. O.Tr. III v. 20. Febr. 1849, Entsch. 18 S. 242. — Es setzt voraus, erstlich: auf Seiten des Erklärenden den animum sese obiigandi als noch gegenwärtig vorhanden, und gerade jetzt zu beurkunden, —

Bon Verträgen.

219

aus diesem Anerkenntnisse erhellen, den Mangel der schriftlichen Abfassung nicht vorschützen"). 8- 186. Durch das Anerkenntniß eines seiner Form nach rechtsbeständigen Derund zweitens: daß ein mündlicher Vertrag über einen bloß der schriftlichen Abfassung bedürfen­ den Gegenstand vorliege. Entsch. 13 S. 188. — Daher bezieht sich der §. 185 nicht auf Zugeständ­ nisse im Prozesse, für welche der §. 82 Tit. 10 Proz.-Ordn. maßgebend ist. O Tr II v. 13. Juni 1854, Str. Arch. 12 172. Ein von dem hier vorausgesetzten Falle ganz verschiedener ist der, wenn der eine Kontrahent seinen Antrag vollständig in Schriften gemacht und der andere seinerseits nur mündlich angenom­ men hat. Dies ist der oben in der Anm. 11 erwähnte Fall. 28) Nämlich außer den wesentlichen Bestandtheilen in Nebenbestimmungen. Denn erhellen nicht alle Essentialien, so hat das Schriftstück keinen rechtlichen Werth. — In Uebereinstimmung hiermit sagt daS O.Tr., daß die in dem Schriftstücke gänzlich mangelnde causa debendi nicht durch den Be­ weis der mündlichen Vereinbarung einer solchen ersetzt werden kann; ein derartiger Beweis ergebe eben nur eine mündliche Vereinbarung, der an und für sich schriftlich aufzunehmende Vertrag sei somit in einem wesentlichen Punkte nicht schriftlich und daher nicht klagbar. O.Tr. IV v. 27. Oktbr. 1857, Str. Arch. 26 S. 317. Vergl. auch das Erk. v. 13. Januar 1853, Str. Arch. 8 S. 196. — In dem Erk. v. 25. September 1862, Str. Arch. 47 S. 193, sagt das O.Tr. IV bestätigend: Die Worte des § 185 besagen nur, daß ein allgemein gehaltenes schriftliches Anerkenntniß — ohne Aufnahme der wesentlichen Bestimmungen des mündlichen Vertrages — ungenügend ist, um den Einwand des mangelnden schriftlichen Vertrages zu beseitigen; sie besagen aber nicht, daß ein solches Anerkenntniß präziser und spezieller gefaßt sein müsse, als ein von vornherein schriftlich er­ richteter Kontrakt; sie schließen mithin die Anwendbarkeit deS §. 130 (auf ein solches Anerkenntniß) uicht aus. Diese Ausschließung hatte der Appellationsrichter angenommen.

29) Also Verabredungen, Verträge, müssen der Gegenstand des Anerkenntnisses, von welchem hier im §. 185 die Rede ist, sein. Daher erlange eine bloß mündliche Erbschaftsentsagung durch nachheriges schriftliches Anerkenntniß keine Gültigkeit. O.Tr. I v. 31. Januar 1853, Str. Arch. 8 S. 274. 30) Die Wirkung des einseitigen förmlichen Anerkenntnisses eines formlosen Vertrages ist nicht völlige Gleichstellung desselben mit dem Vertrage selbst, sondern nur die Ausschließung des Einwan­ des der mangelnden Form. Man hat gewollt, „daß ein solches Anerkenntniß nicht eigentlich defectum scripturae hebe, sondern daß es nur dem agnoscenti odstire, wenn dieser sich auf den Man­ gel der Schriftlichkeit berufen wollte". Deshalb bedarf es z. B. nicht noch der Kassation des Aner­ kenntnisses nach I. 5 §. 387, zur Aufhebung des Vertrages außer der wechselseitigen Einwilligung. O.Tr. IV v. 24. Juni 1850, Entsch. 30 S. 93, 95. — Hieraus erhellet zugleich, daß die Vor­ schrift auf den Fall, wenn die Kontrahenten ausgemacht haben, daß ihre Vereinbarung — die sonst die schriftliche Form entbehren könnte — schriftlich ab gefaßt werden soll (§. 117), unanwendbar ist. — Ferner ergiebt sich, daß das Anerkenntniß auf die Zeit der mündlichen Vereinbarung zurückwirkt, da aus derselben geklagt werden kann und der Einwand der mangelnden Form ausgeschlossen ist. Vergl. O.Tr. v. 3. April 1840 (Schles. Arch. 4 S. 524), und §. 188 d. T. Eine Ausnahme ma­ chen die wegen Unfähigkeit der Kontrahenten ungültigen Verträge. §§. 37 u. 38 und 192 d. T. — In dem Ganzen ist zwar keine Logik, denn der Mangel der Schrift verhält sich zum mündlichen Vertrage ja gar nicht wie die exceptio zur actio, da der mündliche Vertrag keine Klage begründet; aber man verbraucht daS Material so gut es geht, man strebt doch nach der Jurisprudenz. Dem durch sein Anerkenntniß einseitig Gebundenen giebt man nach Analogie der §§. 11 — 13 d. T. das Recht, dem Anderen eine Frist zur Abhülfe des Formmangels zu setzen und wenn dieselbe fruchtlos verlaufen ist, auch seinerseits zurückzutreten. — Auch derjenige, welcher die über einen mündlich ab­ geschlossenen, schriftlich zu errichtenden Vertrag abgefaßte schriftliche Urkunde durch seine Unterschrift vollzogen und dem anderen Kontrahenten übergeben hat, kann den Mangel der Unterschrift des Letz­ teren nicht vorschützen. O.Tr. IV v. 6. April 1854, Str. Arch. 14 S. 6. DaS gilt auch von Schlußscheinen über Handelsgeschäfte. O.Tr. IV v. 18. November 1856 , Str. Arch. 23 S. 63. Welche Wirkung ein Anerkenntniß gegen einen Dritten habe, ist in Frage gekommen. In einem Erk. des O.Tr. Hl v. 8. Oktbr. 1852, Str. Arch. 7 S. 268 wird der Satz hingestellt: Der Successor muß das gegen sich gelten lassen, was der Autor in Betreff der veräußerten Sache nach geschehener Veräußerung anerkannt hat. Dem ist nicht beizutreten. Weiter wird gefolgert: Daher ist die Erklärung des Autors, der die nämliche Sache an verschiedene Personen veräußert hat, und demnächst den dem Datum nach älteren, in gültiger Form abgeschlossenen Kaufvertrag eines dieser Käufer rekognoszirt, auch anerkennt, diesem das Eigenthum der Sache vor jenem ande­ ren Verkaufe übertragen zu haben, nicht ohne rechtliche Wirkung für den zweiten Käufer. — Dies ist keine Folge aus jenem falschen Folgesätze; der zweite Käufer wird durch das Anerkenntniß des Verkäufers als eines Dritten gar nicht verbindlich; die Frage gehört vielmehr der Lehre vom Be­ weise an.

220

Erster Theil. Fünfter Titel.

§§. 186—204.

träges werden diejenigen Einwendungen gehoben, welche sich auf den Mangel einer freien oder ernstlichen Einwilligung3 x) beziehen. §. 187. Doch muß das Anerkenntniß zu einer Zeit erfolgt sein, wo das bei der ersten Schließung des Vertrages entgegengestandene Hinderniß gehoben tont32 * *).* * * 31 §. 188. Alsdann erstreckt sich aber auch die Wirkung eines ohne Einschränkung erfolgten Anerkenntnisses bis auf die Zeit des geschlossenen Vertrages zurück. §. 189. Solche Handlungen, woraus eine vollständige Kenntniß des Vertra­ ges 3 3) und zugleich die wiederholte Genehmigung des ganzen Inhaltes deutlich erhel­ let, begründen ein stillschweigendes Anerkenntniß. §. 190. Fehlt es an einer hinreichenden Kenntniß des Vertrages, so ist gar kein verbindliches Anerkenntniß vorhanden. §. 191. Liegt in der Handlung nicht die Genehmigung des Vertrages nach sei­ nem ganzen") Inhalte, sondern nur eines Theils desselben, so kann die Wirkung des Anerkenntniffes aus die dadurch nicht genehmigten Theile keineswegs ausgedehnt werden. §. 192. In wiefern ein wegen persönlicher Unfähigkeit eines Kontrahenten un­ gültiger Vertrag durch desselben nachheriges Anerkenntniß zur Gültigkeit gelange, ist §§. 37, 38 festgesetzt33).34 35 Der §. 185 verlangt nicht, daß der Vertrag ein von beiden Seiten unbedingter sein müsse. ES wird nur vorausgesetzt, daß die schriftliche Erklärung mit dem Willen gegeben sei, stch dadurch nach der mündlichen Verabredung dem anderen Theile, mag auch dieser sich noch eine Bedenkzeit Vorbe­ halten haben, wenn er nur innerhalb derselben acceptirt, zu verpflichten. O.Tr. I v. 17. Juni 1863, Str. Arch. 50 S. 114. 31) Also z. B. auf den Einwand deS Zwanges, oder Betruges und Irrthums. Solche der Form nach gültige aber wegen mangelhafter Willensbestimmung anfechtbare Verträge konvalesziren durch bloße spätere Handlungen des zur Anfechtung Berechtigren. §. 189. Diesen Grundsatz wen­ det die Praxis auch auf den Fall an, wenn ein nur mündlich Bevollmächtigter in Fällen, wo eS einer schriftlichen Vollmacht bedurfte, in der gesetzlichen Form gehandelt hat. Dieser Vertrag soll auch durch eine mündliche, selbst stillschweigende Genehmhaltung des Machtgebers, dem Dritten gegenüber, rechtsverbindlich werden. Pl.-Beschl. (Pr. 2196) v. 22. April 1850, Entsch. 19 S. 29. — (6. A.) Bezieht sich auch auf die Einrede der Simulation, Str. Arch. 81 S. 338 (III). 32) Diese Bedingung der Nechtsgültigkeit des Anerkenntnisses muß von der Partei, welche sich aus das Anerkenntniß beruft, bewiesen werden, wenn der Anerkennende daS Vorhandensein zur Zeit deS Anerkenntnisses leugnet. Vergl. O.Tr. II v. 29. Mai 1856, Entsch. 33 S. 21.

33) Diese Bestimmungen beziehen sich immer nur auf Anerkennung eines Vertrages. Was von Anerkenntnissen über eine Schuld oder über ein sonstiges Rechtsverhältniß gilt, ist im Allgemeinen nicht zu sagen; es kommt auf den einzelnen Fall an. Das Anerkenntniß einer Schuld z. B. ist ein constitutum debiti proprii, welches nothwendig den Entstehungsgrund der Schuld (causa debendi) angeben und anerkennen muß; denn von diesem gilt der Grundsatz: daß das Anerkenntniß als sol­ ches kein Entstehungsgrund eines Rechtes oder einer Verpflichtung (Rechtsverhältnisses) ist. Vergl. Entsch. US. 352, wo aber ganz allgemein dies behauptet wird. Dagegen enthält das Anerkennt­ niß im Personenrechte bisweilen in sich selbst seinen Rechtsgrund, z. B. das Anerkenntniß der Va­ terschaft. In Prozessen ist auch nicht der Ausdruck der causa debendi nothwendig. Das O.Tr. hat folgende Sätze ausgesprochen: 1. Das Anerkenntniß einer Verpflichtung, ohne Angabe deS Entste­ hungsgrundes der Verpflichtung, begründet diese selbst noch nicht. Dies gilt insbesondere: 2. von Anerkenntnissen in vorbereitenden Urbarialverhandlungen, welche die Errichtung eines förmlichen Ur­ barium nicht zur Folge gehabt haben. Dagegen ist: 3. die Gültigkeit eines Zugeständnisses im Pro­ zesse, wodurch der Beklagte die Forderung'des Klägers einräumt, nicht davon abhängig, daß aus der Erklärung deS Zugestehenden der Entstehungsgründ der Forderung hervorgeht. Pr. v. 3. März 1845, Entsch. 11 S. 345. Der zweite Satz ist * bestritten und die Gesetzgebung hat (bezüglich auf Laudemialqualität) das Gegentheil vorgeschrieben, im Ges. v. 2. März 1850 §. 40: „Es genügt, wenn ein Besitzer des Grundstücks die Verpflichtung, auch ohne Angabe des Rechtsgrundes derselben, in einer öffentlichen Urkunde anerkannt hat." (G.S. S. 90.) 34) Eine Theilzahlung z. B. ist eine das Ganze genehmigende Handlung nicht, wohl aber eine Klage gegen den Anderen auf Erfüllung.

35) S. o. Anm. 43 zu §. 37 d. T.

Von Verträgen.

221

§ 193. Eine im Kontrakte nur in allgemeinen Ausdrücken geschehene EntsaE»tgung der Einwendungen hat keine rechtliche Wirkung. Änwen194. Auch solchen Einwendungen, welche den Bertrag von Anfang an un- bun9Cn? gültig machen 3 9), kann darin nicht entsagt werden. §. 195. Ein Gleiches findet von Einwendungen statt, die sich aus ein Verbots­ gesetz gründen. §. 196. Solchen Einwendungen, die einem Dritten zu Statten kommen, kann ein Kontrahent zu dessen Nachtheil nicht entsagen. §. 197. Andere Einwendungen, welchen im Kontrakte ausdrücklich 36 37)38entsagt 39 40 worden, können in der Folge nicht mehr vorgeschützt werden. §. 198. Doch muß der Sinn und Inhalt der Einwendungen in dem Vertrage dergestalt ausgedrückt sein, daß der Entsagende deutlich hat einsehen können, worauf er eigentlich Verzicht leiste. §. 199. Durch eidliche Bestärkung enthält kein Vertrag mehrere Kraft, als ihm die Gesetze schon an sich beilegen33). §. 200. Gerichtliche Bestätigung ist bei Verträgen nach gemeinen Rechten nicht ^urch nothwendig 3 9 ). ftütigung;C §. 201. Wo sie hinzukömmt, begründet sie die Vermuthung, daß der Vertrag gesetzmäßig abgeschlossen worden. §. 202. Gerichtliche Bestätigung setzt allemal ein gerichtliches Anerkenntniß der Kontrahenten voraus. §. 203. Die Erfüllung eines gerichtlich bestätigten Vertrages kann durch Ein­ wendungen gegen die Gültigkeit und den Inhalt desselben, welche nicht sogleich klar gemacht worden, nicht aufgehalten werden^9). §. 204. Die gerichtliche Bestätigung versteht sich jederzeit ohne Nachtheil der Rechte eines Dritten.

36) Dabei ist an den Mangel in den zur Eingehung eine- Rechtsgeschäfts nothwendigen Erfor­ dernissen gedacht. Unten Tit. 16 §.401.

37) Der Ausdruck ist nach seinem gewöhnlichen Wortsinne zu nehmen, nach welchem der Gegen­ satz das Stillschweigende ist. Keinesweges können, diesem Wortlaute des Gesetzes zuwider, Einwen­ dungen, welchen vermeintlich stillschweigend im Vertrage entsagt worden, zurückgewiesen wer­ den, wie von Einigen behauptet worden ist. Der §. 382 Tlt. 16 bezieht sich gar nicht auf die Ab­ schließung eines Vertrages. Die Entsagung aller ordentlichen und außerordentlichen Rechtsmittel mit der Wirkung, daß die Entscheidung des kompetenten Gerichts erster Instanz zu Gunsten des anderen Theils gegen den Entsagenden ohne Werteres als ein rechtskräftiges Urtel vollstreckbar wird, ist als eine vertrags­ mäßige Festsetzung für gültig zu achten. O.Tr.' v. 1. Februar 1845, Entsch. 12 S. 473, 38) Die hier befindliche Bezugnahme des Textes auf Theil II Tit. 20 fällt weg. DaS neue Strafgesetzbuch enthält keine entsprechende Bestimmung. Damit fällt die Strafbarkeit der außer­ gerichtlichen Eide (II. 20 §§. 1425 — 1430) weg, wenn die Handlung nicht sonst als strafbar qualifizirt werden kann. Der §. 199 entscheidet einen sehr alten Meinungsstreit über die Wirksamkeit eidlicher Bekräfti­ gungen von Verträgen, gegen die Auth. Sacramentum und daS päbstliche Recht. Das Nähere: Koch, Recht der Forderungen 2 S. 323 ff.

39) Eine Ausnahme machen die Rechtsgeschäfte, welche zu ihrer Gültigkeit eine causae cognitio und die richterliche Bestätigung erfordern, z. B. die Adoption II. 2 §. 667. Außer solchen Aus­ nahmefällen ist die Bestätigung auch insofern aufgehoben, als sie auf Provinzialrechten beruhete. Ges. v. 23. April 1821 §. 2. (G.S. S. 43.) 40) Wenn nämlich das Instrument den abgekürzten Prozeß begründet. Dann müssen und kön­ nen die illiquiden Einwendungen in separato ausgeführt werden. DaS widerspricht nicht dem §. 126 Tit. 10 Pr.O. Dort ist lediglich davon Rede, inwiefern der Gegenbeweis gegen die Urkunde über die Thatsache, daß die Erklärung der Parteien in derselben richtig, der Verlautbarung entsprechend, niedergeschrieben worden, zulässig sei; über die Einwendungen gegen das Rechtsgeschäft wird dort nichts bestimmt.

222

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 205—225.

§• 205. Draufgabe (Arrha) ist das, was als Zeichen des geschlossenen Verträges entrichtet wird4 2). §. 206. Was auf Abrechnung der übernommenen Verbindlichkeiten vorausge­ geben worden, wird Angeld genannt4 3). §. 207. Wo die Gesetze oder der Vertrag selbst nicht ausdrücklich ein Anderes bestimmen, so ist die Draufgabe zugleich als Angeld anzusehen. §. 208. Ist aber die Draufgabe von anderer Art als dasjenige, was der Ge­ bende vermöge des Kontrakts zu leisten hat, so hat dieselbe nicht die Eigenschaft eines Angeldes. §. 209. Was wegen der Brautgeschenke und bei dem Miethgelde des Gesin­ des Rechtens sei, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II, Tit. 1, Äbschn. 2; Tit. 5, Abschn. I)44 41 ).42 43 §. 210. Der Empfänger der Draufgabe kann sich, durch Zurückstellung dersel­ ben, von der übernommenen Verbindlichkeit nicht befreien. §. 211. Auch der Geber kann sich durch Aufopferung der Draufgabe von der Erfüllung des Vertrags nicht losmachen43).46 >» • §. 212. Ist das Gegentheil, und daß gegen Verlust oder Ersatz der Draufgabe wem, K der Rücktritt von dem Vertrage stattfinden solle, ausdrücklich43) verabredet, so vertritt

gade «>).

eine die Draufgabe die Stelle einer Wandelpön. (§.312 sqq.) Wandelpön, §. 213. Tritt in einem solchen Falle der Geber zurück, so behält der Empfänger °et die Draufgabe, kann aber keine weitere Entschädigung fordern. §. 214. Tritt der Empfänger zurück, so muß der Geber mit Erstattung der Draufgabe statt der Entschädigung sich begnügen47).48 §. 215. Hat aber einer von beiden Theilen mit Erfüllung des Vertrages bereits den Anfang gemacht, so kann, wenn auch die Draufgabe wirklich als Wandelpön ge­ geben worden, dennoch weder der, welcher schon zum Theil erfüllt, noch der, welcher diese Erfüllung angenommen hat, wider den Willen des Andern zurücktreten. §. 216. In allen Fällen43) geht das Eigenthum der Draufgabe, mit allen seinen Wirkungen sogleich auf den Empfänger über. 41) Koch, Recht der Forderungen, 2. Ausg. 2 §. 113. 42) Die Draufgabe hat als Zeichen der perfekten Kontraktsschließung, d. h. als Form, nur in der Gesindemiethe noch ihre wahre Bedeutung. G.O. §. 22. 43) Wenn bei einem zweiseitigen Vertrage, dessen Erfüllung zukünstig ist, ein Angeld gegeben, und über dieses Angeld ein Wechsel ausgestellt worden ist, so "enthält dessen Einziehung nicht die Rücknahme des Angeldes als solchen, beziehungsweise nicht die Wiederaufhebung der angesaugenen Erfüllung des Vertrages. O.Tr. IV v. 29. Juni 1854, Str. Arch. 13 S. 243. 44) Hier wiederholt sich die Anm. 48 zu §. 137 d. T. 45) Vorausgesetzt, daß der Hauptvertrag bereis in verbindender Form abgeschlossen worden ist. Ist daS nicht geschehen (§. 221), so entstehen aus dem Geben und Nehmen der arrha (pactum arrhale) besondere Verbindlichkeiten, worüber sich die folgenden Vorschriften verhalten. 46) Die gemeinreckitlichen Schriftsteller wollen für die arrha confirmatoria eine Vermuthung gelten lassen. Dieser Lehre ist der Satz dieses §. nachgebildet. 47) Hiernach sind die Rechte beider Theile ungleich: der Empfänger müßte in diesem Falle die arrha doppelt zurückgeben. So ist es auch wirklich nach L. 17 C. de fide instrum. und pr. J. de

ernt, et vend. (III, 24). Wird die Erfüllung durch Zufall verhindert, so ist die arrha, wie sie ist, zurückzugeben, des­ halb wie sie ist, weil keine Strafe und keine Verbindlichkeit zur Entscheidung einttitt. Der Geber hat nur die condictio ob causam. Vergl. §. 220. 48) Nach G. N. ist darüber Meinungsverschiedenheit. Die wahre arrha ist ein bloßes Beweis­ stück, der Zweck fällt deshalb weg, wenn der Vertrag erfüllt oder rückgängig wird. Daraus folgt, daß jede Sache als arrha gegeben werden kann (die Römer pflegten einen Ring zu geben, L. n §. 6 D. de act. emti XIX, 1), daß der Empfänger nicht Eigenthümer wird und daß sie, in den gedach­ ten beiden Fällen, zurückgegeben werden muß. Anders ist es mit dem deutschen Handgelde, dessen Eigenthum auf den Empfänger durch die Uebergabe übergeht, mag es abgerechnet werden, oder als Zugabe verbleiben sollen. Diese Verschiedenheit macht unser tz. 216 gleich durch daS „in allen Fäl-

Von Verträgen.

223

§. 217. Ist von einer eigentlichen Draufgabe, die nicht als Wandelpön gege- Z»? Wan­ den worden, die Rede, und der Vertrag geht durch die Schuld des Empfängers zuist. rück, so hat der Geber die Wahl: ob er, außer der übrigen ihm zukommenden Ent­ schädigung, die Draufgabe in Natur, so wie sie ist, zurücknehmen, oder den Werth, welchen sie zur Zeit der Uebergabe hatte, fordern wolle. §. 218. Geht der Vertrag durch die Schuld des Gebers zurück, so verliert der­ selbe die Draufgabe49 * * ).50 §. 219. Doch muß ihm deren Werth59) auf die dem Empfänger noch etwa außerdem zu leistende Entschädigung zu gute gerechnet werden. §. 220. Wird der Vertrag ohne besonderes 51) Verschulden eines oder des an­ dern Theils rückgängig, so muß die Draufgabe, so wie sie alsdann ist, zurückgegeben und genommen werden. §. 221. Ein Gleiches findet statt, wenn der Vertrag durch wechselseitige Ein­ willigung beider Theile wieder aufgehoben wird, oder wegen Mangels der rechtlichen Erfordernisse nicht bestehen sann52).53 §. 222. Ist in diesem Falle (§§. 220, 221) die Draufgabe nicht mehr vorhan­ den, so muß der Werth derselben, wie er zur Zeit des Empfangens gewesen ist59), er­ stattet werden. §. 223. Liegt der Mangel bloß in der Unterlassung der schriftlichen Abfassung, so hat es bei den Vorschriften §. 156 sqq. sein Bewenden. §. 224. Hat Jemand von einer Person, welcher die Gesetze die Fähigkeit, einen solchen Vertrag zu schließen, versagen, eine Draufgabe angenommen54), so findet, zum Vortheil des Gebers, die Vorschrift des §.217 Anwendung. §. 225. In allen55)* Fällen, * wo von Erstattung einer Draufgabe, die in Gelde len". Die Folge davon ist, daß der Empfänger im Falle der gehörigen Erfüllung die Draufgabe behält, wenn sie auch nicht angerechnet worden ist. §. 208. 49) Diese Vorschrift findet auch auf das Angeld (§. 206) Anwendung. O.Tr. IV v. 31. Okt. 1861, Arch. 43 S. 173. — Dagegen führt daS O.Tr. später aus: „Daraus, daß die mit der Haupt­ leistung gleich geeigenschaftete Daraufgabe als Angeld anzusehen ist, folgt in keiner Weise, daß auch das Angeld (die Abschlags- und Vorleistung) der Daraufgabe gleich stehe und auch auf die­ ses der §. 218 Anwendung leide. — Das tm Arch. 43 S. 172 abgedruckte Erkenntniß stellt den Unterschied mit Beziehung auf Bornemann und Koch an sich richtig auf, der Schluß aber, daß tz. 218 auch auf Angeld Anwendung finde, welcher gar nicht weiter'motivirt ist, ist ungerecht­ fertigt; — Bornemann und Koch ziehen jene Folgerung nirgends." Erk. III v. 17. Mai 1867, Str. Arch. 67 S. 218 u. Entsch. 58 S. 28.

50) Der gemeine Werth zur Zeit des Eigenthumserwerbes, d. i. der Uebergabe, weil der Em­ pfänger um so viel reicher geworden.

51) Auf dieses „besondere" ist kein Gewicht zu legen; es bedeutet ein Uebergewicht der Schuld auf der einen Seite. Nach der Regel muß jeder Theil ein mäßiges Versehen verantworten. Es können drei Fälle eintreten, a) Keiner hat ein Versehen begangen. Dieser Fall ist von selbst be­ greiflich. b) Beiden füllt ein gleicher Grad von Schuld zur Last. Dann kompensirt sich dieselbe und es ist wieder kein „besonderes" Versehen des Einen die Ursache der Rückgängigkeit, c) Nur der Eine begeht ein verpflichtendes Versehen, oder der Eine ein mäßiges, der Andere aber ein gro­ bes. Dann ist der Fall deS „besonderen" Versehens des Einen vorhanden. 52) In beiden Fällen (§§. 220, 221) ist die condictio sine causa auf Rückgabe deS Gegebenen und noch Vorhandenen gegeben. L. 11 §. 6 D. de act. ernt. (XIX, 1); L. 2 C. quando liceat ab eint. (IV, 45).- Anerkannt von dem O.Tr. in dem Pr. v. 13. Dezember 1847, Entsch. 16 S. 172. 53) Der ^atz widerspricht dem ganz richtigen Prinzipe §. 220; nur die actio in factum wegen Bereicherung ist gerechtfertigt; die unbedingte Forderung des ursprünglichen Werthes der vielleicht zu­ fällig untergegangenen Sache ist nicht gerecht. 54) Ist der Empfänger ein Unfähiger, so findet in allen Fällen nur die Bereicherungsklage statt. Bon dem als Universalmittel geläufigen Institute der „nützlichen Verwendung" in juristischer Bedeu­ tung kann hier gar nicht Rede sein. 55) Die Satzung ist nicht gereckt. Die Differenz kann das Fünffache sein. Man denke an die Getreidepreise von 1847, wo der Scheffel Roggen 5 Thlr. galt, und von 1849, wo er einige und 20 Sgr. galt. Wie soll der Schuldlose dazu kommen, einen solchen Verlust zu tragen?

224

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 225—238.

oder andern verbrauchbaren Sachen besteht, die Rede ist, muß statt der Rückgabe in Natur, eben so viel von derselben Art zurückgegeben werden. d-ftimmnn' §• 226. Die Kontrahenten können die Rechte, welche sie einander einräumen, gen bei Ver- durch Beifügung von Bedingungen, Zwecken, Bewegungsgründen, oder sonst, sowohl in den Haupt- als in den Nebenverträgen, nach (sutbefinden bestimmen, erweitern, W. Zweck, »der einschränken. (Tit. 4, §§. 99 sqq.) gnind. §. 227. Unerlaubte Bedingungen, welche nach den Gesetzen bei Willenserklä­ rungen überhaupt nicht stattfinden, entkräften einen jeden Bertrag, welchem sie beige­ fügt worden (Tit. 4, §. 137). §. 228. Ist nicht der Hauptvertrag selbst, sondern nur eine gewisse Nebenbe­ stimmung oder Abrede an eine solche unerlaubte Bedingung gebunden, so wird auch nur dieses) dadurch entkräftet. §. 229. Daß ein Vertrag unter besondern Bedingungen geschlossen worden, wird, auch bei mündlichen gültigen Verträgen, nicht vermuthet 5'7). 2. Ze». §. 230. Ist die Zeit der Erfüllung in dem Vertrage nicht bestimmt, so tritt, bei entstehendem Zweifel, die richterliche Bestimmung ein58). §. 231. Dabei muß der Richter auf die wahrscheinliche Absicht der Parteien bei dem Geschäfte ; aus den Zweck, wozu der, dem etwas geleistet werden soll, sich sol­ ches vorbedungen hat; und auf die übrigen bei Schließung des Vertrages vorgewalte­ ten Umstände Rücksicht nehmen. §. 232. Niemand kann die Erfüllung eines ohne nähere Zeitbestimmung ge­ schloffenen lästigen Vertrags eher fordern, als bis er selbst, den Vertrag von seiner Seite zu erfüllen, bereit und im Stande ist59). 56) Nebenverträge sind nicht Bestandtheile des Hauptvertrages. Deshalb bleibt dieser unbetrgffen, wenn auch die Nebenabrede hinfällt. Das ist die Regel. Die Verabredung kann aber von der Art sein, daß sie eine Bestimmung des Gegenstandes des Hauptvertrages ausmacht und nicht Wegfällen kann, ohne den Gegenstand zu verändern. In diesem Falle ist die scheinbare Nebenabrede ein Bestand­ theil des Hauptvertrages uud macht diesen selbst hinfällig, wenn sie unzulässig ist. Vergl. das Pr. des O.Tr. v. 11. März 1847, Rechtsfälle 1 S. 20, wo das Gleiche angenommen ist für den Fall, wenn der Vertrag (mit seinen Nebenabreden) ein zusammenhängendes Ganzes bildet, was wohl auf die Bestandtheile des Hauptvertrages zu beziehen ist: denn äußerlich ist ein solcher Vertrag immer ein zusammenhängendes Ganzes. Die Frage ist sonach eine thatsächliche. 57) Die praktische Bedeutung des Satzes tritt nicht hervor. Von selbst versteht es sich, daß die Bedingung, welche eine Partei behauptet, bewiesen werden muß. Auch auf die stillschweigenden oder sich von selbst verstehenden Bedingungen kann der Satz sich schwerlich beziehen sollen, da diese weder vermuthet, noch bewiesen zu werden brauchen, z. B. bei dem Versprechen eines Heirathsgutes die Be­ dingung: wenn eine Heirath erfolgt. Vielleicht hat.man an den Fall gedacht, welchen Paulus L. 54 §. i D. locati entscheidet. (6. 2U) Der Satz, daß die Bedingung, welche eine Partei behauptet, be­ wiesen werden muß, versteht sich nicht ganz von selbst. Es ist eine alte und lebhafte Kontroverse, ob diejenige Partei, welche die Bedingung als Einrede gegen die unbedingte Klage behauptet, die Ver­ abredung der Bedingung beweisen muß, oder ob der Kläger die Bedingungslosigkeit des Vertrages zu beweisen hat. §. 229 entlastet den Klüger von dem Beweise, die Bedingung ist also Gegenstand deS Einredebeweises. (6. A.) Der §. 229 ist lediglich eine Konsequenz des in §. 28 I. 13 A.G.O. ausgesprochenen Grundsatzes. R.O.H.G. v. 25. Okt. 1870, Entsch. 1 S. 74. (7. A.) R.O.H.G. v. !5. Nvbr. 1875, Entsch. 11 S. 362.

58) Wenn der Tag, aber nicht die Stunde bestimmt ist, so kommt, bei fortdauernden Wiederkeh­ renden Leistungen. nicht diese Vorschrift, sondern der Grundsatz des §. 47 Tit. 3 zur Anwendung. Pr. des O.Tr'. v. 6. August 1841, Schles. Arch. 6 S. 376. Die Entscheidung des Richters wird dadurch veranlaßt, daß die Partei, welche die Zeit für ge­ kommen hält, schlechtweg klagt, und der Beklagte die Einrede der Vorzeitigkeit macht. Dann verurtheilt der Richter zur Leistung auf diejenige Zeit, welche er für geeignet hält. Eine Abweisung zur Zeit ist in diesem Falle nicht sachgemäß, vielmehr kann die pluspetitio tempore nur auf den Kosten­ punkt Einfluß haben. 59) Auch die für den Fall des Rücktritts vom Vertrage vereinbarte Wandelpön kann der bei dem Vertrage stehen bleibende Kontrahent nur dann einklagen, wenn er seinerseits zur Erfüllung deS Vertrages zur gehörigen Zeit bereit und im Stande gewesen ist. O.Tr. m v. 11.11. 21. Juni 1852, Str. Arch. 6 S. 175. Vergl. §§. 310, 312 d. T.

Von Verträgen.

225

§. 233. Bei einem bloßen«») wohlthätigen Vertrage hängt die unbestimmt ge­ bliebene Zeit der Erfüllung von dem Verpflichteten ab, so weit nur durch den Verzug das dem Andern eingeräumte Recht nicht wieder vereitelt wird. §. 234. Bei einem Vertrage, zu dessen Erfüllung besondere Kunst - oder Sachkenntniß gehört, muß die ermangelnde Zeitbestimmung von dem Richter nach dem Gutachten der Sachverständigen ergänzt werden. §. 235. Ist durch unbestimmte Ausdrücke eine nahe Zeit der Ersüllung ange­

deutet worden, so kann letztere zu jeder Zeit gefordert werden. §. 236. Ist die Erfüllung in unbestimmten Ausdrücken, nach Möglichkeit oder nach Gelegenheit«'), versprochen worden, und die Verbindlichkeit entsteht an sich nicht aus dem Vertrage allein, sondern es war schon vor dem Vertrage ein rechtlicher Grund dazu vorhanden, so tritt, der zweifelhaften Ausdrücke ungeachtet, dennoch die richter­ liche Bestimmung nach obigen Vorschriften (§§. 230—234) ein. §. 237. Ist aber die Verbindlichkeit an sich bloß durch den Vertrag erst begrün­ det worden, und in diesem die Erfüllung in dergleichen unbestimmten Ausdrücken ver­ sprochen, so hängt die Zeit derselben von der Bestimmung des Verpflichteten ledig­ lich ab62 * * ). * * * 60 61 §. 238. In diesem letzteren Falle, ingleichen, wenn die Zeit der Erfüllung der (7. A.) Der Verkäufer, welcher den Preis einklagt, hat, wenn der Beklagte die Probewidrigkeit der Waare einwendet, den Beweis zu führen, daß er probemäßig, d. h. den Vertrag vollständig er­ füllt habe. N.O.H.G. v. 19. Novbr. 1873, Entsch. 11 S. 367. Vergl. daselbst Urtheil v. 22. Novbr. 1873 S. 369 über den Fall, daß ein Vertrag trennbare Leistungen enthält, und nur die eine oder andere erfüllt worden ist, und die Gegenleistung für die erfüllte einzelne Leistung verlangt wird. 60) Ob der §. 233 auch auf belohnende Schenkungen Anwendung finde, ist zweifelhaft, weil die Theorie deS A. L.R. über diese Materie ganz unklar und zufällig ist. M. f. Anm. zu §. 1169 Tit. 11. Nach dem Wortlaute muß der §. 233 ausgeschlossen sein, denn die belohnende Schenkung wird von dem A. L.R. nicht als ein bloß wohlthätiger Vertrag angesehen.

61) Oder nach Gelegenheit, sowie eS dieUmstände des Verpflichteten zulas­ sen, oder nach Möglichkeit und sobald erohne seinen Ruin Z ahlung leisten könne, oder sobald er zu besseren Bermögensumständen gelangt sein würde (Note zu §. 163 Tit. 4) und dergl. Die §§. 236—240 beziehen sich auf den Fall, wenn in dem Vertrage eine unbestimmte Zeit bei­ gefügt ist, und die Zeit der Erfüllung der Willkür des Verpflichteten überlasseu worden ist. Ist dies geradezu geschehen, so tritt der Satz tz. 238 in Anwendung. Vergl. L. 4 D. locati und Wemher, Sei. obs. Tom. I P. III obs. 113. Hat hingegen der Verpflichtete seine Willkür durch Bezugnahlne auf seine individuellen Vermögensumstände in solchen unbestimmten Ausdrücken beschränkt, so kommt es auf die Auslegung derselben an. Genteinrechtlich behauptet man ohne Unterscheidung des Ver­ pflichtungsgrundes, daß das Ermessen des Richters eintrete. Gmelin, von Aufsätzen über Verträge, §. 31 S. 55. Das L.R. macht hier die Unterscheidung zwischen den Fällen des §. 236 und den des §. 237. Nur bei der Klasse von Fällen des §. 236 soll richterliche Bestimmung entscheiden, wobei denn die gebrauchte Redeformel in Betracht zu ziehen ist. Das O.Tr. hat die Redensart: n ach Möglichkeit und sobald er ohne Ruin leisten könne, so ausgelegt, daß die Erhaltung deS Schuldners als der Zweck der Nachsicht anzunehmen, daß aber eine erhöhte Einnahme noch nicht die Ueberzeugung gewähre, daß der Schuldner ohne seinen Ruin zahlen könne; denn es seien daneben auch die nothwendigen (vermehrten) Ausgaben anzuschlagen. Pr. (IV) v. 1. Sept. 1848, Rechts­ fälle 4 S. 304. Dabei ist nur der Ausgangspunkt der Betrachtung als uneigentlich zu bezeichnen. Nicht von der Nachsicht des Gläubigers, sondern von der Willkür des Schuldners ist auszugehen. Denn von einer Nachsicht kann in allen den Fällen nicht die Rede sein, wo die kontraktliche Zeitbe­ stimmung in Betracht kommen soll: der Schuldner ist nicht schuldig, früher zu zahlen, als er ver­ sprochen hat. Aber es ist deutlich, daß der Promittent seine Willkür in der Zeit der Erfüllung durch den Eintritt solcher Vermögensumstände beschränkt hat, welche ihm die Erfüllung neben der Auf­ rechthaltung seines Nahrun'gsstandes gestatten; und diese Veränderung in seinen'Umständen ist es denn auch allein, welcher seiner Willkür ein Ende macht. 62) Ist z. B. in einem Kaufverträge die Zahlung des Kaufgeldes in dergleichen unbestimmten Ausdrücken versprochen, so ist eS entschieden unrichtig, daß der Richter dafür hält, die richterliche Be­ stimmung wegen der Zahlungszeit müsse eintreten, weil die Verpflichtung des Käufers zur Bezahlung des Kaufpreises, abgesehen von dem Vertrage, auch durch den Empfang der gekauften Sache und deren Verbrauch begründet sei. O.Tr. IV v. 21. April 1863, Str. Arch. 48 S. 316. Koch, Allgemeines Landrecht. I.

7. Aufl.

15

226

3. Ort.

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 238—25.3.

Willkür des Verpflichteten ausdrücklich überlassen ist03), findet die Anstellung einer Klage darauf erst nach dem Tode des Verpflichteten fiatt63 64).65 66 67 68 69 §. 239. Inzwischen darf der Verpflichtete nichts vornehmen03), was dahin ab­ zielt, die Erfüllung des Vertrages unmöglich zu machen. §. 240. Kann der Vertrag, vermöge der Natur des Gegenstandes nach dem Tode des Verpflichteten nicht mehr erfüllt werden, so verliert derselbe durch das vor der Erfüllung erfolgende Äbsterben des Verpflichteten seine Kraft. §. 241. Vor Ablauf des im Vertrage bestimmten Zeitraurns kann, wider den Willen des einen oder des andern Theils, die Erfüllung weder gefordert, noch gelei­ stet werden. §. 242. Wer den Vertrag ohne des Andern Genehmigung, vor der bestimmten Zeit erfüllt, haftet, bis zum Ablauf des Termins, für alle die Sache treffenden Zufälle. §. 243. Eine zu früh geleistete Handlung wird für nicht geleistet angesehen, und muß zur bestimmten Zeit wiederholt, oder wenn dieses nicht geschehen kann, der Be­ rechtigte schadlos gehalten werden. §. 244. In sofern jedoch der Berechtigte aus der zu früh geleisteten Handlung Vortheile gezogen hat, muß er sich dieselben auf die Erfüllung oder auf die ihm zu­ kommende Entschädigung anrechnen lassen. §. 245. Ueberhaupt kann der Berechtigte, welcher die Erfüllung ohne Vorbe­ halt angenommen hat00), sich des Einwandes, daß sie zu früh geleistet worden, in der Folge nicht mehr bedienen. §. 246. Der Verpflichtete, welcher die Erfüllung vor Ablauf des bestimmten Termins freiwillig °?) geleistet hat, kann dieselbe unter dem Vorwande, daß sie zu früh geleistet worden, nicht zurücknehmen. §. 247. Die im Vertrage mangelnde Bestimmung des Orts der Erfüllung muß bei entstehendem Streite von dem Richter nach der Natur des Geschäftes, und der deutlich erhellenden Absicht der Kontrahenten00) ergänzt werden. §. 248. Kann der Streit nach dieser Regel nicht entschieden00), und soll nach 63) Z. B. in der Erklärung einer Person, daß sie ihr Grundstück für einen bestimmten Preis verschreiben lassen wolle, jedoch mit dem Vorbehalte, die Zeit der Uebergabe zu bestimmen. O.Tr. I v. 29. November 1847, Rechtsfälle 3 ©. 117. 64) Der Verpflichtete ist in dem hier vorausgesetzten Falle nicht befugt, durch letztwillige Verfügung die Zeit der Erfüllung über seinen Tod hinaus zu verschieben. O.Tr. 1 v. 1. Dezember 1856, Entsch. 56 S. 25; Str. Arch. 62 S. 67. 65) Wenn es doch geschieht, so kann Sicherstellung gefordert werden. 66) Mit dem Augenblicke, wo die Annahme vollzogen ist, ist der Vorbehalt abgeschnitten, sonst würde die bereits erklärte Willensübereinstimmung einseitig abgeändert werden. Der Vorbehalt ist also wirksam nur vor der Annahme oder doch gleichzeitig mit der Annahme auszusprechen.

67) Wenn auch auS einem Irrthume über die Fälligkeit, selbst dann, wenn der Termin nicht ein bestimmter, sondern ein ungewisser, der Zeit nach, war, vorausgesetzt, daß die Zeitbestimmung nicht eine solche, welche eine Bedingung enthält. §. 163 Tit. 4. Dann ist die condictio indebiti zulässig; denn es ist vor Eintritt der Bedingung noch gar keine Schuld vorhanden. I. 16 §§. 168, 169. Vergl. L. 10, 17, 18 D. de cond. ind. (XII, 6).

68) Also nach der stillschweigenden Willenserklärung der Kontrahenten. Die Interpretationsregel des §. 247 harmonirt mit dem Röm. Rechte. Die Operation des Richters ist nicht eine Ergänzung der Willenserklärung, sondern eine Auslegung. Wenn alle Auslegungsregeln verlassen, so nimmt der Richter zum §. 248 seine Zuflucht; eS wird dann angenommen, daß es die Kontrahenten so ge­ wollt haben. Der Miether z. B. ist nicht verpflichtet, dem Vermiether, wenn er mit ihm an demselben Orte, aber nicht in demselben Hause wohnt, die fälligen Miethsgelder in seine jedesmalige Wohnung zu überbringen, nach Analogie deS §. 93 Tit. 11. O.Tr. in v. 17. Juni 1859, Entsch. 41 S. 32. 69) Die subsidiarisch vorgeschriebene allgemeine Regel enthält der §. 27 Tit. 16. Darnach ist der Erfüllungsort da, wo der Verpflichtete sich aufhält. Darunter muß der Aufenthaltsort zur Zeit der Fälligkeit verstanden werden, nicht jeder beliebige spätere. Bon dieser Regel gelten aber

227 dem Vertrage etwas gegeben70 * )*werden * * *, *so* muß * * die * *Ablieferung * * * * *an* dem * * Orte, * wo der Berechtigte zur Zeit des geschlossenen Vertrages gewohnt hat7'), erfolgen. §. 249. Bei bloß wohlthätigen Verträgen aber'kann der Berechtigte die Erfül­ lung nur da, wo der Verpflichtete sich aufhält, fordern. §. 250. Ist bloß von einer zu leistenden Handlung die Rede, so wird im Man­ gel anderer Bestimmungen der Ort, wo der Verpflichtete zur Zeit des geschlossenen Vertrages gewohnt hat, für den Ort der Erfüllung angesehen. §' 251. Wenn mehrere Oerter zur Erfüllung bestimmt sind, so bat im zweifel­ haften Falle der Verpflichtete die Wahl, an welchem derselben er erfüllen wolle72).73 74 §. 252. Die bei Willenserklärungen überhaupt vorgeschriebenen Auslegungsre- vn. Ausageln gelten auch bei Verträgen. (Tit. 4, §§.65 bis 74)7 3). ' ' g»»gsregeln. §. 253. Im zweifelhaften Falle ist mehr auf das zu sehen, was der Verpflichtete versprochen, als was der Berechtigte angenommen hat"). Von Verträgen.

folgende Ausnahmen: 1. Handlungen sollen dort geleistet werden, wo der Schuldner zur Zeit des geschlossenen Vertrages gewohnt hat. §. 250 d. T. 2. Zahlungen, die sich nicht ans Verträge gründen, sind da zu leisten, wo der Schuldner wohnt (I. 16 §. 52), worunter ebenfalls der Wohn­ sitz, d. h. nicht die Ortschaft, in welcher der Schuldner seinen Wohnsitz hat, sondern die Wohnung des Schuldners im eigentlichen Sinne (Ber. des J.M. v. 26. Mai 1846 und K.O. v. 30. Juni d. I., J.M.Bl. S. 254 ff.) zur Zeit der Entstehung der Verbindlichkeit verstanden werden muß. Darnach müßte der Bestohlene seine Entschädigung von dem entfernt wohnenden Diebe abholen, wenn die Bestimmung so allgemein zn verstehen wäre, wie sie lautet. Dann hätte der Beschädigte nicht seine volle Entschädigung und müßte überdies die Gefahr tragen. So ist es jedoch nicht ge­ meint. Tit. 7 §§. 243, 244; Tit. 14 §. 462. 3. Zahlungen aus einer öffentlichen Kasse, außer dem Falle eines Darlehns, müssen im Kassenlokale empfangen werden, I. 16 §. 53. 4. Zahlungen aus einem Darlehn dort, wo der Gläubiger zur Zeit des geschlossenen Vertrages gewohnt hat (I 11 §. 769), und, wenn er seinen Wohnsitz verändert hat und das Darlehn eingetragen ist, nach der Wahl des Schuldners da, wo daSHypothekenbuch geführt ist. I. 11 §. 774. 5. Soll nach einem Vertrage (für andere Obligationen fehlt die Bestimmung, z. B. über die Rückgabe gestohlener Sachen; Anwendungen des vorausgesetzten Grundsatzes aber sind: Tit. 7 §§. 243, 244; Tit. u §. 462) etwas gegeben werden (ein Genus oder eine Spezies, außer Geldzahlung), so muß es da geschehen, wo der Berechtigte zur Zeit des geschlossenen Vertrages gewohnt hat. §. 248 d. T. 6. Wechselzahlungen in dem Geschäftslokale deS Schuldner-. A. D. W.O. Art. 4 Nr. 8 und Art. 97. — Ein leitender' Grundgedanke fehlt.

70) Der Ausdruck bezieht sich auch auf Zahlung. O.Tr. HI v. 13. Okt. 1854, Str. Arch. 15 S. 108. 71) Das ist bei unbeweglichen Sachen unmöglich, wenn der Gläubiger nicht zufällig an bem Orte, wo die Sache liegt, gewohnt hat, und bei beweglichen Sachen wird gerade in dem am häu­ figsten vorkommenden Falle, beim Kaufe nämlich, ein anderer Grundsatz vorgeschrieben. I. 11 §§. 128 bi- 133. Vergl. Amu. dazu. Der Ausdruck „gewohnt hat" bezieht sich sowohl auf den Wohnort als auf die Wohnung. Daher find die auf ein Geben (dare) im Gegensatze von facere gerichteten lästigen Verträge in dem Wohnorte und zwar in der Wohnung des Gläubigers zur Zeit des geschlossenen Vertrages zu erfüllen. O.Tr. III v. 27. Oktober 1854, Str Arch. 15 S. 200. — Vergl. unten §. 360 d. T. und die Anm. dazu; ferner §. 769 Tit. 11, und §. 52 Tit. 16 und die Änm. dazu.

72) Ohne Unterschied, ob sie kopulativ oder alternativ genannt sind. 73) Die Auslegungsregeln sind Rechtsgrundsätze und deren Verletzung ist ein Bernichtungsgrund im Sinne des §. 4 Nr. 1 der V. v. 14. Dez. 1833. O.Tr. III v. 19. Juni 1857 und v. 6*. Juli 1860, Str. Arch. 38 S. H6. — Dem widerspricht das O.Tr. 1V in den: Erk. v. 5. Mai 1868, Str. Arch. 71 S. 160, geradezu, ohne sich dabei jenes Ausspruches zu erinnern. Hat der Appellationsrichter zwar im Wesentlichen der Thatsachen gedacht, welche der Implorant behufs Auslegung des Vertrages geltend gemacht hat, aber dieselben unter dem Gesichtspunkte der Interpretation überhaupt nicht beleuchtet, so ist aus diesem Grunde sein Erkenntniß zu vernichten. O.Tr. II v. 15. Juli 1862, Str. Arch. 46 S. 202. 74) Das ist nicht so zu verstehen, als wenn das Versprechen und die Annahme übereinzustimmen brauchten; denn in dem Falle der Nichtübereinstimutung würde der Vertrag nicht zu Stande gekom­ men sein, mithin der Auslegung nicht bedürfen. Vielmehr ist vorausgesetzt, daß unstreitig Willens­ vereinbarung stattgefunden hat und hinterher nur darüber Streit entsteht: über was oder wie viel man einig geworden. (7. A.) R.O.H.G. v. 2. Jan. 1875, Entsch. 16 S. 416.

228

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 254-270.

§. 254. Wenn nach gepflogenen Traktaten und verschiedenen wechselseitig abge­ gebenen Erklärungen ein Vertrag unter Abwesenden wirklich zu Stande gekommen, gleichwohl aber es zweifelhaft ist, nach welcher der verschiedenen Erklärungen der Ver­ trag eigentlich geschlossen sei, so muß auf diejenige, durch die derselbe seine Vollen­ dung zuerst erhalten hat, Rücksicht genommen werden. (§. 79.) §. 255. Ist nicht auszumitteln, welches die frühere Erklärung sei, so ist der Vertrag nach dem mindern Gebote desjenigen, bei dessen Verbindlichkeit der Zweifel obwaltet, für abgeschlossen zu achten. §. 256. Ist ein Kontrakt nach Maß und Gewicht7 geschlossen, so wird ver­ muthet, daß dasjenige gemeint sei, welches an dem Orte, wo die Uebergabe geschehen soll, eingeführt ist. §. 257. Ist bei einer Geldsumme die Münzsorte nicht ausgedrückt, so wird im zweifelhaften Falle die an dem Orte, wo die Zahlung geschehen soll75 76), gangbare Münzsorte verstanden. §. 258. Ueberhaupt aber ist anzunehmen, daß dergleichen Vertrag auf Silber­ courant geschlossen worden77). §. 259. Nur in Fällen, wo es keines schriftlichen Kontrakts bedarf, ist der Be­ weis, daß eine andere Münzsorte verabredet worden, zulässig. §. 260. Wenn die Absicht, freigebig zu sein, nicht klar ist, so wird vorausge­ setzt, daß keiner mehr habe geben, oder leisten wollen, als ihm von dem andern Theile vergütet worden. §. 261. Wenn ein Kontrahent alle78) Gefahr und Schaden übernommen hat, so sind auch die ungewöhnlichen Zufälle darunter zu verstehen. 75) (6. A.) Bergl. die Maß- und GewichtSordnung für den norddeutschen Bund v. 17. Aug. 1868 (B.G.Bl. S. 473), welche jetzt Deutsches Reichsgesetz ist.

76) Der hier und in dem vorhergehenden §. 256 anerkannte Grundsatz kann auch angewendet werden auf das örtliche Recht über die Folgen und Wirkungen der Verträge, worüber sonst das L.R. keinen Grundsatz enthält. Danach ist im Zweifel anzunehmen, daß die Parteien, hinsichtlich des unter sich begründeten Rechtsverhältnisses, sich dem Rechte desjenigen Ortes haben unterwerfen wollen, wo dasselbe zu Erfüllung kommen soll, insofern nicht positive Gesetze entgegenstehen. S. Anm. zu §. 33 der Einleitung. 77) Es ist unverboten, in einer fremden Münzsorte zu kontrahiren. Unten Anm. zu §. 778 Tit. 11. (6. A.) An die Stelle des preußischen Silbercourant tritt jetzt die deutsche Reichsmünze. Münzgesetz v. 9. Juli 1873 (R.G.Bl. S. 233) Artt. 14, 15. (6. A.) Das Wort „Ueberhaupt" bedeutet, daß die Bestimmung gelten soll ohne Rücksicht aus den Ort der Zahlung. R.O.H.G. v. 30. April 1872, Entsch. 6 S. 88. 78) Alle. Die Uebernahme des Zufalls überhaupt soll also hiernach nicht genügen. Diese Auslegungsregel hat eine geschichtliche Veranlassung. Viele gemeinrechtliche Juristen unterschieden gewöhnliche Zufälle (casus soliti), ungewöhnliche Zufälle (casus insoliti) und ganz unge­ wöhnliche oder ungewöhnlichste Zufälle (casus insolitissimi), und gaben die Auslegungsregel, daß mit der Uebernahme des Zufalls oder der Gefahr schlechthin nur der' gewöhnliche Zufall, d. h. ein solcher, welcher mit Wahrscheinlichkeit vorausgesehen werden kann, übernommen worden sei. Wer aber die Unglücksfälle oder alle Gefahr übernehme, müsse für die gewöhnlichen und un­ gewöhnlichen haften, doch seien im Zweifel die allerungewöhnlichsten und ganz außer­ ordentliche Zufälle, d. h. solche, wovon man auch nicht die entfernteste Ahnung gehabt habe, nicht für mit übernommen zu erachten. Glück 4 S. 366 und 392 und die Seite 392 Note 78 angeführten Schriften. Bei der Beurtheilung der Gewöhnlichkeit oder Ungewöhnlichkeit soll jedoch auf die Gegend, Oertlichkeit, Zeitumstände und sonstige Verhältnisse gesehen werden, um zu ermessen, ob gewisse Zufälle, welche an sich ungewöhnliche sind, daselbst doch nicht für gewöhnliche, d. h. solche zu halten sind, welche leicht vorausgesehen werden können. Glück S. 366. Diese Lehre findet sich im L.R. wieder. Unser §. 261 legt die Uebernahme „aller Gefahr" oder „der Unglücksfälle" (I. 21 §§.510, 511) so aus, daß nicht bloß die gewöhnlichen, sondern auch die ungewöhnlichen Zu­ fälle zu übernehmen in der Absicht gelegen habe. Auf die ganz ungewöhnlichen wird dieser Ausdruck nicht bezogen; diese müssen ganz ausdrücklich übernommen sein. Eine Anwendung davon enthält I. 21 §. 594; und eine Anwendung von der ReAel, daß an sich ungewöhnliche Unglücks­ fälle mit Rücksicht auf die Oertlichkeit und die Verhältnisse für gewöhnliche gelten können, ist §. 479 ebendaselbst.

Bon Verträgen.

229

§. 262. Wenn ein jüngerer Vertrag sich auf einen älteren bezieht, so ist anzu­ nehmen, daß letzterer nur in den durch den jüngern Vertrag klar bestimmten Stücken hat abgeändert werden sollen"). §. 263. Undeutliche Stellen eines ausgesertigten Kontrakts müssen nach dem deutlichen Inhalte der vorhergegangenen Punktation erklärt werben80 * * ).*81 * *82 * *83 79* * * * §. 264. Ist aber eine in der Punktation enthaltene Verabredung in dem hier­ nächst ausgesertigten förmlichen Kontrakte deutlich geändert, so gilt nur das, was in dem Kontrakte enthalten ist. §. 265. Sind Verabredungen, die in der Punktatton enthalten waren, in dem förmlichen Kontrakte ganz übergangen worden, so werden sie für aufgehoben geach­ tet 8 0. §. 266. Kann ein Vertrag nach vorstehenden Regeln nicht erklärt werden, so ist derselbe gegen den auszulegen , der in seiner Willensäußerung zweideutiger, eines verschiedenen Sinnes fähiger, Ausdrücke sich bedient hat. §. 267. Besonders ist die Auslegung gegen den zu machen, welcher ungewöhn­ liche Vortheile begehrt, die in Verträgen dieser Art nicht eingeräumt zu werden pfle­ gen8^). §. 268. Wenn alle übrigen Auslegungsregeln nicht zutreffen, so muß die zwei­ felhafte Stelle so erklärt werden, wie es dem Verpflichteten am wenigsten lästig ist. §. 269. Bloß wohlthätige Verträge sind, im zweifelhaften Falle, allemal zur Erleichterung des Verpflichteten auszudeuten. §. 270. In der Regel müssen die Verträge nach ihrem ganzen Inhalte erfüllt vm. Ersmwerden88). Eine Anwendung des §. 261 auf den Versicherungsvertrag gegen FeuerSgefahr wird in dem, in Mathis 10 S. 500 mitgetheilten Rechtsfalle m der Art gemacht, daß, da unter Uebernahme aller Gefahr und Schaden auch die der ungewöhnlichsten (was unrichtig ist) Zufälle zu verstehen (S. 506), auch die Kriegsbrandschäden von dem Versicherer zu ersetzen seien, wenn er solche auch nicht ausdrücklich übernommen habe. Auf Assekuranzkontrakte bezieht sich wohl der §. 261 zunächst nicht, vielmehr nur auf den Fall, wenn ein Kontrahent nebenbei mehr, als ihm nach der Natur deS Rechts­ geschäfts in Ansehung der Folgen des Versehens zu leisten obliegt, übernommen hat.

79) Insoweit der Inhalt des jüngeren Vertrages dem älteren widerstreitet, ist der letztere aufge­ hoben. O.Tr. II v. 16. Januar 1855, Str. Arch. 16 S. 174. Bergl. O.Tr. IV v. 13. Juli 1854 über die Anwendung dieses Grundsatzes auf zwei verschiedene Schuldürkunden über dasselbe Darlehn, Str. Arch. 6 S. 231.

80) Hierzu ist die Anm. zu §. 65 Tit. 4 zu vergleichen. 81) Ist eine praesumtlo Juris et de jure; auf die Punktation kommt weiter gar nichts an, an deren Stelle tritt eben der förmliche Kontrakt. — (6. A.) Die §§. 264, 265 enthalten nicht bloße AuSlequngsregeln, sondern Rechtsgruudsätze, Str. Arch. 85 S. 267 (III). Wenn, argumentirt das Obertribunal, selbst in dem Falle, daß an die Stelle einer schriftlichen Punktation ein förmlicher Kontrakt getreten ist, die in letzterem übergangenen Verabredungen für auf­ gehoben gelten, so muß dies um so mehr dann angenommen werden, wenn die dem förmlichen Ver­ tragsabschlüsse vorangegangenen Verabredungen nur mündlich getroffen worden sind, wenn auch in dem schriftlichen Vertrage des früheren mündlichen Abkommens keine Erwähnung geschieht und — so muß nach dem Thatbestände ergänzt werden — das mündliche Abkommen Handlungen zum Gegen­ stände hatte, welche geleistet worden waren. Erk. v. 11. Sept. 1860, Str. Arch. 39 S. 43 (IV). Der Satz ist richtig, die Folgerung nicht. Der Satz ist nichts anderes als der römische RechtSgrundsatz (das A. L.R. spricht ihn nicht auS), daß im Falle des Zusammentreffens eines förmlichen Kon­ trakts mit einem Realkontrakte der letztere von dem ersteren absorbirt wird, weil dieser nur als be­ gonnene Erfüllung angesehen wird. Koch, Recht der Ford. §. 69, 2 (2. A.) S. 60. Hierzu vergl. man die Anm. zu §.65 Tit. 4. 82) Zu vgl. die Anm. zu §. 65 Tit. 4.

(7. A.) R.O.H.G. v. 29. Okt. 1874, Entsch. 14 S. 267.

83) Pacta sunt servanda, d. h. gerade das Versprochene kann erzwungen werden, der Berech­ tigte braucht sich nicht auf sein Interesse verweisen zu lassen. Anwendung: '§§. 273 u. 276. Er ist aber auch nicht befugt, vorhinein sein Interesse zu fordern, ohne auf die Erfüllung vergeblich gedrun­ gen zu haben. Ausnahme: §§.408—410. Das Eheverlöbniß macht keine Ausnahme. §. 112 im Worte „beharrlich", welches eine fruchtlose Klage auf Erfüllung voraussetzt. O.Tr. I v. 30. Juni

230

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 271—272.

271. Wer die Erfüllung eines Vertrages fordert, muß nachweisen, daß er demselben von seiner Seite ein Genüge geleistet habe, oder warum er dazu erst in der Folge verbunden fei84). 1852, Entsch. 23 S. 173. — Eine andere Bedeutung hat der Satz nicht. Nicht glücklich getroffen ist er als Beweis für die Behauptung, daß ein Promisfar aus dem Versprechen lediglich zum Vortbcile eines Dritten aus Erfüllung klagen könne, wenn er auch kein besonderes Interesse dabei habe. Entsch. des O.Tr. 12 S. 153. Vergl. oben die Anm. zu §. 74 d. T. Jede Obligation, wenn sie in bedungener Weise nicht zur Erfüllung gelangen kann, löst sich durch Aestimation der Leistung in eine Geldobligation auf. Ans dem Umstande, daß bei nicht zu erzwin­ gender vertragsmäßiger Leistung der Geldwerth an deren Stelle tritt, folgt, daß derjenige Werth in Betracht gezogen werden muß, * den die Leistung zu der Zeit hatte, zu welcher sie nach dem Berttage hätte geleistet werden sollen. Die unterbliebene Leistung auch in dieser Gestalt kann zwar die durch Verzug entstehenden Verpflichtungen dem Schuldner auflegen, auch, wenn durch besondere, ihm zur Last zu legende Umstände dem Gläubiger noch ein besonderer Schade durch die Nichterfüllung ent­ standen ist, den Schuldner zum Ersätze desselben verbindlich machen, aber die Abschätzung der ver­ tragsmäßigen Leistung selbst kann dadurch nicht verändert werden, muß vielmehr nach dem Zeitpunkte, wo' selbige nach dem Vertrage hätte geschehen müssen, vorgenommen werden. Unten Anm. zu §. 286 d. T. u.' O.Tr. IV v. 17. Sept. 1867, Str. Arch. 68 S. 159. — (7. A.) Die deutsche Konkursordnnug bestimmt tz. 15: „Wenn ein zweiseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens von dem Gemeinschuldner oder von dem andern Theile nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, so kann der Konkursverwalter an Stelle des Gemeinschuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung von dem andern Theile verlangen. Der Verwalter muß auf Erfordern des andern Theils, auch wenn die Erfüllung noch nicht eingetreten ist, demselben ohne Verzug erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen." (6. A.) Die Klage auf Erfüllung durch Uebergabe schließt die Vindikation des AdjudikatarS nicht aus, Str. Arch. 79 S. 71 (III). Wegen der Erfüllung der Lieferungs- und sog. Differenzgeschäfte: oben Anm. zu Tit. 4, und unten Anm. zu §. 286 d.' T. (7. A.) Der Miether kann gegen den Vermiether auf Erfüllung des Miethvertrages klagen, wenn der Vermiether das Grundstück an einen Dritten aufgelassen hat und dieser nicht in den Miethsvertrag eintreten will. (Die Uebergabe des MiethlokalS war noch nicht erfolgt). O.Tr. III v. 13. Juli 1874, Str. Arch. 92 S. 206. (7. A.) Der Nachweis, den Vertrag zum größten Theil erfüllt zu haben, genügt nicht zur For­ derung der Gegenleistung. R.O.H.G. v. 1. Nov. 1873, Entsch. 11 S. 286.

84) Vergl. §. 232. (6. A. Der in §. 221 I. 11 aufgestellte Satz stimmt hiermit überein, er ist eine Anwendung des obigen §. 271, Str. Arch. 70 S. 74 (IV.)) — Die Meinungen sind sowohl über die Bedeutung des hierdurch gegebenen Rechtsmittels (exceptio nondum impleti contractus), als auch über die Anwendung desselben und über die Wirkung uneins. I. In ersterer Hinsicht streitet man darüber: ob es ad fundandam intentionem gehöre, die Erfüllung von Seiten des Klägers zu behaupten oder auzubieten, oder ob dieser Umstand ganz mit Stillschweigen übergangen werden könne, die Klage schlechtweg und an sich durch den Vertrag begrün­ det werde und der Mangel der Erfüllung nur eine Exception begründe. Die Frage ist auch unter den gemeinrechtlichen Schriftstellern streitig, und es scheint, als habe man den Streit durch diese Be­ stimmung erledigen wollen. Nach R. R. ist die Sache einfach die, daß der Vertrag auf jeder Seite eine unbedingte Forderung begründet, welche mit der actio directa geltend gemacht werden kann, jedoch eine Forderung, zu welcher sich der Schuldner nur mit Rücksicht auf die Gegenforderung verbindlich gemacht hat. Dieser Umstand giebt dem Schuldner die exceptio doli gegen die Klage desjenigen, welcher die Kontraktsklage zur Eintreibung seiner Forderung mißbrauchen will, ohne selbst seine Schul­ digkeit zu thun. Diese exceptio doli wird bei Käufen, aus welchen auf Bezahlung des Preises ohne Uebergabe der Sache geklagt wird, exc. mercis non traditae genannt, L. 25 D. de act. emti (XIX, 1); L. 4 5 D. de doli mali exc. (XLIV, 4); die Neueren nennen sie allgemein exc. non adimpleti contractus, fassen aber großentheils das Rechtsverhältniß anders auf, wozu sie dadurch verleitet wor­ den sind, daß bei dieser Exception der Beklagte im praktischen Endresultate nicht die Beweislast, son­ dern nur bestimmt zu leugnen hat, daß der Kläger seinerseits erfüllt habe, obwohl das juristische Begründungselement der Exception keineswegs diese Negative, sondern die selbstständige Behauptung ist, daß der Kläger selbst Schuldner aus dem Vertrage geworden sei, mithin dolose handle, indem er ihn zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit anhalten wolle. Nach ihrer Auffassung behaupteten diese Ju­ risten denn, daß der Kläger zur Begründung seiner Klage die Erfüllung seinerseits behaupten, oder wenigstens seine Bereitwilligkeit zur Erfüllung in der Klage ausdrücklich zu erkennen ge­

ben müsse. Glück 4 S. 290 u. v. A. Qui ex contractu bilaterali ad implementum agit, eum primum ostendere oportet, se ex sua parte legem contractus servasse, si quidem talis lex con­ tractus, quae vel primum, vel eodem tempore actorem ad praestandum quid adigat, heißt es bei

Vo» Berträgen.

231

§. 272. In wiefern der, welcher auf Erfüllung anträgt, inzwischen für das, was er leisten soll, Sicherheit bestellen, oder das, was er zu geben hat, gerichtlich Müller, Promptuar., voce implem. No. 2. Vergleicht man damit den §.271, so ist kein Zweifel, daß die Verfasser sich dieser Lehre angeschlosfen haben. Nach derselben muß in der Klage ausdrücklich die Erfüllung als geschehen oder vergeblich angeboten behauptet und in diesem Falle noch angeboten werden. Damit stimmt auch die Praxis überein. (Das O.Tr. IV hat z. B. in einem Erk. v. 26. April 1853, Str. Arch. 9 S. 147, angenommen, daß zu Begründung der Klage des Käufers einer beweglichen, zu einer bestimmten Zeit und gegen baare Zahlung abzunehmenden Sache auf Er­ füllung des Vertrages die mit Beweismitteln unterstützte Behauptung, daß er zur bestimmten Zeit unter Anbietung des Kaufgeldes zur Abnahme der Sache sich gemeldet habe, erforderlich sei. Vergl. unten §§. 229 u. 230 Tit. 11 und die Anm. dazu.) Der Beklagte darf aber, wenn er von der sog. exceptio nondum impleti contractus Gebrauch machen will, sich keinesweges auf ein unbestimmtes allgemeines Leugnen beschränken, wenn der Kläger schon etwas vorgeleistet hat, sondern er muß be­ stimmt den Punkt angeben, welcher noch unerfüllt sei, weil sonst der Kläger nicht entsprechenden Be­ weis führen kann. Unterläßt der Beklagte dies, so beantwortet er die Klage nicht vollständig. In keinem Falle bedarf es zur Begründung der Klage nach §. 271 der Behauptung und des Beweis­ antrittes darüber, daß der Klüger seinerseits gehörig zu erfüllen im Stande sei; vielmehr steht dem Beklagten nur diese Einrede zu, die er zu beweisen hat. O.Tr. v. 9. Juni 1863, Str. Arch. 50 S. 95. (7. A.) Der Verkäufer, soweit ihm der Beweis der Erfüllung obliegt, muß auch den Beweis führen, daß die dem Käufer angebotene Waare der Probe entspricht. R.O.H.G. v. 4. April 1871, Entsch. 2 S. 179. (7. A.) §. 271 paßt nicht auf die Beziehung eines Wechselanspruchs zu dem ihm unterliegenden Rechtsgeschäfte. R.O.H.G. v. 25. April 1871, Entsch. 2 S. 228. (7. A.) Vergl. R.O.H.G. v. 2. Mai 1871, Entsch. 2 S. 247. II. Was die Anwendung des §. 271 betrifft, so findet solche überhaupt nicht aus die Klage aus §. 122 und I. 10 §. 17 wegen Errichtung eines förmlichen Instrumentes statt. Dann hat aber auch der Satz des §. 271 keine allgemeine Gültigkeit, vielmehr gilt er nur von einer einzigen Klasse zwei­ seitiger Verträge, nämlich derjenigen, welche auf beiden Seiten durch eine einmalige Leistung erfüllt werden können. Nur aus diesen Verträgen bedingen sich die beiderseitigen Forderungen, wenn die Naturalien nicht abgeändert worden sind, gegenseitig. Bei allen denjenigen zweiseitigen Verträgen hingegen, welche durch fortgesetzte Leistung wahrend eines gewissen Zeitraums erfüllt werden, muß Tret Eine vorleisten, und dieser kann unmöglich die besprochene Einrede haben. Nur dem anderen Theile steht sie zu. — (7. A.) Das O.Tr. hat angenommen, daß der Anspruch des Vermiethers aus den Miethzins durch die Vorleistung desselben, die Räumlichkeiten zum vertragsmäßigeu Gebrauch hinzu­ geben, bedingt ist, und daß durch die Verabredung, die Miethe pränumerando zu zahlen, jener Grund­ satz nicht alterirt werde. Wenn der Miether vor Ablauf der Kontraktszeit das Miethgelaß verläßt, so kann der Vermiether nur dann auf den Miethzins klagen, wenn er dem Miether für die Restzeit die Möglichkeit gewährt hat, in jedem Augenblick das Miethgelaß wieder in Besitz zu nehmen. O.Tr. III v. 7. Nov. 1873, Str. Arch. 89 S. 354. III. Die Wirkung der Einrede ist in der Regel eine Abweisung der Klage zur Zeit. Meinungs­ verschiedenheit hat sich auch darüber hervorgethan: ob diese Wirkung immer auf gleiche Weise eintrete, sei es, daß der Kläger noch gar nicht, oder nur uuvollständig oder mangelhaft erfüllt, oder auch nur noch wegen Gewährsmängel zu genügen habe. Der letzte Umstand gehört an sich schon gar nicht hier­ her, denn dieserhalb steht eine ganz andere Einrede, nämlich die exc. imminentis evictionis, auch eine exc. doli, die aber andere Wirkungen hat — zu. (Der Grundsatz ist angewendet in dem Erk. des O.Tr. v. 2. Nov. 1849 und v. 22^ Mai 1851, Str. Arch. 1 S. 6 u. 3 S. 30.) Nur wegen gänz­ licher oder theilweiser Nichtleistung ist die Einrede aus unserem §. 271 gegeben, z. B. wenn mehrere Gegenstände für einen ungetheilten Preis verkauft sind, und der Hauptgegenstaud nicht gewährt wird: dann findet gegen den Käufer auch wegen der übrigen verkauften Gegenstände die Klage aus Erfül­ lung nicht statt. O.Tr. II v. 9. Sept. 1851, Str. Arch. 3 S. 65. Ist die Erfüllung ganz unter­ blieben, so leuchtet die gänzliche Unzulässigkeit der Klage zur Zeit ein. Der Zweifel bezieht sich auf den Fall, wenn zum Theil oder in dem Hauptgegenstande erfüllt worden ist und der Beklagte seine Einrede auf Mängel gründet. Nach einer Meinung soll auch dann die Klage zurückgewiesen werden. Das entspricht nicht der Gleichheit der Rechte beider Theile: wer die Uebergabe einmal in der gelei­ steten Art angenommen hat, kann den Geber nicht für alle Zeit mit jener Einrede ganz zurückweisen, sondern muß auch seinerseits in tantum leisten, weil er rechtsgrundsätzlich eben nicht mehr als Ersatz für den Abgang zu fordern hat (§. 395 d. T.), was er mit dieser Einrede erreichen kann, wenn der Geber mehr fordert, als ihm nach Maßgabe seiner Leistung zukommt. Diesen Grundsätzen entspricht die Praxis im Wesentlichen, nach folgenden Rechtsanwendungen: 1. Auf den Fall, wenn in der Hauptsache erfüllt worden ist. a. Die Vorschrift §. 271 findet in ihrem ganzen Umfange nur auf Verträge Anwendung, deren Erfüllung noch geschehen soll. Ist aber der Vertrag seinem Hauptinhalte nach erfüllt, und es werden

232

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 272—279.

niederlegen müsse, ist nach dem Inhalte des Vertrages, und nach den übrigen Umstän­ den der Sache und Person zu beurtheilen. mir wechselseitige und fällige von einander unabhängige Nebenleistungen oder fortlaufende Verbind­ lichkeiten gefordert, so berechtigt diese Vorschrift bei gleichartigen Leistungen nur zur Kompensation, bei ungleichartigen zu dem Anträge auf Erfüllung derselben Zug um Zug, folglich nicht zu einer gänz­ lichen Verweigerung, sondern mir zur Zurückhaltung eines verhältnißmäßigen Theiles der eingeklagten Leistung. Pr. 857 v. 18. März 1840, Entsch. 6 S. 56. — (Der Fall betraf Forderungen aus einem längst vollzogenen Erbpachtskontrakte.) Ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des §. 536 Tit. 20 meint das Pr. nicht, es nimmt das Wort „Zurückhaltung" in seiner weitesten Bedeutung. O.Tr. III v. 18. April 1864, Str. Arch. 54 S. 91. — Der Grundsatz gilt auch bei Verträgen über ein be­ stelltes Werk. O.Tr. IV v. 6. Mai 1852, Str. Arch. 6 S. 140. — Und bei Milchpachtverträgen. O.Tr. III v. 13. Febr. 1854, Str. Arch. 12 S. 125. b) Wenn der Vertrag von Seiten desjenigen, der eine Gegenleistung einklagt, in der Hauptsache erfüllt, und die Erfüllung von dem anderen Kontrahenten angenommen worden, dieser aber behauptet, daß der Kläger allen seinen kontraktlichen Verbindlichkeiten noch nicht nachgekommen sei, und über den Sinn und den Umfang der gedachten Verbindlichkeit unter den Parteien Streit entsteht, kann die Vorschrift des §. 271 nicht Veranlassung geben, den Kläger zur Zeit abzuweisen; vielmehr muß der obwaltende Streit im Urtel entschieden und bestimmt werden, was der Kläger noch zu erfüllen, und der Beklagte noch zu leisten hat. O.Tr. (Pr. 1174) v. 5. August 1842, Entsch. 8 S. 229. c) Wenn der Vertrag von Seiten desjenigen, welcher die Gegenleistung fordert, in der Haupt­ sache erfüllt, und diese Erfüllung von der anderen Seite angenommen worden, so kann von dieser Seite der Anspruch durch die Behauptung, daß der übergebenen Sache die vorbedungenen Eigenschaften gefehlt haben, und durch Berufung aus den §. 271 nicht abgelehnt, es muß vielmehr der aUS dem Mangel vorbedungener Eigenschaft abgeleitete Entschädigungsanspruch besonders begründet und nach­ gewiesen werden. Pr. 978 v. 6. Febr. 1841. Auch Pr. v. 7. Mai 1847, Rechtsfälle 1 S. 154, und v. 22. Mai 1856, Str. Arch. 21 S. 200 (III). d) Das Gleiche gilt bei einem übergebenen (6. A. ausgelassenen) Grundstücke, welches von Hy­ potheken durch den Verkäufer befreit werden soll. Pr. 1051 v. 23. Okt. 1841, verbunden mit Pr. 1592 v. 5. August 1845. c) Die Vorschriften des §.319, die von der Verpflichtung zur Gewährleistung wegen fehlender Eigenschaften einer Sache handeln, setzen in der Anwendung den Fall der schon stattgesundenen Uebergabe der Sache von Seiten des Gebers an den Empfänger voraus. Hat noch keine Uebergabe statt­ gesunden, und wird von demjenigen, der die Sache übernehmen, dagegen aber seinerseits den Kon­ trakt durch Zahlung oder andere Leistung erfüllen soll, der Einwand gemacht, daß er die Sache nicht anzunehmen resp, den Vertrag nicht zn erfüllen schuldig sei, weil es der Sache an den vertragsmä­ ßigen, vorbedungenen oder gesetzlichen Eigenschaften fehle, so ist der Streit nach den allgemeinen Vor­ schriften über die Erfüllung der Verträge, §.271 ff., zu beurtheilen und zu entscheiden. O.Tr. II (Pr. 1442) v. 11. Mai 1844, Entsch. 11 S. 190. f) Der Vertrag gilt aber nicht als in der Hauptsache erfüllt, wenn der Uebernehmer aus einem Mangel in dem Rechte des Leistenden, rechtlich gehindert ist, sich der Sache der Verabredung gemäß zu bedienen. Anwendungen: aa) Beim Verkaufe eines Lehnguts stehen die Rechte vorhandener Lehnsinteressenten der Umschrei­ bung des Besitztitels (6. A. des Eigenthumsüberganges) für den Känser entgegen. Die Hinwegräu­ mung derselben gehört nicht znr Eviktionsleistung des Verkäufers, sondern' zur Vollständigkeit der diesem obliegenden Uebergabe (6. A. Auflassung), und kann daher derselbe auch nach geleisteter Natu­ raltradition (6. A. Auflassung), vor Beseitigung der Rechte jener Interessenten, weder die Zahlung noch die Deposition des rückständigen Pretii fordern.' Pr. 659 v. 3. Mai 1839. bb) Bei Kaufkontrakten über Grundstücke gehört es zu den wesentlichen Theilen der Erfüllung, daß der Verkäufer alles thue, was von seiner Seite erforderlich ist, um den Käufer in den Stand zu setzen, die gerichtliche Zuschreibung auf seinen Namen zu bewirken. Hat daher der Verkäufer unterlassen, die Berichtigung seines eigenen Besitztitels zu bewirken, so ist der Käufer befugt — in­ sofern der Kontrakt nicht etwas Anderes bestimmt, — die Bezahlung der Kaufgelder zu verweigern. Pr. 2002 v. 18. April 1848. (7. A.) Ueber die Frage, was ist Haupt- oder Nebenverpflichtung im Sinne des §.271 d. T. vergl. R.O.H.G. v. 22. Nov. 1873, Entsch. 11 S. 388. Es läßt sich nicht abstrakt, sondern nur nach dem Gesammtinhalt des Vertrages beurtheilen. 2. Auf den Fall der vergeblich angebotenen oder von dem Anderen vereitelten Erfüllung. a) Es ist zur Erfüllung eines Lieferungsgeschästs, bei welchem der Verkäufer oder Lieferant die Waare anbieten oder zuwiegen soll, die Anmeldung von Seiten desselben, daß er zur Lieferung bereit sei, und die Aufforderung an den anderen Theil, die Waare in Empfang zu nehmen, genügend. O.Tr. v. 17. April 1848; Entsch. 17 S. 184. b) Wenn der Käufer durch seine mora solvendi die Uebergabe der verkauften Sache unmöglich

Von Verträgen.

233

§• 273. Ist eine durchaus bestimmte Sache (Individuum) versprochen worden, so kann, statt derselben, dem, welcher sie zu fordern hat, keine andere aufgedrungen werden. §. 274. Ist nur eine aus mehreren bestimmten Sachen versprochen worden, so hat in der Regel der Verpflichtete die Wahl, welche er geben wolle85 * * ). *86 * *87 ******* §. 275. 'Ist eine bloße nach ihrer allgemeinen Gattung bezeichnete Sache (Ge­ nus) versprochen worden, so muß eine Sache von mittlerer Art und Güte gegeben werden8«). §. 276. Wer eine Handlung zu leisten schuldig ist, kann dazu durch gerichtlicke Zwangsmittel, nach Vorschrift der Prozeßordnung, angehalten werden.

§. 277. Wer bei Erfüllung8?) .eines Vertrages ein grobes Versehen88)89sich zu Bersche». Schulden kommen läßt, ist in allen Fällen zum Schadensersatz verbunden88). §. 278. Haben beide Theile unmittelbar aus dem Vertrage selbst Vortheile zu erwarten, so sind beide auch aus einem mäßigen Versehen wechselseitig verpflichtet. §. 279. Hat nur Ein Theil aus dem Vertrage selbst Vortheil zu erwarten, so ist er auch für ein geringes Versehen zu haften schuldig. gemacht hat (durch dazwischen getomniene Subhastation), so darf der Verkäufer das Kaufgeld fordern. O.Tr. v. 18. August 1848, Entsch. 17 S. 144. 3. Aus den Fall, daß die Leistung des Einen auf einen früheren Termin als die des Anderen verabredet ist und beide Termine abgelaufen sind. Fällt der in dem Kaufkontrakte zur Bezahlung der Kaufgelder ohne Vorhehalt festgesetzte Termin auf einen früheren Tag, als der ebenfalls ausdrücklich vereinbarte Termin, bis zu welchem der Ver­ käufer die Befreiung des Grundstücks von bestimmten Lasten und Hypotheken bewirken sott, so kann der Käufer, auch wenn er erst nach Ablauf dieses letzteren Termins auf Bezahlung belangt wird, aus der noch nicht erfolgten Löschung jener Lasten und Hypotheken keinen Einwand entnehmen. Pr. 1771 v. 15. August 1846. Wiederholt angewendet in der Entsch. v. 26. Mai 1848, Rechtsfälle 4 S. 113. Die Absicht kann gewesen sein, dem Verkäufer durch das vorher zu zahlende Kaufgeld erst die Mittel zu der übernommenen Befreiung zu verschaffen. 85) Anwendung I. 16 §. 192. — Bei Käufen gilt die umgekehrte Regel, I. 11 §. 38, auch bei Altentheilsverträgen; denn der Auszügler ist Käufer des Auszuges. Pr. des O.Tr. v. 24. Juni 1848, Rechtsfälle 4 S. 197. — Bergt, unten Anm. zu §. 33 Tit. 1*1. 86) Bergt. H.G.B. Art. 335. Auf Reallasten, hinsichtlich deren ein Versprechen oder deren rechtlicher Entstehungsgrund nicht konstirt, namentlich z. B. aus eine Pfarrabgabe von zwei Schweinen jährlich, findet die Regel des §. 275 keine Anwendung; entsteht in diesem Falle Streit über Alter oder Gewicht der Schweine, so entscheidet die Art der wirklich erfolgten Leistung (Usual-Jnterpretation). O.Tr. I v. 24. April 1863, Str. Arch. 49 S. 177.

87) Unterbleibt die Erfüllung ganz, so muß das Intereffe geleistet werden, wenn der Zwang auf Erfüllung erfolglos ist; denn Verträge müssen erfüllt werden (§. 270), es kommt daher die Frage nach einem Versehen bei der Erfüllung, welche gar nicht vorgefallen ist, nicht vor. Nur bei eingetretener Unmöglichkeit der Erfüllung äußert der Zufall seinen Einfluß; ist nicht reiner Zufall dazwischen getreten^ so kommt auch aus die Unmöglichkeit nichts an, nach §§. 360, 369 d. T. ver­ bunden mit I. 16 §.12. Diese Vorschriften treten den hier, §. 277 ff., gegebenen Bestimmungen in keiner Beziehung entgegen. (7. A.) Die §§. 277—291 d. T. finden nicht bloß in den Fällen Anwendung, wo noch auf Er­ füllung bestanden wird, oder diese im Sinne des §. 360 d. T. unmöglich geworden, sondern auch in den Fällen, wo der Gläubiger die Erfüllung wegen Verspätung nicht mehr anzunehmen braucht. R.O.H.G. v. 6. Okt. 1874, Entsch. 14 S. 390. 88) Sei es durch Handlungen oder Unterlassungen. Die Vorschriften des Tit. 6 können bei positiven Handlungen nur dann in Betracht kommen, wenn solche Handlungen schon für sich, ohne Rücksicht auf den Vertrag, eine Rechtsverletzung verursachen und der Verletzte nicht lediglich die Kon­ traktsklage gebrauchen will; sonst kommen nur die hier gegebenen Bestimmungen zur Anwendung. 89) Die Identifizirung des Fiskus mit der Staatsgewalt hat veranlaßt, daß man den Fiskus dafür hat verantwortlich machen wollen, daß er durch einen Akt der Gesetzgebung verhindert worden ist, einen Vertrag zu erfüllen. Hiergegen ist das Pr. 628 v. 16. März 1839 gerichtet: „Fiskus als Kontrahent kann nicht wegen Vertretung der aus einem Akte der Gesetzgebung hervorgehenden, von ihm angeblich verschuldeten Unmöglichkeit' der Erfüllung des Kontrakts in Anspruch genommen werden. Von einem Versehen — einer Handlung wider die Äesetze aus Mangel der Aufmerksamkeit in den

234

Interesse.

Erster Theil.

Fünfter Titel,

tztz. 280—288.

§. 280. Wer aus dem Vertrage gar keinen unmittelbaren Nutzen zu hoffen hat. bleibt nur für sein grobes Versehen verantwortlich §. 281. Wer eine Handlung übernommen hat, welche besondere Sach- oder Kunstkenntniffe voraussetzt, muß bei Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeit auch das geringste Versehen vertreten9 *). §. 282. In wiefern diese Regeln bei einzelnen Verträgen Ausnahmen leiden, ist gehörigen Ortes festgesetzt. §. 283. Auch steht den Kontrahenten frei, die Grade des Versehens, zu welchen sie sich gleichseitig verpflichten wollen, in dem Vertrage anders zu bestimmen99). §• 284. Was wegen des bei Erfüllung des Vertrages zu vertretenden Grades der Schuld Rechtens ist, gilt auch auf den Fall, wenn einer der Kontrahenten bei Ab­ schließung des Vertrages die ihm obliegenden Pflichten vernachlässigt hat99). §. 285. Wer bei Abschließung oder Erfüllung des Vertrages seine Pflichten vor­ sätzlich, oder aus grobem Versehen, verletzt hat, muß dem Andern sein ganzes Intereffe vergüten9^). Geschäften des bürgerlichen Lebens (§§. 16, 17 Tit. 3 Th. 1) — kann bei Ausübung des Majestätsrechrs der Gesetzgebung nicht die Rede sein, und die Vertretung einer Verschuldung im Sinne des bürgerlichen Rechts (cfr. §§. 284, 322, 362 d. T.) ist bei Ausübung der gesetzgebenden Gewalt, die lein' Geschäft des bürgerlichen Lebens ist, gänzlich ausgeschlossen." Diese Ausführung trifft nicht den Kern. Der juristische Grund ist, weil der Fiskus eine andere Persönlichkeit im juristischen Sinne ist als die Staatsgewalt, folglich nicht für die Handlungen der Gesetzgebung — der Fiskus ist nicht Ge­ setzgeber — verantwortlich sein kann. S. die Anm. 88 zur Cinl. S. 62. 90) Die §§. 278—280 bestätigen die Regeln des R. R. 91) Vergl. Tit. 3 §§. 22, 23.

92) Die Dienstherrschaft ist nicht legitimirt, für das zu ihrem Dienste bestimmte Personal eine kontraktliche Bestimmung zu treffen, welche die Haftung desselben für grobes Versehen ausschließt. O.Tr. IV v. 24. Nov. 1864, Str. Arch. 57 S. 126. 93) (6. A.) Dieser §. normirt die Vertretung der culpa in contrahendo.

94) Vergl. Tit. 3 §. 39, und §. 393 d. T. und die Anm. dazu. Vorausgesetzt ist hier immer ein gültiger Vertrag. Ist der Vertrag ungültig, so findet daraus gar keine Klage, also auch kein Anspruch aus Entschädigung statt. Es kann dann nur das, was auf'Rechnung des Vertrages gegeben worden, zurückgefordert werden. Einen solchen Fall s. Entsch. des O.Tr. 3 S. 325. (6. A.) Auch für den mittelbaren Schaden. O.Tr. III v. 2. Dez. 1870, Entsch. 64 S. 140. — Auch ein Be­ vormundeter muß das ganze Interesse ersetzen, wenn seinem Vormund Vorsatz oder grobes Versehen zur Last fällt, Str. Arch. 75 S. 8 (III). Ein Fall des §. 285 ist z. B. auch der, wenn nach Abschluß eines Kaufs in Pansch und Bogen der Verkäufer vor der Uebergabe Jnventarienstücke weggeschafft und dadurch dem Käufer entzogen hat. Dafür hat der Verkäufer den ganzen Werth als Entschädigung zu leisten und nicht etwa nur nach der Regel §§. 170, 171 Tit. 11 verhältnißmäßig aufzukommen. O.Tr. III v. 17. Febr. 1860, Str. Arch. 36 S. 230. S. auch unten Anm. zu §. 427 Tit. n. Die Verpflichtung zum Schadensersätze kann hier nicht aus den §§. 10, 11 Tit. 6 hergeleitet werden, vielmehr müssen wegen der bei Verträgen zugesügten Schäden nach §. 17 ebend. die hier im Tit. 5 und bei den einzelnen' Arten von Verträgen gegebenen Vorschriften zur Anwendung kommen. O.Tr. I v. 22. Juni 1860, Str. Arch. 37 S.312. Die ex mora rückständigen Prästationen eines Altentheils brauchen nicht in Natur, sie können auch in ihrem Geldwerthe 'nachgefordert werden. Vergl. §. 859 Tit. 11. O.Tr. 11 v. 20. Nov. 1851, Str. Arch. 3 S. 325. Erfüllt Jemand die vertragsmäßig übernommene Verpflichtung, einem Andern freie Kost, Wohnung und Kleidung zu gewähren, aus Vorsatz oder grobem Versehen nicht, so ist der Berechtigte nicht bloß auf die Erstattungsforderung der aus seinem Vermögen gemachten baaren Aufwendungen beschränkt, vielmehr wohl befugt, den ganzen Werth der ihm nicht gewährten Kost, Wohnung und Kleidung zu fordern, wenn er sich solche auch ohne dergleichen Aufwendung ver­ schafft hat. Der Schuldner kann sich durch Vertragsbruch von seiner Verbindlichkeit nicht befreien und den dem Berechtigten von Dritten geschenkten Unterhalt nicht aneignen und sich zu Gute rechnen. O.Tr. III v. 9. Sept'. 1864, Str. Arch. 56 S. 111. Vergl. unten Anm. 96 Abs. 2. Zur Anwendung des §.285- genügt die bloße Nichterfüllung nicht, vielmehr muß, um mehr als die rückständige Leistung (das Interesse) fordern zu können, nachgewiesen werden, daß dem Gläubiger

Von Verträgen.

235

§. 286. Aller Nachtheil, welcher für Jemand daraus entstanden ist, daß der Andere seinen Pflichten gegen ihn nicht nachgekommen, wird unter dem Interesse begriffen »ö). §. 287. Es wird also bei Bestimmung des Interesse nicht bloß auf den wirkli­ chen Schaden, sondern auch auf den durch Nichterfüllung des Kontrakts entgangenen Vortheil»«) Rücksicht genommen. (Tit. 6, §§. 5, 6.) §. 288. Im Fall eines mäßigen oder geringen»') Versehens darf in der Regel nur der wirkliche Schaden ersetzt werden. durch Verschuldung des Schuldners die ihm gebührende Leistung nicht gewährt worden ist. O.Tr. II v. 16. u. 21. Ian. 1862, Str. Arch. 44 ©.*" 158. Bergl. unten Anm. zu §. 19 Tit. 19. (7. A.) Die §§. 285 ff. sind durch §. 273 I. 21 A.L.R. von der Anwendung auf Miethsverträge nicht ausgeschlossen. O.Tr. III v. 28. Mai 1875, Eutsch. 75 S. 74.

95) (6. A.) Interesse bei Erfüllung eines Judikats, Str. Arch. 84 S. 132 (Hl). Wenn ein, aus Lieferung fungibler Sachen, welche einen marktgängigen Preis haben, für eilten bestimmten Preis gerichteter Kaufvertrag von dem Verkäufer nicht durch Lieferung zur verabredeten Zeit erfüllt, und der Verkäufer demnächst zur Lieferung verurtheilt wird, ohne daß die deshalb wider ihn vollstreckte Exekution Erfolg hat, so kann der Käufer als sein Interesse nur den Preis der zu liefern gewesenen Sachen, welcher zu der im Vertrage bestimmten Lieferungszeit (nicht ohne Weiteres zur Zeit des Exekutionsmandats) marktgängig war, fordern; insofern er nicht besondere Umstände nachzuweisen vermag, aus denen sich entnehmen läßt, daß er, wenn ihm die Sachen an dem bedungenen Lieferungstage verabreicht worden wären, einen höheren Gewinn davon hätte ziehen können, oder daß er sie zu einem höheren Preise anderweit habe anschaffen müssen, oder daß ihm sonst durch die ver­ zögerte Lieferung ein den Betrag des obigen Preises übersteigender Schaden entstanden sei; und er wird durch das,' wider den Verkäufer erstrittene, diesen Letzteren zur Lieferung verurtheilende Judikat allein noch nicht berechtigt, einen, nach ergangenem Judikate marktgängig gewesenen, Preis als Ent­ schädigung dafür, daß ihm die Sachen nicht gewährt worden, zu verlangen. Pr. 2082 v. 13. Dez. 1848, Entsch. 17 S. 176. Vergl. jedoch hiermit Pr.-O. Tit. 22 §. 20 und L.R. I H §. 859. — So ist es auch nach Gemeinem Rechte. Vergl. L. 4 D. de condictione triticiaria (XIII, 3); O.Tr. IV v. 7. April 1857, Str. Arch. 25 S. 56. Vergl. oben Anmerk. 83 Abs. 2 zu §. 27Q. — Die Annahme der nachträglichen Erfüllung eines Lieferungsvertrages über verbrauchbare markt­ gängige Waaren schließt den Anspruch des zur Erfüllung am festgesetzten Lieserungstage bereit Ge­ wesenen gegen den Säumigen auf Zahlung der Differenzsumme zwischen dem vereinbarten und dein marktgängigen Preise am festgesetzten Lieferungstage nicht aus; aus diese Differenzsumme ist jedoch die fernere Differenzsumme zwischen dem vereinbarten und dem marktgängigen Preise am Tage der wirk­ lichen Lieferung in Abrechnung zu bringen. O.Tr. v. 20. März 1855, Str. Arch. 17 S. 79. Vergl. H.G.B. Art. 357 Abs. 3. * Ein Cessionarius, dem die nöthigen Instrumente nicht verschafft werden, kann zum juramentum in litem auf De» ganzen Nominalwerth der Forderung zur Feststellung seines Interesses gelassen wer­ den, wenn er auch weniger gegeben hat. O.Tr. v. 6. August 1845, Schles. Arch. 6 S. 469. 96) Die Feststellung des Einen und des Anderen ist begreiflich facti. Aber über keine thatsäch­ liche Frage gehen die Urtheile der Richter soweit auseinander wie über diese. Ein Beispiel giebt der Rcchtsfall in den Entsch. 17 S. 144. Jemand verkauft sein sub basta stehendes Grundstück für 4500 Thlr. Das Kaufgeld soll 4 Wochen vor der Uebergabe mit 2900 Thlrn. gezahlt werden (um davon den Extrahenten der Subhastatiou zu befriedigen) und der Rest am Tage der Uebergabe. Der Käufer zahlt nicht, das Grundstück wird versteigert und für 2000 Thlr. zugeschlagen. Der Verkäufer klagt auf Zahlung des Kaufgelderrestes nach Abzug des Meistgebotes von 2000 Thlrn., zur Schad­ loshaltung wegen Nichterfüllung des Kontrakts. Der erste Richter weist ihn ab, weil ein grobes Ver­ sehen des Beklagten nicht vorliege, der Kläger aber keinen wirklichen Schaden gehabt habe, sondern nur entgangenen Gewinn fordere. Das O.Tr. hingegen verurtheilt den Beklagten, weil das, was der Kläger fordere, lauter wirklicher Schade sei. S. 149. Zu dem Interesse eines von seinem Prinzipal unberechtigterweise entlassenen Verwalters gehört auch der Ersatz für die in Folge der Entlassung entgangene freie Station, die einen Theil des Ge­ halts (der Gegenleistung) bildet; dieser Gehaltstheil muß geleistet werden selbst dann, wenn ein Dritter dem Entlassenen den Unterhalt aus Freigebigkeit gewährt hätte. Das wäre eine ihm gemachte Schen­ kung, die der Schuldner nicht für sich benützen kann. O.Tr. III v. 9. Juli 1860/Str. Arch. 38 S. 135. Vergl. oben Anm. 94 Abs. 5. Die versäumten Früchte (Perzipienden) (§. 229 Tit. 7) sind nicht ein bloßer Mehrbetrag der Perzepten. Zur Darlegung und Begründung des Perzipiendenanspruchs ist daher Die Angabe und der Nachweis des Ertrages der Perzepten nicht erforderlich, vielmehr genügt dazu eine von Sachver­ ständigen ermittelte Ertragstaxe. O.Tr. III v. 10. Mai 1852, Str. Ärch. 5 S. 251. 97) Nämlich wenn der Vertrag von der Art ist, daß auch für geringes Versehen eingestanden

236

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 289—295.

§. 289. Doch müssen Kunst- und Sachverständige auch alsdann das volle In­ teresse vergütend»). §. 290. Wer gewarnt worden, daß von seiner übernommenen Handlung beson­ dere und ungewöhnliche Bortheile für den Andern abhängen "), wird in Ansehung der zu leistenden Vertretung einem Kunst- und Sachverständigen gleich geachtet. §. 291. Wenn Jemand eine Handlung, zu deren Unterlassung er ausdrücklich verpflichtet worden, dennoch begeht, so muß er dem Andern für das ganze Interesse haften 10°). werden muß. Keineswegs ist die Vorschrift so zu verstehen, daß wegen Nichterfüllung aus geringem Versehen in allen Fällen der wirkliche Schade ersetzt werden müßte. Eine solche Anwendung von der Stelle macht auffallenderweise das O.Tr. in dem, in der vor. Anm. 96, erwähnten Rechtssalle, wo S. 148 gesagt wird: „Es muß dem Kläger darin beigetreten werden, daß der Beklagte für einen sol­ chen zu achten, welcher seinen vertragsmäßigen Pflichten mindestens aus mäßigem oder geringem Ver­ sehen nicht genügt hat. — Auch derjenige, welcher bei Erfüllung eines Vertrages seinen Pflichten, auch nur aus mäßigem oder geringem Versehen, nicht nachkommt,' muß aber dem Anderen den ihm ent­ standenen Schaden ersetzen. §§. 288, 360 d. T. Bei Käufen aber hat jeder Theil nur ein mäßi­ ges Versehen zu verantworten. §. 278 und Tit. 11 §. 103." Hätte also der Käufer nur aus einem geringen Versehen die Nichtzahlung verschuldet, so würde er dem Verkäufer gar nichts schuldig ge­ wesen sein, also kann man das mäßige und das geringe Versehen hier nicht gleichstellen. Soll sich das geringe Versehen aus §. 360 beziehen, so ist die Anwendung dieses Gesetzes gleichfalls nicht zu­ treffend. Dort ist die Rede von der Aufhebung eines Vertrages wegen (objektiver) Unmöglichkeit; und es ist der Grundsatz ausgesprochen: wegen Unmöglichkeit, die nicht durch reinen Zufall eingetreten ist, wird kein Vertrag ausgehoben, d.' h. der Schuldner wird nicht liberirt, er muß erfüllen oder das Interesse leisten, wenn die Unmöglichkeit irgendwie von ihm verursacht worden ist. Also dieses geringe, ja geringste Versehen, oder auch die nur in seiner Person liegende zufällige Ursache (§. 369), bezieht sich lediglich auf die Frage: ob der Vertrag gilt, oder ob er aufgehobeu ist. Gilt er, so kom­ men wegen der Entschädigungsfrage die hier §. 277 ff. vorgeschriebenen Grundsätze ausschließlich zur Anwendung. Uebrigens entsteht aus dem Mangel an Gelde überhaupt gar keine in Betracht kom­ mende (objektive) Unmöglichkeit der Erfüllung (Tit. 4 §. 129), sonst würden die meisten Schuldner von selbst liberirt sein. 98) Immer vorausgesetzt, daß ihnen ein Versehen zur Last fällt. Jemand hatte von einem Kauf­ manne Saamen von weißen Zuckerrüben verlangt und auf diese Bestellung Saamen von rothen Rüben geliefert erhalten. Er behauptete, in Folge der Nichterfüllung des Vertrags Schaden durch den geringen Ertrag der Futterrüben, in Vergleich mit dem Ertrage der weißen Zuckerrüben, welchen er bei richtiger Erfüllung des Vertrages erzielt haben würde, erlitten zu haben und forderte dafür Ersatz. Das O.Tr. wies, das Appellationsurtel bestätigend, den Kläger ab, weil dem Beklagten, der ein Kaufmann war, und also den Saamen nicht selbst produzirt hatte, kein Versehen beizumessen sei, indem von ihm nicht verlangt werden könne, daß er aus eigener Wissenschaft eine Kenntniß über die Qualität (sollte heißen: Art) des von ihm gelieferten Saamens besitze, welche ein Sachverständiger (der war ein Bäcker und deshalb ein zweifelhafter Sachverständiger) und der Kläger selbst, insofern dieselbe auf Anschauung zu begründen, für unmöglich erklärt härten. O.Tr. v. 8. Jan. 1861, Str. Arch. 40 S. 124. Der Rechtspunkt ist richtig aufgefaßt, aber die Sache ist schlecht geführt und des­ halb mit Recht verspielt. Es ist nicht richtig,' daß ein Saamenkenner den Saamen von weißen Zucker­ rüben nicht von Saamen der rothen Rübe unterscheiden könnte; der Unterschied fällt, wie Koch aus laudwirthschaftlicher Erfahrung weiß, leicht in die Augen, zumal wenn man beide Arten nebenein­ ander hält. Der Saame der weißen Rübe ist in der Farbe beteulend Heller, als der der rothen. Ein Bäcker ist hierin kein Sachverständiger, und der Kläger kann ein solcher nach seinem Zugeständ­ nisse auch nicht gewesen sein. Aber ein Kaufmann muß Waarenkuude haben, ein Saamenhändler also auch die verschiedenartigen Sämereien unterscheiden können, wenn er sich nicht verantwortlich machen will. 99) Jemand soll eine ungewöhnlich theuer verkaufte Sache, gehörig verpackt, an einem bestimm­ ten Orte zu einer kurz bestimmten Zeit zur Eisenbahn abliefern, widrigenfalls der Käufer zurücktreten kann. Er überträgt einer Person die Herbeiholung einer ganz genau bezeichneten Kiste aus einem Magazine in einem anderen Orte, und macht sie aufmerksam darauf, daß, wenn sie sich bei der Aus­ wahl der Kiste versehe, so daß sie nicht gebraucht werden könne, oder sie zu spät zurückkomme, die Ablieferung nicht zur rechten Zeit geschehen könne und dann der vortheilhaste Handel zurückgehe. Die Kiste wird zeitig genug herbeigeschafft, sie paßt auch, aber der Deckel ist zu kurz, der Abholende hat denselben in der Kiste als dazu gehörig gefunden, doch nicht mit der Kiste verglichen. Nun wird die Ablieferung unmöglich und der vortheilhaste Handel wird vereitelt. 100) Diese Vorschrift setzt Vorsatz oder grobes Versehen voraus.

Suarez war der Meinung, es

Don Verträgen.

237

§. 292. Das Interesse, welches ein Kontrahent dem Andern, bei nicht gehörig geleisteter Erfüllung des Vertrages, zu vergüten hat. kann durch Verabredung einer Strafe x) im Voraus bestimmt werben2 * ).13 Anh. §. 6.

Die bei Kaufkontrakten über adelige Güter mit Personen, die zu deren Besitz ohne

Konsens nicht qualifizirt sind, für den einen oder den andern Theil beigefügte Nebenverabredung einer Konventionalstrafe, auf den Fall, daß der Konsens nicht ertheilt werden sollte, ist nichtig und unverbindlich8).

§. 293. Wo dergleichen Strafe festgesetzt worden, da findet die Forderung eines hohem Interesse nicht statt 4).* * * §. 294. Ist aber die Strafe nur aus eine gewisse Art des Schadens, welche aus der Nichterfüllung des Vertrages entsteht, gerichtet, so bleibt es in Ansehung anderer Arten und Fälle bei den Vorschriften der Gesetze. §. 295. War die Strafe nur auf die Zögerung in der Erfüllung gesetzt, so ist lasse sich nicht denken, daß Jemand eine Handlung, deren Unterlassung er versprochen habe, begehe, ohne vorsätzlich gegen seine Verbindlichkeit zu handeln. Das gehört zur Beweissührung, und bestätigt eben die Voraussetzung. Im Rechtsprinzip ist nichts geändert, dies ist in der speziellen Lehre von Verträgen über Handlungen ausdrücklich aufrecht erhalten. I. 11 §. 890. Zwischen beiden Stellen ist kein Widerspruch; denn unser §. 291 verordnet für den Fall des bloßen Versehens nicht das Ge­ gentheil. (7. A.) Dem Kläger liegt nicht der Beweis des groben Versehens oder des Dolus ob, wenn er auch Ersatz des entgangenen Gewinnes fordert. O.Tr. IV v. 21. Jan. 1875 , Entsch. 74 S. 153. 1) Die Natur der Konventionalstrafe haben alle Nachtheile, welche der Verpflichtete leiden, und alle Vortheile, welche er dem Berechtigten für den Fall der Auflösung oder Nichterfüllung des Ver­ trages gewähren soll und welche — abgesehen von dieser Stipulation'— aus der bloßen'Auflösung des Vertrages, oder einer nicht vertragsmäßig geleisteten Erfüllung des Vertrages, rechtlich nicht folgen. Es ist gleichgültig, ob das Wort „Strafe" gebraucht, und ob ausdrücklich im Vertrage gesagtist, daß damit das Interesse vergütet werden solle, wenn es nur aus dem Vertrage von selbst folgt. Daher enthält z. B. die Verabredung in einem Erbpachtvertrage, daß, wenn der Kanon über gewisse Termine hinaus rückständig bleibe, nicht bloß der Vertrag aufgehoben sein und das Grundstück zurück­ gewährt werden solle, sondern auch die vom Erbpächter darauf errichteten Gebäude unentgeltlich zurückgegeben werden sollen, in ihrer letzten Bestimmung eine Konvenstionalstrase. Pr. v. 4. August 1847, Entsch. 15 S. 264. Vergl. das Pr. v. 11. Januar 1847, Ulrich, Arch. 13 S. 178. 2) Ist dieses Interesse in solcher Weise im Voraus bestimmt, so kann, wenn die Konventional­ strafe nicht gefordert werden kann (§. 307), überhaupt das Interesse wegen nicht rechtzeitiger Erfül­ lung nicht mehr beansprucht werden. O.Tr. IV v. 8. Februar 1866, Str. Arch. 63 S. 77. Die Konventionalstrafe ist keine Accession, keine Erweiterung der Obligation aus innen heraus; der Anspruch auf dieselbe beruht auf einem mit dem Hauptvertrage in Verbindung gesetzten Vertrage, einem pactum adjectum, und auf dieser Grundlage entwickelt sich, namentlich wenn die den Anspruch bedingenden Thatsachen eingetreten sind, eine fällige und vom Fälligkeitstage an selbstständige und klagbare Forderung. O.Tr. IV v. 21. Mai 1867, Str. Arch. 67 S.221.

3) Die unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung aus den bezeichneten Fall kann zwar seit dem Edikte v. 9. Okt. 1807 §. 1 nicht mehr Vorkommen, aber der Rechtsgrundsatz selbst ist darum nicht obsolet geworden, und es kommen noch ganz gleiche Fälle für seine Anwendung vor, z. B. die Veräußerung von Grundbesitz an Soldaten; die Veräußerung von Rittergütern an Dorfgemeinden und Ausländer. 4) Deswegen kann Strafe und Interesse niemals zusammen gefordert werden, außer dem Falle des §. 294. Vergl. I. 11 §. 826. Namentlich können Zögerungszinsen neben einer Konventional­ strafe nicht gefordert werden. O.Tr. IV v. 27. Januar 185*2, Str. Archiv 4 S. 303. (6. A.) Dieser Satz ist nicht durch das Bundesgesetz v. 14. Novbr. 1867 beseitigt. O.Tr. III v. 13. Septbr. 1872, Entsch. 67 S. 323; Str. Arch. 86 S. 180. — Vergl. H.G.B. Art. 384 Abs. 3. Diese Bestimmung hebt den §. 298 Tit. 21, wonach der Rückstand zweier Pachttermine den Ver­ pächter zur Aufkündigung vor Ablauf der bedungenen Zeit berechtigt, nicht auf, der Verpächter kann daher, wenn im Pachtverträge eine Konventionalstrafe aus die Säumniß des Pächters mit der Pacht­ zahlung festgesetzt ist, sowohl dieses ihm aus der Säumniß entspringende Interesse fordern, als auch von der ihm in jenem §. 298 gesicherten Resolutivbedingung Gebrauch machen. O.Tr. III v. 24. Oktober 1864, Str. Arch. 57 S. 25. (7. A.) Möglichst enge Auslegung. R.O.H.G. v. 13. Juni 1874, Entsch. 13 S. 388,

238

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 295—306.

der andere Theil bei seinem Ansprüche auf dasjenige Interesse, welches aus der gänz­ lichen Nichterfüllung entsteht, an diese Bestimmung ft) nicht gebunden. §. 296. War hingegen die Strafe auf die gänzliche Nichterfüllung gesetzt, so darf in Fällen, wo nur ein Theil des Vertrages unerfüllt geblieben, oder nur in der Art, der Zeit oder dem Orte der Erfüllung gefehlt ist, nicht die Strafe, sondern nur das erweisliche Interesse geleistet werden. §. 297. Zu körperlichen, die Freiheit oder die Ehre verletzenden Strafen kann Niemand durch Verträge sich verpflichten. §. 298. Ist eine Handlung zur Strafe gesetzt, welche selbst kein Gegenstand eines Vertrages sein kann, so ist die Verabredung in sofern sie die Strafe betrifft «Z, nichtig. §. 299. Wieviel bei Anlehnen Konventionalstrafe vorbedungen werden dürfe, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. 11, tz. 825.) §. 300. Bei andern Verträgen hängt zwar die Bestimmung der Strafe von der Verabredung der Parteien ab , ' §. 301. Wird jedoch dadurch der doppelte Betrag des wirklich auszumittelnden Interesses überstiegen, so muß der Richter die Strafe bis aus diesen doppelten Betrag ermäßigen ’). §. 302. Ist das Interesse gar feiner8 5)6Schätzung 7 fähig; so hat es bei dem ver­ abredeten Betrage der Strafe lediglich sein Bewenden. 5) Daß nämlich ein höheres Interesse als die Strafe nicht gefordert werden kann. Allein das Interesse wegen gänzlicher Nichterfüllung absorbirt das Interesse wegen der Zögerung. Wird also das höhere Interesse wegen Nichterfüllung gefordert, so kann nicht außerdem auch noch die auf die Zögerung gesetzte Strafe gefordert werden.' Jedoch besteht das Recht auf die Strafe, welches durch Zögerung erworben ist, neben den Ansprüchen, welche daraus entstehen, daß die verspätete Leistung

außerdem vertragswidrig ist und vertragsmäßig nicht hergestellt werden kann. O.Tr. IV v. 27. No­ vember 1862 , Str. Arch. 46 S. 334. Ist für den Fall der nicht pünktlichen Zahlung z. B. eines Kaufpreises eine Konventionalstrafe verabredet worden, so können bei eingetretenem Verzüge Verzugszinsen seit der Insinuation der Klage sowohl von der Hauptforderung, als auch von der Konventionalstrafe gefordert werden; die Verbots­ gesetze über unerlaubten Zinswucher finden daraus keine Anwendung. O.Tr. HI D. 11. Sept. 1857, Str. Arch. 27 S. 29. 6) Kann die Handlung, auf deren Unterlassung die Strafe gesetzt ist, nicht Gegenstand eines Vertrages sein, so ist der ganze Vertrag nichtig. Tit. 4 §§. 6 ff. Namentlich auch dann, wenn die Strafe auf die Unterlassung einer von Anfang an rechtlich, sittlich oder natürlich unmöglichen Leistung versprochen worden ist. L. 69 D. de verb. obl. (XLV, 1). 7) Die Klage aus die ganze Strafe ist durch das Versprechen, ohne weitere Darlegung begrün­ det. Wenn der aus Zahlung einer Konventionalstrafe in Anspruch Genommene die Behauptung auf­ stellt, daß dieselbe den doppelten Betrag des Interesses des Berechtigten übersteige, so ist dies eine Einrede, welche der Erstere beweisen muß. Pl.-Beschl. (Pr. 1676) v. 23. Jan. 1856, Entsch. 12 S. 3. Die Einrede des Uebermaßes muß der Bekl. also immer besonders erheben und begründen. O.Tr. III v. 15. Mai 1857 , Str. Arch. 27 S. 32. Nach den Bestimmungen der §§. 299, 300 ist die Höhe der Konveutionalstrasen bei anderen als Darlehnsverträgen lediglich der Verabredung der Parteien überlassen und nur durch die Bestimmung des §. 301 beschränkt; die Beschränkung ist mir für Darlehn (6. A. und andere kreditirte Forderungen) aufgehoben. (6. A. Bundesgesetz v. 14. Novbr. 1867, B.G.Bl. S. 159. Bergt. O.Tr. III v. 20. Mai 1870, Entsch. 63 @.60; IV v. 30. März 1871, Entsch. 65 S. 40.) Unten Zusatz zu §. 804 Tit. 11. — Die Beschränkung auf das Duplum kommt aus der Justinianischen Verordnung in der L. un. C. de sent. quae pro eo (VII, 47).

8) Das läßt sich bei verzögerter Zahlung einer Summe, z. B. von Kausgeldern, nicht sagen. Entweder ist ein bestimmtes besonderes Interesse zu erweisen, oder nicht. In dem zweiten Falle ist der landübliche Zinsfuß maßgebend, dessen doppelten Betrag die Strafe nicht übersteigen darf. Auf diesen Betrag kann aber die Strafe hier auch gültig ausbedungen werden. Der §. 825 Tit. 11 steht nicht entgegen, er beschränkt sich auf Darlehn. §§. 299, 300. Entsch. 12 S. 10. Em Äppellationsrichter war von der Ansicht ausgegangen, daß die Konventionalstrafe nur den Zweck habe, demjenigen, zu dessen Gunsten sie verabredet worden, zur Vergütung für den Nachtheil, den er aus der nicht gehörigen Erfüllung des Vertrages erleide, zu dienen. Diese Ausiaffung miß­ billigt das O.Tr. „Es ist nicht richtig"' — sagt es'— „daß die Konventioualstrase nur dazu be-

Von Verträgen.

239

§. 303. Ein Gleiches findet statt, wenn die Strafe zur Verhütung eine? Verbre­ chens , woraus dem andern Theile ein besonderer Nachtheil entstehen könnte, verabre­ det worden. §. 304. Auf den Fall der nicht gehörig entrichteten Strafe darf weder eine fer­ nere Konventionalstrafe9 * )* *festgesetzt, ***** noch Verzinsung vorbedungen 10)11werden. 12 §. 305. Wenn nicht ein Anderes verabredet worden, ist die Strafe verfallen, sobald der Verpflichtete sich einer Zögerung schuldig macht"). §. 306. Ist die Strafe einmal verwirkt'9), so kann sie durch spätere Erfül­ lung des Vertrages nicht mehr abgewendet werden. stimmt sei, für den entstehenden Nachtheil Ersatz zu leisten; dies ergiebt die Bestimmung des §. 308, nach welcher verabredet werden darf, daß die Strafe einem Dritten zufallen soll. Ihre'Funktion ist, namentlich in den Fällen, wo sie neben der Leistung selbst und auf die Verzögerung der Leistung gesetzt ist, durchgängig ans die Bestärkung und eine Sicherung der vertraglichen Obliegenheit gerichtet. Kann aber auch dieses der Zweck sein, der durch die Verabredung einer Konventionalstrafe erreicht werden soll, so ergiebt sich daraus, daß der dieselbe betreffende Vertrag an seiner Gültigkeit nichts verliert, wenn auch ein Vermögensinteresse nicht sogleich augenscheinlich hervortritt. Denn es giebt auch Interessen mancherlei Art, die sich auf einen Geldwerth nach Zahlen nicht zurucksühren lassen. Daraus folgt, daß der Kontrahent, dem die Strafe zufallen soll, bei eingetretener Bedingung, sie als ein ihm vertragsmäßig zustehendes Recht einklagen darf. Er hat dann weiter nichts zu beweisen, als daß die Bedingung, von welcher sein Recht abhängig, eingetreten ist. Der Beklagte hingegen kann, wenn das Interesse nach Geldwerth sich beweisen läßt, die Beschränkung, Ermäßigung aus den doppelten Betrag des festgestellten Interesses, fordern. Kann er aber einen solchen Beweis nicht füh­ ren, kann er das Interesse selbst nicht darlegen, und mithin auch nicht den Betrag desselben, so bleibt es bei dem Vertrage. Denn der Berechtigte, der sich auf sein vertragsmäßiges Recht beruft, hat einen weiteren Beweis und namentlich den, daß ihm irgend ein Vermögensnachtheil dadurch, daß der die Strafe Versprechende nicht erfüllt habe, entstanden sei, nicht zu liefern." O.Tr. IV v. 25. Oktober 1866, Str. Arch. 66 S. 96.

9) Im authentischen Texte steht „Kontraventionalstrase". Der Druckfehler ist von selbst ersichtlich. Die in einem Vertrage stipulirte Wandelpön hat den Charakter einer Konventionalstrafe dergestalt, daß auf den Fall der nicht gehörig erfolgenden Entrichtung derselben keine fernere Konventionalstrafe oder Wandelpön vorbedungen werden darf. O.Tr. IV (Pr. 2146) v. 7. Sept. 1849, Entsch. 19 S. 93. Bergl. §§. 292 u. 312 d. T. Die Bestimmung eines Vertrages, daß ein Kontrahent bei verzögerter Zahlung festgesetzter Bei­ träge, diese doppelt zu zahlen gehalten, im Falle der verweigerten Doppelzahlung aber aller Vertrags­ rechte verlustig sein solle (lex commissoria), enthält nicht die Festsetzung einer doppelten, sondern einer alternativen Konventionalstrafe und ist daher erlaubt. Pr. des O.Tr. v. 11. Ian. 1847, Ulrich, Archiv 13 S. 183. (6. A.) Hinschius in seiner Zeitschrift für Rechtspflege und Gesetzgebung B. 2 S. 35 behauptet, daß seit dem Bundesgesetz v. 14. Novbr. 1867 auch für die Nichtentrichtung einer Konventionalstrafe eine fernere Konventionalstrafe verabredet werden könne, §. 304 daher für aufgehoben zu erachten sei. Dieser Ansicht steht entgegen, daß das Bundesgesetz die freie Vereinbarung über die Höhe der Strafe nur bei Darlehneu und kreditirten Forderungen zugesteht, die verabredete Konventionalstrafe aber nicht als eine kreditirte Forderung aufgefaßt werden kann. 10) Nur Konventionalzinsen sind unerlaubt. Zögerungszinsen sind unverboten und verstehen sich von selbst. Denn die Strafe ist eine Vergeltung des Interesses nur bis zum Fälligkeitstage. Von da an erwächst ein neues Interesse, welches eben durch die gesetzliche Taxe der landüblichen Zinsen aus­ geglichen wird. Daraus ergiebt sich zugleich der terminus a quo. Das Interesse ist durch Verab­ redung auf eine bestimmte Geldsumme festgestellt und bedarf daher nicht mehr der Feststellung durch Urtel.' Deshalb findet der Grundsatz, daß in diesem Falle die Verzinsung vom Tage des Urtels an­ fange, hier nicht Anwendung. Vielmehr ist es damit wie mit jeder anderen Geldobligation. Ist der Verfalltag unbestimmt, so ist der Tag der Mahnung, und wenn ein solcher nicht nachgewiesen wird, der Tag der insinuirten Klage der terminus a quo für die Zögerungszinsen. I. 7 §. 222; I 16 §. 71; Proz.-O. Tit. 7 §. 48.

11) Unbedingt, ohne daß dem Schuldner dabei eine Verschuldung zur Last fällt. Bergl. L. 12 C. de contrahenda et committ. stipul. (VIII, 38). Denn die Strafe ist eine Forderung unter einer Bedingung, und bei der Bedingung wird auf Imputation nicht gesehen. I 4 §.100; L. 115 §. 1 D. de verb. obl. (XLV, 1). Es vedarf daher auch keiner vorgängigen Mahnung. — L. 23 pr. D. de obl. et act. (XLIV, 7). Die exceptio doli schützt jedoch immer gegen die Verwirkung der Strafe, wie bei einer Bedingung.

12) Vor der Verwirkung ist fie kein selbstständiger Gegenstand des Vermögensrechts und kann mit-

240

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 307—310.

§. 307. Hat jedoch der Andere") die nachherige") Erfüllung ganz oder zum Theil ohne Sorbefcalt18) angenommen, so kann er aus die Konventionalstrafelsi) nicht ferner antragen17). hin nicht cedirt oder bei der Cesston des Hauptrechts Vorbehalten werden. S. unten Anm. zu §. 382 Tit. u. 13) Persönlich. Hat ihn ein Dritter beim Empfange, ohne besondere Spezialvollmacht, vertreten, so geht das bereits erworbene Recht auf die Konventionalstrafe durch das bloße Stillschweigen des Em­ pfängers nicht verloren; weil der Dritte nicht ermächtigt war, bereits erworbene Rechte auszugeben. Bergt. Pr. des O.Tr. v. 11. Januar 1847, Ulrich, Arch. 13 S. 180.

14) D. h. die später nachgeholte, rückständig verbliebene Leistung eines Termines, nicht die nach­ herige Leistung einer später wiederholt fällig werdenden Post. S. die folg. Anm. Abs. 2.

15) Der Vorbehalt muß sofort bei der Annahme ausgesprochen werden und mit dieser zusammen­ fallen ; eine Frist zur Erklärung des Vorbehalts findet weder überhaupt, noch insbesondere, wie bei der Erklärung über die Annahme'eines Versprechens bei der Eingehung eines Vertrags, statt. Pr. 1263 b v. 28. Jan. 1843. Vergl. Pr. v. 10. Dez. 1847, Rechtsf. 3. S. 203. Dies gilt auch von dem Falle, wenn nach der Verabredung die dem Berechtigten bestellte Kaution bei verzögerter Erfüllung als Kon­ ventionalstrafe verfallen soll. O.Tr. III v. 24. Sept. 1858, Str. Arch. 30 S. 265. — Den Beweis des bei der Annahme gemachten Vorbehaltes hat der Gläubiger, welcher trotz der späten Annahme die Konventionalstrase fordert, zu führen. Erk. dess. IV v. 8. Februar 1866, Str. Arch. 63 S. 75. Nimmt nicht der Gläubiger selbst, sondern ein Bevollmächtigter die Erfüllung stillschweigend an, so darf der §. 307 nicht zur Anwendung kommen, sofern nicht angenommen werden kaun, daß der Bevollmächtigte ermächtigt gewesen, ein erworbenes Recht aufzugeben. Die Bestimmung des §. 307 findet nicht An­ wendung, wo die Strafe verwirkt wird nicht durch ein Unterlassen (Zögern), sondern durch ein Thun, welches der Vereinbarung nach unterbleiben soll und daher verboten ist. Erk. dess. IV v. 21. Mai 1867, Str. Arch. 67 S. 222. — Ist aber, nachdem der Fall der Kontravention eingetreten, die Absicht oder der Vorbehalt, daß man die Strafe fordern wolle, z. B. bei der Mahnung au die Haupterfüllung einmal ausdrücklich erklärt worden, so bedarf es zur Erhaltung des Anspruchs auf die Strafe nicht nothwendig der Wiederholung des Vorbehalts gegen den Kontravenienten bei der späteren Annahme der Erfüllung. O.Tr. IV v. 24. Okt. 1850, Entsch. 20 S. 89. Vor Verfall der Strafe kann ein Vorbehalt mit rechtlicher Wirkung nicht gemacht werden. O.Tr. III v. 10. Dez. 1847 , Rechtsfälle 3 S. 203. — (7. A.) O.Tr. I v. 23. Januar 1874, Str. 91 S. 40. Zur Begründung der Klage auf die Konventionalstrafe gehört nicht die Behauptung, daß die verspätete Erfüllung ohne Vorbehalt an­ genommen, sondern es ist Sache des Beklagten, durch Einrede geltend zu machen, daß Kläger das Recht ans die Konventionalstrafe eingebüßt, weil er die Erfüllung ohne Vorbehalt angenommen. R.O.H.G. v. 3. März 1874 , Entsch. 13 S. 14. Entspringen aus einem lästigen Vertrage für einen Kontrahenten mehrere einzelne, jede für sich bestehende Leistungen, und ist nur die Nichterfüllung der einen oder der anderen derselben mit einer Konventionalstrafe bedroht worden, so geht durch die Annahme einer der einzelnen, nicht der Strafe unterworfenen Leistungen ohne Vorbehalt, das Recht auf Einforderung der in Betreff einer anderen Leistung bestimmten, schon verfallenen Konventionalstrafe nicht verloren. Pr. 1263» v. 28. Jan. 1843. — Ebenso bei Verträgen über terminliche Leistungen begründet die, ohne Vorbehalt geschehene Annahme späterer Terminalzahlungen keinen Erlaß der durch Nichtleistung früherer Termine einmal verwirkten Konventionalstrafe. Denn jede fällig gewordene Stückleistung oder wiederkehrende Leistung ist, in Be­ ziehung auf Verzug, als eine selbstständige Forderung zu betrachten. O.Tr. v. 4. August 1847 Nr. II, Entsch. 15 S. 265. Der Vorbehalt kann formlos, auch mündlich erkärt werden; denn der Mangel des Konsenses bei der Leistung hindert die Erlöschung der Obligation. S. Anm. 17. 16) Oder auf Schadensersatz. Denn die Konventionalstrase schließt jeden anderweitigen Entschä­ digungsanspruch aus. §. 293. O.Tr. IV v. 5. Febr. 1856, Str. Arch. 20 S. 131.

17) Aus dem Grunde, weil die Obligation durch Erfüllung getilgt, der Schuldner liberirt und daS Klagerecht erloschen, wegen der Accessionen aber in der Regel keine besondere Klage stattfindet. Deshalb können z. B. auch Verzugszinsen (ebenfalls Accessionen, wie Interesse, Schäden und Kosten) nach geschehener Tilgung der Hauptobligation (d. h. Annahme der Erfüllung ohne Vorbehalt) nicht nachgefordert werden — s. Pl.-Beschluß (Pr. 1645) v. 12. Sept. 1845, Entsch. 11 S. 3, 14 — ver­ möge des Grundsatzes §. 108 Einl. Vergl. Anm. dazu. — Das O.Tr. ist sogar der Meinung, daß ein Vorbehalt wirkungslos sei. Es hat den Satz ausgesprochen, daß Verzugszinsen, wenn sie bei Ein­ klagung des Kapitals nicht mitgefordert werden, auch auf Grund eines Vorbehalts in der Klage, selbst wenn in dem Urtel bestimmt sei, daß es bei diesem Vorbehalte zu belassen, durch eine neue Klage nicht nachgefordert werden könnten. Erk. IV v. 17. Okt. 1854, Str. Arch. 15 S. 119; Entsch. 26 S. 270. Den Satz hält Koch für sehr zweifelhaft, er hat die Fassung des §. 307 „ohne Vorbehalt" rmd den Schluß vom Gegentheile wider sich, und entspricht auch nicht den Rechtsanschauungen der

241

Von Verträgen.

§. 308. Soll die verabredete Konventionalstrafe einem Dritten zufallen, so hat dieser nicht eher ein Recht, sie zu fordern, als bis der Kontrahent, zu dessen Sicherheit sie bedungen worden, auf deren Entrichtung anträgt. §. 309. Der Dritte selbst kann also aus Erlegung der Konventionalstrafe, auch wenn er sie acceptirt hätte, niemals klagen"). §. 310. In allen Fällen, wo auf Erfüllung des Vertrages nicht geklagt werden kann, findet auch die Forderung einer Konventionalstrafe nicht statt"). Neuzeit, nach welchen ein solcher Vorbehalt die Konsummation der Klage hindert. Vergl. Seusfert im Archiv s. civil. Praxis, 1 S. 232 ff.; Linde, Civilprozeß, §. 153 Note 7. — (g. A.) Die Ver­ abredung, daß bei nicht pünktlicher Zinszahlung das Kapital sofort fällig sein soll, ist nicht die Verab­ redung einer Konventionalstrafe und unterliegt daher nicht dem §. 307. O.Tr. in v. 3i. Mai 1872, Entsch. 67 S. 207. — (7. A.) Eine dem §. 307 d. T. entgegenstehende Abrede ist statthaft. R.O.H.G. v. 29. Novbr. 1873, Entsch. 11 S. 440. 18) Der vorausgesetzte Fall findet sich in Hymmen 3 S. 38 ff. Zwei verschiedene Eheleute machen mit einander aus, daß sie fortan einander nicht beleidigen wollen, bei 500 Thlr. Konventionalstrafe, welche an die Armenhäuser verfallen sollten. Die Frau, behauptend, sie sei brieflich beleidigt worden, klagt gegen den geschiedenen Mann auf Entrichtung der Strafe an die Armendirektion. Es erfolgt Berurtheilung in' erster Instanz. Der Bekl. appellirt und in dieser Instanz versöhnen sich die Par­ teien; die Kl. nimmt die Klage zurück. Nun klagt die Armendirektion auf jene Strafe als ihr schon zuerkannt. Der Bekl. wurde in beiden Instanzen verurtheilt, weil es — nach G. R. — der Acceptation gar nicht bedurft habe. Das O.Tr. änderte ab und wies die Klage zurück, weil — selbst wenn nach erfolgter Acceptation des Armendirektorii die Promissoria nicht hätte zurücktreten können — man doch bei erwähntem Versprechen tacitam conditionem voraussetzen müsse, daß der eine Theil auf des Anderen Bestrafung auch wirklich dringe und solche erstreite. Hieran mangele es in diesem Falle. — Daraus wird der Sinn der §§. 308 und 309 klar. 19) Weil überhaupt die Hauptobligation und die actio fehlen. S. die Anm. 17 und unten Anm. zu §.871 Tit. 11. (6. A.) Deshalb ). B. auf Verträge über Handlungen nicht anwendbar, Str. Arch. 81 S. 311 (IV). Deshalb ist ferner z. B. die Konventionalstrafe, welche sich der Käufer einer Handlung, in einem nach Publikation des Gewerbesteuer-Edikts v. 2. Novbr. 1810 geschlossenen Ver­ trage, für den Fall von dem Verkäufer hat versprechen lassen, daß derselbe sein Angelöbniß, an dem­ selben Orte ein gewisses Gewerbe nicht betreiben zu wollen, brechen sollte, unklagbar. Pr. v. 17. Febr. 1844, Entsch. 11 S. 197. Auch Erk. dess. IV v. 17. Januar 1854, Str. Arch. 11 S. 238. Der Vermiether ist nicht verpflichtet, eine für den Fall des Verkauss und der Aushebung des Miethsvertrags versprochene Entschädigung zu bezahlen, wenn der Miether selbst durch Nichterfüllung seiner kon­ traktlichen Verpflichtungen zur Kündigung Veranlassung gegeben hat. Erk. des O.Tr. III v. 29. Nov. 1852, Str. Arch. 7 S. 171. — M. s. auch oben Anm. 59 zu §. 232 d. T. — Wenn aber der eine Kontrahent allein über den Gegenstand des Vertrages zu verfügen nicht ermächtigt ist und unter Ueber­ nahme einer Konventionalstrafe sich verpflichtet, z. B. seiner mit ihm in Gütergemeinschaft lebenden Ehefrau, bei dem Verkaufe eines gemeinschaftlichen Grundstücks, einzustehen; so fällt dieser Vertrag nicht unter den Rechtsgrundsatz des §. 310, weil die Verbindlichkeit, für die Genehmhaltung des für einen Dritten vereinbarten Rechtsgeschäfts seitens des Geschäftsherrn, dem anderen Kontrahenten wegen dessen Interesses zu haften, rechtsgültig eingegangen werden kann, und daher für sich bestehen bleibt, wenn auch jenes Rechtsgeschäft wegen versagter Genehmigung nicht perfekt wird. Aus diesen Gründen ist der Satz, welchen das O.Tr. III in dem Erk. v. 5'. Dez. 1856 dahin: daß die Forderung einer Konventionalstrafe stattfindet, welche in einem Vertrage, dessen RechtsAÜltigkeit durch die Zustimmung einer dritten Person beding ist, für den Fall bestimmt worden, daß einer der Kontrahenten die über­ nommene Verpflichtung, dre Zustimmung des Dritten zu bewirken, nicht erfüllt, feststellt, Entsch. 34 S. 61, anzuerkennen, wenngleich die Begründung nicht befriedigt. Der Fall steht gleich der Kontrakts­ schließung eines nicht gehörig legitimsten Stellvertreters, der dem anderen Kontrahenten, wegen dessen Interesses in dem Falle der Nichtgenehmigung, cautio ratam rem haben bestellt. Die Sache ist ju­ ristisch einfach. Der Umstand, daß das Hauptgeschäft und das sekundäre Versicherungsgeschäft in der­ selben Urkunde verschrieben worden, ist einflußlos. Aehnlich ist es mit einem außergerichtlichen pactum de contrahendo über eine Wiesen - oder Ackerparzelle, worin für den Fall, daß die gerichtliche Abschließung des Kontrakts von einem Theile verweigert werden sollte, ausgemacht worden, daß dieser dem Anderen eine bestimmte Summe „für seine bei Besichtigung der Parzelle und sonstige gehabte Bemühungen, deren näherer Nachweis nicht verlangt werden solle", zu zahlen habe. Dieser Nebenvertrag ist eigentlich ein selbstständiges Paktum über Zusicherung einer Vergeltung für Mühwaltung, Zeitversäumniß und Auslagen, welche der andere Theil veranlaßt und demnächst durch seine Sinnesänderung vereitelt hat. Daß derselbe in demselben Schriftstück, welches das nichtige pactum de vendendo enthält, niedergeschrieben worden, beeinträchtigt seine selbstständige Gültigkeit nicht; der Zurücktretende muß die Leistung des Anderen nach der UeberKoch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aufl.

16

242

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 311—318.

§. 311. Dagegen befreit die Erlegung der Strafe keineswegs von der Erfül­ lung des Vertrages2 o). §. 312. Ist aber ausdrücklich verabredet, daß der Verpflichtete durch Erlegung der Strafe von seiner Verbindlichkeit frei werden solle, so ist die Strafe für eine Wandelpön zu achten.21 * * )-. 20 §. 313. Auch eine solche Strafe, wodurch das Interesse des andern Theils, auf den Fall, wenn der Vertrag ganz rückgängig werden sollte, bestimmt wird, ist, wenn nicht ein Anderes aus der Verabredung selbst hervorgeht, für eine Wandelpön anzusehen. §. 314. Ist eine Wandelpön verabredet, so hat der Verpflichtete die Wahl: ob er den Vertrag erfüllen oder die Strafe entrichten wolle22).23 24 25 §. 315. Wer mit der Erfüllung schon den Anfang gemacht hat, kann wider den Willen des Andern auch gegen Erlegung der Strafe nicht mehr zurücktreten2 3). §. 316. Wer sich einmal schriftlich2^) erklärt hat, statt der Erfüllung des Ver­ trages, die Wandelpön zu erlegen, kann sich wider den Willen des Andern zur Erfül­ lung nicht mehr erbieten2 5). einkunft bezahlen. Bergl. O.Tr. IV v. 10. Januar 1865, Str. Arch. 58 S. 65. v. 21. Juni 1875, Entsch. 75 S. 269. 20) Ist allgemeine Regel.

(7. A.) O.Tr. III

Bergl. L. 16 D. de transaetionibus (II, 15).

21) Oben Anm. 59 zu §. 232 d. Tit.

Bergl. §. 310.

22) Wenn ein so Verpflichteter sich, weil er Analphabet sei, weigert, auf Grund der außergericht­ lichen Punktalion den förmlichen Kontrakt zu errichten, und hieraus die Gültigkeit des Vertrages auf­ recht erhalten wird, so geht er durch jene Weigerung des Wahlrechts nicht verlustig. Pr. des O.Tr. III v. 16. Juni 1848, Rechtss. 4 S. 161. Denn ein Streit über die Rechtsgülti'gkeit des Vertrages kann nicht als die Wahl des Rücktritts angesehen werden.

23) (6. A.) Aber derjenige Kontrahent, welcher bereits mit der Erfüllung angefangen hat, kann die Wandelpön fordern, wenn der andere Theil sich für den Rücktritt entscheidet. Str. Arch. 84 S. 357 (III). Wenn die Erfüllung des Vertrages verweigert wird, so kann der andere Kontrahent ohne Wei­ teres lediglich auf Zahlung des Reugeldes klagen; er braucht nach solcher Weigerung seine Klage nicht alternativ aus Erfüllung des Vertrages oder auf Zahlung der Strafe zu richten, er kann es abwarten: ob der Beklagte sich zur Erfüllung erbieten werde. O.Tr. III v. 12. Dez. 1856, Entsch. 34 S. 66. Erbietet der Verpflichtete sich excipiendo zur Erfüllung, so muß der Richterspruch zwar aus Erfüllung aussallen, der Beklagte muß aber doch in die Kosten verurtheilt werden, wenn der Kläger nicht un­ berechtigten Widerspruch gegen das Erbieten erhebt. Der Berechtigte muß also alternativ klagen, wenn der Andere nicht in rechtsverbindlicher Form gewählt hat. Hat aber der Berechtigte vor solcher Wahl sich selbst außer Stand gesetzt, seinerseits zu erfüllen, und kann er deshalb dem Anderen keine Wahl mehr stellen (§. 310) und sich zur Erfüllung nicht bereit erklären, z. B. wenn er das verkaufte Grundstück, nachdem der Andere nur mündlich die Wandelpön gewählt hatte, anderweit verkauft; so kann er auch die Wandelpön nicht fordern. O.Tr. III v. 1. Nov. 1861, Str. Arch. 42 S. 365. 24) Bei einem Vertrage, welcher selbst schriftlich verfaßt ist. Genügt die mündliche Form für die Eingehung des Vertrages, so genügt sie auch für die Aufhebung, nach den Gesetzen der Logik und des Rechts. 25) In einem Falle, wo der eine Kontrahent mehr gefordert hatte als ausgemacht worden war und, weil der Andere dies nicht bewilligen wollte, erklärt hatte, daß er nun den Vertrag nicht erfüllen werde, ist angenommen, daß aus der, die Wahl des einen Kontrahenten beschränkenden Bestim­ mung des §.316 keineswegs folge, daß der Vertrag von ihm nicht auch aus andere Weise rückgängig gemacht werden könnte, er sich also, in Ermangelung einer solchen schriftlichen Erklärung, fortwährend zur Erfüllung erbieten könnte, und der andere Kontrahent jederzeit diese Erfüllung noch annehmen müßte, auch wenn der Vertrag von dem einen Kontrahenten schuldbarer Weise rückgängig gemacht war. In diesem Falle werde die Wandelpön nicht gefordert, weil sich dieser Kontrahent erklärt habe, die Wandelpön statt der Erfüllung des Vertrages zu erlegen, von welchem Falle der §.316 spreche, sondern sie werde gefordert, weil derselbe aus kontraktswidrigen Gründen von dem Vertrage zurückge­ treten sei. Es liege in der Natur der Sache, daß, nachdem der Vertrag auf solche Weise durch "die Schuld und die Weigerung dieses Kontrahenten, den Vertrag zu erfüllen, einmal rückgängig geworden, der Andere nicht weiter gebunden und nicht verpflichtet sei, ein weiteres Erbieten desselben zur Erfüllung des Vertrages abzuwarten. Die Strafe sei vielmehr verfallen, weil der Kontrahent die Ausführung

Don Vertragen.

243

§. 317. Auch die Leistung der Gewähr gehört zur Erfüllung eines Vertrages»«). @fg(eis §. 318. Bei allen lästigen Verträgen, wo nicht besondere Gesetze oder ausdrück­ liche Verabredungen ein Anderes mit sich bringen, muß ein Theil dem Andern dafür haften, daß sich derselbe der gegebenen Sache', nach der Natur und dem Inhalte des

Vertrages, bedienen könne27). des Vertrages durch seine Renitenz vereitelt habe, und von diesem Falle sei in dem §. 316 nicht die Rede. O.Tr. I v. 23. Nov. 1860, Entsch. 44 S. 4. 26) Unter der „Gewährleistung" fassen die Verfasser des L.R. zwei verschiedene römische Institute zusammen. Das eine ist die Eviktionsleistung, d. h. die Verpflichtung des Verläufers, dem KäuferErsatz zu leisten, wenn demselben wegen eines mangelhaften Rechts des Verkäufers die Sache durch einen Dritten abgestritten (evinzirt) wurde. Dieses Institut war ein civilrechtliches und ein Naturale des Kaufs. Das andere sind die ädilitischen Klagen wegen natürlicher Fehler der Sache. Kaufte Je nraud eine fehlerhafte Sache, und zwar aus Irrthum, so war das ein nach Civilrecht ganz gültiger Handel, weil ein Irrthum in Nebendingen (unwesentlicher Irrthum) die Willenserklärung, den Kon­ trakt nicht unkräftig machte. Nach Civilrecht hatte ein solcher Käufer also nichts zu fordern. Aus­ nahmsweise kam ihm das Edikt der Aedilen zu Hülfe und gab ihm zwei Klagen, unter welchen er wählen durste: die actio redhibitoria und die actio quanti minoris. Beide Institute hatten eine un­ gleiche Natur, verschiedene Zwecke, verschiedene Eigenheiten und Erfolge. Alles das findet fich im L.R. ohne alle Unterscheidung zusammengeworfen. Daher die Unbestimmtheiten, die Unsicherheit der Praxis und die Meinungsverschiedenheiten. (7. A.) Es kann nur für solche Fehler, welche wenigstens ihrem Grunde nach schon vor der Uebergabe der Sache vorhanden waren, Gewährleistung verlangt werden. O.Tr. III v. 30. Jan. 1874, Str. Arch. 91 S. 65. 27) Diese allgemeine Fassung ist aus die Spezies der Eviktionsleistung mit berechnet. Denn wenn, sagt Suarez, ein Dritter einen Anspruch auf die Sache hat, so wolle er entweder die Sache selbst ganz, oder zum Theil an sich nehmen, oder er behaupte, daß ihm ein jus in re zukomme. In deni ersten Falle bewirke der Anspruch, daß der Empfänger sich der Sache nach der Natur und dem Inhalte des Vertrages nicht bedienen könne (§§. 320, 323), und in dem anderen klebe der Sache eine Last an, und davon disponire der §. 331. (Ges.-Revis.-Pens. XIV, Mot. zu §§. 300 ff., S. 123.) Eine andere erhebliche Aenderung in dieser Lehre haben die Perf. des L.R. bewerkstelligt. Das R. R. kennt nämlich die Anwendung'dieser Institute auf die Klasse der Verträge nicht, welche ein dauerndes Verhältniß begründen und durch eine lange Zeit durch Fortsetzung und Wiederholung der Leistung von beiden Seiten erfüllt werden, z. B. Pacht- und Miethskontrakte. Der Grund ist, weil dabei kein Bedürfniß zu solcher Anwendung, nicht einmal eine paßliche Gelegenheit ist. Denn was dadurch bei dem Kaufe erlangt werden soll, das wird bei diesen langdauernden Rechtsverhältnissen viel sicherer durch die rechtliche Natur des Vertrages selbst erreicht, indem der Eine vorzuleisten hat. Kann also der Vermiether die Sache dem Miether nicht gewähren, so hört damit von Stund an in soweit die Gegenleistung auf. Suarez ist a. a. O. der Meinung gewesen, daß die Eviktionsleistung auch aus Miethe und Pacht Anwendung finde. Darin folgt ihm die Praxis nach. Das Pr. des O.Tr. 26 v. 15. Juli 1833 sagt: a) Die Vorschrift §§.318 u. 345, wegen der bei lästigen Verträgen von dem einen Theile dem anderen zu leistenden Gewähr, beschränkt sich bei Erbpachts- und anderen ähnlichen Verträgen, wo Rechte und Pflichten des einen und anderen Theils fortdauernd sind, keineswegs auf die Zeit und den Zustand der Üebergabe, sondern dauert so lange an, als der Vertrag selbst -/ausdrücklich vorbehaltene

Eigenschaften müssen also während der ganzen Dauer der Erbpacht gewährt werden, daher auch b) eine von dem Mangel erlangte Kenntniß, des §. 345 ungeachtet, selbst nach Ablauf der Jahres­ frist , den Erbpächter nicht hindert, gegen den Erbverpächter den ihm durch die Abwesenheit der vor­ bedungenen Eigenschaft entstehenden Schaden für die Zukunft einzuklagen, weil sein Recht aus Gewährleistung, alljährlich sich erneuernd, nicht schon vor der Entstehung durch Verjährung verloren gegangen sein konnte, Entsch. Bd. 4 S. 29. c) Auch ist angenommen, daß ebenso beim Miethsvertrage die Dauer der Erfüllung desselben und insbesondere der §. 291 Tit. 21 festgesetzten Jnstandhaltungspflicht des Vermiethers eine stete Erneue­ rung des dem Miether zustehenden Rechts auf Gewährleistung zur Folge haben müsse. Erk. deS O.Tr. v. 5. Novbr. 1846, Entsch. 14 S. 265. Nicht das Recht auf Gewährleistung, sondern das Recht aus Erfüllung und immer fortbesetzte Vorleistung ist der Rechtsgrund, der die Verjährung der Eviktionsklage ausschließt. Auf die Ge­ währleistungsklage passen die Gesetze nicht. Unlogisch wird bei Landgüterpachten die Fortdauer der Wechselseitigkeit geleugnet. (7. A.) Auf Werkverdingungsverträge finden die Vorschriften der §§. 318 ff. ebenfalls Anwen­ dung, sofern das verdungene Werk übernommen worden ist. Der §. 951 I. 11 beschränkt jedoch die Redhibition. R.O.H.G. v. 9. Sept. 1875, Entsch. 18 S. 85, wo auch die Nachweise sür die überein­ stimmende Praxis des O.Tr.

244

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 319—327.

a) wegen §. 319. Er muß die bei der Sache gewöhnlich vorausgesetzten"), und die im Eigenschaft-»Kontrakte ausdrücklich vorbedungenen Eigenschaften vertreten"). «berhaupt, §. 320. Liegt an dem Geber die Schuldso), daß sich der Empfänger der gege­ benen Sache, nach der Natur und dem Inhalte des Vertrages, nicht bedienen kann, so muß er den Empfänger schadlos halten. (§§. 285—291.)") §. 321. Ist die Unmöglichkeit, sich der Sache solchergestalt zu bedienen, durch eigenes auch nur geringes Versehen des Empfängers") entstanden, so kann derselbe von dem Geber keine Vertretung fordern. b) wegen bet §. 322. Ein Gleiches findet in der Regel auch alsdann statt, wenn die Unmög’fi* lichkeit nach erfolgter Uebergabe durch einen bloßen Zufall, oder durch unabwendbare Dritten, Gewalt und Uebermacht entstanden ist. (Tit. 21)"). §. 323. Auch wegen der Ansprüche eines Dritten auf die vermöge des Vertra­ ges gegebene Sache muß der Geber nach §. 320 Vertretung leisten, insofern der Em­ pfänger dadurch sich der Sache, nach der Natur und dem Inhalte des Vertrages, zu bedienen gehindert wird. §. 324. Nähere Bestimmungen darüber sind bei den verschiedenen Arten der Ver­ träge festgesetzt. -> wegen §. 325. Fehlen der Sache ausdrücklich vorbedungene") Eigenschaften, so ist 'SnXTder Empfänger auf die Gewährung derselben anzutragen berechtigt"). Eigenschaften,

2s) (6. A.) Gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften sind nur solche, die bei jeder Sache derselben

Art anzutreffen sind, Str. Arch. 73 S. 251 (IV). — (7. 21.) Eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigen­ schaft ist bei Inhaberpapieren ihre Kurssähigkeit und Verkäuflichkeit. R.O.H.G. v. 28. Jan. 1875, Entsch. 16 S. 24. 29) Wenn nämlich die Uebergabe schon geschehen ist, sonst kann die Uebernahme verweigert werden. Pr. 1442 in der Anm. 84 III. 1 lit. e zu §. 271 d. T.

30) Um den Geber zur Gewährleistung für verbunden zu achten, ist es genug, daß der Fehler schon vor der Uebergabe, ohne Schuld des Empfängers (§. 321), vorhanden gewesen. Daß der Geber an der Entstehung desselben schuld sei, wird nicht gefordert. Denn es ist hier in Frage: ob er die Sache in gehörigem Stande übergeben, d. h. die Erfüllung gehörig geleistet habe. Das hat er nicht, wenn er z. B. ein krankes Pferd übergiebt, wenn er auch die Krankheit nicht verursacht hat. Von einer Schuld des Gebers ist hier nur in sofern Rede, als es ihm beizumessen, daß er seiner Verbind­ lichkeit nicht gehörig Genüge geleistet. Ueberhaupt, wenn Verschuldung bei Erfüllung eines Vertrages eintritt, ist immer die Kontrakts­ klage gegeben und diese verjährt nur in der ordentlichen Zeit. Wo also die Kontraktsklage stattstndet, kann von der für die ädilitischen Klagen vorgeschriebeuen kürzeren Verjährung (§§. 343—345) keine Rede sein. Diese sind zur Erweiterung nur für die Fälle gegeben , wo dem Kontrahenten in Bezie­ hung auf gewisse Mängel gar keine Verschuldung nachzuweisen ist, mithin die betr. Kontraktsklage nicht begründet werden kann". Man hat jedoch, in Folge der Verwischung oder vielmehr Verdunkelung der Spezifizirung der Klagen durch Unterdrückung der äußeren Klagenbezeichnung in der Gesetzgebung, die kurzen Verjährungen der ädilitischen Klagen auf die kontraktlichen Ansprüche aus den §§. 285—291 angewendet wissen wollen. Dem ist das O.Tr. sehr rechtsverständig entgegen getreten. Vgl. Erk. IV v. 17. Februar 1859, Str. Arch. 37 S. 268. — (7. A.) O.Tr. III v. 2. März 1874, Entsch. 72 S. 30. 31) (7. A.) Mit der redhibitorischen Klage kann der Käufer — abgesehen von Dolus oder Kulpa — einen Schadenersatz über den Kaufpreis hinaus nicht beanspruchen. R.O.H.G. v. 4. Novbr. 1871, Entsch. 3 S. 385. 32) Vorausgesetzt ist hierbei noch immer, daß der Fehler vor der Uebergabe entstanden sei. §. 322. Man hat erörtert: wie es sich stelle, wenn zugleich die Schuld des Gebers konkurrire. Darüber läßt sich in der abstrakten Weise, in welcher die Vorschriften gehalten sind, gar nichts bestimmen ; es kommt aus die Beschaffenheit des besonderen Falles an. Hätten z. B. der Verkäufer und der Käufer eines Pferdes gemeinschaftlich schuld an der Krankheit desselben und der Käufer übernimmt es doch, so kann er schwerlich Ersatz fordern. 33) §§. 211, 299 ff., 307, 383, 478; Tit. 18 §§. 762 ff.

34) Dann hat der Käufer die Kontraktsklage und nicht nöthig, aus die ädilitischen Hülssklagen zurückzugehen; er kann mit der Kontraktsklage schlechthin das Versprochene erzwingen. Pl.-Beschl. (Pr. 2342) v. 2. Febr. 1852: Ist der Verkäufer eines Grundstücks zu der von ihm im Kontrakte übernommenen Liberation des

Bon Verträgen.

245

§. 326. Kann der Geber die fehlende Eigenschaft nicht gewähren, so kann der Uebernehmer von dem Kontrakte wieder abgehen 36). §. 327. Er muß alsdann die Sache in dem Stande, in welchem er sie empfan­ gen hat3?), zurückgeben. verkauften Grundstücks von den darauf eingetragenen Hypotheken verurtheilt, so kann der Käufer nicht genöthigt werden, statt der Bewirkung der Liberation oder der Liquidirung des Interesses, sich mit der Aufhebung des Vertrages oder dem Ersätze des Minderwerthes, eventuell des vollen Werthes des verkauften Gegenstandes zu begnügen. Es wird anerkannt, daß die lex contractus erfüllt werden müsse. Selbst nach §§. 323—328 werde dem Geber nicht etwa die Befugniß ertheilt, sich von der kontraktlichen Verbindlichkeit durch Rücknahme der Sache oder durch Preisminderung loszusagen, vielmehr seien es die Befugnisse des Nehmers, welche die §§. aussprechen, wenn der Geber nicht gewähren könne. Die Möglichkeit aber sei in dem Falle, wo eine Hypothek weggeschafft werden solle,' durch den erforderlichen Geldaufwand gegeben, da Zahlung auch von einem Dritten angenommen werden müsse. J.M.Bl. 1852 S. 52; Entsch. 22 S. 145, (6. A.) Durch diesen Plenarbeschluß ist die ältere Entscheidung'v. 10. Juni 1843, Entsch. 9 S. 173, wieder beseitigt. Vgl. Koch, Beurtheilung der Entscheidungen, S. 619 ff. 35) „Berechtigt" d. h., wie in der vorhergehenden Anm. 34 angedeutet worden, der Empfänger ist nicht bloß auf die ädilitischen Klagen angewiesen, sondern er kann auch mit der Kontraktsklage 'die gehörige Erfüllung erzwingen. Diese Klage setzt also voraus, daß der Vertrag in einer bestimmten Beziehung durch die Gewährung der Sache noch nicht erfüllt worden ist, daß an der Erfüllung noch Etwas fehlt, und daß das Fehlende noch nachgeleistet werden kann. Bei einem verdungenen Werke z. B. ist dies der Fall, wenn der Mangel an dessen Vollendung liegt, wenn also etwas an der Voll­ endung des Werkes, als eines Ganzen,' fehlt. Anders steht es’ wenn das Werk als ein fertiges und vollendetes Ganzes übergeben und angenommen ist, und nun sich hinterher nicht Mängel in der Voll­ endung, sondern Mängel an dem vollendeten Ganzen (Totalität), an der Konstruktion, dem Verhält­ nisse der einzelnen Theile zum Ganzen u. s. w. zeigen. In einem solchen Falle handelt es sich nicht mehr um die Erfüllung, sondern um die Fehlerhaftigkeit des Erfüllungsobjekts. Hier führt die Kon­ traktsklage auf Erfüllung nicht zum Ziele, der Empfänger ist mithin auch nicht etwa verpflichtet, die­ selbe gleichsam wie eine Präjudizialklage zu gebrauchen, um dadurch festzustellen, daß der Geber die fehlende Eigenschaft nicht gewähren könne (§. 326), um so berechtigt zu werden, von den ädilitischen Klagen Gebrauch zu machen; denn er ist nicht verpflichtet, das unbrauchbare Erfüllungsobjekt zur Umarbeituug zurückzugeben, und demnächst ein anderes dafür anzunehmen, lange nachdem die Ersüllungszeit vergangen ist; vielmehr muß er, weil der Geber bereits erfüllt hat, und sich nicht in der Lage befindet , den Vertrag noch erfüllen zu können, berechtigt sein, eine der ädilitischen Klagen ohne Weiteres anzuwenden. Sehr gut ausgeführt in dem Erk. des O.Tr. IV v. 24. April 1860, Str. Arch. 37 S. 188. (7. A.) Es kommt nicht darauf an, ob der Geber die Eigenschaft noch nachgewähren kann, wenn Voraussetzung deö Vertrages gewesen, daß sie bereits vorhanden sei. R.O.H.G. v. 29. April 1874, Entsch. 13 S. 210 u. v. 9. Mai 1874 S. 235. 36) 1. Der §. 330 findet keine Anwendung, wenn eine vorbedungene Eigenschaft fehlt, es kommt dann nicht darauf an, ob der Fehler erkennbar war oder nicht. O.Tr. IV v. 25. Febr. 1864, Str. Arch. 55 S. 46. Der Rücktritt ist jedoch nicht gestattet, wenn der Laus der Natur den gerügten Mangel ergänzt hat. O.Tr. IV v. 16. Juni 1853, Str. Arch. 10 S. 78. (6. A.) 2. Der redhibitorische Kläger kann einen aus den Mängeln der Sache abgeleiteten Scha­ densanspruch ohne den Nachweis der Verschuldung des Beklagten nicht geltend machen. Dieser Satz ist erst in neuerer Zeit durch die Praxis festgestellt. In dem Erk. v. 10. Ian. 1867 (Str. Arch. 67 S. 24) ist das Gegentheil behauptet; das R.O.H.G. aber (U. v. 4. Nov. 1871, Entsch. 3 S. 385 ; Stegemann 4 S. 205) hat die weiteren Entschädigungsansprüche nur, wenn dem Veräußerer ein vertretbares Versehen zur Last fällt, zugelassen, gestützt auf §. 320 d. T. Neuerdings ist auch das O.Tr. (IV Erk. v. 27. Juni 1871, Entsch. 65 S.' 60) dieser Auslegung beigetreten, die Meinungs­ differenz zwisckjen den beiden höchsten Gerichtshöfen also ausgeglichen. (6. A.) 3. Wenn die fehlende Eigenschaft noch nachgewährt werden kann, so muß die Vertrags­ klage auf Nachgewährung angestellt werden; aber die Nachbesserung muß sofort erfolgen können. O.Tr. III v. 24. Febr. 1872, Entsch. 69 S. 137. (6. A.) 4. Die Frage, ob die §§. 326, 327 auch anzuwenden sind, wenn die Sache nach der Uebergabe aber vor erklärtem Rücktritt vom Vertrage durch Zufall untergegangen ist, hat das R.O.H.G. verneinend entschieden. U. v. 18. Januar 1873 , Entsch. 8 S. 393. Das O.Tr. hat die §§. ange­ wendet, wenn der Untergang die Folge des Fehlers war (Str. Arch. 1 S. 49) und andererseits ange­ nommen, daß der zufällige Untergang nach der Rücktrittserklärung der redhibitorischen Klage nicht ent­ gegenstehe. O.Tr. IV v. 23. Juni 1859, Entsch. 41 S. 40; Str. Arch. 34 S. 82, 37 S. 130. (7. A.) Das Wahlrecht des Käufers zwischen der Wandelungs- und Minderungsklage wird ab-

246

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 328—331.

§. 328. Kann oder will er dieses nicht, so hat es bei dem Kontrakte sein Be­ wenden 38), und der Empfänger kann von dem Geber nur so viel an Vergütung for­ dern, als die Sache wegen der fehlenden Eigenschaft weniger werth ist39), sorbirt und die letztere gegenstandslos, Str. Arch. 92 S. 6.

wenn die erstere angestellt ist.

O.Tr. IV v. 10. Juni 1873,

37) D. h. wesentlich unverändert; verbessert oder verschlechtert kann sie sein. §. 337. S. Pr. 2189 in der Anm. 83 zu §. 157 d. T., und Pr. 2152 in der Anm. 85 zu §. 159 d. T. (7. A.) R. O.H.G. v. 14. Febr. 1874, Entsch. 12 S. 417. (7. A.) Der ganze Vertragsgegenstand, also auch die inzwischen von ihm gewonnene Frucht muß zurückgegeben werden. O.Tr. IV v. 25. Juni 1874, Entsch. 73 S. 37. Hierdurch sind die römischen Grundsätze de mortuo redhibendo (L. 47 §. 1, L. 48 pr., L. 38 §. 3 D. de aedil. edicto XXI, 1) nicht geändert. Bergl. unten Tit. n §. 203 und Erk. des O.Tr. v. 14. Februar 1858, sowie Erk. v. 23. Juni 1859 und 20. März 1860 (in der Anm. zu §.206 Tit. 11 u. Anm. zu §. 202 ebb.). Die Bestimmung des §. 327 kommt dann nicht in Anwendung, wenn die Sache aus einer schon vor der Uebergabe vorhanden gewesenen Ursache verändert ist. O.Tr. IV v. 26. Septbr. 1849, Str. Arch. 1 S. 46. Dies ist der Grund des Prinzips de mortuo redhibendo. Daher muß der Ver­ käufer von Saatroggen, für dessen Keimfähigkeit er einstehen muß, wenngleich er ihren Mangel nicht gekannt haben mag, auch ihn zu entdecken nicht befähigt war, das Kaufgeld unbedingt, ungeachtet der Käufer den ausgesäeten Roggen als Roggen wiederzugeben nicht im Stande ist, zurückgeben, wenn der Roggen wegen Keimunfähigkeit nicht aufgegangen ist. O.Tr. IV v. 12. Juni 1862, Str. Arch. 45 S. 287. (6. A.) Bergt. R.O.H.G. v. 6. März 1872, Entsch. 5 S. 239. Bei einer Quantität, z. B. nach Pfunden verkauften fungiblen Sache, macht die Verfügung des Käufers über einen geringen Theil der Quantität derselben die bei der Gewährleistung dem Empfänger nach §. 327 obliegende Rückgabe der Sache in dem Stande, wie er sie erhalten hat, nicht unmöglich, insofern der Empfänger erbötig ist, die verbrauchte Quantität zu ersetzen. O.Tr. IV v. 28. Februar 1854, Str. Arch. 12 S. 192.

38) Er ist mithin, nachdem er dem Geber gegenüber einmal, wenn auch formlos, doch ausdrücklich erklärt hat, daß er die Sache demselben gegen Rückempfang des Preises nicht zurückgeben wolle, der Befugniß zum Rücktritte vom Vertrage für immer verlustig. O.Tr. IV v. 19. Mai 1855, Str. Arch. 17 S. 201. (6. A.) Es kommt nicht darauf an, daß der Wandelungskläger während des Prozesses im Stande ist zurückzugeben, wenn er dazu nur z. Z. im Stande ist, wo der Anspruch realisirt werden^sojt, Str. Arch. 74 S. 250 (IV). • ( ' / 39) (7. A.) Der §. 328 d. T. entscheidet nur den Fall, wo der Empfänger die fehlerhaft^/Sache nicht zurückgeben kann oder will, nicht aber den Fall, wo der andere Kontrahent die Schuld trägt, daß der Empfänger nicht znrückgeben kann. Dieser Fall ist nur nach den allgemeinen Grundsätzen über die Vertragspflicht, also aus den §§. 360 ff., 377 ff. d. T. zu entscheiden. ' O.Tr. IV v. 8. Okt.

1874, Str. Arch. 92 S. 298. Der Anspruch eines Erbpächters an den Erbverpächter auf Vergütung des Minderwerths des Erb­ pachtsrechts wegen einer fehlenden ausdrücklich vorbedungenen Eigenschaft, kann nur auf Minderung oder Erlaß des Erbpachtszinses gerichtet werden. Pr. 629 v. 16. März 1839. Der Grundsatz gilt auch bei Zeitpachtungen, kann aber nicht aus der Lehre von der Gewährleistung, sondern nur aus der von der Vorleistung bei Pachtungen und Miethen abgeleitet werden. Bergt, oben die Anm. 27 a. E. zu §. 318 d. T. Der Empfänger hat unter der Voraussetzung, daß er die Sache in dem empfangenen Zustande zurückzugeben vermag, die Wahl zwischen der Wandelungsklage und der Minderungsklage. Beide Klagen haben ein gemeinsames Fundament: den Vertrag und den Fehler; die Wahl und die Be­ dingung der Wahl gehören nicht zur Begründung des Klagerechts. Wenn daher die Wandelungsklage rechtskräftig znrückgewiesen wird, nicht deshalb, weil es an der Bedingung der Wahl fehlt, sondern deshalb, weil das gemeinsame Erforderniß, nämlich der gerügte Fehler, nicht vorhanden oder nicht er­ wiesen ist; so kann nicht mehr zur Minderungsklage gegriffen werden, weil über deren Grund bereits rechtskräftig geurtheilt ist. Deshalb findet gegen die Minderungsklage, in dem besprochenen Falle, die exceptio rei judicatae statt. O.Tr. v. 17. Juni 1856, Entsch. 34 S. 73. (6. A.) Vergütigt wird die Differenz zwischen dem Werth der fehlerhaften Sache und dem Kauf­ preis. O.Tr. IV v. 20. Febr. 1873 , Entsch. 69 S. 52. Bgl. Str. Arch. 82 S. 38 (IV). (7. A.) R. O.H.G. v. 4. Jan. 1875, Entsch. 15 S. 327. (7. A.) Ueber die §§. 327, 328 d. T. in dem Fall, wo ein Aufhebungsvertrag wieder ausgehoben, und der ursprüngliche Vertrag wieder gültig geworden: R.O.H.G. v. 6. Juni 1874, Entsch. 13 S. 379. (7. A.) Der bei dem Weiterverkauf der fehlerhaften Sache erzielte Gewinn kommt bei der Min­ derungsklage nicht in Anrechnung. O.Tr. IV v. 24. Sept. 1874, Entsch. 73 S. 152.

Bon Verträgen.

247

§. 329. Fehlen der Sache solche Eigenschaften, die dabei gewöhnlich vorausgesetzt werben40), so finden die Borschriften des vierten Titels §§. 81, 82 Anwenbung41).42 43 ter Elgcn§. 330. Ist also der Fehler in die Augen fallend4») und der Empfänger hat die schltsten, Sache, ohne denselben ausdrücklich4») zu rügen, übernommen44),45so 46kann er weder vom Vertrage zurücktreten, noch Vergütung fordern. §. 331. Ist aber der Fehler nicht in die Augen fallend40), so findet alles 4») statt, was von dem Mangel einer solchen Eigenschaft, deren Gewährung ausdrücklich versprochen worden, §§. 325—328 vorgeschrieben ist. 40) Z. B. die Eigenschaft der Kursfähigkeit eines auf den Inhaber lautenden öffentlichen Geld­ papiers. Pr. 1938 v. 28. Oktober 1847, Entsch. 16 S. 114. Oder wenn ein Banquier ein aus­ gebotenes und demnächst mortifizirtes Werthpapier an einen, der nicht Banquier ist, verkauft. (Dies bezieht sich auf den Verkauf eines aufgebotenen Papiers in der Zeit zwischen dem öffentlichen Aufrufe und dem Amortisationsbeschlusse: in dieser Zeit ist das noch existente Papier als ein fehlerhaftes an­ zusehen. Wird aber ein bereits amortisirtes Papier verkauft, so greisen die Grundsätze über Gewähr­ leistung wegen Mangels vorausgesetzter Eigenschaften und die für daraus entstehende Ansprüche vor­ geschriebenen kurzen "Verjährungsfristen [§§. 343, 344] nicht Platz, da es sich dann nicht sowohl um den Mangel einer solchen Eigenschaft des Papiers, sondern darum handelt, daß die Sache gar nicht mehr existirte, also um das Vorhandensein des Objekts selbst. Der Käufer hat das, was er kaufte — eine existente Aktie — noch nicht erhalten und der Anspruch aus Aushändigung einer solchen ist jenen kurzen Verjährungsfristen nicht unterworfen. O.Tr. IV v. 21. Juni 1864, 'Str. Arch. 56 S. 78.) Ist der Käufer selbst Banquier, so kann er wegen seines eigenen Versehens, außer dem Falle des Dolus, keinen Anspruch machen. Dagegen ist der andere Abweisungsgrund des O.Tr. IV in dem Erk. v. 17. März 1859, Entsch. 41 S. 39, weil der Käufer die fehlerhaft befundene Sache, obschon ohne eigenes Verschulden, nicht mehr in dem früheren Stande, nachdem die Papiere amortisirt, zurückgewähren kann, hier eben so wenig haltbar, wie bei dem Kaufe eines Thiers, welches an den Folgen einer bei der Uebergabe nicht sichtbaren Krankheit stirbt. Vergl. die Anm. 37 Abs. 2, und die Anm. 35. 41) Dies ist der eigentliche Fall der ädilitischen Hülfsklagen, da die Kontraktsklage bei Irrthümern in Nebendingen nicht hilft. S. oben Anm. 26 zu §. 317. Vergl. unten Anm. zu §. 196 Tit. 11.

42) Das ist in jedem einzelnen Falle besonders zu befinden. Wird in dem Umstande, daß der Käufer nicht Sachverständiger sei, Veranlassung gesunden, ihm ein Versehen nicht beizumesjen, so ist dies nicht zu mißbilligen. O.Tr. IV v. 17. Februar 1857, Str. Arch. 23 S. 319. Gemeinrechtlich werden die Klagen aus dem ädilitischen Edikte nach der richtigen Ansicht alsdann nicht ausgeschlossen, wenn der vorhandene Fehler auch nur ein in der Art verborgener, daß derselbe bloß dem Auge des Kenners sichtbar ist. Erk. dess. IV v. 15. April 1862, Str. Arch. 44 S. 299. Daß im preußischen Rechte ein anderer Grundsatz nicht gilt, ist nicht zweifelhaft. Erk. dess. IV v. 25. Febr. 1864, Str. Arch. 55 S. 47. 43) Die ganze Bestimmung hat nur für den Fall praktische Bedeutung, wenn die Uebergabe zu einer späteren Zeit, als der Handel abgeschlossen ist, erfolgt. Will der Käufer einen Fehler bei dem Handel an der gegenwärtigen Sache rügen, so kann die Bestimmung schon deshalb nicht Anwendung finden, weil dann die Beschaffenheit der Sache mit besprochen worden, und mit Rücksicht aus dieselbe der Handel geschlossen worden ist. Erfolgt die Uebergabe zu einer späteren Zeit, und der Uebernehmer bemerkt den Fehler, so genügt es zur Erhaltung seines Rechts, auf denselben hinzuweisen und seine Rechte sich vorzubehalten. Die schriftliche Form ist kein Erforderniß, weil sie nicht vorgeschrieben und weil hier auch nur von einer Thatsache Rede ist, nicht von einem Rechtsgeschäfte.

44) Hat der Käufer die mit einem in die Augen fallenden Fehler behaftete Waare von dem ab­ wesenden Verkäufer bloß durch einen Fuhrmann abholen lassen, so kann ihm, wenn er wegen jenes Fehlers Gewährleistung fordert, nicht entgegengesetzt werden, daß der Fehler nicht bereits bei der Ueber­ gabe der Waare an den Fuhrmann gerügt worden sei. Pr. des O.Tr. 1815 v. 18. Dezember 1846, Entsch. 14 S. 186. Aber er muß die Fehlerhaftigkeit der Sache sogleich nach deren Eintreffen rügen, sonst ist die Uebernahme der fehlerhaften Sache im Sinne des §. 330 geschehen. Auch dann ist der tz. 330 nicht anwendbar, wenn die übersandte Waare verpackt und der Fehler nicht schon an der Ver­ packung äußerlich erkennbar war. O.Tr. IV v. 16. Septbr. 1851, Str. Arch. 4 S. 15. ist.

45) Bei vor bedungenen Eigenschaften ist es unerheblich, daß der Fehler in die Augen fallend §. 326 und die Anm. 36 dazu.

46) ES muß also auch die Kontraktsklage, im Sinne des Röm. R., auf Hebung des Mangels, wenn sie möglich, stattfinden. Vergl. Anm. 34 und 26.

248

klebender Lasten,

Erster Theil.

Fünfter Titel.

§§. 332—343.

§. 332. Wenn nicht erhellet, daß der Fehler der Sache schon bei der Uebernehmung derselben vorhanden gewesen, so wird angenommen, daß er erst nach dieser Zeit entstanden sei. §• 333. Wegen solcher Lasten, die einer Sache derselben Art gewöhnlich ankleben47), findet in der Regel keine Vertretung statt. §. 334. Ist jedoch die Freiheit von einer gewissen Last ausdrücklich vorbedungen worden, und es findet sich, daß die Sache dennoch damit behaftet fei48), so gelten alle Vorschriften, welche für den Fall, wenn eine ansdrücklich zu gewähren versprochene

Eigenschaft ermangelt, §§. 325—328 ertheilt worden. §. 335. Ist die Sache mit einer für Sachen derselben Art ungewöhnlichen Last behaftet, so finden die wegen des Mangels einer gewöhnlich vorausgesetzten Eigen­ schaft §§. 329, 330, 331 gegebenen Vorschriften Anwendung. §. 336. Nähere Bestimmungen deshalb sind bei den verschiedenen Arten der Verträge festgesetzt. §. 337. In allen Fällen, wo der Uebernehmer einer Sache dieselbe wegen feh­ lerhafter Beschaffenheit zurückgiebt, ist er wegen der genossenen Früchte, wegen Ver­ besserungen und Verschlimmerungen, auch sonst überall, als ein redlicher Besitzer anzu­ sehen48). (Tit. 7, §. 188 sqq.) 47) Sergi. Tit. 11 §§. 175 — 191. (6. A.) Durch §. 175 f. Tit. 11 sind die §§. 333 s. nicht aufgehoben, sondern nur näher bestimmt. O.Tr. III v. 17. Juni 1870, Entsch. 64 S. 51. — Ueber den Begriff der gemeinen Last vergl. O.Tr. II v. 17. April 1873, Entsch. 69 S. 265; Str. Arch. 76 S. 37 (III). 48) Verschieden von diesem Falle ist der, wenn beide Theile das Vorhandensein einer gewiffen Last, v B. einer Hypothek, wissen und der Verkäufer die Verpflichtung übernimmt, die Sache von dieser Last zu befreien: hier sind nicht zunächst die Vorschriften §§. 325—328 bestimmend, vielmehr kann schlechthin Erfüllung des Vertrages gefordert werden. Anm. 34. 49) Welcher Ort in einem solchen Falle der Ort der Rückzahlung und beziehentlich der Rück­ nahme sei, ist in einem Falle der actio redhibitoria von dem Appellationsgerichte einerseits und dem Obertribunale andererseits widersprechend beantwortet. Jemand aus der Neu mark hatte von einem Roßtänscher aus Stargard auf dem Markte zu Schönfließ ein Pferd gekauft. Dieses erwies sich als dämpfig. Der Käufer forderte den Verkäufer zur Zurücknahme des Pferdes bei ihm und Rückzahlung des Kausgeldes auf. Dieser holte das Pferd nicht ab und deshalb forderte der Käufer die Erstattung der Unterhaltskosten. Diese sprach ihm der Appellationsrichter auf Grund dieser Be­ stimmung in'Verbindung mit dem §. 220 Tit. 7: „Die zur Auslieferung oder Uebergabe der Sache nothwendigen Kosten muß der Eigenthümer tragen", zu, weil er diese Bestimmung so verstand, daß der Ort des Käufers der Ort der Uebergabe sei und daher der Verkäufer sich das Pferd auf seine Kosten abholen müsse. Das O.Tr. erklärte dieses für eine Nichtigkeit und meinte, die Rücknahme des Pserdes brauche, nach §.27 Tit. 16, nur an dem Wohnorte des Verkäufers zu geschehen. Erk. IV v. 6. Ja­ nuar 1859, Str. Arch. 32 S. 107. Das Appellationsgericht hatte jedoch ganz richtig geurtheilt, und die Begründung der Meinung des O.Tr. ist nicht triftig. Erstlich meint dasselbe, der §. 220 Tit. 7 sei überhaupt unanwendbar, weil dort vorausgesetzt sei, daß der Eigenthümer die Herausgabe der Sache von dem redlichen Inhaber als eine Pflicht, die diesem an sich obliege, die er jedoch anders als aus das Begehren des Eigenthümers nicht zu erfüllen habe, wirklich verlange. Abgesehen davon, daß dieser haarspaltende Unterschied in unserem §. 337 nicht gemacht wird, sondern der §. 337 ganz allgemein durch die Worte „auch sonst überall" auf die §§. 188 ff., mithin auch auf den §. 220 Tit. 7 verweiset; so ist ja das Postulat wirklich vorhanden, wenn nur der Zweck und eigentliche Gegenstand der actio redhibitoria gehörig ausgefaßt wird. Dieser besteht hauptsächlich gar nicht in der'Nöthigung zur Zurücknahme der Sache: darauf geht die actio nicht; vielmehr wird sie gegeben aus Zurückzahlung des Kaufgeldes, wenn der Verkäufer die Aufhebung des Geschäfts nicht hat ein­ gehen mögen; der Verkäufer wird schlechthin zur Rückzahlung des Kaufpreises verurtheilt. So ist es nach der Quelle, aus welcher das A. L.R. diese actio unverändert geschöpft hat. L. 45 D. de aedil. edicto (XXI, 1). Daß der Verkäufer die fehlerhafte Sache wirklich zurücknehme, dieses zu fordern hat der Käufer gar kein Recht, aber er ist verpflichtet, sie zurückzugeben, wenn dies der Ver­ käufer verlangt, mithin ist der Käufer in Beziehung auf die Zurückgabe ein eigentlich Verpflich­ teter und Jener der Berechtigte. L. 31; L. 29 §. 3; L. 25 §. 10; L. 26 D. eod. Die postulirte Voraussetzung ist also in der That vorhanden. Zweitens sagt das O.Tr., es sei damit, daß der §. 220 Tit. 7 bestimme, daß der Verkäufer die zur Auslieferung oder Uebergabe der Sache nothwen­ digen Kosten tragen muß, die Verpflichtung des Eigenthümers zur Abholung der Sache noch nicht

Von Verträgen.

249

§. 338. Doch darf auch ein solcher Uebernehmer sich mit dem Schaden des An­ dern nicht bereichem. §• 339. Ist der Vertrag über einen Inbegriff von Sachen geschloffen toorben,f)3»t*t^m so kann wegen der Fehler einzelner Stücke davon nicht wieder abgegangen werben50).»°»Sache«. §. 340. Ist aber ein oder anderes einzelnes Stück dergestalt fehlerhaft, daß da­ durch der vertragsmäßige Gebrauch eines solchen Stückes gänzlich verhindert wird, so kann dafür Schadloshaltung gefordert werden. §. 341. Sind die Fehler einzelner Stücke so beschaffen, daß dadurch der ver­ tragsmäßige Gebrauch des ganzen Inbegriffs vereitelt wird, so kann der Uebernehmer von dem Vertrage wieder abgehen. §. 342. Ist zwar über mehrere Stücke zusammen, aber nicht ausdrücklich als über einen Inbegriff, kontrahirt worden, so finden in Ansehung jedes einzelnen Stükkes die obigen Vorschriften §.317 sqq. Anwendung5 §. 343.

Die Rechte, welche dem Uebernehmer einer Sache wegen natürlicher")

ausgesprochen. Dies ist der Ausdruck einer unrichtigen Ausfassung der Bestimmung. Die Frage nach st,msüllu»er §• l33. Back-, Brenn - oder Schmelz -Oefen und Feuerheerde, können an der aememlchast- gemeinschaftlichen, oder dem Nachbar gehörenden Scheidewand, ohne desselben Bewillichen Mauer. Ijgung nicht angelegt werden. §. 134. Dagegen ist ein Jeder an der gemeinschaftlichen Mauer, auch ohne be­ sondere Rückfrage mit dem Nachbar, Schornsteine anzulegen wohl befugt"). §. 135. Eine gemeinschaftliche1 °) Mauer kann jeder Nachbar an seiner Seite bis zur Hälfte der Dicke zu seinem Nutzen brauchen, in sofern dadurch dem Gebäude selbst kein Nachtheil geschieht"). B-n Brunnen.

des anstoßenden Grundstücks dagegen Schutz finden, gesetzt auch, daß es in der Abstcht des Nachbars gar nicht gelegen hat, daß eine Rinne entstehen oder daß solche Wasser ableiten sollte. O.Tr. II v. 12. März 1861, Str. Arch. 40 S. 350.

5) Diese Entfernung wird von der innern Wand der Rinne gemessen. Anm. 96. (7. A.) Ein Werkschuh (Fuß) ist nach den mit der Ministerialbekanntmachung vom 13. Mai 1869 (G.S. S. 746) veröffentlichten Tabellen gleich 0,31385 Meter. Vgl. oben die Anm. 100 zu §. 127 d. T.

6) Der §. 129 findet auf Anlagen, welche lediglich eine Verminderung des Wassers in dem Brunnen des Nachbars bewirken, keine Anwendung. O.Tr. II v. 14. Dez. 1854, Str. Arch. 16 S. 96. (7. A.) Vergl. auch O.Tr. III v. 26. Jan. 1874, oben in der Anm. 23 zu §. 13. 7) Aus der 1. 21 D. de aqua 39. 3, u. 1. 1 §.12 eodem $ doch fügt die zweite Stelle bei: „si non animo vicino nocendi, sed suum agrum meliorem faciendi id fecit.“ Das ist der Miß­ brauch des §. 28. (6. A.) Vgl. O.Tr. v. 18. Febr. 1853, Gruchot, Beitr. 6 S. 288.

8) (6. A.) Denn das Recht des EigenthümerS erstreckt stch, soweit ihm nicht das Bergrecht Schran­ ken setzt, in die unendliche Tiefe. Gruchot, Beitr. 6 S. 289. Daher ist auch zur Führung eines Tunnels unter der Oberfläche eines Grundstücks prinzipiell die Genehmigung des EigenthümerS deS letzteren erforderlich. Dernburg, Lehrb. 1 S. 452 Note 3.

9) Aber nicht ohne polizeiliche Genehmigung und nicht ohne Beobachtung der über Anlegung von Schornsteinen gegebenen Vorschriften, deren fast jeder Regierungsbezirk seine besonderen hat. Sie verbieten alle die Anwendung von Holz und von Luftsteinen zu Schornsteinbauten, und bestimmen zum Theil auch die Weite der Röhren, wie z. B. für Berlin die K.O. v. 4. Okt. 1821, G.S. 1822 S. 42, Jnstr. v. 14. Jan. 1822, ebend. S. 43, und die M.B. v. 17. Mai 1830, G.S. S. 84; R. v. 15. Juni 1826, betr. die Konstruktion der russischen Schornsteinröhren, v. Kamptz, Ann. 10 S. 417. (6. A.) Bergt, v. Rönne, Baupolizei rc. 3. Ausg. S. 736 ff. 10) Auch über eine dem Nachbar allein gehörige Mauer, auf welche der Andere eine servitus oneris ferendi hat, darf der Eigenthümer nicht einseitig, zum Nachtheile des daraus ruhenden fremden Gebäudes, verfügen. O.Tr. II (Pr. 1298 e) v. 29. April 1843, Entsch. 9 S. 200. 11) „Die hier gegebene Vorschrift wegen bedingungsweisen Gebrauches einer gemeinschaftlichen Mauer findet auch Anwendung auf ein Höherbauen, welches der Nachbar auf der Hälfte der Dicke der Mauer an seiner Seite vornimmt." O.Tr. II (Pr. 2694) v. 17. Sept. 1857, Präjudizien des O.Tr. 1877 S. 3; Entsch. 38 S. 49; Str. Arch. 26 S. 191. Auch ist eine geringfügige, die Haltbarkeit der Mauer nicht gefährdende Schmälerung ihrer Dicke nicht ausgeschlossen. O.Tr. II v. 9. u. 11. Febr. 1864, Str. Arch. 53 S. 135. Allein die vorausgesetzte Bedingung, daß dadurch dem Gebäude selbst kein Nachtheil entstehe, erfüllt der bauende Nachbar in dem Falle nicht, wenn er die Dauerhaftigkeit der einen integrirenden Theil beider Nachbargebäude bildenden gemeinschaftlichen Mauer verringert. Eine derartige ihm nachtheilige Verfügung über das gemeinschaftliche Eigenthum braucht der andere Nachbar in der Erwartung, daß der Nachtheil durch die weitere Ausführung des Bauplanes seines Nachbars wieder werde behoben werden, um so weniger zu dulden, als der §. 135 eine Ausnahme von der Regel (Tit. 17 §.10) vorschreibt und daher ausdehnender Auslegung nicht unterliegt.' O.Tr. II v. 3. Mai 1864, Str. Arch. 54 S. 169. — Hat der Nachbar die gemeinschaftliche Mauer von seiner Seite bis über die Hälfte der Dicke hinaus erhöht, so ist die Erhöhung, soweit sie auf der an-

Vom Eigenthnme.

421

§. 136. Doch müssen Wandschränke und andere dergleichen Anlagen in einer solchen Mauer dergestalt eingerichtet werden, daß sie nicht auf diejenigen treffen, welche der Nachbar auf der entgegenstehenden Seite bereits angelegt hat. §. 137. Um Licht") in seine Gebäude zu bringen, kann ein Zeder Oeffnungenll®omBo,^ter und Fenster13 * * )* *in * * seine * * * * eigene * 12 Wand oder Mauer machen, wenn dieselben gleich eine Aussicht»). Aussicht über die benachbarten Gründe gewähren. §. 138. Sollen jedoch die Oeffnungen14)15 in einer unmittelbar") an des Nach-

deren Hälfte ruht, nach dem Nechtsgrundsatz: „solo cedit, quod solo maedificatur“, durch Accession, und zwar speziell durch Inädifikaiion, Eigenchum des andern Nachbars geworden. O.Tr. II v. 10. Ian. 1865, ebenda 58 S. 61. Die §§.'133 bis 136 sind von solchen gemeinschaftlichen Mauern zu verstehen, welche zwischen bereits vorhandenen Gebäuden sich befinden. Unten Anm. 22 a. E.

*) Unter diesem Rubrum ist in zwei Beziehungen von Licht und Aussicht Rede. Die eine betrifft die Berechtigung des Eigenthümers, sich durch Oeffnungen in der Wand seines Gebäudes Licht, Aus­ sicht und Luft zu verschaffen. Davon handeln die beiden §§. 137 u. 138. Die andere ist die ent­ gegengesetzte: sie betrifft die Befugniß des Nachbars, durch Borbaue dem Anderen die schon vorhan­ denen Oeffnungen oder die in zu errichtenden Gebäuden noch anzulegenden Oeffnungen zu verküm­ mern. Davon handeln die folgenden §§. 139—147. Die jeder dieser verschiedenen Beziehungen angehörigen Vorschriften sind nicht mit einander zu vermengen. Die Vorschriften enthalten übrigens kein geschichtliches Recht, sie sind zufällig ausgedacht, wie die Revision der Monita und die Bemerkungen von Suarez ergeben. Ges.-Rev. Mot. zu §§. 107 ff. des Entw. d. T. S. 69, mitgetheilr in der Jur. Wochenschr. 1839 S. 110. (7. A.) Vergl. indeß unten die Anm. 21 a. E. 12) Der Zweck der Oeffnungen und Fenster soll also Lichtbringung sein. Unter Festhaltung die­ ses Zweckes kann die Vorschrift auf zweierlei Weise, im gerade entgegengesetzten Sinne, ausgelegt werden, und sie ist wirklich so ausgelegt worden. Man kann sie so auffassen, daß nur den Licht­ öffnungen bestimmte Schranken gesetzt'(§. 138), andere Oeffnungen aber unbedingt und unbeschränkt freigesteüt seien. Dies widerspricht jedoch dem §. 148 geradezu. Eine andere Auffassung hingegen kommt zu dem Ergebnisse, daß nur Licht Öffnungen und zwar auch nur unter den vorgeschriebenen Beschränkungen, andere Oeffnungen aber gar nicht angelegt werden dürsten. Diese AuslegungTjstt den Sinn der Worte und das argumentum a contrario für sich, sie entspricht aber nicht dem inneren Zusammenhänge der Rechtsgrundsätze vom Eigenthume und dessen freiem Gebrauche, und befriedigt deshalb nicht/ Von dem angegebenen Zwecke ist abzusehen; der freie Gebrauch des Eigenthums hat dadurch nicht auf das Lichtbringen beschränkt werden sollen; auch Luft kann eingebracht werden, und weder das Eine, noch das Andere kann der Nachbar deshalb verbieten, weil 'durch die Oeffnungen menschliche Blicke auf sein Grundstück fallen können. Er kann seinerseits denselben, nach §. 139 ff., durch Bretterwände Schranken setzen. (7. A. Der Zweck des §. 137 ist „nur, darauf hinzuweisen, daß der Umstand, daß Fenster und Oeffnungen eine Aussicht über benachbarte Grundstücke gewähren, deren Anlage nicht entgegengestellt werden könne." O.Tr. II vom 17. Mai 1873, Str. Ärch. 90 S. 183.) Vergl. Präj. 2200, unten in der Anm. 15. Unter „Licht" kann nur ein solches Licht verstanden werden, welches dem Eigenthümer, der dessen bedarf, genügend ist, sagt das O.Tr. II in dem Erk. v. 16. Juli 1864, Str. Arch. 55 S. 214. Der Rechtsgedanke würde ganz richtig sein, wenn es statt „dem Eigenthümer" hieße: jedem Bewohner. Denn ein Licht, welches einem dort sein Gewerbe treibenden Grobschmied genügt, ist einem Kleinuhr­ macher, Schneider oder Schreiber bei Weitem nicht genügend. „Der Eigenthümer braucht viel­ leicht gar kein Licht in dem betreffenden Raum, weil er selbst ihn nicht benützt, aber er kann ihn nicht an Jeden vermiethen, wenn derselbe nicht für Jeden, wegen Lichtmangels, brauchbar ist, und dadurch wird der Werth seines Eigenthums vermindert.

13) Fenster sind im §. 137 nicht als Gegensatz zu den Oeffnungen, sondern als die am meisten in den gedachten Beziehungen vorkommenden Oeffnungen hinzugefügt. Daher bedurfte es nicht deren ausdrücklicher Erwähnung im §. 138, eben weil sie unter die allgemeine Kategorie der Oeffnungen gehören, und findet folglich der §. 138 auch auf Fenster allerdings Anwendung. O.Tr. II v. 30. Mai 1865, Str. Arch. 58 S. 335. Vgl. die Pr. 975, 2200, 2471 (Anm. 15), auch O.Tr. III v. 4. April 1870, Str. Arch. 78 S. 153. 14) Oder Fenster. Siehe die vorige Anm. und die folgende Abs. 3. (6. A.) Zu den Oeffnungen sowie zu Fenstern überhaupt werden, wenn es sich um deren Größe handelt, die Fensterfutter und Zargen nicht gerechnet. O.Tr. m v. 21. Juni 1853, Str. Arch. 10 S. 309.

15) Das ist so nahe an der Grenze, daß aus den Oeffnungen der Luftraum über dem Grund­ stücke des Nachbars durch Ausmachen des Fensters oder durch Auswerfen und Ausgießen berührt wer-

422

Erster Theil.

Achter Titel.

§. 138.

bars Hof oder Garten16) stoßenden Wand oder Mauer gemacht werden, so müssen dieselben, wo es die Umstände gestatten 17), sechs Fuß von dem Boden des Zimmers oder Behältnisses18) erhöht^); (n allen Fällen^) aber mit eisernen nur zwei Zoll von einander stehenden Stäben, oder mit einem Drahtgitter verwahrt fein21). den kann. „Hart an der Grenze", sagt das O.Tr. II in dem Erk. v. 11. Dez. 1856, Str. Arch. 23 S. 142. Dieser Einschränkung ist in solchem Falle nicht allein die Anlage von Oeffnungen und Fenstern, welche die Einbringung von Licht in ein Gebäude bezwecken, sondern auch die Anlage von Oeffnungeu zu anderen Zwecken, z. B. zur Beförderung des Luftzuges unterworfen. O.Tr. II (Pr. 2200) v. 26. März 1850, Entsch. 19 S. 104. Vergl. die Anm. 12. Dagegen findet die Borschrist keine Änwendung auf Oeffnungen und Fenster, welche über der Luftsäule eines unmittelbar anstoßenden Gebäudes des Nachbars angelegt werden. O.Tr. II (Pr. 975) v. 23. Jan. 1841, Präjud.-Samml. 1 S. 26. (7. A. Zustimmend O.Tr. II v. 9. Juni 1874, Str. Arch. 92 S. 164.) „Die dem Eigenthümer bei Anlegung neuer Fenster nach dem Hofe oder Garten des Nachbars hinaus im §. 138 'auferlegte Beschränkung wegen Erhöhung und Vergitterung der Fenster erfordert, daß die Wand, in welcher die Fenster angelegt werden, unmittelbar an das Grundstück des Nachbars anstüßt, findet also nicht Anwendung, wenn zwischen der Wand und der nachbarlichen Grenze ein, wenn auch noch so geringer Zwischenraum vorhanden ist. Darauf, ob die bei Errichtung neuer Ge­ bäude vorgeschricbene Baulinie innegehalten ist, kommt es hierbei nicht an." O.Tr. II (Pr. 2471) v. 14. Juli 1853, Entsch. 27 S. 42, und v. 21. März 1865, Str. Arch. 58 S. 219. Stößt aber auch nur der untere Theil der Wand unmittelbar an die Grenze, so muß der §. 138 zur Anwendung kommen, wenn auch die Wand mehr in der Höhe, da wo das Fenster sich befindet, etwas zurückge­ zogen ist. O.Tr. II v. 30. Mai 1865, ebd. S. 339, und v. 7. Jan. 1873, Entsch. 68 S. 357.

16) Unter „Hof oder Garten" ist jeder zu dem Hause des Nachbars gehörige offene Raum zu verstehen. O.Tr. III v. 17. Dez. 1856, Str. Arch. 23 S. 162. (7. A. Der Hof'bildet den Gegen­ satz zu den Gebäuden, umfaßt daher nicht den bebauten Theil eines Grundstücks. O.Tr. II v. 9. Juni 1874, oben in der Anm. 15.) (6. A. Für den Begriff des Hofes ist es nicht wesentlich, daß derselbe bei dem Hause belegen ist. Dernburg, Lehrb. 1 S. 469 Anm. 11.) Ein Grundstück, welches durch Anlegung eines Eisenbahn-Schienenwegs über dasselbe die Eigen­ schaft einer öffentlichen Straße erhalten hat,' ist als „Hof oder Garten" im Sinne des §. 138 nicht anzusehen, auch genügt dazu die bloße Umfriedigung des Platzes nicht. O.Tr. II v. 3. Febr. 1857, Str. Arch. 24 S. 32'. Der §. 138 findet überhaupt dann keine Anwendung, wenn der Zwischenraum nicht dem Nach­ bar allein, sondern beiden Nachbarn gemeinschaftlich gehört. O.Tr. II v. 25. Sept. 1855, ebd. 18 S. 159. (7. A.) Die Klage, welche dem Nachbar zur Erzwingung der Erhöhung und Vergitterung der Fenster gegeben ist, hat die Natur der actio negatoria, deren Grundsätzen sie unterliegt. Es bedarf daher nicht eines strikten Nachweises der Ausdehnung des Eigenthumsrechts auf den Raum bis zur Wand oder Mauer, worin die Fenster sich befinden. Es genügt vielmehr, wenn der Nachbar seinen vollständigen Besitz an diesem Raum darthut. O.Tr. II v. 27. Mai 1875, Str. Arch. 95 S. 26. 17) Das heißt, wenn der Raum, in welchem die Oeffnung angelegt werden soll, hoch genug dazu ist. Ist er über sechs Fuß hoch, so muß die Oeffnung so niedrig im Lichten, als es nach dem Zwecke möglich ist, gemacht werden, um sie so hoch wie möglich anzubringen. Demnach findet der §. 138 keine Anwendung, wenn die verlangte Erhöhung des Fensters nur' eine unvollständige Be­ leuchtung herbeiftthren würde. O.Tr. II v. 11. Dez. 1856, (^tr. Arch. 23 S. 142. Denn unter diesen „Umständen" sind auch die Fälle begriffen, in welchen durch die Beschränkung dem Eigenthümer das ihm bedürftige genügende Licht entzogen werden würde. O.Tr. II v. 16. Juli 1864, ebenda 55 S. 214. (6. A.) Wenn die bei Anlegung der Fenster obwaltendell Umstände die im §. 138 vorgeschriebene Erhöhung derselben nicht gestatten, so kann diese Erhöhung auch dann nicht verlangt werden, wenn bei einem späteren Umbaue des betreffenden Hauses jene Hindernisse beseitigt sein sollten. O.Tr. v. 3. Oft. 1851, Gruchot, Beitr. 6 S. 296. 18) Siehe unten die Anm. 40 zu §. 142.

19) Wenn nicht das Recht der freien Aussicht zusteht.

Tit. 22 §.62.

20) Also auch in dem Falle, wo der Fensteranleger das Recht der freien Aussicht hat; die Ver­ gitterung ist keine Beschränkung desselben. Durch den §. 138 sind dem Eigenthümer der Mauer nicht sowohl eine einzige, als vielmehr zwei besondere, von einander unabhängige, Einschränkungen auferlegt, von welchen die eine nur unter gewissen Umständen, die andere aber überall und in allen Fällen eiutreten soll. O.Tr. II v. 1. Mai 1866, Str. Arch. 64 S. 108.

Vorn Eigenthume.

423

21) Hier ist nur von ganz neuen, bisher nicht vorhanden gewesenen Oesinungen und Fenstern die Rede, zu welchen man diejenigen nicht rechnen kann, die in einem neuen Gebäude, welches an der Stelle eines alten Gebäudes, in welchem die Fenster schon vorhanden waren, errichtet worden ist, wieder angelegt sind. — Der Umstand, daß die Fenster in dem neuen Gebäude niedriger gelegen und größer sind, als die früher vorhandenen, rechtfertigt die Anwendung des §. 138 nur daun, wenn durch die niedrigere Lage und den größeren Umfang der neuen Fenster dem Nachbar ein Nachtheil zugefügt worden ist, oder doch erwachsen kann. O.Tr. II v. 27. Juni 1857, Str. Arch. 25 S. 300. Ot) der Nachbar sich die Anlage der Oesinungen in dem an die Stelle des früheren Gebäudes errichteten neuen Gebäude gefallen lassen muß, hängt davon ab, ob sie mehr oder weniger erheblich, und ob durch die neue Anlage das Recht des Nachbars mehr als früher beschränkt uu'd belästigt wird. O.Tr. II v. 6. Juni 1861, ebenda 41 S. 298. Zur Anwendung des §. 138 ist allerdings das Aneinandergrenzen der Grundstücke, ohne daß eine öffentliche Gasse dazwischen liegt, nothwendig (s. o. Anm. 40 zu §. 103); aber dies nicht allein, es muß noch hinzntreten, daß die Wand oder Mauer, in welcher Oesinungen gemacht werden sollen, unmittelbar an des Nachbars Hof oder Garten stößt. O.Tr. II v. 14. Sept. 1865, ebb. 61 S. 26. Ist an die Stelle eines an der Nachbargrenze befindlichen alten mit Fenstern schon versehen ge­ wesenen Gebäudes ein neues Gebäude mit einer größeren Zahl von Fenstern errichtet worden, so sind die Bestimmungen über den Umfang und die Lage solcher neuen Fenster, welche zum Ersatz für die älteren Fenster dienen sollen, den vorher bestandenen faktischen Verhältnissen anzupasicn, und diejenigen von den mehreren Fenstern speziell zu bezeichnen, welche als die den alten Zustand fortsetzenden erachtet werden sollen. Eine Auswahl steht den Parteien nicht zu. — In dem Falle, wo an der Stelle, an welcher das neue Gebäude aufgeführt ist, schon ein älteres Gebäude gestanden hat, in welchem bereits Fenster vorhanden waren, findet die Vorschrift des §. 138 nur dann Anwendung, wenn der Nachbar durch die neue Fensteranlage in eine nachtheiligere Lage versetzt worden ist. Unzweifelhaft tritt dieser Fall ein, wenn die Anzahl der neueren Fenster gegenüber der früheren Anlage vermehrt worden, nicht aber ohne Weiteres auch dann, wenn die neuen Fenster nur und allein eine weniger erhebliche Ver­ änderung erlitten haben. O.Tr. II v. 14. Febr. 1867, ebenda 65 S. 314 u. 316. Hat der Berechtigte ausdrücklich und unbedingt in die Anlage der Fenster eingewittigt, ohne hiernächst der entsprechenden Anlage zu widersprechen, so hat der unterlassene Widerspruch den Verlust des Rechts, die Einrichtung der Fenster nach der Vorschrift des §. 138 zu fordern, zur Folge. O.Tr. II v. 18. Oft. 1860, Str. Arch. 40 S. 32. Außer diesem Falle findet der §. 43 Tit. 22 hier nicht Anwendung. S. die letzte Anm. dazu. Für den Eigenthümer eines Grundstücks geht das auf Grund des tz. 138 erworbene Recht dadurch uicht unter, daß der Eigenthümer des berechtigten Grundstückes sein Eigenthum auf einen Anderen überträgt, sondern es kann auch von dem Besitzuachfolger ausgeübt werden. O.Tr. II v. 11. Febr. 1862, Entsch. 47 S. 88. — Wenn aber zwei aneinanderstostende städtische Grundstücke von Einem besessen werden, der Besitzer in dem einen Gebäude Fenster und Oesinungen in einer au das Nebengrundstück unmittelbar anstoßenden Wand oder Albaner machen läßt, und' nachher dieses Nebengrundstück veräußert, so kann der Erwerber auf das fragliche Recht auf Grund des §. 138 keinen Anspruch machen, weil dasselbe für das veräußerte Grundstück zur Zeit der Veräußerung nicht entstanden war, folglich auch auf den Erwerber nicht mit übergehen konnte. O.Tr. II v. 13. März 1862, Entsch. 47 S. 90; Str. Arch. 44 S. 237. Durch ein zwischen den Besitzern zweier benachbarter Häuser getroffenes, von beiden Seiten erfüll­ tes mündliches Abkommen, über die Anlegung von Fenstern in einer unmittelbar anstoßenden Wand, werden die beiderseitigen Nachfolger gebunden. Derjenige, welcher sein Haus, mit der diesfälligen, äußerlich erkennbaren Servitut belastet, erwarb, kann ein Mehreres, als die Erhaltung des Zustandes, welcher zur Zeit des Erwerbes bestand, nicht verlangen; den Mangel der Schriftform bei demjenigen Vertrage, durch welchen die Servitut konstituirt worden, geltend zu machen, ist er nicht legitimtrt. O.Tr. v. 21. Dez. 1861, Entsch. 47 S. 221. (7. A. Bergt. Anm. 99 zu §. 126.) Wer auf Grund des §. 138 rechtskräftig verurtheilt worden ist, mit den darin vorgeschriebenen Maßgaben die in der streitigen Wand befindlichen Fenster zuzumauern, und nachdem dies geschehen, sich herausnimmt, ohne alle Rücksicht auf das Judikat in derselben Wand gerade wiederum solche Fensteröffnungen, deren Anlage ihm untersagt ist, an einer anderen Stelle anzubringen, beeinträchtigt (verletzt) den Besitz des Rechts des Nachbars, die Anlage von Fenstern in jener Wand in anderer Art, als das Judikat gestattet, zu untersagen. Der Nachbar muß daher im Besitze seines Untersa­ gungsrechts in possessorio geschützt werden. O.Tr. III v. 22. April 1861, Str. Arch. 41 S. 188. Bloß dadurch, daß Oeffnungen in einer der Vorschrift des §. 138 widersprechenden Weise wirklich angelegt sind, kann dem klagenden Nachbar nicht der Beweis aufgebürdet werden, daß der Beklagte zu dieser vorschriftswidrigen Anlage nicht berechtigt gewesen sei; vielmehr genügt die Thatsache, daß die vorhandenen Oesinungen vorschriftswidrig angelegt sind, zur Begründung der Klage auf Herstel­ lung der gesetzlich vorgeschriebenen Einrichtung derselben. — Behauptet der Beklagte, daß er von der im §. 138 vorgeschriebenen Beschränkung aus einem besonderen Grunde befreit, daß namentlich das Fenster schon seit rechlsverjährter Zeit vorhanden ober mit Einwilligung des Nachbars angelegt wor-

Erster Theil.

424 §. 13922).

Achter Titel.

§. 139.

Neu errichtete 2b) Gebäude ") müssen von ältern schon Vorhande­

den sei, so ließt ihm der Beweis dieser seiner Behauptung, nicht aber dem Kläger der Beweis des verneinenden Satzes ob. O.Tr. II v. 18. Dez. 1866, ebenda 66 S. 213. Der Appellationsrichter hatte das Gegentheil behauptet, d. h. dem Kläger den Beweis des verneinenden Satzes aufgebürdet, weil der §. 138 nur davon rede, wenn Oeffnungen in der Wand oder Mauer gemacht werden sollen, daher es zur Substantiirung der Klage'gehöre, anzugeben, wann und durch wen das bereits vorhandene Fenster angelegt worden sei. — (6. A.) Das gemeine Recht kennt keine gesetzlichen Beschränkungen der aus dem Eigenthum fließenden Befugniß, Oeffnungen und Fenster in der eigenen Wand oder Mauer anzulegen. Gruchot, Beitr. 6 S. 293. Förster, Theorie und Praxis, 3. Aufl. S. 151. Partikularrechtlich kom­ men indeß vielfach solche Beschränkungen vor. Beseler, System des gemeinen deutschen Privat­ rechts §. 93, 2. Aufl. S. 354. (7. A.) Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts §. 86 Bd. 2 S. 100. (6. A.) Die Quelle des Landrechts in dieser Materie sind die Berliner Bau-Ordnung v. 30. Nov. 1641 und die Spezial-Bau-Observanzen. Bornemann, Syst. 2. Ausg. 2 S. 117 u. 138. Siehe auch O.Tr. II v. 30. März 1854, Str. Arch. 12 S. 312, u. v. 14. Jan. 1868, ebenda 69 S. 310.

22) Die §§. 139 u. 140 handeln vom Rechte des Zwischenraums nachbarlicher Gebäude (jus intcrstitii), und die §§. 142 u. 143 von dem Rechte auf Licht und Aussicht (prospectus coeli). Beide sind zwei von einander völlig verschiedene Rechte. O.Tr. Pl. (Pr. 1777») v. H. Mai 1846, Etttsch. 13 S. 27. Natürlich haben sich die Berf. des L.R. das so gar nicht gedacht. Siehe oben zum Marginale (bei 137) die Sinnt.* a. E. 23) Neu errichtete Gebäude im Sinne der §§. 139 u. 140 sind nur solche, welche auf einem Platze aufgeführt werden, worauf bis dahin noch kein Gebäude gestanden hat. O.Tr. Pl. (Pr. 1777b) u. u. Mai 1846, Präjud.-Samml. 1 S. 26; Entsch. 13 S. 27; J.Min.Bl. 1847 S. 74. Die Einschränkungen der §§. 139, 140, welche sich auf das Recht deS Zwischenraums nach­ barlicher Gebäude (jus interstitii) beziehen, finden also keine Anwendung auf den Fall, wenn ein be­ reits vorhandenes Gebäude erhöht werden soll. O.Tr. II v. 26. Febr. 1852, Str. Arch. 5 S. 55. Auch ist darunter der Fall begriffen, wenn an der Stelle eines bereits früher auf dem Platze gestandenen Gebäudes ein anderes dergestalt errichtet werden soll, daß nicht die bisher bebaut gewe­ senen Grenzen eingehalten werden, vielmehr mit Ueberschreitung derselben daS Gebäude einen dem Nachbar näheren Platz angewiesen erhält, als eS zeither eingenommen hat. O.Tr. II (Pr. 2062) v. 22. August 1848, Prä'j.-Samml. 1 S. 27; Entsch. 16 S. 520. Wird das neue Gebäude an Stelle eines abgebrochenen alten Gebäudes errichtet, so hat der Nachbar, welcher eine Rechtsverle­ tzung behauptet, zu beweisen, daß der Neubau die Grenzen des früheren Gebäudes überschreite und die Vorschrift des §. 139 nicht beachtet sei. O.Tr. II v. 9. Juni 1868, Str. Arch. 71 S. 207. Ebenso ist ein Bau, welcher den von dem abgebrannten Gebäude eingenommenen Raum der Länge nach überschreitet, im Sinne des Gesetzes em Neubau. O.Tr. II v. 16. Febr. 1858, ebd. 27 S. 281. Hat auf dem Platze bereits früher ein Gebäude gestanden, ist dasselbe abgebrochen worden, und hat der Platz eine neue Bestimmung erhalten, eS soll darauf aber wiederum em Gebäude aufgeführt werden, so ist in jedem einzelnen Falle nach den Umständen — je nachdem auS der dem Platze gege­ benen neuen Bestimmung ein Aufgebeu des RechtS zum Wiederaufbaue in den Grenzen des früheren Gebäudes gefolgert werden kann — zu beurtheilen: ob dasselbe zu den neu zu errichtenden Gebäuden zu zählen ist, oder nicht. O.Tr. Pl. (Pr. 1777) v. u. Mai 1846, Entsch. 13 S. 27; J.M.Bl. 1847 S. 74. Der Besitzer deS älteren Gebäudes hat daS Recht, zu Verlangen, daß deS Nachbars auf einem bisher unbebaut gewesenen Platze neu errichtetes Gebäude jedenfalls, nach §. 140, 1| Fuß von der Grenze zurückbleibe. Steht das diesseitige ältere Gebäude auch mehr als 1| Fuß von der Grenze entfernt, so ist es doch nicht genügend, wenn der Neubauende ohne Ueberschreitung seiner eigenen Grenze nur 3 Fuß (§. 139) von dem alten Gebäude zurückbleibt, vielmehr ist der Zwischenraum zwischen diesem und der Grenze, soweit er die Entfernung von lj Fuß überschreitet, für einen unbe­ bauten Platz zu achten, auf welchen die Bestimmung deS §. 140 anwendbar ist. O.Tr. II (Pr. 780») v. 21. Dez. 1839, Präj.-Samml. 1 S. 27.

24) Auf Zäune, Planken und Scheidewände sind die gesetzlichen Vorschriften (§§. 139 — 142) über den Abstand neu errichteter Gebäude von Gebäuden des'Nachbars nicht auSzudehnen. O.Tr. II (Pr. 2378) v. 13. Mai 1852, Entsch. 23 S. 53, und v. 30. Jan. 1873, Str. Arch. 88 S. 74. — Ist eine Mistgrube, wenn sie ausgemauert und mit einer 1 bis 1| Fuß hohen Mauer eingefaßt ist, ein Gebäude? Nein. Denn, sagt das O.Tr., nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche wird unter Gebäuden verstanden: ein durch Umfassungsmauern oder Wände umschlossener und gewöhn­ lich bedachter Raum über der Erde, der ein Behältniß darstellt zum Aufenthalte von Menschen oder Vieh, oder zur Aufbewahrung beweglicher Gegenstände, als welche dann gewöhnlich Häuser oder Scheunen und dergleichen Bauwerke erscheinen. O.Tr. II v. 12. März 1863, Str. Arch. 48 S. 240. Danach wäre z. B. ein noch so großer Pavillon, der keine UmsaffungSwände hat, kein Gebäude;

Vom Eigenthume.

425

neu Gebäuden 2 5) des angrenzenden Nachbars, wenn nicht besondere Polizeigesehe ein Andres vorschreiben *6), wenigstens brei27) Werkschuhe zurücktretett"). eine einfache Fachwand aber soll wieder ein Gebäude sein, nach dem Erk. v. 13. Septbr. 1859 (Anm. 50). Gebäude heißt nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche ein Werk, welches durch Zusammensetzung einzelner Stücke errichtet, auf- (d. h. in die Höhe) geführt ist. ES ist also auch ;. B. ein Thurm, der keinen Raum umschließt, vielmehr durchaus massiv ist, also keine Umfafsungswände hat und kein Behältniß darstellt, ein Gebäude, ebenso wie man ein Schiff ein Gebäude nennt. Die Definition des O.Tr. ist mithin nicht erschöpfend. Eine analoge Anwendung der §§. 139 — 146 auf Fälle, wo eS sich um Lichtentziehung mittelst anderer Gegenstände als Gebäude, z. B. Holzstapel, handelt, ist nicht zulässig. O.Tr. II v. 28. Februar 1861, Entsch. 45 S. 71.

25) Eine unmittelbar an die mit Fenstern versehene Mauer des Nachbarhauses errichtete, jene Mauer gänzlich verdeckende auSgemauerte Fachwand aber ist als ein „Gebäude" im Sinne der §§. 139 u. 144 d. T. anzusehen. O.Tr. II v. 13. Septbr. 1859, Str. Arch. 35 S. 48. 26) Die Vorschrift deS §. 139 kann mithin von den zuständigen Polizeibehörden, auf Grund des Gesetzes über die Polizeiverwaltung v. 11. März 1850, abgeändert oder auch aufgehoben werden. Sie ist bei Gebäuden in den Städten an Straßen oder an einem öffentlichen Platze ganz unpraktisch. Eine Straße würde sich schlecht ausnehmen und der Handhabung der öffentlichen Sicherheit sehr hin­ derlich sein, wenn zwischen allen Häusern ein Durchgang sich befände. Die Regierung zu Oppeln hat den §. 139 durch eint* Polizeiverordnung v. 9. Dez. 1854 für ihren Verwaltungsbezirk, mit Vor­ behalt der sonstigen Privatrechte der Nachbarn und anderer Personen, aufgehoben. (Oppeln. Amtsbl. 1854 S. 327.) — Daß die §§. 139, 140 andere polizeiliche Vorschriften in Ansehung der von ihnen betroffenen Gegenstände zulassen, hat auch daS O.Tr. in judicando ausdrücklich ausgesprochen. O.Tr. II v. 14. Oktbr. 1862, Str. Arch. 47 S. 93. 27) Diese, sowie die 1| Fuß deS §. 140, werden von der Mitte der wahren Grenze (Grenzlinie, Eigenthumsgrenze, O.Tr. II v. 6. Januar 1857, Str. Arch. 23 S. 194) bis zur Fachwand in ihrer ganzen Höhenausdehnung gemessen: auf daS vorliegende oder zurückgezogene Fundament kommt eS nicht an, weil die Fenster in einer gewissen Entfernung von des Nachbars Grundstücke zurückbleiben sollen. ES ist daher nicht zureichend, wenn nur die Grundmauer deS neuen Gebäudes in der be­ zeichneten Entfernung angelegt worden, vielmehr muß letztere in der ganzen Höhenausdehnung des GebäudeS innegehalten werden. DaS im §. 123 nur enthaltene Verbot über die Grenze ragender Bauwerke steht dem nicht entgegen. O.Tr. II (Pr. 780b) v. 21. Dez. 1839, und (nicht eingetragenes) Pr. v. 10. Stov. 1848 in Sachen Wenk w. ReiS. Dieser Grundsatz und dessen Rechtfertigüngsgründe haben durch den Pl.-Beschl. (Pr. 1777) v. 11. Mai 1846 (o. in der Anm. 23 Satz 3) keine Ver­ änderung erlitten. O.Tr. II (Pr. 2366) v. 25. März 1852, Entsch. 23 S. 46; Str. Arch. 5 S. 98. Von dem in dem Pr. 780b niedergelegten Rechtsgrundsatze ist indeß das O.Tr. wieder abgegangen. Es hat als Rechtsgrundsatz festgesteüt, daß der vorgeschriebene Abstand nicht auf die DachauSlädungen (Vorsprünge der Dachtraufe) des neuen GebäudeS zu beziehen sei, und daß diese nur nicht über die Grenzlinie hinaus ragen dürfen. O.Tr. H (Pr. 2690) v. 14. Mai 1857, Präj.-Samml. 1877 S. 3; Entsch. 36 S. 32. Das ist als das Richtige anzuerkennen. Die Beweisführung ist über­ zeugend. Zu dem Pr. 780b war bereits in den früheren Ausgaben, als Schlußfolgerung, freilich als eine zur Intention desselben nicht passende, die Bemerkung beigefügt: Auf s. g. Dachausla­ dungen oder andere Vorsprünge des Bauwerks wird also nicht gesehen. DaS war der Ausdruck einer nicht näher motivirten eigenen Meinung. Das O.Tr. hat daS Pr. 2690 folgerichtig auch auf vorspringende Pfeiler ausgedehnt und erkannt, daß bei Bauten an der Grenze der Zwischenraum von 3 und resp. 1| Werkschuh von dem neuen Gebäude, d. h. von der nach der Seite des Nachbars erichteten und dasselbe repräsentirenden Mauer und nur von dieser, nicht aber von den an derselen an- oder vorgebauten und daher vorspringenden Pfeilern zu bemessen und für diese Pfeiler nur die Eigenthuinsgrenze inne zu halten sei. O.Tr. II v. 20. Februar 1866, Str. Arch. 61 S. 353. Eie Entfernung von 3 Werkschuhen ist auch nur von den zu Tage stehenden Mauern der Ge­ bäude zu messen, nicht aber von den unter der Erde befindlichen Fundamenten des Nachbarhauses, O.Tr. II v. 14. November 1857, ebenda 28 S. 86. Vergl. Anm. 5 zu §. 128. Auch wenn Jemand an der Grenze eines unbebauten Platzes ein Gebäude ohne Widerspruch deS Nachbars errichtet hat, muß dennoch der Nachbar, wenn er seinerseits neu anbauen will, volle drei Werkschuhe von dem bereits vorhandenen Gebäude zurückbleiben. O.Tr. II v. 25. Okt. 1853, ebd. 10 S. 249. (7. A. Wenn jedoch dieses Gebäude in Folge seiner Baufälligkeit dem Neubau gegenüber ausgebaucht ist, so ist die Entfernung nicht von der Ausbauchung der Rückwand, sondern von der ursprünglichen und richtigen Fluchtlinie der letzteren zu messen. Denn der §. 139 setzt voraus, daß der Zustand ein berechtigter ist. O.Tr. II v. 28 Okt. 1875, Str. Arch. 95 S. 82.) Die §§. 133—136 sind von solchen gemeinschaftlichen Mauern zu verstehen, welche zwischen bereits vorhandenen Gebäuden sich befinden. Daher ist ein Grenznachbar nicht berechtigt, die auf der

g

426

Erster Theil.

Achter Titel,

tztz. 140—142.

§. 140. Stößt aber das neue Gebäude auf einen unbebauten29) Platz des Nachbars"), so ist ein Abstand von anderthalb ") Werkschuhen hinreichend"). §. 141. Uebrigens aber kann jeder in der Regel auf seinem Grunde und Boden so nahe an die Grenze und so hoch bauen, als er es für gut findet"). §. 142"). Sind jedoch die Fenster") des Nachbars"), vor welchen gebaut Grenze stehende gemeinschaftliche er mit den neuen Gebäuden die überschreitet; er darf namentlich Grenze nicht verwenden. O.Tr.

Maner zur Errichtung neuer Gebäude in der Art zu benutzen, daß im §. 139 vorgeschriebene Entfernung von dem Nachbargruudstücke die gemeinschaftliche Mauer zur Aufrichtung von Gebäuden an der II v. 25. Sept. 1862, Entsch. 48 S. 23.

28) Der RechtSgrundsatz des §. 43 Tit. 22 findet auch in dem Falle Anwendung, wenn bei Er­ richtung des neuen Gebäudes an der Grenze die in dem §. 140 vorgeschriebene Baugrenze überschrit­ ten ist. O.Tr. II v. 25. März 1852, Entsch. 23 S. 46; Str. Arch. 5 S. 98. Ueberhaupt ist die Porschrift des §. 43 Tit. 22 auch auf die gesetzlichen Eigenthumsbeschränkungen anwendbar, insoweit nicht die rechtliche Natur dieser Einschränkungen überhaupt, oder gewisser Arten derselben, einen Unterschied oder eine Ausnahme begründet. §. 191. O.Tr. II v. 12. Febr. 1861, Str. Arch. 40 S. 270. (7. 91. Der Grundeigenthümer muß daher ohne Verzug widersprechen, sobald er bemerkt, daß sein Nachbar mit einem neuerrichteten Gebäude über die Grenze des §. 139 vorgerückt ist. O.Tr. II vom 2. Oktober 1873, Str. Arch. 90 S. 248.) Widerspricht er nicht sofort, so verliert er nicht allein daS Recht, die Zurückziehung des Baues, sondern auch das Recht, Ersatz des durch dieses Vor­ rücken, als durch eine gesetzwidrige Handlung verursachten Schadens zu verlangen. Der §. 186 Tit. 9 findet hier keine analoge Anwendung. * O.Tr. I v. 13. Nov. 1863, Entsch. 50 S. 87. — Sehr richtig. Der Fall steht unter dem Prinzip des §. 43 I 22; der Bauende ist Eigenthümer des Grundes und Bodens bis zur Eigenthumsgrenze und nur mit der gesetzlichen Servitut zum Vor­ theil des Nachbars belastet, den Streifen zwischen der gesetzlichen Baulinie und der Eigenthumsgrenze unbebaut zu lassen. Diese Servitut ist durch stillschweigende Einwilligung deS Nachbars erloschen, wenn er nicht gegen den Bauenden selbst bestimmten Widerspruch einlegt, sobald die beeinträchtigenden Bauanstalten getroffen werden und er solches wahrnimmt. Erk. des Ferien-Senats v. 10. August 1864, Str. Arch. 69 S. 1. (6. A.) Vergl. auch O.Tr. II v. 19. März 1867 und V v. 17. Dez. 1867, ebd. S. 10 und 248. Die Frage, ob der Widerspruch gegen den angefangenen Bau rechtzeitig eingelegt worden, ist thatsächlicher Natur. Es kommt in jedem einzelnen Falle darauf an, ob der Berechtigte sich so verhalten hat, daß seine stillschweigende Einwilligung in die Aufhebung der (ge­ setzlichen) Grundgerechtigkeit anzunehmen ist. O.Tr.'ll v. 10. Mm 1870, Str. Arch. 78 S. 226. Willigt der Nachbar ausdrücklich darin, daß der Bau auf einer bestimmten Linie aufgeführt werde, so ist der Bauende zweifellos gegen künftigen Widerspruch gesichert. Der schriftlichen Form bedarf die Erklärung des Nachbars selbst dann nicht, wenn demselben bekannt ist, daß die von ihm genehmigte Baulinie die wahre Grenzlinie überschreitet. O.Tr. II v. 10. Dez. 1872, ebd. 87 S. 188.

29) Siehe die Anm. 23 Alin. 3 und 4 (zu §. 139). — Es gehört nicht zum Wesen eines un­ bebauten Platzes, daß derselbe noch nie bebaut gewesen ist. O.Tr. II (Pr. 448) v. 23. Mai 1838, Präj. Samml. 1 S. 27. (6. A.) Zur Aufführung einer Scheidemauer an der Grenze ist der Eigen­ thümer nach §. 149 befugt. Aber er darf, wenn er hiernächst bauen will, diese Mauer nicht als Wand des neuen Gebäudes benutzen und so die Vorschrift des §. 140 umgehen. Vielmehr ist auch in einem solchen Falle der Abstand von i| Fuß zwischen der Grenzlinie und dem Neubau einzuhalten. O.Tr. II v. 9. Febr. 1871, Str. Arch. 81 S. 138. (7. A.) Die Frage, ob die Vorschrift des §. 140 auch bei Bauten an der Grenze an einer öffent­ lichen Straße Anwendung findet, ist verneint in einem Falle, wo der Bau ganz nach dem polizeilich genehmigten Situationsplan ausgeführt war. O.Tr. II v. 18. Dez. 1873, Entsch. 71 S. 146. 30) Auch derjenige Nachbar, welcher nicht sein Eigenthum nachweiset, ist den Zurücktritt von seiner Grenze zu fordern berechtigt. Tit. 7 §. 176. O.Tr. II v. 2. April 1857, Str. Arch. 25 S. 42. 31) S. die Anm. 27 zu §. 139. Die Vorschrift des §. 140 findet ebenso wie der §. 139 nur dann Anwendung, wenn nicht besondere Polizeigesetze ein Anderes vorschreiben. O.Tr. II v. 21. Juni 1864, Entsch. 52 S. 27; Str. Arch. 55 S. 167.

32) Hat der Bauende die hier vorgeschriebene Baulinie überschritten, so findet der Grundsatz deS §. 43 Tit. 22 auch auf diesen Fall Anwendung. O.Tr. II (Pr. 1480) v. 23. Sept. 1844, Pr.Samml. 1 S. 28, und v. 3. Mai 1864, Str. Arch. 55 S. 79. 33) (6. A.) Diese Befugniß ist ein Ausfluß des Eigenthums. 26, 65, und die Anm. 91 zu §. 123.

Vergl. oben die §§. 9, 12, 13,

34) Siehe die Anm. 22 zu §. 139 und die folg. Anm. 35. 35) Fenster find bekanntlich Oeffnnngen, durch welche Licht in einen inneren Raum eiueS Ge­ bäudes gebracht wird. Folglich gehören auch die Bodenluken im Giebel eines Hauses hierher, wenn

Vom Eigenthums.

427

werden soll37), schon seit zehn Jahren33) oder länger vorhanden, unb39) die Be­ hältnisse"), wo sie sich befinden, haben") nur von dieser Seite her") Licht, so muß sie Ken Boden zu erhellen bestimmt sind. Bergl. Anm. 13, zu §. 137. (7. A.) Wenn dagegen die Luken nur die Bestimmung haben, den Luftzug zu befördern, so fallen sie nicht unter den Begriff der Fenster. O.Tr. II v. 17. Mai 1873, Str. Arch. 90 S. 181.

36) Siehe oben die Anm. 40 zu §. 103.

37) Diese Vorschrift und der folgende §. 143 finden auch bei neuen Bauten auf bisher schon zum Baue benutzten Stellen und bei Erhöhungen alter Gebäude Anwendung. O.Tr. Pl. (Pr. 1777) v. 11. Mai 1846, Entsch. 13 S. 28. Bergl. auch O.Tr. II v. 25. Okt. 1859, Entsch. 42 S. 51; Str. Arch. 35 S. 196. 38) Ob diese Zeitbestimmung eine Verjährung sei, ist bezweifelt worden. Ich halte sie für keine Verjährung im eigentlichen Sinne, sondern für eine Erklärungsfrist, mit deren Ablaufe der Nachbar für einwilligend in die Anlegung der neuen Fenster erachtet wird. Wenn nämlich Jemand in seinem Hause in der Wand nach dem Nachbar in einer Höhe, welche deS Nachbars niedrigeres Haus über­ steigt, ein neues Fenster öffnen läßt, so kann es der Nachbar nicht hindern. Der Nachbar selbst aber wird dadurch auch nicht gehindert, sein Haus höher zu bauen und dadurch daS neue Fenster zu ver­ bauen. Wartet er damit 10 Jahre stillschweigend, so darf er das nicht mehr. Deshalb muß er, im Sinne des §. 43 Tit. 22, widersprechen. Dies waren auch die Gedanken der Vers, des L.R. Suarez sagt a. a. O.: „Nach den Bestimmungen (des Entw.) sollte dem Nachbar gestattet sein, gegen die Eröffnung neuer Fenster, die auf seine Grundstücke die Aussicht gewähren, innerhalb dreier Jahre nach deren Anlage zu protestiren und sich dadurch das Recht des Vorbaues zu erhalten." Die Frist ist dann auf 10 Jahre festgesetzt. Durch eine gerichtlich zu insinuirende und in das Hypothekenbuch deS Anderen einzntragende Protestation wird also der Nachbar sich das Recht erhalten (was jedoch streitig ist), vor dem neuen Fenster des Anderen auch noch nach Verlauf von 10 Jahren so zu bauen, wie er es innerhalb dieser Frist zu thun berechtigt gewesen wäre. Vergl. Tit. 9 §. 603 und Tit. 14 §§. 466, 467. Da eö hiernach nur auf widersprechende Willenserklärung ankommt, so folgt, daß statt der Worte auch eine bleibende Anlage mit gleicher Wirkung angewendet werden kann, d. h.: dem Nachbar muß freistehen, vor dem neu eröffneten Fenster des Anderen eine Bretterwand aufzu­ richten. Nach einer Meinung soll dies nicht zulässig sein, dabei ist jedoch die rechtliche Bedeutung dieser Handlung als einer Protestation zur Erhaltung des eigenen Rechts nicht erwogen. Aus der Aeußerung Suarez' und dem Zusammenhänge der Bestimmung erhellet zugleich, daß der Wider­ spruch keineswegs gleich beim Beginne der gegenseitigen Anlage oder noch während derselben erhoben werden muß, vielmehr dazu während der ganzen Frist noch Zeit ist. Vergl. auch O.Tr. v. 6. Sept. 1839, Schles. Arch. 4 S. 179. Eine Besitzstörungsklage kann der Fensterbesitzer wegen Verbauung derselben lediglich auf die zeitherige Existenz der Fenster nicht gründen. Denn es müßte bewiesen werden, daß der Besitz durch seine'zehnjährige ruhige Dauer ein wirklicher Rechtsbesitz geworden; und auf eine solche Erörterung des Rechts ist im Possessorienprozesse nicht einzugehen. O.Tr. ill v. 30. Nov. 1857, Entsch. 37 S. 51; Str. Arch. 28 S. 112. Siehe dagegen das Erk. dess. v. 4. April 1870, Str. Arch. 78 S. 153. — Der zweite Senat des O.Tr. hält die Frist für eine Verjährungsfrist, jedoch einen Widerspruch (Protestation) des Nachbars während derselben für wirksam und die Ein­ tragung der Protestation in daS Hypothekenbuch des berechtigten Grundstücks (§. 89 der Einleitung) für zulässig. O.Tr. II v. 2. Juli 1861, Entsch. 51 S. 69; Str. Arch. 42 S. 234. Der herange­ zogene §. 89 giebt keinen Beweis für dieses Theorem. S. Anm. zu §. 89 der Einleitung z. A. L.R. In einem Erk. v. 28. April 1868, Str. Arch. 71 S. 130, ist dasselbe gegen neuere Anfechtung auf­ recht erhalten. Die neuen Gründe sind gewichtlos gegen die erklärte Absicht des Gesetzgebers und den Mangel der Erfordernisse der Verjährung. (6.A.) Dernbürg, Lehrb. 1 S. 468 Note 10, verwirft die Koch 'sche Ansicht, weil Nichts berechtige, eine Einwilligung deS Nachbars — und zwar gerade nach 10 Jahren — anzunehmen. Seiner Meinung nach hat das Gesetz hier eine anomale zehnjährige erwerbende Verjährung eingeführt, bei welcher allerdings von Titel und bona fides nicht die Rede ist. Auch Förster, Theorie und Praxis §. 170 Note 37, 3. Aust. 3 S. 153, steht auf dem Standpunkt des Obertribunals; er nimmt an, daß der Eigenthümer der Fenster durch Ablauf von 10 Jahren das Recht ersitze, dem Nachbar das Höherbauen zu untersagen. (7. A.) Die Er­ werbung des Fensterrechts durch Verjährung ist selbstverständlich ausgeschlossen, wenn die Anlage der Fenster nur auS Gefälligkeit von dem Nachbar gestattet ist. O.Tr. II v. 21. März 1876, Str. Arch. 95 S. 337. 39) Hiernach ist das in den Schlußworten des §. 142 bestimmte Recht von zwei Bedingungen abhängig: erstens müssen die Behältnisse nur von der Nachbarseite Licht haben, und zweitens müssen die darin befindlichen Fenster seit mindestens zehn Jahren vorhanden sein. O.Tr. H v. 28. Febr. 1861, Entsch. 45 S. 67.

40) Das Obertribunal erklärt diesen Ausdruck dahin: „Der im §. 142 gebrauchte Ausdruck „Be­ hältniß" bezeichnet nicht bloß solche Räume, welche für den andauernden Aufenthalt von Menschen be-

428

Erster Theil.

Achter Titel.

§§. 142—143.

der neue Sau43) so weit zurücktreten, daß der Nachbar noch auS den ungeöffneten Fenstern des untern Stockwerks44) den Himmel erblicken könne43). stimmt sind, sondern ist ein allgemeiner, welcher alle ein geschlossenen Räume, die zur Aufnahme von Sachen und Menschen bestimmt sind, umfaßt, in welchem Sinne derselbe auch im §. 138 gebraucht ist, und zwar gegensätzlich resp, erweiternd, nicht erklärend, zu dem daneben gebrauchten Ausdruck „Zim­ mer". In dem vorliegenden Falle war das fragliche „Behältniß" ein Apartement. O.Lr. II v. 1. Dez. 1864, Str. Arch. 57 S. 184. Auf Treppen- und Flurfenster indeß sollen nach der Meinung des Obertribunals die strikt zu interpretirenden §§. 142 ff. sich nicht beziehen, weil Treppe und Haus­ flur durch die bloße Lichtverminderung nicht völlig unbrauchbar werden. O.Tr. II v. 24. Mai 1860, ebd. 37 S. 245. (6. A.) Der angeführte Grund ist nicht überzeugend. Dernburg, Lehrb. 1 S. 469 Note 10. Dagegen verdient eine jüngere Entscheidung Beifalls in welcher als oberster Grundsatz an­ erkannt ist, daß für alle Behältnisse auf der Bauseite, welche durch daselbst befindliche Fenster erhellt werden, ein bestimmter Lichtschutz fortdauern soll. Aus diesem Grundsätze ist dann weiter gefolgert, daß es unerheblich ist, ob die Bauseite zu den Front- oder zu den Giebelseiten des Hauses gehört. Der Lichtschutz erstreckt sich aus die ganze Bauseite. O.Tr. II v. 16. Juni 1870, Entfch. 64 S. 26; Str. Arch. 79 S. 113. 41) DaS „Haben" setzt das Vorhandensein der Fenster voraus, nicht bloß die Möglichkeit, sich noch von einer anderen Seite her Licht zu verschaffen. (6. A.) Dies ist auch die Ansicht Borne­ mann'S (Syst. 2. Ausg. 2 S. 140 Note 2). Anderer Meinung ist Grein, Baurecht rc. S. 113. Auch Dernburg, Lehrb- 1 S. 469 Note 10, hält die Möglichst, auf einer anderen Seite Fenster anzulegen, für ausreichend; er stützt sich dabei auf eine Aeußerung von Suarez (unten Anm. 42 zu §. 143). 42) (7. A.) Die in den §§. 142 und 143 gebrauchten Ausdrücke „nur von dieser Seite" und „noch von einer anderen Seite her Licht haben" sind nur in Bezug auf die Seiten deS verdunkelten Behältnisses zu verstehen. Befinden sich daher in derselben Wand, vor welcher der Neubau errichtet wird, mehrere Fenster, so kann daraus, daß das eine noch Licht gewährt, nicht ge­ folgert werden, daß für das andere ein Lichtschutz nur nach §. 143 in Anspruch genommen werden dürfe. O.Tr. II v. 4. Mai 1875, Str. Arch. 93 S. 353.

43) (7. A.) Ein Bretterverschlag ist kein neuer Bau im Sinne des §. 142. 21. März 1876, Str. Arch. 95 S. 337. Bergl. Anm. 24 zu §. 139. 44) Darunter wird das Erdgeschoß verstanden. S. 358.

O.Tr. II v.

O.Tr. II v. 5. Januar 1865, Str. Arch. 55

45) Bei dieser Bestimmung ist es eingetroffen, was ein Monent gegen dieselbe gesagt hatte, daß nämlich die Frage: unter welchen Umständen es möglich bleiben müsse, den Himmel zu sehen, viele Prozesse und Streitigkeiten veranlassen würde. Diese sollen erledigt werden durch den Pl.-Beschl. (Pr. 786) des O.Tr. v. 9. Dez. 1839, wonach es genügt, daß der neue Bau 3 Fuß zurücktritt, und es dem Nachbar auf irgend eine Weise und in irgend einer Stellung möglich ist, auS dem ungeöffneten Fenster des zweiten Stockwerks in vertikaler Richtung, den Himmel zu sehen, Entsch. 5 S. 166. Schwerlich entspricht die Entscheidung der Absicht des Gesetzes. Bergl Anm. 48. (6. A. Das O.Tr. ist indeß bei seiner Auffassung verblieben. O.Tr. II v. 22. Dez. 1870, Str. Arch. 80 S. 200.) Die §§. 142 u. 143 hat daS O.Tr. auf den Fall, wenn zwar in einem oberen Stockwerke des Nachbargebäudes seit 10 Jahren oder länger Fenster vorhanden sind, aber solche sich in den unteren Stockwerken nicht vorfinden, in der Weise'angewendet, daß der Bau den vorhandenen Fenstern gegen­ über, resp, in deren Breite, soweit zurücktreten müsse, daß der Nachbar noch aus diesen ungeöffneten Fenstern in vertikaler Richtung den Himmel erblicken könne. O.Tr. II v. 3. Oktober 1861, Entsch. 46 S. 68, und v. 16. Juni 1870, Entsch. 64 S. 26; Str. Arch. 79 S. 113. Keineswegs ist es nach dem Pl.-Beschl. v. 9. Dezember 1839 genügend, wenn der Anblick des Himmels aus den ungeöffneten Fenstern zwar nicht in vertikaler Richtung, aber doch seitwärts zu ermöglichen ist, sobald nur der Himmel noch über dem Neubau, nicht bloß neben demselben, gesehen werden kann. Denn es beruht aus einem Mißverständniß der Begründung deS gedachten Pl.-Beschl., wenn man sich in dieser Auf­ fassung mit demselben nicht in Widerspruch gesetzt zu haben glaubt. In jener Begründung ist gerade dargelegt, daß es darauf, daß in vertikaler Richtung — die selbstverständlich nicht mit der ver­ tikalen Linie zu verwechseln ist — der Anblick des Himmels zu ermöglichen ist, ankommt. O.Tr. II v. 31. Januar 1867, Str. Arch. 65 S. 256. (7. A. Der Vorschrift des §. 142 ist schon dann genügt, wenn das Gebäude in der Ausdeh­ nung, in welcher es dem Fenster gegenüber liegt, zurüütritt. Das ganze Gebäude in seiner Konti­ nuität braucht nicht zurückzutreten. Mehr als die Anlegung eines sogenannten Lichtschachtes, durch welchen aus dem ungeöffneten Fenster des Nachbars m vertikaler Richtung der Himmel gesehen werden kann, darf von dem Eigenthümer des Neubau's nicht verlangt werden.' O Tr. II v. 8. Juni

1876, Entsch. 78 S. 16.)

Vom Eigenthume.

429

§. 143. Hat in diesem Falles«) das Gebäude des Nachbars, in welchem die Fenster sich befinden, noch von einer andern Seite ßict)t47), so ist es genug48), wenn der neue Bau nur so weit zurücktritt, daß der Nachbar aus den ungeöffneten Fenstern des zweiten Stockwerks48) den Himmel sehen tonne50). Die Vorschrift des §. 142 ist nur auf Fenster in einer eigenthümlichen Mauer, nicht aber aus Fenster in einer gemeinschaftlichen Mauer zu beziehen. Bei einer gemeinschaftlichen Mauer verjährt das Recht des Miteigenthümers, die von dem Anderen darin eigenmächtig angelegten Fenster zu be­ seitigen und die Wiederherstellung des alten Zustandes der gemeinschaftlichen Mauer zu verlangen, erst'in 30 Jahren. O.Tr. 11 v. 30. April 1863, Entsch. 42 S. 99. (6. A.) Die Klage aus §. 142 ist nicht bloß dem Eigenthümer, sondern auch dem Miether zu gestatten, weil letzterer nach landrechtlicher Auffassung ein dingliches Recht hat und daher befugt sein muß, dasselbe gegen jeden Dritten zur Geltung zu bringen. Gruchot, Beitr. 6 S. 303. 46) Die Fassung des §. 143 ist insofern ungenau, als die Worte: „hat in diesem Falle" daraus hinsühren, daß der §’. 143 das Vorhandensein beider vorgedachter Bedingungen (Aum. 39), mindestens der letzteren, voraussetze. Die getroffene Bestimmung soll jedoch, nach dem Inhalte des §., dann zur Anwendung kommen, wenn zwar die nach dem Nachbargrundstücke führenden Fenster seit zehn Jahren vorhanden sind, die Behältnisse, denen sie Licht zusühren, aber noch von einer anderen Seite Licht er­ halten. Das alleinige positive Erforderniß des tz. 143 ist also das zehnjährige Bestehen der Fenster. O.Tr. II v. 28. Febr. 1861, Entsch. 45 S. 68. 47) Das ist ein solches Licht, welches durch Oefsnungen oder Fenster in einer unmittelbar an das Freie stoßenden Wand eingelassen wird, nicht bloß ein solches, welches aus einem Vorgemache durch Glasthüren fällt. Schles. Arch. 1 S. 365. (6. A.) Das Licht muß überhaupt ein hinreichendes sein, wenn angenommen werden soll, daß das Behältniß noch von einer anderen Seite Licht habe. O.Tr. II. v. 24. Okt. 1871, Gruchot, Beitr. 16 S. 237, und v. 12. Nov. 1872, Str. Arch. 87 S. 21.

48) Denn, sagt Suarez (Aum. 11), wenn der Nachbar sich noch auf andere Art Helsen kann, so darf eine bloße Unbequemlichkeit oder ein nicht sehr beträchtlicher Nachtheil desielben den Bauenden in dem freien Gebrauche seines Eigenthums nicht hindern. Vergl. Anm. 41 u. 45. Auch dieses soll nicht erforderlich sein, wenn aus dem ungeöffneten Fenster des unteren Stockwerks der Himmelsanblick möglich geblieben ist und dem betreffenden Behältnisse des zweiten Stockwerks, aus welchem man den Himmel nicht sehen kann, noch von einer anderen Seite her Licht zugeführt wird. O.Tr. 11 v. 3. April 1856, Str. Arch. 21 S. 44. Eine analoge Anwendung des §. 142 auf das zweite Stockwerk. Es ist aber auch der Umstand, daß in Folge des Neubaues aus einem der Fenster des oberen Stockwerks der Himmel nicht mehr zu erblicken ist, nach dem Inhalte des §. 142 für un­ erheblich erklärt worden von dem O.Tr. II in dem Erk. v. 9. Sept. 1856, ebb. 22 S. 162. 49) Unter dem zweiten Stockwerk ist die über dem Erdgeschoß (§. 142) belegene sog. Beletage zu verstehen. O.Tr. II v. 5. Jan. 1865, Str. Arch. 55 S. 358. (7. A.) Wie nun, wenn das Ge­ bäude, vor dessen Fenster gebaut werden soll, nur aus einem einzigen Stockwerk besteht? Das Recht auf Lichtschutz, welches die §§. 142 u. 143 gewähren, ist ein unbedingtes. Die Fälle unterscheiden sich nur dadurch, daß der §. 142 voraussetzt, daß nur durch diese Fenster Licht zugeführt wird, im Fall des §. 143 dagegen das Gebäude noch von einer anderen Seite Licht erhält. Wenn daher das Haus ein einstöckiges ist, so ist aus diesem Grund der §♦ 143 nicht unanwendbar; es ist vielmehr durch Sachverständige zu ermitteln, wie weit der Neubau zurücktreten muß, damit der Nachbar, wenn sein Haus ein zweites Stockwerk hätte, aus dem ungeöffneten Fenster desselben den Himmel sehen könnte. O.Tr. II v. 24. März 1874, Entsch. 72 S. 95; Str. Arch. 91 S. 185.

50) Die §§. 142, 143 beziehen sich auf einen Neubau. Bei bereits vorhandenen, unmittelbar an einander stoßenden Gebäuden ist der Eigenthümer des größeren mit einem Giebelfenster versehenen Ge­ bäudes nur dann berechtigt, dem Höherbauen des Nachbars, durch welches jenes, wenngleich schon länger als 10 und 30 Jahre vorhandene, Fenster vermauert wird, zu widersprechen, wenn er ein Untersagungsrecht hierzu besonders erworben hat. O.Tr. II v. 26. Febr. 1852, Str. Arch. 5 S. 55. Bergt, die Änm. 37 zu §. 142 und Dernburg 1 S. 469 Note 10 Nr. 5. Die in den §§. 139, 142, 143 enthaltenen singulären Maßbestimmungen beziehen sich nur auf Gebäude, resp, neu zu errichtende Gebäude, finden aber auf andere ausgestellte lichtverkümmernde Gegenstände, z. B. ausgestellte Haufen Ziegelsteine, keine Anwendung. O.Tr. II v. 15. Okt. 1861, Str. Arch. 42 S. 353. (6. A.) Damit ist aber nicht gesagt, daß der Nachbar berechtiat wäre, durch Anhäufung von Materialien auf seinem Grundstück die Fenster des angrenzenden Hauses zu verdun­ keln. Hat der Eigenthümer des Hauses ein Recht aus Lichteinziehung (O.Tr. m v. 4. April 1870, Str. Arch. 78 S. 153), so kann er Beeinträchtigungen dieses Rechts mit der Negatorienklage abweh­ ren. Das Obertribunal hat deshalb durch das Erk. v. 15. Okt. 1861 den Eigenthümer, der die Be­ seitigung eines Haufens Ziegelsteine vor seinen Fenstern von dem Nachbar unter Berufung aus §. 143 verlangte, nur angebrachtermaßen abgewiesen. — Die dauernde Anhäufung von Materialien vor den

430

Erster Theil.

Achter Titel.

§§. 144—150.

§. 144. Sind aber die Fenster des Nachbars, vor welchen gebaut werden soll, noch nicht seit zehn Jahren vorhanden, so ist der Bauende bloß an die §. 139 be­ stimmte Entfernung gebunden"). §. 145. Der Nachbar kann alsdann dem neuen Baue, wodurch ihm das Licht benommen wird, nur in so fern widersprechen, als er ein Untersagungsrecht dagegen besonders erworben hat. (Tit. 22.)52) §. 146. Wo eine solche Grundgerechtigkeit obwaltet, da findet, im Mangel aus­ drücklich verabredeter, die gesetzliche Bestimmung des §. 142 Anwendung ^). §. 147. In allen §tz. 139, 140, 142, 143, 146 bestimmten Fällen bleibt der unbebaute Zwischenraum nach wie vor seinem bisherigen Eigenthümer, und kann von demselben zu jedem in den Gesetzen nicht verbotenen Gebrauche angewendet werden. Bon Thüren. §. 148. Neue Thüren ")/ welche unmittelbar55) auf des Nachbars Grund und Boden führen, dürfen wider dessen Willen56) niemals angelegt werden"). Fenstern hindert, wenn das Fensterrecht noch nicht erworben ist, den Erwerb desselben durch Verjäh­ rung. Dernburg, Lehrb. 1 S. 469 Note 10 Nr. 6.

51) ES kommt in diesem Falle also nicht darauf an: ob die Behältnisse noch von einer anderen Seite her Licht haben, oder nicht; die Fenster, welche noch nicht zehn Jahr alt sind, werden als nicht vorhanden behandelt, der bauende Nachbar braucht daher nur das Zwischenraumsrecht (§. 139) zu achten, dieses muß er aber auch thun, folglich hier ebenso, wie wenn keine Fenster vorhanden wären, drei Fuß Zwischenraum lassen. O.Tr. II v. 28. Febr. 1861, Entsch. 45 S. 68. 52) Durch eine Besitzstörungsklage ist der Bau nicht zu verhindern, weil in dem Dasein der Fen­ ster noch kein Besitz eines besonderen Rechts liegt, mithin aus dem unternommenen Baue keine Besitz­ störung erkannt werden kann, dazu vielmehr der Nachweis des Rechts selbst gehören würde, wodurch das Possessorium zum Petitorium werden müßte. (6. A.) Das O.Tr. hat indeß die Possesjorienklage des Eigenthümers, dessen Fenster der Nachbar durch Ausstellung eines großen Steines verdunkelt hatte, zugelassen. O.Tr. III v. 4. April 1870, Str. Arch. 78 S. 153. Siehe die vorige Anm.

53) (6. A.) In Berlin kann die Verjährung erworben werden. Durch wird niemals das Recht erlangt, dem 1861, Entsch. 45 S. 73 ; Str. Arch.

servitus ne luminibus officiatur nur durch Vertrag oder durch das bloße — auch noch so lange — Vorhandensein der Fenster Nachbar den Gegenbau zu untersagen. O.Tr. II v. 26. Febr. 42 S. 12.

54) (6. A. Unter Thür im Sinne des §. 148 ist jede in dem Gebäude oder der Grenzwand angelegte Oeffnung zu verstehen, welche geeignet ist, das Betreten und Benutzen des Nachbargrund­ stücks zu vermitteln. O.Tr. II v. 24. Januar 1871, Str. Arch. 80 S. 266.) Eine neue Thür im Sinne des §. 148 ist nicht vorhanden, wenn das Gebäude an der Stelle eines Behufs Wiederaufbaues abgerissenen alten Gebäudes errichtet worden ist und in der betreffenden Wand des letzteren bereits eine Thür, wenn auch nicht gerade an der nämlichen Stelle und in den nämlichen Dimensionen, vorhanden war. Darauf, ob die Thür nach innen oder nach außen ausgeht, kommt eS nicht an. O.Tr. II vom 10. Oft. 1854, St. Arch. 15 S. 95. Das Thürrecht geht dadurch, daß das Gebäude umgebaut und aus einem Schuppen ein Wohn­ haus gemacht wird, nicht verloren. O.Tr. II v. 23. Januar 1862, ebenda 44 S. 168. Die in einem neu errichteten Gebäude angelegte Thür ist im Sinne des §. 148 als eine neue zu betrachten, wenn auch in dem alten Gebäude, welches durch das neue Gebäude ersetzt ist, eine Durchfahrt bestanden hat. Hat die Durchfahrt sich an einer ganz anderen Stelle, als die neue Thür, befunden, so ist letztere schon aus diesem Grunde als eine neue zu erachten. O.Tr. II v. 19. Sept. 1865, ebenda 59 S. 345. 55) Vergl. hierzu Anm. 15 u. 16 (Abs. 3) zu §. 138. 56) (7. A.) Ob und wann anzunehmen, daß die Thür mit oder wider den Willen des Nach­ bars angelegt worden, ist in jedem einzelnen Fall Sache der thatsächlichen Beurtheilung. „Daraus", sagt das Obertribunal, „daß der Nachbar nicht schon gleich bei oder gleich nach der Anlegung der Thür einen Widerspruch zu erkennen gegeben hat, folgt noch nicht, daß es so anzusehen ist, als ob er seine Genehmigung dazu ertheilt hat; noch weniger ist er seines Widerspruchsrechtes durch sein Schweigen allein verlustig gegangen, da eine solche Folge gesetzlich nicht angedroht ist und aus der allgemeinen Vorschrift nicht gefolgert werden kann." O.Tr. II v. 30. März 1854, Str. Arch. 12 S. 315. Im Gegensatz hierzu wurde später ausgesührt, „daß, indem das Gesetz die Anlage neuer Thüren wider den Willen des Nachbars verbiete, es eine positive Thätigkeit des letzteren, einen Widerspruch vor­ aussetze, dessen Existenz er zur Begründung der Klage nachzuweisen habe , weil er nur dann behaupt ten könne, daß wider seinen Willen gehandelt worden, wenn er diesen Willen vorher zu erkennen ge­ geben habe." O.Tr. II v. u. Dezbr. 1856, ebenda 23 S. 146. In einer neueren Entscheidung ist

Vom Eigenthume.

431

§. 149. In der Regel ist ein Zeder seine Grundstücke durch Zäune. Planken, U»Z°un-n, Mauern, oder andere Scheidewände, von den Grundstücken seines Nachbars zu tren- Scheidew-n. nen berechtigt^). btlL §. 150. Dergleichen Scheidungen müssen aber die Grenzen gegen den Nachbar niemals überschreiten, noch demselben in dem Gebrauche seines Eigenthums hinderlich werden b»).

Wieder die ältere Meinung zur Geltung gekommen. Str. Arch. 94 S. 204.

O.Tr. II v. 19. Okt. 1875, Entsch. 76 S. 115;

57) (7. A.) Die Anwendung des §. 148 wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Nachbar den Grund und Boden, auf welchen die Thür stößt, der öffentlichen Passage freigegeben hat. O.Tr. II v. 19. Okt. 1875 , Entsch. 76 S. 108; Str. Arch. 94 S. 200. 58) Aber nicht verpflichtet. Daraus folgt, daß, wenn Jemand von diesem Rechte Gebrauch ge­ macht hat, er dadurch nicht die Verbindlichkeit gegen den Nachbar erhält, für ewige Zeiten die Schei­ dung zu unterhalten. Nach manchen Provinzialgesetzen oder OrtSrechten gilt das Gegentheil, nament­ lich in den Dörfern, wo die Schuldigkeit zur Erhaltung der Umfriedungen der Gehöfte daraus folgt, daß das Vieh beim besten Willen nicht immer im Zaume zu halten ist. Wo dergleichen besondere Nornlen fehlen, kommen die Vorschriften des L.R. zur Anwendung, wonach die Einfriedigung in der Regel nur ein Recht sein soll. Die Vergleichung der einzelnen Bestimmungen aber, besonders der §§. 162, 167, 169 ergiebt, daß der praktisch geltende Grundsatz der nämliche, also die Verpflichtung zur Einfriedigung , ist, und daß nur Feldgrundstücke davon eine Ausnahme in der Art machen, daß die Befriedung willkürlich ist. (Siehe unten die Anm. 71 u. 77.) Dafür hat sich auch das Obertri­ bunal entschieden. Es hat angenommen: Wer eine neue Grenzscheidung außerhalb der freien Feld­ flur in einer Gegend, wo bisher keine vorhanden gewesen ist, angelegt hat, ist verpflichtet, dieselbe auf seine Kosten zu erhalten. O.Tr. II v. 1. Juli 1851, Str. Arch. 2 S. 215. Vergl. auch das Erk. v. 4. Nov. 1835, unten in der Anm. zu §. 506 Tit. 9. Bei einem Garten indeß', welcher an die freie Feldflur grenzt, ist die Unterhaltung des vorhandenen Zaunes als eine res merae facultatis anzusehen und eine Verpflichtung dazu auch nicht aus den §§. 149 ff. herzuleiten. O.Tr. II4). 17. Dez. 1867 , Entsch. 59 S. 43; Str. Arch. 69 S. 243. — Wo jene Verpflichtung vorhanden ist, besteht sie lediglich zum Besten der anstoßenden Grundbesitzer (Nachbarn). Ist also der Eigenthümer des an eine öffentliche Straße grenzenden Grundstückes nicht aus einem besonderen Rechtsarunde zur Haltung einer Verzäunung verpflichtet, so kann der Umstand, daß derselbe die bisher vorhanden ge­ wesene 'Verzäunung fortgenommen hat, denjenigen, dessen Vieh bei dem Treiben über die Straße auf jenes Grundstück übergetreten ist, von der Verpflichtung zur Zahlung des Pfandgeldes selbst dann nicht befreien, wenn die Beschaffenheit und geringe Breite der Straße die Verhinderung des Uebertretens des Viehes in ungewöhnlichem Maße erschwert hat. O.Tr. III v. 15. Dez. 1862, Str. Arch. 47 S. 228. Die §§. 152, 153 setzen voraus, daß der im freien Felde angelegte Zaun von dem Eigenthümer des Grundstücks zur Begrenzung desselben angelegt worden, und beziehen sich also nicht auf einen Zaun, welcher das Grundstück des Nachbars gar nicht berührt. O.Tr. II v. 7. Mai 1850 und 16. Sept. 1851, ebd. 3 S. 77. Uebriaens ist gegen eine polizeiliche Verfügung, in Gemäßheit welcher der Magistrat einer Stadt, als Polizeibehörde, die Sperrung einer Passage im öffentlichen Interesse beseitigen läßt, der Rechtsweg selbst dann unzulässig, wenn der dadurch betroffene Grundeigenthümer sich auf einen früheren Vertrag beruft, wobei der Magistrat nicht als Polizeibehörde, sondern als Vertreter eines Kämmerei-Grund­ stücks sungirte. Gerichtsh. zur Entsch. der Komp.-Konfl. v. 3. Mai 1856, J.M.Bl. S. 207. Der Antrag auf Wiederherstellung einer die öffentliche Kommunikation störenden und aus Anordnung der Polizeibehörde beseitigten Anlage (Verzäunung) ist zur Erörterung im Rechtswege nicht geeignet. Da­ gegen kann zum Zweck der Entschädigung auf Anerkennung des Rechts gegen die betr. Kommune ge­ klagt werden. Erk. dess. v. 11. Juni 1864, J.M.Bl. S. 388, 391. 59) Unter dem Ausdruck „hinderlich werden" ist nicht ein bloßes Erschweren, sondern ein Unmöglichmachen des Eigenthumsgebrauches zu verstehen. Wenn also z. B. Jemand auf der Grenzlinie seines Grundstückes eine Scheidewand errichtet und der Nachbar dadurch gehindert wird, sein anstoßendes Grundstück bis dicht an die Grenzlinie neben der Scheidewand mit dem Pfluge zu bestellen, so kann der Nachbar die Zurückziehung der Scheidung nicht verlangen. O.Tr. II v. 25. April 1865, Str. Arch. 58 S. 260. Dies leuchtet ein. Denn wenn der Pflug nicht bei dem Dasein der Wand bis dicht an die Grenzlinie gelangen kann, so kann er dies auch nicht bei dem Nichtvorhandensein derselben, ohne daß die Zugthiere in die Luftsäule des Nachbars übergreisen; und dieses braucht der Nachbar nicht zu dulden. Die Wand macht also nur faktisch unmöglich, was der Nachbar rechtlich nicht zu leiden braucht.

432

Erster Theil.

Achter Titel.

§§. 151-M64.

§. 151. Zu Befriedigungen in der Feldflur ist ein Eigenthümer nur in so fern befugt, als nicht Koppelweiden, Hütungs- oder andere Grundgerechtigkeiten entgegen stehen. §. 152. Wer eine neue Scheidung in einer Gegend, wo bisher noch keine vor­ handen aewesen ist, anlegen will, muß nicht nur die'Anlage, sondern auch die fernere Unterhaltung auf seine Kosten besorgen^). §. 153. Ueberhaupt liegt die Unterhaltung solcher Scheidungen demjenigen ob, welchem erweislich das Eigenthum derselben gebühret60 61). 8 154. Kann nicht ausgemittelt werden, wer der Eigenthümer einer solchen Scheidung sei, so wird bei Planken derjenige, gegen dessen Grund die Stiele, Stän­ der oder Pfosten derselben stehen62),63für den Eigenthümer geachtet, und ist die Planke ju erhalten schuldig. §. 155. Dagegen muß ihm aber der Nachbar, von dessen Seite die Bretter angeschlagen sind, den Zutritt auf seinen Grund und Boden bei nothwendigen an der Planke sich ereignenden Bauen und Reparaturen gestatten. §. 156. Die Abdachung der Stiele muß nach der Seite desjenigen Grundes geschehen, dessen Eigenthümern die Planke gehört64).65 §. 157. Sind die Bretter in die Mitte der Stiele eingefalzt, so ist die Planke für gemeinschaftlich zu achten, und muß von beiden Theilen gemeinschaftlich unterhal­ ten werden. §. 158. Was von Planken verordnet ist, gilt in der Regel auch von Stacketen. §. 159. Bei gemauerten Scheidewänden gilt die Vermuthung, daß die Mauer demjenigen gehöre, auf dessen Seite Vertiefungen, oder sogenannte Blenden sich be­ finden 6 5). 60) Wenn er es nicht vorzieht, sie wieder eingehen zu lassen, im Falle dies von seiner Willkür abhängt. Siehe die Anm. 58. 61) Vergl. unten die Anm. zu §. 167.

62) Dies war eine Kontroverse, und in der That scheinen die Gründe für die entgegengesetzte Mei­ nung sehr triftig. Bergl. Polack, Mathes, kor., p. 230.

63) Diese Bestimmung war bei der des §. 154 nothwendig und ist auch gemeinrechtlich, wo nicht das Entgegengesetzte des §. 154 Rechtens ist. Vergl. Hagemann, LandwlrthschastSrecht, §. 166. Das sog. Hammerschlags- oder Leiterrecht findet bei allen Bauwerken statt, zu welchen mau nicht ge­ langen kann, ohne des Nachbars Grund zu betreten. §§. 149 ff., 164. Schles. Arch. 4 S. 196. (6. A.) Das Ham nl er schlagsrecht besteht in der Befugniß, des Nachbars Grundstück zu dem Zwecke betreten zu dürfen, um das eigene Gebäude auszubessern, und das Leiterrecht begreift die Berechtigung in sich, zu gleichem Zwecke auf des Nachbars Grund und Boden Leitern oder Baugerüste aufzustellen. Das Obertribunal hat jedoch angenommen, daß keines dieser beiden Rechte im Landrecht Anerkennung gefunden habe. Es verwirft die analoge Anwendung des §. 155 d. T., indem es unter Bezugnahme auf Tit. 22 §§. 3, 9, lt gesetzliche Einschränkungen des Eigenthums überhaupt nur in den Fällen gelten läßt, für welche gesetzliche Vorschriften eine bestimmte Beschränkung des Eigenthums aussprechen. O.Tr. II v. 19. November 1868, Entsch. 60 S. 24; Str. Arch. 71 'S. 351. Dern bürg, Lehrb. 1 S. 470; dagegen für die Koch'sche Ansicht: Heydemann, Einl. 1 S. 448, und Förster, Theorie und Praxis, 3. Ausg. 3 S. 156. Jedenfalls ist der Eigenthümer nicht schutz­ los gegen den Eigensinn des Nachbars, sondern kann die vorübergehende Benutzung des Grundstücks desselben gegen Entschädigung auf Grund des Tit. 22 §§.3,4, 10, zum Zwecke der Ausbesserung seines Hauses erzwingen. Bergl. P. Hinschius in Behrend'S Zeitschrift für Gesetzgebung rc. 3 S. 565. 64) Weil Niemand den Tropfenfall eines Anderen aufzunehmen braucht. 65) Die aus dem Vorhandensein von Blenden in einer Scheidemauer abgeleitete Vermuthung deEigenthums derselben findet auch auf Scheidemauern zwischen Gebäuden Anwendung. O.Tr. II (Pr. 1298b) v. 29. April 1843, Entsch. 9 S. 200. Nicht allen Vertiefungen in einer Scheidewand, son­ dern nur den sog. Blenden legt der §. 159 die Eigenschaft eines Merkmals für das Eigenthum bei. „Unter solchen Blenden aber können nur die bei der Errichtung einer Mauer ganz unaus gefüllt gelassenen Stellen verstanden werden," sagt das O.Tr. ii in dem Erk. v. 23. Febr. 1864, Str. Arch. 52 S. 262. Das ist undeutlich. Eine ganz unausgefüllt gebliebene Stelle in der Mauer ist ein Loch durch und durch, eine Oeffnung, nicht eine Vertiefung. Blende heißt in der Bau-

§. 160. Sind dergleichen Blenden auf beiden Seiten anzutreffen, so wird die Scheidemauer, im zweifelhaften Falle, für gemeinschaftlich angesehen66). §. 161. Sind gar keine Blenden an der Mauer befindlich, so ist dieselbe, im zweifelhaften Falle für gemeinschaftlich oder einseitig zu achten, je nachdem die darauf liegenden Platten auf beiden Seiten oder nur auf einer überlaufen67). §. 162. Bei Zäunen oder Wetterwänden 68), ist in der Regel«») jeder Besitzer städtischer Grundstücke und Gärten7 °) den Zaun rechter Hand, vom Eintritt in den Haupteingang, zu bauen7 *) und zu unterhalten schuldig72). §. 1*63. Hat aber Jemand durch einen neuen Bau seinen Haupteingang gänz­

lich verändert, so behält er dennoch, in Rücksicht der zu unterhaltenden Zäune, eben die Verbindlichkeit, welche er vor der Veränderung gehabt hat. §. 164. Hat bisher ein Gebäude die Haltung eines Zauns unnöthig gemacht, so muß der, welcher dies Gebäude wegnimmt, bey dafür anzulegenden Zaun bauen und unterhalten; selbst wenn er sonst, nach der Regel des §. 162, dazu nicht verpflich­ tet sein würde7 b).

tunst eine künstliche Vertiefung in einer Mauer bis zu einem aliquoten Theil der Dicke, ftanz. Niche (Nische). Die Vorschrift des §. 159 findet jedoch nicht nothwendig auf eine Mauer mit Strebepfeilern Anwendung, und auch die im §. 154 für Planken in Beziehung auf deren Stiele, Ständer oder Pfosten gegebene Bestimmung kann nicht analogisch auf jede Mauer mit Strebepfeilern angewendet werden. O.Tr. III v. 21. Juni 1858, Str. Arch. 30 S. 117. 66) Zur Widerlegung der Vermuthung des §. 160 sind — abgesehen von sachlichen Verhältnissen anderer Art — solche Umstände nicht geeignet, welche sonst in der Beschaffenheit und Bauart der Scheidewand beruhen. O.Tr. II v. 26. Mai 1864, Entsch. 52 S. 30; Str. Arch. 53 S. 280. 67) Die in den §§. 159 — 161 angegebenen Merkmale schließen andere nicht aus. So gilt auch die rauhe Seite der Mauer für ein Merkmal des Eigenthums für denjenigen, auf dessen Seite sie sich befindet; d. h. man bauet so, daß auf der Seite des Eigenthümers die rauhe Seite gelassen wird. O.Tr. II v. 26. Januar 1858, Str. Arch. 29 S. 43. Siehe Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2. Abth. 1 S.78. 68) Bei welchen nämlich nicht, wie bei den vorhin genannten anderen Scheidungen, deren Beschaffenheit auf das Eigenthum schließen läßt. Deshalb soÜ bei Zäunen und Wellerwänden ein anderes Prinzip als das nicht zu ermittelnde Eigenthum entscheiden. Ist der Eigenthümer gewiß, so versteht sich dessen Verpflichtung von selbst. 69) In der Regel. Die Vorschrift des §. 162 ist mithin nicht eine absolut bindende; ihre Anwendung bleibt vielmehr da ausgeschlossen, wo sich eine ihr entgegeustehende Ortsgewohuheit seit Einführung des Allg. Landrechts festgestellt hat. O.Tr. II v. 6. Juni 1867, Entsch. 58 S. 45. 70) (7. 91.) Bei Gärten (und anderen Grundstücken), welche in Dörfern belegen sind, findet der §. 162 keine Anwendung. O.Tr. II v. 12. Januar und 18. Februar 1875, Entsch. 74 S. 253 ; Str. Arch. 93 S. 228. 71) Die Verpflichtung, den Zaun zu bauen, ist dem Eigenthümer nur unter der Voraussetzung auferlegt, daß sein Grundstück bereits früher durch einen Zaun von dem Nachbargrundstück getrennt gewesen und nur die Nothwendigkeit der Erneuerung des Zauns hervorgetreten ist. Auf der entgegen­ gesetzten Ansicht beruhte das Erk. des O.Tr. III (Pr. 2081) v. 5. Dez. 1848, Entsch. 17 S. 506. Das Plenum hat indeß, unter Aushebung dieses Präjudizes, als Rechtssatz angenommen: „Der §. 162 verpflichtet den Besitzer städtischer Grundstücke und Gärten nicht zum Baue eines bisher daselbst gar nicht vorhanden gewesenen Zaunes." O.Tr. Pl. (Pr. 2713) v. 4. Juni 1860, J.M.Bl. @.291; Entsch. 43 S. 1; Präjudizien das Königl. O.Tr. (1877) S. 4. Siehe auch das auf diesen Pl. Beschl. gegründete Erk. v. 17. Jttli 1860, Str. Arch. 38 S. 181, und die Anm. zu §. 149 u. §. 169. 72) (7. A.) Die Verpflichtung aus §. 162 besteht auch dann fort, wenn der Eigenthümer das Grundstück, unter Entfernung der Gebäude, in eine öffentliche Straße umgewandelt hat. O.Tr. II v. 2. Febr. 1875, Entsch. 74'S. 189. 73) Zur Anwendung dieses Gesetzes genügt es, daß das weggenommene Gebäude dem Nachbar die Haltung eines Zaunes unnöthig gemacht hat, und es steht dieser Anwendung nicht entgegen, daß das weggenommene Gebäude nicht unmittelbar auf der Grenze gestanden hat, sondern in der §. 140 d. T. vorgeschriebenen Entfernung von der Grenze aufgeführt gewesen ist. O.Tr. U (Pr. 960) vom 18. Dez. 1840. In diesem Falle ist es nicht nothwendig, daß der Zaun aus die Linie, auf welcher das abgebrochene Gebäude gestanden hat, gesetzt werde, vielmehr kann derselbe aus die wahre Grenz­ linie gestellt werden. §. 150; O.Tr. II v. 12. Dez. 1857, Entsch. 37 S. 64. Koch, Allgemeines Landrecht. I. 7. Anst.

28

434

Erster Theil.

Achter Titel.

§§. 165—183.

§. 165. Wenn ein zur linken Hand neu anbauender Nachbar seinen Hof oder Garten schließen will, so muß er den daselbst bereits vorhandenen Zaun") seines Nachbars zur Unterhaltung übernehmen. §. 166. Die Kosten der ersten Anlage aber ist er dem Nachbar zu vergüten nicht schuldig. §. 167. Der Quer - oder Rückzaun muß von beiden gegen einander stoßenden Nachbarn gemeinschaftlich angelegt und unterhalten werden"). §. 168. Ueberhaupt ist in allen Fällen, wo weder ein einseitiges Eigenthum ausgemittelt werden kann, noch die vorstehenden besondern Bestimmungen (§§. 154 —165) eintreten, die Pflicht zur Unterhaltung der zwischen den Grundstücken zweier Nachbarn befindlichen Scheidungen beiden gemeinschaftlich"). §. 169. Scheidungen zwischen Höfen müssen in der Regel nicht unter sechs; zwischen Gärten aber, sowohl in Städten als auf dem Lande, nicht unter fünf Fuß hoch sein"). Ist aber das Gebäude nicht weggenommen, sondern zufällig zu Grunde gegangen, so wer­ den hinsichtlich der Bau- und Unterhaltungslast die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung kommen.

74) Unter dem Worte „Zaun" sind auch Planken zu verstehen. O.Tr. II (Pr. 2728) v. 14. Okt. 1862, Entsch. 48 S. 28; Str. Arch. 47 S. 97; Präj. (1877) S. 4. 75) Vorausgesetzt, daß das Eigenthum des Querzauns nicht seststeht oder aus der Lage zu ver­ muthen ist. §. 153. Denn die Vorschrift des §. 167 ist keineswegs absolut ohne Rücksicht auf die Art dieser Scheidungen und aus das Eigenthum an denselben anzuwenden. O.Tr. II v. 21. Februar 1860, Entsch. 43 S. 74, und v. 6. Juli 1871, Str. Arch. 82 S. 252. 76) Bei den Vorschriften des A. L.R. kann eine Observanz über die Pflicht zur Unterhaltung der Scheidezäune Platz greifen. O.Tr. II v. 17. Dezember 1861, Entsch. 46. S. 74; Str. Arch. 44 S. 132. (6. A.) Das gemeinschaftliche Eigenthum an einer Scheidung ist wesentlich verschieden von dem Miteigenthum des Tit. 17. Die Theilungsklage ist ausgeschlossen. Zur Verfügung über die Schei­ dung ist Willensübereinstimmung der Eigenthümer erforderlich. Doch kann jeder Nachbar die Schei­ dung, soweit sie aus seinem Grundstücke liegt, mit Ausschließung des anderen nutzen. Plathner, Geist des Preuß. Privatrechts 2 S. 386 u. 387. Der Pflicht zur Unterhaltung der Scheidung kann der Eigenthümer des daran stoßenden Grund­ stücks durch Dereliktion seines Eigenthums an der Scheidung sich nicht entziehen. Der Grund ist der, daß die Unterhaltungspflicht aus dem Eigenthum — nicht an der Scheidung, sondern — an dem Grundstücke folgt. Deshalb ist der Eigenthümer, der von dem Nachbar zur Betheiligung an der Reparatur der baufälligen Mauer vergeblich ausgefordert ist, auch verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der in der Folge dem Nachbar durch den Einsturz der baufälligen Mauer entsteht. Gruchot, (Glossen) in seinen Beiträgen rc. 6 S. 308—311. 77) Befriedungen in der freien Feldflur sind gestattet, aber deren Erhaltung ist, wenn der Nach­ bar nicht ein besonderes Recht darauf erworben hat, willkürlich. Scheidungen anderer Grundstücke aber, ohne dabei einen Unterschied zwischen städtischen und ländlichen zu machen, müssen erhalten werden, und zwar wo nicht die Gesetze etwas Besonderes darüber verordnen, von dem Eigenthümer. O.Tr. II (Pr. 235) v. 21. April 1837, Präj.-Samml. 1 S. 29. Durch den zweiten Theil dieses Satzes hat nur der Ansicht entgegen getreten werden sollen, daß die Unterhaltungspflicht in Betreff der Befriedungen sich nur aus städtische und nicht auch auf ländliche, außerhalb der freien Feldflur belegene Grundstücke beziehe. Keineswegs ist aber durch dieses Präjudiz etwas über das Verhältniß von' Grundstücken der letztgedachten Art zu der freien Feldflur bestimmt, und ausgesprochen, daß der Eigenthümer eines an die freie Feldflur grenzenden Grundstückes eine gegsn diese angebrachte Befrie­ dung zu erhalten, und nicht eingehen zu lassen verpflichtet sei. Eine solche Verpflichtung läßt sich auch nicht aus den Vorschriften der'ßtz. 149 ff. d. T. nachweisen. O.Tr. II v. 17. Dez. 1867, Entsch. 59 S. 48; Str. Arch. 69 S. 243. (7. A. Bergt. Anm. 58 zn §. 149.) (6. A. Die Grundsätze des Präjudizes 235 sind wiederholt zur Anwendung gebracht von dem O.Tr. II in den Erk. v. 17. Mai 1866, Str. Arch. 63 S. 186, und v. 6. Juli 1871, ebenda 82 S. 252. Ebenso wie das Recht zum Setzen eines Zaunes auf der Feldflur ist auch die Unterhaltung und Wegnahme eines auf der Feldflur gesetzten Zaunes res merae facultatis. O.Tr. II v. 2. Mai 1871, Str. Arch. 81 S. 353. Bergt, oben die Anm. 56 u. 71.) Scheidungen, die nach §. 169 zu niedrig angelegt sind, müssen von dem zu ihrer Unterhaltung Verpflichteten, auf Verlangen des Berechtigten innerhalb der Berjährungszeit, auf das rechte Maß erhöht werden.

Vom Eigenthume.

435

§. 170. Wo es die Umstände zulasten, sollen78)79künftig 80 81 82 statt 83 der hölzernen Zäune, bei Gärten und geschlossenen Ackerstücken, lebendige Hecken angelegt werden. §. 171. Auch ist der Eigenthümer eines hölzernen Scheidezauns allezeit befugt, an dessen Stelle eine lebendige Hecke anzulegen. §. 172. Er ist aber auch schuldig, die Anlage, nach der Anweisung der Sach­ verständigen, so zu machen und zu unterhalten, daß durch die Hecke das Eigenthum des Nachbars ebenso gut, als durch den Zaun, gesichert werde78). §. 173. Lebendige Hecken, welche zwei geschlossene Grundstücke von einander unterscheiden, müssen stets so angelegt werden, daß dadurch dem Nachbar kein Schade geschehe88). §. 174. Will also Jemand gegen die Grenze seines Nachbars eine neue lebendige Hecke anlegen, so muß er, ohne Unterschied der Holzart, welche dazu gewählt wird, anderthalb Fuß von des Nachbars Grenze87) zurücktreten88). §. 175. Das Eigenthum an diesem anderthalb Fuß breiten Erdreiche bleibt in­ zwischen dem, welcher die Hecke zu seinem Gebrauche angelegt hat, vorbehalten88). §. 176. Auch bleibt ihm in solchem Falle die Benutzung des Auswuchses der Hecke von beiden Seiten. §. 177. Doch ist der Nachbar den Auswuchs der Hecke, oder deren Wurzeln, über die Grenzlinie zu dulden nicht verpflichtet. (Tit. 9, §. 285 sqq.) §. 178. Ein mit Bewilligung beider Nachbarn statt eines bisherigen gemein­ schaftlichen Zaunes angelegte Hecke wird ebenfalls, sowohl in Ansehung der Unter­ haltung als der Abnutzung, gemeinschaftlich. §. 179. Jeder Nachbar ist also den Auswuchs auf seiner Seite sich zuzueignen wohl berechtigt. §. 180. Eine solche gemeinschaftliche Hecke muß auf derselben Linie, wo vorhin der Zaun gestanden hat, angelegt werden. 8-181. Doch müssen beide Nachbarn dahin sehen, daß durch die Hecke die ge­ setzmäßige Breite des daran hingehenden Weges in der Folge nicht geschmälert werde. §. 182. Wider den Willen des einen Nachbars ist der andere, einen bisherigen gemeinschaftlichen Zaun in eine lebendige Hecke zu verwandeln, der Regel nach nicht efugt84). §. 183. Will jedoch derselbe mit der Hecke von der bisherigen Linie um die 78) Giebt es irgend eine Person, welche wegen ihres Interesses oder im öffentlichen Interesse die Ausführung dieser Bestimmung erzwingen kann? Nicht möglich; auch der Polizei kann eine solche Ermächtigung nicht eingeräumt werden. Welche Bedeutung hat dann wohl diese Vorschrift? Keine, außer bei gemeinschaftlichen Scheidungen, wenn die Betheiligten über die bei der Erneuerung anzu­ wendenden Mittel uneinig sind und der Eine eine lebendige Hecke angelegt wissen will. Aller auch darin steht der §. 182 entgegen. 79) Gegen was? Gegen Vieh? Das ist unmöglich, keine Hecke kann das Durchdringen des Rindviehes abwenden. Gegen das Einsteigen von Menschen? Das kann eine Hecke noch viel weni­ ger in dem Maße, wie ein fester 6 Fuß hoher Zaun. 80) Der §. 43 Titel 22 findet hier gleichfalls Anwendung. Oben Anm. 28 zu §. 139 b* Tit. 81) D. h. hier nicht von der ideellen Mittellinie des Scheidlings, sondern von dem Rande des ScheidlingS, wenn dieser gemeinschaftlich ist, gemessen. O.Tr. II v. 3. Nov. 1847, RechtSf. 3 S. 98. Bergt, das Erk. desselben v. 7. Juni 1848, ebenda 4 S. 150. 82) Dieses Untersagungsrecht des Nachbars geht durch eine 30jährige Verjährung durch Nicht­ gebrauch verloren, wenngleich im Laufe dieser Zeit die Holzarten gewechselt haben. Ägl. §.191 u. die Anm. dazu. O.Tr. 'n v. 12. Juli 1860, Entsch. 44 S 59. 83) Daher kann, wenn statt der Hecke wieder ein Zaun angelegt wird, mit demselben wieder vorgeaangen werden; auch steht zu vermuthen, daß bei der ersten Anlage der Hecke mit derselben der vorgeschriebene Raum zurückgewichen worden ist. 84) S. o. die Anm. 78 zu §. 170. Berhälttüsse stehendes, nutzloses Detail.

Da- Ganze ist ein mit dem Bedürfnisse in gar keinem

436

Erster Theil.

Achter Titel.

§§. 184-191.

Neunter Titel.

§. 1.

§. 174 bestimmte Breite zurücktreten, und sowohl die Kosten der Anlegung, als der künftigen Unterhaltung allein übernehmen, so gebührt dem Nachbar dagegen kein Recht zum Widerspruche. §. 184. Von einer solchen Hecke gilt alsdann alles, was §§. 175—177 verord­ net ist. ™5b §• 185* Wer seinen Grund und Boden erhöhen toitl85), muß mit dieser ErErniedrigun- Höhung drei Fuß von dem Zaune, der Mauer oder Planke88) des Nachbars zurück9eVen68os bleiben87). §. 186. Daraus, daß der Nachbar die Erhöhung in einer größern Nähe ohne ausdrücklichen Widerspruch geschehen läßt, folgt noch nicht, daß er dem Ersätze des daraus in der Folge erwachsenden Schadens entsagt habe88). §. 187. Erniedrigt Jemand seinen Grund und Boden, durch Anlegung eines Grabens oder sonst89); so muß ein Wall von drei Fuß breit gegen die benachbarte Verzäunung stehen bleiben99). 85) Das Recht des Eigenthümers, sein Grundstück beliebig zu erhöhen, unterliegt gesetzlich nur den Beschränkungen der §§. 26—28 u. 185 d. T., und zwar auch dann, wenn durch die Erhöhung ein wilder Wasserabfluß (§. 102) nach dem Grundstücke des Nachbars entsteht. O.Tr. II v. 10. März 1864, Entsch. 51 S. 56; Str. Arch. 52 S. 313. 86) Befindet sich keine dergleichen von Menschenhänden gemachte Befriedung, deren Schutz die Einschränkung bezweckt, aus der Grenze, so findet die Beschränkung nicht statt. Pr. des O.Tr. in I.M.Bl. 1851, S. 172. (7. A.) Die bloße Thatsache der Bodenerhöhung ist kein Grund, der den Eigenthümer, welcher dieselbe vorgenommen hat, zum Ersatz des dem benachbarten Grundbesitzer ent­ standenen Schadens verpflichtet. O.Tr. II v. 1. Dezbr. 1874, Entsch. 73 S. 268; Str. Arch. 92 S. 375. Bergt, oben die Anm. 32 zu §. 26. 87) Die Gemeinden sind zwar zur Erstattung des durch eine auf den Grund polizeilich erkann­ ter Nothwendigkeit im öffentlichen Jntereffe auf dem Gemeindeeigenthum bewirkte Anlage einer Pri­ vatperson verursachten Schadens nicht verpflichtet. Hat aber eine Stadtgemeinde eine ihr eigenthüm­ lich gehörige Straße der Stadt im öffentlichen Interesse höher oder tiefer gelegt, und dabei die dem Eigenthümer — z. B. in dem §. 185 — gezogenen Schranken überschritten, so kann sie zum Ersätze des dadurch dem angrenzenden Eigenthümer zugefügteu Schadens angehalten werden, außerdem nicht. O.Tr. II v. 20. Dez. 1853, Str. Arch. 11 S. 164. Das Gleiche gilt von dem Fiskus, wenn er Eigenthümer der Straße ist. Das Zurücktreten mit der Erhöhung auf drei Fuß ist nicht vom Bür­ gersteige, sondern von der Mauer rc. zu rechnen. Erk. deff. v. 14. Juli 1863, Entsch. 49 S. 92. Bergt, oben §. 81 d. T. und die Anm. 4 dazu. Das bloße Nichtinnehalten der Entsernung von 3 Fuß kann zu den unerlaubten Handlungen im Sinne des §.25 Tit. 6 nicht gerechnet, überhaupt kann die Bestimmung des §. 185 dieses Titels als ein auf Schadensverhütung abzielendes Polizeigesetz im Sinne des Tit. 6 ß. 26 nicht angesehen wer­ den und auf die Ueberschreitung des §. 25 daselbst nicht Anwendung finden; vielmehr ist namentlich das Ausschütten von Erdreich in größerer Nähe eine an sich rechtmäßige, keinen Eingriff in das Rechtsgebiet des Nachbars enthaltende Handlung. O.Tr. II v. 6. April 1865, Str. Arch. 59 S 63. — (6. A.) Die gesetzlichen Beschränkungen des Eigenthums haben, soweit sie den Besitzer zu Unter­ lassungen oder Duldungen zu Gunsten des Nachbars verpflichten, die Natur der Grundgerechtigkeiten. Daraus folgt, daß der Eigenthümer, auch wenn nicht er, sondern sein Rechtsvorgänger den Grund und Boden gegen die Vorschrift des §. 185 erhöht hat, deswegen von dem Nachbar auf Be­ seitigung der Bodenerhöhung verklagt werden kann. O.Tr. II v. 6 Mai 1873, Entsch. 70 S. 103.

88) Aber die Wegschaffung kann er dann nicht mehr fordern, gemäß §. 43 Tit. 22. v. 3. Mai 1860, Entsch. 43 S. 78.

O.Tr. II

89) Eine Drumme, welche zur Abführung des Waffers in die Erde gelegt ist, ist keine Ernie­ drigung des Grund und Bodens, und daher der Entfernung von benachbarten Grundstücken auf 3. F. nicht unterworfen. O.Tr. v. 9. Febr. 1849, Entsch. 17 S. 115. 90) (6. A. Der Zweck des Walles ist die Erhaltung der Verzäunung des Nachbars. Wenn da­ her das Gesetz vorschreibt, daß der Wall in einer Breite von drei Fuß stehen bleiben soll, so folgt ohne Weiteres, daß derselbe auch erhalten werden muß. Die Unterhaltung aber liegt dem­ jenigen ob, dem der §. 185 eine Verpflichtung hat auferleaen wollen, d. i. dem Eigenthümer des Walles, nicht dem Eigenthümer der Verzäunung. Das hat auch das O.Tr. II ausgesprochen in einem Erk. v. 5. Sept. 1865, Str. Arch. 60 S. 136. Später dagegen ist angenommen, daß aus §. 185 eine Verpflichtung des Eigenthümers zur Unterhaltung des auf fernem Grundstücke be­ findlichen Walles sich nicht herleiten fasse. Erk. deff. v. 28. Nov. 1871, ebenda 83 S. 154.)

Bon Erwerbung de« Eigenthums.

437

§. 188. Derjenige, auf dessen Grund und Boden sich der Abwurf eines Gra­ bens befindet, hat die Vermuthung, daß er Eigenthümer des Grabens sei, für sich9»), und muß also auch für die Unterhaltung desselben sorgen92 * * ).*93 * *94 * *95 * ****91 * §. 189. Wer ein Gebäude an der Grenze aufführt, darf, in sofern er nicht ein besonderes Recht dazu erworben hat, die Dachtraufe weder auf des Nachbars Grund und Boden, noch über denselben hinwegleiten99). §. 190. Einschränkungen des Eigenthums, welche die Gesetze zum Besten des gemeinen Wesens vorschreiben, können nur mit Einwilligung deS Staats aufgehoben werden. §. 191. Einschränkungen, welche nur zum Besten gewisser Personen festgesetzt sind, können durch verbindliche Willenserklärungen") dieser Personen aufhören99). (Tit. 22.)

Neunter Titel. Bon der Erwerbung des Eigenthums überhaupt, md den unmittelbaren Arten derselben insonderheit »). §. 1. Die äußeren Handlungen, durch welche das Eigenthum erworben wird, bestimmen die verschiedenen Erwerbungsarten (Modus acquirendi). Die Vorschrift des §. 187 ist auf ein von Menschenhänden angelegtes Werk, durch welches der Nachbar sein Grundstück befriedet hat, zu beziehen. O.Tr. III v. 28. Oktbr. 1850, Str. Arch. 1 S. 91. (7. A. Die Thatsache, daß die Bodenerniedrigung auf eigenem Grund und Boden erfolgt ist, schließt die Possessorienklage des dadurch gefährdeten Nachbars nicht aus. O.Tr. III v. 10. Novbr. 1876, Entsch. 78 S. 91). Die Berufung aus den §. 187 ist nicht geeignet, die Zulässigkeit des Rechtsweges zu begründen, wenn bei der Umpflasterung einer Straße von der Polizeibehörde für nothwendig befunden wird, den Straßendamm niedriger zu legen, und dadurch für einzelne Hausbesitzer Nachtheile entstehen. Diese können zwar Entschädigung, nicht aber Wiederherstellung des früheren Zustandes im Rechtswege ver­ langen. Gerichtsh. zur Entsch. der Kompetenzkonflikte v. 7. Nov. 1857, J.M.Bl. 1858 S. 192.

91) Weil er den Erdauswurs nicht aus des Nachbars Boden niederlegen durfte. (6. A.) Bergt, v. Bülow und Hagemann, prakt. Erört. 1 S. 192, und Gruchot, Beitr. 6 S. 313. 92) Eine Anwendung dieser Regel siehe in dem Erk. des O.Tr. v. 4. Juli 1848, Rechtss. 4 G. 209.

93) (6. A.) Weil der Eigenthümer überhaupt nicht befugt ist, in die Eigenthumssphäre seines Nachbars einzugreifen. §§. 26 ff. Die Vorschrift des §. 189 findet sich bereits in dem §. 123. (7 A. Vergl. hierzu O.Tr. II v. 28. Sept. 1876, Entsch. 78 S. 214.) Siehe Heydemann, Einl. 1 S. 430. 94) Damit sind die übrigen Arten der Erlöschung der Privat-Grundgerechtigkeiten nicht ausge­ schlossen , vielmehr ist nur der Gegensatz des §. 190 angedeutet. Die im Interesse gewisser Personen vorgeschriebenen gesetzlichen Einschränkungen machen einen, lediglich von ihrer Willkür abhängigen, Gegenstand ihres Vermögens aus, und stehen daher unter der alleinigen Verfügung derselben. Dies ist es, was im Gegensatze des §. 190 gesagt werden soll. Diese gesetzlichen Einschränkungen können daher auf gleiche Weise erlöschen wie jede andere Grundgerechtigkelt. Daher erlöschen dieselben nach den §§. 43, 44 Tit. 22 durch stillschweigende Einwilligung bei solchen Anlagen und Einrichtungen in der verpflichteten Sache, welche die Ausübung des Rechts geradezu unmöglich machen. Dieser Grund­ satz findet auch aus die Einschränkungen des Eigenthums bei einem neuen Baue vor den Fenstern des Nachbars nach §. 142 d. T. Anwendung. O.Tr. II v. 9. Oki. 1862, Str. Arch. 46 S. 264. Vergl. die Anm. 28 zu §. 139 und die Anm. 82 zu §. 174. 95) Ein Vertrag, der dem Nachbar das Recht einräumt, von dem angrenzenden Grundstücke bis zu einer bestimmten Zeit Erde fortzunehmen und allenfalls auf sein Grundstück zu schaffen, giebt jenem Nachbar nicht das Recht, auf seinem Grundstücke Anlagen zu errichten, die den §§. 185 ff. widersprechen. Die Annahme des Gegentheils beruht nicht auf Auslegung des Vertrages, sondern verstößt gegen Rechtögrundsätze. O.Tr. II v. 3. Nov. 1853, Str. Arch. 10 S. 276. 1) Der Titel beschäftigt stch mit den allgemeinen Grundsätzen über die Anwendung der Dar­ stellung der Erwerbungsarten (§§. 1—6) und mit einer Klasse derselben.

Aufhebung der vor­ stehenden Einschrän­ kungen.

438

Erster Theil.

Neunter Titel.

2—7.

§. 2. Der gesetzliche Grund, vermöge dessen diese äußern Handlungen die Kraft haben, daß dadurch das Eigenthum erworben werden kann, wird der Titel des Eigen­ thums genannt*2).3 4 5 §. 3. Zur Erwerbung des Eigenthums2) wird die Besitznehmung erfordert ^). (Tit. 7, tz. 43 sqq.) §. 4. Hiervon sind allein die Fälle2) ausgenommen, wo die Gesetze die Erwer­ bung des Eigenthums schon mit einer gewissen Begebenheit oder Willensäußerung allein ausdrücklich verbinden. §. 5. Wenn zur Erwerbung des Eigenthums, außer dem Titel, nur Besitzneh­ mung erfordert wird, so ist eine unmittelbare Erwerbungsart vorhanden. §. 6. Geht aber das Eigenthum erst durch die Erledigung des Besitzes von Sei­ ten des vorigen, und durch die Ergreifung desselben von Seiten des neuen Eigenthümers2) über; so heißt die Erwerbungsart mittelbar2). Die Anordnung des NechtSstoffs gehört wesentlich der Wissenschaft an. Denn eS giebt nicht einen einzigen, ausschließlich richtigen Standpunkt, von welchem auS der Stofs überblickt werden könnte und müßte; es giebt deren mehrere ganz gleichberechtigte, je nach den Rücksichten und Be­ trachtungen, welche nach dem Zwecke der Darstellung vorzugsweise hervortreten. Deshalb ist eS eine Fesselung der Wissenschaft, wenn durch ein Gesetz hierin Norschriften gemacht werden. Im R.R., im älteren nämlich, fielen die Erwerbungöarten von selbst in zwei Klassen, nach der rechtlichen Natur der beiden Arten des (quiritarischen und bonitarischen) Eigenthums, nämlich in die civilen, d. i. civilrechtlichen, und in die natürlichen, d. i. volksrechtlichen oder, nach unsern Vorstel­ lungen , gemeinrechtlichen. Denn das röm. Civilrecht im engeren Sinne verhielt sich zu dem präto­ rischen Rechte und dem s. g. jus gentium wie Stadtrecht zum Gemeinen Rechte. Nachdem das quiritarische Eigenthum in seiner spezifischen Bedeutung untergegangen war, fiel für die Behandlung des Rechtsstofss diese Unterscheidung von selbst toegi Die Justinianischen Gesetzgeber sind so weise gewesen, keine in das Reich der Wissenschaft gehörige Eintheilung der gemeinrechtlichen Erwerbungs­ arten vorzuschreiben, und so haben sich die Rechtslehrer in dieser Hinsicht ohne positiven Anhalt befundetl. Daher kommt es, daß die Anordnungsversuche der Neueren in der Darstellung der ErwerbungSarten fast bei jedem Schriftsteller anders sind. Sieht man auf die Personen, welche bei der Erwerbung thätig sind, so zeigen sich drei verschiedenartige Erwerbungen, nämlich: 1. solche, bei welchen die Erwerbung zusammengesetzt ist auS Handlungen des bisherigen Eigenthümers und deS Erwerbenden (§. 6); 2. solche, welche durch einseitige Handlungen des Erwerbenden vollzogen wer­ den (§. 5); 3. solche, welche ohne alle menschliche Thätigkeit, durch zufällige Begebenheiten, kraft einer Rechtsregel vor sich gehen (§. 4). (Ererbung, Accession.) Das L.R. bezeichnet die zweite Klasse als unmittelbare Erwerbungsarten, und bringt diese in Gegensatz zu der ersten Klasse, welche es mittelbar nennt. Die dritte Klasse, welche als Ausnahme bezeichnet wird, fällt theils unter die unmittelbaren, theils unter die mittelbaren Erwerbungen, das L.R. giebt dafür kein Kennzeichen an. Der spezifische Unterschied zwischen den unmittelbaren und mittelbaren besteht aber darin, daß der Erwerber bei einer unmittelbaren Erwerbung keinen Auktor hat, oder, was dasselbe ist, daß er keinem Vorgänger in res singulas succedirt. Dieser Titel beschäftigt sich im Uebrigen mit solchen unmittelbaren Erwerbungen. 2) Vergl. Tit. dieser Theone war wurde schon damals L.R. ist sie für das

2 §§. 131 u. 132 und die Anmerkungen daselbst. — Einer der Hauptvertreter zu seiner Zeit Hüpfn er, Kommentar der Institutionen §. 392. Die Lehre als durchaus unwahr angegriffen uud ist nun längst verschollen. Durch das pr. Recht Perennirend geworden.

3) Auch zur Konstituirung von Grundgerechttgkeiten wird diese ErwerbungSart für tauglich ge­ halten. Siehe unten Anm. zu §. 13 Tit. 22.

4) (6. A.) Das Gesetz vom 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb u. s. w. schreibt in §. 1 vor : „Im Falle einer freiwilligen Veräußerung wird das Eigenthum an einem Grundstück nur durch die auf Grund der Auflassung erfolgte Eintragung des Eigenthumsüberganges im Grundbuch er­ worben." Der Erwerbsmodus ist aiso nicht mehr die Tradition oder Besitznehmung, sondern die Eintragung auf Grund der Auflassung. Der obige §. 3 gilt daher nur noch für den Erwerb be­ weglicher Sachen und für den Erwerb einer unbeweglichen Sache außerhalb einer freiwilligen Ver­ äußerung. (7. A.) In dem bloßen Vorzeigen der verkauften Sache Seitens deS Verkäufers, ohne daß der Knufer die Absicht zu erkennen giebt, den Besitz zu ergreifen, ist eine symbolische Uebergabe nicht enthalten. O.Tr. Hl v. 20. Okt. 1873, Str. Arch. 89 S. 344.

5) S. o. die Anm. zu ß. 132 Tit. 2. Tit. 11.

Vergl. o. die Anm. zu §. 107 Tit. 2 und unten §. 342

Von Erwerbung des Eigenthums.

439

Erster Abschnitt. Bo« -er ursprünglichen Besitznehmung. §. 7. Die Besitznehmung solcher Sachen, auf welche noch Niemand ein Recht hat. wird die ursprüngliche (originaria) genannt. 6) (6. A.) Hier muß jetzt auf Grund deS §. 1 des Gesetzes v. 5. Mai 1872 über den EigenthumSerwerb (s. Note 4) hinzugesetzt werden: „oder bei unbeweglichen Sachen durch Eintragung auf Grund der Auflassung".

7) Die Begriffsbestimmungen der beiden §§. 5 und 6 beziehen sich eben nur auf diejenigen Er­ werbungen, welche durch Besitzergreifung vollzogen werden. Das unterscheidende Merkmal der mit­ telbaren Erwerbung, welches in der Erledigung des Besitzers von Seiten des BorbesitzerS liegt, ist durchaus richtig nnd durchgreifend, nur muß dieses Merkmal näher dahin bestimmt werden, daß die Besitzerledigung ein juristischer Bestandtheil der Besitzübertragung sein und sich zur Besitzergreifung Verhalten muß wie das Anerbieten zur Annahme; denn die Erledigung des Besitzes einerseits und die Ergreifung andererseits machen die Realform der Uebergabe aus. Hieraus ergiebt sich, daß z. B. in der Aufraffung ausgeworfener Sachen, wie z. B. der Münzen bei Gelegenheit von Krönungsfeier­ lichkeiten, keine mittelbare Erwerbung ist; denn das Auswerfen für Jedermann ist eine Dereliktion und das Aufnehmen eine Okkupation, welche beide juristisch nicht zusammen hängen. — Dagegen ist durch das fragliche Merkmal für diejenigen Erwerbungen nichts entschieden, welche überhaupt ferne Besitznehmung erfordern (§. 4). Ob eine solche Erwerbung eine unmitelbare oder eine mittelbare sei, hängt davon ab, ob der Erwerber ein Nachfolger des vorigen Besitzers ist, oder nicht. S. die Anm. 1 a. E. Wer z. B. durch Alluvion erwirbt, allmählich erwirbt, vollzieht gar feine Besitzhand­ lung und wird auch nicht Successor desjenigen, dem der weggeführte Boden früher gehörte; er erwirbt daher unmittelbar. Dagegen ist der Legatar, der gleichfalls Eigenthum (nur nicht Besitz) ohne Be­ sitzergreifung erwirbt, ein wirklicher Successor deS vorigen Eigenthümers, folglich ist sein Erwerb ein mittelbarer. Die Besitzerledigung, welche ein wesentlicher Bestandtheil der mittelbaren Erwerbung ist, kann von Seiten des bisherigen Besitzers auch mit Vorbehalt oder unter einer Bedingung geschehen, wel­

ches die rechtliche Wirkung hat, daß bei einem Vorbehalte daS Eigenthum zwar aus den neuen Er­ werber sogleich übergeht, aber in dem eventuellen Falle als bei dem bisherigen Eigenthümer verblie­ ben erachtet wird. Ein solcher Vorbehalt ist in der erzwungenen Depositton einer Sache oder Summe, zu deren Leistung Jemand verurtheilt ist, enthalten, wenn er dieselbe, unter Einlegung des noch übrigen Rechtsmittels, zur Abwendung der Exekution niederlegt; er wirkt, in sofern das Rechtsmit­ tel Erfolg hat, wie eine Resolutivbedingung. Aus diesem inneren Zusammenhänge erklärt sich das durchaus begründete Erk. des O.Tr. II (Pr. 1225) v. 26. Nov. 1842, Pr.-S. S. 383: „Wenn der Schuldner gegen das ihn kondemnirende Urtel die Nichtigkeitsbeschwerde erhoben und die erkannte Summe zur Abwendung der Exekution ad depositum gezahlt hat, demnächst aber mit der Nichtig­ keitsbeschwerde sukkumbirt, so geht das Eigenthum deS depositi ohne besondere Uebergabe sofort auf den Gläubiger über, und wird nicht dadurch vereitelt, wenn bald nachher über daS Vermögen deS Schuldners Konkurs eröffnet ist, ehe die Auszahlung des depositi verfügt oder erfolgt war." Die Uebergabe war nämlich schon bei der Zahlung ad depositum in der That, zu Händen des Richters, geschehen; der Richter hatte nur die Gewahrsam für den Gläubiger, und wenn es entschieden ist. daß der Fall des Vorbehalts nicht eintrifft, so haben nur der Richter als Depositarius und der Gläubiger, für welchen durch Geschäftsbesorgung deponirt worden ist, mit einander zu thun, und die Zeit der Auseinandersetzung zwischen ihnen (Zahlungsverfügung und Auszahlung) ist für den vorigen Eigenthümer ein ganz gleichgültiger Umstand. Wenn der bisherige Eigenthümer nicht in der Lage ist, den Besitz der veräußerten Sache auf­ zugeben, weil ein Dritter in deren Besitze ist, so kann der Erwerber weder Eigenthümer noch Be­ sitzer werden, ohne daß der Dritte den Besitz aufgiebt. Gegen diesen hat der Erwerber gar kein Klagerecht, kein dingliches, weil er noch kein dingliches Recht hat, und kein persönliches, weil er eben zu dem Dritten in Beziehung auf die Sache in keinem Rechtsverhältnisse steht. Auch aus dem Rechte des Veräußerers zu klagen ist er durch seinen RechtStttel als solchen nicht legitimirt. ES giebt zwar hierüber eine andere Meinung (Ulrich, Archiv 3 S. 360), allein die Praxis hat sich für die hier vertretene richtige Meinung entschieden, indem daS Erk. des O.Tr. II (Pr. 852) v. 3. April 1840, Entsch. 6 S. 279, ausspricht: „Der Käufer eines Grundstücks ist als solcher nicht berechtigt, die vor Abschluß des Kaufgeschäfts seitens des Verkäufers durch mündlichen Vertrag davon veräußer­ ten unbeweglichen Pertinenzstücke zu vindiziren." Ueber die wahren Rechtsgründe dieses Satzes f. Koch, Beurtheilung der Entsch. S. 441. (6. A. Seit dem Gesetz v. 5. Mai 1872 über den Eigen­ thumserwerb ist dieser Rechtszustand aber wesentlich geändert. Hat der Erwerber die Eintragung erlangt, so hat er unbedingt daS VindikationSrecht, wenn die veräußerte Parzelle im Grundbuch nicht

Erster Theil.

440

Nmnter Titel.

§§. 8—19.

§. 8. Wie weit das Recht, herrenlose Dinge in Besitz zu nehmen, ein Vorbe­ halt des Staats sei, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II, Tit. 16.) §. 9. Wer eine herrenlose, dem Staate nicht vorbehaltene Sache wirklich in seine Gewalt bringt, der wird von dem Augenblicke an, da solches geschieht, Eigen­ thümer der Sache. §. 10. Absicht und bloßes Bestreben aber, sich eine herrenlose Sache zuzueignen, ist zur Erwerbung des Eigenthums derselben noch nicht hinreichend. §. 11. Wer selbst noch kein Recht auf oder zu einer Sache erlangt hat, ist einem Andern die Besitzergreifung zu untersagen nicht befugt. §. 12. Wer einen Andern in seinen zur Besitzergreifung gemachten Anstalten durch unerlaubte Handlungen stört, der kann selbst8) die Sache nicht in Besitz nehmen. §. 13. Ein Gleiches gilt gegen den, welcher den Andern, um ihn an der Be­ sitzergreifung zu hindern, in seiner Freiheit zu handeln ohne Recht einschränkt.

Zweiter Abschnitt. Bon -er Besitznehmung verlassener un- verlorener Sachen. ^en Sachen^

§• 14. So weit Jemand Eigenthum zu erwerben fähig ist9), so weit kann er bewegliche Sachen, welche von einem Andern verlassen worden, in Besitz nehmen. §. 15. Das Recht, unbewegliche, verlassene Sachen in Besitz zu nehmen, ist ein Vorbehalt des Staats. (Th. II, Tit. 16.) §. 16. Nur alsdann ist eine Sache für verlassen zu achten, wenn der bisherige Eigenthümer den Besitz in der ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Absicht, sich der Sache zu entschlagen, aufgegeben tjat10). (Tit. 7, §§. 118—122.) §. 17. Wer durch äußere Umstände genöthigt ^) wird, Sachen wider seinen Willen aus seiner Gewahrsam zu lassen, der hat dadurch sich seines Eigenthums noch nicht begeben. 1.

K.O.

v. 23. Juli 1833, betr. die widerrechtliche Zueignung der bei den

Uebungen der Artillerie verschossenen Munition.

(G.S. S. 86.)

Auf Ihren Bericht vom 19. Juli c. verordne ich hiermit:

I) Niemand ist befugt, die bei den Uebungen der Artillerie verschossene Eisenmunition, welche

er an den Schießplätzen oder deren Umgebung findet, fich anzueignen.

Liefert er dieselbe aber an

abgeschrieben ist; §. 7 deS Ges.) — Der Käufer eine- Grundstücks kann alS solcher auch eine vor Abschluß des Kaufgeschäfts seitens des Verkäufers mündlich konstituirte Grundgerechtigkeit, welche sichtbar oder ihm bekannt war (Anm. zu §. 135 Tit. 5), und einen, solchergestalt einem Dritten be­ stellten und thatsächlich eingeräumten Nießbrauch nicht anfechten. O.Tr. II v. 11. Nov. 1864, Str. Arch. 54 S. 356. (6. A.) In Betreff der Grundgerechtigkeiten ist, weil sie der Eintragung nicht bedürfen, durch daS neue Recht nichts geändert; der nicht eingetragene Nießbrauch aber kann von dem Erwerber negatorisch angefochten werden. §§. 12, 15 des Gesetzes v. 5 Mai 1872.

8) Er selbst erwirbt also das Eigenthum nicht, aber der Verhinderte hat eS gleichfalls nicht er­ worben, denn es fehlt ihm eben an der Erwerbung. Dieser kann mithin unmöglich alS primus occupans angesehen und für berechtigt gehalten werden, die Sache zu vindiziren. Eine andere Frage ist es, ob er ein Forderungsrecht gegen den Hindernden und welches? erworben habe. Ist die hin­ dernde Handlung eine an sich unerlaubte, so hat der Verhinderte allerdings eine Deliktsklage auf Herausgabe der Sacke, wenn der Beklagte sie hinter sich hat, oder auf Schadloshaltung wegen der nicht mehr bei ihm befindlichen Sache. Ist die Handlung an sich nicht unerlaubt, so ist die analoge Vindikationsklage auf Grund des §. 25 Tit. 10, verb. nut §. 13 d. T. anwendbar. 9) D. h. jeder Rechtsfähige; die Bestimmung hat nichts Besonderes.

10) ES muß also, um eine Sache für derelinquirt ansehen zu können, dieselbe von Jemand vorher in Besitz genommen worden sein, und dieser sich deS Besitzes entschlagen haben. O.Tr. II v. 11. Jan. 1853, Str. Arch. 8 S. 181.

II) Wie z. B. Reisende, welche aus Furcht vor Strafe und Weitläuftigkeiten wegen LegitimationSmanaels rc., mit Zurücklassung ihrer Sachen, entweichen. DaS R. v. 28. Mai 1830 und daS durch dasselbe mitgetheilte Gutachten des Revisors, welcher dergleichen Sachen für derelinquirte er-

Don Erwerbung des Eigenthums.

441

daS Artilleriedepot oder die Militärbehörde ab, so erhält er für die noch brauchbare Eisenmunition eine Vergütigung von zwei Pfennigen für jedes Pfund.

2) Wer dergleichen gefundene Eisenmunition sich widerrechtlich zueignet, ist der Unterschlagung fremden Eigenthums schuldig 1 a).

3) Die Absicht des Zueignens ist, in Ermangelung deS Gegenbeweises, schon gegen denjenigen

anzunehmen, welcher die gefundene Eisenmunition länger als acht Tage an sich behalten hat, ohne der Militärbehörde dieselbe abzuliefern, oder wenigstens von der Auffindung Anzeige zu machen. 4) Wer wissentlich dergleichen gefundene Eisenmunition ankauft, hat ebenfalls die Strafe des §. 2

zu gewärtigen.

5) (Fällt weg, in Folge deS St.G.B.) 6) Mit eben diesen Strafen (§. 5) soll auch derjenige belegt werden, welcher fich erweislich län­

ger als acht Tage im Besitze von Eisenmunition, wie sie zu Geschützen der Preußischen Artillerie ge­

braucht wird, befindet, ohne über den redlichen Erwerb sich ausweisen zu können. Außerdem soll der bei ihm gefundene Vorrath dieser Munition konfiszirt werden.

§. 18. Ein krankes Thier, welches der bisherige Besitzer von sich gestoßen und hilflos sich selbst überlasten hat "), wird das Eigenthum desjenigen, welcher für besten Pflege und Wiederherstellung sorgt. §. 19. Wer eine verlorene Sache findet"), ist dieselbe dem Eigenthümer zurückzugeben schuldig"). klärt, welche okkupirt werden können, kann nur als ein Vorschlag zu einer Fiktion angesehen wer­ den ; denn mit der Wirklichkeit, d. h. mit der Absicht des Eigenthümers und mit dem jetzt geltenden Rechte harmoniren sie nicht. Bergl. auch daS Gesetz v. 23. Januar 1838 §. 60. (G.S. S. 90.) — Aber durch die Länge der Zeit kann der Zustand der Dereliktion eintreten, wie z. B. bei einem Schatze. Der Staat befindet sich hinsichtlich der verschossenen Eisenmunition in gleichem Falle. S. Zus. 1 zu §. 17. 12) Die hier folgende Strafbestimmung fällt weg, weil dieselbe im deutschen Str.G.B. §. 291 anderweit getroffen worden ist.

13) Außerhalb der Grenzen seines EigenthumS nämlich, welche Niemand überschreiten bars ohne den Willen des Besitzers. Tit. 7 §. 119. Die Bestimmung ist, nach einer auS den Materialien deS L.R. entnommenen Notiz des Revisors (Mot. zu Tit. 9 §§. 10—13 des Entw. S. 82), der Vor­ schrift des R.R. nachgebildet, daß derjenige, welcher einen kranken, von seinem Herrn hülflos ver­ lassenen Sklaven aufnahm und wieder herstellen ließ, dadurch Eigenthümer desselben wurde. 14) Was von gefundenen Sachen, das gilt auch von angeschwemmten, oder Dieben abgenom­ menen Sachen. S. u. Anm. 22. Desgleichen von Sachen unbekannter Eigenthümer, welche aus den zur vorläufigen Aufbewahrung bestimmten Anstalten, z. B. Packhöfen, Posten rc. nicht abgeholt werden. Als Finder gilt hier der Fiskus. Vergl. R. v. 10. Juli 1812, welches nur darin irrt, daß die aufgebotenen Sachen als herrenloses Gut dem FiSkuS zugesprochen werden sollen. Das Finden ist keine Erwerbungsart, und wird im R.R. als eine Art Geschäftsführung für den unbekannten Eigenthümer, wenn der Finder die Sache mit der Absicht an sich nimmt, um sie demselben wieder zuzustellen, oder, wenn er die Absicht hat, sie für sich zu behalten, als Diebstahl behandelt, was vollständig genügte. War im ersten Falle der Eigenthümer nicht ausfindig zu ma­ chen, so erwarb der Finder die Sache durch Ablauf der Verjährungsfrist. (So auch nach Oest. G.B. §§. 388—394.) Diese Grundsätze waren für das praktische Bedürfniß völlig ausreichend. Suar ez sagt dagegen in der Schlußrevision: „Die Vorschriften des R.R. über die Okkupation gefundener Sachen (Okkupation gefundener Sachen gab es nicht) sind äußerst kurz und unvollständig. Dieser Abschnitt enthält also fast lauter Ergänzungen der bisherigen gemeinen Rechte, die theils ex principiis abstrahirt, theils aus Schriftstellern und den monitis und Vorschlägen der Collegiomm und anderen Monenten genommen sind. Ich bemerke nur: 1. daß daS öffentliche Aufgebot gefundener Sachen schon im R.R. vorkomme. L. 43 §. 8 D. de furtis; 2. daß die Vertheilung eines irgend beträchtlichen Fundes zwischen dem Finder und den Armen schon von verschiedenen Rechtslehrern als billig und üblich bemerkt worden. Carpzow, P. II c. 4. des. 15 nr. 1 sqq.; 3. daß eben so die Rechtslehrer, z. E. Hertius, dem Finder, welcher die Sache dem Verlierer zurückgiebt , ein Prämium zusprechen. (Iahrb. 41 S. 11.)" Diese historischen Notizen sind nicht ganz richtig.

442

Erster Theil.

Neunter Titel,

tztz. 20—40.

wten »tfi §. 20. Ist dieser unbekannt, so muß der Finder den Fund der nächsten Obrig8 leit") anzeigen.

§. 21. Sind an dem Orte, wo der Fund geschehen ist, mehrere") Gerichts­ obrigkeiten, so hängt es von dem Finder ab, die Anzeige, bei welcher derselben er will, zu machen. §• 22. Der Finder muß bestimmt angeben, wie und wo er zum Besitze der ge­ fundenen Sache gelangt sei. ^Ntthters^ §• 23. Die gefundene Sache muß zur gerichtlichen Verwahrung angeboten, und von dem Richter in redliche Obsicht genommen werden. §. 24. Ist der Finder eine unverdächtige und sichere Person, so kann der Richter, nach Bewandtniß der Umstände und Beschaffenheit des Werthes, die Ver­

wahrung der Sache ihm selbst übertragen18). §. 25. Er muß aber in allen Fallen die Beschaffenheit der Sache und ihre Merkmale in den Akten verzeichnen, und dem Finder die Art der ihm überlaffenen Aufbewahrung vorschreiben. §. 26. So lange der Finder die Sache solchergestalt in seiner Gewahrsam hat, ist er als ein redlicher, aber unvollständiger 19) Besitzer anzusehen. §. 27. Ist die gefundene Sache dem Verderben oder sonst einer beträchtlichen Verminderung des Werthes unterworfen, so muß dieselbe in einem kurzen Termine zum öffentlichen Verkaufe ausgeboten werden. §. 28. Ein Gleiches findet statt, wenn zur Aufbewahrung der Sache beträcht­ liche, bis zur Hälfte des Werthes ansteigende Kosten erforderlich wären. §. 29. Hat der Finder, vor dem Verkaufe, Futter für das gefundene Vieh, oder Das R.R. kennt das öffentliche Aufgebot in der in der deutschen Gerichtspraxis vorkommenden Bedeutung nicht, vielmehr wird in der L. 43 tz. 8 nur erwähnt, daß die ehrlichen Finder den Fund bekannt zu machen pflegten, um dadurch zu zeigen, daß sie nicht den animus furandt hätten. Das deutsche gerichtliche Aufgebot hingegen hat eine andere Quelle und auch eine andere rechtliche Wir­ kung. S. u. Anm. 22. Die Ueblichkeit der Vertheilung des Fundes zwischen dem Finder und den Armen wird von kei­ nem Rechtsgelehrten bezeugt. Carpzow sagt a. a. O.: „Si vero non existimet (der Finder), res habitas pro derelicto, dabit eas pauperibus, si ipse est dives, Bar toi. in L. falsus 43 §. qui alienum, n. 4 ff. de kurt ; Johann Faber et Angel, in §. ult. J. de rer. divis.; Matth. Wesembec in parat, ff. de kurt. n. 10.“ Es ist also nur ein Rath, wie ein anständiger Finder sich einer fremden Sache entledigen möge. Von einer Vertheilung einer solchen Sache zwischen dem Finder und den Armen kommt nichts vor. Auch der Finderlohn ist als rechtlich begründet nirgend anerkannt. S. unten Anm. 41 zu §. 62 d. T. 15) Wenn er sie nämlich an sich nimmt. Es ist aber Niemand gehalten, eine gefundene Sache aufzunehmen und dadurch eine Verbindlichkeit einzugehen. 16) Darunter wird die Polizeibehörde verstanden, nachdem die Privatobrigkeiten aufgehoben wor­ den sind. 17) Die Vorschrift bezieht sich jetzt nur noch auf die von den ehemaligen Gerichtsherren ver­ waltete Polizei. Darnach können nur noch mehrere Polizeiverwaltungen an einem Orte vorkommen. Der Fiuder mag auch die Sache an das ordentliche Gericht erster Instanz abliefern. 18) Der Finder ist jedoch nicht schuldig, sich damit zu befassen; er ist befugt zu deponiren. Durch die hier gegebenen Miniaturvorschriften über gefundene Sachen, wurzelnd in der offiziösen Geschäfts­ führung "der bevormundenden Staatsbehörden, werden Kosten und Umstände verursacht, die mit dem Werthe der gefundenen Gegenstände in großem Mißverhältnisse stehen. Bisweilen ganz werthlose Sachen, z. B. alte zerrissene Geldbörsen, verrostete Schlüssel und dergl., werden eingeliefert, „in redliche Obhnt genommen", d. h. im Depositorium verwahrt, und unter Vielschreiberische Rechnungs­ führung und Kontrole gebracht, endlich wird die angesammelte Menge verkauft und wenn nachher die Kostenrechnung bezahlt werden soll, findet sich, daß viele Stücke nicht so viel eingebracht haben, um für ihren Theil die Insertionskosten zu decken. Die vormundschaftliche Verwaltung absorbirt hier buchstäblich ihren Gegenstand, aus lauter vormundschaftlicher Vorsorge.

19) Das eigene Recht, wodurch der Finder zum unvollständigen Besitzer der Sache wird, ist das Recht auf das Finderlohn oder, wenn der Eigenthümer nicht ermittelt wird, auf einen Antheil von der Sache, §§. 44 ff.

Von Erwelbung de« Eigenthum«.

443

andere nothwendige Ausgaben auf die Sache verwendet, so müssen ihm dieselben, nach Abzug der etwa gehabten Nutzungen, von dem Kaufgelde2 0) sofort ersetzt werden. §. 30. Das Kaufgeld selbst wird, bis zum weitern Austrage der Sache, in ge­ richtliche Verwahrung genommen. . §.31. Ist binnen acht Tagen, nach der geschehenen Anzeige, der Verlierer auf Ä“ andere Art nicht2 x) auszuforschen, so muß derselbe öffentlich vorgeladen, und ein Ter- ©*• min zu seiner Anmeldung, bei Verlust seines Rechts22 20 ), 21 23 bestimmt 24 25 werden. §. 32. Beträgt der Werth der gefundenen Sache nach der Taxe Zwei Hundert Thaler, oder mehr, so muß die Vorladung durch eine förmliche Ediktal- Citation ge­ schehen. §. 33. Bei Sachen von Zwei Tausend Thalern und darüber an Werth, ist der Termin zur Anmeldung auf sechs Monate ; bei Sachen von minderem Werthe aber auf drei Monate zu bestimmen. §. 34. Im ersteren Falle muß die Bekanntmachung dreimal in den Zeitungen und sechsmal in den Jntelligenznachrichten2 3) der Provinz ; im zweiten Falle aber in ersteren zweimal und in letzteren viermal erfolgen. §. 35. Bei Sachen, deren Werth unter Zwei Hundert Thaler beträgt, wird der Termin auf zwei Monate bestimmt, und die Bekanntmachung erfolgt bloß durch zwei­ malige Einrückung in die Zeitungen, und dreimalige in die Jntelligenznachrichten. §. 36. Bei Sachen unter Fünfzig Thalern am Werth ist ein Termin von vier Wochen; und wenn der Werth nur Zehn Thaler oder weniger beträgt, sind vierzehn Tage2 4) hinreichend. §. 37. Im ersteren Falle geschieht die Bekanntmachung einmal in den Zeitungen, und zweimal in den Amtsblättern; im letzteren Falle ist es genug, wenn die Auf­ forderung nur einmal in die Amtsblätter allein eingerückt worden. §. 38. Auch kann bei Sachen von Zehn Thalern oder weniger am Werth, dem Finder überlassen werden2 °), die Bekanntmachung selbst zu veranstalten, und den Verlierer anzuweisen, daß er sich bei dem Finder selbst melde. §. 39. Doch muß der Finder, nach Ablauf des Termins, die gehörig geschehene Bekanntmachung dem Richter nachweisen. §. 40. Sind Vermuthungen vorhanden, daß ein fremder Reisender, oder sonst ein Abwesender die Sache verloren haben könnte, so sind die gesetzmäßigen Fristen zur Anmeldung zu verdoppeln. 20) Dies reicht dazu bisweilen nicht auS. Ein Paar gefundene (einer unbekannten verdächtigen Person abgenommene) Gänse waren so lange in Pflege der Polizei geblieben, daß sie — nach der Rechnung — ihren Werth ein Paar Mal aufgefressen hatten.

21) Auf andere Art wird die Ausforschung nicht versucht. Nach der nur für Schlesien gelten­ den Bestimmung v. 6. Sept- 1841, welche auf Antrag des sechsten Schlesischen Provinziallandtages erlassen worden ist, werden die Sachen zunächst an die Polizeibehörde abgeliefert, und dort am schwar­ zen Brette ausgeboten, wenn sie nicht mehr als 10 Thlr. werth sind. Mn.-Bl. der i. V. 1841 S. 223. 22) Das Aufgebot mit dieser Wirkung, d. h. eigentlich mit Verlust des Rechts deS Verlierers durch Ablauf der mit dem Aufgebote verknüpften kurzen Verjährung, ist das Aufgebot deutschen Her­ kommens. Schon der Sachsenspiegel enthält die Rechtsgewohnheit als vollkommen ausgebildet. H. 37: „Was ein Mann findet, oder Dieben oder Feinden oder Räubern abjagt, das soll er ufbieten vor seinen Gebuden und zu der Kirchen." Ferner II. 29: „Wem eines andern Mannes Habe zu­ fließet in Wasser, der soll sie jenem wiedergeben, daß er sich dazu ziehe ... er soll es auch ufbie­ ten." — Dabei ist eine Frist bestimmt, nach deren Ablaufe der Ander Eigenthümer wird. Nach Sachsenrechte 6 Wochen 3 Tage. Carpzow 1. c. 23) Darunter wird der öffentliche Anzeiger des Regierungs-Amtsblattes des Bezirks, in welchem das Gericht seinen Sitz hat, verstanden. Ges. v. 21. Dez. *1849 §§. 1—3, G.S. S. 441.

24) Bei dem Aufgebote einer Sammlung vongefundenen Sachen wird nicht auf den Gesammtwerth, sondern auf den Werth der einzelnen Stücke gesehen. 25) Wenn der Finder sich damit befassen will; verpflichtet ist er dazu nicht. Unterzieht et sich

444

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 41—56.

§.41. Die Zahl der Bekanntmachungen darf zwar alsdann nicht verdoppelt werden ; doch muß in Fällen, wo. nach Verhältniß des Werthes, die Einrückung in die Zeitungen erforderlich ist, dieselbe, außer der inländischen, eben so oft in einer aus­ wärtigen Zeitung erfolgen. §. 42. Dazu muß") die Zeitung einer andern Königlichen Provinz, oder eine fremde gewählt werden, sowie es nach den über die Person des Verlierers vorhande­ nen Vermuthungen am wahrscheinlichsten ist, daß die Nachricht zu seiner Wissenschaft gelangen werde. 3g“fÄnenr §• 43. Hat sich ber Verlierer weder vor, noch in dem bestimmten Termine geS-che, wenn meldet, so muß der Richter mit dem Zuschläge der Sache verfahren. sich mW §• 44. Dieser Zuschlag geschieht an den Finder allein, wenn die Sache nur den Finder, Hundert Thaler oder weniger am Werthe beträgt. und an die §. 45. Bei Sachen von höherem Werthe geschieht der Zuschlag an den Finder Armenkasse. unb Qn die Armenkasse") des Orts.

§. 46. Der Finder erhält alsdann den Werth von Hundert Thalern zum Voraus, und von dem Ueberreste des Werthes die eine, die Armenkasse aber die andere Hälfte. §. 47. Vor der Theilung müssen die auf die Sache und das Aufgebot verwen­ deten Kosten vom Ganzen ahgezogen werden. §. 48. Sind an einem Orte mehrere öffentliche Armenkassen, so entscheidet der Bezirk, wo die Sache gefunden worden; und wenn dieser nicht entscheiden sann28), die persönliche Eigenschaft28) des Finders. ^Zuschlages^ §• 49. Durch den Zuschlag erlangen der Finder und die Armenkasse das Eigen­ thum der Sache88). der Bekanntmachung, so hat er nicht nöthig, in derselben einen Termin zu bestimmen, und auf die im Gesetze vorgeschnebene vierzehntägige Frist aufmerksam zu machen. Der Termin tritt von selbst mit Ablauf der Frist ein. Bergt, das R. des I.M. v. Li. Ian. 1839, J.M.Bl. S. 64. Die Frist fängt mit dem Tage der Ausgabe des Anzeigers, welcher die Bekanntmachung enthält, oil Bergt. Tit. 5 §. 15 und die Anm. dazu; desgl. Pr.-Ordn. Tit. 50 §. 109 a. E. 26) Muß, überall muß. Die hier vorgeschriebenen Arten von Bekanntmachung sind mithin alle wesentlich nothwendig, keine ist fakultativ. Die Verordnung v. 3. Mai 1804 erklärt zwar die Einrückung der Ediktalcitationen in die inländischen Zeitungen nicht mehr für nothwendig (Anh. z. Pr.-O. §.59). Allein die Anwendung dieser Vorschrift auf das Aufgebot gefundener Sachen ist nicht zu behaupten, weil dafür hier ein besonderes Verfahren, das seine Eigenthümlichkeiten hat, vor­ geschrieben ist, welches seinen Zusammenhang verlieren würde, wenn man die Bekanntmachung durch die inländischen Zeitungen wegfallen ließe. Als eine Besonderheit bei dem Aufgebote gefundener Sa­ chen ist es anzusehen, daß der Aushang eines Patents an gewöhnlicher Gerichtsstelle nicht vorge­ schrieben ist. Er pflegt zwar zu geschehen, doch ist der Mangel desselben keine Nichtigkeit. 27) S. o. Anm. 14 zu §.19 d. Tit. 28) Weshalb soll er nicht entscheiden können? Das ist z. B. möglich 1. wenn der Fundort nicht angegeben und nicht auSzumitteln ist; 2. wenn in dem Bezirke keine besondere Armenkasse ist; 3. wenn die Sache einem flüchtigen Diebe auf öffentlicher Landstraße abgejagt ist. 29) Welche? Vielleicht ist die Eigenschaft gemeint, durch welche der Gerichtsstand bestimmt wird. Aber auch das giebt, wenn der Finder ein Eximirter ist, keinen leidlichen ^inn. Vermuthlich deu­ tet die Vorschrift aus den Gewerbsstand, oder auf die Religionsgesellschaft, wozu der Finder gehört. Man kann es nicht wissen. Das Beste bei der Vorschrift ist, daß schwerlich ein Fall der Anwendung vorkommt. 30) Der Zuschlag in dieser Bedeutung — eine wahre Adjudikation im römischen Sinne, in der Beziehung, daß eine fremde Sache durch den Richter ursprünglich zum Eigenthum gegeben werden kann (denn die übrigen Voraussetzungen der römischen Adjudikation fehlen) — ist eine ganz neue Erfindung, deren Rechtsprinzip zweifelhaft, jedenfalls nicht im Bewußtsein gewesen ist. S. unten Anmerk. 33 zu §. 55 d. T. — Ganz richtig sagt das O.Tr. Straff, in d. Erk. v. 17. März 1859, I.M.Bl. S. 139: „Eine verlorene und demnächst von einem Andern gefundene Sache ist, wenn im vorgeschriebenen Aufgebotsverfahren der Eigenthümer derselben nicht ermittelt wird, darum nicht von Anfang an als eine verlassene zu betrachten; sie nimmt vielmehr diesen Charakter erst durch die im Zuschlagserkenntnisse auszusprechende Präklusion an und wird erst von diesem Augenblicke an für den redlichen Finder zum Gegenstände einer Eigenthumserwerbung durch Besitznehmung." Vergl. unt. die Anm. 33.

445

Von Erwerbung des Eigenthums.

§. 50. Hat jedoch der Verlierer seinen Verlust, mit einer deutlichen Beschreibung der Sache, noch vor erfolgtem Zuschläge öffentlich bekannt gemacht, so darf kein Rich­ ter derjenigen Provinz31), 32 in deren Zeitung diese Bekanntmachung geschehen ist, mit dem Zuschläge einer solchen verlorenen Sache verfahren33).34 §. 51. Vielmehr muß er von Amtswegen, so viel an ihm ist, dafür sorgen, daß die Sache dem Verlierer wieder zugestellt werde. §. 52. Hat der Richter den Zuschlag dennoch vorgenommen, so geht das Eigen­ thum der Sache aus den Finder und die Armenkasse dadurch nicht über. §. 53. Können jedoch diese nicht überführt werden, von der Anzeige des Ver­ lierers Kenntniß erhalten zu haben, so erlangen sie durch den richterlichen Zuschlag die Rechte eines vollständigen redlichen Besitzers. §. 54. Der Richter aber soll, wenn er die Vorschrift §§. 50, 51 vorsätzlich, oder aus grobem Versehen, übertreten oder vernachlässigt hat, ernstlich dafür bestraft werden. §. 55. Außer dem §. 52 bestimmten Falle ist gegen den richterlichen Zuschlag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig33). §. 56. Beträgt jedoch die verlorene Sache Einhundert Thaler oder mehr an Werch, und der Verlierer kann nachweisen, daß er ohne alles sein Verschulden von dem ergangenen Aufgebote Wissenschaft zu erhalten, und die §. 50 angegebene Vorsicht zu brauchen verhindert worden, so kann er sich an den Finder und die Armenkasse in so­ weit halten, als dieselben in dem Besitze eines Vortheils aus dem Zuschläge sich als­ dann noch wirklich befinden"). 31) Darunter wird der Bezirk des Appellationsgerichts verstanden.

§. 622 d. T.

32) Die Vorschrift zeigt von geringem praktischen Takte. Den Richtern ist wegen dieser Auflage Glück zu wünschen. Der Referent ist darnach verpflichtet, alle Journale, Kreis-, Lokalblätter urw Zeitungen, welche in seiner Provinz herauskommen, durch die ganze Zeit seit dem ältesten Funde bis zum Tage des Vortrages durchzulesen, wenn er gewissenhaft seine Pflicht erfüllen will. Das geht ins Lächerliche. Wie soll ein Referent in Berlin damit zu Stande kommen, zumal wenn seine Sammlung von Fundsachen etwas stark angewachsen ist, und woher soll er nur alle diese Zeitschrif­ ten erhalten? Das ist selbst den höheren Autoritäten bedenklich vorgekommen. Der J.M. hat des­ halb Rath gegeben, wie man sich behelfen möge. In einem R. v. 1. August 1825 giebt er dem Kammergerichte die Anweisung, von dem Finder und von der Orts-Armenkasse die Herbeischaffung eines Zeugnisses der Jntelligenzblätter-Expedition zu fordern, daß keine öffentliche Bekanntmachung des Verlustes erfolgt sei. Allein wenn dieser Aufforderung nicht genügt wird, welchen Verlaus soll die Sache nehmen, d. h. wie soll das Gericht sich der Sache endgülng entledigen? Außerdem ist dieses Auskunstsmittel mit der Aufhebung des Intelligenz-Jnsertionszwanges verloren gegangen. Ein späteres R. v. 21. Jan. 1839 äußert die Meinung, daß in vielen Fällen die Einsicht weniger Blätter (es ist ungewiß, ob wenige Zeitschriften oder wenige Stücke oder Nummern von jeder Zeit­ schrift gemeint sind) ausreichen werde, um der gesetzlichen Vorschrift zu genügen, da über die muthmaßliche Zeit des Verlustes nicht zurückgegangen zu werden brauche. Ein Zeitraum von 3 Mona­ ten erscheine hierbei als die äußerste Grenze; man möchte alle 3 Monate mit dem Aufgebote vor­ schreiten. (J.M.Bl. 1839 S. 64.) Aber auch dieser Vorschlag berücksichtigt die Wirklichkeit nicht. Die Sammlung muß bisweilen Jahr und Tag alt werden, wenn man nicht ein altes Feuerstahl in Gesellschaft mit einem Pfeifenkopfe oder einem alten Sacktuche allein aufbieten will. Die Wahr­ heit ist, daß man gar nichts durchsieht, weil der Referent erstens nicht alle Zeitungen und Anzeige­ blätter hat, und zweitens die zu deren Durchsicht erforderliche Zeit von Monaten, um der bloßen Bagatelle willen, nicht zugemessen erhält. 33) Das Rechtsprinzip des R.R. ist, bei eintretender Unausfindbarkeit des gewesenen Eigenthümers einer gefundenen Sache, Usukapion pro derelicto. Das deutsche Rechtsprinzip ist fingirte De­ reliktion nach vergeblichem Aufgebote. An dieses schließt sich das L.R. an. Der Zuschlag oder Aus­ spruch deS Richters ist wesentlich nichts anderes, als Feststellung des Falles, wo die Okkupation statt hat. Dieses wäre die eigentliche Bedeutung des richterlichen Urtheils. Der folgende §. 56 macht eine Ausnahme von der als Regel angenommenen Fiktion der Dereliktion, indem unter den ange­ gebenen beiden Bedingungen die Wirklichkeit Geltung haben soll. 34) S. die vor. Anm. Die actio in factum wegen Bereicherung dauert 30 Jahre. Vergl. §§. 494 ff. d. T.

446

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 57—70.

Was Rech. §. 57. Meldet sich vor dem Zuschläge Jemand, welcher die Sache, als von dtt Bttliettr jhm verloren, in Anspruch nimmt, so muß er nachweisen, daß er dieselbe vorher besessich meldet. ^en habe.

§. 58. Ist die Sache so beschaffen, daß sie, ihrer Natur nach, von Andern glei­ cher Art nicht unterschieden werden kann, so muh der Ansprechende besonders nachwei­ sen, daß die aufgebotene Sache ebendieselbe sei, welche er verloren Ixit35). §. 59. Der Finder muß auch dem vorigen bloßen Inhaber33) die Sache ver­ abfolgen. §. 60. Entstehen erhebliche Zweifel: ob der Verlierer ein redlicher Besitzer oder Inhaber der Sache gewesen sei, so muß diese, bis zu näherer Ausmittelung, in ge­ richtlicher Gewahrsam bleiben. Vierer1bem* §♦ 61. Der Verlierer muß in allen Fällen37) die auf die gefundene Sache und Finder zu lei-deren Aufgebot verwendeten Kosten, jedoch nach Abzug der davon etwa gefallenen n Nutzungen3«), ersetzen. §. 62. Außerdem muß et39) dem Finder den zehnten Theil des Werths49) der Sache, welcher nach Abzug der Kosten übrig bleibt, auf sein Verlangen, als eine Belohnung41) entrichten49). §. 63. Uebersteigt der Werth die Summe von 500 Thalern, so muß der Finder 35) Sein Gegner, welchem gegenüber er sich zur Sache zu ziehen, nämlich den Beweis des Verlierens (oder, wie es der §. 57 verlangt, nur, daß er sie vorher besessen habe, waS viel weni­ ger ist, und nicht genügen sollte, da er sie mit seinem Willen aus seiner Gewalt gelassen haben kaun, wo er sie nicht würde fordern können) zu führen hat, ist der Finder. Zwischen diesen Beiden muß darüber förmlich verfahren und erkannt werden. Will aber der Finder sich mit ihm nicht einlassen, d. h. keinen Anspruch an die Sache machen; so ist der Richter der Gegner des Prätendenten. Zwi­ schen diesen Beiden muß die Sache, im Interesse unbekannter Dritter, durch Aufgebot oder Präklu­ sion entschieden werden; denn von einem Zuschläge an den Eigenthumsprätendenten kann die Rede nicht sein. Ist der Prätendent nicht der Eigenthümer, so bleiben die Rechte des Letzteren, ungeach­ tet der AuSfolgung der Sache an Jenen, unverändert. 36) Inhaber ist auch der Dieb; ihm müßte also die gestohlene Sache, wenn er sie verliert, von dem Finder zurückgegeben werden. Aber daß es so nicht gemeint ist, zeigt der §.60, verb. mit §. 35 Tit. 3. 37) Doch wohl in dem Falle nicht, wo er die Sache aufgiebt.

38) Der Inhaber muß ihm mithin darüber Rechnung legen. 39) Dieser „er" ist nicht immer der wirkliche „Verlierer", sondern derjenige, dem die Sache zu­ rückgestellt werden muß (§. 60). Denn auch der Finder einer gestohlenen Sache ist,den gesetzlichen Finderlohn zu fordern, berechtigt, nämlich von dem Bestohlenen, dem dieSache zurückgegeben wird. Erk. d. O.Tr. Hl (Pr. 2341) v. 9. Ian. 1852, Entsch. 22 S. 130. 40) Des gemeinen Werths nämlich, nach einer Taxe. §. 65. Vergl. Tit. 2 §§. 117, 118. Bei Gegenständen, welche keinen gemeinen Werth haben, wie Beweisurkunden, Instrumente über Verträge und Hypotheken u. bergt, ist dieser Maßstab untauglich. Der Richter kann für sol­ chen Fund eine Belohnung nicht zusprechen, und auch dem Finder daS Papier nicht zuschlagen, weil es für ihn unbrauchbar ist. Dergleichen Gegenstände eignen sich nicht zur Behandlung nach den Vor­ schriften über gefundene Sachen.

41) S. o. die Anm. 14 zu §. 19 und Anm. 39 zu §. 62 d. T. Das Verlangen eines FinderlohnS (euperpa — inventionis praemium, — auch p.iqvuTpa indicis praemium) ist Nach Röm. Ansichten unhonett, und findet keine Anerkennung vor dem Rechte. L. 43 §. 9 D. de furtis (XLVII, 2). Auch nach G.R. wird dem Finder keine Prämie zugesprochen. Hertius, de paroem. jur. Germ. L. I par. 17 (wo einer sein Gut findet, da spricht er eö an), in Opuc. Tom. I P. III p. 424, ist der Meinung, daß der Finder retiniren könne, bis ihm eine Prämie gegeben werde. Wahrschein­ lich ist eS die Stelle, welche Suarez bei seiner Berufung auf Hert (Anm. 14) im Sinne hat. Diese Meinung ist jedoch vereinzelt.

42) Derjenige, welcher bemerkt, daß ein Anderer etwas verliert und, anstatt denselben auf den Verlust aufmerksam zu machen, den Gegenstand an sich nimmt und dadurch dem Verlierer die Ge­ wahrsam entzieht, begeht eine unerlaubte Handlung, auS welcher wohl Verbindlichkeiten, nicht aber Rechte entstehen können (Tit. 3 §. 35); er hat daher aus die im §. 62 gedachte Belohnung keinen Anspruch. O.Tr. iv v. 7. Sept. 1865, Str. Arch. 60 S. 143.

Von Erwerbung des EigenthumS.

447

außer dem zehnten Theil dieser Summe mit Einem Procent von dem Ueberschusse des Werths sich begnügen. §. 64. Wird der ganze Werth durch die Kosten erschöpft, so kann der Finder keine Belohnung fordern. §. 65. Wegen Ausmittelung des Werths, zum Behufe der festzusehenden Be­ lohnung , soll es bei der Würdigung eines von dem Richter zu ernennenden Sachver­ ständigen lediglich sein Bewenden haben. §. 66. Wenn zahmes Vieh ausreißt, oder sich verläuft, so kann der Finder, außer der ihm wegen der Futterungskosten und sonstiger Auslagen etwa zukommen­ den Entschädigung, nur so viel zur Belohnung fordern, als das Pfandgeld, wenn dergleichen Vieh wäre gepfändet worden, betragen hätte4S). §. 67. Wenn mehrere bei einem Funde gegenwärtig gewesen sind, so muß, im ®»n m-hr-. Falle eines darüber entstehenden Streites, die Person des eigentlichen Finders, nach"" ®mbcrn"

den §§.9—13 bestimmten Grundsätzen ausgemittelt werden. §. 68. Bleibt, nach diesen Grundsätzen, die Person des eigentlichen Finders noch zweifelhaft, so kommen die Rechte des Finders allen denjenigen zu, welche, die Sache in Besitz zu nehmen, sich zu gleicher Zeit bestrebt haben. §. 69. Haben Mehrere den Besitz der gefundenen Sache zugleich ergriffen, oder muffen Mehrere, weil die Person des eigentlichen Finders nicht hinlänglich ausgemit­ telt werden kann, dafür angenommen werden, so gebührt dennoch diesen mehreren Findern zusammen nur eben der Antheil und eben die Belohnung, welche die Gesetze dem einzelnen Finder beilegen. §. 70. Wer die Anzeige eines von ihm geschehenen Fundes über drei Tage verzögert, macht sich der Belohnung43 44) verlustig. 43) Wird dergleichen Vieh von wilden Thieren verjagt oder weggeschleppt, und von Jemand eingebracht, so hat dieser die ordentliche Belohnung zu fordern. Er kann aber auch — und diese Forderung ist noch besser begründet — als negotiorum gestor schlechthin Vergütigung für Mühe und Fütterung fordern, wenn der Eigenthümer die geretteten und eingebrachten Gegenstände annimmt. Tit. 13 §. 241. Das Gleiche gilt von weggeschwemmten Sachen, welche aufgefangen und geborgen worden sind. Entschlägt der Eigenthümer' sich der Sache, oder meldet sich auf die gerichtliche Be­

kanntmachung Niemand, so hat der Aufnehmer die Rechte eines Finders. Bei geborgenen Sachen, welche durch Ueberschwemmungen ab- und fortgerifsen worden sind, na­ mentlich bei fortgetriebenem Holze, Brettern u. dergl., entsteht eine faktische Schwierigkeit in der AuSmittelung des EigenthumS, wenn sich Mehrere dazu melden. In solchem Falle müssen die geborge­ nen Sachen, nach den Grundsätzen einer zufälligen Gemeinschaft, unter diejenigen, welchen erweislich Sachen dieser Art fort- und nach dem Orte der Bergung hingeführt worden sind, nach Verhältniß

der verlorenen Menge zu der geftmdenen vertheilt werden. 44) Was unter dieser verloren gehenden Belohnung zu verstehen sei, ist zweifelhaft. Der J.M. hat, nach einem R. v. 4. Juni 1819, Mannkopf, Landr. I Nachtr. S. 9, eS nicht zweifelhaft ge­ funden, daß der Finder nichts von dem gefundenen Objekte verlangen könne, und daß unter der Be­ lohnung hier allgemein das zu verstehen sei, was der Finder aus irgend einem Grunde als sol­ cher in Anspruch nehme, der Verlierer möge sich einfinden, oder nicht. Eine andere Meinung da­ gegen versteht unter der Belohnung hier nur das von dem Verlierer zu entrichtende Fundgeld. Diese Meinung ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die richtige. Denn der Rechtsgrund, warum der Finder kein Recht erwerben soll, ist, weil er sich durch die Verheimlichung verdächtig macht, die Sache Unterschlagen zu Wollen. Furti tenetur, sagt die L. 43 §§. 8—11 D. de furtis. Das gilt selbstverständlich aber nur für den Fall, daß der Besitzer die Sache nicht freiwillig aufgegeben, folg­ lich die Sache noch ihren Herrn hat, denn man kann nicht stehlen, waS keinem gehört, wenn man auch einen Diebstahl beabsichtigt. Quod si dominus id dereliquit, furtum non fit ejus, etiam si ego furandi animum habuero: nee enim furtum fit, nisi sit, cui fiat; in proposito autem nulli fit, L. 43 §. 5 1. c. Wird eS also, durch das Aufgebot, ausgemacht, daß die Sache keinen Herrn hat, so konnte sie der Finder okkupiren, und es existirt keine Person, die ihm das streitig machen könnte. Der J.M. meint in jenem Schr., es verstehe sich, daß dem Finder, dem man die Sache in diesem Falle vorenthalten wolle, das rechtliche Gehör nicht versagt werden könne. Aber der Fin­ der hat ja gar keinen Gegner, wer soll ihm denn die Sache streitig machen? Die Armenkasse an deffen Stelle setzen, wäre, wenigstens in allen den Fällen, wo der Finder die Sache ganz behält (§.44), willkürlich. Allein die Verfasser des L.R. haben das Finden eigenthümlich aufgefaßt und

’ '

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Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 71—82.

§. 71. Wer den Fund über vier Wochen verschweigt, hat noch außerdem die Vermuthung, daß er unredlicher Besitzer sei, gegen sieb45 * * ). *** §. 72. Wer auf außergerichtliches, von dem Verlierer oder in seinem Namen, an ihn ergangenes Befragen, den Fund ganz oder zum Theil ableugnet46), ist47)48 49 ein unredlicher Besitzer. §. 73. Wer aus Befragen des Richters4«) sich eines solchen Leugnens schuldig macht, ist als ein Dieb zu betrachten4«).

Dritter Abschnitt. Bon gefundenen Schätzen. Begriff.

§. 74. Unter Schätzen werden hier alle Sachen4) von einigem Werthe«) ver­ standen, die über«) oder unter der Erde verborgen4) liegen, in sofern der Eigenthü­ mer derselben unbekannt5) ist. §. 75. Wer einen Schatz findet, muß davon der Obrigkeit6) sofort Anzeige machen. §. 76. Wegen Aufbewahrung des gefundenen Schatzes, Ausforschung des Eigen­

unter polizeiliche Aufsicht gestellt, dergestalt, daß selbst bei an sich rechtmäßiger Okkupation einer alten, längst herrenlosen Sache (eines Schatzes) eine Bestrafung auf die unterlassene Anzeige gesetzt wor­ den ist. §§. 102 u. 109. Im Sinne der Verf. hat es daher wahrscheinlich gelegen, daß der Finder, in dem Fragefalle, gar nichts behalten soll, wie auch daS Marginale: „Verlust deS Fund rechts" andeutet. 45) Diese Bestimmung, und auch die der folgenden §§. 72, 73 setzen voraus, daß die Sache einen Eigenthümer oder Besitzer habe; ist solche dereliquirt, so paßt die Vorschrift nicht. Meldet sich der Verlierer, so steht diesem die durch diesen §. gegründete Vermuthung zur Seite, daß der Finder daS fremde Eigenthum wohl gekannt und beabsichtigt habe, sich dasselbe anzueignen. 46) Wenn er keine Antwort giebt, so hat dies keine rechtliche Folge; eS sei denn, daß daS Schweigen nach den Umständen für Verheimlichung angesehen werden kann, wodurch die Vermuthung der unredlichen Erwerbung begründet werden würde. Unten §.41 Tit. 15.

47) Die Unredlichkeit soll, nach dem Wortlaute, fingirt werden. 48) Dafür giebt es keine prozessualische Form; eS muß jede formlose Veranlassung der Erklä­ rung für genügend angesehen werden. Außerdem kann die Vorschrift nicht Anwendung finden. DaS Ableugnen gegen die Polizei hat keine rechtlichen Folgen.

49) Das kann nur soviel heißen als: es wird für bewiesen angenommen, daß der Finder den Eigenthümer gekannt und die Sache in der Absicht an sich genommen habe, um sich dadurch zu be­ reichern. Das ist ein Diebstahl. (6. A.) Die Strafbestimmung, in sofern eine solche im §.73 ent­ halten, ist durch den §. 246 des deutschen Str.G.B. verdrängt. Wer eine gefallene Sache sich rechts­ widrig aneignet, wird wegen Unterschlagung bestraft. 1) Bereits im Eigenthume gewesene.

S. u. Anm. 4.

2) Um nicht jede Kleinigkeit als Schatz zu behandeln, wollte Suarez das Geringste auf 10 Thlr. festgestellt wissen; man zog jedoch den unbestimmten Ausdruck vor, wodurch die Sache dem richter­ lichen Ermessen anheimgegeben ist.

3) Doch in Verbindung mit der Erde; denn versteckt lose auf der Oberfläche liegende Sachen werden als gefundene behandelt, nach den Vorschriften des vorigen Abschnitts. 4) Entweder von Menschenhand verborgen, oder durch Einwirkung zufälliger Begebenheiten (Feuersbrunst, Einsturz, Erdbeben, Überschwemmungen). Jedenfalls müssen die Sachen, um alS Schatz in dem hier gemeinten Sinne zu gelten, bereits selbstständig in eines Menschen Eigenthume gewesen sein. Denn Naturschätze, z. B. Gold-, Bernsteinlager, gehören nicht hierher. §. 106 d. T. 5) Nicht allein unbekannt muß er sein, sondern auch unerforschlich, weil die Sache als herren­ los muß angesehen werden können. §§. 79, 81, 104 d. T. Auf den Zeitraum, durch welchen die Sache verborgen gelegen, kommt es nicht wesentlich an; das Institut der Verjährung ist auf Schätze unanwendbar. Eine Sache kann vergleichungsweise nur kurze Zeit verborgen gelegen haben und doch ein Schatz in dem hier gemeinten Sinne sein.

6) Das kompetente Gericht zur Beurtheilung der Schatznatur ist das Gericht des Fundortes. Bergl. R. v. 16. Okt. 1812, Iahrb. 1 S. 260.

Bon Erwerbung 6e8 Eigenthum«.

449

thümerS, und öffentlicher Vorladung desselben, muß ebenso, wie bei gefundenen Sa­

chen verfahren werden. (§§. 23—42)’). §. 77. Meldet sich vor dem Aufgebote Jemand als Eigenthümer zu dem gefunde­ nen Schatze, oder als deffen Erbe; kann aber sein Recht nicht binnen sechs Wochen voll­

ständig nachweisen; so muß dennoch mit der öffentlichen Vorladung verfahren werden. §. 78. Inzwischen bleibt dem Ansprechenden die weitere Ausführung seines Rechts«), auch während des Aufgebotes, vorbehalten. §. 79. Es bedarf keines Aufgebotes, wenn aus der Beschaffenheit des entdeckten Schatzes selbst sich ergiebt, daß derselbe schon seit Einem oder mehreren Jahrhunderten verborgen gewesen sei. §. 80. Doch muß der Richter die Umstände, woraus dieses erhellen soll, jedes­ mal genau prüfen9), und wenn es ein Unterrichter ist, von dem Landes-Justizkollegio der Provinz Dorbescheidung: ob mit dem Aufgebot verfahren werden soll, oder nicht, einholen "). §. 81. Ist der Eigenthümer des Schatzes nicht auszumitteln, so gehört der Rechteres Schatz, in sofern derselbe aus Sachen besteht, die vom gemeinen Verkehr nicht ausge- ^des Eigen-

nommen sind, demjenigen, welcher ihn auf seinem eigenen Grunde gefunden hat.^ümer«^-us §. 82. Hat Jemand einen Schatz auf fremdem Gmnde, jedoch ohne besonderes Gründe em Nachsuchen gefunden1 *), so gebührt die eine Hälfte dem Finder, und die andere dem den worden. Eigenthümer des ©runbeS12). 7) Die in Bezug genommenen Bestimmungen betreffen nur das Aufgebot und schließen mit dem Termine. Auf die weiteren Vorschriften §§. 43 ff., wonach ein Zuschlagserkenntniß ergehen soll, wird nicht verwiesen. Daraus schließt man, daß bei dem Aufgebote eines Schatzes ein Praklusionsurtel nicht erforderlich sei, vielmehr das Verfahren mit dem Ablaufe des Präklusivtermins endige. Das harmonirt zwar nicht mit den allgemeinen prozessualischen Grundsätzen deS preuß. AufgebotsprozesseS^ in welchem nicht der Ablauf der Präklusivfrist ipso jure wirken, sondern — abweichend von den Grundsätzen des G.R. — erst ein förmlicher Richterspruch die Rechte der unbekannten Berechtigten auSschließen soll. Doch muß man, weil prozessualische Formen nur durch positive Vorschriften "ent­ stehen, diese Abnormität bei Schätzen anerkennen, wenngleich in dieser Hinsicht zwischen einem Schatze und einer gefundenen Sache rechtlich kein Unterschied ist; denn das Aufgebot und das sog. Zuschlags­ erkenntniß haben keinen anderen Zweck und auch keine andere juristische Bedeutung als die Feststel­ lung der Herrenlosigkeit der Sache. S. o. Anm. 33 zu §. 55. Man darf bei willkürlicher Kasuistik keine konsequente Anwendung eines Rechtsprinzipes erwarten.

8) Gegen den Eigenthümer des Grundstücks und den Finder, wenn diese Anspruch auf den Schatz machen. Machen sie keinen Anspruch, so hat der Prätendent keinen Gegner, folglich fällt das Rechts­ verfahren, außer dem Aufgebote, weg.

9) Dazu ist die Vorlegung der Sachen nothwendig; der Augenschein kann durch unzuverlässige Beschreibung nicht ersetzt werden. Die Ablieferung unterbleibt oft, weil man sich noch immer nicht daran gewöhnt hat, die Polizei für den allgemeinen Familienvater zu halten, dem man sein Eigen­ thum und seine Handlungen unterordnen müsse; und die Leute wundern sich, wenn nachträglich, wo nichts mehr von dem Schatze vorhanden ist, die Gerichte sich noch einmischen. In einem Dorfe bei Neisse hatte 1850 der Todtengräber auf dem Kirchhofe, bei dem Machen eines Grabes, etwa 60 Gold­ münzen gefunden, und mit dem Pfarrer, als Vertreter der Kirche, ohne Weiteres getheilt. Einige Zeit nachher zeigte der Pfarrer, auf Veranlassung seiner Oberen, den Fund dem Gerichte an; und als nun das Gericht, weil die Münzen bereits verkauft und eingeschmolzen worden waren, Verneh­ mungen über die Beschaffenheit des Fundes veranlaßte und zur Bestreitung der Auslagen für das Aufgebot von dem Pfarrer — der Todtengräber hatte nichts — einen Vorschuß einzog, da entstand große Verwunderung.

10) Diese Vorschrift paßt nicht zur Selbstständigkeit der Gerichte; sie hängt zusammen mit der alten Verfassung, wonach die eigentliche Richtergewalt nur bei den Landesgerichten, welche vermöge der büreaukratischen RegierungSgewalt die Sonder- und Eigenthumsgerichte in fortwährender Beauf­ sichtigung und Abhängigkeit hielten, gedacht wurde. 11) Das Finden, wenn es ein erlaubtes ist, nicht die körperliche Besitzergreifung, giebt das Finderrecht, und das Finderrecht ist eS, welches den Anspruch auf ein Miteigenthum begründet, wenn das Finden die wirkliche Okkupation durch den Finder oder durch den Grundbesitzer zur Folge hat. Entdeckt z. B. ein Dienstbote zufällig einen Schatz in dem Besttzthume seines Herrn, und der Herr, davon in Kenntniß gesetzt, hebt den Schatz ohne Zuziehung des Dienstboten, so kann er den Antheil Koch, Allgemeines Landrecht i.

7. Anst.

29

450

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 83—102.

§. 83. Ein Meiches findet statt, wenn Gesinde oder Arbeitsleute, bei ihren ge­ wöhnlichen Derrichtungen, einen Schatz entdecken. §. 84. Ferner alsdann, wenn Jemand, mit Bewilligung des Eigenthümers, auf fremdem Grunde nach einem Schake gesucht, und dergleichen wirklich entdeckt") hat; in sofern nicht durch besondere Verabredungen unter den Parteien, wegen der

Belohnung des Finders, ein Anderes bestimmt ist. §. 85. Wer aber ohne Bewilligung des Eigenthümers auf fremdem Grunde Schätze sucht und findet, kann keine Belohnung fordern, sondern die ihm sonst gebüh­ rende Hälfte fällt dem Fiskus anheim. §. 86. Wer zu Nachsuchung von Schätzen vermeintlicher Zaubermittel, durch Geisterbannen, Citiren der Verstorbenen, oder anderer dergleichen Gaukeleien, es sei aus Betrug oder Aberglauben, sich bedient, der verliert, aufier der sonst schon verwirk­ ten Strafe, sein Anrecht aus einen etwa zufälliger Weise wirklich gefundenen Schatz"). (Str.G.B. §. 241.) §. 87. Wer bei Nachsuchung eines Schatzes Polizeigesetzen, welche zur Verhü­ tung von Feuersbrünsten, oder andern gemeinen Beschädigungen gegeben find, entge­

gen handelt, der wird dadurch seines Anrechts auf den Schatz ebenfalls verlustig. §. 88. In beiden Fällen (§§. 86, 87) tritt der Fiskus an die Stelle des Uebertreters. §. 89. Der Eigenthümer sowohl als der Fiskus haben das Recht, von dem Finder, nach bewandten Umständen, die eidliche Angabe seines Fundes zu fordern. Rechte mch§. gy. Mehrere Miteigenthümer eines Grundstücks, auf welchem ein Schatz geeigenthümcr funden worden, nehmen an den obbestimmten Rechten des Eigenthümers, nach dem Un?4®rrn.i= Verhältnisse ihres Rechts auf das Grundstück selbst, Antheil. §. 91. Wird ein Schatz auf der Grenze1S) gesunden, so wird das Eigenthum

desselben zwischen den Grenznachbarn gleich getheilt. §. 92. Es macht dabei keinen Unterschied, wenn auch der Schatz nicht gerade

in der Mitte gefunden wäre, sondem den Grund eines oder des andem Nachbars mehr oder weniger berührt hätte. des Finder- dem Dienstboten mit Recht nicht vorenthalten. Kind theilt in Quaest. forens. in c. 60 S. 332 ed. 1 einen solchen Fall mit, welcher von dem Dresdner App.-G. 1798 nach den Grund­ sätzen deS G.R. entgegengesetzt entschieden worden ist. Die Entscheidung ist für unrichtig zu halten. Denn der Fund ist etwas so Wesentliches, daß ohne ihn der Grundeigenthümer auch nichts erwerben konnte; und der Herr handelt dolose (yi vel clam), wenn er die Entdeckung benutzt, um für sich allein die Besitznehmung zu vollziehen. Dadurch hindert oder stört er den Dienstboten, und zwar durch eine unerlaubte Handlung im civilrechtlichen Sinne, fich bei der Besitzergreifung zu betheiligen, und kann deshalb den Besitz für sich allein nicht ergreifen. §. 12 d. T. Daß, wenigstens nach den Grundsätzen des L.R., so und nicht anders der Fall zu entscheiden, das erhellet auch aus §. 84. Denn die drei Fälle §§. 82, 83, 84 werden nach gleichem Grundsätze behandelt, wonach die Erwer­ bung des Finderrechts durch zwei Umstände vollzogen wird: durch das Finden oder Entdecken (beide Ausdrücke werden hier synonym gebraucht), und durch die (gesetzliche oder besonders erworbene) Er­ laubniß dazu. Anders ist es, wenn der Grundherr, unabhängig von dem ersten zufälligen Funde, gleichfalls zufällig den Schatz entdeckt und allein gehoben hätte. ' Dann würde der frühere Fund des Dienstboten ihn daran nicht hindern, denn der Grundherr wäre in redlicher Ausübung seines Rechts. — Dies nimmt auch das O.Tr. an. Zur Erwerbung der Rechte des Finders auf den gefundenen Schatz ist, nach ihm, dessen Besitznehmung nicht erforderlich. Die von dem Appell.-Gericht zu Pa­ tz e r b o r n zur Anwendung gebrachte Rechtsansicht, daß nur der als Finder deS Schatzes anzusehen sei, welcher denselben zuerst m seine Gewalt bringe, und daß es ein gleichgültiger Umstand sei, wer von Mehreren den Schatz zuerst entdeckt habe, ist für unrichtig erklärt. O.Tr. III v. 1. Mai 1865, Entsch. 54 S. 33. 12) Die beiden §§. 81, 82 wiederholen die Grundsätze der L. un. de thesaurls (X, 15). 13) S. die Anm. n zu §. 82 a. E.

14) Auch diese Bestimmung ist aus der L. un. c. de thesauris (X, 15) herübergenommen. 15) Oder in einer gemeinschaftlichen Grenzmauer. keit des Grenzraines voraus.

Denn die Bestimmung setzt Gemeinschaftlich­

451

Bon Erwerbung de» Eigenthum».

§. 93. Ist einer der Miteigenthümer oder Grenznachbarn zugleich der Finder, so gebühren ihm noch außerdem, auf die Antheile der übrigen Interessenten, die Rechte des Finders. §. 94. Das Recht des Eigenthümers auf einen Schatz16) kommt dem nutzba-N-ch'-inAu. ren 17)18 Eigenthümer allein zu7«), und derjenige, welchem'bloß ein Antheil an der Schatzes bei Proprietät zusteht, kann daraus keinen Anspruch machen. §. 95. Auch der Fideikommißbefitzer und Erbzinsmann haben die Rechte des Eigenthümers an einem Schatze, welcher auf dem von ihnen solchergestalt besessenen tel8Cntl,umeGrundstücke gefunden worden. §. 96. Der auf einem Lehn-, Fideikommiß- oder Erbzinsgute gefundene Schatz wird das freie19)20Eigenthum 21 22 des Besitzers. §. 97. Der bloße Nießbraucher, ingleichen der Erbpächter"), hat an einem solchen Schatze keinen Antheil. §. 98. Der, welchem bloß das Eigenthum einer Oberfläche oder eines daraus errichteten Gebäudes, nicht aber des Grundes und Bodens zukommt, kann nur an einem über der Erde gefundenen Schatze der Rechte des Eigenthümers sich anmaßen. §. 99. So lange ein verkauftes Grundstück dem Käufer noch nicht übergeben ist, hat der Nerkäufer das Recht des Eigenthümers auf einen in der Zwischenzeit ent­ deckten Schatz. §. 100. Ist jedoch die Gefahr der Sache auf den Käufer bereits übergegangen, so gebührt ihm auch der Nutzen91) von einem solchen Schatze. §. 101. Hat der Käufer von dem auf dem Grundstücke verborgenen Schatze Wissenschaft gehabt, und es dem Verkäufer nicht angezeigt, so kann er in der Folge bloß als Finder angesehen werden. §. 102. Wer bei einem auf fremdem Grunde und Boden gefundenen Schatze die Vorschriften der Gesetze vernachlässigt, die Anzeige binnen vier Wochen zu thun uA-U-tung unterläßt") oder gar den Fund ableugnet, gegen den gilt alles das, was in gleichem V^Mten Falle gegen den Finder verlorener Sachen verordnet ist. (§§. 70—73.) 16) Ueberhaupt auf unterirdische Naturschätze «Fossilien).

Bergl. Th. H Tit. 16 §. 72.

17) Also auch dem unvollkommenen bäuerlichen Eigenthümer, welcher nicht bloßer Nießbraucher »der Erbpächter ist. Nach den Grundsätzen de» A. L.R. können die Rittergutsbesitzer nicht das Recht de» „Grundherrn" beim Bergbaue auf den bäuerlichen Gründen, welche ihren Inhabern zu irgend einem Eigenthumsrechtc zustehen, in Anspruch nehmen. Th. II Tit. 16 §§. 69 ff. (6. A. Bergl. O.Tr. III v. 1. Novbr. 1872, Entsch. 68 S. 107.) 18) Der gerade entgegengesetzte Grundsatz de»R.R.: „— thesaurus — inventus — in fructum non computabitur, sed pars ejus dimidia restituetur, quasi in alieno inventi.“ L. 7 §. 12 D. soluto matrimonio (XXIV, 3). 19) Der Schatz befindet sich mithin nicht im getheilten Eigenthume. streitig. Bergl. Gründler, Polemik §. 440.

Nach G.R. ist die Frage

20) Das Gesetz v. 2. März 1850 §. 2 Nr. 2 (G.S. S. 77) hat das EigenthumSrecht des ErbVerpächters ohne Entschädigung aufgehoben und den Erbpächter zum vollen Eigenthümer gemacht, nur mit Vorbehalt der aus dem Erbpachtsverhältnisse entspringenden, aber zur Ablösung bestimmten Be­ rechtigungen auf Abgaben oder Leistungen. Alle übrigen Berechtigungen des Erbverpächters, welche Ausflüsse'deS Obereigenthums waren, sind weggesallen, wodurch denn auch die Bestimmung dieses §. 97, hinsichtlich des Erbpächters, außer Kraft gesetzt worden ist. 21) Damit ist hier die Substanz, das Eigenthum des Fundes, gemeint. 22) Er verliert in diesem Falle sein Finderrecht zur Strafe. Zu wessen Vortheil? ist unbestimmt gelassen, und die Meinungen darüber Widerstreiten sich. Eine Meinung nimmt die Hälfte des Fin­ ders für den Fiskus in Anspruch, ex analogia §§. 85 und 88 und auf Grund deS tz. 103, wonach der Grundeigenthümer selbst, wenn er die Anzeige unterläßt, bestraft werden soll. Eine andere Mei­ nung läßt sie dem Grundeigenthümer zufallen, jure accessionis, denn das jus accessionis des Grund­ herrn werde durch das Finderrecht in den bestimmt bezeichneten Fällen nur beschränkt, unter einer Resolutivbedingung, mit deren Eintritte die Beschränkung des RechtS desselben wegfalle. Diese Be­ gründung ist ohne juristische Grundlage. Weder die Resolutivbedingung kommt mit dem Finderrechte

452

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 103—119.

§. 103. Wer aber in Ansehung eines auf eigenem Grunde und Boden gefunde­ nen Schatzes einer gleichen Vernachlässigung der gesetzlichen Vorschriften sich schuldig macht, der soll dafür, nach Verhältniß der Umstände, der Beträchtlichkeit des Schatzes und seiner sich ergebenden unerlaubten Absicht bei der Verheimlichung, mit einer Geld­ strafe bis zur Hälfte des Werths des daran ihm gebührenden Antheils belegt werden2 3). §. 104. Verborgene Sachen, deren Eigenthümer nicht zweifelhaft ist, oder leicht entdeckt werden sann24), können niemals als gefundene Schätze angesehen und behan­ delt werden. §. 105. Ist aber der, welcher die Sache verborgen hatte, gestorben, so kann derjenige, welcher durch seine Anzeige oder Entdeckung den Erben zu dem Genusse der Sache, den sie sonst wahrscheinlich hätten entbehren müssen, verholfen hat, in sofern keine besondere Verpflichtung zur unentgeltlichen Vorsorge für das Beste der Erben bei ihm obwaltet, die nach §. 62 sqq. einem Finder ausgesetzte Belohnung fordern. Don Natur§ 106. In wiefern die unter der Erde verborgenen Naturschätze von Privat­ personen ausgesucht und in Besitz genommen werden können, ist gehörigen Orts be­ stimmt. (Th. II, Tit. 16, Abschn. 4; an dessen Stelle das Allgemeine Berggesetz vom 24. Juni 1865.)

vierter Abschnitt. Vom Thierfauge. i. som §. 107. Das Recht des Thiersanges erstreckt sich nur auf solche Thiere, welche übÄ?te noch von keinem Menschen gefangen und gebändigt worden. zusammen, noch kann von einer Beschränkung des jus accessionis des Grundherrn Rede sein. Dieser hat vermöge des jus accessionis gar nicht- zu fordern, denn die Erwerbung geschieht überhaupt nicht jure accessionis, sondern durch Okkupation, zu welcher er durch positive Bestimmung auf die Hälfte für berechtigt erklärt ist. Das gleiche Recht hat der Entdecker. Die Frage ist also die: Wie und wodurch der Grundherr fremdes Eigenthum, welches seinem Herrn zur Strafe entzogen wird (die Hälfte des FinderS), soll erwerben können? Das wäre an stch denkbar vermittelst des jus accrescendi, wie eS unter mehreren Miteigenthiimern auS einer Schenkung vorkommt. Diese Anwendung des An­ wachsrechts findet sich aber nicht. Außerdem aber ist zu beachten, daß hier von einer Strafe des Fin­ ders Rede ist. Was Jemand zur Strafe verliert, kann, außer dem sich nie von selbst verstehenden Falle der Privatstrafe, keiner Privatperson zufallen, sondern wird von dem Fiskus eingezogen. — Gewiß ist übrigens, daß die Gesetzgebung in ihrer positiven Beschaffenheit unvollständig ausgefallen ist; denn auch in dem §. 103 ist die Logik schwer zu finden. Es ist zweifelhaft: ob er die auf das Fin­ derrecht fallende Hälfte verlieren und überdies noch bis zur Hälfte seines Antheils bestraft werden, oder ob er das Ganze behalten und nur bis auf ein Viertel desselben Strafe leiden soll. Denn fein „ihm daran gebührender Antheil" ist doch immer daS Ganze, wenn er zugleich der Finder ist. tz. 81. — Die hier vertretene Meinung ist auch von dem O.Tr. I für die richtige erkannt, nach dem Pr. 2625 v. 11. Mai 1855, Entsch. 30 S. 421: „Wenn die dem Finder gebührende Hälfte eines auf fremdem Boden entdeckten Schatzes, wegen Unterlassung der im §♦ 102 d. T. vorgeschriebenen Anzeige, dem Finder entzogen wird, so fällt dieselbe nicht an den Grundeigenthümer, wird vielmehr zu Gunsten deS FiSkus erledigt."

23) S. die vor. Anm. 22 a. E.

24) Dieser Fall ist z. B. vorhanden, wenn an oder bei den entdeckten Sachen Nachrichten über den Niederleger gefunden werden, oder wenn sonst dergleichen glaubwürdige Nachrichten vorhanden find. Außerdem muß ein Jeder, welcher das Eigenthum oder doch die Niederlegung einer aufgefun­ denen verborgenen Sache behauptet, solches gegen den Finder und Grundherrn beweisen, wenn diese vermöge ihres Rechtes Anspruch darauf machen. Denn diese sind im rechtmäßig erworbenen Besitze, welcher dadurch, daß sie zur Ablieferung von Polizei wegen gezwungen sind, seine rechtliche Wirksam­ keit in Beziehung auf die Parteirolle, welche ihnen bei dem Streite des Prätendenten mit ihnen zu­ fällt, nicht verliert. — Der §. 104 darf aber nicht so aufgefaßt werden, daß der Eigenthumspräten­ dent sein Eigenthum an den verborgenen und gefundenen Sachen nothwendig anderweitig voll­ ständig nachweisen müsse, und daß er zur Ergänzung des Beweises zum Erfüllungseide nicht ver­ stattet werden dürfe. Diese Ausnahme von der Regel ist für diesen Fall nirgend vorgeschrieben. O.Tr. I v. 15. Dez. 1862, Str. Arch. 47 S. 240, 242.

Von Erwerbung des Eigenthums.

453

§. 108. Doch sind auch eingefangene und zahm gemachte Thiere, wenn sie in ihre natürliche Wildheit zurückgekehrt toarcn1), 2 3ein Gegenstand des Thierfanges. §. 109. Thiere, welche zwar frei herumschweifen, aber an den ihnen bestimm­ ten Ort zurückzukehren pflegen?), gehören nicht zum Thierfange. §. 110. Sie gehören aber dazu, sobald sie die Gewohnheit, zurückzukehren, ab­ gelegt haben b). §. 111. Tauben, welche Jemand hält, ohne ein wirkliches Recht dazu zu ha­ ben, sind, wenn sie im Freien betroffen werden, ein Gegenstand des Thierfanges 4). §. 112. Wer das Recht habe, Tauben zu halten, ist in den Provinzialgesetzen bestimmt. §. 113. Wo diese nichts besonderes festsetzen, sind nur diejenigen, welche trag­ bare Aecker in der Feldflur eigenthümlich besitzen, oder dieselben statt des Eigenthümers benutzen, nach Verhältniß des Ackermatzes, Tauben zu halten berechtigt. 2.

Feldpolizeiordnung v. i. Novemb. 1847.

§. 40.

(G.S. S. 383.)

Tauben, welche Jemand hält, ohne ein wirkliches Recht dazu zu haben, sind, wenn sie

im Freien betroffen werden, ein Gegenstand des Thierfangs (A. L.R. Th. I Tit. 9 §. in); durch

Gemeindebeschlüsse kann aber sowohl in Städten,

als in ländlichen Gemeinden bestimmt werden,

daß auch die Tauben desjenigen, welcher ein Recht hat, solche zu halten, wenn dieselben zur Saatund Erntezeit im Freien und besonders auf den Aeckern betroffen werden, Gegenstand des Thier­

fangs sein sollen.

Dergl. Gemeindebeschlüsse bedürfen jedoch zu ihrer Gültigkeit der Bestätigung der

Regierung.

§. 114. Insekten und andere Thiere, welche nach §§. 107 bis 111 ein Gegen­ stand des Thierfanges, und weder zur Jagd - noch zur Fischereigerechtigkeit geschlagen sind, können von einem Jeden etngefangcn werben5).6 §. 115. Wer in der Absicht, dergleichen Thiere zu fangen, fremden Grund und Boden ohne Dorwiffen oder wider den Willen des Eigenthümers betreten hat, muß das Gefangene dem Eigenthümer auf dessen Verlangen5) unentgeltlich ausliefern. §. 116. Hat der Eigenthümer auf seinem Grund und Boden zu einem erlaubten Thierfange Anstalten gemacht, so darf kein Anderer die daselbst eingefangenen Thiere bei Strafe des Diebstahls wegnehmen7). §. 117. Vogeleier und junge Vögel sind, soweit es die Polizeigesetze nicht aus­ drücklich verbieten, ein Gegenstand des freien Thierfangs. §. 118. Bienen auf seinem Eigenthum zu halten, ist einem Jeden erlaubt. §. 119. Das Recht, Bienen in der Haide zu halten, steht nur dem Eigenthümer des Forstes zu. 1) Das äußere Kennzeichen fehlt. Niemand kann z. B. einem zahmgemachten Rehe, welches in dem Gebüsche des Nachbars angetroffen wird, ansehen, ob es in seine natürliche Wildheit zurückgekehrt ist. 2) Auch das ist ein für einen Fremden nicht erkennbares Merkmal. S. die folg. Anm. 3) Man wird dies annehmen können, wenn sie ohne Einfangung und Einsperrung zur gewöhn­ lichen Fütterungs- oder Schlafzeit nicht zurückgekehrt und mehrere Tage ausgeblieben sind.' Allein dieser Umstand ist doch auch nur dem Besitzer bekannt, und außerdem ist er kein sicherer Beweis für die Ablegung der Gewohnheit, zurückzukehren, wenigstens bei manchen Thierarten, z. B. Katzen, die bisweilen wochenlang ausbleiben und doch zurückkehren. 4) Aber nicht des freien; denn wilde Tauben gehören zu den jagdbaren Thieren. Dies ist noch jetzt erheblich bei Jagdverpachtungen. 5) Dieser Grundsatz hat, in Beziehung auf die Jagd, seit Erscheinung des Gesetzes v. 31. Okt. 1848 (Zus. 3), seine Bedeutung verloren. 6) Der Fänger erwirbt durch den Fang (Okkupation) das Eigenthum mit der Verbindlichkeit, die eingefangenen Thiere dem Eigenthümer, wenn es dieser verlangt, herauszugeben. Die Klage des Eigenthümers ist eine persönliche und verjährt in 3 Jahren, gemäß §. 54 Tit. 6. 7) Durch den Einfang kommt das gefangene Thier in den ausschließlichen Besitz des Eigenthü­ mers, wenn dieser eS auch noch nicht weiß, daß das Thier sich gefangen hat. Die Entwendung aus dem Fangwerkzeuge ist mithin eine wahre Besitzentziehung.

sientn”

Erster Theil.

454

Neunter Titel.

§§. 120—127 (Zusätze).

§. 120. Diesem kann auch der Hütungsberechtigte8) das Halten der Bienen8) nicht untersagen. §.121. Auf zahme Bienenschwärme hat der Eigenthümer des Mutterstocks ein ausschließendes Recht. §. 122. Er kann die schwärmenden Bienen auch auf fremden Grund und Boden verfolgen und daselbst einfangen. §. 123. Doch muß er dem Eigenthümer des Grundes und Bodens für alle bei solcher Gelegenheit verursachte Beschädigungen gerecht werden. §. 124. Sobald der Eigenthümer des schwärmenden Stocks die Verfolgung gänzlich l0) aufgegeben hat*')', ist der Eigenthümer des Grundes und Bodens, auf

3. Bon der Jagd.

welchem der Schwarm gefunden wird, denselben einzusangen berechtigt. §. 125. In Ansehung desjenigen, der wilde oder von dem Eigenthümer verlas­ sene Bienen auf fremden Grunde und Boden einfängt, findet die Vorschrift §. 115 Anwendung. §. 126. Die Polizeiobrigkeit' *) jedes Orts ist berechtigt, Verfügungen zu tref­ fen, wodurch das Rauben13) der Bienen verhindert, und diejenigen Stöcke, unter denen es eingerissen ist, davon wieder entwöhnt werden. §. 127. Fällt weg"). 3.

G. v. 31.Oktober 1848, betr. die Aufhebung deS Jagdrechtes auf frem­

dem Grund und Boden und die Ausübung der Jagd. §. 1.

(G.S. S. 343.)

Jedes16) Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden ist ohne Entschädigung aufgehoben.

Die bisherigen Abgaben und Gegenleistungen des Berechtigten fallen toeg16). §. 2.

Eine Trennung des Jagdrechtes vom Grund und Boden kann als dingliches Recht künf­

tig nicht stattfinden17). 8) Oder andere Imker, welche in der Gegend bereits andere Bienenstellen haben, wenn sie kein Untersagungsrecht beweisen, oder darthun können, daß durch die zu nahe Anlage des neuen Bie­ nenstandes ihrem älteren Stande Nachtheil zugefügt wird. Ueber die nothwendige Entfernung zur Abwendung von Nachtheilen müssen Sachverständige entscheiden; in manchen Gegenden ist die Ent­ fernung gesetzlich auf 800 Schritte bestimmt, v. Bülow und Hagemann, Erörterungen II Nr. 7 §. 3; Hagemann, Landwirthschaftsrecht §. 284.

9) Weder das Halten eigener, noch die Aufnahme fremder Bienen, weil es jedem Eigenthümer freisteht, sein Eigenthum zu nutzen, wie es ihm gut dünkt.

10) Nicht etwa nur einstweilen, um etwa andere Anstalten zur Verfolgung zu treffen.

11) Freiwillig oder weil der Schwarm gänzlich auS den Augen verschwunden. 12) Wer eigenmächtig seines Nachbars Bienen verbrennt, weil sie um seinen Stock schwärmen, muß entschädigen. L. 27 §. 12 D. ad leg. Aquil. (IX, 2). Auch gegen s. g. Raub- oder Heerbie­ nen darf nicht eigenmächtig eingeschritten werden. Vergl. Pufendorf, Obs. III obs. 93; Hanno­ versches Magazin v. 1795 Stück 30. 13) Gegen den Herrn der s. g. Raubbienen gesteht man dem Herrn der Beraubten keine Ent­ schädigungsklage zu, weil die Bienenzüchter annehmen, daß der Letztere gewöhnlich selbst schuld an der Beraubung sei. Kaiser, Korbbienenzucht (Celle 1798) §. 24; Hagemann a. a. O. §. 284. 14) Der §. bestimmte: „Jagdbare wilde Thiere darf nur der, welcher die Jagdgerechtigkeit hat, unter den in den Polizeigesctzen des Landes vorgeschriebenen Einschränkungen, schießen, hetzen, beizen, fangen oder auf andere Art sich zueignen. (Th. II Tit. 16 Abschn. 3.)“ Das folgende Ges. v. 31.'Oktbr. 1848 hebt das auf. Ueber unbefugtes Jagen vergl. §§. 292 ff. Str.G.B. Das Jagdrecht gehört nicht dem Gemeinen, sondern dem Partikularrechte an. Pl.-Besch. d. O.Tr. v. 1. Dezbr/1851. 15) Die Aufhebung deS JagdrechtS auf fremdem Grunde und Boden erstreckt sich auch auf die im Eigenthume deS Staats befindlichen Gewässer und gilt ohne Rücksicht auf seine Entstehungsart. O.Tr. II v. 8. Febr. 1853, Entsch. 25 S. 396, und v. 6. März 1855, Str. Arch. 15 S. 360.

16) Oben, Anm. zu §. 108 der Einleit, und unten, Anm. zu §. 124 Tit. U. — Ist vor der Publikation dieses Gesetzes ein Jagdrecht auf fremdem Grunde und Boden gegen eine jährliche Rente veräußert worden, so ist diese durch den §. 1 nicht aufgehoben. O.Tr. II v. 18. Juni 1861, Entsch. 45 S. 361. 17) S. die unten folg. Anm. 21 zu Zus. 4 d. T.

455

Bon Erwerbung des Eigenthums. §♦ 3.

Die Jagd steht jedem Grundbesitzer aus seinem Grund und Boden zu.

Er darf sie in

jeder erlaubten Art, das Wild zu jagen und zu saugen, ausüben. Den benachbarten Grundbesitzern bleibt überlassen, ihre Grundstücke zu einem gemeinschaftlichen

Jagdbezirke zu vereinigen, und die Jagd durch öffentliche Verpachtung oder durch einen angenomme­ nen Jäger ausüben, oder auch gänzlich ruhen zu lassen.

Kein Grundbesitzer kann aber zu einer

solchen Vereinbarung genöthigt werden. §. 4.

Die Grundbesitzer sind in der Ausübung der Jagd nur beschränkt durch die allgemeinen

und die besonderen jagdpolizeilichen Vorschriften, welche den Schutz der öffentlichen Sicherheit und

die Schonung der Feldfrüchte bezwecken18). Das Recht der Jagdfolge ist aufgehoben.

§. 5.

In allen Festungswerken ist allein die Militärverwaltung befugt, die Jagd durch beson­

ders dazu ermächtigte Personen ausüben zu lassen. Außerhalb dieser Werke, desgleichen um die Pulvermagazine und ähnliche Anstalten, werden auf

Kosten der Militärverwaltung Umkreise oder Rayons von zusammenhängender Fläche gebildet und bezeichnet, innerhalb welchen die Jagd mit Feuergewehren nicht ausgeübt werden darf, bei Ver­

meidung einer Polizeistrafe von fünf bis zwanzig Thalern, oder im Unvermögensfalle eines verhältnißmäßigen Gefängnisses.

Die weiteste Entfernung der Außenlinie von den ausspringenden Winkeln des Glacis, der Pul­ vermagazine und ähnlicher Anstalten wird auf dreihundert Schritte festgesetzt.

Die Abgrenzung er­

folgt gemeinschaftlich von der Festungsbehörde, einem Deputirten des Stadtvorstandes und einem der Kreisverwaltung.

§§. 6 u. 7. §. 8.

(Enthalten transitorische Bestimmungen, welche nicht mehr zur Anwendung kommen.)

Alle diesem Gesetze entgegenstehende allgemeine und besondere Bestimmungen19), nament­

lich die K.O. v. 21. Januar 1812 und die B. v. 17. April 1830 — desgl. die jagdpolizeilichen Vor­ schriften über die Schon-, Setz - und Hegezeit werden hiermit aufgehoben20).

4.

Jagdpolizeigesetz vom 7.März 1850.

§♦ 1.

(G.S. S. 165.)

Die Ausübung des einem jeden Grundbesitzer auf feinem21) Grund und Boden zustehen­

den Jagrechts wird nachstehenden Bestimmungen unterworfen. §. 2.

Zur eigenen Ausübung des JagdrechtS auf seinem Grund und Boden ist der Besitzer

nur befugt: a) auf solchen Besitzungen, welche in einem oder mehreren an einander grenzenden Gemeindebe­

zirken einen land- oder forstwirthschaftlich benutzten Flächenraum von wenigstens dreihundert Morgen einnehmen und in ihrem Zusammenhänge durch kein fremdes22) Grundstück unter-

18) S. unten die Anm. 43 zu §. 18 des Jagdpol.-G. v. 7. März 1850. 19) Die schlesischen Verordnungen v. 15. April u. 13. Oktbr. 1774, welche gewissen Personen daS Schießen von Fasanen unbedingt verbieten, sind hierdurch aufgehoben; auch in Schlesien ist der Fasan jagdbar. Nur den zweiten Theil dieses §. 8, betreffend die polizeilichen Vorschriften über Schon-, Setz- und Hegezeit, berührt der §. 18 des Jagdpolizei-Gesetzes v. 7. März 1850 (Zus. 4). O.Tr. v. 8. Mai 1867. 20) Wieder abgeändert durch den gleich folgenden Zus. 4 §§. 18 ff. — „Durch das Jagdgesetz v. 31. btt 1848 §§. 3, 4 u. 8 ist das Publikandum v. 27. Okt. 1784, wonach die Ricken gänzlich

zu allen Zeiten bei zehn Thalern Strafe geschont werden sollen, aufgehoben und durch §♦ 18 des Jagdpolizeigesetzes v. 7. März 1850 nicht wieder hergestellt worden." Erk. des O.Tr., Strass. (Pr. Nr. 67) v. 7. Dez. 1853, Entsch. 26 S. 446. Vergl. unten Anm. 43 Abs. 2. 21) Das in einem Erbpachtvertrage dem Erbverpächter vorbehaltene Jagdrecht ist, mit dem nach §. 2 Nr. 2 deS Gesetzes v. 2. März 1850 von dem Erbpächter erlangten vollen Eigenthume, auf den­ selben übergegangen, und keine solche vorbehaltene Nutzung, welche nach §. 5 deS gedachten Gesetzes als fortbestehende Berechtigung von dem bisherigen Erbverpächter noch ferner ausgeübt werden kann. O.Tr. II (Pr. 2336) v. 23. Dez. 1851, Entsch. 22 S. 1. 22) Die Ansicht, daß auch der land- oder forstwirthschaftliche Zusammenhang nicht unterbrochen sein dürfe und daher das verbindende Grundstück ebenfalls land- oder forstwirthschaftlich benutzt werden müsse, findet in dem Gesetze keinen Anhalt. Das den Zusammenhang herstellende Grundstück braucht nicht auf solche Art benutzt zu werden, um den Anforderungen deS Gesetzes zu genügen, viel-

Erster Theil.

466 brochen fmb98);

Neunter Titel.

§§. 127 (Zusätze).

die Trennung, welche Wege") oder Gewässer9ß) bilden, wird als eine Un­

terbrechung deS Zusammenhanges nicht angesehen; b) auf allen dauernd und vollständig eingefriedeten Grundstücken.

Darüber, was für dauernd und

vollständig eingefriedet zu erachten, entscheidet der Landrath;

c) auf Seen, auf zur Fischerei eingerichteten Teichen und auf solchen Inseln, welche Ein Besitzthum bilden98). §. 3. Wenn die im §. 2 bezeichneten Grundstücke mehr als dreien Beschern gemeinschaftlich

gehören, so ist die eigene Ausübung des Jagdrechts auf diesen Grundstücken nicht sämmtlichen Mit­ gliedern gestattet. Dieselben müssen vielmehr die Ausübung der Jagd Einem bis höchsten- Dreien unter ihnen übertragen.

Doch steht ihnen auch frei, das Jagdrecht ruhen, oder durch einen angestellten Jäger

ausüben zu lassen, oder zu verpachten. Gemeinden oder Korporationen dürfen daS Jagdrecht auf solchen ihnen9 7) gehörenden Grund­

stücken (§. 2) nur durch Verpachtung98) oder durch einen angestellten Jäger ausüben. §. 4.

Alle übrigen Grundstücke eines Gemeindebezirks, welche nicht zu den im §. 2 gedachten

gehören, bilden der Regel nach einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk.

Es ist aber den Gemeindebe­

hörden gestattet, nach freier Uebereinkunft mehrere ganze Gemeindebezirke oder einzelne Theile eines

Gemeindebezirks mit einem anderen Gemeindebezirke zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirke zu ver­ einigen.

Auch soll die Gemeindebehörde befugt sein, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde auS dem

Bezirke Einer Gemeinde mehrere für sich bestehende Jagdbezirke zu bilden, deren jedoch keiner eine geringere Fläche als dreihundert Morgen umfassen darf.

mehr ist eS ausreichend, wenn nur kein fremdes Grundstück betreten werden muß, um die Jagd auf eigenen wenigstens 300 M. umfassenden Grundstücken auszuüben. O.Tr. II v. 12. Jan. 1865, Str. Arch. 58 S. 88.

23) Entstehen zwischen dem Pächter der Jagd auf den Grundstücken der Gemeinde und einem in der letzten angesessenen Eigenthümer Streitigkeiten darüber, ob in Ansehung seines Grundstücks diese Bedingungen vorhanden sind, so ist darüber im Rechtswege zu entscheiden. Entsch. des Komp.-Gericht-H. v. 30.Okt. 1858, J.M.Bl. 1859 S. 141. — (7. A.) Ö.Tr. II v. 28. März 1876, Entsch. 77 S. 129. 24) Diese Vorschrift hat nur solche Grundstücke vor Augen, welche ohne das Vorhandensein von Wegen rc. in ungetrenntem Zusammenhänge liegen würden, keinesweges aber solche, die durch die Wege eben nur verbunden werden, wie z. B. wenn bei einer Separation einem Teilnehmer zwei durch dazwischen liegende Grundstücke getrennte Parzellen, von welchen keine 300 M. groß ist, beide jedoch einen solchen Flächenraum enthalten, zugewiesen werden, welche durch einen ausgewiesenen ge­ meinschaftlichen Kulturweg in Verbindung gesetzt sind. R. des Min. der landwirthsch. Angelegenheiten v. 10. März 1864, Staatsanz. S. 792. Bergl. die vor. Anm. 22. 25) DaS Gleiche wird auch von unübersteiabaren Gebirgswänden, welche über fremde- Terrain (uuf Wegen) umgangen werden müssen, gelten sollen, wenn sie keinem Fremden gehören. Der Min. der landwirthschaflichen Angelegenheiten hat entschieden, daß ein Gemeindebezirk, auch wenn er nicht 300 M. enthält, einen Jagdbezirk bildet. R. v. 13. November 1863, Staatsanz. Nr. 280. 26) Streitigkeiten darüber: ob der Besitzer eines Sees, welcher innerhalb des Jagdbezirkes einer Gemeinde gelegen ist, zur eigenen Ausübung des Jagdrechts auf dem See berechtigt sei, sind dem Rechtswege unterworfen. Erk. des Komp.-Gerichtsh. v. 3. Mai 1856, J.M.Bl. S. 187. 27) Die Worte: „auf solchen ihnen gehörenden Grundstücken", deuten zwar darauf hin, daß von Grundstücken die Rede sei, die sich im Eigenthume der Gemeinde oder Korporation befinden, allein in Beziehung auf die Jagd stehen die übrigen Grundstücke eines Gemeindebezirks den im §. 2 be­ zeichneten gleich. Nachdem das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden aufgehoben worden, ist die Jagd auf der Rustikalfeldmark einer Dorfgemeinde nur als Wirthschaftsrubrik und als Pertinenzstück eines Guts zu betrachten, und der in der Dorsfeldmark belegene bäuerliche Grundbesitz bildet das Besitzthum, als dessen Pertinenz die Jagd in der Rustikalfeldmark betrachtet werden muß. O.Tr. III v. 10. Febr. 1865, Str. Arch. 58 S. 156. Daher sind die §§. 401, 407 I. 21 bei Jagdpachtungen anwendbar und die §§. 267, 268 ausgeschlossen. Jagdverpachtungen müssen demnach ohne Rücksicht aus den Betrag des Pachtgeldes schriftlich geschehen.

28) Wird vereitelt dadurch, daß die Verpachtung um ein Geringe- nominell geschieht und die Einzelnen auf einen Jagdschein bei dem Pächter auf die Jagd gehen.

457

Von Erwerbung des EigenthumS.

Den Besitzern der im §. 2 bezeichneten Grundstücke ist eS gestattet, fich mit diesen Grundstücken

dem Jagdbezirke ihrer Gemeinden anzuschließen.

Die Beschlüsse über alle dergleichen Abänderungen der gewöhnlichen Jagdbezirke dürfen sich auf keinen kürzeren Zeittaum alS auf drei Jahre und auf keinen längeren Zeitraum als auf zwölf Jahre

erstrecken.

5.

Die Besitzer isolirt belegener Höfe") sind berechtigt, sich mit denjenigen Grundstücken,

welche zusammenhängend den Hof ganz oder theilweise umgeben, also nicht mit fremden Grundstücken im Gemenge liegen, von dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke auszuschließen, wenngleich die Grund­

stücke nicht zu den im §. 2 gedachten gehören"). §. 6.

Auf den nach §. 8 aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke ausgeschiedenen Grundstücken

müssen die Grundbesitzer, so lange die Ausschließung dauert, die Ausübung des Jagdrechts gänzlich

ruhen lassen. Auch müssen die Grenzen solcher Grundstücke stets erkennbar bezeichnet werden. §. 7.

Grundstücke, welche von einem über dreitausend Morgen im Zusammenhänge großen

Wald, der eine einzige Besitzung bildet, ganz oder größtentheils eingeschloffen sind, werden, auch wenn sie nicht unter die Bestimmungen des §. 2 fallen, dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke der Ge­ meinde nicht zugeschlagen.

Die Besitzer solcher Grundstücke sind verpflichtet, die Ausübung der Jagd

auf denselben dem Eigenthümer des sie umschließenden Waldes, auf dessen Verlangen, gegen eine

nach dem Jagdvertrage zu bemessende8

Entschädigung, zeitpachtweise zu übertragen, oder dieJagd-

auSübung gänzlich ruhen zu lassen 88).

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt, im Mangel einer Einigung,

durch den Landrath,

vorbehaltlich der beiden Theilen zustehenden Berufung auf richterliche Entscheidung.

Macht der Waldeigenthümer von seiner Befugniß, die Jagd auf der Enklave zu erpachten, beim Anerbieten des Besitzers, nicht Gebrauch, so steht dem letzteren die Ausübung der Jagd auf dem

enklavirten Grundstücke zu. Stoßen mehrere derartige Grundstücke an einander, so daß sie eine ununterbrochene zusammen­

hängende Fläche von mindestens dreihundert Morgen umfassen, so bilden dieselben einen für sich be­ stehenden gemeinschaftlichen Jagdbezirk, für welchen die nämlichen Vorschriften gelten, wie für die gewöhnlichen Jagdbezirke8 8).

§. 8.

Die im tz. 5 des Gesetzes vom 31. Oktober 1848 enthaltenen Vorschriften über die Aus­

übung der Jagd in den Festungswerken, in deren Umkreise, sowie in dem der Pulvermagazine und

ähnlicher Anstalten, bleiben unverändert in Kraft. §. 9.

Die Besitzer der, einen Jagdbezirk bildenden Grundstücke werden in allen Jagdangelegen-

29) Unter einem isolirt belegenen Hofe ist ein jeder Hof zu verstehen, welcher außerhalb der Dorslage, umgeben von den dazu gehörigen Grundstücken, sich vorfindet. O.Tr. II v. 18. Nov. 1858, Str^ Arch. 41 S. 3.

30) Die Ansicht, daß zur Herbeiführung des Anschlusses die Zustimmung der Gemeinde gehöre, widerspricht dem §. 5. O.Tr. II v. 11. Juli 1861, Str. Arch. 42 S. 260. 31) KeineSwegeS also kommen bei Festsetzung der für die Jagdausübung zu gewährenden Ent­ schädigung die Grundsätze über die Expropriation rücksichtlich deS außerordentlichen 'Werths der Sache zur Anwendung. O,Tr. II v. 27. Septbr. 1866, Str. Arch. 65 S. 22. 32) Ein Grundstück, welches einen Theil eines verpachteten Gemeinde-Jagdbezirks bildet, scheidet auS diesem Verhältnisse dadurch nicht auS, daß während der Pachtzeit an einem anstoßenden Walde solche Veränderungen vorgenommen werden, daß eS nunmehr von diesem ganz oder größtentheils eingeschlossen wird. Der Jagdbezirks-Pächter bleibt daher auch ferner berechtigt, auf demselben die Jagd auSzuüben. O.Tr. Strass, v. 22. Jan. 1863, J.M.Bl. S. 63 und Entsch. 49 S. 36*. Wenn zwischen dem Eigenthümer eines WaldeS und einer von demselben eingeschloffenen En­ klave Streit darüber entsteht, ob der Erstere berechtigt sei, die pachtweise Ueberlaffung der Jagd auf der Enklave zu verlangen, so ist hierüber im Rechtswege zu entscheiden. Erk. des Komp.-Genchtsh. v. 8. Nov. 1862, J.M.Bl. 1863 S. 91. Bergl. Anm. 23. 33) Daß die mehreren aneinanderstoßenden derartigen Grundstücke, welche die vorausgesetzte Fläche zusammen bilden, verschiedene Eigenthümer haben, hindert nicht, einen für sich bestehenden gemein­ schaftlichen, oder Einem von ihnen zugehörigen Jagdbezirk zu bilden. Der Eine kann die Jagd auf den fremden Grundstücken pachten und sein eigenes Grundstück zuschlagen. Bergl. J.M.Bl. 1863 S. 91.

Erster Theil.

458

Neunter Titel.

Herten durch die Gemeindebehörde vertreten").

K. 127 (Zusätze).

Werden Grundstücke auS verschiedenen Gemeinde­

bezirken zu Einem Jagdbezirke vereinigt, so bestimmt die Aufsichtsbehörde diejenige Gemeindebehörde, welche die Vertretung zu übernehmen hat.

§. io.

Nach Maßgabe der Beschlüsse der Gemeindebehörde kann auf dem gemeinschaftlichen

Jagdbezirke entweder:

a) die Ausübung der Jagd gänzlich ruhen, oder b) die Jagd für Rechnung der betheiligten Grundbesitzer durch einen angestellten Jäger beschoffen werden, oder c) dieselbe, sei eS öffentlich im Wege des MeistgebotS oder auö freier Hand, verpachtet werden.

Die Pachtverträge85) dürfen sich auf keinen kürzeren Zeitraum als auf drei Jahre, und auf keinen längeren Zeitraum als auf zwölf Jahre erstrecken.

§. 11.

Die Pachtgelder und Einnahmen von der durch einen angestellten Jäger beschossenen

Jagd werden in die Gemeindekasse gezahlt, und, nach Abzug der etwa entstehenden Verwaltungs­

kosten , durch die Gemeindebehörde unter die Besitzer derjenigen Grundstücke, auf welchen die gemein­

schaftliche Ausübung deS Jagdrechts stattfindet, nach dem Verhältnisse des Flächeninhalts dieser Grundstücke, vertheilt 8a). §. 12.

Die Verpachtung der Jagd, sowohl auf den im §. 2 erwähnten Grundstücken, als auf

gemeinschaftlichen Jagdbezirken darf bei Strafe der Nichtigkeit deS Vertrages niemals an mehr als höchstens brei87) Personen gemeinschaftlich erfolgen. Ausländer dürfen nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde als Jagdpächter angenommen werden. Afterverpachtungen fuib ohne Einwilligung deS Verpächters nicht gestattet.

34) Wenn die Aufsichtsbehörde einen von der Gemeindevertretung geschloffenen Jagd-Verpach­ tungsvertrag mißbilligt, und die Abschließung eines neuen (durch einen anderen Vertreter als die Ge­ meindebehörde) veranlaßt hat und die Gemeindebehörde selbst die Anordnung der Aufsichtsbehörde anfechten will; so ist der Rechtsweg unzulässig. Erk. des Gerichtsh. zur Entsch. der Komp.-Konfl. v. 26. Nov. 1853, J.M.Bl. 1854 S. 21. — Wenn dagegen der andere Kontrahent die Rechtsbe­ ständigkeit deS Pachtvertrages behauptet, und seine vermeintlichen Rechte auS demselben verfolgen will, so ist ihm der Rechtsweg unverschränkt. Der Erl. des Min. deS Inn. und deS Min. für landwirthfchaftliche Angelegenheiten v. 4. Aug. 1852 (M.Bl. für die i. V. S. 175), durch welche den Land­ räthen die Besugniß zur Aushebung solcher Jagdpachtverträge beigelegt wird, vermag den Rechtsweg über dergleichen 'Ansprüche des anderen Kontrahenten nicht auSzüschließen. Erk. des GerichtSh. zur Entsch. der Komp.-Konfl. v. 3. Juni 1854, J.M.Bl. S. 399. In Westphalen ist nicht daS Amt (der Amtmann), sondern gemäß deS §. 23 der LandgemeindeOrdnung für die Provinz Westphalen v. 19. März 1856 der Gemeindevorsteher die im §. 9 bezeich­ nete Gemeindebeh örde. O.Tr. n v. 27. Juni 1867, Str. Arch. 67 S. 306. Der Eigenthümer eines im Gemeindebezirke belegenen Gutes, welcher den Jagdpacht-Kontrakt als ungültig angreift, macht sein eigenes Recht, nicht ein jus tertii geltend. O.Tr. H v. n. Juli 1861, Str. Ärch. 42 S. 257. 35) Bei Abschließung der Pachtverträge vertritt in diesem Falle die von der Aufsichtsbehörde er­ nannte Gemeindebehörde auch die anderen Gemeinden ohne wettere besondere Legitimation oder Be­ schlußfassung derselben. Aber der bestimmungsmäßigen Prüfung und Genehmigung seitens der Auf­ sichtsbehörde bleiben dergleichen Verträge unterworfen.

36) ES ist nicht vorgeschrieben, daß der Jagdbezirk mit dem Gemeindebezirke identtsch sein solle oder müsse. Auch ergiebt sich aus den §§. 9, io u. u, daß das Gesetz die Jagd und deren Aus­ übung kemesweges als eine Vermögensangelegenheit der Gemeinde-Korporation angesehen hat, noch behandelt wissen will. — Die Jagdeinnahmen bilden keine Jntrade der Gemeindekasse für die poli­ tische Gemeinde, sondern eine, den zum Jagdbezirke vereinigten Grundbesitzern gehörige, durchlaufende Post (§. 11). Die Gemeinde-Behörde, als Behörde, ist nebenbei nur Vertreterin dieser Grund­ besitzer in allen Jagdangelegenheiten. WaS also die Gemeindebehörde in dieser Eigenschaft vorgenom­ men hat, dafür kann die politische Gemeinde nicht verantwortlich gemacht werden. — ES ist auch nicht richttg, daß den Interessenten eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks die Eigenschaft einer juristi­ schen Person oder einer Korporation beigelegt worden ist. Vielmehr sind dieselben im Sinne der §§. 2, 11 ff. II. 6 erlaubte Privatgesellschaften, wenngleich sie zu den vom Staate ausdrücklich genehmigten oder privilegirten Gesellschaften zu zählen sind. O.Tr. II v. 25. Juni 1867, Str. Arch. 67 S. 292 u. Entsch. 58 S. 54. 37) Wird umgangen.

S. o. die Anm. 26.

459

Bon Erwerbung des EigenthumS. §. 13.

Sowohl den Pächtern gemeinschaftlicher Jagdbezirke, als auch den Besitzern der im §. 2

bezeichneten Grundstücke, ist die Anstellung von Jägern für ihre Reviere gestattet.

u.

Ein Jeder,

welcher die Jagd auSüben will, muß sich einen, für den ganzen Staat

gültigen, zu seiner Legitimation dienenden, auf ein Jahr und auf die Person lautenden Jagdschein von dem Landrathe des Kreises seines Wohnsitzes ertheilen lassen, und selbigen bei der Ausübung

der Jagd stets mit sich führen. Auch Ausländern kann ein solcher Jagdschein, jedoch nur gegen die Bürgschaft eine-Inländers,

von dem Landrathe des Wohnortes des Bürgen ertheilt werden.

Per Bürge haftet in Folge seines

Antrages für Strafen, welche auf Grund der §§. 16, 17 und 19

gegen den Ausländer verhängt

werden, sowie für die Untersuchungskosten.

Für einen jeden Jagdschein wird auf daS Jahr eine Abgabe von Einem Thaler zur Kreiskom-

mnnalkasse des Wohnorts des Extrahenten entrichtet.

Die eingehenden Beträge werden nach den Be-

schlüffen der Kreisvertretung verwendet. Die Ausfertigung der Jagdscheine erfolgt kosten- und stempelfrei.

Die im Königlichen oder Kommunaldienste angestellten Forst- und Jagdbeamten, sowie die lebens­

länglich angestellten Privatforst- und Jagdbedienten,

erhalten den Jagdschein unentgeltlich,

eS sich um die Ausübung der Jagd in ihren Schutzbezirken handelt *8).

soweit

In Jagdscheinen, welche

unentgeltlich ertheilt sind, muß dies und für welchen Schutzbezirk sie gelten, angegeben werden.

§. 15.

Die Ertheilung des Jagdscheins muß folgenden Personen untersagt werden:

a) solchen, von denen eine unvorsichtige Führung des Schießgewehrs oder eine Gefährdung der

öffentlichen Sicherheit zu besorgen ist; b) denen, welche durch ein Urtheil des Rechts, Waffen zu führen, verlustig erklärt sind, sowie

denen, welche unter Polizeiaufsicht stehen oder welchen die Nationalkokarde aberkannt ist. Außerdem kann denjenigen, welche wegen eines Forst- oder Jagdfrevels oder wegen Mißbrauchs des Feuergewehrs bestraft sind, der Jagdschein, jedoch nur innerhalb fünf Jahre nach verbüßter

-

Strafe, versagt werden.

§. 16.

Die Nichtbeachtung der vorstehenden Vorschriften über Lösung von Jagdscheinen wird

bestraft wie folgt:

Wer, ohne einen Jagdschein gelöst zu haben, die Jagd ausübt, wird für eine jede Uebertretung

mit einer Geldstrafe von Fünf bis Zwanzig Thalern belegt. Wer seinen Jagdschein bei Ausübung der Jagd nicht bei sich führt,

den trifft eine Geldstrafe

bis zu Fünf Thalerna9).

Wer es versucht, sich durch einen nicht auf seinen Namen ausgestellten, fremden Jagdschein zu legitimiren,

um sich dadurch der verwirkten Strafe zu entziehen, der wird mit einer Strafe von

Fünf bis Fünfzig Thalern belegt.

§. 17.

Wer zwar mit einem Jagdscheine versehen, aber ohne Begleitung deS Jagdberechtigten,

oder ohne dessen schriftlich ertheilte Erlaubniß bei sich zu führens, die Jagd auf fremdem Jagd­ bezirke auSübt, wird mit einer Strafe von Zwei bis Fünf Thalern belegt.

Wer die Jagd auf seinem Grundstücke gänzlich ruhen zu lassen verpflichtet ist, dieselbe dennoch aber darauf ausübt, hat eine Geldstrafe von Zehn bis Zwanzig Thalern und die Konfiskation der dabei gebrauchten Jagdgeräthe verwirkt.

Wer auf seinem eigenen Grundstücke, auf dem die Jagd an einen Dritten verpachtet ist, oder auf dem ein Jäger für gemeinschaftliche Rechnung der bei einem Jagdbezirke betheiligten Grundbe­ sitzer die Jagd zu beschießen hat, ohne Einwilligung des Jagdpächters oder der Gemeindebehörde jagt,

38) Der Eigenthümer, welcher selbst den Schutz seines Feldes und Waldes handhaben will, darf sich, nach diesen Bestimmungen, mit keinem Schießgewehre ohne Jagdschein aus seinem Eigenthume betreffen lassen, wenn er auch durchaus nicht jagen will. Er muß sich anderer Waffen bedienen. 39) Diese Strafe wird schon durch die bloße Weigerung, den Jagdschein vorzuzeigen, verwirkt; der später geführte Beweis, daß der die Jagd Ausübende den Jagdschein wirklich bei sich geführt habe, schließt die Strafbarkeit nicht aus. O.Tr. Strass, v. 15. Juni 1866, J.M.Bl. S. 235. 40) DaS wird nicht auf Beamte des Eigenthümers zu beziehen sein.

Erster Theil. Neunter Titel.

460

§. 127 (Zusätze).

eben so derjenige, welcher auf fremden Grundstücken, ohne eine Berechtigung dazu zu haben, die Jagd

auSübt, wird wegen Wilddiebstahls oder Jagdkontravention nach den allgemeinen Gesetzen4') bestraft. §♦ 18.

Die Bestimmung der Hege- und Schonzeit erfolgt nach den zur Zeit der Verkündigung

deS Gesetzes vom 31. Oktober 1848 geltend gewesenen Gesetzen").

Die Verordnung v. S. Dezbr. 1842, §§. i u. 2 (G.S. 1843, S. 2) und das Publikandum vom

7. März 1843 (G.S. 1843, S. 92) treten wieder in tost48).

Sonstige Uebertretungen der Vor­

schriften über Hege- und Schonzeit werden mit einer, nach richterlichem Ermessen zu bestimmenden

Geldbuße bis zu Fünfzig Thalern geahndet44 41 ). 42 43 §♦ 19.

Wer zur Begehung einer Jagdpolizeiübertretung fich seiner Angehörigen, Dienstboten,

Lehrlinge oder Tagelöhner als Theilnehmer oder Gehülfen bedient, haftet, wenn diese nicht zahlungs­

fähig sind, neben der von ihm selbst verwirkten Strafe, für die von denselben zu erlegenden Geld­

strafen und den Schadensersatz. §. 20.

Wegen einer Jagdpolizeiübertretung soll eine Untersuchung nicht weiter eingeleitet

41) Str.G.B. §. 292. 42) (6. A.) Ueber die Schonzeiten des Wldes vergl. Ges. v. 26. Febr. 1870.

(G.S. S. 120.)

43) Jagdpolizeiliche, vor Publikation deS Gesetzes v. 31. Okt. 1848 ergangene Vorschriften, welche das Jagen mit Bracken verbieten, sind durch jenes Gesetz aufgehoben und durch das JagdpolizeiGesetz v. 7. März 1850 nicht wieder hergestellt. Eine infolge des Gesetzes über die Polizeiverwaltung v. 11. März 1850 erlassene Polizeivorschrift, welche daS Jagen mit Bracken verbietet und unter Strafe stellt, steht mit den Gesetzen in Widerspruch und hat deshalb keine gesetzliche Gültigkeit. O.Tr. Straff. (Pr. 166) v. 6. Septbr. 1855, Entsch. 31 S. 314. Bracken sind gewöhnliche Jagdhunde. Inwiefern noch andere ältere Bestimmungen in Betreff der Hege- und Schonzeit und der Aus­ übung der Jagd überhaupt wieder in Kraft getreten sind, ist streitig. Dahin gehört u. a. die Frage: a) ob die in den Provinzial-Forstordnungen enthaltenen Bestimmungen über die Schonzeit und die derselben unterworfenen Wildgattungen wieder hergestellt sind? Darüber ist wohl nach dem Ab­ sätze 1 dieses §. 18 ein Streit kaum möglich. Vergl. auch O.Tr. Straff, v. 17. Okt. 1860, J.M.Bl. S. 462, sowie v. 31. Okt. 1860, J.M.Bl. 1861 S. 40, wonach männliche Hirsche in Westpreußen, während der Schonzeit nicht geschossen oder gefangen werden dürfen, was das Appellationsgericht zu Marienwerder nicht anerkannt hatte. — Zu vergl. unten Anm. zu §. 51 Th. n Tit. 16. — Aber eö werden damit andere Dinge vermengt, welche von jener Frage nicht berührt werden. Wieder­ hergestellt sind jene Gesetze nur, um darnach in jedem Jahre die Hege- und Schonzeit zu bestim­ men. Darüber ist man hin und wieder hinausgegangen, man hat z. B. jagdpolizeiliche Vor­ schriften und die in manchen Landestheilen vorgekommenen alten Vorschriften, nach welchen daS Schießen der weiblichen Rehe durchaus für immer verboten war, in Pausch und Bogen für wiederhergestellt angesehen. Hiergegen hat d. O.Tr. sich schon in einer Märkischen Sache durch daS oben in der Note 20 mitgetheilte Erkenntniß bestimmt ausgesprochen. Es ist jedoch ein solcher Fall 1860 in Bres­ lau wieder vorgekommen, wo der Polizeirichter das Schießen einer s. g. Ricke außer der Schonzeit, auf Grund des §. 5 Tit. XVI der schlesischen Jagdordnung v. 19. April 1756, wonach „Rücken oder Hillen — gar nicht todt gemacht oder geschossen werden sollen", mit 10 Thlrn. bestrafte und das Appellationsgericht den Rekurs dagegen verwarf, weil, wie gesagt wurde, der gedachte §♦ 5 durch den §. 18 der Jagdpolizei-Ordn. v. 7. März 1850 seine volle Geltung wieder erhalten habe. Dieser Grund ist aber unrichtig. Das Gesetz v. 31. Oktbr. 1848 hat alle Jagdbeschränkungen aufgehoben, und der §.18 des Jagdpolizei-Ges. v. 7. März 1850 stellt davon nichts her, sondern verordnet nur, daß die Bestimmung der Hege- und Schonzeit nach jenen alten Gesetzen erfolgen soll. Das ab­ solute Verbot des Äeheschießens zu allen Zeiten ist durch keine Bestimmung nachgehends erfolgt. Eben so verhält es sich mit der Frage: b) ob ein Jagdberechtigter auf seinem Revier Fasanen schießen dürfe, wenn er eine Fasanerie­ anlage nicht besitzt? Ein KreiSgericht hat 1860 einen solchen Jagdberechtigten wegen Erlegung eines Fasans zu 10 Thlrn. Geldstrafe ev. 5 Tagen Gefängniß verurtheilt. Diese Verurtheilung stutzt sich auf die Vorschriften des Ediktes v. 13. Oktbr. 1774 'm Verein mit dem §. 18 der Jagdpolizei-Ordn. v. 7. März 1850. Dieser §. 18 enthält aber keinen Buchstaben, welcher auf eine Wiederherstellung jener alten Jagdbeschränkung in Betreff der Fasanen bezogen werden könnte.

44) Eine Zuwiderhandlung gegen die gesetzlichen Bestimmungen über die Hege- und Schonzeit des Wildes ist auch schon dann vorhanden, wenn bloß auf das Wild gejagt wird. ES ist nicht er­ forderlich, daß daS Wild getödtet oder gefangen werde. O.Tr. Strass, v. 17. Okt. 1860, J.M.Bl. S. 462. Während der Schonzeit ist jedes Jagen untersagt; auch derjenige verletzt die Schonzeit, welcher daS Wild nur anschießt oder überhaupt' während der Schonzeit auf Wild schießt oder mit­ schießt, mag dasselbe auch nicht von ihm getroffen sein. O.Tr. Straff, v. 29. April 1864, J.M.Bl. .S. 199.

461

Von Erwerbung des Eigenthums.

werden, wenn seit dem Tage der begangenen That bis zum Eingänge der Anzeige an die Staats­

anwaltschaft oder den Richter drei Monate verstrichen sind.

§. 21.

Durch Klappern, aufgestellte Schreckbilder, sowie durch Zäune kann ein Jeder das Wild

von seinen Besitzungen abhalten, auch wenn er auf diesen zur Ausübung des Jagdrechts nicht be­ Zur Abwehr des Roth-, Damm- und Schwarzwildes kann er sich auch kleiner oder ge­

fugt ist.

meiner Haushunde bedienen. §. 22. Auf gemeinschaftlichen Jagdbezirken, auf welchen Wildschäden Vorkommen, darf die Ge- Dom^Wildmeindebehörde, wenn auch nur ein einzelner Grundbesitzer Widerspruch dagegen erhebt, die Ausübung dessen Der­ ber Jagd nicht ruhen lassen. Hütung. §. 23.

Wenn die in der Nähe von Forsten belegenen Grundstücke, welche Theile eines gemein­

schaftlichen Jagdbezirkes bilden, oder solche Waldenklaven, auf welchen die JagdauSübung dem Eigen­

thümer des sie umschließenden Waldes überlassen ist (§. 7), erheblichen Wildschäden durch das aus

der Forst übertretende Wild ausgesetzt sind, so ist der Landrath befugt, auf Antrag der beschädigten Grundbesitzer, nach vorhergegangener Prüfung des Bedürfnisses und für die Dauer desselben, den Jagdpächter selbst während der Schonzeit zum Abschüsse des Wildes aufzufordern. pächter,

Schützt der Jagd­

dieser Aufforderung ungeachtet, die beschädigten Grundstücke nicht genügend, so kann der

Landrath den Grundbesitzern selbst die Genehmigung ertheilen, das auf diese Grundstücke übertretende

Wild auf jede erlaubte Weise zu fangen, namentlich auch mit Anwendung des Schießgewehrs zu

tobten. Das Nämliche gilt rücksichtlich der Besitzer solcher Grundstücke, auf welchen sich die Kaninchen bis zu einer, der Feld- und Gartenkultur schädlichen Menge vermehren, in Betreff dieser Thier­

gattung.

Wird gegen die Verfügung des Landraths bei der vorgesetzten Verwaltungsbehörde der

Rekurs eingelegt, so bleibt erstere bis zur eingehenden höheren Entscheidung interimistisch gültig.

Das von den Grundbesitzern in Folge einer solchen Genehmigung des Landraths erlegte oder gefangene Wild muß aber gegen Bezahlung des in der Gegend üblichen Schußgeldes dem Jagdpächter

überlassen, und die desfallsige Anzeige binnen vier und zwanzig Stunden erstattet werden. §. 24.

Auch der Besitzer einer solchen Waldenklave, auf welcher die Jagd nach §. 7 gar nicht

ausgeübt werden darf, ist, wenn das Grundstück erheblichen Wildschäden ausgesetzt ist und der Be­ sitzer des umgebenden Waldjagdreviers der Aufforderung des Landraths, daS vorhandene Wild selbst

während der Schonzeit abzuschießen, nicht genügend nachkommt, zu fordern berechtigt, daß ihm der Landrath, nach vorhergegangener Prüfung des Bedürfnisses und auf die Dauer desselben, die Ge­ nehmigung ertheile, das auf die Enklave übertretende Wild auf jede erlaubte Weise zu fangen, na­

mentlich auch mit Anwendung des Schießgewehrs zu tobten.

In diesem Falle bleibt das gefangene oder erlegte Wild Eigenthum deS Enklavenbesitzers. In den in den §§. 23 und 24 gedachten Fällen vertritt die von dem Landrathe zu ertheilende

Legitimatton die Stelle des Jagdscheins. §. 25.

Ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz des durch das Wild verursachten Schadens findet

nicht statt. Den Jagdverpächtern bleibt dagegen unbenommen, hinsichtlich deS Wildschadens in den Jagd­

pachtkontrakten vorsorgliche Bestimmung zu treffen. §. 26.

(Fällt alS Uebergangsbestimmung weg.)

§. 27.

In denjenigen Städten, welche zu keinem landräthlichen Kreise gehören, werden die

in diesem Gesetze den Landräthen übertragenen Befugnisse von den Ortspolizeibehörden ausgeübt, und in Stelle der Kreiskommunalkasse tritt die städtische Kasse.

§. 28.

Wer die Jagd innerhalb des abgesteckten FestungSrayonS von 1300 Schritten ausüben

will, muß vorher seinen Jagdschein von dem Festungskommandanten besonders visiren fassen.

Die Uebertretung dieser Vorschrift wird mit einer Strafe von Zwei bis Fünf Thalern geahndet. §. 29.

An die Stelle der in den §§. 16, 17, 18 u. 28 angedrohten Geldstrafe tritt für den

Fall, daß der Uebertreter zn deren Bezahlung unvermögend ist, eine verhältnißmäßige Gefängniß­

strafe. §. 30.

Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Vorschriften werden hiermit aufgehoben.

462

Erster Theil.

§. 31.

Neunter Titel.

§§. 128—170.

Unser Minister für landwirthschastliche Angelegenheiten wird mit der Ausführung diese-

Gesetzes beauftragt.

§. 128. Die Besitznehmung durch die Jagd ist erst alsdann für vollendet zu ach­ ten, wenn das Thier todt oder lebendig in die Gewalt des Jagenden gekommen ist. §. 129. Ein Thier, welches bloß angeschoffen worden, oder aus dem Netze ent­ kommen ist, befindet sich noch in seiner natürlichen Freiheit "). B°n der §§.130—138. Aufgehoben"). 18 ' §.139. Ist angeschossenes Wild entkommen, oder hat sonst die Jagdfolge nicht stattgefunden, so ist der Jagende schuldig, dem Inhaber desjenigen angrenzenden Re­ viers, wohin das Wild auf der Flucht sich gewendet hat, von dem Anschüsse binnen 24 Stunden, bei Einem bis fünf Thalem Strafe, Nachricht zu geben. §. 140. Doch versteht sich dieses nur vom angeschoffenen hohen Wilde, und die Anzeige geschieht auf Kosten des Berechtigten. §§. 141—148. Fallen weg"). § 149. Das Wild, welches sich in Gärten, Höfe oder ande,re an die Wohnge°hnk Jagdge-bäude stoßende geschloffene Plätze eingedrungen hat, kann ein Jeder fangen oder rechtigkeit ge- .* fangen oder tODteiT. 9Cb«itctamtcr= §• 150. Er darf sich aber daru keines Schießgewehrs bedienen, und muß das gefangene oder erlegte Wild dem Jagdberechtigten abliefern. §. 151. Der 'Jagdberechtigte hingegen ist schuldig, das gewöhnliche Schießgeld

dafür zu bezahlen ; oder muß, wenn er dieses nicht will, das Wild dem, welcher es gefangen oder erlegt hat, überlassen 4 458).46 47 §. 152. Wo sich Wölfe aufhalten, mag jeder Grundbesitzer an abgelegenen Or­ ten Wolfsgruben anlegen. §. 153. Damit aber Niemand dadurch Schaden leide, müssen dergleichen Gru­ ben gegen Menschen und Vieh tüchtig umrückt werden. 5.

V. vom 15. Januar 1814, wegen Gestellung der zu den Wolfsjagden

nöthigen Mannschaften.

(G.S. S. 1.)

Da die Vertilgung der Wölfe eine allgemeine Landes- und Sicherheit-angelegenheit ist, und e-

die Gerechtigkeit erfordert, daß zu dem, was das Wohl Aller betrifft, auch Unsere getreuen Unter­ thanen beitragen, so verordnen Wir hiermit und kraft dieses:

§. 1.

Es sollen alle ackerbautreibenden Einsassen, sowohl in den Dörfern als in den Städten,

desgleichen diejenigen, welche gar keinen Ackerbau besitzen, jedoch Pferde, Rindvieh oder Schafe halten,

zu den Wolfsjagden Hülfe leisten, und die davon nach einigen Provinzialverfassungen stattgehabten Befreiungen gänzlich aufhören. §. 2.

Auf die Größe der Ackerbesitzungen soll bei Vertheilung dieser Last nicht Rücksicht ge­

nommen, sondern solche nach der Anzahl der zu obgedachter Klasse zu rechnenden Einsassen vertheilt

werden. §. 3.

Nur diejenigen Einsaffen, welche nicht über eine und eine halbe Meile von der Gegend,

in welcher die Wolfsjagd gehalten wird, entfernt wohnen, können hiezu angezogen werden. §. 4.

Die Forstbedienten sollen die Wolfsjagden nur in Verabredung mit den Kreispolizeibe-

45) ES kann mithin von jedem anderen Jagdberechtigten okkupirt werden.

46) Die §§. 130—138 setzen die Regeln fest, welche bei Ausübung der Jagdfolge zu beobachten sind. DaS Recht der Jagdfolge ist jedoch aufgehoben. Ges. v. 31. Okt. 1848 (Zus. 3) §. 4 Abs. 2. 47) Die hier gegebenen Vorschriften über Wildschaden und dessen Verhütung sind beseitigt und durch diejenigen ersetzt, welche das Jagdpolizei-Ges. v. 7. März 1850 (Zus. 4) §§. 22 ff. enthält. 48) Diese Vorschriften können in dem Falle keine Anwendung finden, wenn ein Grundstück für sich allein zu klein ist zur Ausübung der Jagd durch den Besitzer, und der Besitzer sich von dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke ausgeschlossen hat: alsdann ruht die Ausübung deS JagdrechtS gänzlich (§§. 5 u. 6 des Jagdpolizei-Ges.) mithin ist kein Jagdberechtigter vorhanden, an welchen das gefan­ gene oder erlegte Wild ausgeliefert werden könnte; der Grundbesitzer behält es als sein Eigenthum.

Bon Erwerbung be8 EigenthnmL.

463

Hörden anordnen, und insbesondere soll von letzteren bestimmt werden, wieviel und welche Mann­ schaften dazu aufzufordern sind. 8-154. Fällt weg"). §. 155. Wird Jemand von wilden Thieren angefallen, so sind ihm, zur Ver­ theidigung seines Lebens und seiner Gesundheit alle Mittel, dieselben von sich abzu­ halten oder zu tödten, erlaubt. §. 156. Wilde oder andere reißende Thiere bleiben demjenigen, welcher sie bei solcher Gelegenheit gefangen oder getödtet hat, eigen. §. 157. Sind aber Hirsche, Schweine oder anderes dergleichen Wild bei solchen Gelegenheiten gefangen und getödtet worden, so müssen sie dem Jagdberechtigten, ge­ gen Ersatz des Schußgeldes, ausgeliefert werden. §§. 158 bis 169. Aufgehoben»»). §. 170. Soweit Jemand mit der Fischereigerechtigkeit in Strömen, Seen und «5 sr-mdm andern Gewässern") versehen ist, so weit hat er ein ausschließendes Recht»»), sich < $0“»« ____________ Fischerei ß»). Gegenstand 49) Der §. 154 verordnet: „Hat sich anderes jagdbares Wild in diesen Gruben gefangen, so derselben, muß dasselbe sofort wieder in Freiheit gesetzt oder dem Jagdberechtigten, gegen Erlegung deS Schuß­ geldes, ausgeliefert werden." Nach heutigem Rechte gehört eö gleichfalls dem Grundbesitzer, wenn er die Jagd nicht verpachtet hat. In diesem Falle muß er eS dem Pächter gegen Erlegung deS Schußgeldes auSliefern. Vergl. daS Iagdpol.-Ges. v. 7. März 1850 (Zus. 4) §§. 23, 24. 50) Ges. v. 31. Okt. 1848 (Zus. 3) §. 1. Der §. 158 bestimmte, daß die Iagdgerechtigkeit aus fremdem Grunde und Boden, oder aus dem Jagdreviere eines Andern, nach den Gesetzen von Dienstbarkeiten zu beurtheilen (Tit. 22); die §§. 159 bis 164 handeln von der als Grundgerechtigkeit nicht mehr vorkommenden Mitjagd, und die §§. 165 bis 169 von Koppeljagden und lauten: §. 159. Wer in demselben Reviere mit Andern zu jagen berechtigt ist, darf sein Recht nur in eigener Person oder durch seine Jäger auSüben. §. 160. Doch kann dem Pächter eines ganzen Gutes auch die Ausübung der dem Gute zukonimenden Mitjagd zugleich überlassen werden. §.161. Ein nur zur Mitjagd Berechtigter darf zur Ausübung derselben nicht mehr Jäger an­ nehmen, als bisher gewöhnlich gehalten worden. §. 162. Wenn gleich bei Gütertheilungen den Besitzern der getheilten Güter die Mitjagd Vor­ behalten wird, so dürfen doch dieselben zusammen nur so viel Jäger halten, als vor der Theilung gewesen sind. §. 163. Ist vor der Theilung nur ein Jäger gehalten worden, so können die zur Mitjagd Berechtigten dieselbe zwar jeder für seine Person, übrigens aber nur durch Einen Gesammtschützen ansüben. §. 164. Wer die Erlaubniß zur Jagd von einem Jagdberechtigten nur für sich selbst erhalten hat, darf dieselbe keinem Anderen übertragen. §. 165. Bei der Koppel - und Gesammtjagd ist zwar das Recht zu jagen, nicht aber das gefällte Wild, gemeinschaftlich. §. 166. In der Regel kann der, welcher die Koppel-, Gesammt-, Mit- oder Beijagd hat, die­ selbe auch ohne Borwisien seiner Mitinteressenten ausüben. §. 167. Hingegen muß, in dergleichem Falle, das Borhaben, ein Klopf- oder Treibjagen zu halten, dem Mitberechtigten drei Tage vorher bekannt gemacht werden. §. 168. Diesem steht alsdann frei, mit dem Anderen gemeine Sache zu machen. §. 169. Wer nur mit der niederen oder mittleren Jagd beliehen ist, darf, ohne Erlaubniß deffen, welchem auf demselben Reviere die hohe Jagd zusteht, kein Klopf- oder Treibjagen vornehmen. 51) Bergl. unten die §§. 73—78 Th. H Tit. 15. Leiser, Jus Georgicum, lib. III cap. 14. — Fr. Chph. Jonathan Fischer, Kameral- und Polizeirecht 3 S. 117. — Karl Gottlob Anton, Geschichte der deutschen Landwirthschaft Th. I S. 161; Th. II S. 359; Th. III S. 511. — Heimbachsen., Bon dem Fischereiregal; in WeiSke'S Rechtslexikon 14 S. 199. — Bon der Koppelfischerei: v. Bülow und Hagemann, praktische Erörterungen 1 Erört. 12. 52) In öffentlichen nämlich. Die Fischerei ist ein Ausfluß des Eigenthumsrechts. Nach II. 15 §. 73 wird aber dieselbe in den öffentlichen Gewässern zu den Regalien gerechnet, wozu sie nach G.R. nicht gehört. Moser, von der Landeshoheit Kap. 22 S. 240. Die Ausschließlichkeit, welche dieser §. 170 zusichert, bezieht sich nur auf diese sog. Fischereigerechtigkeit. Bergl. die folg. Anm. An der Fischerei im Meere wird durch die Ausübung derselben allein keine ausschließliche Fischereigerechtigkeit oder der Besitz einer solchen erworben. Unten Anm. zu §. 7 Th. n Tit. 16.

464

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 170—181.

alle") m diesen Gewässern lebende Thiere zuzueignen. (Th. II, Tit. 15, Abschn. 2.) §. 171. Der Fang solcher Thiere, die zugleich im Wasser und auf dem Lande leben (der Amphibien), gehört zur Jagd, wenn er mit Schießgewehr, Fallen oder Schlageisen geschieht"). §. 172. Der Fang der Fischottern und Bieber gehört allemal zur Jagd"). §. 173. Wasservögel sind nur ein Gegenstand des Jagdrechts. §• 174. In sofern jedoch jagdbare Zugvögel, außer der Hegezeit, mit Fischer­ nehen unter dem Wasser gefangen werden können, ist solches dem Fischereiberechtigten erlaubt. §. 175. Alle andere Wasserthiere und Amphibien, welche mit Fischernetzen, Angeln, oder mit der Hand im Wasser gefangen »erben57), gehören dem Fischerei­ berechtigten. §• 176. Teiche, Hölter, Seen, und andere geschlossene Gewässer, welche sich nkn und un- nicht5 8) über die Grenze des Grundstücks erstrecken, in welchem sie liegen, sind in der ©eroäffera. Regel als das Eigenthum des Grundherrn anzusehen55 53 ).54 56 57 58 59 60 §. 177. Die Fische in solchen Privatgewässern gehören also auch dem Eigen­ thümer des Grundstücks. §. 178. Wenn Fische, die in solchen Gewässern gehegt werden, bei großem Wasser oder bei einem Durchbruche des Dammes austreten, so können sie von dem Eigenthümer auch aus fremdem Grund wieder eingefangen werden. §. 179. Bis in Flüsse und Ströme hingegen, oder in andere Gewässer, worin ein Dritter das Recht zu fischen hat, findet die Verfolgung nur in soweit statt, als der Eigenthümer sichere Merkmale anzugeben vermag, wodurch seine ausgetretenen Fische von denjenigen, die in dem andern Gewässer befindlich sind, sich hinlänglich unter­ scheiden5«). 53) Den Uferbesitzern eines Privatflusses steht als Ausfluß des Eigenthums an dem Flusse auch das Recht zu, denselben zu befischen. Dieses Recht wird dadurch allein nicht ausgeschlossen, daß einem Dritten in demselben Flusse eine Fischereigerechtigkeit zukommt. Der §. 170 d. T. begründet dem Userbesitzer gegenüber kein ausschließliches Recht des Fischereiberechtigten. O.Tr. II (Pr. 1628) v. 23. Sept. 1845, Pr.-S. S. 30. — „Der §. 170 (nämlich das Exklusivrecht) bezieht sich nur aus die, dem Fischereirechte unterworfenen Thiergattungen." O.Tr. II (Pr. 2577) v. 7. Dezbr. 1854, Entsch. 30 S. 184. — „Das einer Privatperson zustehende Recht zum Fischfänge in einem öffentlichen Strome ist nur in soweit ein ausschließliches, als es dem Fischereiberechtigten erweislich vom Staate als Privilegium verliehen worden ist. O.Tr. II (Pr. 2576) v. 7. Dez. 1854, Entsch. 30 S. 185.

54) - Unter der Fischerei ist auch der Krebsfang begriffen. Hinsichtlich der Amphibien macht der §.171 eine Ausnahme. 55) Also nicht, wenn mit Netzen, Angeln, Speeren, Harpunen und dergl. Werkzeugen oder auch ohne Werkzeuge. Vergl. §. 175. Die Frage war streitig. 56) War ebenfalls streitig. Runde, Beiträge 2 S. 451 ff. rechnet die Fischottern aus gewich­ tigen Gründen zur Fischerei. ‘ Die Fischottern sind für die Fischerei das, was Wölfe und Füchse für die Jagd. Deshalb müßte, nach dem Prinzip des §. 189 d. T., dem Fischereiberechtigten unbedingte Befugniß gegen sie zustehen. 57) Das soll heißen: gefangen werden können. Diese Möglichkeit ist die Grenze zwischen dem Rechte des Fischereiberechtigten und dem des Eigenthümers hinsichtlich der Jagd.

58) Hiervon darf nicht argumento a contrario angenommen werden, daß, wenn sie sich über die Grenze hinaus erstrecken, sie nicht als Privateigenthum der Anlieger angesehen werden könnten. S. die Anm. 61 zu §. 180 d. Tit. 59) (6. A.) Landseen gehören bis zur Mitte des GewäfferS dem Userbesitzer, falls nicht bei der Eigenthumsverleihung das Gegentheil ausbedungen ist. O.Tr. III v. 2. Dezbr. 1870, Entsch. 64 S. 39; Str. Arch. 71 S. 335. (6. A.) Die rechtliche Eigenschaft des Gewässers als eines öffentlichen oder PrivatgewässerS richtet sich nach der Art der Benutzung, nicht nach der Person des Eigenthümers. Str. Arch. 81 S. 73 (II). 60) Die §§. 176—179 enthalten den Gegensatz von §§. 180—183, indem sie die sog. zahme Fischerei betreffen, wogegen die §§. 180 ff. die wilde Fischerei zum Gegenstände haben. Die Fische,

Von Erwerbung des Eigenthums.

465

§. 180. Wenn Flüsse, Bäche oder andere uneingeschlossene Gewässer austreten> so kann der, welche darin zu fischen berechtigt ist, die ausgetretenen Fische in der Re­ gel nicht verfolgen6 *). §. 181. Vielmehr gehören diese demjenigen, auf dessen Grunde das ausgetre­ tene Wasser stehen bleibt62). welche in geschlossenen Privatgewässern gehegt und gezüchtet werden, stehen mit den zahmen Thieren aus gleicher Linie, sie sind ini Eigenthume und Besitze des Herrn, wenngleich sie noch im Wasser sind; denn der Herr hat nur nöthig, das Wasser abzulassen, um alle Fische zu nehmen. Darum kann der Eigenthümer die durch Naturereignisse weggeführten Fische von jedem Dritten abholen (vindiziren). Im Falle des §. 179 muß er natürlich seine mit fremden Fischen vermengten Fische unter­ scheiden können. 61) Gegenstand dieses Gesetzes in Verbindung mit dem folg. §. 181 ist nicht die Bestimmung deS Eigenthums an den Privatflüsicn und Bächen, sowie auch der §.176 nicht eigentlich von dem Eigenthume des Grundes und Bodens handeln will, sondern in Verbindung mit "§.177 über das Eigenthum der daraus gezüchteten und eingeschlossenen Fische Bestimmung treffen soll. Wem das Eigenthum an Flüssen, Bächen und anderen Gewässern, welche sich durch mehrere Grundstücke ver­ schiedener Eigenthümer erstrecken, zustehe, ist nirgend ausdrücklich gesagt, und wegen der hier nicht passenden Fassung des §. 176 könnte man argumento a contrario behaupten, daß es nicht den Anlie­ gern gebühre. Allein daraus, daß der Staat sich nur iu öffentlichen Strömen den Fischfang Vorbehalten hat, folgt, daß die Fischerei in Privatgewässern Gegenstand des Privateigenthums ist, und daß wahrscheinlich kein anderer Privatmann, als der Anlieger dazu kommen kann; und die Bestim­ mung, daß nach §§. 222—273 d. T. Alluvionen, Inseln und verlassene Flußbetten den Anliegern gehören, seht voraus, daß auch die über den Boden hinfließenden und darauf stehenden Gewässer den­ selben Eigenthümern angehören. S. auch O.Tr. v. 31. Aug. 1846, Entsch. 15 S. 365. Daß sich in dem Ä. L.R^, keine allgemeine Bestimniung über das Eigenthum und die Nutzungen der nicht schiff­ baren oder Privatflüsse findet, kommt von einer Unachtsamkeit. In dem ersten Eutw. z. A. G.B. waren Th. I Abth. 3 Tit. 2 (von den nutzbaren Rechten und Regalien des Staats im Allgemeinen), §. 37 die Nutzungen jener Flüsse ausdrücklich den Uferbesitzern zugesprochen. Mat. 19 Bl. 74. Bon den Mitgliedern der Ges.-Komm. war hiergegen nichts erinnert worden; aber v. Carm er ließ, bei einer von ihm selbst vorgenommenen Umarbeitung des Titels, den §.37 weg. Suarez machte hieraus in einer Zusammenstellung der Mon. aufmerksam; man beschloß aber die Weglassung des^ §. 37, doch nur deshalb, weil er zu einem der speziellen Titel gehörte. Bl. 168 a. a. O. Dort hat man ihn jedoch überall außer Acht gelassen. Darum ist das Prinzip, welches die Auösührungssätze voraussetzen, nirgend ausgedrückt. Ges.-Rev. Pens. XII S. 203. Die Praxis ist jedoch über dasselbe nicht zweifelhaft.' O.Tr. III v. 8. Juni 1857, Str. Arch. 25 S. 145. Das Recht zu fischen ist hiernach ein Ausfluß des Eigenthums und steht daher in Privatflüssen und Gräben in der Regel dem Uferbesitzer zu, und zwar, wenn auf jeder Seite ein Anderer ist, bis zum Thalwege. S. auch O.Tr. v. 18. Okt. 1836, Schl. Archiv 3 S. 86. — Uebereinstimmend hier­ mit hat das'Erk. d. O.Tr. v. 31. August 1846, Entsch. 15 S. 361, den Satz ausgesprochen: „Das Recht, einen Privatfluß zu befischen, steht den Uferbesitzern als Ausfluß des Eigenthums zu, soweit sich ihr Ufer erstreckt." Auch harmonirt damit das zu §. 74 II. 15 eingetragene Pr. 517 v. 17. Au­ gust 1838, Pr.-S. @.212: „Wenn die Fischereigerechtigkeit in einem'Privatflusse aus einer Ver­ leihung des Staats ohne Bestimmung gewisser Grenzen hergeleitet wird, so findet die Festsetzung des §. 74-— daß sie sich nicht über den Uferbesitz hinaus erstrecke — Anwendung. Aus den Borschriften der §§.176 und 179 Tit. 9 Th. I geht nicht hervor, daß für den Eigenthümer des Grundes und Bodens nur allein unter Voraussetzung der völligen Geschlossenheit des Gewässers ein Anspruch auf die Fische entspringe; vielmehr enthalten dieselben nur eine Anwendung des allgemeinen Rechtsprin­ zips: daß in der Regel das innerhalb der Grenzen eines Grundstücks Belegene zu demselben gehört, und dazu benutzt werden kann. Die Anwendung dieses Prinzips aus die Fischerei in Privatflüssen steht aber mit der Vorschrift des §. 74 in vollkommenem Einklänge. Das O.Tr. II hat denn auch in dem Erk. v. 3. Nov. 1864, Entsch. 52 S. 38, unter Vernichtung des absprechenden Appellations­ urtels, ganz folgerichtig, ausdrücklich erkannt, daß daS Eigenthum der Landseen, ebenso wie der Pri­ vatflüsse, den Anliegern nach der Ausdehnung des Userbesitzes und bis zur Mitte des Gewässers, als Pertinenz (eigentlich als Bestandtheil) des am Ufer liegenden Grundstücks, zusteht, und zwar am See selbst und dessen Nutzungen, so lange der See als solcher besteht, und daß das Eigenthum des SeebetteS von den Adjazenten nicht erst in Folge der Trockenlegung des Sees erworben wird. Die iu solchen Gewässern lebenden Fische und anderen Wasserthiere stehen den jagdbaren wilden Thieren hinsichtlich der Eigenthumserwerbung gleich: sie müssen okkupirt werden; und die Verfolgung auf fremdes Terrain ist nicht zulässig, vielmehr kann sie derjenige in Besitz nehmen, auf dessen Grunde sie stehen bleiben oder gefangen werden. §. 181. — Das Prövinzialrecht der Kurmark Brandenburg enthält keine hiervon abweichenden Bestimmungen. O.Tr. II v. 3. Febr. 1852, Str. Arch. 6 S. 12. 62) Vergl. die vorhergehende Anm. zu §. 180, mit welchem dieser §. zusammenhängt. Koch, Allgemeines Landrecht. I.

7. Aufl.

30

466

Erster' Theil.

Neunter Titel.

§§. 182—192 (Zusatz).

§. 182. Bleiben die Fische, nach abgelaufenem Wässer in Lachen 6») zurück, die Jemand zu befischen das Recht hat, so kann dieser auch solche Fische sich zueignen 64). §. 183. Es darf aber Niemand die Fische durch Netze, Zäune, Dämme, oder andere Wehrungen, an der Rückkehr in den Strom verhindern88). §• 184. Jeder Eigenthümer mag aus seinem Grunde und Boden, unter Beobiibung der achtung der Landes-Polizeigesetze, Fischteiche anlegen. Flichern. § 185. Die Fischerei in Teichen und eingeschlossenen Privatgewässern, ist jeder Eigenthümer nach eigenem Gutfinden88) auszuüben berechtigt. _§. 186. In öffentlichen aber, sowie in nichteingeschlossenen Privatgewäffern, müssen, bei Ausübung derselben, die Vorschriften der Polizeigesetze wegen der Laichzeit, des verbotenen Fischerzeuges und was sonst darin zur Verhütung des Ruins der Fi­ scherei verordnet ist, genau befolgt werden. §. 187. Auch in Privatflüssen, worin mehrere die Fischereigerechtigkeit haben, darf Niemand, der nicht ein besonderes Recht dazu erworben hat, durch Versetzung des Flusses ober- oder unterhalb den freien Gang der Fische hindern 87). §. 188. Auf öffentlichen Gewässern soll Niemand zum Nachtheil des Fischerei­ berechtigten Enten halten. §.'189. Enten, welche die Besitzer der an Privatflüsse und Teiche stoßenden Grundstücke ohne ausdrückliche Erlaubniß des Fischereiberechtigten halten, ist dieser, wenn sie aus dem Wasser betroffen werden, zu pfänden oder zu tödten wohl befugt6 8). 63) Das O.Tr. spricht von Lachen „im gesetzlichen Sinne", und versteht darunter „ausgetretenes Wasser, welches, wenn das Wasser wieder abgelaufen ist, stehen geblieben und nach allen Seilen von Land umgeben ist." O.Tr. II v. 21. Dez. 1865, Entsch. 57 S. 22 und Str. Arch. 62 S. 120. Das Gesetz definirt den Begriff nicht; der Ausdruck ist kein juristischer, überhaupt kein technischer, sondern ein, nicht überall in Deutschland bekannter Ausdruck des gemeinen Sprachgebrauchs. Dieser Sprach­ gebrauch versteht darunter eine stehende Flüssigkeit von geringem Umfange ohne regelmäßigen Zu­ oder Abfluß, welche bald rein, bald unrein sein, Fische enthalten oder nicht enthalten kann. Daher Wasserlache, Mistlache, Kothlache, Blutlache u. s. w., im Nieders. Lake, im Katern, lacuna, im Wend, luza, wovon das Schlesische Luge (spr. Luscheh). In Niederdeutschland ist dafür der Aus­ druck Pfuhl gebräuchlich. Vergl. Eberhard, synonymisches Handwörterbuch Nr. 797; Adelung 8. v. Lache. 64) Die Bestimmung bezieht sich lediglich auf Fische, welche zur sog. wilden Fischerei gehören, hat also einen anderen Gegenstand als der §. 179, und regelt sowohl das Verhältniß zwischen dem­ jenigen, aus dessen Grenzen die Fische weggeschwemmt worden sind, und dem Grundeigenthümer, auf dessen Boden sie stehen bleiben, als auch das zwischen diesem und dem etwa vorhandenen Fischerei­ berechtigten. Dieser schließt den Grundeigenthümer von der Besitznahme solcher angeschwemmten Fische aus, wenn er nicht befugt ist, seine Lachen mit zu befischen.

65) Die Satzung ist rein positiv; sie folgt aus keinem Prinzip. Man hat sie aus der Märkischen Fischordnung v. 3. März 1790 Kap. 4 Nr. 7* entnommen. Aus den §§. 180—184 entnimmt das O.Tr. als landrechtliche Theorie, daß der Fischereiberech­ tigte die mit dem Wasser ausgetretenen Fische der Regel nach auf fremden Grund und Boden nicht verfolgen, daß ferner, so lange das ausgetretene Wasser nicht in die User zurückgetreten oder nicht ab­ gelaufen ist, ebensowenig ein Grundbesitzer als solcher, wie auch sonst Jemand, der in Lachen zu fischen berechtigt ist, in dem ausgetretenen Wasser überhaupt fischen darf, daß endlich erst dann, wenn das Wasser' abgelaufen ist, von Lachen in dem oben (Anm. 63) angegebenen Sinne die Rede sein kann. O.Tr. II v. 21. Dez. 1865, Str. Arch. 62 S. 120. 66) D. h. ohne daß er darin durch Polizeigesetze beschränkt ist, wie es im folg. §. 186 hinsichtlich der Fischerei in öffentlichen und in uneingeschlossenen Privatgewässern geschieht.

67) Dadurch würden die übrigen Berechtigten beschränkt werden. Die Vorschrift gilt auch für öffentliche Flüsse, und ihrem Verbote unterliegen auch unvollständige Flnßversetzungen, wenn auch die Passage für die Fische an den freien Stellen möglich ist: es bedarf zur Begründung der Klage des Fischereiberechtigten auf Wegräumung der Versetzungen eines besonderen Nachweises des dadurch ver­ ursachten Nachtheils nicht. O.Tr. 11 v. 9 Juni 1857, Str. Arch. 25 S. 158. — Das Verbot der Versetzung beschränkt sich nicht aus eine Versetzung durch dauernde Anlagen, sondern bezieht sich auch auf Versetzungen durch Netze. O.Tr. II v. 7. Jan. 1858, Str. Arch. 29 S. 2. (7. A.) Zur Begründung der Klage gehört nicht der Nachweis, daß die Versetzung schädlich sei. O.Tr. II v. 24. März 1874, Entsch. 72 S. 104.

Bon Erwerbung des Eigenthum«.

467

§. 190. Wer ohne Recht oder Erlaubniß fischt oder krebst, verliert, außer dein, was er gefangen hat, auch die bei ihm befindlichen Rehe und Fischerqeräthe. (Str.G.B. §. 273.) §. 191. Wer bloß die Fischereigerechtigkeit hat, darf sich deswegen in dem Strome ÄÄ. der Gewässer anderer Rechte des Grundeigenthümers nicht anmaßen"). geredjtigwt. §. 192. Werden also bei Gelegenheit des Fischfanges andere Sachen gefunden und entdeckt, so gelten in Ansehung derselben die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnittes. Die §§. 170—192 Tit. 9 gelten seit dem Inkrafttreten de« nachstehenden Gesetze« nur noch,

soweit sie den Bestimmungen desselben nicht entgegenstehen.

5 a.

Fischereigesetz für den Preußischen Staat.

Bom 3 0. Mai 18 74.

(G.S.

S. 197.)

§. 1. Das nachfolgende Fischereigesetz findet Anwendung auf die Küsten- und Binnenfischerei in allen unter Unserer Hoheit befindlichen Gewässern. §. 2.

Geltunqsbe-

rct(^‘

Zu dem Fischfänge im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der Fang von Krebsen,

Austern, Muscheln und anderen nutzbaren Wasserthieren, soweit sie nicht Gegenstand des Jagd­

rechts sind. Wo in diesem Gesetz der Ausdruck „Fische" gebraucht ist, sind darin die vorbezeichneten Thiere

begriffen. §. 3.

Unter Küstenfischerei im Sinne dieses Gesetzes ist diejenige Fischerei verstanden,

welche in den Unserer Hoheit unterworfenen Theilen der Nord- und Ostsee, in den offenen Mee­ den Haffen und in den größeren Strömen vor ihrer Einmündung in das Meer be­

resbuchten, trieben wird.

Binnenfischerei im Sinne dieses Gesetzes ist diejenige Fischerei, welche in den übrigen Ge­

wässern, in den Flüssen bis abwärts zu dem Punkte, wo die Küstenfischerei beginnt, betrieben wlxd. Die Grenzen der Küsten- und Binnenfischerei werden für jede der betheiligten Provinzen nach

Anhörung der Provinzialvertretung im Wege landesherrlicher Berordnung festgestellt. §. 4.

Geschlossene Gewässer im Sinne dieses Gesetzes sind:

1) alle künstlich angelegten Fischteiche, mögen dieselben mit einem natürlichen Gewässer in Ver­

bindung stehen oder nicht; 2) alle solche Gewässer, denen es an einer für den Wechsel der Fische geeigneten Verbindung fehlt;

wenn in denselben (Nr. 1 und 2) der Fischfang Einem Berechtigten zusteht. Streitigkeiten über die Frage, ob ein Gewässer im Sinne dieser Vorschrift als ein geschlossenes anzusehen ist, werden mit Ausschluß des Rechtsweges im Verwaltungswege entschieden.

§. 5. Die bestehenden Fischereiberechtigungen unterliegen den einschränkenden Vorschriften dieses Gesetzes.

Emschrän^ereFberc^V

Gegen vollständige Entschädigung der Berechtigten kann in nicht geschlossenen Gewässern eine ^ungen^und weitere Beschränkung oder gänzliche Aufhebung solcher Berechtigungen erfolgen, welche auf die BeNutzung einzelner bestimmter Fangmittel oder ständiger Fischereivorrichtungen (Wehre, Zäune, Selbst-

sänge für Lachs und Aal, feststehender Netzvorrichtungen, Sperrnetze u. s. w.) gerichtet sind.

Eine solche weitere Beschränkung oder Aufhebung kann beansprucht werden: 1) vom Staate im öffentlichen Interesse;

68) Auch das Flachs- und Hanfröten braucht der Fischereiberechtigte nicht zu leiden. Edikt v. 14. Sept. 1811 §. 37, G.S. S. 309. Und die der Fischerei schädlichen Thiere kann er wegfangen oder verscheuchen. Vergl. o. die Anm. 56 zu §. 172. 69) Der §.191 enthält ebensowenig ein Verbot der Verjährung, als eine besondere Theorie für die Besitznahme negativer Rechte oder deren Erwerb durch Verjährung. O.Tr. II v. 5. Juli 1866, Str. Arch. 64 S. 192. Diese besonderen Vorschriften der §§. 191, 193 find somit müßig, weil — wie auch das O.Tr. a. a. O. sagt — auch ohne sie der bloß zur Fischerei Berechtigte nicht als befugt anzusehen sein würde, sich andere Rechte des Grundeigenthümers anzumaßen, indem dies aus den allgemeinen, die Freiheit des Eigenthums verbürgenden Grundsätzen folgt.

der wilden

5l^crCL

Erster Theil.

468

Neunter Titel.

§. 192 (Zusatz).

2) von Fischereiberechtigten und Fischereigenossenschaften in dem oberen oder unteren Theil der

Gewässer, wenn von denselben nachgewiesen wird, daß die Berechtigung der Erhaltung und Verbesserung des Fischbestandes dauernd nachtheilig ist und einem wirthschaftlichen Betriebe der

Fischerei in den betreffenden Gewässern entgegensteht. Ueber den Antrag (Ziffer 2) entscheidet die Bezirksregierung (Landdrostei) nach Anhörung der

Betheiligten und vorgängiger Untersuchung durch Sachverständige. Gegen die Entscheidung derselben kann binnen drei Wochen, vom Tage der Behändigung an

gerechnet, der Rekurs an den Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten verfolgt werden. Die zu gewährende Entschädigung,

welche in Ermangelung gütlicher Einigung im Rechtswege

festzustellen ist, muß im ersten Falle (oben Nr. 1) vom Staate, im zweiten (oben Nr. 2) von dem­

jenigen geleistet werden, welcher die Aufhebung der Berechtigung beansprucht. Die bestehenden Vorschriften über die Ablösung von Dienstbarkeiten zur Fischerei werden durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt. §. 6.

Fischereiberechtigungen, welche, ohne mit einem bestimmten Grundbesitze verbunden zu

sein, bisher von allen Einwohnern oder Mitgliedern einer Gemeinde auögeübt werden konnten, sol­

len künftig in dem bisherigen Umfange der politischen Gemeinde zustehen. §. 7. DaS Recht zur Ausübung der Binnenfischerei in solchen Gewässern, welche bisher dem freien Fischfänge unterlagen, soll den politischen Gemeinden in den innerhalb chrer Gemarkung belegenen Gewässern zustehen. Wenn derartige Gewässer die Grenze zweier oder mehrerer Gemeinden bilden, ohne der einen oder anderen Gemarkung ganz oder zu bestimmten Theilen anzugehören, sollen die Gemeinden in

der Erstreckung, auf welcher ihr Bezirk das Gewässer begrenzt, gleichberechtigt sein. §♦ 8.

Gemeinden können die ihnen zustehende Binnenfischerei nur durch besonders angestellte

Fischer oder durch Verpachtung nutzen.

DaS Freigeben deS Fischfanges ist verboten. Die Dauer der Pachtverträge darf in der Regel nicht unter sechs Jahren bestimmt werdm;

Ausnahmen von dieser Bestimmung können unter besonderen Umständen von der AuffichtSbehörde zugelassen werden.

Die Trennung der einer Gemeinde zustehenden zusammenhängenden Fffchwaffer in einzelne

Pachtbezirke bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, welche darauf zu sehen hat, daß einer unwirthschaftlichen Zerstückelung der Fischerei vorgebeugt wird.

Die Aufsichtsbehörde ist befugt, zu bestimmen, welche Zahl der zulässigen Fanggeräthe in jedem

Pachtbezirke nicht überschritten werden darf. Sind zwei oder mehrere Gemeinden in den ihre Gemarkung begrenzenden Gewäffern gemein­ sam berechtigt, so können sie die Fischerei nur auf gemeinschaftliche Rechnung nutzen. Ist eine Einigung der Gemeinden über die Art der Nutzung nicht zu erreichen, so steht die

Entscheidung darüber der Aufsichtsbehörde zu. Genosftna

§. 9. Behufs geregelter Aufsichtsführung und gemeinschaftlicher Maßregeln zum Schutze des Fischbestandes und, sofern die im §. 10 bezeichneten Voraussetzungen zutreffen, auch Behufs gemein­

schaftlicher Bewirthschastung und Benutzung der Fischwasser können die Berechtigten eines größeren

zusammenhängenden Fischereigebiets auf Grund eines landesherrlich zu genehmigenden Statuts zu einer Genossenschaft vereinigt werden, welche durch einen von sämmtlichen Berechtigten nach näherer

Vorschrift deS Statuts zu wählenden Vorstand vertreten wird. Ueber die Genossenschaftsbildung und daS GenoffenschastSstatut sind die Berechtigten und im

Falle des Widerspruchs auch nur Eines derselben die Kreisstände des oder der Kreise, in welchen daS Genossenschastsgebiet belegen ist, vor der Genehmigung deS Statuts zu hören.

Die Bekanntmachung deS landesherrlichen Erlasses erfolgt nach Vorschrift deS Gesetzes vom

10. April 1872.

(G.S. S. 357.)

Im Falle freiwilliger Uebereinkunft aller Berechtigten genügt die Genehmigung des vereinbar­

ten Statuts durch den Oberpräsidenten der betreffenden Provinz oder, sofern der Bezirk in mehreren

Provinzen belegen ist, des Ministers für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten.

469

Von Erwerbung des Eigenthums. §• 10.

Eine Ausdehnung des GenossenschaftszweckS auf die gemeinschaftliche Bewirthschaftung

und Benutzung der Fischwasser kann nur auf Antrag eines oder mehrerer Betheiligten erfolgen.

Dieselbe ist zulässig: 1) wenn die sämmtlichen betheiligten Berechtigten zustimmen;

2) bei der Binnenfischerei und zwar in der Beschränkung auf die der Genossenschaft angehörigen

nicht geschlossenen Gewässer, wenn die Fischerei in denselben ausschließlich den Besitzern der

anliegenden Grundstücke zusteht und der selbstständige Fischereibetrieb der einzelnen Anlieger mit einer wirthschaftlichen Fischereinutzung der Gewässer im Ganzen unvereinbar ist.

In diesem

Falle ist bei dem Widersprüche auch nur Eines Berechtigten die Zustimmung der Kreisstände erforderlich. Wird über den Maßstab für die Vertheilung der Auskünfte auS der gemeinschaftlichen Fischerei­

nutzung eine Vereinbarung unter den Betheiligten nicht erzielt, so ist derselbe durch Schätzung der einzelnen Antheile am Fischwasser zu ermitteln.

Das Nähere hierüber bestimmt das Genossen-

schastsstatut. Unter denselben Voraussetzungen (Ziffer 1 und 2) kann innerhalb der größeren Genossenschaft

(§. 9)

für einen Theil der Berechtigten eine engere Genossenschaft zur gemeinschaftlichen Bewirth-

schaftung und Benutzung der Fischwasser gebildet werden. tz. 11.

Wer die Fischerei in den Revieren anderer Berechtigter oder über die Grenzen der eige­ Erlaubniß­

nen Berechtigung, beziehungsweise des freien Fischfangs hinaus betreiben will, muß mit einem nach

Vorschrift der folgenden Paragraphen ausgestellten und beglaubigten Erlaubnißscheine versehen sein, welchen er bei Ausübung der Fischerei zu seiner Legitimation stets mit sich zu führen und auf Ver­

langen des Aufsichtspersonals und der Lokalpolizeibeamten vorzuzeigen hat. §. 12.

Zur Ausstellung eines Erlaubnißscheins sind nur der Fischereiberechtigte und der Fi­

schereipächter innerhalb der Grenzen ihrer Berechtigung befugt.

Soweit in genossenschaftlichen Revieren eine gemeinschaftliche Bewirthschaftung und Nutzung

der Fischwasser stattfindet,

tritt der Vorstand der Genossenschaft an die Stelle der einzelnen Be-

rechtigten. Der Erlaubnißschein muß auf die Person, auf ein oder mehrere bestimmt bezeichnete Gewässer

und auf bestimmte Zeit, welche den Zeitraum dreier Jahre nicht überschreiten darf, lauten.

Er

kann Beschränkungen in Beziehung auf die Art und die Zahl der Fanggeräthe und die Zahl der

beim Fischfänge zu verwendenden Fahrzeuge enthalten. §. 13.

Fischerei-Erlaubnißscheine bedürfen der Beglaubigung und zwar:

1) für den Fischereibetrieb in den zu genossenschaftlichen Revieren gehörigen Gewässern durch den

zur Handhabung der Fischereiaufsicht berufenen Genossenschaftsvorstand (§. 9);

2) für den Fischereibetrieb in den übrigen Gewässern durch diejenige Ortspolizeibehörde, in deren Bezirke der Aussteller wohnt.

Ausgenommen von dieser Vorschrift find, soweit nicht für genossenschaftliche Reviere durch das Statut etwas Anderes bestimmt wird, diejenigen Fischerei-Erlaubnißscheine, welche von einer öffent­

lichen Behörde, von einem öffentlichen Beamten innerhalb seiner Amtsbefugnisse, einem Gemeinde­

vorstande oder dem zur Beglaubigung der Erlaubnißscheine berufenen Vorstande einer Fischereigenos­ senschaft ausgestellt sind.

§. 14.

Die Beglaubigung des ErlaubnißscheinS bezieht sich nur auf die Unterschrift deS Aus­

stellers und enthält kein Anerkenntniß für die Berechtigung desselben. 15.

Die Beglaubigung der Erlaubnißscheine durch die Ortspolizeibehörde erfolgt stempel-

und kostenfrei.

In genossenschaftlichen Revieren kann jedoch für die Beglaubigung der Erlaubnißscheine eine

Gebühr bis zu Einer Mark zu Gunsten der Genossenschaft erhoben werden.

DaS Nähere hierüber

bestimmt daS Genossenschaftsstatut.

tz. 16.

Wer die Fischerei auS eigenem Rechte oder als Pächter in nicht geschloffenen Gewäs­

sern (§. 4) betreiben will, hat davon der Aufsichtsbehörde, in genossenschaftlichen Revieren (§. 9)

scheine.

Erster Theil.

470

Neunter Titel.

§. 192 (Zusatz).

dem Vorstande derselben vorher Anzeige zu machen, erhält hierüber kosten- und stempelfrei eine Be­ scheinigung und hat dieselbe beim Fischen stets bei sich zu führen.

§. 17.

Das bei dem Fischen in Gegenwart des Fischereiberechtigten, des Fischereipächters oder

des Inhabers eines Erlaubnißscheins beschäftigte Hülfspersonal bedarf keiner Legitimation.

§. 18.

An Stelle der vorstehenden §§. ii bis 17 bleibt der §. 41 der Fischereiordnung für

die in der Provinz Pommern belegenen Theile der Oder,

das Haff und dessen Ausflüsse vom

2. Juli 1859 (G.S. S. 453) und der §. 49 der Fischereiordnung für den Regierungsbezirk Stral­ sund vom 30. August 1865 (G.S. S. 941) für den Geltungsbereich dieser Gesetze in Kraft; es

können jedoch die darin bestimmten Obliegenheiten des Königlichen FischmeisterS (OberfischmeisterS)

in genossenschaftlichen Revieren auf den zur Handhabung der Fischereiaufsicht berufenen Genossen­

schaftsvorstand (§. 9) durch das Statut übertragen werden; in diesem Falle findet auf die Ausstel­ lung und Bescheinigung der Legitimationsscheine (Willzettel, Fischzettel) der zweite Absatz des §. 15 dernchnung

dieses Gesetzes Anwendung. §. io. Die ohne Beisein deS Fischers zum Fischfänge ausliegenden Fischerzeuge müssen mit

Fischfänge einem Kennzeichen versehen sein, durch welches die Person des Fischers ermittelt werden kann. Mschcrzeuge! Ueber die Art der Kennzeichnung sind die näheren Vorschriften für genossenschaftliche Reviere durch das Genossenschaftsstatut, für andere Reviere im Wege der Polizeiverordnung zu erlassen.

Beseitigung §. 20. Die Breite der Gewässer darf zum Zwecke des Fischfanges durch ständige Fischereivornisft ^ür^den richtungen niemals auf mehr, als auf die Hälfte der Wasserfläche, bei gewöhnlichem niedrigen Was-

Wechselder serstande vom Ufer aus gemessen, für den Wechsel der Fische versperrt werden. 1 e

Solche VorrichLungen dürfen nicht so nahe aneinander angebracht sein, daß der Zug der Fische dadurch behin­

dert wird. Diese Vorschriften finden in Grenzgewässern nur soweit Anwendung, alS in dem Nachbar­ lande ein gleiches Vorgehen beobachtet wird; auch ist der Minister für die landwirthschaftlichen An­

gelegenheiten ermächtigt, dieselben zeitweilig für solche Gewässer außer Kraft zu setzen, welche stre­

ckenweise Unserer Hoheit nicht unterworfen sind. Die bereits bestehenden ständigen Fischereivorrichtungen unterliegen diesen Vorschriften nicht,

wenn mit denselben eine auf dieses besondere Fangmittel gerichtete Fischereiberechtigung verbunden ist; im anderen Falle müssen dieselben, soweit sie den Vorschriften dieses Paragraphen nicht ent­ sprechen, längstens innerhalb zweier Jahre nach Erlaß dieses Gesetzes von den Besitzern, welche

dazu erforderlichenfalls im Verwaltungswege anzuhalten sind, abgeändert werden.

§. 21. Beim Fischfänge ist die Anwendung schädlicher oder explodirender Stoffe (giftiger Köder 1 mttfci”9 oder Mittel zur Betäubung oder Vernichtung der Fische, Sprengpatronen oder anderer Spreng­

Verbot schad-

mittel u. s. w.) verboten.

Fischereipoli-

§. 22. Im Wege landesherrlicher Verordnung wird nach Anhörung der betteffenden Provin^schrüt?n.^ zialverwaltung vorgeschrieben: 1) welche Fische mit Rücksicht auf ihr Maß oder Gewicht nicht gefangen werden dürfen; 2) zu welchen Tages- und Jahreszeiten die Fischerei überhaupt oder in gewissen Erstreckungen der

Gewässer oder bezüglich gewisser Fangarten oder Fischgattungen verboten sein soll;

3) welche Fangarten und welche Arten von Fanggeräthcn beim Fischfänge nicht angewendet wer­ den dürfen;

Berechttgungen auf die Benutzung ständiger Fffchereivorrichtungen (§§. 5 und 20) können durch diese Vorschriften nicht getroffen werden; ebensowenig unterliegen denselben Berechtigun­ gen auf den Gebrauch anderer bestimmter Fangmittel, wenn der Berechtigte nur mit diesem

Fangmittel die Fischerei ausüben darf;

4) von welcher Beschaffenheit die erlaubten Fanggeräthe sein müssen, und mit welchen Beschrän­ kungen die letzteren zum Fischfänge gebraucht werden können;

5) welche Ordnung von den Fischern zur Vermeidung gegenseitiger Störungen, ferner im In­ teresse des öffentlichen Verkehrs und der Schiffahrt und endlich gegenüber den AufstchtSbeamten

und zur Erleichterung der Aufstchtsführung zu beobachten ist; 6) in welchen Jahreszeiten und an welchen Orten die Werbung der Seegewächse verboten sein soll.

471

Von Erwerbung des Eigenthums.

Für Übertretungen kann eine Geldstrafe bis zu 150 Mark Reichsmünze oder Haft und die

Einziehung der bei der Ausübung der Fischerei verwandten unerlaubten Fanggeräthe angedroht

werden.

Bis zum Erlasse der in diesem Paragraphen vorgesehenen landesherrlichen Verordnungen blei­ ben die bezüglichen, zur Zeit bestehenden, auf Gesetz oder Verordnung beruhenden Vorschriften

in Kraft.

§. 23. In den nach §. 22 Nr. 2 anzuordnenden Schonzeiten soll die Fischerei nicht über das Maß hinaus beschränkt werden, welches zur Erhaltung des Fischbestandes unter Berücksichtigung Men unv^

Je? jungen

der durch dieses Gesetz gegebenen anderweiten Schonungsmittel unbedingt geboten ist.

Insbesondere soll dieselbe in denjenigen Strecken der Gewässer, wo die Rücksicht auf Erhaltung

SW-

deö Fischbestandes es gestattet, außer an den Sonn - und Festtagen, höchstens an drei Tagen in der Woche untersagt werden dürfen.

Der Fang einzelner Fischgattungen und der Gebrauch bestimmter Fangmittel kann auch in die­

sem Falle für die ganze Dauer der Schonzeit verboten werden. §♦ 24.

Gelangen Fische, deren Fang zur Zeit oder mit Rücksicht auf ihr Maß oder Gewicht

überhaupt verboten ist, lebend in die Gewalt des Fischers, so sind dieselben sofort wieder in das Wasser zu setzen. §. 26. Die Vorschriften der §§. 19 bis 24 finden auf geschlossene Gewässer (§. 4) keine An­ wendung. §♦ 26.

Ist der Fang von Fischen unter einem bestimmten Maße oder Gewichte verboten, so

dürfen solche Fische im Geltungsbereiche des Verbots unter diesem Maße oder Gewichte weder feil

geboten, noch verkauft, noch versandt werden.

§. 27.

Auf die in den Fischzucht-Anstalten vorhandene junge Fischbrut finden die Vorschriften

der §§. 24 und 26 keine Anwendung. Auch kann die Aufsichtsbehörde im Interesse wissenschaftlicher Untersuchungen oder gemeinnützi­

ger Versuche und für Zwecke der künstlichen Fischzucht, soweit erforderlich, unter geeigneten Kontrol-

maßregeln Ausnahmen von den Vorschriften der §§. 24 und 26 gestatten.

Den Besitzern geschlossener Gewässer (§. 4) ist der Verkauf und Versandt von jungen Satz­

ungen zu Zuchtzwecken gestattet. §. 28.

Während der Dauer der Schonzeiten müssen die durch dieses Gesetz nicht beseitigten

ständigen Fischereivorrichtungen (§§. 5 und 20) in nicht geschlossenen Gewässern hinweggeräumt oder abgestellt sein. Die Besitzer derselben sind dazu erforderlichen Falls im Verwaltungswege anzuhalten.

§. 29.

Nach Anhörung der betheiligten Fischereibetheiligten und in genossenschaftlichen Revieren Schonreviere,

nach Anhörung des Genossenschastsvorstandes können zu Schonrevieren erklärt werden: 1) solche Strecken der Gewässer, welche nach sachverständigem Ermessen vorzugsweise geeignete Plätze zum Laichen der Fische und zur Entwickelung der jungen Brut bieten (Laichschonreviere);

2) solche Strecken der Gewässer, welche den Eingang der Fische aus dem Meere in die Binnen­

gewässer beherrschen (Fischschonreviere). Die Feststellung der Schonreviere erfolgt durch Verfügung des Mnisters für die landwirth-schaftlichen Angelegenheiten und zwar, wenn solche Strecken der Gewässer zu Schonrevieren erklärt

werden sollen, in welchen dem Staate die Fischereigerechtigkeit zusteht, im Einverständnisse mit dem Finanzminister.

Die betreffende Verfügung ist durch öffentliche Bekanntmachung zur Kenntniß der Betheiligten zu bringen; auch sind die Schonreviere, soweit es die Oertlichkeit gestattet, durch Aufstellung be­

sonderer Zeichen erkennbar zu machen. §♦ 30.

In Schonrevieren ist jede Art des Fischfangs untersagt, welche nicht für Zwecke der

Schonung oder andere gemeinnützige oder wirthschaftliche Zwecke von der Aufsichtsbehörde angeordnet oder gestattet wird.

§. 31.

In Laichschonrevieren (§. 29 Nr. 1) muß die Räumung, das Mähen von Schilf und

GraS, die Ausführung von Sand, Steinen, Schlamm u. s. w. und jede anderweite,

die Fort-

Erster Theil.

472

Neunter Titel,

ß. 192 (Zusatz).

Pflanzung der Fische gefährdende Störung während der Laichzeit der vorherrschenden Fischgattungen unterbleiben, soweit es die Interessen der Vorfluth und der Landeskultur gestatten.

Das Nähere

hierüber, über die Beaufsichtigung und den Schutz der Schonreviere ist erforderlichen Falls durch ein von der Bezirksregierung zu erlassendes Regulativ festzustellen.

§. 32.

Zu Schonreviren sollen vorzugsweise solche Strecken der Gewässer erklärt werden,

welche an sich dem freien Fischfänge unterliegen würden, oder in welchem dem Staate die ausschließliche Fischereigerechttgkeit zusteht, oder endlich in welchen den polittschen Gemeinden durch den §. 7 dieses Gesetzes die Fischereigerechtigkeit über­

tragen ist. In diesen Fällen wird eine Entschädigung für die entzogene Ausübung der Fischerei in den Schonrevieren nicht gewährt. Ist es jedoch zur Erhaltung oder Verbesserung des Fischbestandes nothwendig, auch andere Ge­

wässer in die Schonreviere aufznnehmen, so fallen die darauf ruhenden Fischereiberechtigungen hin­ weg und muß den Berechtigten für die entzogene Nutzung volle Entschädigung aus Staatsmitteln gewährt werden, deren Betrag beim Mangel gütlicher Einigung im Rechtswege festzustellen ist.

Geschlossene Gewässer können wider den Willen des Eigenthümers weder zu Schonrevieren er­ klärt, noch in dieselben ausgenommen werden. §. 33. Die durch frühere Gesetze und Verordnungen jedem Fischfänge Behufs der Schonung entzogenen Strecken der Gewässer bleiben als Schonreviere im Sinne dieses Gesetzes bestehen und

unterliegen den Vorschriften der §§. 29 bis 31.

§. 34. Ist die Beibehaltung eines Schonreviers nicht mehr erforderlich, so kann dasselbe durch Verfügung des Ministers für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten wieder ausgehoben werden. In diesem Falle treten rücksichtlich des Fischfangs die früheren Rechtsverhältnisse wieder ein, inso­

weit jedoch für Aufhebung der Berechtigungen eine Entschädigung aus Staatsmitteln geleistet ist,

verbleibt die Fischereiberechtigung dem Staate. Fischpässe.

§. 35.

Wer nach Erlaß dieses Gesetzes in einem der Herrschaft desselben unterworfenen na­

türlichen Gewässer Wehre, Schleusen, Dämme oder andere Wasserwerke an Stellen, wo bisher der

Zug der Wanderfische unbehindert war, anlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten Fischpäsie auszu­ führen und zu unterhalten.

Ausnahmen von dieser Vorschrift können, jedoch immer nur widerruflich,

zugestanden wer­

den, wenn 1) der Zug der Wanderfische in dem betreffenden Gewässer durch bereits bestehende Anlagen oder

aus anderen Gründen zur Zeit ausgeschlossen ist, oder 2) die neue Anlage nur einen vorübergehenden Zweck hat und die demnächstige Wiederwegräu­

mung gesichert ist. Ueber die Art der erforderlichen Einrichtungen und ihre Benutzung, sowie über die Zulässigkeit von Ausnahmen bestimmt nach vorgängiger sachverständiger Untersuchung diejenige Behörde,

bereit

Genehmigung die auszuführenden Wasserwerke bedürfen, oder, sofern eine Genehmigung nicht erfor­ derlich ist, die Aufsichtsbehörde.

§. 36.

Besitzer von Wehren, Schleusen, Dämmen ober anderen Wasserwerken in natürlichen

Gewässern, durch welche der Zug der Wanderfische ganz versperrt oder erheblich beeinträchttgt wird,

sind verpflichtet, die Herstellung von Fischpässen zu dulden, wenn 1) die Anlage vom Staate im öffentlichen Interesse beabsichtigt wird, oder

2) Personen oder Genossenschaften, welche in dem oberen oder unteren Theile des Gewässers

fischereiberechtigt sind, die Anlage auszuführen beabsichtigen und der von ihnen vorgelegte Bau­ plan von der Bezirksregierung (Landdrostei) nach zuvoriger Anhörung der Stauberechttgten ge­

nehmigt ist (§. 39). §. 37.

Die Vorschriften der §§. 35 und 36 finden keine Anwendung:

1) auf geschlossene Gewässer (§. 4);

Bon Erwerbung des EigenthumS. 2) auf künstlich angelegte Wasserzüge.

473

Diese Ausnahme erstreckt sich auch auf natürliche Gewäs­

ser, wenn und soweit sie unmittelbare Zubehörungen oder Theile eines künstlichen Wasser­

zuges bilden; 3) auf diejenigen Wasserwerke (Abwässerungsschleusen, Siele u. s. w.), welche zum Schutze von Niederungen gegen die von außen andringenden Fluthen angelegt sind oder angelegt werden.

§. 38.

Werden durch die im §. 36 bezeichneten Anlagen nutzbare Stauberechtigungen beein­

trächtigt, so ist dafür von dem Unternehmer der Anlage volle Entschädigung zu gewähren; dagegen

wird für den etwaigen durch Anlegung eines Fischpasses veranlaßten Mnderwerth der Fischerei

keine Entschädigung geleistet. §. 39.

Die Ausführung eines Fischpasses durch Fischereiberechtigte oder Genossenschaften be­

darf in allen Fällen der Genehmigung der Bezirksregierung (Landdrostei), welche bei Prüfung des Bauplans nicht allein die ufer-, fluß- und schiffahrtspolizeilichen Rücksichten zu beachten, sondern

auch darauf zu sehen hat, daß bei der Anlage des Fischpasses wider den Willen des Stauberechtigten daS Maß des Nothwendigen nicht überschritten wird. §. 40. Zu den von Staatswegeu oder nach Maßgabe eines von der Bezirksregierung (Land­

drostei) genehmigten Bauplans von Fischereiberechtigten auszuführenden Fischpässen muß der erfor­ derliche Grund und Boden von den Eigenthümern desselben gegen volle, von dem Unternehmer der

Anlage zu gewährende Entschädigung abgetreten werden. Auf das Enteignungsverfahren und die Ermittelung der Entschädigung finden diejenigen Vor­ schriften Anwendung,

welche in Enteignungsfällen für Zwecke der Vorfluth in den einzelnen Lan­

destheilen Platz greifen. Nach denselben Vorschriften erfolgt auch die Ermittelung der in den Fällen der §. 38 zu ge­ währenden Entschädigung.

§.4i.

Die Bezirksregierung (Landdrostei) hat unter Abwägung aller Interessen zu bestimmen,

in welchen Theilen des Jahres der Fischpaß geschlossen gehalten werden muß. §. 42.

In den für den Durchzug der Fische angelegten Fischpässen ist jede Art des Fischfangs^

insbesondere auch das Einhängen oder Einsetzen von Fischkörben, Netzen, Reusen und anderen Fangvorrichtungen verboten.

Oberhalb und unterhalb des Fischpasses muß in einer nach den ört­

lichen Verhältnissen von der Regierung zu bestimmenden angemessenen Ausdehnung für die Zeit,

während welcher der Fischpaß geöffnet ist, jede Art des Fischfanges verboten werden.

Werden durch

dieses Verbot Rechte des Fischereiberechtigten beeinträchtigt, so muß dafür volle Entschädigung ge­ leistet werden.

§. 43. Es ist verboten, in die Gewässer aus landwirthschaftlichen oder gewerblichen Betrieben BerunremiStoffe von solcher Beschaffenheit und in solchen Mengen einzuwerfen, einzuleiten oder einfließen zu Fischmesser, lassen, daß dadurch fremde Fischereirechte geschädigt werden können. Bei überwiegendem Interesse der Landwirthschaft oder der Industrie kann daS Einwerfen oder

Einleiten solcher Stoffe in die Gewässer gestattet werden.

Soweit es die örtlichen Verhältnisse zu­

lassen, soll dabei dem Inhaber der Anlage die Ausführung solcher Einrichtungen aufgegeben werden,

welche geeignet sind, den Schaden für die Fischerei möglichst zu beschränken. Ergiebt sich, daß durch Ableitungen aus landwirthschaftlichen oder gewerblichen Anlagen, welche bei Erlaß dieses Gesetzes bereits vorhanden waren, oder in Gemäßheit des vorstehenden Absatzes gestattet worden sind, der Fischbestand der Gewässer vernichtet oder erheblich beschädigt wird, so

kann dem Inhaber der Anlage auf den Antrag der durch die Ableitung benachtheiligten Fischerei­

berechtigten im Verwaltungswege die Auflage gemacht werden, solche ohne unverhältnißmäßige Be­ lästigung seines Betriebes ausführbaren Vorkehrungen zu treffen, welche geeignet sind, den Schaden

zu heben oder doch thunlichst zu verringern. Die Kosten der Herstellung solcher Vorkehrungen find dem Inhaber der Anlage von den An­ tragstellern zu erstatten.

Die letzteren sind verpflichtet,

auf Verlangen vor der Ausführung Vorschuß oder Sicherheit

zu leisten. Die Entscheidung über die Gestattung von Ableitungen nach Absatz 2, sowie über die in Ge-

Erster Theil.

474

Neunter Titel.

§§. 192 (Zusatz)—194.

mäßheit deS Absatz 3 anzuordnenden Vorkehrungen erfolgt, sofern die betreffende Ableitung Zubehör einer der im §♦ 16 der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. Juni 1869 (BundeS-

Gesetzbl. S. 245)

als genehmigungspflichtig bezeichneten Anlagen ist, in dem für die Zulassung

dieser Anlagen angeordneten gesetzlichen Verfahren, in anderen Fällen nach demjenigen Verfahren, welches über die Genehmigung von Stauanlagen für Wassertriebwerke festgesetzt ist.

§. 44.

Das Röten von Flachs und Hanf in nicht geschlossenen Gewässern ist verboten.

Ausnahmen von diesem Verbote kann die Bezirksregierung (Landdrostei) jedoch immer nur wi­ derruflich für solche Gemeindebezirke oder größere Gebietstheile zulassen, wo die Oertlichkeit für die

Anlage zweckdienlicher Rötegruben nicht geeignet ist und die Benutzung nicht geschlossener Gewässer Tum^obten

zur Flachs- und Hanfbereitung zur Zeit nicht entbehrt werden kann. §♦ 45. Dem Fischereiberechtigten ist gestattet, Fischottern und Taucher ohne Anwendung von

"schädlicher" Schußwaffen zu tödten oder zu fangen.

Thiere.

Wenn in einzelnen Landestheilen durch die bestehende Gesetzgebung den Fischereiberechtigten der Fang jagdbarer, der Fischerei schädlicher Thiere in weiterem Umfange gestattet ist, behält es dabei sein Bewenden.

Deaufsichti§. 46. Wo in diesem Gesetze die Aufsichtsbehörde erwähnt wird, ist darunter die ordenüiche 9 scherei. Obrigkeit des Bezirks innerhalb ihrer Zuständigkeit verstanden. Die Beaufsichtigung der Binnenfischerei, der Schonreviere und der Fischpässe kann durch be­

sondere vom Staate bestellte Beamte ausgeübt werden.

Die von Fischereiberechtigten, Fischereige­

nossenschaften oder Gemeinden bestellten Aufseher sind verpflichtet, den Anordnungen dieser Beamten

innerhalb der Vorschriften dieses Gesetzes nachzukommeu. In genossenschaftlichen Revieren liegt die unmittelbare Beaufsichtigung der Fischerei dem Vor­

stande der Genossenschaft, in allen nicht genossenschaftlichen Binnenfischerei-Revieren der Gemeinde

innerhalb ihrer Gemarkung neben den staatlichen Sicherheits- und Lokalpolizeibeamten ob.

Fischereiauffeher, welche von Fischereiberechtigten, Fischereigenossenschaften oder von Gemeinden bestellt werden, sind auf deren Antrag amtlich zu verpflichten,

falls gegen ihre Zulässigkeit kein

Anstand obwaltet. Die unmittelbare Beaufsichtigung der Küstenfischerei außerhalb genossenschaftlicher Reviere wird

von den Organen der Staatsverwaltung geführt.

Die amtlich verpflichteten Aufflchtsbeamten haben bei der Ermittelung und Verfolgung

§. 47.

von Uebertretungen gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes und die sonst bestehenden fischereipoli­

zeilichen Vorschriften innerhalb ihres Aufsichtsbezirks die Befugnisse und Verpflichtungen der LokalPolizeibeamten; insbesondere sind dieselben zu jeder Zeit befugt, die beim Fischfänge im Gebrauch

befindlichen Fanggeräthe, sowie die in Fischerfahrzeugen vorhandenen Fanggeräthe und Fische einer

Untersuchung zu unterziehen. Auch können von denselben Fischbehälter, welche in nicht geschlossenen Gewässern auSgelegt sind, jeder Zeit durchsucht werden.

Wird Jemand bei einer Uebertretung oder gleich nach derselben betroffen oder verfolgt,

§. 48.

so sind die der Einziehung unterliegenden Gegenstände, welche er bei sich führt, in Beschlag zu

nehmen.

In den nämlichen Fällen können die bei der Uebertretung gebrauchten Fischergeräthe und

Fahrzeuge gepfändet werden.

Diese der Einziehung nicht unterliegenden Gegenstände sind dem nächsten Ortsvorstande auf Gefahr und Kosten des Eigenthümers zur Aufbewahrung zu überliefern, jedoch gegen Niederlegung

einer der Höhe nach vom Ortsvorstande zu bestimmenden baaren Summe, welche dem Geldbeträge der etwa erfolgenden Verurteilung nebst den Kosten der Aufbewahrung oder dem Werthe des Pfand­

stücks gleichkommt, zurückzugeben. erfolgen.

Die Niederlegung kann bei dem Ortsvorstande oder gerichtlich

Geschieht die Niederlegung nicht innerhalb acht Tagen, so kann der gepfändete Gegenstand

auf Verfügung des zuständigen Richters öffentlich versteigert werden.

Strafbcstim§. 49. mungen. bestraft:

Mit Geldstrafe bis zu 30 Mark Reichsmünze oder mit Haft bis zu Einer Woche wird

1) wer in den Fällen des §. n bei Ausübung der Fischerei ohne einen nach Vorschrift der §§. 12

475

Bon Erwerbung des Eigenthum-.

und 13 ausgestellten und beglaubigten Erlaubnißschein, oder ohne die im tz. 16 vorgeschriebene

Bescheinigung oder im Geltungsbereiche der Fischereiordnungen für die in der Provinz Pom­

mern belegenen Theile der Oder, das Haff und dessen Ausflüsse vom 2. Juli 1859 und für den Regierungsbezirk Stralsund vom 30. August 1865 ohne einen vorschriftsmäßig ausgestellten und bescheinigten Legitimationsschein (Willzettel, Fischzettel) betroffen wird (§. 18);

2) wer den Vorschriften int §. 19 zuwider Fischerzeuge ohne die vorgeschriebene Kennzeichnung

auslegt. §. 50. Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark Reichsmünze oder mit Haft wird bestraft: 1) wer als Pächter einer Gemeindefischerei die von der Auffichtsbehörde festgestellte Zahl der zu­

lässigen Fanggeräthe überschreitet (§. 8); 2) wer einen Erlaubniß- oder Legitimationsschein unberechtigt auSstellt und aus Händen giebt (§§. 12 und 18); 3) wer bei Ausübung der Fischerei in nicht geschlossenen Gewässern die im §. 21 verbotenen Mittel

anwendet; 4) wer den Vorschriften im §. 28 zuwider ständige Fischereivorrichtungen nicht rechtzeitig wegräumt oder abstellt oder denselben vorschriftswidrig eine größere als die nach §. 20 zulässige Ausdeh­ nung giebt; 5) wer in Schonrevieren verbotswidrig die Fischerei ausübt (§. 30) oder den zum Schutze dersel­

ben erlassenen reglementarischen Vorschriften zuwider handelt (§. 31);

6) wer in den für den freien Durchzug der Fische angelegten Fischpässen, sowie in den oberhalb und unterhalb derselben gelegenen, dem Fischfänge entzogenen Theilen der Gewässer irgend

eine Art deß Fischfangs ausübt (§. 42); 7) wer den Vorschriften des §. 43 oder den zur Ausführung desselben getroffenen Anordnungen

zuwider den Gewässern schädliche, die Fischerei gefährdende Stoffe zuführt oder verbotswidrig

Hanf und Flachs in nicht geschloffenen Gewässern rötet (§. 44). §. 51.

Mit Geldstrafe bis zu 90 Mark Reichsmünze oder mit Hast bis zu 4 Wochen werden

bestraft: alle Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der §§. 24 und 26 dieses Gesetzes.

Neben der Strafe ist auf Einziehung aller verbotswidrig feil gebotenen, verkauften oder ver­

sandten Fische zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht.

§. 52.

Wer zur Begehung

einer durch dieses Gesetz mit Strafe bedrohten Uebertretung sich

seiner Angehörigen, Dienstboten, Lehrlinge oder Arbeiter als Theilnehmer bedient,

haftet, wenn

diese nicht zahlungsfähig sind, neben der von ihm selbst verwirkten Strafe für die von denselben zu erlegenden Geldstrafen.

§. 53.

Alle früher erlassenen, den Bestimmungen dieses Gesetzes entgegenstehenden Vorschrif­

ten werden aufgehoben. §. 54.

Schlußbe­ stimmungen.

Der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten ist mit der Ausführung die­

ses Gesetzes beauftragt.

Fünfter Abschnitt. Bon der Beute. §. 193. DaS Recht, im Kriege Beute zu machen, kann nur mit Genehmigung des Staats erlangt werden. §. 194. Wem*) der Staat dieses Recht ertheilt hat, der erwirbt durch die bloße Besitzergreifung1 2) das Eigenthum der erbeuteten Sache. 1) Nach dem Sinne des L.R. kann nur der Soldat oder doch nur eine solche Person, welche zum Heere gehört, oder demselben folgt, Beute machen, und der Staat, der dazu die Erlaubniß geben soll, wird durch die Kriegsbefehlshaber reprüsentirt. Das L.R. weicht hierin also sehr bedeutend von dem R.R. ab, nach welchem jeder römische Bürger, gleichviel ob Soldat, oder nicht, bewegliche Sachen eines Volkes, mit welchem das Röm. Volk kein Biindniß hatte, okkupiren konnte, ohne daß dazu Krieg erforderlich war. L. 5 §. 7; L. 7 pr., L. 51 §. 1 D. de acquir. rer. dom. (XLI, 1).

Bon der Beute überhaupt.

476

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 195—210.

§. 195. Wer Kriegs- oder Mundvorräthe erbeutet, der muß dieselben zum Ge­ brauche des Staats abliefern. §. 196. Alle andern Sachen, welche bei dem feindlichen Kriegsheere, oder bei den unter den Waffen befindlichen Feinden, ingleichen bei feindlichen Marketendern und Lieferanten angetroffen werden, sind als Beute zu betrachten. §. 197. Das Eigenthum feindlicher Unterthanen, die weder zur Armee gehören, noch derselben folgen, kann nur zur Beute gemacht werden2 3),4 5wenn 6 der Befehlshaber der Truppen die ausdrückliche Erlaubniß dazu gegeben hat^). §• 198. Unbewegliches Eigenthum ist niemals ein Gegenstand der Beute3). §. 199. Bewegliche Sachen, die der Feind weggenommen und veräußert hat, kann der vorige Eigenthümer gegen Erstattung desjenigen, was dafür gezahlt worden, zurückfordern3). 2) Die Sachen werden für herrenlos angesehen, weil das feindliche Volk, während des Kriegs­ zustandes, für rechtlos gilt. Deshalb wird durch Okkupation Eigenthum an Sachen der feindlichen Nation erworben.

3) In der Kriegssprache geschieht dies durch „Plünderung". 4) Um außerhalb des Falles des §. 197 an Sachen des Feindes Beute zu machen, bedarf weder der Soldat, noch der Befehlshaber der Truppen für seine Person einer vorangehenden besonderen, ausdrücklichen Erlaubniß des Staates. — Der Befehlshaber bedarf einer solchen Erlaubniß selbst in dem Falle des §. 197 nicht. O.Tr. I v. 24. Juni 1864, Str. Arch. 53 S. 316 und Entsch. 53 S. 49. 5) Nach R.R. wurde der Grund und Boden für den Staat in Besitz genommen. D. de captivis (XLIX, 15 )

L. 20 §. 1

6) In den §§. 193—198 wird von der Erwerbung des Eigenthums durch Erbeutung gehandelt, die §§. 199—204 sprechen von dem Verluste des Eigenthums durch feindliche Wegnahme. Es ist nicht klar, in wiefern dadurch das Eigenthum erlischt und dem Feinde ein gleiches Recht, auf solche Art Eigenthum zu erwerben, zugestanden wird. Der §. 201 bezeichnet die Handlung, durch deren Vollziehung die Erbeutung für vollendet zu erachten. Diese Bestimmung kommt aus der L. 5 §§. 1 u. 2 D. de captivis. Dort hat sie aber eine Bedeutung, die für uns nicht vorhanden ist. Der Feind bekümmert sich darum nicht, mit welchem Augenblicke wir ihm die vollendete Erwerbung zuge­ stehen wollen. Die Regel gilt mithin nur für uns selbst. Einl. §. 1. Dann aber bestimmt sie das Verhältniß zwischen dem Geplünderten und dem dritten Besitzer der weggenommenen Sache und ent­ hält den Grundsatz, daß derjenige, welcher von dem Feinde erbeutete Sachen erwirbt, bevor der Feind damit an den im §. 201 bezeichneten Ort der Sicherheit gekommen, nicht Eigenthümer geworden ist; wogegen das Eigenthum an dergleichen Sachen, die dem Feinde im Lager u. s. w. abgekauft werden, durch die Uebergabe erworben wird. Die Folge hiervon ist, daß der vorige Eigenthümer kein Vindi­ kationsrecht hat. Auf diese Sachen könnte mithin unser §. 199, wenn er durch den §. 201 seine nähere Bestimmung erhielte, nicht bezogen werden. Es ist aber nicht wahrscheinlich, daß die Vers, des L.R. dieses Verhältniß der beiden §§. zu einander im Sinne gehabt und die Beschränkung des Vindikations­ rechts auf diese seltenen Fälle beabsichtigt haben; denn es gehört gewiß zu den seltenen Ausnahmen, daß die feindlichen Truppen mir der gemachten Beute auf dem Rückzüge nach ihrem Lager sich Zeit nehmen oder auch nur Gelegenheit finden, weggenommene Sachen zu verhandeln. Vielmehr scheint der an die Spitze gestellte Grundsatz unseres §. 199 allgemein auf alle von feindlichen Truppen erwor­ benen Sachen Anwendung zu finden. In diesem Falle hat der §. 201 eine andere Beziehung (wor­ über u. die folg. Anm. 8), und der §. 199 spricht dem Feinde das Recht, Eigenthum durch Er­ beutung und Plünderung von uns zu erwerben, ganz ab. Das wäre aus unserem Standpunkte, dem Feinde gegenüber, allerdings der richtige Rechtszustand. Darnach kann denn der Feind aus keine Weise das'Eigenthum an bei uns weggenommenen Sachen weiter übertragen, und kein Dritter kann dergleichen Sachen von ihm durch Tradition eigenthümlich erwerben; vielmehr hat der geplünderte Eigenthümer das Abforderungsrecht gegen jeden Dritten, bis zur Verjährung des Klagrechts. Eine weitere Folge hiervon ist, daß der Dritte, welcher wissentlich eine uns abgenommene Sache von den Feinden erwirbt, in der Absicht, sie für sich zu behalten, ein unredlicher Besitzer ist. Die Bemerkung von S u a r e z in der revisio monitorum, daß sich nicht bestimmen taffe: ob der Erwerber einer vom Feinde erbeuteten Sache pro bonae vel malae fidei possessore zu achten, es vielmehr auf die Um­ stände des Falles ankomme — diese Bemerkung trifft völlig zu. Denn der feindliche Offizier kann die goldene Uhr, welche er verkauft, sowohl auf jede andere Weise rechtmäßig erworben, als auch von einem anderen seiner Feinde als von uns erbeutet haben, und dann kann von der Unredlichkeit des Abkäufers nicht Rede sein. Weiß dieser aber, daß sein Nachbar kurz vorher eben von diesem Ver­ käufer der Uhr beraubt worden ist, so ist er ein unredlicher Besitzer, wenn er die Uhr animo sibi ha­ bendi kaust. Diese innere Handlung muß aber aus den Umständen erhellen, sonst ist anzunehmen,

Von Erwerbung de« EigenthumS.

477

§. 200. Hat der Feind die erbeutete Sache verschenkt, so muß der Besitzer die­ selbe dem vorigen Eigenthümer unentgeltlich zurückgeben. §. 201. Die Beute ist erst alsdann für erobert zu achten, wenn sie von den Truppen, welche sie gemacht haben, bis in ihr Lager, Nachtquartier, oder sonst in völlige Sicherheit gebracht worden 8 * ).* * * * §. 202. So lange der Feind noch verfolgt wird, bleibt dem vorigen Eigenthü­ mer der ihm wieder abgenommenen Sachen sein Recht darauf vorbehalten. §. 203. Den Truppen, welche dem Feinde die Beute wieder abnehmen, soll von dem Kriegsgericht eine nach den Umständen billig gefundene Belohnung, welche die Eigenthümer bei der Zurücknahme entrichten müssen, ausgesetzt werden. §. 204. In sofern zu dergleichen wiedereroberten Beute kein Eigenthümer sich meldet, verbleibt dieselbe den Truppen, die sie dem Feinde wieder abgenommen haben. §. 205. Privatpersonen, welche Kaperschiffe auszurüsten Borhabens sind, müs- $»n bet sen zu diesem Behufe sich Kaperbriefe ertheilen lassen9). Ä^eit." §. 206. Wer ohne diese auf Kaperei ausgeht, wird als ein Seeräuber angesehen. §. 207. In Ansehung der Kapereien findet der Regel nach alles statt, was vor­ stehend vom Beutemachen verordnet ist. §. 208. Güter und Schiffe, welche von Kapern weggenommen werden, sind erst für verloren anzusehen 10), 11 wenn dieselben in einem feindlichen oder neutralen Hafen aufgebracht worden. §. 209. Sind sie noch vorher durch Kaper, die unter dem Schutze derjenigen Macht, welcher der Eigenthümer unterworfen ist, oder einer mit derselben im Bunde stehenden Macht, Kaperei treiben, dem Feinde wieder abgenommen worden, so müs­ sen sie dem Eigenthümer für den dritten Theil des Werths verabfolgt werden. §. 210. Ist dergleichen Beute dem Feinde von Kriegsschiffen des Staats, oder dessen Bundesgenossen wieder abgenommen worden, so findet, zum Besten der Er^ oberer, dasjenige statt, was oben §. 203X1) in Ansehung der Landtruppen verord­ net ist. Anh. §. 7.

Die Rechte und Befugnisse der Preußischen Kaperschiffe sollen, nach den jedesmal

konkurrirenden Verhältniffen zu seiner Zeit bestimmt werden12). daß er die Sache in guter Absicht, um sie dem Geplünderten zu erhalte», an sich gebracht habe. Dieser Fall ist der bei der Fassung des §. 199 vorausgesetzte, wonach der Besitzer die Auslagen soll fordern dürfen, was sich bei jedem Besitzer versteht, wenn ihm keine Unredlichkeit nachzuweisen ist. — Da«

Schr. deS Ostpreuß. ProvinzialdcpartenienlS v. 6. Mai 1808, betr. die Vindikation der vom Feinde weggenommenen und veräußerten Sachen, Rabe 9 S. 195, ist völlig abwegig und nicht zu besprechen. 8) Vergl. die vor. Anm. — Die Bestimmung der §§. 201—204 bezieht sich auf das Verhältniß der diesseitigen Truppen zu den von Feinden Geplünderten in Betreff der den Feinden abgenommenen Beute. Die von den Feinden eroberten Sachen sind, vermöge de« Beuterechts, Eigenthum des Er­ obernden, wenngleich dieselbe kurz zuvor bei diesseitigen Personen weggenommeu worden waren. Von dieser Regel machen die §§. 201—204 eine Ausnahme in Ansehung derjenigen in Gewahrsam der Feinde gefundenen Sachen, mit welchen der Feind noch auf dem Wege nach seinem Lager re. betroffen, und weiche ihm dabei wieder abgenommen worden. Diese müssen, nach §§. 202 und 203, den Eigen­ thümern gegen eine Belohnung zurückgegeben werden.

- 9) Kapcrbriefe ertheilen kann nur der Kriegsherr oder die dazu von ihm Ermächtigten; denn durch diese Briefe sollen Privatpersonen ermächtigt werden, auf eigene Hand Krieg zu führen mit dem An­ sprüche, vom Feinde nach Völkerrecht behandelt zu werden.

10) Sie können mithin, wenn sie dem Feinde vorher wieder abgenommen werden, nicht al« gute Prise angesehen werden. §§. 209 und 210. Dies ist derselbe Grundsatz, welcher in den §§. 201— 204 hinsichtlich der Landtruppen ausgesprochen ist. 11) Die Zahl 205 ist ein Druckfehler, es muß „203" heißen. Dell. v. 24. Sept. 1798, Rabe 5 S. 209. 12) Durch diese Bestimmung ist die Dell. v. 24. Sept. 1798 ad pari. I Tit. 9 §§. 208—210 (s. die vor. Anm.) wieder abgeändert. Bei der Vorlegung des Anhangs zur königlichen Genehmi­ gung eröffnete der König der Gesetzkommission, mittelst Ordre v. 28. April 1803, daß er gar nicht

478

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 211—220.

211. Was für Sachen und Waaren durch Kaperei erworben werden können, ist nach dem Inhalt der Kaperbriefe, und nach den zwischen den kriegführenden und neutralen Mächten bestehenden Traktaten zu beurtheilen. Willens sei, je in einem Kriege das von den Seemächten in neueren Zeiten über alle Schranken ausgedehnte Kapersystem nachzuahmen, weshalb der Zusatz aus jener Deklaration ganz überflüssig, jedenfalls es aber nicht gerathen scheine, ihn dem L.R. einzuverleiben, sondern nöthig, diese Bestim­ mung für den Fall vorzubehalten, wo die eiserne Nothwendigkeit den Staat zu solchen Maßregeln, die bie Gerechtigkeit sonst nicht billigen könne, zwingen möchtet In Folge dessen wurde der Inhalt der Dekl. weggelassen und dafür dieser §. 7 dem Anhang eingeschaltet, dessen Bedeutung eben darin besteht, daß die Deklaration dadurch beseitigt ist; denn daß künftige Lerordnungen unbenommen sind, versteht sich von selbst. Der Pariser Friedensvertrag v. 30. März 1856 enthält am Schlüsse folgende Erklärung:

Erklärung in Betreff einiger Punkte des Seerechtes. Die Bevollmächtigten, welche den pariser Vertrag v. 30. März unterzeichnet haben, in Konferenz versammelt: in Erwägung: daß das Seerecht, in Kriegszeiten lange Zeit hindurch der Gegenstand bedauerlicher Streitigkeiten gewesen ist; daß die Ungewißheit des Rechts und der Pflichten in derartigen Sachen zu Meinungs­ verschiedenheiten zwischen den Neutralen und den Kriegführenden Anlaß giebt, die ernste Schwierig­ keiten und sogar Konflikte erzeugen können; daß es, dem zufolge, nützlich ist, eine gleichförmige Doktrin über einen so wichtigen Punkt einzusühren; daß die im Pariser Kongresse versammelten Bevollmächtigten nicht besser den Absichten, von denen ihre Regierungen beseelt sind, entsprechen können, als indem sie in die internationalen Beziehungen feste Grundsätze in dieser Beziehung einzuführen suchen; sind die obigen besagten, gehörig autorisirten, Bevollmächtigten übereingekommen, sich über die Mittel zur Erreichung dieses Zwecks zu berathen, und haben einmüthig die nachfolgende feierliche Er­ klärung festgestellt: 1) Die Kaperei ist und bleibt abgeschafft. 2) Die neutrale Flagge deckt die feindliche Waare mit Ausnahme von Kriegskontrebande. 3) Die neutrale Waare, mit Ausnahme von Kriegskontrebande, ist nicht beschlagnehmbar unter feindlicher Flagge. 4) Die Blokaden, um bindende Kraft zu haben, müssen effektiv sein, das heißt, durch eine hinreichende Macht aufrecht erhalten werden, um wirklich den Zugang zu dem Küstenlande des Feindes zu untersagen. Die Regierungen der unterzeichneten Bevollmächtigten verpflichten sich, diese Erklärung zur Kennt­ niß derjenigen Staaten zu bringen, die nicht berufen gewesen sind, an dem Pariser Kongresse Theil zu nehmen, und sie einzuladen,' derselben beizutreten. Ueberzeugt, daß die Grundsätze, welche sie proklamirt haben, von der ganzen Welt nur mit Dank­ barkeit ausgenommen werden können, zweifeln die unterzeichneten Bevollmächtigten nicht daran, daß die Bemühungen ihrer Regierungen, deren Annahme allgemein zu machen, vollständiger Erfolg krö­ nen wird. Die gegenwärtige Erklärung ist nur bindend und wird es nur sein zwischen denjenigen Mächten, die ihr beigetreten sind oder beitreten werden. Geschehen zu Paris, 16. April 1856. (Folgen die Unterschriften.) In der Bundestagssitzung v. 13. Juni 1856 ist diese von der Konferenz zu Paris in ihrer 22sten Sitzung v. 8. April 1856 vereinbarte Deklaration durch die Gesandten von Oestreich und Preußen der Bundesversammlung überreicht worden. Durch künigl. B. v. 12. Juni 1856 (G.S. S. 585) ist diese Erklärung genehuuat und als Gesetz verkündet worden. Die amerikanische Regierung hat sich gleichfalls mit den drei letzteren Sätzen einverstanden er­ klärt; von Abschaffung der Kaperbriese jedoch will sie nichts wissen. „Keine Nation," sagt sie, „welche nicht der gehörigen Selbstachtung baar ist, wird einer anderen, mag sie nun kriegführende oder neu­ trale sein, gestatten, die Beschaffenheit der Streitkräfte zu bestimmen, welche sie zur Verfolgung von Feindseligkeiten für geeignet halten mag. Auch handelt sie nicht weise, wenn sie freiwillig auf das Recht verzichtet, irgend ‘ein durch das Völkerrecht sanktionirtes Mittel, von dem sich mit Vortheil zur Vertheidigung oder zum Angriffe Gebrauch machen läßt, anzuwenden. Die Vereinigten Staaten be­ trachten große Flotten und große stehende Heere als schädlich für den Nationalwohlstand und als ge­ fährlich für die bürgerliche Freiheit. Die Politik der Vereinigten Staaten ist einer solchen Wehrkraft stets feindlich gewesen und zwar nie in höherem Grade als eben jetzt. Deshalb werden sie sich auch nie zu einer Neuerung im Völkerrechte verstehen, welche sie nöthigen würde, in Friedenszeiten eine mächtige Flotte oder ein großes regelmäßiges Heer zu unterhalten. Es ist allerdings nicht im Ge­ ringsten zu verwundern, wenn große Seemächte den ihnen ziemlich nutzlosen Brauche, Kaperbriefe auszustellen, unter der Bedingung entsagen, daß schwächere Mächte sich dazu verstehen, auf daS wirksamste Mittel zur Vertheidigung ihrer Rechte zur See zu verzichten. Nach Ansicht der ameri­ kanischen Regierung steht ernsthaft zu befürchten, daß, wenn man das Kapersystem aufgiebt, die Herr­ schaft zur See den Mächten anheimfallen wird, deren Politik und Mittel die Unterhaltung großer

Von Erwerbung be8 Eigenthumd.

479

§. 212. Wo diese nichts bestimmen, sind alle Waaren und Güter feindlicher Unterthanen, welche auf feindlichen Schiffen gefunden werden, für gute Beute anzusehen. §. 213. Dagegen soll den Unterthanen sreundschaftlicher oder neutraler Mächte ihr auf feindlichen Schiffen gefundenes Eigenthum nicht vorenthalten werden. §. 214. Auch das Eigenthum feindlicher Unterthanen, welches sich auf neutralen Schiffen befindet, ist frei. §. 215. Ein Gleiches gilt von dem Eigenthume feindlicher Unterthanen, welches dieselben den Postschiffen und Packetbooten des gegen ihren Landesherrn kriegführen­ den Staat anvertraut haben. §. 216. Alles Borstehende (§§. 213, 214, 215) findet jedoch nur in sofern statt, als dergleichen Güter und Sachen nicht unter die verbotenen Waaren gehören. A n h. §. 8.

Bei Bestimmung der Frage, was Kontrebande sei, muß auf das Rücksicht genom­

men werden, was in den §§. 2034 u. 2035 Th. II Tit. 8 als solche bestimmt worden ist; jedoch soll die dem gedachten §. angehängte Klausel:

„und was sonst durch besondere Verträge zwischen den verschiedenen Nationen einzunehmen ver-

„boten ist," hier nicht Anwendung finden, indem solche bloß auf Berficherungsgeschäste Beziehung hat'»).

§. 217. Was verbotene Waaren sind, ist in der Lehre von Versicherungen be­ stimmt. (Th. II, Tit. 8, Abschn. 14)14). §. 218. Alles, was nach einem kündbar belagerten oder eingeschlossenen Hafen geführt wird, ist als verbotene Waare zu betrachten. §. 219. Für eingeschlossen ist ein Hafen zu achten, wenn derselbe durch eine feindliche Landbatterie oder durch Kriegsschiffe, die vor dem Hasen stationirt sind, ge­ sperrt ist.

Sechster Abschnitt. Bon der Erwerbung der An- und Zuwüchse.

§. 220. Nutzungen *) einer Sache, die nach dem Laufe der Natur, mit oder ohne hinzukommende Bearbeitung, aus ihr selbst entstehen, werden Früchte2) ge­ nannt. Flotten gestatten. Die Macht, welche eine entschiedene Ueberlegenheit zur See hat, würde der Sache nach die Gebieterin des Ozeans sein, und durch Abschaffung des KaperwesenS würde diese Herrschaft noch fester begründet werden. Wäre eine solche Macht im Kriege mit einer Nation begriffen, die eine schwächere Kriegsflotte besttzt, so würde sie weiter nichts für die Sicherheit und den Schutz ihres Handels zu thun brauchen, als auf die Schiffe der regelmäßigen feindlichen Flotte Acht zu haben. Diese würde sie durch die Hälfte oder einen noch geringeren Theil ihrer eigenen Flotte im Zaum halten, während sie mit den übrigen Schiffen den Handel des Feindes vom Ozean wegfegen könnte. Auch würden die nachtheiligen Wirkungen, welche die gewaltige Ueberlegenheit einer großen Flotte für schwächere Staaten hat, nicht bedeutend vermindert werden, wenn diese Ueberlegenheit sich unter drei oder vier Großmächte vertheille. Es liegt unzweifelhaft im Interesse solcher schwächeren Staaten, einer Maßregel entgegen zu arbeiten, welche die Bildung regelmäßiger Kriegsflotten begünstigt." Beigetreten sind nachbenannte Staaten: Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau-Köthen, Baden, Bayern, Belgien, Brasilien, Braunschweig, Bremen, Dänemark, Deutscher Bund, Frankfurt, Griechenland, Hamburg, Hannover, Kurhessen, Großherzogthum Hessen, Kirchenstaat, Lippe, Lübek, MecklenburgSchwerin, Mecklenburg-Strelitz, Modena, Nassau, die Niederlande, Oldenburg, Parma, Portugal, Reuß ältere und jüngere Linie, Sachsen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Altenburg, SachsenKoburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Schaumbnrg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Son­ dershausen, Schweden und Norwegen, Schweizerische Eidgenossenschaft, beide Sizilien, Toskana, Wal­ deck, Würtemberg. Bekanntm. v. 3. Nov. 1858 (G.S. S. 568). 13) Ist aus der Dekl. v. 24. Sept. 1798, Rabe 5 S. 109 hierüber genommen. 14) Statt „14" ist zu lesen: „13". R. v. 29. Dez. 1837, Jahrg. 50 S. 469. 1) Den Begriff der Nutzungen bestimmt der §. 110 Tit. 2. Früchte sind eine Art von Nutzun­ gen. Bergl. die Anm. dazu.

1. Bon Früchten.

480

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 221—225.

§. 221. Die Früchte einer Sache sind, gleich bei ihrem Entstehen, das Eigen­ thum desjenigen, welcher das Nutzungsrecht der Sache f>at3). §. 222. Vermehrungen und Verbesserungen einer Sache, die, es sei durch Na­ tur oder Kunst, von außen her bewirkt worden, heißen An- und Zuwüchse. 2- rtffinem96 §• 223. Wird durch die Gewalt des Stroms ein Stück Landes weggerückt, und Lande.-----------------------------

2) Zu den Früchten im weiteren Sinne gehören auch nach pr. R. die Zinsen eines jeden zins­ baren Kapitals, insbesondere auch die Zinsen der Pfandbriefe. Sie sind die sog. fructus civiles, und nehmen, als ein Accessorium, an allen Rechten der Hauptsache auch ohne ausdrückliche Bestimmung Theil, vorausgesetzt, daß von der Sache das Nutzungsrecht nicht getrennt ist. Tit. 2 §.110 und Anm. zu §. 108 Tit. 2. Vergl. O.Tr. v. 29. April 1836, Entsch. 1 S. 240. — In einem Erk. v. 17. gebt*. 1860, Str. Arch. 36 S. 236, sagt das O.Tr. lll wieder daS gerade Gegentheil von dem, was es a. a. O., Entsch. I S. 240, ausgeführt hat. In dem Erk. v. 17. Febr. 1860 wird, im Widerspruch mit sich selbst, gesagt: Unrichtig ist die Behauptung, daß — auch die Zinsen eines Kapitals zu dessen Früchten, als sog. fructus civiles gehören. Dieser Annahme steht der §. 220 I. 9 geradezu entgegen. Hiernach können Zinsen, welche nicht nach dem Laufe der Natur auS dem Kapitale entstehen — zu den Früchten im Sinne des A. L.R. nicht gerechnet werden. Ueber diesen Sinn steht das O.Tr. dies Mal im Irrthume. Daß das A. L.R., in Uebereinstimmung mit dem Gemeinen Rechte, unter Nutzungen einer Sache sowohl fructus naturales als civiles des gemeinen Rechts versteht, kann man aus den §§. 105—107 Tit. 11 sehen und aus dem, was der Verfasser, der den Sinn seiner Worte doch am Besten kennen mußte, dazu sagt, inne werden. Er sagt in t)er revisio monitorum ju diesen §§.: „Viele Monenten sind der Meinung, daß zwischen den, §§. 147 und 148 (dies sind die §§. 106 und 107 des heutigen Textes) bestimmten Nutzungen kein Unterschied zu machen, vielmehr alle fructus tarn naturales* quam civiles zwischen dem Käufer und Verkäufer pro rata ihrer Besitzzeit zu theilen." Ges.-Rev. Pens. XIV S. 37. Der §. 220 d. T. steht mit seinem Wortlaute gar nicht entgegen, er bestimmt nur den Begriff der natürlichen Früchte, befaßt sich aber nicht mit dem Begriffe von Früchten überhaupt und im weitesten Sinne. Dieser kommt schon im §. HO Tit. 2 vor; aus diesem kann man, wenn damit die §§. 105—107 Tit. 11 verglichen werden, lernen, daß unter Nutzungen überhaupt alle die Vortheile begriffen werden, welche in den §§. 105—107 gemeint sind, nämlich sowohl die natürlichen Früchte, wie sog. bürgerlichen (Zinsen, Miethen, Pächte rc.), oder, wie sich Suarez ausdrückt, fructus tam naturales quam Civiles. - (7. A.) O.Tr. II v. 2. Febr. 1875, Entsch. 74 S. 181. 3) Vergl. Tit. 7 §§. 189 ff. und die Anm. dazu; auch die Anm. zu §. 108 Tit. 2. Die ganze Lehre vom Fruchterwerbe bezieht sich nur auf den Fall, wenn die Nutzung und daS Eigenthum einer Sache in verschiedenen Händen sind. Denn für den Eigenthümer bedarf es keiner besonderen Erwerbung der Früchte seiner Sache, für ihn sind die Früchte, so lange sie nicht getrennt sind, Bestandtheile der Sache, womit sie zusammengewachsen sind, und gelangen als besondere Sachen erst durch die Abtrennung zum Dasein. Für den Eigenthümer ist die Absonderung eine bloße That­ sache, durch welche in seinem Rechte so wenig eine Veränderung vorgeht, wie durch die Zerlegung einer andern ihm gehörigen Sache. Hat aber ein Anderer die Nutzung, so bedarf es eines Rechts­ prinzips zur Regelung des Verhältnisses zwischen dem Nutznießer und dem Eigenthümer. DaS Röm. Prinzip ist auf die Tradition zurückzuführen; die Besitzerledigung auf Seiten'deS Eigenthümers liegt in der Uebertragung des Nutzungsrechts, und die Besitzergreifung auf Seiten deS Fruchtnießers in der Perzeption. L. 12 §. 5 D. de usufructu (VII, 1); L. 25 §. 1 D. de usuris (XXII, 1). Daher erwirbt der redliche Besitzer, dem Eigenthümer gegenüber, gar kein Eigenthum an den Früchten; er muß vielmehr die fr. extantes mit der Hauptsache herausgeben; und daß er nicht auch die consumti erstatten muß, liegt nicht darin, daß er Eigenthümer davon geworden, sondern darin, daß nicht exi­ stente Sachen nicht vindizirt werden können und ein obligatorisches Verhältniß zwischen dem Eigen­ thümer und Besitzer nicht besteht. § 35 J. de div. rer. (II, 1); §. 2 J. de off. jud. (IV, 17); L. 22 C. de rei vind. (III, 32). Diesen natürlichen Zusammenhang der Rechtsverhältnisse hat das L.R. verlassen und durch einen künstlichen ersetzt. Es erkennt ein von der Sache verschiedenes Eigenthum an den noch unabgesonderten Früchten, und dem entsprechend auch einen besonderen Besitz, an, und läßt beides durch die Entstehung dem Nutzungsberechtigten und dem ihm gleichgestellten redlichen Be­ sitzer erworben sein. Diesen Grundsatz stellt unser §. 221 fest. Derselbe hat jedoch nur in Beziehung auf Dritte unbedingt Geltung, so daß z. B. der Grundsatz I. 20 §. 21 gegen den älteren Nutzungs­ berechtigten keine Anwendung findet. Vergl. Anm. zu §. 108 Tit. 2. Was das Verhältniß des Nutzungsberechtigten und des redlichen Besitzers zu dem Eigenthümer betrifft, so entscheiden darüber die besonderen Bestimmungen, sowohl während der Dauer als bei der Auseinandersetzung. — Daß der Grundsatz des §. 221 nicht auf das kontraktliche Verhältniß zwischen Pächter und Verpächter an­ wendbar ist, versteht sich ungesagt von selbst, ist aber doch verkannt worden, was von dem O.Tr. natürlich als rechtsgrundsätzliche Nichtigkeit verurtheilt worden ist. O.Tr. III v. 24 Juni 1858, Entsch. 39 S. 153.

Don Erwerbung des Eigenthums.

481

an ein fremdes User angelegt, oder auf daffelbe geworfen, so ist der vorige Besitzer ein solches Stück noch innerhalb Jahresfrist wegzunehmen berechtigt^). §. 224. Hat der vorige Besitzer ein Jahr, ohne sein Recht geltend zu machen, verstreichen lassen, so ist der Eigenthümer des dadurch verbreiteten Users das angelegte Stück durch die Besitzergreifung sich zuzueignen wohl befugt»). §. 225. Verbreitungen des Ufers durch das allmähliche Anspülen fremder ErdB°n der theile kommen demjenigen zu gute, welchem das Ufer gehört«). (Th. II, Tit. 15, ' “

Abschn. 2.) 4) Dem R.R. analog. Nach L. 7 §. 2 D. de acquir. rerum dom. (XLI, 1); §.21 J. de divis. rer. (II, 1); L. 5 § 3 D. de rei vind. (VI, 1), war die Vindikation so lange zulässig, als das angeschwemmte Stück nicht mit dem Boden verwachsen war. Die faktische Schwierigkeit der Aus­ mittelung dieses Umstandes ist durch den §. 223 sehr zweckmäßig durch eine kurze Präklusivfrist be­ seitigt. Dadurch ist der innere Zusammenhang des Rechts dahin geändert, daß dergleichen Avulsionen nicht mehr durch Anwuchs, sondern durch Besitznehmung erworben werden, indem nach Ablauf der einjährigen Frist angenommen wird, daß der vorige Eigenthümer das Stück Erde derelinquirt habe. S. den folg. §. 224. Holt er sich seine Erde zurück, so muß er den bei der Auswerfung oder Ab­ bringung verursachten Schaden ersetzen. L. 9 §. 1 D. de damno ins. (XXXIX, 2). 5) Ohne Entschädigung (worüber die Meinungen nach G.R. uneins sind; Vinn ins, ad §. 21 J. de rer. div. will aus Billigkeit Entschädiguug züerkennen), und ohne fernere Befugniß des vorigen Besitzers zur Benutzung. Bergl. §. 274 d. T. 6) Dabei ist Dreierlei vorausgesetzt: a) Das Gewässer muß ein Fluß sein (§. 223). Bei stehen­ den Seen hat keine Alluvion statt (L. 12 pr. D. de acquir. rer. dom. XLI, 1); denn deren Gren­ zen werden durch den normalen Wasserspiegel bestimmt, das zuweilen eintretende Wachsen oder Sinken der Wasserfläche hat auf die wahre Grenze keinen Einfluß. (Anderer Meinung ist das O.Tr., welches als Rechtssatz angenommen hat, daß die Erwerbung durch Alluvion nicht auf Flüsse und Ströme beschränkt, vielmehr überall an ihrer Stelle sei, wo ein allmähliches Anspülen fremder Erd­ theile thatsächlich denkbar und möglich. O.Tr. III v. 20. Sept. 1854, Entsch. 28 S. 312. Sollte sich also ein See einmal durch allmähliche Versandung und Erhebung des Bodens ganz verlieren, ~so hat der bisherige Eigenthümer des Sees nichts. Die Meinung des O.Tr. hat auch die Rechtsquellen und die übereinstimmenden Lehren der Rechtsgelehrten gegen sich; das R.N. erkennt die Alluvion als Erwerbungsart nur bei fließendem Wasser an, nicht in Seen oder stehendem Gewässer — §. 20 Inst, de rer. di vis. II, 1; L. 7 §. 1 D. de acquir. rer. dom. XLI, 1; L. 1 C. de alluvion. VII, 41 — und daS Landrecht gleichfalls setzt in seinen Bestimmungen ausdrücklich überall fließendes Wasser vor­ aus. Das O.Tr. macht in diesem Erk. von seinem vermeintlichen Rechtssatze Anwendung auf Bo­ denerhebungen des frischen Haffes und auf Anlandungen am Ufer desselben, um dadurch zu dem Resultate zu gelangen, daß die Anlieger dergleichen Ausdehnungen ihres Ufers durch Alluvion erwer­ ben können. Dazu hätte es jedoch dieses unrichtigen Satzes nicht bedurft, denn das frische Haff ist kein stehendes Binnengewässer, sondern die gemeinschaftliche Mündung der Flüsse Pregel, Pas­ sarge, Nogat und des östlichen Weichsel armes, welche sich dann durch einen einzigen starken ausgehenden Strom bei Pillau in das Meer (die Ostsee) ergießen, wie jede Karte von Ostpreußen sichtbar macht. Das frische Hass ist mithin ein fließendes Gewässer. — In demselben Erk., Entsch. 28 S. 315, stellt das O.Tr. III den Lehrsatz, den es in dem Erk. v. 10. Okt. 1864, Str. Arch. 55 S. 247, wiederholt, auf: „Der rechtliche Grund, auf welchem die Alluvion als modus acquirendi beruht, liegt darin, daß die Ausmittelung des bisherigen Eigenthümers der einzelnen Erdtheile un­ möglich, und eben deshalb diese Erdtheile durch das Gesetz demjenigen überwiesen werden, an dessen Ländereien sich dieselben ansetzen." In der Anwendung, welche davon auf Anschwemmungen am Meeresufer gemacht werden möchten, hätte der Satz keinen Sinn, denn da haben eben „diese Erd­ theile" keinen „bisherigen Eigenthümer", und der Meeresstrand auch nicht. Der Satz ist aber auch in Beziehung auf die Alluvion bei fließenden Binnengewässern keine Wahrheit; vielmehr ist die causa efficiens für die Eigenthumserwerbung das natürliche Anwachsen oder Anhängen der fremden (beweg­ lichen) Erdtheile an dem Grund und Boden des Erwerbers, und bei dieser Erwerbung würde es nach vollzogener organischer Verbindung auch dann verbleiben müssen, wenn die AuSmittelung „des bis­ herigen Eigenthümers der einzelnen Erdtheile" möglich wäre. Aber die Unmöglichkeit einer solchen AusmittelÜng — ba$ incrementum late ns [§. 20 Inst. 1. c.; L. 9 §.4 D. de usufrnctu, VII, 1] — hat eine andere natürliche Folge, nämlich die, daß von einer Ersatzpflicht des Erwerbenden für das solchergestalt Erworbene keine Rede sein kann.) b) Die Ländereien, bei welchen Alluvion soll statt» finden können, müssen keine bestimmt gemessenen oder natürlichen Grenzen haben; daS Land muß unmittelbar bis an den Fluß gehen. L. 7 §. 1; L. 16 D. eodem. c) Die Alluvion muß an dem Ufer vor sich gehen; auf die Alluvion an schon im Besitz genommenen und erworbenen Strominseln finden die Vorschriften §§. 225—228 keine Anwendung. O.Tr. II (Pr. 809) v. 18. Jan. 1840, Koch, Allgemeines Landrecht 1.

7. Anst.

31

482

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 226—246.

§. 226. Auch neu anwachsende Erdzungen und Halbinseln, welche nach und nach entstanden sind, gehören demjenigen, an desien Ufer sich dieselben angesetzt haben.

§. 227. In beiden Fällen §§. 225, 226 bedarf es zur Erwerbung des Eigen­ thums weiter keiner Besitzergreifung'). §. 228. Auch wenn dergleichen Anspülungen oder Erdzungen sich, der Breite nach, in das Flußbette hinein, und selbst bis über die Mitte desselben erstrecken, kann dennoch der Besitzer des gegenüber liegenden Ufers darauf keinen Anspruch machen. §. 229. Wohl aber ist er berechtigt, an seinem Ufer solche Veranstaltungen zu treffen, wodurch die fernere Verbreitung des gegenüber liegenden Ufers verhindert wird8 * ). *9* * * * 7 §. 230. Buhnen hingegen, und andere Anlagen, wodurch der einmal vorhan­ dene Anwuchs der Gefahr, wieder weggespült zu werden, ausgesetzt wird, darf, ohne Erlaubniß des Staats, Niemand anlegen. §. 231. Diese Erlaubniß soll nur alsdann ertheilt werden, wenn durch die ent­ standene Anspülung oder Erdzunge eine dem Nachbar nachtheilige Veränderung in dem Laufe des Flusses entsteht, welche derselbe durch die gewöhnlichen Uferbefestigungen nicht abwenden kann. §. 232. Das Eigenthumsrecht des Uferbesitzers über die an sein Ufer stoßenden Anspülungen und Erdzungen erstreckt sich nur so weit, als seine Grenze, der Länge nach, reicht8). §. 233. Wird also dergleichen Anwuchs mit der Zeit über seine Grenze hinaus verlängert, so ist das über seine Grenze hinausgehende Stück des Anwuchses, oder der Erdzunge, das Eigenthum des benachbarten Uferbesitzers. §. 234. Diese Vorschrift findet auch alsdann statt, wenn das über die Grenze des Nachbars hinausgehende Stück der Erdzunge, Halbinsel, mit dem Ufer des Nach­ bars noch nicht zusammenhängt. §. 235. Hat jedoch, in beiden Fällen, der benachbarte Uferbesitzer geschehen las­ sen, daß der, an dessen Ufer der Anwuchs oder die Erdzunge sich zuerst angesetzt hatte.

Pr.-S. S. 30. Von diesem Satze (c) ist das O.Tr. wieder abgegangen; es hat nun angenommen, daß die allgemeinen Vorschriften über die unmittelbare Erwerbung dnrch Alluvion (§§. 225—228) auch auf schon in Besitz genommene und erworbene Strominseln Anwendung finde. O.Tr. in (Pr. 2696) v. 3. Febr. 1858, Entsch. 38 S. 52 — (6. A.) Eine Alluvion ist erst vollendet, wenn diese Anspülung über den Wasserspiegel getreten ist. Str. Arch. 71 S. 239 (II). Erst wenn die Alluvion eine solche Höhe erreicht hat, daß sie ein Theil des anstoßenden AckerS oder Landes des Uferbesitzers wird, begründet sie für den Letzteren den Eigenthumserwerb; ob hier­ nach eine Alluvion für vollendet zu erachten ist, ist eine in jedem einzelnen Falle zu entscheidende Thatfrage. Es ist hiernach die Annahme rechtlich unrichtig, die Alluvion sei schon dann vollendet, wenn der erhöhete Theil des Flußbettes noch andauernd und nach dem natürlichen Wasserlauf mit Wasser bedeckt ist, gesetzt auch, die Wasserhöhe sei gering, lasse das Befischen mit Kähnen nicht zu, und der Untergrund bedecke sich mit Pflanzen, welche nutzbar gemacht würden, sei es Seitens des Fluß- oder Seitens des Ufereigenthümers. O.Tr. II v. 16. Juni 1868, Str. Arch. 71 S. 240. 7) Das Besitzthum erweitert sich selbst, der Besitzer hat folglich mit der Sache auch den natür­ lichen An- und Zuwachs schon im Besitze. Anerkannt von dem O.Tr. III in dem Erk. v. 21. Dez. 1863, Str. Arch. 52 S. 189, wo es ausspricht, daß es einer besonderen Besitzergreifung der allmäh­ lich angespülten fremden Erdtheile nicht bedarf, was auch an sich widersinnig sein würde. Bergl. Anm. 11.

8) Wenn er aber dergleichen Anstalten nicht trifft, und es sich zuträgt, daß die Erdzunge an sein Ufer anwächst, während der Fluß sich in der Mitte durch die Erdzunge neue Bahnen brichi, wie soll es da gehalten werden? Das dadurch abgeschnittene, vielleicht schon bebaute, Stück der Erdzunge muß als Ävulsion nach dem Grundsätze §§. 223 und 224 (§. 236), das neu angewachsene Stück hin­ gegen als Alluvion für den gegenüberliegenden Uferbesitzer behandelt werden. Vergl. §. 237 und die Anm. 13.

9) Nicht so nach R.R.; die Bestimmung dieses §. ist neu.

Bon Erwerbung deS Eigenthums.

483

dieselbe auch über seine Grenze hinaus, durch drei1 °) auf einander folgende Jahre ruhig nutzen dürfen; so hat letzterer das Eigenthum eines solchen Stückes erworben"). §. 236. Das einem Uferbefitzer einmal zugefallene Eigenthum eines Anwuchses, oder einer Halbinsel, geht nicht verloren, wenn auch dieselben in der Folge durch das Wasser von seinem Ufer abgetrennt worden"). §. 237. Niemand darf durch Pflanzungen, oder andere Wasserbaue, das An­ spülen an die Ufer eines öffentlichen 1 s) Flusses vorsätzlich befördern. §. 238. Auch der daselbst wirklich angespülte Grund und Boden darf durch Be­ pflanzungen nur in sofern befestigt werden, als der gewöhnliche Laus des Wassers da­ durch nicht gehemmt wird. §. 239. Dagegen ist jeder Uferbesitzer das Ausreißen des Stroms, durch dazu dienliche Uferbefestigungen zu verhindern, wohl befugt. §. 240. Wenn das dem Ausreißen des Stroms ausgesetzte Ufer nicht anders, als durch solche Anlagen, welche zugleich das Anspülen befördern, hinlänglich befestigt werden kann, so ist der Uferbesitzer auch zu diesen berechtigt. §. 241. Es dürfen aber dergleichen Anlagen in öffentlichen Flüssen, bei entste­ hendem Widerspruche, nicht anders, als unter der ausdrücklichen Genehmigung des Staats "), nach vorhergegangener Untersuchung ihrer Nothwendigkeit, veranstaltet werden. §. 242. So lange eine Erderhöhung in dem Flußbette eines Stroms, bei ge­ wöhnlichem Wasserstande, mit einem gemeinen Fischernachen umfahren werden kann, ist sie als eine Insel anzusehen. §. 243. Erdflecke, die erweislich sonst einen Theil des festen Landes gewesen, und davon nur durch Einbiegungen und Umströmungen des Flusses abgesondert wor­ den sind, werden für Inseln, im rechtlichen Sinne, nicht geachtet"). §. 244. Wo, nach den Provinzialgesetzen, die Inseln in öffentlichen Flüssenkein Vorbehalt des Staats sind, da haben die Besitzer desjenigen Ufers, welchem sie am nächsten liegen, das Recht, sich dieselben anzueignen. §. 245. Ein Gleiches gilt durchgehends von den in Privatslüssen entstehenden Inseln. §. 246. Das Eigenthum der Inseln aber wird erst durch die wirkliche Besitz­ nehmung") erworben. 10) Auch gegen den Fiskus kommt diese dreijährige Verjährung einer in einem Flusse entstan­ denen Insel dem entfernter liegenden Ufernachbar zu Statten. O.Tr. (Pr. 930) v. 10. Okt. 1840, Entsch. 6 S. 245.

11) Bei dem Erwerb der Alluvion durch dreijährige Nutzung ist weder erforderlich, daß der Er­ werber die Alluvion für sein Eigenthum erachtet, noch ist der Erwerb von einer mit der Entstehung der Alluvion allmählich fortschreitenden Besitznahme abhängig; eS wird vielmehr eine Benutzung der Alluvion erfordert. O.Tr. III v. 4. Ian. 1864, Str. Arch. 51 S. 334 und Entsch. 51 S. 77. Bergl. Anm. 7. 12) Bergl. o. die Anm. 8 zu §. 229. 13) Das Untersagungsrecht hat mithin nur der Staat im öffentlichen Interesse, und wird durch die Polizeibehörde ausgeübt. Auf Privatflüsse findet der Grundsatz nicht Anwendung. Vgl. Anm. 8 zu §. 229. S. auch das G. v. 28. Febr. 1843 über die Benutzung der Privatflüsse (Zus. zu Th. H Tit. 15 §. 38).

14) D. i. der Landespolizeibehörde, nicht etwa der fiskalischen Verwaltung. weg zulässig.

Daher ist kein Rechts­

15) §. 22 !. f. J. de rerum divis. (II, 1); L. 7 §. 4 D. de acquir. rerum dominio (XLI, 1). 16) Nach R.R. geschieht die Erwerbung ipso jure mit der Entstehung. Der wahre Erwerbungs­ grund der in öffentlichen Strömen (wovon nur das fließende Wasser zu Jedermanns freiem Gebrauche in dieser Hinsicht im Eigenthume des Staats ist) entstehenden Inseln beruhet aus dem Zusammen­ hänge der Uferländereien mit der Insel vermittelst des Flußbettes. Trocknet der Fluß aus, so er­ scheint die Insel als ein Theil oder eine Fortsetzung deS Uferlandes. Deshalb kommt es darauf an:

4. Bon Inseln.

484

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 247—259.

§. 247. Welchem von beiden gegen einander über liegenden Ufern eine Insel am nächsten sei, muß nach einer durch das Flußbette, der Länge nach, zu ziehenden Linie beurtheilt werden. §. 248. Die Breite des Flusses wird dabei nach Linien bestimmt, die von den­ jenigen Punkten beiderseitiger, bei gewöhnlichem 17 * * )* Wasserstande * * * * * * * * * * * sichtbarer * Ufer, welche den beiden Enden der Insel gegenüber liegen, quer über den Flnß gezogen werden. §. 249. Diejenige der Länge nach gezogene Linie, welche jede dieser beiden Querlinien in ihrer Mitte durchschneidet, bestimmt: welchem Ufer die Insel am näch­ sten liege. §. 250. Schneidet diese Mittellinie durch die Insel selbst, so kommt das Recht, sich die dadurch bestimmtem jedem Ufer am nächsten liegenden Antheile zuzueignen, den beiderseitigen Uferbesitzern zu. §. 251. Liegt die Insel, ihrer Länge nach, den Usern mehrerer an einander grenzender Besitzer gegenüber, so hat ein jeder von diesen Besitzern das Recht, sich den seinem Ufer gegenüber liegenden Theil derselben zuzueignen. §. 252. Der Antheil eines jeden dieser Uferbesitzer wird durch Linien bestimmt, welche von den Punkten, wo eines jeden Grenze an den Fluß stößt, quer über den Fluß, gerade nach der in der Mitte desielben angenommenen Linie gezogen werden. §'. 253. Bei Bestimmung der Rechte der Uferbesitzer, auf eine ihren Ufern ge­ genüber liegende Insel wird darauf: ob das Ufer mit Dämmen oder Deichen, mit oder ohne Vorland, eingeschlossen sei, oder nicht, keine Rücksicht genommen18).19 20

§. 254. Wenn Jemand ") eine ganze Insel, die mehreren Ufern gegenüber liegt, oder deren über seine Grenze hinaus gehenden Theil in Besitz nehmen will, so muß er diesen Vorsatz seinen Nachbarn bekannt machen, und dieselben zur Erklärung: ob sie sich ihres Rechtes ebenfalls bedienen wollen, auffordern88). ob das Eigenthum deS Users dem Staate oder Privatpersonen zusteht; das Eigenthum des Stroms oder vorüberfließenden Wassers ist einflußlos. L. 7 §. 3; L. 56 pr. D. de acquir. rer. dom. (XLI, 1) ; §. 22 J. de rer. divis. (H, 1). Von diesen Grundsätzen sind die Vers, des L.R. nach der Theorie einiger Neueren abgewichen. Diese vindizirten die in öffentlichen Flüssen entstehenden Inseln dem Fürsten, doch meinten sie, daß solche von Privaten okkupirt werden könnten, wenn der Fürst sie zwei Jahre unbebauet habe liegen lassen, weil er sie alsdann gleichsam derelinquirt habe. Leyser, Sp. 25 m. 4; Spec. 502 cor. 3. So soll es auch an der Weser, am Rhein, an der Mosel, Moldau und Elbe sein. Müller, Promptuar. v. insula n. 3 u. 7. Doch wollten Andere dies nur da gelten lassen, wo die Ufer nicht Privateigenthum, sondern mit öffentlichen Deichen eingefaßt sind. Müller 1. c. n. 3; Wern her, Obs. 1, 5 obs. 138. Wegen der daraus hervorgegangenen Verschiedenheit der Territorialrechte hinsichtlich der Regalität der Inseln in öffentlichen Strömen verweiset der §. 244 zunächst auf die Provinzialgesetze (vergl. H. 15 §.67), wogegen der §. 245 in Betreff der Inseln in Privatflüssen unbedingt zur Aneignung ermächtigt. Aber die Erwerbung geschieht, in Uebereinstim­ mung mit der gedachten Theorie, in jedem Falle nur durch Okkupation, wie unser §. 246 ausdrück­ lich vorschreibt.

17) Darunter wird der mittlere Wasserstand zu verstehen sein. Denn der „gewöhnliche" ist gar zu unbestimmt und wohl nicht leicht festzustellen, da als gewöhnlich doch nur das gelten kann, was den größten Theil des Jahres hindurch stattfindet, der Wasserstand aber nach jedem Regengüsse sich ändert, und bei flachen Ufern eine vergleichungweise geringere Veränderung des Wasserstandes eine unverhältnißmäßige Ausdehnung des Wasserspiegels stellenweise zur Folge hat. 18) Wohl aber, wenn das Ufer von dem Lande durch öffentliche Plätze oder Wege, die dem Be­ sitzer des Grundstücks nicht gehören, getrennt ist. S. oben Anm. 6 zu §. 225.

19) M. s. unten Anm. 23 zu §. 257. 20) Das in den §§. 254—256 vorgeschriebene Verfahren bezweckt die Vereinbarung der Nach­ barn und soll entweder zur Theilung oder zur gütlichen Ueberlassung der ganzen Insel an Einen führen. Das kann ohne alle Mitwirkung eines Staatsdieners geschehen. Nur wenn der Nachbar oder die Nachbarn sich auf solchen Privatweg nicht einlassen wollen, soll die Vermittelung der Staats­ behörde in Anspruch genommen werden können, indem man unter dem Einflüsse der Lehre jener Schriftsteller (Anm. 16) davon ausging, daß eigentlich der Fiskus die entstehenden Inseln im Eigen­ thum habe und daher auch Andern zueignen könne. Denn Suarez sagt bei der revisio monito-

Von Erwerbung des Eigenthum«.

485

§. 255. Weigern sie sich dieser Erklärung, oder zögern sie damit, oder auch mit der Ausübung ihres Rechts selbst: so kann der, welcher die Insel in Besitz nehmen will, aus die Vermittelung des Staats antragen. §. 256. Findet der Staat, daß die Benutzung der Insel dem gemeinen Wesen zuträglich sei, und wollen, nach wiederholter2 *) Aufforderung, die übrigen Interes­ senten, innerhalb einer ihnen zu bestimmenden Frist, von ihrem Rechte keinen Gebrauch machen, so kann der Staat dem, welcher sich zuerst gemeldet hat, auch die über seine Grenze hinauslaufenden Theile der Insel zueignen "). §. 257. So weit Jemand"), auch ohne dergleichen ausdrückliche Bestimmung des Staats, eine Insel brei24) Jahre hinter einander ruhig besessen und benutzt, hat er das Eigenthum der ganzen Insel, selbst gegen solche Nachbarn, deren Ufer einem Theile derselben näher liegen2 5), durch Verjährung erworben. §. 258. Findet der Staat nöthig, daß An- und Zuwüchse der Ufer, oder auch der Inseln, durchstochen oder weggeräümt werden, so müssen die Privatbesitzer dersel­

ben sich dergleichen Verfügung zu allen Zeiten gefallen lassen. §. 259. Geschieht das Wegräumen oder Durchstechen in einem öffentlichen Flusse, zur Beförderung der Schifffahrt, oder zur Wiederherstellung des ordentlichen Laufes des Flusses, so können die Privatbesitzer in der Regel keine Entschädigung fordern. rum: „Diese Sätze (§§. 254—256) könnten neu scheinen; sie sind aber wenigstens in der Analogie gegründet. Wenn viele Rechtsgelehrte sogar die ganzen Inseln in flumine publico ohne Unterschied dem Staate zusprechen, so tritt man wohl den Privatbefugnissen nicht zu nahe, wenn man dem Staate daS Recht beilegt, die Anwohner der Ufer anzuhalten, daß sie die Insel in Besitz und Kultur neh­ men, und wenn sie das nicht wollen, dieselbe Einem unter ihnen, der die Kosten der Kultur über­ nehmen will, ganz zuzuschlagen. Der Satz beruht auf eben dem Prinzip, nach welchem der Staat für berechtigt gehalten wird, einen Besitzer tragbarer Ländereien, welcher sie ganz unbearbeitet liegen läßt, zur Kuttur anzuhalten, oder sie einem Andern zur Bebauung zuzuschlagen." Dazu bemerkt Goßler: „Es wäre gut, wenn ein Jeder, der eine Insel in Besitz nehmen will, diejenigen, welche,^ der Lage nach, ebenfalls daran Theil nehmen können, zur Ausübung ihres Rechts aufforderte, und daß sodann die Anweisung der Theile durch die Behörde geschähe. Es' würden hierdurch viele Prozesse verhindert werden. In sofern halte ich die Vorschriften für sehr gut." Jahrb. 41 S. 12. Die Vor­ schriften sind hiernach aus einer Mischung des Bevormundungsprmzips und der Regalität der Inseln hervorgeaangen. Die Angelegenheit ist keine Justizsache, vielmehr hat die Regierungsbehörde, nach §. 256, bloß nach Verwaltungsgrundsätzen Bestimmung zu treffen. Man wendet sich in solchem Falle an die Bezirksregierung unmittelbar oder durch den Landrath, ohne dessen Mitwirkung die Sache doch nicht erledigt wird.

21) Die Wiederholung der Aufforderung geschieht von der Staatsbehörde auf den bei ihr, gemäß §. 255, eingebrachten Antrag. Da die Angelegenheit eine Regierungssache ist, so bedarf es keiner förmlichen Beweisführung, daß der Antragsteller den Betroffenen wirklich bereits aufgefordert habe. Die von der Regierungsbehörde ergehende Aufforderung und die zu bestimmende Frist sichern die Gelegenheit zur Erklärung und Ausübung der Rechte. 22) S. o. die Anm. 20 zu §. 254.

23) Jemand, nämlich von den Ufernachbarn, nicht etwa jeder Dritte. 1858, Str. Atch. 31 S. 326.

O.Tr. III v. 8. Dez.

24) Diese kurze Verjährung gilt auch gegen den Fiskus, die Kirchen und gleichberechtigte Korpo­ rationen, weil es Grundsatz ist, daß die ungewöhnliche Verjährung von 44 Jahren, welche gegen diese juristischen Personen stattfindet, in den Fällen nicht erforderlich ist für welche kürzere als die gewöhn­ lichen Verjährungsfristen vorgeschrieben sind. O.Tr. (Pr. 930) v. 10. Okt. 1840, Entsch. 6 S. 245. 25) Diese Nachbarn brauchen bei der Besitznehmung, welche der §. 257 voraussetzt, nicht zuge­ zogen oder zur Erklärung aufgefordert zu werden, wie es der §. 254 vorschreibt. Das L.R. ordnet zwei alternative Erwerbungsarten an, nämlich: Vereinbarung mit den Nachbarn, oder an deren Stelle tretende Vermittelung und Zueignung durch die Staatsbehörde, wodurch das Eigenthum sofort er­ worben wird (§§. 254—256); und Ersitzung, zu deren Anfänge die Benachrichtigung oder der Konsens der Nachbarn weder vorgeschrieben, noch nach Nechtsgrundsatzen erforderlich ist. (§. 257.) Unred­ lichkeit oder fehlerhafte (heimliche) Besitzergreifung kann deshalb allein dem Okkupirenden nicht vor­ geworfen werden, weil nach den Grundsätzen des L.R. neu entstehende Inseln als Sachen betrachtet werden, welche in keines Menschen Eigenthume sind und okkupirt werden müssen, wenn man sie er­ werben will. Siehe oben Anm. 16 zu §. 246. Die Anlieger haben dazu nur ein Näherrecht.

Erster Theil.

486

Neunter Titel.

§§. 260—277.

§. 260. Jnsofem jedoch eine solche Alluvion oder Insel schon seit länger als Fünfzig Jahren besessen und genutzt worden, muß der Staat den Eigenthümern für den durch die Wegräumung erlittenen26) Verlust billige Vergütung leisten. §. 261. Geschieht die Wegräumung in einem Privatflusse, um denselben schiff­ bar zu machen, so müssen die darunter leidenden Besitzer der Alluvionen und Inseln von dem Staate allemal vollständig entschädigt werden. §. 262. Eine gleiche Entschädigung muß denselben von den Flußnachbarn in allen Fällen zu Theil werden, wenn der Staat dergleichen Durchstiche oder Wegräu­ mungen zu ihrem Besten und Vortheile auf ihren Antrag veranlaßt2 ?). landetet? und §. 263. Soll ein Flußbette, oder anderer Graben und Kanal, durch DerkripFlußbettett Punzen oder andere dergleichen Anstalten verengt oder zugelandet werden, so haben ' die angrenzenden Userbesitzer26) das nächste Recht, sich den solchergestalt gewonnenen Grund und Boden durch Besitznehmung zuzueianen26). §. 264. Wollen sie aber von diesem Rechte Gebrauch machen, so müssen sie, nach Verhältniß ihrer Antheile an dem gewonnenen Lande, zu den Arbeiten und Ko­ sten der Ausführung beitragen6«). §. 265. Das Recht emes jeden Uferbesitzers erstreckt sich in solchem Falle der Länge nach so weit, als seine Grenze am Ufer geht, und der Breite nach bis zu der Mitte6') des vormaligen Flußbettes. §. 266. Diese Mitte wird auf die §. 248 sqq. vorgeschriebene Art bestimmt. §. 267. Das Bette abgelassener Landseen verbleibt den Eigenthümern des Sees, nach Verhältniß des jedem von ihnen an dem See selbst zugestandenen Eigen­ thumsrechts62). § 268. Sind die Eigenthumsantheile der mehreren Interessenten in dem See selbst nicht bestimmt gewesen, so wird der abgelassene Grund unter die Uferbesitzer nach den §. 265 vorgeschriebenen Grundsätzen vertheilt8 3). §. 269. Doch muß von diesen derjenige, welcher, ohne selbst Uferbesitzer zu sein, nutzbare Rechte68) in dem See auszuüben hatte, verhältnißmäßig entschädigt werden. §. 270. So weit die in einem Flusse entstehenden Inseln den benachbarten Ufer­ besitzern gehören, soweit gehört ihnen auch das von dem Wasser verlassene Flußbette66). 26) Diese richtige Lesart haben spätere Ausgaben. Die Urausgabe von 1791 hat die fehlerhafte Form „erleidenden". 27) Beryl. §. 75 der Einleitung und die Anm. dazu. Diese Entschädigungsvorschriften beruhen auf dem Prinzip, daß Niemand sich gefallen zu lassen braucht, daß er einen Bermögensschaden zur Bereicherung eines Anderen erleide. L. 6 §. 2 i. f. D. de jure dotium (XXIII, 3).

28) Bergl. unten II

15 §§. 70, 71 u. die Anm. dazu.

29) Der §.263 ist nicht auf öffentliche Flüsse beschränkt, sondern auch aus Privatflüsse auSzudehnen. O.Tr. III v. 1. Okt. 1866, Str. Arch. 65 S. 26. 30) Das Eigenthum an dem Grunde und Boden, welcher dadurch gewonnen ist, daß ein Fluß­ bett durch Berkrippungen oder andere dergleichen Anstalten verengt oder zugelandet ist, erwerben die angrenzenden Uferbesitzer allein durch die Besitznehmung, und nicht erst dann, wenn zu dieser Besitz­ nehmung die wirkliche Berichtigung ihres Beitrages zu den Arbeiten und Kosten der Ausführung, nach Verhältniß ihrer Antheile an dem gewonnenen Lande, hinzugekommen ist. O.Tr. III v. 9. Nov. 1857, Entsch. 37 S. 71. 31) Bergl. die Anm. zu §. 234 Th. II Tit. 15. 32) (6. A.) Der Grund des Eigenthumsrechts an einem Landsee ist lediglich die Adjacenz. Arch. 87 S. 134 (III).

Str.

33) Das Eigenthum des Seebettes wird von den Adjazenten nicht erst in Folge der Trockenle­ gung des Sees erworben, sondern es verbleibt ihnen nach der Entwässerung (§. 267), weil sie Eigenthümer des Sees waren, so lange der See als solcher bestand. S. oben Anm. 61 zu §. 180 d. T.

34) Z. B. Rohrnutzung, Fischerei, Wasserleitung zum Betriebe eines Mühlwerkes rc. 35) Bergl. unten die Anni. zu §. 68 Tit. 15 Th. II. — Das O.Tr. II in d. Erk. v. 21. Dez. 1865, Entsch. 56 S. 35, hat angenommen, daß zur Erwerbung des Eigenthums an einem verlaffe-

Bo» Erwerbung des Eigenthums.

487

§. 271. Doch müssen diejenigen Unterthanen des Staats, welche durch den neuen Kanal des Flusses an ihrem Eigenthume gelitten haben, vorzüglich aus dem verlassenen3G) Flußbette oder dessen Werthe entschädigt werden. §. 272. Ucberströmungen, welche durch die Gewalt des Wassers veranlaßt wor­ den, und nur eine Zeit lang dauern, wirken keine Veränderung in dem Eigenthume der überströmten Grundstücke"). §. 273. Ist aber der ehemalige Eigenthümer des neuen Kanals bereits auf an­ dere Art schadlos gehalten worden, so fällt das wieder verlassene neue Flußbette, so­ weit es nicht nach §. 271 zu fernerer Entschädigung gebraucht wird, demjenigen zu, welcher dem Ersteren die Schadloshaltung geleistet hat. §. 274. Wegen einer bloßen Schmälerung oder Erweiterung des Flußbettes, welche durch die Natur selbst veranlaßt worden, kann keine Vergütung gefordert werden. §. 275. Das Eigenthum des Saamens oder der Pflanzen, womit fremder Grund und Boden bestellt worden, fällt, sobald ersterer ausgesäet ist, und letz­ tere Wurzeln getrieben haben33), demjenigen anheim, welchem das Nutzungsrecht33) des Bodens zukommt 40). §. 276. Will") der Nutzungsberechtigte des Bodens die Früchte genießen, so muß er dem Andern den Werth des Saamens oder der Pflanzen, nebst den Bestel­ lungskosten vergüten41 a). §. 277. Ist die Bestellung redlicher Weise geschehen, so müssen dem Bestellen­ den alle erweislich verwendete Kosten erstattet werden. neu Flußbette Seitens der angrenzenden Uferbesitzer, soweit diesen überhaupt gesetzlich ein Anspruch darauf zusteht, Besitzergreifung nicht erforderlich sei. Nach röm. Rechtsgrundsätzen ist das richtig. Bergt. Anm. 16 zu §. 246 u. Aum. 61 Abs. 2 zu §. 180. Aber nach dem A. L.N. ist es grund­ satzwidrig. §. 246 u. Anm. 16 dazu. Durch eine solche prinziplose Kasuistik wird die konsequente Rechtsentwickelung nicht gefordert. " (6. A.) Das Flußbett muß zu existiren aufgehört und die Eigenschaft des festen (? trockenen) Landes angenommen haben. Str. Arch. 82 S. 76 (1II).

36) Der Fall, wo der Staat einen Durchstich angeordnet hat und in Folge dessen das Flußbette trocken gelegt worden ist, ist Th. n Tit. 15 §§. 70 ff. vorgesehen. 37) Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf den, bei Hochwasser regelmäßig oder gewöhnlich statt­ findenden Austritt des Wassers auf benachbarte Grundstücke, sondern auf solche Üeberströmungen, welche durch besondere Ereignisse, durch ungewöhnliche Gewalt des Wassers herbeigesührt werden. O.Tr. II v. 22. Okt. 1863, Str. Arch. 51 S.' 160. 38) Bis dahin können sie vindizirt werden. Daher kann auch der Eigenthümer gestohlener Bäume sie nur so lange von dem redlichen Bodenbesitzer abfordern, als sie noch nicht eingewurzelt sind. Dies ist durch Sachverständige festzustellen, und dann als zweifellos anzunehmen, wenn sie Laub getrieben haben. Das Eigenthum wird übrigens doch nicht unbedingt erworben. S. Anm. 41. 39) Harmonirt mit dem §. 221 d. T. Der Röni. Grundsatz ist: solo cedit quod solo impla; tatur. L. 7 §. 13; L. 26 §. 2 D. de acquir. rer. dom. (XLI, 1). Dieser ist mit Absicht Verlassen. Hinsichtlich der Baumpflanzungen führt der Grundsatz des L.R. dahin, daß der Nutzungsberechtigte Eigenthümer der Baumplantage auf fremdem Grunde und Boden wird, und bei Beendigung des Nutzungsrechts sämmtliche von ihm gepflanzte Bäume mitnehmen kann. Bgl. Tit. 22 §§. 243—245.

40) Die hier in den §§. 275 ff. getroffenen Bestimmungen gehören der Lehre von der unmit­ telbaren Erwerbung des Eigenthums an, wie das Rubrum des Titels 9 und die §§. 5, 7 ff. aus­ drücklich sagen. Diese Erwerbungsart unterscheidet sich von der mittelbaren darin, daß der Erwerber das Eigenthum ursprünglich erwerben will, d. h. daß er keinen Auktor oder Gewährsmann hat. Leitet er seine Erwerbung von einem Bormanne ab, so ist die Erwerbung, mag der Titel gültig sein oder nicht, eine unmittelbare; ist der Titel ungültig, so ist auch die Erwerbung ungültig, wird da­ durch aber keine unmittelbare. O.Tr. Straff, v. 4. Febr. 1864, Str. Arch. 55 S. 31. 41) Die Eigenthumserwerbung geht also doch nicht unbedingt durch das Säen und Pflanzen von Statten, vielmehr erst durch den Willen des Nutzungsberechtigten. Dieser hat zwischen drei Zu­ lässigkeiten die Wahl. Er kann die Pflanzung sich zueignen (§. 276); er kann die Wegschaffung for­ dern (§§. 279, 280); er kann sie dem Säenden oder Pflanzenden überlassen (§§. 281, 282). 41») (7. A.) O.Tr. n v. 2. Mai 1876, Entsch. 77 S. 275.

488

Erster Theil. Neunter Titel. §§. 278—301.

§. 278. Hat aber derselbe sich der Bestellung eines fremden AckerS unredlicher Weise angemaßt, so kann er den Ersatz der Kosten nur so weit fordem, als dieselben, nach der in jeder Provinz oder Gegend gewöhnlichen Art des Betriebs, wirthschastlich verwendet worden. §. 279. Will der Nutzungsberechtigte von der Bestellung keine Früchte ziehen, sondern den Boden anders nutzen, so kann ihm dergleichen Verfügung nicht gewehrt werden. §. 280. Alsdann kann der Säende oder Pflanzende bloß den Saamen oder die Pflanzen, soweit es ohne Beschädigung des Grundstückes möglich ist, zurücknehmen "). §. 281. Will der Nutzungsberechtigte des Bodens die Früchte des Gesäeten oder Gepflanzten dem Säenden oder Pflanzenden überlassen, so muß Letzterer dagegen dem Ersteren für die entzogene Nutzung des Bodens, nach Verhältniß des Grades seiner Verschuldung gerecht werden. §. 282. Wenn das Grundstück selbst von dem Säenden oder Pflanzenden red­ licher Weise besessen worden, so hat es, auch in Absicht der erfolgten Bestellung des­ selben, bei den wegen der Rechte und Pflichten eines redlichen Besitzers überhaupt vor­ handenen gesetzlichen Bestimmungen sein Bewenden. (Tit. 7, §. 189 sqq.) §. 283. Wer selbst oder durch Andere auf seinem Grunde fremden Saamen säet, oder fremde Pflanzen einsetzt, muß dem Eigenthümer derselben allemal den höch­ sten Preis, so wie er zur Zeit der Bemächtigung des Saamens oder der Pflanzen ge­ standen hat, vergüten. §. 284. Hat der Eigenthümer") des Bodens betrüglich gehandelt, so ist er dem Eigenthümer des Saamens oder der Pflanzen auch allen Vortheil, welcher dem­ selben bei dieser Gelegenheit entgangen ist, zu erstatten verbunden. $Tn »?rM= §• 285. Das Eigenthum eines auf der Grenze stehenden Baumes gebührt dem,

B-ume.

stUf dessen Grunde und Boden der Stamm aus der Erde kommt. §. 286. Steht der Stamm selbst auf der Grenze"), so haben beide Nachbarn das Miteigenthum des Baumes. §. 287. Niemand ist die unter seinem Grunde und Boden fortlaufenden Wur­ zeln, oder die über seine Grenze herüber Hangenden Zweige eines fremden Baumes zu dulden verpflichtet. §. 288. Will er aber selbige weghauen, so muß er das Holz dem Eigenthümer des Baumes ausliefern §. 289. Duldet er hingegen dieselben, so ist er berechtigt, diejenigen Früchte sich zuzueignen, welche der Eigenthümer nicht einsammeln kann, ohne den Grund des Nachbars zu berühren. 42) Dies muß sofort nach der Erklärung des Nutzungsberechtigten geschehen, damit die Umacke­ rung kein Hinderniß finde; widrigenfalls der Nutzungsberechtigte mit der Bodenbearbeitung ohne Rück­ sicht aus die darauf stehenden fremden Pflanzen vorgehen kann. Vergl. §. 295 d. T. Nur dürfen dem Säenden oder Pflanzenden keine Hinderniffe in der Ausübung seines jus toUendi vorsätzlich be­ reitet werden. 43) Damit ist nur der Nutzungsberechtigte gemeint. §§. 276, 277, 279, 281. 44) Nämlich aus dem Grenzraine, wenn auch nicht gerade auf der Linie. Wenn der Stamm auch nur thcilweise auf dem Greuzraine steht, muß er doch für gemeinschaftlich gelten. 45) Damit soll ihm keine Handlung aufgelegt werden, vielmehr nur eine Duldung. Er muß die Abholung gestatten, ist aber nicht schuldig, sich dabei zu bemühen (vergl. §. 295); er ist vielmehr berechtigt, das Holz, wenn der Nachbar dasselbe auf die an ihn erlassene Ausfordcrung nicht wegholt, von seinem Grunde abräumen und bei Seite legen, und die ihm dadurch entstandene» Arbeitskosten erstatten zu lassen, auch bis dahin das Retentionsrecht auszuüben. Aber „der Eigenthümer eines Grundstücks, in dessen Luftraume die Zweige der seinem Nachbar gehörigen Bäume überhangen, ist nicht berechtigt, von dem Letzteren zu verlangen, daß er die über­ hangenden Zweige wegschaffe, sondern Dieser ist nur verpflichtet, zu dulden, daß Jener dieselben aus dem Bereiche seines Eigenthums entferne, alsdann aber auch befugt, die Auslieferung de« abgehaucnen Holzes zu fordern." O.Tr. H (Pr. 2615) v. 6. Febr. 1855, Entsch. 30 S. 431.

Von Erwerbung des Eigenthum-.

489

§. 290. Dergleichen Früchte darf der Eigenthümer auch nicht mit Instrumenten herüber langen, oder durch das'Herüberbeugen der Neste an sich ziehen. §. 291. Dagegen ist der Eigenthümer des Baumes die auf den Grund des Nachbars hinüberhangenden Zweige auf seinem eigenen Grund und Boden wegzu­ hauen wohl befugt. §. 292. Früchte eines an der Grenze stehenden Baumes, welche durch die Ge­ walt des Windes über die Grenze getrieben werden, ist der Nachbar sich zuzueig­ nen berechtigt'0). §. 293. Der Baum selbst aber, welcher durch Sturmwind ganz oder zum Theil auf den Grund des Andern geworfen worden, verbleibt dem vorigen Eigenthümer. §. 294. Auch die Früchte, welche nach erfolgter Wegschaffung an dem Baume noch befestigt sind, gehören dem Eigenthümer"). §. 295. Der Eigenthümer ist, bei Verlust seines Rechts, schuldig, einen solchen Baum auf Verlangen des Nachbars, ohne Zeitverlust *8) von dem Grunde deffelben wegzuschaffen. §. 296. Den Schaden, welcher bei dem Wegschaffen auf dem Grunde des Nach­ bars angerichtet wird, muß der Eigenthümer des Baums allemal vergüten. §. 297. Denjenigen Schaden aber, welchen der Baum selbst durch seinen Um­ sturz verursacht hat, muß er nur in so fern vergüten, als ihm dabei eine nach den Ge­ sehen verantwortliche Verschuldung zur Last fällt. §. 298. Hat Jemand fremde Sachen, ohne Wissen und Willen des Eigenthüd-r mers, mit der seinigen verbunden, vermengt und vermischt49 46 ), 47 50 48 51 so 52 müssen 53 auf seine Vermengung Kosten, beiderlei Sachen wiederum abgesondert und in den vorigen Stand gesetzt Werben80). gleißen §. 299. Kann die Absonderung nicht mehr erfolgen, oder sind ftemde Materia- v°nVcrarb-ilien ohne Wissen und Willen ihres Eigenthümers verarbeitet8') worden, so muß ber?mtiS.r

welcher einer solchen Verfügung über srembe Sachen betrügerischer89) Weise, und in der Absicht, seinen Vortheil mit dem Schaden eines Andern zu befördern, sich ange­ maßt hat, das Eigenthum des Ganzen dem Andern überlassen88). §. 300. Dieser ist alsdann das Arbeitslohn, oder den Werth der dem Verfügen­ den zugestandenen verbundenen, vermengten, oder vermischten Sache, nur nach dem niedrigsten durch Sachverständige bestimmten Satze zu vergüten schuldig. §. 301. Auch diese Vergütung wird dem Betrüger, zur Strafe, durch den Fis­ kus entrissen8'). 46) Was in des Nachbars Garten fällt, das ist sein. nicht kennt.

Dies ist der sog. Ueberfall, den das R.R.

47) Auch diejenigen, welche durch den Ueberfall dem Nachbar zugefallen sein würden. 48) Da der Verlust des Rechts an den Zeitverlauf geknüpft ist, so muß nothwendig eine bestimmte präklusivische Frist angenommen werden. Nach Analogie des Grundsatzes über sofortige Vollziehung einer Handlung oder Erklärung find 24 Stunden anzunehmen. Tit. 4 §. 47. Vgl. Tit. 5 §. 95. 49) Das R.R. (oder vielmehr der KunstanSdruck der Neuern, denn in den Quellen wird der Ausdruck in dieser Bedeutung nicht gebraucht. Paulus, Sent. rec. III. 6 §.49; L. 60 pr. D. de verb. signif. [L, 16]) unterscheidet bekanntlich Adjunktion (Verbindung der Form nach) und Kommixtion oder Konfusion (Vereinigung oder Verbindung dem Stoffe nach). Das L.R. unterscheidet nicht, vielmehr gelten die folgenden Grundsätze von beiden Hauptarten der Vereinigung verschiedener Sachen.

50) (6. A.) Ist die Absonderung unmöglich, so geht das Eigenthum unter. Str. Arch. 79 S. 64 (III). 51) Spezifikation. Das L.R. weicht ganz ab von den Grundsätzen des R.R. Bei der Spezifi­ kation wird nach dem L.R. nicht gefragt: ob der verarbeitete Stoff in seine frühere Form wieder herzustetlen, oder nicht. Der frühere Eigenthümer braucht sich darauf in keinem Falle einzulaffen. 52) D. h. unredlicher Weise. Die Anmaßung des Stoffes braucht nicht gerade durch Be­ trug geschehen zu sein. 53) Der Eigenthümer des Stoffes wird mithin von selbst Eigenthümer der Spezies.

490

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 302—326.

§. 302. Will derjenige, über deffen Sache von einem Andern solchergestalt betrüglicher°°) Weise verfügt worden, das daraus entstandene Ganze nicht behalten, so muß ihm der Andere den höchsten Werth seiner Sache, so wie derselbe zwischen dem Zeitpunkte der widerrechtlichen Anmaßung und der zugestellten Klage gewesen tft66), erstatten. §. 303. Kann derjenige, über dessen Sache solchergestalt verfügt worden, noch außerdem einen ihm dadurch entstandenen Schaden oder entgangenen Gewinn nachwei­ sen; so muß ihm auch dieser, nach den Grundsätzen des Sechsten Titels, vergütet werden. §. 304. Hat Jemand ohne Betrug5 7) fremde Materialien dergestalt verarbeitet, daß dieselben dadurch ihre bisherige Form verloren, und eine neue Gestalt angenom­ men haben; so verbleibt") die daraus entstandene neue Sache dem Verarbeitenden. §. 305. Dieser aber muß dem Eigenthümer der Materie, nach dessen eigener Wahl, entweder eben so viel Materialien von gleicher Art und Güte zurückgeben, oder den Werth der Materialien, nach dem höchsten Preise zur Zeit der Verarbeitung, ersetzen. §. 306. Ueberdies muß er, nach Maßgabe des Grades seiner Verschuldung, dem Eigenthümer der Materie für den durch die eigenmächtige Verarbeitung erlittenen Scha­ den und entgangenen Gewinn, gerecht werden. §. 307. Hat Jemand, ohne fünft« oder handwerksmäßige Verarbeitung, fremde Materialien mit den seinigen, jedoch nicht betrügerischer Weise, verbunden, vermengt oder vermischt, so muß untersucht werden: welchem von beiden an dem Werthe des nunmehrigen Ganzen, nach Verhältniß seiner beigetragenen Materialien, der beträcht­ lichste Antheil zukomme. §. 308. Hat der, über deffen Sache solchergestalt ohne sein Zuthun verfügt worden, den beträchtlichsten Antheil, so steht ihm die Wahl frei: ob er das nunmeh­ rige Ganze behalten59), oder dasselbe dem Andern überlassen wolle. §. 309. Wählt er letzteres, so muß ihm der Verfügende seine Materialien nach der Bestimmung des §. 305 vergüten, und ihm noch außerdem, für den erlittenen Schaden und entgangenen Gewinn, nach Vorschrift §. 306 gerecht werden. §. 310. Will er aber das Ganze behalten, so muß er dem Verfügenden seinen Beitrag an Materialien, nach dem zur Zeit der Verfügung gestandenen gemeinen Werthe, vergüten. §. 311. Uebersteigt dieser Werth den Werth der Verbesserung, welche bei der Sache durch die Verfügung entstanden ist; so muß der Verfügende mit Vergütung der letztern sich begnügen. §. 312. Hat in dem §. 307 gesetzten Falle der Verfügende den beträchtlich­ sten Antheil an dem nunmehrigen Ganzen, so verbleibt ihm zwar das Ganze; §. 313. Er muß aber dem Andern, über deffen Materialien er solchergestalt eigenmächtig verfügt hat, nach Vorschrift des §.305, 306 Ersatz und Vergütung leisten. 54) (6. A.) Bergl. Str. Arch. 80 S. 299 (III). 55) S. o. die Anm. 52 und die Anm. 57.

56) Eine Anwendung des Grundsatzes Tit. 6 §. 85. 57) D. h. in gutem Glauben. Denn hätte Jemand z. B. Wolle gestohlen und sich daraus ein Kleid gemacht, so würde nicht der Grundsatz dieses §. 304, sondern der des §. 299 Anwendung finden. Bergl. die Anm. 52. 58) Im Falle der Redlichkeit wird mithin durch die Spezifikation Eigenthum erworben; der un­ redliche Verarbeiter erwirbt das Eigenthum der neuen Spezies dem Eigenthümer des Stoffes. §. 299. 59) Er wird also sofort bei Entstehung der neuen Spezies Eigenthümer der Sache, mit der Besugniß, dasselbe an den Anderen, selbst wider dessen Willen, zu übertragen. Bergl. die §§. 310 u. 312. Richtiger aber ist es, das Verhältniß in allen Fällen bis zur erfolgten Auseinandersetzung als Gemeinschaft' aufzusassen, und die nachfolgenden Bestimmungen als Auseinandersetzungsvorschristen anzusehen.

Von Erwerbung des Eigenthums.

491

§. 314. Bleibt es in dem §. 307 gesetzten Falle zweifelhaft, welchem von bei­ den Interessenten der größere"«) Antheil an dem nunmehrigen Ganzen zukomme, so gebühret demjenigen, über dessen Sache solchergestalt ohne sein Zuthun verfügt wor­ den, die Wahl nach den §§. 308--311 festgesetzten Bestimmungen. §. 315. Hat Jemand Materialien verschiedener Eigenthümer, ohne deren Zu­ thun, verarbeitet, verbunden, vermenstt oder vermischt, so ist die Frage: wem das nunmehrige Ganze verbleibe, zwischen ihm auf der einen, und den mehreren Eigen­ thümern zusammen genommen auf der andern Seite, nach obigen Grundsätzen §§. 298 —314 zu bestimmen. §. 316. Kommt es dabei auf eine Wahl von Seiten dieser Eigenthümer an, so entscheidet unter ihnen der Entschluß derjenigen, welchen, zusammen genommen, an dem Werthe der Materialien der beträchtlichste Antheil zukommt. §. 317. Bleibt dieses zweifelhaft, so entscheidet, unter mehreren Eigenthümern, über die von ihnen zu treffende Wahl, das Loos. §. 318. Behalten nach diesen Grundsätzen die mehreren Eigenthümer der Mate­ rialien das Eigenthum des nunmehrigen Ganzen, und sind ihre Materialien gleichar­ tig gewesen, so werden sie Mitcigenthümer des Ganzen. §. 319. Waren die Materialien ungleichartig, so hat derjenige das Vorrecht, dessen Antheil von größerem Werthe gewesen ist.' §. 320. War der Antheil der mehreren Interessenten von gleichem Werthe, so muß das Loos entscheiden"): wer das Ganze, gegen Abfindung der übrigen Interes­ senten, behalten") soll. §. 321. Die Abfindung wird nach Verhältniß des Werths der jedem Interessen­ ten gehörig gewesenen Materialien, zu dem Werthe des daraus entstandenen Ganzen, so wie letzterer zur Zeit der Auseinandersetzung beschaffen ist, festgesetzt. §. 322. Können die Interessenten über den Werth des nunmehrigen Ganzen sich nicht vereinigen, so muß derselbe durch eine unter ihnen anzustellende Licitation be­ stimmt werden. §. 323. Der Meistbietende behält alsdann das Ganze, und muß die übrigen nach der Bestimmung des §. 321 abfinden""). §. 324. Ist Jemandes Thier von dem Thiere eines Andern befruchtet worden, so verbleibt die daraus entstandene Frucht dem Eigenthümer der Mutter. §. 325. Ist die Befruchtung mit Vorwissen und Genehmigung dieses letztem ge­ schehen, so muß er dem Eigenthümer des befruchteten") Thieres eine in den PolizeiSn und Ordnungen jedes Orts, oder Distrikts, näher bestimmte Vergütung"") . §. 326. In wiefern hingegen, falls die Befruchtung ohne Vorwissen und Ge­ nehmigung eines oder des andern Theils erfolgt ist, einer dem andern zur Schadlos­ haltung verpflichtet sei, ist nach den Grundsätzen des Sechsten Titels zu bestimmen""). 60) Ist es unzweifelhaft, daß Keiner einen größeren Antheil hat, daß vielmehr die Antheile gleich sind, so sind Beide Miteigentümer. §. 320.

61) Bis dahin sind sämmtliche Theilhaber Miteigenthnmer. Durch das Ausscheiden der Uebrigen wird der Gewinner Alleineigenthümer. Er hat von Jedem für dessen Antheil Gewährleistung zu for­ dern, nach den Grundsätzen über die Theilung einer gemeinschaftlichen Sache. 62) Es geht mithin keine Besitzveränderung und keine neue Erwerbung vor sich. S. die vor. Anmerk. 63) Die ganze in den §§. 315—323 abgehandelte Theorie ist ohne Geschichte. 64) Soll heißen: „befruchtenden". R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 469. 65) Unter der Benennung: „Sprunggeld" bekannt. Dergl. Vergütung ist übrigens bei sog.

kleinem Viehe nicht üblich. 66) In der That kann der Eigenthümer des Mutterthieres durch die ohne sein Wissen und Wil-

l Von Be­ fruchtung fremder Thiere.

Erster Theil.

492 «uMtembem

§• 327.

Neunter Titel.

§§. 327—332.

Hat Jemand ein für sich selbst bestehendes Gebäude6 ’) auf fremdem6 8)

«oben, oder Grund und Boden88) ohne Dorwiffen des Grundeigenthümers errichtet, so hängt es

von dem Grundeigenthümer ab, das Gebäude zu erhalten, oder aus deffen Wegschafsung und Abrechnung zu bringen70). §. 328. Wählt der Grundeigenthümer das letztere, so muß das Abbrechen und Wegräumen auf Kosten des Bauenden erfolgen-, und dieser haftet noch außerdem, nach dem Grade seiner Verschuldung, dem Eigenthümer für den erlittenen Schaden und entgangenen Gewinn. §• 329. Verlangt der Grundeigenthümer die Erhaltung des Gebäudes, so kann er sich dasselbe entweder selbst zueignen, oder es mit dem dazu gehörenden Grunde und Boden dem Bauenden überlassen. §. 330. Will der Grundeigenthümer das Gebäude behalten, so muß er dem Bauenden die verwendeten Baukosten, so weit sie den Werth des Gebäudes, nach der Schätzung der Sachverständigen, nicht übersteigen7*), erstatten. §. 331. Will der Grundeigenthümer das Gebäude dem Bauenden überlaffen, so muß dieser ihm den Werth des Grundes und Bodens vergüten, und noch außerdem denjenigen Schaden erstatten, welchen der Eigenthümer, durch Verengung des nöthi­ gen Platzes, oder sonst, nach seiner Lage und seinem Gewerbe erweislich leidet.

§. 332. Hat der Eigenthümer78) des Grundes und Bodens um den Bau ge­ wußt78), und nicht sogleich"), als er davon Nachricht erhalten, der Fortsetzung leit von einem Anderen vorsätzlich veranlaßte Befruchtung erheblich beschädigt werden. die Bedeckung eines Vollblut-Renners von hohem Werthe durch einen Esel.

Man denke an

67) Darunter ist jedes selbstständige Bauwerk zu verstehen, auch eine Mauer. Vgl. den Rechts­ fall in Ulrichs Archiv 10 S. 60. Nur muß die Bauanlage ganz auf fremdem Boden gebaut wer­ den, sonst kommen die Vorschriften §§. 340 ff. zur Anwendung. Vgl. O.Tr. II v. 29. April 1858, Entsch. 38 S. 76.

68) Oder gemeinschaftlichem.

O.Tr. m v. 9. Jan. 1854, Str. Arch. 11 S. 216.

69) Oder auf eine fremde Mauer.

70) Wer aber inzwischen Eigenthümer des Gebäudes ist, weiß man hieraus nicht. Nach R.R. ist darüber kein Zweifel. S. o. Anm. 40 zu §. 275. Nach dem L.R. kann der Bauende für den Eigenthümer der Superfizies angesehen werden, mit den Verpflichtungen, welche ihm die Vorschriften §§. 328 ff. auflegen; es kann aber auch der Grundeigenthümer für den Eigenthümer der Anlage mit der Verpflichtung aus dem §. 330 gehalten werden, und dieses entspricht dem Rechtssysteme mehr, hat auch den Sinn des §. 330, welcher' in dem Worte „behalten" liegt, für sich. (6. A.) Die dem Grundeigenthümer in den §§. 327—332 und 340—342 gegebenen Rechte stehen ihm nur persönlich gegen den Bauenden, nicht gegen jeden Besitzer deS Baues zu. Str. Arch. 81 S. 148 (III), 84 S. 342 (II). 71) Er haftet unbedingt nur in quantum locupletior factus est. Der Satz ist entnommen aus Leyser, Med. sp. 447 m. 1 u. 2 ; und Müller, Promtuar. v. impensae no. 7. Vergl. §.30 Inst, de rer. divisione (II, 1); L. 23 §§. 4, 5 D. de rei vind. (VI, 1).

72) Oder Miteigentümer. Oben Anm. 68. — Der Eigenthümer muß völlig handlungsfähig sein; denn eine stillschweigende Willenserklärung hat nicht größere Kraft und Wirksamkeit als eine ausdrückliche. Ist daher das Gebäude auf dem Grundstücke einer Stadtgemeinde unter der Herrschaft der Städteordnung v. 30. Mai 1853 errichtet worden, so ist zur Anwendung des Grundsatzes von der Jnädifikation im §. 332 die stillschweigende Einwilligung der Stadtgemeinde, vertreten durch den Magistrat und die Stadtverordneten, nicht genügend, sondern es ist auch noch die des Staates, ver­ treten durch die betreffende Bezirksregierung, erforderlich. Städteordnung v. 30. Mai 1853 §§. 36, 39, 50, 56 Nr. 5; O.Tr. II v. 18. Dez. 1862, Str. Arch. 47 S. 255. (6. A.) Gehört daS bebaute Grundstück einem Minderjährigen, so kommt es auf die Kenntniß des Vormundes an; die Kenntniß des Vormundschaftsgerichts ist nicht erforderlich. Str. Arch. 81 S. 19 (III). 73) Der Begriff des Bauens auf fremdem Grunde und Boden nach §. 332 setzt die Neuer­ richtung eines selbstständigen Gebäudes (§. 327) auf fremdem Grunde und Boden mit Vorwissen des Eiaenthümers; der Begriff des Bauens an der Grenze nach den §§. 340 ff. dagegen setzt nur das Ueberschreiten der Grenze durch das Vor rück en des auf eigenem Boden errichteten Gebäudein daS Grundstück des Nachbars voraus. O.Tr. III v. 6. Nov. 1863, Str. Arch. 52 S. 84.

Don Erwerbung deS Eigenthums.

493

desselben auf eine solche Art, daß es zur Wissenschaft deS Bauenden gelangt ist, wider­ sprochen, so muß er mit der bloßen Entschädigung für Grund und Boden sich be­ gnügen^). 74) Darunter hat man hier 24 Stunden (Tit. 3 §. 47) verstanden, so daß der Grundbesitzer noch den folgenden ganzen Tag, nachdem er den Bau erfahren, zur Einlegung des Widerspruches Zeit hat, nur soll der Widerspruch nicht bloß im Laufe dieser Frist, sondern auch schon bei dem aller­ ersten Zusammentreffen beider Theile erhoben werden. M. s. die Gründe zum Pl.-Beschl. des O.Tr. v. 18. April 1843, Entsch. 9 S. 3. Aus den §§. 327, 332 kann nur das Recht zum Besitze, nur eine petitorische Einrede bei Bau­ prozessen abstrahirt werden; in Possessorienprozessen kommen sie nicht in Betracht. O.Tr. III v. 9. Dez. 1861, Str. Arch. 44 S. 121. 76) Dieser Entschädigungsanspruch ist nur ein persönlicher. O.Tr. III v. 6. Juli 1866, Entsch. 56 S. 39. 76) Die Vorschrift hat folgende Voraussetzungen: 1. Der Bauende muß nicht Besitzer der Bau­ stelle aus einem früheren rechtlichen Grunde sein; sonst kommen, wenn er das Grundstück ohne Titel ursprünglich in Besitz genommen hat, die Grundsätze des Tit. 7 von Meliorationen des Besitzes zur Anwendung, und wenn er einen Titel hat, die Regel von der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums (des Grundstückes). Die Grundsätze von der Jnädifikation sind mithin unanwendbar, wenn auf einen durch Einräumung des Besitzes aus Grund eines mündlichen Vertrages erworbenen Acker gebaut wird; ein solchergestalt verkauftes und übergebenes Grundstück ist für den bauenden Käufer, dem Verkäufer gegenüber, kein fremdes Grundstück, der Verkäufer kann nicht vindiziren, er kann nur auf Grund des Rücktrittes von dem unverbindlichen Rechtsgeschäfte die Auflösung desselben unter gewissen Bedingungen fordern. Die bloße Einwilligung des Grundeigenthümers in den Bau aber, ohne Abschließung eines Ueberlassungsvertrages über die Baustelle, ändert die Erwerbungsart als eine unmittelbare nicht. O.Tr. III v. 15. Dez. 1848 in der Sache Fink w. Fink. (Eine Anwendung von diesem Grundsätze macht das Ratiborer Appellationsgericht in einer Entscheidung v. 17. Okt. 1854 auf den Fall, wo Jemand auf dem Lande eine Ackerfläche von 104 □$. für 52 Thlr. mittelst mündlichen Kontrakts erkauft und übergeben erhalten, und mit einem Hause nebst Stallung bebaut, sowie einen Garten darauf angelegt hatte. Das Appellationsgericht sagt, der §. 332 gehöre in die Lehre von der inaedificatio, einer unmittelbaren Erwerbungsart, könne also da nicht zur Anwendung kommen, wo der Bauende aus irgend einem früheren RechtSgrunde die Bau­ stelle bereits im Besitze gehabt habe, sei es in Folge einer ursprünglichen Besitznahme ohne Titel, welchenfalls die Grundsätze des 7. Titels über Meliorationen des Besitzes, sei es auf Grund eines Titels, wo dann die Vorschriften über die mittelbare Erwerbung deS Eigenthums Platz greifen müßten. Das ist juristisch vollkommen richtig. Das O.Tr. III aber, meinend, es sei unrichtig, hat diese Entsch. durch ein Urtel v. 30. März 1855 kassirt, wir werden gleich sehen, aus welchem Grunde. Vorab muß auf die Ungenauigkeit der Überschrift, welche dieses Urtel in den Entsch. 30 S. 31 von den Herausgebern erhalten hat — ein Pr. ist es nicht — aufmerksam gemacht werden. ES heißt: „Die gesetzlichen Vorschriften vom Baue auf fremdem Boden sind dadurch, daß über die Abtretung der Baustelle ein unförmlicher Vertrag geschlossen worden, nicht ausgeschlossen." (7. A. In dem Erkennt­ niß v. 9. Novbr. 1874 hat das O.Tr. m angenommen, daß die Anwendung des §. 332 d. T. nicht ausgeschlossen sei, wenn der Bauende die bebaute Grundfläche auf Grund eines formell ungültigen Vertrages erworben hat. Str. Arch. 93 S. 4.) So allgemein wird der Satz von dem O.Tr. nicht ausgesprochen, vielmehr behauptet dasselbe nur, daß in dem Falle, wenn die Baustelle gerade zu dem ausgesprochenen Zwecke, solche zu bebauen, erworben und überlassen worden sei, alsdann der §. 332 noch zur Anwendung komme. Die Herausgeber machen zu ihrem ungenau gefaßten Rechtssatze die Anmerkung, Koch hätte hier in dieser Note gesagt, das O.Tr. habe in dem von ihm allegirten Prä­ judikate angenommen, der §. 332 sei auf den'Fall eines mündlich geschlossenen Ueberlassungsvertrages nicht anwendbar. Das gedachte Präjudikat beschränke sich jedoch lediglich darauf, die Anwendbarkeit jenes §. 323 da auszuschließen, wo es nicht der Eigenthümer war, der um den Bau gewußt hat, sondern der Erbpächter. Diese Bemerkung berührt den besprochenen Rechtspunkt gar nicht. Die Frage ist: Finden die Grundsätze über die ursprüngliche ErwerbungSart, Jnädifikation genannt, oder vielmehr die Grundsätze über mittelbare Erwerbung Anwendung, wenn der Boden, auf welchem später gebaut worden, dem Besitzer desselben vorher abgekauft und' auf Grund dieses nur mündlich abge­ schlossenen Kaufes der Besitz wirklich übertragen worden ist. Ob der Besitzer und Verkäufer wahrer Eigenthümer war oder ein anderes erbliches Besitzrecht hatte, ist eine Frage, die hierbei gar nicht in Betracht kommt, vielmehr in ein ganz anderes Kapitel gehört, aus welchem in jenem Rechtsfalle ein Rechtsstreit nicht entstanden und daher auch nicht zu entscheiden war. Bekanntlich kann man auch von einem Nichteigenthümer gültig kaufen, unbeschadet der Rechte des wahren Eigenthümers. — Kom­ men wir nun auf die Theorie deS O.Tr. Dieses sagt: Wenn gerade zu dem Behufe des Aufbaues eines Hauses der demnächst bebaute Platz mündlich verkauft worden ist, so haben wir es nicht mit einer mangelhaften mittelbaren Erwerbung zu thun, sondern mit der ursprünglichen Erwerbungsan

494

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 332—333.

der Inädifikation. Denn da nichts weiter als der demnächst bebaute Platz und gerade behufS Auf­ baues eines Hauses durch einen unförmlichen Vertrag überlassen worden, so erhellet daraus ohne Weiteres, daß der Fall des §. 333 hier nicht in Frage steht. Das ist der eine Rechtsgrund, wel­ cher dem rechtsverständigen Leser zur eigenen Würdigung auheimgegeben wird, mit dem Bemerken, daß der Gegenstand der Bestimmung des §. 333 nicht „ein ganzes Gut", worunter das O.Tr. selbst ein jedes einzelnes selbstständiges Grundstück versteht sS. 36 a. a. £).], ist, sondern vielmehr der schon vor der Errichtung von Baulichkeiten erworbene Besitz des Grundstückes. Der Gegensatz, von dem die vorhergehenden §§. 327 ff. handeln, ist die erst mittelst der Bebauung geschehene Besitzer­ greifung. Uebrigens ist, was nur nebenbei bemerkt wird, auch die faktische Voraussetzung des O-Tr. in dem entschiedenen Falle nicht richtig; denn es ist nicht bloß der bebaute Platz verkauft worden : ein Dorfhäusler kann 104 □$., auf welchem ein Gebäude von dem Umfange der Berliner Akademie errichtet werden kann, zum Aufbaue eines Hauses nicht brauchen, und in dem vorliegenden Falle haben dazu auch die 104 l^R. nicht verbraucht werden sollen, vielmehr hat der Käufer darauf eine neue HäuslersteUe, bestehend aus Haus nebst Stallung und Garten, gegründet, wie derselbe in seinem Petitum wörtlich sagt sS. 32]. Dies nur was das Thatsächliche des Rechtfalles und die Entscheidung des Prozesses betrifft; unsere Rechtsfrage wird davon nicht berührt, denn diese wirkliche Thatsache unterstellt das O.Tr. seinem Rechtssatze nicht. — Ein zweiter Rechtsgrund des O.Tr. für seinen Satz ist die Redlichkeit des Käufers in unserem Falle. „Darf sich darauf schon derjenige be­ rufen, der ohne Widerspruch des Eigenthümers fremden Grund und Boden bebaut, um wieviel mehr muß es von dem geschehen können, der selbst in der Meinung redlich war, daß der Grund und Boden nicht dem Anderen mehr, sondern ihm gehöre." fS. 36.] Dahin läßt sich nicht mehr folgen; der gute Glaube hat, welche Vortheile damit auch für den Besitzer verknüpft sein mögen, doch in keinem Falle und nach keinem positiven Rechte die magische Kraft, eine gewisse ErwerbungSart in eine wesentlich andere Erwerbungsart zu verwandeln; und wenn dies nicht behauptet werden kann, so fehlt es der Beweisführung für die Begründung des behaupteten Rechtssatzes an der juristischen Schlüssigkeit. Indeß findet sich in unserem Falle 'allerdings eine, von dem O.Tr. freilich nicht be­ achtete, Rechtswahrheit: es treffen hier zwei Crwerbungsarten zusammen, die formlose mittelbare, und die ursprüngliche der Inädifikation; denn betreffs der letzteren ist die Einwilligung des bisherigen Eigenthümers, der einen Platz ausdrücklich zum Baue verkauft, in höherer Potenz vorhanden. Aber hierbei ist zu beachten, daß die zweite Erwerbungsart, die Inädifikation, in ihrer rechtlichen Wirksam­ keit nicht weiter zu reichen vermag, als der Bau geht: nur die Baustelle kann durch die Jnädifikation rechtsgültig erworben werden; dasjenige, was au Grund und Boden mehr durch den formlosen Kauf fund die darauf gegründete Uebergabe] erworben worden ist, bleibt dem Schicksale der münd­ lichen Verträge unterworfen, doch mit der Einschränkung, daß der Uebernehmer an der Aufrufung des Geschäftes durch seinen Bau verhindert ist, weil er nicht das Ganze in seinem früheren Zustande zurückzugeben vermag. Der in Rede stehende Rechtsfall ist auch aus diesem Gesichtspunkte quanti­ tativ unrichtig entschieden: die Baustellen waren unwiderruflich erworben, der Garten aber nicht.) 2. Der Bauende muß nicht unredlich handeln, d. h. er muß entweder in seinem Rechte, dort zu bauen, irren, oder er muß, obgleich er das Eigenthum eines Anderen kennt, einen vernünftigen Grund haben, anzunehmen, daß ihm der Eigenthümer die Baustelle überlassen werde. Wer in bösem Be­ wußtsein fremden Grund bebaut, kann dadurch nicht das Recht erwerben, den Eigenthümer zu nö­ thigen, ihm die Baustelle abzutreten. — Unter diesen Voraussetzungen bewirkt die Wissenschaft des Eigenthümers von dem unternommenen Baue, ohne Erforderniß 'der Anzeige seitens des Bauenden, und die Unterlassung des Widerspruches, daß der Bauende ihn zwingen kann, ihm die Baustelle käuf­ lich zu überlassen. In diesem Falle kommen die Grundsätze vom nothwendigen Verkaufe zur An­ wendung. Tit. 11 §. 3 ff. Die formlose Einwilligung des Grundeigenthümers z. B. ist dazu völlig hinreichend, wenn daraus wirklich gebaut wird. — Das Bewußtsein der Ungültigkeit des Vertrages als mittelbaren Erwerbungstitels macht die unmittelbare Erwerbung durch bewilligte Inädifikation nicht fehlerhaft. O.Tr. III v. 12. März 1858 , Entsch. 38 S. 63. Wenn aber der als mittelbarer Titel nicht gültige Vertrag gewisse Beschränkungen des Baues festsetzt, und der Bauende sich denselben nicht unterwirft, so ist auch die unmittelbare Erwerbung durch Jnädifikation ungültig, weil in der Verabredung, wenngleich sie als Rechtstitel zur mittelbaren Erwer­ bung unkrüstig ist, doch zugleich ein Widerspruch gegen eine gewisse Art des Baues ausgesprochen ist und diese Thatsache eben die unmittelbare Erwerbung durch Inädifikation hindert. O.Tr. III v. 5. Febr. 1858, Entsch. 38 S. 70. In der, in Str. Arch. 36 S. 80 mitgetheilten Entscheidung eines späteren Rechtsfalles, v. 12. Dez. 1859, hat das O.Tr. III feine, in den Entsch. 30 S. 31 ausgestellte Ansicht dahin , daß die mittel­

bare Erwerbung die Anwendung des §. 332 nicht unbedingt (jetzt also nur bedingt, die Bedin­ gung ist nicht bezeichnet) ausschließe, beibehalten. Die Entscheidung ist insofern auffallend, als sie, abgesehen von der streitigen Anwendbarkeit des §. 332, durch die Frage nach der sog. Aktivlegitimation, d. h. nach dem angewendeten Klagerechte des Klägers hinfällig wird. Der Fall war dieser: Einer von drei Miteigenthümern hatte eine gemeinschaftlrche Baustelle durch einen formlosen Vertrag ver­ kauft und übergeben. Hinterdrein verkauften alle Drei zusammen da- Grundstück an einen Dritten.

Bon Erwerbung des Eigenthums.

§. 333.

495

Wie es zu halten sei, wenn der Besitzer77) eines ganzen Guts Ge-

Dieser jüngere Käufer fordert das Grundstück nun dem älteren Käufer und Besitzer ab. Mit wel­ chem Rechte? Das erführt man nicht. Eigenthümer und Besitznachfolger der Verkäufer konnte er nicht geworden sein, denn das Grundstück hatte ihm nicht übergeben werden können, weil es ja ein Dritter im Besitze hatte; die Vindikationsklage aus eigenem Rechte stand ihm also nicht zu. Von einem Uebergange der Klagerechte der Verkürlfer kommt auch nichts vor. Das Klagefundament ist daher räthselhaft. Es hätten die beiden beim ersten Verkaufe nicht beachteten Miteigenthümer die partielle Reivindikation gehabt. Diese ging aber durch den Kaufkontrakt auf den zweiten Käufer, den Kläger von selbst nicht über. Uebrigens hat man sich in seiner Theorie über die Anwendbarkeit des §. 332 so verrannt, daß man es nicht merkt, den Rechtsboden ganz verloren zu haben. Die Inädifikation ist bekanntlich nichts anderes, als ein Fall der Adjunktion, d. h. der Verbindung oder Zusammenfügung zweier Sachen. Bei der Inädifikation werden bewegliche Sachen mit einer unbeweglichen Sache verbunden, wie Jeder­ mann weiß. Durch das Bebauen' eines Grundstücks wird der freie Platz noch außerdem die Nachbarn zu entschädigen.

Siebenter Abschnitt. Bon Preis gegebenen Sachen oder Geldern. §. 343.

Die Erwerbung von Sachen oder Geldern,

die in der Absicht ausge-

feitigt, daß der Nachbar um den Bau gewußt, und demselben nicht sofort widersprochen habe. O.Tr. II (Pr. 288) v. 30. Juni 1837, Pr.-S. 1 S. 30. — (6. A.) Str. Arch. 86 S, 363 (III). — Bergt. §. 332 d. T. und die Anm. 67 zu §. 327. Die Anzeige braucht nicht an jeden von mehreren Miteigenthümern, sogar dann, wenn dieselben zum Theil an außerhalb gelegenen Orten wohnen, beson* ders zu geschehen; in der Regel wird es genügen, daß die Anzeige dem einen der Miteigenthümer, oder Demjenigen, welcher dessen Rechte wahrzunehmen hat, namentlich dann, wenn derselbe in dem Nachbargrundstücke selbst wohnt, gemacht wird. O.Tr. II v. 28. März 1865, Str. Arch. 59 S. 32. 86) Die Erklärung, mittelst welcher der Nachbar die Linie genehmigt, in welcher der Bau geführt werden soll, bedarf auch dann nicht der schriftlichen Form, wenn ihm bekannt ist, daß diese Linie die wahre Grenzlinie überschreitet. O.Tr. II (Pr. 668) v. 20. April 1839, Pr.-S. 1 S. 30. Die Mit­ wissenschaft deö Bauenden um die Grenzüberschreitung entbindet den anderen Theil von den rechtlichen Folgen seiner Genehmigung und Kenntniß nicht. O.Tr. II v. 17. März 1864, Str. Arch. 53 S. 219. — Da eine formlose Erklärung genügt, so ist auch eine stillschweigende Genehmigung bindend. Tit. 4 §§. 58, 59, 61 und die Anm. dazu. — Ist die im §. 341 bezeichnete Baulinie vom Nachbar durch mündlichen Vertrag aber nur unter der Bedingung einer ihm zu gewährenden Gegenberechtigung ge­ nehmigt worden, so verliert diese Genehmigung ihre verbindliche Kraft, wenn der andere Kontrahent durch Zurücktreten von dem geschlossenen Vertrage sich der mündlich zngesagten Gegenleistung entzieht. O.Tr. II v. 20. Okt. 1853, Entsch. 27 S. 37. 87) Die §§. 340, 341 beziehen sich nur auf die Ausführung eines Baues auf der Grenze; wenn es sich also nicht um eine solche handelt, vielmehr die Grenze bereits bebaut ist, und der Streit die einseitige Benutzung der auf der Grenze befindlichen gemeinschaftlichen Mauer durch deren Erhöhung betrifft, so finden jene Vorschriften keine Anwendung. O.Tr. II v. 25. Okt. 1864, Str. Arch. 56 S. 242. Die Vorschriften der §§. 340, 341 passen nicht auf einen Bau auf einer an der Grenze stehen­ den Mauer des Nachbars oder einer gemeinschaftlichen Mauer, denn sie gestatten unter den angege­ benen Umständen nur den Erwerb des Grundes und Bodens des Nachbars nach einer billigen Taxe, enthalten aber keine Bestinimungen über den Erwerb und die Benutzung der an den Grenzen stehen­ den Mauern des Nachbars oder einer gemeinschaftlichen Mauer, vielmehr kommen in Beziehung auf letztere die §§. 133 ff. I. 8 zur Anwendung. O.Tr. II v. 6. Nov. 1866, Str. Arch. 65 S. 121.

88) Unter der wahren Grenzlinie ist hier nicht die in §§.139 ff. Tit. 8 vorgeschriebene Baulinie von resp. 3 u. 1| Werkschuhen, sondern die Eigenthumsgrenze zu verstehen. Dies war streitig, ist aber als richtiger Rechtssatz angenommen durch den Plenarbeschluß (Pr. 1283) des O.Tr. v. 18. April 1843, Entsch. 9 S. 3. 89) Weiter nicht. Ob der Grundeigenthümer auch die konsessorische Klage auf Wiederherstellung des interstitii, d. h. auf Zurückziehung des Gebäudes bis auf die gesetzliche Baulinie (Tit. 8 §§. 139, 140) begründen könne, hängt davon ab: ob er, sobald er von dem Baue Nachricht erhalten, Wider­ spruch dagegen erhoben hat. Tit. 22 §. 43 u. Pl.-Beschl. v. 18. April 1843, Entsch. 9 S. 3. Aber die Klage auf Zurückziehung bis innerhalb der Grenzen des Bauenden kann nicht durch den Einwand beseitigt werden, daß der Nachbar um den Bau gewußt und demselben nicht sofort widersprochen habe. O.Tr. III v. 9. Jan. 1854, Str. Arch. 11 S. 216. 90) Die Einziehung, resp, die gänzliche oder theilweise Kassirung des an der Grenze ausgeführten Bauwerkes ist von der vorgängigen Ermittelung der wahren Eigenthumsgrenze abhängig; daher kann, ohne Feststellung derselben, eine solche Demolirung nicht im possessorischen Wege ausgesprochen werden. O.Tr. I v. 13. Okt. 1865, Str. Arch. 60 S. 218. (6. A.) Bergt, oben Anmerkung zu §.327. Str. Arch. 81 S. 148 (III). Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aufl.

32

498

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 343—353.

morsen werden, daß der, welcher sie in Besitz nimmt, Eigenthümer davon werden solle, geschieht nach den Regeln der ursprünglichen ') Besitzergreifung. (§§. 7—13.) §. 344. Dergleichen Sachen und Gelder werden so lange, bis sie wirklich in Besitz genommen worden, als herrenlos angesehen. §. 345. Hat jedoch Jemand Sachen oder Gelder nur für gewisse Personen Preis gegeben, so können auch nur diese das Eigenthum durch Besitznehmung erwerben. §. 346. Diese haben daher das Recht, alle Andern von der Besitzergreifung auszuschließen, und die dazu erforderlichen Anstalten vorzukehren. §. 347. Haben Andere, denen die Sachen ober Gelder nicht bestimmt waren, sich deren bemächtigt, so kann sie der vorige2) Eigenthümer von ihnen zurückfordern. §. 348. Niemand darf, ohne Genehmigung3) der Polizeiobrigkeit, wegen sonst zu besorgender Unordnungen, öffentlich Gelder auswersen, oder Sachen Preis geben. §. 349. Hat er es ohne dergleichen Erlaubniß gethan, oder die von der Poli­ zei vorgeschriebenen Maßregeln nicht beobachtet, so haftet er für allen Schaden.

Achter Abschnitt.

Von Erwerbung') der Erbschaften. W-« zur §. 350. Die Erbschaft eines Verstorbenen oder für todt Erklärten2) besteht aus hdn,°-de?'°dem Inbegriffe aller seiner hinterlassenen Sachen, Rechte2) und Pflichten 4). nicht gehöre.---------------------1) Anders nach R.R. Dieses betrachtet die Auswerfung von Missilien und die Besitznehmung derselben als eine Uebergabe an unbestimmte Personen. „— interdum et in incertam personam collocata voluntas domini trausfert rei proprietatem, et ecce, qui missilia jactat in vulgus: ignorat enim, quid eorum quisque excepturus sit; et tarnen, quia vult, quod quisque exceperit, ejus esse, statim eum dominum efficit.“ L. 9 §. 7 D. de acquir. rer. dom. (XLI, 1). Ebenso § 46 J. de rer. div. (II, 1). Hiernach findet eine mittelbare ErwerbunaLart, eine Succession statt, worin eine Schenkung enthalten ist. Das ist der wichtige praktische Unterschied zwischen dem R.R. und dem A. L.R. Nach dem L.R. kann Jemand sein ganzes Vermögen auf diese Weise an Andere übertragen, indem er z. B. Staatspapiere Preis giebt für gewisse Personen, er vollzieht dadurch keine Veräußerung im juri­ stischen Sinne, mithin ist die daraus folgende (originäre) Erwerbung unanfechtbar. 2) Vielmehr der unveränderte Eigenthümer. Denn da er nur mit Vorbehalt die Sache Preis gegeben hat, so geht keine Veränderung in der Person des Eigenthümers vor sich, wenn nicht die ge­ wissen Personen den Besitz ergreifen. Vergl. die vor. Anm.

3) Genau gesprochen kann wohl nicht die Genehmigung der Polizei erforderlich sein, vielrnehr bedarf es, zur Begegnung von Unordnungen, nur der Beaufsichtigung, wie bei allen Oefsentlichkeiten.

1) Nur von der Erwerbung der Erbschaft wird hier gehandelt. Das L.R. nennt den ganzen Inbegriff des Vermögens einer Person, wenn die Rechtsfähigkeit derselben aufgehört hat, sei dies durch den leiblichen Tod, oder durch Todeserklärung, oder durch freiwillige Ablegung der Rechtsfähigkeit (Klostergelübde), — deren Verlassenschaft (Tit. 2 §. 34). Von dem Uebergange der herrenlos gewor­ denen Vermögensmasse als eines Ganzen an einen anderen Herrn handelt das Erbrecht; in Beziehung aus diesen Erwerber nennt das L.R. die Masse Erbschaft (Tit. 2 §. 35). Zur Erwerbung der Erb­ schaft ist nach der Theorie des L.R. ein Titel, d. h. ein Anfallsgrund, und die Handlung der Erwer­ bung erforderlich; in der Wirklichkeit aber fällt die zweite weg, indem der Anfallsgrund ganz allein, ohne Dazutritt einer Handlung des Nachfolgers, die Erbschaft auf diesen überträgt. (§§. 367, 368 d. T.) Um so weniger läßt sich von der Erwerbung einer Erbschaft erschöpfend handeln, ohne die verschiedenen Anfallsgründe zu beachten. In dem Systeme des L.R. aber findet sich keine passende Stelle für das Erbrecht im Zusammenhänge. Denn die Verfasser haben die dinglichen Rechte nur als Folgen oder Entwickelungen der Obligationen und sonstigen Rechtshandlungen aufgefaßt und daher diese als Erwerbungsmittel dinglicher Rechte in Betracht gezogen. Dadurch ist man genöthigt worden, die Lehre von dem'Uebergange der Vermögensmasse einer Person nach dem Wegfalle ihres'Eigenthü­ mers stückweise an mehreren Stellen vorzutragen, und das, wofür sich keine passende Stelle gefunden hat, ganz wegzulassen. So ist man dazu gekommen, die Lehre von der Erwerbung der Erbschaft als unmittelbare Erwerbungsart, und die Testamente als Titel zur mittelbaren Erwerbung des Eigen­ thums zu behandeln, die übrigen Anfallsgründe gelegentlich an verschiedenen anderen Stellen vorzu­ tragen, und das Verhältniß mehrerer Miterben unter sich und zu Dritten in den Titel vom gemein-

Von Erwerbung des Eigenthums.

499

§. 351. Was wegen eines Inbegriffs von Sachen und Rechten überhaupt vor­ geschrieben ist, findet auch bei Erbschaften Anwendung. (Tit. 2, §. 32 sqq.) §. 352. In wiefern die Erbschaft durch das, was gewisse Miterben bei der Thei­ lung unter einander einwerfen müssen, einen Zuwachs erhalte, ist aehöriaen Orts be­ stimmt. (Tit. 17, Abschn. 2P). §. 353. Alles, was an fremdem6) Eigenthume, oder dessen Zuwüchsen, in der Gewahrsam des Verstorbenen gefunden worden, gehört nicht zu seiner Erbschaft?). schaftlichen Eigenthume zu verweisen. Weggelassen hat man die allgemeinen Grundsätze über die Un­ würdigkeit, über das Anwachsrecht bei anderen Anfallsgründen als den» Testamente, über das zur Anwendung kommende Erbrecht bei mehreren Wohnsitzen des Erblassers, worüber man jetzt streitet (s. o. Anm. zu §. 23 der Einl.) u. bergt 2) Es versteht sich, daß hinsichtlich eines für todt Erklärten nur die Vermögensmasse als Erb­ schaft behandelt werden kann, welche an den Orten befindlich ist, wo er für verschollen gilt. Die Todeserklärung ist nichts als die preuß. Form der missto des nächsten Erben eines Abwesenden in possessionem.

3) (6. A.) Zu dem vererblichen Recht zählt das O-Tr. auch das Recht des Erblassers, eine außergerichtliche Schenkung innerhalb sechs Monaten zu widerrufen. O.Tr. III v. 6. Okt. 1871, Entsch. 66 S. 48 f. Die Literatur hat sich einstimmig gegen diesen Satz erklärt. 4) Die in diesem §. gegebene Begriffsbestimmung der Erbschaft ist nicht verschieden von der in §§. 34 und 35 Tit. 2; denn sie umfaßt hier, wie dort, alle Vermögensrechte. Dazu gehören also z. B. auch die Rechte, welche der Erblasser aus einem Versicherungsverträge mit dem Versicherer erlangt hat, und der Erbe, welcher lediglich als solcher in diese Rechte eingetreten ist, hat keine Besugniß, sie nicht als einen Bestandtheil des Nachlasses zu betrachten, resp, die dadurch erlangten Mittel für sich zu behalten, ohne sie zur Deckung der Nachlaßschulden zu verwenden. O.Tr. IV v. 8. Mai 1866, Str. Arch. 62 S. 339. — Ferner gehören dazu d'ie anhängigen Injurienklagen; desgleichen das Recht des Wechselnehmers, einen nicht vollständig ausgesüllten Wechsel durch das Hinzufügen des Zahlungötages und des Remittenten ergänzen zu dürfen. S. Anm. 12 zu §. 360 d. T. — Daß dort der „Pflichten" nicht gedacht ist, während hier von „Rechten und Pflichten" gesprochen wird, bars nach der Sprechweise des L.R. nicht Anstoß geben, indem das L.R. unter „Rechten und Pflichten" die Obligationen versteht. S. o. die Anm. zu §. 92 der Einleitung, und die Anm. 25 zu §. 33 Tit. 2. An andere Pflichten als vermögensrechtliche (Obligationen) ist nicht zu denken. §. 360 d. T. Der dem gemeinen Sprachgebrauche angehörige Ausdruck:' „welche an der Person haften", veranlaßt die wunderlichsten Streitigkeiten. An der Person des Rechtssubjekts haftet Alles, was ihm zusteht. So hat man darüber gestritten, ob ein Verstorbener (in der Person seiner Erben) schuldig sei, ein verbindliches Eheverlöbniß in eine Ehe zu verwandeln, d. h. der Frauensperson die Rechte einer Wittwe des Verstorbenen beizulegen. Man s. den Rechtsfall in den Entsch. des O.Tr. 22 S. 264, noch dazu ein Plenarbeschluß. Der Rechtsgrundsatz ist: es erlischt Alles mit dem Untergange der Person, was in das Personenrecht, d. h. zu den Standesrechten (Statusrechten) und Familienrechten gehört. — Daher sagt das O.Tr. zutreffend, es enthalte einen Widerspruch, wenn der Appellationsrichter das Anerkenntniß einer Frauensperson, sie sei unehelich geboren, für die Erben derselben bindend erachte und zugleich eben wegen dieses Anerkenntnisses ihnen ein Erbrecht an dem Nachlaß eines legitimen Seltenverwandten der danach unehelich geborenen Mutter abspricht. Denn diese eheliche Geburt mit den davon abhängigen Familien- und Erbrechten ist kein vererbliches, zur Erbschaft gehöriges Ver­ mögensrecht, und kein Gegenstand, über welches die betreffende Person durch ein Anerkenntniß gültig bestimmen und ihre Erben irgendwie binden könnte. O.Tr. I v. 18. Juni 1866, Str. Arch. 64 S. 146. 5) Statt „Tit. 17 Abschn. 2" ist zu lesen: §. 303 ff. Tit. 2 Th. II. R. v. 5. Mai 1834 und v. 29. Dez. 1837, Iahrb. 43 S. 445 und 50 S. 469.

6) Dazu gehören auch a) die in dem Nachlasse eines Civil- oder Militärbeamten vorfindlichen Sammlungen, Schriften oder Zeichnungen, welche sich auf den Staatsdienst beziehen, oder vermöge seiner dienstlichen Stellung in seine Gewahrsam gekommen sind. A. G.O. IL 2 §.129; R. v. 8. Juli 1822, Jahrb. 20 S. 44. b) Die in jenem Nachlasse befindlichen Zeichnungen von Festungs­ plänen; gezeichnete Pläne, Risse, Profile einzelner Befestigungsanlagen oder Festungstheile; Entwürfe zur Befestigung im Lande gelegener Orte und Gegenden; die gezeichneten Aufnahmen, Nivellements, Terrains, Rekögnoszirungen, Situationszeichnungen, und die sonstigen gezeichneten Karten, Pläne und Risse, mit Ausnahme der zu landwirthschaftlichen Zwecken, zu Gemeinheitstheilungen und dergleichen eins genommenen Karten. Gerichte und Auktionskornrnissarien haben von solchen in einem Nachlasse oder in einer zu verauktionirenden Masse vorfindlichen Gegenständen ein Verzeichniß anzufertigen und dem Generalkommando der Provinz zuzustellen; und die Erben haben für die ihnen entzogenen Sachen dieser Art den Taxwerth zu erwarten. R. v. 22. Mai 1818, Jahrb. u S. 243. c) Dem Erblasser

500

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 354—360.

verliehen gewesene Ordensinsignien und Ehrenzeichen, welche an die General-Ordenskommission, sowie Kriegsdenkmünzen, welche an die Kirchspiele abzuliefern sind. K.O. v. 7. Febr. 1815 (G.S. S. 10); R. v. 10. Nov. 1817, Jahrb. 10 S. 250; Bekanntmachung der General-Ordenskomm. v. 20. Mai 1840, J.M.Bl. S. 195. Ordensdekorationen in Brillanten, sowie Duplikate von'Insignien, welche die Besitzer aus eigenen Mitteln angeschafft haben, königl. französische Orden und fremde Ver­ dienstmedaillen brauchen nicht abgeliesert zu werden. Bekanntmachung der General-Ordenskomm. v. 21. Juli 1840, J.M.Bl. S. 252. Desgleichen die Auszeichnung für Dienste in der Landwehr nicht. R. v. 12. Febr. 1842, J.M.Bl. S. 66. Außer den königl. französischen sollen auch ausländische Or­ den und Ehrenzeichen, sowie überhaupt mit den Ordens- und Ehrenzeichen auch die Zeugnisse über deren Verleihung, mit Ausnahme der von dem Könige selbst vollzogenen Ordenspatente, an die Or­ denskommission eingesendet werden. R. v. 25. Mai 1841, J.M.Bl. S. 186. Die von der Stadt Hamburg aus Anlaß des großen Brandes gestiftete Erinnerungsmedaille soll nebst dem Patente dar­ über an das Min. der ausw. Angel, zur weiteren Beförderung eingesendet werden; doch können die Hinterbliebenen das Patent auch behalten, wovon jedoch deni Min. bei Einsendung der Medaille jedes­ mal Anzeige zu machen ist. K.O. v. 20. August 1844, J.M.Bl. S. 187. 7) Was nicht zur Erbschaft gehört, kann seitens der Miterben dem Erbschaftsbesitzer auch nicht zur Theilung abgefordert werden. Denn zur Begründung der Theilungsklage in Betreff einer ein­ zelnen Sache (actio communi dividundo) gehört die Behauptung des Miteigenthums, ohne welches eine Theilung nicht gefordert werden kaun, auch wenn der Besitzer selbst nicht Eigenthümer wäre. Hiergegen verstößt düs Erk. d. O.Tr. I v. 19. Okt. 1860, Str. Arch. 39 S. 109. Dort behauptet dasselbe: Ein Miterbe und Besitzer der Erbschaft kann die Theilung einer mit diesem Nachlasse in Besitz genommenen Sache nicht deshalb verweigern und seinen Miterben gegenüber für sich in An­ spruch nehmen und behalten, weil ein Dritter Eigenthümer derselben zu sein' behaupte und er dieses Eigenthum anerkenne. Das ist eine unerwiesen gebliebene und auch unerweisliche Behauptung. Im weiteren Verlaufe der Entscheidungsgründe wird davon Umgang genommen und zu anderen Behaup­ tungen übergegangen. Der Gegenstand des Streites war ein westphälisches Kolonat. Der im Erbschastsbesitze befindliche Miterbe sagte, dasselbe sei Zeitpachr und gehöre dem Gutsherrn, die übrigen als Theilungskläger austretenden Miterben behaupteten Erbpacht. Nach dem oben angegebenen Er­ fordernisse der Theilungsklage hätten sie das Fundament und somit ihr Miteigenthum au der angeb­ lichen Erbpachtsgerechtigkeit behaupten und beweisen müssen. Davon kommt nichts vor; das O.Tr. sagt vielmehr über das Fundament: „An und für sich ist der Antrag der Kläger auf Verurtheilung des Beklagten, das Kolonat als zum Nachlasse — gehörig, unter den Miterben zur Theilung zu bringen, durch das Miterbrecht der Kläger an dem Nachlasse rc., welches sie zur Erbtheilungsklage berechtigt, insofern begründet, als das Kolonat sich im Besitze des Erblassers bei seinem Tode befand und also thatsächlich zu dessen Nachlasse gehörte. Hiermit ist das richtige Fundament der Theilungs­ klage gegen den beklagten Miterben, der das Kolonat mit dem Nachlasse seines Vaters in Besitz ge­ nommen hat, gegeben." Das ist thatsächlich und rechtlich unrichtig. Von der Erbtheilungsklage konnte keine Rede sein;' denn die Erbschaft war schon vorher getheilt worden und es war nur das Kolonat als eine einzelne Sache, wegen des streitigen Anrechts' daran, einer späteren Theilung Vorbehalten geblieben. Deshalb war nur die gemeine Theilungsklage anwendbar. Für diese kann bekanntlich das Miterbrecht des Klägers nicht das Fundament sein; das Miterbrecht dient hier nur als fundamentum intermedium, wenn die Sache (das Kolonat) zur Erbschaft gehört. Das war aber bestritten und das O.Tr. nimmt diese Zugehörigkeit ohne alles Weitere für wahr an, bloß deshalb, weil die an­ geblich fremde Sache sich im Nachlasse befunden hatte. Dann wird, ohne logischen Zusammenhang, fortgefahren: „Er (der Bekl.), der die Sache mit dem Nachlasse des Erblassers in Besitz genommen hat,' ist nicht befugt, diesen Besitz eigenmächtig in einen Besitz Namens des vorgeblichen Eigenthümers, seinen Miterben gegenüber, zu verwandeln, und die Sache auf solche Weise, ohne Zustimmung der am Nachlasse mitb'etheiligten Miterben, dem Nachlasse zu entziehen." Warum denn aber nicht? Wenn das Kolonat wirklich eine fremde Sache war, so ging dieselbe die Miterben, welche sich nicht im Be­ sitze befanden, gar nichts an; die Erwägung trägt' daher zur Begründung der Entscheidung nichts bei. Von dem Beweise darüber: daß die Sache zur Erbschaft gehöre, kommt keine Silbe vor, in dieser Beziehung wird sogar die Parteistellung umgedreht. Der Bekl. hatte nämlich, nach der Erbtheilung, von dem Gutsherrn das Kolonat durch einen mit ihm geschlossenen Vertrag erblich gewonnen. Mit Bezug hierauf wird gesagt: „Er (der Bekl.) konnte den Rechten seiner Miterben: auf Theilung dieses Zugehörs des Nachlasses gegen ihn anzutragen, durch seine einseitigen Berträae mit dem Eigenthums­ prätendenten (Gutsherrn) nichts vergeben." * Das mag unter der gemachten Voraussetzung richtig sein, aber die Hauptsache ist übergangen: wo ist der Nachweis „dieses Zugehörs"? Der Vertrag mit dem Gutsherrn soll, den Miterben gegenüber, eine res inter alios acta sein, aus die sich der Beklagte nicht soll berufen dürfen. Das mag wahr sein, thut aber nichts zum Vortheile der Kläger bezüglich auf die Begründung ihrer Klage: der Bekl. braucht nur das Eigenthum des Erblassers und folgeweise das Miteigenthum der Kläger zu bestreiten. „Aus eigenem Rechte", wird weiter gesagt, „darf daher der Beklagte der Theilunqsklage nicht widersprechen." Das kann er auf sich beruhen lassen, er, als Be­ sitzer, kann aber der Klage widersprechen, weil er das Miteigenthum der Kläger bestreitet. — Schließ-

Bon Erwerbung des Eigenthums.

501

§. 354. Auch dürfen Lehne«) und Fideikommisse«) welche der Erblasser be­ sessen hat, dazu nicht gerechnet werden. §. 355. In sofern aber dem Erblasser aus dergleichen fremde Sachen (§§. 353, 354) Rechte zukommen, welche ihrer Natur nach durch den Tod nickt erlöschen, ma­ chen diese Rechte einen Theil der Erbschaft auS. §. 356. Insonderheit gehört alles, was der Erblasser wegen der aus solche Sa­ chen verwendeten Kosten zu fordern berechtigt wäre, zu seiner Erbschaft. §. 357. In wiefern vorhandene oder rückständige Früchte und Nutzungen solcher Sachen zur Verlassenschaft gehören, oder nicht, ist nach dem Unterschiede der Vermö­ gensarten durch besondere Gesetze bestimmt. (Tit. 18, Abschn. 1; Th. II, Tit. 4.) §. 358. Der, welchem dergleichen fremde Sachen zugehören, oder vermöge der Gesetze zufallen, ist dieselben aus dem Nachlasse eigenmächtig an sich zu nehmen nicht befugt. §. 359. Vielmehr muß er die Ausantwortung derselben von dem Erben erwar­ ten, oder durch richterliche Hülfe bewirken 10 * *).11 *****89 §. 360. Rechte, Verbindlichkeiten, Lasten und Strafen, welche bloß an der Per­ son des Erblassers haften1X), sind zu seiner Erbschaft nicht zu rechnen12). (Einleit. §. 10613); Tit. 2 §. 40.) lich heißt eS: „Es fragt sich nur noch: ob der Bekl. als Erwerber der Ansprüche der Gutsherrschaft anzusehen sein und als Nachfolger in deren Rechte das Eigenthum des Kolonats gegen den elterlichen Nachlaß (?) in Anspruch nehmen, mithin auf diesem Wege die Theilung abwenden könne? Es hat aber weder die Gutsherrschaft, noch der Bekiagte selbst einen solchen Bindikationsanspruch förmlich erhoben, Bekl. hat nicht reconveniendo auf Zuerkennung des Eigenthums, seinen Miterben gegenüber, angetragen, was der richtige Weg gewesen wäre." Hierdurch werden die Besitz- und Rechtsverhältnisse, sowie die Stellung der Parteien'völlig umgekehrt: dem Besitzer wird die Nothwendigkeit der Vindika­ tion der Sache, die er eben besitzt, oktroyirt. Das Sach- und Rechtsverhältniß war dieses: Der Bekl. war Erbschastsbesttzer. In der Erbschaft befand sich eine einzelne Sache, die ein Fremder al^ die seinige in Anspruch nahm. Der Erbschaftsbesitzer erkennt das Recht des Prätendenten an. Er hätte nun dem Prätendenten die Sache ausantworten können. Dadurch würde er den Miterben, die nicht im Besitze waren, verantwortlich geworden sein, wenn er sich ein Versehen hätte zu Schulden kommen lassen, und sie hätten die Sache von dem Fremden vindiziren können. Statt dessen kauft er dem Fremden die Sache für sich selbst ab und macht sich zum Besitzer derselben. Hat sich beim da­ durch das Verhältniß der nicht im Besitze befindlichen Miterben zur fremden Sache verändert? Die Sache steht so wie in jenem Falle. Wenn die Miterben solche als eine dem Erblasser zugehörig ge­ wesene heraus haben wollen, so müssen sie, und nicht der Besitzer, dieselbe vindiziren. — In einem anderen ähnlichen Falle sagt das O.Tr.: Wenn der das Antheilsrecht der Miterben bestreitende Mit­ erbe nicht ein eigenes, das prätendirende Antheilsrecht ausschließendes Recht auf im Nachlasse des Erblassers befindliche Sachen geltend macht, so läuft der Einwand, daß der Erblasser nicht Eigen­ thümer derselben gewesen sei, auf eine unzulässige exceptio de jure tertii hinaus. O.Tr. I v. 24. Juni 1864, Str. Arch. 53 S. 318. Auch dieser Entscheidung ist nicht beizutreten. Es handelte sich auch in diesem Falle um einige einzelne Stücke, welche nach der Erbtheilung im Besitze des einen Miterben sich befanden und von anderen Miterben mit der Theilungsklage verfolgt wurden. Der beklagte Be­ sitzer bestritt das Miteigenthum der Kläger und daraus wird hier eine exceptio de jure tertii ge­ macht, um die negative Litiskontestation zu neutralisiren. Diese vermeintliche exceptio kommt hier gar nicht zur Existenz. 8) Die Errichtung von Lehen ist untersagt. Der in Bezug auf die vorhandenen Lehen nock be­ stehende Lehnsverband soll durch gesetzliche Anordnung aufgelöst werden. Diese Bestimmungen finden auf Thronlehen und auf die außerhalb des Staates liegenden Lehen keine Anwendung. G. v. 5. Juni 1852, G.S. S. 319. 9) Das Staatsgr.-G. Art. 40 und 41 enthielt die gleiche Bestimmung (Anm. 8) auch hinsicht­ lich der Familien-Fideikommisfe. Dies ist durch das G. v. 5. Juni 1852, G.S. S. 319, wieder aufgehoben. (6. A.) Die aus einem wechselseitigen Testamente den Verwandten des Erstverstorbenen nach dem Tode des Ueberlebenden zufallende Erbschaft ist dem Nachlasse des Ueberlebenden nicht zuzurechnen. O.Tr. I v. 4. März 1870, Entsch. 63 S. 211 f. (Bergt. I v. 9. Juli 1871, Entsch. 23 S. 193.)

10) Der Fideikommißfolger steht zu dem Erben in dem Verhältnisse eines Legatars. 11) Dazu gehört auch der Besitz, dieser kann, als ein thatsächliches Verhältniß des ErblasierS,

502

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 361—368.

§. 361. In sofern aber aus Rechten oder Pflichten, die mit dem Tode des Erb­ lassers erlöschen, noch bei seiner Lebenszeit Folgen entstanden sind, die ein nach Gelde zu schätzendes Interesse begründen, gehört dieses Interesse allerdings zu seinem Nach­ lasse 14). §. 362. Rechte und Pflichten aus Verträgen"), ingleichen diejenigen, welche den Ersatz eines aus unerlaubten Handlungen") entstehenden Schadens betreffen, werden in der Regel der Erbschaft beigerechnet. §. 363. Geldstrafen sind aus der Erbschaft nur in sofern zu entrichten, als sie gegen den Erblasser wirklich schon erkannt17), oder doch die Untersuchung 18) gegen ihn schon so weit geschlossen worden, daß der rechtlichen Festsetzung ferner nichts im Wege steht"). §. 364. Sachen aber, die wegen eines baran20) begangenen Verbrechens dem Fiskus verfallen sind, müssen demselben aus dem Nachlasse verabfolgt werden24), auch wenn der Erblasser den Abschluß der Untersuchung und die Eröffnung des Kon­ fiskationsurtels nicht mehr erlebt hat. §. 365. Die Kosten der Untersuchung treffen in allen Fällen den Nachlaß, so­ bald erhellet, daß der Verstorbene zu der Untersuchung auch nur durch Versehen, oder unvorsichtiges Betragen, gegründeten Anlaß gegeben habe. §. 366. Mit den Rechten und Pflichten in Ansehung der Konventionalstrafen hat es eben die Bewandtniß, wie mit andern aus Verträgen entspringenden Befugnis­ sen und Verbindlichkeiten22). nicht ohne die besitzende Person fortdauern, folglich auch nicht auf den Erben übergehen. Bergl. O.Tr. Plen. v. 2. Mai 1842, Entsch. 8 S. 8. S. auch o. die Anm. 4. —- Desgleichen die gesetzliche Alimentationsverbiudlichkeit. Unten Anm. zu §. 647 Tit. 2 Th. II — Auch die Haftbarkeit der persön­ lichen Freiheit ist nicht vererblich, daher gegen den Erben der Schuldarrest wegen einer aus ihn ver­ erbten Schuld nicht zulässig ist. Bergl. Ä. D. W.O. Art. 2 Nr. 1 und Code civil Art. 174. 12) Ueber die Vererblichkeit der Injurienklage s. Koch, Erbrecht §. 7 Nr. 4 lit a (S. 90), (6. A.) und über die Fortsetzung der Injurienklage durch die Erben, Str. Arch. 86 S. 140. (S. s. Strass.) — (6. A.) Recht auf einen Altentheil. O.Tr. III v. 28. März 1873, Entsch. 69 S. 220 s. Das Recht des Wechselnehmers, einen nicht vollständig ausgefüllten Wechsel durch das Hinzu­ fügen des Zahlungstages und des Remittenten ergänzen zu dürfen, geht auf die Erben über. O.Tr. IV v. 13. Juli 1867, Entsch. 58 S. 331. M. s. auch oben Anm. 4 zu §. 350 d. T. (6. A.) Die Verpflichtung, einen Manifestationseid zu leisten, fällt nicht unter §. 360, sondern unter §. 350. Str. Arch. 80 S. 253 (I). 13) Statt „106" ist „102" zu lesen. R. v. 14. Juli 1837, Jahrb. 50 S. 469.

14) Z. B. die Kosten aus Prozessen der Ehefrau.

R. v. 18. April 1836, Jahrb. 47 S. 519.

15) Bergl. Tit. 5 §. 415. (6. A.) Aus einer Bürgschaft für später zu machende Schulden R.O.H.G. v. 27. Septbr. 1873, Entsch. 11 S. 4. 16) Bergl. Tit. 6 §. 28 und die Anm. 27 dazu.

17) Wenngleich nur durch ein Resolut der Finanz- oder Polizeibehörde. R. vom 29. Januar 1814, Jahrb. 3 S. 18. Vorausgesetzt jedoch, daß gegen ein solches Resolut nicht mehr die Beru­ fung auf rechtliches Gehör zulässig ist. Ist dies der Fall, so kann das Resolut nicht rechtskräftig werden, denn die gerichtliche Untersuchung ist unmöglich geworden. 18) Darunter ist die gerichtliche Untersuchung (der strafrechtliche Prozeß) zu verstehen. 19) Die ganze Bestimmung des §. 363 ist durch den §. 30 des Deutschen St.G.B. dahin abge­ ändert, daß Geldstrafen in den Nachlaß eines Angeschuldigten nur dann vollstreckt werden können, wenn derselbe bei Lebzeiten rechtskräftig verurtheilt worden ist. 20) „Daran", wie z. B. bei der Steuerdefraudation die Waaren, oder auch „damit", wie bei Jagdfreveln und Wilddiebereien die Jagdgeräthe und bei Berbrechen überhaupt die Instrumente, mit welchen das Berbrechen verübt ist. Krim.-Ordn. §. 638. 21) Die gegen einen Nachlaß geltend zu machende Konfiskation ist ausschließlich im Wege des Untersuchungsverfahrens zu bewerkstelligen, auch wenn gegen den Thäter bei seinen Lebzeiten noch keine Anklage erhoben worden war. 42 des Deutschen Str.G.B. schreibt vor, daß, wenn die Berurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar ist, die Einziehung selbstständig erkannt wer­ den kann.

Don Erwerbung des EigenthumS.

503

§. 367. Sobald der Erblasser verstorben, oder für todt erklärt ist23), fällt die Erbschaft an denjenigen, welchen rechtsgültige Willenserklärungen des Erblassers, oder, in deren Ermangelung2 ^), die Vorschriften der Gesetze 25) dazu berufen. §. 368. Dieser erlangt das Eigenthum23) der Erbschaft, nebst allen damit ver­ bundenen Rechten und Pflichten, ohne daß es weiter einer Besitzergreifung27) bedarf28). 22) Weil Konventionalstrafen nur ein voraus verabredetes Interesse sind. UebrigenS ist die ganze Kasuistik von §§. 353—366 ohne ein ausgesprochenes Rechtsprinzip; dieses muß aus der Kasuistik erst abstrahirt werden. Vergl. Anm. 4. a. E. 23) Als Todestag gilt dann der Tag, an welchem daS Todeserklärungsurtel rechtskräftig wird. Th. II Tit. 18 §. 835.'— Ueber den Zeitpunkt, mit welchem ein Todeserklärungs-Urtel für' rechts­ kräftig anzusehen, wenn ein Rechtsmittel gegen dasselbe nicht eingelegt worden ist, s. m. unten die Anm. zu §. 835 II. 18. 24) Nicht bloß in deren Ermangelung, sondern auch daun, wenn Pstichttheilsberechtigte vorhan­ den sind, welche, ohne daß die Erbeseinsetzung nichtig wird, nebenher contra tabulas succediren. Dieser Punkt, aus welchem manche andere Sätze klar werden, ist einer von denen, welche bei der zerrissenen Behandlung des Erbrechts ganz verloren gegangen sind, ohne daß doch eine Aenderung des Rechtszustandes hat stattfinden sollen. ‘

25) Welcher?

Darüber s. o. die Anm. zu §. VIII des Publ.-Patents, u. zu §. 23 der Einl.

26) (6. A.) An dem in §. 367 ausgesprochenen Grundsatz über den Erwerb einer Erbschaft ist auch in Betreff der zur Erbschaft gehörigen Grundstücke durch das Gesetz über den Eigenthumeerwerb v. 5. Mai 1872 nichts geändert. Dagegen erlangt der Erbe eines Grundstückes das Recht, das Grund­ stück zu veräußern (aufzulassen) und zü belasten, erst durch seine Eintragung im Grundbuch. Mit­ erben können jedoch ein ererbtes Grundstück auflassen, auch wenn sie nicht als Eigenthümer im Grund­ buch eingetragen sind (§. 5 des Ges.). Nicht aber den Besitz; dieser muß besonders ergriffen werden. So auch nach R.R. L. 23 pr. D. de acquir. vel amitt. poss. (XLI, 2). Der Erbe hat daher nicht die possessorische Klage auf Wie­ derherstellung oder Schutz des Besitzes von Erbschaftssachen, wenn die Störung seines Rechts zum Besitze nach dem Aufalle, jedoch vor der Besitznahme der Erbschaft vorgekommen ist. O.Tr. I (Pr. 1190) v. 13. Septbr. 1842, Pr.-S. 1 S. 252, und Pl.-Beschl. (Pr. 2161) v. 7. Nov. 184^ Entsch. 18 S. 3. Wohl aber geht die Posfessorienklage wegen einer schon vor dem Tode des Erb­ lassers vorgesallenen Besitzentziehung oder Störung auf den Erben über, gemäß §. 361 d. T. — Das wird auch von dem O.Tr. Ili in dem Erk. v. 10. Mai 1861, Str. Arch. 41 S. 241 , aner­ kannt und angewendet. — Doch ist das Gesagte bei dem interdictum retinendae possessionis (wegen bloßer Störung) nur vom Schadensersätze, insoweit das Interdikt nad) seinem Prinzip auch auf einen solchen geht, zu verstehen, denn hinsichtlich der Hauptsache (Schutz im Besitze gegen fernere Störung) ist der Uebergang des Interdikts nicht denkbar, weil der zu schützende Besitzer nicht mehr vorhanden ist. Zur Erlangung des Besitzes der Erbschastsstücke hat der Erbe, wenn die außergerichtliche Besitz­ ergreifung unthunlich ist, folgende Rechtsmittel: 1) er kann die einzelnen Sachen, welche ein Dritter okkupirt hat, von diesem als einem possessor pro possessore vindiziren, oder, wenn sein Eigenthum bestritten wird, mit der Erbschaftsklage abfordern, L. 16 §.4 D. de bered, pet. (V, 3); 2) er kann von dem interdictum quorum bonorum Gebrauch machen, s. unten Anm. 27 zu §. 484 Abs. 1 a. E. und L. 2, 3 C. quorum bonorum (VIII, 2): 3) hat er ein förmliches Testament für sich, so kann er eine missio in bona fordern, Tit. 12 §. 244 und L. 3 C. de edicto D. Hadriani toll. (VI, 33).

27) Die Erbschaft wird in dem Augenblicke des Anfalles, ohne Zuthun, selbst ohne Wissen und Willen des Erben, ipso jure erworben. 'Suarez giebt über den, in den §§. 367 und 368 enthalte­ nen Rechtssatz folgende Rechtfertigung: Der Satz scheine zwar der Regel des R.R. entgegen: hCre­ dites non adita non transmittitur. Erwäge man aber etwas genauer die vielen Ausnahmen von die­ ser Regel (Hellseid, ad P. §. 1496), so werde man finden, daß sie die Regel (die ohnehin nur aus der JuHsprudentia formularia und der Theorie von actibus legitimis bei den Römern beruhe) ganz aushöben; zumalen bei uns, wo jeder Erbe, der sich in der bestimmten Frist nicht erkläre, ipso jure für einen Benefizialerben angenommen werde. Dazu ist von Goßler angemerkt: „Ist auch schon in praxi angenommen." Jahrb. 41 S. 12. Daraus erkennt man den Weg, auf dem man sich befand. Der angenommene Grundsatz ist der uralte, nicht im Bewußtsein gewesene deutschrechtlidie: der Todte ergreift den Lebendigen (le mort saisit le vif). Dieser unbewußt in das L.R. ein­ geführte Grundsatz paßt jedoch nicht zu dem römischen Institute des Inventariums; denn dieses setzt eine bewußte Erwerbung der Erbschaft durch Antretung voraus. Daher kommt es, daß das Volk dieses zufällig zusammengewürfelte Erbrecht nicht kennt, und Viele durch die Versäumung der recht­ zeitigen Einbringung des Inventariums, das sie nicht für nöthig halten, weil sie meinen, nicht Erbe geworden zu sein, gefangen werden. Die vorlandrechtliche Gesetzgebung in der Kur- und Neumark

it Erbanfall.

504

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 369—384.

§. 369. Ist aber Jemandem eine Erbschaft unter einer zu Recht beständigen aufschiebenden Bedingung hinterlassen worden, so wird er nur von der Zeit der Er­ füllung dieser Bedingung Eigenthümer der Erbschaft ^). §. 370. Stirbt der Erbe, noch ehe er die Erbschaft in Besitz genommen hat, so geht dennoch sein Recht daran30 * * )*31 *auf *32 * * seinen * * * * * Erben * * 28 29über. §. 371. Hängt die Frage: wem eine Erbschaft angefallen sei, davon ab: ob eine bei dem Tode des Erblassers vorhandene Leibesfrucht lebendig zur Welt kommen werde, so muß dieser Erfolg abgewartet3 x) werden. §. 372. Würde die Leibesfrucht, wenn sie zur Welt käme, alle Andern ausschlie­ ßen, so muß derjenige, welcher vermöge der Gesetze, oder richterlicher Anordnung, Kurator derselben ist, zugleich zum Verlassenschafts32)-Kurator bestellt werden. §. 373. Dieser mu§, unter Aussicht des Gerichts, den Nachlaß für die Leibes­ frucht verwalten; er darf aber wegen der Substanz desselben, ohne Zuziehung und Einwilligung derjenigen, welche in Ermangelung der Leibesfrucht die nächsten zur Erbschaft sein würden, nichts verfügen. war nicht so unlogisch. Dort ist nach dem ErbschaftS-Ed. v. 30. April 1765 Abth. 2 der berufene Intestaterbe nicht ipso jure Erbe, sondern er wird eS nur durch seinen ausdrücklich erklärten oder, bei unterlassener Erklärung binnen der in den Gesetzen bestimmten Frist stillschweigend vorausgesetzten Willen. Dagegen setzen die Vorschriften des L.R. über die Fristen zur Erklärung über die Antre­ tung einer Erbschaft und über den Verlust der Rechtswohlthat deS Inventars (§§. 383 ff., 424 ff.) die Erbschaftserwerbung, sobald der Erblasser verstorben oder für todt erklärt ist, voraus. Daher steht nach jenem Provinzialrechte dem Berufenen, so lange er nicht pure sich für Erben erklärt hat oder dafür rechtskräftig erkannt worden, immer noch frei, der Erbschaft zu entsagen. Aus eben den­ selben Gründen steht daher auch in der Kur- und Neumark gegen die Nichterbeserklärung, wenn hiernächst über das Vermögen des Berufenen Konkurs eröffnet wird, seinen Gläubigern ein WiderspruchSrecht nicht zu. Pr. des O.Tr. III 42 u. I 43, v. 21. u. v. 10. Febr. 1834 (Pr.-S. 1 S. 31), welche unmittelbar zwar nur von dem Hinterbliebenen Ehegatten sprechen, aber doch nur in Anwen­ dung eines allgemeinen Grundsatzes. Vergl. auch O.Tr. v. 7. April 1834, in Simon, RechtSspr. 4 S. 60. 28) Die Worte: „ohne daß es einer Besitzergreifung bedarf", sind an sich überflüssig, denn zur Erwerbung der Erbschaft (der Universitas Juris) bedarf es auch nach Röm. und Gem. R. keiner Be­ sitzergreifung. Es soll aber damit auch nur ausgedrückt werden, daß es zur Erwerbung der Erb­ schaft als Ganzes überhaupt gar keiner Erwerbungsart bedarf. (6. A.) Vergl. oben §. 4 d. T.

29) Bis dahin ist der Intestaterbe Eigenthümer der Erbschaft, und steht zu den bedingt berufenen Testamentserben in dem Verhältnisse eines Fiduziars. Tit. 12 §. 478. 30) Nämlich die Erbschaft selbst; denn der Erbe hat sie schon im Augenblicke der Eröffnung ipso jure erworben. S. die Anm 27. — Der allgemeine Ausdruck umfaßt aber auch den Fall des §. 369 und insofern ist die Bestimmung deS §. 370 wichtig, es werden dadurch zugleich die Substi­ tuten und die Jntestaterben ausgeschlossen. Vergl. Tit. 4 §. 161 u. Tit. 12 §. 485. (Anders nach oft. G.B. §. 809. Dort wird die Erbschaft nicht ipso jure erworben, §. 547, aber doch vor der Uebernahme transmittirt, §. 537, wenn nicht Substituten bestellt sind, §. 809.) — Der allgemeine Ausdruck sagt zugleich auch, daß der Erbeserbe so wenig wie der Berufene gezwungen werde, die transmittirte Erbschaft anzunehmen. Vergl. unten §. 397. Ferner trifft der allgemeine Ausdruck auch den Vertragserben und dessen Erben, und endlich enthält er die Voraussetzung', daß der TranS-

missar Erbe des Transmittenten geworden sein muß, was gemeinrechtlich streitig ist. 43 S. 214 u. 493.

Vergl. Glück

31) Dem schon erzeugten Kinde wird die Erbschaft, welche ihm zusallen würde, wenn es schon geboren wäre, bis zu seiner Geburt aufbewahrt. S. die Anm. zu §. 12 Tit. 1. — L. 26 D. de statu hom. (I, 5); L. 3 D. si pars (V, 4), L. 7 D. de reb. dubiis (XXXIV, 5); L. 36 D. de sol. (XLVI, 3).

32) Der Kurator hat mithin zwei verschiedene Kuratelen. Warum der Kurator der Leibesfrucht als solcher nicht zugleich in Besitz und Verwaltung der Erbschaft gesetzt werden kann, wie es nach R.R. geschah [L. 20 D. de tutor. et cur. (XXVI, 5); L. 1 §. 18 D. de ventre in poss. (XXXVII, 9)], ist nicht zu finden. In der That ist keine Personenverschiedenheit vorhanden. Vergl. die §§. 373, 374. Aber in der Wirklichkeit hat der Berlaffenschastskurator doch ein anderes Offizium als der Kurator der Leibesfrucht, er ist Sequester im Interesse dieser nicht allein, sondern auch des nach ihr Berufe­ nen, so daß er, wie sie nicht lebend zur Welt kommt, im Namen des Letzteren besessen und ver­ waltet hat. Vergl. Koch, Erbrecht §. 143.

Bon Erwerbung des Eigenthum-.

505

§. 374. Ueberhaupt muß er die einem Kurator unbekannter oder abwesender Erben unten (§. 471 sqq.) zu ertheilenden Vorschriften beobachten. §. 375. Kommt keine lebendige Leibesfrucht zur Welt, so wird die Sacke so genommen, als wenn der Anfall sofort an diejenigen gediehen wäre, welche zur Zeit des Todes, durch Gesetze oder Willenserklärungen, nächst der Leibesfrucht dazu beru­ fen waren. §. 376. Diesen Erben müssen daher auch alle in der Zwischenzeit gefallene Nu­ tzungen des Nachlasses mit der Substanz zugleich verabfolgt werden. §. 377. Doch müssen dieselben nicht nur die Administrations-Kosten, sondern auch alles, was zum Besten der Leibesfrucht und zur Verpflegung der Mutter3 3), aus dem Nachlasse und dessen Nutzungen verwendet worden, sich anrechnen lassen. §. 378. Würde die Leibesfrucht, wenn sie lebendig zur Welt käme, nicht alle Andern ausschließen, sondern nur mit Andern zugleich an der Erbschaft Theil nehmen, so können die übrigen Erben verlangen, daß ihnen die Verwaltung des Nachlasses auf­ getragen werde. §. 379. Sie müssen aber dabei den Kurator der Leibesfrucht zuziehen, und sind in ihrer Verwaltung an eben die Einschränkungen gebunden, welche dem Verlassen­

schafts - Kurator nach §§. 373, 374 vorgeschrieben sind. §. 380. Die Theilung der Erbschaft muß so lange ausgesetzt bleiben, bis ent­ schieden ist: ob die Leibesfrucht lebendig zur Welt kommen werde. §. 381. Die Administrations-, ingleichen die Verpflegungskosten der Leibes­ frucht und ihrer Mutter3 4), werden auch in diesem Falle, ohne Unterschied: ob er­ stere lebendig zur Welt kommt oder nicht, von der ganzen Masse, vor der Theilung abgezogen. §. 382. Mehrere zugleich zu einer Erbschaft berufene Personen werden Miteigevthümer derselben. (Tit. 17, Abschn. 2.) §. 383. Jeder, dem eine Erbschaft anheim gefallen ist35 33 ),34hat die Wahl: ob er Bon der Ueberledieselbe mit vorstehenden Rechten und Pflichten übernehmen, oder ihr entsagen wolle36).37 gungSftist. 38 §. 384. Zur Erklärung hierüber wird demselben eine Frist von Sechs Wo­ chen3'), nach erlangter Wissenschaft33), verstattet. 33) Stimmt mit dem Tit. D. de ventre in poss. mittende et curatore ejus Überri n, wonach der -schwangeren Frau zu ihrer und mittelbar zu des Kindes Erhaltung das Bedürfniß aus der Erb­ schaft angewiesen werden konnte. 34) S. die vor. Anm.

35) Auch der Fiskus, welchem eine erblose Verlassenschast anheimfällt, ist als Erbe anzusehen und der Erbschaft zu entsagen befugt. O.Tr. III (Pr. 1025) v. 26. Juni 1841, Entsch. 7 S. 155. Wem sie nicht angefallen ist, »veil er sich derselben durch einen Erbentsagungsvertrag entschlagen hat, braucht sich über nichts zu erklären. Unten Anm. zu §. 484 Tit. 2 Th. II.

36) Wer eine ihm angesallene Erbschaft ausschlagen oder nur mit Vorbehalt antreten will, hat auch dann, wenn der Konkurs über das Vermögen des Erblassers eröffnet, und bei dessen Ableben noch nicht beendet war, der Erbschaft rechtzeitig' zu entsagen oder beziehungsweise ein vollständiges Inventarium über den Nachlaß innerhalb der gesetzlichen Frist niederzulegen. v. 30. Mai 1840, Entsch. 5 S. 351.

O.Tr. III (Pr. 878)

37) S. unten die Anm. zu §. 412. 38) (6. A.) Die Frist ist eine Erklärungs-, nicht eine Verjährungsfrist; für den Zeitpunkt des Eintritts der Wissenschaft besteht keine Präsumtion. Der Gegner des entsagenden Erben muß den Beweis führen, daß der Erbe den Anfall schon früher erfahren hat, mithin die Entsagung verspätet sei. R.O.H.G. v. 28. April 1871, Entsch. 2. S. 230 f. — Die dem Erben gesetzlich zustehende Ueberlegungsfrist beginnt für einen Pflegebefohlenen erst mit dem Tage, an welchem der demselben bestellte Vormund von dem Anfälle der Erbschaft an Ersteren Kenntniß erhalten hat. O.Tr. IV (Pr. 1893) v. 2. Juli 1847, Entsch. 16 S. 126. Auf die Kennt­ niß des Vormundes vor seiner Bestellung kommt nichts an, diese Zeit wird nicht mitgerechnet. Auch die Kenntniß eines Anderen, als: der Mutter, des Vormundschastsrichters, ist unerheblich. Diese Frist ist gegen den, welchem die Erbschaft durch Entsagung eines Anderen zugefallen ist,

506

Erster Theil.

Neunter Titel,

tztz. 385—389.

von dem Tage an zu berechnen, an welchem er durch den Richter von der erfolgten Entsagung in Kenntniß gesetzt worden ist — nicht von dem Tage der erlangten Privatwissenschaft. O.Tr. III (Pr. 1704) v. 21. Febr. 1847, Entsch. 13 S. 140. Bergl. die §'§. 421, 427 d. T. (7. A.) Bei wechselseitigen Testamenten beginnt dieUeberlegungssrist erst mit der Publikation des Testamentes, nicht schon mit der Kenntniß vom Tode des vorverstorbenen Ehegatten. (Bergl. auch I. 12 §. 242.) O.Tr. I v. 23. Febr. 1874, Str. Arch. 92 S. 132. Bergl. auch R.O.H.G. v. 21. Febr. 1874, Entsch. 12 S. 436. Die Pflicht zur Erklärung über den Antritt der Erbschaft läuft auch gegen denjenigen in einem Testamente eingesetzten Erben, welcher ein Pflichttheilsberechtigter ist, erst von dem Tage, an wel­ chem ihm das Testament eröffnet worden. Dieser Satz war streitig und ist durch den Pl.-Beschl. (Pr. 2264) v. 6. Januar 1851, Entsch. 20 S. 10, für richtig erklärt worden. Der Satz ist aber unrichtig und die Minorität, welche den s. g. Notherben als einen Erben von Rechtswegen von jedem anderen Erben unterschieden wissen will, hat tiefer geblickt als die Majorität. Die Begründung und Rechtfertigung des Satzes seitens der Majorität ist nicht gründlich geschöpft. Es wird behauptet, das Recht des Noth erben sei kein qualitativ verschiedenes Erbrecht; denn die Erbschaft werde deferirt nach R.R., wie nach dem L.R., erstens durch Testament, zweitens durch das Gesetz. Nach R.R. ist das vollkommen falsch. Die lestamentarische und die gesetzliche Erbfolge sind freilich gleichartig, indem der Testamentserbe ganz dieselbe Bedeutung und Berechtigung hat wie der Jntestaterbe-, denn Beide sind Erben kraft des'Willens des Erblassers. Der Wille ist nur auf verschiedene Weise aus­ gedrückt, und nach den beiden Ausdrucksweisen werden zwei Delationsgründe: letzter Wille und Gesetz, angegeben. §. 6 J. per quas personas cuique (II, 9). Aber die Majorität ignorirt, daß das R.R. noch einen dritten Delationsgrund hat, der jenen beiden nicht gleichartig ist, nämlich: die ab­ solute Berufung gewisser Personen, ohne Rücksicht auf den Willen des Erblassers, durch positive Vorschrift von zwingender Natur, wodurch die Erbfolge selbst gegen den letzten Willen (successio contra tabulas) begründet wird. Das Erbrecht dieser Personen ist allerdings ein qualitativ verschie­ denes. (In neuerer Zeit hat der dritte Delationsgrund auch die Ehre einer Art von Anerkennung seitens des O.Tr. gefunden, welche jedoch abgelehnt werden muß. „Der Notherbe ab intestato hat ein wahres Forderungsrecht an den Nachlaß, ein qualifizirtes Erbrecht," heißt es in dem Erk. I v. 22. Mai 1854, Entsch. 28 S. 95. Das ist ein innerer Widerspruch: „ein wahres Forderungsrecht" ist kein Erbrecht, und ein Erbrecht ist kein Forderungsrecht. Dem Urtelsfasser sind die wesentlich sehr verschiedenen Begriffe unklar und deshalb nicht geläufig gewesen, denn einige Zeilen darauf sagt er wieder: „Der Pflichttheil ist ein Erbrecht, welches der testamentarischen Dispositionsbefugniß des Erblassers vorgeht." So ist es freilich, aber doch fehlt die bewußte und logisch konsequente An­ wendung dieses Rechtsbegriffes. Dagegen kommt in dem Erk. I v. 4. April 185*5, Entsch. 31 S. 40, die Anerkennung des in Rede stehenden Delationsgrundes zum bewußten Ausdrucke in den Worten: „Der Notherbe ist eben Erbe wider den Willen des Erblassers." — „Der Pflichttheilsberechtigte ist an und für sich, selbst, wenn er mit einem bloßen Legate, oder sonst mit einer bestimm­ ten Summe, bedacht sein sollte, als Notherbe stets wahrer Erbe', und ein Erblasser hat gar keine Befugniß, ihm die Erbesqualität zu nehmen und ihn zum Legatar zu machen." So ist es.) Was in der Begründung jenes Satzes aus dem R.R. beigebracht wird, daö Alles bezieht sich gar üicht auf die successio contra tabulas, sondern auf das Verhältniß der andern beiden Anfallsgründe zu einander. Außer allem Zusammenhänge mit der Sache und gegen den Quelleninhalt ist u. A. der Grund, warum das Erbrecht dieser gewissen Personen (der Notherben) kein qualitativ verschiedenes sein soll. „Denn," heißt es, „wenn auch der römische rechtliche Satz: nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest, durch das A. L.R. (§. 45 I. 12) aufgehoben ist, so hebt doch die Existenz eines sülchen Verwandten die Befugniß, zu testiren, nicht auf, sondern das Recht des Noth­ erben bezieht sich nur auf einen ideellen Theil der Erbschaft, und, wenn dieses Recht gewahrt ist, bleibt das Testament in allen übrigen Beziehungen gültig, so daß in jedem Falle dasselbe den nächsten und daher ausschließlichen Grund der Delation der Erbschaft bil­ det." Der Schluß folgt nicht aus der Voraussetzung. Jener Satz: nemo pro parte etc. ist, in Beziehung auf den Notherben, nicht erst durch das L.R. aufgehoben, sondern er galt schon nach R.R. bei der successio contra tabulas nicht, vielmehr konnte diese mit der testamentarischen konkurriren. L. 1 pr. D. de bonor. poss. contra tabulas (XXXVII, 4); L. 4 pr., L. 19 D. eodem. Das Ver­ hältniß der drei Ansallögründe zu einander war dieses: das Testament schloß die Jntestaterbsolbe ganz aus, wurde selbst aber durch den dritten Grund, in tantum beseitigt. Das L.R. hat darin weiter nichts geändert, als daß das Testament auch mit dem Gesetze konkurriren kann, die Erbfolge des Notherben aber ist unverändert geblieben. Hiernach beginnt die Frist für den Testamentserben mit dem Tage der Publikation oder,' wenn er dabei nicht gegenwärtig war, mit dem Tage der Zu­ stellung der Testamentsausfertigung; für den Notherben aber, wie für den zuerst berufenen Jntestaterben, mit denl Tage, an welchem ihm der Tod des Erblassers bekannt geworden. Denn wenn auch bei dem testamentarisch eingesetzteu Notherben zwei Anfallsgründe zusammentreffen, so verdankt er sein Erbrecht auf einen gewissen Theil des Ganzen doch nicht dem Willen des Erblassers, sondern dem absolut gebietenden Gesetze, er weiß mithin, daß er Erbe jedenfalls geworden, mag der Wille

Von Erwerbung deS Eigenthum«.

507

§. 385. Ist der Aufenthalt des Erben über vierzig Meilen von dem letzten Wohn­ orte des Erblassers") entfernt, so kommt ersterem eine dreimonatliche Fnst zu Gute. §. 386. Während dieser Frist ist der Erbe auf Forderungen der Erbschaftsgläu­ biger sich einzulassen"), und Prozesse, die von dem Erblasser oder gegen ihn ange­ stellt worden, fortzusetzen"), nicht schuldig. §. 387. Doch können die Gläubiger m allen Fällen, wo ein Arrestschlag nach den Gesetzen zulässig ist, auf die Versiegelung des Nachlasses antragen"). §. 388. Der Erbe selbst kann, während der Ueberlegungsfrist,'zum Besten des Nachlasses solche Handlungen, die keinen Aufschub leiden, vornehmen"). §. 389. Nur derjenige, welcher die freie Verwaltung seines Vermögens hat, kann B°n Anncsich über die Annahme oder Entsagung einer Erbschaft") rechtsgültig erklären. e'ut^ung des Erblassers ihm günstig sein, oder nicht. — Uebrigens aber paßt das römische Institut der Deli-überberatioii und des damit zusammenhängenden Inventariums durchaus nicht zu dem adoptirten deutsch°al p '

rechtlichen Grundsätze über die Erwerbung der Erbschaft. (6. A.) Die Polemik Ko ch 's gegen die Entsch. v. 6. Januar 1851 (Bd. 20 S. 10) erscheint nicht gerechtfertigt. Man kann davon absehen, ob auch die Intestaterbfolge nach römischem Recht oder nach A. L.R. gleich der testamentarischen auf die Willkür des Erblassers zurückzuführen, ob die Pflicht­ theilsberechtigung als ein „dritter" Delationsgrund neben Testament und Gesetz hingestellt werden kann und ob der Pflichttheilserbe wirklich Erbe oder nur eiu Forderungsberechtigter sei. Die Beant­ wortung dieser Fragen in dem einen oder andern Sinne trägt nichts bei zur Entscheidung der Frage, von wann die Erklärungsfrist des §. 384 beginnt, wenn die Wissenschaft von dem Erbanfall eintritt. Diese Frage ist rein thatsächlicher Natur. Bei der Intestatsuccession fällt die Wissenschaft des Erbanfalls nut der erlangten Kenntnis; des Todes zusammen, bei der testamentarischen mit der Eröff­ nung des Testaments. Wird der Pflichttheilserbe im Testament als Erbe berufen, so erfährt er seine testamentarische Berufung doch erst durch die Eröffnung des Testaments, erst nach dieser weiß er, worüber er sich zu erklären hat. Nicht die Kenntniß von dem Erbanfall in abstracto, sondern die Kenntniß von dem Anfall der konkreten Erbschaft in der von dem Erblasser gewollten Art ist entscheidend für den Fristbeginn. Die Entscheidung des O.Tr. ist gerechtfertigt, wenn sich auch gegen ihre Begründung Manches'einwenden läßt. "" (7. A.) Die gesetzliche Deliberationsfrist des Nachlaßkurators beginnt mit dem Tage, wo er ver­ pflichtet worden und Kenntniß von dem Inhalte des Testaments, durch Anhörung der Publikation desselben, erhalten hat. O.Tr. I v. 26. Septbr. 1873 , Str. Arch. 90 S. 231. 39) (6. A.) Wohnort ist Domizil, nicht der Ort des Ablebens. R.O.H.G. v. 28. April 1871, Entsch. 2 S. 230 s. 40) Die während des Laufs der Ueberlegungsfrist aus den Verpflichtungen ihres Erblassers ver­ klagten Erben sind berechtigt, die Abweisung der Klage zur Zeit zu verlangen, und nicht verpflichtet, sich mit einer bloßen Sistirung des Prozesses bis zum Ablaufe der Ueberlegungsfrist zu begnügen. O.Tr. IV v. 23. Novbr. 1865, Str. Arch. 61 S. 256. (7. A.) R.O.H.G. v. 11. Januar 1875, Entsch. 15 S. 248.

41) Die Prozesse müssen bis zum Ablaufe der Ueberlegungsfrist ruhen, wenn der Erbe sich nicht schon früher erklärt. Bergt. L. 7 pr., §. 2 D. de jure deliberandi (XXVIII, 8), und L. 12 §. 1

C. de heredit. petitione (III, 31). Stirbt eine Partei kurz vor oder bald nach Insinuation des Erkenntnisses erster oder zweiter In­ stanz, so läuft die ihren Erben zustehende Deliberationsfrist neben, d. h. gleichzeitig mit den in den §§. 21 u. 22 d. V. v. 14. Dezember 1833 Art. 13 der Dekl. v. 6. April 1839, und §§. 17, 27 d. B. v. 21. Juli 1846 über die Anmeldung und Einführung der Rechtsmittel festgesetzten Fristen, inso­ fern jene Frist, gemäß §§. 383 ff. d. T., nicht erst nach deren Abläufe beginnt. O.Tr. III (Pr. 1964) v. 25. Januar 1848, Pr.-S. 1 S. 247. 42) Dieser Antrag muß in einem förmlichen Arrestgesuche, mit oder ohne die Hauptklage, bei dem Prozeßrichter angebracht und das Verfahren nach Vorschrift des Tit. 29 der Pr.-O. eingeleitet werden, so daß, wenn der Arrestschlag bewilligt und die Versiegelung ausgeführt wird, der Termin zur Iustifizirung desselben und zur Klagebeantwortung so anzuberaumen ist daß er in die Zeit nach Ablauf der Ueberlegungsfrist fällt. — Hinsichtlich der Exekutionsinstanz trifft der §. 15 Tit. 24 der Pr.-O. Bestimmung. 43) Dergleichen Handlungen in dringenden Fällen gelten nicht für eine Einmischung in die Erb­ schaft. Vergl. §. 420 d. T. 44) Nämlich einer bereits angefallenen (§. 383); eine frühere Entsagung ist nichtig. Eine Aus­ nahme macht der §. 652 Tit. 12. — (6. A.) Der Benefizialerbe auch dann, wenn die Verwaltung des Nachlasses auf den Konkursverwalter übergegangen ist. O.Tr. IV v. 25. Januar 1870, Entsch.

63 S. 76 f.

508

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 390—398.

§. 390. Steht der Erbe unter Vormundschaft oder Kuratel, so muß die Erklä­ rung von dem Vormunde oder Äurator45)46abgegeben 47 werden"). §. 39t. Ist zur Zeit des Anfalls über das Vermögen des Erben Konkurs eröff­ net, so ist zur Rechtsgültigkeit seiner Erklärung der Beitritt des Kurators und die Ge­ nehmigung des den Konkurs dirigirenden Gerichts erforderlich"). §• 392. Die Erklärung muß überhaupt mit allen Erfordernissen einer rechtsgül­ tigen Willensäußerung versehen sein, und bei dem Gerichte, unter weichem der Erb­ lasser zuletzt seinen persönlichen Gerichtsstand gehabt hat, abgegeben werden. (Tit. 5, §. 133.) §. 393. Doch verliert die Erklärung bloß dadurch, daß sie aus Versehen bei einem nicht gehörigen Gerichte geschehen ist, ihre rechtlichen Wirkungen noch nicht, in sofern nur der Erbe, sogleich nach erhaltener Bedeutung darüber, dieselbe gehörigen Orts angebracht hat. 45) Auch der Kurator eine« Abwesenden kann für de» Abwesenden Erbschaften antreten, obgleich er wesentlich ein bloßer Güterpfleger ist. §.469 d. T. Nach G.R. ist dies streitig. Heise und Cropp, jurift. Abhandl. 2 S. 171. Das O.Tr. hat angenommen, daß nach heutigen gemeinen Rechten das Gleiche gelte. O.Tr. v. 6. April 1848, Entsch. 17 S. 87. DaS ist nicht anzuerkennen. Vergl. Glück, Komment. 33 S. 292 u. 42 S. 465. 46) Der §. 390 erledigt eine gemeinrechtliche Kontroverse, nämlich die Frage über die Antretung einer Erbschaft durch Stellvertretung. Im heut. Röm.R. wird der Rechtsgrundsatz allgemein aner­ kannt: per procuratorem hereditatem acquiri non posse.u L. 90 pr. D. de acquir. vel omitt. bered. (XXIX. 2); L. 77 D. de reg. jur. (Die L. 54 pr. D. de acquir. rer. dom. [XLI, 1], welche man auch noch heranzieht, berührt die Frage nicht.) Die Beibehaltung dieser Regel nach Aufhebung der förmlichen Kretion ist inkonsequent; ein innerer Grund, warum nunmehr der Erwerb der Erb­ schaft nicht ebenso gut, wie schon vorher die Agnition der bonorum possessio durch Stellvertreter hätte zugelassen werden können, findet sich nicht, auch fehlt jeder praktische Unterschied. Daher wurde die Anwendbarkeit der alten Regel in der neueren Praxis streitig gemacht. Vergl. Stryk, Us. mod. XXIX. 2 §. 7 i. f.; Lauterbach, Colleg. theor. pract. XXIX. 2 §. 20 i. f., u. A. Schwierig­ keiten und besondere Streitigkeiten machte die Anwendung der Regel bei Handlungs- und Willenöunfähigen schon unter den rö'm. Juristen. Nach dem Pandektenrechte konnte der Vormund die Erb­ schaft für seinen Pflegebefohlenen nicht antreten und dieser selbst konnte, wenn er infans war, auch tutore auctore nicht erwerben. L. 5 C. de jure deliberandi (VI, 30). Eben so wenig konnte nach R.R. der Kurator eines Minderjährigen für diesen eine Erbschaft antreten, und in der gemeinrecht­ lichen Praxis war darüber Ungewißheit, ob der Minderjährige allein antreten dürfe oder wie es sonst damit zu halten. Dieser unsichere Rechtszustand wird durch den §. 390 geregelt. Die Bestimmung hat indeß für daS preußische Recht keine Bedeutung, sie ist vielmehr in sich widersprechend; denn nach dem Prinzip deS §. 368 erwirbt jeder Erbe die Erbschaft ipso jure. Daraus folgt, daß der Erwerb völlig unabhängig ist von den Bedingungen einer rechtsgültigen Willenserklärung. Es kommt auf Willensfähigkeit nicht an, auch willenlose Personen erwerben die Erbschaft ipso jure. Nur zu Abstention (Entsagung) ist eine Willenshandlung erforderlich und diese konnte der Vormund von jeher mit rechtlicher Wirmng formlos vollziehen. L. 21 D. de auctor. tutor. (XXVI, 8) verb.: „abstineo pupillum.“ (6. A.) Um den Erwerb der Erbschaft durch Stellvertretung handelt es sich im §. 390 nicht, sondern um die Erklärung der Annahme, d. h. des Behaltens, oder der Entsagung durch den gesetzlichen Stellvertreter, und zu dieser Erklärung gehört Willensfähigkeit. (7. A.) Zur Entsagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses bedarf der Vormund der Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts. Vorm. O. v. 5. Juli 1875 §. 42 S. 14. 47) (6. A.) Nach der K.O. v. 8. Mai 1855 gehört die nach der Konkurseröffnung anfallende Erbschaft zur Konkursmasse. (§§. 1. 4.) Die Gläubigerschaft tritt aber in die Stelle deS Gemein­ schuldners und muß daher, wenn sie die Erbschaft annimmt, sich, wie der Gemeinschuldner als Erbe es thun müßte, über Annahme oder Entsagung innerhalb der Ueberlegungsfrist, die für sie von dem Moment beginnt, wo der Erbe (der Gemeinschüldner) Kenntniß von dem Erbanfall erhalten hat, er­ klären. Sie muß, wenn sie annimmt, also die Erbschaft zur Gemeinmasse zieht, die Nachlaßgläubiger aus dem Nachlasse ebenso befriedigen, wie es der Gemeinschuldner selbst würde haben thun müssen. Vergl. §. 262 der K.O. Der Masse-Verwalter ist nicht berechtigt, ohne den Willen des KridarS, der sich bei der letztwilligen Anordnung seiner Eltern beruhigt, selbstständig den Pflichttheil zu wählen; dieses Wahlrecht ist ein höchst persönliches Recht des PflichttheilSerben. O.Tr. I v. 16. April 1866, Entsch. 56 S. 250. Vergl. L. 8 pr. D. de inoff. testamento (V, 2). Uebereinstimmend wie in die­ sem Erk. hat daS O.Tr. auch in dem Erk. v. 18. Juni 1866, Str. Arch. 63 S. 241, ausgesprochen: „Diese Wahl zwischen dem Erwarten seiner dereinstigen vollen Jntestatportion oder dem Ansprüche

Von Erwerbung des Eigenthum«.

509

§. 394. Außer dem unten §. 420 sqq. bestimmten Vorbehalte können der Er­ klärung keine Bedingungen mit rechtlicher Wirkung beigefügt werben48 * * ).* * * §. 395. Auch mutz die Erklärung über die ganze Erbschaft, und nicht bloß aus einen Theil derselben, gerichtet fein49).50 51 52 53 §. 396. Erklärungen, bei welchen gegen diese Vorschriften (§. 394, 395) ge­ handelt worden, werden für nicht geschehen9») geachtet. (§.427.) §. 397. Stirbt der Erbe, ehe die Ueberlegungsfrist verlaufen ist, so haben seine Erben, zur Erklärung über den ersten Anfall, eben die Frist, welche ihnen in Ansehung des zweiten zu Statten kommt94). §. 398. Die Entsagung einer Erbschaft muß von dem Entsagenden allemal bei ®»n 6* Gerichten99), entweder in Person, oder durch eine von ihm eigenhändig unterschrie- Breit’ bene99) Vorstellung, erklärt werden94). auf sofortige Herausgabe des bloßen Pflichttheils bildet keinen Gegenstand des „der Exekution unterlie­ genden" Vermögens (§. i der Konk. Ordn.), sie kann mithin auch nicht an seiner Stelle durch die Gesammtheit der Konkursgläubiger (die Gläubigerschaft) und insbesondere also auch nicht durch den sie vertretenden Massen-Verwalter selbstständig und gegen den Willen des eigentlichen PflichttheilSberechtigten ausgeübt werden. 48) Nach der Meinung einzelner gemeinrechtlicher Schriststetler soll die bedingte Antretung der Erbschaft nach Gemeinem Rechte zulässig sein. Lobethan sagt z. B. in seiner Lehre von der Erb­ folge (Halle 1776) §. 125: nach neuerem Rechte könne die Antretung der Erbschaft sowohl als die Ausschlagung derselben unbedingt und auch unter einer Bedingung geschehen. Man beruft sich dafür auf die L. 6 D. de bonor. poss. sec. tabulas (XXXVII, 11). Dort kommt von einer bedingten Erbschastsantretung nichts vor. Derselben Meinung sind auch Stryk, Usus mod. XXIX. 2 §. 8, Leyser, Med. ad Fand. p. 370 m. 9 und Hellfeld, jurispr. §. 162 u. §. 1491 i. f, welche zwar die L. 51 §. 2 D. de acquir. vel omitt. her. (XXIX, 2) und L. 77 D. de reg. Juris und die darin enthaltene Nichtigerklärung der bedingten Erbschaftsantretung anerkennen, aber im heutigen Ge­ meinen Rechte nicht mehr für anwendbar erklären, weil die feierlichen Rechtshandlungen, wovon in der L. 77 eit. Rede, schon von Justinian aufgehoben worden seien. Allein nicht aus einem for­ mellen Grunde, sondern aus einer inneren Nothwendigkeit ist die bedingte Erbschaftsantretung wir­ kungslos, weil nämlich eine Erbschaft nur so wie sie angetragen wird, angenommen werden' kann, oder abgelehnt werden muß, wie es mit jedem Anträge der gleiche Fall ist. Die Frage gilt unter den gemeinrechtlichen Rechtslehrern auch nicht für streitig, unser §. 394 entscheidet daher nicht etwa eine Kontroverse, sondern nimmt vielmehr daS gemeinrechtliche Prinzip auf und paßt es in das land­ rechtliche Erbrechts-System ein. Da nach diesem eine Erbeserklärung zur Erwerbung der Erbschaft nicht erforderlich ist, so kann, wenn der Erbe doch die Erbschaft mit ausdrücklichen Worten annimmt, durch eine hinzugesügte Bedingung nicht die längst geschehene Erwerbung wieder vernichtet werden, sondern die ex post gestellte Bedingung ist wirkungslos. Vergl. §. 396.

49) War schon vorher unstreitig. L. 1, 2; L. 80 pr. D. de acquir. vel omitt. bered. (XXIX, 1); L. 26 C. de jure delib. (VI, 30).

50) Wenn einer Erbschaft unter Bedingungen entsagt worden ist, so wird die Entsagung selbst, und nicht bloß die beigefügte Bedingung für nicht geschehen erachtet. Die unter Bedingung geschehene Entsagung erlangt dadurch keine Gültigkeit, daß sie zu Gunsten eines Miterben erfolgt ist. O.Tr. I (Pr. 1212) v. 1. Nov. 1842, Entsch. 8 S. 244. Die Folge einer solchen Entsagung wird sein, daß der Entsagende als unbedingter Erbe für die Schulden haften muß, weil er in der Meinung, nicht Erbe zu sein, die Einbringung des Inventariums versäumen wird. §. 427 d. T. 51) Vergl. oben §. 368, von welchem die Bestimmung des §. 397 eine konsequente Folge ist. Die erste Erbschaft ist bereits ein Bestandtheil der zweiten. Jedoch haben die Erbeserben zugleich auch das ihrem Erblasser zustehende Recht der Ablehnung der ersten Erbschaft überkommen, insofern derselbe dieses Recht noch nicht durch Einmischung oder Vermischung jener Erbschaft mit seinem eigenen Vermögen verloren hatte, und ihre Ueberlegungsfrist in Betreff der ersten Erbschaft fällt mit der, welche ihnen wegen ihrer unmittelbaren Erbschaft zusteht, zusammen, ist also insoweit verlängert.

52) Auch Auskultatoren sollen gültige Erbschaftsentsagungen aufnehmen, ohne Unterschied, ob die Partei Analphabet ist oder nicht. R. v. 23. Juni 1840 Nr. 2, J.M.Bl. S. 235. Nur versteht sich, daß bei einem Analphabeten ein Unterschriftszeuge zugezogen werden muß. (6. A. Seit dem Wegfall der juristischen Mittelprüfung kennt die heutige Gerichtsverfassung nicht mehr Auskultatoren, das R. v. 23. Juni 1840 findet jetzt also auf die Referendarien Anwendung.) 53) Eine bloß mündliche Erbschastsentsagung ist ungültig und erlangt auch durch nachheriges schriftliches Anerkenntniß keine Gültigkeit. Oben Anm. zu §. 185 Tit. 5. — (6. A). ES genügt die

510

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 399—410.

§. 399. Im letztem Falle muß die Unterschrift gerichtlich , oder durch einen Notarius") beglaubigt sein. §. 400. Ist diese") Form zwar verabsäumt, es kann aber nachgewiesen wer­ den , daß die eingekommene Erklärung dem Willen des Entsagenden gemäß sei, so verliert letztere durch die Verabsäumung der Form nichts an'ihrer Wirksamkeit"). §• 401. Dem in einem rechtsgültigen Testamente ernannten Erben steht es nicht frei, der Erbschaft aus dem Testamente zu entsagen, und den Nachlaß als gesetzlicher Erbe in Besitz zu nehmen58). §. 402. Ist er aber durch die Verordnung des Erblaffers an einem ihm gebüh­ renden Pflichttheile verkürzt worden, so kann er auf dessen Abreichung oder Ergänzung antragen. (Th. II, Tit. 2, Abschn. 5.)5* 9* )* * Einreichung einer Ausfertigung der von einem anderen Richter oder Notar über die Entsagung ausgenommenen Orginalverhandlung. Str. Arch. 70 S. 140 (l).

54) Dazu hat der Entsagende nicht nöthig, sich als Erbe zu legitimiren, wie eS bisweilen ver­ langt worden ist. Geschieht die Entsagung ausdrücklich zu Gunsten eines Miterben, so hält der J.M., nach den Erlassen v. 30. Januar 1836 und 6. Juli 1840, die Legitimation in dem Falle für nöthig, wenn der Begünstigte nicht der alleinige Miterbe ist, weil solche Entsagung als eine Abtretung deS Erbrechts durch Schenkung anzusehen sei. J.M.Bl. 1840 S. 239, 240. Doch beweist dieser Grund die Behauptung nicht, wenn die übrigen Miterben das Miterbrecht des Entsagenden nicht bestreiten; denn nur diese berührt es, daß der Begünstigte zwei Portionen prätendirt. 55) R. v. 2. März 1835 Nr. 1; Jahrb. 45 S. 179.

56) Nämlich die im §. 399 erwähnte gerichtliche oder notarielle Form.

M. s. Anm. 53.

57) Die gerichtliche oder notarielle Form (§§. 398 u. 399) dient mithin nur zur Beglaubigung; zur Gültigkeit genügt die privatschriftliche Form. Darüber ist man jedoch nicht einig. Nach der Mei­ nung des Revisors soll der §. 400 erst bei der letzten Revision des Entwurfs, offenbar aus dem Grunde, eingeschoben worden sein, um von demjenigen, welcher eine formell ungültige Erklärung abgegeben, dieselbe jedoch für gültig gehalten hat, die Nachtheile der Berabsäumung der rechtzeitigen Einbringung des Inventariums abzuwenden. Die Vorschrift des §. 400 soll daher nur zu Gunsten des Entsagen­ den in Anwendung kommen, nicht aber zu dessen Nachtheile wirken, dergestalt, daß er selbst die Er­ klärung jederzeit widerrufen, aber sich damit auch gegen die Ansprüche der Erbschaftsgläubiger und der Legatarien schützen könne. Bornemann, System 2 S. 456. Diese Deutung widerspricht dem deutlichen und unzweifelhaften Wortsinne des §. 400. Um davon abzugehen und die Fassung des Gesetzes zu ändern oder zu ergänzen, muß der Ausleger ganz besondere und schlagende Gründe haben. Vergl. Einl. §.46 und Anh. §. 2 und die Anm. dazu. An einem solchen Grunde fehlt es hier gänz­ lich. Das Befremdliche, daß im §. 400 die privatschriftliche Form für genügend erklärt wird, nachdem unmittelbar vorher in den §§. 398 und 399 die gerichtliche oder notarielle Form unbedingt vorgeschrie­ ben worden zu sein scheint, verschwindet bei dem Umstande, daß der §. 400 erst in den fertigen Ent­ wurf eingeschaltet worden ist. Ges.-Rev. Pens. XVI Mot. zu Tit. 9 Abschn. 8 S. 12. Dadurch ist die Bestimmung der §§. 398 und 399 eben verändert worden, ohne daß die Fassung entsprechend ab­ gerundet worden ist, was oft vorkommt. Vgl. u. die Anm. 72 zu §.415. Die Praxis hat in letz­ ter Instanz angenommen, daß die Vorschrift des §. 400 nicht bloß zum Vortheile, sondern auch zum Nachtheile des Entsagenden gelte, nur ist zur Gültigkeit der schriftlichen Erbschastsentsagung eine aus­ drücklich erklärte Entsagung erforderlich. O.Tr. I v. 23. Jan. 1854, Str. Arch. n S. 263. Eine in Frankreich erklärte Erbschastsentsagung, welche wegen Formmangels dort keinen rechtlichen Erfolg haben würde, hat in Preußen rechtliche Wirkung, wenn jene Erklärung den Erfordernissen einer gültigen Erbschaftsentsagung nach preußischem Rechte entspricht. O.Tr. I v. 6. März 1868, Enrsch. 59 S. 50. 58) Man kann zwischen der testamentarischen und der Jntestaterbfolge darum nicht wählen, weil beide aus gleichem Grunde ruhen, nämlich auf dem Willen des Erblassers: der lediglich durch den Willen des Erblassers berufene Erbe kann nicht seinen Willen zum Delationsgrunde machen. Wer aber unabhängig von dem Willen deS Erblassers, selbst gegen dessen Willen, succediren kann, braucht sich nach demselben nicht zu richten. Daher die Vorschriften der folg. §§. 402 u. 405 d. T. und deS §. 642 Tit. 12. Vergl. II. 1 §§. 490, 491, 498. So ist es auch nach R.R. Die L. 39 u. 22 D. de acquir. vel omitt. bered. (XXIX, 2), welche der Verf. der Motive deS 0. in der Anm. 38 gedachten Pl.-Beschl. heranzieht, beziehen sich durchaus gar nicht auf den Notherben. 59) (6. A.) Aus §. 402 ist über die Passivlegitimation nichts zu entnehmen. Die Lage des ein­ zelnen Falles kann nur entscheiden, ob die Pflichttheilsklage gegen alle Miterben oder gegen einen zu richten sei. O.Tr. I v. 14. März 1870, Entsch. 64 S. 194 f.; Str. Arch. 78 S. 76 (I). — Durch

Von Erwerbung deS Eigenthum-,

511

§. 403. Die Entsagung einer Erbschaft begreift die Begebung solcher Forderun­ gen , welche den Erben an den Nachlaß aus einem andern Grunde zukommen, nicht unter sich. §. 404. Wer also einer Erbschaft entsagt. begiebt sich dadurch nicht der durch den Erblasser auf ihn verfällten Lehne, Fideikommisse oder anderer Vermögensstücke, welche ihm nach Verträgen oder Gesetzen, ohne Rücksicht auf die Eigenschaft eines Erben, zukommen. §. 405. Wer einer durch Testament ihm angetragenen Erbschaft entsagt, verliert dadurch noch nicht sein durch einen Vertrag erworbenes Erbrecht. §. 406. So weit ein Erbe der Erbschaft gültig entsagt, tritt derjenige, welchen der rechtsbeständige Wille des Erblassers oder in desien Ermangelung die Gesetze«»), als den nächsten nach ihm, berufen, an seine Stelle«'). §. 407. Ist bekannt, wer dieser nächste sei, so muß der Richter denselben von der erfolgten Entsagung benachrichtigen; im entgegengesetzten Falle aber finden die Vorschriften §. 471 sqq. Anwendung. §. 408. Demjenigen, welchem eine Erbschaft erst durch die Entsagung eines Andern zufällt, kommen zu seiner Erklärung : ob er diese Erbschaft annehmen wolle oder nicht, eben die Fristen, wie dem ersten Erben, vom Tage der ihm bekannt««) gewordenen Entsagung zu Statten. §. 409. Obige Vorschriften (§§. 406, 407, 408) finden nicht nur bei den ersten, sondern auch bei jeder folgenden Entsagung statt. §. 410. Sobald aber die Entsagung von einem Erben nicht ausdrücklich zu Gunsten««) des auf ihn folgenden geschieht, sind die Gläubiger des Erblassers, nach näherer Bestimmung der Konkursordnung, aus Eröffnung des Konkurses über den Nachlaß zu dringen, berechtigt««').

die Antretung der Erbschaft aus dem Testamente verliert der Pflichttheilserbe nicht die PflichttheilSklage, daselbst S. 207.

60) S. o. die Anm. zu §. VIII des Publ.-PatentS. 61) Also von Zeit deS Todes des Erblassers an. Alle SuccessionSfähige sind gleichzeitig berufen, doch so, daß die hinter dem Nächstberufenen nur bedingt berufen sind. Daher kommt es bei der Frage, wer nach der Ausschlagung der testamentarischen Erbfolge als Jntestaterbe berufen sei, nicht auf die Zeit der Ausschlagung, sondern ans die der Eröffnung der Erbschaft (Tag des Todes oder der Todes­ erklärung) an. Die Meinungen darüber sind uneins. Witte, Jntestaterbrecht S. 27, 28 ist anderer Meinung. Zu vergl. Th. II Tit. 4 §. 203. 62) Und zwar durch die Benachrichtigung deS Richters bekannt gewordenen Entsagung. Die Privatwissenschaft genügt nicht, sie giebt keine rechtliche Gewißheit. S. oben Anm. 38 Alinea 1 zu §. 384. — Zu vergl. unten Anm. zu §. 277 Tit. 12.

63) Eine Erbschastsentsagung zu Gunsten deS nächstfolgenden Erben verliert den Gläubigern des Entsagenden gegenüber, nicht schon um deshalb jede rechtliche Wirkung, weil der dadurch begün­ stigte Erbe nicht der alleinige nächste Erbe ist. O.Tr. IV v. 15. März 1850, Entsch. 19 S. 121. Gegen den Satz ist ein Zweifelsgrund nicht aufzubringen, denn eine solche Erbschaftsentsagung ent­ hält eine Verfügung über den erworbenen Antheil. Vergl. o. die Anm. 54. Dennoch hatte das Cösliner Appell.-Gericht die entgegengesetzte Meinung ausgesprochen. Uebrigens ist dem R. v. 14. Febr. 1834 Nr. 1, Iahrb. 43 S. 97, darin beizustimmen, daß unter der Entsagung zu Gunsten deS Nächstberufenen nur gemeint sei, daß man in diesem Falle, nämlich wenn die Entsagung ausdrücklich zu Gunsten deS Nächsten geschehe, nicht an eine Unzulänglichkeit der Erbschaft denken könne, während, wenn die Erbschaft schlechtweg ausgeschlagen werde, dieser Fall einer von denjenigen sei, wo das Unvermögen für klar und notorisch angenommen wird. Proz.-O. Tit. 50 §. 4 Nr. 2 u. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 Art. 325 Ziss. 3. Denn zu Gunsten eines entfernteren Successionsberechtigten oder gar eines Fremden kann eine Entsagung mit der Wirkung, daß der Begünstigte an die Stelle des Entsagenden tritt, nicht geschehen; die Entsagung überträgt nichts, sie macht nur Platz für den Nächstberufenen. 63») (7. A.) Deutsche Konk.-O. §. 205. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über einen Nach­ laß setzt aber dessen Ueberschuldung voraus, welche glaubhaft gemacht werden muß. Das. §. 204. 205.

Erster Theil.

512 Anh. §. 9.

Neunter Titel.

§§. 411—422.

ES bedarf daher keiner") Erklärung des FiSci über die Antretung oder Entsa­

gung der Erbschaft.

§. 411. Eine gültig geschehene Erbschaftsentsagung kann unter keinerlei Vor­ wande widerrufen werden9 s). §. 412. Dagegen kann auch der Erbe, welcher die Erbschaft einmal angenommen, oder sich innerhalb der gesetzmäßigen6 6) Frist gar nicht erklärt hat, derselben zum Nach­ theile^^) eines ^Dritten6 8) nicht mehr entsagen69). §• 413. Die Antretung7 °) einer Erbschaft kann mit oder ohne Vorbehalt der ne Vorbc Rechtswohlthat des Inventar» geschehen.

64) Der Fiskus wird als wirklicher Erbe angesehen. S. o. Anm. SS. Dazu harmonirt die Vorschrift des Anh. §. 9 nicht. Denn der wirkliche Erbe, welcher sich nicht erklärt und auch kein In­ ventarium einbringt, haftet unbedingt. Vergl. das Pr. 878 in der Anm. 36 zu §. 383, und unten die Anm. zu §. 431. 65) Ein Irrthum des Entsagenden über die Größe der Erbschaft macht dessen Entsagung nicht ungültig. O.Tr. I (Pr. 752) v. 9. Nov. 1839, Pr.-S. 1 S. 32. 66) Die gesetzmäßige Frist ist die in den §§. 384 ff. bestimmte Ueberlegungsfrist. In dem in Simones Rechtsspr. 4 S. 59 mitgetheilten Rechtsfall ist von dem Appell.-Gerichte und dem O.Tr. angenommen worden, daß die Entsagung nicht innerhalb der Ueberlegungsfrist, sondern erst in der darauf folgenden Inventarienfrist zu erfolgen brauche. Auch in den Gründen des, Entsch. i S. 309 befindlichen, Rechtssalles sagt das O.Tr.: „Sie (die Erben) hatten sich nach ab gelau­ fen e r Ueberlegungsfrist zu erklären" u. s. w. Der Ausdruck ist jedoch für ungenau zu nehmen; es kam auf denselben in diesem Falle nichts an. Dagegen sagt das O.Tr. 1V in der Begründung des jüngeren Präj. 1893 v. 2. Juli 1847, Entsch. 16 S. 130, wo es auf die rechte Frist ankam: „Die Vorschrift des §. 412 drückt vielmehr aus: daß die Entsagung des Erben, die erst nach Ablauf der gesetzlichen Ueberlegungszeit geschieht, einem Dritten gar nicht entgegengesetzt werden darf." — Die von dem Erben nach Ablauf der Ueberlegungsfrist erklärte Erbschüftsentsagung hebt die Eigen­ schaft als Erbe nicht auf; eine solche Entsagung kann nicht nach den für Erbschaftsentsagungen' ge­ setzlich gegebenen Grundsätzen beurtheilt werden, ist vielmehr als Veräußerung aufzufassen und nach den für die letztere geltenden Grundsätzen die rechtliche Wirkung einer solchen Entsagung zu ermessen. O.Tr. III v. 25. Nov. 1853, Entsch. 26 S. 253, und I v. 24. April 1865, Entsch. 54 S. 44.

67) Gleichviel, von welcher Art der Nachtheil ist; nur muß er ein vermögensrechtlicher sein. 68) Nicht bloß dem Erbschaftsgläubiger, sondern auch dem Miterben gegenüber kann derjenige Erbe, welcher die Erbschaft einmal angenommen, oder sich innerhalb der gesetzmäßigen Frist gar nicht erklärt hat, der Erbschaft nicht mehr entsagen. O.Tr. I (Pr. 1583) v. 28. Iunr 1845, Pr.-S. 1 S. 32. (6. A.) Ebenso Str. Arch. 78 S. 77 (I).

69) Diese Vorschrift muthet solchem Dritten nicht den Beweis eines, ihn durch die verspätete Er­ besentsagung treffenden materiellen Schadens zu; vielmehr darf der Erbe einem Dritten gegenüber sich auf eine solche Entsagung überhaupt nicht berufen. O.Tr. IV (Pr. 1893) v. 2. Juli 1847, Entsch. 16 S. 125, u. v. 27. Juni 1863, Str. Arch. 50 S. 161. Das hat den Sinn, daß der Erbe zwar nicht unter allen Umständen gezwungen werden könne, die angetretene Erbschaft zu behalten, daß aber kein dabei betheiligter Dritter genöthigt werden könne, die verspätete Entsagung gegen sich gelten zu lassen; vielmehr kann dieser den Entsagenden immer als den wirklichen Erben ansehen und behandeln. Entsch. a. tr. O. §. 130. Ein solcher Fall ist z. B. die verspätete Entsagung eines Witt­ wers aus die Erbschaft seiner verstorbenen Ehefrau zu Gunsten der mit ihr erzeugten Kmder, in Be­ ziehung aus den Erbschastsstempel: der Wittwer muß dem Fiskus den Stempel von seiner Portion entrichten. Vergl. das R. des J.M. v. 18. Dez. 1841, J.M.Bl. S. 375. — Wem die Erbschaft nicht angefallen ist, weil er durch einen mit dem künftigen Erblasser geschlossenen Erbentsagungsvertrag sich seiner gesetzlichen Erbesqualität begeben hat, der braucht sich nach eingetretenem Erbanfalle gar nicht zu erklären, um den Ansprüchen der Legatare und Erbschaftsgläubiger zu entgehen. Unten Anm. zu §. 484 Tit. 2 Th. II (6. A.) Diese Bestimmung gilt auch von der Antretung der Erbschaft aus einem wechselseitigen Testamente. O.Tr. I v. 27. Mai 1870, Entsch. 63 S. 217. 70) Die Antretung einer Erbschaft ist keine Jntercession oder Einstehung für eine fremde Obli­ gation, vielmehr ganz eigentlich eine eigene Angelegenheit. Deshalb ist auch zur Antretung der Erbschaft ohne Vorbehalt nicht eine Spezialvollmacht erfor­ derlich, d. h. es genügt dazu eine Vollmacht zum Betriebe aller die Regulirung des Nachlasses betreffen­ den Angelegenheiten. R. v. 14. Febr. 1820, Jahrb. 15 S. 5. Entweder ermächtigt die Vollmacht zu Vertretung des Erben, oder sie ermächtigt nicht. Im ersten Falle versteht sich Alles von selbst;

Von Erwerbung des Eigenthums.

513

§. 414. Die Erklärung, eine Erbschaft ohne Vorbehalt annehmen zu wollen, muß eine deutliche und bestimmte Entsagung") dieser Rechtswohlthat enthalten. §. 415. Es muß dabei die §§. 398, 399 vorgeschriebenc Form beobachtet wer­ den^). §. 416. Der Erbe, welcher dergleichen Erklärung während der gesetzlichen Ueberlegungsfrist abgegeben hat, kann sie nur bis zum Abläufe dieser Frist, jedoch nur gerichtlich, zurücknehmen. §. 417. Hat er aber über die Substanz des Nachlaffes verfügt, so findet kein Widerruf der einmal abgegebenen Erklärung mehr statt. §. 418. Wer eine Erbschaft ohne Vorbehalt angenommen hat, muß für alle daran zu machenden Forderungen") hasten"). §. 419. Er kann sich mit dem Einwande, daß die Schulden das Aktiv-Vermö­ gen der Erbschaft übersteigen, gegen diese Vertretung niemals schützen. §. 420. Wer solche Verfügungen über die Erbschaft trifft, woraus die Absicht, dieselbe nicht bloß einstweilen verwalten, sondern sich ihrer als wiMcher Erbe an­ maßen zu wollen, klar erhellet, der wird demjenigen, welcher eine Erbschaft unter dem Vorbehalte der Rechtswohlthat des Inventarii ausdrücklich angenommen hat, gleich geachtet. §. 421. Eben das gilt von demjenigen, welcher die gesetzmäßigen") Fristen, ohne sich zu erklären, verstreichen läßt"). §. 422. Wer eine Erbschaft nur unter dem Vorbehalte der Rechtswohlthat des Inventarii angenommen hat, der darf alle daran zu machenden Forderungen nur so weit"), als das Vermögen des Nachlasses hinreicht, vertreten"). im zweiten Falle ist Nichts geschehen, folglich erledigt sich die Frage durch Ablauf der Zeit. Nur­ wenn vor Ablauf der Frist zur Einbringung des Inventariums der Bevollmächtigte desavouirt würde; könnte man über die Wirksamkeit der ausdrücklichen Erklärung streiten. Doch ist auch iu diesem Falle der Umstand entscheidend, daß die Gesetze hier eine Spezialvollmacht nickt erfordern.

71) Eine ausdrückliche Entsagung des beneficii inventarii ist nicht erforderlich, vielmehr genügt die Erklärung, daß der Erklärende unbedingt Erbe sein, oder daß er von dem Beneficium keinen Ge­ brauch machen wolle, obgleich er wisse, daß er in diesem Falle für die Schulden persönlich (über die Kräfte der Erbschaft) hafte. Vergl. R. v. 1. Juli 1817, Iahrb. 9 S. 187.

72) Obgleich hier der §. 400 nicht genannt wird, so hat man doch angenommen, daß die vorgesckriebene Form auch für die Antretung der Erbschaft ohne Vorbehalt nur zur Beglaubigung diene. O.Tr. v. 30. Okt. 1840, Schles. Arch. 5 S. 335. Bergl. o. die Anm. 57. Davon ist man jedoch zurückgekommen. Das jüngere Pr. des O.Tr. IV (2379) v. 27. April 1852, Pr.-S. 2 S. 12, spricht aus: daß die Vorschrift des §. 400 auf die Erklärung, eine Erbschaft ohne Vorbehalt annehmen zu wollen (§§. 413, 414, 415), keine Anwendung finde. Das entspricht dem Wortlaute des §. 415. 73) Auch den Legatarien muß der Erbe, der wegen versäumter Einreichung eines vorschriftsmä­ ßigen Inventars für einen Erben ohne Vorbehalt anzusehen ist, vollständig und ohne Rücksicht auf die Zulänglichkeit des Nachlasses, gerecht werden. O.Tr. I (Pr. 1170) v. 8. August 1842, Pr.-S. 1 S. 33. — Vergl. Tit. 12 §. 296. Dieses bezieht sich nur auf das Verhältniß der Erben zu dritten Personen. Ein mit einem Prä­ legate bedachter Erbe kann, bei versäumter rechtzeitiger Niederleguna des Inventars und dadurch für die Erben eingetretenem Verluste der Rechtswohlthat, wegen jenes Prälegats den Verlust der Rechts­ wohlthat nicht geltend machen, und nicht Befriedigung von ihnen, auch überdieKräfte desNachlasses hinaus, verlangen. O.Tr. I (Pr. 1394) v. 18.Dez. 1843, Entsch. 11 S. 276. Dieser Grundsatz findet seine Anwendung auch wegen solcher Forderungen des Miterben, in Betreff deren er als Nachlaßgläubiger seinen Miterben gegenüber tritt. O.T. IV (Pr. 2478) v. 22. Sept. 1853, Pr.-S. 2 S. 12. 74) Ueber die Haftung mehrerer Erben s. Tit. 17 §.127 und die Anm. dazu, besonders §. 134. 75) S. o. die Anm. 60 zu §.412.

76) Die erst nach Ablauf der Ueberlegungsfrist erklärte Erbschaftsentsagung hebt die Eigenschaft als Erbe nicht auf. Oben Anm. 60 zu §. 412 a. E. 77) Einen diesen Gegenstand betreffenden Rechtsstreit nach Kur- und Neumärkischem Provinzial­ rechte s. in Simon, Rechtsspr. 1 S. 279. Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aufl.

33

514

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 423—427.

§. 423. Ein solcher Bencsicialerbe muß aber auch ein vollständiges Inventa­ rium") über den Nachlaß aufnehmen, und gerichtlich8Ü), allenfalls versiegelt81 78 ),79 82 80 83 niederlegen s 2). §. 424. Diese Niederlegung muß längstens binnen sechs Monaten8 3) nach dein Abläufe der gesetzmäßigen Erklärungsfrist (§§.384, 385) erfolgen. §. 425. Ist jedoch die Erbschaft besonders weitläufig und verwickelt, so kann der Richter, auf Anrufen des Erben, nach geprüften Gründen desselben, die Frist zur Einreichung des Jnventarii verhältnißmäßig verlängern. §. 426. Auch kann diese Frist auf den Antrag auch nur Eines Erbschaftsgläu78) Auch diejenigen, welche aus der Berwaltung entspringen. Wenn daher z. B. der zwischen einem Gläubiger und dem Erblasser bestandene Geschäftsverkehr von dem Benefizialerben und dem Gläubiger lediglich zum Zwecke der Abwickelung der laufenden Geschäfte fortgesetzt worden ist, so haftet der Erbe auch wegen der aus diesem späteren Geschäftsverkehre entstandenen Forderungen deS Gläubigers nur als Benefizialerbe. O.Tr. IV v. 24. April 1856, Str. Arch. 21 S. 132. (6. A.) Nur der Nachlaß, nicht das eigene Vermögen des Benefizialerben bis zum Betrage des Nachlasses hastet den Nachlaßgläubigern. Es kann daher auf dem nicht ererbten Grundstück deS Erben keine Judikathypothek für eine Nachlaßschuld eingetragen werden. O.Tr. IV v. 5. Dezbr. 1871, Entsch. 66 S. 72 f. — Der Nachlaßgläubiger hat nachzuw'eisen, daß der Nachlaß zur Zeit deS Todes zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichend gewesen. Str. Arch. 75 S. 202 (IV). 79) Ueber die Form s. u. §§. 434 u. 438 d. T. und die Anm. dazu. 80) Und zwar bei dem zuständigen Erbschaftsgerichte. Doch ist dies streitig. Nach einer Mei­ nung soll die Niederlegung willkürlich bei jedem Gerichte mit Erfolg geschehen können, weil nur die Verdunkelung der Masse verhütet werden solle, welcher Zweck durch die Niederlegung bei jedem Ge­ richte erreicht werde. R. v. 18. Mai 1816, Jahrb. 7 S. 182. Allein es handelt sich hier nicht um einen Akt der Beglaubigung, sondern um eine obrigkeitliche Mitwirkung bei Feststellung der Erbschaft, als Grundlage zu einem vielleicht folgenden Rechtsverfahren, und das Gesetz schreibt dieselbe in dem Falle, wo noch etwas mehr als die Aufbewahrung, nämlich die Aufnahme deS Inventariums ver­ langt wird, ausdrücklich dem kompetenten Richter zu. A. G.O. II. 5. Die Ausnahme ist eine unter­ geordnete Handlung des Erben selbst, den das Gericht eigentlich nur bedient, denn der Erbe steht für die Nichtigkeit so ein, als wenn er es selbst verfaßt hätte. Wird schon bei dieser Geschäftsbesor­ gung die Zuständigkeit des Gerichts verlangt, so ist sie bei der eigentlichen Haupthandlung des Ge­ richts selbst, nämlich der Aufbewahrung, um so mehr erforderlich, wenn sie alS eine richterliche gelten soll: nur der kompetente Richter' kann richterliche Handlungen vollziehen. Das gerichtlich nie­ derzulegende Inventarium wird nicht ersetzt durch ein von der Steuerbehörde, zum Zwecke der Be­ stimmung der Stempelsteuer, eingefordertes Inventarium.

81) Man nimmt das versiegelte Packet, worin das Inventarium befindlich sein soll, zu den Akten, d. h. man bewahrt es in dem Äktenschranke auf, ohne daß eine depositalmäßige Verwahrung eintritt. Vergl. §. 400 Tit. 18 Th. II, und R. des J.M. v. 7. Juni 1838, Jahrb. 51 S. 363. 'Der Ort

der Aufbewahrung beim Gerichte ist gleichgültig.

82) Auch wenn gar keine Aktivvermögen, sondern nur Schulden vorhanden sind, muß ein vor­ schriftsmäßiges Inventarium binnen der gesetzlichen Frist gerichtlich niedergelegt werden, wenn der Erbe sich die Rechtswohlthat des Inventars erhalten will'. O.Tr. v. 13.'August 1836, Entsch. 1 S. 304, und I (Pr. 242) v. 7. März 1837 , Pr.-S. 1 S. 33. Das O.A.Gericht des Königreichs Baiern hat durch Pl.-Beschl. v. 4. Dez. 1844 das gerade Gegentheil als echten Rechtssatz des A.L.R. angenommen. Schles. Archiv 6 S. 173. Die Begründung ist jedoch nicht zutreffend. Sie besteht in der Behauptung, daß nach dem A. L.R. zum Begriffe' einer Erbschaft das Vorhandensein eines positiven Faktors gehöre, folglich Schulden ohne Sachen und Rechte eine Erbschaft nicht bilden. Dies ist irrig. Das A. L.R. bestimmt den Begriff einer Erbschaft nicht neu. Nach dem unverändert ge­ bliebenen Begriffe von Erbschaft ist dieselbe ein Rechtsbegriff (Juris nomen) und besteht auch ohne einzelne Rechtsgegenstände. „Hercditas etiam sine ullo corpore Juris intellectum habet.u L. 50 pr. D. de heredit. pet. (V, 1). Allerdings ist die Satzung des L.R. hart, das aber kommt von der unpassenden Verknüpfung des röm. beneficii inventarii mit dem deutschen Grundsätze über die Er­ werbung der Erbschaft, §. 368. 83) Der Erbe kann das Inventarium auch gerichtlich aufnehmen lassen. §. 436. Hat er inner­ halb der hier vorgeschriebenen Frist den Antrag auf gerichtliche Aufnahme des Erbschaftsinventars ge­ stellt, so wird durch diesen Antrag ohne Rücksicht darauf: ob und wann das Gericht demselben wirk­ lich genügt hat, die Benefizial-Erbenqualität gewahrt. O.Tr. v. 23. Nov. 1846, Entsch. 15 S. 109. — S. auch o. Anm. 38 zu §. 384 d. T. — (7. A.) Ueber die Berechnung der Frist von der Wis­ senschaft des Erbanfalls R.O.H.G. v. 21. gebt. 1874, Entsch. 12 S. 437.

Von Erwerbung des EigenthumS.

bigers ober Legatarii, nach Bewandtniß der Umstände und Beschaffenheit des Nach­ laßes, von dem Richter verkürzt tverben84). §. 427. Wer die vom Gesetze oder von dem Richter bestimmte Frist, ohne das Inventarium gehörig einzubringen, verstreichen läfjt8*), wird der Recktswohlthat verlustig88), und für einen solchen, der die Erbschaft ohne Vorbehalt angetreten hat8?), geachtet. (§§.418, 419.) 84) Die Anwendung hat ihre Schwierigkeiten, da die Umstände, nach deren Bewandtniß die Be­ stimmung erfolgen soll, doch untersucht und dabei beide Theile gehört werden müssen. Ein Verfahren ist jedoch nicht vorgeschrieben. Unterdessen ist dann die Zeit von selbst lange vergangen. Die Vor­ schrift ist unpraktisch. Man setzt meistens, entweder ohne den Andern zu hören, oder allenfalls nach Zusertigung des Antrags zur Gegenerklärung binnen einer bestimmten Frist, den verlängerten oder verkürzten Termin durch ein Dekret fest, gegen welches die Beschwerde frei steht. Doch entspricht die­ ses Verfahren nicht der Wichtigkeit des Gegenstandes. Der §. 428 kommt einigermaßen zu Hülfe. 85) Die rechtliche Wirkung der unterlassenen Einbringung eines Jnventcu-s Seitens des Erben bleibt dann ausgeschlossen, wenn ein anderweit auf Grund gesetzlicher Bestimmungen vorschriftsmäßig aufgenommeues,' sonn eil beweisendes Inventarium vorhanden ist, welches den Umfang des Nachlasses des Erblassers zur Zeit seines Todes erkennbar macht. Für ein solches Inventarium muß dasjenige gelten, welches der Vorschrift des §. 153 der Konkursordnung entsprechend zum Zwecke des über das "Vermögen des Erblassers gerichtlich eröffneten Konkurses, während dessen Dauer derselbe gestorben ist, errichtet worden ist. Ö.Tr. IV v. 28. Nov. 1867, Str. Arch- 69 S. 158. (7. A.) Wenn dle Erben rechtzeitig den Antrag auf gerichtliche Aufnahme eines Inventars stel­ len, aber verschulden, daß rechzeitig ein vollständiges Inventar bei Gericht nicht vorhanden gewesen ist, so sind sie der Rechtswohlthat des Inventars' verlustig gegangen. O.Tr. I v. 12. Okt. 1874,

Str. Arch. 92 S. 304. 86) Ipso jure. Suarez sagt zur Rechtfertigung dessen Folgendes: „Diese Vorschrift weicht von dem Erbschaftsedikte darin ab, daß'das beneficium, sobald die Frist abgelaufen ist, ipso jure verloren geht, wohingegen nach dem Edikte erst aus die Privation desselben geklagt werden und sententia judicis hinzukommen muß. Der Grund der Abweichung ist, die Verdunkelung des Nachlasses zu ver­ hüten, und die weitläufigen und kostbaren Prozesse zu vermeiden, welche zu entstehen pflegen, wenn oft viele Jahre nach dem Tode auf das beneficium provozirt wird, und alsdann ein Inventarium angefertigt werden muß, von dem so wenig Zuverlässigkeit als Vollständigkeit zu erwarten, und das also zu einem weitläufigen Defektatorio öfters Anlaß giebt." Iahrb. 41' S. 12, besonders S. 26.

Dadurch ist das G.R. wieder hergestellt. Es liegt in der Statut der Sache, daß man sich auf das beneficium inventarii nur dann berufen kann, wenn ein Inventarium vorhanden ist. Das benefi­ cium geht in solchem Falle nicht verloren, vielmehr steht es so, daß es gar nicht erworben wor­ den ist, wenn man das Inventarium innerhalb der vorgeschriebenen peremtorischen Frist nicht errichtet hat. L. 72 §§. 1, 12 C. de jure delib. (VI, 30). — Ob diese Vorschrift des L.R., als allgemeines Landesgesetz, auch da gelte, wo das Erbschaftsedikt v. 30. April 1765 als Provinzialgesetz gegeben worden, ist die Frage. * Das O.Tr. hat in einem, im Centralbl. 1842 Kol. 635, mitgetheilten Erk. (Datum fehlte, in Uebereinstimmung mit dem Appellat.-Gerichte, auögesührt, daß die I Abth. des Erbschastsedikts, worin von der Erbeserklärung, dem benef. inventarii rc. gehandelt wird, ein allge­ meines Landesgesetz und als solches durch das A. L.R. aufgehoben; wogegen nur die II. Abth., von der Erbfolge zwischen Eheleuten in der Kur- und Neumark, ein Provinzialgesetz sei. Damit stimmt auch die Einleitung und der Schluß des Edikts überein, namentlich wird im Schlußsätze oder in dem Einführungsakte das Edikt als eine „allgemeine Verordnung" bezeichnet, über welche „in unserem Königreich Preußen und allen unseren Provinzen und Landen genau zu halten, jedoch daß deren zweite Abth. nur hauptsächlich die Kur- und Neumark angehet." Es sind jedoch, vermuthlich später, folgende Rechtssätze angenommen: 1. Die im A. L.R. vorgeschriebenen Fristen über die Antretung einer Erbschaft, oder deren Ent­ sagung, und zur Einreichung des Inventars, finden mit gleicher'Wirkung bei deren Versäumnisse auf den Nachlaß eines Ehegatten in der Kur- und Neumark nicht Anwendung; vielmehr muß es hinsichtlich der Ehegatten in der Mark bei den Bestimmungen des Erbsch.-Ed. v.'30. April 1765 ver­ bleiben. Erk. v. 7. April 1834, Simon's und v. S tramp ff's RechtSspr. 4 S. 60. 2. Wenn der überlebende Märkische Ehegatte erst nach abgelaufener Üeberlegungsfrist sich der

Theilnahme an der Erbschaft des Erstverstorbenen begiebt, so ist das Verhältniß seiner Miterben ledig­ lich nach den Vorschriften der §§. 3 ff. Abth. II des Erbschastsedikts zu beurtheilen, namentlich aber bleibt die Vorschrift des §. 427 Tit. 9 Th. I des A. L.R., wonach der Verlust der Rechtswohlthat des Inventariums bei nicht rechtzeitig niedergelegtem Inventarium von selbst eintritt, auch in Bezie­ hung auf die Miterben des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen. O.Tr. I (Pr. 1788) v. 8. Okt. 1846, Pr.-S. 1 S. 297. (7. A.) O.Tr. IV v. 17. Febr. 1876, Entsch. 77 S. 18. 3. Die Annahme, daß nach den Vorschriften der Art. 1- 3 u. 18 deS Publ.-Pat. zürn A. L.R.

516

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 428—438.

§. 428. Soll jedoch dieser Nachtheil den Beneficialerben, wegen Versäumung einer kürzern von dem Richter bestimmten Frist (§. 426) treffen, so muß er darüber rechtlich gehört werben88 * * ).* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * 87 §. 429. Wer, auch nur auf den Antrag Eines Gläubigers oder Legatarii, der Rechtswohlthat verlustig erklärt worden, der kann davon auch gegen alle übrigen Gläubiger und Legatarien ferner keinen Gebrauch machen. §. 430. Vormünder oder Kuratoren können zwar durch Verabsäumung der Fri­ sten ihre Pflegebefohlenen und Kuranden der Rechtswohlthat nicht verlustig machen89); 90 §. 431. Sie müssen aber von den Gerichten") zur gehörigen Einbringung des Jnventarii durch Strafen und Exekution angehalten werden. der §. 427 d. T. an die Stelle der ersten Abtheil, des Erbsch.-Ed. v. 30. April 1765 trete, sei un­ richtig. Der Beweis besteht in der Berufung auf die beiden vorhergehenden Präjudikate. O.Tr. IV v. 7. Juli 1860, Str. Arch. 38 S. 132. Der Verlust tritt nur Dritten gegenüber ein, nicht in dem Verhältnisse der Miterben gegen einander. O.Tr. I (Pr. 1394) oben in der Anm. 73. Vergl. Erk. I v. 6. Dez. 1854, Str. Arch. 16 S. 63. (7. A.) O.Tr. IV v. 16. März 1876, Entsch. 77 S. 15. — Der Verlust tritt auch einem solchen Dritten gegenüber nicht ein, welcher den Erben an der Errichtung des Inventariums verhin­ dert hat. Wenn z. B. ein Nachlaßgläubiger, welcher bis zum Ablaufe der dem Erben zur Legung des Inventars gesetzlich zusteheuden Frist in dem alleinigen Besitze des Nachlasses sich befunden, dem Erben die zur Anfertigung des Inventars erforderlichen Materialien nicht an die Hand gegeben hat; so kann er auf Grund der unterbliebenen Legung des Inventars den Erben nicht als Erben ohne Vorbehalt in Anspruch nehmen. O.Tr. IV v. 14. Nov. 1854, Str. Arch. 16 S. 24. Der Grund ist der Dolus des Gläubigers, die an sich begründete Klage wird durch die exceptio doli entkräftet. Eine verheiratete, mit ihrem Manne in Gütergemeinschaft lebende Erbin hatte die Niederlegung des Inventars versäumt und wollte sich gegen die Folgen durch die Ausrede schützen, daß sie, wegen der Gütergemeinschaft, nicht ohne Zustimmung ihres Ehemannes die Erbschaft ohne Vorbehalt habe antreten können. Diese Ausrede wurde verworfen. O.Tr. v. 18. Febr. 1837, Schles. Arch. 1 S. 542 u. Entsch. 2 S. 232. Ganz natürlich. Dem Manne, als Miteigentümer der der Frau angefalle­ nen Erbschaft, fiel ja die Versäumniß mit zur Last; die Belastung der Gütergemeinschaft war keine einseitige der Frau. Ueber die Erhaltung des beneficü durch den bloßen Antrag bei Gericht, innerhalb der Frist, ein Inventarium aufzunehmen, s. o. die Anm. 83. (6. A.) Die Vorschrift des §. 427 findet nicht auf Kinder Anwendung, welche mit dem über­ lebenden Elterntheil provinzialrechtlich die Gütergemeinschaft fortsetzen. R.O.H.G. v. 7. April 1873, Entsch. 9 S. 246.

87) Die Wirkungen des Verlustes der RechtSwohlthat deS Inventars reichen eben so weit, wie der ausdrückliche Antritt der Erbschaft ohne Vorbehalt. O.Tr. v. 18. Dez. 1843, Entsch. 1 S. 276. 88) Die Versäumniß der durch Dekret deS Erbschaftsrichters abgekürzten Frist wirkt hiernach nicht ipso jure. Vergl. o. die Anm. 84. Man s. hierüber Koch, Erbrecht §. 148 Nr. I.

89) Nach erreichter Großjährigkeit treten, in Betreff der Pflicht zur Einreichung eines Inven­ tars und der Folgen der hierzu gesetzlich bestimmten Frist für den gewesenen Kuranden, die sonst bestehenden Vorschriften §§. 423 ff. d. T. ein. O.Tr. I (Pr. 1930) v. 8. Nov. 1847, Pr.-S. 1 S. 34. Mit dem Tage der Volljährigkeit fängt mithin dem großjährig gewordenen Erben die Frist zur Ein­ reichung des von dem gewesenen Vormunde versäumten Inventariums zu laufen an. (6. A.) Vergl. auch O.Tr. IV v. 26. Novbr. 1872, Entsch. 68 S. 197. (7. A.) Desgleichen bei Str. Arch. 89 S. 1. Die Kirchengesellschaften und die ihnen nach §. 42 Tit. 19 Th. II gleichgestellten Armenanstalten genießen in Ansehung der Einreichung des Erbschaftsinventars die im §. 430 d. T. den Minderjäh­ rigen eingeräumten Rechte nicht, weil ihre Vorsteher nicht unter der Aufsicht der Gerichte (§.431) stehen. O.Tr. IV v. 4. Febr. 1862, Entsch. 48 S. 43. 90) Nämlich von den Gerichten, unter deren Aufsicht und Leitung sie stehen, also von dem Bor­ mundschaftsgerichte. Daraus erhellet, daß solche gesetzliche Stellvertreter, welche nicht unter der Auf­ sicht einer Bormundschaftsbehörde stehen, wie Väter, Gemeinderepräsentanten, Vertreter deS FiskuS, nicht gemeint sind, vielmehr zu den „anderen Verwaltern fremder Angelegenheiten" des folgenden §. 432 gehören. Wenn nur einer von mehreren Miterben daS Inventarium einbringt, so wird nach den Grund­ sätzen des L.R. auch den Uebrigen die Rechtswohlthat erhalten oder vielmehr erworben, weil nicht von jedem Einzelnen eine bestimmte Handlung oder Mitwirkung dabei gefordert wird. fAnderS nach R.R. L. 22 §. 2 C. de jure lib. (VI, 30).j Daher genügt es auch hinsichtlich der Großjährigen, wenn unter uiehreren Miterben Minorenne find und für diese der Vormund daS Inventarium ein-

Von Erwerbung des Eigenthums.

517

§. 432. Andere91 * * )92 Verwalter 93 94 95 *fremder * Angelegenheiten schaden durch ihre Verabsäumung ihrem Prinzipal; sie werden aber nicht nur diesem wegen des daraus ent­ stehenden Nachtheils, sondern auch den Erbschaftsgläubiaern, wegen Verdunkelung der Masse, verhaftet. §. 433. Ein nach §. 423 versiegelt eingebrachtes Inventarium darf nicht eher, als bis sich der Erbe gegen einen der Gläubiger oder Legatarien auf die Rechtswohl­ that beruft, geöffnet werden. §. 434. Ein jedes Inventarium muß ein möglichst vollständiges Verzeichniß al- ®to«rio3"«T ler zum Nachlasse") gehörigen Lermögensstücke, und aller daran gemachten An­ sprüche, so weit beide zur Zeit der Inventur, und durch die bei derselben angestellten Nachforschungen und Erkundigungen bekannt geworden sind, enthalten. §. 435. Die Angabe des Werths der Vermögensstücke, oder doch eine solche Beschreibung derselben, woraus der Werth erforderlichen Falls näher beurtheilt wer­ den könne, ist bei einem jeden Jnventario nothwendig9^). §. 436. Ob der Erbe das Inventarium gerichtlich aufnehmen lassen, oder es selbst anfertigen wolle, hängt in der Regel von seiner Wahl ab. §. 437. Ist jedoch der Nachlaß, auf den Antrag der Gläubiger, zu ihrer Si­ cherheit gerichtlich versiegelt worden (§. 387), oder können dieselben wahrscheinliche Gründe zur Besorgniß, daß der Nachlaß unzureichend sein werde, Nachweisen ; so muß das Inventarium, auf ihr Andringen, gerichtlich ausgenommen werden. §. 438. Auch Privatinventaria sind nach dem den Landes-Justizcollegiis jeder Provinz vorgeschriebenen Formular einzurichten99). reicht. Dagegen können sich die Großjährigen, im Falle der gänzlichen Bersäumniß, nicht auf die den Minorennen zustehende RechtSwohlthat berufen. 91) S. die vor. Anm. 89. — Den Satz hat, in Beziehung auf Väter, auch das O.Tr. i_in dem Pr. 2372 v. 28. April 1852, Entsch. 23 S. 63, angenommen: „Ein Vater macht durch Berabsäumung der Fristen zur Einreichung deS Inventars von einer, seinem minderjährigen Kinde an­ gefallenen, zu dessen nicht freiem Vermögen gehörenden Erbschaft, dasselbe der Rechtswohlthat verlustig." — (6. A.) Vergl. auch Str. Arch. 72 S. 83 (I). — Die Begründung wird hauptsächlich auS dem eigen en Rechte entnommen, vermöge dessen der Vater nicht aus einem übertragenen Rechte, sondern als ein eigenberechtigter Verwalter und Nießbraucher handelt, wogegen er hinsichtlich deS freien Vermögens nur eine vormundschaftliche Verwaltung hat (§. 159 Th. n Tit. 2) und wie ein Vormund förmlich unter Aufsicht der Vormundschaftsbehör'de gestellt ist (Th. n Tit. 18 §. 984 ff.). AuS diesen Gründen läßt sich nun zwar der Satz von Gemeindevertretern und vom Vertreter des FiSkus nicht direkt beweisen, aber er erhält seine Gültigkeit gleichfalls auS der Stellung dieser Ver­ walter als solcher, welche nicht, wie die §§. 430, 432 voraussetzen, unter der Aussicht und Leitung der Gerichte stehen und nicht durch diese zur Beobachtung der Ordnung angehalten werden können. (Dieser Grund ist denn auch von dem O.Tr. IV in dem Erk. v. 4. Febr. 1862, oben in der Anm. 89 Abs. 2, anerkannt.) Deshalb kann die Vorschrift nicht ausdehnend erklärt werden. 92) Vergl. Allg. Gerichtsordnung Th. n Tit. 5 §§. 43 u. flg. 93) Die im Testamente ihres Ehemannes zur Universalerbin eingesetzte Wittwe hat dem mitbe­ rufenen PflichttheilSerben nur ein Inventarium des dem Erblasser eigenthümlich zugehörig gewesenen Vermögens vorzulegen, und ist nicht verpflichtet, auch solche ihr selbst eigenthümlich gehörende Ver­ mögensstücke in dasselbe aufzunehmen, welche der Erblasser vermöge seines ehemännlichen Nießbrauchs in seinem Besitze gehabt hat. O.Tr. I v. 4. Nov. 1853, Str^ Arch. 10 S. 281. Die Frage ist wegen der Revenüen deö laufenden Quartals, in welchem der Nießbrauch beendet worden ist, zwei­ felhaft. Denn diese gehören jedenfalls mit in daS Inventarium.

94) Die §§. 434 und 435 schreiben die wesentlichen Erfordernisse vor, ohne welche daS Inven­ tarium ungültig ist. Vergl. §. 439. Die eigenhändige Unterzeichnung und die Versicherung der Rich­ tigkeit, welche die L. 22 §. 2 C. de jure delib. (VI, 30) gleichfalls fordert, ist hier nicht vorgeschrieben. Auch von der Form ist hier nicht die Rede. Darüber verhält sich die A. G.O. Th. u Tit. 5. Vgl. die folgende Anm. 95. Wegen Nichtbeobachtung der für gerichtliche Inventarien vorgeschriebenen Form ist daS Inventarium noch nicht ungültig. §. 56 a. a. O. 95) S. A. G.O. Th. n Tit. 5 §.53. Die ältere Praxis deS O.Tr. nahm an, daß die Nicht­ beobachtung des vorgeschriebenen Formulars, insbesondere der Rubriken I, II, HI, XX, XXI, die Un­ gültigkeit deS Inventars, folglich den Verlust der RechtSwohlthat zur Folge habe. O.Tr. v. 13. Aug.

518

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 439—444.

§. 439. Wenn einem Privatinventario die §§. 434, 435 vorgeschriebenen Er­ fordernisse dergestalt ermangeln, daß dadurch die Ausmittelung der Beschaffenheit des Nachlasses unmöglich wird, so findet gegen den Erben die Vorschrift §. 427 Anwen­ dung 0 6). §. 440. Ein jedes Privatinventarium muß, aus Erfordern derjenigen, welche ein Interesse dabei haben, von dem, welcher es ausgenommen hat, eidlich bestärkt werden97 * * ).* * * * * * * * * * * * * * * * * 96 §. 441. Auch ein gerichtliches Inventarium muß der Erbe eidlich bestärken, wenn 1836, Entsch. 1 S. 311, und v. 8. Aug. 1842, Ullrich Arch. 9 S. 213. Die Meinungen darüber waren aber widersprechend. Durch Pl.-Beschl. (Pr. 1546) v. 28. Febr. 1845, Entsch. 10 S. 273, ist das O.Tr. zur entgegengesetzten Meinung übergetreten, indem es als echten Rechtssatz angenom­ men hat: „Die Ve'rabsäumung des im Th. n Tit. 5 §. 53 A. G.O. für Nachlaßinventarien vorge­ schriebenen Formulars, insbesondere der Rubriken I, H, HI, XX u. XXI, hat den Verlust der Rechtswöhlthat des Inventars nicht zur Folge." Das Gegentheil ist für wahr zu halten. Die Rechts­ gründe s. m. in der Beurtheilung der Entsch. S. 704. — In dem Erk. des O.Tr. IV v. 4. Mai 1861, Str. Arch. 41 S. 237, ist denn auch nachgegeben, daß doch ein jedes Inventarium, wenn ihm die Wirkungen eines solchen beigeleat werden sollen, von einer derartigen Beschaffenheit sein müsse, daß sich aus den in demselben enthaltenen Datis die Beschaffenheit des Nachlasses übersehen läßt, und auf Grund derselben die Ausmittelung des Nachlasses möglich gemacht wird, wie in den §§. 434, 435, 439 d. T. ausgesprochen ist. Aber eben zu diesem Zwecke ist ja die Form vorgeschrieben, und wenn an die Nichtbeachtung derselben auch nicht die Nichtigkeit des Inventars ausdrücklich geknüpft ist, so hat der Gesetzgeber dieselbe doch als ein Kriterium des Vorhandenseins, der von ihm als we­ sentlich bezeichneten Erfordernisse eines jeden Inventariums vorgeschrieben, um Streitigkeiten und Prozessen über das Vorhandensein eines gehörigen Inventariums vorzubeugen. Die Einrede, daß durch die Beobachtung der Form ein gehöriges Inventarium nicht dargestellt werde, weil es un­ richtig oder unvollständig verfaßt sein könnte, trifft die Frage nicht, denn Unrichtigkeit und Unvollstän­ digkeit wird durch die Form in keinem Rechtsverhältnisse und bei keiner Rechtshandlung gedeckt.

96) Die Anwendung dieses Rechtssatzes kann, nach preuß. Prozeßrechte, entweder so geschehen, daß der Gläubiger die Hauptklage gegen die Person des Erben unbedingt richtet und den Einwand des beneficii inventarü erwartet, um denselben replicando zu widerlegen, oder so, daß er besonders auf Absprechung der Rechtswohlthat klagt. Wenn ein Nachlaßgläubiger im Wege der Exekution ein Aktivum zur eigenen Einziehung sich hat überweisen lassen, so entzieht solches ihm nicht das Recht, gegen den Erben auf Absprechung der Rechtswohlthat des Inventars Klage zu erheben. Pr. des O.Tr. v. 9. Mai 1845 Nr. 1, Entsch. 11 S. 216. Ganz natürlich, die bloße Anweisung zur Eiuziehuug (Assignation) tilgt die Forderung nicht, der Gläubiger kann davon wieder abgehen und unmittelbare Befriedigung verlangen. Der Verlust der Benefizqualität wird durch die Unvollständigkeit des Nachlaßinventars an sich herbeigeführt; und weder dadurch beseitigt, daß von dem klagenden Gläubiger ein besonderer, ihm aus der Unvollständigkeit, oder nicht rechtzeitigen Einreichung des Inventars entstandener Schaden nicht nachgewiesen worden, — noch dadurch, daß dem Kläger der Zustand des Nachlasses anderweitig bekannt geworden, — noch endlich dadurch, daß es unter Beseitigung des von dem Erben gelegten In­ ventars, auf andere Art möglich geworden ist, die Beschaffenheit des Nachlasses auszumitteln. Dass. Pr. Nr. 2, Entsch. 11 S. 216. — Der §.439 findet dann nicht Anwendung, wenn der Erbe zur Zeit der Errichtung eines Inventars keine Kenntniß von einer in demselben nicht aufgeführten Forde­ rung oder einem sonstigen Vermögensstücke gehabt hat und ihm bei der Nichtaufnahme in das In­ ventar weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last fällt; durch diese Nichtaufnahme in das Inventar wird die Möglichkeit der Ausmittelung der Beschaffenheit des Nachlasses unbedingt nicht ausge­ schlossen. O.Tr. III v. 5. April 1867, Entsch. 58 S. 58. Für die Kosten der von ihm geführten Prozesse haftet der Benefizialerbe immer persönlich mit seinem eigenen Vermögen; denn die Prozeßfnhrung ist sein eigenes Geschäft. Vergl. auch das R. v. 16. März 1835, Jahrb. 45 S. 182. Dies gilt jedoch nur dem Prozeßgegner und dem Gerichte gegen­ über, nicht im Verhältniß zu den Gläubigern. §. 444.

97) Einen anderen Beweis der Nichtigkeit hat der Erbe nicht zu führen. Wer die Unrichtigkeit behauptet, muß sie nachweisen. Die Folge der Unrichtigkeit ist nicht bestimmt. Nach der L. 22 C. de jure delib. (VI, 30) mußte der Erbe das Doppelte des Uebergaugenen hergeben. Nach dem L.R. müßte die wissentliche Verheimlichung von Nachlaßstücken den Verlust der Rechtswohlthat zur Folge haben, weil die Bedingung der Wohlthat, die Einbringung eines vollständigen Inventariums, nicht erfüllt ist. §§. 439 und 434, 423. (6. A.) Die Pflicht, den Manisestationseid zu leisten, geht auf den Erben des Verpflichteten über. O.Tr. I v. 23. Jan. 1871, Entsch. 65 S. 404.

Bon Ettvt-i'bnng Des EigculhumS.

519

entweder gar keine Siegelung vorhergegangen ist, oder wenn er dieselbe später als vier und zwanzig Stunden nach der Zeit, da der Erblasser verstorben, oder dessen Ab­ leben ihm bekannt geworden ist, nachgesucht hat. §. 442. Gegen jedes Inventarium kann ein Interessent, der zu besten Ausneh­ mung nichts) mit vorgeladen, oder dabei zugezogen worden, Erinnerungen machen und Erläuterungen darüber fordern. §. 443. Wer eine Erbschaft bloß mit Vorbehalt antritt, der erlangt nur ein eingeschränktes Eigenthum des Nachlasses' "ine# «enefu §. 444. Er muß also den Erbschaftsgläubigern, wenn er sich dieses Vorbehalts sialerben" gegen dieselben bedienen will, über den Nachlaß, dessen Verwaltung 10°) und Nutzun­ gen, Rechenschaft ablegen1). 98) Auch die Vorgeladenen und Zugezogenen sind durch die Ladung und Zuziehung mit ihren Erinnerungen, zu deren Anbringung ohnehin bei der Aufnahme des Inventars kein Raum ist, nicht ausgeschlossen; vielmehr steht jedem Betheiligten frei, seine Monita im Wege des Defektatoriums anznbringen und zu bewahrheiten. Der §. 442 will nur den negativen Satz außer Zweifel stellen, daß die unterlassene Vorladung oder Zuziehung die Inventarserrichtung nicht ungültig mache, welche Be­ stimmung wegen der Nov. i c. 2 §. 1 zweckmäßig war.

99) Die Konfusion beider VermögenSmasseu wird durchaus verhindert. Tit. 16 §§. 486, 487; Pr.-O. Tit. 51 §. 80 Nr. 4. Vergl. L. 22 §. 9 C. de jure delib. (VI, 20). (7. A.) O.Tr. IV v. 25. April 1876, Eutsch. 77 S. 159. Der Vorbehalt wirkt nur zwischen Erben und Nachtaßgläubigern, nicht Dritten gegenüber. 100) (6. A.) Der Benefizialerbe kann für die als Verwalter des Nachlasses berechtigter Weise vor­ genommenen Geschäfte nicht aus feinem eigenen Vermögen haftbar gemacht werden. Str. Arch. 76 S. 351 (JV). Wenn, nach eröffnetem erb'lchaftlicheu Liquidationsprozesse, der in der Administration verbliebene Benefizialerbe Verträge, die Masse angehend, schließt, so tritt der andere Kontrahent nach §§. 269, 370 Tit. 50 der Pr.-O. in das Verhältniß solcher Personen, die mit der Masse koutrahirt haben. O.Tr. III (Pr. 963) v. 12. Dezbr. 1840, Pr.-S. 1 S. 34. Das ist nicht zweifelhaft; der Benefizialerbe ist auch schon vor Eröffnung des Liquidationspro­ zesses Verwalter der Masse in der Bedeutung, daß er Alles, was er in der Verwaltung ausgegeben und auf sich genommen hat, in Rechnung bringen nnd dadurch jedes Geschäft auf den Stand bringen kann, auf welchen das Pr. 963 sich bezieht. Er ist namentlich, wenn er während seiner Verwaltung ausstehende Nachlaßforderungen eingezogen nnd Nachlaßschulden berichtigt hat, nach hiernächst eröffne­ tem erbschastlichen Liquidatiönsprozesse nicht verpflichtet, die eingezogenen Gelder zu der unter gericht­ liche Administration gestellten Masse herauszuzahlen und statt der befriedigten Gläubiger zu liqüidiren. O.Tr. v. 26. März 1828, Simon, Rechtsspr. 2 S. 63. (Die gerichtliche Administration kann bei dem neuen erbschastlichen Liquidationsversahren sK.O. §§. 342 ff.] nicht mehr Vorkommen.) Es wird dort noch beigefügt: sondern es gebühre ihm ein Kompensationsrecht. Diese Auffassung ist unrichtig. Ein Verwalter, welcher einnimmt und ansgiebt, kompensirt nicht die Ausgaben, denn er selbst giebt nichts her, erwirbt also seinerseits keine Forderung für sich, welche er koinpensiren könnte. S. auch die folgende Anmerkung. Der Benefizialerbe, welcher behufs Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts neue Kaufver­ träge abschließt, vollzieht nicht Akte der Nachlaßverwaltung, sondern verpflichtet sich persönlich, sagt das O.Tr. IV in einem Erk. v. 22. Septbr. 1860, Str. Arch. 39 S. 73, da die Verwaltung einer Vermögensmasse nur in deren Erhaltung und nöthigenfalls Verwerthung, nicht aber in der Vergröße­ rung von außen her bestehe. Von einer Vergrößernng des Handelsgeschäfts läßt sich nicht sprechen bei der bloßen Erneuerung eines ausgegangenen Artikels. Aber ein Sachverständiger, nämlich ein richtiger Kaufmann, wird das O.Tr. fragen: wie den anderen Erfordernissen, d. i. der Erhaltung und Verwerthung entsprochen werden soll, wenn der Verwalter einer Handlung oder Apotheke die eingegangenen (verkauften oder verdorbenen) Artikel nicht durch frische ersetzen darf! Das O.Tr. ver­ wechselt einen Ausverkauf mit der Verwaltung.

1) Vergl. Pr.-O. Tit. 51 §. 73. Er kann Alles in Ausgabe stellen, was er zum Zwecke der Verwaltung ausgegeben, beziehungsweise vorgeschossen hat. Insbesondere auch Prozeßkosten aus Pro­ zessen, welche er wegen Erbschastsgegenstände zu führen Anlaß gehabt hat, roenn ihm deshalb ein Ver­ sehen nicht vorgeworfen werden kann (§. 445). Auch bezahlte Schulden zu dem Betrage, welcher zur Tilgung verwendet worden ist, gehören in die Rechnung. Vergl. u. die Anm. 6. Das O.Tr. hat in dem Erk. v. 13. Sept. 1844, Eutsch. 11 S. 225, den Satz ausgesprochen: „Hat der^Benefizialerbe die Forderung eines Dritten gegen den Nachlaß für einen geringeren Preis, als die Summe der Forderung beträgt, an sich gebracht, so kann seinem Verlangen auf volle Bezahlung derselben, von Seiten der Erbschaftsgläubiger, nicht durch den Einwand begegnet werden, daß er nur Bevollmächtigter

Erster Theil.

520

Neunter Titel.

§§. 445—457.

§. 445. Doch hastet er denselben nur für ein grobes und mäßiges Versehen. §. 446. Seine Verfügungen über den Nachlaß sind, so lange ihm darunter nicht, auf Antrag der Gläubiger, gerichtliche Schranken gesetzt worden, in Ansehung des Dritten, der sich redlicher Weise in Verhandlungen mit ihm eingelassen hat, gültig*2).3 §§. 447 bis 451. Aufgehoben 3). 6.

V. vom 28. März 1840, betr. die Befugniß des Benefizialerben.

(G.S.

S. 103.) Da die bestehenden Vorschriften über die Beschränkung der DiSpositionSbefugniß eine- Bene­

fizialerben in Bezug auf die zum Nachlaß gehörigen Grundstücke dem Erben zu großer Belästigung gereichen, ohne jedoch den Erbschaftsgläubigern entsprechende Vortheile zu gewähren, so verordnen Wir für diejenigen Provinzen Unserer Monarchie, in welchen daS A. L.R. und die A. G.O. Kraft

haben, auf den Antrag Unseres Staatsministeriums und nach erfordertem Gutachten einer aus Mit­

gliedern des Staatsraths ernannten Kommission, was folgt: §♦ 1.

Dem Benefizialerben wird die Befugniß beigelegt, sofern er sich der Verwaltung de8

Nachlasses nicht begeben hat, und ihm auch nicht auf den Antrag der Gläubiger oder Legatarien vom Richter Schranken gesetzt worden sind, über die zum Nachlaß gehörigen Grundstücke und Ge­ rechtigkeiten eben so, wie über die beweglichen Sachen, zu verfügen.

§. 2.

Bei der Berichtigung des Besitztitels für einen Erben soll die Einschränkung, daß er nur

als Benefizialerbe besitze, in das Hypothekenbuch nicht ferner eingetragen werden.

der Gläubiger gewesen." Der Satz ist mit Vorsicht aufzunehmen; er beruht ganz allein auf der ju­ ristischen Thatsache des „an sich gebracht Habens". Die Frage ist aber: wodurch ein Benefizial­ erbe die Forderung eines Erbschaftsgläubigers an die Nachlaßmasse an sich bringt. Daß dies dadurch geschehen könne, daß er den Gläubiger aus den Mitteln der Masse befriedigt, muß durchaus geleug­ net werden: durch Verwendung der Erbschaft kann der Benefizialerbe nichts an sich bringen, d. h. für seine eigene persönliche Vermögensmasse erwerben. Die Rechenschaft muß übrigens auch von einem einzelnen Miterben über die ganze Erbschaft, nicht bloß über seine Portion, gegeben werden. O.Tr. v. 4. März 1843, Entsch. 9 S. 241. — Unzweifel­ hafte Pflicht des Erben ist es, den Nachweis zu führen, daß die ganze vorhanden gewesene Aktivmasse zur Befriedigung besser berechtigter Gläubiger verwendet worden sei. (Vergl. §. 455.) O.Tr. IV v. 18. Febr. 1862, Str. Arch. 44 S. 209. (7. A.) Die Rechenschaft muß auch abgelegt werden, wenn der Nachlaß unzulänglich ist. O.Tr. I v. 19. Ian. 1874, Str. Arch. 92 S. 95. Zu Veräußerungen von Nachlaßsachen ist jeder Miterbe dritten Personen, namentlich den Nach­ laßgläubigern gegenüber, berechtigt (§. 446); nur den anderen Miterben steht ein Anfechtungsrecht gegen den^ Veräußerer zu. Daher ist nach Eröffnung des Konkurses über den Nachlaß der Verwalter der Masse nicht berechtigt, die vorher von Einem der Benefizialerben vorgenommene Veräußerung anzu­ fechten. O.Tr. IV v. 11. Sept. 1860, Str. Arch. 39 S. 45. 2) Einen Vertrag, wodurch der Benefizialerbe Nachlaßsachen an einen Gläubiger verkauft und dieser ermächtigt wird, seine Forderung auf das Kaufgeld abzurechnen (was eigentlich eine datio in solutum ist),' sind, wenn vor der Uebergabe der erbschaftliche Liquidationsprozeß eröffnet wird, die Gläubiger nicht schuldig zu erfüllen. Der Käufer muß seine Forderung liquidiren und kann die Uebergabe der gekauften Sache nicht verlangen. Ein solcher Rechtsfall ist in diesem Sinne entschie­ den von dem O.Tr. durch Erk. v. 24. März 1838, Centralbl. 1839 Kol. 1139. — Jetzt kann dieser Rechtssatz nur auf den Konkurs über die Erbschaft Anwendung finden. K.O. §§. 342 ff.

3) Deren Wortlaut ist: §.447. So lange er aber ein ererbtes Grundstück nur als Benefizialerbe besitzt, kann er dar­ über, zum Nachtheile der Erbschastsgläubiger, keine gültige Verfügung treffen. §. 448. Es muß daher bei Eintragung seines Besttztitels auf ein solches Grundstück die Ein­ schränkung, daß er nur als Benefizialerbe besitze, in dem Hypothekenbuche mit vermerkt werden. §. 449. Die uneingeschränkte Disposition erlangt er erst alsdann, wenn er sich entweder ohne Vorbehalt für Erben erklärt; oder ein Präklusionserkenntniß der unbekannten Erbschaftsgläubiger bei­ bringt, und die Einwilligung oder Befriedigung der bekannten nachweiset. *§. 450. Ist die §.448 verordnete Eintragung nicht geschehen, und hat ein Dritter, redlicher Weise, aus den Glauben des Hypothekenbuchs, mit den Erben in gerichtliche Verhandlungen über das Grundstück sich eingelassen; so sind dieselben gültig. §. 451. Der Erbe, welcher dergleichen Verfügungen zum Nachtheile der Erbschastsgläubiger vor­ genommen , und bei dessen Unvermögen der Richter, welcher die nach §. 448 zu verfügende Eintra­ gung aus grobem oder mäßigem Versehen verabsäumt hat; bleibt diesen Interessenten verantwortlich.

Bon Erwerbung des Eigenthums.

§. 3.

521

Die Vorschriften deS A. L.R. Th. i, Tit. 9, §§. 447 — 451 und der A. G.O. Th. I,

Tit. 50, §. 280 werden aufgehoben.

Jede auf Grund derselben bereits eingetragene Einschränkung

eines Benefizialerben ist nach Ablauf von sechs Monaten, von dem Tage der Publikation dieser Ver­ ordnung an gerechnet, von Amtswegen zu löschen, wenn nicht bis dahin ein Erbschaftsgläubiger bei dem Hypothekenrichter sich meldet und nachweist, daß er schon vor Publikation dieser Verord­

nung innerhalb Jahresfrist seit Eröffnung der Erbschaft seinen Anspruch im Rechtswege geltend ge­

macht hat. §. 4.

Die Bestimmung der V. über den Subhastations - und Kaufgelder-Liquidationsprozeß v.

4. März 1834, §♦ 2, Nr. 2 wird dahin erweitert: daß die nothwendige Subhastation zum Nachlaß gehöriger Grundstücke und Gerechtigkeiten auf den Antrag eines jeden Benefizialerben mit voller Wirkung stattfindet ♦).

Gesetz vom 1. März 1869 (G.S. S. 377).

In den Bezirken der Provinz Hannover, in welchen das Allgemeine Landrecht gilt, treten in Kraft: 6) die §§. i, 2 und 3 der Verordnung vom 28. März 1840, betreffend die Befugniß des Be­ nefizialerben.

§. 452. Auch die Bezahlung der Erbschaftsgläubiger muß der Benefizialerbe nur in derjenigen Ordnung leisten, welche die Gesetze nach Beschaffenheit ihrer Forde­ rungen vorschreiben4 5).6 7 8 9 §. 453. Erschöpft er den Nachlaß durch Zahlungen an einige Gläubigerb) der­ gestalt, daß selbiger zur Befriedigung derjenigen, denen die Gesetze einen vorzüglichen Platz anweisen N, unzureichend wird, so kann er sich gegen solche vorzügliche Gläu­ biger mit der Wohlthat des Jnventarii nicht schützen. §. 454. Vielmehr muß er denselben aus seinem eigenen Vermögen auf so hoch gerecht werden, als sie erhallen haben würden, wenn der Nachlaß unter die Gläubiger überhaupt nach gesetzmäßiger Ordnung wäre vertheilt worden b). §. 455. Will der Erbe sich gegen dergleichen besorgliche Vertretung sicher stel­ len, so steht ihm frei, auf Eröffnung des erbschaftlichen Liquidationsprozesfes anzu­ tragend). §. 456. Was dabei zu beobachten sei, ist in der Prozeßordnung vorgeschrie­ ben 10). §. 457. Wer ohne Richter und Recht in die Verwaltung einer fremden Erbschaft 8,ugti**11 4) Vergl. Konkurs-Ordnung v. 8. Mai 1855 §. 359 Satz 3.

5) Vergl. V. v. 4. März 1834 über die Exekution in Civilprozessen §. 2. 6) digung sondern Pr.-S.

Auch wenn hiernächst Konkurs über den Nachlaß eröffnet wird, steht, wegen erfolgter Befrie­ nicht bevorzugter Gläubiger, ein Anspruch gegen den Benefizialerben nicht "dem Massenkurator, nur dem einzelnen benachtheiligten Gläubiger zu. O.Tr. III (Pr. 609) v. 4. Februar 1839, 1 S. 34.

7) Den nicht bevorzugten, gleichberechtigten Gläubigern ist ein solches Recht nicht gegeben. O.Tr. IV v. 16. Sept. 1856, Str. Arch. 22 S. 186, und v. 15. Nov. 1864, Str. Arch. 54 S. 358, und noch einmal 57 S. 88. 8) Dann würden auch die bedeutenden Kommun- und Liquidationskosten in Abgang gekommen sein. Diese müssen daher in dem hier vorgesehenen Falle gleichfalls nach ungefährer Berechnung zum Vortheile des Erben angeschlagen und abgerechnet werden. 9) Dies steht auch jedem Einzelnen von mehreren Miterben frei, mit der Wirkung, daß über den ganzen Nachlaß, nicht etwa über die Quote des Provokanten, der Liquidationsprozeß eröffnet wer­ den muß; über eine Erbquote ist derselbe unzulässig. Bergt. R. v. 8. Febr. und 17. März 1840 zur Pr.-O. Tit. 51 §§. 59, 60; Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 §. 342. Auch wenn der Nachlaß durch den Erben schon erschöpft ist, kann der Erbe doch noch auf Eröff­ nung des Liquidationsprozesses mit der Wirkung antragen, daß mit der Exekution inne gehalten wer­ den muß, vorausgesetzt, daß die einjährige Frist dazu noch nicht abgelausen ist. 10) Konkurs-Ordnung v. 8. Mai 1855 §§. 342—361.

522

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 457- 473.

sich eindrängt, muß sowohl dem Erben, als den Gläubigern, für allen auch durch das geringste") Versehen entstandenen Schaden haften. §• 458. Hat er bei Führung der Administration sich den Verdacht12) der Treu­ losigkeit zugezogen, oder die Masse mit seinem Vennögen dergestalt vermischt, daß der wahre Betrag des Nachlasses nicht mehr zuverlässig ausgemittelt werden kann, so haftet er den Gläubigern und Legatarien als Selbstschuldner. §. 459. Auch dem wahren Erben muß er den wahrscheinlichen Ueberrest des Nachlasses herausgebcn, und der Erbe wird zur eidlichen Erhärtung dieses Betrags, auf eine nach den Umständen von dem Richter zu ermäßigende Summe, zugelassen. . §■ 460. Meldet sich zu dem Nachlasse des Verstorbenen kein Erbe, so muß der uwzuderEröe Richter die Versiegelung und andere zur Sicherheit der Verlasienschaft erforderlichen i'• 9ln|lstltcn von Amtswegen vorkehren "). Sicklung.

§■ 461. Ein Gleiches findet statt, wenn die bekannten oder vermuthlichen Erben insgesammt abwesend sind, oder wenn sich Minderjährige, oder andere ihren Sachen selbst vorzustehen unfähige Personen unter denselben befinden. §. 462. Hat jedoch der Verstorbene einen am Orte gegenwärtigen Ehegatten hinterlassen, so bedarf es, auch bei der Abwesenheit oder Unfähigkeit einiger, oder 11) S. 0. die Anm. ;u §. 17 Tit. 3. — Vgl. L. 25 §§. 2, 11; L. 31, §. 3; L. 40 pr., L. 54 D. de bered, petit. (V, 3). 12) Diese dem Landrecht eigenthümliche Bestimmung bezieht sich zunächst aus das Verhältniß der (Gläubiger zu dem Erbschaftsbesitzer und setzt voraus, daß er entweder, als solcher von einzelnen Gläu­ bigern in Anspruch genommen, sich aus das beneficium inventarii stützen will, oder daß die ganze Masse von den Gläubigern zu ihrer Befriedigung in Anspruch genommeu worden, oder daß er als Juris possessor — nachdem er die Erbschaftssachen ganz oder zum Theil veräußert hat, hasten soll. Vergl. L. 11 pr. D. de heredit. petitione (V, 3). Außerdem ist nicht zu sehen, wie die Gläubiger mit dem bloßen possessor hereditatis sollen Zusammentreffen können. Zur Rechtfertigung des Grun­ des der selbstschuldnerischen Obligation sagt Tuarez: „Eiuige Monenten meinen, der bloße Ver­ dacht der Treulosigkeit sei nicht hinreichend , Andere halten die Disposition für zu strenge, wenn aus den Umständen erhelle, daß der Nachlaß nicht so viel betragen habe. Allein ich würde es simplicirter bei dem Texte lassen. Es ist die Rede von einem Menschen, der sich fälschlich und eigenmächtig pro berede gerirt. Wenn dieser sich einer Treulosigkeit bei seiner Administration verdächtig macht, und diesen Verdacht nicht ablehnen kann, so verdient er keine Schonung. Ist der wahre Betrag durch sein factum illicitum verdunkelt worden, daß solcher nicht mehr ausgemittelt werden kann, so können die Interessenten darunter niemals das Geringste leiden." Ges.-Rev. Pens. XVI Mot. zum Tit. 9 Abschn. 8 S. 36. Das Verhältniß ist hiernach eigenthümlich aufgefaßt. Der Erbschaftsbesitzer, der die Erbschaft für sich haben will, steht zu keinem in einem persönlichen Verhältnisse, am wenigsten in einem aus Treue gegründeten; er ist mithin nicht in dem Falle, eine Treulosigkeit begehen zu können. Er ist, nach der Voraussetzung dieser Bestimmung, ein unredlicher Erbschaftsbesitzer und muß schon wegen seiner Unredlichkeit für Vieles persönlich haften. Ein praktisches Bedürfniß war zu dieser Bestimmung, auch in Beziehung auf das Verhältniß zu dem wahren Erben (§. 459), nicht vorhan­ den , zumal bh Fall der Anwendung der hereditatis petitio gegen einen derartigen Erbschaftsbesitzer, bei der regelmäßigen Einmischung und Mitwirkung der Gerichte bei der Legitimation und Einweisung des Erben, höchst selten ist. — Dagegen fehlen die Bestimmungen über den redlichen und nnrechtfertigen Erbschaftsbesitzer bei der hereditatis petitio ganz; denn die Vorschriften §§. 495 ff. betreffen nur den besonderen Fall der Einweisung des nächsten Erben in die bonorum possessio eines Abwesenden. Deshalb müssen die Grundsätze von der Vindikationsklage, soweit sie auf die Erbschastsklage nicht ge­ radezu passen, analoge Anwendung finden. Die Verjährung durch Besitz (10- oder 20j.) findet gegen.die Erbschastsklage nicht statt; diese verjährt nur in der gewöhnlichen Zeit von 30 Jahren. §. 494 d. T. Das O.Tr. in dem Erk. v. 2. Okt. 1845, Entsch. 12 S. 176, hat in dieser Hinsicht, bezüglich aus einen verschollenen Erben, fol­ gende Rechtssätze ausgesprochen: I. Die Verjährung des Miterbrechts eines abwesenden Miterben, dem noch kein Abwesenheitskurator bestellt war, und von dessen Vorhandensein bei der Regulirung des Nachlasses nichts erhellte, kann zwar — den übrigen Erben gegenüber, die den Nachlaß als legitimirte Rechtsnachfolger des Erblassers vom Gerichte ausgehändigt erhalten haben — anfangen, und wird auch nicht durch die Vorschrift des §. 115 Tit. 17 ausgeschlossen. II. War der Abwesende aber schon vor dem Erbanfalle verschollen, und ist weder eine öffentliche Vorladung desselben oder der un­ bekannten Erben veranlaßt, noch sonst ein Umstand dargethan, welcher schließen ließe, daß er von dem Erbanfalle Kenntniß hätte erhalten können, so tritt die Verjährung nicht ein.

Von Erwerbung des Eigenthum«.

523

aller übrigen Erben, dennoch der Regel nach keiner von Amtswegen zu verfügenden Siegelung. §. 463. Vielmehr ist der überlebende , im Besitze des Nachlasses verbliebene Ehegatte den andern Erben zur Vorlegung eines auf Erfordern eidlich zu bestärkenden Privatinventarii verpflichtet"). (§§.440, 442.) §. 464. Die Obliegenheiten des Richters wegen Publikation eines vorhandenen Testaments sind gehörigen Orts bestimmt. (Tit. 12, §§. 208 sqq.) §. 465. Ist zwar bekannt, wer Erbe fei; der Aufenthalt desselben aber ist in>£n'X nerhalb dreier Monate vom Todestage des Erblassers nicht ausgemittelt worden, so nur teer Aussind der Erbe und dessen nächste Verwandten, durch öffentliche Bekanntmachung, Erben" oder zur Anmeldung bei dem Gerichte, und zur Wahrnehmung ihrer Gerechtsame aufzu­ fordern § 466. Der Zweck dieser Aufforderung ist bloß, daß die Existenz der Erbschaft, und die dem Erben und seiner Familie daran zustehenden Rechte so viel als möglich zur Kenntniß derselben gelangen sollen. §. 467. Es bleibt also auch die Art der Bekanntmachung, und wie dieselbe nach Bewandtniß der Umstände am zweckmäßigsten geschehen könne, dem vernünftigen Ermessen des Richters überlassen. §. 468. Uebrigens muß dem abwesenden Erben, wenn er nicht schon mit einem Vormunde versehen ist, ein solcher Vormund sofort bestellt werden. A nh. §. 10.

Die Bestellung dieses Kurators und die Direktion der Verwaltung gehören zum

Geschäftskreis der vormundschaftlichen Behörde.

(Th. 11, Tit. 18, §. 954.)

§. 469. Dieser muß wegen Antretung der Erbschaft, und Verwaltung derselben, die den Vormündern überhaupt vorgeschriebenen Pflichten beobachten"). §. 470. Wegen der Vorladung eines solchen Verschollenen zum Behufe seiner Todeserklärung ist das Erforderliche gehörigen Orts vorgeschrieben. (Th. II, Tit. 18, Abschn. 8.) §. 471. Ist gar nicht bekannt, wer Erbe sei, so muß der Richter, nach Ablauf ^enn, wer dreier Monate vom Todestage des Erblassers oder auch noch früher, wenn es die wannt ist." Umstände des Nachlasses erfordern, demselben 17) einen Kurator bestellen. §. 472. Dieser muß, wegen Antretung der Erbschaft, und Ausnehmung eines Jnventarii, die Rechte des unbekannten Erben beobachten. §. 473. Wegen Verwaltung des Nachlasses hat zwar auch ein solcher Kurator überhaupt die Rechte und Pflichten eines Vormunds18); 13) Zn diesem Zwecke ist gewissen Personen zur Pflicht gemacht, den Gerichten den Todesfall unverzüglich anzuzeigen. A. G.O. Th. II Tit. 5 §. 23. Nur wenn dem Richter der Fall amtlich bekannt geworden ist, kann die Befolgung der Vorschrift dieses §. von ihm gefordert werden. 14) Dieser Verpflichtung hat Derselbe durch Vorlegung eines von ihm nachträglich als unrichtig anerkannten Inventariums nicht genügt; er muß sie daher "noch erfüllen. O.Tr. I v. 3. Mai 1867, Str. Arch. 68 S. 83. 15) Auch die unbekannten Legatarien können auf diese Weise, auf Antrag des dazu wohl legitimirten Kurators eines Legats, zur Meldung aufgefordert werden. O.Tr. v. 26. Febr. 1833, Si­ mon, Rechtsspr. 4 S. 210. 16) Bergt, oben Anm. 45 zu §. 390 d. T. 17) Wem? Dem Nachlasse oder dem Erben? Die Praxis bezieht es aus den Nachlaß und es ist immer von dem „Nachlaßkurator", von dem ,.curator massae“ Rede. Bergt, auch d. R. v. 11. Ian. 1839, I.M.Bl. S. 58, und Bericht des Gerichts zu dem R. v. 12. Febr. 1798, Rabe_ 5 S. 40. Allein das „demselben" kaun auf den unbekannten Erben bezogen, und der Kurator müßte mithin sowohl in diesem Falle wie in dem Falle des §. 468, dem abwesenden (unbekannten) Erben bestellt werden. Denn die cura hereditatis jacentis kann nach pr. R. nicht Bedürfniß sein, weil im­ mer der Erbe, ipso jure, an die Stelle des Erblassers tritt und eine Herrenlosigkeit eigentlich nicht eintreten, mithin von einer hereditas jacens überall nicht die Rede sein kann. Indeß haben die Ver­ fasser das L.R. in der That beabsichtigt, einen Nachlaß- oder Bertassenschafts-Kurator bestellen zu lassen. §§. 487 und 490 d. T., und Ä. G.O. Th. I Tit. 20 §. 4.

524

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 474—484.

§. 474. Doch muß er soviel als möglich dahin sehen, daß der Nachlaß in der­ jenigen Lage, in welcher er sich bei dem Ableben des Erblassers befunden hat, erhalten werde19). §. 475. Er darf also keine Grundstücke veräußern; keine sicher ausstehenden Kapitalien aufkündigen ; keine neuen Geschäfte unternehmen; und auch das bewegliche Vermögen nur so weit, als es bei längerer Aufbewahrung verderben, oder die Kosten dieser Aufbewahrung dem Werthe der Sache nicht verhältnißmäßig sein würden, ins Geld setzen"). §. 476. Vornehmlich aber muß der Kurator sich die Ausmittelung und Entde­ ckung des eigentlichen Erben möglichst angelegen sein lassen. §. 477. Sind diese Bemühungen fruchtlos, so müssen der unbekannte Erbe und dessen Erben oder nächste Verwandten öffentlich vorgeladen »erben21). Anh. §. 11.

Wenn von keinem Blutsverwandten22) eines Verstorbenen Nachricht vorhanden

ist; so kann dem überlebenden Ehegatten, als dem in Ermangelung erbfähiger Verwandten gesetzlich zur Erbfolge Berechtigten, der Nachlaß des Verstorbenen bloß gegen die Versicherung an Eides

Statt, daß ihm keine Verwandten des Erblassers bekannt seien, überlassen werden, ohne daß eS dazu eines Aufgebots bedarf; nur muß der Richter die §. 479 zur Abwartung der Ansprüche eines

Erben bewilligte Frist in dem Falle verlängern, wenn die Erbschaft von Belang, und der Erblasser

nach den vorhandenen Nachrichten aus einem entfernten Lande gebürtig ist, oder sonst Umstände vor­ handen sind, welche eS wahrscheinlich machen, daß die Erkundigungen, welche der in solchen Fällen

jedesmal zu bestellende Kurator vornehmen muß, eine längere Zeit als gewöhnlich erfordern möchten.

§. 478. Diese Vorladung muß in der Regel nach Verlauf anderer drei Monate vom Tage der Anordnung des Kurators geschehen. §. 479. Doch kann der Richter diese Frist verlängern, wenn noch Hoffnung, den Erben auf andere Art auszuforschen, vorhanden ist. §. 480. Bei der Vorladung selbst sind die Vorschriften der Prozeßordnung, von der Ediktalcitation eines Verschollenen, zu beobachten22). §. 481. Meldet sich in dem anberaumten Termine kein Erbe, so fällt der Nach­ laß, als ein herrenloses Gut, dem Fiskus anheim. (Th. II, Tit. 15 24), Abschn. 2.) son bet §. 482. Meldet sich vor oder in dem anberaumten Termine ein Erbe, so muß dä Erben" er dem Richter22) sein Erbrecht gehörig nachweisen22). 18) Es bedarf daher auch in allen Fällen der obervormundschaftlichen Autorisation oder Genehmi­ gung, wo dieselbe für die Handlungen anderer Vormünder vorgeschrieben ist, z. B. auch zur Relation eines ihm zugeschobenen Eides. Die doppelte Frist für Anmeldung der Rechtsmittel kommt ihm aber nicht zu. Präj. d. O.Tr. I Nr. 1599 , Präj.-S. S. 425.

19) Er kann und muß jedoch auf Eröffnung des erbschaftlichen LiquidationSprozefses antragen, wenn Gläubiger mit Exekution andringen. — Pachtkontrakte zu kündigen ist er nicht befugt. O.Tr. III v. 9. Sept. 1857, Entsch. 36 S. 52. 20) (6. A.) §.475 giebt dem Nachlaß kurator eine Anweisung. Wenn das O.Tr. IV v. 9. Jan. 1872, Entsch. 66 S. 303 ausführt, der Nachlaßrichter vertrete den Erben, so ist dieser Ansicht schwerlich beizutreten. 21) Das rückständige Gnadengehalt verstorbener Invaliden soll, in Ermangelung bekannter Er­ ben, den Wittwen, ohne Vorladung der etwanigen, unbekannten Erben, ganz gezahlt werden. K.O. v. 7. Mai 1818, Jahrb. n S. 195.

22) Oder erbsolgefähigen Adoptivverwandten. 23) Meldet sich vor oder in dem Termine Niemand, so hat der Kurator den Diligenzeid zu lei­ sten. Weigert er sich dessen, so soll dies als eine Ablehnung der Kuratel angesehen und ein anderer Kurator bestellt werden. R. v. u. Jan. 1839, J.M.Bl. S. 58. Dies führt jedoch nicht nothwen­ dig zum Ziele; jeder neu angestellte Kurator kann sich auch weigern. Der Eid kann nur von dem­ jenigen gefordert werden, welcher ein Interesse hat, daß der Eid geleistet werde. Dies ist nicht der Kurator' des unbekannten Erben, sondern der, welcher die Erbschaft nehmen will, wenn kein Ver­ wandter zu ermitteln ist. Dieser Erbschaftsprätendent sollte auch das Aufgebot ausbringen. 24) Statt 15 ist „16" zu lesen. R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 469. 25) Dem Erbschastsrichter. Der Lehnserbe legitimirt sich bei dem kompetenten LehnShofe, der

Von Erwerbung deS Eigenthums.

525

§. 483. Eine gleiche Verbindlichkeit liegt, auch außer dem Falle dsS Aufge­ botes, jedem Erben ob, dessen Erbrecht nicht klar erhellet. §. 484. Gründet sich der angebliche Erbe auf die gesetzliche Erbfolge, so muß er den Grad seiner Verwandtschaft mit dem Verstorbenen bestimmt anzeigen, und gehörig Nachweisen^). Fideikommißnachfolger bei dem Appellationsgerichte, welchem die betreffende Fideikommißangelegenheit, nach der V. v. 2. Jan. 1849, zusteht. 26) Dies ist erforderlich, um in den Besitz der Erbschaft gesetzt zu werden, wenn solche in ge­ richtlichen Verwahrsam genommen worden ist, und um das zur Disposition über liegende Gründe und Forderungen unentbehrliche Legitimationsattest zu erlangen, wenn man nicht Testamentserbe ist. Die Erbeslegitimation fordert nicht stets ein, lediglich zu diesem Zwecke bestimmtes Verfahren und die Ausstellung eines Legitimationsattestes des Erbschastsrichters, sondern kann auch in einem, einen anderen Gegenstand betreffenden Rechtsstreite unter diesen Parteien sestgestellt werden. O.Tr. v. 15. Juli 1859, Entsch. 41 S. 75. Vergl. die folgende Anm. 27.

27) Ist es Adoptivverwandtschast, so wird der Adoptionsvertrag vorgelegt; ist es Blutsverwandt­ schaft, so müssen die erforderlichen Auszüge aus den Civilstandsregistern (Kirchenbüchern) beigebracht, und wenn dies wegen Vernichtung oder Unvollständigkeit derselben unmöglich ist, andere Beweise, z. B. Vermerke der Eltern oder Zeugen über die Geburt, von den gewissen Eltern herbeigeschafft wer­ den (vergl. das R. v. 2. März 1835; Jahrb. 45 S. 179), worüber jedoch kein kontradiktorisches Ver­ fahren, also auch kein Erfüllungseid stattfindet, weil die Legitimation nur dem Erbschaftsrichter ge­ führt wird und kein Prozeßgegner vorhanden ist. Es versteht sich darnach, daß man in manchen Fäl­ len, bei zweifelhaften Beweisen, keinen Ausgang hat. Man bestellt dann einen Verlassenschastskurator, wenn noch keiner vorhanden ist, und mit diesem muß der Prätendent seine Verwandtschaft kontradik­ torisch austragen, Alles auf seine Kosten, wenn er auch den Nachweis führt und als Erbe anerkannt werden muß; denn der künstlich geschaffene Gegner, der Kurator, nimmt selbst seine Bezahlung aus der Erbschaft, die er ohne Recht dem Erben streitig gemacht hat. — Auffallender Weise hat das Kam­ mergericht noch im Jahre 1851 die Frage: ob der Erbprätendent als ein Verwandter des Erblassers, und in welchem Grade verwandt, anzuerkennen sei? für einen ungeeigneten Gegenstand des richter­ lichen Erkenntnisses erklärt, aus dem sonderbaren Grunde, weil das VerwandpchaftSverhältniß nur ein thatsächliches Verhältniß sei. Das Kammergericht kennt also die sehr wichtigen Präjudizialklagen des Personenrechts nicht. Das O.Tr. I hat diese Lücke ausgesüllt durch das Erk. D. 11. Okt. 18*52, Entsch. 24 S. 23, wodurch es den von der verständiaen Praxis längst angewendeten Satz begründet: „Der Erbschaftsrichter ist befugt, wenn sich bei der Legitimationsführung eines sich meldenden Erben solche Bedenken ergeben, die nach dem Ermessen des Erbschaftsgerichts nicht füglich im Wege bloßer Dekretur erledigt werden können, die Frage: ob der auftretende Erbe für einen Blutsverwandten des Erblassers in dem von ihm behaupteten Grade anzunehmen? zur Erörterung und Entscheidung im Wege des Prozesses zwischen dem Erbprätendenten und dem, dem Nachlasse bereits bestellten oder zu bestellenden Kurator zu verweisen; und es erscheint richterliche Entscheidung darüber zulässig." So faßlich die juristische Darlegung des O.Tr. auch ist, hat sie bei dem Kammergerichte doch keinen frucht­ baren Boden gefunden; denn* dasselbe hat im I. 1853, in einem ähnlichen Falle, sich an der Ent­ kräftung der juristischen Gründe des O.Tr. versucht. Würdevoll und für jeden Unbefangenen über­ zeugend weiser das O.Tr. das Vorgebrachte auf seinen Unwerth zurück, und erhält, unter Vernichtung des Appellationsurtels, seinen früheren durchaus begründeten Ausspruch aufrecht. O.Tr. I (Pr. 2528) v. 17. Mai 1854, Entsch. 28 S. 64. Vergl. auch O.Tr. I v. 9. Okt. 1854 und v. 19. Febr. 1855, Str. Arch. 13 S. 307 und 17 S. 32. Unerklärbar ist es jedoch, abgesehen von der positiven Vor­ schrift des §. 484, woher der Sequester oder Nachlaßkurator ein ad causam legitimster Gegner des Prätendenten soll sein können, da er weder pro berede noch pro possessore, sondern für den künftig obsiegenden Prätendenten besitzt, und es ihm völlig gleichgültig sein muß, ob gerade der jetzt Aufge­ tretene, oder irgend ein Anderer der rechte ist oder sein wird. Dieser Streit mit dem Kurator kann dem wahren Erben, wenn er einmal künftig erscheint, nicht präjudiziren und muß daher als ein pro­ visorisches Rechtsmittel aufgefaßt werden, dessen Gegenstand lediglich die Einweisung in den Erbschafts­ besitz ist. Vergl. §. 492 d. T. Gegen den hieraus hervorgehenden Besitzer kann dann innerhalb der Verjährungsfrist der wahre Erbe mit der hereditatis petitio, nach Analogie der Bestimmungen §§. 494 ff., auftreten. Vergl. Anm. zu §. 487 d. T. und Anm. zu tz. 613. Das Anerkenntniß seitens eines vollständig legitimirten Erben sollte für die Miterben in dem Falle, wo der Anerkennende Alleinerbe sein würde* wenn die Anderen wegfielen, wo er mithin, statt Vortheil, vielmehr Nachtheil bei dem Anerkenntnisse hat, zu ihrer Legitimation genügen, da doch nur der legitimirte wahre Erbe ein Widerspruchsrecht gegen die Theilnahme von Miterben hat. Die Praxis ist darin aber sehr spröde. Kommt es aus den Nachweis der ehelichen Abstammung an, so müssen auch die Kopulations­ zeugnisse dorgelegt werden, wenn außerdem der Richter sich keine Ueberzeugung verschaffen kann.

526

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 485—486 (Zusatz).

§. 485. Sodann muß der Richter prüfen: ob Vermuthungen28 29), 30 daß noch nähere oder gleich nahe Verwandte vorhanden sind, obwalten. §. 486. Findet sich keine dergleichen Vermuthungen, so muß der Nachlaß dem sich meldenden Erben, gegen die bloße an Eidesstatt abzugebende Versicherung29): daß ihm keine näheren oder gleich nahen Verwandten des Erblassers bekannt sind, ver­ abfolgt werden99). 7.

Gesetz,

betreffend die Ausstellung

Vom 12. März 1 8 69.

gerichtlicher Erbbescheinigungen.

(G.S. tr. Arch. 38 S. 36, zur ersten Bedeutung. M. s. jedoch unten Anm. zu §. 566.) Aber in der praktischen Ausführung zeigt fich Unklarheit und Auffassung des unbestimmten Begriffs in beiden Bedeutungen. Der zweiten ganz allgemein durchgreifenden Natur des Begriffs entspricht nämlich die ebenso unbestimmte Begrenzung der Anwendbarkeit desselben durch den Satz: daß s. g. res merae facultatis nicht Gegenstand der Verjährung sein können (§. 505); so wie die Satzung, welche eine Darlehnsforderung dadurch entstehen läßt , daß durch dreißig Jahre Zinsen von einer vermeintlichen Schuld gezahlt worden sind (Tit. u 839). Auch der Pl.-Beschl. des O.Tr. (Pr. 2092) v. 5. Februar 1849, Entsch. 17 S. 10: daß ein affirmatives Recht auch als Gegenlei­ stung für ein entsprechendes Recht des Verpflichteten durch Akquisitivverjährung erworben werden kann (der Rechtsfall betrifft einen Schmiedekontrakt), ist eine Anwendung deS Begriffs in dieser durchgreifenden Bedeutung. Vergl. o. Anm. zu §. 136 Tit. 2. Dagegen ist eS dem Begriffe in dem anderen eingeschränkten Sinne entsprechend, daß doch nicht daS Pfandrecht und nicht jedes ForderungSrecht durch Verjährung soll entstehen können (Tit. 20 §§. 6—10). — Indeß fehlt eS nicht an dergleichen unjuristischen Behauptungen, gestützt auf jenen Pl.-Beschl. 2092, z. B. daß, wenn der Küster einer Kirche durch rechtsverjährte Zeit die Kirchenthurmuhr aufgezogen und geschmiert, und dafür an ihn die Stadt alljährlich eine sich gleichgebliebene Geldsumme gezahlt habe, damit die Kirchengemeinde ein fortdauerndes affirmatives Recht auf Entrichtung dieser Summe gegen die Stadt durch Akquisitivverjährung erworben habe. Diese Behauptung hatte bei dem Gerichte 1. Instanz Bei­ fall gefunden, wurde jedoch von deni Appell.-Gericht und dem O.Tr. verworfen. O.Tr. I v. 21. Oki. 1864, Str. Arch. 55 S. 248. Die erste Folge des unbestimmten allgemeinen Begriffs ist die, daß alle einzelnen ganz verschie­ denen Fälle, in welchen daS Dasein eineö RechtS davon abhängt, daß menschliche Thätigkeit oder Unthätigkeit durch einen bestimmten Zeitraum ununterbrochen fortdauern, unter denselben fallen, folge­ recht praktisch identifizirt und nach ganz gleichen Regeln beurtheilt werden müßten. Das geschieht jedoch nicht in der Theorie deS L.R., obgleich kein unterscheidendes Merkmal der verschiedenen Fälle gegeben wird. Und auch die sich bewußte, auf Wissenschaftlichkeit Anspruch machende Praxis weiß sich viel von der Verschiedenheit der Verjährung und der übrigen Fristen, wie z. B. der UeberlegungSfrist, der Jnventarisationsfrist, der Prozeßsristen und dergl., doch ohne ein wesentliches Kriterium für die Einen und die Anderen angebcn zu können. Das O.Tr. sagt in dem Erk. v. 13. März 1846, Entsch. 14 S. 225, bei Gelegenheit in dieser Hinsicht: „Vom Begriffe der Verjährung sind, wie das O.Tr. schon früher ausgesprochen hat (Entsch. 6 S. 393; 9 S. 45, 46), nicht nur vielerlei Fristen, an welche die Ausübung eines Rechts geknüpft ist, sondern auch insbesondere diesenigen Ver­ änderungen in den rechtlichen Befugnissen einer Person ausgeschlossen, welche, wenn gleich nach einem gewissen Zeitabschnitte, doch schon lediglich mit Ablauf einer, den Anfang oder die Dauer der Aus­ übung eines Rechts bestimmenden Frist, eines dies a quo oder ad quem, eintreten. Der §. 500 bestimmt zwar den Begriff der Verjährung als eine Veränderung, welche an Rechten, wegen un­ terlassener Ausübung, vermöge der Gesetze entsteht. Es erhält aber diese Definition eine nähere Begrenzung, insbesondere bei der Verjährung durch Nichtgebrauch, in der „Wirkung" dieser Verjäh­ rung, welche nach §. 568 darin besteht, daß eine rechtliche Vermuthung bewirkt wird, die ehemals entstandene Verbindlichkeit sei in der Zwischenzeit auf die eine oder die andere Art aufgehoben wor-

531

Eon Erwerbung des Eigenthums.

§♦ 502. Soll durch Verjährung nur ein Recht verloren, und der Verpflichtete bloß von der daraus fließenden Verbindlichkeit frei werden, so ist in der Regel der Nichtgebrauch des Rechts dazu hinreichend3). den. Hierdurch wird die Verjährung dem rechtlichen Begriffe nach getrennt von den mannichfachen Zeitsristen, wie sie z. B. bei der Beweiskraft der Quittungen, der Einrede nicht erholteuer Valuta eines hypothekarischen Darlehns, ja bei jeder Präklusivfrist im Prozesse vorkommeu. Der Ablauf aller dieser Fristen bewirkt ebenfalls eine Veränderung in Rechten; er schneidet die Verfolgung der­ jenigen Rechte ab, welche vorher verfolgt werden konnten. Dies aber hat nicht in irgend einer Ver­ muthung für die Aufhebung dieser Rechte, sondern lediglich darin seinen Grund, daß sie überhaupt von Hause aus nur innerhalb der vorgeschriebenen Frist verfolgbar waren. Darum werden Fristen dieser Art im Gesetze nuch nicht Verjährungen genannt." Das hierdurch bewiesene Suchen nach einem wesentlichen Unterscheidungszeichen ist anerkennenswerth, aber der vermeintliche Fund ist illusorisch. Die bezeichnete „Wirkung" kann unmöglich das unterscheidende Merkmal der Verjährung sein; denn diese Wirkung soll nur die Verjährung durch Nichtgebrauch und zwar auch nur in einer beschränkten An­ wendung, nämlich nur in Anwendung auf obligatorische Verbindlichkeiten von der Art, welche durch Leistung wieder getilgt werden, haben, eine derartige Wirkung in der Anwendung auf eine so be­ schränkte Art von Fällen kann mithin unmöglich als Merkmal zur Unterscheidung des* ganzen Insti­ tuts der Verjährung von anderen Fristen dienen. Außerdem gehört der §. 568 nicht in die Theorie des L.R. von der Verjährung. Denn die Lehre war fertig abgehandelt, als die 568, 569 zu­ fällig hineingebracht wurden, zu einem ganz besonderen Zwecke und ohne alle Berechnung auf den Unterschied zwischen Verjährung und anderen Fristen. Daher passen sie nicht zu den Bestimmungen der tz. 501 und 502, wo von einem wirklichen Verluste Rede ist. S. weiter die Anm. jn §§. 568, 569. Auch schon darum ist darauf kein Gewicht zu legen. Wären die beiden §§. zufällig nicht hineingefallen, so würde die Theorie des L.R. ganz dieselbe sein, d. h. es würde ganz durchgängig jeder wesentliche Unterschied zwischen Verjährung und anderen Fristen fehlen. Ein Verzeichmß sol­ cher Fristen bleibt hier weg, weil es, schon wegen der zweifelhaften Natur vieler Fälle, keinen prak­ tischen Werth hat. Man findet es in Koch, Pr. R. zu §. 149.

3) Die Regel dieses §., daß der Nichtgebrauch eines Rechts genüge, wenn durch Verjährung ein Recht nur verloren, und der Verpflichtete bloß von der daraus fließenden Verbindlichkeit frei werden

soll, leidet durch die Bestimmung des §. 126 Tit. 7 über den Besitz von affirmativen Rechten keine Ausnahme, wenn nicht durch die Verjährung ein neues Recht erworben werden soll, und deshalb 8. 503 d. T. zur Anwendung kommen muß, und ist daher auch bei affirmativen Rechten anwendbar. O.Tr. I (Pr. 882) v. 5. Juni 1840, Pr.-S. S. 85. Ueber den Beweis der Verjährung durch Nichtgebrauch herrscht Meinungsverschiedenheit. An einer gesetzlichen Bestimmnng darüber fehlt es, was auch nicht zu tadeln ist, da das Richtige „nach der Natur der Sache", d. i.' nach logischen Gesetzen aus dem Gegebenen dem menschlichen Verstände gemäß, gefolgert werden muß, und nicht alle Fälle über Einen Leisten geschlagen werden können. Wenn je, so ist hier das Jndividualisiren der Fälle und das Auflösen der vorliegenden Fragen in ihre Bestandtheile am Orte. Denn rein verneinende Sätze sind unerweislich, es sind aber nicht alle verneinend lautende Beweisthemata einfache rein verneinende Sätze. Das A. L.R. hat zwei verschie­ dene Institute, nämlich die Klageverjährung (praescriptio, exceptio temporalis) und den Nichtgebrauch (nobusus) verschmolzen. Der 8- 502 spricht von der Klagverjährung und der dadurch erlöschenden „Verbindlichkeit" (Forderung", und auf den gleichen Gegenstand beziehen sich die §§. 568, 569; in den 8§* 508 bis 511, 571 bis 578 hat man den Nichtgebrauch im Sinne gehabt, und in der Lehre von Erlöschen der Grundgerechtigkeiten durch Nichtgebrauch (I. 22 §§. 49, 50) wird auf die Ver­ jährung durch Nichtgebrauch Bezug genommen. Doch wird man bei der RechtSanwenduug die verschiedenen Beziehungen der einzelnen Sätze nicht außer Acht lassen dürsen. Beruft man sich ge­ gen die Klage wegen einer Forderung aus Verjährung, so hat der Beklagte zur thatsächlichen Be­ gründung seiner Einrede weiter nichts als das erforderliche Alter der Forderung zu behaupten und die positive Thatsache der Entstehung derselben zu einer bestimmten Zeit zu beweisen. Daß er auch beweise, eS habe keine Unterbrechung der Verjährung stattgefunden, wird man nicht verlangen kön­ nen. Bei dem bloßen Nichtgebrauche in Beziehung auf dingliche Rechte, namentlich Grundgerechtig­ keiten, will man das nicht gelten lassen. DaS O.Tr. 11 sagt in dem Erk. v. 13. Septbr. 1860, Entsch. 44 S. 139: „Schon unter den Lehrern des gemeinen Rechts war Streit darüber: ob der­ jenige, welcher sich auf einen verneinenden Satz stützt, denselben zu erweisen schuldig sei, oder nicht. Es wird indessen von denselben in der Mehrzahl und in überwiegender Autorität die Richtigkeit des Satzes: „daß man eine Verneinung nicht zu beweisen habe", in dieser. Allgemeinheit bestritten. Als Regel vielmehr wird festgehalten, daß derjenige, welcher sich ans eine zerstörliche Einrede stützt, die derselben zum Grunde liegenden thatsächlichen Momente darthun müsse, in soweit ihm nicht in die­ ser Beziehung Rechtsvermuthungen zur Seite stehen. Bei dieser Regel, welche aus der Natur der Sache fließt (?), ist es, in Ermangelung dem entgegenstehender Vorschriften des preuß. Rechts, auch in dem vorliegenden Falle zu belassen." Aus diesem Grunde ist dem Bekl. der Beweis aufgebürdet

34*

532

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 503—506.

§. 503. Soll aber ein neues Recht durch Verjährung erworben werden, so ist, außer dem Nichtgebrauche des entgegen stehenden Rechts, auch der Besitz und die Aus­ übung dieses neuen Rechts q von'Seiten des Erwerbenden, dazu nothwendig5). §. 504. Rechte des Eigenthums §) erlöschen nicht durch die Unterlassung des Gegenstände. worden, daß der klagende Servitutprätendent während der ganzen Verjährungszeit auch nicht einmal von dem Dienstbarkeitsrechte Gebrauch gemacht habe. Allem bei Grundgerechtigkeiten, welche nicht mit bleibenden Anlagen verbunden sind (in Frage war ein Holzungsrecht), erscheint jede einzelne Ausübung als eine Unterbrechung des Nichtgebrauchs (usurpatio); 'deshalb fließt die Entscheidung nicht „aus der Natur der Sache". Dammpflichten sind nicht öffentliche, sondern gemeine Lasten, und die Freiheit von denselben wird durch deren Nichtleistung allein verjährt, ohne Rücksicht, ob eine Aufforderung oder Verweige­ rung stattgehabt hat. §. 655 und 545 d. T. O.Tr. Hl v. 31. Januar 1853, Str. Arch. 8 S. 266.

4) Ein affirmatives Recht kann auch als Gegenleistung für ein entsprechendes Recht des Ver­ pflichteten durch Akquisitivverjährung erworben werden. Pl.-Beschl. (Pr. 2092) v. 5. Febr. 1849, Entsch. 17 S. 10. Vergl. oben Anm. zu §. 136 Tit. 2.

5) Das L.R. nimmt nach diesen §§. 501—503 zweierlei Arten von Verjährnng an: die durch Besitz (praescriptio acquisitiva) und die durch Nichtgebrauch (pr extinctiva). Die letztere ist voran­ gestellt und §. 535 ff. vorgetragen; ihre wichtigsten Bestandtheile sind der nonusus und diejenigen Fälle der röm. Klagverjährung, wobei ein Besitz gar nicht vorkam. Die erstere steht §§. 579 ff., und um­ faßt die röm. Usukapion und die longi temporis praescriptio oder die Fälle der röm. Klagverjährung, welche aus Besitz beruheten. Diese Trennung der beiden Verjährungen lag ursprünglich nicht im Plane der Vers. Aber Suarez erklärte sich mit der gänzlichen Verschmelzung der beiden Institute nicht einverstanden, und sagte in einer einleitenden Bemerkung zu dem Kircheisen'scheu Entwürfe d. T.: „Praescriptio acquisitiva et extinctiva sind hier durcheinander abgehandelt. Ich halte aber dies nicht für rathsam, sondern vielmehr für nothwendig, jede besonders vorzutragen. Praescriptio acquisitiva gründet sich auf das principium: publici interest, ut dominia rerum sint certa. Sie hat eigentlich eine praesumtio Juris et de jure zum Grunde: daß derjenige, der eine Sache oder Recht durch lange Jahre, ex Justo titulo, ruhig besessen hat, wirklicher Eigenthümer der Sache sei. Sie ist eine bloße Extension der pro quolibet possessore militirenden Präsumtion, quod justo possideat, und die Extension be­ steht bloß darin, daß, wenn der Besitz durch gewisse Jahre gedauert hat, der Gegentheil zum Beweise des contrarii nicht admittirt wird. Praescriptio extinctiva hingegen ist bloße poena negligentiae. Diese Art der Verjährung findet nämlich nur alsdann statt, wenn das Recht des Einen erlöschen soll, ohne daß der Andere dadurch etwas akquirirt. Ich weiß Wohl, daß in den meisten Fällen beide Arten von Präskriptionen zusammenkommen, z. E. wenn A. das Gut B. ex praescriptione akquirirt hat, so ist zugleich das jus vindicandi des C. erloschen; allein es giebt auch Fälle, wo praescriptio extinctiva allein, ohne die acquisitivam, vorhanden ist, z. E. wenn Jemand die Ausübung eines Privileg!! oder einer Servitut per solum nouusum akquirirt. Daß man sagt, der Präskribent akquirire dabei libertatem, ist unrichtig. Libertatem naturalem hat ein Jeder, ohne sie zu akquiriren: es kommt also nur darauf an, daß gewisse Einschränkungen dieser natürlichen Freiheit per lapsum temporis wieder aufge­ hoben werden. Diesen lapsum temporis aber nehmen die Gesetze ob favorem libertatis für hinrei­ chend an. Beiderlei Arten von Präskriptionen entspringen also aus einem verschiedenen Fundamente, und daraus entstehen praktische Folgen, z. E. absque titulo kann Niemand ein Eigenthum akquiriren. Wer sich also in pr. acquisitiva gründet, muß allemal titulum translativum für sich haben, und es ist unrecht, wenn man nach gemeinem Sachsenrechte auch hier solum lapsum temporis longissimi für hinreichend annimmt. Bei der pr. extinctiva hingegen bedarf es keines tituli, sondern der solus non­ usus per tempus lege definitum ist hinreichend. Daher trage ich darauf an: daß, um Dunkelheiten und Mißverständnisse zu vermeiden, erst die Grundbegriffe beider Arten von Verjährung richtig be­ stimmt, und sodann jede Art besonders abgehandelt werde. Auch bei der pr. rerum merae facuitatis wird jener Unterschied seine praktischen Folgen haben." Simon, Materialien S. 421. Dennoch ist es nicht ganz vermieden worden, Sätze unter die allgemeinen Bestimmungen auszunehmen, welche nur für die eine Art der Verjährung wahr sind und passen. 6) Die Bestimmung ist erst in Folge der eingegangenen Monita, gegen die Meinung von Suarez, eingereiht worden. Suarez bemerkte aus diese Monita: „Sie (die Monenten) gehen von dem Satze aus, daß Rechte des Eigenthums durch den bloßen Nichtgebrauch nicht erlöschen können, und folgern daraus, daß ein Jeder sein Eigenthum zurücknehmen könne, außer von dem, der selbst per pr. acqui­ sitivam erworben hat. — Allein das suppositum ist ganz irrig. Die Rechte des Eigeuthümers gehen freilich per solum nonusum nicht verloren, so lange die Sache im Besitze des domini sich befindet. Wenn sie aber aus demselben herausgekommen, so erlöschen sie allerdings per solum nonusum, wenn­ gleich keine pr. acquisitiva von Seiten eines Anderen hinzugekomnien ist. So lange ich meine Uhr in meinem Büreau liegen habe, bleibt sie freilich mein Eigenthum, wenn ich sie auch in 50 Jahren

Von Erwerbung des Eigenthums.

533

Gebrauchs, so lange die Sache oder das Recht, welche den Gegenstand de8 Eigen­ thums ausmachen, in dem Besitze des Eigenthümers sich befindet?). §. 505. Rechte der natürlichen oder der allgemeinen bürgerlichen Freiheit, denen durch Gesetze oder rechtsgültige Willenserklärungen keine besondere Form oder Bestimmung vorgeschrieben ist (Res merae facultatis)8* ), *9* gehen * 7 durch die bloße Un­ terlassung des Gebrauchs derselben nicht verloren. §. 506. Dies gilt besonders von dem Rechte, in seiner eigenen Sache etwas, worüber die Gesetze nichts Besonderes bestimmen, zu thun, oder nicht zu thun^). nicht brauche. Sobald ich sie aber verliere, und mich in 30 Jahren darum nicht bekümmere, verliere ich mein Eigenthum daran, wenn sie gleich diese 30 Jahre hindurch aus der Stelle, wo ich sie verlor, liegen geblieben ist und kein Anderer sie in Besitz genommen hat." Simon, Material. S. 510. Diese Theorie ist nicht angenommen.

7) Auch das Eigenthum einer Sache geht durch bloßen Nichtgebrauch verloren, wenn der Eigen­ thümer während rechtsverjährter Zeit sich nicht im Besitze befunden hat. O.Tr. I v. 7. Jan. 1852, Str. Arch. 4 S. 230. (7. A.) Der Erwerb einer Servitut durch Ersitzung wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Besitzer des berechtigten Grundstücks Miteigentümer des dienenden ist. O.Tr. II v. 10. Juni 1873,

Str. Arch. 89 S. 82. 8) Dieser Kunstausdruck und was damit bezeichnet werden soll, gehört der in das L.R. überge­ gangenen Irrlehre an, daß die Usukapion und die Klagverjährung nicht verschiedenartige Institute und nur aus die positiv bezeichneten Fälle anwendbar seien, sondern' vielmehr, daß alle möglichen Rechte überhaupt der Veränderung durch Zeitablauf unterworfen, welche Rechrsveränderung Verjährung heiße. Aber gewisse Fälle wollen die Vertreter dieser Irrlehre doch ausnehmen, zu deren Bezeichnung sie den Kunstausdruck erfunden haben. Das war aber leichter als die Bestimmung des damit bezeichneten Begriffs, und nun ist man völlig im Ungewissen: welche Rechte verjährbar sind, welche nicht. Eine bestimmte Befugniß kann, je nach den Umständen und Beziehungen, eine res merae facultatis und zugleich auch keine sein, z. B. die Kündigung eines auf Kündigung ausgeliehenen Kapitals. Die Verf. des L.R. haben sich vergeblich bemüht, diese Ausnahmen hier, in den §§ 504 ff., durch allgemeine Sätze und Begriffe zu bestimmen. Die Gesetzrevision hat dies ganz aufgegeben und sich genöthigt gesehen, zu der ursprünglichen richtigen Theorie zurückzukehren, d. h. die Unverjährbarkeit als Regel hinzustellen und die der Verjährung unterworfenen Rechte und Befugnisse positiv zu bestimmen. „Eine eigen­ thümliche Schwierigkeit" — sagen sie in den Motiven des bürgerlichen Gesetzbuches, Th. II T. 82 — „haben bei der Behandlung der Lehre von der Verjährung stets (?) die res merae facultatis gemacht, oder diejenigen Rechte, welche durch unterlassene Ausübung nicht verloren gehen, weil sie als ein Aus­ fluß der natürlichen oder bürgerlichen Freiheit zu handeln betrachtet werden. Da diese Freiheit auf speziellen Anordnungen beruht (?), so ist eine allgemeine Definition in dem Umfange, daß alle Fälle zu entscheiden wären, gar nicht zu gebeu. — Um die hiernach bei der Definition von „res merae facultatis“ hervortretenden Schwierigkeiten zu umgehen, war vorgeschlagen, die §§. 504 bis 508 d. T. ganz fallen zu lassen, da es nur darauf ankomme, zu bestimmen, wann eine Verjährung statt­ finde — nicht aber, wann sie nicht statt finde." Das war das Naturgemäße, denn die bürger­ lichen und natürlichen Freiheiten beruhen gar nicht auf speziellen Anordnungen, vielmehr sind sie die Grundlage des ganzen positiven Rechts; sie erhalten ihr Dasein nicht erst' durch das positive Recht, werden vielmehr durch dasselbe begrenzt und beschränkt. — Für eine sichere praktische Anwendung der §§. 504—508 läßt sich hiernach keine bestimmte Regel geben, die Anwendung beruht aus zufälligen individuellen Auffassungen und Ansichten. Uebrigens gehört der Begriff der res merae facultatis nicht unter die allgemeinen Lehren von der Verjährung überhaupt, sondern nur zur Lehre von der Verjäh­ rung durch Nichtgebrauch.

9) Dazu rechnet man z. B. auch die Nachforderung einer formgemäßen Urkunde über den Er­ werbstitel. Das O.Tr. III hat in dem Pr. 1437 v. 13. April 1844, Pr.-S. 1 S. 35 den Satz aus­ gesprochen : „Bei der Cession einer eingetragenen Forderung, welche durch schriftliche Privaterklärung unter Aushändigung des Schuld - und Hypothekeninstrmnents erfolgt ist, kann der Cedent den Anspruch des Cessionars, daß er die Privatcession gerichtlich oder notariell anerkenne, und dadurch ihr die zu ihrer Subinskription in das Hypothekenbuch vorgeschriebene Form beschaffe, nicht durch die Einrede entkräften, daß seit der Cessionsertheilung bis zur Anstellung der Klage die 30jährige Verjährungsfrist schon abgelausen gewesen." Doch gehört dieser Fall nicht hierher. Denn die öffentliche Urkunde ge­ hört, insofern sie nothwendig ist, zur Perfektion des Rechtsgeschäfts. Man hat mithin die Sache so anzusehen, als wären die Kontrahenten 30 Jahre lang in der Verhandlung stehen geblieben. Außer­ dem ist, wenn das Rechtsbeschäft durch die privatschriftliche Urkunde vollendet worden ist, in der That nicht findbar, wie die Verjährung soll ausgeschlossen sein können. Dagegen gehört hierher der durch Ert. des O.Tr. v. 4. Nov. 1835, Ulrich 3 S. 62, entschie-

534

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 507—511.

tz. 507. Doch kann auch gegen solche Befugnisse ein Untersagungsrecht 10 * * )*11 durch *** Verjährung erworben werden. (Tit. 7, §§. 86, 128.) §. 508. Persönliche Rechte an einen Andern, ingleichen Rechte aus fremdes Eigenthum, können in der Regel durch den bloßen Nichtaebrauch erlöschen1J). §. 509. Auch das Recht, jährliche Leistungen und Abgaben, von der Person oder dem Grundstücke eines Andern zu fordern, kann durch den bloßen Nichtgebrauch verjährt werden12). bene Fall, daß die Anlage und Unterhaltung von Befriedigungen in freier Feldflur, als eine willkürliche Handlung, nicht der Verjährung unterworfen. Bergt. auch unten Anm. 65 Abs. 2 §. 545. — Aber die Erhöhung eines Wehrs gehört, insofern durch dieselbe auch die Gerechtsame Anderer be­ rührt werden, nicht zu den sogenannten res merae facultatis, in Ansehung deren der Eigenthümer einer Sache nur insoweit einer Beschränkung unterworfen ist, als ein Anderer ein entgegenstehendes Uutersagungsrecht erworben hat. O.Tr. II v. 6. März 1866, Str. Arch. 63 S. 110. 10) Damit soll nur dem Mißverständnisse vorgebeugt werden, daß die aus dem Eigeuthume fließenden Befugnisse durch bloßen Nichtgebrauch verloren gehen könnten; daß vielmehr, um das Eigenthum einer Person durch Verjährung einzuschränken, ein Anderer den Besitz des entsprechenden Rechts erwerben und dieses Recht ersitzen müsse. Daß auch affirmative Rechte aus das Eigenthum eines Anderen, z. B. beständige Lasten und Abgaben, Gegenstand der Ersitzung sein können, ist nach der Theorie des L.R. gar nicht zu bestreiten; denn nach derselben sind eben alle Rechte überhaupt der Verjährung unterworfen, in sofern keine Ausnahme gemacht ist. S. Anm. 2 u. 8. Das O.Tr. hat die Verjährbarkeit affirmativer Rechte in dem Erk. v. 8. Sept. 1843, Ulrich, Arch. 9 S. 543, ver­ neint; man s. aber den jüngeren Pl.-Beschl. v. 5. Febr. 1849, oben Anm. 4. Bergt, auch Anm. zu §. 136 Tit. 2. — Eigentlich ist bei den hier gemeinten Untersagungsrechten an die Beschränkung der bürgerlichen und natürlichen Freiheit gedacht. Suarez sagt: „So ist es z. B. eine res merae fa­ cultatis, ob Jemand Bier oder Wasser trinken, ob er sein Getreide auf der Mühle a oder b mahlen, ob er seinen Wein bei dem Kausmanne L oder U nehmen wolle. Wenn also auch seit 30 Jahren Jemand seinen Wein immer bei £ genommen hat, so hat er doch dadurch das Recht der natürlichen Freiheit, sich auch bei einem Anderen damit zu versehen, noch nicht verloren. Es können aber zu dem bloßen Nichtgebrauche eines solchen Rechts der natürlichen Freiheit andere Umstände hinzutreten, welche macken, daß der Berechtigte einer negligentiae schuldig wird, welche die Gesetze mit eben dem Grunde, wie bei anderen Rechten, durch den Verlust desselben strafen. — Untersagt Jemand dem Anderen die Ausübung eines solchen Juris merae facultatis, so schränkt er ihn dadurch in seiner natürlichen Frei­ heit ein. Beruhigt sich der Andere bei dieser Einschränkung, so macht er sich einer Nachlässigkeit schuldig rc. Auf diese Theorie gründen sich die §§.405, 406 (508, 507)." Simon, Mat. S. 513. An dem Beispiele der Mühlen und Kaufleute ist zu sehen, daß nicht bloß ein Untersagungsrecht, son­ dern ein affirmatives Recht (bei X Wein zu holen und in der Mühle a zu mahlen) vorgeschwebt hat. 11) Vergl. Tit. 19 §. 29; Tit. 22 §. 50. — „Die Verjährung der persönlichen Schuldverbind­ lichkeit des ursprünglichen Schuldners wird durch die alleinige Verfolgung des Hypothekenrechts von Seiten des Gläubigers gegen den dritten Besitzer des für die'Schuld verpfändeten Grundstückes nicht unterbrochen." So spricht das O.Tr. in dem zu diesem §. 508 eingezeichneten Pr. 219 v. 14. April 1837, Pr.-S. S. 35. Aber woher soll denn ein Klagrecht gegen den persönlichen Schuldner kommen, wenn der Gläubiger eben damit beschäftigt ist, sein Hypothekenrecht zu verwerthen? Zweimal kann er doch nicht Zahlung fordern. M. s. hierüber die eigenen Aussprüche ebendesselben O.Tr. o. in der Anm. 24 zu §. 439 Tit. 5.

12) Hierdurch erledigt das L.R. einen Meinungsstreit unter den gemeinrechtlichen Schriftstellern. Manche wollten auf die Ausübung der Rechte dieser Art die Grundsätze von dem Gebrauche einer res merae facultatis angewendet wissen, forderten zur Verjährung einen Widerspruch von Seiten des Verpflichteten gegen die von dem Berechtigten geforderte Leistung, und ließen nur die fällig werdenden Prästationen durch die gewöhnliche Verjährung erlöschen. Andere dagegen erklärten die allgemeinen Grundsätze der Klagverjährung für anwendbar. Dies bezog sich auf Lasten und Abgaben aller Art, auch auf öffentliche und namentlich auf Reallasten. Der §. 509 entscheidet den Streit im Sinne der zweiten Meinung, beschränkt aber die Bestimmung auf Privatlasten; in Ansehung der öffentlichen Lasten und Abgaben ist die entgegengesetzte Meinung als Rechtsgrundsatz angenommen worden. §. 656 d. T. S. auch O.Tr. Plen. v. 20. März 1846, Entsch. 13 S. 50, und über die vorlandrechtliche sich widersprechende Praxis des O.T.: Behm er, jus controv. I obs. 9; Hy mm en, Beiträge, Samml. 8 S. 27 ad 2; Entsch. der Ges.-Komm. v. 26. Dez. 1789, Klein, Annal. 6 S. 310. Vgl. Iahrb. 5 S. 75. Suarez sagt zur Begründung der getroffenen Entscheidung auf die dagegen ein­ gekommenen Monita, daß bei solchen reditibus annuis tot praescriptiones quot praestationes erfor­ derlich Wären, weil das jus exigendi in jedem Jahre erst entstehe, folglich nur jede einzelne Prästation per lapsum temporis präskribirt werden könne, Folgendes: „Die Sache ist bekanntermaßen bisher

Bon Erwerbung des Eigenthuinö.

535

§. 510. Doch findet die Verjährung nicht statt, wenn entweder aus einer wäh­ rend der Frist geäußerten Erklärung der Berechtigten, oder aus der Beschaffenheit der Zeiten, aus der Berfaffung der Verpflichteten, oder aus andern Umständen, klar erhel­ let, daß die Einforderung solcher Gefälle aus bloßer Nachsicht unterlassen worden 1 * 3* ).*14 ********* §. 511. Rechte auf") unbewegliche Sachen, die im Hypothekenbuche15)16ein 17­ getragen sind, können weder durch den bloßen Nichtgebrauch erlöschen1G), noch kann ein denselben entgegenstehendes Recht mittelst der Verjährung durch Besitz erworben werden"). schon unter den Dd. sehr streitig gewesen, und daher auch bei der ersten Ausarbeitung schon zur Diskussion gekommen. Man hat aber die im Texte enthaltene Theorie vorgezogen und zwar, in. E., mit vollkommenem Grunde. Das Recht, Gefälle, Pachte, Zinsen u. s. w.'zu'fordern, es mag nun ex pacto oder ex lege seu ex statu entspringen, ist nur Ein Recht; und daraus, das; dies Recht all­ jährlich ausgeübt wird, folgt nicht, daß mehrere Rechte vorhanden sind. So wenig also Jemand, der die Zinsen seines ausgeliehenen Kapitals durch 30 Jahre nicht gefordert hat, solche von 29 Jahren her nacksordern kann, ungeachtet solche auch in jedem Jahre von neuem fällig sind, so wenig kann man solches, ohne inkonsequent zu werden, bei anderen reditibus annuis statuiren." Simon, Ma­ terial. S. 516. Der Sinn des §. 509 wird hieraus völlig zweifellos. Auch die von Einigen gemachte Einschränkung des darin angenommenen Grundsatzes auf jährliche Leistungen aus einer Willenserklä­ rung unter Lebenden (Zusage oder Kontrakt, im Gegensatze von Legaten, die das Pr. Landrecht Hl. 4 Art. 3 §. 6 ausgenommen hat), ist verworfen. Auch ein zweiseitiges Rechtsverhältniß kann durch Verjährung erlöschen. Das Verhältniß des Zehntschnitts z. B. berechtigt und verpflichtet gegenseitig, und der Dienstherr kann sich durch Nicht­ forderung der Dienste der Vergütigung nicht entziehen. Dieses wechselseitige Verhältniß erlischt aber, wenn von beiden Seiten davon 'durch rechtsverjährte Zeit kein Gebrauch gemacht wird. Die einseitige Erwähnung des Ernteschnitts in den innerhalb der Verjährungsfrist ausgestellten und an­ genommenen Lehnsscheinen unterbricht die Verjährung nicht. O.Tr. H v. 2. Oktbr. 1862, Str. Arch. 46 S. 246.

13) Darlehnszinsen verjähren nicht, so lange dem Schuldner von dem Gläubiger, wenn auch nur mündlich, Nachsicht bewilligt ist. O.Tr. IV v. 6. Nov. 1851, Str. Arch. 4 S. 80. Ueberhaupt beginnt die Verjährung durch Nichtgebrauch erst von dem Zeitpunkte, wo die Erfül­ lung der Verbindlichkeit gegen den Willen des Berechtigten und gegen die Natur des bestehenden Rechtsverhältnisses unterbleibt, ist also ausgeschlossen, wenn ein kontraktlicher oder sonstiger Befreiungs­ grund vorhanden ist. Pergl. §. 545 d. T. O.Tr. III v. 31. Jan. 1853, Str. Arch. 8 S. 266. 14) Rechte „auf" unbewegliche Sachen. Der §. 511 bezieht sich mithin nicht auf das Eigenthum, sondern auf andere dingliche Rechte (jura in re). O.Tr. Ill v. 13. Oft. 1856, Entsch. 34, S. 128. (6. A.) Der §. 6 des Ges. über den Eigenthumserwerb v. 5. Mai 1872 bestimmt: „Gegen den eingetragenen Eigenthümer findet der Erwerb des Eigenthums am Grundstück durch Ersitzung nicht statt"; und §. 7: „gegen seine (d. h. des eingetragenen Eigenthümers) Eigenthumsklage steht dem Be­ klagten die Einrede der Verjährung nicht zu." Das eingetragene Eigenthum ist jetzt also ebenso wie die eingetragenen dinglichen Rechte an einem Grundstück durch den Inhalt des Grundbuchs gegen beide Arten der Verjährung gesichert. Nur soweit noch ein nicht eingetragenes Eigenthum an einem Grund­ stück vorkommt, kann dasselbe durch Verjährung beseitigt werden. * Ein nicht eingetragenes dingliches Recht kann durch Verjährung erlöschen und ein der Eintragung nicht bedürfendes dingliches Recht (Grundgerechtigkeiten, §. 12 des eit. Ges.) kann auch gegen den eingetragenen Eigenthümer durch Ver­ jährung erworben werden.

15) Des belasteten Grundstücks; denn der bloße Vermerk auf dem Folium des berechtigten Grund­ stücks giebt keinen objektiv-dinglichen Charakter. Vgl. Tit. 20 §. 534. (6. A.) Für „Hypothekenbuch" haben die Gesetze v. 5. Mai 1872 den Ausdruck „Grundbuch" eingeführt.

16) Bei Forderungen gilt dieser Grundsatz nur von dem Hypothekenrechte (von der actio hypothecaria); die Verjährung des persönlichen Forderungsrechts (der actio personalis) ist durch die Ein­ tragung, die nur die Erwerbmmsart für das dingliche Recht ist, nicht gehindert. S. auch das Schr. des J.M. v. 9. Mai 1840, J.M.Bl. S. 174. Der Grundsatz findet auch auf bloß protestativisch eingetragene Rechte Anwendung. O.Tr. II v. 26. Nov. 1857, Entsch. 37 S. 80. 17) Diese Vorschrift kann aus die alten Danziger Erbbücher nicht bezogen werden. O.Tr. Ul (Pr. 2180») v. 12. Febr. 1850, Entsch. 19 S. 312. Wenn die vor erfolgter Regulirung des Hypothekenwesens geschehene Verpfändung eines Grund­ stückes nach §. 2 der V. v. 16. Juni 1820 gehörig angemeldet und Bescheinigung darüber ertheilt worden, so treten in Beziehung auf die Verjährung der Forderung, für welche das Pfand bestellt

536 Allgemeine Grund­ sätze i n).

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 512—517.

§. 51*2. Keine Art der Verjährung kann gegen den anfangen lslj, welcher von seinem Rechte nicht hat unterrichtet sein sonnen20 * * ).* * 18 19 §. 513. Daß Jemand von seinem Rechte keine Nachricht habe erhalten können, wird nicht vermuthet2 *). §. 514. Wer die Handlung oder Begebenheit erfahren hat, auf welche sein Recht sich gründet, kann die Unwissenheit der daraus entstehenden rechtlichen Folgen gegen die Verjährung in keinem Falle vorschützen22). worden, die Vorschriften der §§. 247, 248 Tit. 20 Th. I de« A. L.R. ein, und kommt dieser §. 511 nicht zur Anwendung. O.Tr. III (Pr. 965) v. 28. Dez. 1840, Pr.-S. 1 S. 35. Bei der in den §§. 429, 430 Th. II Tit. 7 gedachten Verjährung kommt der allgemeine Grund­ satz dieses §. 511 ebenfalls zur Anwendung. O.Tr. II (Pr. 1349) v.' 13. Okt. 1843, Pr.-S. S. 181.

18) Unter dieser Ueberschrist werden in den §§. 512- 534 einzelne Anwendungen von der keines­ wegs allgemein geltenden, sondern auf den Anfang der Verj. beschränkten röm. Rechtsregel: non valenti agere non currit praescriptio, gemacht; man könnte daher annehmen, daß die aufgezählten Fälle nur als Beispiele angesehen werden dürsten. Indeß enthalten die beiden §§. 512 u. 516 in der That doch Grundsätze und nur die §§. 518—529 Beispiele der Anwendung, was auch die Praxis angenommen hat. O.Tr. v. 17. Febr. 1847, Eutsch. 15 S. 118. In einer Anm. zu §.420 des Entwurfs werden die leitend gewesenen Gesichtspunkte angegeben. „Die Verjährung" — wird ge­ sagt — „ist an sich nicht natürlichen Rechtens. Denn in der Natur liegt nichts, warum ein Recht bloß um deswillen, weil davon in einer gewissen Reihe von Jahren kein Gebrauch gemacht worden, verloren gehen solle." Um jedoch das Eigenthum der Dinge gewiß zu machen, und weitaussehende verwickelte Prozesse zu verhindern, ist sie durch die positive Gesetzgebung eingeführt worden. So wie aber überhaupt der Gesetzgeber die Obliegenheit, für die Vorbeugung und Verhinderung solcher Prozesse zu sorgen, seiner Hauptpflicht, die Bürger des Staates bei ihrem Eigenthume und ihren Rechten zu schützen, stets unterordnen muß, so müssen auch bei der Verjährung die Bestimmungen so gefaßt wer­ den, daß nicht an sich klare und wohl hergebrachte Rechte durch eine ganz unverschuldete Unwissenheit des Inhabers oder durch unwidertreibliche Hindernisse in deren Verfolgung, verloren gehen. Daher ist nöthig befunden worden, den an sich so billigen und vernünftigen, aber durch den Gerichtsgebrauch so sehr eingeschränkten Grundsatz: non valenti agere non currit praescriptio, da, wo von dem An­ fänge der Verjährung die Rede ist, in einem größeren Umfange beizubehalten und anzuwenden. „Da­ gegen giebt die Anwendung eben dieses Grundsatzes bei Hindernissen, welche zwischen dem Anfänge und Ablaufe der Verjährung eintreten und wieder aushören, zu sehr weitläufigen und verwickelten, oft ins Kleinliche gehenden Zeitberechnungen Anlaß, und hat demnach für diesen Fall keinen vernünftigen Grund; indem gar nicht zu vermuthen ist, daß Jemand, der sich 20 oder 30 Jahre lang um seine Rechte nicht bekümmert hat, just in den etlichen Wochen oder Monaten, wo er außer Landes geschickt oder die Gerichte geschlossen gewesen u. s. w., solche ausgeübt haben werde. Es darf also nur für den Fall, wenn die Verjährungsfrist während der Bestehung eines solchen Hindernisses abläuft, oder das Hinderniß erst kurz vor dein Ablaufe der Frist gehoben wird, gesorgt werden." 19) Wohl aber kann die bereits au gefangene Verjährung fortgesetzt werden; denn der Ein­ tritt eines der hier gedachten Hindernisie unterbricht dieselbe nicht. §. 530. S. die vor. Anm. Vergl. O.Tr. v. 17. Febr. 1847, Entsch. 15 S. 117. 20) Die bloße Abwesenheit ist ein solcher Umstand, der von selbst in Gemäßheit dieser gesetzlichen Vorschrift den Anfang der Verjährung hindert, nicht. §. 541 d. T. O.Tr. v. 2. Okt. 1845, Entsch. 12 S. 188. — Aber der §.512 ist auch nicht dahin zu verstehen, daß es dem Berechtigten durchaus unmöglich gewesen sein muß, von seinem Rechte Kenntniß zu erhalten; es genügt vielmehr, wenn dasselbe ihm unbekannt geblieben ist. O.Tr. I v. 17. Dez. 1851, Str. Arch. 3 S. 370.

21) S. die folgende Anmerkung 22. Die Ausnahmen finden sich in den §§.518 ff. d. T. Werden von dem, gegen welchen die Verjährung geltend gemacht wird, Umstände nachgewiesen, die dafür sprechen, daß er von dem ihm zustehenden Rechte oder von den Handlungen des Verjähren­ den, keine Kenntniß hatte und haben konnte, so muß Der, welcher sich auf die Verjährung beruft, nachweisen, daß der Andere seit länger als rechtsverjährter Zeit die fragliche Kenntniß gehabt habe oder gehabt haben konnte. O.Tr. II v. 17. April 1860, Str. Arch. 37 S. 182. (7. A.) Nach Vorschr. des §. 513 I. 9 ist es Sache des im Pflichttheil Verletzten, nachzuweisen, daß und wann er nach Publikation des Testaments von einer dadurch bewirkten Verletzung des Pflicht­ theils hat unterrichtet sein können. O.Tr. IV v. n. Nov. 1873, Str. Arch. 90 S. 279. 22) Das Gesetz unterscheidet zwei Fälle. Wenn nämlich Jemand um ein ihm zustehendes Recht sich gar nicht bekümmert und deshalb ununterrichtet von den ihm daraus erwachsenden Vortheilen bleibt, obwohl er bei gehöriger Aufmerksamkeit oder Vorkehrung der geeigneten Maßregeln, nicht wohl in Unwissenheit darüber hätte bleiben können, so soll ihn die Entschuldigung, daß er von seinem Rechte keine Kenntniß gehabt, gegen die Verjährung nicht schützen; überhaupt aber nicht vermuthet werden,

Bon Erwerbung deS Eigenthums.

537

§. 515. Ist die Verjährung einmal angefangen worden, so wird der Lauf der­ selben dadurch, daß das Recht in der Zwischenzeit an einen davon nicht unterrichteten Besitzer gediehen ift23 * * ), *24 * *nicht 25 * *26 * * gehemmt. §. 516. Auch gegen den, welcher sein Recht zu gebrauchen, oder zu verfolgen gehindert wird2*), kann keine Verjährung ansangen.' §. 517. Es macht dabei keinen Unterschied: ob das Hinderniß in der Natur und Beschaffenheit des Rechts selbst liegt23), oder von außen her23) entsteht. daß Jemand von seinem Rechte keine Nachricht erhalten können. Gründete sich aber das Jemandem zustehende Recht nicht in den bisherigen Verhältnissen desselben, sondern entstand erst aus einer äußeren Handlung und Begebenheit, so soll es darauf ankommen: ob er diese Handlung oder Begebenheit erfahren hat; in welchem Falle ihm bei Nichtbefolgung der aus solcher Begebenheit entsprungenen rechtlichen Befugnisse eine vorgeschützte Unwissenheit der letzteren in keinem Falle gegen die Verjährung zu Statten kommen soll. „Dagegen läßt das Gesetz offenbar schließen, daß, wenn ihm die fragliche Handlung oder Begebenheit unbekannt geblieben war, auch angenommen werden solle, daß er von seinem Rechte nicht habe unterrichtet sein können." So legt das O.Tr. in dem Erk. v. 2. Okt. 1845, Entsch. 12 S. 189, die §§. 513, 514 aus.

23) Nämlich das Recht, welches durch Verjährung erlöschen soll. Der Satz bezieht sich nur auf die Extinktivverjährung. Der Gegensatz — die Veränderung der Person, welche verjähren will — ist die accessio possessionis, und diese ist nur bei der Akguisitivverjährung möglich und denkbar. Die Extinktivverjährung geht vor sich durch die Unthätigkeit des Berechtigten und dessen Erben, mithin ist die Veränderung in der Person des Verjährenden (Verpflichteten) ohne Einfluß auf den Fortlauf der Prüskription. Die Akguisitivverjährung aber wird durch den Ausfall der Person des Usukapirenden (Besitzers) unterbrochen, und der Nachfolger muß eine neue anfangen, wobei ihm, unter gewissen Um­ ständen, die Mitzählung der Besitzzeit seines Vorgängers gestattet wird. O.Tr. I v. 1. April 1848, Rechtöf. 4 S. 52. 24) S. das zu diesem §. eingeschriebene Pr. 1524 o. in der Anm. zu §. 33 der Eint, sub I. 3 b. So lange der Schuldner latitirt, beginnt zum Nachtheile des Gläubigers die Verjährung durch Nichtgebrauch nicht, daher hat der Letztere nicht nöthig, zur Erhaltung seines Rechts gegen den Er­ steren die Klage anzumelden. O.Tr. IV v. 4. Jan. 1855, Str. Arch. 16 S. 110. Schon in dem Erk. IV v. 9. Juni 1853, Str. Arch. 10 S. 74, hat dass, angenommen, daß die Unbekanntschaft mit dem Wohnorte seines Schuldners für den Gläubiger ein Hinderniß der Klageanstellung im Sinne des §. 516 sei, und daher der Gläubiger nicht nöthig habe, zur Sicherung seiner Rechte eine Ediktalladung im letzten Wohnorte seines Schuldners auszubringen. (7. A.) Aus §. 8 der Preuß. Konk.-O. hat die Praxis deduzirt, daß mit der Konkurseröffnung von' Rechtswegen der Lauf der Verjährung gehemmt werde und erst wieder nach Aufhebung des Kon­ kurses sich fortsetze. Man gründet diese Auffassung auf die Parömie agere non valenti non currit praescriptio. Uebrigens war die Praxis schwankend. Vergl. Str. Arch. 31 S. 348, 32 S. 162, 38 S. 77, 41 S. 179, 50 S. 344, 55 S. 326. Makower, Studien zur Konk.O. S. 9 f. Die Kontroverse ist beseitigt durch §.13 der deutschen Konk.O.: „Die Eröffnung des Konkursverfahrens hemmt nicht den Lauf der Verjährung." — (7. A.) Hinderung der Klaganstellung durch die dem Erben zustehende Ueberlegungsfrist : O.Tr. IV v. 12. Nov. 1874, Entsch. 74 S. 11. (7. A.) Gegen die Eigenthumsklage der Fideikommiß-Successoren steht die Einrede der Klagver­ jährung nicht zu. O.Tr. III v. 19. Febr. 1875, Entsch. 74 S. 222.

25) Der §. 517 fehlte im gedr. Entw. Einige Monenten hatten zu dem §. 516 bemerkt, daß die Hindernisse, welche der Ausübung und Verfolgung eines Rechtes, und also auch dem Anfänge der Verjährung, eutgegenstehen, auch in' dem Rechte selbst liegen könnten, z. E. wenn das Recht nur sub conditione suspensiva oder ex die eingeräumt, wenn keine occasio utendi vorhanden gewesen, oder wenn sonst actio nondum nata ist. Diese Bemerkung fand Suarez ganz richtig, er schlug vor, das Entsprechende im Texte zu bemerken. Darauf ist der §.517 hinzugefügt worden. Simon, Mat. S. 510. Das O.Tr. hat jedoch den Satz angenommen: „Der actio revocatoria eines Fideikommißgutes (soll wohl heißen: eines Fideikommißfolgers, oder: in Betreff eines Fideikommißgutes) steht die Allodialersitzung des Guts durch einen Dritten ohne Rücksicht auf die Zeit, da der Revokant in das Fideikommiß succedirte, entgegen. O.Tr. I v. 11. Febr. 1850, Entsch. 19 S. 128. Weil die ganze Familie als Eigenthümer (§. 73 Tit. 4 Th. II), und mit ihr auch der einzelne Anwärter und spätere Nachfolger, hätte vindiziren können. 26) Z. B. Unterbrechung der Kommunikation zwischen dem Orte, wo sich der Wechselinhaber aushält, uud demjenigen, wo das Recht gegen den Wechselschuldner zu verfolgen ist. In solchem Falle wird der Anfang der Wechselverjährung ohne Protestation verhindert. O.Tr. v. 23. Okt. 1815, Simon, Rechtspr. 1 S. 105.

538

Erster Theil.

Neunter £ite(.

tztz. 518—521»

§. 518. So lange Jemand zum Dienste des Staats in fremden Landen sich aufhält, kann keine Verjährung wider ihn angefangen werden. §. 519. Gegen den Eigenthümer eines Grundstücks kann, so lange derselbe zum Dienste des Staats auch nur in einer andern*7) königlichen Provinz") sich auf­ hält"), keine dies Grundstück betreffende Verjährung stiifanflcn30). §. 520. Wenn jedoch ein solcher Abwesender (§§. 518, 519) während der Dauer seines auswärtigen Dienstes, auch nur auf eine Zeit lang") in seine Heimath, oder die Provinz , wo das Grundstück gelegen ist, zurückkehrt; so kann während die­ ser Zeit die Verjährung wider ihn ihren Anfang nehmen. Auch die Veränderung des Wohnsitzes des Verpflichteten hindert so lange den Anfang der (kür­ zeren) Verjährung, bis der Berechtigte (Gläubiger) von dem neuen Wohnsitze desselben Kenntniß erhall teil hat. O.Tr. III (Pr. 1524 4) v. 15. Jan. 1845, Entsch. 11 S. 232 verglichen mit S. 239. Ebenso ist der Umstand, daß die versuchte und ununterbrochen fortgesetzte Exekution eines Urtels wegen Unvermögens des Schuldners fruchtlos abgelaufen ist, als ein Hinderniß der Rechtsverfolgung in dem Maße aiierkannt, daß dadurch der Anfang der neuen Verjährung, welcher das fragliche Recht unterliegt, gehindert wird. O.Tr. I v. 15. Mai 1861, Entsch. 45 S. 85. (6. A.) Bloße Zahlungsunfähigkeit ist kein Hinderniß im Sinne der §§. 516, 517, Str. Arch. 72 S. 334 (IV). 27) Als in welcher das Grundstück liegt, nickt etwa in einer andern als in welcher er wohnt. 28) Darunter wird der Obergerichtsbezirk verstanden. Entsch. 7 S. 387.

§. 622 d. T.; O.Tr. v. 18. Juni 1842,

29) Aushält, also nicht wohnt. Der Unterschied ist praktisch wichtig. Es ist an eine vorüber­ gehende Abwesenheit gedacht. Wer als Beamter an dem Orte wohnt, wo er z. B. als Richter ange­ stellt ist, und in einem anderen Landestheile ein Grundstück besitzt, kann sich gegen den Anfang der Verjährung aus diese Bestimmung nicht berufen. Die Bestimmung des §. 519 ist nur in dieser Be­ schränkung erst bei der rev. monitor. hinzugekommen, in Folge eines Monitums: in wiefern Kriegs­ unruhen für diejenigen Civil- oder Militärpersonen, die sich in dem Falle der Abwesenheit befinden, als ein Hinderniß änzusehen seien. Suarez bemerkte dazu, daß die Abwesenheit wohl nicht aus solche, die nur in einer anderen königlichen Provinz sich befinden, oder in ihren Privatangelegenheiten reisen, exteudirt werden könne, da beide ihre Angelegenheiten durch mandatarios besorgen könnten und müßten. Es wurde konkludirt: „Außerhalb der Provinz rei publicae causa.“ Simon, Material. S. 519 ad 4. Die Anwendung dieser Bestimmung wird doch zweifelhaft in dem Falle, wo ein Be­ amter in einer anderen Provinz, als in welcher er sein Domizil hat, ein Grundstück besitzt und im Dienste des Staats in einer dritten Provinz vorübergehend beschäftigt wird. Daran hat man bei die­ ser Bestimmung wahrscheinlich nicht gedacht; man hat den Fall vorausgesetzt, wenn Jemand aus sei­ nem Grundstücke wohnt und in eine andere Provinz verschickt, also rei publicae causa davon (von seinem Wohnsitze) abwesend sein muß. Aus jenen Fall wird die Bestimmung nicht anzuwenden sein, denn ein solcher Grundbesitzer, welcher in einer anderen Provinz wirklich wohnt, ist im juristischen Sinne nicht abwesend (die Abwesenheit bezieht sich auf das räumliche Verhältniß der Person zu ihrem Wohnsitze) und muß „seine Angelegenheiten (in Beziehung aus das entlegene Grundstück) durch man­ datarios besorgen." Doch ist anzuerkennen, daß der folgende §. 520 die Sache dadurch wieder zweifel­ haft macht, daß die Heimath (Wohnsitz) und die Provinz, wo das Grundstück gelegen ist, nebeneinan­ der gestellt werden. Auch das O.Tr. erklärt in dem Erk. I v. 17. Juni 1861, Entsch. 45 S. 90, die Auslegung, das Gesetz setze voraus, daß der Eigenthümer des Grundstückes auch in der Provinz, wo es liege, einen Wohnsitz habe, von welchem er nnr zeitweise im Staatsdienste entfernt lebe, da auch in dem folgenden §. 520 von dem „Zurückkehren" eines Abwesenden die Rede sei, — für be­ denklich und widerlegt dieselbe theils durch Wortdeutung, theils dadurch, daß das vermeintliche Motiv für das dem Grundstücksbesitzer im §.519 ertheilte beneficium nur in der Entfernung vom Grund­ stücke, nicht von einem gewissen Wohnsitze, gesehen werden dürfe. — Aber wenn nur hierin das Motiv zu sehen wäre, so könnte es doch unmöglich aus die Abwesenheit aus der Provinz ankommen; von dem Grundstücke abwesend sein kann man auch in derselben Provinz und zwar in einem viel größeren Maße als wenn man über die vielleicht unmittelbar anstoßende Grenze geht. Jedenfalls sind die beiden §§. 519, 520 nicht befriedigend zu erklären. Vergl. die folg. Anm. 31.

30) Der §. 519 bezieht sich nicht nur auf die Verjährung durch Besitz, sondern auch auf die Extinktivverjährung. O.Tr. I v. 30. Jan. 1854, Entsch. 27 S. 318 und Str. Arch. 11 S. 285. 31) Die Worte „eine Zeit lang" setzen nach einer Auslegung einen Aufenthalt voraus, der lang genug ist, damit der Zurückgekehrte sich von den Verhältnissen des Grundstücks habe unterrichten und daS Nöthige zur Abwendung der Verjährung ergreifen können. Das O.Tr. hat in dem Erk. I v. 17. Juni 1861, Entsch. 45 @.9i, jedoch in dem anges. Erk. (Anm. 29 a. E.) der Deutung den

Von Erwerbung deS Eigenthum-.

539

§. 521. Aum Nachtheile eines GutseigenthümerS kann keine Verjährung gegen dessen Pächterb2), wohl aber gegen den Verwalter33) angesangen ") werden. Vorzug gegeben, wonach zum Beginne der Verjährung die einmalige Anwesenheit der betroffenen Per­ son in der Provinz genüge, möge auch der Aufenthalt noch so kurze Zeit gewährt haben. Diese Deutung führt in logisch richtiger Folgerung zu der Unzuträglichkeit, daß, wenn der Eigenthümer des Grundstücks bei einer Durchreise durch die Provinz sich Nachts eine viertel Stunde im Warte­ saal eines Bahnhofs aufhält, um den dort stattfindenden Wagenwechsel abzuwarten, dieser augenblick­ liche Aufenthalt gleichfalls zum Beginne der Verjährung gegen ihn genügen müßte. Dennoch hat diese Deutung nicht weniger Berechtigung alS jene, da, wenn sie zur' Ungereimtheit führt, jene eine schrankenlose Willkür des Richters bei Bestimmung der erforderlichen Zeit in jedem einzelnen Falle zum Schlußpunkte hat. Beide Deutungen sind deshalb unannehmbar und durch den dabei aufge­ wendeten Scharfsinn ist weiter nichts als der Beweis gewonnen, daß die Bestimmungen der §§. 519, 520, wie alle vom Gesetzgeber ausgedachte und erfundene Satzungen, für das praktische Recht-leben unbrauchbar sind. 32) Diese Vorschrift setzt voraus, daß der Pächter das Gut selbst (das ganze Gut) gepachtet hat, und ist dann nicht anwendbar, wenn nur einzelne Pertinenzien oder Gerechtsame desselben ge­ pachtet worden sind. O.Tr. II (Pr. 1424) ö. 11. März 1844, Pr.-S. 1 S. 37. Wieder akigewendet in dem Erk. III v. 9. Nov. 1847, Rechtsf. 3 S. 108. — (Später, in einem Erk. II v. 16. Ian. 1851, Str. Arch. 1 S. 192, berichtigt sich das O.Tr. dahin, daß die Anwendung deS §. 521 nicht unbedingt dadurch ausgeschlossen werde, daß nicht das Gut selbst, sondern einzelne Pertinenzien oder Gerechtsame desselben verpachtet sind, daß eS vielmehr auf die besonderen Verhältnisse jedes einzelnen Falles ankomme. — Also so oder so, wie es zufällig trifft.) Der §. 521 entscheidet einen gemein­ rechtlichen Streit: ob Pacht den Anfang der Verjährung hindere. Vergl. O.Tr. II v. 3. Mai 1848; Rechtsf. 4 S. 67. — Der Pächter kann aber auch nicht für den Eigenthümer ohne dessen Auftrag den Besitz einer Grundgerechtigkeit ergreifen und diese usukapiren. O.Tr. II v. 11. März 1858, Str. Arch. 29 S. 213. Die Vorschrift des §. 521 steht dem Verpächter auch dann zur Seite, wenn er von der gegen seinen Pächter geschehenen Besitzergreifung Kenntniß erlangen konnte. O.Tr. III v. 17. Sept. 1858, Str. Arch. 30 S. 235. Wohl aber wird die Anwendung des §. 521 ausgeschlossen durch den Nach­ weis, daß der Verpächter davon doch wirklich Kenntniß erhalten hat. O.Tr. II v. 15. Mai 1860, Str. Arch. 37 S. 233, u. III v. 16. Juni 1852, Str. Arch. 7 S. 220. Der §. 521 erwähnt der Pacht nur als Beispiel; es gehören hierher alle jene Rechtsverhältnisse, durch welche der Eigenthümer abgehalten wird, sein Eigenthum speziell zu beaufsichtigen (Anm. 18); wie namentlich Nießbrauch (Tit.'21 §. 91; O.Tr. 11 v. 17. Febr. 1847, Entsch. 15 S. 118, und II v. 1. Nov. 1849, Entsch. 18 S. 190); solche Servitutberechtigungen, welche dem Berechtigten die ganze Nutzung zuwenden, wie z. B. bei einem Weidereviere (ebend. S. 191); Miethe des ganzen Grundstücks. (6. A.) O.Tr. II v. 7. Juli 1870, Entsch. 64 S. 44; Str. Arch. 78 S. 320 (II). — Vergl. die im Wesentlichen das Gleiche sagende Ausdrucksweise des O.Tr. II in dem Erk. v. 15. Nov. 1859, Str. Arch. 36 S. 15. Diese Bestimmung hat übrigens nur dingliche Rechte auf die Sache (jura in re) zum Gegen­ stände , und schließt die Ersitzung deS Eigenthums nicht auS, O.Tr. III v. 11. Mai 1860, Str. Arch. 37 S. 231, (6. A.) ist aber durch das Gesetz über den EigenthumSerwerb v. 5. Mai 1872 modifizirt. S. oben Anm. der 6. A. zu §. 511. 33) Vergl. Tit. 7 §.103 und die Anm. Abs. 3 das. — Ein fiskalischer Generalpächter wird in Beziehung auf die Verjährung gegen den Eigenthümer als Verwalter angesehen. O.Tr. III v. 9. Nov. 1847, Rechtsf. 3 S. 108. — Doch ist dieser Satz nicht in unbedingter Allgemeinheit anzuerkennen. Vielmehr ist in dem einzelnen Falle nach der besonderen Beschaffenheit desselben zu prüfen: ob der Generalpächter zu dem Fiskus bloß in dem Verhältnisse eines Pächter-, oder nicht auch in dein Ver­ hältnisse eines Verwalter- gestanden hat, in welchem letzteren Falle die Kenntniß desselben der deS Eigenthümers gleichgestellt werden muß. O.Tr. II v. 15. Nov. 1859, Str. Arch. 36 S. 15. — Ist aber von dem Pächter eines Gute-, welcher zugleich Verwalter war, ein Theil des Pachtgutes in Unterpacht gegeben, so ist der Unterpächter auch Pächter de- Eigenthümers, aber nicht zugleich Ver­ walter desselben, weil Verpachtung und Verwaltungsauftrag verschiedene Rechtsgeschäfte sind, und die Unterverpachtung eines Theils deS Pachtgutes nicht eine Uebertraqung der Verwaltung auf den Unterpächter bezüglich dieses Theiles umfaßt. Daher kann in Beziehung auf denselben eine Verjäh­ rung zum Nachtheile des GutseigenthümerS gegen den Unterpächter nicht anfangen. O.Tr. II v. 22. Dez. 1864, Str. Arch. 56 S. 260. 34) Diese Vorschrift, wonach während der Dauer der Verpachtung einer Sache zwar eine schon vorher angefangene Verjährung fortgesetzt, nicht aber zum Nachtheile des Eigenthümers ange­ sangen werden kann, gilt in Provinzen, wo vor Emanation des Landrechts gemeines Recht üblich war, auch für diese vorlandrechtliche Zeit, indem, falls man auch nicht, der Ansicht von Rave, Carpzow, Schiller, Strube folgend, etwa annehmen wollte, daß ebenderselbe Grundsatz schon

540

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 522—529.

§. 522. Gegen Militärpersonen"), welche des Kriegs wegen ihr Standquar­ tier »erfassen müssen. kann eine Verjährung erst nach geendigtem Kriege oder nach einer während des Krieges erfolgten Entlassung 3S * * )*36 *aus *37 * *38 den * *39 * Kriegsdiensten **** anfanaen. §. 523. Bei andern Personen hindern Krieg und andere Landplagen den An­ fang der Verjährung nur in sofern, als damit ein Stillstand der Rechtspflege") ver­ bunden ist. §. 524. Zwischen Eheleuten kann, so lange diese Ehe dauert, keine Verjährung anfangen"). §. 525. Auch nicht zwischen Vätern und Kindern, so lange letztere sich in der Gewalt der ersteren befinden"). §. 526. Kein Vormund kann eine Verjährung gegen seinen Pflegebefohlenen ansangen, so lange er der Vormundschaft über ihn noch nicht förmlich40) entlassen ist. gemeinen Rechten- war, die übereinstimmende Meinung so angesehener Recht-gelehrter, gestützt auf L. 12 C. de acquirenda et retinenda possessione, doch immer so viel wirken muß, um den Grund­ satz als damals kontrovers zu erachten. O.Tr. III (Pr. 66) v. 29. Nov. 1834, und II v. 19. Febr. 1841, Pr.-S. 1 S. 36. Die Unzulässigkeit des Anfanges der Verjährung gegen ein verpachtete- Gut wird durch die gleich­ zeitige Verwaltung desselben nicht ausgeschlossen. O.Tr. II v. 4. März 1851, Str. Arch. 2 S. 29. Der' Grund, warum gegen ein verpachtetes Gut eine Verjährung nicht anfangen kann, weil nämlich der Gegenstand des Pachtrechts der Gewahrsam und damit der näheren Aufsicht und Beobachtung des Verpächters entzogen ist, wird dadurch, daß sich ein Verwalter auf dem Gute befindet, nicht be­ seitigt, indem der Verwalter ebenso wenig wie der Prinzipal sich in die Besitzverhältnisse des Pächters eindrängen darf. Daraus folgt aber, daß auch der Aufenthalt des Gutsherrn selbst auf dem ver­ pachteten Gute die Anwendung des §. 521 nicht ausschließt, sondern daß es auf die Thatsache der Kenntniß des Herrn von der fraglichen Handlung dessen, welcher dadurch die Verjährung anfangen will, ankommt. Bergl. die Anm. 32 Aliena 2. 35) Dazu gehören auch die Militärbeamten, überhaupt alle, welche berufen sind, der Armee zu folgen. Vergl. Pr.-O. Tit. 20 §§. 9 ff.

36) In diesem Falle ist der Anfangspunkt unbestimmt. Der Tag, an welchem die Entlassung verfügt worden (das Datum des Abschiedes), kann er nicht sein, auch nicht der Tag der Einhändi­ gung', weil von da an noch eine geraume Zeit vergehen kann, ehe die gerechtfertigte Abwesenheit (diese ist der Hinderungsgrund) aufhört. Man muß als Anfang den Ablauf der Zeit annehmen, in wel­ cher der Verabschiedete, nach seiner Entlassung, in seiner Heimath hätte eintrefsen können. Denn auch die freiwillige Verlängerung seiner Abwesenheit kommt ihm nicht zu gut.

37) Auch das Justitium gilt nur als Hinderniß gegen den Anfang der Verjährung (§. 530). Ueberhaupt ist es eine erhebliche, beabsichtigte Abweichung von dem R.R., daß der Zustand deS Nicht­ vermögens nicht als Ruhezeit der Verjährung anerkannt worden ist. Vergl. L. 3 C. quibus non objicitur longi temporis praescriptio ; L. 1, 2 C. de annali exceptione * L. ult. C. quibus ex causis majores restituantur ; L. 7 §. 4 C. de praescript. 38) Auch die kurzen Verjährungen aus dem Gesetze v. 31. März 1838 nicht. Der Anfangs­ punkt der Verjährung ist in diesem Falle nicht von dem Tage der Ehetrennung, sondern, nach dem Prinzip des §. 5 jenes Gesetzes, auf den letzten Dezember desselben Jahres, also im Falle der Tren­ nung durch den Tod nicht vom Todestage des Erblassers zu rechnen, sondern auf den letzten De­ zember des Todesjahres zu bestimmen. O.Tr. IV v. 17. März 1868, Str. Arch. 70 S. 226. — (6. A.) Die kurze Verjährung nach dem Ges. v. 31. März 1838 beginnt in diesem Falle am letzten Dezbr. des Todesjahres. Str. Arch. 70 S. 224 (IV). 39) Unter Vätern und Kindern, so lange Letztere sich in der Gewalt der Ersteren befinden, waltet par ratio wie zwischen Eheleuten vor, sagt Suarez bei der revis. Monitor. (Simon, Ma­ terial. S. 520.) In Folge dessen ist dieser §. hinzugefügt worden. Vergl. unten, Anm. zu §. 537. 40) Eine förmliche Entlassung des Vormundes kommt nur vor Beendigung der Vormundschaft vor; in solchem Falle geschieht sie mit dem Tage, an welchem daS Dimissoriale eingehändigt wird. Im gedruckten Entwürfe kam bei der Verjährung durch Nichtgebrauch, §. 424 d. T., eine ähnliche Bestimmung vor, nach welcher auch nach erlangter Großjährigkeit nicht vor gelegter Schlußrechnung eine solche Verjährung sollte angefangen werden können. Die Materialien ergeben nicht den Grund zu dieser Veränderung, wodurch jedenfalls nur während der Dauer der Bevormundung der Anfang der Verjährung ausgeschlossen wird. Dieser Grundsatz findet auch Anwendung auf Verwalter des Kirchenvermögens, namentlich auf den Pfarrer, wenn und so lange er Vorsteher im Kirchenkollegio ist. Wenn derselbe also z. B. Lasten und Abgaben, welche dem Pfarrer als Nutznießer obliegen,

Von Erwerbung deS EigenthumS.

541

§. 527. Auch kann ein Pächter, Verwalter oder anderer unvollständiger Be­ sitzer 41 * *) *einer * *Sache * * *, *in*Ansehung derselben eine Verjährung gegen den, in dessen Namen er besitzt, zu Gunsten seiner eigenen42)43 Sache während seiner Besitzzeit nicht anfangen. §. 528. Gegen den, welchem das rechtliche Gehör versagt wird, kann keine Verjährung angefangen werden424). §. 529. Auch wenn ein solches Hinderniß") im Laufe der Verjährung eintritt, wird die Fortsetzung derselben so lange unterbrochen, als das Hinderniß dauert. aus dem Kirchenärar bestreiten und die kirchliche Aufsichtsbehörde solches passiren läßt, so kann der Pfarrer dadurch doch keine Rechte für sich und seine Nachfolger erwerben. Auch der Kirchenpatron, welcher gleichfalls zu den Kirchenverwaltern gezählt worden ist (Th. 11 Tit. 11 §§. 568, 621, 585, 779, 780), sollte dadurch nach der Ansicht des O.Tr. unfähig sein, wäh­ rend der Dauer seiner Patronatsverwaltung, in Bezug auf die derselben unterworfenen Kirchen- und Pfarrgrundstücke, gegen die betreffende Kirchengesellschaft, einen ihn zur erwerbenden Verjährung be­ fähigenden Besitz zu erlangen. O.Tr. 11 v. 22. Mai 1856, Entsch. 33 S. 121. Von dieser Ansicht ist das O.Tr. jedoch wieder abgewichen und hat durch Pl.-Beschl. (Pr. 2716) v. 17. Juni 1861, J.M.Bl. S. 161, Entsch. 45 S. 33, den Rechtssatz festgestellt, daß der §. 526 keine analoge An­ wendung auf den Kirchenpatron gestatte. 41) Also auch ein Miether. Wer z. B. gegen eine jährliche Haidenmiethe zum Raff- und Lese­ holze berechtigt ist, kaun dieses Recht nicht verjähren; denn er kann den Titel seines Besitzes nicht ändern. O.Tr. v. 31. Okt. 1803, Simon, Rechtsspr. 1 S. 31. Dieser Fall steht nicht unter dem Grundsätze des §. 527. Vergl. die folg. Aum. 42. 42) Der vorausgesetzte Fall ist der, wo ein nnvollstäudiger^Besitzer neben der in seinem unvoll­ ständigen Besitze befindlichen fremden Sache noch eine andere isache eigenthümlich besitzt. Man hat aber den Rechtssatz dieses §. auch auf den Fall des unvollständigen Besitzrechts angewendet, und angenommen, daß der Besitzer keine anderen und mehreren Rechte an oder zu diesem unvollkomme­ nen Besitzthume durch Verjährung erwerben könne, als durch die Verleihung beigelegt sind. Des­ halb konnten z. B. in Schlesien die Dreschgärtner das Recht zur Behütung der Wege, Triften und Raine durch Ersitzung nicht erwerben. Schles. Arch. 3 S. 644. Nachdem aber die' lassitischen Be^ sitzrechte in erb- und eigenthümliche verwandelt worden sind, können dergleichen Besitzer auch Grund­ gerechtigkeiten für ihre Stellen gegen den früheren Grundherrn erwerben. Vergl. O.Tr. v. 12. Ja­ nuar 1*846, Entsch. 12 S. 436, und II v. 6. Sept. 1848, Rechtsf. 4 S. 331.

42») (7. A.) Vergl. oben Note der 7. A. zu §. 516 und §. 13 der deutschen Konk.Ordn.: „Die Eröffnung des Konkursverfahrens hemmt nicht den Lauf der Verjährung." Der rechtfertigende Grund liegt darin, daß die Konkurseröffnung die Verfolgung des Anspruchs nicht hindert; im Gegentheil, mit der Eröffnung wird der Gläubiger gerade ausgefordert, den Anspruch geltend zu machen. So­ weit aber ein solcher im Konkurse seiner Natur nach nicht geltend gemacht, d. h. nicht in eine Geld­ forderung umgewandelt werden kann, übt die Konkurseröffnung überhaupt keinen Einfluß aus. Vgl. auch unten die Note der 7. A. zu §.551. 43) Dieses Hinderniß, nämlich die Versagung eines rechtlichen Gehörs, macht die einzige Aus­ nahme von der Regel des folg. §. 530. Vergl. oben die Anm. 18 u. 19. Im Gesetzbuche war in den §§. 528 u. 529 Rede von einem Machtspruche. Der §. 528 hieß: „Gegen den, welcher durch einen Machtspruch in der Ausübung und Verfolgung seines Rechts gehindert wird, nimmt keine Ver­ jährung ihren Anfang." §. 529: „Auch hindert ein im Laufe der Verjährung ergangener Macht­ spruch die Fortsetzung derselben so lange, als die Wirkung deS Machtspruchs dauert." Die Fassung hatte wegen des Worts „Machtspruch" Anstoß gefunden und sollte nach der K.O. v. 18. Dez. 1793, Jahrb. 41 S. 41, geändert werden. Suarez schlug darauf die §§. in der gegenwärtigen Fassung vor. Daraus ist klar, daß der §.529 sich nur auf 528 und auf die Versagung des rechtlichen Ge­ hörs bezieht, und was unter dieser Versagung rc. gemeint wird. Die Verschließung des Rechtsweges durch einen außerordentlichen besonderen Befehl, für einen bereits eingetretenen Fall, ist darunter zu verstehen, z. B. wenn dem kompetenten Richter durch höhere Macht verboten wird, wegen eines ge­ wissen Anspruchs einer bestimmten Person oder einer bestimmteu Klasse von Personen, deren Klage anzunehmen und darüber im ordentlichen Rechtswege zu entscheiden. Nicht dahin gehören allgemeine Verordnungen, wodurch gewisse Angelegenheiten den Gerichten entzogen werden, oder die Fälle, wo das zuständige Gericht nach allgemeinen Vorschriften gewisse Prozesse sistirt oder eine Klage aus Rechts­ gründen per decretum zurückweist. Auch ein Stillstand der Rechtspflege (justitium) fällt nicht unter dieses Hinderniß. §.523. — Anderer Meinung ist das O.Tr. nach dem Erk. 11 v. 7. März 1861, Str. Arch. 40 S. 340. Nur von vorübergehendem Interesse sind das Erk. n (Pr. 2010) v. 6. April 1848, Pr.-S. 1 S. 326, und der Pl.-Beschl. (Pr. 2385) des O.Tr. v. 21. Juni 1852, Entsch. 23 S. 1, bett, die Suspenston der gutsherrlich-bäuerlichen Prozesse in den mit Preußen

542

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 530—536.

§. 530. Dagegen wird durch andere Hindernisse, die nach angefangener Verjäh­ rung erst eintreten, der Fortlauf derselben nicht gehemmt 43a). §. 531. Ist jedoch die zur Verjährung bestimmte Frist abgelaufen, ehe noch daS inzwischen eingetretene44) Hinderniß") wieder gehoben worden, so kann der Verhin­ derte noch innerhalb Vier Jahren, von Zeit des gehobenen Hindernisses an, auf Wie­ dereinsetzung in den vorigen Stand gegen die vollendete Verjährung antragen4 6). wieder vereinigten Provinzen durch die K.O. v. 5. Mai 1815, Jahrb. 5, 2 S. 8. Ein R. v. 17. Mai 1814 meint, daß während einer Belagerung keine Verjährungsfristen laufen, indem eS diesen Fall unter die Versagung des rechtlichen Gehörs (Machtspruch) sübsumirt; Jahrb. 3 S. 362. DaS ist nicht richtig; der Belagerungszustand gehört zu den Landplagen, die nur den Anfang der Verjährung hindern. §. 523. 43») (7. A.) Bei dem Einwande der Verjährung aus dem Gesetz v. 31. März 1838 findet §. 530 d. T. nur Anwendung, wenn der Schuldner m einem preußischen Gerichtsstände hätte be­ langt, und die Verjährilng gegen ihn nach preußischen Gesetzen hätte anfangen können. O.Tr. IV v. 18. März 1875, Str. Arch. 93 S. 291. 44) Wenn auch der Eintritt erst kurz vor Ablauf der Verjährung geschehen ist. In diesem Falle kann möglicherweise die Restitution noch lange nach der Verjährung erfolgen.

45) Dies sollte ein Hinderniß sein, welches der, gegen den die Verjährung läuft, mcht willkür­ lich selbst geschaffen hat. Wenn z. B. Jemand sein Grundstück, in Beziehung auf welche- gegen ihn eine Verjährung angefangen hat, verpachtet, so sollte er dieserhalb keine Restitution nachsuchen kön­ nen. Das O.Tr. findet in dem Erk. v. 24. März 1843, Entsch. 8 S. 260, die Frage zweifelhaft und läßt sie — weil es in dem Falle darauf nicht ankam — dahingestellt sein. Bei einer späteren Gelegenheit aber hat es die Frage implicite entschieden. Das zu diesem §. eingezeichnete Pr. 1843, II v. 17. Febr. 1847, Entsch. 15 S. 113, sagt nämlich: Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Verjährung steht auch dem Eigenthümer einer in Nießbrauch gegebenen Sache zu. Der Fall war ebenfalls die freiwillige Hingabe eines Grundstücks zur Nutznießung an einen Forstbeamten, nach bereits angefangener Verjährung, und eS wird auSgeführt, daß der Nießbrauch der Pacht (§.521) gleichzustellen fei. Also muß das O.Tr. den Fall der Pacht ebenso entscheiden. — Dies ist nicht geschehen. In dem Erk. II v. 30. Okt. 1860, Str. Arch. 39 S. 139, wird ausgeführt, daß die nach angefangener Verjährung vorgenommene Verpachtung kein die Restitution be­ gründendes Hinderniß im Sinne des §. 531 sei. Dies stimmt mit der, am Anfänge dieser Anmer­ kung vermerkten Meinung, aber nicht mit der älteren Ansicht des O.Tr. überein. 46) Die vierjährige Restitution gegen die vollendete Verjährung, wegen eines im Laufe derselben eingetretenen Hindernisses, findet nicht statt, wenn der Eigenthümer von dem Besitze und Ansprüche des Verjährenden unterrichtet, und im Laufe der Verjährung das Hinderniß zu beseitigen im Stande war. O.Tr. (Pr. 1280) v. 12. März 1843, Entsch. 8 S. 258, II v. 15. Nov. 1859, 30. Ott. 1860 u. 5. Juni 1873, Str. Arch. 36 S. 11; 39 S. 139, Entsch. 70 S. 113. Ob auch gegen kürzere Verjährungen die vierjährige Restitution stattfinde, ist zweifelhaft. Nach dem Wortsinne der landrechtlichen Bestimmungen ist es zu bejahen, denn die §§. 500 bis 534 han­ deln von den allgemeinen Grundsätzen der Verjährung überhaupt, und man kann ohne inneren Wi­ derspruch nicht behaupten, daß die Geltung derselben von der Zumessung der Verjährungsfrist ab­ hange und folglich für solche Verjährungen, welche das Normalmaß (vielleicht io Jahre - oder wie­ viel?) nicht erreichen, gar keine allgemeinen Grundsätze vorhanden seien; im Gegentheil, der §. 177 Tit. 14 schreibt ausdrücklich vor, daß die Restitution, wovon im §. 174 ebend. die Rede ist, auch bei kürzeren als den gewöhnlichen Verjährungen Anwendung finden soll. Vergl. die Anm. zu §. 177 (i. st. O. Gleichwohl ist bei einer sehr kurzen Verjährung die Zulässigkeit einer vierjährigen Resti­ tution eine auffallende Anomalie. Die Ursache davon liegt in der Verstümmelung deS Instituts der Restitution, wovon einzelne unzusammenhängende Reste beibehalten worden sind, in welchen ein lei­ tender Gedanke nicht zu finden ist. Bei der einen causa restitutionis (der Minorennität) hat die Praxis die Unzulässigkeit der Restitution gegen den Ablauf einer kurzen Verjährung angenommen, auf Grund deS §. u des Ges. v. 18. Juni 1840, bett, die Verjährung der öffentlichen Abgaben, wo ausdrücklich die Restitution ausgeschlossen ist. Man sieht darin nicht eine Ausnahme, sondern eine Anerkennung deS nothwendig in der Tendenz und in dem Gesammtinhalte des Gesetzes v. 31. März 1838 (die kurzen Verjährungsfristen betreffend) liegenden Grundsatzes, daß die Verjährung bestimmter Forderungen ihrer Natur nach ohne Rücksicht auf die subjektiven Eigenschaften und sonstigen Privi­ legien der Berechtigten, allgemein in den bezeichneten kurzen Fristen eintreten solle. Entsch. des O.Tr. 14 S. 211. Die Gründe passen auch auf die übrigen Restitutionsursachen und auf alle kurzen Verjäh­ rungen, und man kann annehmen, daß die Praxis keine Restitution gegen den Ablauf einer kurzen Verjährung oder Frist zuläßt. Vergl. Entsch. 6 S. 385; Zollgesetze v. 26. Mai 1818 §. 108; v. S, Febr. 1819 §. 58, und 23. Jan. 1838 §. 62; B. wegen künftiger Behandlung des Staatsschul-

Bon Erwerbung deS Eigenthum-.

543

§. 532. Wird das Hinderniß zwar noch vor Ablauf der Verjährungsfrist, jedoch erst innerhalb der letzten Vier Jahre, wiedergehoben, so kommt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dein Verhinderten ebenfalls innerhalb Vier Jahren, nach erfolg­ ter Hebung des Hindernisses, zu Statten. §. 533. Stirbt der, gegen welchen die Verjährung lief, vor gehobenem Hin­ dernisse oder vor Ablauf der vier Jahre, so geht die Rechtswohlthat der Wiedereinse­ tzung und die dazu noch rückständige") Frist auf den Erben über. §. 534. Die Wirkung dieser Rechtswohlthat ist, daß dem, welcher davon in­ nerhalb der bestimmten Frist Gebrauch macht, und sein Recht gehörig ausübt oder verfolgt, die Verjährung nicht entgegengesetzt werden kann. §. 535. Die Verjährung") durch bloßen Nichtgebrauch kann gegen Unmündige L ®°n 6er und Minderjährige, während der Minderjährigkeit nicht anfangen49). ‘ dÄ M-h" §. 536. Wenn aber ein Recht, nach bereits angefangener Verjährung, auf einen aSS“?«Unmündigen oder Minderjährigen, der mit einem Vormunde versehen ist50), über- felbcngeht; so wird dadurch der Fortlauf der Verjährung nicht gehemmt. denwesens, v. 17. Jan. 1820 §. 17. — Diesen Grundsatz hat das O.Tr. (II Sen.) auch ausgespro­ chen durch das Pr. 2387 v. 8. Juli 1852, Entsch. 23 S. 104: „Gegen die kürzeren Verjährungssristen, welche das Gesetz v. 31. März 1838 eingeführt hat, kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus §. 177 Tit. 14 nicht gesucht werden." Der Grundsatz ist schon in dem Erk. I v. 27. Sept. 1851, Str. Arch. 4 S. 115 ausgesprochen. Auch daß die Restitution aus den §§. 531 , 532 d. T. gegen die kürzeren Verjährungsfristen, welche das G. v. 31. März 1838 ein geführt hat, nicht gesucht werden könne, hat das O.Tr. in dem Erk. IV v. 1. Okt. 1863, Entsch. 50 S. 100 angenommen. Die Restitution kann übrigens auch im Wege der Einrede oder Replik, und noch während der Minderjährigkeit geltend gemacht werden. S. u. die Aum. 56. — (6. A.) Sie kann nur von dem Verhinderten selbst, nicht von jedem Besitznachfolger geltend gemacht werden. Str. Arch. 75 S. 305 (II). 47) Dieser Rest der Restitutionsfrist läuft, nach dem Wortsinne, neben der Deliberationsfrist, so daß er der letzteren nicht hinzugesetzt werden kann. Ist er kürzer als die Deliberationsfrist, so muß der noch überlebende Erbe, vermöge der Vorschrift §. 388 d. T., vor dem Ablaufe der RestitutionSfrist einschreiten.

48) Nämlich die gewöhnliche. Die kurzen Verjährungsfristen, insbesondere wegen der Rückstände vorbedungener Zinsen, können auch gegen Minderjährige und bevormundete Personen zu laufen an­ fangen. O.Tr. III (Pr. 1802) v. 21. Nov. 1846, Entsch. 14 S. 209; (6. A.) Str. Arch. 70 S. 224 (IV), 72 S. 83 (I). §. 535 bezieht sich nicht auf Unmündige und Minderjährige, die unter väterlicher Gewalt stehen. Daselbst. Vergl. 72 S. 343 (I); 78 S. 77 (I). 49) Mit der Verjährung durch Besitz ist es anders. §. 595 d. T. Der Grund des Gesetzes §. 535 ist, weil man angenommen hat, daß bloße Unterlassung einem Vormunde eher begegnen und weniger von ihm vertreten werden könne, als wenn Jemand Handlungen vornimmt, die eine Ver­ jährung durch Besitz gegen den Kuranden begründen. Simon, Material. S. 522. In den amt­ lichen Vorträgen über die Schlußrevision sagt Sua rez darüber: „Der Vormund eines Mnorennen kann leicht, aus Mangel an Nachrichten, in der Unwissenheit, waS seinem curando für Rechte in re aliena kompetireu, erhalten werden. Dies ist der Grund, warum praescriptio extinctiva gegen den Minorennen nicht anfangen soll. Hingegen kann es einem Vormunde absque suprema negligentia, die doch nie präsumirt wird, nicht unbekannt bleiben, wenn ein Anderer die Sache seines Kuranden in Besitz nimmt. Daher kann auch gegen 'einen Minorennen, sobald er bevormundet ist, praescriptio acquisitiva angefangen werden." Ebend. S. 584 und Jahrb. 41 S. 14. Der §. 535 ist übrigens eine bloße Wiederholung des Grundsatzes tz. 516. Nach dem Münster'schen Statutarrechte ist der überlebende Ehegatte (Mann wie Frau) vermöge seiner freien Verfüqungsbefugniß zur Vertretung des mit den Kindern dieser Ehe gemeinschaftlichen Vermögens allein berechtigt; eS tritt daher die Klageverjährung (II. 2 §. 440) gegen ihn mit voller Wirkung ein, ohne daß er sich auf das Vorrecht der Kinder nach §. 535 d. Tit. benifen kann. O.Tr. I v. 17. Sept. 1860, Str. Arch. 39 S. 58. (6. Atz) Der §. 535 ist eine allgemeine Vorschrift und schließt auch §. 440 II. 2 aus. Er bezieht sich auch< auf die kurzen Verjährungsfristen des A. L.R. und auf Minderjährige, welche zwar unter väterlicher Gewalt stehen, deren Interesse aber von dem Vater nicht wahrgenommen werden kann, und über welche deshalb eine Kuratel eingeleitet worden ist. O.Tr. I v. 14. März 1870, Entsch. 64 S. 215 f. 50) Die Worte: „der mit einem Vormunde versehen ist", beziehen sich auf den „Minderjäh­ rigen", und es sollte heißen: „wenn aber ein Recht — auf einen Unmündigen oder solchen Minder-

544

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 537—538.

§. 537. Wird hingegen die Verjährung während der Minderjährigkeit vollen­ det, so kommt dem Minderjährigen51) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen Bier Jahren, nach aufgehobener Vormundschaft, zu ©tasten5 2). (§. 531)53). jährigen, der mit einem Vormunde versehen ist rc." Im Entw. fehlten diese Worte. Einige Monenten hatten deswegen bemerkt, daß de jure romano praescriptio longissimi temporis Zwar nicht gegen impuberes, wohl aber gegen minores anfange. Suarez aber bemerkte dazu, daß unter beiden hier kein Unterschied stattfindeu könne, da impuberes ebenso gut als minores vom Staate bevormun­ det würden, und Niemand mehr nöthig habe, um einen Vormund zu bitten. Der Grund des gegen­ wärtigen^ Gesetzes (f. Anm. 49) passe auf minores ebenso gut, als auf impuberes. Simon, Ma­ terial. 522. Der Sinn des Monitums wird gleich verständlich, wenn mau sich erinnert, daß der Röm. minor handlungsfähig war und nur auf sein Verlangen einen Kurator erhielt. Um dieses Bedenken zu heben, wurde der §. 536 in der Art geändert, daß für „Minderjährigen übergeht", ge­ setzt wurde: „Minderjährigen, der mit einem Vormunde versehen ist, übergeht". Simon, Material. S. 573. Also auch gegen einen solchen Minderjährigen, der bevormundet und daher nicht fähig war, seine Angelegenheiten zu besorgen, sollte die angefaugene Verjährung fortlaufen, gegen einen nicht bevormundeten Minderjährigen verstand sich der Fortlauf — aus dem Standpunkte der Monenten angesehen — ganz von selbst; denn ein solcher hatte selbst seine Angelegenheiten zu ver­ walten. Von dem Standpunkte der Vers, des L.R. war diese Unterscheidung unzulässig, sogar der Unterschied zwischen Unmündigen oder Minderjährigen fällt hier weg, wie Suarez ausdrücklich be­ merkte. S. 522 a. a. O. Es hätte daher in den §§. 535 u. 536 nicht von „Unmündigen und Minderjährigen" Rede sein sollen, sondern überhaupt von Personen, welche nicht großjährig und nicht unter väterlicher Gewalt stehen. Denn das ist der Gedanke des Gesetzgebers. Die Praxis des O.Tr. hat diesen Gedanken glücklich getroffen in dem Erk. III (Pr. 1778) v. 15. August 1846, Entsch. 15 S. 119: Eine bereits begonnene Verjährung durch Nichtgebrauch läuft gegen eineu Unmündigen oder Minderjährigen, der mit'einem Vormunde hätte versehen werden sollen, auch dann fort, wenn der­ selbe keinen Vormund erhalten hat. Dies ist gerade der unzweifelhafte Fall des Minderjährigen, aus dem Standpunkt der Monenten gegen die erste Fassung des §. 536 ; nach den Grundsätzen des L.R. hätte man bessere gethan, die Aenderung zu unterlassen. — (7. A.) O.Tr. I v. 22. Okt. 1875, Entsch. 75 S. 288. 51) „Warum wird denn hier der Unmündigen nicht gedacht, da es doch in den vorigen §§. ge­ schehen ?" So fragt H. zu diesem §. bei der letzten Revision. Simon, Mat. S. 573. Darauf ist nicht weiter geachtet, mit Recht, weil hier gar kein Unterschied zwischen den verschiedenen Klassen der nicht großjährigen Personen stattfindet und auch in den übrigen §§. der Unmündigen nicht hätte gedacht werden sollen. S. die Anm. 50. 52) Daß die Bestimmungen sich auf Personen, welche unter väterlicher Gewalt stehen, nicht beziehen, ist schon angemerkt. 'S. die Anm. 50. Die Meinungen darüber sind verschieden, die Praxis aber hat dies angenommen, nach dem Erk. des O.Tr. II (Pr. 307) v. 22. Juli 1837 , Pr.-S. 1 S. 37: „Diese Vorschrift, nach welcher dem mit einem Vormunde versehenen Minderjährigen, gegen die während der Minderjährigkeit vollendete Verjährung durch Nichtgebrauch, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen vier Jahren nach aufgehobener Vormundschaft zu Statten kommt, findet auf Minderjährige, welche unter väterlicher Gewalt stehen, keine Anwendung." Wieder angewendet in dem Erk. I v. 28. April 1852, Str. Arch. 5 S. 204. — Dieser Grundsatz findet dann keine An­ wendung, wenn es sich um einen Anspruch des Minderjährigen an seinen eigenen Vater handelt. O.Tr. 1 (Pr. 2531) v. 14. Juni 1854, Entsch. 28 S. 75. Denn bei einer solchen Kollision von Rechten ist das in väterlicher Gewalt stehende Kind gleichfalls eine Person, welche mit einem Vormunde (Kurator) versehen ist, da es durch den Vater nur gegen Dritte vertreten werden kann. Oben §. 525 ; II. 18 §. 28. 53) Dieser §. 537 wiederholt nur den Satz des §. 531. Die Frage ist: ob nicht auch die im §. 532 angeordnete Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf Minderjährige Anwendung finde. Wenn eine Sache, in Beziehung auf welche die Verjährung schon seit 27 Jahren angefangen hat, also in den letzten 4 Jahren der Verjährung, auf einen zwanzigjährigen übergeht, folglich die Minder­ jährigkeit (das Hinderniß) noch vor Ablauf der Verjährungsfrist aufgehoben wird, kommt da dem nun Großjährigen gleichfalls die 4jührige Restitutionsfrist, vom Tage seiner Majorennität an gerechnet, zu Statten? Der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes aus §. 532 steht kein Rechtsgrund entgegen. Zwar das O.Tr. hat ausgesprochen: Ist fcet einer gegen einen Minderjährigen fortgesetzten Extinktivverjährung deren Vollendung erst nach erreichter Großjährigkeit erfolgt, so kann derselbe auf die vier­ jährige Restitution nicht Anspruch machen. O.Tr. I (Pr. 2184) v. 25. gebt. 1850, Entsch. 19 S. 134. Dieser Rechtssatz aber ist falsch, wie die Gründe faktisch und juristisch unrichtig sind, auf welchen er ruht. Die Bezugnahme des §. 537 auf den §. 531 bringt den Urtheilet in Verlegenheit; er meint: der Zweifel entstehe nur dadurch, daß der §.537 in der Parenthese auf den §.531 hinweist, und es frage sich also: welcher Einfluß dem letzteren auf den §. 537 beizulegen sei. „Stellt man die Mi-

Von Erwerbung des Eigenthums.

545

§. 538. War die Verjährung durch Nichtgebrauch gegen einen Minderjährigen abgelaufen, so können die Erben desselben, auch wenn sie selbst unmündig oder min­ derjährig, jedoch") mit einem Vormunde versehen sind, nicht aus ihrer eigenen, son-

norennität einem „Hindernisse" gleich" — sagt er —, „so würde man freilich in die Nothwendigkeit kommen, die Anwendung deS §. 537 nach den allgemeinen Grundsätzen, insbesondere §§. 531, 532 zu modifiziren." Allein über diese Nothwendigkeit setzt er sich leicht hinweg, durch die Behauptung, daß die Minderjährigkeit gar kein Hinderniß im Sinne des §. 531 sei; das Gesetz gebe die Restitution allgemein, wo Jemand von dem verlierenden Rechte nicht habe unterrichtet sein können, oder dasselbe zu bewahren verhindert worden. (§§. 512, 516.) Ein Hinderniß dieser Art sei nun aber keineswegs die Minderjährigkeit; — für den Verjährenden sei sie ein Hinderniß; in Beziehung auf den Minder­ jährigen selbst sei sie kein Hinderniß. Das ist ein vollständiger Irrthum, wie aus den Materialien klar erhellet. Der erste umgearbeitete Entwurf lautete im §. 5: „So lange Jemand sein Recht zu gebrauchen oder zu verfolgen verhindert wird, kann ihm die Unterlassung des Gebrauchs nicht nach­ theilig werden." Hierzu sind einige Bemerkungen über den Anfang und die Dauer des Hindernisses gemacht, und hinter denselben finden sich folgende §§. von Suarez entworfen: „Einem Minderjährigen werden nach erlangter Volljährigkeit noch 4 Jahre zur Wiederher­ stellung gegen alle während seiner Minderjährigkeit absolvirten Verjährungen gestattet. Hat er aber alsdann von seinem Rechte keinen Gebrauch gemacht, so wird ihm die Mino­ rennität nicht zu Gute gerechnet. ~ Bei der 40jährigen Präskription wird auf dieses impedimentum nicht reflektirt." Simon, Materialien S. 457. Hier wird also die Minderjährigkeit ausdrücklich ein Hinderniß, sein Recht zu gebrauchen, ge­ nannt. Weiter, bei der Revision der Monita, trägt Suarez vor: „Einige Moneuten fragen, ob nicht auch Taubstumme, Verschwender, Abwesende, Blinde, pia corpora mit den Minorennen gleiche Rechte haben. In Ansehung der Taubstummen hat es kein Bedenken. Auf Verschwender paßt ratio legis nicht, weil diese von ihren Rechten gar wohl haben informirt fein sönnen." ------ Simon, Mat. S. 523. Also werden hier die Minderjährigen unter die Kategorie derjenigen gebracht, „welche von ihrem Rechte nicht haben unterrichtet sein können". Damit übereinstimmend sagt Suarez in seinen amtlichen Vorträgen bei der Schlußrevision zu §§. 593—595: „Der Vor^. mund eines Minorennen kann leicht, aus Mangel an Nachrichten, in der Unwissenheit, was seinem curando für Rechte in re aliena kompetiren, erhalten werden. Dies ist der Grund, warum praescriptio extinctiva gegen den Minorennen nicht anfangen soll." (Simon, Mater. S. 584 und Jahrb. 41 S. 14.) Daß also die Minorennität, oder eigentlich der Zustand der Bevormundung im Sinne des Gesetzgebers „ein Hinderniß" ist, ist unbestreitbar. Das O.Tr. selbst hat in dem Erk. v. 15. Aug. 1846, Entsch. 15 S. 121, es ausgesprochen: „Der §. 535 — ist nur eine Wiederholung des im §.516 in Bezug auf den Anfang der Verjährung überhaupt ausgesprochenen Grundsatzes." Der Zustand der Bevormundung ist ein Hinderniß, sowohl sein Recht zu gebrauchen und zu ver­ folgen (§. 516), nämlich in Beziehung auf den Bevormundeten, als auch von seinem Rechte unter­ richtet sein zu können (§. 512), nämlich für Beide, den Bevormundeten, weil er seine Angelegenheiten nicht verwaltet, und den Vormund, weil er — wenigstens Anfangs — ein Fremder ist. Als zweiter oder vielleicht auch als kein Grund ist ein Stückchen Röm.R., nämlich die L. 3 C. quibus objicitur, unter dem ganz ungebräuchlichen Citate: „Lib. vii Tit. 35" eingemengt, denn der Inhalt ist für das Recht nach dem Allg. L.R. hier völlig gleichgültig; und zuletzt wird noch der faktische Hülfsgrund beigebracht: „Nach Suarez' amtlichen Vorträgen bei der Schlußrevision des A. L.R. sind bei den §§. 537 und 531 auch gar keine Zweifel erhoben, und demnach die Worte des §. 537: „während der Minderjährigkeit vollendet", als unerläßliche Bedingung der Minderjährigen-Restitution anerkannt." Ebend. S. 139. Bei der Schlußrevision ist davon freilich nicht mehr Rede gewesen, aber der Zweifel war schon früher vorgekommen und erledigt. Denn zu den §§. 423 und 425 des gedruckten Ent­ wurfs (d. i. §§. 537 und 538 d. T.) war monirt worden: „Die §§. 425 und 423 sollen wohl nicht diejenige Wiedereinsetzung ausschließen, welche nach §.419 (d. i. 532 d. T.) alsdann statthat, wenn die Verjährungsfrist erst nach aufgehobener Vormundschaft abläuft?" Simon, Mater. S. 521. Dabei hat man kein Bedenken gefunden. In der That widerspricht es auch den allgemeinsten Aus­ legungsregeln, den allgemeinen Grundsatz des §. 532 in Beziehung auf Minderjährige für ausgeschlos­ sen zu erklären, da doch derselbe neben dem §. 537 ohne den mindesten Anstoß oder inneren Wider­ spruch bestehen kann. Wegen der prozessualischen Form der Geltendmachung s. u. Anm. 56. 54) Jedoch re., und deshalb nicht verfügungsmäßig sind. Bezieht sich eben wieder auf Minder­ jährige, nicht aus Unmündige, und ist erst bet der Umarbeitung des Entwurfs zur Hebung deß Be­ denkens: ob auch bevormundete Minderjährige in diesem Falle seien (von nicht bevormundeten und deshalb handlungsfähigen Minderjährigen verstand eS sich von selbst) (Anm. 51), eingeschaltet worden. Simon, Mater. S. 573. Koch, Allgemeines Landrecht I. 7. Aufl. 35

54G

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 538—545.

dem nur aus der Person ihres Erblassers55), auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Anspruch machen *6). §. 539. Es kommt ihnen also nur diejenige Frist zu Statten, welche der Erb­ lasser, wenn er gelebt hätte, vom Tage seiner erlangten Großjährigkeit an57) noch ge­ habt haben würde. §. 540. Wahn- und Blödsinnige, ingleichen Taubstumme58), genießen, in Rücksicht auf die Verjährung, mit den Minderjährigen gleiche Rechte59). §. 541. Sobald für einen Abwesenden die Bestellung eines Kurators nöthig ge­ funden worden, kann nach dieser Zeit keine Verjährung durch Nichtgebrauch wider ihn anfangen oo). 55) Nur die Frist, welche dem Erblasser noch übrig war, kommt dem, wenngleich selbst mino­ rennen, Erben noch zu Statten. §. 539. Suarez, amtliche Vorträge, bemerkt zu §. 538: „Ich weiß nicht, ob man diese Vorschrift neu nennen kann; wenn sie es aber auch wäre, so würde sie doch (nothwendig sein), um die größten Verwirrungen und Inkonvenienzen, welche sonst aus dem, den Minorennen schon nach gemeinen Rechten auch contra praescriptionem beigelegten, beneficio restitutionis entstehen könnten, zu vermeiden." Nun wird an einem Beispiele gezeigt, daß, wenn man an­ nimmt, daß ein Paar Generationen hintereinander immer ein Minorenner einem Minorennen, oder erst kürzlich majorenn Gewordenen succedire, Jahrhunderte verlaufen können, ehe die Präskription zur Wirksamkeit gelangt, wodurch der Zweck der Gewißheit des Eigenthums der Sachen und Rechte offen­ bar vereitelt würde. Simon, Mater. S. 574 u. Iahrb. 41 S. 13. 56) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welche einem Minderjährigen, auf den ein Recht nach bereits angefangener Verjährung übergegangen ist, gegen die während der Minderjährigkeit voll­ endete Verjährung zusteht, braucht nicht in einem besonderen, allein darauf gerichteten Prozeßverfahren nachgesucht zu werden. L>ie kann vielmehr im Wege der Einrede, oder Replik, und ebensowohl während der Minderjährigkeit von dem Vormunde, als nach aufgehobener Vormundschaft über den Pflegebefohlenen noch binnen 4 Jahren, von diesem selbst geltend gemacht werden. O.Tr. II (Pr. 2334) v. 4. Dez. 1851, Entsch. 22 S. 9. — Vergl. O.Tr. II v. 29. Juni 1858, Str. Arch. 30 S. 156. 57) Durch diese erst bei der Umarbeitung des Entwurfs hinzugekommene Bestimmung ist daS Monitum erledigt worden: ob der beim Ableben des Erblassers von der Wiedereinsetzungsfrist noch übrige Zeitraum vom Todestage an, oder von der Zeit der erlangten Wissenschaft deS Todes laufe. Simon, Mater. S. 521. 58) Auch die Stadtgemeinden in Ansehung ihres Kämmereivermögens. Th. H Tit. 8 §. 157. Vergl. aber die folg. Anm. — (6. A.) Aber nicht solche Personen, wenn sie unter väterlicher Gewalt stehen. Str. Arch. 72 S. 83 (l). 59) Diese Personen haben die Rechte der Minderjährigen nur von da an, wo sie unter Vor­ mundschaft gestellt worden sind; denn erst mit der Bevormundung tritt ihre juristische Ünfähigkeit ein.

Vorher kann ihr Zustand nur als ein faktisches Hinderniß (§§. 512, 516) in Betracht kommen, wenn es aus der Vergangenheit erweislich zu machen ist. Die Anwendung des Grundsatzes zu tz. 539 auf die Erben dieser Personen namentlich der Taub­ stummen und besonders auf Stadtgelneinden (Anm. 58), .ist schwierig; der Zeitpunkt muß analogisch mit der Wiederaufhebung der Vormundschaft nach der Herstellung des Kranken, oder bei Unheilbaren (Taubstummen) mit dem Todestage, angenommen werden. Auf Stadtgemeinden ist die Anwendung gar nicht möglich, und deshalb auch ausdrücklich ausgeschlossen. §. 633 d. T. Der §. 540 hat erst bei der Umarbeitung des gedr. Entw. in Folge der Frage einiger Monenten: ob nicht auch Taub­ stumme , Verschwender, Abwesende, Blinde, pia corpora mit den Minorennen gleiche Rechte hätten, den Zusatz: „ingleichen Taubstumme", erhalten. Suarez bemerkt nämlich: „In Ansehung der Taubstummen hat eS kein Bedenken; den klebrigen würde ich dieses Recht nicht beilegen. Auf Ver­ schwender paßt ratio legis nicht, weil diese von ihren Rechten gar wohl haben informirt sein können. Abwesende, die es nicht rei publicae causa sind, werden nicht pro impeditis geachtet. — Für pia corpora ist durch längere Verjährungsfristen gesorgt." Darauf ist konkludirt: „Es geht auch auf Abwesende, sobald der Staat nöthig gefunden hat, ihnen einen Kurator zu bestellen." (Simon, Mater. S. 523.) Darauf sind jener Zusatz im §. 540 und die §§. 541 und 542 hinzugefügt, ob­ gleich die „gleichen Rechte" auf die vorhergehenden, nur auf Minderjährige passenden Sätze §§. 538 und 539, nicht wohl passen. Ein Monent fragte zu §. 540: „Sollen nicht die Erben eines Wahnund Blödsinnigen gleiches Recht mit den Erben eines Minderjährigen genießen?" Ebd. S. 521. Darauf findet sich nichts bemerkt; man scheint die Frage mit dem §. 540, wodurch diesen Geistes­ kranken L l e i ch e Rechte beigelegt sind, für beantwortet gehalten zu haben. Die §§. 538, 539 find auf die Erben dieser Personen für unanwendbar zu halten,' weil die Voraussetzung — Tag der Groß­ jährigkeit — nicht eintreten kann.

Von Erwerbung des Eigenthums.

547

§. 542. Bloße Verschwender, wenn sie auch unter Vormundschaft gesetzt wor­ den, können auf dieses Privilegium keinen Anspruch machen60 61).62 63 64 §. 543. Gegen Rechte, welche nur bei gewissen Gelegenheiten ausgeübt werden können o2), fängt die Verjährung erst von der Zeit an, da sich eine solche Gelegenheit ereignet hat. ‘ §. 544. Auch müssen, wenn solche Rechte durch den bloßen Nichtgebrauch erlö­ schen sollen, seit dem Anfänge der Verjährung wenigstens noch zweies') Gelegenhei­ ten^), wo die Ausübung des Rechts hätte stattfinden können, vorgekommen sein. §. 545. Gegen andere Rechte sängt die Verjährung von dem Tage an, wo die Erfüllung der Verbindlichkeit zuerst gefordert werden sonnte65). 60) S. d. vor. Anm. 59. Hat der, welcher durch Verjährung einen Vortheil erwerben will, die Einleitung der Abwesenheitskuratel verhindert, so ist die Anwendung dieses §. ausgeschlossen. Vergl. O.Tr. v. 2. Okt. 1845, Entsch. 12 S. 185. 61) S. die Anm. 59. Die Bestimmung ist inkonsequent; der bevormundete Verschwender ist so gut wie der bevormundete Minderjährige von der Verwaltung und Wahrnehmung seiner Rechte aus­ geschlossen. 62) Die Vorschrift deS §. 649 begründet bei der Verjährung durch Nichtgebrauch der im §. 543 bezeichneten Rechte, welche nur bei gewissen Gelegenheiten ausgeübt werden können, keine Ausnahme von der im §. 546 enthaltenen Fristbestimmnng, und wird diese Verjährung in einem Zeitraume von 30 Jahren vollendet. O.Tr. (Pr. 543) v. 13. Okt. 1838, Pr.-S. 1 S. 38. Wenn die Ausübung von der andern Seite her untersagt wird, und seitdem bis zu dem Zeitpunkte, wo das entgegen­ stehende Recht geltend gemacht werden soll, die Berjähruugszeit abgelaufeu ist, so genügt dies zur Be­ gründung deS vom Untersagenden resp. Verweigernden behaupteten Rechtszustandes, und es ist nicht nöthig, daß noch zwei andere Fälle, wo daS Untersagungsrecht ausgeübt worden wäre, hinzu­ getreten sein müßten. O.Tr. 1 (Pr. 1305) v. 15. Mai 1843, Pr.-S. 1 'S. 44. Das Appell.-Gericht zu Breslau sagt bei Beurtheilung der Klage eines Grundbesitzers gegen einen anderen Grundherrn auf Abwendung einer ihm aufaebürdeten Brückenbaulast: „Da auch der Klage die Klagenverjährung nicht, wie der erste Richter irrthümlich annimmt, entgegensteht, weil bir Veranlassung zur Klage fortdauert, so lange dem Kläger die ihm nicht zukom­ mende Last thatsächlich obliegt (§. 545), so ist die Klage an'sich begründet." Darnach soll also die Klayenverjährung ausgeschlossen sein, weil die dem Klager zur Ungebühr aufgebürdete Last, von der er sich eben durch die Klage freimachen will, noch fortdauert. Damit würde die BefreiungSklage unverjährbar sein. DaS O.Tr. in dem Erk. III v. 27. Jan. 1865, Str. Arch. 58 S. 128, erklärt denn dies auch für einen Verstoß gegen die Vorschriften der §§. 543—545 und sagt ganz richtig, daß, wenn die ungerechte Last, deren Beseitigung durch die anzustellende Klage herbeigeführt werden soll, durch den zur Verjährung erforderlichen Zeitraum fortgedauert hat, nun gerade jene Klage wirk­ lich verjährt ist. (7. A.) Die Verjährung einer Freikuxberechtigung kann erst von dem Tage beginnen, wo eine Ausbeute gewonnen worden; sie ist vollendet, wenn seit Anfang der Verjährung noch zwei AusbeuteFälle vorgekommen sind. O.Tr. III v. 29. Jan. 1875, Entsch. 74 S. 106. 63) Anfangs hatte man nur Eine verlangt. Das schien Suarez zu wenig und er hielt wenigstens drei für erforderlich. Simon, Mater. S. 522. Darauf ist auS „Eine" Zwei gemacht.

64) Zur Vollendung der Verjährung von Rechten, welche nur bei gewissen Gelegenheiten auSgeübt werden, durch Nichtgebrauch, ist nicht erforderlich, daß von den wenigstens noch zwei ferneren Gelegenheiten, welche feit der ersten (am Anfänge der Verjährung) innerhalb der Präskrip­ tionsfrist vorgekommen sein müssen, die letzte Gelegenheit am Ende dieser Frist liegt; vielmehr genügt es, wenn sie nur immerhalb des Laufes dieser Frist vorgekommen ist. O.Tr. II (Pr. 2247) v. 3. Okt. 1850, Entsch. 20 S. ns.

Ein Monent hatte erinnert: „Wenn nach Ablauf der Verjährungsfrist die letzte unbenutzte Ge­ legenheit sich ereignet hat, so wird die Verjährung erst nach diesem Zeitpunkte für vollendet zu erach­ ten sein." Simon, Mater. S. 522. Dabei hat Suarez nichts zu erinnern gefunden, es ist auch sachgemäß. 65) L. 1 §. 1 C. de ann. exe. (VII, 40) „ . . . sed ex quo ab initio competit (actio), et semel nata est . . L. 3. C. de praescr. XXX (VII, 39); L. 30 C. de jure dot. (V, 12). Dieser Grund­ satz ist es und nichts anderes, was durch diesen §. ausgedrückt werden soll: an eine Abweichung da­ von ist nicht gedacht worden. Der Ausdruck ist ebenso unbestimmt, wie der des R.R., und daher fehlt es denn auch nicht an Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten, nicht weniger zahlreich, nur weniger juristisch, als unter den gemeinrechtlichen Schriftstellern. Zu den Zweifelsfällen gehört denn auch daS auf Kündigung ausgethane unzinsbare Darlehn, in Beziehung auf welches man in Mei-

Erster Theil.

548 Zeitraum.

§. 546.

Neunter Titel.

§§. 546—550 (Zusätze).

Die einmal angefangene Verjährung durch Nichtgebrauch wird, wenn

nungsstreit ist: ob actio nata, mithin anfange zu verjähren von Zeit der Hingabe in der ordentlichen Verjährungsfrist, oder erst in dieser Zeit mit Hinzurechnung der Kündigungsfrist, oder gar nicht vor der Kündigung, weil diese eine res merae facultatis (aus einem anderen Grunde ist auch v. Savigny dieser Meinung, System 5. S. 295 ff.), oder auch Bedingung sei. Die verschiedenen Mei­ nungen Anderer bleiben hier auf sich beruhen. Koch's Meinung ist, daß die Verjährung von dem Tage anfange, wo die Kündigung zuerst statthaft war, weil die Kündigung bei dieser Klasse von Dar­ lehen keine andere Bedeutung ais die Mahnung hat und die Frist eine gesetzliche Anschafsungs- oder Zahlungsfrist (das legitimum tempus) ist, die Klage aber zu jeder Zeit, ohne daß vorher die Kün­ digung abgelaufen, stattfindet. (Pr.-O. Tit. 28 §. 16.) Die Praxis des O.Tr. hat sich für die zweite, auch von Unterholzner, Verjährungslehre 2 §.260 und vor ihm von Kind, quaest. forens. Tom. II cap. 66 vertretene Meinung entschieden, nach welcher die Verjährung anfängt mit dem Tage des abgeschlossenen Rechtsgefchäftes, unter Hinzurechnung der Kündigungsfrist. Durch Plenarbeschl. v. 13. Jan. 1838 ist nämlich der Satz angenommen: „Eine Schuldforderung, die auf Kün­ digung lautet, ist nicht erst von dem Tage an, wo dre Kündigung wirklich erfolgt ist, der Verjährung unterworfen; es kommt vielmehr auf den Tag an, wo zuerst die Kündigung möglich war, und mit dem Ablaufe der Kündigungsfrist, von diesem Tage an berechnet, läuft die Verjährung der Forde­ rung durch Nichtgebrauch." O.Tr. v. 13. Jan. 1838, Entsch. 3 S. 165. Nach dem Pl.-Beschl. v. 2. Dez. 1867 findet der Nechtssatz auch auf die der kürzeren Verjährung des Gesetzes v. 31. März 1838 unterworfenen Forderungen, sofern sie auf Kündigung lauten, Anwendung. J.M.Bl. 1868 S. 11 und Entsch. 59 S. 1. — Dieser Satz, sagt das O.Tr., gilt auch für Darlehnsforderungen, in Ansehung welcher über die Zeit der Rückzahlung nichts verabredet worden ist, dahin, daß hier die Verjährung vom Tage der Kontrahirung des Darlehns, unter Hinzurechnung der gesetzlichen resp, dreimonatlichen oder vierwöchentlichen Kündigungsfrist, zu laufen anfängt. O.Tr. 111 (Pr. 681) v. 29. Mai 1839, Pr.-S. 1 S. 38. Der Grund ist, weil vor Ablauf der Kündigung nicht geklagt wer­ den könne. Dies ist, wie gesagt, und) Preuß. Rechte unrichtig. Die Vers, des L.R. scheinen aber, wenigstens zum Theil, ganz anderer Meinung gewesen zu sein.' Der erste Entwurf von Kirch eis en enthielt die Bestimmung, daß die Verjährung vom Tage des geschlossenen Vertrages (Ausstellung des Instruments) laufen solle; wenn aber die Befugniß der Einforderung dem Gläubiger ausdrücklich nach einer vorgängigen Kündigung anheim gestellt sei, die Verjährung nach geschehener (nicht erst nach ab­ gelaufener) Mndigung ihren Anfang nehme. §§. 912—914 in Simon, Material. S. 442. Die Kündigung wurde darnach als eine res merae facultatis angesehen. Hiervon findet sich in den spä­ teren Entwürfen weiter keine Andeutung. Uebrigens versteht sich, daß von verzinslichen Schulden der in Rede stehende Satz nicht gilt, wenn und so lange die Zinsen gezahlt werden (§. 570 d. T.), und bei eingetragenen hat er gleichfalls geringe praktische Bedeutung (Tit. 20 §. 534). — In Be­ ziehung auf dergleichen, behufs der Zinsbenutzüng ausgethanen Hypothekenkapitalien ist der von dem O.Tr. angenommene Satz entschieden unrichtig, vielmehr ist nach der Rechtsgeschichte der dritte der vorhin bezeichneten Meinungen, die, wie gesaat, auch unter den Verfassern des A. L.R. Vertretung gefunden hat, die allein richtige. Das dem R.R. unbekannte Institut der Loskündigung bei Geld­ leihen ist nämlich deutsch-rechtlicher Herstammung; es hat fick) bei dem wiederkäuflichen Erbzinse (Gül­ tenkauf) entwickelt und ist auf das später an dessen Stelle getretene Hypothekenanlehn auf Zinsen (Zinskontrakt, Pfandbestellung) übergegangen. Denn die bei dem Renten- oder ErbzinSkontrakte ursprünglich nur dem Schuldner zustehende Befugniß zur Löse ging allmählich auch auf den Gläubiger über, indem die Reichsgesetzgebung der Praxis darin nachfolgte, daß sie die Hinzufügung des Vertrags gestattete, daß im Falle des Verzugs des Schltldners in der Rentenzahlung auch dem' Gläubiger die Loskündigung freistehen solle (Deput.-Absch. 1600 §. 35), woraus später die Praxis eine Naturale dieses Rechtsgeschäfts machte. Gerstlacher, Handbuch der deutschen Reichsgesetze, 10 S. 2119. Daß bei der neueren Pfandsatzung dem Gläubiger wie dem Schuldner die Löskündigung kontrakt­ mäßig könne eingeräumt werden, ja, selbstverständlick) zustehe, lehrten die Rechtsgelehrten auf Grund des R.R. ganz allgemein. Hieraus erhellet, daß die Loskündigung bei dem dinglichen Zinskontrakte, aber auch nur bei dem dauernden, d.h. auf unbestimmte Zeit eingegangenen, einem Grundstücke auf­ gelegten Zinskontrakte in der That das ist, was das A. L.R. §. 505 d. T. eine res merae facultatis nennt, und daß die Jurisprudenz des O.Tr. zu flach geschöpft hat. Denn wenn daS A. L.R. auch allerdings dieses Institut der Loskündigung mit dem simpeln, wenn noch so unbedeutenden und bei Gelegenheit des täglich gemeinen Verkehrs entstandenen Darlehn ganz allgemein in Verbindung ge­ bracht hat, so ist dadurch doch nicht der Charakter der Loskündigung verändert. Es könnte sich nur um eine Unterscheidung zwischen den dinglichen Zinskontrakten und den einfachen Darlehn handeln. Denn es ist von selbst in die Augen fallend, daß zwisck)en der gelegentlichen Borstreckung einer kleinen Geldsumme zur augenblicklichen Bezahlung eines Lebensbedürfnisses oder Genusses, und der Kontra­ hirung eines auf Zinsengenuß berechneten Hypothekendarlehns wenig oder keine Ähnlichkeit ist. — VergU oben Anm. 13 Abs. 2 zu §. 510. Das mit dem Rechte der Oberaufsicht über die Verwaltung eine- StiftSvermögenS nach der Stif­ tungsurkunde verbundene Recht, die Verwaltung dem bisherigen Verwalter abzunehmen und einem

Von Erwerbung des Eigenthums.

549

die Gesetze nicht ausdrücklich eine andere Frist bestimmen, in einem Zeitraume von dreißig6 6) Jahren vollendet. (§. 629 sqq.) §. 547. Sie endet sich allemal mit dem Ablaufe des letzten Tages des bestimm­ ten Zeitraums. §. 548. Durch die bei Schaltjahren zutretenden Tage wird die Verjährungszeit nicht geändert. §. 549. Ist die Verjährung in einem Schaltjahre mit dem Neun und zwanzig­ sten Februar angefangen, so läuft sie mit dem letzten Februar desjenigen Jahres ab, welches die Verjährungsfrist beschließt*67 * ).*68 * *69 * * * * * * * * * * * * * * * * 66 §. 550. Ist die Verjährungsfrist auf Monate eingeschränkt, so werden so viel­ mal dreißig Tage, als Monate sind, gerechnet««). 8.

fristen.

Gesetz vom 31. März 1838, wegen Einführung kürzerer Verjährungs­ (G.S. S. 249.)«°)

Wir rc. verordnen, in Erwägung, daß bei Forderungen, welche entweder sogleich oder in kurzer

Zeit berichtiget zu werden Pflegen,

aus der langen Dauer der str die Verjährung, durch Nichtge-

Anderen zu übertragen, geht durch bloßen Nichtgebrauch nicht verloren. O.Tr. I v. 26. Okt. 1853, Str. Arch. 10 S. 252. Vergl. oben tz. 506. Auch in Ansehung der bedingten Forderungen ist Meinungsverschiedenheit über den Anfang der Verjährung in dem Falle, wenn der Eintritt der Bedingung in der Willkür des Berechtigten steht. In diesem Falle soll, nach einer Meinung, die gemeinrechtliche Regel, nach welcher die Verjährung sofort ansange, gelten, indem die Erfüllung der Verbindlichkeit sofort gefordert werden könne, wie es unser §. 545 zur Bedingung des Anfangs der Verjährung macht. Bornemann 2 S. n 9. Die Gründe sind jedoch nicht anzuerkennen. Das G.R- hat die entgegengesetzte Regel; nach L. 7 §. 4 C. de praescr. XXX (VII, 39) soll die Verjährung erst nach erfüllter Bedingung aufangen, ohne Unterschied, wenn uur die Bedingung ächt ist. S. auch v. Savingny, System 5 S. 282. Aus unserem §. 545 ist für diese Meinung kein Grund zu entnehmen; denn der Tag, wo die Erfüllung der Verbindlichkeit gefordert werden kann, ist bei einer bedingten Verbindlichkeit noch nicht gekommen, wenn auch die Bedingung willkürlich ist; vielmehr ist in diesem Falle der Berechtigte nur in der Lage, das Rechtsverhältniß selbst dergestalt erst zu vervollständigen, daß er daraus Erfüllung fordern kann. Das A. L.R. enthält keinen Grundsatz, welcher eine andere Regel als die der L. 7 §. 4 1. c. zur Folge haben müßte. — (6. A.) In Beziehung auf die Verjährung durch Nichtgebrauch wird eine be­ dingte Forderung für sofort einziehbar erachtet, wenn die Erfüllung der Bedingung lediglich von der Willkür des Berechtigten abhängt. O.Tr. II v. 13. Febr. 1873, Entsch. 69 S. 57 f. Gegen Erben ist der Anfang der Verjährung durch Nichtgebrauch von dem Tage des Anfalls der Erbschaft ohne Rücksicht auf die Deliberationsfrist zu rechnen. O.Tr. I v. 7. Sept. 1866. Str. Arch. 64 S. 233. 66) Auch gegen Stadtgemeinden. O.Tr. Entsch. 18 S. 170. Nach Gemeinem Rechte verjäh­ ren Klagen der Städte gleichfalls in 30 Jahren. O.Tr. II (Pr. 186) v. 10. März 1837, Entsch. 2 S. 152. Die Klage über die Störung im Besitze einer Sache, oder eines Rechtes, sollte nach dem Aus­ spruche des O.Tr. v. 25. April 1845, Entsch. n S. 213, keiner anderen als der gewöhnlichen Ver­ jährung unterworfen sein. Dadurch war der Meinungsstreit keineswegs geschlichtet, zumal der Aus­ spruch mit dem „neuerlich" der Pr.-O. Tit. 31 §. 1 in geraden Widerspruch trat. In Folge dessen ist es zu dem Pl.-Beschl. v. 15. (im gedr. Präj.-Buche S.252 heißt es: 29.) März 1847 (Pr. 1851), Entsch. 14 S. 159, gekommen: „Die Klage in possessorio summariissimo ist nur wegen solcher Be­ sitzstörungen und Entsetzungen zulässig, welche innerhalb einer der Bezeichnung „neuerlich" ent­ sprechenden, in jedem einzelnen Falle nach den Umständen zu bestimmenden Zeitfrist, von Anstellung der Klage zurückgerechnet, vorgefallen sind." Nun hängt die Ausschließung dieser Klage durch Ver­ jährung von der subjektiven Meinung jedes Richters ab. Da die Besitzklagen Klagen aus einem Quasidelikte sind, so sollte, nach den Grundsätzen des A. L.R., die dreijährige Verjährung auS §. 54 Tit. 6 auf dieselben Anwendung finden.

67) Der §§. 549 1X. 550 ist aus Bynkershoeck, Observat. IV c. 8, welchem nachher alle Anderen gefolgt sind in der Erklärung der L. 2 D. de diversis temporalibus (XLIV, 3). 68) S. o. die Anm. zu §. 45 Tit. 3.

69) Der Zweck dieses Gesetzes ist der, die Unsicherheit des Rechts zu verhüten, welche durch das Hinschleppen von Schuldverhältnissen herbeigeführt wird. R. v. 9. Mai 1840, I.M.Bl. S. 173. Vergl. O.Tr. v. 21. Nov. 1846, Entsch. 14 S. 211. Gleichwohl ist die Wirkung dieser kurzen Ver­ jährung keine andere, als die der 30jährigen nach §§. 568 und 569 d. T.. Man hat zwar beabsich-

Erster Theil. Neunter Titel.

550

§. 550 (Zusätze).

brauch in Unserem A. L.R. Th. I Tit. 9 §§. 546 u. 629 vorgeschriebenen Fristen eine Unficherheit

des Rechts entsteht, und zur Beseitigung einiger, die Verjährung im Allgemeinen betreffenden Zweifel,

für alle Provinzen Unserer Monarchie, in welchen das A. L.R. Kraft hat, auf den Antrag Unsers Staatsministeriums und nach erfordertem Gutachten Unsers Staatsraths, wie folgt:

§. 1.

Mit dem Ablaufe von zwei Jahren verjähren die Forderungen"):

i. der Fabrikunternehmer, Kaufleute, Krämer, Künstler und Handwerker") für Waaren") und

Arbeiten"), ingleichen der Apotheker für gelieferte Arzneimittel.

tigt, eine Bestimmung aufzunehmen, der zufolge mit Aufhebung dieser §§. der Verlust des Recht- als Folge der vollendeten Verjährung durch Nichtgebrauch ausgesprochen werden sollte; es ist indeß hier­ von im Laufe der Berathungen Abstand genommen, R. v. 23. Febr. 1841, J.M.Bl. S. 109, doch bloß deswegen, weil diese §§. zugleich die Wirkung der Verjährung angeben, worüber nicht ohne eine erschöpfende Erwägung aller Beziehungen dieses Rechtsinstitutes entschieden werden kann; über die gänzliche Verwerflichkeit jener Bestimmungen zeigte sich keine Meinungsverschiedenheit, v. Savigny, System 5 S. 351. — Die Anwendbarkeit der §§. 568, 569 auf die durch dieses Gesetz eingeführten kurzen Verjährungen ist auch von der Gerichtspraxis ausdrücklich anerkannt. O.Tr. I v. 21. Nov. 1862, Str. Arch. 47 S. 188. Diese Verjährungen fangen auch gegen Minderjährige an. Pr. 1802 o. in der Anm. 48 zu §. 535. Bei Anwendung derselben macht es auch keinen Unterschied, ob die Forderung gegen den eigentlichen Kontrahenten, oder einen anderen an dessen Stelle tretenden Verpflichteten geltend gemacht wird. O.Tr. v v. 30. Okt. 1855, Str. Arch. 19 S. 60. Namentlich findet die kurze Verjährung der Forderungen der Gast- und Speisewirthe für Wohnung und Beköstignng (§. 1 Nr. 7) eines in väterlicher Gewalt stehenden Sohnes statt, wenn der Vater deshalb auf Grund der §§. 126 ff. II. 2 in Anspruch genommen wird. O-Tr. IV v. 15. Dez. 1860, Str. Arch. 39 S. 303. Wegen der Restitution gegen den Ablauf dieser kurzen Verjährungen f. o. Anm. 46 zu §. 531 d. T. (7. A.) O.Tr. IV v. 25. Sept. 1873, Str. Arch. 92 S. 41. Die allgemeinen Vorschriften des A. L.R. über die Verjährung sind nicht durchweg auf die kürzeren Fristen des Ges. v. 31. März 1838 anwendbar. Dem wahren Bedürfnisse und dem wohl verstandenen Interesse der Gläubiger sind die kurzen Verjährungen der Schuldverhältnisse aus dem täglichen Verkehre durchaus angemessen, weshalb um so weniger'die sonstigen Hindernisse sich mit denselben vertragen. M. vergl. Code civil Art. 2271 ff. S. auch o. Anm. 44 zu §. 33 der Einl. 70) Auf den Ausdruck, daß die Forderungen verjährt sein sollen, legt das O.Tr. in dem Erk. IV v. 15. Dez. 1860, Str. Arch. 39 S. 304, ein ganz besonderes Gewicht, indem eS daraus entnimmt, daß die Forderung selbst als erloschen betrachtet werden solle, woraus gefolgert wird, daß der Anspruch auch nicht gegen einen Dritten, der z. B. die Beköstigung von dem Speffewirthe nicht selbst erhalten habe (Nr. 7), namentlich gegen den Vater des verpflegten Sohnes, nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden kann. Diese Wortauslegung hätte nur dann juristischen Werth, wenn im preußischem Rechte ein Unterschied zwischen der Klagverjährung und der Verjähruug des Forde­ rungsrechts selbst gemacht würde. Dies ist nicht der Fall. Die Verjährung durch Nichtgebrauch hat immer das Recht selbst zum Gegenstände (§§. 501, 502, 508) und dieses Gesetz v. 31. März 1838 bestimmt in dieser Beziehung nichts Besonderes oder Neues. Der Anspruch selbst ist auch nach den allgemeinen Grundsätzen des A. L.R. erloschen, weil der Vater nicht ein Dritter sondern der wahre Alleinschuldner ist.

71) Die Ansprüche eines Bauunternehmers aus einem Bau-Entreprise-Kontrakce sind der kurzen Verjährung aus dieser Bestimmung nicht unterworfen. O.Tr. IV v. 26. Juni 1856, Entsch. 34 S. 97. Auch * die Forderungen eines Buchdruckereibesitzers unterliegen der kurzen Verjährung nach §. 1 Nr. 1. — Ein Schriftsteller ist als Gewerbtreibender nicht anzusehen, und zwar auch dann nicht, wenn er ein von ihm verfaßtes Buch im Selbstverläge hat. O.Tr. IV v. 22. Juni 1861, Str. Arch. 41 S. 359.

72) Die Forderung eines Maurerpolierers für geleistete Maurerarbeiten und gelieferte Baumate­ rialien und Fuhren war von den Jnstanzrichtern auf Grund des Einwandes der kurzen Verjährung aus dieser Vorschrift abgewiesen worden. Das O.Tr. vernichtete das Appell.-Erkenntniß und sprach dem Kläger den Theil der Forderung, welcher für die gelieferten Baumaterialien und Fuhren ent­ standen, zu. Denn „diese Anschaffungen fallen weder unter den Begriff der Arbeiten, noch der Waa­ ren; die diessälligen Auslagen des Klägers unterliegen daher der Verjährung aus diesem Gesetze so wenig wie nach dem Erk. v. 26. Juni 1856 (Note 71) sogar Arbeiten anderer Bauarbeiter, wenn der Kläger deren Berichtigung übernommen und demnächst die Erstattung gefordert hätte, ihr unter­ liegen würden." O.Tr. IV v. 21. April 1863, Str. Arch. 51 S. 31. — Dagegen ist die Auffas­ sung des O.Tr. von der Forderung eines Zimmermanns für die Lieferung des fertigen Bauholzes zu seinem Wohnhause und der Ausrichtung desselben an Ort und Stelle eine andere: diese Forderung soll der zweijährigen Verjährung des §. 1 unterworfen sein. Denn „aus dies Sachverhältniß ist mit

Von Erwerbung des Eigenthum-.

551

Ausgenommen hiervon sind solche Forderungen, welche in Bezug auf den Gewerbsbetrieb des Empfängers der Waare oder Arbeit entstanden finb7*).

2. der Fabrikunternehmer, Kaufleute, Krämer, Künstler und Handwerker wegen der an ihre Ar­

beiter gegebenen Vorschüsse; Recht der für Forderungen der Handwerker für Waaren und Arbeiten eine zweijährige Verjährung bestimmende §. 1 in Anwendung gebracht." O.Tr. IV v. 30. Ian. 1866, Str. Arch. 63 S- 65. Es bleibt hierbei unaufgeklärt, warum die Anschaffungen von Baumaterialien (Ziegeln, Kalk, Sand) und Fuhren jenes Maurers weder unter den Begriff der Arbeiten noch der Waaren, die Anschaffungen dieses Zimmermanns an Holz und Fuhren aber allerdings unter diesen Begriff fallen sotten.

73) Nur die objektive Qualität der Forderungen und die Person der Gläubiger, ohne Unterschied zwischen den möglicher Weise verschiedenen kumulativ bestehenden Fundamenten, ' kommt in Betracht. S. unten Anm. 79. O.Tr. Hl v. 20. Sept. 1859, Str. Arch. 34 S. 257. 74) Das ist kein Prinzip, sondern eine Zufälligkeit. Ob hiernach in einem gegebenen Falle die gewöhnliche oder die kurze Verjährung Anwendung finde, hängt von der Bestellung oder vielniehr von der Angabe des Bestellers über den Zweck der Verwendung ab. Fehlt eine Angabe, dann soll vom Richter nach Beschaffenheit des Gewerbes und der Qualität und Quantität der gelieferten Waaren oder Arbeiten geprüft werden: ob der eine oder der andere Fall eintrete. O.Tr. IV v. 28. Januar 1848, Rechtsf. 3 S. 321. Das spätere Erk. IV (Pr. 2078) v. 8. Nov. 1848, Pr.--S. 1 S. 409, sagt in dieser Beziehung: „Die Ausschließung der kurzen Verjährung von zwei Jahren bei solchen Forderungen der Fabrikunternehmer, Kaufleute, Künstler und Handwerker für Waaren und Arbeiten, „welche in Bezug auf den Gewerbebetrieb des Empfängers der Waare oder Arbeit entstanden sind," wird nicht bedingt dadurch: 1) daß die Lieferung der Waare oder Arbeit für ein noch nicht förmlich eröffnetes, sonders noch erst in der Einrichtung begriffenes Gewerbe geschah, oder: 2) die Waare oder Arbeit nicht dazu bestimmt war, vom Empfänger weiter verarbeitet oder verwerthet zu werden, sie ihm vielmehr nur sonst zum Zwecke seines Geschäftes dienert sollte." Es genügt, daß dieselben zum Zwecke des Ge­ schäfts gekauft resp, gedungen worden sind. O.Tr. IV v. 13. Januar 1852, Str. Arch. 4 S. 254. Im Falle der Besteller eine Quantität Waaren ausdrücklich theils zu feinem eigenen Konsumo, theils zu seinem Gewerbe verlangt, wird die kurze Verjährung doch wohl für das' Ganze ausgeschlossen sein müssen. Sonderbar zeigt sich die prinziplose Generalisirung in der Anwendung auf den Viehhandel. Das O.Tr. hat in dem Erk. V v. 5. Sept. 1854, Entsch. 31 S. ioo, Pferdehändler zu den Kauf^ leuten, Pferde zu den Waaren gerechnet und die kurze Verjährung der Waarenschulden nicht bloß auf reine Preisgeschäfte (worunter es Käufe versteht), sondern auch auf Forderungen aus einem Waarentausche (in casu Pserdetansch) angewendet. Gegen die letzgedachte Anwendung läßt sich nichts ein­ wenden ; denn auch die Forderung aus einem Tausche ist eine „Forderung". Aber die Anwendung aus ein Roßtäuschergeschäft ohne alle Unterscheidung ist bedenklich. Die Geschichtserzählung ergießt nicht, wer derjenige gewesen, welcher die zwei Pferde von dem Pferdehändler erlauscht hatte, und doch kommt es darauf wegen der Ausnahme, welche das Gesetz hier in Beziehung auf den Gewerbebetrieb macht, wesentlich an.' Wäre der Ertauscher z. B. ein Bauer (denn auch der' Ackerbau ist ein Gewerbe; doch ist das O.Tr. nach seinen Erk. IV v. 16. Sept. 1852 und 6. Dez. 1853, Str. Arch. 7 S. 248 ; 11 S. 92, anderer Meinung, es nimmt aber an, daß es von der Verpflichtung zur Zahlung von Gewerbe­ steuer nicht abhange, ob Jemand im Sinne des §. 1 Nr. 1 zu den Gewerbetreibenden gehöre) oder gar ein Lohnjuhrmann gewesen, so würde die Anwendung des Gesetzes auf diesen Fall eine irrige sein. Will man das Gesetz aus die Roßtäuschergeschäste anwenden, so muß sich die Anwendung auf bloße Luxuspferde beschränken; denn jedes Arbeitspferd dient einem Gewerbe. Hiernach würde denn wohl die Anwendung des Gesetzes auf Ochsen, Esel und Schafe, sowie auf Kühe in der Regel unzu­ lässig sein. — Daß der Betrieb der Landwirthschaft weder überhaupt, noch im Sinne des §'. 1 dieses Gesetzes für den Betrieb eines Gewerbes zu erachten, hat das O.Tr. wiederholt ausgesprochen. Der Hauptbeweis wird aus den §§. 93 — 95 Tit. 11 Th. II entnommen. O.Tr. IV v. 23. Mai 1861, Str. Arch. 41 S. 262. Diese Auffassung des Begriffs von Gewerbe stimmt weder mit dem gemeinen, noch mit dem technischen Sprachgebrauche der Kameralwissenschaften, noch mit dem Sinne der Gesetze überein. Die all. §§. 93—95 haben es mit einer Definition gar nicht zu thun. — Hingegen sagt dasselbe: Die mit der Landwirthschaft betriebene Brennerei ist ein Gewerbe im Sinne des §. 1 Nr. 1. Die zu demselben gelieferten Arbeiten unterliegen daher nicht der kurzen Verjährung. O.Tr. IV v. 24. Sept. 1863, Str. Arch. 50 S. 286. — Der §. 1 Nr. 1 Abs. 2 giebt übrigens nicht an, in welchen Fällen ein Bezug der Forderungen aus den Gewerbebetrieb des Empfängers angenommen werden soll, er überläßt die Entscheidung dieser thatsächlichen Frage dem Ermessen des Richters, dessen Feststellung darüber einer Anfechtung durch die Nichtigkeitsbeschwerde nicht unterliegt. O.Tr. IV v. 31. März 1868, Str. Arch. 70 S. 280. Diese Vorschriften sind durch das H.G.B., soweit nicht Bestimmungen deffelben entgegen stehen, nicht außer Kraft getreten. Einf.-G. v. 24. Juni 1861 Art. 61.

552

Erster Theil.

Neunter Titel.

§. 550 (Zusätze).

3. der öffentlichen und Privat-Schul- und Erziehung--, sowie der PensionS- und Verpflegungs-

Anstalten aller Art") für Unterhalt, Unterricht und Erziehung"); 4. der öffentlichen und Privatlehrer hinsichtlich der Honorare, mit Ausnahme derjenigen, welche bei

den Universitäten und andern öffentlichen Lehranstalten reglementsmäßig gestundet werden;

5. der Fabrikarbeiter"), Handwerksgesellen, Tagelöhner und anderer gemeiner Handarbeiter") wegen rückständigen Lohnes "); 6. der Fuhrleute und Schiffer hinsichtlich des Fuhrlohns und Frachtgeldes, sowie ihrer Aus­

lagen»«); 7. der Gast- und Speisewirthe für Wohnung und Beköstigung. tz. 2. Mit dem Ablaufe von vier Jahren verjähren die Forderungen: 1. der Kirchen, der Geistlichen und anderer Kirchenbeamten wegen der Gebühren für kirchliche

Handlungen;

2. der Kommissarien öffentlicher Behörden, der Justizkommissarien und gerichtlichen Anwälte, der

Notare, der Medizinalpersonen mit Ausnahme der Apotheker, der Feldmesser und Kondukteure, der Auktionskommissarien, der Mäkler und überhaupt aller derjenigen Personen, welche zur Be­

sorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt oder zugelassen sind, oder sonst aus der Uebernehmung einzelner Arten von Aufträgen ein Gewerbe ntodjen81), sowie der Zeugen und Sach­ verständigen, wegen ihrer Gebühren und Auslagen;

75) Aus die Forderungen der Krankenhäuser, bei welchen die Heilung der Hauptzweck und der körperliche Unterhalt nur etwas Sekundäres ist, kann dieses Gesetz nicht ausgedehnt werden. O.Tr. I v. 11. Juli 1862, Str. Arch. 44 S. 363, und v. 27. März 1863, Entsch. 50 S. 109. Auch auf die Ansprüche der Armenverbände wegen Erstattung der Verpflegungskosten für Ver­ armte, den unterstützungspflichtigen Verwandten gegenüber, findet diese Bestimmung keine Anwendung. O.Tr. 1 v. 29. Januar 1866, Entsch. 56 S. 76.

76) Diese Vorschrift wird aus die Forderungen des Marien-Gymnasiums zu Posen für Unterhalt, Unterricht und Erziehung, nach den Statuten desselben, nicht für anwendbar gehalten. O.Tr. I v. 21. Januar 1861, Entsch. 44 S. 72. 77) Ein Schiffsbaumeister, welcher von einem Maschinenfabrikbesitzer als Werkmeister für den Bau von Schiffen engagirt und nicht selbstständiger Schiffsbaumeister dem Werke gegenüber ist, sondern als solcher in der Fabrik beschäftigt wird und zwar gegen einen bestimmten Wochenlohn, der zeit- und theilweise in einer Akkordsumme'sich darstellt, ist Fabrikmeister, folglich als Fabrikarbeiter im Sinne des §. 1 Nr. 5 anzusehen, dessen Lohnforderung der 2jährigen Verjährung unterliegt. Darin macht es keinen Unterschied, daß derselbe die Arbeiter zu gestellen, und ihnen den von dem Fabrikherrn vorzu­ schießenden Lohn auszuzahlen hatte. O.Tr. IV v. 23. Mai 1865, Str. Arch. 59 S. 197. 78) Es kommt auf die subjektive Stellung der Personen dieser Arbeiterklassen an; nicht auf die Beschaffenheit ihrer Leistung allein, oder auf das Produkt ihrer Werkthätigkeit; die Voraussetzung ist eine Bedingung in dem untergeordneten Verhältnisse, welches die Bezeichnung dieser Arbeiterklassen an­ deutet. O.Tr. IV v. 23. August 1847, RechtSf. 2 S. 180. Handelt es sich um eine Lohnforderung aus einem Kontrakte über Handlungen, in welchem eine Vergütung zwar überhaupt, aber nicht hinlänglich bestimmt, resp, so, daß die Zeü der Feststellung des Versprechens in die Willkür des Verpflichteten gestellt geblieben war, und gehören die Leistenden nicht zu den Tagelöhnern oder gemeinen Handwerkern, z. B. wenn Eheleute in dem Hause ihres Vaters und Schwiegervaters gegen dessen Versprechen, sie zu entschädigen, durch viele Jahre als Knecht und Magd gearbeitet haben; jo findet die kurze Verjährung aus diesem Gesetze auf den Entschädigungsanspruch keine Anwendung. O.Tr. I v. 8. Dezbr. 1862, Str. Arch. 47 S. 202.

79) Eine Lohnforderung wird der kürzeren Verjährung von 2 Jahren uicht schon dadurch entzogen, daß sie auf eine Bereicherung des Beklagten durch die geleisteten Dienste gegründet wird. O.Tr. III (Pr. 1559) v. 4. April 1845, Pr.-S. 1 S. 79. 80) Hierbei wird lediglich aus die Beschaffenheit der Forderung (Lohn für gemiethetes Fuhrwerk) gesehen, nicht auf die Person des Gläubigers, namentlich daraus: ob er Eigenthümer oder nur Miether der Transportmittel sei; ob er den Transport als Gewerbe treibe oder nur in einem einzelnen Falle den Transport von Personen oder beweglichen Gegenständen für Lohn übernommen habe. O.Tr. v. 3. Mai 1845, Gräff, Arch. 1 Heft. 3 S. 83. 81) Namentlich Lieserungsgeschäften, ein Geschäft gemacht Kommissionäre und

auch der nichtkaufmännischen Mäkler wegen ihres Lohnes für Vermittelung von insofern der Vermittler aus der Uebernahme von solchen Aufträgen gegen Entgelt hat. O.Tr. IV v. 14. Febr. 1856, Str. Arch. 20 S. 163. — Auf kaufmännische auf die von einem solchen zu beziehende Provision und gemachte Auslagen findet

Bon Erwerbung des Eigenthums.

s. der Haus-- und WirthschastSoffizianten"), der Handlungsgehilfen")

553

und deS Gesindes an

Gehalt, Lohn und andern Emolumenten"); 4. der Lehrherren hinsichtlich des Lehrgeldes; die hier vorgeschriebene vierjährige Verjährung nicht Anwendung. O.Tr. IV v. 17. Januar 1865, Elftsch. 54 S. 244, wodurch duas conformes reformirt wurden. Die Gründe sind überzeugend; der Kommissionär soll durch die Provision für seine Haftung aus dem Geschäfte prämiirt, nicht bloß für Mühwattung belohnt werden.

82) Der Dienstlohn der Hausoffizianten unterliegt zwar, gleich dem des gemeinen Gesindes (Anm. 84), auch dann, wenn er nicht auf einen bestimmten Betrüb verabredet ist, der vierjährigen Verjährung. Allein eine Frauensperson, welche in dem Rechtsverhältnisse einer Vorsteherin des Haushaltes und der Wirthschaft eines Gutsbesitzers steht, ist nicht nach den Vorschriften über Hausoffizianten, sondern nach denen von Verträgen über Handlungen zu beurtheilen. Der Lohn einer solchen Vorsteherin unterliegt daher nicht der vierjährigen Verjährung. O.Tr. IV v. 3. Febr. 1857, Str. Arch. 23 S. 316. Vergl. unten die Anm. zu §. 187 Tit. 5 Th. II.

83) Unter dem Ausdruck „Handlungsgehülfen" hat das Gesetz das gesummte Handelspersonal, also auch den Faktor, sofern er als Gehülfe in der Handlung angenommen ist, somit auch die Gehülfen im Apotheker-Geschäfte sammt dem Provisor, wenngleich dieser nach §§. 467 II. 8 als Handelsfaktor anzusehen ist, befassen wollen. O.Tr. IV v. 12 Ort. 1865, Str. Arch. 61 S. 95. 84) Diese Ansprüche des Gesindes auf Belohnung der geleisteten Dienste verjähren binnen VierJahren auch dann, wenn der Betrag des zu zahlenden Lohnes nicht vorher verabredet worden ist, viel­ mehr nach Vorschrift des §. 33 der Ges.-O. v. 8. November 1810 festgestellt werden muß. O.Tr. III v. 23. April 1856, Entsch. 33 S. 266, und I v. 14. Nov. 1864, Entsch. 53 S. 64. Bergl. das Pr. 1559 oben in der Anm. 79. Mit welchem Tage in dem zweiten Falle die Verjährung beginne, ist die Frage. Nach §. 5 Nr. 3 dieses Gesetzes fängt dieselbe, wenn ein Zahlungstag nicht besonders festgesetzt ist, mit dem letzten Dezember desjenigen Jahres, in welchem die Forderung entstanden ist, an; und das O.Tr. äußert a. a. O.: es lasse sich nicht bezweifeln, daß auch in einem solchen Falle dem Dienst­ boten ntindestens am Ende eines jeden Dicnstjahres ein verfolgbarer Anspruch auf Vergütung der ge­ leisteten Dienste an die Herrschaft zustehe. Indeß ist dabei nicht erwogen, daß die desfallsige Forde­ rung erst mit dem vollständigen Abläufe des Jahres verdient, mithin, wenn z. B. das Dienstjahr mit dem Kalenderjahr zusammentrifst, erst mit dem Anfänge des 1. Januar fällig ist. Bor dem 1. Januar ist actio nondum nata. Das Gleiche gilt von allen im §. 1 und 2 bezeichneten fortlaufenden For­ derungen, welche vertragsmäßig in gewissen Terminen, z. B. vierteljährlich, d. h. nach Ablauf des Vier­ teljahres, oder auch jährlich, d. h. nach Ablauf des Jahres, bezahlt werden sollen. Die Verjährung müßte hier also erst mit dem letzten Dezember des neuen Jahres als demjenigen letzten Dezember, welcher auf den festgesetzten Zahltag (den 1. Januar) folgt, anfangen. Anders lautet die Bestimmung über die Verjährung der Zinsen und Staatsschulden. Bei diesen Zinsen soll, nach §. XVII der V. v. 17. Jan. 1820, von der Versallzeit an gerechnet werden, also nicht erst vom Zahltage, d. i. der erste Tag nach der Verfallzeit. Man nimmt daher seitens der Staatsschulden-Verwaltung an, daß die Zinsen, welche z. B. mit Ende des 31. März 1857 fällig, aber erst den 1. April 1857 gezahlt werden, nicht erst mit dem 1. April, sondern schon mit dem 31. März 1861 verjähren; denn sie erklärt in dem vorge­ schriebenen Vermerke, auf dem betreffenden Coupon, K.O. v. 18. Septbr. 1822, G.S. S. 213, diesen Coupon schon mit dem 31. März 1861 inkl. für ungültig. Darnach ist die Verjährungsfrist, nach allgemeinen Grundsätzen, um einen Tag zu kurz berechnet, da der 1. April, vor dessen Beginne die Zinsen nicht gefordert werden können, nicht mitgezählt werden kann, weil er so lange er dauert noch kein vollendeter Tag ist. In unserem Fragefalle aber, also in dem Falle, wo der Zahltag des Lohnes nicht durch Verabredung festgesetzt worden ist, muß nach dem Wortlaute des §. 5 Nr. 3 angenommen werden, daß die Verjährung mit dem letzten Dezember des mit diesem Tage ablaufenden Dienstjahres ansange; denn es ist gewiß, daß in diesem Jahre die Forderung entstanden ist. Die Anwendung des §. 2 Nr. 3 wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Emolumente eines Wirthschaftsbeamten erst durch eine von dem Prinzipal zu legende Rechnung dem Betrage nach fest­ gestellt werden können. O.Tr. IV v. 17. Juni 1851, Str. Arch. 2 S. 181. In einem solchen Falle kann die Dienstklage mit dem Anträge aus Zahlung sofort gebraucht werden, ohne daß zuvor auf Rech­ nungslegung geklagt werden müßte. Nur muß der Antrag dahin gehen, daß der Beklagte zur Zah­ lung der zu bezeichnenden Emolumente nach einer zu legenden Rechnung verurtheilt werde. Die Exe­ kution geht dann zunächst ohne Weiteres auf Rechnungslegung, an welche sich, wenn nöthig, der Rech­ nungsprozeß anschließt. Nach der Meinung des O.Tr. unterliegt auch der Anspruch eines Antheil-SchäferS an den Guts­ herrn auf Gewährung einer unter der Herrschaft der Gesetze v. 3. Februar 1800 §. 2 ff., Rabe 6 S. 14, v. 1. Juni 1820 §. 3, G.S. S. 109, und v. 13. Mai 1822, G.S. S. 147, ihm zugesicherten Quote der Heerde und der Nutzungen davon, der kurzen vierjährigen Verjährung. O.Tr. I v. 4. April 1864, Entsch. 51 S. 84. Die beiden Jnstanzgerichte hatten übereinstimmend das Gegentheil erkannt,

554

Erster Theil.

Neunter Titel,

tztz. 550 (Zusätze).

5. wegen der Rückstände an vorbedungenen««) Zinsen««), an Mieths- und Pachtgeldern«7), Pen­ sionen, Besoldungen««), Alimenten««), Renten und allen andern zu bestimmten Zeiten wieder­

weit das Rechtsverhältniß nicht eine Dienstmiethe, sondern eine Erwerbsgesellschaft sei. DaS O.Tr. tritt dem bei, indem es sagt: ein solches Rechtsverhältniß charakterisirt sich, wie in dem im 24sten Bde. der Entsch. S. 220 abgedruckten Präjudikate v. 1. Juli 1852 bereits ausgeführt ist, allerdings als eine Gemeinschaft oder Gesellschaft unter den Kontrahenten." (S. 89.) Aber es kassirt das Border­ urtheil doch, weil „dadurch die rechtliche Natur des dem Schäfer — zustehenden Anspruchs als eines wesentlich auf dem Dienstverhältnisse des Schäfers beruhenden — in keiner Weise geändert wird". Dieser Satz enthält einen Widerspruch. Wenn das fr. Verhältniß ein Gesettschaftsve'rhältniß ist, so ist es kein Dienstverhältniß und in der That ist es ebensowenig eine Dienstmiethe, wie z. B. jenes zwischen dem Ausrüster eines Wallfischfahrers und der Schiffsmannschaft, die sich aus einen Gewinn­ antheil verheuert hat. Daß der Gewinnantheil „an Lohnes Statt" tritt, heißt nicht, der Antheil ist Lohn und das Verhältniß Miethe, sondern es heißt: der Diensteleistende hat keinen Lohn (merces) zu fordern, wenn die Heerde durch Schafsterben zu Grunde geht; dann hat der Schäfer umsonst gearbeitet. Daß ist kein Lohnvertrag. 85) Wenn Verzug Hinzutritt, so unterliegen nur die durch den Verzug begründeten Mehrzin­ sen nicht der kurzen Verjährung, wohl aber die Zinsen bis zu dem Belaufe der bedungenen Zinsen. Pr. des O.Tr. 1731 (Pl.-Beschl.) v. 9. April 1846, Entsch. 12 S. 17. Die mit einem verzinslichen Kapitale zugleich zuerkannten und seit dem Tage der Rechtskraft des Urtels laufenden Konventionalzinsen unterliegen gleichfalls dieser kurzen Verjährung. O.Tr. IV (Pr. 2199) v. 1. März 1850, Entsch. 20 S. 120. Der §. 10 a. E. setzt zuerkannte Rückstände voraus, wegen welcher eine neue Verjährung von dem Tage des rechtskräftigen Urtels an beginnt. — Ueber die Bedenken gegen den Pl.-Beschl.

s. unten Anm. zu §. 827 I. 11. 86) Vergl. oben Anm. 13 zu §. 510 d. T. Auch die Zinsen von Staatsschulden. Durch diese allgemeine Bestimmung verlieren die älteren V., wodurch die 4jähriqe Verjährung der Zinsen von Staatsschulden schon seit langer Zeit eingeführt ist, ihre besondere Bedeutung.

87) Wenn auch dieselben ihrem Betrage nach durch Vereinbarung nicht in sich abstrakt fixirt, sondern nur relativ, z. B. nach der jährlich zu ermittelnden Morgenzahl der benutzten Fläche, bestimmt find. O.Tr. III v. 11. Sept. 1863, Str. Arch. 50 S. 231. Das O.Tr. sagt: Die in der Anm. 89 angeführten Präj. widersprechen dem nicht. Aber es ist doch nicht zu leugnen, daß hier ebenfalls erst eine Feststellung des Quantums erforderlich ist, wenn eine solche das Kriterium von „Rückständen" sein soll. 88) Unter der „Besoldung" wird lediglich eine „Gehaltssumme" verstanden. Daher unterliegen die Entschädigungsforderungen eines städtischen Beamten für die Entziehung der Dienstwohnung und des Dienstlandes nicht der vierjährigen Verjährung. O.Tr. IV v. 5. Sept. 1854, Str. Arch. 14 S. 222. Auf Rückstände an Pensionen u. s. w., welche aus der Zeit vor dem Eintritte der Gesetzeskraft des Gesetzes v. 24. Mai 1861 herrühren, findet die kurze Verjährung von vier Jahren und namentlich auch dann Anwendung, wenn der Anspruch bei der kompetenten Verwaltungsbehörde angemeldet war. So hat das O.Tr. in dem Erk. I v. 2. Dez. 1864, Entsch. 54 S. 271, gegen die gleichlautenden Urtheile der beiden Instanz-Gerichte gesprochen, weil die §§. 528, 529 d. T. über den Grundsatz: agere non valenti non currit praescriptio, auf die Verjährung dieser Forderungen nicht anwendbar seien, da nicht das rechtliche Gehör völlig versagt, sondern nur die Verwaltungsbehörde zum Richter bestellt und ein anderes Verfahren verordnet gewesen, dennoch aber auch aus solche Ansprüche die Anwendung der Ver­ jährung in den §§. 9, io dieses Ges. vorgeschrieben sei. Gleichwohl leidet dieser Obertribunals-Spruch an einem Widerspruch. Die kurze Verjährung des §. 2 Nr. 5 bezieht sich auf Rückstände. Die Ver­ waltungsbehörde hatte aber dem klagenden Beamten, in dem damaligen Verfahren die Berechtigung zu seiner Gehaltforderung abgesprochen und so war die Sache, ohne die letzte Entscheidung des Königs oder Staatsministerii nachzusuchen, bis zur Erscheinung des G. v. 24. Mai 1861 hängen geblieben. Nun betrat der Beamte den Rechtsweg und in allen Instanzen wird ihm die von der Verwaltung ab­ geleugnete Gehaltsberechtigung zugespröchen, die über vier Jahre alten Raten aber spricht ihm das Ö.Tr. ab. Dasselbe verlangt damit, daß der Beamte alle Jahre seine Forderung bei demselben, der ihm den Rechtsgrund dazu abgesprochen hatte, immer wieder hätte anmelden sollen, ohne daß er daran denken konnte, eö würde jemals eine Zeit kommen, wo ihm der Rechtsweg eröffnet sei. Ein solches Thun ist ohne Rechtssinn. Von einer Verjährung der Rückstände kann hier, wie das Appellationsgericht ganz richtig sagt, nicht Rede sein, denn die Sache hat die Stadien des Rekurses im Verwaltungswege nicht durchlaufen, ist vielmehr in der Schwebe geblieben und nicht endgültig erledigt, weshalb und weil Prä­ klusivfristen für dieses Verfahren nicht vorgeschrieben sind, Kamptz, Jahrb. 36 T.294, dergleichen Sachen nach §. 7 des G. v. 24. Mai 1861 noch zur richterlichen Entscheidung gebracht werden können. Während der Anhängigkeit läuft diese Verjährung nicht. 89) Die hier vorgeschriebene kurze Verjährung soll nach dem Erk. des O.Tr. I (Pr. 2039) v.

555

Bon Erwerbung des Eigenthums.

kehrenden Abgaben und Leistungen90 * * ), *91 * *es 92 * *93 mag * * * * das * * * Recht * * * * * dazu * * * * *im Hypothekenbuche eingetragen

sein, oder nicht; 6. wegen Rückstände von Abgaben, die in Folge einer vom Staate besonders verliehenen Berech­ tigung an Privatpersonen zu entrichten sind, als Wege-- und Brückengelder u. s. w.;

7. auf Erstattung ausgelegter Prozeßkosten von dem dazu verpflichteten Gegner; 8. auf Nachzahlung der von den Gerichten, Generalkommissarien, Revisionskollegien und Verwal­ tungsbehörden gar nicht oder zu wenig eingeforderten, oder auf Erstattung9 >) der an dieselben zu viel gezahlten Kosten99), mit Einschluß der Stempel- und Portogefälle;

ausgenommen

bleiben jedoch die Werthstempel, welche mehr als Ein Prozent betragen, oder zu Verträgen und Schuldverschreibungen zu verwenden sind. §.3. §. 4.

Fällt weg9-). Bestehen bei den in §§. 1 und 2 angeführten Forderungen unter besonderen Verhält­

nissen nach den bisherigen Gesetzen noch kürzere Verjährungsfristen (z. B. §. 141 des Anh. zum A. L.R.), so behält eS dabei sein Bewenden.

10. August 1848, Pr.-S. 1 S. 410, voraussetzen, daß die Alimente, um deren Einklagung es sich han­ delt, bereits bei der Einklagung in quali et quanto feststehen; sie soll daher auf Alimente keine An­ wendung finben, die erst mit der Schwängerungsklage nach Ablauf von mehr als vier Jahren seit der Geburt des Kindes eiugeklagt werden. Der Satz ist willkürlich. Was daran Wahres ist, liegt aus einer anderen Seile. Hat nämlich ein Dritter die Verpflegung des Kindes besorgt, so verjährt dessen Forderung in der kurzen Zeit deshalb nicht, weil er nicht Alimente, sondern Auslagen aus der nego­ tiorum gestio zu fordern hat. Dieser Grundsatz ist es, auf welchem das ältere Erk. I (Pr. 1691) v. 29. Januar 1846, Pr.-S. 1 S. 4i0, beruht: „Einer Mutter, welche ihre außer der Ehe erzeugten Kinder selbst verpflegt hat, darf der Schwängerer den Einwand der kurzen VerjährungSsrist nicht ent­ gegensetzen." Entsch. 14 S. 227. Auch der Grundsatz selbst, daß Forderungen aus der Geschäftsbe­ sorgung (durch Bezahlung einer der kurzen Verjährung unterworfenen Schuld) nicht in dieser, sondern nur in der gewöhnlichen Frist verjähren, ist noch besonders anerkannt durch das Pr. des O.Tr. v. 5. Februar 1846, Ulrich, Arch. 12 S. 326. Das ist auch nicht zweifelhaft. Das O.Tr. hat jedochseine Theorie in einem Erk. I v. 26. Okt. 1860, Entsch. 44 S. 66, festgehalten. Der Fall hatte das Besondere, daß der uneheliche Vater vor Jahren verurtheilt worden war, an die Mutter des Kiudes, die jetzt wieder klagte, Alimente auf das Kind zu zahlen. Darauf wird aber die neue Entscheidung nicht gegründet; der Entscheidungsgrund ist jener Theorie entnommen. Die Motive gehen dahin, daß von Alimenten eines unehelichen'Kindes, die erst mit dem Anträge eingeklagt werden, „den natürlichen Vater zu deren Zahlung zu verurtheilen", die also vor rechtskräftiger Entscheidung des Schwängerungs­ Prozesses noch nicht feststehen, sich nicht sagen lasse, daß sie „Rückstände von Alimenten" seien. Diese Motive leuchten nicht ein. Warum sollen dergleichen Alimente nicht ohne einen Prozeß rückständige werden können? Ob darüber ein Prozeß geführt worden, ist ein sehr zufälliger Umstand. Der Schuld­ ner kann lange Zeit freiwillig bezahlt haben, ehe man in Streit gerathen ist. Ebensogut könnte man sagen, es gäbe keine Rückstände von Konventionalzinsen, so lange nicht darüber prozessirt worden ist.

90) Auf Kausgelderraten, welche in bestimmten Terminen zahlbar sind, findet diese Verjährung nicht Anwendung. O.Tr. III v. 19. Dez. 1851, Str. Arch. 4 S. 201. Die Geldentschädigung für eine nicht gewährte Holzungsgerechtigkeit unterliegt auch dann nicht der kurzen Verjährung von vier Jahren, wenn dieselbe auf den Grund jährlicher Durchschnittsbeträge nach jährlichen Terminen gefordert wird. O.Tr. II v. 7. Novbr. 1850, Str. Arch. 1 S. 102. (7. A.) Die kurze Verjährung ist nicht anwendbar, wenn ein Auszügler an Stelle der rückstän­ dig gebliebenen Naturalprästationen die zu ihrer anderweitigen Beschaffung vorauslagten Beträge ein­ klagt. O.Tr. II v. 10. Septbr. 1874, Entsch. 73 S. 211. 91) In Beziehung auf die Zulässigkeit der vierjährigen Verjährung macht es keinen Unterschied: ob das Zuvielgezahlte an Kosten in der Ueberschreitung der Sportelsätze in quanto, oder in der über­ haupt unzulässigen Ansetzung der monirten Kosten an sich, seinen Grund hat. O.Tr. II (Pr. 2113) v. 27. März 1849 u. (Pr. 2237) v. 10. Oktbr. 1850, Pr.-S. 2 S. 140, 141.

92) Diese Vorschrift ist nicht anwendbar aus Sporteln, welche nicht als Gerichtsgebühren, sondern als dem Gutsherrn zu berechnende Dominialgesälle eingezogen worden. O.Tr. II (Pr. 1643) v. 24. Nov. 1845, Pr.-S. 1 S. 410. Der Anspruch aus Rückzahlung von Besitzveränderungsabgaben, welche eine Gutsherrschast, ohne dazu berechtigt zu sein, erhoben hat, unterliegt nicht der durch das Gesetz eingeführten vierjährigen Ver­ jährung. O.Tr. v. 12. März 1846, Entsch. 13 S. 146.

93) Die vorbehaltene Verordnung folgt weiterhin im Zus. 10, weshalb der im §. 3 enthalten ge­ wesene Vorbehalt wegfällt.

556

Erster Theil.

Neunter Titel.

§. 550 (Zusätze).

Die Verjährung fängt an in Betreff

§. 5.

r. der Gebühren und Auslagen der im §.2, Nr. 2 genannten Personen, insofern ihre Forde­ rungen einer Festsetzung durch die vorgesetzte Behörde bedürfen, mit dem letzten Dezember des­

jenigen Jahres, in welchem sie in Stande gewesen sind, die Liquidation zur Festsetzung einzu­ reichen ;

2. der in Prozessen und Untersuchungen vorkommenden Gerichtskosten, Stempel- und Portogefälle mit dem letzten Dezember desjenigen Jahres, in welchem der Prozeß oder die Untersuchung

durch rechtskräftiges Erkenntniß, Entsagung oder Vergleich beendet worden ist94).

Unter Pro­

zeß ist jede Art des gerichtlichen Verfahrens zu verstehen, welche Gegenstand des ersten Theils

der A. G.O. ist; 3. alle übrigen in den §§. 1 und 2 aufgeführten Forderungen mit dem auf den festgesetzten Zah­

lungstag folgenden letzten Dezember, und, wenn ein Zahlungstag nicht besonders festgesetzt ist, mit dem letzten Dezember desjenigen Jahres, in welchem die Forderung entstanden ist95).96 97 98

§. 6.

Der Lauf der in den §§. i und 2 bestimmten Verjährungen wird dadurch nicht unter­

brochen, daß das Verhältniß, aus welchem die Forderungen entstanden sind, fortgedauert hat.

§. 7.

Enthält eine bereits vorübergegangene Bestimmung.

§. 8.

Bei Abgaben, Leistungen und Zahlungen,

die von einer Behörde eingezogen werden,

welche befugt ist, solche ohne vorgängige gerichtliche Entscheidung exekutivisch beizutreiben, tritt die Unterbrechung jeder Art der Verjährung durch die Zustellung des Zahlungsbefehls ein.

§. 9.

Bei denjenigen Forderungen, bei welchen ein prozessualisches Verfahren vor Gericht nicht

zulässig ist, wird jede Verjährung durch schriftliche Anmeldung des Anspruchs bei der kompetenten Verwaltungsbehörde unterbrochen9«). §. io. Beginnt nach erfolgter Unterbrechung eine neue Verjährung"), so genügt zu deren Vollendung eine der ursprünglichen gleichkommende Frist. Eine Ausnahme hiervon findet jedoch

statt99), wenn wegen des Anspruches eine rechtskräftige Verurtheilung99) erfolgt ist; in diesem

94) S. die folg. Anm. 95 a. E. 95) Die Bestimmung des §. 5, nach welcher die Verjährung mit dem letzten Dezember des resp. Nr. 1, 2 und 3 bezeichneten Jahres anfängt, ist dahin auszulegen, daß die Beendigung der Verjäh­ rung erst mit dem Ablaufe des letzten Dezembers des zweiten, resp, vierten Verjährungsjahres eintritt, mithin während des Laufes dieses Tages noch eine Unterbrechung durch Klage stattfinden kann. O.Tr. III (Pr. 1768) v. 7. August 1846, Entfch. 14 S. 213. — „Diese Vorschrift Nr. 3 ist für die, nach §. 10 nach erfolgter Unterbrechung neu beginnende Verjährung nicht maßgebend, der Anfang dieser neuen Verjährung ist vielmehr nach den Vorschriften der §§. 554 ff. d. T. zu bestimmen." O.Tr. II (Pr. 2503) v. 21. Marz 1854, Entfch. 28 S. 261. (7. A.) O.Tr. IV v. 12 Novbr. 1874, Entsch. 74 S. 11. Eine andere Ansicht ist, daß für die Fälle der §§. 1 u. 2 der letzte Dezember auch bei der unterbro­ chenen und neu wiederbeginnenden Verjährung als Normaltag gelte, so daß sie erst nach Ablauf des letzten Tages des Jahres, in welchem die Unterbrechung stattfand, wieder neu anfangen könne, und zwar aus Grund der auch hier anzuwendenden Bestimmung des §. 5. Das O.Tr. hat jedoch das Pr. v. 21. März 1854 (Nr. 2503) durch Pl.-Beschl. v. 3. März 1862 bestätigt, J.M.Bl. S. 126 und Entsch. 47 S. 1. Auch die Vorschrift Nr. 2 ist aus den Fall einer unterbrochenen und von Neuem angefangenen Verjährung nicht zu beziehen, wie das O.Tr. V in dem Erk. v. 30. Oktbr. 1855, Str. Arch. 19 S. 60, ausspricht. Der IV S. hat die entgegengesetzte Meinung, nach der Note im Arch. a. a. O. M. s. auch oben die Anm. 38 zu §. 524 d. T. 96) Bei der Einforderung der außergerichtlichen Prozeßkosten (§. 2 Nr. 7) unterbricht die Ein­ reichung des Liquidationslibells die Verjährung. §.551 d. T. 97) Ueber den Anfang dieser neuen Verjährung s. d. Pr. 2503 oben in der Anm. 95. 98) Diese greift nicht nur dann Platz, wenn die Verurtheilung erst nach, sondern auch daun, wenn sie schon vor dem 31. Dezbr. 1838 (der Balescenz dieses Gesetzes) ergangen ist. O.Tr. III (Pr. 1905) v. 20. August 1847, Entsch. 15 S. 489. 99) Oder ein im Mandatsprozesse erlassenes und exekutorisch gewordenes Zahlungsmandat. O.Tr. III v. 20. Okt. 1854, Str. Arch. 15 S. 169. Einer rechtskräftigen Verurtheilung steht in dieser Hinsicht auch die Feststellung im Konkurse gleich, wenn auch der Konkurs nicht durch Akkord beendigt worden ist, sagt das O.Tr. in dem Erk. IV v. 17. Sept. 1864, Entsch. 52 S. 475. Dies gilt auch für Wechselsorderungen. O.Tr. IV v. 1. Dez. 1864, Str. Arch. 55 S. 328. — Bergl. unten Anm. 1 Abs. 3. — Dem ist nicht beizustimmen.

Von Erwerbung des EigenthumS.

557

Falle'oo) tritt, anstatt der ursprünglichen kürzeren, die ordentliche') Verjährungsfrist ein. Denn es widerspricht absolut dem obersten Rechtsgrundsatz über die Gerechtigkeitspflege, daß Niemand ungehört verurtheilt werden darf. Der Gemeinschuldner wird im Konkursverfahren, welches bloß zwischen den teilnehmenden Gläubigern verhandelt wird, als Partei nicht zugelassen und nicht gehört, was also zlvischen den Gläubigern hinsichtlich ihrer Forderungen gethätigt und geurtheilt wird, kann gegenüber der Person des Gemeinschuldners niemals die Wirkung eiuer rechtskräftigen Entscheid düng haben oder erlangen. Das O.Tr. hat sich zwar in einigen Entscheidungen im entgegengesetzten Sinne ausgesprochen, namentlich in den Erk. IV v. 22. Okt. 1863, Str. Arch. 50 S. 344, v. 27. Sept, und 20. Okt. 1864, ebd. 54 S. 288 u. 336, v. 7. Juli 1864, Entsch. 52 S. 454, und v. 1. Dez. 1864, Str. Arch. 55 S. 326. Allein diese Entscheidungen gründen sich auf durch gerichtlichen Akkord beendigte Konkurse, in welchen der Gemeinschuldner als Partei in seinem eigenen persönlichen Interesse mitwirkt und kontrahirt. Dagegen fällt das O.Tr. in seinem Erkenntnisse v. 17. Sept 1864 ab von seinen, sich aus die alte Konkürsordnung stützenden Grundsätzen, wonach die Liquidation einer Forde­ rung im Konkurse nicht die Wirkung einer Klageanmeldung, und die Klassifikation nicht die einer rechts­ kräftigen Entscheidung in Beziehuug auf die Unterbrechung und den Wiederansang der Verjährung durch Nichtgebrauch gegen den früheren Gemeinschuldner haben, O.Tr. v. 15. März 1847, Entsch. 14 S. 218, und das gegen den Konkurskurator (Kontradiktor) ergangene Judikat nach ausgehobenem Kon­ kurse gegen den vormaligen Kridar nicht die Iudikatsklage begründet, O.Tr. IV v. 29. April 1856, Str. Arch. 21 S. 156; und doch enthält die neue Konkursordnung in dieser Richtung nichts, wodurch der Abfall gerechtfertigt werden könnte. Was dafür beigebracht wird, ist dieses: „In den §§. 131 u. 215 der Äonk.-Ordn. ist der Verwalter zwar als „Vertreter der Gläubigerschast und der Masse" be­ zeichnet. Weil aber die „Masse" nach §. 1 ib. aus dem gesammten, der Exekution unterworfenen Vermögen besteht, — so ist der Verwalter der Masse „zugleich der vermögensrechtliche Ver­ treter des Gemeinschuldners." Entsch. 52 S. 476. Dies ist ein Fehlschluß. Es wird aber weiter gesagt: „Diese Vertretung gebührt dem Verwalter, namentlich rücksichtlich der Ansprüche, welche gegen die Masse, also gegen das Vermögen des Gemeinschuldners geltend gemacht werden. Um in dieser Beziehung Erklärungen des Verwalters vorzubeugen, welche — nicht entsprechen,-------- so ist in den §§. 169 ff. verordnet, daß den Prüfungsverhandlungen vollständige, den Betrag und Rechtsgrund der Forderungen, sowie deren Beweismittel darlegende Anmeldungen zum Grunde gelegt, auch, außer dem Verwalter und den Gläubigern, der Gemeinschuldner selbst dabei zugezogen und mit seinen Er­ klärungen darüber gehört werden soll"- (a. a. O.). Die Gesetzesworte lauten: „In dem Prüflings-, termin muß der — Verwalter gegenwärtig sein: der Gemeinschuldner wird ebenfalls zugezogen, wenn er zu erlangen ist." — „Der Kommissar verhandelt mündlich, — giebt dem Gemeinschuldner Gelegenheit, sich zu erklären."--------- „Jeder — annehmende Gläubiger ist befugt, die — einzelnen Forderungen zu bestreiten." (§§. 171, 172.) Von dem Gemeinschuldner ist weiter nicht Rede. Die erste Frage hierauf ist: war denn dieses Alles nach der alten Konkursordnung anders? Nein, es war Alles ebenso, wie im §. 114 I. 50 der A. G.O. zu lesen ist. Der Gemeinschuldner soll vorgeladen werden, um dem Kurator Auskunft zu geben. Sonst kommt auf ihn nichts an, er kann auch fehlen, er kann krank, er kann abwesend sein, es ist alles einerlei, es braucht auf seinen Widerspruch keine Rücksicht genommen zu werden und endlich wird ihm auch keinerlei Präjudiz angedroht. Und dann, wenn eine Vertretung des Gemeinschuldners durch den Kurator oder Verwalter anzu­ nehmen wäre, so darf doch nicht vergessen sein, daß es sich lediglich nur in Bezug auf die Konkurs­ masse, aus das vorliegende, dem Gemeinschuldner entzogene Vermögen handelt, nicht um sein erst nach Beendigung des Konkurses zu erwerbendes Vermögen, und doch ist es gerade dieses, aus welches die Rechtskraft der im Konkurse, ohne Vertretung des Gemeinschuldners, getroffenen Entscheidungen abzielt. Auf dieses Vermögen bezieht sich aber keine derjenigen Bestimmungen, welche von dem O.Tr. für seine neue Meinung vorgeführt werden. Die darauf gerichtete Vorschrift findet sich erst im §. 280, wo es heißt: „Das Vermögen, welches der Gemeinschuldner erwirbt, uachdem die Beendigung des Konkurses ausgesprochen ist (§. 277), fällt seiner Verwaltung und Verfügung anheim. ' Die nicht voll­ ständig befriedigten Konkursgläubiger und die neuen Gläubiger find befugt, sich an dasselbe im gewöhnlichen Verfahren zu halten." Warum werden die ausgefallenen Gläubiger und die neuen Gläubiger ohne Unterschied zusammen geworfen und auf das gewöhnliche Verfahren verwiesen? Warum werden die exekutorischen Titel be­ ziehungsweise die rechtskräftigen Judikate der alten Konkursgläubiger gänzlich ignorirt? Antw.: weil sie keine haben. Die Frage ist behandelt von: Hans Rüdorfs (Gerichtsassessor in Berlin) in der Abh. über die Wirkung der Feststellungen und der Spezialjudikate im Konkurse für den Gemeinschuldner; in Hin­ schi u s Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 1 (Berlin 1867), S. 665 ff. Eine gute Arbeit, welche zu dem hier vertretenen Resultat gelangt. Dagegen: Heidenfeld (Rechtsanwalt zu Nimptsch), Abh. zur Frage über die Wirksamkeit der Feststellungen und Spezialjudikate im Kon­ kurse gegenüber dem Gemeinschuldner, ebd. 2 (Berlin 1868), S. 184 ff. — Nachträglich zur Abhand­ lung von Rüdorff ist a. a. O. S. 709 ff. noch erschienen: Zur Lehre vom Kontradiktor, inSbeson-

Erster Theil.

558 9.

Neunter Titel.

§. 550 (Zusätze).

B. v. 15. April 1842 über die Aufhebung der dem G. v. 31. März 1838,

wegen Einführung kürzerer Verjährungsfristen,

sowie den §§. 54 und 55,

Tit. 6, und der Dekl. v. 3i.März 1838 entgegeustehenden provinziellen und

statutarischen Bestimmungen.

(G.S. S. 114.)

Wir rc. verordnen in Erwägung, daß diejenigen Rücksichten, aus welchen das Ges. wegen Einführung kürzerer

Verjährungsfristen vom 31. März 1838 und die Dekl. des §. 54, Tit. 6, Th. I des A. L.R.

dere von der Wirkung der von ihm abgegebenen Anerkenntnisse und der gegen ihn ergangenen Spe­ zialjudikate für den Gemeinschuldner. Die Gründe Heidenfeld'S erscheinen ihm nicht überzeugend. Darin ist er mit Vielen in Uebereinstimmung. (6. A.) Die Frage hat auch das R.O.H.'G. (Entsch. B. 4 Nr. 46, B. 6 Nr. 72, Stegemann B. 3 S. 284) beschäftigt und ist von ihm dahin entschieden worden, daß der Feststellung eines Liquidatö im Konkurse die Exekutionsfähigkeit gegen den Gemeinschuldner nach aufgehobenem Konkurse, mit­ hin auch die Wirkung, die Verjährung gegen ihn zu unterbrechen, versagt worden ist. Der Fall des Akkords liegt in der That ganz anders und kann nicht ausdehnend auf den Fall bezogen werden, wo der Konkurs durch Austheilung der Masse beendigt wird. Diesen letzteren Fall regelt die K.O. nicht, man kann ihn also nur nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen entscheiden. Diese aber führen dazu, daß die Feststellung der Forderungen im Konkurse durch Anerkenntniß des Verwalters oder durch Urtheil nicht weiter wirken kann, als ihr Zweck reicht, d. h. nur zu dem Zweck, um zu ermitteln, welche Gläu­ biger und mit welchen Beträgen sie aus der Konkursmasse zu befriedigen sind. Sie kann daher dem Gemeinschuldner, der sie nicht abwenden kann und der nur in Bezug aus die Konkursmasse Verfügung und Verwaltung verloren hat, nicht Präjudiziren. 100) Doch aber nicht in Ansehung der vorbedungenen Zinsen, welche vom Tage der Rechtskraft des Urtheils weiter lausen, d. h. erst künftig fällig werden; denn wegen dieser ist noch keine Verjährung unterbrochen worden, weil noch keine angefangen hatte. S. Pr. 2199 o. in der Anm. 85. — Zur Ausschließung der kürzeren Verjährung genügt jedoch die rechtskräftige Verurtheilung wegen des An­ spruches aus Rückstände an Renten und anderen zu bestimmten Zeiten wiederkehrenden Abgaben und Leistungen, wenngleich diese, der Summe nach, in dem Urtel nicht bestimmt sind, deshalb vielmehr noch eine Separatermittelung erforderlich war. O.Tr. II v. 14. April 1853, Entsch. 25 S. 392. — Jedoch muß das Judikat ausdrücklich auf Errichtung von Rückständen sprechen und nicht bloß über das Recht auf die Leistungen und Abgaben im Allgemeinen ergangen sein. O.Tr. II v. 11. März 1858, Eutsch. 38 S. 86. — Das Gleiche gilt von rechtskräftig zuerkannten Alimenten, welche zur Zeit des rechtskräftigen Urtels noch nicht fällig waren, die künftig fällig werdenden Raten verjähren vom Tage der Fälligkeit an in vier Jahren, wenn diese erste und ursprüngliche Verjährung nicht unterbrochen wird. Dergl. O.Tr. I v. 8. Juni 1860, Entsch. 43 S. 82. Ein gerichtlich geschlossener Vergleich über rechtshängige Sachen begründet nicht, wie eine rechts­ kräftige Verurtheilung, die Ausnahme von der Regel, daß zu der, nach' erfolgter Unterbrechung begin­ nenden, neuen Verjährung eine der ursprünglichen'gleichkommende Frist genüge. O.Tr. II (Pr. 2115) v. 13. April 1849, Entsch. 18 S. 170. Vergl. O^Tr. IV v. 15. Jan. 1856, Str. Arch. 19 S. 274. Durch die Ausstellung eines Schuldscheines über eine der kürzeren Verjährung des G. v. 31. März 1838 unterworfene Forderung wird, auch wenn darin Verzinsung versprochen und die Fälligkeit der Forderung anderweit bestimmt wird, die kürzere Verjährung des gedachten Gesetzes, welche von dem neuvereinbarten Fälligkeitstermine ab zu rechnen, nicht ausgeschlossen. O.Tr. IV (Pr. 2295) v. 5. Juni 1851, Entsch. 21 S. 36. — Dieses Präjudiz ist durch den Plenarbeschluß v. 2. Dez. 1867 aufrecht erhalten, J.M.Bl. 1868 S. li und Entsch. 59 S. 1. Zugleich ist der Plenarbeschluß v. 8. Jan. 1838 (o. Anm. 65 zu §. 545) auf die der kurzen Verjährung aus diesem Gesetze unterstehenden For­ derungen, sofern sie auf Kündigung lauten, für anwendbar erklärt, und dadurch daö folgende Pr. v. 4. Jan. 1862 bestätigt worden, lautend: Ist in einem über eine der kurzen Verjährung unterworfene Forderung ausgestellten Schuldscheine eine bestimmte Kündigungsfrist festgesetzt, so beginnt die kurze Verjährung auch ohne Kündigung mit Ablaus der vom Tage der Ausstellung des Schuldscheins oder von dem Tage, von welchem an die Kündigung zulässig sein soll, zu berechnenden Kündigungsfrist. O.Tr. IV v. 4. Jan. 1862, Str. Arch. 43 S. 305. Mit anderen Worten: die Verjährungsfrist wird um die Kündigungsfrist verlängert und vom Tage des Schuldscheins an gerechnet. Zinsenzahlung unterbricht aber immer von Neuem die Verjährung. §§. 565 und 570 d. T.

1) Die ordentliche Verjährungsfrist ist die im §. 546 d. T. als Regel ausgestellte dreißigjäh­ rige Zeit. O.Tr. I v. 8. Sept. 1862, Str. Arch. 45 S. 327. Vgl. unten Anm. 25 zu §. 558 d. T. Die ordentliche Verjährung setzt für die im §. 2 Nr. 5 gedachten Zinsen, Mieths- und Pachtgelder, Pensionen, Besoldungen, Alimente, Renten und alle andern zu bestimmten Zeiten wiederkehrenden Abgaben und Leistungen, voraus, daß die Raten zur Zeit der Verurtheilung fällig und rückstän­ dig waren, wogegen es in Betreff der künftig fällig werdenden Raten'bei der Regel der

Von Erwerbung des Eigenthums.

559

von demselben Tage erlassen worden ist, auch auf diejenigen Landestheile Anwendung finden,

in welchen neben dem A. L.R. provinzielle und statutarische Vorschriften gelten, auf den Antrag Unseres Staatsministeriums, nach Anhörung Unserer getreuen Stände der betheiligten

Provinzen, was folgt: §. 1. Alle dem G. wegen Einführung kürzerer Verjährungsfristen v. 31. März 1838 und den im §. 4 desselben bestätigten allgemeinen2) Gesetzen, sowie den §§. 54 und 55, Tit. 6, Th. I des

A. L.R. und der sich hierauf beziehenden Dekl. v. 31. März 1838 entgegenstehende provinzielle und

statutarische Bestimmungen , sie mögen längere oder kürzere Verjährungsfristen enthalten, hierdurch aufgehoben.

werden

Statt derselben kommen von jetzt an das G. v. -i. März 1838, die §§. 54

u. 55, Tit. 6, Th. I des A. L.R. und die Dekl. v. 31. März 1838 zur Anwendung. §. 2.

10. gaben.

(Enthält eine Uebergangs - Bestimmung, welche nicht mehr zur Anwendung kommt.) G. v. 18. Juni 1840 über die Verjährungsfristen bei öffentlichen Ab­

(G.S. S. 140.)

Wirre, verordnen über die Verjährungsfristen bei öffentlichen*3)2 Abgaben, worüber im Gesetz

v. 31. März 1838 (G.S. S. 250) eine besondere Verordnung Vorbehalten worden ist, auf den An­ trag Unseres Staatsministeriums und nach erfordertem Gutachten Unseres StaatsrachS, für den

ganzen Umfang Unserer Monarchie, wie folgt: §. 1.

Reklamationen gegen direkte Steuern, namentlich gegen Abgaben, welche nach den Etats,

Katastern oder Jahresheberollen als Grundsteuer durch Ortserheber oder unmittelbar durch Unsere

Kassen von den Steuerpflichtigen erhoben werden, ingleichen gegen Klassen- und Gewerbesteuer, so­ wie gegen diejenigen Abgaben, welche in Folge des §. 11 des allgemeinen Abgabengesetzes v. 30. Mai

1820, als auf einem speziellen Erhebungstitel beruhend, zu entrichten sind, müssen ohne Unterschied,

ob sie aus Ermäßigung oder auf gänzliche Befteiung gerichtet sind, binnen drei Monaten vom Tage

der Bekanntmachung der Heberolle,

oder wenn die Steuer im Laufe des Jahres auferlegt worden,

binnen drei Monaten nach erfolgter Benachrichtigung von deren Betrage, oder endlich, im Falle eine

periodische Veranlagung und Anfertigung von Heberollen nicht stattfindet, binnen den ersten brer Monaten jedes Jahres, bei der Behörde angebracht werden. Wird diese Frist versäumt, so erlischt der Anspruch auf Steuerermäßigung oder Befteiung, so­

wie auf Rückerstattung, für daS laufende Kalenderjahr. Ist diese Reklamation vor dem Ablaufe der Frist angebracht, und wird solche begründet gefun­

den,

so erfolgt die Ermäßigung oder gänzliche Befteiung für das laufende Jahr.

Für verflossene

Jahre wird keine Rückzahlung gewährt. Tritt eine solche Veränderung ein, wodurch die bisherige Steuerverpflichtung aufgehoben wird,

so muß davon der Behörde Anzeige gemacht werden.

Bis zu Ende des Monats, in welchem triefe

Anzeige erfolgt, kann die Entrichtung der Steuer gefordert werden. §. 2.

Auf Zurückzahlung zu viel erhobener Eingangs-, Ausgangs- und Durchgangsabgaben,

der in Folge der Zollvereinigungsverträge zu erhebenden Ausgleichungsabgaben,

der Branntwein-,

Braumalz-, Mahl- und Schlachtsteuer, der Weinmost- und Tabackssteuer, der SalzablösungSgelder,

der Blei- und Zettelgelder, der Wege-, Brücken-, Führ-, Waage- und Krahngelder, der Kanal-, Schleusen-, Schifffahrts- und Hafenabgaben und der Niederlagegelder findet ein Anspruch nur statt,

ursprünglich vierjährigen Verjährungsfrist bewendet. O.Tr. I v. 7. Juli 1865, Str. Arch. 59 S. 300. Vergl. oben Anm. 100 Abs. 1. Auch auf eine durch Judikat zuerkannte Wechselforderung findet nicht die Wechselverjährung, son­ dern die gewöhnliche Verjährung Anwendung. O.Tr. IV v. 21. Nov. 1865, Entsch. 56 S. 272. 2) Diese allgemeinen Gesetze sind also gleichfalls zum alleinherrschenden, statutarischen Bestimmungen verdrängenden Rechte gemacht.

die provinziellen und

3) Hier und in dem §. 3 des G. v. 31. März 1838, wo diese Verordnung in Aussicht gestellt worden ist, wird der Ausdruck „öffentliche Lasten" in einem weiteren, auch Gemeindelasten umfassen­ den Sinne gebraucht. Nach dem Sprachgebrauche des A. L.R. ist damit ein bestimmter Begriff nicht verbunden; eö ist bei jeder einzelnen Anwendung dieses Ausdruckes die Beziehung und Bedeutung desselben festzustellen. Im eigentlichen Sinne sind darunter steuerartige Abgaben der Landeseinwohner an den Staat zu verstehen. §. 655 d. T. S. des. O.Tr. Plen. v. 20. März 1846, Entsch. 13 S. 53.

Erster Theil.

560

Neunter Titel.

§§. 550 (Zusätze)—551.

wenn derselbe binnen Jahresfrist, vom Tage der Versteuerung an gerechnet,

angemeldet und be­

gründet wird. §. 3. Wird in den Fällen der §§. 1 u. 2 die Reklamation ganz oder theilweise zurückgewiesen, so ist dagegen der Rekurs an die vorgesetzte Behörde binnen einer Präklusivfrist von sechs Wochen, vom Tage der Bekanntmachung des Bescheides an gerechnet, zulässig.

Wendet sich der Reklamant

an eine inkompetente Behörde, so hat diese das Rekursgesuch an die kompetente Behörde abzugeben, ohne daß dem Reklamanten die Zwischenzeit auf die Frist anzurechneu ist.

§. 4.

In den Fällen, in welchen nach den bestehendell Gesetzen über die Steuerverpflichtung

der Weg Rechtens nachgelassen ist, kann

die Steuer nur von dem Anfänge desjenigen Kalender­

jahres an zurückgefordert werden, worin die Klage angemeldet, oder worin vor der Klage eine Re­ klamation bei der Verwaltungsbehörde eingereicht worden ist4).5

§. 5.

Eine Nachforderung von Grundsteuern ist zulässig sowohl bei gänzlicher Uebergehung,

als bei zu geringem Ansatz, in beiden Fällen aber nur für das Kalenderjahr, worin die Nachforde­

rung geltend gemacht wird. §. 6.

Die Nachforderung von Klassen-, Gewerbe- und persönlichen, auf besonderen Titeln be­

ruhenden Steuern findet im Fall gänzlicher Uebergehung nach den im §. 5 enthaltenen Regeln statt; im Fall eines zu geringen Ansatzes fällt bei diesen Steuern jede Nachforderung weg, jedoch unbe­

schadet der gesetzlichen Wiederumlage bei Gewerbesteuergesellschaften, welche nach Mittelsätzen steuern. §. 7.

Bei den im §. 2 erwähnten indirekten Steuern kann der Betrag dessen, was zu wenig

oder gar nicht erhoben worden ist, nur binnen einem Jahre, vom Tage des Eintritts der Zahlungs­

verpflichteten an gerechnet, nachgefordert werden 6). §. 8.

Zur Hebung gestellte direkte oder indirekte Steuern, welche im Rückstände verblieben

oder kreditirt find, verjähren in vier Jahren, von dem Ablaufe des Jahres an gerechnet, in welches ihr Zahlungstermin fällt.

Die Verjährung wird durch eine an den Steuerpflichtigen erlassene Aufforderung zur Zahlung, so wie durch Verfügung der Exekution, oder durch bewilligte Stundung der Steuer unterbrochen. Ist nach Ablauf des Jahres,

in welchem die letzte Aufforderung zugestellt, Exekution verfügt

worden, oder die bewilligte Frist abgelaufen, so beginnt eine neue vierjährige Verjährungsfrist. §. 9.

Reklamationen wegen Steuern, welche vor Publikation dieses Gesetzes entrichtet worden

find, so wie Nachforderungen wegen Steuern aus dieser Zeit, müssen, bei Verlust des Anspruchs, binnen Jahresfrist nach Publikation dieses Gesetzes geltend gemacht werden.

Für die zur Zeit der Publikation dieses Gesetzes vorhandenen Steuerrückstände beginnt die §. 8

festgesetzte vierjährige Verjährungsfrist mit dem 1. Januar 1841. §. 10.

Ist in der unterlassenen Entrichtung der ganzen Steuer oder eines Theils derselben

eine Kontravention gegen diese Steuergesetze enthalten, so verjährt die Nachforderung nur gleichzeitig

mit der gesetzlichen Strafe. §. 11.

Die in dem Gesetze festgesetzten Fristen laufen auch gegen minderjährige und bevor­

mundete Personen, so wie gegen moralische Personen, denen gesetzlich die Rechte der Minderjährigen

zustehen, ohne Zulassung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, jedoch mit Vorbehalt des

Regresses gegen die Vormünder und Verwalter. §.12.

Durch den Ablauf der Verjährungsfrist wird der Steuerpflichtige von jedem ferneren

Anspruch, sowohl des Staates als der Steuerbeamten und der Steuersozietäten, befreit. §. 13.

Wegen der Verjährung der Stempelsteuer und der Reklamation in Betteff dieser Steuer,

4) Die bei Rückforderung öffentlicher Abgaben angeordnete kurze Verjährungsfrist findet allge­ meine Anwendung, mag von einer gänzlichen und persönlichen Befreiung des Betheiligten, von einer Steuer- oder Abgabenverpflichtung, die Rede sein, oder es sich nur darum handeln, ob eine Abgabe, die ihrer Art nach unstreitig ist, zu erlegen oder zu ermäßigen sei. O.Tr. II (Pr. 2278) v. 11. März 1851, Entsch. 21 S. 30. 5) Gegen diese verjährte Nachforderung wurde jedoch vor 1861 kein Rechtsschutz gewährt. M. s. unten Anm. zu §. 5 Tit. 14 Th. II Die Bestimmung des §. 14 findet auch aus die Beiträge zur oberschlesischen Bergbau-Hülfskasse Anwendung. O.Tr. III v. 12. April 1861, Entsch. 45 S. 104.

Bon Erwerbung deS Eigenthum-.

561

nicht minder wegen der Hypotheken- und Gerichtsschreiber-Gebühren in der Rheinprovinz, bleibt es

bei den bestehenden Vorschriften. §. 14.

Dieses Gesetz findet auch auf öffentliche Abgaben, welche nicht zu Unseren Kassen fließen,

sondern an Gemeinden und Korporationen, so wie an städtische Kassen zu entrichten, oder als

Provinzial-, Bezirks-, Kreis- oder Gemeinde-Lasten, oder zur Unterhaltung öffentlicher Anstalten

aufzubringen find, so wie auf die mit Einziehung solcher Abgaben beauftragten Beamten Anwen­ dung 6).7 8 15.

Alle früheren gesetzlichen Vorschriften über die im gegenwärtigen Gesetz enthaltenen Ge­

genstände werden hierdurch aufgehoben.

§. 551. Mit dem Augenblicke?), da Jemand seine Klage bei dem gehörigen9) Richter anmeldet9), wird die Verjährung durch Nichtgebrauch unterbrochen10). 6) Der Einwand des Zahlungspflichtigen, daß die geforderte Abgabe, insbesondere die in einigen Städten eingesührte „Hausstands-Ergänzungssteuer", in der Koümiunalverfaffung und den darüber ergangenen Gesetzen nicht begründet, daß die Abgabe von der städtischen Behörde mit Unrecht eingesührt' und diese daher zur Erstattung des erhobenen Betrages verpflichtet sei, kann nicht im Rechts­ wege, sondern nur im Wege der Beschwerde bei den Vorgesetzten Verwaltungsbehörden geltend gemacht werden. Entsch. des Komp.-Gerichtsh. v. 12. März 1859, J.M.Bl. 1860 S. 138. 7) Der Ausdruck ist gedankenlos gebraucht, denn es wird bei der Verjährung nicht von Augen­ blick zu Augenblick (a momento ad momentum) gerechnet; unter dem Augenblicke ist hier der Tag gemeint. Ueberdies ist der „Augenblick", da Jemand den Richter angeht, um zu klagen, gar nicht allgemein kennbar festzustellen, und überdies ist zu streiten: welcher Augenblick entscheiden soll, wenn der Richter gerade mit Anderen beschäftigt ist, wo der Kläger eintritt: ob der Augenblick, wo er in das Gerichtszimmer tritt, oder, wenn er warten muß, der, wo er zu sprechen beginnt. 8) Suarez wollte, im Einverständnisse mit Heiden re ich, daß auch die Klage vor einem inkompetenten Richter allemal die Verjährung unterbreche. „Genug, ich war nicht mehr negligens.“ Dieser Vorschlag ging nicht durch, hatte aber die Bestimmung der §§. 552, 553 zur Folge. Simon, Material. S. 467. — (6. A.) Der gehörige Richter ist in Beziehung auf eine Nachlaßforderung auch der Nachlaßrichter. Str. Arch. 85 S. 103 (IV). — (7. A.) Durch die Anmeldung einer Konkurs­ forderung wird deren Verjährung unterbrochen. Deutsche Konk.-O. §. 13. Uebereinstimmend die österr. Konk.-O. §. 8. Die Vorschrift beseitigt den Zweifel, ob die Anmeldung dem Gemeinschuldner gegenüber die Verjährung zu unterbrechen geeignet sei, obwohl er im Konkurs nicht Partei ist, die Anmeldung nicht ihm, sondern seinen Gläubigern gegenüber geschehe. Aber die Forderung wird doch gegen sein Vermögen geltend gemacht, er wird zum Verfahren zugezogen, er muß sich über die ange­ meldeten Forderungen'erklären, und erklärt er sich nicht, so werden die im Konkurse festgestellten For­

derungen gegen ihn vollstreckbar.

Vergl. oben die Noten der 7. A. zu den §§. 516, 528.

9) Die Verjährung durch Besitz wird nur durch die Insinuation der Citation unterbrochen. §§. 603 ff. und O.Tr. III v. 4. Juni 1860, Entsch. 43 S. 91. Das war schon im Entw. vorge­ schlagen. Zu dieser Unterscheidung der pr. acquisitiva und extinctiva fanden Heiden reich und v. Tevenar keinen Grund. Suarez aber bemerkte darauf: Dergleichen Grund sei allerdings vor­ handen. Praescriptio extinctiva sei poena negligentiae, sie erfolge per solum nonusum. Sobald man klage, sei man nicht mehr negligens; man gebrauche sein Recht. Bei der acquisitiva sei es anders. Hier entstehe sein Recht ex possessione continuata. Durch die bloße Klageanmeldung des Anderen werde sein Besitz nicht unterbrochen; per insinuationem citationis aber werde er in malam fidem konstituirt. Simon, Material. 482. — „Man muß sich immer erinnern," sagt derselbe bei der Revision der Monita (ebd. S. 527), „daß poena negligentiae das eigentliche Fundament der pr. extinctivae ist. Sobald also der Berechtigte aushört, negligens zu sein, sobald muß der Lauf der Verjährung aushören. Dies geschieht aber, wenn er sein Recht gerichtlich anmeldet, und den Richter implorirt, ihm dazu zu verhelfen. Ob diese Anmeldung dem Verpflichteten bekannt gemacht worden, oder nicht, darauf kommt es gar nicht an, weil dessen bona fides vel mala fides bei der pr. extinctiva nichts ausmacht, sondern alles von dem bewiesenen Fleiße oder Unfleiße des Berechtigten abhängt." S. auch die folgende Anm. 13 Abs. 3. — In dem gedachten Erk. v. 4. Juni 1860 wird gesagt: „Die Extinktivverjährung wird durch bloße Anmeldung der Klage unterbrochen (§. 551), und dabei gilt, weil es nur aus Abwendung des Vorwurfs einer Säumniß ui Verfolgung des Rechts ankommt, jede Manifestation beim Richter, den Anspruch geltend machen zu wollen, also auch ein bezüglicher Vorbehalt, der wirklichen Anmeldung gleich." S. 92 a. a. O. — Dagegen heißt es wieder in dem Erk. IV v. 10. Jan. 1867, Str. Arch. 67 S. 29: „Am Schluffe der Klage des VorprozesseS heißt es: „Der Kläger behält sich seinen Anspruch auf Schadensersatz in jeder Beziehung vor, der ihm durch das rotzkranke Pferd des Beklagten, außer dem hier geltend gemachten Ansprüche, erwachsen ist." Einem solchen bloßen Vorbehalte läßt sich nicht die Wirkung und Bedeutung einer wirklichen Klageanmeldung beilegen." Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aust.

36

Unter­ brechung.

562

Erster Theil. Neunter Titel. §. 551.

Die Geltendmachung der betreffenden Forderung durch Kompensation in einem gegen den Gläu­ biger angestrengten Prozesse, wenn dieser Einwand wegen Illiquidität ad separatum verwiesen wird, steht der Klageanmeldung gleich und unterbricht den Lauf der Verjährung. O.Tr. IV v. 21. April 1863, Entsch. 49 S. 119. Wird gemeinrechtlich für irrig erklärt. Unterholzner, Verjährungs­ lehre 1 8-118; v. Savigny, System 5 §. 243 S. 321. 10) Zu einer Klageanmeldung , welche den Lauf der Verjährung zu unterbrechen geeignet sein soll, gehört nothwendig die namentliche Bezeichnung de« Beklagten. Bei mehreren, keine Korporation bildenden Beklagten ist daher auch eine allgemeine, nicht namentliche Bezeichnung, z. B. „sämmtliche Einsassen eines Dorfes", nicht genügend, vielmehr gegen die nicht genannten unwirksam. O.Tr. II (Pr. 2148) v. 27. Sept. 1849, Entsch. 18 S. 160. Dieser Satz wird aber nicht anzuwenden sein auf Gewerkschaften, deren Bezeichnung unter der Kollektivbenennung „Gewerkschaft der Steinkohlen­ grube NN." ebenso genügt wie die Firma einer Handlungsgesellschaft. — „Bei der Frage: ob eine erhobene Klage die Verjährung eines Anspruchs uuterbroch'en habe, kommt auch das Fundament dieser Klage in Betracht," sagt das O.Tr. in einem Erk. I v. 30. Jan. 1854, Entsch. 27 S. 318 u. Str. Arch. US. 285; die Klageanmeldung soll darnach mit den Erfordernissen des 8- 2 I. 4 der A. G.O. versehen sein. Zu solcher Kasuistik fuhrt bloß die durch die Verachtung der sog. Klagesormeln, d. h. des jedem Rechtsgeschäfte oder Ansprüche eigenthümlichen Klagrechts, entstandene Rechtsunsicherheit. ES ist nicht zweifelhaft, daß die Verjährung nur derjenigen Klage (actio), von welcher durch Aumeldung oder Anbringung Gebrauch gemacht wird, unterbrochen ist. Durch die bloße Provokation auf Ablösung des Zehntrechtes wird die Verjährung der Zehutrückstände nicht unterbrochen; es bedarf dazu vielmehr der ausdrücklichen Anmeldung dieser Rückstände. O.Tr. II v. 4. Juni 1863, Str. Arch. 49 S. 237. Zur Anmeldung ist ebenso wie zur Klage gehörige Legitimation erforderlich. Der Legitima­ tionsmangel des Klägers im Vorprozesse bewirkt'daher, daß die Vorklage auch nicht als Anmeldung des Anspruchs erachtet werden darf. OTr. I v. 30. Juni 1856, Str.' Arch. 21 S. 332. — Auch durch Anmeldung der Klage gegen den verstorbenen Schuldner wird die Verjährung der Klage nicht unterbrochen. O.Tr. II v. 9. Jan. 1855, Str. Arch. 16 S. 131. Nur gegen die in der Klage als Bekl. bezeichnete Person wird die angemeldete Klage unterbrochen. Daher unterbricht z. B. eine Klage, angestellt gegen A., vertreten durch seinen Generalbevollmächtigten B., die Verjährung gegen den B. nicht. O.Tr. IV v. 6. Nov. 1856, Str. Arch. 22 S. 296. In einem Erk. I v. 17. Dez. 1851, Str. Arch. 3 S. 371, hat das O.Tr. den Satz behauptet, daß gegen den, dem Gläubiger unbekannten wirklichen Schuldner die Verjährung durch Anmeldung der Klage gegen den vermeintlichen Schuldner unterbrochen werde. Das ist keine Rechtswahrheit. Die Klagverjahrung tritt zwar gegen den dem Gläubiger unbekannten Schuldner nicht ein; dies ist aber keine Wirkung der Klageanmeldung gegen einen Unrechten; vielmehr ist der Grund ein anderer. Oben 8. 516 und die Anm. dazu. Durch bloße Litisdenunziation wird, insofern dieselbe nicht ein Anerkenntniß zur Folge hat, der Lauf der Verjährung nicht unterbrochen. O.Tr. HI (Pr. 995) v. 6. März 1841, Pr.-S. 1 S. 38. — Der Satz ist aus juristischen Gründen wohl gerechtfertigt. Das Plenum des Obertr. aber hat denselben durch Beschluß v. 6. Juni 1853 (Pr. 2451), J.M.Bl. S. 310 und Entsch. 25 S. 325, gegen den übereinstimmenden Antrag beider Referenten, verworfen und dafür den Satz angenommen: „Die Litisdenunziation unterbricht die Verjährung der von dem Litisdenunzianten gegen den Litisdenunziaten anzustellenden Regreßklage." Der Satz läßt sich juristisch nicht begründen und ist auch entbehrlich. Der juristische Grund ist dargestellt durch die Behauptung, daß das Gesetz allein aus die bei dem Richter geschehene Kundgebung, den Anspruch geltend machen zu wollen, in Beziehung auf die Unterbrechung der Verjährung Gewicht lege. Bewiesen wird dies aus dem 8» 561 nach einem arg. a contrario, daß schon eine gerichtliche Mahnung unterbreche. Es ist schon eine mißliche Sache, einen Rechtsgrund oder Rechtssatz durch das sehr trügerische arg. a contrario beweisen zu wollen, und man fordert nicht zu viel, wenn man jenen Rechtsgrund besser nachgewiesen verlangt. Läßt man denselben aber auch dahin gestellt sein, so fehlt doch der Nachweis des geschichtlichen Mo­ ments ganz. Eine Behauptung wird dafür gegeben, die Behauptung nämlich: daß in der Litisde­ nunziation die fr. Kundgebung bei dem Richter, den Anspruch geltend machen zu wollen, enthalten sei — daß in der Litisdenunziation eine solche Mahnung, resp, eine Klageanmeldung virtualiter ent­ halten sei. DaS ist nicht einzuräumen. Die Litisdenunziation geschieht gar nicht dem Richter wie die Klageanmeldung, sie geschieht dem Gewährsmanne, und es ist eine in dem Bevormundungsprinzip liegende Zufälligkeit, daß dabei der Richter die Rolle des Briefträgers hat. Dadurch wird im We­ sentlichen nichts geändert. Bei der gerichtlichen Mahnung hat zwar der Richter dieselbe Stelluny, aber einestheils ist es, wie gesagt, noch zu erweisen, daß die gerichtlich insinuirte Mahnung die Verjährung unterbricht, anderentheils hat die Litisdenunziation einen ganz anderen Inhalt und Ge­ genstand als die Mahnung. Die Mahnuna macht eine bestimmte Forderung unmittelbar und geradezu geltend. Die Litisdenunziation fordert aber nur zum Beistände behufs Abwehr des Anspruchs eines Dritten auf. Wo ist da die Kundgebung bei dem Richter, den Anspruch (welchen?) geltend machen zu wollen? Die Gleichstellung der Litisdenunziation mit der Mahnung und gar mit der Klageanmel­ dung ist sonach naturwidrig und damit fällt die Begründung des neuen vermeintlichen Rechtsgrund-

Bon Erwerbung deS Eigenthum-.

563

satzes zusammen. Außerdem aber tritt entgegen dte von der Atinderheit geltend gemachte rechtliche Natur der Verjährung und deren Unterbrechung als rein Positiver Institute - dabei ist keine Analogie zulässig, die Verjährung ist nur da zulässig, wo sie vorgeschrieben ist, und die Unterbrechung geschieht nur durch die Mittel, welche dazu für geeignet erklärt worden sind; der Richter kann die »Zahl derselben nicht vermehren. Zuletzt ist der neue nicht passende Rechtssatz, bei richtiger Auslassung und Behandlung der Sache, in Beziehung auf die schließliche Regreßklage, womit ein bestimmter Betrag als Ersatz 'gefordert wird, auch entbehrlich. Denn jede Regreßklage ist nur subsidiarisch, mithin in der Regel erst gegeben, wenn die Bedingung eingetreten ist, d. h. dre Klage gegen den Hauptschuldner sich als erfolglos erwiesen oder der Dritte den Anspruch, wegen dessen der Litisdenunziat Gewähr­ leisten soll, durchgesetzt hat. Eher kann auch die Verjährung nicht anfangen. Zwar gestattet der §. 23 Tit. 17 der Pr.-O. die sofortige Anstellung der Regreßklage gegen den die Regreßverbindlichkeit nicht anerkennenden Litisdenunziaten. Allein dies bezieht sich nur auf den Grund der Regreßklage; und wenn dieser bestritten, so verletzt der Litisdenunziat das Recht des Litisdenunziauten und kann insoweit sofort beklagt werden. Aber wenn zu dieser Präjudizialklage — etwas anderes ist sie nicht, über das Quantum' läßt sich noch nicht streiten, weil es erst durch den Hauptprozeß gegeben werden soll — kein Anlaß gegeben wird, so ist in keiner Beziehung actio nata. Der fr. Satz müßte daher, selbst wenn er an sich zu begründen wäre, immer eine gewisse Beschränkung durch richtige Beziehung erleiden. Anzumerken ist, daß der Art. 80 der A. D. Wechs -O. die Unterbrechung der Verjährung durch die Streitverkündigung für zweckmäßig und deshalb als eine Ausnahme von der Regel, beson­ ders anzuordneu für nothwendig befunden hat. Daß dem Gegner des Litisdenunzianten die Herein­ ziehung des Litisdenunziaten hinsichtlich des au diesen seitens des gedachten Gegners geltend gemachten Anspruchs nichts nutzt, ist gleichfalls sestgestellt durch O.Lr. I (Pr. 2602) v. 8. Dez. 1854, Entsch. 29 S. 348, lautend: „Die Thatsache, daß ein Litisdenunziat dem Litisdenunzianten in dem Prozesse gegen dessen Gegner Beistand geleistet hatte und er solchergestalt in diesem Prozesse Partei geworden war, ist nicht geeignet, die Verjährung des von diesem Gegner demnächst gegen den früheren Litisdenun­ ziaten erhobenen Anspruchs zu unterbrechen." Auch genügt in Fällen,' wo wegen Entziehung von Privilegien binnen einer Präklusivfrist der Rechtsweg nachgelassen ist, nicht die bei einer Administra­ tivbehörde abgegebene Erklärung: den Rechtsweg betreten zu wollen. O.Tr. v. i t.Novbr. 1847, Entsch. 15 S. 374. (7. 91.) Das N.O.H.G. nimmt an, daß zur Unterbrechung der Verjährung nicht grade die An­ meldung einer förmlichen Klage nöthig sei, sondern dazu jede vor dem Richter bestimmt erklärte, zur Kunde des Gegners gebrachte Absicht,' ein Recht zu verfolgen, genüge. Es wird diese in der preußi­ schen Praxis herrschende Ansicht unterstützt durch §. 561 'd. T.' R.O.H.G. v. 20. Ian. 1874, Ent­ scheid. 12 S. 234. Die Klageanmeldung ist aber kein absolutes Mittel, den Lauf der Verjährung zu unterbrechen; die unterbrechende Kraft hat nur die Klage, die imploratio judicis um Rechtshülfe, oder wie Suarez sich ausdrückt, „wenn er (der Berechtigte) sein Recht gerichtlich aumeldet und den Richter implorirt, ihm dazu zu verhelfen." S. die vor. Anm. a. E. Die Unterbrechung wird nur in dem Falle der wirklichen Einbringung der Jmploration auf den Tag der Anmeldung zurückdatirt. Eine Anmeldung dagegen mit der Erkiärung, daß dadurch nicht die Ausübung oder Verfolgung des Rechts, sondern nur die Unterbrechung der'Verjährung bezweckt werde; und mit dem Anträge: die Sache auf sich beruhen zu lasten, ist wirkungslos, denn der Berechtigte thut das gerade Gegentheil von dem,, was er thun müßte, um den Laus der Verjährung zu unterbrechen; er müßte klagen; er erklärt aber, daß er von seinem Klagerechte zur Zeit keinen Gebrauch machen wolle. Auch das O.Tr. giebt in dem Erk. III v. 28. Ian. 1857, Entsch. 35 S. 31, zu vernehmen: „Von dem, der eine Klage anmeldet, aber ausdrücklich erklärt, er wolle nie klagen, wird allerdings richtig gesagt werden können, er melde eine Klage gar nicht an." Dieser Fall ist ganz verschieden von dem des '§. 554 d. T., wo eine neue Negliaenz vorausgesetzt wird. S. die Anm. 15. In diesem Sinne hat sich auch der J.M. in der allg. Vers. v. 22. Jan. 1841 ausgesprochen, worin er die Gerichte anweist, in einem solchen Falle sich lediglich an die Vorschriften der Pr.-O. Tit. 4 §§. 16, 17 zu halten und dem Anmeldenden keine Rekognition über seine ungehörige Klageanmeldung zu ertheilen, sondern zu eröffnen, daß seine An­ zeige zur Unterbrechung der Verjährung nicht genüge. IM.Bl. G. 65. In der spätern Berf. dess. v. 20. Juli 1843 werden die Gerichte, nach dem Wunsche des Westphäl. Prov.-Landtages v. I. 1843, auf allerhöchsten Befehl angewiesen, jede nach §§. 551 ff. d. T. zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Klageanmeldung, auch wenn sie keinen Prozeß zur Folge hat, mit der darauf erlassenen Verfügung der Gegenpartei mitzutheilen. J.M.Bl. S. 204. Vergl. die ältere Anweisung in dem­ selben'Sinne v. 23. Febr. 1841 ad 3. I.M.Bl. S. 110. Diese Benachrichtigung geschieht auf Kosten des Klägers, der dazu die Veranlassung giebt. Bet der Wechselverjährung gilt der allgemeine Grundsatz des §. 551 d. T., daß die Verjährung durch Anmeldung der Klage unterbrochen wird, nach den Grundsätzen der A. D. W.-O. Art. 80 nicht mehr; das aus das A. L.R. gegründete Pr. 1705 v. 6. März 1846, Pr.-S. 1 S. 192, ist mithin außer Kraft gesetzt.

Erster Theil.

564

Neunter Titel.

§§. 562—557.

§. 552. Die Klage11) vor einem ungehörigen Richter unterbricht die Verjäh­ rung nut11 12), 13 14 wenn 15 16 sie17binnen Einem Jahre nach erfolgter Zurückweisung") bei dem gehörigen Richter angemeldet worden. §. 553. Hat aber der ungehörige Richter die Klage angenommen, und dadurch den Kläger in seinem Irrthume bestärkt, so ist die Verjährung für unterbrochen zu achten"). §. 554. Wird die gehörig angemeldete Klage nicht nach Vorschrift der Gesetze verfolgt"), so sängt von dem Tage an, wo der Kläger die Sache hätte fort­ setzen können und sollen"), eine neue") Verjährung wider ihn an. 11.

Dekl. v. i8.Mai 18 39, wegen der Verjährung der bei den vormaligen

Reichsgerichten unerledigt gebliebenen Prozesse.

(G.S. S. 175.)

Mr rc. finden Uns bewogen, zur Beseitigung entstandener Zweifel, aus den Antrag Unsere-

Staatsministeriums und nach erfordertem Gutachten einer von Uns aus Mitgliedern des StaatS-

rathS ernannten Kommission für den ganzen Umfang Unserer Monarchie zu erklären: daß die Vorschrift des Röm. Rechts in der L. 9 C. de praescriptione 30 vel 40 annorum18) 11) Oder die Klageanmeldung. O.Tr. Hl v. 23. Ian. 1857, Str. Arch. 23 S. 266. Der bei der Generalkommission angebrachte, wenngleich wegen deren Inkompetenz zurückgewiesene Ablösungsantrag hat in Betreff rückständiger Gutsabgaben die Wirkung der Klageanmeldung, wenn binnen Jahresfrist die Klage bei dem gehörigen Richter eingereicht wird. O.Tr. 11 v. 29. Ian. 1856, Str. Arch. 20 S. 95. —' (6. A.) Die Provokation auf Ablösung unterbricht die Verjährung der Rück­ standsansprüche nur dann, wenn der Ablösungsantrag auch aus sie ausdrücklich gerichtet ist. Str. Arch. 74 S. 53 (II).

12) Nach G.R. unterbricht die vor einem ungehörigen Richter angestellte Klage die Verjährung gar nicht. L. 7 C. ne de statu (VII, 21). — (7. A.) R.O.H.G. v. 7. Novbr. 1871, Entsch. 3 S. 421. 13) In der Praxis ist eS üblich, eine muthmaßlich auS Irrthum an der unrechten Stelle ein­ gereichte Klage an das zuständige Gericht abzugeben. Zu einer förmlichen Zurückweisung kommt eS nur dann, wenn der Kläger auf das gewählte Forum besteht.

14) zugestellt wenn er O.Tr. I

Wenn aber der ungehörige Richter die Klageanmeldung zwar angenommen und dem Bekl. hat, demnächst aber die Klage selbst wegen Inkompetenz zurückweiset, so ist es so gut, als schon die Klageanmeldung, ohne Zustellung an den Bekl., zurückgewiesen hätte. Vergl. v. 20. Febr. 1860, Entsch. 42 S. 66.

15) In diesem Falle verlangten einige Monenten den Wegfall der Unterbrechung. Suarez aber bemerkte darauf: „Hat der Berechtigte einmal durch Anmeldung der Klage seine diligentiam erwiesen, so ist nicht abzusehen, warum solches ohne alle Wirkung sein solle, weil er ex post wieder anaesangen hat, negligens zu sein. Genug, wenn er für diese neue Nealigenz dadurch bestraft wird, daß eine neue Verjährung wider ihn zu laufen anfängt." Simon, Material. S. 527. Vergl. o. die Anm. 10 Abs. 4 a. E. und die folg. Anm. 16, auch die vor. Anm. 14. 16) Der terminus a quo der neuen Verjährung — sagt Suarez — kann kein anderer sein als der, wo er zur Fortsetzung der Sache etwas hätte thun können und sollen, z. E. der Termin zur Ausnehmung der Klage, der Jnstruktionstermin. Ebd. S. 528. Im Falle eines durch Litisdenunziation angemeldeten Negreßanspruchs beginnt die Verjährung von dem Zeitpunkte, in welchem daim Vorprozesse ergangene Erkenntniß rechtskräftig geworden ist. O.Tr. IV v. 17. Nov. 1859, Str. Arch. 36 S. 19. 17) Die neue Verjährung ist die der Instanz, und hätte nach einer Anwendung des A. L.R. II. 8 §. 2356 eine 30jährige Dauer. Nach dem Ges. v. 31. März 1838, §. 10 hat sie die Dauer der Klageverjährung. Dies ist es, was das O.Tr. IV durch daS Pr. 2579 v. 23. Nov. 1854, Entsch. 30 S. 37, feststellen will: „Für die neue Verjährung, welche nach §. 554 Tit. 9 Th. I de- A. L.R. zu laufen beginnt, wenn die angemeldete Klage nicht fortgesetzt wird, gilt, soweit nicht Spezialvorschriften, wie ste die §§. 908 und 2356 Tit. 8 Th. II ebd. für Wechsel- und Versicherungsansprüche enthalten, entaegenstehen, als Regel die der ursprünglichen gleichkommende Frist." In Beziehung auf die Verjährung öffentlicher Abgaben schreibt daS Gesetz v. 18. Juni 1840 §. 8 den gleichen Grundsatz vor. In Anwendung auf Regreßklagen nach vorheriger Litisdenunziation (vor. Anm. 16) hat daS O.Tr. diesen Grundsatz (die Verjährung der Spezialklage aus dem Rechtsverhältnisse) in dem Erk. v. 17. Novbr. 1859 (Anm. 16) angewendet und begründet.

18) Diese L. 9 beschränkt sich nicht bloß auf Personalklagen, sondern ist von allen Klagen ohne Unterschied zu verstehen. O.Tr. (Pr. 1820») v. 28. Dez. 1846, Entsch. 15 S. 126.

Bon Erwerbung deS Eigenthums.

565

auf die bei den vormaligen Reichsgerichten bis zum Schlüsse verhandelten, dann aber unent­

schieden liegen gebliebenen") Prozesse, so lange für dieselben die Kompetenz der Reich-gerichte begründet war, keine Anwendung hat finden können, daß aber von dem Zeitpunkte ") der

Erlöschung dieser Kompetenz an, in Ansehung der Verjährung, die in den einzelnen LandeStheilen geltenden Gesetze in Anwendung zu bringen sind.

§. 555. So lange aber die Sache nur durch die Schuld deS Richters liegen bleibt, läuft keine Verjährung2 x). §. 556. Wird der Kläger durch ein Dekret abgewiesen, und macht er von den dagegen zulässigen Rechtsmitteln binnen Dreißiy Tagen keinen Gebrauch, so nimmt mit dem Ablaufe dieser Frist die neue22 19)20Verjährung 21 wider ihn den Anfang. §. 557. Hat er ein wirkliches Erkenntniß, wodurch er abgewiesen worden, rechts­ kräftig werden lassen, so hat es dabei lediglich sein Bewenden22). 19) Unter den bis zum Schlüsse verhandelten, dann aber unentschieden liegen geblie­ benen Prozessen find nur solche zu verstehen, in denen von den Parteien nichts mehr vorzunehmen ist, um die Entscheidung der Sache auszuwirken, und welche mithin bloß durch die Schuld des Rich­ ters liegen geblieben sind. Dahingegen findet die Deklaration auf solche Prozesse keine Anwendung, in denen zwar die gesetzlich vorqeschriebenen oder zugelassenen Schriften eingegangen sind, -von den Parteien aber noch nicht zum Erkenntnisse submitttrt, oder die Sache auf den Antrag deS einen oder anderen Theils ausdrücklich für beschlossen erklärt ist. O.Tr. (Pr. 1820 d) v. 28. Dez. 1846, Entsch. 15 S. 126. 20) Durch eine Ministerial-Instruktion v. 27. Juli 1839 ist als dieser Zeitpunkt festgestellt: 1) in Betreff derjenigen Landestheile, in welchen das L.R. und das Gem. Recht gilt und welche zu einem Staate des vormaligen Rheinbundes gehört haben, der 1. August 1806, als der Tag, an wel­ chem der Reichsversammlung der Abschluß der rheinischen Konföderationsakte und der Austritt jener Staaten aus dem Reichsverbande nottfizirt worden ist; insofern aber der Staat dem Rheinbünde später beigetreten ist, der Tag des erfolgten Beitritts; 2) in Betreff der übrigen Landestheile des A.L.R. und des G.R. der 12. Juli 1807, als der Tag, an welchem die Ratifikationsurkunden über den Tilsiter Friedensschluß ausgefertigt worden sind; 3) in Ansehung der Rheinprovinzen, soweit das franz. R. gilt, der 9. März 1801, als der Tag, an welchem der am 9. Febr. 1801 unterzeichnete Lüneviller Friede, welcher diese Laudestheile des linken Rheinusers von Deutschland trennte, von Sei­ ten deS Reiches ratifizirt worden ist. J.M.Bl. 1839 S. 287. — Auf die in manchen Landestheilen, namentlich auch im Fürstenthume Münster, sowie den übrigen durch den ReichS-Deputations-Hauptschluß v. 25. Februar 1803 an Preußen abgetretenen Entschädigungsländern schon vor Errichtung des Rheinbundes oder vor dem Abschlüsse des Tilsiter Friedens vorhanden gewesenen Privilegia de non appellando ist deshalb keine Rücksicht genommen worden, weil die Reichsgerichte denselben nie­ mals rückwirkende Kraft beigelegt, sich vielmehr in den damals anhängig gewesenen Sachen fort­ während für kompetent erachtet haben. R. v. 26. Septbr. 1839, J.M.Bl^ S. 330.

21) Hierzu hatten einige Monenten bemerkt, daß die Negligenz deS Richters der Negligenz des Klägers nicht patroziniren könne, folglich, wenn dieser die Sache bei dem Richter zu urgiren unter­ lasse, eine neue Präskription wider ihn anfange. Suarez fand dies ganz richtig und schlug eine entsprechende Bestimmung vor. Er wurde jedoch konkludirt, daß eS bei dem §. 555 verbleiben solle. Simon, Material. S. 528 Nr. 3. Der §. 555 hat den von mehreren gemeinrechtlichen Schriftstel­ lern vertheidigten Grundsatz ausgenommen: quod praescriptio quadragenaria allegari nequit, si non penes litigantes, sed Judicium stetit, quo minus litem prosequeretur. Boehm er, Consult. et decis. Tom. I dec. 930 no. 6, 10 und 11. 22) Hier ist unter der neuen Verjährung die Klageverjährung verstanden, wie aus den Materia­ lien zu entnehmen. Einige Monenten hatten erinnert, daß, wenn der Kläger abgewiesen werde, die Verjährung für nicht unterbrochen zu achten. Suarez bemerkte darauf: „Wird der Kläger abge­ wiesen, so geschieht solches entweder per decretum, oder per sententiam. Letzteren Falles ist von keiner Präskriptton mehr die Frage, weil der Kläger alsdann ein judicatum wider sich hat. Geschieht aber die Abweisung bloß per decretum, so steht dem Kläger der Rekurs dagegen an die höhere Behörde offen. Vernachlässigt er diesen, so ist er von neuem negligens, folglich kann auch die neue pr. extinctiva wider ihn anfangen." Simon, Material. S. 527, 528. Hierauf wurden die §§. 556 und 557 hinzugefügt. Die Abweisung per decretum hindert mithin die Wiederholung der Klage nicht; die Sache erlangt dadurch kein Ende. 23) D. h. es kann auf eine Verjährung nicht weiter mehr ankommen. S. die vor. Anm. 22. Nach Suarez' Ansicht müßte ein abweisendes Erkenntniß, sei es gefaßt wie immer — auch wenn eS angebrachtermaßen abweist — die Erneuerung desselben Anspruchs allemal ausschließen. Denn er meinte, die Frage: ob die Verjährung unterbrochen sei, wenn der Kläger nur angebrachter-

566

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 568—561.

§. 558. Auch wenn ihm das eingeklagte Recht durch ein rechtskräftiges Urtel24) wirklich zu erkannt worden, kann dennoch eine neue25) Verjährung durch Nichtge­ brauch wider ihn anfangen2«). §. 559. Der Anfang dieser neuen Verjährung ist bei Zahlungen oder Prästamaßen abgewiesen worden, könne bei unS nicht Vorkommen, weil unsere Pr.-O. dergleichen Abwei­ sungen nicht kenne. Simon, Material. S. 543 Nr. 5. Die Praxis hat sich jedoch anders gestal­ tet. Ueber die Wirkung einer unrichtig begründeten Klage in Beziehung auf die Verjährung der rich­ tigen Klage ist man nicht einerlei Meinung. Man hat gesagt, daß auch die Verjährung der richtigen Klage durch die angebrachtermaßen abgewiesene Klage unterbrochen worden sei, weil der Kläger doch immer aufgehört habe negligens zu sem. Dieö ist jedoch nicht juristisch. Wenn Jemand 100 aus einem Kaufe zu fordern hat und er klagt wegen 100 aus einem Darlehu, so kann die Verjährung der nicht gebrauchten actio emti venditi unmöglich durch die ungegründete condictio ex mutuo unter­ brochen werden. Vielmehr tritt hier die Bestimmung des §. 557 ein: es hat bei der Abweisung, nämlich der Darlehnsklage, sein Bewenden; andere Magerechte, die der Kläger etwa sonst noch hat,

werden dadurch gar nicht betroffen^ — Dies wird auch nach den Grundsätzen des Gemeinen RechtS angenommen. Unter Anderem führt Unterh olzner, Verjährungslehre i §. 125 S. 444 II Nr. 3 aus: Wenn der Anspruch des Klägers völlig abgewiesen wird, demungeachtet aber ein anderer An­ spruch noch übrig ist, der zwar in der Begründung sich unterscheidet, in dem wesentlichen Zwecke aber mit dem zurückgewiesenen übereinstimmt, so wird die Verjährung fortlaufend gerechnet. Doch aber — fügt er bei — so, daß die Zeit, welche durch die erste Klage versplittert worden ist, nicht in Anrech­ nung kommt, weil die L. 16 C. de inoff. testam. (III, 28) verordne, daß für denjenigen, der zuerst den seinen Pflichttheil verletzenden letzten Willen geradezu jedoch erfolglos als nichtig oder unterge­ schoben angefochten habe, der hierdurch bewirkte Zeitverlust keine Verkürzung an der zur Anstellung der inofticiosi quereia eingeräumten Zeit zur Folge haben soll. Das Gleiche soll nach seiner Ansicht gelten, wo zunächst bloß der Besitz einer Sache zum Gegenstände der abgewiesenen Klage gemacht worden und demnächst das s. g. Petitorium angestellt ist. Die Zulässigkeit'der Analogie jener L. 16 in diesem Falle wie in anderen ähnlichen Fällen ist zu bezweifeln und im preußischen Rechte fehlt auch jene Verordnung, so daß selbst deren analoge Anwendung unmöglich ist. Hinsichtlich der Possessorienklage ist man gemeinrechtlich auch nicht einig, nach der Meinung Einiger soll dieselbe, wenn sie auch abgewiesen wird, (denn siegt der Kläger, so tritt ja in Folge der Exekution usurpatio naturalis ein), die Usukapion unterbrochen haben. M. s. Donell., Comment, jur. civ. V, 21; Kind, Q.uaest. fqr. III c. 32; Wening v. Ingenheim, II 8. 52. Die Frage erfordert eine besondere Erörterung. Die Praxis des O.Tr. ist mit dem A. L.R. im Einverständmß. „Es versteht sich von selbst" — sagt dasselbe „daß in beiden Fällen (Anmeldung der Klage bei der Extinktivverjährung und Insinuation bei der Akquisitivverjährung) eine in früheren Akten enthaltene Anmeldung oder Verfolgung einer Klage die Verjährung in Betreff eines ganz anderen Anspruchs nicht unterbrechen kann."' O.Tr. III v. 11. Mai 1863, Entsch. 52 S. 59. Der §. 557 setzt eine definitive Abweisung oder mindestens eine Abweisung in der angebrachten Art voraus und findet auf den Fall der Abweisung zur Zeit keine Anwendung. O.Tr. I vom 24. Sept. 1862, Str. Arch. 46 S- 234. 24) Eine im Konkurse ergangene Klasfifikatoria hat gegen den Gemeinschuldner selbst nicht die Wirkung eines rechtskräftigen Urtels, und unterbricht gegen ihn auch nicht den Lauf der Verjährung. O.Tr. 1V (Pr. 1845) v. 15. März 1847, Entsch. 14 S. 218. Ist nach neuem Konkursrechte nicht mehr praktisch, da die Klasfifikatoria abgeschafft ist. Ein gerichtlicher Vergleich über rechtshängige Sachen hat in dieser Hinsicht nicht gleiche Wirkung, er hat nur die Wirkung eines Anerkenntnisses in Betreff der Verjährung. Bergt. O.Tr. II v. 13. April 1849, Entsch. 18 S. 177 und 0. die Anm. 100.

25) Diese dauert in allen Fällen 30 Jahre. G. v. 31. März 1838 §. 10 und Pr. beS O.Tr. 1905 0. in der Anm. 98. Vergl. O.Tr. Ill v. 28. Jan. 1859, Str. Arch. 32 S. 176, und I v. 8. Sept. 1862, ebd. 45 S. 327. Auch zu der neuen Verjährung rechtskräftig zuerkannter Rückstände an Konventionalzinsen ist der Ablauf einer 30jährigen, nicht aber einer nur zehnjährigen (Tit. 11 §. 849) Frist erforderlich. Der §. 849 Tit. 11 ist gänzlich beseitigt. O.Tr. I v. 8. Sept. 1862, Entsch. 48 S. 75. Ebenso zur Verjährung zuerkannter Wechselforderungen. Anm. 1 Abs. 3 zu §. 10 des Ges. v. 31. März 1838. 26) Im ersten Entwürfe war die entgegengesetzte Bestimmung vorgeschlagen. Dagegen protestirten sämmtliche Monenten undSuarez trat ihnen quoad pr. extinetivam bei. Bei der pr. acquisitiva wollte er einen Unterschied machen. Derjenige, gegen welchen das judicatum ergangen, könne da­ gegen nicht präskribiren, weil er einmal in maiam fidem versetzt worden. Simon, Material. S. 470 Nr. II. Daraus ist der 8-558 und der sich auf die Verjährung durch Besitz beziehende, den ent­ gegengesetzten Grundsatz aussprechende z. 592 hervorgegangen. Damals dachte man noch nicht an die 8§« 568, 569. Diese passen dazu nicht.

Bon Erwerbung deS Eigenthums.

567

hotten, die zu einer gewissen Zeit, oder bei einer gewissen Gelegenheit geleistet werden sollen, der Tag, wo die Zahlung oder Prästation zum ersten Male fällig war. §. 560. Bei andern Rechten2?) nimmt die neue Verjährung erst nach einem Jahre, von dem Tage an, da das Urtel rechtskräftig geworden ist, ihren Anfang28). §. 561. Eine bloße außergerichtliche2") Erinnerung ist, für sich allein8O), die Verjährung zu unterbrechen noch nicht hinreichend. 27) Auch bei Zahlungen, wenn in dem Uttel keine Zahlungszeit bestimmt ist. So ist es nach den Materialien gemeint. Der erste Entwurf hatte an Stelle des §. 558 eine entgegengesetzte Bestim­ mung. Darauf folgte die dem §. 559 entsprechende Bestimmung, welche so lautete: „Sie tritt ein, wenn auf Zahlungen oder Prästationen erkannt worden, welche zu einer gewissen Zeit, oder bei einer gewissen Gelegenheit geleistet werden sollen, und zwar von der Zeit an, da sie fällig waren." Suarez widersprach dem Borschlage der Unverjährbarkeit (s. die vor. Ai;m.) und fügte bei: „Gesetzt eS wäre erkannt: Casus solle Titio ioo bezahlen, und in der formula sententiae wäre just das tempus solutionis nicht bestimmt; sollte dann die Forderung inpräskriptibel sein? M. E. fängt alsdann die Verjährung a die judicati von neuem zu laufen an; in dem Falle des §. 29 (559) aber, von dem im Urtel festgesetzten Tage." Simon a. a. O. §. 471. Darauf brachte der gedr. Entw. die un­ serem §. 560 entsprechende Bestimmung, welche dort so lautet: „Außerdem nimmt sie erst re." Diese Fassung entspricht dem Gedanken der Verf. besser als die des §. 560: „Bei anderen Rechten" u. s. w., wodurch der Zweifel angeregt werden kann: ob nicht andere als Forderungsrechte auf Zahlungen oder Leistungen gemeint sein möchten. Wie nran zu dem Jahre nach der Rechtskraft gekommen, er­ hellet nicht; Suarez' Vorschlag war sachgemäßer, denn bei Berurtheilungen auf Zahlung ohne Fristbestimmung versteht sich die sofortige Fälligkeit. 28) Diese Vorschrift kommt auch im Großherzogthume Posen hinsichtlich der vor Einführung deS A. L.R. begonnenen erlöschenden Verjährung gegen ein rechtskräftiges Erkenntniß zur Anwendung. O.Tr. n v. 4. März 1851, Str. Arch. i &.281.

29) Argumento a contrario wird in der Begründung des Pl.-Beschl. v. 6. Juni 1853 (Anm. 10 Satz 2 zu §. 551) behauptet, daß eine gerichtliche Mahnung unterbreche. Dafür giebt es keine pro­ zessualische Form. 30) Für sich allein nicht; es muß noch etwas hinzukommen. Was dies sei, ist aus der Kontroverfengeschichte dieses Rechtsgrundsatzes zu entnehmen. Nach Gemeinem Rechte war eS strei­ tig: ob bei Achuldforderungen die Verjährung durch Interpellation unterbrochen werde; die Römifdjen Quellen schweigen darüber. Dagegen kommen in Beziehung auf die Usukapion zwei Stellen vor: die L. 13 D. pro ernt. (XLI, 4) und die L. 2 C. de annali exceptione (VII, 40). In der ersteren wird gesagt: Es habe Jemand einen fremden leeren Platz von dem Nichteigenthümer bona fide gekauft und vor Ablauf der Verjährung angefangen, darauf zu bauen; der Eigenthümer habe Einspruch (denunciatio) gemacht; der Besitzer habe den Besitz durch die ganze Verjährnngszeit fort­ gesetzt. Es wird gefragt : ob die Ersitzung durch jenen Widerspruch unterbrochen worden sei. Der Jurist (Scävola) antwortet mit Nein. Die zweite Stelle ist eine Verordnung Justinians, welche gleichfalls bloß von der Ersitzung spricht. Die Verordnung giebt ein Mittel zur Unterbrechung der Verjährung, wenn wegen Abwesenheit, oder wegen Kindheit', oder Geisteskrankheit des nicht bevor­ mundeten Besitzers dieÄbforderungsklage nicht angebracht werden kann. Der Eigenthümer oder Be­ rechtigte soll diese Umstände in einer Beschwerde dem Provinzialpräsidenten, oder bei dessen Unzugängüchkeit dem Bischöfe, oder dem Defensor der Stadt anzeigen, und wenn von allen diesen Per­ sonen keine anzutrefsen ist, soll er seine Verwahrung, welche von Tabularien oder von dreien Zeugen mit zu unterschreiben, öffentlich vor der Wohnung der Besitzers anhesten. Das soll zur Unterbrechung der Verjährung genügen. Das Mittel ist also die Protestation im heutigen Rechtssinne. Hinsicht­ lich der Personalklagen standen sich unter den gemeinrechtlichen Schriftstellern und Praktikern zwei Meinungen gegenüber. Nach der einen sollte die bloße außergerichtliche Mahnung unterbrechen; nach der anderen nicht, wenn nicht noch etwas hinzutrete. Was damit gemeint ist, findet man bei einem nicht unberühmten Vertreter dieser Meinung, nämlich bei Wernher, obs., P. III obs. 164: „Extrajudicialis interpellatio possessorem regulariter in mala fide haud constituit, nec praescriptionem interrumpit; sed dantur tarnen quidam casus, ubi illa sufficit, v. gr. conjuncta sit cum deductione Juris, in continenti liquida, ita ut alter causae justitiam agnoscat.“ Nach dieser Meinung wird die Sache so gedacht, daß von der einen Seite gemahnt und von der anderen eine anerkennende Ant­ wort gegeben wird. An eine gerichtliche Mahnung außer dem Falle der Klage, im Gegensatze zur außergerichtlichen, dachte kein Mensch, es konnte Niemand daran denken, weil eS dafür keine prozessualische Form gab. Dies ist das Material, aus welchem die landrechtliche Bestimmung hervorgehen sollte. Der erste Entwurf hatte das Anerkenntniß und die Mahnung nicht zusammen­ gestellt. Er lautete: 20. Durch gegenseitiges Anerkenntniß deS Rechts wird die Verjährung immer unterbrochen. §. 22. Wer den Anderen nur außergerichtlich an seine Verbindlichkeit etwas zu thun oder zu dulden erinnert, unterbricht dadurch diese Art der Verjährung nicht." Zu §. 22

568

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 562—564.

§. 562. Durch gegenseitiges3') Anerkenntniß des Rechts aber wird die Ver­ jährung immer unterbrochen32). war von Scherer folgende-Monitum eingegangen: „Ich würde annehmen, daß bei allen Personal­ klagen eine außergerichtliche Mahnung zur Unterbrechung der Verjährung hinreicht, weil der Gemahnte gewöhnlich seine Schuldigkeit einräumt, und nur Frist zur Zahlung sucht. Daß er bei der Mah­ nung die Forderung nicht eingeräumt, sondern derselben widersprochen habe, muß er allenfalls be­ weisen." Das Monitum harmonirte vollständig mit dem Stande der verschiedenen Meinungen. S u arez wußte davon nichts; er antwortete: „Herr Scherer macht hier ein Monitum, welches ich nicht verstehe, eS wäre denn, daß er bei Realklagen einen Unterschied statuiren wollte, zu dem ich aber keinen Grund absehe. Meines Ermessens ist der Satz bei der praescriptione extinctiva, sie mag ein jus personale oder reale betreffen, richtig; hier verliere ich mein Recht propter solum nonusum. Wenn ich nun den Anderen mahne, so gebrauche ich ja mein Recht, also können mich die Folgen des nonusus nicht treffen." Suarez war also ein Anhänger der ersten der gedachten beiden Mei­ nungen. Man ging jedoch darauf nicht ein, das Conti, lautet: „cessat monitum.“ Simon und v. Strampss, Zeitschrift 3 S. 466. Es blieb also bei den im Entwürfe vorgeschlagenen Sätzen über Anerkennung und Mahnung. Aber nach ihrer Stellung und Fassung hatten sie unter sich keinen Zusammenhang, was doch nach der Quelle vorausgesetzt wird. Das ist bei der Umarbeitung des Entwurfs geändert: der §. 22 erscheint dort (Th. n Tit. 6 §. 443) als Fortsetzung des §. 20 und ist mit diesem durch die eingeschaltene Partikel „aber" in inneren Zusammenhang gebracht, so wie sie sich hier in diesem Titel als §§. 561, 562 zeigen. Aus dieser Geschichte erhellet: 1. daß die §§. 561 und 562 zusammengehören, indem der §. 562 den §. 561 ergänzt; 2. daß das hier in Rede stehende Anerkenntniß als Thatsache aufzufassen ist und daher der Schriftform nicht bedarf, die wohl auch selten auf die mündliche Mahnung zu erlangen sein würde; 3. daß die auf die Mahnung er­ folgende anerkennende Antwort nicht der einzige denkbare Fall ist, in welchem die außergerichtliche Mahnung den Lauf der Verjährung unterbricht; 4. daß eS unzulässig ist, aus dem §. 561 durch ein argumentum a contrario beit Satz zu entnehmen, daß eine gerichtliche Mahnung, verschieden ge­ dacht von der Klageanmeldung, geeignet ist, die Verjährung zu unterbrechen; diese neue Theorie deS O.Tr. (f. die vor.' Anm. 28) ist ohne allen geschichtlichen und ohne allen Rechtsboden. Für eine solche gerichtliche Mahnung giebt es, abgesehen von den Kapitalskündigungen, die nur auf Geldschul­ den berechnet sind (A. G.Ö. Th. I Tit. 28 §. 16), nicht einmal eine Form; die gerichtliche Mah­ nung ist ein überall unbekanntes Institut. Auch eine außergerichtliche Protestation ist kein allgemei­ nes Mittel zur Unterbrechung der Verjährung; man hat die Bestimmung absichtlich fehlen lassen. Simon und v. Strampff a. a. O. S. 526. — Eine außergerichtliche Abforderung genügt in dem Falle des §. 158 Tit. 14. O.Tr. v. 22. April 1839, Entsch. 4 S. 341. DieS ist aber nicht als Ausnahme anzusehen, denn die dort bestimmte Frist ist keine Verjährung, wenngleich daS O.Tr. sie dafür erklärt hat. S. die Anm. zum §. 158 a. a. O. 31) Das „gegenseitig" zeigt an, daß bei Ablegung des Anerkenntnisses eine Beziehung zwischen dem Anerkennenden und dem Gläubiger, die Absicht, die Schuld als noch bestehend anerkennen zu wollen, vorhanden sein müsse; und wenn in solchem Sinne die Anerkennung gegen einen Dritten ausgesprochen worden, so ist dann eine Unterbrechung der Verjährung allerdings eingetreten. ES ver­ hält sich mit dem hier gemeinten Anerkenntnisse ähnlich wie mit dem, den Mangel der schriftlichen Form eineS Vertrages heilenden Anerkenntnisse. O.Tr. v. 8. Nov. 1848, Entsch. 17 S. 120, 122. Vergl. die Anm. zu §. 185 Tit. 5. Dadurch allein, daß die Erben bei der gegenseitigen Erbregulirung ohne Zuziehung des Gläubi­ gers dessen Forderung an den Erblasser für noch bestehend erklären, wird die Verjährung derselben nicht unterbrochen. Ein gegenseitiges Anerkenntniß, welches zur Unterbrechung der Verjährung ge­ eignet sein soll, ist nur dann vorhanden, wenn eine Thätigkeitsäußerung des Berechtigten oder Gläu­ bigers, eine Entgegennahme des Anerkenntnisses, damit verbunden ist. O.Tr. (Pr. 2005) v. 3. März 1848, Entsch. 17 S. 123. Oder auch eine die Anerkennung bezweckende oder enthaltende Erklärung gegen einen Dritten. Denn die Vorschrift des §. 562 erfordert zu ihrer Anwendung nicht, daß daS Anerkenntniß in einem mit dem Berechtigten abgeschlossenen Vertrage oder unmittelbar gegen diesen erfolgt sei. Es reicht hin, wenn der Verpflichtete — seine fortdauernde Verbindlichkeit unzweideutig anerkannt hat; und der Lauf der Verjährung wird insonderheit dadurch unterbrochen, daß der Ver­ pflichtete einem Dritten die Berichtigung der ihm obliegenden Schuld überweist (aufträgt). O.Tr. I (Pr. 1646) v. 13. Nov. 1845, Pr.-S. 1 S. 39. — Dieses gegenseitige Anerkenntniß ist an keine Form gebunden; eS kann auch durch Handlungen ausgedrückt werden und erheischt zu seiner Gültigkeit, auch bei Gegenständen über 50 Thlr., nicht die schriftliche Form. O.Tr. IV (Pr. 2294) v. 27. Mai 1851, Entsch. 21 S. 192. (6. A.) Bergl. auch Str. Arch. 72 S. 30 (I). Dergleichen Handlungen sind z. B. auch Sicherheitsbestellung, Zinsenzahlung (welche das O.Tr. aber auch unter den Begriff der Ausübung deS Rechts gebracht hat, s. die Anm. zu §. 438 Tit. 5), Abschlagszahlung auf eine aus­ drücklich bezeichnete Schuld (II. 1 §. 1084), Fristgesuch (§. 510 d. T.). Vergl. O.Tr. I v. 14. Okt. 1859, Str. Arch. 34 S. 326. Auch der Vergleich enthält ein solches Anerkenntniß. Vergl. O.Tr. II v. 13. April 1849, Entsch. 18 S. 171.

Bon Erwerbung des EigenthumS. §. 563.

569

Von der Zeit einer solchen Unterbrechung kann sie jedoch von neuem3 8)

angefangen werden. §. 564. Ist die Verjährung bereits vollendet, so hebt ein Anerkenntnis des verloschenen8«) Rechts die Wirkung derselben nur in sofern auf, als aus diesem An­ erkenntnisse, nach den Gesetzen, ein neuer Rechtsgrund entsteht88).

32) Das Anerkenntniß einer Schuldverbindlichkeit unterbricht die Verjährung auch dann, wenn nicht zugleich der Betrag anerkannt wird, z. B. Anerkennung einer Verbindlichkeit zum Schadenser­ sätze ohne Anerkennung des Betrages. O.Tr. v. 20. April 1827, Simon, Rechtsspr. 1 S. 78. 33) Ueber die Dauer der neuen Verjährung: oben Anm. 17 zu §. 554. 34) Die Wirkung der Verjährung besteht also in der Verlöschung, Zerstörung des Rechts, was mit dem §. 568 nicht harmonirt. S. u. die Anm. zu §§. 568, 569. 35) Dieser Satz paßt weder zu der Theorie, nach welcher die Verjährung eine Vernichtung ober Verlöschung des Rechts wirkt, noch zu der, nach welcher aus der Verjährung nur die Vermuthung irgend einer Aufhebung entstehen soll (§. 568), noch ist der damit verknüpft gewesene juristische Ge­ danke erkennbar und die praktische Anwendung ist gar schwierig. Was jene Theorie betrifft, so kaun ein ganz und gar (ipso jure) verloschenes Recht durch bloßes Anerkenntniß nicht wieder existent werden, und was die andere Theorie (§. 568) anlangt, so ist bei derselben ein besonderes qualisizirtes Aner­ kenntniß, „aus welchem ein neuer Rechtsgrund entsteht," unmöglich erforderlich, da die Vermuthung schlechtweg durch die Wirklichkeit, mithin durch die Erklärung des Schuldners, daß die Schuld noch nicht aufgehoben worden, beseitigt werden kann. — An welchen Rechtsbegriff man bei einem Aner­ kenntnisse denken soll, „aus welchem , nach den Gesetzen, ein neuer Rechtsgrund entsteht," ist nicht zu sagen, denn ein Anerkenntniß ist überhaupt gar keine Entstehungs- oder Begründungsart für ein Schuldverhältniß. Vgl. o. Anm. 26 zu §. 189 Tit. 5. Der ganze Satz ist durch einen Rechtsirr­ thum entstanden. Der erste Entwurf hatte im §. 20 nur den Satz: „Durch gegenseitiges Anerkennt­ nis des Rechts wird die Verjährung immer unterbrochen." Heidenreich momrte, es sei zu setzen: „die noch nicht vollendete Verjährung" u. s. w. Dazu bemerkte Suarez: „Herr Heidenreich meint, wenn auch nach vollendeter Verjährung das streitige Recht anerkannt würde, so schade doch solches dem Präskribenten nicht, und will dies ausdrücklich gesagt haben. Die Sache scheint mir sehr zweifelhaft; ich bin aber geneigter das Gegentheil anzunehmen, denn die Agnition ist ein neuer Rechtsgrund." Hierauf ist konkludirt: „Nach vollendeter Verjährung roirS die Verbindlichkeit per aguitlouem erneuert." Simon, Material. S. 446. Hier ist also vorausgesetzt: das Anerkenntniß sei ein Entstehungsgrund für ein Schuldverhältniß. Nun brachte der gedruckte Entwurf den §. 445 d. T., welcher mit unserem §. 564 wörtlich gleichlautet. Er ist dem Kouklusum nicht entsprechend gefaßt; denn nach dem Konklusum sollte ein Anerkeimtmß das er­ loschene Recht erneuern; der §. 564 aber sagt: das Anerkenntniß hebe die Wirkung der Verjährung nur insofern auf, als aus dem Anerkenntnisse, nach den Gesetzen, ein neuer Rechtsgrund entsteht. Wird die Satzung nach dem Wortlaute genommen, so ist sie ohne Inhalt, denn nach den Gesetzen ist das Anerkenntniß kein neuer Rechtsgrund, d. h. ein Entstehungsgrund. Nach dem Zusammen­ hänge ist die Sache die: Gemeinrechtlich' steht die Ausschließung der Verjährung und die Modifizirung der Bedingungen oder Wirkungen der Verjährung in Frage.' Eine solche Abänderung der Rechts­ bestimmungen durch Parteiwillkür kann vor und nach Ablauf der Verjährung gedacht werden. Ueber die Zulässigkeit einer solchen Uebereinhinft vor Ablauf der Verjährung, sei es sogleich bei Eingehung des Rechtsgeschäfts oder durch einen späteren besonderen Vertrag, ist Streit; die Unzulässigkeit wird von Vielen behauptet, weil die Verjährung dem jus publicum angehörig und deshalb der Privat­ willkür entzogen (L. 38 D. de pactis II, 14; L. 45 §. 1 D. de reg. jur. L, 17). Neuere Gesetz­ gebungen , namentlich der Code civil Art. 2220 bis 2222 und das östr. G.B. §. 1502 sind dieser Meinung gefolgt. Das A. L.R. hingegen hat, nach vorherigem Schwanken, Simon, Mater. S. 473, 474, sich der entgegengesetzten Ansicht angeschlossen. §§. 565 — 567, 669 d. T. Dagegen ist man einverstanden darüber, 'daß es gestattet sei, nach Ablauf der Verjährung auf die daraus erlangten Vortheile zu verzichten, womit auch jene beiden Gesetzbücher a. a. O. übereinstimmen. DieS ist eS, auf was der §. 564 bezogen werden muß. Die Anwendung setzt mithin bei dem Verzichtenden das Bewußtsein der Erlöschung des fraglichen Rechts und die Absicht, die Wirkung der Verjährung auf­ zuheben, voraus. Wie man sich die Bestandtheile deS Inhaltes eines solchen Anerkenntnisses, „aus welchem nach den Gesetzen ein neuer Rechtsgrund entsteht," zu denken habe, läßt sich, wie gesagt, nicht bestimmen, wenn man die Bestimmung nicht auf einen Verzicht auf die durch die Verjährung erlangten Vor­ theile beziehen will. Das O.Tr. läßt eS in einem Erk. IV v. 19. Septbr. 1854, Str. Arch. 13 S. 364, dahin gestellt sein, wie der neue Rechtsgrund hätte beschaffen sein müssen; denn das damals vorliegende Anerkenntniß war bei einem Gegenstände von mehr als 50 Thlrn. wegen Mangels der Schriftform unkräftig, da daö Anerkenntniß, wie eS in dem Erk. deS O.Tr. IV v. 15. April 1862, Str. Arch. 45 S. 202, direkt ausgesprochen wird und auch nicht zweifelhaft ist, bei Gegenständen über

570

üSmSJ

Erster Theil.

Neunter Titel.

Atz. 565- 568.

Ueberhaupt hängt es von den Parteien ab36),

bei37) Schließung auch im Vor­ aus, zu entsagen ; ingleichen kürzere oder längere Fristen dazu, als die gesetzmäßigen sind, zu verabreden33). §• 565.

Verjährung, eines Vertrags der Verjährung und dem daraus entstehenden Rechte,

50 Thlr. schriftlich gegeben fein muß. (7. A. Vergl. hierzu O.Tr. IV v. 30. Septbr. 1873, Str. Arch. 92 S. 56.) Dieser Grund war für die Entscheidung hinreichend, ja eS könnte behauptet werden, daß ein solche- Anerkenntniß wegen der darin enthaltenen Verzichtleistung allemal die schriftliche Form haben müsse, wenngleich schon der bloße Nichtgebrauch des Einwande- der Verjährung im Prozesse die Vortheile der Verjährung entzieht. I. 16 §. 383. In einem jüngeren Erk. IV v. 7. Juli 1860, Str. Arch. 37 S. 329, nimmt das O.Tr. an, ein Anerkenntniß, welches daS Bekenntniß, daß die verjährte Schuld noch nicht getilgt worden sei, und das Versprechen, die schuldige Summe zu einer bestimmten Zeit zu bezahlen, enthalte, sei mit allen Erfordernissen eines Schuldscheins (§. 730 Tit. 11) versehen, und stelle, wenn auch die Natur der ursprünglichen Verbindlichkeit durch die Aus­ stellung des Schuldschein- nicht geändert werde, einen neuen Rechtsgrund her. Was damit gemeint sei, ist juristisch nicht verständlich. Der §. 730 Tit. 11 spricht von Schuldscheinen über Dar­ lehen, und die verjährte Schuld war für Beköstigung entstanden; es war weder eine neue Beköstigung vorgekommen, noch ein Darlehen gegeben, folglich keine neue causa debendi gegeben worden, wie das O.Tr. vorgiebt; denn ein instmmentum indiseretum stellt eine causa debendi nicht dar. Ein be­ stimmter juristischer Begriff wird nicht ausgesprochen in diesem Erkenntnisse, das Gesagte ist nicht faßbar. — In dem Erk. IV v. 5. Septbr. 1865, Entsch. 55 S. 36, wird da- Anerkenntniß de- §. 564 als ein die Wirkung der bereits vollendeten Verjährung wieder aufhebender Verzicht aufgefaßt. In der Unterschrift der Rechnung de- Gläubigers feiten- des Schuldner- kann ein neuer Rechts­ grund und ein vollständiger Beweis, daß der Schuldner unredlicher Weise und gegen besseres Wissen von seiner noch fortwährenden Verbindlichkeit sich der Erfüllung derselben habe entziehen wollen, nicht gefunden werden. O.Tr. IV v. 15. April 1862, Str. Arch. 45 S. 201. 36) S. die vor. Amn. 35. Suarez trägt bei der Schlußrevision vor, daß diese streitige Frage hiernach der gemeinsten, auch in dem Tribunale rezipirten Meinung entschieden worden sei. Iahrv. 41 S. 14. Die „gemeinste" Meinung soll vielleicht diejenige sein, welche die mehrsten Anhänger hatte. DaS ist aber völlig unentschieden. Die gewichtigsten Meinungen waren auf der anderen Seite, u. A. auch der damals einflußreiche Rave, §. 167, und heutzutage u. A. v. Savigny 5 S. 411, auch sind die beiden neueren Gesetzgebungen (s. d. vor. Anm.), welche gleichfalls dieser Meinung folgen, wohl nicht gewichtlos. Suarez selbst stand auf dieser Seite. Simon, Mater. S. 474.

37) Nicht bloß bei Schließung des Rechtsgeschäfts, worauf sich künftig eine Verjährung beziehen könnte, d. h. also in einem Nebenvertrage, sondern auch nachher, durch einen besonderen Vertrag, können die Betheiligten dies ausmachen. Vergl. die Anm. 35 a. E. 38) Jetzt ist Ungewißheit und Meinungsverschiedenheit darüber: was sür Verträge als solche an­ zusehen sind, welche über die Verjährung geschlossen worden. DaS O.Tr. hat zwei hier einschlagende Präjudizien aufgestellt: i) Pr. 1722, Erk. Hl v. 13. März 1846, Entsch. 14 S. 222 ; Die in einem Vertrage enthaltene Stipulation, daß die dadurch begründeten Rechte bei Verlust derselben binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen, namentlich die in den Schlußzetteln der vereidigten Berliner Kourtiers sich vorfindende Bestimmung: „Auch müssen überall die Rechte aus dem gegen­ wärtigen Geschäfte in den nächsten sechs Wochen nach dem letzten Erfüllungstage durch gerichtliche Klage geltend gemacht werden, widrigenfalls selbige unbedingt erlöschen und nicht mehr verfolgt werden können", ist nicht als ein Vertrag über die Verjährung anzusehen. 2) Ein uneingeschriebenes Pr. v. 25. Januar 1849, Entsch. 17 S. 361: Die Bestimmung in einem Assekuranzvertrage, daß jeder nicht innerhalb sechs Monaten nach dem Unfälle sestgestellte oder nicht vor den Richter gebrachte Entschädi­ gungsanspruch erloschen sei, enthält eine Bedingung und nicht die Verabredung einer kürzeren Ver­ jährungsfrist. Mehrmals wiederholt, namentlich'in den Erk. IV v. 13. Mai 1851, Entsch. 21 S. 64 und Str. Arch. 2 S. 130; v 5. Juni 1860, Str. Arch. 38 S. 35; v. 7. Juni 1866, Str. Arch. 64 S. 140, in welchem letzteren zugleich ausgeführt wird, daß die in der Police enthaltene Bestimmung: „alle nicht innerhalb 6 Monaten--------- durch — Klage — anhängig gemachte Ansprüche — — sind — erloschen", sich nicht so verstehen lasse, daß diese Klage binnen der 6 Monate — behändigt sein müßte; sondern es genüge, daß die — Ansprüche durch — Klage vor dem zuständigen Gerichte innerhalb der stipulirten Frist geltend gemacht werden. Für beide Aussprüche ist die Beweisfüh­ rung ungenügend; durch weit schlagendere und überzeugendere juristische Gründe läßt sich das gerade Gegentheil darlegen. Wenn der Gegenstand der Verabredung die Dauer des Klagerechts (Anspruchs) ist, so ist die Verabredung ein Vertrag über die Vejährung. In einem Erk. IV v. 5. Juni 1860, Str. Arch. 38 S. 35, betr. die Fristbestimmung in einem LebensversicherungSvertrage zur Geltend­ machung des Anspruches daraus, ist die Auffassung der Fristbestimmung als einer Bedingung aufrecht erhalten. Zur Rechtfertigung wird von der hypothetischen Bedeutung der Definition deS §. 500, wie

Bon Erwerbung deS Eigenthum».

571

§. 566. Es muß aber ein solcher Vertrag, bei Strafe der Nichtigkeit dieser") Verabredung, gerichtlich") verlautbart, und wenn er ein Grundstück, oder ein darauf eingetragenes dingliches Recht betrifft, in den gerichtlichen Grund- und Hypotheken­ büchern verzeichnet werden. §. 567. Verträge dieser Art, die nicht ein bestimmtes Geschäft, oder einen be­ stimmten Gegenstand betreffen, sind, soweit sie etwas über die Verjährung bestimmen sollen, ohne rechtliche Wirkung. §. 568. Die vollendete Verjährung durch Nichtgebrauch wirft41 * * ), * * *die * * *rechtliche ***************** sie in der Anm. 2 dazu angegeben ist, auSgegangen, und gesagt, daß «sonach lediglich die im positiven Rechte besonders anerkannten Fälle unter den Begriff zu beziehen seien, dagegen sonstige, zur 'Aus­ übung oder Erhaltung gewisser Befugnisse (? darunter sind doch die Klagerechte nicht begriffen) ge­ stattete Fristen nicht nach den Vorschriften von der Verjährung zu beurtheilen, vielmehr ablaufen, ohne daß es auf die Erfordernisse der letzteren ankomme und (das ist das Punktmn) vertragsmäßig ohne Beobachtung der §. 566 vorgeschriebenen gerichtlichen Form eingeführt werden können. DaS ist

jedoch weiter nichts als eine Behauptung, welche zu erweisen ist. Cs handelt sich hier um die An­ wendung einer Klage innerhalb einer gewissen Frist. Jede Klage erlischt durch den Ablauf einer für sie gesetzlich bestimmten Frist. Diese Frist kann willkürlich von den Kontrahenten verändert werden, aber nur in der §. 566 bestimmten Form. Diese Form will das O.Tr. dadurch umgehen, daß es die willkürliche Fristbestimmung für eine Bedingung erklärt. Das ist rein willkürlich. Ebenso müßte, wenn in einem außergerichtlichen Kaufkontrakte ausgemacht worden wäre, daß, wenn der Käufer das kreditirte Kaufgeld nicht binnen 8 Tagen nach der Uebergabe einklage, die ganze Kaufgelderforderung erloschen sein sollte, als eine Bedingung angesehen werden. Koch scheint daS ein juristischer Unsinn zu sein. Aber die Unzulässigkeit der Auffassung einer solchen Fristbestimmung als Bedingung ergiebt sich ja ganz handgreiflich aus der rechtlichen Natur der Bedingung und deren Wirkung, welche letztere nur darin besteht, daß das bedingte Rechtsgeschäft, je nachdem die Bedingung eintnfft oder unerfüllt bleibt, entweder als aufgelöst oder als unwiderruflich zu betrachten ist. Wie soll denn nun bei einem lästigen Geschäfte, welches von der einen Seite vollständig erfüllt ist, der Erfüllende durch die Versäumung der zur Einforderung der Gegenleistung formlos bestimmten Frist um sein gan­ zes Recht aus der Erfüllung kommen können? Das ist zu erweisen. Aus dem Nichteintreffen der Bedingung kann nie ein Verlust des Rechts sondern nur die Auflösung des Geschäfts folgen. Der Ver­ sicherte müßte also, nach Versäumung der Einforderung seiner Entschädigung, die Prämie zurücker­ halten. — In dem angef. Erk. v. 7. Juni 1866 sagt das O.Tr. zum Beweise seiner Behauptung: „Die Schadensersatzforderung des Versicherers (soll heißen Versicherten) wird dadurch allein, daß ein Brand stattgefunden hat, noch nicht begründet; sondern es muß zugleich feststehen, daß dadurch versicherte Gegenstände beschädigt oder vernichtet worden sind." S. 140 a. a. O. Was soll daS wol bedeuten? Wenn unversicherte Gegenstände verbrennen, so ist ein casus assecurationis ja nicht vorhanden und eine Forderung gar nicht entstanden, folglich kann auch keine verjähren oder sonst erlöschen. Weiter heißt es: „Die Police giebt dem Versicherten kein absolutes Recht auf Schadens­ ersatz, sondern macht ein solches Recht davon abhängig, daß binnen 6 Monaten vom Tage des Bran­ des angerechnet, bestimmte Schadensersatzansprüche durch — Uebereinkunft der Parteien festgestellt, oder Seitens des Versicherten durch — Klage anhängig gemacht werden. Beide Thatsachen stellen sich mithin als Bedingungen dar." (S. 140'unten.) Das ist wieder bloße Behauptung, eine Folge­ rung ohne Schlüssigkeit. Die beiden bezeichneten Thatsachen erscheinen bei einer jeden Verjährung genau ebenso; man könnte daher eine jede der Verjährung unterliegende Forderung eine bedingte nennen, ohne damit etwas auszurichten oder bewiesen zu haben. Vergl. oben die Anm. zu §. WO Tit- 4. (7. A.) In Anwendung auf Wechselverjährung R.O.H.G. v. 28. Febr. 1871, Entsch. 2 S. 65. 39) Nur diese Nebenabrede ist hinfällig; hinsichtlich des Hauptvertrages bleibt es bei den allge­ meinen Vorschriften über die Vertragsformen. 40) Uyter Beobachtung dieser Vorschrift kann auch der Wechselverjährung gültig entsagt werden. Gutachten deö Ges.-Komm. v. 22. Oktbr. und KonfirmationSreskr. v. 9. November 1795. Stengel 10 S. 273 ff. Pr. des O.Tr. Nr. 9 ohne Datum, Pr.-S. 1 S. 68. (6. A.) Die Frage, ob §. 566 anmwenden sei auf eine handelsrechtliche Usance, durch welche eine Abweichung von der gesetzlichen Verjährungsfrist bestimmt wird, verneint das R.O.H.G. v. 19. März

1872, Entsch. 5 S. 186.

41) Die vollendete Verjährung durch Nichtgebrauch wirkt nach den Bestimmungen des A. L.R. gänzliche Erlöschung, Zerstörung, den Verlust des Rechts selbst unmittelbar durch sich selbst (ipso jure). Nr. s. die §§. 501, 502, 564 d. T.; tz. 7 Tit. 16; die Anwendung §. 377 Tit. 16 und §. 631 Tit. 18. Das wird auch von den Verfassern mehr als einmal ausgesprochen. „Alle Rechte, die in einer Ein­ schränkung der Freiheit und Rechte eines Anderen bestehen, gehen per solum nonusum intra tempus

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Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 568—570.

Vermuthung, daß die ehemals entstandene Verbindlichkeit in der Zwischenzeit auf eine oder die andere Art gehoben wotbcn42). lege definitum verloren," sagt Suarez zu dem Klein'schen Entwürfe, Simon, Mater. S. 423. Ferner auf die Monita gegen den gedruckten Entwurf: „Wenn eS bloß darauf ankommt, daß ein Recht erlöschen, und der Verpflichtete die Befreiung von der aus diesem Rechte entspringeuden Ver­ bindlichkeit erlangen soll: so ist es in der Natur der Sache gegründet, daß es dabei nur auf die Person dessen ankomme, der das Recht hat, und wenn dieser sein Recht durch 30 Jahre vernachlässigte, so können die Gesetze, ohne mit sich selbst im Widersprüche zu stehen, diese Vernachlässigung durch den Verlust des Rechtes strafen. Bei dem Verpflichteten kommt es dabei auf bonam oder malam fidem nicht an, denn bei ihm ist gar kein Faktum in medio, wo diese Redlichkeit und Unredlichkeit sich hätte äußern und wodurch er zur Verjährung hätte mitwirken müssen." Simon a. a. O. S. 508. Den Voraussetzungen und Anwendungen' entsprechend wollte Suarez hier an dieser Stelle den Grundsatz selbst, „und zugleich den bei der ganzen Lehre de praescriptione extinctiva zum Grunde liegenden Satz, daß es dabei auf bonam fidem a parte des Verpflichteten nicht an­ komme, zur Hebung aller Zweifel erwähnen" und folgende §§. einschalten: „Die vollendete Ver­ jährung durch Nichtgebrauch wirkt eine gänzliche Befreiung des Verpflichteten von seiner bisherigen Verbindlichkeit. — Diese Wirkung wird durch den Einwand, daß der Verpflichtete seine Verbindlich­ keit gewußt habe, nicht gehindert." Simon a. a. O. S. 532. Statt derselben kamen die beiden tz§. 568 u. 569 zur Entstehung, welche ganz fremdartig sind und deshalb zu den Grundsätzen und Bestimmungen des A. L R. durchaus nicht passen. Damit hat es folgende Bewandtniß. Damals (1790) war die 3. Eichmann'sche Ausgabe des Rave'schen Buchs über die Verjährung erschie­ nen, welches wegen des Einflusses, den es lange ausgeübt, merkwürdig ist. Rave hat in Beziehung auf die Bedingungen der Klageverjährung namentlich in Betreff der bona fides, eine eigenthümliche, vereinzelt gebliebene Meinung. Er ist für die Meinung, nach welcher zur Klageverjährung bona fides erforderlich ist; das Eigenthümliche seiner Meinung bezieht sich auf den Beweis der mala fides. Die Klageverjährung, sagt er, bewirkt nur eine starke Vermuthung der Tilgung. Diele Vermuthung wird nur durch den Beweis zweier Thatsachen entkräftet: 1) daß die Schuld wirklich noch fortdauere, 2) daß der Schuldner dieses wisse. §. 133. Dadurch soll der Beweis der mala fides geführt wer­ den, die der Richter aus den Umständen zu erkennen habe. Dieses Buch mußte wohl der Großkanz­ ler C arm er kurz vorher gelesen haben. Als Suarez über die Monita vor demselben Vortrag hielt, fiel sein Vorschlag und es wurde konkludirt: „Es findet der Beweis statt, daß der Verpflichtete gegen besseres Wissen von seiner noch fortwährenden (Verbindlichkeit) der Erfüllung seiner Verbind­ lichkeit sich entziehen wolle." Simon a. a. O. S. 532. Der umgearbeitete Entwurf brachte dann an dieser Stelle die beiden §§. 568 u. 569 in ihrer gegenwärtigen Fassung und Suarez sagte zu deren Rechtfertigung in seinen amtlichen Vorträgen: „Nach der Praxis wird zwar, sobald die Frist abgelaufen ist, nach der bona fides nicht mehr gefragt; der Theorie aber ist dieses nicht gemäß. Denn lapsus temporis begründet nur eine praesumtionem Juris für den Präskribenten, welche den Beweis des contrarii niemals ausschließt." Simon S. 580. Diese Rechtfertigung ist zum Theile eine wört­ liche Uebersetzung aus Rave §. 132, wie denn Suarez überhaupt bei dieser Gelegenheit (im StaatSrathe) nicht seine eigene Meinung, sondern die Carmer'sche Theorie nach Rave vortrug. Die in den §§. 568 und 569 reproduzirte Lehre des Rave setzt die hindernde Unredlichkeit nicht auf den Anfang oder in den Lauf der Verjährung, sondern in die Zeit nach der Vollendung, nämlich in die deS Prozesses: der Schuldner soll gegenwärtig wissen, daß er noch schuldig fei. Im Uebrigen ist das A. L.R., vielleicht bis auf die einzige Beziehung im §. 245 Tit. 20, unverändert geblieben; diese beiden §§. sind wie ein fremder Körper unvorbereitet eingeschoben und stehen ohne eigentlichen Einfluß neben den Grundsätzen des A. L.R. über die Verjährung, nach welchen keine bona fides er­ forderlich ist. v. Savigny, System 5 S. 343 ff., 346 ff., 406. — Nach Gemeinem Rechte — so spricht daS O.Tr. II in dem Pr. 1100 v. 29. Jan. 1842, Entsch. 7 S. 257, auS — ist sie nament­ lich hinsichts solcher Ansprüche, die auf eine Zahlung oder Leistung gerichtet sind, auch nicht erforder­ lich; und in Fällen, wo die Klageverjährung durch 'Nichtgebrauch schon vor Publikation des A. L.R. vollendet ist, kann auf die Vorschriften der §§. 568, 569 nicht zurückgegangen werden. Später hat sich das O.Tr. unbedingt für die Meinung erklärt, nach welcher das c. 20 X. de praescriptionibus. (II, 26) nur auf die erwerbende und nicht auf die löschende Verjährung Anwendung findet. Diese Stelle wird nämlich in den Worten: ,,unde oportet, ut qui praescribit, in nulla temporis parte rei habeat conscientiam alienae“ von Einigen in der Anwendung auf die erwerbende Verjährung be­ schränkt, indem sie darin nur eine Abänderung des R.R., namentlich der L. un. C. de usucap. transform. (VII, 31) in den Worten: „non interrumpatur ex posteriore forsitan alienae rei scientia,“ sehen; Andere wollen sie nur bei solchen Klagen, welche auf Herausgabe einer unrechtmäßig besesse­ nen Sache gerichtet sind, angewendet wissen; noch Andere beziehen sich'unbedingt auch auf die löschende Verjährung, v. Savigny hält die zweite Meinung für die richtige. System 5 S. 331 ff. Das O.Tr. vertritt, wie gesagt, die erste Meiuung. O.Tr. V v. 17. Febr. 1857, Entsch. 35 S. 32.

42) Aus Rave a. a. O. §♦ 130 lit. f., wo es heißt: „Denique haud inepte forsan dixeris»

Bon Erwerbung des Eigenthum-.

573

§. 569. Diese Vermuthung kann nur durch den vollständigen Beweis, daß der andere unredlicher Weise, und gegen besseres Wissen von seiner noch fortwährenden Verbindlichkeit, sich der Erfüllung derselben entziehen wollt43), entkräftet werden. §. 570. Wer einen Theil seines Rechts ausübt, der erhält dadurch das ganze Recht44). donationem aut remissionem praesumendam esse in eo, instituit.“ Der donatio aut remissio ist im §. 568 „eine

qui integris triginta annis actione

non

oder die andere Art" (der Tilgung) sub-

stituirt. (6. A.) Vergl. Str. Arch. 73 S. 277 (IV). Der §. 568 führt mitunter zu sonderbaren Behauptungen. Man hat z. B. u. A. daraus herge­ leitet, daß derjenige, welcher den Rechtsgrund der gegen ihn geltend gemachten Forderung bestritten und daher deren Tilgung nicht behauptet hat, den Einwand der Verjährung eventuell gegen solche Forderung nicht geltend machen könne. Diesem Irrthume ist das O.Tr. in dem Erk. IV v. 21. April 1863, Entsch. 49 S. 116, entgegengetreten. „Es ist gar nicht inkonsequent, die Einrede der Verjährung neben irgend einer anderen Art der Vertheidigung, selbst neben der absoluten Verneinung geltend zu machen." v. Savigny, System 5 §. 237 Note k. S. 268. Die Präsumtion ist ein Nebengrund der Einführung der Klageverjährung und besteht in der Unwahrscheinlichkeit, daß Jemand seine Klage durch 30 Jahre versäumt haben würde, wenn er nicht schon auf irgend eine jetzt nicht mehr er­ weisliche Art befriedigt worden wäre (S. 268 a. a. O.); sie paßt daher nicht bei kurzen Verjäh­ rungen. 43) Wie dieser Beweis geführt, d. h. wie die Vorschrift praktisch angewendet werden soll, ist nicht zu sagen. Der Erfinder dieser Lehre, Rave, §. 133, sagt: Der Richter habe die mala fides aus den Umständen zu erkennen, unter anderen aus folgenden Thatsachen: aus dem außergerichtlichen Geständnisse, aus dem Versuche, die Beweisurkunden zu unterdrücken, aus Mittheilungen, die er darüber von anderen Personen empfangen haben kann. Ueber die hierin liegende Verwirrung der Begriffe und die logischen Widersprüche s. m. v. Savigny 5 S. 344. Das O.Tr. hat ausgesprochen: Zur Beseitigung der nach §. 568 aus der Verjährung durch Nichtgebrauch entspringenden Vermuthung der Tilgung der Schuld ist der dem Schuldner dahin zu­ geschobene Eid: daß die eingeklagte Schuld von ihm weder durch Zahlung, noch auf irgend eine andere Art berichtigt, und überhaupt keine Thatsache eingetreten sei, wodurch sich das Schuldverhältniß ver­ ändert habe, auch der Verklagte hiervon vollständig unterrichtet sei, — nicht geeignet. O.Tr. HI (Pr. 1521) v. 8. Januar 1845, Entsch. 10 S. 107. Die Eidesdelation muß auf bestimmte That­ sachen gerichtet werden; auf was für welche? das ist die Frage. Es müssen Thatsachen sein, aus welchen der Richter mit Zuverlässigkeit schließen kann, daß der Beklagte nicht nur das Bestehen seiner Verbindlichkeit gekannt, sondern sich derselben auch vorsätzlich unredlicher Weise entzogen habe. Die von Rave bezeichneten Thatsachen sind dazu nicht tauglich. Die Gesetzkommission verlangte im I. 1789 solche unredliche Handlungen des Schuldners, wodurch die Anstellung der Klage verhindert, also der Ablauf der Verjährung veranlaßt werde. Kleines Annalen 6 S. 311. 'Dieser Sinn wird auch von manchen Schriftstellern der Stelle untergelegt. Koch scheint dieser Fall zu den Hinderniflen, welche im Laufe der Verjährung eintreten, und nicht hierher zu gehören. Er kann sich überhaupt keinen bestimmten Fall der Anwendung denken; ihm ist im Verlaufe seiner langjährigen Praxis kein einziger vorgekommen und bekannt geworden. Erlebt hat er folgenden: Jemand hätte im I. 1785 ein Landgut des ehemaligen Deutschordens auf zweimal 6 Jahre gepachtet, so daß die Aufkündigung nach den ersten 6 Jahren geschehen konnte. Als darauf, im Anfänge der 90er Jahre, die Güter an den Fiskus fielen, wurden die Pächter aufgefordert, ihre Kontrakte vorzulegen. Jener zeigte den ursprünglichen Kontrakt vor, wonach er etwa 300 Thlr. Pacht jährl. zu entrichten hatte. Im I. 1827 fand aber die Domänenverwaltung aus einem alten Buche der ehemaligen Ordens­ rentei, daß dieser Pachtkontrakt vvm I. 1785 nach den ersten 6 Jahren aufgehoben und 1791 ein anderer auf 6 I. geschlossen war, wonach der Pächter statt 300 Thlr. 800 Thlr. jährl. Pacht zu zahlen gehabt hatte. Sie nahm daher die Erben dieses Pächters noch nach 40 I. auf Nachzahlung der zu wenig gezahlten Pacht mit Erfolg in Anspruch. Aber sicherlich wird der §. 569 unpassend auf diesen Fall angewendet, da aus der Geschichte nicht erhellet, daß die Erben das Fortbestehen der Schuld wußten und daß sie sich derselben unredlicherweise entzogen hatten. — Die Thatsache, daß der Schuldner eine bestimmte Art der Tilgung eines der Zeit nach verjährten Zinsenrückstandes nur in Beziehung auf den älteren Theil dieses Rückstandes, nicht aber eine weitere Tilgung behauptet hat, giebt nicht den Beweis, welchen der §. 569 verlangt. O.Tr. III v. 4. Mai 1855, St. Arch. 17 S. 164. 44) „Wer ein Kapital zu fordern hat," sagt Suarez, „konservirt das Recht dazu, wenn er auch nur die Zinsen ein fordert. Wer die Jagdgerechtigkeit hat, konservirt das Recht, wenn er auch nur mit der Flinte ohne Hunde jagt u. s. w. Die Meinung ist nun, wenn unter einem ganzen Rechte mehrere einzelne, nicht nothwendig zusammengehörende, Befugnisse begriffen sind, so erlöschen nur diejenigen einzelnen Befugnisse, deren Ausübung unterlassen worden, z. E. ich habe ex contractu

574

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 571—576.

§. 571. Dagegen kann von mehreren in sich verschiedenen, obgleich aus einerlei Rechtsgrunde entspringenden Befugnissen, die eine durch Verjährung erlöschen, wenn gleich die andere durch fortgesetzte Ausübung erhalten nnrb45). §. 572. Kann ein Recht auf mancherlei Art ausgeübt werden, so wird der Be-

ein Recht, von Jemandem jährlich gewisse Geld- und Naturalprästationes zu fordern, und ich habe mich seit 30 Jahren mit den Geldprästatiouen allein begnügt." Simon, Material. S. 532. Hieraus ist der folgende §. 571, der damals noch fehlte, entstanden. Die Einforderung der Zinsen setzt den Gebrauch des entsprechenden Rechtsmittels voraus, denn die außergerichtliche Mahnung gilt nicht für eine wirksame Ausübung des Rechts (§. 561 d. £.). Erfolgt aus die Einforderung entsprechende Zahlung, so ist dann eine Einziehung vorhanden, worin eine Handlung des Gläubigers liegt, die, bei einer dinglichen Forderung, nicht bloß als Ausübung des dinglichen, sondern auch des persönlichen Rechts von Wirkung ist, und die den Anfang der Ver­ jährung auch in Beziehung auf das persönliche Recht ausschließt. O.Tr. im Schles. Arch. 5 S. 468. Vergl. hierzu auch die Anm 33 zu tz. 439 Tit. 5, n. L. 3 C. de annali except. (VII, 40). — Die bloße Empfangnahme einer Zahlung ist gleichfalls als Ausübung des Rechts aufgefaßt worden (f. ebend. o. S. 259), doch enthält das Rechtsgeschäft mehr ein Anerkeuntniß des freiwillig und unveran­ laßt zahlenden Schuldners. Als Anertennruiß, unb zwar sehr richtig als „gegenseitiges" Anerkenntniß, wird die unaufgefordert geleistete und angenommene Zahlung auch iu dem Erk. I v. 14. Iuui 1854 vou dem O.Tr. aufgefaßt. Entsch. 28 S. 81. S. o. die Aum. 31 a. E. zu §. 562 d. T. — „Die durch Zahlung der Zinsen einer Kapitalsschuld erfolgeude Uuterbrechung der angefangenen Extinktivverjähruug ist durch die wirkliche Leistung der Zahlung an den Berechtigten bedingt und tritt daher in dem Falle nicht ein, wo nur die Pflicht des Schuldners zur Zinsenzahlung aus einem beson­ deren Rechtsgrunde, z. B. wegen eines demselben zeitweise angefallenen Nießbrau'chsrechts an jenem Kapitale, eine Zeit lang geruhet hat." O.Tr. 1 (Zus. Nr. 2 zum Pr. 2531) v. 14. Juni 1854, Entsch. 28 S. 76. Die Verjährung ruht auch nicht während dieser Zeit, nach den Grundsätzen des A. L.R.; denn das A. L.R. kennt ein solches Ruhen der Verjährung nicht, mit einer einzigen Auünahnie, worüber: oben tz. 529 und die Anmerk. 43 dazu. — Auch fängt die Verjährung durch Nicht­ gebrauch nicht an, so lange der Berechtigte die für das Recht übernommene Verbindlichkeit seinerseits erfüllt. Tit. 19 §. 32. Wenn z. B. einem Erbpächter gegen Entrichtung des Erbpachtzinses eine fortdauernde Gegenleistung an Holz zugesagt worden, demnächst aber der Forst von dem Gute deS Erbpächters getrennt wird, so ist der Erbpächter gleichwohl von demjenigen, welchem der Kanon ge­ zahlt werden muß, das Holz zu fordern berechtigt, indem durch die Annahme des Kanons jede Extinktivverjährung ausgeschlossen wird, wenn auch der Erbpächter inzwischen seit rechtsverjährter Zeit das Holz in einem anderen, außerhalb des Guts gelegenen Forste angewiesen erhalten und angenom­ men haben sollte. O.Tr. 11 (Pr. 1783) v. 21. Sept. 1846, Pr.-S. 1 S. 122. Aber die Verjäh­ rung durch Nichtgebranch wird dadurch nicht gehindert, daß der Berechtigte seine Verbindlichkeit aus dem Vertrage, wodurch eine Holzgerechtigkeit konstituirt worden, erfüllt hat, wenn die erfüllte Verbindlichkeit mit dem nicht ausgeübten Rechte nicht in einer solchen Beziehung steht, daß sie als Gegenleistung für das nicht ausgeübte Recht klar hervortritt. Pr. des O.Tr. v. 1848 Nr. 11, Entsch. 17 S. 284.

Der Satz des §. 570 ist übrigens mit Vorsicht anzuwenden, denn er hat keine unbedingte und allgemeine Geltung, namentlich kann er nicht angewendet werden auf den Fall, wenn ein gleichartiger, quantitativer Theil eines Rechts nicht ausgeübt wird, z. B. wenn Jemand einen jährlichen Zins von 20 zu fordern hat und durch rechtsverjährte Zeit ohne Vorbehalt 10 annimmt. Th. H Tit. 7 §. 494; Tit. 11 §. 871. Wenn die Schäfereigerechtigkeit als ein Vorrecht der Gutsherrschaft angesehen werden muß, kann sie durch Nichtgebrauch auch in Ansehung einzelner Grundstücke nur dann erlöschen, wenn die Guts­ herrschaft rechtsverjührte Zeit hindurch bie Schafhütung überhaupt auf der Feldmark nicht ausgeübt hat. O.Tr. 11 (Pr. 1059) v. 22. Okt. 1841, Pr.-S. 1 S. 40. Vergl. tz. 573. (7. A.) O.Tr. II v. 22. Dezbr. 1874, Entsch. 74 S. 15. 45) Die Fassung ist unbestimmt; man kann sich vielerlei dabei denken. So hat man gefragt, ob daS Eigenthum als „einerlei Rechtsgrund" zu betrachten, aus welchem mehrere Befugnisse ent­ springen. ' Das wäre keineswegs widersinnig, nur ist das Eigenthum hier ausgeschlossen durch die Bestimmung des tz. 504 d. T. Ein hierher passendes Beispiel ist die mannigfache Wegegerechtigkeit. Von derselben kann die Befugniß zu fahren durch Nichtgebrauch erlöschen, während die geringeren Befug­ nisse erhalten werden. — Die durch einen Vertrag konstituirten Grundgerechtigkeiten auf Bauholz, Brennholz und Zaunstrauch sind nicht Theile Einer Holzgerechtigkeit, sondern selbstständige Befugnisse. Die Ausübung der einen Gerechtigkeit erhält daher nicht die anderen, vielmehr kann die eine'durch Nichtgebrauch erlöschen, während die andere durch den fortgesetzten Gebrauch erhalten wird. Pr. deS O.Tr. 1848 Nr. 1, Entsch. 17 S. 283.

Von Erwerbung deS Eigenthums.

575

sitzer desselben dadurch, daß er sich bisher nur Einer Art der Ausübung bedient hat, in seinem Rechte nicht eingeschränkt"). §. 573. Ein Recht in46 47)48einem 49 fremden Grundstücke geht, in Ansehung des Ganzen, dadurch nicht verloren, daß die Ausübung desselben bisher nur aus einem gewissen Theile geschehen ist4^). §. 574. Soll in beiden Fällen (§§. 572, 573) der Berechtigte in der Art der Ausübung, oder in Ansehung des Bezirks , worauf sie stattsindet, durch Verjährung eingeschränkt werden, so muß der Verpflichtete, oder ein Dritter, den Besitz eines Untersagungsrechts4«) gegen ihn besonders erlangt, und sich dabei durch die Verjäh­ rungsfrist behauptet haben. (Tit. 7, §. 86.) §. 575. Bei mehreren Miteigenthümern untheilbarer, oder gemeinschaftlich be­ sessener Sachen und Rechte kommt das, was in Ansehung des einen Mitberechtigten die Verjährung hindert, oder unterbricht, in Ansehung derselben Sache oder Rechts auch den übrigen zu Statten50). §. 576. Hingegen kann einer unter mehreren Mitverpflichteten, deren Verbind­ lichkeit aus einem und eben demselben Rechte entspringt, bloß um deswillen, weil das Recht gegen ihn nicht ausgeübt worden, sich mit der Verjährung keineswegs schützen5 *). 46) Anwendungen Th. II Tit. 11 §§. 923, 935. 47) Dabel hat man an Grundgerechtigkeiten (Servituten) gedacht. Die Fassung tonimt von Scherer. Die sog. Klein Äschen Materialien hatten folgende Sätze: §. 930. Sollen erworbene Dienstbarkeiten durch den bloßen Nichtgebrauch verloren gehen, so ist dazu ein 30jähriger Zeit­ raum erforderlich. §. 931. Wird sie auch nur zum Theile — ausgeübt, so wird das ganze Recht erhalten. Simon a. a. O. S. 444. Der erste Entwurf dagegen enthielt an der entsprechenden Stelle die entgegengesetzte Bestimmung. §. 30: Jedesmal geht nur derjenige Theil des Rechts, dessen Ausübung vernachlässigt worden, durch Verjährung verloren. Scherer erinnerte dagegen: „Stakt des tz. 30 würde ich setzen: Durch den Nichtgebranch eines Rechts in einem fremden Grundstücke geht das Recht, in Ansehung des ganzen Grundstücks, dadurch nicht verloren, daß die Ausübung desselben nur auf einem Theile desselben geschehen." Suarez aber war damit nicht einverstanden. „Gesetzt," sagt er, „ich habe das Hütungsrecht auf dem ganzen Gute des Titius, ich übe solches aber immer nur über einen gewissen Theil aus; kann ich nach 30 Jahren wieder das ganze Gut behüten? Man sagt: es war res merae facultatis, wie viel ich behüten wollte. Dies ist aber 6et jnribus in re aliena nicht richtig. Kann ich mein Recht aufs Ganze per solum nonusum verlieren, warum nicht auch das Recht auf einen gewissen Theil?" Das Monitum des Scherer wurde jedoch approbirt, und der gedruckte Entwurf brachte unter 452 einen dem Schere raschen Vorschläge entsprechenden Satz, welcher wörtlich unser §. 573 ist. Simon a. a. O. S. 471, 472, 531. Die Beziehung desselben ist hiernach lvohl nicht zweifelhaft. — Insbesondere erhellet, daß der §. 573 sich mit auf die erlöschende Verjährung, nicht auf die Ersitzung bezieht. Vergl. O.Tr. II v. 14. Sept. 1854, Str. Arch. 15 S. 14. 48) Einen solchen Fall s. m. in dem Pr. 1059, in der Anm. 46 a. E. zu §. 570.

49) Scherer hatte in jenem Monitum (Anm. 47) zugleich den Satz vorgeschlagen: „Es sei denn, daß der Eigenthümer oder ein Dritter inzwischen durch einen rechtmäßigen'Besitz ein Mitausnbnngsrecht, oder durch ein Verbot und die darauf erfolgte Beruhigung des Berechtigten, ein gesetz­ mäßiges, ausschließendes Recht erlangt hätte." Daraus ist der tz. 574 entstanden. DaS Untersagungsrecht in der Person des Eigenthümers oder Besitzers führt insoweit zur Freiheit des Grund­ stücks von der Servitut; in der Person eines Dritten hat es anders keine Realität, als wenn der Dritte selbst eine Grundgerechtigkeit in dem betroffenen Bezirke in Besitz genommen hat. Ein Mit­ ausübungsrecht schließt jenen Berechtigten nicht aus. In dieser Hinsicht hat man den Sch er kri­ schen Vorschlag nicht berücksichtigt. 50) Ist z. B. ein Minderjähriger unter den Mitberechtigten, so kann die Verjährung während der Minderjährigkeit auch gegen keinen der übrigen Mitberechtigten ansangen. Der gleiche Grundsatz gilt auch bei der Akquisitivverjährung gegen Miteigentümer, unter welchen ein Privilegirter ist. §, 640 d. T. Vergl. L. 10 D. quemadmodum servit. amitt. (VIII, 6). Man hat den Rechtssatz des §. 575 auf die einem jeden Miterben zustehende hereditatis petitio partiaria anwenden wollen. Dieses Klagerecht steht aber jedem der Miterben für sich selbstständig und unabhängig von dem Rechte der Uebriaen zu und ist, jedes für sich, der Verjährung unterworfen. Vergl. Ö.Tr. 1 v. 20. Febr. 1860, Entsch. 42 S. 66.

576

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 577—579.

§. 577. Soll demselben die Verjährung zu Statten kommen, so wird erfordert, daß er dem Berechtigten die Leistung der Pflicht bei geschehener Aufforderung verwei­ gert. und der Berechtigte dabei die aesekmäßiqe Frist hindurch sich beruhigt habe. (Tit. 7. §. 126.) ' ' §. 578. Es geht also auch ein gegen eine ganze Gemeinde überhaupt ausge­ übtes Recht gegen einzelne Mitglieder bloß dadurch, daß es gegen sie insonderheit binnen rechtsverjährter Zeit nicht ausgeübt worden, keineswegs verloren, sondern diese müssen ihre Befreiung davon auf die im §. 577 beschriebene Art besonders erworben haben. rana'S §• 579- Die Verjährung durch Besitz findet in allen Fällen statt, wo Jemand Besitz, eine Sache oder Recht52), aus einem Titel, der an sich zur Erlangung des EigenBerlÄmn^ thums55) geschickt ist54), durch die in den Gesetzen bestimmte Frist, ruhig und red­

licher55) Weise besessen hat55). 51) Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die, gemäß §. 753 Tit. u, den resp. Erben mehrerer Aussteller eines Schuldinstruments, nach Verlauf von 10 Jahren nach dem Todestage ihrer resp. Erblasser, zu Statten kommende Präskription der Beweiskraft des Schuldiustruments. O.Tr. m (Pr. 924) v. 3. Okt. 1840, Pr.-S. 1 S. 65. 52) D. h. überhaupt einen besitzbaren Gegenstand. Tit. 7 §. 80. Als ein solcher sind nament­ lich auch affirmative Rechte anzusehen. Ein solches kann selbst als Gegenleistung für ein entsprechen­ des Recht des Verpflichteten durch Akquisitivverjährung erworben werden. S. o. Anm. 4 zu §. 503. Dabei versteht sich, daß ein Recht solcher Art, von dessen Ersitzung die Frage ist , von der Gesetz­ gebung nicht als Gegenstand des Privateigenthums unterdrückt worden sein muß, wie z. B. Gewerbe­ berechtigungen oder Zwangs- und Bannrechte, welche durch die Gewerbeordnung v. 17. Jan. 1845 aufgehoben oder für ablösbar erklärt worden sind. §. 11 das. (G.S. S. 43). 53) Das O.Tr. behauptet in dem Erk. II v. 3. u. 15. Nov. 1853, Str. Arch. 10 S. 293, das Miteigentum könne nicht in Besitz genommen und deshalb auch nicht ersessen werden. Der Vor­ dersatz wird durch die anerkannte rechtliche Möglichkeit eines Mitbesitzes (Tit. 7 §. 24) widerlegt; denn wenn ein Mitbesitz möglich ist, so muß er auch erworben werden können, und wenn er erwor­ ben werden kann, so muß dieses auch auf Grund eines an sich zur Erwerbung des Miteigenthums geschickten Titels möglich sein und folglich daS Miteigentum ersessen werden können. 54) Daß unter einem solchen Titel ein Rechtsgeschäft zu verstehen sei, welches auf beabsichtigte Eigenthumsübertragung von dem Einen auf deu Anderen gerichtet und dazu auch nach Beschafsenheit des Gegenstandes tauglich ist (z. B. Kauf, Tausch bei körperlichen Sachen), kann als unstreitig angesehen werden. Was aber sonst zu einem solchen Titel genüge, war lange streitig, namentlich widersprachen sich die Meinungen bezüglich auf die Frage: ob ein in der Form mangelhaftes Rechts­ geschäft einen geschickten Ersitzungstitel gebe. Die schließliche Meinung der Redaktoren des A. L.R. ist aus den Materialien nicht zu erkennen, und es hat zu dieser Kontroverse der Umstand viel bei­ getragen, daß das Institut der Ersitzung und das der 30jähr. Akquisitivverjährung (longi temporis praescriptio) bei der Abfassung des A. L.R. nicht gehörig unterschieden worden ist, obwohl man sich des Unterschiedes, wenn auch erst spät, bewußt geworden. Denn Suarez sagt in dieser Hinsicht: „Die Natur der 30jähr. Präskription muß, auf den Grund einiger monitomm — etwas näher aus­ einandergesetzt werden. Aus dem bloßen gar nicht titulirten Besitze kann niemals ein Eigenthum entstehen; eigentlich findet also auch keine praescriptio acquisitiva sine titulo statt; weil doch aber der Besitzer, qua talis, nur dem weichen darf, der ein besseres Recht zum Besitze nachweisen kann, und weil der, der wirklich ein besseres Recht hatte, solches per nonusum XXX annorum verloren hat, so geschieht es per indirectum. daß der 30j. possessor non titulatus bei seinem Besitze auch contra verum dominum geschützt werden muß, folglich pro domino zu achten ist, weil Niemand mehr vor­ handen ist, der sein Besitzrecht anfechten kann. Die 30j. Präskription ist also im Grunde species extinctivae; weil sie aber doch nur demjenigen Nutzen bringt, der sich im Besitze befindet, so hat man sie füglich unter den acquisitivis mit vortragen können. Sie ist also wirklich vermischter Na­ tur. Von der extinctiva hat sie das, daß kein titulus erfordert wird, und daß zu ihrer Vollendung 30 Jahre gehören. Von der acquisitiva hat sie das, daß eine wirkliche Ergreifung deS vollständigen Besitzes, i. e. eine Handlung, wodurch Jemand die Sache oder das Recht, als das seine, in Besitz genommen, vorhergegangen, und daß der Besitzer in bona fide sein muß, weil mala fides niemals auf die beneficia possessionis, aus welche es doch hier ankommt, ein Recht haben kann. Auf diese Theorie gründen sich die §§. 625—628." Simon, Material. S. 549. — Die Ausleger pflegen je­ doch die §§. 579, 591 und 628 immer zusammenzustellen und dabei den §. 628 zur Deutung der §§. 579 und 591 zu benutzen. Dies ist unstatthaft. Die Bestimmungen der §§. 579 und 591 ge­ hören der ordentlichen, 10—20j. Verjährung (Ersitzung) an, der §. 628 bezieht sich lediglich auf die 30j. Präskription und trägt zum richtigen Verständnisse jener Bestimmungen nichts bei.

Von Erwerbung deS EigenthümS-

577

Die ordentliche Berj. (Ersitzung) ist ein Institut, dazu bestimmt, die juristischen Mängel im Titel oder Rechte oder in der Verfügungsfähigkeit des Autors oder Vorbesttzers zu beseitigen, und setzt ein nach Inhalt, Erfordernissen und Form so beschaffenes Rechtsgeschäft voraus, daß es den Schein hat, selbst bei dem besonnenen und geschäftskundigen Erwerber den Glauben zu erzeugen, daß das Eigen­ thum der Sache, deren Besitz er auf Grund dieses Titels erworben hat, O.Tr. II o. 25. Mai 1852, Str. Arch. 5, S. 275, auf ihn übergegangen sei, während dies in der Wirklichkeit doch nicht der Fall ist. Der Erwerber muß hierüber im Irrthum, aber der Irrthum muß auch gerechtfertigt sein. Es kann mithin dem Autor das Eigenthum fehlen, er kann handlungsunfähig sein, immer vorausgesetzt, daß der irrende Erwerber nicht fahrlässig ist; aber die zu dem Geschäfte gehörende Rechtshandlung, wobei der Erwerber selbst nothwendig mitwirkt, darf nicht auf mangelhafte Weise vollzogen werden. Denn wenn der Erwerber dies aus Unwissenheit thut, so ist der Irrthum nicht gerechtfertigt, und wenn er mit Bewußtsein die vorgeschriebene Form nicht beobachtet, so kann gar nicht Rede vom guten Glauben sein. Auch ein Irrthum über das Dasein eines Rechtsgeschäfts (des Titels) selbst — ein sog. Putativtitel — wird meistens ungerechtfertigt sein, weil er eine eigene Handlung betrifft; er kann aber wohl durch besondere Umstände, z. B. Hmtergehung durch den be­ stellten Bevollmächtigten, der dem Erwerber die vollzogene Erwerbung glaubhaft vorspiegelt, Recht­ fertigung finden. L. 11 D. pro emtore (XLI, 4); L.* 5 §. 1 D. pro suo (XLI, 10); L. 4 I) pro legato (XLI, 8). v. Savigny, System 3 S. 372 ff. Ein bloß vermeintlicher Titel — titulus putativus — genügt zur gewöhnlichen Verjährung durch Besitz nicht, sagt das O.Tr. in dem Erk. III v. 25. Jan. 1864, Str. Arch. 52 S. 217; und dies ist für das allein richtige zu halten, denn ein bloß vermeintlicher Titel ist eben kein wirklicher Titel, also gar kein Titel. Die Praxis hat sich dieser raison ec rite so ziemlich entsprechend entschieden. Durch Pl.-Beschl. (Pr. 972) des O.Tr. v. 15. Febr. 1841, Entsch. 6 S. 41 o, ist festgestellt: „Die gewöhnliche Ver­ jährung durch Besitz erfordert einen Titel, welcher nicht bloß seinem materiellen Inhalte, sondern auch seiner Form nach zur Erwerbung des Eigenthums geeignet ist." Daher kann z. B. der über­ lebende Ehegatte, welchem ein zur Gütergemeinschaft gehöriges Nachlaßgrundstück von dem Vormunde der minderjährigen Erben ohne Aufnahme einer Taxe überlassen worden, das Eigenthum dieses Grundstücks durch Verjährung nicht schon in zehn, sondern erst in dreißig Jahren erwerben. O.Tr. 1 v. 28. Juni 1852, Str. Arch. 5, S. 327. Der Ausdruck „seinem materiellen Inhalte" ist freilich immer so unbestimmt, daß noch fortwährend gestritten werden kann, ob z. B. ein Verkauf durch einen erklärten Verschwender (Jnterdizirten) ein tauglicher Titel sei, oder nicht. (6. A.) „Ein Titel, der nach seinen äußeren erkennbaren Merkmalen für einen rechtmäßigen gehalten werden mußte." Str. Arch. 87 S. 201 (il). Das ältere Pr. 303 (II v. 17. Juni 1837) , Entsch. 3 S. 108, hatte S, in Betreff der Form, schon ganz richtig dahin ausgesprochen: „Ein über ein Grundstück münd­ geschlossener Kaufvertrag ist kein Titel,' welcher an sich zur Erlangung des Eigenthums geschickt, und zur Begründung der gewöhnlichen Verjährung durch Besitz geeignet ist." (6. A.) Diese Ent­ scheidung ist'seit dem Gesetz v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb für veraltet zu erachten, da Titel und Besitz nicht mehr Eigenthum geben können, auch daS Recht auf Auflassung nicht er­ sessen werden kann. — S. auch Pr. 2018 m der Anm. zu §.614. Auch in Hinsicht der Verfügungsberechtigung ist treffend ausgesprochen: „Wenn der mit seiner Ehefrau in ehelicher Gütergemeinschaft lebende Ehemann ein gemeinschaftliches Grundstück ohne Ein­ willigung der Ehefrau verkauft, so ist dies ein zur Erwerbung des Eigenthums an sich geschickter Titel und der redliche Käufer kann das Eigenthum durch die ordentliche Ersitzung von 10 Jahren erwerben." O.Tr. v. 25. Juli 1846, Schles. Arch. 6 S. 461. Die vorgeschriebene Form ist natürlich hierbei vorausgesetzt, und ebenso, wie dort auch ausgeführt ist, der gute Glaube. Vergl. O.Tr. III v. 22. Sept. 1862, Str. Arch. 47 S. 54. In Beziehung auf Berechtigungen, insbesondere Grundgerechtigkeiten, wird gestritten: ob der Titel ein ursprünglich begründender, d. h. die Servitut bestellender sein muß, oder ob es auch ein übertra­ gender (titulus transiativus) sein kann, z. B. wenn Jemand dem Abkäufer seines Grundstücks aus­ drücklich eine angeblich dazu gehörige Grundgerechtigkeit auf des Nachbars Grundstück mit verkauft, und der Käufer dieselbe auch wirklich ausübL Nach den oben vorgetragenen Grundsätzen muß dieses bejaht werden. Das O.Tr. II hat in einem Erk. v. 23. Okt. 1847, Rechtsf. 3 S. 43, die entge­ gengesetzte Meinung ausgesprochen, aus dem ganz falschen Grunde, weil ein zur Eigenthumserwer­ bung an sich geschickter Titel nur von dem Eigenthümer der Sache soll eingeräumt werden können. Die Unrichtigkeit dieser Behauptung ist eine längst ausgemachte und bekannte Sache. Hinsichtlich des sog. Putativtitels (s. o. Abs. 2) hat sich eine Praxis noch nicht gebildet. Weder die Redaktoren haben sich darüber geäußert, noch die landrechtlichen Bestimmungen sprechen sich dar­ über aus. Ein präkludirter Realanspruch kann dem dritten Besitzer gegenüber als Titel einer Verjährung nicht dienen. O.Tr. II (Pr. 2406) v. 26. Okt. 1852, Entsch. 24 S. 315. 55) Unrechtfertigkeit hindert auch die gewöhnliche Verjährung nicht. Der im Pr. des O.Tr. 2073 (Anm. zu §. 628) ausgesprochene Grundsatz gilt, nach den Entscheidungsgründen, von der Akquisitivverjährung überhaupt und ist auch angewendet worden auf einen Fall der 10jährigen BerKoch, Allgemeines Landrecht. I. 7. Aust.

37

Erster Theil.

578

Neunter Titel.

§§. 580—591.

§. 580. Durch einen solchen verjährten Besitz werden Sachen und Rechte nur in so weit erworben, als überhaupt das Eigenthum von Sachen und Rechten dieser Art auf den Erwerber übergehen tonn57).' §. 581. Wenn eine Sache durch Gesetze5 8) dem bürgerlichen Verkehr ganz ent­ zogen worden, so kann sie durch keine Verjährung erworben werden 59). §. 582. Ein Gleiches gilt von Sachen, die durch rechtsgültige Privatverfügun­ gen dem Verkehre entzogen worden, in sofern diese Verfügungen den Erwerhenden verpflichten können«").' (lit. 4, §§. 15—19.) §. 583. Außerdem aber wird durch Irrthum in den Eigenschaften der Sache die Verjährung durch Besitz nicht gehindert. jährung in dem Erk. v. 24. April 1849, in Sachen Schneider w. Obt, lxl4s III, 49. In den Erk. II v. 23. Sept. 1851, Str. Arch. 2 S. 361, u. lll v. 14. Ian. 1859, Str. Arch. 32 S. 134, hingegen nimmt das O.Tr. an, daß der unrechtfertige Besitzer durch zehnjährigen Besitz nicht ver­ jähren könne. 56) Der Erbschastsbesttzer darf sich dem die Erbschaftsklage anstellenden wahrenErben gegen­ über auf die Ersitzung nicht berufen, er kaun namentlich dem wahren Erben gegenüber nicht seinen Titel auf die Erbfolge auS dem Testamente gründen, wenn der Testator die Verpflichtung hatte, dem wahren Erben die Erbschaft zu hinterlassen. O.Tr. I v. 13. April 1866, Str. Arch. 64 S. 73. 57) Bergl. unten die Amn. zu §. 15 Tit. 13 Th. II 58) Litigiöse Sachen gehören nicht zu den, durch Gesetz dem Privat verkehre entzogenen Sa­ chen; das A. L.R. hat das gemeinrechtliche Beräußerungsverbot in Betreff dieser Sachen ausdrücklich aufgehoben. Tit. 11 §.383. Deshalb ist die Litigiosität einer Sache kein Hinderniß der Akquisitivverjährnng, wenn der dritte Besitzer derselben sie aus einem Singularartikel erworben hat, und bei seiner Erwerbung von der RechtSanhängigkeit nicht unterrichtet war. O.Tr. v. 3. Aug. 1846, Entsch. 13 S. 149. Schon nach L. 1 C. de praescr. (VII, 33) hinderte Litigiosität die Verjäh­ rung nicht. Das Marktrecht, oder daS Recht Jahrmärkte zu halten, kann nur durch ausdrückliche Verleihung vom Staate, nicht aber durch Verjährung erworben werden. O.Tr. v. 16. März 1846, Entsch. 13 S. 338. In Schlesien besteht weder ein positives Gesetz, noch ein Gewohnheitsrecht für die ganze Pro­ vinz, welches die Unverjährbarkeit der Aue, d. h. der Plätze im Dorfe, die nicht zu den Gebäuden, Höfen oder Gärten der Dorfinsassen gehören, ausschließt; im Wesen der Dorfaue, als eines von der Gutsherrschaft nicht anSgethanen Theils ihrer Feldmark, aber an und für sich, soweit sie dem Ver­ fügungsrechte des Gut-Herrn als Eigenthümer unterworfen geblieben, liegt nichts, um in Ansehung der erwerbenden Verjährung diesen Theil deS gutsherrlichen'Grundbesitzes anders zu behandeln, als die ganze herrschaftliche Feldmark, wogegen allerdings, soweit die eigentliche Dorfaue als eine An­ stalt' und Einrichtung der öffentlichen Ordnung besteht (was als Thatsache in jedem einzelnen Falle festgesteüt werden muß), der Gutsherr mithin darüber nur alS Gutsobrigkeit zu verfügen hat, oder in seiner Disposition an solche Gebrauchs- und Nutzungsrechte eingeschränkt ist, welche mit jenen Zwecken des öffentlichen Interesses vereinbar, eine verschiedene, von den Verhältnissen deS konkreten Falles bedingte Beurtheilung der Verjährungsfrage eintritt. O.Tr. II (Pr. 2636) v. 19. Juni 1855, Entsch. 31 S. 13, u. Erk. 11 v. 15. März 1860, Str. Arch. 37 S. 97. Von schlesischen Gerich­ ten ist die entgegengesetzte Meinung nach Provinzialrecht gehegt und zur Anwendung gebracht worden. Str. Arch. a.'a. O.; Entsch. a. a. O. S. 15, und Koch, Schles. Arch. 1 S. 530. Festungswerke sind in Beziehung auf die Frage: ob dieselben durch Verjährung gegen den FiSkuS erworben werden können, als Sachen zu behandeln, welche dem Verkehre entzogen find. Th. II Tit. 13 §. 5. O.Tr. III v. 12. Febr. 1864, Entsch. 51 S. 92. Gegen die von einer Festungsbehörde vorgenommene Turbation ist der possessorische Schutz in­ sofern zu gewähren, als der Störer nur als vermeintlicher Eigenthümer des streitigen Terrains in privatrechtlicher Hinsicht in Betracht kommt und weder ein öffentliches Interesse noch die polizeiliche Anordnung einer Festungsbehörde vorliegt, auch das fragliche Grundstück nicht zu den Festungswerken gebraucht worden ist, und äußerlich kein sichtbares Zubehör der Festungswerke gebildet hat. O.Tr. III v. 3. Juni 1864, Entsch. 51 S. 103. (6. A.) Ueber den Berjährungserwerb einer Grundgerechtigkeit an Kirchhöfen oder Begräbnißstätten s. O.Tr. II v. 24. Oktbr. 1871, Entsch. 66 S. *201 ffl 59) Dieser Grundsatz ist auf die Erwerbung eines privativen Nutzungsrechts an öffentlichen en nicht anzuwenden. Unten Anm. zu §. 26 Tit. 15 Th. II — Auch nicht auf die Erwerw von erblichen Kirchenstühlen. Unten Anm. zu §. 681 Tit. u Th. II.

S

60) D. b. insofern die an der in Bezug genommenen Stelle vorgeschriebenen Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen ein Dritter durch dergleichen Verfügungen verpflichtet werden kann.

SSon Erwerbung deS Eigenthums.

579

§. 584. Sachen und Rechte6 *), die Jemand durch Gewalt oder Diebstahl an sich gebracht, uud an einen Andern überlassen hat, können von diesem, wenn er auch ein redlicher Besitzer wäre"), durch die gewöhnliche Verjährung nicht erworben wer­ den (§.648.) §. 585. Hat aber schon der nächstvorhergehende Besitzer die Sache oder das Recht redlich besessen"), so hindert der Einwand, daß ein Dritter dieselben gestohlen oder geraubt habe, die Berjährung nicht«»». §. 586. Wer den vorhergehenden Besitzer nicht angeben kann««), hat in der Regel die Vermuthung gegen sich, daß er die Sache von einem solchen, welcher sie durch Gewalt oder Diebstahl an sich gebracht, erlangt habe. (Tit. 15, §§. 37, 38, 39.) §. 587. Wer wegen Mangels persönlicher Eigenschaften, das Eigenthum gewis­ ser Sachen und Rechte zu erlangen unfähig ist, der kann dieselben auch durch Verjäh­ rung nicht erwerben«7). §. 588. Erst von der Zeit, da die Unfähigkeit gehoben worden, kann die Ver­ jährung angesanaen werden««). §. 589. Alles, was die Besitzergreifung, im rechtlichen Sinne, verhindert, das hindert auch den Anfang der Verjährung durch Besitz. (Tit. 7, §§. 96—108.) §. 590. Alles, was dem Anfänge der Verjährung überhaupt entgegen steht, das hindert ihn auch bei dieser Art derselben (§. 512 sqq.) §. 591. Wer den Besitz aus einem zur Erlangung des Eigenthums nicht geschick­ ten Titel««), obet70) unredlicher7 ept. 1854, Str. Arch. 15 S. 32.

64) Die 50jährige Präskription öffentlicher Lasten und Abgaben hat nur Beziehung auf solche, welche an den Staat entrichtet werden müssen, nicht aber auf Gemeindelasten, namentlich nicht auf solche, wie sie der §. 37 Tit. 7 Th. II des A. L.R. aufzählt. Pl.-Beschl. (Pr. 1716) des O.Tr. v. 20. März 1846, Entsch. 13 S. 42. — (6. A.) Der Pl.-Beschl. bezieht sich nur auf die Frist von 50 Jahren, entscheidet aber nicht darüber, ob bei Gemeindelasten die Verjährung überhaupt ausgeschlossen sei. O.Tr. II v. 9. April 1872, Entsch. 67 S. 158. Daß die in dem gedachten §. 37 erwähnte Verpflichtung nicht als eine öffentliche Last anzusehen und deshalb auch bei der davon behaupteten Befreiung durch Extinktivverjährung die §§. 655 u. 656 d. T. auf dieselbe nicht anwendbar seien, war schon durch das O.Tr. II (Pr. 699) v. 12. Juli 1839, Pr.-S. 1 S. 45, ausgesprochen und ist durch jenen Plenarbeschluß bestätigt worden. Der Bergzehnte, beziehungsweise der Bergzwanzigste, und die Aufsichtssteuer sind als allgemeine Lasten und Abgaben anzusehen'und von allen Bergwerken zu entrichten, deren Besitzer nicht einen be­ sonderen Grund der Befreiung darthun können. Daher findet eine Verjährung derselben nur dann statt, wenn der dazu Verflichte'te zu deren Entrichtung aufgefordert worden, sich aber der Leistung ge­ weigert hat und seitdem 50 Jahre freigeblieben ist. O.Tr. III v. 28. Jan. 1861, Str. Arch. 40 S. 169. Vergl. II. 16 §. 98 und die Anm. dazu. 65) In diesem Falle ist es nicht erforderlich, daß — wie im Falle des §. 656 — die Abgabe gefordert und verweigert worden sei; hier genügt schon der bloße Nichtgebrauch, um die Vermuthung des §. 656 eintreten zu lassen. 66) Seien sie physische, oder juristische Grenzen. Das O.Tr. II (Pr. 921) v. 5. Okt. 1840, Entsch. 6 S. 273, sagt in dieser Beziehung: Die Befugniß, die durch Gesetze, Verträge oder rechts­ kräftige Erkenntnisse klar bestimmten Grenzen einer Sache oder eines Rechtes zu überschreiten, kaun a) sowohl bei negativen, als affirmativen Rechten, b) mag der Umfang nach den physischen Grenzen des Gegenstandes bestimmt sein, oder nicht, — nur durch die 50jährige Verjährung erworben werden. Diese ist mithin auch dann erforderlich, wenn ein durch Vertrag auf Lieferung einer bestimmten Holz­ art, z. B. aus Lieferung von Schirrholz, eingeschränktes Recht, ohne Titel auf die Gewährung von anderen Holzarten, — z. B. von Bauholz — ausgedehnt werden soll. — Es findet auch auf die Er­ werbung der in Rede stehenden Befugniß durch Verjährung die Vorschrift des §. 164 der G.Th.O. v. 7. Juni 1821 und des §. 3 der Dekl. v. 31. März 1841 Anwendung. Unten Anm. zu §. 3 der Dekl. (Zus. zu §. 164 der G.TH.O. Tit. 17 Abschn. 4). 67) Die titellose fünfzigjährige Erhebung der Kommunalabgaben von einem urkundlich von den­ selben befreiten Grundstücke begründet keine Verjährung. O.Tr. II v. 29. April 1851, Str. Arch. 2 S. HO.

Von Erwerbung des Eigenthums.

003

fugniß s»), diese Grenzen zu überschreiten, nur durch Fünfzigjährige Präskription er­ worben werden ^0). §. 661. Ein solcher Fünfzigjähriger ruhiger Besitz ist, ohne Rücksicht auf den Titel desselben, zur Verjährung hinreichend^). §. 662. Hat der, zu dessen Nachtheile die Ueberschreitung der nach §. 660 be­ stimmten Grenzen gereicht, derselben widersprochen; hiernächst aber bei den dennoch fortgesetzten Überschreitungen Dreißig Jahre länglich beruhigt; so ist die Verjährung wider ihn vollendet 72).

68) Darüber, wie man zu dieser Bestimmung gekommen ist, ergeben die Materialien Folgendes: Der erste (ungedruckte) Enlw. bestimmte §. 28: Gegen rechtskräftige Urtheile findet die Verjährung der Regel nach nicht statt. Gegen diesen Satz erklärten sich viele Monenten. v. Tevenar fügte noch bei: „Ferner kann hier noch folgende nützliche Regel angebracht werden; wenn das Recht an einer Sache durch Rechtshandlungen, Verträge oder Gesetze bestimmt worden, diejenigen aber, welche dieses Recht ausüben, die Grenzen dieses Rechtes nicht genau beobachtet haben, so kann aus dieser Unanslnerksamkeit nicht gleich eine Verjährung hergeleitet, sondern die Grenzen des Rechts müssen genau bestimmt werden. Wenn daher durch ein Dienstreglement festgesetzt worden, daß die Dienst­ pflichtigen das Getreide, jedoch des Jahres nur acht Tage, verfahren sollen, letztere aber auch einige Tage mehr sich zu Getreidefuhren gebrauchen lassen, so kann dieserhalb nicht wegen eines vieljährigen Besitzes ein schwererer Dienst, als das Dienstreglement bestimmt, gefordert werden, eö sei denn, daß aus anderen Umständen zu schließen, daß mit der vorigen Regel eine Veränderung vorgegangen sei." Suarez entgegnete hierauf: „So weit ich diesen Zusatz verstehe, handelt solcher von der praescriptftqie contra jus, und würde sich solcher ungefähr auf folgenden Satz reduziren lassen: „Wenn die Grenzen einer Sache oder eines Rechtes durch Gesetze oder Verträge klar bestimmt sind, so kann die Bcfugniß, diese Grenzen zu überschreiten, durch Verjährung nicht erlangt werden." Der Satz gehört also zur Lehre de praescriptione acquisitiva. An sich glaube ich, daß solcher Beifall verdient, ob er gleich in gewisser Art neu ist. Wenn aber Herr v. Tevenar diesen Satz dahin einschränkt: „es sei denn, daß aus anderen Umständen zu schließen, daß mit der vorigen Regel eine Veränderung vorgegangen," so muß der schwankende Ausdruck „aus anderen Umständen" näher bestimmt werden. Ich finde keine andere Bestimmung als die ex praescriptione immemoriali, nämlich: wenn kein Zeit­ punkt, wo die Abweichung von der Regel, oder die Ueberschreitung der Grenzen ihren Anfang genom­ men, mehr ausgemittelt werden kann. Denn alsdann ist zu vermuthen, daß das vorige Pactum oder die gesetzliche Bestimmung per pactum in contrarium abgeändert worden." Darauf wurde konkludirt: 1) contradictio et acquiescentia; 2) 50 Jahre. Simon a. a. O. S. 468 U. flg.

69) Die Befugniß des Berechtig ten nämlich, nicht etwa auch, wie das Kammergericht in einem Falle angenommen hatte, die Unternehmung des Verpflichteten, seine Verbindlichkeit einzuschrän­ ken. Auf diesen Fall findet die 50jährige Präskription nicht Anwendung. O.Tr. II v. 9. Juli 1863, Str. Arch. 50 S. 175.

70) In den Fällen, wo wegen der Ueberschreitung der Grenzen eines Vertrages es einer fünf­ zigjährigen Präskription bedürfen würde, muß dieselbe v. i. Juni 1794 ab berechnet, und bei zugleich behauptetem Immemorialbesitze kann die vorlandrechtliche Zeit der fünfzigjährigen Präskription nicht hinzugerechnet werden. O.Tr. II (Pr. 2118) v. 27. April 1849, Entsch. 18 S'. 192. Diese Vorschrift findet auch gegen Rechtsnachfolger desjenigen Anwendung, mit dem der Vertrag geschlossen, oder gegen den das rechtskräftige Erkenntniß ergangen ist. Diese wirken in rem. Anders mit dem im §. 592 erwähnten Judikate. O.Tr. II v. 19. März 1867, Str. Arch. 67 S. 119 u. Entsch. 58 S. 141. (7. A.) Bei dieser Verjährung kann der Titel pro berede nicht in Betracht kommen. O.Tr. II v. 4» Febr. 1875, Entsch. 74 S. 209. 71) Die §§. 660 u. 661 stehen mit einander in Verbindung und sind nicht dahin zu verstehen, daß ein 50 Jahre und länger bestandener Zustand einen verjährungsmäßigen Besitz begründe; sie bestimmen vielmehr nur: daß eine 50jährige Verjährung in den §. 660 angegebenen Fällen und unter den daselbst angeführten Bedingungen zulässig sei; und der §. 661 lehrt bloß: daß nach einer seit 50 Jahren geschehenen Ueberschreitung der Grenzen eines durch Gesetze und Verträge u. s. w. klar be­ stimmten Rechts aus den Titel, worauf diese Ueberschreitung beruht, keine Rücksicht genommen werden soll. Pr. des O.Tr. 390 v. I. 1837, Pr.-S. 1 S. 45. *

72) Diese Bestimmung bezieht sich auf die Person desjenigen, mit welchem die Grenzen rc. durch den Rechtshandel oder den Vertrag bestimmt worden sind. Dessen Nachfolger aber, sei er Erbe, oder nicht, wird dadurch nicht gehindert, die gewöhnliche Verjährung anzufangen und zu vollenden, ohne daß ihm erst widersprochen wird: nm versteht sich, daß er von der Bestimmung nichts wissen darf.

604

Erster Theil.

Neunter Titel.

§§. 663—669.

Zehnter Titel.

§. 1.

§. 663. Auch ein Fünfzigjähriger Besitz schützt den nicht, welcher der Unredlich­ keit dabei überführt werden sann73). §. 664. Rechte gegen ausdrückliche Verbotsgesetze7 4) können durch keine Ver­ jährung erworben werden. sBirtungen §. 665. Durch die vollendete Verjähmna erwirbt der Besitzer das Eigenthum LkAK der Sache oder des Rechts73). S

®ef*6"

§. 666. Doch erstreckt sich dieses Eigenthum niemals weiter, als der Besitz selbst gegangen ist76).

73) Bergt, o. die Anm. 3 zu §. 614 d. T. Daraus, daß der Verjährende selbst diejenige Person ist, mit welcher die Grenzen rc. bestimmt worden sind, oder daß er davon Wissenschaft hat, ist nicht zu schließen, daß er in mala tide sich be­ funden habe; denn es kann vor 50 Jahren der bestimmte Rechtszustand rechtlich verändert worden sein. Deshalb muß, wenn auch nachgewiesen ist, daß die Grenzen rc. vormals urkundlich bestimmt worden sind, die Unredlichkeit des solche Grenzen überschreitenden Besitzes dennoch besonders bewiesen werden, wie überhaupt die mala fides bewiesen werden muß. Das Recht zur ausschließlichen Benutzung eines gemeinschaftlichen Zwischenraums zwischen benach­ barten Gebäuden kann durch keine Verjährung erworben werden. O.Tr. I v. 23. Septbr. 1851, Str. Arch. 3 S. 94. 74) Darunter sind zu verstehen: 1. Bestimmungen, wodurch für die bezeichneten Fälle die Ver­ jährung ausgeschlossen ist, wie z. B. die Entstehung neuer Gemeinheiten, deren Aufhebung die Gemeinhe'itstheilungs-Ordnung v. 7. Juni 1821 §. 2 bezweckt (§.164; G. v. 31. März 1841 §§. 1 u. 3); 2. Gesetze, wodurch im öffentlichen Interesse der ferneren Begründung eines gewissen Rechts die Anerkennung versagt wird, wie z. B. die Auflegung unfixirter Laudemien seit dem Edikte v. 14. Sept. 1811, O.Tr. II (Pr. 1863) v. 29. April 1847, Entsch. 15 S. 242, die Erwerbung des Rechts zum Hanf- und Flacbsröthen in Privatgewässern, seit demselben Edikte §. 37, O.Tr. II v. 19. April 1864, Entsch. 51 S. in, und in Schlesien der Gebrach der Axt und das Einsammeln des gesetzlich nicht zum Raff- und Leseholze gehörigen Holzes bei Ausübung der Raff- und Leseholz­ berechtigung, seit dem Forstregulative v. 26. März 1788, O.Tr. II (Pr. 1555) v. 10. März 1845 und (Pr. 2276) v. 3. Okt. 1850, Entsch. 20 S. 465. S. auch O.Tr. v. 16. Jan. 1849, Entsch. 17 S. 410. — Dagegen gehören hierher nicht solche Vorschriften, welche nur den Vortheil von Privatpersonen be­ treffen,'wie z. B. die Vorschrift des §. 99 Tit. 8. O.Tr. II (Pr. 1723) v. I. 1846, Pr.-S. 1 S. 25. (6. A.) Durch §. 91 des Ablösungsaesetzes v. 2. März 1850 ist die Fortsetzung und Vollendung des von einer Kirche vor Erlaß dieses Gesetzes angesangenen Verjährungsbesitzes des Rechts auf Lei­ stung einer festen Abgabe in Körnern nicht ausgeschlossen worden. Präj. 2770 O.Tr. I v. 17. Febr. 1873, Entsch. 69 S. 1. 75) Und der bisherige Eigenthümer verliert dasselbe. Die hiermit nicht wohl harmonirende Fas­ sung des §. 56 Tit. 15, wonach die Abforderungsklage ausgeschlossen sein soll, als wenn nur eine Klageverjährung vorgekommen wäre, während doch unzweifelhaft ein Verlust des Eigenthums einge­ treten ist, ist ungenau.

76) Tantum praescriptum quantum possessum. L. 1 §. 4 D. de itinere et actu; c. 18 X. de praescriptione. Daher ist bei einer durch Verjährung erworbenen Wegegerechtigkeit der Berechtigte auf die in §§. 78, 79 Tit. 22 vorgeschriebene Breite des Weges nur in soweit Anspruch zu machen berechtigt, als der Weg diese Breite während der Verjährungsperiode gehabt hat. O.Tr. II (Pr. 2319) v. 28. Okt. 1851, Entsch. 21 S. 374. — Daraus, daß eine Grundherrschaft die Kosten des Schul­ unterrichts in dem bestimmten bisherigen Umfange bestritten hat, kann der Besitz eines weiteren Rechts und daher auch das unbeschränkte Recht der Gemeinde, von der Grundherrschaft die Bestrei­ tung aller Kosten des Schulunterrichts, auch in seiner Ausdehnung aus die neuerdings angeordnete Unterweisung in weiblichen Handarbeiten, zu verlangen, als ein auf Verjährung gegründetes Recht nicht hergeleitet werden. O.Tr. I v. 30. Sept. 1864, Str. Arch. 56 S. 208. — Doch beschränkt sich der Satz in der Anwendung nicht schlechthin auf den körperlichen Umfang des in Besitz genom­ menen Gegenstandes, sondern namentlich bei Rechten auf den in der Absicht des Ausübenden liegen­ den Umfang. Wenn z. B. der Wegeberechtigte die Usukapion des Rechts, zu Wagen über ein frem­ des Grundstück zu passiren, mit einem schmalen Wagen angefangen hätte, und es würde darauf das breite Wagengeleis dort eingeführt, so würde er nach vollendeter Verjährung auch mit einem breiten Wagen fahren können; denn er wollte den Weg von einem solchen Umfange erwerben, daß er mit den üblichen Wagen passiren könnte. Vergl. O.Tr. II v. 10. März 1853, Str. Arch. 9 S. 35. Zum Nachweise der Erwerbung eines Viehweges durch Ersitzung gehört eines Theils die bestimmte Angabe, in welcher Ausdehnung nach Länge und Breite derselbe durch rechtsverjährte Zeit benutzt worden sein soll, und anderen Theils die bestimmte Anzeige der Viehzahl, mit welcher der Prätendent

Bon der mittelbaren Erwerbung deS EigenthumS.

605

§. 667. Hat aber Jemand einen Inbegriffs) von Sachen oder Rechten durch Verjährung erworben, so gebührt ihm das Eigenthum aller darunter begriffenen ein­ zelnen Stücke und Befugnisses). §. 668. Vortheile, welche ein Theilhaber, durch seine Handlungen, der gemein­ schaftlichen Sache verschafft, kommen, auch bei der Verjährung durch Besitz den übri­ gen Theilhabern zu Statten. §. 669. Don Verträgen über die Verjährung durch Besitz gilt alles das, was wegen der Verträge über die Verjährung durch Nichtgebrauch vorgeschrieben ist. (§. 565 sqq.)

Zehnter Titel. Bon der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums. §. 1. Die mittelbare Erwerbung des Eigenthums einer Sache erfordert, außer dem dazu nöthigen Titel, auch die wirkliche Uebergabe derselben'). . 375) wird aufgehoben. §. 158. Die nach §.56 litt, c und ß. 53 Abs. 1 des Ges. v. 11. Juni 1874 dem Landrathe beziehungsweise dem Magistrate zugewiesene Entscheidung ist fortan durch den Beschluß des Kreis(Stadt-) Ausschusses zu treffen. 65) Die ausgehobenen Gesetze stehe bei Dalcke a. a. O. S. 146. 65») (7. A.) Ist das Grundstück inzwischen parzellirt worden, so ist das Vorkaufsrecht dadurch nicht untergegangen, dasselbe steht vielmehr den Parzellenbesitzern gemeinschaftlich zu. Erk. des O.Tr. III v. 15. Jan. 1877, Entsch. 79 S. 66.

Von Kaufs- und BerkaufSgeschiisten.

637

§. 5. Zur Anlegung oder Verbreitung einer öffentlichen Landstraße, oder eines schiffbaren Kanals oder Flußbettes, können die Besitzer der angrenzenden Grundstücke soviel davon, als zu diesem Behufe erfordert wird, dem Staaie käuflich zu überlassen gezwungen werden. §. 6. Ein Gleiches hat statt, wenn der Staat der öffentlichen Sicherheit wegen einen Ort mit Festungswerken zu versehen nöthig findet. §. 7. Bei entstehendem Getreidemangel ist der Staat, zur Abwendung einer drohenden Hungersnoth, berechtigt, die Besitzer von Getreidevorräthen zur Äusstellung derselben zum feilen Verkaufe, jedoch mit Vorbehalt ihres eigenen Bedürfnisses, zu nöthigen. §. 8. In allen Fällen eines durch die Gesetze begründeten nothwendigen Ver­ kaufs muß, wenn über den Preis kein Einverständniß stattfindet, derselbe nach dem Ermessen vereideter Taxatoren bestimmt werden. §. 9. Bei dieser Bestimmung ist nicht bloß auf den gemeinen, sondern auch auf den außerordentlichen66)67Werth Rücksicht zu nehmen. §. 10. Ob der Fall einer Nothwendigkeit des Verkaufs zum gemeinen Wohl vorhanden sei, bleibt der Beurtheilung und Entscheidung des Oberhauptes87) des Staats vorbehalten. §.11. Ueber die Bestimmung des Preises aber soll dem bisherigen Eigenthü­ mer 68) rechtliches Gehör nicht versagt werden8»).

§. 12. Zum Abschlüsse eines jeden Kaufs ist erforderlich, daß der Verkäufer, Erfordernisse die Person, auf welche das Eigenthum übergehen soll, die zu verkaufende Sache7°), und der dafür zu erlegende Preis7l) hinlänglich bestimmt sind7»). I>au(lt 66) Oben Tit. 2 §. 114 u. die Anm. 89 dazu. — Wenn der Expropriat das nicht expropriirte Stück seines Eigenthums auch gegen vollständige Vergütung des außerordentlichen Werths nicht ab­ treten will, so darf er doch nicht verlangen, daß der Expropriant ihm das volle Nutzungsrecht der abgetrennten Ländereien dnrch Herstellung von Anlagen gewähre, deren Kosten in keinem Verhältnisse zu dem außerordentlichen Werthe derselben stehen. Der Expropriat hat einerseits nicht ungemessene Vortheile zu verlangen, er soll nicht zum Nachtheile des Staats und gemeinen Wesens sich bereichern, und der Staat, der zur Expropriation berechtigt ist, kann andererseits in keinem Falle, wenn nicht besondere Gesetze etwas Anderes bestimmen, zu mehr verpflichtet sein, als selbst der Beschädiger aus Vorsatz oder grobem Versehen. Ist durch einen Durchstich zur Regulirung eines Flußbettes ein Grundstück getheilt, so ist der Expropriant nicht gehalten, es dem Expropriaten möglich zu machen, das abgetrennte Stück, welches zum Zweck der Expropriation unnothig ist, wie früher zu benutzen und event, die Kosten dieser Mittel, so unverhältnißmäßig sie auch waren, zu erstatten. Hierzu ist der Expropriant nicht verpflichtet, er muß dem Expropriaten den außerordentlichen Werth des herge­ gebenen Landes und aller Werthsverringerungen seines Restgrundstückes erstatten, auch für Wirth­ schaftserschwernisse, nicht aber kostbare Anstalten treffen, damit die in ihrem Nutzungswerthe verringer­ ten Ländereien wieder den früheren Nutzungsertrag gewähren können. Der außerordentliche Werth des abgetretenen Landes wird hergestellt auch durch die Vergütung der Wirthschaftserschwerniffe des Reflgrundstückes. Erk. des O.Tr. III v. 17. Sept. 1866, Str. Arch. 63 S. 347. Im Uebrigen vergl. die Anm. 16—18 zu §. 8 des Ges. v. 11. Juni 1874. 67) Das gilt auch heute noch.

§. 2 des Enteign.-Ges.

68) Der Rechtsweg steht jetzt sowohl dem Exproprianten als dem Expropriaten und überhaupt jedem Betheiligten zu. Bergl. §. 30 des Enteign.-Ges. und die Anm. 43. 69) (6. A.) Der Anspruch auf den Expropriationspreis kann wie jeder andere Theilanspruch auch getheilt in mehreren Prozessen geltend gemacht werden. Erk. des O.Tr. III v. 6. Ian. 1873, Str. Ärch. 87 S. 295.

70) Ein Waarenkauf nach Mustern enthält bereits die Bestimmung des Gegenstandes. Der Ab­ schluß hängt nicht von der Vergleichung der bei dem Besteller angelangten Waaren mit den Mustern ab. Simon, Rechtsspr. 3 S. 313. 71) Zu den Esfentialien des Kaufs gehört rücksichtlich des Kaufgeldes nicht die Bestimmung we­ gen Zahlung und Verzinsung des Kaufgeldes, sondern nur der Höhe desselben. Soll das Kaufgeld nicht gegen Empfang des Kaufgrundstückes gezahlt werden (§. 221), soll es bis zu einem späteren Zeitpunkte nicht verzinslich sein, so ist eine Einigung darüber nur eine Einigung über eine Nebenbe-

638 in Ansehung der Person der Kontra­ henten,

Erster Theil. (Stifter Titel. §§.13—23.

§. 13. Zur Bezeichnung der Persun, auf welche das Eigenthum übergehen soll, ist es genug, 'wenn aus dem Vertrage erhellet, von wessen Entscheidung,' oder von

welcher Begebenheit die nähere Bestimmung abhängen soll"). §. 14. Die Begebenheit oder das Ereigniß aber, welchem die Bestimmung der Person, auf die das Eigenthum gelangen soll, überlassen worden, muß so beschaffen sein, daß sie innerhalb einer gewissen Zeit unfehlbar eintreffen, und daß dadurch diese Person zuverlässig und ungezweifelt bestimmt werde. §. 15. Mangelt es an diesen Erfordernissen, so ist der Vertrag für nicht ge­ schlossen zu achten. §. 16. Ein Gleiches findet statt, wenn derjenige, dessen Ausspruch die Bestim­ mung des künftigen Eigenthümers überlassen worden, den Ausspruch zu thun sich weigert. §. 17. Zögert derselbe mit diesem Ausspruche, und können die Parteien über

stimmung, sie betrifft nicht das Wesen des Geschäfts, sondern die Modalitäten der Zahlung des fest­ stehenden Kaufpreises. Erk. des O.Tr. Iil v. 19. Sept. 1862, Str. Arch. 47 S. 53. Unter den Begriff des Kaufpreises fällt nicht bloß die Summe, welche der Käufer an den Verkäufer direkt zu zahlen verspricht, sondern auch die weitere, welche Jener für Rechnung des Verkäu­ fers an einen Dritten zu zahlen sich verpflichtet. Erk. des O.Tr. III v. 6. März 1863, Entsch. 50 S. 120. Bergt, über stillschweigende Preiseinigung Gruchot, Beitr. 19 S. 895 u. folg. 72) Bergt. Anm. 4 zu §. 2 und die Anm. 72 zu §. 135 d. T. 73) Was die §§. 13—18 enthalten, ist eine unjuristische Erfindung von Suarez, welche den obersten Grundsätzen von Verträgen widerspricht. Gegen die dagegen eingekommenen Erinnerungen sucht er sie, in den Vorträgen über die Revision der Monita, wie folgt, zu rechtfertigen: „Der Fall, daß auch eine der den Vertrag schließenden Personen erst durch eine künftige Begebenheit näher be­ stimmt werden soll, läßt sich gegen die Meinung einiger Monenten ganz wohl denken, z. B. es kauft Jemand eine Stelle in einem Hospitale für den ersten Armen, der ihm morgen auf der Brücke be­ gegnen wird. Die Meinungen, daß §§. 13—18 wegbleiben müßten, weil ein solcher Vertrag ein bloßes pactum de vendendo enthalte, oder weil der, welcher solchergestalt für einen Dritten kauft, selbst für den Käufer zu achten sei, weil er doch dem Verkäufer in jedem Falle verbindlich bleibe, sind beide unbegründet. Das Gesetz supponirt einen wirklichen Kauf, wo die Person des Käufers obwohl nur relativ bestimmt ist. Da auch der eine Theil, welcher den Kauf schließt, ausdrücklich erklärt, daß er nicht nur für sich selbst, sondern für einen Dritten kaufe, so kann er nicht als Käufer ange­ sehen werden, sondern dieses ist der Dritte, der durch das Ereigniß oder den Ausspruch bestimmt wer­ den soll. Ratio differentiae liegt darin, daß, wenn das Ereigniß oder der Ausspruch nicht erfolgen, nichts geschehen ist, und der, welcher den Kauf geschlossen, für seine Person kein jus agendi daraus hat. Zu §. 14 konfundiren die Monenten den hier beschriebenen Kauf mit einem bedingten. Von diesem ist gar nicht die Rede, sondern davon wird unten gehandelt. Hier ist emtio venditio pura vorhanden, und nur die Person des Käufers wird per relationcm bestimmt. Hieraus folgt aber auch, daß die Begebenheit, auf welche Bezug genommen wird, innerhalb einer gewissen Zeit zuverlässig existiren müsse, weil sonst die Sache gar keinen exitum haben könnte, und eine inextrikable Ungewißheit des Eigenthums entstehen würde, die das Gesetz nicht zulassen will." (Ges.-Rev. Pens. XIV S. 7.) Dabei ist eine Hauptsache vergessen, nämlich die Willensfreiheit des eigentlich gemeinten künftig bekannt werdenden Käufers: dieser soll der wahre Käufer sein und doch wird er wie eine willenlose Sache behandelt, die eben nur relativ bestimmt zu werden braucht. Die Idee ist ein logischer Wider­ spruch. Das Geschäft soll eine emtto venditio pura, und zugleich soll derjenige, welcher zum Besten des Dritten kauft, doch nicht Kontrahent sein, sondern eine unbestimmte und unbekannte, auch nicht vertretene Person, von welcher man nicht weiß, ob es ihr gefällig sein wird, oder nicht, diesen für sie projektirten Kauf abzuschließen. Will sie davon nichts wissen, so ist, nach der Idee, wahrscheinlich kein Kauf zu Staude gekommen; wie soll also von Anfang eine emtio venditio pura vorhanden sein? Gefällt ihr hingegen das Geschäft, und soll es, ohne weitere Rücksicht auf den Verkäufer, durch ihr Wohlgefallen perfekt aeworden sein, so ist ja offenbar erst jetzt der Kauf zu Stande gekommen und zwar zwischen diesem Dritten und dem Verkäufer. Eine Nebensrage, die aber für das Praktische eine Hauptsache ist, bleibt nun das Schicksal des Verkäufers mit feinem Interesse. Dieser soll wieder als Sache behandelt werden, denn er soll sich den ersten besten Almosenempfänger, der seinem vorläufigen Kontrahenten „morgen auf der Brücke begegnen wird", als Käufer aufz'wingen lassen. Eine solche Geschichte kommt im Leben nicht vor, und das ist das Beste an der Erfindung. (6. A.) Hiergegen vergl. Förster a. a. O. 2 S. 50. Nach ihm verordnen die §§. 13—18 nicht, wie die Person eines unbestimmten Käufers zu suchen, sondern wie der neue Eigenthümer zu finden ist. Eine praktische Bedeutung haben die §§. unzweifelhaft nicht.

Von Kaufs- und VerkaufSgeschiisten.

639

eine gewisse Frist dazu sich nicht vereinigen, so muh der Richter, aus das Anrufen eines oder des andern von ihnen, die Frist bestimmen. §. 18. Erfolgt auch binnen der durch den Richter bestimmten Frist kein Aus­ spruch, so ist der Vertrag für nicht geschlossen anzusehen. §. 19. Zur Schließung eines gültigen Kaufs wird erfordert, daß der Verkäu­ fer über das Eigenthum der Sache zu verfügen berechtigt14), sowie, daß der Käufer eine solche Sache zu erwerben und zu besitzen fähig fei74 75).76 Anh. Z. 12.

Obsolet").

§. 20. Wer fremde Sachen oder Güter verwaltet, darf von denselben oder ihren Nutzungen, so lange sein Auftrag dauert, ohne die besondere Bewilligung des Eigenthümers nichts käuflich an sich bringen77). §. 21. Der Auktionskommissarius und der Ausrufer sollen, von den Sachen, welche sie versteigern, weder selbst, noch durch oder für Andere etwas erstehen. §. 22. Bei gerichtlichen Verkäufen kann diejenige Gerichtsperson, welche die Handlung dirigirt,' sowie diejenige, welche dabei das Protokoll führt, nicht mitbieten. §. 23. Hat eine dergleichen ausgeschlossene Person (§§. 21, 22) die Sache den­ noch gekauft, so kommt es auf den Entschluß derjenigen, welche ein Interesse dabei haben, an: ob sie das Gebot des an sich unbefugten Käufers genehmigen wollen, oder nicht. 74) Vgl. Tit. 4 §. 2; L. 42 D. de usurp. (XLI, 3); L. 4 § 32 D. de doli exe. (XLIV, 4). Das O.Tr. deutet diese Satzung so: „Diese Vorschrift ist nid)t dahin zu verstehen, daß, wenn zur Zeit der Errichtung des Kaufs der Verkäufer die Befugniß, über das Eigenthum der Sache zu ver­ fügen, nicht gehabt hat, der Vertrag für die Kontrahenten unbedingt ungültig ist; vielmehr ist eine solche unbedingte Ungültigkeit nur in Beziehung auf den nicht zugezögenen Eigenthümer oder denjeni­ gen, welchen! die Dispositionsbefugniß über die Sache zusteht, vorhanden; in Beziehung auf die Kon­ trahenten dagegen hängt die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Vertrages von den besonderen Wirkungen ab, welche in jedem einzelnen Falle das Nichtvorhaudensein des in dem §. 19 vorgeschriebeuen Re­ quisits auf das Rechtsverhältnis; der Kontrahenten unter einander hat, und diese sind nach den allge­ meinen Vorschriften der Vertragslehre und insbesondere noch den Vorschriften der Gewährleistung bei Kaufverträgen zu beurtheilen." Pr. 601 v. 5. Jan. 1839. Die Gründe dazu s. m. in Koch's Recht der Forderungen 3 S. 609; 2. A. S. 725. Diese Auslegung ist unbefriedigend. Daß den dritten wahren Eigenthümer der Kaufkontrakt gar nicht berührt, ist eine sich von selbst verstehende Sache, für ihn existirt er nicht, und es kann nur sehr uneigentlich von einer Ungültigkeit in Beziehung aus ihn Rede sein. In den Gründen sagt das Obertr.: „Der Eigenthümer oder derjenige, dem die Disposi­ tionsbefugniß über die Sache zusteht, kann daran (an den Verkaufskonrrakt) nicht gebunden sein, ist vielmehr berechtigt, den Verkauf anzufechten." Das ist juristisch unrichtig; der Dritte hat ganz und gar keine Berechtigung, einen Kontrakt anzufechten, den er nicht mit geschlossen hat; die Kontraktsklagen stehen nur den Kontrahenten zu. Die Satzung hat nur in Beziehung auf Sachen, welche, wie Lehennnd Fideikommißgüter, für die Parteien nicht im Verkehre sind, juristischen Sinn, denn ein Kauf über solche Sachen ist allerdings nichtig. §§. 28, 29 d. T. Außerdem ist sie völlig bedeutungslos, ja im Widersprüche mit der Lehre von der Gewährleistung und mit der Verjährung durch Besitz. — Der Verkäufer kann sich zur Begründung des Einwandes der Rechtsungültigkeit des Kaufs auf den §. 19 nicht berufen. Erk. des O.Tr. II v. 5. Dez. 1854, Entsch. 29 S.' 351. Vergl. dazu Erk. des O.Tr. III v. 15. Okt. 1858, Str. Arch. 31 S. 55. Gleichwohl hat der §.19 einen juristischen Kern; der richtige Gedanke ist nur nicht zutreffend ausgedrückt, der Verfasser hatte etwas ganz anderes gesagt, als er hat sagen wollen. Das juristisch Wahre an der Sache ist dies: die Veräußerung ist nichtig, d. h. die Uebertragung; der Kauf aber, nämlich der Vertrag ist völlig bündig und hat gerade die Wirkung, daß er den Käufer wegen der Nichtigkeit der Uebertragung zu seinem Interesse verhilft. Vergl. Koch, Recht der Forderungen 2 S. 337 ff. und 3 S. 726. S. hierzu v. Savigny, Obligationenrecht, Bd. 2 S. 289, 290. (6. A.) Dazu vergl. Förster a. a. O. 2 S. 51, welcher sich im Wesentlichen der Koch'schen Ansicht anschließt. 75) (7. A.) Das Preuß. Recht kennt eine ganze Reihe von Erwerbsverboten. Vergl. darüber Förster a. a. O. 2 S. 52. 76) In Folge der veränderten Militär- und Staatsverfassung. 77) (7. A.) Z. B. Domänenverwaltungsbeamte (K.O. v. 29. Febr. 1812), Forstbeamte (K.O. v. 5. Sept. 1821, G.S. S. 158). Bezüglich der Vormünder siehe §. 40 der Vorm.-O. und die Anm. dazu.

640

Erster Theil.

(Stifter Titel.

§§. 24—38.

§. 24. Genehmigen sie dasselbe nicht, so muß die Sache, auf Gefahr und Ko­ sten des unbefugten Käufers, anderweit zum Verkauf gebracht werden"). §. 25. Hat der unbefugte Käufer die erstandene Sache schon wirklich an sich ge­ nommen, so ist er bis zur beigebrachten Genehmigung der Interessenten für einen un­ redlichen Besitzer zu achten. §. 26. Wie weit Vonnünder Sachen ihrer Pflegebefohlenen verkaufen, selbst kaufen, oder im Namen derselben Kaufverträge schließen können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II, Tit. 18.) §. 27. Dadurch, daß die erkaufte Sache mit eines Andern Gelde") bezahlt, oder für einen Andern bestimmt88) worden, wird das rechtliche Verhältniß zwischen dem Käufer und Verkäufer in keinem Falle geönbert81). in Ansehung §. 28. Alle Sachen, die dem freien Verkehre nicht entzogen sind, können der st-ndee, Gegenstand der Kaufshandlung sein. (Tit. 4, §§. 14—19)82). §. 29. Wird eine Sache nach geschlossenem Kaufe, aber vor erfolgter Uebergabe, dem Verkehre entzogen, so ist der Kauf für nicht geschlossen zu achten. §. 30. Der Gegenstand der Kaufshandlung muß so bestimmt oder bezeichnet werden, daß darüber kein gegründeter Zweifel stattfinden könne88). 78) Daher braucht bei nothwendigen Subhastationen der nächst vorhergehende Bieter, im Falle die Interessenten das Gebot des unbefugten Bieters nicht anuehmen, sich den Zuschlag nicht gefallen zu lassen, er kann ihn aber auch nicht verlangen, vielmehr ist ein neuer Bietungstermin anzuberaumen. Erk. des O.Tr. UI v. 30. Sept, und 3. Okt. 1853, Str. Arch. 10 S. 161. Denn jeder Bieter wird, wenn nicht das Gegentheil ausbedungen, durch ein Uebergebot befreit und ob das letztere schließ­ lich genehmigt werden wird, kann Jener nicht wissen und iuteressirt ihn auch nicht weiter. Für ihn ist es, um abzugehen, genug, daß das Uebergebot überhaupt ausgenommen und dadurch zur Konkurrenz gelassen wird. 79) Ueber die Rechtsregel: res succedit in locum pretii, siehe die Anm. zu §. 36 Tit. 2. 80) Vorausgesetzt, daß nicht in dem Kontrakte die Bestimmung ausgesprochen worden ist. Denn hätte z. B. der Käufer ausdrücklich für einen Dritten gekauft und wäre damit — wie natürlich, weil sonst der Kontrakt nicht vollzogen sein könnte — einverstanden; so würde allerdings dieser Dritte der Käufer, und die kontrahirende Person dessen Vertreter sein. 81) Wenn also auch die Regel: res succedit in locum pretii (Anm. 26 zu §. 36 Tit. 2) aus­ nahmsweise zu Anwendung kommt, wie z. B. in dem Falle des §. 276 Tit. 50 der Pr.-O. uud §. 56 Tit. 17 Th. I des A. L.R., so hat dies doch nicht Einfluß auf das Verhältniß zwischen Käufer und Verkäufer, sondern gründet ein Verhältniß nur zwischen dem Käufer oder dessen Rechtsnachfol­ gern und dem Dritten, welcher sich auf jene Regel berufen kann. In den Kaufkontrakt kann dieser Dritte, mit dessen Gelde die Sache bezahlt worden ist, auch in dem gedachten Falle nicht eintreten, d. h. er kann die noch nicht geschehene Uebergabe an sich von dem Verkäufer nicht fordern; denn der Kontrakt besteht rechtlich wirksam nur zwischen den Personen, welche solchen im eigenen Namen und mit der Absicht, dadurch nur für sich ein Rechtsverhältniß zu begründen, geschlossen haben. Die actio emti steht mithin jenem Dritten nicht zu, und ein dingliches Recht gegen den Verkäufer, in Beziehung auf die fragliche Sache, ist ihm durch die Verwendung seines Geldes zur Bezahlung des Kaufpreises gleichfalls nicht erworben, mithin ermangelt ihm jedes Klagerecht auf Herausgabe der Sache. Aber gegen den Käufer kann er, aus dem nämlichen Grunde, aus welchem er die Sache selbst, wenn sie demselben schon übergeben wäre, abfordern könnte, auch auf Abtretung der Kaufsklage klagen. Bei weiterer Entwickelung des Rechts wird man in diesem Falle eine actio utilis zulassen, d. h. die Ses­ sion der actio emti fingiren (eine sog. nothwendige Session annehmen), weil die förmliche Session überflüssig ist, wo sie durch den Richter erzwungen werden könnte. (6. A.) Der Eigenthümer einer Sache, welche ein Dritter verkauft hat, ist nicht berechtigt, von dem Käufer den Kaufpreis einzufordern. Erk. des O.Tr. IV v. 14. Juli 1868, Str. Arch. 72 S. 100.

82) (6. A.) Ueber die res extra commercium vergl. Förster a. a. O. 1 S. 100 u. 2 S. 52. res litigiosae sind nach der Pr. R. Gegenstand des Verkehrs. Förster a. a. O. 1 S. 235.

83) Wenn bei noch obschwebender Separation einer Feldmark der Besitzer eines Bauerguts von dem auf dieses fallenden Sollhaben eine bestimmte Anzahl Metzen Roggen jährlicher Rente mit der Bestimmung verkauft hat, daß dem Käufer der nach jener Rente sich ergebende Betrag an Morgen­ zahl bei der künftigen Planlage eigenthümlich überwiesen werden soll, so ist dadurch der Gegenstand der Kaufhandlung hinreichend bestimmt. Pr. des O.Tr. 1751 v. 30. Mai 1846, Entsch. 13 S. 168. M. s. auch oben die Anm. zu §. 151 Tit. 4. — Bei Waaren, die in beliebigen Mengen nach

Von Kaufs- und $er!auf8gefduften.

641

8. 31. Ist die nähere Bestimmung des Gegenstandes, welcher verkauft sein soll, einer künftigen Begebenheit8^) überlassen, so muß der Vertrag nach den Regeln der gewagten Geschäfte beurtheilt werden. (Abschn. 6.) §. 32. Ist die verkaufte Sache nach Maß und Gewicht bestimmt, so wird ini zweifelhaften Falle das marktgängige Maß und Gewicht des Orts, wo die Ablieferung geschehen soll85 * * ), *86 * *verstanden. 87 * * * * * * * * * * * * * * * * 84 §. 33. Ist dem Käufer die Wahl unter mehreren bestimmten Sachen vorbehal­ ten worden88) und eine oder die andere derselben wird, vor angestellter Wahl, es sei durch Zufall oder durch das Zuthun des Verkäufers, vernichtet, verdorben, oder sonst abhänden gebracht, so ist der Käufer an den Vertrag nicht mehr gebunden8?). §. 34. Hat der Verkäufer den Verlust vorsätzlich oder aus grobem88) Versehen veranlaßt, so muß derselbe dem Käufer das Interesse leisten. §. 35. In beiden §. 33 bestimmten Fällen hängt es aber von dem Käufer ab, wenn auch nur eine von den mehreren Sachen noch übrig ist, bei dem Vertrage stehen zu bleiben; er kann jedoch alsdann kein Interesse fordern. §. 36. Ist eine von den Sachen, unter welchen der Käufer die Wahl haben sollte, durch desselben eigenes Zuthun vernichtet oder abhänden gebracht worden, so Maß oder Gewicht verkauft werden, ist die Bezeichnung der zu verkaufenden Quantität nach einem geringsten und höchsten Gewichte, z. B. 1000 bis 1500 Ctr. Syrup, zur Perfektion des Kontrakts hin­ reichend. Erk. des O.Tr. IV v. 6. Juli 1854, Str. Arch. 14 S. 120. Die Bestellung von Waaren aus einer Handlung „zur Probe und Auswahl", so wie die Bestel­ lung eines der Auswahl des Reisenden der verkaufenden Handlung überlassenen Assortements von Waaren im Betrage von 150 bis 180 Thlr. enthält keinen perfekten Kaufvertrag. Erk. des O.Tr. IV v. 28. Juni 1862, Str. Arch. 45 S. 295. (6. A.) Ueber die Bestimmtheit des Gegenstandes vergl. noch Gruchot 1, 469 und 9, 122 und die Artt. 336, 353 u. 352 des H.G.B. Soll der ursprüngliche Genuskauf in einen Kauf über individuell bestimmte Sachen, d. h. in einen Spezieskauf übergehen, so ist jedenfalls die Manifestation des Willens nicht bloß des Käufers, sondern auch des Verkäufers, also der beiderseitige übereinstimmende Wille dahin erforderlich, daß ge­ rade die individuell ausgeschiedenen Sachen diese Spezies, das Kaufobjekt sein sollen. Erk. des O.Tr. IV v. 12. Sept. 1867, Str. Arch. 67 S. 344. (7. A.) Die Subhastation eines ideellen Grundstücksantheils kann nicht stattfinden, bevor nicht die Größe dieses Antheils bestimmt festgestellt ist. Daraus, daß Mehrere ein Grundstück ohne Angabe ihrer Antheile gemeinschaftlich erworben haben, folgt noch nicht, daß sie dasselbe zu gleichen ideellen Antheilen besitzen. Iohow, Jahrb.5 S. 12. Eine ungenaue schriftliche Bezeichnung des Kanfgegenstandes, der unter den Kontrahenten ein ge­ wisser ist, kann die Aufrufung des Vertrages wegen Mangels der schriftlichen Form nicht begründen. Gruchot, Beitr. 18 S. 376. 84) Bei Verträgen, wodurch bestimmte Bergwerke oder Grubenantheile (Kuxe) veräußert werden, ist nicht die künftige sehr ungewisse Ausbeute, sondern die gegenwärtige Berechtigung, auf oder unter dem bestimmten Grunde und Boden Bergbau auf die bestimmt verliehenen Fossilien zu treiben (nicht die Grundstücke), Gegenstand des Kaufs; ein solcher Kauf ist mithin ein wahrer Sachkaus. Th. Il Tit. 16 §§. 266, 322. 85) Vergl. §. 256 Tit. 5 und die Anm. dazu. 86) Dieses dem Käufer eingeräumte Wahlrecht geht durch bloße Nichtausübung innerhalb der festgesetzten Frist noch nicht verloren. O.Tr. IV v. 16. Dez. 1851, Str. Arch. 4 S. 180.

87) Vergl. §. 37. Nach R.R. hat die Wahl nicht die Bedeutung einer Bedingung der Obliga­ tion; die alternative Obligation wird daher eine einfache, wenn aus irgend einem Grunde keine Wahl stattfinden kann. L. 72 §. 4 D. de solut. (XLVI, 3); L. 16 pr. D. de Verb. obl. (XLV, 1). Das A. L.R. hat darüber keinen allgemeinen Grundsatz; hier beim Kaufe wird die entgegengesetzte Regel angewendet. Es ist anzunehmen, daß die Bestimmung eben nur eine Anwendung des voraus­ gesetzten allgemeinen Grundsatzes sein soll. — Anch darüber fehlt die Bestimmung: was geschehen soll, wenn der Käufer nicht wählen will, und der Verkäufer auf die Erfüllung dringt und sich durch Deposition befreien will. Wenn die Wahl als Bedingung behandelt wird, so muß der Grundsatz des §. 105 Tit. 4 zur Anwendung kommen, d. h. der Käufer muß das Pretium zahlen, und das Stück sich gefallen lassen, was der Richter zur Deposition annimmt. 88) Nach der Regel sollte auch das mäßige Versehen verantwortlich machen. Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aufl.

§. 278 Tit. 5. 4j

642

Erster Theil.

Stiftet Titel.

§§. 36—48.

muß der Käufer bei dem Vertrage stehen bleiben, selbst wenn für ihn keine Wahl mehr übrig wäre. §. 37. Ist unter mehreren bestimmten Sachen dem Verkäufer die Wahl, welche derselben er dem Käufer gewähren wolle, vorbehalten, so findet in Ansehung seiner alles das statt, was §§. 33—36 wegen des Käufers verordnet ist. §. 38. Ist aus dem Vertrage nicht zu ersehen: ob der Käufer oder Verkäufer die Wahl haben solle, so kommt dieselbe dem Äöufet89)90zu. §. 39. War der Gegenstand des Kaufs schon zur Zeit des geschloffenen Vertrags nicht mehr vorhanden"), und dieses beiden Theilen noch unbekannt91), 92 so * * *ist * * der * Kauf für nicht geschlossen zu achten. §. 40. Wußte nur der Verkäufer, daß die Sache nicht mehr vorhanden sei, so muß er dem Käufer das Jntereffe leisten. §.41. War es nur dem Käufer bekannt ; und es ist keine andere erlaubte Ab­ sicht bei dem Geschäfte mit Zuverlässigkeit auszumitteln, so muß dasselbe in Ansehung des versprochenen99), oder schon wirklich bezahlten Kaufpreises, nach den Regeln von Schenkungen99) beurtheilt werden. 89) Tine Ausnahme von der Regel (Tit. 5 §§. 274 und 156; Tit. 12 §. 388; Tit. 16 §. 192), wozu ein Grund weder angegeben, noch in den Eigenlhümlichkeiien des Kaufs zu finden ist. S. auch die Anm. 85 zu §. 274 5. Auch »ach R.R. hat der Berkäufer die Wahl.

90) Die §§. 52—55 Tit. 5 dürfen auf diese Frage nicht bezogen werden; sie setzen eine be­ dingte Unmöglichkeit voraus, während hier von dem gänzlichen Mangel des als gegenwärtig vor­ handen fingirten Gegenstandes Rede ist. Der hier anerkannte RechlSsatz ist römisch. L. 15 pr. D. de contrah. ernt. (XVIII, 1): „etsi consensum fuerit in corpus, id tarnen in rerum natura ante venditionem esse desierit, nulla emtio est.“ Bergt. L. 8 pr. eodem. 91) War es hingegen beiden Theilen bekannt, so ist der Kauf gleichfalls nichtig. „Quod si uterque sciebat, et emtor et venditor, domum esse exustam totam, vel ex parte, nihil actum fuisse, dolo in ter utramque partem compensando.“ L. 57 §. 3 D. eodem. Bergl. §. 446 d. T. Der Grund ist Unmöglichkeit der Ausführung (§§. 51 u. 52 Tit. 5), wie in dem Falle der §§. 28, 29. Deshalb sagt die L. 8 D. eod.: „nec emtio nee venditio sine re, quae veneat, potest intelligi,“ d. i. der Kauf ist gar nicht vorhanden. Zu vergl. L. 7 D. de bered, vel act. vend. (XVIII, 4). Ist auch angenommen von dem III. S. des O.Tr. in der am 20. Febr. 1849 entschiedenen Sache Zittmann w. Burchardt, 81 9/8266 III, 48. Hat der Käufer auf solchen Kontrakt gezahlt, so kann er das Gezahlte nicht kondiziren, weil er nicht im Irrthume war. Es ist nicht nothwendig, positiv eine Schenkung zn fingiren, um die Kondiktion auszuschließen, die an sich nicht gegeben ist. Der röm. Jurist (Paulus) läßt den Grundsatz auch dann gelten, wenn die Sache nur zum Theile untergegangen war und die Parteien wider besseres Wissen so kontrahiren, als wenn solche vollständig vorhanden, indem Jeder zur Hintergehung des Anderen sich verstellte. Der Rechtsgrund (dolo inter utramque partem compensando) ist genügend, um einem solchen Rechtsgeschäfte rechtliche Anerkennung zu versagen („et judicio, quod ex bona fide descendit dolo ex utraque parte veniente, stare non concedente.“ L. 57 §. 3 D. de contr. ernt. [XVIII, 1]). Das O.Tr. hat sich in einem Erk. v. 31. Jan. 1800, gegen die Meinung der Gerichte I. u. II. Instanz, in einem ähnlichen Sinne ausgesprochen. (Stengel Bd. 16 S. 168.) Die Kaufsklage fällt hiernach weg. Eine andere Frage ist: ob, wenn der eine Theil, namentlich der Verkäufer, das noch Vorhandene übergeben und der Käufer es angenommen hat, hieraus als aus einem unbekannten Realkontrakte auf Gegenleistung (oder Rückgabe) geklagt werden könne. Das ist zu bejahen, ein gegenseitiger DoluS kommt hierbei nicht vor, jeder' sieht und weiß, was er giebt und empfängt.

92) Darin geht also diese Bestimmung weiter als der sich aus das Gegebene beschränkende §. 55 Tit. 5; beide Fälle sind aber auch ungleich, denn im §. 55 konnte der, welcher sich das bedingt Un­ mögliche versprechen ließ, das Eintreten der Möglichkeit bis zur Erfüllungszeit erwarten (§. 56)* daher der Wegfall seiner Verbindlichkeit sich von selbst versteht, wenn er sich irrte. Hier, in dem Falle unseres 8.41, ist es ganz anders; hier konnte der wissende Käufer nichts erwarten. Man hat bei dieser Bestimmung den röm. Rechtsgrundsatz der L. 57 §. 2 D. eodem im Sinne gehabt, doch aber etwas wesentlich ganz anderes daraus gemacht, indem das R.R. das Geschäft folgerichtig als Kauf behandelt, hier aber dasselbe in eine Schenkung verwandelt wird, was ein ganz anderes praktisches Resultat giebt. (6. A.) Bergl. hiergegen Förster a. a. O. 2 S. 56 Note 62. Nach §. 55 I. 5 A. L.R. ist nur das auf ein unmögliches Versprechen wirklich Gegebene als geschenkt anzusehen. Vergl. auch Gruchot 1, 326 und 9, 280.

Von Kaufs- und Berkaussgefchäften.

643

§. 42. War ein Theil93 94)95von 96 der Substanz der verkauften Sache schon zur Zeit des abgeschlossenen Vertrages nicht mehr vorhanden, und dieses beiden Theilen unbekannt, so ist der Vertrag für nicht geschlossen anzusehen. §. 43. War es nur dem Käufer bekannt, so besteht der Vertrag, auch in An­ sehung des verabredeten Kaufpreises. tz. 44. War es nur dem Verkäufer bekannt, so ist der Käufer an den Vertrag nicht gebunden, und kann von ersterem die Leistung des Interesse fordern. §. 45. Will der Käufer bei dem Vertrage stehen bleiben, so finden die Vor­ schriften von der. Gewährsleistung statt. (§§. 192—214.). §. 46. Der Kaufpreis muß in einer bestimmten") Summe99) Geldes bestehen. tt Ansehung des Kauf­ §. 47. Er muß entweder in sich, oder in Beziehung auf ein künftiges Ereig- preises. niß 97)98bestimmt sein. §. 48. Wird der Kaufpreis durch Beziehung auf das Gutfinden eines Drit­ ten99) bestimmt, so müssen beide Theile sich dem Ausspruche dieses Dritten un93) (6. A.) Das Scheukungsversprechen bedarf der gerichtlichen Form, der Kaufpreis würde also nur dann als Geschenk eingeklagt werden können, wenn diese Form beobachtet wäre. Auch die Gründe des Widerrufs müssen hier Anwendung finden. 94) (6. A.) Aus die Größe dieses Theils kommt es nicht an, den Entscheidungsgrund der L. 57 pr. D. (XVIII, 1), wonach es darauf ankommen sott, ob der nicht existirende Theil mehr oder weniger als die Halste betragen, hat das L.R. verworfen. War es beiden Theilen bekannt, daß ein Theil der Substanz nicht mehr vorhanden, so ist nach Borne mann (2. Ausg.) 3 S. 6 der Vertrag zu Recht bestehend, weil anzunehmen sei, daß der Mangel des sehlenden Theils bei Bestimmung der Gegenleistung berücksichtigt worden. 95) Ist der Preis der verkauften Waare nach Maßgabe des nach ihrer vorgängigen Verarbeitung seitens des Empfängers sich ergebenden Gewichts derselben vereinbart worden, so wird der Kontrakt erst mit der Feststellung des Gewichts durch jene Verarbeitung perfekt. Daher ist, wenn der Empfän-. ger vor dieser Verarbeitung in Konkurs verfällt, der Kaufkontrakt ungültig, weil es an einem bestimm­ ten Kaufpreise fehlt. Erk. des O.Tr. IV v. 6. Nov. 1855, Str. Ärch. 19 S. 72.

96) (6. A.) Der Kaufpreis kann auch gezahlt werden durch Uebernahme von Schulden. Erk. des O.Tr. III v. 6. März 1863, Entsch. 50 S. 120. Auch ist nicht nöthig, daß der Geldbetrag wirklich gezahlt wird, es kann dafür etwas Anderes gegeben werden (datio in solutum). Förster a. a. O. 2, 58. Ebenso ist es einflußlos, ob der Käufer mit fremdem Gelde zahlt. Vergl. dazu §.72 I. 16 A. L.R. Ein Rechtsgeschäft, durch welches dem Berechtigten die Holzlese gegen eine jährliche Körner­ abgabe und eine jährliche Geldzahlung eingeräumt worden, hat nicht die Natur eines Kaufs. Erk. des O.Tr. II v. 8. April 1862, Str. Arch. 45 S. 181. Dagegen ist ein Vertrag, durch welchen ein Grundstück für einen bestimmten Preis in einer Geldsumme und eine für die Lebensdauer des Ver­ käufers jährlich zu entrichtende Rente veräußert wird, ein Kaufsgeschäst. G r u ch o t 1 S. 434. Wenn der Preis der verkauften Waare nach Maßgabe des nach ihrer vorgängigen Bearbeitung Seitens des Empfängers sich ergebenden Gewichts derselben vereinbart worden ist, so ist der Vertrag wegen des mangelnden bestimmten Kaufpreises nicht rechtsgültig. O.Tr. IV v. 6. Nov. 1853, Str. Arch. 19 in=

Nutzungen,

§. 299. Hat aber der bisherige Besitzer die Sache, auch nur durch ein mäßiges Versehen, oder durch Veräußerung eines Pertinenz- oder Jnventarienstückes im Werthe vermindert, so muß dem Wiederkäufer dieser Abgang vergütet werben42). §. 300. Auf den Abgang oder die Verringerung solcher Stücke, die aus deren gewöhnlichen Gebrauch und Benutzung, durch Zufall, oder auch durch ein gerin­

ges42) Versehen des Besitzers, entstanden sind, wird dabei nur in soweit Rücksicht genommen, als der Besitzer dergleichen Abgang aus dem Zuwachse nach den Re­ geln eines gewöhnlich guten Wi'rthschaftsbetriebes. zu ersetzen schuldig und vermö­ gend war. §. 301. Ist die Sache gänzlich untergegangen, so fällt das Wiederkaufsrecht lich untcrac- hinweg; der Verlust mag durch Zufall, oder durch ein geringes oder mäßiges4 4) Versanjtn ist, sisieti des Besitzers entstanden sein. §. 302. Hat aber der Besitzer die Vernichtung oder den Untergang der Sache ch wenn die'

tum de emendo, also auch ein pactum de retroemendo, kann nicht durch eine Vermuthung über ein Essentiale ergänzt werden. Aus dieser Vermischung erklären sich die zum Theil den allgemeinsten Grundsätzen über Verträge widersprechenden Satzungen. 38) Diesen Preis zu verabreden ist nicht rathsam, weil wegen der Meliorationen oder Deteriorationen meistens Weitläufigkeiten entstehen, welche abgeschnitten werden durch die Verabredung, daß der zur Zeit des Wiederkaufs zu schätzende Werth der Preis sein solle. Dadurch wird eine etwa beab­ sichtigte Begünstigung des einen oder des andern Theils nicht verhindert, indem dieselbe durch einen voraus bestimmten Aufschlag oder Rückschlag erreicht werden kann. Auch die Schwierigkeit, welche aus einer in der Zwischenzeit etwa eintretenden Münzveränderung entsteht, wird dadurch vermieden. Unbegründet ist die Behauptung, daß, weil der Wiederkaufspreis bestimmt worden, ein Anspruch auf Meliörationskosten ausgeschlossen sei. §. 303. Erk. des O.Tr. III v. 18. Sept. 1865, Str. Arch. 61 S. 33. Förster a. a. O. 2 S. 95.

39) (7. A.) Diese Vorschrift entspricht nicht der Natur des Kaufvertrages, sondern sie hängt mit der deutschrechtlichen Natur des Wiederkaufs als Rückzahlung eines Darlehns zusammen, denn der Wiederkauf diente hauptsächlich zur Umgehung der Zinsverbote des kanonischen Rechts. Förster a. a. O. 2 S. 94. 40) Auch diese Bestimmung gehört dem Kaufe unter dem Vorbehalte des Widerrufs ex nunc oder ex tune an. Bei dem wahren Wiederkaufe kann die Frage nach den Nutzungen und beziehlich Zinsen nicht vorkommen; denn der Käufer ist ja freier Eigenthümer der Sache geworden, nur mit der persönlichen Verbindlichkeit, die Sache dem Verkäufer, wenn er es verlangen sollte, zurückzuver­ kaufen. Ob der Fall eintreten wird, ist ungewiß, vielleicht macht der Berechtigte davon niemals Gebrauch. 41) Er muß also z. B. ein Haus, welches Gegenstand des WiederkaufSrechtS ist und vor der Zeit, wo er erklärte, daß er sein Recht ausüben wolle, zum Theil abgebrannt war, in dem Zustande, in welchem es sich zu dieser Zeit befindet, übernehmen, ohne auf die Feuerversicherungsgelder Anspruch machen zu können. Denn dieser war ein rein persönlicher Anspruch des Wiederverkäufers als dama­ ligen Eigenthümers des zum Theil abgebrannten Hauses. >en Hand-rrichten. Tage­ tz. 896. So lange er diese Vorschrift befolgt, darf er dem, welcher ihn gedun- löl,necn*)gen hat, nicht für den Ausschlag der Arbeit stehen, oder die fehlgeschlagene Unterneh­ mung vertreten. §. 897. Wie weit aber Arbeiter, durch dte Anweisung oder den Befehl des Dingenden, von dem Ersätze des einem Dritten entstandenen Schadens befreit wer­ den, oder nicht, ist im Sechsten Titel tz. 45 sqq. bestimmt. §. 898. Handelt der Arbeiter wider die Vorschrift, so haftet er für allen dadurch verursachten Schaden. §. 899. Außerdem dürfen gemeine Handarbeiter sowohl gegen den Dingenden, als gegen einen Dritten, nur ein grobes oder mäßiges Versehen vertreten88). §. 900. Der gedungene Arbeiter kann nur mit Einwilligung des Dingenden an seiner Statt einen Andern stellen8«). §. 901. Ist dieses mit Einwilligung des Dingenden geschehen, so darf der Ar­ beiter für die Handlungen des Stellvertreters, wenn nichts Besonderes verabredet wor­ den, nicht einstehen8 x). §. 902. Bei eintretenden unüberwindlichen Hindernissen, ist der Arbeiter, einen Andern für sich zu stellen, nicht verpflichtet. tz. 903. Er ist jedoch schuldig, den Dingenden von dem Hindernisse sobald als möglich zu benachrichtigen. tz. 904. Außer diesem Falle muß der Arbeiter, der weder die Arbeit selbst ver­ richten will, noch sich mit dem Dingenden über die Stellung eines Andern vereinigen kann, zur Leistung der versprochenen Arbeit, oder Vertretung des dem Dingenden aus der Unterbleibung entstehenden Nachtheils, nach den Vorschriften der Prozeßordnung angehalten werden88). 28) (6. A.) Aus solche Verträge findet auch die Vorschrift des §. 277 Tit. 5 Anwendung. Dem­ gemäß ist eine Dienstherrschaft, welche das Gesinde ohne rechtmäßigen Grund entlassen und dann wieder ausgenommen hat, verpflichtet, demselben für die Zwischenzeit Lohn und Kostgeld zu zahlen. O.Tr. I v. 2. Sept. 1870, Str. Arch. 79 S. 166. — Der Schäferverding-Vertrag enthält seiner allgemeinen Natur nach einen Vertrag über gemiethete Dienste. — Der Schäfer, insbesondere der Lohn- und Deputatschäfer, ist daher nicht als Verwalter der Schäferei anzusehen und mithin zur Rechnungslegung nicht verpflichtet. O.Tr. IV v. 11. Mär; 1852, Str. Arch. 4 S. 377.

*) Vergl. hierzu die Anm. * zur Überschrift dieses Abschnitts und den Literaturnachweis bei Förster §. 138. 29) Gemeine Handarbeiter werden nicht als Sachverständige in ihrem Gewerbe angesehen und daher nicht nach der Regel des tz. 23 Tit. 3 beurtheilt; ein geringes Versehen wird ihnen also, außer dem Falle des tz. 898, niemals angerechnet. Die Ausdrucksweise des A. L.R: „grobes oder mäßiges Versehen", bedeutet immer, daß nur für culpa levis, nicht auch für culpa levissima, einzustehen ist. Vgl. Tit. 13 tz. 33. Statt „oder" sollte es „und" heißen. 30) (6. A.) Das Rechtsverhältniß zwischen dem Arbeiter und demjenigen, der ihn gedungen hat, wird in den tztz. 895 ff. als ein persönliches aufgefaßt. Deshalb erscheint der Arbeitgeber auch nicht befugt, das Recht auf die Dienste des Arbeiters einem Anderen abzutreten. In der älteren Praxis des gemeinen Rechts war dies streitig. Vergl. Förster, Theorie und Praxis, 3. Aufl. 2 tz. 138 S. 266 Note 52; Gruchot, Beitr. 13 S. 687. 31) Der Stellvertreter ist hier eigentlich nicht ein Stellvertreter, sondern ein Arbeiter, der für sich von dem Arbeitgeber die Arbeit erhalten hat. Daraus folgt von selbst, daß der früher gedungen gewesene Arbeiter für nichts haftet. Die Vorschrift setzt einen durch eine in sich oder beziehungsweise bestimmte Zeit dauernden Kontrakt voraus. Vergl. tz. 905.

32) Nicht zweckentsprechend.

Nemo praecise cogi potest ad faciendum.

Wer möchte auch mit

830

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 905—920.

§. 905. Wenn die Zeit, wie lange der Vertrag dauern soll, weder in sich, noch in Beziehung auf die Vollendung einer gewissen Arbeit, bestimmt ist, so ist bei gemei­ nen Handarbeitern der Vertrag nur aus einen Tag für geschlossen zu achten, und es kann also jeder Theil mit dem Verlaufe jeden Tages davon wieder abgehen. §. 906. Ein Gleiches findet statt, wenn auch die Bezahlung der Arbeiter nicht nach dem Tagelohne, sondern nach Klaftern, Ruthen, oder einem andem Maße be­ dungen worden, sobald nur erhellet, daß nicht das Werk selbst verdungen, sondern die Bestimmung des Maßes bloß der nähern Bezeichnung wegen beigefügt worden. §. 907. Zst aber der Arbeiter auf eine in sich, oder durch Bezug auf die Voll­ endung eines gewissen Werks bestimmte Zeit gedungen worden: so kann er vor Ab­ lauf dieser Zeit, in der Regel nur alsdann, wenn er untüchtig befunden wird, oder sonst seiner Pflicht kein Genüge leistet, entlassen werben33 * * ). §. 908. Wird in diesem Falle, wo der Vertrag mit dem Arbeiter auf eine in sich, oder durch Bezug auf die Vollendung eines gewissen Werks bestimmte Zeit geschlossen ist, die Fortsetzung der Arbeit durch einen Zufall, auch nur auf eine Zeit­

lang unterbrochen, so kann dennoch jeder Theil von dem Vertrage wieder abgehen, und der Arbeiter kann nur für das Geleistete kontraktmäßige Vergütung, weiter aber keine Entschädigung fordern. §. 909. Will jedoch der Dingende bei dem Vertrage stehen bleiben, und ver­ langt er, daß der Arbeiter, nach gehobenem Hindernisse, die Arbeit fortsetzen solle: so muß dieser, gegen Vergütung des gewöhnlichen Tagelohns für die Zwischenzeit, sich dieses gefallen lassen. §. 910. Wird die Arbeit auf eine Zeitlang durch grobes oder mäßiges Verschul­ den des Dingenden oder gar durch die freie Willkür desselben unterbrochen: so kann

der Arbeiter, wenn er, nach gehobenem Hindernisse, die Arbeit fortsetzen will, auch für die Zwischenzeit nach Vorschrift §. 909 Vergütung fordern. §. 911. Will er aber von dem Vertrage wieder abgehen, so muß er mit kon­ traktmäßiger Vergütung des Geleisteten sich begnügen. §. 912. In den Fällen des §. 909, 910 muß der Arbeiter dasjenige, was er in der Zwischenzeit durch anderweitige Beschäftigungen erworben, oder doch zu er­ werben erweislich Gelegenheit gehabt hat, auf die ihm zukommende Vergütung sich abrechnen lassen. §. 913. Entsteht eine solche Unterbrechung der Arbeit durch die Schuld des Ar­ beiters, so kann der Dingende von dem Vertrage zurücktreten, und der Arbeiter kann für das bereits Geleistete nur so weit, als dadurch der Vortheil des Dingenden wirk­ lich schon befördert worden, Vergütung fordern. §. 914. Auch ist alsdann der Arbeiter dem Dingenden für den aus der Unter­ brechung der Arbeit entstandenen Schaden zu haften verpflichtet. §. 915. Will aber der Dingende bei dem Vertrage stehen bleiben, und ver­ langt also, daß der Arbeiter, nach gehobenem Hindernisse, die Arbeit fortsetzen solle, so muß er das schon Geleistete kontraktmäßig vergüten. §. 916. Doch bleibt auch alsdann der Arbeiter nach §.914 zur Schadloshal­ tung verhaftet, und kann für die Versäumniß der Zwischenzeit keine Vergütung fordem. §. 917. Veranlaßt ein Zufall, daß die Arbeit ganz abgebrochen werden muß, einem Handarbeiter zu thun haben, der aus Arbeit yt kommen mechanisch gezwungen wird? Weiter als eben zu kommen reicht der Zwang ja doch nicht bei freien Personen. Bergt, oben Anm. 16.

33) (6. A.) DaS Prinzip de» §. 907 bestimmt auch das Recht des Hausarztes, der auf ein Jahr engagirt ist. (§. 920.) Wird der Arzt vorzeitig ohne rechtmäßigen Grund entlassen, so braucht er sich nicht mit einem verhältnißmäßigen Theil des ihm zugesicherten Jahreshonorars zu begnügen, eS muß ihm vielmehr das Honorar voll gezahlt werden. Förster a. a. O. S. 269 Note 68. Der juristische Grund dürste in der rechtlichen Untheilbarkeit der Leistung liegen. Der Hausarzt muß während des ganzen Jahres seine Hülfe leisten; ob sie in Anspruch genommen wird, ist gleichgültig.

Bon Verträgen über Handlungen.

831

so erhält der Arbeiter für das bereits Geleistete kontraktmäßige Vergütung; außerdem aber ist kein Theil dem andern zur Schadloshaltung verpflichtet. §. 918. Wird die Arbeit durch Schuld oder Äillkür des Dingenden ganz abge­ brochen, so muß derselbe nicht nur das bereits Geleistete kontraktmäßig vergüten, son­ dern auch dem Arbeiter, so lange bis er Arbeit zu finden Gelegenheit hat, nach rich­ terlichem Ermeffen das gewöhnliche Tagelohn entrichten"). §. 919. Entsteht die gänzliche Abbrechung der Arbeit durch die Schuld des Ar­ beiters, so muß dieser nicht nur mit einer Vergütung des Geleisteten, welche dem durch das Geleistete dem Dingenden wirklich verschafften Vortheil angemessen ist34 35),36 sich begnügen; sondern auch Letzterm für den, aus der Rückgängigwerdung des Ge­ schäfts entstehenden Schaden haften33). §. 920. Was vorstehend von gemeinen Handarbeitern verordnet ist, findet in der Regel auch alsdann statt, wenn Werkmeister oder Künstler zur Verrichtung einer »«tem und gewissen Arbeit gedungen werben37). Künstlern*;. 34) (6. A.) Ein Bauer, der einen Tagelöhner auf mehrere Jahre eugagirt, bann aber ohne rechtmäßigen Grund entlassen hatte, war zur Wiederaufnahme des Entlassenen in die Arbeit gegen da­ bedungene Tagelohn verurtheilt. Die Nichtigkeitsbeschwerde rügte Nichtanwendung/des §. 918. Das Obertribunal wies jedoch die Beschwerde zurück, indem es annahm, daß der §. 918 nur aus den zweiten Fall des §. 907 bezogen werden könnte, „da es eine mindestens sehr ungewöhnliche Ausdrucks­ weise wäre, bei Dienstleistungen, welche das Bedürfniß einer Landwirthschast' fortdauernd erheischt, einen Wechsel in der Person des Arbeiters als ein Ab brechen der Arbeit zu bezeichnen, auch bei der Anordnung, wonach der Dingende das bereits Geleistete kontraktmäßig vergüten solle, nicht füglich an ein Tagelöhnerverhältniß gedacht sein könne." O.Tr. IV v. 7. Jan. 1862, Str. Arch. 43 S. 421. Die Motivirung dürfte nicht überzeugen. Der Sprachgebrauch gestattet sehr wohl, von dem Abbruche der Arbeit auch dann zu reden, wenn der Arbeiter entlassen und die Arbeiten, für die er gedungen war, von einem Anderen verrichtet werden. Auch bleibt es unerfindlich, weshalb die kontraktmäßige Vergütung der geleisteten Tagelöhnerarbeit hier etwas Auffälliges haben soll. Först er (a. a. Q. Note 61) bezieht denn auch den §. 918 auf beide Fälle des §. 907. Vergl. oben die Anm. 16 Abs. 2 zu §. 877. — Daß die Verpflichtung des Dingenden nach Abbrechung der Arbeit niemals länger dauern kann, als sie nach dem Vertrage' gedauert haben würde, ist nicht zweifelhaft. §. 908.

35) Nur die actio in factum wegen Bereicherung hat der Arbeiter; die Kontraktsklage würde durch die exc. doli unwirksam gemacht werden. Die Bereicherung wird jedoch soweit konsumirt, wie der „aus Rückgängigwerdung des Geschäfts entstehende Schaden" des Anderen reicht. 36) (6. A.) Aus den §§. 869—919 kann eine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Ersatz des Schadens, den der Arbeiter bei der Arbeit erleidet, nicht hergeleitet werden. Ob eine solche Verpflich­ tung im gegebenen Falle begründet ist, entscheidet sich nach den Grundsätzen des 6. Titels. O.Tr. I v. 24. Ium 1870, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege 4 S. 535. Vergl. das Reichsgesetz v. 7. Juni 1871 §. 2, R.G.Bl. S. 207.

*) Diese Verträge werden gemeinrechtlich nicht von der Dienstmiethe oder dem Lohnvertrage unter­ schieden. (7. A.) Bergt. Windscheid §. 404 Bd. 2 (4. Aufl.) S. 513. 37) Ist die Vergütung nicht für die vollendete Herstellung des Werkes, sondern nur nach dem fortschreitenden Umfange der Leistungen behufs Herstellung desselben vereinbart und zahlbar, so liegt kein Vertrag über ein angedungenes Werk (§. 925), sondern über Arbeiten vor. O.Tr. IV v. 14. Mai 1857, Str. Arch. 26 S.'37. '(7. A.) Desgleichen ist eS nicht Werkverdingung, wenn der Gegenstand des Vertrags nicht die Eigenschaft eines einheitlichen Ganzen hat, z. D. die Herstellung einer Ein­ richtung (Möbel rc.) für ein bestimmtes Haus nach einem Verzeichniß übernommen ist. Die Beifü­ gung der Worte „ungefähr", „circa", „etwa" bei der Preisangabe entzieht dem Vertrage nicht den Charakter der Werkverdingung. R.O.H.G. II v. 11. Dez. 1872, Entsch. 8 S. 209. Die Leistungen der gewöhnlichen Handwerker, auch wenn dieselben das zu verarbeitende Material liefern, sind nur als Arbeiten, nicht als ein Werk schaffende Thätigkeit im Sinne der §§. 925 ff. zu beurtheilen. — Dieser Grundsatz findet auch hinsichtlich der bei Schneidern auf Lieferung bestellten Kleider Anwendung. O.Tr. IV v. 19. Jan. 1854, ebenda 12 S. 63. (6. A.) Die Anwendung ist jedoch nicht ohne Bedenken. Ein Vertrag, Inhalts dessen ein Brauer die Anfertigung mehrerer Bottiche für seine Brauerei bestellte, ist als Werkverdingungsvertrag angesehen worden. Erk. desselben v. 13. u. 15. April 1869, ebd. 74 S. 219. Ein rechtlicher Unterschied zwischen den Leistungen des Schnei­ ders, der einen Rock herstellt, und denen des Böttchers, der ein Faß anfertigt, dürfte aber kaum zu erkennen sein.

832

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 921—928.

§. 921. Doch sind diese die Arbeit nach den Regeln ihrer Kunst zu verrichten, und dabei auch für ein geringes Versehen zu hasten schuldig. §. 922. Hat aber der Dingende eine gewisse Art, wie die Arbeit verrichtet wer­ den soll, ausdrücklich vorgeschrieben: so ist der Arbeiter, wofern nicht Polizeigesetze entgegenstehen, sich darnach zu richten verbunden. §. 923. Er darf jedoch dabei nur für ein mäßiges Versehen hasten, und in sofern ihm dergleichen Versehen nicht zur Last fällt, den Erfolg aus keine Weise vertreten. §. 924. In den Fällen, wo der gemeine Handarbeiter nach den §§. 909, 910, 918 Tagelohn für die Wartezeit fordern kann, muß dem Werkmeister oder Künstler eine billige Vergütung, nach richterlichem Ermessen, ausgesetzt werden s8). üU®ein»«= §• 925. Ist ein Werkmeister oder Künstler nicht bloß zu einer Arbeit gedungen, dungcnes sondern ihm ein ganzes Werk in Pauschund Bogen angedungen worden b»); so Werk»). pnben zuvörderst die allgemeinen Grundsätze §. 869 841. Anwendung"). 38) (6. A.) Auf Grund der §§. 909 und 924 war einer Schauspielerin, welche während ihre» Engagements eine Zeit lang in Folge einer Krankheit nicht hatte spielen können, der Anspruch auf die vertragsmäßige Gage als ^,eine billige Vergütung" auch für die Dauer ihrer Krankheit zugesprochen worden. Das Obertribunal wies die Nichtigkeitsbeschwerde des verurtheilten Theaterunternehmers, der vom Vertrage nicht abgegangen war, zurück. O.Tr. IV v. 19. Dez. 1871, Str. Arch. 84 S. 164. *) Hierzu die in der Anm. * zur Überschrift dieses Abschnitts nachgewiesene Literatur; ferner die Abhandlung von Dankwardt über die locatio conductio operis in den Jahrb. für die Dagmatik rc. 13 S. 299—380; auch Koch, Anleitung zur Prozeßpraxis 1 (1860) S. 1020, Recht der Ford. §.375 Bd. 3 (2. Anst.) S. 986. (6. A.) Bei der Locatio conductio operis ist der Unternehmer des Werkes der conductor oder redemtor, der Besteller der locator operis, während bei der 1. C. operarum der Arbeiter locator und der Arbeitgeber conductor genannt wird. Ueber den Grund dieses Sprachgebrauches s. von Keller, Pandekten §. 339. Die römischen Juristen unterschieden, ob der Besteller des Werkes den Stoff, aus welchem das­ selbe gefertigt werden sollte, beziehungsweise den Grund und Boden, aus welchem der Bau projektirt war, 'hergäbe oder nicht, und behandelten im letzteren Falle den Vertrag nicht als 1. c. operis, son­ dern als Kaufvertrag. §. 4 Inst, de locatione et conductione 3, 24; L. 2 §. 1 Dig. locati conducti 19, 2. Die gemeinrechtliche Praxis hat diese Unterscheidung sestgehalten. Gruchot, zur Lehre von dem Werkverdingungsvertrage, in seinen Beiträgen rc. 13 S. 13 und 14. Das L.R. erachtet es für gleichgültig, wer den Stoff liefert, ob der Besteller oder der Werkmeister. §. 926. (7. A.) Vergl. indeß §§. 949 ff.

39) (6. A.) Das Wesen des Werkverdingungsvertrages liegt darin, daß der Werkmeister nicht seine Arbeiten, sondern eine Sache (im weiteren Sinne) als das Produkt seiner Arbei tSt h ä t i g k e i t verspricht. E n d e m a n n, das deutsche Handelsrecht §.150; Gruchot a. a. O. S. 19; R.O.H.G. I v. 26. März 1872, Entsch. 6 S. 31, und v. 7. Okt. 1873, ebd. 11 S. 158. Dadurch unterscheidet sich dieser Vertrag von den sonstigen Verträgen über Handlungen und von dem Kans. Dem Lieferungsvertrage ist die Werkverdingung ähnlich, aber nicht gleich. Den Gegenstand des ersteren bilden in der Regel vertretbare Sachen, während die letztere immer nur da gegeben ist, wo die Herstellung eines' individuell bestimmten Objekts (Opus) in Frage steht. Diese Auffassung ist in der Praxis des R.O.H.G. mehrfach zur Geltung gelangt, so namentlich in den Urtheilen v. 12. Mai 1871, Entsch. 2 S. 290, und v. 26. März 1872, ebd. 6 S. 32. Das Obertribnnal nimmt an, daß der Lieferungsvertrag sowohl wie der Werkverdingungskontrakt fungibele und nichtfungibele Sachen zum Gegenstände haben und daß der Unterschied zwischen beiden nur darin gefunden werden könne, daß es bei jenem auf das Verschaffen, bei diesem auf die Anfertigung bestimmter Werthe ankomme. O.Tr. I v. 8. Nov. 1869, Entsch. 62 S. 77, und v. 14. Okt. 1872, Str. Arch. 86 S. 251. — (7. A.) Der Begriff der Werkverdingung nach Landrecht ist enger als nach gemeinem Recht. Das Eigenthümliche der 1. c. operis besteht darin, daß „der Vertrag nicht sowohl aus die Dienste als solche, als vielmehr auf das durch dieselben herzustellende Arbeitsresultat gerichtet ist." Wind scheid §. 399 Bd. 2 S. 492. Das Landrecht fordert überdies, daß das Resultat der Arbeit sich in der Herstellung beziehungsweise Verarbeitung einer körperlichen Sache bethätige. (§§. 926, 931 ff.) Der Unterschied zeigt sich beispielsweise in der Auffassung des Frachtvertrages. Dieser ist nach der herrschenden Lehre des gemeinen Rechts Werkverdingung. (Windscheid a. ä. O. Note 6 und §. 401 S. 501 und 504. Vergl. auch O.Tr. V v. 5. März 1867, Str. Arch. 66 S. 250.) Nicht so nach Landrecht. Gemäß der (jetzt formell nicht mehr geltenden) Vorschrift des Th. II. 8 §. 2458 sollte der Vertrag zwischen Fuhrleuten und denjenigen, welche sie gedungen haben, nach den Bestimmungen des Th. I.

Don Vertrügen über Handlungen.

833

§. 926. Auch wenn der Werkmeister die Materialien herzugeben übernommen hat, kann ein solcher Vertrag, unter dem Vorwande einer Verletzung über oder un­ ter der Hälfte, weder von einem noch dem andern Theile angefochten werden. (§. 876.) §. 927. Vielmehr muß der Werkmeister seiner Verbindlichkeit ein Genüge leisten, wenn eS auch ni seinem Schaden ausschlagen sollte. §. 928. In allen Fällen,' wo ein Werk oder eine Arbeit einem Werkmeister oder Künstler angedungen worden, ist derselbe das Geschäft selbst auszusühren verbun11 §§. 869—920 beurtheilt werden. Im Einklänge hiermit war das Reichsoberhandelsgericht geneigt, den Frachtvertrag nach preußischem Recht „als eine Art der Verträge über Handlungen" aufzufassen, indem es hervorhob, daß dasselbe einen engeren, den Frachtvertrag nicht umfassenden Begriff von Verträgen über ein verdungenes Werk ausstelle als das gemeine Recht. R.O.H.G. I v. 28. Nov. 1871, Entsch. 4 S. 177 u. 179. Diese Auffassung hält freilich vor der Gestaltung des Frachtver­ trages im allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch nicht Stich. Denn „danach bilden den Gegenstand eines Frachtgeschäftes nicht die Transporthandlungen als solche, sondern der Transport selbst als deren Produkt. Hieraus folgt, daß, wenn überhaupt und bez. insoweit das A. L.R. nach Art. 1 des H.G.B. zur Bestimmung der Rechtsnatur des gewerblichen und resp, kaufmännischen Fracht­ geschäfts herangezogen werden kann, nur die §§. 925 ff.'Tit. 11 über verdungene Werke in Betracht kommen können." R.O.H.G. III v. 15. Juni 1876, Entsch. 20 S. 340. Diese Folgerung steht jedoch, auch in ihrer hypothetischen Form, der hier befolgten Auslegung des Landrechts nicht entgegen. (6. 91.) Der Maschinenlieferungsvertrag ist Werkverdingung, vorausgesetzt, daß die zu liefernde Maschine nicht als eine bereits fertige und nur aufzustellende gehandelt war. In diesem Falle ist das Geschäft Kauf. R.O.H.G. v. 12. Mai 1871, Entsch. 2 S. 288, und v. 15. Sept. 1873, ebenda n S. 64. — (7. A.) Für eine Besitzstörung, welche der Werkmeister bei der Herstellung des Werkes begeht, kann der Besteller nicht ohne Weiteres wegen vernachlässigter Aufsicht über die Arbeiten, sondern regel­ mäßig nur dann verantwortlich gemacht werden, wenn er zur Vornahme der die Störung darstellen­ den Handlung Auftrag gegeben hat oder das Werk ohne die Störung nicht ausgesührt werden konnte. O.Tr. III v.' 6. Okt. 1873, Str. Arch. 89 S. 317. 40) Der Begriff eines verdungenen Werks im Sinne des §.925 erfordert die Kombination der Arbeit und verarbeiteter Materialien zu einem neuen Produkte, so wie eine für das fertige Werk als ein Ganzes bedungene Vergütung in Pausch und Bogen. O.Tr. IV v. 4. März 1856, Str. Arch. 20 S. 240. Die Definition paßt genau auch auf ein Paar neue Stiefeln und einen dem Schneider an­ gedungenen neuen Rock, dem das O.Tr. den Charakter eines angedungenen Werkes abgesprochen hat. — Die juristische Bezeichnung der „Kombination" ist: Spezifikation, und die des „Produkts" ist: neue Spezies. (6. A. Vergl. gegen diese Auffassung Förster a. a. O. S. 264 Note 41.) — Eine andere Definition: „Das Wesen des Vertrages über ein verdungenes Werk besteht darin, daß nicht für einzelne Leistungen, selbst wenn sie schließlich zur Herstellung eines Ganzen führen sollten, besondere Preise verabredet sind, sondern daß für die Gesammtheit des'Werkes als eines Ganzen eine Gesammtvergütung versprochen ist." O.Tr. IV v. 14. Juli 1866, Str. Arch. 63 S. 307. Vergl. oben Anm. 37. (7. A. Auch dadurch, daß der Exekutionssucher die dem Exequenden obliegende Herstellung des Werkes in Gemäßheit der Verordnung v. 4. März 1834 §. 9 durch einen Dritten leisten läßt, kann ein Werkverdingungsvertrag — und zwar zwischen dem Exekutionssucher und dem Dritten, dem der Richter die Ausführung überträgt, zu Stande kommen. R.O.H.G. III v. 24. Sept. 1874, Entsch. 14 S. 77. Vergl. die Civilprozeß-O. für das deutsche Reich §. 773.) Der bedungene Preis einer bestellten und gelieferten Maschine umfaßt nicht die Kosten der behufs ihrer Aufstellung und Gangbarmachung nothwendig gewesenen Zuthaten und Arbeiten. Die letztern sind nach dem gewöhnlichen Lohne zu vergüten. O.Tr. IV v. 3. Jan. 1856, Str. Arch. 19 S. 215. Das gilt nicht allein von Maschinen, sondern von jedem beweglichen Werke, welches von der Werkstatt nach einem anderen Orte geschafft werden muß und dort ausgestellt wird, z. B. eine von einem Bild­ hauer in seinem Atelier für eine bestimmte Kirche gebildete Altarwand, welche nicht bloß dahin zu tranSportiren, sondern auch am Bestimmungsorte aufgestellt und befestigt werden muß. Der Vertrag über ein verdungenes Werk bleibt Miethe, wenngleich der Meister den Stoff hergiebt. Deshalb braucht zu einem Bauverträge, worin der Baumeister die Lieferung der Materialien übernimmt, nur der allgemeine Vertragsstempel, nicht der Stempel für Lieserungsverträge verwendet zu werden. O.Tr. Sen. für Strass, v. 14. April 1859, Entsch. 42 S. 107*. Die Vorschriften von Verträgen über ein verdungenes Werk §§. 925 bis 965 bleiben außer An­ wendung, wenn der Uebernehmer eines Werkes kein'Werkverständiger ist. Pr. des O.Tr. 35 v. I. 1832. (6. 91.) O.Tr. IV v. 6. Juli 1871, Str. Arch. 82 S. 248. Es ist indeß nicht erforderlich, daß der Unternehmer den Charakter des Meisters hat. Das Hauptgewicht wird vielmehr darauf zu legen sein, daß er berufsmäßig dergleichen Werke herzustellen pflegt. (7. A.) Vergl. unten Anm. 66. Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aufl.

53

834

Erster Theil.

(Stifter Titel.

§§. 928—938.

dm, und kann die Ausführung, wider den Willen des Bestellers, einem Andern nicht übertragen41). §.'929. Dagegen kann er sich, wenn nicht ein Anderes ausdrücklich verabredet ist, fremder Gehülfen und Mitarbeiter dabei bedienen. §. 930. Er muß aber die Handlungen dieser von ihm selbst gewählten Gehül­ fen, gleich seinen eigenen, vertreten4 2). §. 931. Auch hat der Besteller ein Recht des Widerspruchs, wenn der Werkmei­ ster zu Arbeiten, welche handwerksmäßige Kenntnisse und Geschicklichkeiten erfordern, Leute, die zu diesem Handwerke nicht gehören, und überhaupt, wenn er offenbar un­ tüchtige Arbeiter und Gehülfen annimmt. §. 932. Der Werkmeister kann der Regel nach, und wenn nicht ein Anderes verabredet ist, die Zahlung nicht eher sortiern4 3), als bis das Werk bedungenerma­ ßen fertig geliefert, und von dem Besteller übernommen worden44). 41) (6. A.) Aus dem Wesen des Werkverdingungsvertrages folgt nicht die Verpflichtung des Werk­ meisters, persönlich die Arbeit zu verrichten, sondern nur, das Werk tüchtig und nach Wunsch zu liefern (1. 48 pr. D. loc. cond. 19, 2), es müßte denn die persönliche Verrichtung bedungen sein. Momm­ sen, Beiträge zum Obligationenrecht 1 S. 70 ff. Hiervon weicht das A. L.R. ab: der Unternehmer soll in allen Fällen das Geschäft selbst auszuführen verbunden sein und sich nur fremder Gehülfen und Mitarbeiter dabei bedienen dürfen, eine ganz unpraktische, der gewöhnlichen Willensmeinung der Verkehrtreibenden widerstreitende Vorschrift, dazu geeignet, der Chikane Vorschub zu leisten. Koch, Recht der Forderungen, 2. Ausg., 3 S. 987. S. auch Gruchot, Beitr. 13 S. 19 Note 2.

42) (7. A.) Diese unbedingte Haftung des Werkmeisters für die Gehülfen erachtet das Reichs­ oberhandelsgericht auch in dem gemeinen Recht begründet. R.O.H.G. II v. 14. März 1874, Entsch. 13 S. 77. Bon anderer Seite wird die Haftung auf culpa in eligendo beschränkt, wenn der Werk­ meister nach deni Vertrage mit dem Besteller überhaupt zur Annahme von Gehülfen zur Herstellung des opus berechtigt war. Windfcheid §. 401 Note 5. (6. A.) Aus Grund des §. 930 ist ein Werkmeister zum Ersatz des Schadens verurtheilt worden, den seine Gehülfen bei dem von ihm übernommenen Bau durch unvorsichtige Behandlung der Mauer­ steine angerichtet hatten. O.Tr. v. 27. Okt. 1852, Gruchot, Beitr. 13 S. 31. Dagegen ist die Verpflichtung des Lieferanten einer Dampfmaschine zum Ersatz des von seinem Monteur bei der Auf­ stellung 2c. dem Besteller der Maschine an einem mit derselben in Verbindung stehenden Holzschleif­ werk zugefügten Schadens verneint worden, weil der Lieferant sich nicht zur Aufstellung der Maschine, sondern nur zur Zuweisung eines geeigneten Monteurs verpflichtet hatte. R.O.H.G. v. 27. Ian. 1871, Entsch. 1 S. 254. Die Entscheidung gründet sich auf das gemeine Recht, ist aber auch nach Landrecht gerechtfertigt und tritt nicht in Widerspruch mit dem Urtheil des Obertribunals. 43) (6. A.) Die Forderung des Werkmeisters, der das Werk fertig gestellt, wenn auch noch nicht übergeben hat (Anm. 45 unten), ist durch die schriftliche Abfassung des Vertrages nicht bedingt. Tit. 5 §. 165 und die Anm. dazu. Sie unterliegt, wenn lediglich eine handwerksmäßige Leistung vergolten werden soll und nicht etwa ein Entreprise-Vertrag, bei welchem die Arbeit des Unternehmers als Handwerkers in den Hintergrund tritt, in Frage steht, der kurzen Verjährung aus dem Gesetze v. 31. März 1838 §. 1. O.Tr. IV v. 14. März 1872, Str. Arch. 84 S. 275.

44) Die zur Uebernahme eines bestellten Werks im Sinne der §§. 932 ff. außer der körperlichen Besitzergreifung erforderliche Absicht, dasselbe als sein eigen zu besitzen, kann auch durch den fortgesetzten Gebrauch des Werks an den Tag gelegt, d. h. stillschweigend erklärt werden. — Durch die ausdrück­ lich oder stillschweigend erklärte Absicht des Uebernehmers, das Werk behalten zu wollen, wird die Ab­ sicht, etwaige Fehler desselben im Wege der Klage oder Einrede zu rügen, nicht ausgeschlossen. Hat daher der Uebernehmer des bestellten Werks dasselbe nicht ausdrücklich gebilligt, so treten hinsichtlich der etwaigen Fehler desselben die Vorschriften der §§. 319 ff. Tit. 5 ein. O.Tr. IV v. 15. Nov. 1853, Str. Arch. 12 S. 334. (7. A.) Dagegen kann der Besteller, wenn er das ihm gelieferte Werk einmal angenommen hat, eine exceptio non impleti contractus auf Grund der Thatsache, daß ein einzelner (unwesentlicher) Bestandtheil noch nicht geliefert sei, gegen den Anspruch des Werkmeisters nicht geltend machen. R.O.H.G. II v. 16. Mai 1874, Entsch. 13 S. 352. Vergl. §. 947 und die Anm. dazu. (6. A.) Ansprüche gegen den Werkmeister wegen Fehlerhaftigkeit sind in der Regel der Verjäh­ rung aus §§. 343 u. 345 a. a. O. unterworfen. Anm. 62 zu §. 345 Tit. 5. Im Fall eines Ver­ schuldens des Werkmeisters findet die ordentliche Verjährung statt. O.Tr. IV v. 17. Febr. 1859, Str. Arch. 32 S. 268, und v. 10. Jan. 1867, ebenda 67 S. 25; R.O.H.G. I v. 26. März 1872, Entsch. 6 S. 36. Bergl. unten §§. 968 u. 969.

Von Verträgen über Handlungen.

§. 933.

835

Das bestellte Werk muß zur bestimmten Zeit vollendet und übergeben

werben45). §. 934. Ist keine Zeit bestimmt, so muß der Werkmeister die Arbeit sofort an­ fangen und gehörig fortsetzen45). §. 935. Auch ein Werkmeister ist nicht befugt, das bestellte Werk noch vor Ab­ lauf der ausdrücklich bestimmten Zeit abzuliefern, und den Besteller zur Annahme des­ selben zu nöthigen. §. 936. Liefert der Werkmeister das Werk zur bestimmten Zeit nicht ab, so trägt er von da an alle Gefahr, auch wegen der etwa.von dem Besteller gelieferten Ma­ terialien. §. 937. Er haftet überdies dem Besteller für den aus der Zögerung entstehen­ den Schaden, nach Verhältniß seines entweder bei Abschießung des Vertrages, oder bei dem Betriebe der Arbeit begangenen Verschuldens4'). §. 938. Ueberhaupt aber steht dem Besteller frei, wenn das Werk mit dem Ab­ laufe der ausdrücklich bestimmten Zeit durch die Schuld des Werkmeisters, oder durch einen in dessen Person sich ereignenden Zufall, nicht abgeliefert wird, von dem Ver­ trage zurückzutreten4S). 45) Nicht erst durch die Uebergabe erwirbt der Besteller das Eigenthum des Werks, wenn dieses auch eine bewegliche Sache ist, denn der Ausdruck: „übergeben", „Uebergabe" hat hier nicht die tech­ nische Bedeutung von Tradition, vielmehr von Ueberlieferung; sondern durch die in seinem Namen verrichtete Spezifikation, selbst wenn der Werkmeister seinen eigenen Stofs verarbeitet hat; denn bei der auf einem Vertrage beruhenden Spezifikation ist von dem Eigenthume an dem Rohstoffe nicht auf das Eigenthum an der daraus geschaffenen neuen Sache zu schließen, vielmehr kommt es auf die, ent­ weder ausgesprochene, oder aus dem Vertrage zu schließende, Absicht der Parteien an: diese kann auf eine unmittelbare Erwerbung des Eigenthums an der neuen Sache für den Besteller gehen, wenn­ gleich der Werkmeister den Stoff dazu hergiebt. In diesem Falle ist der Verfertiger als beauftragter Vertreter des Bestellers in dem Geschäfte der Spezifikation anzusehen; hieraus folgt die unmittelbare Erwerbung des Eigenthums an der neuen Sache für den Besteller mit deren Entstehung und durch dieselbe. Dies ist der juristische Grund, durch welchen der von dem O.Tr. in einem Falle, wo ein Bildhauer das Originalmodell einer Vase gearbeitet und einen Erzgießer durch Vertrag verbindlich ge­ macht hatte, die Vase nach dem Modelle in Bronze zu gießen und kunstgerecht zu ciseliren, auch das Erz dazu herzugeben, angenommene Satz: daß die gegossene Vase sofort, noch vor der Ablieferung, das Eigenthum des Bestellers geworden (O.Tr. III v. 18. Juni 1856, Entsch. 33 S. 328 u. Str. Arch. 22 S. 36), gerechtfertigt wird. Die eigene Begründung der Entscheidung aus dem §. 22 des G. v. 11. Juni 1837, betr. den Schutz des geistigen Eigenthums, überzeugt nicht; diese Bestimmung betrifft die unerlaubte Nachbildung, wovon hier nicht die Rede ist; und erklärt nicht die Erwerbung des Eigenthums, aus welche das O.Tr. in seiner ganzen Ausführung nicht eingeht. Die Sache ist einfach,' wenn man sich solche klar macht: die Erwerbungsart ist die Spezifikation. Ist die Absicht die, daß der Werkmeister für den Besteller verfertige (spezifizire), so wird der Besteller unmittelbarer Eigenthümer der neuen Sache, mit deren Entstehung, wenn auch der Werkmeister Eigenthümer des Stoffes ist; verfertigt aber der Werkmeister die Sache zunächst für sich, behufs des Absatzes an den Besteller, so wird der Besteller erst durch die Uebergabe Eigenthümer." Ob Jenes oder Dieses beab­ sichtigt worden, ist keine Rechts-, sondern eine Thcusachenfrage. Vergl. L. 22 §. 2 D. locati conducti (19, 2) und L. 25 D. de acquir. rerum dominio (41, 1). (6. A. Siehe über jenen Rechtsfall Klo­ st e r mann, das geistige Eig. 1 S. 418.) Aus dem Gesagten (Ab's. 1) erhellet, daß der Besteller aus die Ueberlieferung des verdungenen und fertig gestellten spezialisirten Werkes klagen kann, wie auch das O.Tr. IV unter Vernichtung des im entgegengesetzten Sinne ausgefallenen Appellatiousurtels, in dem Erk. v. 20. März 1862, Entsch. 47 S. HO, erkannt hat. Die Klage gegen den Werkmeister ist die actio locati; das Werk ist ein fertiges opus conductum. 46) (6. A.) Dadurch hat eine Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse nickst ausgeschlossen wer­ den sollen. Tit. 5 §§. 230 ff. Ein Fabrikant, der auf Bestellung arbeitet, bedient in der Regel seine Kunden nach der Reihe. Wer Eile hat, muß sich eine bestimmte Zeit der Lieferung ausbedingen. Vergl. den Fall in dem Erk. des O.Tr. IV v. 21. März 1861, Str. Arch. 41 S. 83. 47) (7. A.) Die Schadensersatzpflicht des Werkmeisters aus §. 937 wird dadurch nicht ausgeschlos­ sen, daß der Besteller von dem Rücktrittsrecht des §. 938 Gebrauch macht. R.O.H.G. I v. 6. Okt. 1874, Entsch. 14 S. 390. Siehe auch die folgende Anm. Satz 3. 48) „Die Vorschrift, wonach bei Verträgen über Handlungen der Kontrahent, welcher behauptet,

53*

836

Erster Theil.

(Stifter Titel.

§§. 939—947.

§. 939. Wird die Uebernehmung des fertigen Werks von dem Besteller ohne rechtlichen Grund verzögert"), so muß Letzterer alle Gefahr tragen50 * * ).*51 * *52 * * * * * * * * * * 49 §. 940. Ueberdies muß der Besteller dem Werkmeister für den bedungenen Lohn Zögerungszinsen, vom Ablaufe der bestimmten Zeit an, wo das Werk fertig war, ent­ richten , und allen sonstigen aus der verzögerten Uebernahme entstandenen Schaden, oder die durch längere Aufbewahrung der Sache verursachten Kosten vergüten5 *). §. 941. Die auf ein verdungenes Werk im Voraus geleisteten Zahlungen wer­ den auf den verabredeten Preis in Abzug gebracht. §. 942. Ist bei der Bestellung kein Preis verabredet worden, und die Parteien können sich darüber bei der Ablieferung nicht vereinigen, so muß derselbe, nach Wür­ digung der Sachverständigen, von dem Richter bestimmt werden5»). §. 943. Bei der Ablieferung des Werks kann jeder von beiden Theilen verlan­ gen, daß dasselbe, auf seine Kosten von Sachverständigen besichtigt werde5»). daß der andere Theil die Erfüllung bisher nicht kontraktmäßig geleistet habe, oder solchergestalt nicht zu leisten im Stande sei, sofort auf seine Gefahr von dem Vertrage wieder abgehen kann, findet aus verdungene Werke nicht Anwendung." O.Tr. IV v. 7. Mai 1850, Entsch. 19 S. 150, und v. 4. März 1856, Str. Arch. 20 S. 240. (7. A. Im Einklänge hiermit R.O.H.G. I v. 5. Mai 1874, Entsch. 18 S. 222, und HI v. 15. Juni 1876, ebenda 20 S. 342.) „Der Besteller eines zu spät abgelieserten Werkes kann von der Besugniß zum Rücktritt nicht mehr Gebrauch machen, sobald er dem Werkmeister gegenüber einmal erklärt hat, daß er sich dieses Rechts nicht mehr bedienen, sondern bei dem Vertrage stehen bleiben wolle." O.Tr. IV v. 7. März 1850, Entsch. 19 S. 150. Vergl. hierzu die Anm. 44 zu §. 932 und 55 zu §. 947. (7. A.) Der §. 938 und die §§. 936 und 937 sind nicht so aufzufassen, als hätte der Besteller zur Begründung seines Anspruchs ein Verschulden des Werkmeisters oder einen von diesem zu vertre­ tenden Zufall zu beweisen. Die Klage des Bestellers ist vielmehr ohne Weiteres gegeben, wenn nach­ gewiesen ist, daß die Ablieferung des Werkes nicht zur vertragsmäßigen Zeit stattgesunden hat. Sache des Werkmeisters ist es dann, im Wege der Einrede darzuthun, daß die Verzögerung von ihm nicht verschuldet resp, nicht zu vertreten sei. R.O.H.G. III v. 18. Sept. 1876, Entsch. 21 S. 1. 49) Eine solche grundlose Zögerung tritt auch ein, sobald der Besteller sich auf die Uebernehmung des ihm angebotenen Werks nicht einlassen, und weder einen Sachverständigen bestellen (§. 943), noch ohne Zuziehung eines solchen das Werk abnehmen will. Der Werkmeister' kann dann, unter gericht­ licher Niederlegung des Werks, unbedingt aus Zahlung des Preises klagen, oder, ohne Niederlegung, mit dem Anträge klagen, daß'der Besteller verurtheilt werde, das Werk abzunehmen und den Preis zu bezahlen. Daß derselbe verurtheilt werde, prinzipaliter sofort einen Sachverständigen zu ernennen, daraus kann der Werkmeister nicht klagen, denn das ist nur eine Besugniß des Bestellers. (6. A.) Das scheint auch die Ansicht Förster'S (a. a. O. S. 271) zu sein, während Bornemann (System, 2. Ausg. 3 S. 186) eine solche Klage zulassen will. (7. A.) Dafür, daß die Zuziehung Sachverstän­ diger nur ein Recht, nicht eine Pflicht der Kontrahenten ist, auch das R.O.H.G. III in dem Urtheil v. 2. Sept. 1875, Entsch. 18 S. 84. 50) Aus dieser Bestimmung, nach welcher der säumige Besteller des Werks „alle Gefahr" zu tragen hat, läßt sich nicht folgern, daß das Ereigniß, durch welches die bestellte Sache aus dem Be­ sitze des Verfertigers gekommen, durch höhere Gewalt oder Zufall herbeigeführt, resp, ein solches sein müsse, welches durch kein mögliches erlaubtes Mittel hätte abgewendet werden können. O.Tr. IV v. 10. Jan. 1856, Str. Arch. 19 S. 234. Mit anderen Worten: der Ausdruck „alle Gefahr" bezeichnet hier nicht vis major, sondern den einfachen Kasus, d. h. ein schädliches Ereigniß ohne Zuthun des Werkmeisters. 51) (6. A.) Die allgemeinen Regeln des Verzuges leiden auch auf Werkverdingungsverträge Anwendung, nicht aber dre Spezialbestimmung des §. 109 dieses Titels. So lange mithin den Be­ steller der Vorwurf einer Zögerung nicht trifft, hat er beim Mangel einer besonderen Abrede den Preis für das Werk nicht zu'verzinsen. Die Zustellung der Baurechnung an den Bauherrn vertritt die zur Begründung der mora nöthige Zahlungsaufforderung nicht. Ö.Tr. IV v. 4. Okt. 1870, Str. Arch. 79 S. 255. Die Abrede, daß der Werkmeister das Eigenthum an dem Werk bis zur vollständigen Zahlung des Preises behalten solle, äußert ihre Wirkung auch nach der Ablieferung des Werkes an den Besteller. Der §. 266 dieses Titels ist auf Werkverdingungsverträge nicht zu beziehen. O.Tr. III v. 22. Ian. 1869, ebenda 73 S. 254. 52) (6. A.) Hat der Werkmeister dem Besteller eine Rechnung über das gefertigte Werk zugestellt, so kann er später unter dem Vorwande, daß der Rechnungspreis zu niedrig sei, nicht einen höheren Preis fordern. Siehe oben die Anm. 5 zu §. 871.

Bon Verträgen über Handlungen.

837

§. 944. Sind keine öffentlich bestellten Schaumeister vorhanden, so ist jeder Theil einen Kunstverständigen in Vorschlag zu bringen berechtigt. §. 945. Finden die Kunstverständigen einstimmig, daß das Werk tüchtig und kontraktmäßig angesertigt sei, so muß der Besteller es annehmen und die versprochene Zahlung dafür leisten. §. 946. Doch bleibt ihm nach geleisteter Zahlung, die Ausführung seiner Ein­ wendungen im Wege Rechtens Vorbehalten"). §. 947. Wird das Werk untüchtig befunden, so hat der Besteller die Wahl: ob er vom Kontrakte abgehen, und also die Annahme verweigern, oder Schadloshaltung wegen der bemerkten Fehler fordem wollt55 53 ).54 53) Wenn diese Besichtigung von keinem Theile verlangt worden, die Uebergabe vielmehr ohne solche Besichtigung erfolgt ist, so folgt daraus noch nicht, daß der Annehmer die Unbrauchbarkeit des Werks nicht mehr zu rügen berechtigt sein sollte; auch die ohne Vorbehalt erfolgte Annahme des Werks steht ihm nicht unbedingt entgegen, namentlich dann nicht, wenn es sich darum handelt, ob daö Werk die bedungene Eigenschaft'hat. Tit. 5 §§. 325 — 327; O.Tr. IV v. 17. Juni 1858, Str. Arch. 30 S. 113. Zu einer förmlichen Abnahme des bestellten Werkes unter Zuziehung von Sachverständigen ist jeder Theil berechtigt, nicht aber verpflichtet; ein Zwang dazu findet also nicht statt. O.Tr. IV v. 15. Juli 1863, Str. Arch. 51 S. 55, und v. 20. April 1871, ebenda 83 S. 15. (7. A.) Bergl. auch die Anm. 49 oben. 54) Die §§. 945 und 946 setzen ein der Abrede nach fertig hergestelltes Werk voraus; sie fin­ den daher keine Anwendung, wenn das verdungene Werk — obgleich ohne Verschulden des Werkmeisters — nicht ganz vollendet worden ist. O.Tr. IV v. 27. Nov. 1862, Str. Arch. 49 S. 14. Der Besteller hat auch dann, wenn bei der Ablieferung des Werkes an ihn Sachverständige nicht zugezogen sind und der Preis von ihm bezahlt ist, die Wahl, ob er das Werk, dessen Untüchtig­ keit sich nach der Ablieferung herausgestellt hat, zurückgeben und von dem Vertrage abgehen, oder ob er bei dem Vertrage bleiben und nur Schadloshaltung resp. Preisminderung wegen der Fehler for­ dern will. O.Tr. IV v. 4. Juni 1861, Str. Arch. 42 S. 103, (7. A. Ebenso R.O.H.G. HI v. 9. Septbr. 1875, Entsch. 18 S. 83) vergl. auch die folg. Anm. Abs. 2. 55) Wenn es sich also bei einem verdungenen Werke nicht etwa um einen fehlenden, zusätzlich nachzuliefernden Bestandtheil handelt, sondern wenn von Umarbeitung wegen behaupteter Fehlerhaftig­ keit die Rede ist, so steht dem Besteller nur zu, entweder die Annahme des Werkes ganz abzulehnen und Entschädigung zu fordern, oder Schadloshaltung wegen der bemerkten Fehler zu verlangen; das Recht, die ordnungsmäßige Umarbeitung zu erzwingen, hat er nicht. „O.Tr. IV v. 15. März 1860,

Str. Arch. 36 S. 312. Sonach findet bei Verträgen über ein verdungenes Werk neben der Alter­ native der Nichtannahme wegen wesentlicher Fehler nur die Alternative der Preisminderung oder Schadloshaltung wegen Fehler des Werkes statt; auf Ab hülfe der etwaigen Mängel kann nicht erkannt werden. O.Tr. IV v. 15. Juli 1863, ebenda 51 S. 55. Siehe oben die Anm. 35 zu §. 325 Tit. 5. (6. A. Bergl. auch daS Urtheil deS R.O.H.G. I v. 26. März 1872, Entsch. 6 S. 35.) (6. A. Hat der Besteller das Werk einmal übernommen, so kann er die Annahme des­ selben nicht mehr verweigern, sondern nur Schadloshaltung oder Preisminderung verlangen. O.Tr. IV v. 20. April 1871, Str. Arch. 83 S. 15. Eine Uebernahme liegt aber auf Seiten des Bestellers nicht schon darin, daß er die Ablieferung deS Werkes hat geschehen lassen. (Anm. 54.) Ist der Werkmeister verurtheilt, gegen Zurücknahme des untüchtigen Werkes den für dasselbe bereits empfan­ genen Preis an den Besteller zu restituiren, so kann er die Zahlung nicht davon abhängig machen, daß ihm das Werk in dem Zustande, in welchem er es geliefert hatte, zurückgegeben werde; vielmehr hat er nur ein Retentionsrecht an dem Preise bis zur Höhe desjenigen Betrages, den ihm der Besteller etwa für die Beschädigung des Werkes in der Zeit seit der Ablieferung dessel­ ben schuldig geworden ist. O.Tr. IV v. 15. Oft. 1868, Str. Arch 72 S. 268.) Wenn in dem Vertrage bestimmt ist, daß der Werkmeister verpflichtet sein solle, den nach dem Gutachten der Sachverständigen vorgefundenen Mängeln deS Werks auf eigene Kosten abzu­ helfen, so ist der Besteller nicht berechtigt', entweder von dem Vertrage zurückzutreten, oder für die fehlerhafte Beschaffenheit des Werkes Schadloshaltung vom Werkmeister zu fordern, ihm steht vielmehr die Klage auf Erfüllung deS Vertrages zu. O.Tr. IV v. 22. Febr. 1853, Str. Arch. 9 S. 16. (7. A.) Der §. 947 enthält die Anwendung des im Tit. 6 §. 91 ausgesprochenen Grundsatzes auf den WerkverdingungSvertrag. Dieser Grundsatz, der auf Verträge überhaupt nicht ohne Weiteres anwendbar ist, gilt nach §§. 949 ff. für die Werkverdingung nur mit der Einschränkung, daß daS Recht zum Rücktritt nicht für diejenigen Fälle anerkannt ist, in welchen lediglich eine Bearbeitung der (dem Werkmeister nicht gehörigen) Sache den Gegenstand des Vertrage- bildet. R.O.H.G. ui v. 29. April 1875, Entsch. 16 S. 386. Vergl. die Anm. zu §. 949.

838

Erster Theil.

Eilster Titel.

§§. 948—968.

§. 948. Doch steht auch dem Werkmeister frei, über die von dem Besteller be­ hauptete Untüchtigkeit des Werks, auf richterliche Untersuchung und Entscheidung an­ zutragen. §. 949. In allen Fällen, wo der Besteller, wegen befundener Untüchtigkeit, das Werk anzunehmen nicht schuldig ist, kann er für die von ihm dazu gelieferten Materialien68), nach eigener Wahl, entweder Ersatz in gleicher Quantität lind Qua­ lität, oder Vergütung des Werths fordern. §. 950. Wählt der Besteller das Letztere, und hat er die Materialien selbst an­ gekauft, so muß ihm der kostende Preis, sonst aber der Werth, welchen die Mate­ rialien zur Zeit der Ablieferung an den Besteller gehabt haben, ersetzt werden 67). §. 951. In Ansehung solcher Fehler, welche keinen wesentlichen Einfluß aus den Gebrauch der Sache haben, findet nur Minderung des bedungenen Preises, oder Schadloshaltung statt68). §. 952. Ist jedoch bei Werken, die zur Pracht und Zierde bestimmt sind, in der äußerlichen Gestalt und Form derselben ein erheblicher Fehler begangen worden, so findet, wenn auch dieser Fehler den Gebrauch der Sache an sich nicht hindert, dennoch die Vorschrift §. 947 Anwendung68). §. 953. Eben das gilt, wenn der Sache eine ausdrücklich vorbedungene, wenn gleich an sich außerwesentliche, Eigenschaft ermangelt6* °). 7 * * * S. §. 954. Der Werkmeister haftet für die gegen die Regeln seiner Kunst begange­ nen Fehler, und muß dabei auch ein geringes "Versehen vertreten.

§. 955. Hat er aber auf ausdrückliches Verlangen des Bestellers von den Re­ geln seiner Kunst abweichen müssen, so findet die Vorschrift des §. 923 Anwendung. 56) (7. A.) „Unter gelieferten Materialien versteht der Gesetzgeber" in dem ß. 949 „offenbar nur Gegenstände, welche der Werkmeister zu dem ihm aufgetragenen Werke verbraucht oder in der Art verwendet, daß sie Best and theile des Arbeitsproduktes als solchen werden, keines­ wegs aber den Gegenstand, an welchem das Werk ausgeführt werden soll." Deshalb sind in einem gälte, wo der Vertrag das Umfärben mehrerer Stücke Seidenzeug zum Gegenstand hatte, die §§. 949 ff. für unanwendar erklärt und demnach dem Besteller das Recht abgesprochen, das Zeug wegen vertragswidriger Behandlung dem Uebernehmer aufzuzwingen, nämlich zwangsweise zu verkaufen. Die Frage, ob ein solcher Vertrag als Werkverdingung aufzufassen, blieb freilich unentschieden. R. O.H.G. I v. 13. Ian. 1874, Entsch. 12 S. 209. Vergl. auch R.O.H.G. III v. 29. April 1875, ebenda 16 S. 386. 57) Mit dem kostenden Preis in §. 950 ist der Kostenpreis gemeint. Anstatt Besteller nach dem Worte „Ablieferung" ist zu lesen Werkmeister. Iahrb. 37 S. 323, 43 S. 445, 50 S. 469. 58) (6. A.) Der Besteller darf wegen Mängel des von ihm angenommenen Werkes nicht die Zahlung deS ganzen Preises oder Preisrestes verweigern, sondern nur den Betrag desselben zurück­ halten, den er' zur Beseitigung der Fehler aufwenden muß. (Tit. 5 §. 271.) O.Tr. IV v. 6. Mai 1852, Str. Arch. 6 S. 140. Er kann aber auch, wenn der verabredete Preis den Werth, den das Werk bei fehlerfreier Beschaffenheit haben würde, übersteigt, verlangen, daß der Werkmeister stch mit dem begnüge, was das fehlerhafte Werk wirklich werth ist. O.Tr. IV v. 2. Mai 1871, ebenda 82 S. 38. Siehe die Anm. 44 oben und die folgende Anm. 59. 59) 6. A.) Der Werkverdingungsvertrag kann sehr wohl ein Handelsgeschäft sein; er unterliegt aber an sich nicht den nur auf den Kauf berechneten Vorschriften des Handelsgesetzbuchs Art. 347. O.Tr. IV v. 13. und 15. April 1869, Str. Arch. 74 S. 219, und R.O.H.G. v. 12. Mai 1871, Entsch. 2 S. 288, (7. A.) und I v. 26. März 1872, ebenda 6 S. 32. Doch neigt die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts neuerdings dahin, wenn auch nicht die strengen Vorschriften, so doch das Prinzip des Art. 347 auch auf die Werkverdingung anzuwenden. R.O.H.H. II v. 15. Sept. 1873, Entsch. u S. 65, und v. 29. Juni 1874, ebenda 14 S. 43. Vergl. hierüber Kowal zig, Allg. Deutsches Handelsgesetzbuch rc. (1876) S. 367. 60) (6. A.) Durch das Vorbedingen von Eigenschaften wird die Sache individualisirt. Wird dann eine Sache angefertigt, welcher diese Eigenschaften fehlen, so ist nicht das bestellte, sondern ein in­ dividuell anderes Werk geliefert Der Werkmeister hat also in diesem Falle seinen Vertrag noch gar nicht erfüllt und kann daher nicht verlangen, daß der Besteller daö Werk annehme. O.Tr. v. 7. Sept. 1865, Gruchot, Beitr. 13 S. 52.

Von Verträgen über Handlungen.

839

§. 956. Ist die Auswahl und Anschaffung der Materialien dem Werkmeister überlasten worden, so muß er auch dabei ein geringes Versehen vertreten. §. 957. Hat der Besteller die Materialien geliefert, und darüber kein Urtheil des Werkmeisters verlangt, so hastet Letzterer für einen aus der Beschaffenheit die­ ser Materialien entstandenen Fehler nur alsdann, wenn dieselben zu der bestellten Arbeit offenbar untüchtig waren, und er den Besteller deshalb nicht gewarnt hat"). §. 958. Verlangt hingegen der Besteller über die von ihm angeschafften Mate­ rialien das Urtheil des Werkmeisters, so haftet Letzterer bei dieser Beurtheilung nur für ein mäßiges Versehen"). §. 959. Unglücksfälle an den Materialien, während der Arbeit, treffen den Eigenthümer derselben. §. 960. Wird das Werk selbst, vor der zur Uebergabe ") bestimmten Zeit, durch einen Zufall vernichtet, oder unbrauchbar gemacht, so verliert der Werkmeister Arbeitslohn und Auslagen "). §. 961. Hat der Besteller die Materialien geliefert, so muß er dieselben, so weit sie noch vorhanden, und wie sie beschaffen sind, zurücknehmen. §. 962. Auch ist er in diesem Falle befugt, von dem Vertrage abzugehen, wenn gleich der Werkmeister zur Anfertigung eines neues Werks, gegen den verabredeten Preis, und gegen Lieferung neuer Materialien, sich erbieten wollte. §. 963. Hat aber in dem Falle des §. 960 der Werkmeister die Materialien an­ geschafft, so hängt es von diesem ab, ob er von dem Kontrakte abgehen, oder noch zu dessen Erfüllung mit andern Materialien zugelaffen sein wolle. §. 964. Doch findet Letzteres nur in sofern statt, als entweder kein Termin zur Ablieferung bestimmt war, oder der Werkmeister die bestimmte Frist noch inne halten kann. §. 965. Ereignet sich der Unglücksfall an dem Werke nach dem zur Ablieferung bestimmten Termine, jedoch vor der wirklichen Uebergabe, so hat es bei den Vorschrif­ ten §§. 936, 937, 938 sein Bewenden. §. 966. Wenn ein übernommener Bau vor der Uebergabe einstürzt, oder sonst Insonderheit Schaden leidet, so wird vermuthet, daß der Unfall aus einem Fehler des Baumeisters g?nenBaüen. entstanden fei65). §. 967. Ist der Schade erweislich durch einen bloßen Zufall, oder durch einen solchen Fehler entstanden, welchen der Baumeister, als Kunstverständiger, nicht hat voraussehen können: so trifft der Verlust den Bauherrn. §. 968. Ist aber der Bau von dem Bauherrn einmal übernommen worden, so kann der Baumeister wegen solcher Fehler, die aus der Bauart, und weil dabei die Regeln der Kunst angeblich nicht beobachtet worden, entstanden sein sollen, nur inner­ halb Dreier Jahre nach der Uebergabe in Anspruch genommen werden. 61) (6. A.) Der Werkmeister haftet in diesem Falle lediglich für ein grobes Versehen int Sinne des Tit. 3 §. 18. Förster, Theorie uni) Praxis, 3. Anst. 2 S. 270 Note 75. sein.

62) Nach der Regel müßte er als Kunstverständiger für ein geringes Bersehen verantwortlich Tit. 5 §. 281.

63) „Uebergabe" bedeutet hier nicht die juristische Handlung der Tradition zur Uebertragung deS Eigenthums, sondern die Thatsache der Ablieferung. Vergl. die Anm. 44 zu §. 932. 64) Nicht deshalb, weil er Eigenthümer der spezifizirten neuen Sache wäre, sondern weil er als Vermiether der Arbeit das Versprochene nicht leisten kann. Vergl. oben Stunt. 45 zu §. 933. Der Satz folgt aus der locatio operis. 65) Die §§. 966 u. 967 bleiben außer Anwendung, wenn der Uebernehmer eines Baues kein Sachverständiger ist. Pr. 35 deS O.Tr. II v. I. 1832. (Vergl. oben die Anm. 40 Abs. 5 zu §. 925.) Diese §§. sprechen auch nicht von Unglücksfällen während der Arbeit, mithin nicht von nur vollendeten Bautheilen, sondern von einem zur Uebergabe fertigen Baue. O.Tr. IV v. 20. Nov. 1862, Str. Arch. 58 S. 78.

840

Erster Theil.

Eilster Titel.

§§. 969—980.

§. 969. Wegen solcher Fehler hingegen, die in der schlechten Beschaffenheit der Materialien ihren Grund haben sollen, kann der Baumeister zu allen Zeiten innerhalb der gewöhnlichen Verjährungssrist, zur Verantwortung gezogen werden"). §. 970. In beiden Fällen aber ist, auch nach der Uebergabe, die Frage: in wie­ fern ein sich äußernder Fehler, je nachdem derselbe in der Beschaffenheit der Materia­ lien, oder der Arbeit seinen Grund hat, von dem Baumeister vertreten werden muffe? nach der Vorschrift §§. 954—958 zu beurtheilen. R°cht° °°s §.971. Fällt weg"). trage bei §. 972. Dieses Vorrecht kann er, so lange der Konkurs noch nicht eröffnet ist, auf Kmtturiedie Sache, auch ohne die besondere Einwilligung des Schuldners, eintragen lassen "). §. 973. Auf bewegliche Sachen, die dem Besteller einmal übergeben worden, kann dies Vorrecht nicht ausgedehnt werden. 66) (6. A.) Das Obertribunal unterwirft der Vorschrift des §. 969 auch den Bauunternehmer, der weder Baumeister, noch überhaupt Werkverständiger ist. O.Tr. IV v. 6. Juli 1871, Str. Arch. 82 S. 248. Das ist gewiß sehr zweckmäßig, da gar kein innerer Grund vorliegt, Jemanden, der zur Herstellung eines Baues gegen Entgelt sich verpflichtet, dann milder zu beurtheilen, wenn derselbe kein Sachverständiger ist. (Vergl. Tit. 3 §§. 22 u. 23 und Tit. 5 §. 281.) Allein wenn die Be­ schränkung der §§. 925—967 auf Werkverständige gerechtfertigt ist (vor. Anm.), so ist eS min­ destens gewagt, dem Worte „Baumeister" in dem §. 969 eine andere Bedeutung beizumessen, alS in dem §. 968. In dem §. 968 ist allerdings von Verstößen gegen die Kunst die Rede. Allein der §. 969 setzt auch nicht bloß den Fall des Dolus, sondern auch die Fälle voraus, in denen ohne Arglist Materialien verwendet worden find, deren schlechte Beschaffenheit nur von einem Sachver­ ständigen bemerkt werden konnte. Das Obertribunal meint aber weiter, dürfe man von der unmit­ telbaren Anwendbarkeit des §. 969 auf nicht sachverständige Bauunternehmer überhaupt absehen, dann greife die Regel, d. h. die ordentliche Verjährung Platz. Das sei jedoch nicht die kurze Ver­ jährung deS Tit. 5 §§. 343 u. 345. Denn diese §§. seien auf den Fall der Uebertragung des Ei­ genthums einer Sache zu beziehen, während hier ein Vertrag über H a n d l u n g e n vorliege. Durch diese Aeußerung aber geräth das Obertribunäl in Konflikt mit einer älteren Entscheidung, nach welcher auch die Ansprüche gegen den Werkmeister wegen Mängel deS Werkes, soweit dafür nicht die besonderen Vorschriften der §§. 968 ff. Tit. 11 gegeben sind, der Verjährung aus §§. 343 u. 345 Tit. 5 unterworfen sein sollen. O.Tr. IV v. 18. Mai 1865, Str. Arch. 59 S. 167. Von einer Anwendung des §. 969 auf nicht werkverständige Unternehmer kann daher nicht abgesehen werden; sie läßt sich aber nur rechtfertigen, wenn man die §§. 966 ff. durchweg auf alle Bauunternehmer bezieht. 67) (7. A.) Der §. 971 lautete: „Bei unbeweglichen Sachen hat der Werkmeister in Ansehung der darin verwendeten Materialien und Arbeiten em in der Konkursordnung näher bestimmtes Vor­ recht." Dieses Vorrecht, welches in der Allg. Gerichts-Ordnung Th. I. 50 *§§. 424 u. 426 geordnet war, ist durch die Konkurs-Ordnung v. 8. Mai 1855 unterdrückt. Die Konkurs-Ordn. für das deutsche Reich kennt es ebenfalls nicht. Der §.971 ist daher bedeutungslos. 68) An diesem Titel zur Hypothek hatte die Konk.-Ordnnng v. 8. Mai 1855 Nichts geändert. Einf.-Ges. v. 8. Mai 1855 Art. 11. O.Tr. IV v. 19. Juli 1859, Entsch. 41 S. HO; Str. Arch. 33 S. 341. Die Eintragung erfolgte, sobald die Forderung des Werkmeisters entstanden und un­ streitig war. War sie streitig oder noch im Entstehen, so konnte nur eine Protestation zur Erhal­ tung des Rechts eingetragen werden. (6. A.) Auch das Gesetz über den Eig.-Erw. v. 5. Mai 1872 (G.S. S. 433) hat den gesetz­ lichen Titel zum Pfandrecht beibehalten. Die Eintragung der Hypothek ist jedoch nach §. 19 dadurch bedingt, daß der Schuldner dieselbe bewilligt oder rechtskräftig zur Bewilligung der Eintragung verurthettt ist. Fehlt es hieran, so ist der Werkmeister nur befugt, unter Vermittelung des ProzeßrichterS eine Vormerkung auf das Grundstück seines Schuldners eintragen zu lassen. §. 22. (7. A.) Ueber die Voraussetzung des prozeßrichterlichen Einschreitens siehe §. 70 des Gesetzes. Ist die Vor­ merkung eingetragen, so bestimmt der Prozeßrichter dem Berechtigten eine Frist zur Anstellung der Klage, sofern diese noch nicht erhoben ist. Wird die Klage entweder innerhalb der Frist nicht ange­ stellt , oder zwar angestellt, aber nicht verfolgt oder rechtskräftig zurückgewiesen, so hat der Richter auf Antrag daS Grundbuchamt um Löschung der Vormerkung zu ersuchen. O.Tr. III v. 23. Febr. 1877, Entsch. 79 S. 205. Die früher auch von dem Obertribunal III in dem Erk. v. 14. Juli 1873, Str. Arch. 89 S. 183, vertretene Meinung, daß es zur Löschung der Vormerkung beim Mangel der Bewilligung des Berechtigten eines denselben dazu verurtheilenden Erkenntnisses bedürfe, ist gemißbilligt worden. Vergl. O.Tr. III v. 28. Mai 1876, Entsch. 78 S. 99. Soweit der An­ spruch des Werkmeisters rechtskräftig festgestellt wird, ist im Wege der Zwangsvollstreckung eine Hy­ pothek an der Stelle der Vormerkung einzutragen.

Don Verträgen über Handlungen.

841

§. 974. Entsteht aber vor der Uebergabe Konkurs über das Vermögen des Be­ stellers , so kann der Werkmeister, wegen seiner Arbeit und Auslagen, des Zurückbe­ haltungsrechtes auf das noch in seiner Gewahrsam befindliche Werk fich bedienen §. 975. Entsteht vor Ablieferung des Werks Konkurs über das Vermögen des Werkmeisters, so kann der Besteller das in der Masse vorhandene vollendete Werk, ge­ gen Erlegung des noch schuldigen Preises, fordern'«). §. 976. Ist das Werk noch unvollendet, so kann er die von ihm gelieferten Materialien, so weit sie noch vorhanden sind, als sein Eigenthum zurücknehmen. §. 977. Gleiche Befugniß steht dem Besteller zu, wenn Materialien vorhanden sind, die der Werkmeister von dem Vorschüsse, welchen ihm der Besteller dazu aus­ drücklich gegeben, erweislich angeschafft und bezahlt hat. §. 978. So weit der Besteller für die von ihm gelieferten Materialien, oder für den Vorschuß, den er zu deren Anschaffung gegeben hat, durch diese Zurücknahme nicht entschädigt werden kann, ist er an das in der Masse vorhandene noch unvollen­ dete Werk sich zu halten berechtigt. §. 979. Kann er dadurch seine Befriedigung nicht erhalten, so muß er mit der in der Konkursordnung ihm sonst angewiesenen Stelle sich begnügen. §. 980. Der Besteller kann der Annahme des in der Konkursmasse vollendet'') 69) Nach §. 566 Tit. 20 soll das Retentionsrecht, welches dem Gläubiger wegen seiner Forde­ rung etwa zusteht, durch die Konkurseröffnung gerade erlöschen. Wegen dieses Widerspuchs sind die Meinungen über den hier eigentlich gemeinten Rechtssatz getheilt. In dem gedr. Entwürfe lautet die Stelle so: §. 694. „Bei beweglichen Sachen bleibt der Werkmeister Eigenthümer, bis das Werk von dem Besteller übernommen worden." Man hatte dies auf solche Werke bezogen, von welchen der Werkmeister, weil er die Materialien dazu hergegeben, von Ursprung Eigenthümer geworden und folg­ lich bis zur Uebergabe verbleibe. Dies war aber nicht der Sinn des Vers.: denn Suarez erklärte bei der rev. monitor.: „Ad §. 694 kann eigentlich nicht gesagt werden, daß der Werkmeister Eigen­ thümer des Werkes sei, besonders alsdann nicht, wenn der Besteller die Materialien hergegeben hat. In diesem Falle ist das Dominium gleichsam in suspenso, so lange, bis die Tradition erfolgt ist. Das Nähere hierüber gehört in die Materie von der Spezifikation, und ist auch dort vorgenommen. Zu dem gegenwärtigen Zwecke wird es genug sein, festzusetzen, daß, wenn vor der Ablieferung des Werkes Konkurs über das Vermögen des Bestellers entsteht, dem Werkmeister an das Werk ein jus retentionis zustehe." (Ges.-Revis. Pens. 14 S. 165.) Die Absicht ist klar. Man wollte über das Recht deS Werkmeisters an der Sache, welches, je nachdem die Materialien von ihm oder nicht von ihm Herkommen, Eigenthum oder Pfandrecht ist, hier nichts bestimmen, vielmehr bloß über das obli­ gatorische Rechtsverhältniß Verordnung treffen; man war nur über die entsprechende Fassung verle­ gen. Der Fall ist der: der Werkmeister hat mit dem Gemeinschuldner kontrahirt, der Vertraa ist aber noch unerfüllt. In solchem Falle steht es bei der Gläubigerschaft, entweder das Geschäft aus sich be­ ruhen zu lassen, oder, wenn sie davon Gebrauch machen wollen, auch passiv ganz in die Stelle des Gemeinschuldners zu treten, d. h. Zug um Zug gegenzuleisten. Proz.-Ordn. Tit. 50 §. 39 und Konk.-O. §.16 Satz 2. Rufen sie das Geschäft auf, so hat der Werkmeister wegen des Geleisteten einen Anspruch an die Gläubigerschaft (ante omnes) nur in sofern, als die Masse noch jetzt dadurch reicher ist. §. 294 a. a. O. und Konk.-O. §.16 Satz 3. Fordern sie Erfüllung durch Ablieferung deS Werkes, so ist der Werkmeister sofortige Bezahlung zu fordern berechtigt, nach der allgemeinen Regel über Erfüllung wechselseitiger Verträge; und es ist ihm zum Schutze seines Rechts hier noch besonders das jus retentionis gegeben, welches nichts anderes ist als die exceptio doli auf Grund des §. 271 Tit. 5. Vergl. die §§. 252 u. 258 Tit. 50 der Proz.-Ord. Die Konk.-O. v. 8. Mai 1855 §. 33 Nr. 9 hat das Retentionsrecht in ein Pfandrecht verwandelt. Der Fall des Werkmeisters ist dem Falle des Verkäufers, der noch nicht übergeben hat, juristisch völlig gleich. So wenig der Ver­ käufer gehalten ist, die verkaufte Sache an die Konkursmasse, ohne Bezahlung des Kaufgeldes, zu übergeben, gleich wenig ist der Werkmeister schuldig, sein Werk ohne Bezahlung des Lohnes heraus­ zugeben. Dazu hätte es der besonderen Bestimmung des §. 974 gar nicht bedurft; sie enthält keine grundsätzliche Ausnahme und auch keine Eigenthümlichkeit des Verdingungskontrakts. (7. A.) Die Bestimuung der KonkurS-O. v. 8. Mai 1855 §. 33 Nr. 9 ist in die Konk.-O. für das deutsche Reich §.41 Nr. 6 übergegangen. 70) Hierbei ist vorausgesetzt, daß der Besteller die Materialien in Natur oder in den dazu er­ forderlichen Mitteln angeschafft habe, wie die §§. 976—979 klar machen. Hat er die Materialien nicht geliefert, so kommt auch hier der Grundsatz des §. 16 der Konk.-Ord. v. 8. Mai 1855 resp. deS §.15 der Reichs-Konk.-O. zur Geltung. Vergl. die vorige Anmerkung. 71) Ist eS unvollendet, so ist der Besteller nicht verbunden, sich die Vollendung durch einen von

842

Erster Theil.

Eilftcr Titel.

g§. 980—982.

Vorgefundenen Werks, gegen die Gläubiger, nur aus eben den Gründen, die er dem Gemeinschuldner selbst hätte entgegensetzen können, sich weigern. cmSr. §• 98t. Wer sich verpflichtet, einem Andern eine bestimmte") Sache für einen trage*), gewissen") Preis zu verschaffen"), wird ein Lieferant genannt. den Gläubigern angestellten Werkverständigen gefallen zu lassen, wegen des Grundsatzes §. 928. Da­ gegen aber ist die Bedeutung dieser Bestimmung für den Fall der Vollendung des Werkes unfindbar. Denn eS versteht sich ganz von selbst, daß die Konkurseröffnung über das Vermögen deS Gläubigers kein Erergniß ist, welches den Schuldner liberiren könnte. — Ist das Werk unvollendet, so überträgt sich das Rechtsverhältniß nicht auf die Gläubigerschaft, weil nichtfungible Handlungen von ihr nicht geleistet werden können, tz. 928. Daraus folgt, daß dieses Kontraktsverhältniß, in Betreff der Aus­ führung des aufgetragenen Werks, durch die Konkurseröffnung nicht verändert wird. Dasjenige, was in Folge des vor der Konkurseröffnung abgeschlossenen Verdingungskontrakts von dem Werkmeister nach der Konkurseröffnung erworben wird, verblieb nach der Proz.-O. Tit. 50 §§. 33 und 34 ihm. (6. A.) Nach der Konk.O. v. 8. Mai 1855 §§. 1 u. 280 fließt der Preis seiner Arbeit zur Konkurs­ masse, sofern derselbe während der Dauer des Konkurses fällig wird und nicht etwa als Arbeits- oder Dienstlohn im Sinne des Bundesgesetzes v. 21. Juni 1869 (B.G.Bl. S. 242) anzusehen und aus diesem Grunde von der Beschlagnahme auszuschließen ist. (7. A.) Abweichend hiervon unterwirft die Konk.-O. für das deutsche Reich §. 1 dem Konkursverfahren nur das zur Zeit der Eröffnung dessel­ ben dem Gemeinschuldner gehörige Vermögen.

*) v. Bülow u. Hagemann, Erörterungen, Bd. 4 Erört. 15; Bornemann, Systema­ tische Darstellung des Preußischen Civilrechts, 3 §. 237 ; Koch, Recht der Forderungen, 2. Ausg. 3 tz. 361; Hassenpflug, über das Lieferungsgeschäft. Berlin 1846; (6. A.) Löwenberg, über den Lieferungsvertrag, unter Berücksichtigung des Handels mit geldwerthen Papieren. Berlin 1846; Baron, zur Begriffsbestimmung des Lieferungsvertrages nach gemeinem und preußischem Recht, in Gruchot's Beiträgen rc. Iahrg. 2 S. 1—19; Wilda in Weiske's Rechtslexikon 6 S. 48; Befeier, System des gern, deutschen Privatrechts §. 228 IX u. X, §. 229 I; Endemann, das deutsche Handelsrecht §. 119; Gruchot, Glossen zum A. L.R. I- u §§. 981 ff., in seinen Beiträ­ gen 13 S. 697 ff.; Förster, Theorie uud Praxis, 3. Aufl. 2 S. 113—119. (6. A.) Die Einreihung des Lieferungsvertrages unter die Verträge über Handlungen ist ein Irr­ thum, der als solcher jetzt fast allgemein erkannt ist. Das Verschaffen oder Anschaffen der Sache, welches dem Lieferanten obliegen soll, ist allerdings eine Handlung. Aber diese Handlung leistet der Lieferant nicht dem Besteller (Anm. 1 zu §. 869); er verrichtet sie vielmehr in seinem eige­ nen Interesse, um sich zur Lieferung in den Stand zu setzen. Wie, wann und woher die Sache be­ schafft wird, berührt das Recht des Bestellers nicht, wenn er nur die Sache rechtzeitig und so, wie sie bedungen ist, erhält. Die Leistung des Lieferanten an den Besteller besteht also in einem dare. nicht in einem facere; sie unterscheidet sich in Nichts von der Leistung des Verkäufers, der für einen bestimmten Preis eine Sache giebt. Der Lieferungsvertrag ist seinem Wesen nach ein Kauf; er hat nur das Besondere, daß a) sein Gegenstand nur generell bestimmt (Plathner, Geist des preußischen Privatrechts 1 S. 87 ff.), b) die Uebergabe der Sache nicht sofort, sondern erst einige Zeit nach dem Vertrags­ abschlüsse in Aussicht genommen (Thöl, das Handelsrecht, 4. Aufl. 1 S. 70) und zwar so, daß die Existenz deS Vertrages von der Einhaltung der Zeit abhängig gemacht ist (Förster a. a. O. 2 S. 117), und c) daß der Lieferant abweichend von der Regel die Sache dem Besteller bringen muß (För­ ster a. a. £).). Durch die Art. 271 u. 338 des Handelsgesetzbuchs haben die Vorschriften deS Landrechts über den Lieserungsvertrag ihre praktische Bedeutung verloren. (7. A.) Vergl. Ko walz i g, Handelsge­ setzbuch rc. (1876) S- 4, 211, 335. 72) In dem AuSdrucke ist hier fehlgegriffen. Nicht eine „bestimmte" Sache (SpezieS oder „In­ dividuum", wie es im §. 271 Tit. 5 heißt), sondern eine Sache von einer bestimmten Gattung (Ge­ nus) ist gemeint. Vergl. Entsch. des O.Tr. 11 S. 32. 73) Durch den „gewissen" Preis wird der Lieferungskontrakt dem Kaufkontrakte ähnlich und unterscheidet er sich von dem Mandate und namentlich von der Einkaufskommission (Tit. 13 §§. 5, 6; Th. II Tit. 8 §§. 698, 699), wobei ein Limitum des Einkaufspreises gesetzt ist. Denn ein Limitum des Preises ist kein „gewisser Preis" im Sinne des tz. 981. O.Tr. iv v. 10. Febr. 1853, I.M.Bl. S. 142; Str. Arch. 8 S. 300. (6. A.) Ueber den Unterschied zwischen Lieferungsvertrag und Ver­ dingungskontrakt siehe oben die Anm. 39 zu §. 925) (7. A.) und K owalzig a. a. O. S. 336. 74) Das „Verschaffen" d. i. die Handlung deS vorherigen AnschaffenS, in sofern der Lieferant die Sachen noch nicht hat, soll hiernach das Charakteristische sein, welches den Lieserungskontrakt von

Bon Verträgen über Handlungen.

843

§. 982. Der Lieferant kann sich der übernommenen Pflicht nicht entziehen, wenn auch die Lieferung durch nachher eingetretene Umstände erschwert witb76). dem Kaufkontrakte, dessen eigentlicher Gegenstand ein Geben (dare) ist (§. 123 Tit. 2), während der Lieferungsvertrag ein Handeln (Leisten, facere) zum Gegenstände hat (vergl. oben die Anm. zu §.363 d. T.), — unterscheidet. Deshalb ist dieses Rechtsgeschäft unter die Verträge über Handlungen ge­ stellt worden. Dies ist mit Vorbedacht geschehen. Suarez sagt in der revisio monitorum: „Herr Goßler meint, daß die Materie von Lieferungen nicht hierher gehöre, sondern zu der Lehre vom Kaufe. Allein es fällt wohl in die Augen, daß dies negotium vielmehr zusammengesetzt sei. Der Lieferant hat selbst die Sache noch nicht, die er dem Anderen verschaffen soll. Er übernimmt erst, solche anzuschaffen und sie sodann zu tradiren. Ante implementum ist also kein Kauf, sondern ein contractus facio ut des vorhanden. Erst post implementum tritt das Verhältniß wie zwischen Ver­ käufer und Käufer ein." Bornemann 2. A. 3 S. 189. Ich habe früher gesagt: „Der Lieferungsvertrag ist der umgekehrte Trödelvertrag. So wie der Trödelvertrag wesentlich ein Auftrag zum Verkaufe ist, und folglich sich, wenn er ausgeführt wird, zuletzt in ein Kaufgeschäft auflöst, so ist der Lieferungsvertrag ein Auftrag zum Ankäufe, dessen Ausgang wieder ein Kauf ist, daher nach der Erfüllung die Grundsätze des Kaufs gelten." Koch, Recht der Forderungen 2. Ausg. 3 S. 1011. Das ist von dem O.Tr. mißverstanden worden, indem es darin die Behauptung einer Gleichheit oder Aehnlichkeit mit dem „Bevollmächtigungsvertrage" gesehen und die Beweisführung unternommen hat, daß der Lieferant kein Bevollmächtigter des Bestellers sei und nicht in dessen Namen handele. Entsch. 13 S. 61. Die Beweisführung ist unnöthig, denn ein „Bevollmächtigungsver­ trag", d. i. die Ermächtigung, den Anderen bei Abschließung eines Rechtsgeschäfts mit einem Dritten zu repräsentiren, ist etwas ganz anderes, als der Auftrag zu einer Dienstverrichtung; und nur mit einem solchen, keineswegs mit einem Bevollmächtigungsvertrage, habe ich den Lieferungsvertrag ver­ glichen. Das von mir Gesagte ist auch keine Begriffsbestimmung, wie es dort genannt wird, es ist nur eine beschreibende Vergleichung zur Verständigung des Begriffs; und diese Vergleichung, nämlich die Vergleichung mit dem Trödelvertrage, scheint mir noch immer zutreffend zu sein. (6, A. Vergl. gegen diese Rechtfertigung Förster a. a. O. S. 115 Note 65.) Der Pl.-Beschl. (Pr. 1755) des O.Tr. v. 15. Juli 1846 sagt über die Erfordernisse eines Lie­ ferungsvertrages: „Bei Lieferungsverträgen im Sinne des A. L.R. macht zwar das Verschaffen der Sache einen wesentlichen Theil der Verpflichtung aus, die der die Sache Versprechende gegen den Besteller übernimmt. Damit aber das Geschäft für einen Lieferungsvertrag erachtet werden könne, ist es nicht erforderlich: 1. daß das Verschaffen der Sache ausdrücklich versprochen sei. Die ent­ sprechende Verpflichtung kann vielmehr auch aus dem Inhalte des Vertrages, aus den Verhältnissen der Parteien, und aus den sonstigen Umständen entnommen werden; 2. daß aus dem Vertrage oder aus den Umständen die Voraussetzung des Bestellers hervorgehe, daß die versprochene Sache sich noch nicht im Besitze des Versprechenden befinde. Es schließt'daher 3. die Anwendung der Regeln des Lieferungsvertrages nicht aud, daß sich der Uebernehmer (Lieferant) bereits beim Abschlüsse des Kontrakts thatsächlich im Besitze der Sache — d. i. von Sachen solcher Art und in der Quantität, wie er zu liefern sich verpflichtet — befunden hat." Entsch. 13 S. 57. (Vergl. die Anwendung des dritten Satzes in dem Erk. deS O.Tr. IV v. 14. Febr. 1856, Str. Arch. 20 S. 163.) — Was unter dem „Verschaffen" zu verstehen sei, ist hierbei dahingestellt geblieben. Man sagt: „das Wort steht im Gesetze" uud deshalb erklärten auch die Votanten, welche dafür hielten, es komme doch nur darauf an, daß das Gewollte Dem Besteller verschafft, in seine Hände gebracht werde, gleichviel woher — für die Bejahung des Hauptsatzes stimmen zu müssen. (I.M.Bl. 1846, S. 227.) Das Lieserungsgeschäft ist aber seiner Wesenheit nach kein besonderes Geschäft, es ist nichts weiter als ein Kauf, und das Bedürfniß zur eigenthümlichen Behandlung desselben seitens der Gesetzgebung fehlt. Das O.Tr. nimmt für die Beurtheilung der Frage: ob ein vorliegender Vertrag für einen Lieferungsvertrag, oder für einen Kaufkontrakt auzusehen sei, „bei dem schwankenden, juristisch wenig charakterisirten Begriffe, wo nicht eben ein vom Kaufverträge unterscheidendes Merkmal ganz fehlt", in der That das Gebiet der thatsächlichen Würdigung in Anspruch. Dasselbe hat auch die Anwendbarkeit des §. 408 Tit. 5 auf Lieferungsverträge, insbesondere nachdem die Handlung des Verschaffens beendet, die Sache bereits geliefert ist, unter der Einrede, daß die Sache fehlerhaft sei, für unzulässig erklärt. O.Tr. IV v. 31. Ian. 1861, Str. Arch. 40 S. 221. — Auch das H.G.B. erkennt das Geschäft, dessen Gegenstand r.i der Lieferung einer Quantität vertretbarer Sachen gegen einen bestimmten Preis besteht, nur als ein nach den Bestimmungen über den Kauf zu beurtheilendes Rechtsgeschäft an. Art. 338. Die Kommission hat es verneint, daß ein Bedürfniß dafür bestehe, für das'Lieferungsgeschäft besondere, von den über das Kaufgeschäft gegebenen Normen abweichende Bestimmungen zu treffen. Sitzung 75 v. 26. Mai 1857 (Prot. Th. 2 S. 671). Nach Art. 271 Ziff. 2 des H.G.B. ist die Uebernahme einer Lieferung von Gegenständen der Ziff. 1 erwähnten Art ein objektives Handelsge­ schäft. (7.A.) Ueber die Eigenthümlichkeiten des handelsrechtlichen Lieferungskaufes vergl. Dernburg, Lehrbuch rc. Bd. 2 (1877) S. 12 und 13.

75) Betreffs des zu leistenden Jntereffes wegen Nichtlieferung siehe die Anm. zu §. 286 Tit. 5.

844

Erster Theil.

Eilster Titel.

§§. 983—991.

§. 983. Wegen der Fälle, wenn die Lieferung überhaupt76), oder die be­ stimmte Art derselben, in Ansehung der Zeit oder des drts unmöglich, oder mit einer unvorhergesehenen Gefahr verknüpft wird, hat es bei den allgemeinen Vorschriften des Titels von Verträgen §§. 360—376 sein Bewenden. §. 984. Wenn wegen veränderter Umstände die besprochene77) Lieferung zu dem Zwecke, wozu der Besteller sie bedungen hat, unnütz oder unbrauchbar wird76): so kann zwar derselbe den Vertrag widerrufen. §• 985. Er muß aber den Lieferanten, wegen der zur Erfüllung von seiner Seite bereits gemachten Anstalten, und verwendeten Bemühungen oder Kosten, voll­ ständig entschädigen. §. 986. So weit der Lieferant zur Zeit des Widerrufs die bestellte Sache ganz oder zum Theil bereits angeschafft hat, muß der Besteller sie annehmen, oder sich den öffentlichen76) Verkauf auf seine Gefahr und Kosten gefallen lassen66). §. 987. Nach geleisteter Lieferung findet unter den Kontrahenten alles das statt,

Sten*)*

was zwischen Käufern und Verkäufern Rechtens ist67). §- 988. Auf nützliche Geistesarbeiten, oder gemeinnützige körperliche FähigkeiBei Lieferungsverträgen steht der Weigerung der versprochenen Erfüllung die bisher nicht kontraktniäßig geschehene Leistung gleich. — Eme besondere ausdrückliche Erklärung des Rücktritts vom Vertrage ist nicht erforderlich, der Rücktritt kann auch durch Innehaltung der ferneren Lieferungen erklärt werden. O.Tr. IV v. 1. Nov. 1855, Str. Arch. 18 S. 259.

76) Z. B. wenn ein Buchhändler Kunden für ein anderswo angekündigtes Werk sucht und das­ selbe für den Ladenpreis zu liefern sich erbietet, hinterdrein aber der Verleger das Werk gar nicht oder nicht vollständig herausgiebt. Die Subskribenten können dann zurücktreten, den geliefert erhalte­ nen Theil zurückgeben und den bezahlten Preis von ihrem Kontrahenten (nicht etwa von dem Ver­ leger, mit dem sie nicht kontrahirt haben), znrückfordern. Vergl. den Rechtsfall im Schles. Arch. 1 S. 433. 77) Statt „besprochene" ist zu lesen: versprochene. R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 469. 78) Die §§. 984—986 finden nur alsdann Anwendung, wenn der Besteller den Nachweis führt, daß ihm die Lieferung zu dem bedungenen Zwecke unnütz geworden, — nicht aber auch alsdann, wenn er aus reiner Willkür den Vertrag widerruft. O.Tr. Pl. (Pr. 1607) vom 19. Sept. 1845 Nr. 1, J.M.Bl. S. 196; Entsch. 11 S. 18.

79) Dadurch, daß der Lieferant die angebotene aber zurückgewiesene Sache durch Privatvertrag anderweit veräußert, wird er noch nicht seines ganzen Anspruches an den Besteller verlustig. Ders. Pl.-Beschl. Nr. 2. Der Lieferant, welcher vor Ablauf der Lieferungsfrist die bereits angeschafste Waare wieder ver­ kauft , weil der andere Kontrahent die Annahme überhaupt verweigert hat, geht dadurch seines Rechts, von dem Letzteren wegen dessen einseitigen Rücktritts Entschädigung zu fordern, nicht verlustig, noch weniger wird er dadurch gar zur Entschädigung desselben verpflichtet. O.Tr IV v. 10. Nov. 1857, Str. Arch. 27 S. 102. 80) Der Lieferant ist nicht verpflichtet, alternativ auf Annahme oder öffentlichen Verkauf der Sache auf Gefahr und Kosten des Bestellers zu klagen, — sondern darf auch einfach auf Zahlung des bedungenen Preises gegen Uebernahme der versprochenen Sache Klage erheben. Ders. Pl.-Beschl. Nr. 3. Bei der im Bd. 8 S. 264 ff. aus dem Jahre 1842 mitgetheilten Entscheidung war das O.Tr. von entgegengesetzten Grundsätzen ausgegangen.

81) Doch nicht die Anfechtung wegen übermäßiger Verletzung; denn der Lieferant läßt sich nicht bloß den Werth der Sache bezahlen, sondern bringt auch seine aus das „Verschaffen" verwendete Mühwaltung und Kosten in Anschlag. (6. A.) Ueberdies entsteht das Recht zur Anfechtung des Kaufes wegen Laesio enormis bereits mit dem Abschlüsse des Vertrags; der Lieferungsvertrag soll aber erst nach der Lieferung den Charakter des Kaufs annehmen. Bergt. Plathner, Geist des preuß. Privatrechts 1 S. 359. Auch derjenige, welcher die versprochene Lieferung von Zeitungsexemplaren ausführt, ist als Verkäufer derselben im Sinne des §. 1 des Preßgesetzeö v. 12. Mai 1851 anzusehen; es bedarf daher auch der Verleger einer Zeitung zum Absätze der Zeitungsexemplare an seine Abonnenten der nach §. 1 a. a. O. zum Betriebe des Gewerbes eines Zeitungsverkäufers erforderlichen Genehmigung der Bezirksregierung. O.Tr. S. f. Straff. (Pr. 309) v. 17. Dez. 1866, Entsch. 57 S. 44*.

*) Gemeinrechtlich ist man darüber nicht einverstanden, ob auf diesem Wege eine Obligation mit einem unbekannten Gläubiger kontrahirt werden könne. Unterholzner, Schuldverhältnisse 1

Von Verträgen über Handlungen.

845

ten82 * )*83 ober * 84 * Unternehmungen, * * * * * * * * öffentliche * * * * 8*8)* Belohnungen *** auszusetzen8 ^) ist einem Jeden erlaubt85).86 87 §. 989. Wer dergleichen Prämien aussetzt, kann sein Versprechen vor dem Ab­ laufe der bestimmten Zeit nicht zurücknehmen88). §. 990. Doch steht ihm frei, die Preisfrage innerhalb der ersten Hälfte der zu ihrer Beantwortung ausgesetzten Zeit näher zu bestimmen. §. 991. Er kann sich selbst in den Wettstreit nicht mit einlaffen, wenn er sich dieses bei der Bekanntmachung nicht ausdrücklich vorbehalten hat8'). Nr. 26 I nimmt es an; v. Savigny, Obligationenrecht 2 S. 90, erklärt sich dagegen. Das Allg. Landrecht hat hierin keinen Vorgänger. Die L. 5 C quae res pignori 8, 17, welche die Prämie, die den Athleten in Aussicht steht, voraus zu verpfänden verbietet, berührt die Frage gar nicht. (6. A.) Die Römer konnten die Auslobung von Prämien nicht als rechtsverbindlich ansehen, weil sie ein obligatorisches Verhältniß mit einer persona incerta nicht für möglich hielten. Die Bedürf­ nisse des modernen Verkehrs haben indeß über die römische Auffassung hinweggeholfen. Die gemein­ rechtliche Doktrin neigt sich mehr und mehr dahin, gegen den Auslobenden eine Klage aus Erfüllung eines Versprechens zu gestatten. (7. A.) Die Einen — wie Ihering, Regelsberger, Vangerow, Exn er — erachten den Versprechenden erst durch die Annahme des Versprechens für gebun­ den ; die Annahme fällt aber regelmäßig mit der Erfüllung zusammen. (Bertragstheorie.) Andere, namentlich Kuntze und Siegel, finden den Rechtsgrund der verbindenden Kraft der Auslobung in dieser selbst und erkennen demgemäß grundsätzlich ein Recht des Auslobenden zum Widerruf setneS Versprechens nicht an. (Theorie des einseitigen Rechtsgeschäft-.) Das Nähere hierüber und den Nach­ weis der reichhaltigen Literatur siehe bei Wind scheid, Lehrb. des Pandektenrechts §. 308 Bd. 2 (4. Aufl.) S. 181—184. Das Landrecht steht in der Mitte zwischen beiden Theorien. Die Auslo­ bung kann widerrufen werden, wenn sie ohne Zeitbestimmung erlassen ist. Die Annahme ist daher nicht entbehrlich. Wenn indeß für die Beantwortung der Preisfrage resp, die Herstellung der Arbeit eine gewisse Zeit gesetzt ist, so ist der Auslobende bis zum Abläufe derselben einseitig gebunden. Dernburg, Lehrb. des preußischen Privatrechts 2 S. 23. Siehe ferner Koch, Recht der Forder., 2. Ausg. 3 §. 362; Gruchot, Glossen zu dem A.L.R. I. 11 §§. 988 bis 995, in seinen Beitr. 13 S. 709—727 ; Förster, Theorie u. Praxis §. 77, 3. Aufl. 1 S. 438 und 439. -

82) Soll heißen „Fertigkeiten". Denn „Fähigkeiten" nennt man die Naturgaben, vermöge wel­ cher Ynan eine gewisse Thätigkeit zu erlernen vermag. gen.

83) Nicht öffentliche Belohnungen sind gemeint, sondern das öffentliche Aussetzen der Belohnun­ Die Fassung dieser Stelle ist unlogisch und ungrammatisch.

84) Das öffentliche Ausbieten einer Belohnung zu dem genannten Zwecke (Auslobung einer Prä­ mie) ist ein Versuch zur Eingehung eines Vertrages über gewisse Handlungen, z. B. über Dienstmiethe, oder Darstellung eines Werks, oder Entdeckung eines Geheimnisses. Die Aufforderung ist an Jeden gerichtet und es ist nicht erforderlich, daß der Besteller ein eigenes und ausschließliches Vermögensin­ teresse dabei habe; er wird verbindlich, wenn auch lediglich' nur die Allgemeinheit dabei gewinnt. Wer auf die Aufforderung eingeht, wird dadurch nicht zur Ausführung verbunden; er kann abstehen, aber für seine Mühwaltung und Aufwendung nichts fordern. (7. A.) Vergl. Ihering, in den Jahrbüchern für die Dogmatik des römischen und deutschen Privatrechts 4 (18*61) S. 99. 85) Das soll heißen: wer das thut, soll gehalten sein, das Versprochene zu bezahlen, er soll dar­ auf verklagt werden können; denn „auch ohne dieses Gesetz würde es sich Wohl von selbst verstehen, daß eine solche Handlung eine erlaubte, d. h. nicht verbotene sein würde." v. Savigny, Obliga­ tionenrecht 2 S. 91 Note f. (6. A.) In Zeitungsannoncen findet man zur Reklame für eine Waare bisweilen das Verspre­ chen einer Belohnung für denjenigen, der einen bestimmten Mangel an der Waare nachweist. Ein solches Versprechen fällt nicht unter die Auslobungen im Sinne des §. 988. Es ist eine einseitige Wette, welche für den Anpreisenden keine Verbindlichkeit erzeugt. Vergl. Regelsberger, civil­ rechtliche Erörterungen (1868) S. 206; Ihering a. a. O. S. 99 ff. hält auch ein solches Ver­ sprechen für klagbar. Nach preuß. Recht ist die Klagbarkeit zu verneinen. Förster S. 438; Gru­ chot S. 718. 86) Wer dies dennoch thut, muß Alle, welche sich lediglich aus Anlaß der Aufforderung auf das Unternehmen eingelassen haben, für ihre Verwendungen entschädigen. Ist keine Zeitbestimmung in der öffentlichen Bekanntmachung enthalten, so kann er die Aufforderung zu jeder Zeit zurücknehmen, nur muß er für die bereits getroffenen Veranstaltungen den Unternehmern aufkommen. 87) (6. A.) Man rechnet zu den Auslobungen nicht bloß öffentliche Preisausschreibungen für die Lösung einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Aufgabe rc., sondern auch das öffentliche Versprechen einer Prämie für die Wiederbringung einer verlorenen oder gestohlenen Sache, für die Ermittelung

846

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 992—998.

§. 992. Wer sich nicht zu rechter Zeit, oder nicht mit den vorgeschriebenen Maß­ regeln als Mitwerber gemeldet hat. kann auf den Preis keinen Anspruch machen. §. 993. Selbst der. welcher den Preis ausgesetzt hat. kann einen solchen Mit­ werber zum Nachtheile der übrigen nicht zulassen. §. 994. Dem Urtheile des Aussetzers, oder dem von diesem gleich bei Bekannt­ machung der Aufgabe ernannten Richter, müssen sämmtliche Mitwerber sich ohne Wi­ derrede und weitere Berufung unterwerfen. §. 995. Das Eigenthum der von einem jeden Mitwerber gelieferten Arbeit bleibt ihrem Urheber; und der Aussetzer des Preises kann sich darüber keine andere Verfügung anmaßen, als die er sich bei der Bekanntmachung ausdrücklich vorbehalten hat, oder die aus dem erklärten Zwecke der Ausgabe von selbst folgt. 7) Verlags§. 996. Das Verlagsrecht besteht in der Besugniß. eine Schrift durch den Druck vertrage*).______________

einer Person (eines Verbrechers, eines Verschollenen) u. dgl. (Gruch ot a. a. O. S. 716). Ueber die Fälle der letzteren Art äußern sich die Gesetzrevisoren wie folgt: Zunächst entsteht die Frage, wie es zu halten, wenn mehrere Personen die verlangte Anzeige machen. Dies kann nach §§. 992—994 nicht entschieden werden, vielmehr wird anzunehmen sein', daß derjenige, der die Mittheilung zuerst macht, vor den übrigen den Vorzug habe. Weiterhin entstehen die ebenfalls nach dem Texte nicht zu beantwortenden Fragen, in wiefern das öffentlich bekannt gemachte Versprechen einer Belohnung zurückgenommen werden könne, was Rechtens sei, wenn derjenige, der die Belohnung aussetzte, selbst die Entdeckung macht. Die erste dieser fragen nehmen wir, des §. 989 ungeachtet, keinen Anstand,

dahin zu beantworten, daß das Versprechen, ohne Rücksicht auf einen etwa beigefügten Termin, jeder­ zeit zurückgenommen werden könne; nur muß der Widerruf auf dieselbe Weise, wie das Versprechen selbst, bekannt gemacht werden. Die Antwort auf die zweite Frage: ob derjenige, der die Belohnung aussetzte, selbst konkurriren könne, ergiebt sich schon von selbst daraus, daß unter mehreren sich Mel­ denden dem ersten der Zeit nach der Vorzug zugesprochen ist. (Ges.-Rev. Pens. 14 S. 167 , 168.) v. Rönne, Ergänzungen zum A. L.R. 6. Äusg. 1 S. 679.

*) Gegenstand der unter diesem Rubrum getroffenen Bestimmungen ist nicht das sog. geistige Eigenthum, d. h. das Recht des Schriftstellers auf sein Werk, sondern das Verhältniß des Schrift­ stellers zum Verleger. (6. A.) Die Wissenschaft unterscheidet zwischen Verlagsverträgen im weiteren und solchen im engeren Sinne. Zu den ersteren gehört die Veräußerung deS Rechtes selbst, welches dem Urheber an seinem Werke zusteht, dergestalt, daß der Erwerber darüber nach Belieben verfügen kann. Ein solcheGeschäft ist, wenn der Urheber unentgeltlich sich seines Rechtes begiebt, Schenkung, wenn der Er­ werber für dasselbe ein Aequivalent an den Veräußerer zahlt oder sonst gewährt, Kauf oder ein kauf­ ähnlicher Vertrag. Juristische Besonderheiten hat die Veräußerung des Autorrechts nicht. Vgl. O. Wächter, das Verlagsrecht mit Einschluß der Lehren von dem Verlagsvertrag und Nachdruck (1857) §. 20 S. 222. Der Verlagsvertrag im ementlichen (engeren) Sinne,' von dem hier die Rede ist, be­ steht darin, daß der Urheber oder dessen Rechtsnachfolger das Recht zur Vervielfältigung und Veröf­ fentlichung deS Werkes, sei es beschränkt oder unbeschränkt, auf einen Anderen überträgt, und dieser aen sich verpflichtet, das Werk herauszugeben und zu verbreiten. Der Verleger überkommt also den Vertrag nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zum Verlag des Werkes für eigene Rechnung. Das ist das Wesentliche. Alles Uebrige, namentlich auch das Honorarversprechen, ist nebensächlich. Klostermann, das geistige Eigenthum, 1 Bd.: das Urheberrecht und daS Ver­ lagsrecht 1867 (1871) §. 28 S. 293. DaS Landrecht läßt diesen Begriff des Verlagsvertrages nicht klar hervortreten. Es zählt den letzteren zu den Verträgen über Handlungen, indem es von dem Fall ausgeht, in welchem der Autor zur Zeit der Abschließung des Kontrakts das Werk noch nicht vollendet hat, also eine Handlung leisten muß, um seiner Verpflichtung zu genügen. Daß dieser Handlung eine Gegenleistung des Verlegers gegenüberstehe, gehört nach §. 870 zum Wesen des Vertrages. Es fragt sich daher, was dem Autor zu leisten ist. Einer Verpflichtung des Verlegers zur Vervielfältigung und Veröffentlichung deS Werkes gedenkt das Landrecht nicht. Es hat aber auch nicht vorgeschneben, daß ein Honorar verein­ bart werden müsse, um dem Vertrage seine rechtliche Besonderheit zu wahren. Der Autor indeß schließt präsumtiv den Verlagskontrakt, um mittelst desselben die Publikation seines Werkes zu erlangen. Es muß daher auch nach Landrecht die Verpflichtung des Verlegers, das ihm in Verlag gegebene Werk zu vervielfältigen und zu veröffentlichen, zum Wesen des Verlagsvertrages gerechnet'werden. HinschiuS, in der juristischen Wochenschrift 1840 S. 307; Koch, Recht der Forderungen §. 342, 2. AuSg. 3 S. 879; Förster, Theorie und Praxis tz. 134, 3. Aufl. 2 S. 167; Gruchot, Glos­ sen zum A. L.R. I. u §§. 996—1023, in seinen Beiträgen rc. 13 S. 735. — In der Praxis der Gerichte nimmt der Berlagsvertrag nur eine bescheidene Stellung ein, weil

Von Vertragen über Handlungen.

847

zu vervielfältigen, und sie aus den Messen88 * * ), *89 * unter *90 * *91 * *die 92 93 Buchhändler und sonst, aus­ schließend abzusetzen88). §.997. Nicht bloß Bücher, sondern auch Landcharten, Kupferstiche, topogra­ phische Zeichnungen, und musikalische Compositionen, sind ein Gegenstand des Ver­ lagsrechtes 88). §. 998. In der Regel erlangt der Buchhändler8l) das Verlagsrecht nur durch einen mit dem Verfasser darüber geschlossenen schriftlichen88) Vertrag88). Rechtsstreitigkeiten zwischen Verlegern und Autoren ziemlich selten sind. Der Wissenschaft dage­ gen hat das Verlagsrecht um so größeres Interesse abgewonnen. Außer den bereits genannten Wer­ ken sind für das preußische Recht von Wichtigkeit: v. Daniels, Lehrb. des preußischen Privatrechts (1851) 3 §§.118—125; Petsch, die gesetzlichen Bestimmungen über den Verlagsvertrag in den einzelnen deutschen Staaten 1870; (7. A.) Klostermann, das Urheberrecht an Schrift- und Kunst­ werken, Abbildungen, Kompositionen, Photographien, Mustern und Modellen, nach deutschem und internationalem Rechte systematisch dargestellt (1876) §. 14. Die älteren Werke sind nachgewiesen bei Klostermann, das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen (1867) 1 S. 100 ff. Siehe auch unten den Literaturnachweis zu dem Gesetz vom i i.Juni 1870. 88) Nicht bloß auf den Messen, sondern auch im Einzelnen. Das A. L.R. setzt noch die ehe­ malige Zunftverfassung voraus. Man vergl. den §. 1297c des abgeschafften Tit. 20 Th. IL 89) DaS Verlagsrecht ist die ausschließliche selbstständige Berechtigung, ein Erzeugniß der Wissenschaft oder Kunst zum Äbsatze an Andere zu vervielfältigen und die Exemplare in den Han­ delsverkehr zu bringen. Es ist ein Ausfluß des anerkannten Eigenthums an dem Geistesprodukte und kann ursprünglich nur dem Urheber des Werkes zukommen; es ist der materielle Bestandtheil jenes Eigenthums. ' Der Gegenstand dieses Eigenthums ist keine Sache und auch kein Recht; es ist eine durch Zeichen oder Schrift verkörperte Idee, und daS Verlagsrecht ist das Mittel, dieselbe für den Urheber nutzbar zu machen. Dies geschieht entweder durch unmittelbare Ausübung des Verlagsrechts (Selbstverlag), oder durch gänzliche oder theilweise Abtretung desselben an Andere (Verlagskontrakt). §. 998 d. T. und §. 8 des Ges. v. 11. Juni 1837. — (6. A.) Man darf hieraus nicht folgern, daß Koch das Recht des Urhebers als ein geistiges Eigenthum aufgefaßt hätte. Dagegen spricht seine Bemerkung in dem Recht der Forderungen §. 341, 2. Aufl. 3 S- 873: „Sucht man den eigentlichen Gegenstand des Eigenthums, so entdeckt man eine Fabel und wird inne, daß dieses Eigenthum kein Eigenthum, sondern nichts als eine ausschließliche gewerbliche Berechtigung ist." (7. A.) Auch das Verhältniß des Verlagsrechtes zu dem Rechte des Urhebers ist von Koch oben richtig gekennzeichnet. Das Urheberrecht ist das ursprüngliche, Has Verlagsrecht das auS diesem ab­ geleitete, beschränktere Recht. Klo st er mann, das Urheberrecht re. (1876) S. 150. Gegenüber die­ ser Auffassung besteht eine andere, welche das Verlagsrecht mit dem Urheberrecht identifizirt, als daS durch den Verlagsvertrag beschränkt oder unbeschränkt auf den Verleger übertragene Recht des Urhe­ bers hinstellt. So namentlich O. Wächter, das Verlagsrecht re. (1857) S. ui, 219, das Autor­ recht nach dem gemeinen deutschen Recht systematisch dargestellt (1875) S. 17 u. 117. Vergl. über­ haupt Förster, Theorie und Praxis §. 134 Bd. 2 (3. Aufl.) S. 159. 90) (6. A.) Vergl. das Ges. v. 11. Juni 1870 §§. 1 u. 43.

91) (6. A.) Der Verleger braucht nicht nothwendig Buchhändler zu sein, wie aus §. 997 er­ hellt. Die Verfasser des Landrechts bezweckten freilich in erster Linie den Vortheil des Buchhändlers. Die Ableitung des Verlagsrechts aus dem ursprünglichen Recht des Urhebers lag ihnen fern. Hitzig, Kommentar zum Ges. v. ii.Juni 1837 S. 4. Bei der gegenwärtig eingeführten Gewerbefreihett würde die Beschränkung des Verlagsrechts auf Buchhändler keinen Sinn haben.

92) (6. A. Nach dem Handelsgesetzbuch (Zus. zu §. 998) bedarf es, wenn das Verlagsrecht einem Kaufmann (Verlagsbuchhändler) abgetreten wird, keines schriftlichen Vertrages. Da aber die Auto­ ren ihre Werke fast nur Buchhändlern in Verlag zu geben pflegen, so ist die Regel des §. 998 jetzt die Ausnahme. F. Hinschius, in der Preuß. Anwalts-Zeitung 1866 S. 294; Förster a. a. O. S. 168; Petsch a. a. O. S. 10, 23, 24.) Liegt ein Handelsgeschäft nicht vor, so ist die schrift­ liche Form unbedingt nothwendig. Auf das Honorar und ob dieses unter oder über 50 Thlr. be­ trage , kann darum nicht gesehen werden, weil ein Honorar überhaupt nicht zu den Essentialien deS Verlagskontrakts gehört, ja es kann Vorkommen, daß der Autor seinerseits dem Verleger noch etwas dazu zahlt. S. die folg. Anm. Die Worte „in der Regel" beziehen sich nicht auf die Form des Uebertragungsgeschäfts, sondern auf die Erwerbungsart. Ausnahmen enthalten die §§. 1022, 1029. 93) Der Verlagskontrakt ist bald ein kaufsähnliches, bald ein miethsähnliches, bald ein aus Kauf oder Miethe und Sozietät gemischtes Geschäft, je nachdem der Verfasser ein bereits fertiges Werk ge­ gen eine in sich oder beziehungsweise bestimmte Summe in Verlag giebt, oder auf Bestellung ein Werk

848

Erster Theil.

Eilfter Titel.

Allg. Deutsches Handelsgesetzbuch.

§§. 998 (Zusatz)-lOOl.

(G.S. 1861 S. 480;

B.G.Bl. 1869 S. 404.)

Viertes Buch.

Art. 272.

Handelsgeschäfte sind . . . die folgenden Geschäfte,

wenn sie gewerbemäßig betrie­

ben werden:

gegen Lohn zu verschaffen verspricht, oder statt des Honorars eine Quote am Gewinne ausbedingt. Auch auf Zeit kann das Verlagsrecht abgetreten werden; dieses Geschäft ist dem Pachtkontrakte ähn­ lich. Daß in allen Fällen die Bestimmung einer Gegenleistung zu den wesentlichen Erfordernissen eines Verlagskontrakts gehöre, läßt sich nicht behaupten, vielmehr kann die Gegenleistung des Verle­ gers eben in der Uebernahme der Gefahr, die Kosten der Vervielfältigung und Veröffentlichung deS Werkes zu verlieren, wenn die Unternehmung fehlschlägt, bestehen und der Vortheil des Verfassers kann in der Veröffentlichung allein liegen. Deshalb aber ist der Verleger verpflichtet, das Werk durch den Druck zu veröffentlichen. Ist es jedoch ausgemacht, daß der Verfasser auch einen Preis in Gelde erhalten soll, so wird der Kontrakt erst durch die Bestimmung desselben perfekt. Ist kein Geldpreis zugesichert, so ist der Verlagskontrakt durch die Abtretung und durch die Uebernahme des VerlagS vollgültig abgeschlossen; der Verfasser muß die Handschrift überliefern und der Verleger muß daS Werk auf seine Kosten drucken lassen und veröffentlichen. (7. A. Hierbei darf aber nicht übersehen werden, daß ein eigentlicher Verlag-vertrag (oben Anm.*) immer nur dann vorliegt, wenn die Absicht der Betheiliaten die ist, daß der Verleger die Vervielfäl­ tigung und den Vertrieb des Werkes für eigene Rechnung übernehme. Handelt der Verle­ ger bei diesen Geschäften für Rechnung des Urhebers, wenn auch in eigenem Namen, oder partizipiren beide an den Unkosten und dem Gewinn verhältnißmäßig, so liegt eine Uebertragung des Vervielsältigungsrechtes Seitens des Autors nicht vor. Man spricht in dem ersten Falle von K o m m i s sionsverlag; in letzterem ist das Rechtsverhältniß wesentlich Sozietät. R.O.H.G. I vom 12. Januar 1875, Entsch. 16 S. 251 u. 252; Klostermann, das geistige Eigenthum rc. 1 S. 293, 308 ff. und das Urheberrecht an Schrift- und Kunstwerken rc. §. 14 S. 145.) Ob der Verleger befugt sei, das erworbene Verlagsrecht wie ein anderes Vermögensrecht, ohne Einwilligung des Autors weiter abzutreten, ist zweifelhaft. Zwar wird durch die weitere Abtretung das kontraktliche Verhältniß zwischen ihm und seinem Autor nicht verändert; allein in den meisten Fällen hat der Autor noch ein anderes, gerade auf das Vertrauen zu der Person seines Kontrahenten gegründetes Interesse. Es kommt ihm gar viel darauf an, daß sein Werk weit verbreitet werde und mehrere Auflagen erlebe, nicht bloß des Geldinteresses wegen, sondern auch um Gelegenheit zu haben, das Werk zu verbessern. Deshalb hat er gerade seinem umsichtigen und thätigen Kontrahenten, und keinem Anderen, daS Verlagsrecht abgetreten. Durch das Gesagte ist aber auch die Grenze der Be­ schränkung des Verlegers in der freien Verfügung über sein Recht angedeutet. Wo das höchste Per­ sönliche, das geistige Interesse deS Autors wegfällt, z. B. durch den Tod, oder vielleicht auch durch Abkaus des ganzen Verlagsrechts für jetzt und alle Zukunft, da steht der weiteren Veräußerung des­ selben nichts im Wege. (6. A.) Die Veräußerung deS Verlagsrechts Seitens des Verlegers wird für zulässig erklärt: von dem Justiz mini st er im Einklänge mit einem Bericht des Stadtgerichts zu Berlin und deS Kammernerichts daselbst (Reskr. v. 7. Juni 1838, v. Rönne, Ergänz, zum A. L.R. I. 11 §. 998). Ebenso Eisenlohr, das literarisch artistische Eigenthum und das Verlagsrecht; Klostermann, da­ geistige Eigenthum 1 S. 335 ff. und das Urheberrecht S. 147 u. 148. Für die Unzulässigkeit der Veräußerung: Hinschius, in der juristischen Wochenschrift 1840 S. 308 u. 314 (v. Rönne a. a. O. 6 Ausg. 1 S. 680), und W alter, System des deutschen Privatrechts §.321, prinzipiell auch O. Wächter, das Verlagsrecht (1857) S. 366; Bluntschli, deutsches Privatrecht (3. Aufl. von Dahn) §.156; v. Gerber, über die Natur der Rechte des Schriftstellers und des Verlegers, in den Jahrb. für die Dogmatik deS heutigen römischen und deutschen PrivatrechtS 3 S. 392. Wäch­ ter will die Veräußerung des Verlagsrechts ausnahmsweise gestatten, und zwar a) durch letztwillige Verfügung, b) mit der Veräußerung der Buchhandlung, c) bei Auflösung der Sozietät, d) nach Erfüllung der Verbindlichkeiten auS dem Verlagsvertrage. Diese Ausnahmen dürften aber den Be­ weis liefern, daß das Prinzip der Unveräußerlichkeit nicht richtig ist. Nach preußischem Recht we­ nigstens scheint die Weitercession der Rechte des Verlegers ebensowenig Bedenken zu haben wie die Cession der Rechte aus zweiseitigen Verträgen überhaupt (oben Anm. zu §. 382 d. T.). Koch, Recht der Forderungen, 2. Ausg. 3 S. 876; Förster, Theorie und Praxis §. 134, 3. Aufl. 2 S. 169. Allerdings sind Handarbeiter, Handwerker und Werkmeister nicht befugt, sich einen Anderen zur Er­ füllung der von ihnen übernommenen Pflicht zu substituiren. (§§. 895, 900, 920, 928.) Allein gerade' dadurch, daß dies ausdrücklich hervorgehoben wird, erkennt das Gesetz die Zulässigkeit der Sub­ stitution als Regel an. Der Schriftsteller und der Künstler freilich dürfen das Werk nicht von einem Anderen schaffen lassen. (§. 1000.) Das hat aber seinen guten Grund darin, daß die GeisteSschöpfung nothwendig eine andere ist, jenachdem sie von diesem oder jenem hervorgebracht wird. DaaeHeu ist die Thätigkeit, die der Verleger bei der Vervielfältigung und dem Vertriebe eines Buches aufzuwenden hat, "an sich eine vertretbare. Hat sich der Autor gerade an diesen Buchhändler gewen-

Äon Verträgen über Handlungen.

849

5) die Verlagögeschäste, sowie die sonstigen Geschäfte deS Buch-- oder Kunsthandels.

Die bezeichneten Geschäfte sind auch alsdann Handelsgeschäfte, wenn sie zwar einzeln, jedoch von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsgewer­ bes gemacht werden. Art. 277. Bei jedem Rechtsgeschäft, welches auf der Seite eines der Kontrahenten ein Han­

delsgeschäft ist, sind die Bestimmungen dieses vierten Buches in Beziehung auf beide Kontrahenten gleichmäßig anzuwenden, sofern nicht aus diesen Bestimmungen selbst sich ergiebt, daß ihre beson­

deren Festsetzungen sich nur auf denjenigen von beiden Kontrahenten beziehen, auf dessen Seite daS Geschäft ein Handelsgeschäft ist.

Art. 317.

Bei Handelsgeschäften ist die Gültigkeit der Verträge durch schriftliche Abfassung

oder andere Förmlichkeiten nicht bedingt.

§. 999. Ist dergleichen schriftlicher Vertrag nicht errichtet, die Handschrift jedoch von dem Schriftsteller abgeliefert worden: so gilt die mündliche Abrede zwar in Anse­ hung des dem Verfasser versprochenen Honorarii^), in allen übrigen Stücken aber sind die Verhältnisse beider Theile lediglich nach den gesetzlichen Vorschriften zu be­ urtheilen. §. 1000. Der Verfasser ist schuldig, den schriftlichen Vertrag durch Lieferung der Handschrift zur gehörigen Zeit zu erfüllen9 ö). §. 1001. Thut er dieses nicht, so kann der Verleger von dem Vertrage wieder abgehende). bet, weil er von dessen Umsicht und Takt die weiteste und zugleich anständigste Verbreitung seines Werkes erwartet, so mag er die Unveräußerlichkeit des Verlagsrechtes sich ausbedingen. Hat er dies nicht gethan, so kann er sich nicht darüber beschweren, wenn der Verleger hauptsächlich von kauf­ männischen Gesichtspunkten sich leiten läßt. Die Bedürfnisse des Verkehrs sind eben mächtiger als die Rücksichten auf die Gefühle des Autors. Das Landrecht stellt jene unverkennbar in den Vorder­ grund. Mit der grundsätzlichen Zulässigkeit der Abtretung des Verlagsrechts ist das Recht des Autors, wegen veränderter Umstände vom Vertrage zurückzutreten (oben Tu. 5 §§ 378 ff.), sehr wohl verein­ bar. Ob aber die Session eine solche Veränderung mit sich führt, kann nur nach der Lage deS ein­ zelnen Falles entschieden werden. Vergl. §. 1005 d. T.

94) Es gilt mithin auch Alles, waS zur Bestimmung des Honorars verabredet worden ist, na­ mentlich Format, Schriftgattung, Zeilenzahl u. bergt. Der §.999 handelt von dem Falle eines Realkontrakts; die §§. 998, 1000 ff. von dem eines Konsensualkontrakts. (6. A.) Vergl. gegen diese Auffassung die Anm.* zur Ueberschrift oben S. 82 l. 95) (6. A.) Hierbei ist vorausgesetzt, daß der Autor daS Werk noch nicht fertig hat. Er muß eS persönlich herstellen und zur rechten Zeit abliefern. Ist das Werk bereits zur Zeit deS Vertrags­ abschlusses vollendet, so dürfen an demselben wesentliche Aenderungen nicht mehr vorgenommen wer­ den, weil sonst der Gegenstand des Vertrages nicht derselbe bleiben, dem Verleger mithin nicht das geleistet werden würde , was ihm versprochen worden. Ueberhaupt aber muß der Urheber das Werk in einer zur Vervielfältigung geeigneten Form, namentlich, wenn es zum Druck bestimmt ist, ein lesbares Manuskript liefern. Für den inneren Werth seiner Arbeit hat er nicht einzustehen. Wäch­ ter a. a. O. S. 323 ff.; Klostermann, das geistige Eigenthum rc. 1 S. 345 ff. (7. A.) Darüber, wodurch der Charakter eines Werkes als eines wissenschaftlichen bedingt ist, R.O.H.G. I v. 24. Mai 1872 , Entsch. 6 S. 172.

96) Die Frage ist: ob der Verleger zurücktreten darf, wenn der Verfasser die Handschrift ohne Titel, Vorrede und Register abgeliefert und der Verleger sie ohne diese Stücke angenommen hat. In einem, in der Jur. Wochenschr. von 1835 S. 336 nntgetheilten Rechtsfalle ist die Entscheidung ver­ neinend ausgefallen. Dies hat auch Grund, zwar nicht den angegebenen, daß anzunehmen, der Ver­ leger, der ohne diese Stücke den Druck beginnen könne, habe in die gewöhnliche Nachlieferung gewil­ ligt, sondern weil Vorrede und Register nicht nothwendige Stücke des Werkes sind — es giebt unzäh­ lige Druckwerke ohne Vorrede und ohne Register — und der Titel schon in dem Verlagskontrakte an­ gegeben ist, folglich keiner Nachlieferung mehr bedarf. Wäre aber eine Vorrede und ein Register im Kontrakte ausdrücklich versprochen worden, so würde der Verleger nicht verbunden sein, die Hand­ schrift ohne diese Stücke anzunehmen, oder vor der Nachlieferung den Druck zu beginnen; vielmehr könnte er, wenn er nicht Frist gegeben hat, die Folgen der Nichtablieferung der Handschrift eintre­ ten lassen. In dem Falle, wo der Verleger von dem Vertrage zurücktitt, wird dadurch der Vertrag aufgeKoch, Allgemeines Landrecht I. 7. Anst.

54

850

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 1002—1012.

§. 1002. Ist die Zeit, wenn die Handschrift geliefert werden soll, im Vertrage nicht bestimmt, so wird angenommen, daß dieselbe dergestalt geliefert werden solle, daß der Verleger die Schrift noch auf die nächste Leipziger Messe bringen könne. §. 1003. Erhellet aus der Größe und dem Umfange des Werks, oder aus der kurzen Zwischenzeit bis zur Messe, oder aus andern Umständen, daß dem Schriftstel­ ler eine längere Zeit gestattet sein solle, so hängt die nähere, im Kontrakte nicht ent­ haltene Bestimmung von dem Schriftsteller ab. §. 1004. Doch kann derselbe von dem Verleger angehalten9 7) werden, eine ge­ wisse Zeit zu bestimmen, oder sich den Rücktritt von dem Kontrakte gefallen zu lassen. §. 1005. Ereignen sich Umstände oder Hindernisse, welche den Verfasser veran­ lassend«), das versprochene Werk gar nicht herauszugeben, so kann er von dem Ver­ trage zurücktreten os). §. 1006. Er muß aber dem Verleger den Schaden ersetzen, welcher demselben aus den zum Abdrucke etwa schon getroffenen, und durch den Rücktritt unnütz werden­ den Anstalten, wirklich entsteht 10°). §. 1007. Giebt aber der Schriftsteller das einem Verleger versprochene Werk innerhalb Jahresfrist nach dem Rücktritte, ohne Vorwissen und Einwilligung desselben, in einem andern Verlage, oder auf eigene Rechnung heraus, so muß er dem ersten Verleger auch für den entgangenen (Setoinnx) gerecht werden. hoben, d. h. der Verleger hat keine Klage aus demselben auf das Interesse; eS bleibt ihm nur die Kondiktion auf daS Geleistete. Das Gleiche gilt im Falle des §. 1008.

97) Unter dem „Anhalten" ist eine außergerichtliche Aufforderung zu verstehen; denn für ein gerichtliches Verfahren fehlen die Formen und der Grundsatz zur Entscheidung über den Kostenpunkt; eS ist auch kein Bedürfniß zur Einmischung des Richters. Bestimmt der Verfasser eine Zeit, so hat eS dabei sein Bewenden, sie mag so lang sie will gesetzt werden. (6. A.) Der Verleger ist aber der Willkür des Autors nicht überlassen. Die Zeitbestimmung des letzteren muß sich mindestens in sol­ chen Grenzen halten, daß die Erreichung des aus dem Vertrage oder aus den Umständen ersichtli­ chen Zweckes noch möglich bleibt. Die Vollendung eines auf die Befriedigung bestimmter Bedürf­ nisse berechneten Buches darf nicht so weit hinausgeschoben werden, daß dann voraussichtlich diese Be­ dürfnisse nicht mehr vorhanden sind und das Werk unverkäuflich ist. Man wird Häher dem Verle­ ger den Rücktritt vom Vertrage gestatten müssen, wenn der Autor einen so späten Termin für die Fertigstellung deS Manuskripts bestimmt, daß jener, hätte er dies voraussehen können, auf den Ver­ trag nicht eingegangen sein würde. (Tit. 5 §§. 377 ff.) Vgl. Wächter S. 330; Beseler, Sy­ stem des gern, deutschen Privatrechts §. 230 Nr. II, 2. Ausg. S. 945, 3. Ausg. 2 S. 947; Bor­ nemann, System, 2. Ausg. 3 S. 198; Koch, Recht der Ford. 3 S. 877. 98) Eine richterliche Prüfung der Veranlassung findet nicht statt, vielmehr steht das Unterneh­ men im Belieben des Verf., weil eine schriftstellerische Thätigkeit nicht erzwingbar tft. (7. A.) Das bezieht sich aber nur auf die erste Veröffentlichung, nicht auf neue Auflagen und Ausgaben. Klo­ sterm ann, das geistige Eigenthum 1 S. 355, das Urheberrecht rc. (1876) S. 114 u. 149.

99) (6. A.) Er muß aber den Rücktritt dem Verleger erklären. So lange er dies nicht thut, kann gegen ihn auf Erfüllung geklagt werden. (Tit. 5 §§. 270 u. 394, Tit. n §. 877.) Daß, ob­ jektiv betrachtet, eine literarische oder artistische Thätigkeit nicht erzwungen werden kann, ist kein Grund, der die Verurtheilung des Schriftstellers oder Künstlers zu der versprochenen Leistung auSschließt. Denn daS hat jene Thätigkeit mit allen übrigen Handlungen gemein. Es kann sich nur fragen, ob die Executio ad faciendum hier anwendbar ist. Und diese Frage scheint unbedenklich be­ jaht werden zu müssen. Anderer Ansicht ist Beseler a. a. O. Note 5. Wenn daS Werk einmal veröffentlicht (herausgegebm) ist, so ist der Autor auch nicht mehr be­ fugt, von dem Vertrage zurückzutreten. (7. A.) Ist jedoch das Werk vergriffen, und der Verleger will von dem ihm eingeräumten Rechte, das Werk weiter zu vervielfältigen, keinen Gebrauch ma­ chen, so muß es dem Urheber freisteheu, eine neue Auflage oder Ausgabe in einem anderen Ver­ lage zu veranstalten. (§§. 1014 ff.) Klostermann, das geistige Eig. rc. 1 S. 364, daS Urheber­ recht rc. S. 147. 100) (6. A.) Die Verpflichtung des Autors zur Entschädigung des Verlegers ist nur dann ohne Weiteres gegeben, wenn in Folge seiner freien Entschließung die Aufhebung des Vertrages herbeige­ führt ist. (§. 1005.) Trifft diese Voraussetzung nicht zu, so entscheiden bie allgemeinen Grundsätze deS Titels 5 §. 285 ff., 360 ff. und Tit. li §§. 879 ff. Bergl. Wächter S. 389—391.

1) Dessen Feststellung hat Schwierigkeiten, so lange die Auflage nicht abgesetzt ist, und wenn

Von Verträgen über Handlungen.

851

§. 1008. Findet der Schriftsteller nöthig, in Ansehung des Umfangs, oder der Einrichtung des Werks, Veränderungen noch vor dem Drucke zu machen, so hat der Verleger die Wahl, sich dieselben gefallen zu lassen, oder von dem Vertrage wieder abzugehen*2).3 4 5 6 1009. Macht aber der Schriftsteller dergleichen Veränderungen nach bereits angefangenem Drucke, ohne die Einwilligung des Verlegers, so haftet er dem Verle­ ger für allen daraus entstehenden Schadens. §. 1010. Wegen der Fälle, wo bie Erfüllung des Verlagsvertrages einem oder dem andern Theile unmöglich wird, hat es bei den Vorschriften des §. 879 sqq. sein Bewenden 4). §. 1011. Wenn ein neuer unveränderter Abdruck einer Schrift in eben demsel­ ben Formate veranlaßt wird, so heißt solches eine neue Auflage^). §. 1012. Wenn aber eine Schrift in verändertem Formate oder mit Verände­ rungen im Inhalte, von neuem gedruckt wird, so wird solches eine neue Ausgabe ge­ nannt 6). sie durch den neuen Verleger abgesetzt worden ist, so hat vielleicht dessen Klugheit und Thätigkeit daS Ergebniß erzielt, während in dem Verlage des ersten Kontrahenten aus dem Werke ein Laden­ hüter geworden wäre. (6. A.) Dieser Gesichtspunkt wird indeß das richterliche Urtheil nur in den seltensten Fällen beeinflussen. Der erste Verleger substantiirt seine Klage einfach so, daß er nach­ weist, was die Auflage und deren Verbreitung dem anderen Verleger gekostet und was sie demselben eingebracht hat. Der Betrag, um welchen die Einnahme die Ausgabe übersteigt, ist der Gewinn, der aus dem Verlag gezogen und präsumtiv dem Kläger entgangen ist. (Tit. 5 tztz. 286, 287; Tit. 6 §§. 5, 6.) Die Widerlegung dieser Präsumtion ist Sache des verklagten Autors, der dabei aller­ dings auch zu dem Beweise verstattet werden muß, daß der Kläger mehr Kosten und weniger Ein­ nahme gehabt haben würde, als der neue Verleger. 2) Vgl. oben die Anm. 96 zu §. 1001 (7. A.) und Klostermann, das Urheberrecht rc. S. 146.

3) (6. A.) Der §. 1009 steigert die Verpflichtung des Autors aus §. 1008, wie das Verhält­ niß beider zu einander ergiebt. Der Verleger hat daher auch im Falle des §. 1009 das Recht, vom Vertrage zurückzutreten. Aus der kontraktlichen Verpflichtung des Verlegers zur Vervielfältigung des Werkes folgt zweierlei: a. Das Manuskript muß so abgedruckt werden, wie es der Urheber liefert. Der Verleger darf Aenderungen daran nicht vornehmen. S- unten die Anm. 6. b. Die Sorge für die Korrektur der Druckbogen ist grundsätzlich Sache des Verlegers. Dem Autor liegt dieselbe nur dann ob, wenn sie besondere technische Kenntnisse erfordert, die nur bei ihm vorausgesetzt werden können, oder wenn das Manuskript so schlecht geschrieben ist, daß ohne seine Beihülfe ein korrekter Druck sich nicht herstellen läßt. Es ist jedoch allgemein Sitte, daß der Autor die zweite Korrektur selber vornimmt. Macht er dabei kleine Aenderungen im Text, ohne durch Druckfehler dazu genöthigt zu sein, so fallen dieselben nicht unter die Vorschrift des §. 1009, sofern sie das Interesse des Verlegers nicht beeinträchtigen. Gewohnheitsmäßig trägt der Verleger sogar die durch Aenderungen der Art veranlaßten Satzkosten, wenn letztere nach billigem Ermessen nur für geringfügig zu achten sind. Wächter, das Verlagsrecht S. 348 u. 349. 4) (6. A.) Vergl. hierzu Petsch a. a. O. S. 117—121 und die daselbst angeführten Schrift­ steller, namentlich Wächter S. 376 ff. und Klostermann, das geistige Eig. S. 368 ff. 5) (6. A.) Die Worte „Auflage" und „Ausgabe" werden im Buchhandel vielfach syno­ nym gebraucht. Namentlich wird daS, was das Landrecht unter einer neuen Ausgabe versteht, auch als Auflage bezeichnet. Bei der Interpretation der Verlagsverträge hat der Richter nicht an der buchstäblichen Bedeutung des Ausdrucks zu haften, sondern den wahren Sinn zu erforschen, den die Kontrahenten damit verbunden haben. A. D. H.G.B. Art. 278. „Wenn man genau redet, so versteht man unter einer neuen Ausgabe nur einen solchen Abdruck einer Schrift, der nach vor­ angegangenen Veränderungen oder Verbesserungen vorgenommen ist, wodurch sich die Ausgabe von der bloßen Auflage unterscheidet." Campe, Wörterbuch der deutschm Sprache (Braunschweig 1807) 4 Bd. 1 S. 300. Aehnlich werden die Worte in dem Grimmschen Wörterbuch (1854) i

S. 680 und 864 erklärt.

S. das Nähere bei Gruchot 13 S. 759.

6) (6. A.) Der literarische Sachverständigen-Verein hat sich in einem Gutachten v. 25. Ian. 1856 über den Gegensatz in den §§. ioii u. 1012 wie folgt geäußert: Der Begriff einer neuen Auflage ist bedingt durch vollständige Uebereinstimmung in Format und Inhcllt. Der Verleger, welcher seinerseits eine neue Auflage zu veranstalten berechtigt ist, darf nicht die geringste Verände-

Erster Theil.

852

Eilfter Titel.

§§. 1013—1028.

§.1013. Ist im Derlagsvertrage die Zahl der Exemplare der ersten Auflage nicht bestimmt, so steht es dem Verleger frei, auch ohne ausdrückliche Einwilligung des Verfassers, neue Auflagen zu veranstalten?). §.1014. Ist aber die Zahl bestimmt, so muß der Verleger, wenn er eine neue Auflage machen will, sich darüber mit dem Schriftsteller oder dessen Erben anderweit abfinden9 * ). *****78 §. 1015. Können die Parteien sich darüber nicht vereinigen, so dient die Hälfte des für die erste Auflage gezahlten Honorarii zum Maßstabe9). §. 1016. Hingegen erstreckt sich das Verlagsrecht in der Regel, und wenn nicht in dem geschlossenen schriftlichen Vertrage ein Anderes verabredet ist, nur auf die erste Ausgabe des Werks mit Inbegriff aller ferneren Theile und Fortsetzungen desselben. §. 1017. Der erste Verleger kann also niemals eine neue Ausgabe machen, ohne mit dem Schriftsteller einen neuen Vertrag darüber geschlossen zu haben10). §. 1018. Dagegen kann auch der Schriftsteller keine neue Ausgabe veranstalten. rung am Inhalte vornehmen. Die Verbesserung von Druckfehlern ist fteilich nicht als Inhaltsver­ änderung anzusehen. Aber über die Verbesserung von Druckfehlern darf auch der Verleger seiner­ seits bei Veranstaltung einer neuen Auflage nicht hrnausgehen. Stylistische Veränderungen und noch so kleine Zusätze begründen schon den Begriff einer neuen Ausgabe. Nur darauf legt das Landrecht keinen Werth, ob etwa bei sonst unverändertem Formate gleiche Lettern zum Drucke gebraucht sind oder nicht. Wenn also schon die bloße Veränderung des Formats zum Begriffe einer neuen Aus­ gabe im Sinne des Gesetzes genügt, so muß dies um so mehr von den im §. 1012 alternativ aus­ gestellten Veränderungen im Inhalte gelten. Der Gesetzgeber unterscheidet dabei nicht zwi­ schen wesentlichen und unwesentlichen, geringfügigen und bedeutenden Veränderungen. Veränderun­ gen als solche genügen. Und mit Recht. Denn — abgesehen von bloßen Druckfehler-Verbesserun­ gen — kann man wirkliche Inhalts-Veränderungen, so geringfügig solche auch erscheinen mögen, nie­ mals dem Verleger, sondern nur dem Autor freistellen. Der Verleger darf sich nicht einmal ein Urtheil darüber anmaßen, ob eine Inhalts-Veränderung wesentlich und zulässig sei oder nicht. Heydemann und Dambach, die preußische Nachdrucksgesetzgebung (1863) S. 36. (7. A.) Zustim­ mend Klostermann, das Urheberrecht rc. (1876) S. 146. 7) (6. A.) Dieses Recht des Verlegers ist durch die §§. 1, 2, 37 des Gesetzes vom 11. Juni 1837 in Ansehung der vor Erlaß desselben geschloffenen Verlagskontrakte nicht aufgehoben worden. O.Tr. Sen. für Straff, v. 6. Juni 1855, Goltdammer's Arch. 3 S. 696. Gegenwärtig in­ deß besteht im deutschen Buchhandel ein allgemeiner Gebrauch, Inhalts dessen bei unbestimmter Uebertragung deS Verlagsrechts vermuthet wird, daß der Autor dem Buchhändler nur die Befugniß zur Veranstaltung Einer Ausgabe habe einräumen wollen. Wächter S. 262; Beseler, System des d. Pr. R. §. 230, 2. Ausl. S. 946, 3. Ausl. 2 S. 948; Rössig, Handbuch des Buchhandels­ rechts S. 129—136; Petsch S. 88. Dieses Gewohnheitsrecht gilt nach Art. 1 des Handelsgesetz­ buches auch in Preußen. Kloster mann, das geistige Eig. rc. S. 299 u. 340. (7. A.) Das aus­ schließliche Uebersetzungsrecht erwirbt der Verleger an sich nicht mit dem ihm übertragenen Verlags­ recht. Klostermann, das Urheberrecht rc. (1876) S. 146.

8) Bergl. die Anm. 89 zu §. 996. 9) Diese Bestimmung ist auf den Fall zu beziehen, wenn dem Verleger daS Recht auf neue Auflagen vom Verfasser schon zugesagt und nur das Honorar dafür nicht bestimmt worden ist. Außer­ dem kann dem Verfasser sein Eigenthumsrecht wider seinen Willen nicht abgezwungen werden. Auch würde davon der Verleger schwerlich Gewinn haben, da der Verfasser nur ankündigen dürfte, daß, weil er seine Meinungen und Ansichten in Folge neuer Erfahrungen geändert habe, er im Begriffe stehe, eine neue Ausgabe zur Verbesserung der in der ersten enthaltenen Irrthümer zu veranstalten, was ihm nach §. 1016 freisteht. (6. A.) Dies ist auch die Meinung der Gesetzrevisoren, Pens. 16 S- 174, und Förster's, Th. u. Pr. 3. Ausl. 2 S. 166. Dagegen wird von anderer Seite behauptet, daß der §. 1015 nur so verstanden werden könne, daß der Verleger befugt sei, gegen Zahlung der Hälfte deS für die erste Ausgabe des Werkes vereinbarten Honorars, auch wider den Willen deS Autors neue Auflagen zu veranstalten. Bielitz, Kommentar 2 S. 740 u. 741; Gruchot, Beitr. 13 S. 763. Die Kontroverse ist indeß kaum von praktischer Bedeutung. (Anm. 7 zu §. 1013.) 10) (6. A.) Nach dieser Bestimmung darf der Verleger, der zu einer neuen Auflage berechtigt ist, das Buch in einem von der ersten Auflage verschiedenen Format nicht herausgeben. (§. ioii.) Der buchhändlerische Gebrauch soll indeß diese Vorschrift beseitigt haben. Klostermann, daS gei­

stige Eig. 1 S. 345.

Bon Verträgen über Handlungen.

853

so lange der erste Verleger die von ihm nach §§. 1013, 1014 rechtmäßig veranstalte­ ten Auflagen noch nicht abgesetzt hat. §. 1019. Können Verfasser und Buchhändler sich wegen der neuen Ausgabe nicht vereinigen, so muß Ersterer, wenn er dieselbe in einem andern Verlage heraus­ geben will, zuvörderst dem vorigen Verleger alle noch vorräthigen Exemplare der er­ sten Ausgabe, gegen baare Bezahlung des Buchhändler-Preises, abnehmen"). §. 1020. Aufgehoben"). §. 1021. Vorstehende Einschränkungen des Verlagsrechts zum Besten des Schrift­ stellers fallen weg, wenn der Buchhändler die Ausarbeitung eines Werks nach einer von ihm gefaßten Idee dem Schriftsteller zuerst übertragen, und dieser die Ausführung ohne besondern schriftlichen Vorbehalt übernommen; oder wenn der Buchhändler meh­ rere Verfasser, zur Ausführung einer solchen Idee, als Mitarbeiter angestellt hat"). §. 1022. In diesen Fällen gebührt das volle Verlagsrecht vom Anfänge an dem Buchhändler, und der oder die Verfasser können sich auf fernere Auflagen und Ausga­ ben weiter kein Recht anmaßen, als was ihnen in dem schriftlichen Vertrage ausdrück­ lich vorbehalten ist14). §. 1023. Anmerkungen zu Büchern, worauf ein Anderer das Verlagsrecht hat, besonders abzudrucken, ist erlaubt. Mit dem Werke selbst aber können dergleichen An­ merkungen, ohne Einwilligung des Verfassers und des Verlegers, nicht gedruckt, noch in den königlichen Landen verkauft werden. §. 1024—1028. Fallen weg"). V°m Nach. ____________

11) (6. A.) ES fragt sich, wie daS in den §§♦ 1018 u. 1019 anerkannte Recht des Autors zur Veranstaltuug einer neuen Ausbabe zu der Befugniß des Berlegers, das Werk von Neuem auf = zulegen, sich verhält. Eine eigentliche Kollision liegt nicht vor. Denn an sich steht Nichts im Wege, daß der Verleger das Werk immer wieder neu auflegt und der Autor neue Ausgaben veranstaltet. Aber es ist doch kaum anzunehmen, daß der Gesetzgeber einen so unerquicklichen Zu^ stand habe legalisiren wollen. Es scheint vielmehr, daß die Absicht vorgewaltet hat, das exorbitante Recht, welches in §.1013 dem Verleger beigelegt ist, durch die §§. 1018 u. 1019 einzuschränken. Man wird daher anzunehmen haben, daß daS unbestimmte Recht des Verlegers zu neuen Aufla­ gen erlischt, wenn der Autor seinen Entschluß, eine neue Ausgabe zu machen, dem Verleger kund thut und hiernächst wirklich ausführt. Bergl. Anm. 7 zu §. 1013. 12) Der §. 1020 lautet: „Das Recht des Verfassers, daß ohne seine Zuziehung keine neue Aus­ gabe veranstaltet werden darf, geht, wenn nicht ein Anderes ausdrücklich und schriftlich verabredet worden, auf seine Erben nicht über." Diese Bestimmung wurde durch das Gesetz v. 11. Juni 1837 beseitigt, indem dasselbe unter §. 6 vorschrieb: „Auch die Erben des Autors sollen denselben Schutz noch dreißig Jahre lang nach dem Tode ihres Erblassers genießen, ohne Unterschied, ob während seines Lebens ein Abdruck bereits erschienen ist oder nicht." Jetzt entscheidet das Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 3 u. 8, unten Zus. zu §§. 1032 ff. 13) Hier ist daS Rechtsverhältniß locatio conductio operarum. 14) (6. A.) Der Besteller wird hier als Urheber des Werkes angesehen; sein Verlagsrecht ist ein ursprüngliches. Das Gesetz v. 11. Juni 1870 hat dem Besteller die Rechte des Urhebers nicht beigelegt. ES ist dies, wie die Vorverhandlungen ergeben, absichtlich geschehen. Vergl. Petsch S. 38. Da indeß die Thätigkeit des Urhebers sich aus der Konzeption der Gedanken und aus der Fixirung derselben durch die Schrift zusammensetzt, an sich aber es wohl denkbar ist, daß der Eine die Idee faßt, der Andere sie gestaltet, so kann auch jetzt noch der Fall vorkommen, daß der Besteller als Urheber oder doch wenigstens als Miturheber des Werkes angesehen werden muß. Vgl. Wächter, daS Verlagsrecht rc. (1857) S. 184 ff.; Förster, Theorie und Praxis 3. Aust. 2 S. 162. (7. A.) Hat freilich der Verleger nichts weiter gethan als den Plan des Werkes aufgestellt, so hat er an dem letzteren kein Urheberrecht. R.O.H.G. I v. 19. März 1875, Entsch. 17 S. 36; Klostermann, daS Urheberrecht rc. (1876) S. 120. *) Literatur: Jolly, die Lehre vom Nachdruck, 1852; Volkmann, Zusammenstellung der gesetzlichen Bestimmungen über daS Urheber- und Verlagsrecht, 1855; M. Friedländer, der einheimische und ausländische Rechtsschutz gegen Nachdruck und Nachbildung, 1857; Mandry, daS Urheberrecht an literarischen Erzeugnissen rc., 1857; Wächter, das Verlagsrecht mit Einschluß der Lehren von dem Verlagsvertrag und Nachdruck, zweite Hälfte, 1858; M. Lange, Kritik der Grund­ begriffe vom geistigen Eigenthum, 1858; Koch, Recht der Forderungen, 2. Ausg. 1859, §.400, 3 S. 1196; Heydemann und Dambach, die Preußische Nachdrucksgesetzgebung, 1863; Dambach,

druck *).

854

Erster Theil.

Eilster Titel.

§§. 1029—1036.

(Gesetz v. 11. Juni 1870.)

§. 1029. Wenn keine Buchhandlung, welche auf die neue Ausgabe eines Buchs ein Verlagsrecht hat, mehr vorhanden, und auch das Recht des Schriftstellers und der Rechtsnachfolger beffelben16 * * )* 15 erloschen ist, so steht Jedem frei, eine neue Ausgabe des Werks zu veranstalten. §.1030. Fällt weg 17). §. 1031. Uebrigens gilt zwischen diesem neuen Verleger und dem Schriftsteller, welcher die neue Ausgabe besorgt, alles das, was bei neuen Werken verordnet ist. §. 1032—1036. Fallen weg18). die Strafbarkeit des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit beim Vergehen des Nachdrucks im Preußischen Rechte, 1864; Kl ost er mann, das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindun­ gen, 1 S. 373 ff.; Förster, Theorie und Praxis, 3. Aufl. 2 S. 463—471. 15) In Folge des Gesetzes v. 11. Juni 1837, beziehungsweise des Gesetzes v. 11. Juni 1870. Der Wortlaut der außer Kraft gesetzten Bestimmungen ist: §. 1024. Niemand darf, ohne Einwilligung des Verfassers und seines Verlegers, einzelne ge­ druckte Schriften in ganze Sammlungen aufnehmen, oder Auszüge daraus besonders drucken lassen. §. 1025. Wohl aber können Auszüge auS Schriften in andere Werke oder Sammlungen aus­ genommen werden. §. 1026. Neue Ausgaben ausländischer Schriftsteller, welche außerhalb des deutschen Reich-, oder der Königlichen Staaten, in einer fremden Sprache schreiben, und deren Verleger weder die Frankfurter noch die Leipziger Messe besuchen, können nachgedruckt werden, in so fern der Verleger darüber kein hiesiges Privilegium erhalten hat. §. 1027. Übersetzungen sind in Beziehung auf das Verlagsrecht für neue Schriften zu achten. §. 1028. Das Veranstalten einer neuen Uebersetzung durch einen anderen Uebersetzer ist kein Nachdruck der vorigen.

16) An Stelle der gesperrt gesetzten Worte heißt e- im Texte: Anm. 12 oben.

„nach §. 1020".

Vergl.

17) Der §. 1030 verordnete: „Sind jedoch in diesem Falle noch Kinder deS ersten Grades von dem Verfasser vorhanden, so muß der neue Verleger, wegen der zu veranstaltenden Ausgabe, mit diesen sich abfinden." Siehe hierzu die Anm. 12 zu §. 1020.

18) Vergl. das Gesetz v. 11. Juni 1837 (G.S. S. 165) §. 37 und das Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 57 u. 58. Die nicht mehr geltenden §§. 1032—1036 lauteten: §. 1032. Auch der Nachdruck solcher Ausgaben ist unter eben den Umständen unerlaubt, unter welchen der Nachdruck eines neuen Werks nach'obigen Vorschriften nicht stattfindet. §. 1033. In sofern auswärtige Staaten den' Nachdruck zum Schaden hiesiger Verleger gestat­ ten, soll Letzteren gegen die Verleger in jenen Staaten ein Gleiches erlaubt werden. §. 1034. Wer Bücher und Werke, deren Nachdruck nach vorstehenden Grundsätzen unerlaubt ist, dennoch nachdruckr, muß den rechtmäßigen Verleger entschädigen. §. 1035. Diese Entschädigung besteht in dem Ersätze des Honorarii, welches der rechtmäßige Verleger dem Verfasser gezahlt hat', und der mehreren Kosten, welche derselbe wegen besseren Drucks und Papiers, gegen den Nachdruck gerechnet, auf die rechtmäßige Auflage verwendet hat. §. 1036. Uebrigens sollen unerlaubte Nachdrücke in hiesige Lande, bei Vermeidung der Konfis­ kation, nicht eingeführt, und unbefugte Nachdrucker nach näherer Bestimmung deS Kriminalrechternstlich bestraft werden. (Th. II, Tit. 20, Abschn. 15.) Die in Bezug genommenen, gleichfalls außer Kraft gesetzten, Bestimmungen deS Kriminalrechts find in den §§. 1294 bis 1297d, Tit. 20, Th. II enthalten.und lauten: §. 1294. Bücher, auf welche ein Königlicher Unterthan das Verlagsrecht hat, soll Niemand nachdrucken. §. 1295. Hat der rechtmäßige Verleger ein ausdrückliches Privilegium erhalten: so hat der Nach­ drucker eines Buchs, welchem ein solches Privilegium vorgedruckt, oder dessen Inhalt auf oder hinter dem Titelblatte bemerkt ist, die in dem Privilegio angedrohete Strafe verwirkt. §. 1296. a) Findet die Strafe aus einem besonderen Privilegio nicht statt; so soll dennoch der Nachdruck auf den Antrag des rechtmäßigen Verlegers konfiszirt, und zum Verkaufe unbrauchbar ge­ macht, oder dem Verleger, wenn er es verlangt, überlassen werden. tz. 1296. b) Es muß aber, in diesem letzteren Falle , der rechtmäßige Verleger, wenn er den Nachdruck übernehmen will, die von dem Nachdrucker daraus verwendeten Auslagen demselben auf die zu leistende Entschädigung anrechnen, oder soweit sie dazu nicht erforderlich sind, an die Strafkasse herausgeben. §. 1297. a) So weit der Ausdruck selbst verboten ist, darf auch Niemand, bei gleicher Strafe, mit auswärts nachgedruckten Büchern Handel treiben. §. 1297. b) Buchbinder dürfen deS Handels mit ungebundenen Büchern, und bloß gehefteten

Bon dem Urheberrecht au Schriftwerken :c. 28.

855

Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen,

musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken*).

Bom 11. Juni 1 87 0.

(B.G.Bl. S. 339.) Wir rc. verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bun­

desrathes und deS Reichstages, was folgt:

Schriften, bei Strafe der Konfiskation deS Werks, und des für schon verkaufte Exemplare gelöseten Werths, sich nicht anmaßen. §. 1297. c) Ein Verfasser kann seine für eigene Rechnung gedruckten Schriften zwar durch sich selbst, oder auch durch Andere verkaufen; es darf aber dergleichen Verkauf nicht in einem öffentlichen Laden, und an Orten, wo Buchhändler sind, nicht durch Buchbinder geschehen. §. 1297. d) Übertretungen dieser Vorschrift werden ebenfalls mit der Strafe der Konfiskation nach §. 1297b geahndet.

*) (6. A.) Bald nach Erfindung der Buchdruckerkunst erhoben die Schriftsteller den Anspruch, daß dem Urheber eines Geisteswerks das ausschließliche Recht der Vervielfältigung desselben zugestan­ den würde. Die Gesetzgebung erkannte jedoch diesen Anspruch nicht an, und die Wissenschaft ver­ mochte ihn nicht zu begründen, weil sie dafür in den römischen RechtSquellen keinen Anhalt fand, für neue Rechtsbildungen aber kein Verständniß hatte. Die allgemeine Ueberzeugung des Volkes vcrurtheilte indeß den Nachdruck als ein dem Schriftsteller zugefügtes Unrecht. Luther gab dieser Ueber­ zeugung den kräftigsten Ausdruck, indem er die ohne seine Erlaubniß vorgenommene Vervielfältigung seiner Werke für Raub und Diebstahl erklärte. Wächter, das Verlagsrecht rc. S. 5 Note 5. Er betrachtete sich also als Eigenthümer seiner Geistesprodukte. Und diese Anschauungsweise blieb biS in die neueste Zeit hinein die herrschende. Im vorigen Jahrhundert entwickelte sich daraus die Theorie vom geistigen Eigenthum. Gestützt auf diese Theorie wurde der Kampf gegen diejenigen ge­ führt, welche das ausschließliche Recht des Urheber- leugneten und den Nachdruck für erlaubt, viel­ fach sogar für löblich und wünschenswerth hielten. Die Schriften für und wider waren unge­ mein zahlreich. (Sie sind nachgewiesen bei Wächter S. 61 ff. und Klostermann, geist. Eig. 1 S. loo ff.) Inzwischen suchte man die Autoren und deren Verleger durch Privilegien gegen den Nach­ druck zu schützen. Die Gesetzgebung schritt zuerst in Sachsen ein, und zwar durch die Mandate v. 27. Febr. 1686 und v. 18. Dezember 1773. Wächter S. 13 u. 14. Preußen folgte nach. Die Bestim­ mungen des A. L.R. I. 11 §§. 1020, 1024 — 1036 und II. 20 §§. 1294—1297 4 bezweckten, den Verfasser und dessen Verleger gegen den Nachdruck zu sichern. Weiteren Schutz sanden die Autoren­ rechte bei der Bundesversammmng in Frankfurt a. M. Am 6. September 1832 vereinigte sich die­ selbe über den Grundsatz, „daß bei Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und Maßregeln wider den Nachdruck in Zukunft der Unterschied zwischen eigenen Unterthanen eines Bundesstaates und jenen der übrigen im Deutschen Bunde vereinten Staaten gegenseitig und im ganzen Umfange deS Bundes in der Art aufgehoben werden sollte, daß die Herausgeber, Verleger und Schriftsteller' eines Bundesstaates sich in jedem anderen Bundesstaate des dort gesetzlich bestehenden Schutzes gegen den Nachdruck zu erfreuen haben würden." Für Preußen wurde dieser Beschluß durch Patent und Ver­ ordnung v. 12. Februar 1833 verkündet. (G.S. S. 25 u. 26.) Durch den Beschluß der Bundes­ versammlung v. 9. November 1837, der in Preußen durch Patent v. 29. desselben Monats zur Publikation gelangte (G.S. S. 161), wurden „gleichförmige Grundsätze zum Schutze des schriftstelle­ rischen und künstlerischen Eigenthums gegen Nachdruck und unbefugte Nachbildung" aufgestellt. Na­ mentlich wurden die Rechte der Schriftsteller und der Verleger auf deren Erben ausgedehnt und der Nachdrucker für entschädigungspflichtig und strafbar erklärt. Durch den Bundesbeschluß v. 19. Juni 1845 erfuhr der „Schutz für Werke der Literatur und Kunst gegen Nachdruck und mechanische Bervielfältiaung" wesentliche Erweiterungen. Publ.-Patent v. 16. Januar 1846. (G.S. S. 149.) Ein Beschluß v. 9. November 1856 dehnte den Schutz zu Gunsten der Werke der vor dem 9. November 1837 verstorbenen Autoren bis zum 9. Nov. 1867 aus. Publ.-P. v. 26. Januar 1857. (G.S. S. 93.) Die Rechte der Verfasser dramatischer und musikalischer Werke wurden durch die BundeSbeschlüsse v. 22. April 1841 und v. 12. März 1857 gewahrt. Publ.-Pat. v. 6. Nov. 1841 und v. 4. Mai 1857. (G.S. 1841 S. 385 und 1857 S. 426.) Die preußische Gesetzgebung war indeß der Thätigkeit des Bundestages vorausgeeilt. DaS Gesetz v. u. Juni 1837 „zum Schutze des Eigen­ thum- an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung" (G.S. S. 165) regelte erschöpfend die hier in Frage stehenden Verhältnisse. (7. A.) Auch in einigen anderen deut­ schen Staaten entwickelte die Gesetzgebung auf diesem Gebiete eine anerkennenSwerthe Thätigkeit. Als die norddeutschen Staaten endlich unter Preußens Führung im Jahre 1866 sich eng an­ einander schlossen, machte das von der vormaligen Bnndesversammlung nur unvollständig befriedigte Drängen nach einem einheitlichen Autorrecht von Neuem sich geltend. Die Verfassung deS nord­ deutschen Bunde- vom 26. Juli 1867 unterwarf deshalb unter Art. 4 Nr. 6 „den Schutz de- geisti­ gen Eigenthums" der Bundesgesetzgebung. In Au-fühmng dieser Verheißung beschloß der Bundes-

856

Erster Theil.

Eilfter Titel.

i

(Gesetz v. 11. Juni 1870. §§. 1.)

Schriftstücke*).

§. 1. Das Recht, ein Schriftwerk auf mechanischem Wege zu vervielfältigen, steht dem Urheber dNnWs. desselben ausschließlich zu'). a) Aurschließ-

rath am io. Juni 1868, einen Gesetzentwurf ausarbeiten zu lassen. Der Entwurf wurde auf der Grundlage eines der vormaligen Bundesversammlung in Frankfurt a. M. von dem Börsenverein deutscher Buchhändler vorgelegten Entwurfes von dem verstorbenen Professor Kühns aufgestellt, hiernächst von einer Sachverständigen-Kommission geprüft, von verschiedenen Privatpersonen begutachtet, unter Berücksichtigung der erhobenen Ausstellungen und gemachten Berbesserungsvorschläge von dem Ge­ heimen Ober-Postrath Dambach neu redigirt und in dieser Gestalt mit einigen Modifikationen von dem Bundesrath am 4. Febr. 1870 genehmigt. (Klostermann, das Urheberrecht rc. S. 15 u. 16.) Der Reichstag, dem alsbald der Entwurf mit Motiven vorgelegt wnrde (Drucksachen Nr. 7), berieth denselben zum ersten Male am 21. Februar 1870. Bei der zweiten Lesung im März wurde nach Annahme der von der Regierung vertretenen Prinzipien die Vorlage einer Kommission überwiesen. Aus den Vorschlag der Kommission, welche schriftlichen Bericht erstattete (Drucks. 132), schied der Reichstag den 5. Abschnitt des Entwurfes über das Urheberrecht an Kunstwerken aus. Am 19. und 20. Mai erfolgte die dritte Lesung^ Am 11. Juni 1870 hat der Entwurf die gesetzliche Sank­ tion erhalten, und am 20. desselben Monats ist er durch daS Bundesgesetzblatt Nr. 19 unter dem oben angegebenen Titel als Gesetz verkündet worden. (6. A.) In Kraft getreten ist dieses Gesetz in dem Gebiet des vormaligen norddeutschen Bundes und nach der Verfassung des deutschen Bundes Art. 80 I Nr. 25 auch in Württemberg, Baden und den südlich vom Main belegenen Theilen Hessens am 1. Januar 1871. In Bayern ist es in Gemäßheit des Bundesgesetzes vom 22. April 1871 (B.G.Bl. S. 87) am 1. Januar 1872 einge­ führt und auf Elsaß-Lothringen durch das Reichsgesetz vom 27. Januar 1873 (R.G.Bl. S. 42) ausgedehnt. Durch das Gesetz vom 11. Juni 1870 find die bisherigen Gesetze und Verordnungen über daS Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken außer Wirksamkeit gesetzt, namentlich also auch das preußische Gesetz vom 11. Juni 1837 und die Beschlüsse der ehemaligen Bundesversammlung zu Frankfürt a. M. insoweit beseitigt. Zur Erläuterung des Gesetzes dienen die Verhandlungen des Bundesraths, Drucks, aus den Jahren 1868 Nr. 13 u. 89, 1869 Nr. 115 u. 139, 1870 Nr. 7, die Motive des Entwurfs, der Be­ richt der Kommission, die stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, welche in einem besonderen Abdruck bei Kortkampf in Berlin 1870 erschienen sind, die Entscheidungen deS Reichsoberhandelsgerichts und eine reichhaltige Literatur, aus welcher namentlich hervorzuheben sind: Dambach, die Gesetzgebung des norddeutschen Bundes, bettefsend das Urheberrecht an Schriftwer­ ken rc. 1871; Endemann, das Gesetz vom 11. Juni 1870, betr. das Urheberrecht rc. 1871; Klostermann, das Urheberrecht an Schriftwerken rc., nach dem Reichsgesetz vom 11. Juni 1870 systematisch dargestellt (Anh. zu dem 1867 veröffentlichten ersten Bande des ,,geist. Eig.") 1871; Dahn, zur neuesten deutschen Gesetzgebung über Urheberrecht, in der Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege (Berlin 1871) S. 1—74; Klostermann, über das Urheberrecht an Schriftwerken nach dem Gesetze vom 11. Juni 1870, ebenda S. 75 — 88; Dambach, einige Bemerkungen zur Lehre vom Urheberrecht, ebenda 6 S. 51—60; (7. A.) O. Wächter, das Autorrecht, nach dem ge­ meinen deutschen Rechte systematisch dargestellt, 1875; Kl oster mann, daS Urheberrecht an Schriftund Kunstwerken, Abbildungen, Kompositionen, Photographien, Mustern und Modellen, nach deut­ schem und internationalem Rechte systematisch dargestellt, 1876; Kowalzig, das reichsgesetzliche Ur­ heberrecht an Schriftwerken, das Reichshaftpflichtgesetz rc., erläutert vornehmlich auS den Entschei­ dungen des R.O.H.G., 1877.

*) (6. A.) DaS Wort steht in dem Bundesgesetzblatt von 1870 S. 339. Nach Dambach, Urheberrecht S. u, liegt ein Druckfehler vor. Jedenfalls behandelt daS Gesetz nicht alle Schrift­ stücke als Gegenstand deS Urheberrechts. Vgl. die folgende Anmerkung. 1) (6. A.) Ueber den Grund dieses Rechtes giebt daS Gesetz unmittelbar keinen Aufschluß. Der Streit darüber ist fast so alt wie die Buchdruckerkunst. (7. A.) Noch in neuerer Zeit ist dem Urheberrecht die natürliche Berechtigung abgesprochen und also der Schutz, welcher demselben von der Rechtsordnung ertheilt wird, auf 'polizeiliche Motive zurückgeführt. Der Hauptvertreter dieser Richtung ist v. Gerber, in seinen und Jhering's Jahrb. 3 S. 359 ff., gesammelten jurist. Abhandl. 2 S. 274, System des Privatrechts §. 200 Note 1 und §. 219 Note 4 (11. A.) S. 547, 548, 594. Gegen ihn namentlich: Förster, Theorie u. Praxis §. 134 (3. A.) 2 S. 161 u. 162 ; Wäch­ ter , Autorrecht S. 9; Kl oster mann, das Urheberrecht (1876) S. L Ebenso verwerflich ist die noch in der Reichsverfassung vom 16. April 1871 Art. 4 Nr. 6 nachklingende Vorstellung eines geistigen Eigenthums. (6. A.) Der Begriff, welcher mit dieser Bezeichnung verbunden wird, rst falsch. Darüber ist man jetzt ziemlich allgemein einverstanden. Förster S. 159. Das Recht, ein Geisteswerk zu schaffen, fließt aus der Persönlichkeit. Die Verfügung über das geschaffene Werk

Bon dem Urheberrecht an Schriftwerken re.

857

aber steht dem Urheber ausschließlich zu, weil er dasselbe hervorgebracht hat. Wächter, Verlags­ recht S. 89 ff.; Dahn S. 5 ff. — Hat der Autor sich für die Veröffentlichung entschieden, so könnte man sagen, sein Recht wäre konsumirt; sein Zweck, seine Gedanken möglichst weit zu verbreiten, würde am sichersten erreicht, wenn da- Werk von Jedem nachgedruckt werden dürfte. Allein dies ist nicht einmal zutreffend, da es erfahrungsmäßig viel schwieriger ist, bei der Zulässigkeit deS Nach­ drucks, als bei dem gesetzlichen Verbot desselben, für ein gutes Buch einen Verleger zu finden. Je­ denfalls ist die Rücksicht auf die möglichst weite Verbreitung des Werkes nicht entscheidend. Der Autor hat wie jeder Mensch nach dem natürlichen Recht einen Anspruch auf Lohn und Schutz für seine Arbeit. Diesen Anspruch befriedigt der Staat dadurch, daß er dem Urheber des Geisteswerkes da- ausschließliche Recht zur Vervielfältigung desselben verleiht. Daß aber ein solches Recht mit dem Eigenthum Nichts gemein hat, ergiebt sich aus der Verschiedenheit des Gegenstandes und des In­ halts beider Rechte. Gegenstand des Eigenthums ist entweder eine Sache oder ein Recht; das Gei­ steswerk aber ist weder dieses noch jenes. (Tit. 8 §. 2 Anm. 2 Abs. 2.) Der Inhalt deS Eigen­ thums besteht in der ausschließlichen Herrschaft des Eigenthümer- über das ihm unterworfene Objekt; der Urheber einer Gedankenschöpfung dagegen kann, sobald sie veröffentlicht ist, von dem Mitgenusse und der Mitbenutzung seines Werkes Ändere nicht auSschließen. (Klostermann, das Urheber­ recht rc. Anhang zu dem „geist. Eig." S. 7.) Das Urheberrecht gehört überhaupt nicht, wie Klo­ ster mann (das geistige Eigenthum 1 S. 1U) annimmt, zu den dinglichen Rechten. Es kann nicht dinglich sein, weil eö sich nicht in der Herrschaft über eine Sache äußert. Zur Kennzeichnung der Ausschließlichkeit des RechtS der Veröffentlichung und Vervielfältigung genügt eS, dasselbe zu den absoluten Rechten, und zwar speziell zu den Gewerbsberechtigungen zu zählen. (7. A.) Das Urheberrecht ist daher zweifellos ein Vermögensrecht, wofür namentlich auch seine gesetzlich anerkannte Vererblichkeit spricht. Aber das Gesetz vom 11. Juni 1870 macht den Schutz des Äutors nicht von einem vermögensrechtlichen Interesse desselben abhängig. (R.O.H.G. I v. 25. Januar 1875, Entsch. 16 S. 227 u. 228.) Es erkennt vielmehr an, daß das Urheberrecht lediglich, weil eS besteht, rechtlich zu schützen ist, also wesentlich auch eine höchstpersönliche Seite hat.

(§§.' 4 ff.) (6. A.) Suvjekt dieses Rechtes ist der Urheber des Schriftwerkes, der Autor, wie das Gesetz vom 11. Juni 1837 ihn nannte, „derjenige, aus dessen geistiger Thätigkeit das Werk hervor­ gegangen ist." Motive S. 20. Vgl. §. 20. Den Gegenstand des Urheberrechts bilden nach §. 1 Schriftwerke. Das alte Gesetz schützte jede he'rausgegebene Schrift. Der Begriff der letzteren ist an sich weiter als der Be­ griff deS Schriftwerks. Aber es ist nicht anzunehmen, daß daS Objekt des Urheberrechts abweichend von der hergebrachten Auffassung habe bestimmt werden sollen. (7. A. Es sind vielfach Versuche gemacht worden, das Wesen des Schriftwerkes a priori zu be­ stimmen. Aber sie sind meist an der thatsächlichen Natur des Begriffes gescheitert. Als Regel wird anzunehmen sein, daß jede Schrift, welche gedruckt und zum Gegenstände des Vertriebs gemacht ist, als ein unter den Schutz des Gesetzes gestelltes Schriftwerk zu gelten hat. Vgl. darüber Wächter, das Verlagsrecht S. 113 ff., daS Äutorrecht 54—65; Klostermann, da- geistige Eig. 1 S. 150 ff.; das Urheberrecht rc. (1876) S. 26 ff.; Kowalzig S. 2 u. 3.) Der literarische Sachverständigenverein in Berlin hat sich gutachtlich u. a. dahin ausgesprochen: a) An Kirchenliedern, welche von einer bestimmten Rellgionspartei bei der öffentlichen oder häus­ lichen Andacht allgemein gebraucht werden, hat Niemand em Verlagsrecht; es wäre denn an einer Sammlung solcher Lieder mit eigenthümlicher Anordnung und bestimmter Textrecension. Gutachten v. 15. Januar 1840, Jur. Wochenschr. 1840, S. 609. b) Auch Wohnungsanzeiger und ähnliche statistische Nachweisungen, deren Bearbeitung wissen­ schaftliche oder Kunstkenntnisse nicht erfordert, sind als schriftstellerische Arbeiten anzusehen, bei denen ein Nachdruck möglich ist. Gutachten v. 28. Februar 1840, ebenda S. 661. c) Die Zusammenstellung eine- Werkes aus einzelnen Stellen eines anderen, wenngleich mit Auslassungen, einzelnen Aenderungen und Zusätzen, sowie mit Abweichungen in der Ordnung und Verbindung, ist als ein verbotener Nachdruck anzusehen. Auch ein Nachdruck von Werken ist mög­ lich, welche, wie beispielsweise Kochbücher, bekannte, auf allgemeiner Erfahrung beruhende Regeln und Vorschriften enthalten. Gutachten v. 16. September 1840, ebenda S. 861. d) Die Herstellung eines gleichförmigen Textes von klassischen Werken durch kritische Thätigkeit ist nicht dergestalt als ein freies schriftstellerisches Produkt zu betrachten, daß dem Verfasser für diese Bearbeitung eines fremden Textes dieselben Rechte zustehen, wie einem Autor für ein von ihm ver­ faßtes Oriainalwerk. Er hat deshalb kein Widerspruchsrecht gegen die Vervielfältigung in seiner Textherstellung. Gutachten v. 27. Januar 1841 und Entsch. des Stadtgerichts zu Berlin v. 20. Juli d. I., Jur. Wochenschr. 1842 S. 149. Das Obertribunal hat sich mit Bezug auf die Ueberschrift deS Gesetzes v. 11. Juni 1837 wie folgt geäußert: Unter den Werken der Wissenschaft und Kunst sind allerdings Geistesprodukte verstan­ den, aber dieses Gesetz schützt gegen den Nachdruck literarische Erzeugnisse jeder Art; auf die Gat-

858

Erster Theil. §. 2.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 2. 3.)

Dem Urheber wird in Beziehung auf den durch das gegenwärtige Gesetz gewährten

Schutz der Herausgeber eines aus Beiträgen Mehrerer bestehenden Werke- gleich geachtet,

wenn

dieses ein einheitliches Ganze- bildet 2). tung, den Umfang, die Darstellungsweise kommt es nicht an, noch weniger auf den inneren Gehalt der Schrift. Erk. de- Senats für Strafsachen il v. 7. November 1861, J.M.Bl. S. 288. (7. A.) Im Einklänge hiermit steht die Auffassung des Reichsoberhandelsgerichts. ES kommt, sagt dasselbe, „nur darauf an, daß das Werk aus einer, immerhin geringen, geistigen Thätig­ keit der als Urheber bezeichneten Person hervorgegangen ist, und es ist keineswegs erforderlich, daß dasselbe eigenthümliche Gedanken in eigenthümlicher Form darstelle. So läßt sich nicht bezweifeln, daß jede für den literarischen Verkehr bestimmte Sammlung von allgemein zugänglichen Thatsachen und Aeußerungen lediglich durch die Eigenthümlichkeit ihrer Anordnung und Gliede­ rung zum Gegenstände des Urheberrechts werden kann, und es steht in Wissenschaft und Rechtspre­ chung völlig fest, daß insbesondere lexikalische Werke aller Art schon unter diesem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes gegen Nachdruck fähig sind." R.O.H.G. I v. 25. Jan. 1875, Entsch. 16 S. 228. Vgl. oben die Anm. 95 zu §. 1000. (6. A.) Briefe können Gegenstand des Urheberrechts sein. Ob sie es im gegebenen Falle sind, das zu entscheiden, ist Sache thatsächlicher Würdigung. O.Tr. Sen. für Straff. I v. 28. Januar 1861, Goltdammer, Archiv 9 S. 537; Oppenhoff, Rechtspr. 1 S. 473. Den Abdruck Schillerscher Briefe hat der literarische Sachverständigenverein in einem Gutachten v. 13. Februar 1860 als Abdruck einer Schrift im Sinne des Gesetzes v. 11. Juni 1837 angesehen. Heyde mann und Dambach, die Preußische Nachdrucksgesetzgebung S. 234. Die gewöhnlichen brieflichen Mittheilungen des täglichen Lebens, Geschäftsbriefe u. s. w. erachtet Dambach (Urheberrecht S. 20) für nicht geschützt, und das Reichsgericht scheint ihm hierin beitre­ ten zu wollen. R.O.H.G. I v. 24. Mai 1872, Entsch. 6 S. 171. Klostermann hält dies für unrichtig; er ist der Meinung, daß, wenn solche Brie e gedruckt, resp, zum Gegenstände des Berlage­ gemacht werden, damit der Beweis erbracht sei, daß sie zur Veröffentlichung sich eignen. Kloster­ mann, das Urheberrecht rc. 1871 (Anh. zum geist. Eig.) S. 13 und 1876 S. 44'. Hiergegen ver­ theidigt D amb ach seine Ansicht in Behrends Zeitschrift für Gesetzgebung rc. 6 S. 58—60. Er führt aus, daß „zum Begriffe des Schriftwerkes erfordert wird a. daß dasselbe das Produkt einer eigenen geistigen Thätigkeit de- Autors sei, und b. daß es sich dazu (objektiv) eigne, Gegenstand des literarischen Verkehrs, des Verlages, zu sein." ES kann die- als richtig zugegeben werden. (7. A.) Aber damit ist Klostermann nicht wider­ legt. Denn ein gewisses Maß 'geistiger Thätigkeit gehört zur Konzeption jeder Schrift, und wenn diese gedruckt und'verlegt ist, dann wird sie auch wohl objektiv zum Gegenstände deS Verlages ge­ eignet sein. Der Titel eines Buches ist nicht Gegenstand des Urheberrechts, wodurch indeß nicht ausge­ schlossen ist, daß der Titelnachdruck einen Anspruch auf Schadensersatz begründen kann. R.O.H.G. I v. 6. Oktober 1871, Entsch. 3 S. 319; Klostermann, das Urheberrecht (1876) S. 38 u. 39. (6. A.) Die Vervielfältigung auf mechanischem Wege ist die Vervielfältigung durch äußere Werkzeuge, wie die Druckerpreffe, die Abgußform, die Kupferplatte u. dgl. Klostermann, das geistige Eigenthum 1 S. 397. (7. A.) Auch die Herstellung photographischer Abdrücke fällt unter den Begriff der mechanischen Vervielfältigung. R.O.H.G. I v. 12. Januar 1875, Entsch. 16 S. 257. (6*. A.) Daraus, daß das Recht der Vervielfältigung des Werkes ausschließlich dem Urheber dessel­ ben beigelegt wird, folgt, daß ein Verlagsrecht an Werken, die gegen Nachdruck nicht mehr geschützt sind, nicht entstehen kann. Nach dem A. L.R. I. 11 §. 1032 war dies anders. (7. A.) Auch die Hand­ schrift eines alten Klassikers ist kein Gegenstand des Urheberrechts. Motive S. 22.

2) (6. A.) Hierher gehören namentlich Sprachwürterbücher, Konversationslexika, Staat-wörterbücher u. dgl., dagegen nicht die gewöhnlichen Zeitungen, Zeitschriften, Journale, Sammlungen von Abhandlungen u. s. w. Dambach, Urheberrecht S. 30. DaS unterscheidende Merkmal liegt darin, daß bei jenen die Zusammenstellung durch eine autorgleiche Thätigkeit bedingt ist, bei diesen dagegen nicht. (7. A.) Vgl. hierüber Kowalzig S. 5; Klo'stermann, Urheberrecht (1876) S. 119. (6. A.) Das Reichsoberhandelsgericht hat einen Katechismus, den ein evangelisches Konsistorium herausgegeben hatte, gegen Nachdruck geschützt. R.O.H.G. II v. 15. Januar 1873, Entsch. 8 S. 380. Vergl. unten die Anm. zu §. 28. — Die Regierungsvorlage wollte dem Herausgeber den Unternehmer gleichstellen. Dazu bemerkte die Kommission deS Reichstages: „Unter dem Unternehmer könnte auch em Verleger verstanden sein, dem an dem Entstehen des Werkes vielleicht kein anderes Verdienst zukommt, al- daß er den allge­ meinen Plan vorzugsweise nach dessen geschäftlicher Seite entworfen hat. Uebt der Unternehmer zu­ gleich eine redaktionelle Thätigkeit bei dem Zustandekommen des Ganzen aus, so wird er auch auf dem Werke alS Herausgeber genannt sein oder sich al- solchen nennen können. Das Gesetz hat die Absicht, der geistigen Arbeit ihren Lohn zu sichern; es kann die Rechte des Urheber- auch nur

Bon dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

859

Das Urheberrecht an den einzelnen Beiträgen steht den Urhebern derselben zu8)»

§. 3.

Das Recht deS Urhebers geht auf dessen Erben über 4).

Dieses Recht kann beschränkt

oder unbeschränkt durch Vertrag oder durch Verfügung von TodeSwegen auf Andere übertragen werden5).

dem gewähren, der an einem Sammelwerke eine dem Autor gleichartige literarische Thätigkeit entfaltet." Bericht der Komm. S. 2. — Das österreichische Gesetz v. 19. Oktober 1846 giebt auch dem Besteller eines Werke- ein Ver­ lag-recht. Klostermann, das geist. Eig. 1 S. 226. Siehe auch oben die Anm. 14 zu §. 1022. 3) Wenn ein Aufsatz, welcher von dem Verfasser für eine Zeitschrift geliefert und in dieser ab­ gedruckt ist, von demjenigen, der daS Verlagsrecht der Zeitschrift erworben hat, in einer Sammlung von Aufsätzen, ohne Zustimmung des Verfassers, wieder abgedruckt wird, so enthält dies einen ver­ botenen Nachdruck. In diesem Falle ist die Entschädigung deö Beeinträchtigten, wenn der rechtmä­ ßige Abdruck als Theil einer Zeitschrift keinen besonderen Verkaufswerth hat, durch Arbitrium zu bestimmen. Gutachten des literarischen Sachverständigenvereins v. 31. Oktbr. 1838, Jur. Wochenschr. 1840 S. 161. 4) (6. A.) Ist altes Recht. Ges. v. 11. Juni 1837 §. 6. Siehe auch die Anm. zur Ueberschrift des Gesetzes. 5) (7. A.) Das Mittel zur Uebertragung des Urheberrechts unter Lebenden ist der Verlagsver­ trag. (Tit. 11 §§. 996 ff.) Dieser Vertrag unterliegt der Regelung durch die Landesgesetze. R. Ö.H.G. I v. 27. November 1874, Entsch. 15 S. 195, und vom 12. Januar 1875, ebenda 16 S. 256. Hat der Urheber seine Rechte ganz oder theilweise auf einen Anderen übertragen, so legitimirt dieser nach außen hin sich durch den Uebertragungsakt. Was Beide sonst noch mit einander verabredet haben, berührt dritte Personen grundsätzlich nicht. R.O.H.G. I v. 24. April 1874, Entsch. 12 S. 321 Note*, und v. 27. Nov. 1874, ebenda 15 S. 193 u. 194; Kowalzig S. 5. Streitig ist, ob die Uebertragung auch gegen den Willen des Autors erfolgen kann, ob das Urheber­ recht ein Gegenstand der Exekution für die Gläubiger des Berechtigten ist. Kow al zig, der an sich daS Urheberrecht für ein taugliches Exekutionsobjekt hält, verneint dennoch S. 7 die gestellte Frage, we­ nigstens nach preußischem Recht, weil er in diesem die prozessualischen Formen für die Zwangsvoll­ streckung in das Urheberrecht vermißt. Sein Grund dürfte freilich nicht zutreffen. Das Manuskript kann sicherlich gepfändet werden, und dem Verkauf der Handschrift und des daran haftenden Urheber­ rechts — nach den Vorschriften über die Versteigerung gepfändeter Sachen — steht formell nichts entgegen. Man könnte sich auch so helfen, daß nur der Verlag öffentlich ausgeboten und dann im Wege der executio ad faciendum der Abschluß eines Verlagsvertrages mit dem Bestbietenden herbei­ geführt würde. Allein es fragt sich, ob überhaupt in dieser Werse über das Urheberrecht verfügt werden kann. Die Frage, welche in der Sitzung des Reichstages vom 12. Mai 1870 (gegen dre Regierungsvorlage) der Regelung durch die CiviHrozeßgesetzgebung Vorbehalten wurde, hat in der

Civilprozeßordnung für das deutsche Reich ihre Lösung nicht gefunden, da dieses Gesetz nur im All­ gemeinen davon ausgeht, daß Vermögensrechte des Schuldners der Zwangsvollstreckung unterliegen. (§. 754.) Es handelt sich in der That um eine Frage des materiellen Rechts. Das Recht zur Veröffentlichung eines Schriftwerkes fließt nicht aus dem Eigenthum an dem Manuskript (§. 5 Nr. 1), sondern lediglich aus der Autorschaft, kann daher von einem Dritten nur mit Genehmigung des Urhebers (§. 4) ausgeübt werden. Die Kontroverse spitzt sich deshalb auf die Frage zu: Kann diese Genehmigung von der Person des Autors getrennt werden? Erkennt man in dem Urheberrecht nicht ein reines Vermögensrecht, sondern zugleich ein höchst persönliches Mo­ ment, so muß man mit Da mb ach S. 37 die Frage grundsätzlich verneinen. Aber auch diejenigen, welche die persönliche Seite des Autorrechts nicht zugestehen, müssen sich bescheiden, daß doch die Person des Urhebers bei der Veröffentlichung des Werkes dergestalt betheiligt ist, daß es eine em­ pfindliche Rechtsverletzung sein würde, die Publikation zwangsweise vorzunehmen. Klostermann, Urheberrecht (1876) S. 26, 140 ff. Hält man deshalb daran fest, daß von der Genehmigung des Autors nicht abgesehen werden darf, so stellt sich die Sache so: a. Ist das Werk noch nicht vervielfältigt (gedruckt), so findet die Zwangsvollstreckung in das Urheberrecht nicht statt, es sei denn, daß der Verfasser bereits endgültig die Schrift zum Gegenstände des Verlags oder Vertriebs bestimmt hätte. Endemann S. 15; Klostermann S. 143. b. Sind die vorhandenen Exemplare eines Werkes vergriffen, so erscheint es nicht bedenklich, zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger die Veranstaltung einer neuen Auslage im Wege der Zwangsvollstreckung zuzulassen. Denn die Rücksicht auf das persönliche Interesse, welches der Ur­ heber an der Geheimhaltung haben könnte, ist durch die bereits erfolgte Veröffentlichung gegenstands­ los geworden. Doch wird chm die Vornahme von Abänderungen nicht zu verschränken sein. Klo­ sterm ann a. a. O. Dambach S. 37 will einen Zwang zur Veranstaltung einer neuen Auflage überhaupt nicht und Wächter, Autorrecht S. 114, einen solchen nur gegen die Erben deS Urhebers gestatten.

860 Nachdrucks^

Erster Theil.

§♦ 4.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 4—6.)

Jede mechanische Vervielfältigung eines Schriftwerkes, welche ohne Genehmigung des

Berechtigten (§§. 1, 2, 3) hergestellt wird, heißt Nachdruck und ist verboten«). Hinsichtlich dieses Verbotes macht es keinen Unterschied, ob daS Schriftwerk ganz oder nur theilweise vervielfältigt wird 7).

Als mechanische Vervielfältigung ist auch daS Abschreiben anzusehen, wenn es dazu

bestimmt

ist, den Druck zu vertreten«).

§. 5.

AlS Nachdruck (§. 4) ist auch anzusehen:

a) der ohne Genehmigung des Urhebers erfolgte Abdruck von noch nicht veröffentlichten Schrift­ werken (Manuskripten)9).

Auch der rechtmäßige Besitzer eines Manuskriptes oder einer Abschrift desselben bedarf der

Genehmigung des Urhebers zum Abdruck1 °); b) der ohne Genehmigung des Urhebers erfolgte Abdruck von Borträgen, welche zum Zwecke der

Erbauung, der Belehrung oder der Unterhaltung gehalten sind"); c. Das Manuskript als Autograph ist Gegenstand deS ZwangSverkaufS (Damb ach S. 38), aber nur, wenn die Möglichkeit, es zu vervielfältigen, dem Verfasser gewahrt bleibt. d. Die Ansprüche, welche der Autor mittelst des Urheberrechts erworben hat, insbesondere die Forderungen, welche ihm gegen den Verleger zustehen, haben als Exekutionsobjekte nichts besonderes.

6) Dabei ist eS gleichgültig, welcher äußeren Mittel der Nachdrucker zur Herstellung der Ver­ vielfältigung sich bedient. Anm. 1 vorletzter Absatz. Wer eine, mit Hebräischen Lettern gedruckte Deutsche Uebersetzung eines Jüdischen Gebetbuches ohne Genehmigung des Autors oder seiner Rechtsnachfolger mit Deutschen Lettern abdrucken läßt, be­ geht einen Nachdruck. Gutachten des lit. Sachverst.-Vereins, v. 29. Dezember 1840, Jur. Wochenschr. 1841 S. 501. (6. A.) Für den Begriff des Nachdruckes ist es nicht wesentlich, ob die Vervielfältigung von dew berechtigten Abdruck oder von einem Nachdrucke desselben hergestellt worden ist. O.Tr. Sen. für Straff. 1 v. 28. Juni 1861, Oppenhoff, Rechtspr. 1 S. 473.' Auch der Abdruck eines TheaterCouplets kann Nachdruck sein, selbst dann, wenn dasselbe nachgeschrieben und von dieser Schrift der Abdruck genommen ist. Erk. desselben v. 3. Juli 1861, ebenda S. 483.

7) (7. A.) Unter „theilweiser Vervielfältigung" ist die Vervielfältigung von Theilen und Stücken des Originals zu verstehen. R.O.H.G. I v. 7. Okt. 1873, Entsch. H S. 167. (6. A.) Thatfrage ist es, ob die Aufnahme eines Theils des fremden Produkts in ein Schriftwerk Nach­ druck oder nach §. 7 a erlaubt ist. Die Wiedergabe der in einem Buche enthaltenen Gedanken in wesentlich anderer Form ist kein Nachdruck, daher z. B. nicht die Verarbeitung einer Novelle zu einem Drama. Dagegen schließen einzelne Veränderungen des Originals den Begriff des Nach­ druckes an sich nicht aus. Dambach, Urheberrecht S. 43, 45. (7. A.) R.O.H.G. I v. 25. Jan. 1875, Entsch. 16 S. 239. 8) (6. A.) Durch diese Bestimmung wird eine Kontroverse des bisherigen Rechts entschieden. Das Abschreiben zum eigenen Gebrauch ist selbstverständlich dem Nachdruck nicht gleich zu ach­ ten. Eigener Gebrauch ist es aber nicht mehr, wenn ein Lehrer einzelne Lieder oder einzelne Stimmen abschreiben läßt, um die Abschriften unter die Schüler zu Vertheilen. Das ist Nachdruck im Sinne des §.4. Dambach a. a. O. S. 52; Endemann S. 18. (7. A.) Dasselbe gilt von der Vervielfältigung einzelner Chorstimmen, welche der Vorsteher eines Gesangvereins zum Gebrauch für dessen Mitglieder veranstaltet. R.O.H.G. I ü. n. Dez. 1874, Entsch. 15 S. 313. 9) (6. A.) Unter Manuskript ist nur eine solche Schrift zu verstehen, deutung hat, oder sich, so zu sagen, 4. März 1861; Heydemann und

nicht jedes beschriebene Stück Papier, sondern im Wesentlichen welche eine mehr oder weniger wissenschaftliche literarische Be­ zum Druck qualifizirt. Gutachten des lit. Sachv.-VereinS v. Dambach, die preußische Nachdrucksgesetzgebung S. 140.

10) (6. A.) Mit dem Eigenthum an einem Manuskript ist also das Recht zur Vervielfältigung desselben nicht verbunden. Das Urheberrecht an einem Briefe, wenn solches überhaupt begründet ist, gebührt daher nicht dem Adressaten und Empfänger, sondern dem Absender und Verfasser. Gutach­ ten des lit. Sachv.-Vereins v. 13. Februar 1860, Heydemann und Dambach a. a. O. S. 241. 11) (7. A.) DaS Gesetz unterscheidet nicht zwischen improvistrten Vorträgen und solchen, welchen ein Manuskript zu Grunde gelegt ist. Der von Kowal zig S. 8 aus der Wahl des Wortes „Ab­ druck" statt „Druck" (§. 4) hergeleitete Zweifel, ob auch improvistrte Vorträge gegen Nachdruck ge­ schützt sein sollen, erscheint nicht begründet. Vergl. über die Frage Kloster mann, das Urheber­ recht (1876) S. 59 U. 60. (6. A.) Zum Thatbestände des Nachdrucks ist nicht erforderlich, daß der Abdruck den Vortrag buchstäblich wiedergiebt. Gutachten des lit. Sachv. - Vereins v. 28. Januar 1846, Heydemann

Bon dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

861

c) der neue Abdruck von Werken, welchen der Urheber oder der Verleger dem unter ihnen beste­

henden Vertrage zuwider veranstaltet12 * * )13 ; 14 d) die Anfertigung einer größeren Anzahl von Exemplaren eines Werkes Seitens des Verlegers, als demselben vertragsmäßig oder gesetzlich gestattet ist'»).

§. 6.

Übersetzungen ohne Genehmigung

des Urhebers^) des Originalwerkes

gelten

als

Nachdruck:

a) wenn von einem, zuerst in einer todten Sprache erschienenen Werke eine Uebersetzung in einer lebenden Sprache herausgegeben wird 15)16 ;

b) wenn von einem gleichzeitig in verschiedenen Sprachen herausgegebenen Werke eine Uebersetzung

in einer dieser Sprachen veranstaltet wird; c) wenn der Urheber sich das Recht der Uebersetzung auf dem Titelblatte oder an der Spitze des

Werkes Vorbehalten hat"),

vorausgesetzt,

daß die Veröffentlichung der vorbehaltenen Ueber­

setzung nach dem Erscheinen des Originalwerkes binnen einem Jahre begonnen und binnen drei

Jahren beendet wird.

Das Kalenderjahr, in welchem das Originalwerk erschienen ist, wird

hierbei nicht mitgerechnet. und Dambach S. 228. Dagegen fallen Berichte über den Vortrag, wie sie in Zeitungen vorzu­ kommen Pflegen, nicht unter den Begriff des Nachdrucks. 12) Einen Fall des Nachdruckes, dessen der Verleger gegen den Autor sich schuldig macht, siehe in der Anm. 3 zu §. 2. Daß auch der Verfasser gegen den Verleger einen Nachdruck begehen kann, ist bereits unter der Herrschaft des Gesetzes v. li. Juni 1837 angenommen worden: a. Der Autor eines Werks, welcher dem Verleger das ausschließliche Verlagsrecht eingeräumt hat, macht sich durch Veranlassung einer anderweitigen Vervielfältigung dieses Werkes des Nachdrucks schuldig. — Dies gilt in jenem Falle auch von dem zweiten Verleger, welcher sein Verlagsrecht lediglich von dem Autor herleitet. O.Tr. I v. 26. September 1851, Str. Arch. 2 S. 372. b. Die Zusammenstellung eines Werks aus einzelnen Stellen eines anderen, wenngleich mit Auslassungen, einzelnen Aenderungen und Zusätzen, sowie mit Abweichungen in der Ordnung und Verbindung, ist als ein verbotener Nachdruck anzusehen. Gutachten des literarischen Sachverständigenvereins v. 9. Oktbr. 1839, Jur. Wochenschr. 1840 S. 369. (7. A.) Ist zwischen dem Urheber einer Zeichnung und dem in Aussicht genommenen Verleger verabredet, daß die Zeichnung erst nach Prüfung der Probeabdrücke durch den Urheber und nach Ver­ einbarung eines Honorars vervielfältigt und verbreitet werden solle, so macht der Verleger sich des Nachdrucks schuldig, wenn er mit der Vervielfältigung vorgeht, ohne daß jene Prüfung erfolgt und ein Honorar verembart ist. R.O.H.G. I v. 12. Januar 1875, Entsch. 16 S. 255.

13) (6. A.) In dem Königreich Sachsen darf der Verleger, falls über die Stärke der Auflage zwischen ihm und dem Autor eine Vereinbarung nicht getroffen ist, nicht mehr als 1000 Exemplare drucken lassen. Bürqerl. Gesetzb. §. 1142. (7. A.) Hat jedoch der Verfasser oder Herausgeber eines in Lieferungen erscheinenden Werkes dem Verleger die Herstellung einer größeren Anzahl von Ab­ zügen gestattet, so ist dies nach seinem Tode auch gegen denjenigen maßgebend, der die Schlußlie­ ferungen im Auftrage deS Verlegers verfaßt. Von einem Nachdruck seitens deS letzteren wegen Uebertretung des §. 1142 eit. kann keine Rede sein. R.O.H.G. I v. 19. März 1875, Entsch. 17 S. 37.

14) (6. A.) Oder der Rechtsnachfolger des Urhebers.

Endemann S. 25.

15) (6. A.) Nach dem Gesetze v. 11. Juni 1837 §. 3 Nr. 3 wurde nur die in deutscher Sprache veranstaltete Uebersetzung als Nachdruck angesehen. Die Uebersetzung aus einer todten Sprache in eine andere todte Sprache ist nicht verboten, es sei denn, daß auf dem Original der Vorbehalt der Uebersetzung (c) stände.

16) (6. A.) Das bisherige Recht (vorige Anm.) erforderte, daß die Sprache, in welcher die Uebersetzung veranstaltet werden sollte, in dem Vorbehalt bezeichnet würde. Von diesem Erforder­ niß hat das neue Gesetz abgesehen. Darnach genügt folgende Fassung: „Das Recht der Uebersetzung wird Vorbehalten." Dieses Recht fließt eigentlich nicht aus dem Urheberrecht. Denn jede Ueber­ setzung ist ein eigenthümliches Geistesprodukt. Nur die Erwägung, daß dasselbe durch den Verfasser des Originals erst ermöglicht ist, hat dahin geführt, dem Urheber eines Schriftwerks ein an kurze Fristen gebundenes Exklusivrecht zur Uebersetzung zu geben. Vergl. Dahn a. a. O. S. 18. (7. A.) Eine andere Auffassung vertritt Klostermann, das Urheberrecht rc. (1876) S. 217. (6. A.) Nach der Regierungsvorlage sollte das Uebersetzungsrecht des Autors durch den Vorbe­ halt auf der ersten Ausgabe des Werkes gewahrt werden. Das Plenum des Reichstages strich indeß die gesperrt gedruckten Worte, indem es den Vorbehalt auf jeder folgenden Ausgabe ebenfalls für erforderlich hielt. Sten. Ber. S. 92 u. 105.

Erster Theil.

862

(Stifter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 6—8.)

Bei Originalwerken, welche in mehreren Bänden oder Abtheilungen erscheinen, wird jeder Band oder jede Abtheilung im Sinne dieses Paragraphen als ein besonderes Werk angesehen, und muß der Borbehalt der Uebersetzung auf jedem Bande oder jeder Abtheilung wiederholt werden. Bei dramatischen Werken muß die Uebersetzung innerhalb sechs Monaten, vom Tage der Ver­

öffentlichung des Originals an gerechnet, vollständig erschienen sein.

Der Beginn und beziehungsweise die Vollendung der Uebersetzung muß zugleich innerhalb der angegebenen Fristen zur Eintragung in die Eintragsrolle (§§. 39 ff.) angemeldet werden, widrigen­

falls der Schutz gegen neue Uebersetzungen erlischt"). Die Uebersetzung eines noch ungedruckten gegen Nachdruck geschützten Schriftwerkes (§. 5 Littr. a und b) ist als Nachdruck anzusehen. Uebersetzungen genießen gleich Originalwerken den Schutz dieses Gesetzes gegen Nachdruck").

alsNachdruck anzusehen ist.

7*

Nachdruck ist nicht anzusehen:

a) das wörtliche Anfuhren

einzelner Stellen oder kleinerer Theile eines bereits veröffentlichten

Werkes oder die Aufnahme bereits veröffentlichter Schriften von geringerem Umfang in ein

größeres Ganzes,

sobald dieses

nach seinem Hauptinhalt ein selbstständiges wissenschaftliches

Werk ist19), sowie in Sammlungen, welche aus Werken mehrerer Schriftsteller zum Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch oder zu einem eigenthümlichen literarischen ^«) Zwecke veran­ staltet werden.

Vorausgesetzt ist jedoch, daß der Urheber oder die benutzte Quelle angegeben

ist21);

17) (6. A.) Die Anmeldung zur Eintragung in die Eintragsrolle ist deshalb vorgeschrieben, da­ mit sich Jeder, der ein Werk zu übersetzen beabsichtigt, vergewissern kann, ob nicht bereits der Ver­ fasser von seinem Uebersetzungsrecht Gebrauch gemacht hat. Dambach S. 74; Endemann S. 27. Vergl. §§. 15 u. 59 unten. 18) (6. A.) Gleichviel, ob sie rechtmäßig angefertigt sind oder nicht. Die Vorlage des BuudesratheS beabsichtigte, nur die rechtmäßig 'erschienenen Uebersetzungen gegen Nachdruck zu schützen. Die Kommission des Reichstages vindizirte diesen Schutz auch der unrechtmäßigen Uebersetzung und entschied sich deshalb für die vorliegende Fassung. Komm.-Ber. S. 6. — Vergl. §. 15. 19) (6. A.) Unter Schriften sind auch Aufsätze zu verstehen, welche in Zeitschriften veröffent­ licht sind. R.O.H.G. I v. 24. Mai 1872, Entsch. 6. S. 170 u. 171. Für die Frage, ob eine Schrift von geringerem Umfang vorliegt, kommen hauptsächlich zwei Gesichtspunkte in Betracht: 1. die Bedeutung, welche die abgedruckte Schrift dem Werke, in welches sie ausgenommen worden, gegenüber hat, sowohl nach dem räumlichen Umfange, als nach dem Ge­ halte; 2. die innere Verbindung beider Schriftwerke, ob nämlich, dem Zwecke des wissenschaftlichen Werkes gemäß, der Abdruck für dasselbe Bedürfniß war, oder ob der Abdruck ohne ein solches Be­ dürfniß nur in der Absicht erfolgte, von der geistigen Arbeit eines Anderen Gewinn zu ziehen. Ebenda S. 173. Für den Charakter eines Werkes als eines wissenschaftlichen ist es gleichgültig, welchen wissenschaftuchen Werth dasselbe hat, ob es gut oder schlecht, gründlich oder oberflächlich ausgearbeitet ist. Das Gesetz verlangt bloß, daß das Werk seiner Natur nach zu den wissenschaftlichen Werken zu zählen sei, d. h. daß sein Inhalt und die Art und Weise der gegebenen Erörterungen und Darstel­ lungen seine Bestimmung bekunden, einem wissenschaftlichen Zwecke zu dienen. Ebenda S. 172.

20) (6. A.) Der Entwurf des Bundesrathes hatte hier noch die Worte „oder künstleri­ schen". Die Kommission des Reichstages wollte aber Sammlungen, die weder kirchlichen noch Unterrichtszwecken dienten, ohne Zustimmung der Verfasser überhaupt nicht gestatten und amendirte demgemäß den Entwurf. Komm.-Ber. S. 7. Im Plenum dagegen entschied man sich für die ge­ genwärtige Fassung. Sten. Ber. S. 53. Man hat also Sammlungen von Gedichten u. s. w.'zu künstlerischen Zwecken nicht freigegeben. Allein damit ist für die Auslegung des Gesetzes wenig gewonnen. Man kann wohl einen literarischen Zweck von einem künstlerischen unterschei­ den. Aber wo liegt die Grenzlinie zwischen dem letzteren und einem eigenthümlichen literari­ schen Zwecke? Die Frage ist hauptsächlich praktisch, wenn Jemand eine Anthologie von Gedichten herausgiebt und einige davon mit Illustrationen versehen läßt, die vielleicht einen hohen Kunstwerth haben. Hier liegt ein künstlerischer Zweck vor, wenn die Absicht die ist, dem Leser der Gedichte zu­ gleich einen Kunstgenuß zu bereiten. Aber der Fall gestattet auch die Auffassung, daß der Heraus­ geber durch die Bilder das feinere Verständniß der Poesien anbahnen will. Und dieser Zweck ist gewiß ein eigenthümlicher literarischer. Siehe jedoch Dambach S. 82. 21) (7. A.) In einem 1870 und 1871 von D. herausgegebenen Lexicon Sophocleum, welches sich als verbesserte, theils vermehrte, theils verkürzte Umarbeitung der ersten Ausgabe des El-

Bon dem Urheberrecht an Schriftwerken re.

863

b) der Abdruck einzelner Artikel aus Zeitschriften und anderen öffentlichen Blättern mit Ausnahme

von novellistischen Erzeugnissen und wissenschaftlichen Ausarbeitungen, sowie von sonstigen grö­ ßeren Mittheilungen, sofern an der Spitze der letzteren der Abdruck untersagt ist82);

c) der Abdruck von Gesetzbüchern, Gesetzen, amtlichen Erlassen, öffentlichen Aktenstücken und Ver­ handlungen aller Art28);

d) der Abdruck von Reden, welche bei den Verhandlungen der Gerichte, der polittschen, kommu­

nalen und kirchlichen Vertretungen, sowie der politischen und ähnlichen Versammlungen gehal­ ten -werden 24). §♦ 8.

Der Schutz deö gegenwärtigen Gesetzes gegen Nachdruck wird, vorbehaltlich der folgen-

den besonderen Bestimmungen, für die Lebensdauer deS Urhebers (§§. 1 und 2) und dreißig Jahre chen Rechtes nach dem Tode desselben gewährt88). des Urhebers.

lendt'schen Lexicon Sophocleum darstellte, ist nicht bloß Plagiat, sondern strafbarer Nachdruck ge­ funden worden, R.O.H.G. I vom 25. Januar 1875, Entsch. 16 S. 219 ff. „DaS reine Pla­ giat", so heißt es in den Gründen, „d. i. die bloße Benutzung fremder Aeußerungen in eigenen Schriftwerken unter Verschweigung des wahren Urhebers der erstern, wird durch daS Reichsgesetz überall nicht getroffen. Das Plagiat geht in Nachdruck erst dann über, wenn die fremde Aeuße­ rung nicht nur ihrem Inhalte nach, sondern auch in der von ihrem Urheber gewählten Form be­ nutzt, somit die fremde Aeußerung selbst wiedergegeben wird; unwesentliche Formände­ rungen kommen dabei rechtlich nicht in Betracht, wenngleich sie den Beweis deS Nachdrucks erschwe­ ren." (S. 239.) „So wenig jedes Plagiat ein Nachdruck ist, so wenig braucht der Nachdruck zugleich ein Pla­ giat zu sein, da er seinen Charakter durch offene Nennung des Urhebers nicht verliert. Das Gesetz trägt aber dem Bedürfniß der literarischen Produktion Rechnung, indem es gewisse Fälle, welche an sich den Charakter des Nachdrucks haben, dem Nachdrucksverbot gänzlich entzieht und sie nur, wenn sie zugleich den Charakter des Plagiats tragen, den milderen Rechtsnachtheilen des Pla­ giats unterwirft. Dies ist der klare Sinn und erkennbare Zweck des §♦ 7 lit. a des Reichsgesetzes. In den durch §. 7 lit. a des Gesetzes geregelten Fällen liegt somit, mag der Urheber oder die be­ nutzte Quelle angegeben oder nicht angegeben sein, niemals Nachdruck, dagegen bei Nichtangabe der Quelle Plagiat vor. Es mag vielleicht unter dem Schutze dieses Gesetzes gestattet sein, in umfassende allgemeine Lexika den Inhalt mehrerer Speziallexika, sogar wortgetreu, aufzu­ nehmen, sofern nur das allgemeine Lexikon nicht aus einer bloßen derartigen Kompilation be­ steht, sondern nach seinem Hauptinhalt als ein selbständiges wissenschaftliches Werk erscheint. So mögen ferner Anthologien, sofern sie nur zu den im Gesetz bestimmten Zwecken ver­ anstaltet werden, auch sehr äußerlich aus Werken mehrerer Schriftsteller zusammengestellt sein. Auch überall, wo in einem selbständigen Grundstock ein weder qualitativ noch quantitativ er­ heblicher fremder Bestandtheil, wenngleich wesentlich unverändert hineingearbertet worden, ist der Thatbestand deS Nachdrucks ausgeschlossen." „Aber es gehört unter diese Ausnahmsfälle nicht, wenn ein zweibändiges Lexicon Sophocleum von mehr als 2000 Seiten in ein neues Lexicon Sophocleum von sogar erheblich geringerem Um­ fange in der Weise hineingearbeitet wird, daß der für die Zwecke des SpeziaUexikon wichtigste und zur Zeit allein noch werthvolle, sogar dem Umfange nach überwiegende, Bestandtheil deö älteren Werkes wörtlich oder mit nur geringen Aenderungen in das neue Konkurrenzwerk herübergenom­ men wird." (S. 240 u. 241.) Vergl. Klostermann, daS Urheberrecht (1876) S. 203 ff. 22) (7. A.) Für diese Ausnahmsfälle gewährt daS Gesetz also den Artikeln der Zeitschriften denselben Schutz, wie selbständigen Schriftwerken (§. 7 a). In allen übrigen Fällen sind die Zei­ tungsartikel nicht geschützt, auch wenn die Voraussetzungen im §. 7 a nicht vorliegen. R.O.H.G. I v. 24. Mai 1872, Entsch. 6 S. 171. 23) Gesetze, allgemeine Verordnungen und Instruktionen der Behörden sind keine Erzeugnisse auf dem Boden der Wissenschaft, vielmehr Ausflüsse der gesetzgebenden Gewalt und der Regierungs­ gewalt des Staates, somit ein Gemeingut; es sind daher die Strafbestimmungen gegen den Nach­ druck derselben nicht anwendbar. O.Tr. Sen. für Straff, v. 29. Oktober 1857, Entsch. 37 S. 48*. 24) (7. A.) Vergl. zu b, c, d Klostermann, das Urheberrecht rc. (1876) S. 48ff.

25) (6. A.) Diese Fristen gewährte auch das Gesetz v. 11. Juni 1837 §§. 5 u. 6. Innerhalb derselben genießen den Schutz gegen Nachdruck nicht bloß die von dem Urheber bereits durch den Druck veröffentlichten Schriftwerke, sondern auch die Manuskripte und die zur Erbauung, Beleh­ rung oder Unterhaltung gehaltenen Vorträge (§. 5 a u. b). Dambach, Urheberrecht S. 100. Durch neue Auflagen wird die Schutzfrist an sich nicht geändert. Liegt aber eine verbesserte oder vermehrte Ausgabe vor, so läuft für das wirklich Neue daran auch eine neue Schutzfrist. Arbeitet der Verfasser sein Werk um, so ist nach dem Inhalt der Umarbeitung zu bestimmen, ob dieselbe

Erster Theil.

864 §. 9.

Eilster Titel.

(Gesetz b. 11. Juni 1870 §§.9—13.)

Bei einem von mehreren Personen als Miturhebern verfaßten Werke erstreckt sich die

Schutzfrist auf die Dauer von dreißig Jahren nach dem Tode des Letztlebenden derselben*2 6* ).* S. Bei Werken, welche durch Beiträge mehrerer Mitarbeiter gebildet

werden, richtet sich die

Schutzfrist für die einzelnen Beiträge danach, ob die Urheber derselben genannt sind oder nicht (§§. 8, 11)27).

§. 10.

Einzelne Aufsätze, Abhandlungen rc., welche in periodischen Werken, als: Zeitschriften,

Taschenbüchern, Kalendern rc., erschienen sind, darf der Urheber, falls nichts Anderes verabredet

ist, auch ohne Einwilligung des Herausgebers oder Verlegers des Werkes, in welches dieselben aus­

genommen sind,

nach zwei Jahren vom Ablauf des Jahres des Erscheinens an gerechnet, ander­

weitig abdrucken 2 8).

§. 11.

Bei Schriftwerken, welche bereits veröffentlicht 2Ö) sind, ist die im §. 8 vorgeschriebene

Dauer des Schutzes an die Bedingung geknüpft, daß der wahre Name des Urhebers auf dem Titel­

blatte oder unter der Zueignung oder unter der Vorrede angegeben ist80). Bei Werken, welche durch Beiträge mehrerer Mitarbeiter gebildet werden, genügt eS für den

Schutz der Beiträge, wenn der Name des Urhebers an der Spitze oder am Schluß des Beitrags

angegeben ist. Ein Schriftwerk, welches entweder unter einem anderen, als dem wahren Namen des Urhe­

bers veröffentlicht, oder bei welchem ein Urheber gar nicht angegeben ist, wird dreißig Jahre lang, von der ersten Herausgabe an gerechnet, gegen Nachdruck geschützt (§. 28)81). als ein neues Schriftwerk im Gegensatz zu der früheren Ausgabe anzusehen und deshalb selbständig schutzberechtigt ist. Wächter, daS Verlagsrecht S. 445 u. 446.

26) (6. A.) DaS Urheberrecht ist hier als untheilbar gedacht. Jeder der Miturheber gilt als Autor des Werks, jedoch mit der aus dem gleichen Recht der anderen sich ergebenden Beschränkung. (7. A.) En de mann S. 33. Andere nehmen an, daß jedem Miturheber das Urheberrecht nach Quoten und zwar im Zweifel nach Kopftheilen zustehe. So Wächter, Autorrecht S. 92, und Klostermann, Urheberrecht rc. 1876 S. Hl. (6. A.) Verfügen können die Miturheber über da­ gemeinschaftliche Geistesprodukt nur gemeinsam. Daher ist z. B. der eine Miturheber ohne Zustim­ mung der übrigen zum Abschlüsse eines Verlagsvertrages nicht befugt. (Vergl. §. 51.) Dagegen bleibt ihm die Verfolgung des Nachdrucks unbenommen. (§. 28.) Aus der Untheilbarkeit des Rechtes folgt, daß die Dauer desselben durch den Tod eines Miturhebers nicht beeinflußt wird. Fraglich bleibt indeß, ob das Recht der Erben des früher verstorbenen 30 Jahre nach dem Tode ihres Erblassers oder noch 30 Jahre nach dem Tode des letztlebenden Miturhebers währt. Für daS bisherige Recht pflegte man sich für die erstere Alternative zu entscheiden. Wächter a. a. O. S. 454 u. 455. Nach dem neuen Gesetz dagegen scheint die zweite Alternative zuzutreffen, weil dasselbe den dreißigjährigen Schutz nicht, wie §. 6 des Gesetzes v. 11. Juni 1837, den Erben, sondern dem Werk des Urhebers nach dessen Tode zugesteht und zu einem Schutz der Erben nur dadurch gelangt, daß eS daS Urheberrecht für vererblich erklärt (§. 3), das einmal vererbte Recht aber so lange'wirksam sein muß, als ihm nicht daS Gesetz die Wirkung abspricht. (7. A)) Ebenso, jedoch aus einem anderen Grunde, Klostermann a. a. O. S. 115. 27) (6. A.) Bei solchen Werken (§. 2 Abs. 1) wird der Schutz noch 30 Jahre lang nach dem Tode des Herausgebers gewährt. Ist der Herausgeber nicht genannt, so fällt daS Werk als Ganzes nach 30 Jahren, von der ersten Herausgabe an gerechnet, ins Freie. (§. n Abs. 3.) Bildet daS Werk kein einheitliches Ganzes im Sinne des §. 2 Abs. 1, so genießt es als solches überhaupt kei­ nen Schutz. Das Urheberrecht an den einzelnen Beiträgen unterliegt den gewöhnlichen Regeln. Vergl. hierzu Dahn, in der Zeitschrift für Gesetzgebung rc. 5 S. 32. 28) (6. A.) Der §. 10 bestimmt in dem gesetzten Falle die Dauer des Verlagsvertrages derge­ stalt, daß das Recht des Werkverlegers an dem einzelnen Auffatz rc. nach Ablauf von zwei Jahren erlöschen soll. Klostermann, Urheberrecht rc., Anh. zu dem 1. Bande des „geist. Eig.", S. 51. Die Nachdrucksklage kann daher nach Ablauf der Frist nur noch dem Autor gestattet werden. Da mb ach, der in seinem Urheberrecht S. 108 das Verlagsrecht des Verlegers jedem Dritten ge­ genüber erhalten wissen wollte, hat diese Ansicht in der Zeitschrift für Gesetzgebung rc. 6 S. 54 Note 4 fallen lassen und die Kl oster mann'sche Auslegung des §. 10 als richtig anerkannt. 29) (6. A.) „Veröffentlicht" bedeutet dasselbe wie „erschienen", „herausgegeben". Dambach, Urheberrecht S. HO. 30) (6. A.) Steht der Name des Urhebers (Herausgebers §. 2) oder der Urheber (§. 9 Abs. 1) an einer anderen Stelle des Werkes, so bleibt letzteres ebenso gut ein anonymes, als wenn der Name gänzlich fehlte. (7. A.) Klostermann, Urheberrecht rc. (1876) S. 162. 31) (6. A.) Anonyme und pseudonyme Werke wurden durch das Gesetz v. n. Juni 1837 §. 7

865

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

Wird innerhalb dreißig Jahre, von der ersten Herausgabe an gerechnet, der wahre Name des

Urhebers von ihm selbst oder seinen hierzu legitimirten Rechtsnachfolgern«^ zur Eintragung in die

Eintragsrolle (§§. 39 ff.) .angemeldet««), so wird dadurch dem Werke die im §. 8 bestimmte längere Dauer des Schutzes erworben"). §. 12.

Die erst nach dem Tode des Urhebers erschienenen Werke werden dreißig Jahre lang,

vom Tode des Urhebers an gerechnet, gegen Nachdruck geschützt««).

§.13.

Akademien, Universitäten, sonstige juristische Personen, öffentliche Unterrichtsanstalten,

sowie gelehrte oder andere Gesellschaften, wenn sie als Herausgeber dem Urheber gleich zu achten

sind (§. 2), genießen für die von ihnen herausgegebenen Werke einen Schutz von dreißig Jahren nach deren Erscheinen««).

nur 15 Jahre, von der ersten Herausgabe an gerechnet, geschützt. Erst der Bundesbeschluß v. 19. Juni 1845 dehnte die Frist auf 30 Jahre aus. Werke, welche zwar nicht unter dem Familiennamen, wohl aber unter dem notorischen Autor­ namen des Verfassers erschienen, rechnete Wächter, Verlagsrecht S. 434 u. 435 Note 13, nicht zu den pseudonymen Werken. Er berief sich dabei auf den Geist der Bundesgesetzgebung, nament­ lich auf den (formell allerdings schon durch den Beschluß v. 12. März 1857 aufgehobenen) §. 2 des Bundesbeschlusses v. 22. April 1841, welcher der Nennung des offenkundigen Autornamens die­ selbe Bedeutung wie der Angabe des Familiennamens beilegte. Das Obertribunal hat indeß Le­ naus Gedichte als ein pseudonymes Werk behandelt. Sen. für Strass, v. 4. März 1870, Op­ penhoff, Rechtspr. n S. 138. Die Entscheidung hätte auch unter der Herrschaft des vorliegen­ den Gesetzes so ausfallen müssen. Dambach S. no; Endemann S. 35; (7. A.) Kloster­ mann, das geist. Eig. 1 S. 289 und das Urheberrecht rc. (1876) S. 162. 32) (6. A.) D. h. von den Rechtsnachfolgern, insofern sie legitimirt sind, den wahren Na­ men des Urhebers zur Eintragung anzumelden. Den Erben des Autors wird die Befugniß hierzu nicht bestritten werden können, wohl aber dem Verleger oder Herausgeber, wenn derselbe dazu von dem Urheber nicht besonders ermächtigt worden ist. Der Grund ist, daß das Recht der Veröffent­ lichung überhaupt, also auch der Art und des Umfanges derselben, als ein Ausfluß des Urhe­ berrechts angesehen werden muß, mithin auf Andere nur insoweit übergehen kann, als der Autor den Uebergang will. Daß aber der Uebergang auf die Erben ohne Beschränkung gewollt ist, davon ist so lange auszugehen, bis eine letztwillige Verfügung des Urhebers beigebracht wird, durch welche derselbe seine Erben in Ausübung des Urheberrechts beschränkt. (§. 3.) Hiernach kann mit Endemann S. 36 nicht angenommen werden, daß es besondere — d. h. doch wohl außerhalb des Erbrechts liegende — Schwierigkeiten habe, zu erkennen, ob die Erben zu der in Rede stehenden Anmeldung legitimirt sind. (7. A.) Vergl. Dambach S. in und Klostermann, Urheberrecht (1876) S. 164.

33) (7. A.) Die rechtliche Wirkung der Anmeldung ist nicht bedingt durch die Eintragung in die Rolle. Wächter, Autorrecht S. 144; Klostermann, Urheberrecht S. 165.

34) (6. A.) Wird ein Schriftwerk zuerst anonym oder pseudonym herausgegeben, später aber eine neue Ausgabe unter dem wahren Namen des Autors veröffentlicht, so werden beide Ausgaben selbständig gegen Nachdruck geschützt, — die erste, in Ermangelung der Anmeldung zur Eintrags­ rolle, überhaupt nur 30 Jahre, die andere bis nach Ablauf von 30 Jahren seit dem Tode des Urhebers. Der längere Schutz ist indeß gegenstandslos, wenn die neue Ausgabe nur einen unver­ änderten Abdruck der alten enthält, weil diese nach Ablauf von 30 Jahren seit ihrem Erscheinen unbedingt ins Freie fällt. Dambach, Urheberrecht S. 112 u. 113. Für das frühere Recht nahm man an, daß das Werk als solches, also auch die ohne Nennung des wahren Verfasser-Namens erschienene Ausgabe den ausgedehnteren Schutz erlangte, wenn dieser Name vor Ablauf von 30 Jah­ ren auf der neuen Ausgabe oder auf einem der alten beigegebenen neuen Titelblatte bekannt ge­ macht würde. Wächter, Verlagsrecht S. 435 u. 436. 35) (6. A.) Nach dem Beschluß der vormaligen deutschen Bundesversammlung v. 19. Juni 1845 Nr. 2 begann die dreißigjährige Schutzfrist für posthume Werke erst vom Tage des Erscheinens des Schriftwerkes an zu laufen. 36) (6. A.) Der Paragraph hat seine Fassung in der Kommission des Reichstages erhalten. Der Satz „wenn sie rc." ist an sich überflüssig, weil es sich von selbst versteht, daß Akademien u. s. w. nur dann Urheberrechte haben, wenn sie als Herausgeber dem Urheber gleich zu achten sind. Eine besondere Bedeutung gewinnt diese Einschränkung jedoch durch Allegirung des §. 2. Denn darnach stehen dem Herausgeber die Rechte des Urhebers nur unter der doppelten Voraus­ setzung zu, daß das Werk a) aus Beiträgen Mehrerer zusammengesetzt ist und dennoch b) ein ein­ heitliches Ganzes bildet. Wo diese Voraussetzung nach der einen oder der anderen Richtung hin nicht zutrifft, ist der §. 13 nicht anwendbar, und die Akademie, Universität n. s. w. hat allenfalls Koch, Allgemeines Landrecht. I.

7. Anst.

55

Erster Theil.

866 §. 14.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 14—18.)

Bei Werken, die in mehreren Bänden oder Abtheilungen erscheinen, wird die Schutz­

frist von dem ersten Erscheinen eines jeden Bandes oder einer jeden Abtheilung an berechnet8 * '*19). * * S. * *

Bei Werken jedoch, die in einem oder mehreren Bänden eine einzige Aufgabe behandeln und mithin als in sich zusammenhängend zu betrachten sind,

beginnt die Schutzfrist erst nach dem Er­

scheinen des letzten Bandes oder der letzten Abtheilung8").

Wenn indessen zwischen der Herausgabe einzelner Bände oder Abtheilungen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren verflossen ist, so sind die vorher erschienenen Bände, Abtheilungen re. als ein

für sich bestehendes Werk und ebenso die nach Ablauf der drei Jahre erscheinenden weiteren Fort­

setzungen als ein neues Werk zu behandeln 89). §. 15.

DaS Verbot der Herausgabe von Uebersetzungen dauert in dem Falle des §. 6 Littr. b

fünf Jahre vom Erscheinen des Originalwerkes,

in dem Falle des §. 6 Littr. c fünf Jahre vom

ersten Erscheinen der rechtmäßigen Uebersetzung ab gerechnet4Ü).

§. 16.

In den Zeitraum der gesetzlichen Schutzfrist (§§. 8 ff.) wird das Todesjahr des Ver­

fassers, beziehungsweise das Kalenderjahr des ersten Erscheinens des Werkes oder der Uebersetzung

nicht eingerechnet41).

nur die Rechte des Herausgebers aus §. 28 Abs. 3. Dahn (a. a. O. S. 36) ist mit diesem Er­ gebniß nicht einverstanden. Er sagt wörtlich: „DaS kann nicht die Willensmeinung des Gesetzge­ bers gewesen sein: denn ohne Zweifel kann z. B. eine Universität Einem ihrer Mitglieder den Auf­ trag geben zur Ausarbeitung ihrer Geschichte bei einem Jubiläum oder anderen Fest und, nachdem sie etwa für diesen Freidienstvertrag Honorar bezahlt, als Herausgeberin das ausschließliche Ver­ lagsrecht für sich binnen der Schutzfrist in Anspruch nehmen." Allein ein solcher Fall unterliegt wohl nicht dem §. 13. Denn läßt sich die Universität für das dem Verfasser gezahlte Honorar das Verlagsrecht abtreten, so ist der Grund dieses Rechtes nicht in der Herausgabe, sondern in dem Vertrage zu suchen. Steht dagegen der Honorarzahlung die Uebertragung des Verlagsrechtes als Gegenleistung nicht gegenüber, so behält der Autor das Urheberrecht, und die Universität kann die Ausübung desselben nur soweit beschränken, als dies ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart ist. Vergl. das Gesetz v. 11. Juni 1837 §. 8. Dambach S. 116—118; Endemann S. 37 u. 39; Klostermaun, das Urheberrecht, Anhang zu dem „geist. Eig." 1 S. 29. (7. A.) Daß übrigens das Urheberrecht der juristischen Personen nicht ein ursprüngliches, son­ dern immer Mr ein abgeleitetes sein kann, ist die gewöhnliche Meinung. Ende mann S. 8 u. 37; Wächter, Autorrecht S. 103; Klostermann, Urheberrecht (1876) S. 104—107. Diese Meinung hat auch guten Grund. Das Urheberrecht steht ursprünglich keinem Anderen zu, als dem Urheber, d. i. demjenigen, der das Geisteswerk geschaffen hat. Ein solches Werk kann aber nur von einer physischen Person geschaffen werden. Eine juristische Person kann es immer nur durch eine solche schaffen lassen. Jdentifizirt sie sich mit dem Urheber, so folgt daraus nichts wei­ ter, als daß sie dessen Recht sich angeeignet hat oder dasselbe ausübt. — Abweichend Kowal zig S. 17 u. 18, dem jedoch das von ihm in Bezug genommene Urtheil des R.O.H.G. H v. 15. Ja­ nuar 1873, Entsch. 8 S. 381, nicht zur Seite zu stehen scheint.

37) (6. A.) Der §. 14 bezieht sich nur auf anonyme und pseudonyme sowie auf die denselben in §. 13 gleichgestellten Werke, weil nur bei solchen die Schutzfrist vom Erscheinen berechnet wird. Dambach S. 119; Endemann S. 38. Der Abs. 1 steht zum Abs. 2 in dem Verhältniß der Regel zur Ausnahme. Ob diese oder jene vorliegt, läßt sich nur aus thatsächlichen Gründen entscheiden.

38) (6. A.) Zu dieser Klasse gehören namentlich lexikalische Werke (Ges. v. 11. Juni 1837 §. 8»), dagegen nicht Gesammtausgaben der Werke eines bestimmten Schriftstellers, auch nicht eine „Bibliothek deutscher Romane"; hier bildet vielmehr jeder einzelne Roman, dort jedes einzelne Werk eine selbständige Geistesschöpfung. Wächter, Verlagsrecht S. 451 u. 452. 39) (6. A.) Durch diese Bestimmung wird der an sich ungemessenen Ausdehnung der Schutz­ frist zweckmäßig eine äußerste Schranke gesetzt. Das war so bereits nach dem Bundesbeschlusse v. 9. November 1837 Art. 2. Siehe Wächter, das Verlagsrecht S. 451; Endemann S. 39.

40) (7. A.) Die Rückübersetzung in die Sprache des Originals ist, weil wesentlich nur eine Reproduktion des letzteren, objektiv betrachtet — immer Nachdruck; desgleichen die Uebertragung einer Dialektdichtung ins Hochdeutsche, weil dieses keine fremde Sprache ist. (§. 6.) Kloster­ mann, Urheberrecht rc. (1876) S. 219 u. 220. 41) (6. A.) Die Frage, wer gegebenen Falls das Todesjahr des Autors zu beweisen habe, ent­ scheidet sich nach der gewöhnlichen Regel des Civilprozesses, daß derjenige, welcher aus einer That­ sache Rechte herleitet, den Beweis dieser Thatsache führen muß. Wer also feine Berechtigung zur Herausgabe des Werkes eines bekannten Autors auf den Ablauf der Schutzfrist gründet, der muß

Von dem Urheberrecht an Schristwerken rc.

§. 17.

867

Ein Heimfallsrecht des Fiskus oder anderer zu herrenlosen Verlassenschaften berechtigter

Personen findet auf das ausschließliche Recht des Urhebers und seiner Rechtsnachfolger nicht statt42).

18. Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Nachdruck (§§. 4 ff.) in der Absicht, den- ^Entschäselben innerhalb oder außerhalb des Norddeutschen Bundes zu verbreiten, veranstaltet, ist den Ur- Strafen" Heber oder dessen Rechtsnachfolger zu eutschädigen verpflichtet und wird außerdem mit einer Geld­

strafe bis zu Eintausend Thalern bestraft4 a).

darthun, daß der Autor vor länger als 30 Jahren verstorben sei. Wächter, daS Verlagsrecht S. 450; Klostermann, das geistige Eigenthum 1 S. 284. Es ist dies jedoch nicht unstreitig. Dambach (Urheberrecht S. 125) verlangt den Beweis des Todes zwar ebenfalls von demjeni­ gen, der das Werk als nicht mehr geschützt herausgibt, den Beweis des Todes-Jahres dagegen von der anderen Partei. „Denn", so sagt er, „das Recht der Erben und Rechtsnachfolger des Autors ist kein ewiges, sondern ein zeitlich beschränktes, und der Verlagsberechtigte muß daher den Nachweis führen, daß sein Recht, welches eben nur ein zeitliches ist, noch existirt." So allgemein hingestellt kann diese Meinung jedoch nicht gebilligt werden. Nach der Allg. Gerichts-O. 1 Einl. §§. 16 ff. ist die Frage nicht auf den Beweis des Rechtes, sondern auf den Beweis der That­ sachen zu richten, aus welchen das Recht gefolgert wird. Das Gesetz (Tit. 13 tz. 28) regelt aber die Beweisführung durch Anerkennung des Grundsatzes, daß keine Thatsache und keine Verände­ rung vermuthet wird. Hat z. B. der klagende Verleger bewiesen, daß ihm der Autor des vom Verkl. im Jahre 1874 abgedruckten Werkes dasselbe im Jahre 1838 für alle Auflagen und Ausga­ ben in Verlag gegeben habe, und gleichzeitig bemerkt, daß zwar im Jahre 1848 der Tod des Autors eingetreten, dies aber unerheblich sei, weil die gesetzliche Schutzfrist noch dreißig Jahre nach dem Tode währe, der Verklagte dagegen behauptet, daß der Verfasser bereits im Jahre 1843 nicht mehr gelebt habe, sein Werk daher einen Schutz gegen Nachdruck jetzt nicht mehr genieße, und berufen sich beide Theile auf jenen Grundsatz der Gerichts-Ordnung unter Ablehnung der Beweislast: so dürfte nicht der Kläger, sondern der Verklagte als beweissällig anzusehen sein. Denn jener hat das ausschließliche Recht der Vervielfältigung, wenn auch gesetzlich unter einer Zeitbestimmung, doch einmal erworben, während dieser sein Recht auf das Erlöschen des Rechtes seines Gegners durch Ablauf der Zeit gründet, mithin diesen Ablauf und folglich auch den Zeitpunkt des Eintritts der Thatsache, von welcher der Lauf seinen Anfang genommen, zu beweisen hat. 42) (6. A.) Nach dem bisherigen Recht gingen die Rechte des unbeerbt verstorbenen Schrift­ stellers an seinem Werk auf den Fiskus oder denjenigen, der statt des Fiskus ein Recht auf erblose Verlassenschaften hatte, über. Wächter a. a. O. S. 483. Hiergegen ist der §. 17 gerichtet. Das Urheberrecht erlischt fortan durch den Tod des nicht beerbten Autors, insoweit dieser nicht bei Leb­ zeiten darüber verfügt, z. B. daß Verlagsrecht einem Buchhändler abgetreten hat. Ein neues Ver­ lagsrecht kann nach dem Erlöschen des alten nicht mehr begründet werden. Vergl. A. L.R. I H §. 1029. 43) (6. A.) Was, objektiv betrachtet, Nachdruck ist, bestimmen die §§.4—6. Die subjektiven Erfordernisse desselben werden unter §. 18 abgehandelt. Darnach genügt es zur Feststellung der rechtlichen Verantwortlichkeit des Thäters, daß derselbe den Nachdruck, in der Absicht der Verbreitung, vorsätzlich oder fahrlässig veranstaltet hat. a. Zum Begriffe des Vorsatzes gehört weder Gewinnsucht noch Eigennutz. O.Tr. Pl. v. 13. Febr. 1844, J.M.Bl. S. 89. Zweck und Motive sind rechtlich ohne Einfluß. Ob die nach­ gedruckten Exemplare verkauft, verschenkt oder nur verliehen werden sollen, ändert an dem dolus des NachdruckerS Nichts. (7. A. R.O.H.G. I v. u. Dezember 1874, Entsch. 15 S. 311.) Letz­ terer muß sich nur bewußt sein, durch die Veranstaltung des Nachdrucks das Urheberrecht bezie­ hungsweise das Verlagsrecht eines Anderen zu verletzen. Wächter S. 625; Endemann S. 43. Dieses Bewußtsein kann aber bei demjenigen nicht vorausgesetzt werden, welcher kurz vor Ablauf der Schutzftist eines Werkes dasselbe nachdrucken läßt, um gleich nach Ablauf der Frist die fertigen Exemplare auf den Markt werfen zu können. Nachdruck in dieser Absicht ist daher nicht strafbar. Dambach S. 135; Endemann S. 41. (7. A. Anderer Meinung: Wächter, Autorrecht S. 220; Klostermann, Urheberrecht rc. 1876 S. 241.) b. Die Strafbarkeit des aus Fahrlässigkeit begangenen Nachdrucks wurde auch unter der Herr­ schaft des Gesetzes v. 11. Juni 1837 angenommen. O.Tr. Sen. für Straff, v. 8. Mai 1863, J.MEl. S. 186. Die Strenge, welche in der Gleichstellung der Fahrlässigkeit und des Vor­ sätze- liegen würde, hat indeß durch den Abs. 2 dieses Paragraphen eine wesentliche Milderung erfahren. Die Frage, ob eine Fahrlässigkeit im Sinne des Gesetzes vorliegt, ist thatsächlicher Natur. En de mann S. 43. Vergl. §. 29 und die Aum. dazu. c. Wo der Nachdruck verbreitet werden soll, ob in Deutschland oder im Auslande, ist nach §.18 nicht von Belang. Aber hiermit nicht zu verwechseln ist die Frage, wo das Werk nachgedruckt wird. Vergl. über dieselbe En de mann S. 18, 41, 42. Die Strafbarkeit eines im Auslande

868

Erster Theil.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 18. 19.)

Die Bestrafung des Nachdrucks bleibt jedoch ausgeschlossen, wenn der Veranstalter desselben auf Grund entschuldbaren, thatsächlichen oder rechtlichen Irrthums in gutem Glauben gehandelt Ijat44 * * ). *45 * *46 *********

Kann die verwirkte Geldstrafe nicht beigetrieben werden, so wird dieselbe nach Maßgabe der

allgemeinen Strafgesetze in eine entsprechende Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten umgewandelt"). Statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädigung kann auf Verlangen des Beschä­

digten neben der Strafe auf eine an den Beschädigten zu erlegende Geldbuße bis zum Betrage von

zweitausend Thalern erkannt werden").

Für diese Buße haften die zu derselben Verurteilten als

Gesammtschuldner. veranstalteten Nachdrucks eines im Deutschen Reiche erschienenen Werkes bestimmt sich nach den §§. 4 u. 5 des deutschen Strafgesetzbuches. Vergl. §§. 22 u. 6i unten. d. Der §.18 handelt nur von der Strafbarkeit und der Entschädigungspflicht des Veranstalters eines Nachdruckes, d. i. des Thäters im Gegensatz zu dem Theilnehmer, Anstifter und Gehülfen. Der Thäter aber ist in der Regel nicht der Drucker, sondern derjenige, welcher den Nachdruck für eigene Rechnung veranstaltet oder durch einen Anderen veranstalten läßt, um die Exemplare zu verbreiten, der Drucker mithin nur, wenn er aus eigener Veranlassung unbefugt Exemplare eines Buches in der Absicht, dieselben zu verbreiten, herstellt. O.Tr. Sen. für Straff, v. 7. Dezbr. 1860, Goltdammer, Arch. 9 S. ui; Oppenhoff, Rechtspr. 1 S. 101. (7. A. Vergl. auch R. O.H.G. I v. 12. Januar 1875, Entsch. 16 S. 255 , und überhaupt Wächter, Autorrecht S. 186, und Klostermann a. a. O. S. 244. Der Kommissionsverleger eines Nachdrucks wird nur als Gehülfe des Thäters angesehen.) e. Die Strafbarkeit des Nachdrucks ist nicht dadurch bedingt, daß der Verletzte einen Schaden erlitten hat. §. 22. (7. A.) Ueber den Grund siehe Anm. 1 Abs. 2. 44) (6. A.) Der Abs. 2, der erst im Plenum des Reichstages eingeschaltet worden (Sten.-Ber. S. 61), ist auf die Entschädigungspflicht des Nachdruckers ohne Einfluß; für diese bewendet es bei den privatrechtlichen Regeln. Endemann S. 43. (7. A. R.O.H.G. I v. 16. Mai 1873, Entsch. 10 S. 127.) Daß eine Bestrafung nicht eintreten kann, wenn der Angeschuldigte die ihm vor­ geworfene Handlung aus einem entschuldbaren Irrthum in Thatsachen bona fide begangen hat, ist selbstverständlich. Dagegen ist die gleiche Berücksichtigung des R e ch t s - Irrthums eine juri­ stische Anomalie, die man durch den Hinweis auf die zweifelhaften Grenzen, von denen das Gebiet des Nachdrucks umgeben'ist, zu rechtfertigen gesucht hat. Die Rechtfertigung wird indeß als eine glückliche nicht gelten können, weil sie zur Negation der Sttafbarkeit jedes Uebertreters eines Strafgesetzes führen muß, der vou zwei Instanzen, weil der Thatbestand des Vergehens auS Rechtsgründen nicht für vorliegend erachtet worden, freigesprochen und erst von der dritten Instanz zu einer Strafe verurtheilt ist. Denn wie kann man dem Angeschuldigten die Uebertretung eines Gesetzes zurechnen, wenn zwei Richterkollegien seiner Meinung gewesen sind, daß eine solche Ueber­ tretung in seiner Handlungsweise gar nicht gelegen habe! Aber man rechnet sie ihm schon zu. Und mit Recht. Denn eine geordnete Strafrechtspflege würde nicht möglich sein, wenn ignorantia Juris die Strafbarkeit ausschlösse. Wenn man gleichwohl zu Gunsten des Nachdruckers eine Aus­ nahme von der Regel zugelassen hat, so ist dies wohl nur darum geschehen, weil man nur so eine Milderung des strengen Prinzips, welches der erste Satz des §. 18 ausspricht, erreichen zu können glaubte. Vergl. die vor. Anm. b. 45) (6. A.) Die verwirkte Geldstrafe wird nicht, wie z. B. in England, als Privatstrafe an den Beschädigten, sondern als öffentliche Strafe an den Fiskus gezahlt. Deshalb be­ durfte es einer Bestimmung, nach welcher die nicht beitreibbare Geldstrafe in Freiheitsstrafe umzu­ wandeln ist. Dahn a. a. O. S. 41. Die Umwandlung ist nach den Grundsätzen des ReichsStraf-Gesetzbuches §§. 28 u. 29 vorzunehmen.

46) (7. A.) Ueber die rechtliche Natur der Buße gehen die Ansichten auseinander. Die Einen, wie Oppenhoff, Strafgesetzbuch §. 188, sehen darin eine Privatstrafe. Andere, insbesondere Dochow, die Buße im Strafrecht und Strafprozeß 1875, charakterisiren die Buße lediglich als Entschädigung. Wieder Andere halten dieselbe für eine Kombination beider Momente. So u. a. C. G. v. Wächter, die Buße rc. 1874; O. Wächter, das Autorrecht S. 248 ff.; Kloster­ mann, das Urheberrecht an Schrift- und Kunstwerken rc. S. 258; Kowalzig S. 23. Nach dem Reichsrecht scheint die Dochow'sche Auffassung den Vorzug zu verdienen, weil das­ selbe die Buße als Surrogat der dem Verletzten gebührenden Entschädigung hinstellt und die Strafe daneben bestimmt. Rüdorff, Strafgesetzbuch 2. Aufl. 1877 S. 370; Dernburg, Lehrbuch des preußischen Privatrechts Bd. 2 (187 7) S. 168 u. 169. Der Anspruch auf Buße kann nur im Strafverfahren geltend gemacht werden. Faßt man dieselbe als Entschädigung auf, so steht vom Standpunkt des materiellen Rechts nichts entgegen, nach dem Tode des Beschädigten, wenn auf dessen Antrag die Untersuchung gegen den Beschädrger eingeleitet ist, den Erben des Beschädigten die Nachholung des Antrags auf Zuerkennung der Buße

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

Eine erkannte Buße qu$

schließt

die

Geltendmachung

eines

869

weiteren Entschädigungsanspruches

47)* Wenn den Veranstalter wes Nachdrucks kein Verschulden trifft, so haftet er dem Urheber oder

deffen Rechtsnachfolger für den entstandenen Schaden nur bis zur Höhe seiner Bereicherung"). §. 19.

Darüber, ob ein Schaden entstanden ist, und wie hoch sich derselbe beläuft, desgleichen

über den Bestand und die Höhe einer Bereichemng, entscheidet das Gericht unter Würdigung aller

Umstände nach freier Ueberzeugung 4 9).

zu gestatten. Die Frage nach der prozessualischen Zulässigkeit eines solchen Antrags beantwortet sich nach den Landesgesetzen. In dem zur Zeit in Preußen geltenden Strafprozeß scheint für die Erben des Verletzten kein Raum zu sein. Nach der Strafprozeß-Ordnung für das deutsche Reich vom 1. Februar 1877 §. 444 kann „der Anspruch auf Buße von den Erben des Verletzten nicht erhoben oder fortgesetzt werden". (6. A.) Die Entscheidung über den Anspruch bildet einen Bestandtheil des Strafurtheils. Nach denjenigen Gesetzen mithin, welche die Parteirolle einer Privatperson im Strafverfahren nicht ken­ nen, z. B. nach preußischem Recht, ist der Beschädigte nicht befugt, ein Rechtsmittel gegen das ihm die geforderte Buße nicht zusprechende Urtheil zu ergreifen. Wohl aber wird dem Staatsanwalt ebenso wenig wie dem Angeschuldigten das Rechtsmittel auch in Ansehung der Buße zu versagen sein. (7. A.) Nach der Strafprozeß-O. für das deutsche Reich §§. 430, 441 u. 443 hat der Be­ schädigte, welcher als Privatkläger oder als Nebenkläger den Anspruch auf die Buße verfolgt, die­ selben Rechtsmittel wie der Staatsanwalt.

47) (7. A.) Ebenso das Strafgesetzbuch §§. 188 u. 231. (6. A.) Wird der Beschädiger von dem Strafrichter zur Entrichtung einer Buße überhaupt nicht verurtheilt, sei es daß er freigespro­ chen oder der Schade nicht als ausreichend aufgeklärt angesehen wird, so bleibt dem Beschädigten die Verfolgung des Entschädigungsanspruches im Civilprozesse. Wenn dagegen das Strafurtheil auf Buße lautet, mag der Betrag derselben auch noch so weit hinter der Höhe des Anspruches zurück­ bleiben, so findet eine weitere Entschädigungsforderung nicht statt. (7. A.) Der Anspruch auf die erkannte Buße ist vererblich und cessibel. Dernburg §§.79 u. 83 Note 12 Bd. 2 S. 169 u. 176. Von dem Erlaß der Strafe durch Begnadigung des Verurtheilten wird er nicht berührt. Kowalzig S. 23. 48) (6. A.) Natürlich. Denn wenn das Verschulden wegfällt, so fehlt der besondere Rechts­ grund, welcher den Nachdrucker zur Entschädigung verpflichten könnte. Es bleibt dann nur die subsidiäre Bereicherungsklage im Sinne des A. L.R. I. 13 §. 230. Die Bereicherung des Nach­ druckers aber besteht in dem etwaigen Ueberschuß, den der Erlös aus dem Verkauf der nachgedruck­ ten Exemplare über den Betrag der gesummten Herstellungskosten des Nachdrucks ergiebt. Nur sel­ ten indeß wird sich ein solcher Ueberschuß ermitteln lassen, weil der Verkauf des Nachdrucks meist schon in einem Stadium inhibirt wird, in welchem von einer Deckung der Kosten des Veranstal­ ters noch nicht die Rede sein kann. Gelingt im einzelnen Falle der Beweis der Bereicherung, so muß der Kläger ferner beweisen, daß dieselbe mit seinem Schaden erfolgt sei, daß also der ihm zugefügte Schade mindestens so viel betrage, als der Betrag der Bereicherung. Dieser Beweis hat keine besonderen Schwierigkeiten. Man darf freilich nicht an den positiven Schaden (damnum emergens), sondern nur an den entgangenen Gewinn (lucrum cessans) denken. Letzterer bestimmt sich nach dem A. L.R. I 6 §§. 5 u. 6. Vergl. oben Tit. 11 §. 1007 und die Anm. dazu. (7. A.) Daß die Bereicherungsklage besonders zu substantiiren und nicht etwa als das Gerin­ gere in der Entschädigungsklage von selber enthalten ist, scheint nicht zweifelhaft zu sein. „Zu den gemeinsamen Voraussetzungen beider Klagen tritt für die Entschädigungsklage als besonderer That­ bestand hinzu ein vertretbares Verschulden des Beklagten, für die Bereicherungsklage hingegen als besonderer Thatbestand die Bereicherung des Beklagten." R.O.H.G. 1 v. 21. April 1874, Entsch. 12 S. 331.

Vergl. auch Klostermann, Urheberrecht S. 254.

49) (6. A.) Der Entwurf des Bundesrathes hatte an Stelle dieser Vorschrift folgende zwei Paragraphen: „§. 19. War das Werk von dem Berechtigten noch nicht herausgegeben, so ist der Betrag der Entschädigung mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles richterlich zu bestimmen. „§. 20. War das Werk von dem Berechtigten bereits herausgegeben und ist die Höhe des durch den Nachdruck wirklich entstandenen Schadens nicht als erwiesen anzusehen, so ist der Betrag der Entschädigung nach Beschaffenheit der Umstände auf eine dem Verkaufswerthe (BuchhändlerNettopreise) von 50 — 1000 Exemplaren der rechtmäßigen Ausgabe gleichkommende Summe vom Richter nach freiem Ermessen zu bestimmen." Diese Vorschläge gründeten sich im Wesentlichen auf das Gesetz v. 11. Juni 1837 §.11 und den Bundesbeschluß v. 19. Juni 1845 Nr. 5. Man hatte erwogen, daß es in Nachdruckssachen nach allgemeiner Erfahrung schwierig, meist sogar unmöglich wäre, die Höhe des Schadens mit juri-

870

Erster Theil. §. 20.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 20. 21.)

Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Anderen zur Veranstaltung eines Nach­

drucks veranlaßt, hat die im §. 18 festgesetzte Strafe verwirkt, und ist den Urheber oder dessen

Rechtsnachfolger nach Maßgabe der §§. 18 und 19 zu entschädigen verpflichtet, und zwar selbst bau«, wenn der Veranstalter des Nachdrucks sollte eo).

nach §. 18 nicht strafbar oder ersatzverbindlich sein

Wenn der Veranstalter des Nachdrucks ebenfalls vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit gehandelt hat, so haften Beide dem Berechtigten solidarisch. Die Strafbarkeit und die Ersatzverbindlichkeit der übrigen Theilnehmer am Nachdruck richtet sich nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften 5 J). §.21.

Die vorräthigen Nachdrucks-Exemplare und

die zur widerrechtlichen Vervielfältigung

ausschließlich bestimmten Vorrichtungen, wie Formen, Platten, Steine, Stereotypabgüsse rc., unter­

liegen der EinziehungB*).

Dieselben sind, nachdem die Einziehung dem Eigenthümer gegenüber

stisch überzeugender Sicherheit nachzuweisen, daß indeß die Bestimmungen des bisherigen Rechts in dieser Beziehung sich wohl bewährt Hütten. (Mot. S. 30; Dambach S. 143.) Die Reichstags­ kommission acceptirte denn auch die Vorschläge des Bundesrathes. (Ber. S. 15.) Aber im Ple­ num deö Hauses fand man in der Beschränkung der Würdigung des Schadens auf den Verkaufs­ werth einer bestimmten Anzahl Exemplare eine viel zu große Einengung des richterlichen Ermessend. Man entlehnte deshalb aus dem Entwürfe einer Civilprozeßordnung für den norddeutschen Bund (§. 457) einen Satz, der dann als §. 19 in das Gesetz übergegangen ist. Stenogr. Berichte (Se­ paratabdruck) S. 65. (7. A.) Darnach ist der Richter nicht verpflichtet, über die Höhe der Entschädigung ein sachverständiges Gutachten einzuholen. R.O.H.G. I v. 25. Januar 1875, Entsch. 16 S. 246. Nach der Civilprozeß-O.- für daS deutsche Reich §. 259 bildet das Prinzip der freien BeweisWürdigung die Regel im Civilprozeß.

50) (6. A.) Bei dem Vergehen des Nachdrucks ist der eigentliche Thäter der Veranstalter des­ selben (Anm. 43 d), also meist der Verleger des Buches, welches als Nachdruck qualifizirt wird. Den Verleger trifft aber ein Verschulden regelmäßig in allen den Fällen nicht, in denen nur theilweise nachgedruckt ist, der Autor aus anderen Büchern mehr, als gesetzlich statthaft, entlehnt nnd seinem Werke einverleibt hat. Betrachtet man hier den Autor lediglich als intellektuellen Ur­ heber, als Anstifter im Sinne des Straf-Gesetzbuchs §. 48, so wird man ihm Nichts anhaben können, weil die Strafbarkeit des Anstifters durch die Strafbarkeit des Thäters bedingt ist. Zu­ dem kennt das Strafrecht eine kulpose Anstiftung zu einem Vergehen nicht. Das gewöhnliche Rechts­ gefühl versteht es aber nicht, daß in einem Falle ein Buchhändler wegen fahrlässiger Veranstaltung eines Nachdrucks bestraft, in einem anderen Falle dagegen ein Schriftsteller, welcher über Gebühr aus einem anderen Werke abgeschrieben, seinem Verleger aber hiervon natürlich Nichts gesagt hat, mit Strafe verschont wird. Einer so ungleichen Behandlung soll der §. 20 entgegentreten. Der­ selbe richtet seine Spitze hauptsächlich gegen die Schriftsteller. Vergl. Mot. S. 51 und den Komm.Ber. S. 16. (7. A.) Hat der Veranstalter des Nachdrucks im guten Glauben gehandelt, so ist ihm der Ver­ anlasser, wenn dieser ihn getäuscht hat, wegen Einziehung der Nachdrucksexemplare regreß­ pflichtig. Wächter, Autorrecht S. 241; Klostermann a. a. O. S. 256. 51) (6. A.) Als Theilnehmer an einem Nachdruck können in Betracht kommen: Anstifter, Ge­ hülfen und Begünstiger. a. Der Anstifter .ist, sofern er nicht als Veranlasser den §§. 18 u. 20 diese- Gesetzes un­ terliegt, nach §. 48 des Str.-G.-Buchs zu bestrafen. b. Als Gehülfe wird nach §. 49 des Str.-G.-Buchs bestraft, „wer dem Thäter zur Bege­ hung des Verbrechend oder Vergehens durch Rath oder That wissentlich Hülfe geleistet hat." Zum Begriffe der Hülfeleistung beim Nachdruck wird also der allgemeine, für die Theilnahme erforderliche Dolus verlangt. O.Tr. Sen. für Straff, v. 7. Dez. 1860. Goltdammer, Arch. 9 S. ui; Oppenhoff, Rechtspr. 1 S. 101. Derjenige, welcher einen Nachdruck im Auftrage eines Anderen und ohne die Absicht der eige­ nen Vertreibung bewirkt, macht sich nur dann strafbar, wenn bei ihm die Voraussetzungen der strafbaren Theilnahme zutreffen, insbesondere also, wenn er wußte, daß der Abdruck ein unbe­ fugter sei. Erk. desselben v. 18. Dez. 1863, I.M.Bl. 1864 S. 65 ; Oppenhoff, Rechtspr. 4 S. 265. c. Der Begünstiger des Nachdruckes verfällt, sofern fein Vergehen nicht in §. 25 b. G. vorgesehen ist, der Strafe des §. 257 des Strafgesetzbuchs.

52) (6. A.) Nach dem Bundesbeschlusse v. 9. Nov. 1837 Art. 4 sollte „außer den in Gemäß­ heit der Landesgesetze gegen den Nachdruck zu verhängenden Strafen in allen Fällen die

Wegnahme

Bon dem Urheberrecht mi Schriftwerken rc.

871

rechtskräftig erkannt ist "), entweder zu vernichten oder ihrer gefährdenden Form zu entkleiden und alsdann dem Eigenthümer zurückzugeben").

Wenn nur eiu Theil des Werkes als Nachdruck anzusehen ist, so erstreckt sich die Einziehung nur auf den als Nachdruck erkannten Theil des Werkes und die Vorrichtungen zu diesem Theile55). der nachgedruckten Exemplare stattfindeu," und das Gesetz v. 11. Juni 1837 schrieb unter §. 10 die Konfiskation der vorräthigeu Exemplare des Nachdrucks vor. Im Einklänge hiermit stand der Entwurf zu dem vorliegenden Gesetze. Das Wort „Konfiskation" gefiel jedoch nicht und mußte deshalb der Einziehung weichen. Mit diesem Ausdruck bezeichnet das Strafgesetzbuch für das deut­ sche Reich denselben Begriff, den das preußische Strafgesetzbuch v. 14. April 1851 „Konfiskation" nannte. Unter Konfiskation wird in der Regel der Uebergang des Eigenthums einer Sache auf den Fiskus in Folge einer strafbaren Handlung verstanden. (A. L.R. i. 9 §. 364.) Das ist auch die Auffassung des Strafgesetzbuches §§. 40, 152, 295, 360, 367, 369. Die Strafe der Konfiska­ tion findet indeß ihren Zweck nicht in sich selbst, sondern in der Absicht des Gesetzgebers, die Wie­ derholung des Delikts zu verhindern. Diesen Zweck läßt auch das Gesetz v. 11. Juni 1870 in §. 21 erkennen, wenn es bestimmt, daß die eingezogenen Gegenstände vernichtet oder ihrer gefähr­ denden Form entkleidet werden sollen. Die Einziehung wird daher als eine Präventivmaßregel gegen Fortsetzung und Wiederholung des Nachdrucks aufgefaßt. (Mot. S. 31; Dam bach, Urheberrecht S. 151.) Allem damit ist nur der Zweck, uicht aber das Wesen der Maß­ regel gekennzeichnet, für die juristische Konstruktion des Begriffes mithin Nichts gewonnen. Der Konfiskation in dem alten Sinne steht die Ei n; i e h u n g hier nicht gleich, weil (7. A.) die ihr unter­ worfenen Gegenstände nicht kraft Gesetzes den Eigenthümer wechseln. Für denjenigen, den irgendwie ein Verschulden trifft, mag sie den Charakter der Strafe behalten, auch wenu im Uebrigen eine Kriminalstrafe nicht eintritt. (Klo st er man n, Urheberrecht an Schrift- und Kunstwer­ ken rc. 1876 S. 251.) Das Gesetz (§. 21 Abs. 3 u. 4) bringt aber die Maßregel auch gegen völlig schuldlose Personen zur Anwendung. Der juristische Grund hierfür ist unerfindlich. Die Einzie­ hung hat in solchen Fällen eine durchaus positive Natur (Enbemann S. 51), indem sie sich zu einem — allerdings von dem Gesetze gebotenen — Eingriff in das Privateigentum gestaltet. Von diesem Gesichtspunkte gehört sie zu der Kategorie der Enteignung (Entziehung oder Beschrän­ kung des Eigenthums), die unmittelbar freilich nur zum Vortheil des Verletzten, mittelbar aber — nach der Meinung des Gesetzgebers — auch im Interesse der öffentlichen Ordnung ins Wrrk gesetzt wird.

53) (6. A.) Hiernach muß derjenige, bei dem die Einziehung vollzogen werden soll, rechtlich gehört und insbesondere für befugt erachtet werden, gegen das Urtheil des Gerichts das zulässige Rechtsmittel einzulegen. Auch sind die Sachen, nm die es sich handelt, in dem Erkenntniß genau zu bezeichnen. Denn solche Gegenstände, auf deren Einziehung nicht speziell erkannt ist, dürfen auf Grund dieses Erkenntnisses dem Eigenthümer nicht weggenommen werden. Endemann S. 50. 54) (6. A.) Das Recht des Urhebers an dem Produkt seines Geistes beherrscht die Materie, mit deren Hülfe die unbefugte Vervielfältigung vorgenommen ist oder werden soll. Der Autor ist daher befugt, das Eigenthum an der Sache', soweit dieselbe ausschließlich der Gestaltung seiner Gedanken­ schöpfung dient, zu übernehmen. (Kl oster mann, das geistige Eigenthum 1 S. 415 ff.) Will er dies nicht, so kann doch ohne seine Zustimmung das Eigenthum in der vorliegenden Form nicht ge­ lassen werden. Denn auf die Herstellung dieser Form hat er ein ausschließliches Recht.. Zur Wäh­ rung desselben ist daher die Form zu beseitigen. Wie dies zu geschehen hat, ist eine Frage, welche die Vollstreckung des auf Einziehung lautenden Urtheils betrifft. Der Richter hat nicht etwa die freie Wahl, nach Belieben die Nachdrucksexemplare oder sonstigen Konfiskate zu vernichten oder nur der gefährdenden Form zu entkleiden. Der erstere Weg ist vielmehr nur dann zu betreten, wenn der zweite nicht zum Ziele führt. Indem der Richter sich für das Eine oder das Andere entscheidet, be­ findet er über ein wichtiges Privatrecht, über das Eigenthum nämlich. Daraus folgt, daß, wenn der Vernichtung widersprochen wird, weil auch ohue dieselbe der gesetzliche Zweck sich erreichen ließe, der Eigenthümer hierüber rechtlich gehört werden muß. (Allg. Ger.O. I Einl. §. 1.) EndemannS. 52. (7. A.) Ueber den Fall der Vollstreckung des vom Strafrichter gesprochenen Urtheils auf Einziehung siehe Kowalzig S. 29. 55) (6. A.) Der Satz bezieht sich auf den Inhalt des Urtheils, nicht unmittelbar auf dessen Voll­ streckung. Wenn nur einige Bogen oder gar nur einige Seiten als Nachdruck qualifizirt werden, so ist auch nur auf Einziehung dieser Bogen oder Seiten zu erkennen. Läßt sich indeß eine Beseitigung dieses Theils des Buches nicht ausführen, ohne zugleich andere Theile zu verletzen, so kann selbst­ verständlich diese Verletzung von dem Eigenthümer mit Grunde Rechtens nicht gerügt werden. O.Tr. Sen. für Strass, v. 28. Juni 1861, Goltdammer, Arch. 10 S. 192; Oppenhoff, Rechtspr. 1 S. 473. Vergl. Dambach, Urheberrecht S. 152. (7. A.) Das Prinzip ist angewendet auf den Fall des Nachdrucks eines Lexikons, wo es technisch unmöglich war, innerhalb der einzelnen Wort-

Erster Theil.

872

(Stifter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 21—25.)

Die Einziehung erstreckt sich auf alle diejenigen Nachdrucks-Exemplare und Vorrichtungen, welche

sich im Eigenthum des Veranstalters des Nachdrucks,

des Druckers, der Sortimentsbuchhändler,

der gewerbsmäßigen Verbreiter und desjenigen, welcher den Nachdruck veranlaßt hat (§. 20), be­

finden ß6). Die Einziehung tritt auch dann ein,

wenn der Veranstalter oder Veranlasser des Nachdrucks

weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat

(§. 18).

Sie erfolgt auch gegen die Erben des­

selben ß7). Es steht dem Beschädigten frei, die Nachdrucks-Exemplare und Vorrichtungen ganz oder theil-

weise gegen die Herstellungskosten zu übernehmen, insofern nicht die Rechte eines Dritten dadurch

verletzt oder gefährdet werden ß8). §. 22.

Das Vergehen des Nachdrucks ist vollendet, sobald ein Nachdrucks-Exemplar eines Wer­

kes den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zuwider, sei eS im Gebiete des Norddeutschen Bun­ des, sei es außerhalb desselben, hergestellt worden ist59).

Im Falle des bloßen Versuchs des Nachdrucks tritt weder eine Bestrafung noch eine Entschädi­ gungsverbindlichkeit des Nachdruckers ein60).

Die Einziehung der Nachdrucksvorrichtungen (§. 21)

erfolgt auch in diesem Falle6').

artikel die nachgedruckten Bestandtheile von den übrigen äußerlich zu sondern. R.O.H.O. I v. 25. Jan. 1875, Entsch. 16 S. 246. 56) (7. A.) Veral. die Gesetze über die Presse (für Preußen) v. 12. Mai 1851 §. 50 und (für das Reich) vom 7. Mai 1874 §. 27. Dazu Marquardsen, das Reichs-Preßgesetz S. 242 ff., und Klostermann, das Urheberrecht rc. (1876) S. 247 ff. 57) (6. A.) Die Beziehung dieses Satzes zu dem vorigen ergiebt, daß nicht bloß das gegen den Erblasser auf Einziehung ergangene Erkenntniß gegen die Erben zu vollstrecken ist, sondern daß die Erben sogar selbst verurtheilt werden können, sich die Einziehung der im Nachlasse Vorgefundenen Nach-. drucks-Erzeugnisse und Mittel gefallen zu lassen. Damit im Einklänge steht der Ausspruch des O.Tr.: In Nachdruckssachen hat der Strafrichter auch nach dem Tode des Beschuldigten die Entscheidung über die Konfiskation der Nachdrucks-Exemplare zu treffen. Pl.-Beschl. deS Sen. für Straff, v. 24. Oft. 1864, J.M.BI. 1865 S. 2, Entsch. 52 S. 479. Vergl. §. 26 Abs. 2.

58) (6. A.) Diese Befugniß ist weder durch die Entschädigungspflicht noch durch die Strafbarkeit desjenigen bedingt, gegen den die Einziehung erkannt ist. Sie wird deshalb von Klostermann als Ausfluß eines dem Autor oder dem Verlagsberechtigten an den unbefugt vervielfältigten Exem­ plaren des Werkes zukommenden Eigenthumsrechtes bezeichnet. Dieses Eigenthum soll auch die Wahrung der Rechte Dritter erklären. Man hat dabei hauptsächlich an den Fall gedacht, daß der den Nachdruck verfolgende Verleger vom Autor nur das Recht erworben hat, eine bestimmte Anzahl Exemplare anfertigen zu lassen. In diesem Falle können dem Verleger die Nachdrucks-Exemplare nur mit Genehmigung des Urhebers überlassen werden. Letzterer dagegen darf die Ausantwortung verlangen; aber er darf die Corpora delicti, so lange das Recht seines Verlegers dauert, nicht ver­ äußern. (Sten. Ber. S. 66.) Vergl. Klostermann, das geistige Eigenthum 1 S. 424, Anh. dazu S. 43; Endemann, S. 51 u. 52. (7. A.) Die Herleitung der Befugniß des Beschädigten zur Uebernahme der fraglichen Gegen­ stände aus dem Eigenthum ist jedenfalls auf den unveränderten Nachdruck und auf die hergestell­ ten Exemplare zu beschränken, wie Klostermann (Urheberrecht rc. 1876 S. 250) selber anerkennt, aber auch in dieser Beschränkung nicht ohne Bedenken. Siehe die Anm. 52 und 54 oben. 59) Das Vergehen des Nachdrucks ist durch den bloßen Druck vollendet; daß die Verbrei­ tung hinzugetreten sei, ist nicht erforderlich. O.Tr. Sen. für Sttafs. v. 7. Nov. 1861, J.M.BI. S. 288. Gutachten des lit. Sachverst.-Verems v. 25. Oft. 1843, Heydemann und Dambach, die preuß. Nachdrucksgesetzgebung S. 285. (6. A.) Die Herstellung auch nur EineS Exemplares ist genügend, vorausgesetzt, daß die Absicht bestand, mehrere Exemplare herzustellen und zu verbreiten. §. 18 Abs. 1. Wo der Nachdruck vol­ lendet wird, ob im Gebiete des ehemaligen Norddeutschen Bundes, jetzt des deutschen Reiches (o. Anm. *), oder außerhalb desselben, erscheint gleichgültig. Ein Ausländer aber, welcher im Aus­ lande den Nachdruck eines in Deutschland geschützten Werkes veranstaltet, darf deshalb in Deutsch­ land nicht zur Verantwortung gezogen werden. Str.G.B. §. 4.

60) (6. A.) Der Versuch eines Vergehens wird nach dem Str.G.B. §. 43 nur in den Fäl­ len bestraft, in welchen daß Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Die Entschädigungspflicht ist für den Fall des Versuches deshalb verneint, weil nicht anzunehmen ist, daß der Urheber oder dessen Rechtsnachfolger durch den bloßen Versuch des Nachdrucks beschädigt werden könne. Der unbe­ fugte Druck eines Bogens von einem mehrere Bogen starken Werke wird von Klostermann, Ur-

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken re.

§♦ 23.

873

Wegen Rückfalls findet eine Erhöhung der Strafe über das höchste gesetzliche Maß

(§. 18) nicht statt62 * * ). 61 63 64 §. 24.

Wenn in den Fällen des §. 7 Littr. a die Angabe der Quelle oder des Namens des

Urhebers vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit unterlassen wird, so haben der Veranstalter und der Veranlasser des Abdrucks eine Geldstrafe bis zu zwanzig Thalern verwirkt6 8).

Eine Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe findet nicht statt.

Eine Entschädigungspflicht tritt nicht ein. §. 25.

Wer vorsätzlich Exemplare eines Werkes, welche den Vorschriften des gegenwärtigen

Gesetzes zuwider angefertigt worden sind, innerhalb oder außerhalb des Norddeutschen Bundes gewerbemäßig feilhält, verkauft oder in sonstiger Weise verbreitet, ist nach Maßgabe des von ihm ver­

ursachten Schadens den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und

wird

außerdem mit Geldstrafe nach §. 18 bestraft").

heberrecht S. 35, nach §§. 4 u. 22 als vollendeter theilweiser Nachdruck, von Dambach, Ur­ heberrecht S. 157, nur als Versuch des Nachdrucks charakterisirt. 61) (7. A.) Es ist nicht zweifelhaft, daß die Vorrichtungen auch vorläufig (im Wege des Arrestes) in Beschlag genommen werden können. Aber die Beschlagnahme setzt voraus, daß dem Richter wirk­ lich ein Versuch des Nachdrucks glaubhaft gemacht ist. Wenn dagegen „bloß die Befürchtung der künftigen Begehung eines Nachdrucks Dortiegt", so läßt sich eine Beschlagnahme nicht rechtfertigen. R.O.H.G. I v. 9. Juni 1876, Entsch. 20 S. 382.

62) (6. A.) Die Bestimmung ist gegen die partikularen Strafgesetze, welche eine Erhöhung der Strafe wegen Rückfalls gestatteten, geruhtet. Gegenüber dem D. Str.G.B. wäre sie nicht nöthig ge­ wesen, da dieses den Rückfall als Strafschärfungsgrund nur in besonders hervorgehobenen Fällen gel­ ten läßt. 63) (6. A.) Da der Abdruck in den Fällen deS §. 7 a an sich erlaubt ist, so kann auch die Un­ terlassung der Quellenangabe nicht mit der Nachdrucksstrase, sondern als Verstoß gegen die Ordnung nur mit einer geringen Geldstrafe belegt werden. Mot. S. 32. Die Handlung resp. Unterlassung qualifizirt sich lediglich als Uebertretung. tz. 37. Eine Strafe tritt überhaupt nicht ein, wenn die Quellenangabe von dem Veranstalter und dem Veranlasser des Abdrucks weder aus Vorsatz noch aus Fahrlässigkeit unterlassen, sondern durch einen Zufall, z. B. beim Satz oder Druck, unterblie­ ben ist. Vgl. Dambach S. 462. 64) (6. A. Die fahrlässige Verbreitung von Nachdrucksexemplaren ist nicht strafbar. Die vorsätzliche Verbreitung dagegen ist ein selbständiges Vergehen, im Gegensatz zu der durch die Vervielfältigung konsumirten Veranstaltung des Nachdrucks. §§. 18 u. 22. Das war auch die Auffassung des Gesetze- v. 11. Juni 1837. In Bezug auf den §. 13 desselben hat daS O.Tr. sich dahin ausgesprochen:) Die Frage, ob ein Werk widerrechtlich vervielfältigt sei, ist nur nach preußischen Regeln zu be­ antworten; das Verbot des Verkaufs solcher Werke bezieht sich daher auch auf die im Auslande ge­ druckten Werke, sobald sie nur nach preußischen Gesetzen für Nachdruck zu erachten sind, sollte dieses auch am Orte ihres Erscheinens nicht der Fall sein. O.Tr. v. 13. Okt. 1859 Nr. 2, J.M.Bl. S. 430. Die in Preußen stattgefundene Verbreitung eines außerhalb Preußens gedruckten und herausge­ gebenen Verlagsartikels, welcher zwar nicht nach den an dem Orte seines Erscheinens geltenden Ge­ setzen, wohl aber nach preußischen Gesetzen ein Nachdruck eines in Preußen erschienenen Werkes ist, fällt unter die Strafbestimmungen dieses Gesetzes. Die Verbreitung von Exemplaren nachgedruckter Werke kann nicht als Theilnahme an dem Vergehen des Nachdrucks aufgefaßt werden, sondern ist ein selbständiges Vergehen, welches nach den Gesetzen des Ortes, wo es begangen wird, zu beurtheilen ist. — Daher liegt ein zum Berk aufhalten im Sinne des Gesetzes auch da vor, wo eine spezielle Bestellung eines Nachdrucksexemplars vorausgegangen ist. O.Tr. v. 18. Jan. 1861, J.M.Bl. S. 61; Goltdammer, Arch. 9 S. 192; Oppenhoff, Rechtspr. 1 S. 220. (6. A.) Die Frage, ob eine g ewerbemäßige Verbreitung vorliegt, ist nach der Lage des ein­ zelnen Falle- zu beantworten. (7. A.) Ueber den Begriff des Gewerbemäßigen siehe O.Tr. Strass. II v. 2. März 1871, J.M.Bl. S. 119, und R.O.H.G. I v. 29. April 1873, Entsch. 9 S. 437, (6. A.) Mehrere Exemplare sind nicht unbedingt erforderlich. Der Sortimentsbuchhändler, welcher auch nur Ein Nachdrucks-Exemplar ausstellt oder an seine Kunden verschickt oder verkauft, handelt gewerbemäßig. Kloster mann, das geistige Eigenthum 1 S. 402. Ja sogar der Inhaber einer Leihbibliothek soll sich strafbar machen, wenn er vorsätzlich ein Nachdrucks-Exemplar gegen Entgelt verleiht. Dambach S. 164. Nach dem bisherigen Recht war der Verbreiter mit dem eigentlichen Nachdrucker solidarisch zur Entschädigung deS Autors oder Verlegers verpflichtet. Ges. v. 11. Juni 1837 §. 13. Nach dem vorliegenden Gesetz haftet er nur nach Maßgabe des von ihm verursachten Schadens. Die Soli-

Erster Theil.

874

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 25—28.)

Die Einziehung der zur gewerbemäßigen Verbreitung bestimmten Nachdrucks-Exemplare nach

Maßgabe des §. 21 findet auch dann statt, wenn der Verbreiter nicht vorsätzlich gehandelt

66).

Der Entschädigungspflicht, sowie der Bestrafung wegen Verbreitung unterliegen auch der Ver­

anstalter und Veranlasser des Nachdrucks, wenn sie nicht schon als solche entschädigungspflichtig und f) Verfahren.

strafbar ftnb06). tz. 26. Sowohl die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch, als auch die Verhängung

der im gegenwärtigen Gesetze angedrohten Strafen und die Einziehung der Nachdrucks-Exemplare rc. gehört zur Kompetenz der ordentlichen Gerichte67). Die Einziehung der Nachdrucks-Exemplare rc.

kann sowohl im Strafrechtswege beantragt, als

im Civilrechtswege verfolgt werden 68). §. 27.

Das gerichtliche Strafverfahren ist nicht von Amtswegen, sondern nur auf den Antrag

des Verletzten einzuleiten 6 9).

Der Antrag auf Bestrafung kann bis zur Verkündung eines auf

Strafe lautenden Erkenntnisses zurückgenommen werden79).

darhaft ist auS Rücksicht der Billigkeit gegen die Sortimentsbuchhändler aufgegeben worden. bach S. 166.

Dam-

65) (6. A.) Dagegen kann von einer Bereicherungsklage im Sinne des §. 18 Abs. 6 gegen den Verbreiter als solchen niemals die Rede sein. Mot. S. 33.

66) (6. A.) Die Konsequenz dieser Bestimmung ist, daß derjenige, welcher als Veranstalter oder als Veranlasser des Nachdrucks belangt wird, nicht zugleich als Verbreiter in Anspruch genommen werden darf. Mot. S. 33; Endemann S. 56. Wohl aber kann die nach der rechtskräftigen Ent­ scheidung über die Veranstaltung oder Veranlassung des Nachdrucks von dem Angeschuldigten voraenommene Verbreitung von Nachdrucksexemplaren, eben weil sie ein selbständiges Vergehen ist, noch be­ sonders zum Gegenstand eines Strafverfahrens und einer Entschädigungsklage gemacht werden. Mot. S. 33; Dambach S. 168. 67) (6. A.) In mehreren deutschen Staaten waren nicht die Gerichte, sondern die Verwaltungs­ behörden zur Entscheidnng in Nachdruckssachen kompetent. Wächter, das Verlagsrecht S. 613 ff. Hiergegen richtet sich der erste Satz des §. 26. Für Preußen ergiebt sich die Zuständigkeit der Ge­ richte bereits aus dem A. L.R. Einl. §.79 und der A.Ger.O. I Einl. §. 1. Nach §. 16 des Gesetzes v. 11. Juni 1837 hatte der Strafrichter auch über den Entschädigungs­ anspruch des durch den Nachdruck Verletzten zu entscheiden, wenn der Verletzte dies beantragt hatte. O.Tr. Sen. für Straff. I v. 1. Juni 1859, Entsch. 42 S. 85*, v. 18. Januar 1861, I.M.Bl. S. 61, und v. 8. Mai 1863, I.M.Bl. S. 186; Pl. v. 24. Oktober 1864 , I.M.Bl. 1865 S. 2; Entsch. 52 S. 478 und 53 S. 28*; I v. 24. Juni 1867, Entsch. 58 S. 110. Mit dem 1. Ian. 1871 aber ist der §. 16, soweit derselbe sich auf Gegenstände des vorliegenden Gesetzes bezog, außer Wirksamkeit getreten. Bergl. unten §. 57. Die sonst dem preußischen Strafprozesse unbekannte Adhä sio n der Civilpartei findet daher auch in Nachdruckssachen nicht mehr statt. Klostermann, in der Zeitschrift für Gesetzgebung rc. 5 S. 86. Die Sache stellt sich jetzt so, daß zuständig sind: 1. ausschließlich a) der Strasrichter zur Bestrafung des Beschuldigten sowie zur Berurtheilung des­ selben zur Zahlung einer Geldbuße an den Beschädigten (§. 18), b) der Civilri chte r zur Entschei­ dung über den Entschädigungsanspruch des Verletzten, sofern nicht statt der Entschädigung die Geld­ buße gefordert wird, 2. der Strafrichter und der Civilrichter, jenachdem der Berechtigte sich an diesen oder an jenen wendet, zur Entscheidung über die Einziehung (§§. 21 u. 26 Abs. 2).

68) (6. A.) Dieser Satz ist erst bei der Berathung im Plenum des Reichstages hinzugesügt wor­ den. Sten. Ber. S. 71. Er trägt der doppelten Auffassung, welcher die Einziehung des Ge­ setzes unterliegt, gebührende Rechnung. 69) (6. Ä.) Im Allgemeinen ist hier auf die §§. 61—65 des Str.G.B. für das deutsche Reich zu

verweisen. Der zur Strafverfolgung erforderliche Antrag kann in genügender Weise schriftlich oder münd­ lich bei jeder Behörde gemacht werden, welche in dem gesetzten Falle daS Recht wie die Pflicht hat, eine Anzeige über daS vorgefallene Vergehen aufznnehmen und dessen Verfolgung zu veranlassen. Der erkennende Richter darf daher die von der Staatsanwaltschaft beantragte Beweisaufnahme über die in der gedachten Art erfolgte Antragstellung nicht aus dem Grunde beseitigen, weil die letztere nur bei dem Gerichte oder der Staatsanwaltschaft nur habe erfolgen können. O.Tr. Sen. für Straff, v. 11. März 1857, I.M.Bl. S. 194. Der Strafantrag kann NamenS deS Verletzten auch von einer Person, die dieser dazu mündlich bevollmächtigt hatte, gestellt werden. Erk. dess. v. 12. März 1862, Oppenhoff, Rechtspr. 2 S. 300. Eine Theilung des Strafantrages ist unstatthaft. Der Antrag auf Bestrafung deS Veranstalters eines Nachdrucks genügt daher auch zur Einleitung des Strafver­ fahren- gegen' die Teilnehmer, namentlich gegen den Veranlasser. Dagegen ist die Strafbarkeit der

Bon dem Urheberrecht an Schriftwerken re. §♦ 28.

875

Die Verfolgung des Nachdrucks steht Jedem zu, dessen Urheber- oder Berlagdrechte

durch die widerrechtliche Vervielfältigung beeinträchtigt oder gefährdet sind 71). Bei Werken, welche bereits veröffentlicht sind, gilt bis zum Gegenbeweise derjenige als Urhe­ ber, welcher nach Maßgabe deS §. 11 Absatz 1, 2 auf dem Werke als Urheber angegeben tfl72).

Verbreitung (§. 25) als eines selbständigen Vergehens durch einen besonderen Antrag bedingt. Vgl. Dambach, Urheberrecht S. 173; (7. A.) Wächter, Autorrecht S. 269; Klostermann, Urhe­ berrecht rc. (1876) S. 261. 70) (6. A.) Nach Verkündigung eines auf Strafe lautenden Erkenntnisses kann der Antrag nicht zurückgenommen werden. Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages gegen einen der Angeschuldigten hat die Einstellung des Verfahrens auch gegen die anderen zur Folge. Str.G.B. §. 64. Wird das einzige Erkenntniß, welches auf Strafe lautet, vernichtet, so ist die Zurücknahme des Antrags so lange zulässig, bis ein neues, den Angeschuldigten zu einer Strafe verurteilendes Erkenntniß ergeht. O.Tr. Sen. für Straff, v. 7. März 1856, Goltdammer, Arch. 4 S. 392. 71) (6. A.) Da das Recht, ein Schriftwerk auf mechanischem Wege zu vervielfältigen, ausschließ­ lich dem Urheber des Werkes zusteht, so folgt, daß auch der Autor derjenige sein muß, der die Ver­ letzung dieses Rechts zu verfolgen befugt ist. Sind mehrere Urheber vorhanden, so sind nicht bloß alle zusammen, sondern auch jeder einzelne für sich befugt, das Urheberrecht gegen den Nachdruck zur Geltung zu bringen. (Anm. 26 zu §. 9.) Mit dem Autor konkurrirt bei veröffentlichten Werken in der Regel der Verleger, als der In­ haber des wichtigsten Theils der Urheberrechte, des Verlagsrechts. Beide können einander ausschlie­ ßen, z. B. in dem Falle, wo der Autor sein Verlagsrecht an den Verleger veräußert hat; die Ver­ äußerung beseitigt jedoch dann sein Interesse nicht, wenn das Honorar, welches ihm der Verleger zu zahlen hat, von der Zahl der Auflagen oder Ausgaben abhängt. Kl ost ermann, das geistige Eig. 1 S. 429. Hat der Verleger die Exemplare, zu deren Herstellung er berechtigt war, bereits verkauft, so ist nur noch der Autor zur Verfolgung des Nachdrucks legitimirt. O.Tr. Sen. für Straff, v. 20. Mai 1869, Oppenhoff, Rechtspr. 10 S. 326. Die Berechtigung zur Stellung deS Antrags auf Bestrafung des Angeschuldigten und auf Ein­ ziehung der Nachdrucks-Erzeugnisse'und Mittel ist, wenn sie Mehreren zukommt, eine solidarische; d. h. wenn, nachdem der Strafrichter von einem Mitberechtigten augerufen worden, rechtskräftig er­ kannt ist, sei es auf Strafe und Einziehung oder auf Freisprechung, so ist die Sache insoweit auch für die Mitberechtigten erledigt, und der Antrag darf ihrerseits nicht wiederholt werden. Die Ent­ schädigung dagegen, welche der Eine fordert, ist unabhängig von derjenigen, auf welche der Andere Anspruch hat.' Wenn deshalb auch eine gemeinschaftliche Klage nicht gerade unstatthaft ist, so kann doch Jeder für sich den Civilrichter anrufen. Schwierig wird die Sache erst, wenn einer von mehre­ ren Berechtigten den Strafrichter angeht und zugleich den Antrag aus Zuerkennung einer Geldbuße statt der Entschädigung stellt. Endemann (Urheberrecht S. 60) meint, daß dann der Richter bei Bemessung der Buße darauf zu rücksichtigeu habe, daß dieselbe nur dem Antragsteller zu Gute komme und dessen Mitberechtigte später die ihnen gebührende Entschädigung im Civilprozesse einklagen können. Allein dieser Meinung dürfte die Bestimmung deS §. 18 entgegenstehen, daß auf die Geldbuße nur „statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädigung'erkannt werden sann." Die Verur­ teilung deS Angeschuldigten zur Erlegung der Buße befreit denselben also von jeder weiteren Entschädigüngspflicht. Deshalb hat der Richter die Höhe der Buße nach Maßgabe des gesummten Scha­ dens 'festzusetzen, den der Angeschuldigte durch sein Vergehen verursacht hat. Sacke der nicht zuge­ zogenen Berechtigten ist eS dann, sich mit demjenigen zu benehmen, an den der Beschuldigte judikat­ mäßig Zahlung 'leisten muß. Letzterem wird freilich in dem Untersuchungsverfahren der Einwand gestattet werden müssen, daß der eigentlich resp, hauptsächlich Verletzte ihm gegenüber auf jeden Ersatz­ anspruch verzichtet habe. Der Richter kann aber auch, da die Zuerkennung der Buße seinerseits rein fakultativ ist, dieselbe ablehnen und den Antragsteller auf den Civilprozeß verweisen. (7. A.) Verfolgt Jemand, der nicht selbst dex Urheber ist, die Verletzung des Urheberrechts, so kann er, falls dieses nicht ganz odertheilweise auf ihn übergegangen ist, nur imNamen des Ur­ hebers oder der Rechtsnachfolger desselben vor Gericht auftreten. Selbst die Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponisten in Leipzig ist nicht befugt, im eigenen Namen Verletzun­ gen des Urheberrechts eines ihrer Mitglieder klagend geltend zu machen. ' Dies ist in dem sogenann­ ten Leipziger Theaterprozeß angenommen von dem R.O.H.G. I in dem Urtheil v. 21. April 1874, Entsch. 12 S. 329. 72) (6. A.) Die Worte „nach Maßgabe des §. 11 Abs. 1 u. 2" beziehen sich, wie gegen Endemann S. 61 anzunehmen ist, nach ihrer Stellung und nach den Motiven S. 33 nur auf die Aeußerlichkeiten. Wer auf dem Titelblatt oder unter der Vorrede oder der Zueignung, beziehungs­ weise an der Spitze oder am Schluß des einzelnen Beitrages, als Urheber genannt ist, der gilt als der wahre Urheber so lange, bis derjenige, welcher demselben die Autorschaft bestreitet, den Beweis führt, der Urheber sei ein anderer. DaS liegt so sehr in der Natur der Verhältnisse, daß das Ge-

876

Erster Theil.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 28—31.)

Bei anonymen und pseudonymen Werken ist der Herausgeber, und wenn ein solcher nicht angegeben ist, der Verleger berechtigt,

die dem Urheber zustehenden Rechte wahrzunehmen 78).

Der

auf dem Werke angegebene Verleger gilt ohne weiteren Nachweis als der Rechtsnachfolger des ano­

nymen oder Pseudonymen Urhebers7^). §. 29.

In den Rechtsstreitigkeiten wegen Nachdrucks, einschließlich der Klagen wegen Bereiche-

ruug aus dem Nachdruck, hat der Richter, ohne an positive Regeln über die Wirkung der Beweis­

mittel gebunden zu sein, den Thatbestand nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlungen geschöpften Ueberzeugung festzuftellen 7 5). Ebenso ist der Richter bei Entscheidung der Frage:

ob der Nachdrucker oder der Veranlasser

des Nachdrucks (§§. 18, 20) fahrlässig gehandelt hat, an die in den Landesgesetzen vorgeschriebenen

verschiedenen Grade der Fahrlässigkeit nicht gebunden78). §♦ 30.

Sind technische Fragen7 7), von welchen der Thatbestand des Nachdrucks oder der Be­

setz eigentlich nur das ausspricht, waS der Richter auch ohnehin annehmen müßte. O. Wächter, das Verlagsrechtrc. S. 621; Dambach, Urheberrecht S. 177. (7. A.) Sind mehrere Ausgaben desselben Werkes unter dem Namen verschiedener Urheber ver­ öffentlicht, so streitet die Vermuthung für die Rechtmäßigkeit der zuerst erschienenen Ausgabe. Dies erhellt aus dem Relativsätze „welche bereits veröffentlicht sind." Vergl. hierzu Kowalzig S. 31. — (6. A.) Dem Verleger kommt die Vermuthung nur insofern zu Gute, als er die Autorschaft des­ jenigen, der nach dem Gesagten als Urheber (Herausgeber §. 2, Uebersetzer §. 6) anzusehen ist, nicht nachzuweisen braucht. Dagegen muß der Verleger in der gewöhnlichen Weise darthun, daß der Autor ihm das Verlagsrecht übertragen habe. Die Thatsache, daß er als Verleger auf dem Titel angege­ ben ist, überhebt ihn der Nothwendigkeit dieses Beweises nicht. Mot. S. 34.

73) (6. A.) Die Legitimation des Verlegers war schon nach dem bisherigen Recht außer Zwei­ fel gestellt. Sie schließt jedoch nicht aus, daß der Autor aus der Anonymität heraustritt und selber seine Rechte wahrnimmt. Er muß dann aber seine Autorschaft beweisen. O.Tr. Sen. für Straff,

v. 6. Juli 1864, Goltdammer, Arch. 12 S. 705; Erk. dess. v. 20. Mai 1869, Oppenhoff, Rechtspr. 10 S. 326. Durch die Eintragung in die Eintragsrolle kann dieser Beweis nicht geführt werden. §.40. Dambach S. 179; Klostermann, Urheberrecht (1876) S. 263. Ein Fall der Legitimation des Herausgebers ist in dem Urtheil des R.O.H.G. v. 15. Jan. 1873 behandelt. S. Anm. 2 zu §. 2. 74) (6. A.) Dieser Satz und der vorhergehende finden ihre Rechtfertigung in dem Schutz der Anonymität und der Pseudonymität. Der Urheber soll nicht genöthigt sein, an die Oeffentlichkeit zu treten. Die für den Herausgeber und den Verleger streitende'Rechtsvermuthung kann aber von dem Beschuldigten beziehungsweise Verklagten widerlegt werden. Es folgt dies aus der Verbindmig, in welcher der dritte Absatz mit dem zweiten Absatz des §. 28 stehtt Vgl. Dambach S. 180 und Endemann S. 62. (7. A.) Die Vermuthung gilt überhaupt nicht gegenüber dem Verfasser. Klostermann a. a. O.

75) (6. A.) Durch diese Vorschrift wird für alle Nachdruckssachen die Theorie der freien Beweiswürdigung, die ausnahmslos bis jetzt nur im Strafverfahren gilt (V. v. 3. Januar 1849 §. 22), in den Civllprozeß eingesührt. Dasselbe Prinzip hat, mehr oder weniger beschränkt, Anerken­ nung gefunden: in Ehesachen nach der Verordnung v. 28. Juni 1844 §. 39, m Prozessen, welche die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstände haben, nach der KonkurS-Ordn. v. 8. Mai 1855 §§. 111, 375, 381, 393 und dem Gesetze v. 9. Mai 1855 §. 17, bei Klagen auf Schadensersatz in Gemäßheit des Reichsgesetzes, betreffend die Verbindlichkeit zum Schadensersatz für die bei dem Be­ triebe von Eisenbahnen, Bergwerken rc. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen, v. 7. Juni 1871 §. 7. Vergl. die Anm. 49 zu §. 19. Die Grundsätze von der Beweislast werden von der freien Beweistheorie nicht berührt. §§. 19, 21, 28. (7. A.) Vergl. Kowalzig S. 33. 76) (6. A.) Die Unterschiede zwischen grobem, mäßigem und geringem Versehen (culpa lata, levis, levissima) sind als unpraktisch verworfen. R.O.H.G. 1 v. 16. Mai 1873, Entsch. 10 S. 127 a. E. Der Richter hat, wenn er den Vorsatz verneinen muß, sich nur die Frage vorzulegen: Hat der An­ geschuldigte oder Verklagte fahrlässig gehandelt oder nicht? Mot. S. 35. (7. A.) „Es genügt je­ des, auch das geringste Verschulden, jede Außerachtlassung der in Verhältnissen dieser Art erforderlichen Umsicht und Besonnenheit." R.O.H.G. I v. 12. Januar 1875, Entsch. 16 S. 261. (6. A.) Ein Unterschied zwischen strafrechtlicher und civilrechtlicher Fahrlässigkeit darf nicht gemacht werden. Dambach S. 185. 77) (6. A.) Den Gegensatz zu den technischen Fragen bilden hier lediglich R e ch t S - Fragen. Ueber die letzteren soll nicht der Sachverständige, sondern ausschließlich der Richter befinden. Sten. Ber. S. 75.

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

877

trag des Schadens oder der Bereicherung abhängt, zweifelhaft oder streitig, so ist der Richter befugt, das Gutachten Sachverständiger einzuholen78 79).80 81

§. 31.

In allen Staaten des Norddeutschen Bundes sollen aus Gelehrten, Schriftstellern,

Buchhändlern und anderen geeigneten Personen Sachverständigen-Vereine gebildet werden, welche,

auf Erfordern des Richters, sind79).

Gutachten über die an sie gerichteten Fragen abzugeben verpflichtet

Es bleibt den einzelnen Staaten überlassen,

sich zu diesem Behufe an andere Staaten

des Norddeutschen Bundes anzuschließen, oder auch mit denselben sich zur Bildung gemeinschaftlicher Sachverständigen-Vereine zu verbinden.

Die Sachverständigen-Vereine sind befugt, aus Anrufen der Betheiligten über streitige Entschä­

digungsansprüche und die Einziehung nach Maßgabe der §§. 18 bis 21 als Schiedsrichter zu ver­ handeln und zu entscheiden99).

Das Bundeskanzler-Amt erläßt die Instruktion über die Zusammensetzung und den Geschäfts­

betrieb der Sachverständigen-Vereine9*)♦

78) (6. A.) Die Sachverständigen erscheinen hier lediglich als Gehülfen des Richters. Ende­ mann S. 63. Die Besugniß desselben zur Einholung eines Gutachtens ist daher durch einen Par­ tei-Antrag nicht bedingt. Gelangt der Richter durch eigene Prüfung zu einer festen Ueberzeugung, so braucht er überhaupt nicht den Rath eines Sachkundigen. Hat er aber einmal ein Gutachten sich erstatten lassen, so ist er dennoch an die in demselben ausgesprochenen Ansichten nicht gebunden. R.O.H.G. I v. 24. Mai 1872, Entsch. 6 S. 169. Vergl. die Anm. 49 zu §. 19. 79) (6. A.) Das Gesetz v. 11. Juni 1837 bestimmte unter §. 17: „Scheint es dem Richter zwei­ felhaft, ob eine Druckschrift als Nachdruck oder unerlaubter Abdruck zu betrachten, oder wird der Be­ trag der Entschädigung bestritten, so hat der Richter das Gutachten eines aus Sachverständigen ge­ bildeten Vereins emzuholen. Die Bildung eines oder mehrerer solcher Vereine, die vorzüglich aus geachteten Schriftstellern und Buchhändlern bestehen sollen, bleibt einer besonderen, von Unserm Staats­ ministerium zu erlassenden Instruktion Vorbehalten." Diese Instruktion ist am 15. Mai 1838 erlassen worden. Die Auffassung der Sachverständigen-Vereine, welche derselben zu Grunde lag, ging im Wesentlichen in den Entwurf des Gesetzes über, der im Jahre 1870 dem Reichstage vorgelegt würde. Man wollte den Richter namentlich verpflichten, von keinem anderen Sachkundigen als dem Sachver­ ständigen-Verein ein Gutachten einzuholen und das letztere, wenn es sich um bte Höhe der Entschädi­ gung handelte, auch zu befolgen. (Mot. S. 33 ff.) Im Reichstage war jedoch die Stimmung den Sachverständigen-Vereinen überhaupt nicht günstig. Der Paragraph erhielt die vorliegende Fassung, um die Bedeutung der Vereine abzuschwächen. (Sten. Ber. S. 73 ff.) Der Richter ist darnach in der Wahl der Sachverständigen nicht beschränkt und von denselben in der Beurtheilung auch der tech­ nischen Fragen völlig unabhängig. Dahn a. a. O. S. 56 u. 57; Klostermann, Urheberrecht (1871) S. 47 ii. 48; Dambach S. 189—191. „Ueber die Bedeutung der Sachverständigen-Ver­ eine in Nachdrucks-Angelegenheiten und die Stellung dieser Vereine zu den Gerichtsbehörden" s. Heydemann in der Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege 4 S. 1—15. Nach einer Bekanntmachung v. 29. Mai 1872 (J.M.Bl. S. 135) hat der Minister der geistlichen rc. Angelegenheiten im Ein Verständniß mit dem Justizminister dem in Gemäßheit des Ges. ü. 11. Juni 1837 in Berlin bestehenden literarischen beziehungsweise musikalischen Sachverständigen-Vereine die Funktionen der nach §. 31 des Reichsgesetzes v. 11. Juni 1870 zu bildenden entsprechenden Vereine für das Gesammtgebiet des preußischen Staates und für diejenigen Staaten, welche sich an ihn auf Grund des §. 31 anschließen, übertragen. 80) (6. A.) Nach der Allg. GerichtS-Ordn. I. 2 §.169 ff. können nur physische Personen als Schiedsrichter sungiren. Um dem Sachverständigen-Verein als solchem die Besugniß zur Annahme und Ausübung des Schiedsrichteramtes beizulegen, bedurfte es mithin einer ausdrücklichen Bestim­ mung des Gesetzes. So erklärt sich der Abs. 2 des §. 31. Mot. S. 33. 81) (6. A.) Diese Instruktion ist am 12. Dezember 1870 von dem Bundeskanzler-Amt erlassen und durch daS Bundes-Gesetzblatt S. 621 bekannt gemacht worden. Sie lautet mit Weglassung deS Eingangs wie folgt: §. 1. Die Sachverständigen-Vereine sind entweder a) literarische oder b) musikalische Sachverständigen-Vereine. In keinem Staate des Norddeutschen Bundes darf mehr als ein literari­ scher und ein musikalischer Sachverständigen-Verein bestehen. §. 2. Jeder Verein besteht aus sieben Mitgliedern, einschließlich deS Vorsitzenden. Für den Fall der Verhinderung einzelner Mitglieder wird eine Anzahl Stellvertreter ernannt. §. 3. Die Ernennung der Mitglieder und Stellvertreter erfolgt durch die zuständige Central­ behörde, welche auch den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter auS der Zahl der Vereinsmitglieder bestimmt. Die Mitglieder und Stellvertreter werden als Sachverständige ein für alle Mal gerichtlich

vereidet.

878

Erster Theil.

§. 32.

Eilfter Titel.

(Gesetz ti. 11. Juni 1870 §. 32—33.)

Die in den §§. 12 und 13 des Gesetzes, betreffend die Errichtung eineö obersten Ge­

richtshofes für Handelssachen vom 12. Juni 1869 (Bundesgesetzbl. S. 201), geregelte Zuständigkeit des Bundes-Oberhandelsgerichts zu Leipzig wird auf diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten aus­ gedehnt, in welchen auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes durch die Klage ein Entschädi­

gungsanspruchs) oder ein Anspruch auf Einziehung geltend gemacht wird. Das Bundes-Oberhandelsgericht tritt auch in den nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beurtheilenden Strafsachen an die Stelle des für das Gebiet, in welchem die Sache in erster Jn-

§. 4. Der literarische Sachverständigen-Berein ist berufen, auf Erfordern der Gerichte Gut­ achten über technische Fragen abzugeben, von welchen a) der Thatbestand des Nachdrucks von Schriftwerken oder Abbildungen (§§. 1 ff., §§. 43 n. 44 des Gesetzes v. 11. Juni 1870) oder b) der Thatbestand der unerlaubten Aufführung eines dramatischen Werkes (§§. 50 ff. a. a. O.) oder c) der Betrag des durch den Nachdruck oder die unerlaubte Aufführung entstandenen Schadens, beziehungsweise der Bereicherung, abhängt. Ein Mitglied des Bereins muß als Zeichner, Kupferstecher re. mit der Anfertigung der im §. 43 deö Gesetzes v. 11. Juni 1870 erwähnten Zeichnungen und Abbildungen vertraut sein. §. 5. Der musikalische Sachverständigen-Berein ist berufen, aus Erfordern der Gerichte Gutachten über technische Fragen abzugeben, von welchen n) der Thatbestand des Nachdrucks von musikalischen Kompositionen (§§. 45 ff. a. a. O.) oder b) der Thatbestand der unerlaubten Aufführung eines musikalischen oder dramatisch-musikalischen Werkes (§§. 50 ff. a. a. O.) oder c) der Betrag des durch den Nachdruck oder die unerlaubte Aufführung entstandenen Schadens, beziehungsweise der Bereicherung abhängt. §. 6. Das verlangte Gutachten hat der Verein nur dann abzugeben, wenn ihni zuvor von dem requirirenden Gerichte übersendet sind: 1. die gerichtlichen Akten, 2. eine aktenmäßige Darstellung des Sach- und Streitverhältnisses, in welcher zugleich die zu begutachtenden Fragen einzeln aufgesührt sind, unter Beifügung der Angabe, ob und eventuell welche Erklärung von den Parteien über jene Darstellung abgegeben und aus welchen Gründen die Abgabe solcher Erklärung unterblieben ist, 3. die zu vergleichenden Gegenstände, deren Identität durch Anhängung des Gerichtssiegels oder aus andere Art außer Zweifel gestellt und gegen Verwechselung gesichert ist. Die Darstellung zu 2. verbleibt bei den Akten des Vereins. §. 7. Sobald der Antrag auf Erstattung eines Gutachtens von Seiten des Vereins an den Vor­ sitzenden desselben gelangt ist, ernennt der letztere zwei Mitglieder zu Referenten, welche unabhängig von einander ihre' Meinung schriftlich abzugeben und in einer demnächst anzuberaumenden Sitzung des Bereins vorzutragen haben. Nach stattqehabter Berathung erfolgt durch Stimmenmehrheit der Beschluß. Bei Stimmengleichheit giebt die stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Handelt es sich um den Nachdruck einer Zeichnung oder Abbildung (§. 43 des Gesetzes v. 11. Juni 1870), so muß einer der beiden Referenten als Zeichner, Kupferstecher rc. mit der Anfertigung der betreffenden Zeichnungen oder Abbildungen vertraut sein. §. 8. Zur Fassung eines gültigen Beschlusses ist die Anwesenheit von wenigstens fünf Mitglie­ dern, einschließlich des Vorsitzenden und der etwa zugezogenen Stellvertreter, erforderlich. Mehr als sieben Mitglieder dürfen an dem Beschlusse nicht Theil nehmen. §. 9. Nach Maßgabe des gefaßten Beschlusses wird das Gutachten ausgefertigt, von den bei der Beschlußfassung anwesend gewesenen Mitgliedern des Vereins unterschrieben und mit dem dem Vereine zu überweisenden Siegel untersiegelt. Die etwaige Verwendung von Stempeln zu dem Gutachten richtet sich nach den Gesetzen der einzelnen Bundesstaaten. §. 10. Der Verein ist befugt, an Gebühren für das Gutachten zehn bis Einhundert Thaler zu liquidiren, welche vom requirirenden Gerichte sofort nach Eingang des Gutachtens dem Vorsitzenden des Vereins kostenfrei übersandt werden. §. 11. Wenn die beteiligten Parteien in Gemäßheit des §. 31 Abs. 2 des Gesetzes v. 11. Juni 1870 einen Sachverständigen-Berein als Schiedsrichter anzurusen beabsichtigen, so haben sie ihre dessallsigen Anträge in beglaubigter Form an den Verein gelangen zu lassen. Die in den §§. 6 bis 10 enthaltenen Bestimmungen kommen auch iu diesem Falle analog zur Anwendung. 82) (6. A.) Einen Entschädigungsanspruch in diesem Sinne verfolgt die Klage auch dann, wenn der Verklagte nur aus der Bereicherung verpflichtet ist. §. 18 Äbs. 6. Cndemann S. 66.

(7. A.) Bergl. Anm. 48 Abs. 2.

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken re.

879

stanz anhängig geworden ist, nach den Landesgesetzen bestehenden obersten Gerichtshofes, und zwar mit derjenigen Zuständigkeit, welche nach diesen Landesgesetzen dem obersten Gerichtshöfe gebührt.

In den zufolge der vorstehenden Bestimmung zur Zuständigkeit des Bundes-Oberhandelsgerichts gehörenden Strafsachen bestimmt sich das Verfahren auch bei diesem Gerichtshöfe nach den für das Gebiet, aus welchem die Sache an das Bundes-Oberhandelsgericht gelangt, geltenden Strafprozeß­

gesetzen.

Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft in diesen Strafsachen werden bei dem Bnndes-

Oberhandelsgericht von dem Staatsanwalt wahrgenommen, welcher dieselben bei dem betreffenden obersten Landesgerichtshofe wahrzunehmen hat.

Der bezeichnete Staatsanwalt kann sich jedoch bei

der mündlichen Verhandlung durch einen in Leipzig Angestellten Staatsanwalt oder durch einen in

Leipzig wohnenden Advokaten vertreten lassen. Strafsachen, für welche in letzter Instanz das Bundes-Oberhandelsgericht zuständig ist, und Strafsachen, für welche in letzter Instanz der oberste Landesgerichtshof zuständig ist, können in Einem

Strafverfahren nicht verbunden werden88). Die Bestimmungen der §§. 10, 12 Absatz 2, §. 16 Absatz 2, §§. 17, 18, 21 und 22 des Ge­

setzes vom 12. Juni 1869 finden auch auf die zur Zuständigkeit des Bundes-Oberhandelsgerichts gehörenden Strafsachen entsprechende Anwendung").

§. 33. Die Strafverfolgung des Nachdrucks und die Klage auf Entschädigung wegen Nach- g) Berjähdrucks, einschließlich der Klage wegen Bereicherung (§. 18), verjähren in drei Jahren88). run9‘

Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Verbreitung der NachdrucksExemplare zuerst stattgefunden hat88).

83) (6. A.) Wie aber, wenn es dennoch geschehen ist? Hat der Angeschuldigte oder der Staats­ anwalt die Verbindung der verschiedenen Strafsachen als Nichligkeitsgruud gerügt, so hat der oberste Landesgerichtshof daß Urtheil zu vernichten und den Instanzrichter anzuweisen, über die in letzter In­ stanz vor das R.O.H.G. gehörige Sache getrennt von der damit verbundenen Strafsache zu erkennen. Ist dagegen die Verbindung als Nichtigkeitsgrund nicht gerügt, so ist, wenn nicht die Beschwerde gegen das Appellationsurtheil zurückgewiesen werden kann, zu unterscheiden: Betrifft das Rechtsmittel nur entweder die eine oder die andere der mit einander verbundenen Sachen, so hat der Nichtigkeits­ richter, falls die Sache zur Zurückweisung in die zweite Instanz sich nicht eignet, innerhalb seiner Zu­ ständigkeit zu erkennen und eventuell die Gesammtstrafe herabzusetzen. Richtet sich das Rechtsmittel gegen die Entscheidung überhaupt, dergestalt, daß das R.O.H.G. in der Nachdruckssache, das Obertri­ bunal dagegen in der damit verbundenen Sache zu urtheilen hat, so haben beide Gerichtshöfe nach einander jeder in der Sache, in welcher er zuständig ist, die Entscheidung zu geben.

84) (6. A.) Das Gericht erster Instanz hat, wenn es zur Entscheidung über die Nichtigkeitsbe­ schwerde das R.O.H.G. für zuständig hält, direkt an dieses Gericht die Untersuchungs-Akten einzusen­ den. Vers, des O.Tr. v. 30. Okt. 1872, J.M.Bl. S. 318. 85) (6. A.) Vgl. das Str.G.B. für das deutsche Reich §. 67, sowie das A. L.R. I. 6 §. 54 u. die Deklaration v. 31. März 1838.

86) (6. A.) Die Verjährung der Strafverfolgung hätte mit dem Tage, an welchem das Vergehen des Nachdrucks nach §.22 vollendet wird, und die 'Entschädigungsklage mit dem Tage, an welchem

deren Anstellung zuerst möglich ist, eventuell mit dem Zeitpunkt der Entstehung des Schadens, begin­ nen sollen. Statt dessen hat die Reichstagskommission den Laus der Verjährung von der ersten Ver­ breitung des Nachdrucks an gerechnet, um zu verhindern, daß Jemand „auf Vorrath nachdruckte". Denn, so argumentirte man, wenn die Verjährung bereits mit der Herstellung des ersten Nachdrucks­ exemplars begönne, so brauchte der Nachdrucker die angefertigten Exemplare nur drei Jahre lang zu verbergen, um dann damit hervortreten zu können, ohne sich strafbar und entschädigungspflichtig zu machen. Komm.-Ber. S. 18. Die Motivirung erscheint jedoch nicht überzeugend. Ein Nachdruck in der Absicht, dessen Erzeugnisse erst nach drei Jahren zu verwerthen, ist so wenig wahrscheinlich, daß die mögliche Gefahr wohl kaum ein Abgehen von der allgemeinen Rechtsregel zu rechtfertigen tierni«g. Ueberdies trifft den Veranstalter des Nachdrucks, wenn er nach drei Jahren aus demselben Vorthetl ziehen will, doch immer die Strafe der Verbreitung und die Entschädigungspflicht des §. 25. Zum Schutz des Verlagsberechtigten dürfte sonach die Bestimmung des Abs. 2 keinesfalls erforderlich sein. Die Konsequenz derselben führt dahin, daß das Vergehen des Nachdrucks überhaupt nicht ver­ jährt, wenn der Thäter die Absicht der Verbreitung, die er bei der Vollendung des Vergehens (§. 22) hatte, nach der Vollendung aufgiebt. (7. A.) Indeß ist die Bestimmung des Gesetzes so^wie sie vor­ liegt, anscheinend von keiner Seite beanstandet worden. Vergl. Wächter, Autorrecht S. 286, und Klostermann, Urheberrecht (1876) S. 268 u. 269.

Erster Theil.

880 §. 34.

Eilfter Titel.

(Gesetz b. 11. Juni 1870 §§. 34—42.)

Die Strafverfolgung der Verbreitung von Nachdrucks-Exemplaren und die Klage auf

Entschädigung wegen dieser Verbreitung (§. 25) verjähren ebenfalls in drei Jahren").

Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Verbreitung zuletzt stattge­

funden hat87 88). §. 35.

Der Nachdruck und die Verbreitung von Nachdrucks-Exemplaren sollen straflos bleiben,

wenn der zum Strafantrage Berechtigte den Antrag binnen drei Monaten nach erlangter Kenntniß von dem begangenen Vergehen und von der Person des Thäters zu machen unterläßt88).90 §. 36.

Der Antrag auf Einziehung und Vernichtung der Nachdrucks-Exemplare, sowie der zur

widerrechtlichen Vervielfältigung ausschließlich bestimmten Vorrichtungen (§. 21), ist so lange zulässig, als solche Exemplare und Vorrichtungen vorhanden sind °°).

§. 37.

Die Uebertretung, welche dadurch begangen wird, daß in den Fällen des §. 7 Littr. a

die Angabe der Quelle oder des Namens des Urhebers unterblieben ist, verjährt in drei Monaten 91).92 93 94 Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem der Abdruck zuerst verbreitet

worden ist"). §. 38.

Die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften bestimmen, durch welche Handlungen die Ver­

jährung unterbrochen wird 98). Die Einleitung des Strafverfahrens unterbricht die Verjährung der Entschädigungsklage nicht9 *),

87) (7. A.) Siehe die Anm. 85.

88) (6. 91.) Die Kommission des Reichstages hat die Verbreitung des Nachdrucks (§. 25) als ein sogenanntes fortgesetztes Vergehen aufgefaßt und damit den von ihr dem §. 34 hinzugefügten zweiten Satz gerechtfertigt. Komm.-Ber. S. 18. Für das Strafverfahren mag dies zutreffend sein. Für den Civilanspruch dagegen ist die Bestimmung nicht ohne Bedenken. Die Verjährung der Ent­ schädigungsklage wegen aller Verbreitungshandlungen beginnt erst mit der letzten dieser Handlungen. Endemann (Urheberrecht S. 67) setzt den Fall, daß Jemand im Jahre 1870 Nachdrucksexemplare verbreitet und dadurch den Thatbestand des §. 25 erfüllt hat; die Sache wird nicht verfolgt, so daß im Jahre 1874 die Verjährung eingelreteu zu sein scheint. Da fällt es dem Besitzer ein, einige Exem­ plare, die er im Jahre 1870 übrig behalten hat, zu verkaufen. Nunmehr tritt der Verlagsberechtigte auf und fordert Entschädigung, und zwar nicht bloß wegen der 1874, sondern auch wegen der 1870 vorgenommenen Verbreitung. Kann hier der Verklagte den Anspruch aus der früheren Zeit durch Be­ rufung auf die Verjährung zurückweisen? Endemann verneint die Frage, weil die Verjährung der Verbreitung überhaupt erst mit der letzten Verbreitungshandlung im Jahre 1874 begonnen hat.' Dambach (Urheberrecht S. 198 u. 199) will in einem solchen Falle die einzelnen Handlungen als selbständige Vergehen betrachten und deshalb jede in sich abgeschlossene Handlung besonders ver­ jähren lassen. Doch scheint das Gesetz für eine solche Auffassung keinen Anhalt zu bieten. 89) (6. A.) Die Vorschrift entspricht dem §. 61 des Str.G.B. Sind Mehrere zu dem Anträge berechtigt, so kommt §. 62 daselbst zur Anwendung. Die Kenntniß darf nicht vermuthet werden. Wenn also der Angeschuldigte behauptet, daß der Antragsteller von dem Nachdruck (§. 22) oder von der Verbreitung der Nachdrucksexemplare (§. 25) bereits länger als drei Monate Kenntniß habe, so muß er dies beweisen. O.Tr. Sen. für Straff, v. 15. Juli 1870, Str. Arch. 78 S. 329. Bei Be­ rechnung der Frist wird der Tag, an welchem der Antragsteller die Kenntniß erlangt hat, mitgerechnet. Dambach S. 201. Die Frist ist übrigens keine Verjährungs-, sondern eine Präklusiv-Frist, so daß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung auf dieselbe nicht anzuwenden sind. O.Tr. Sen. für Strass, v. 30. Sept. 1863, Str. Arch. 50 S. 295. (7. 91.) Ebenso Klostermann, das Ur­ heberrecht rc. (1876) S. 269. 90) (6. A.) Aber doch nur so lange, als überhaupt das Werk gegen Nachdruck geschützt ist (§§. 8 ff.). Denn nach Ablauf der Schutzfrist ist das Recht des Urhebers resp. Verlegers erloschen, die Legitimation desselben zu dem Anträge auf Einziehung und Vernichtung der Nachdrucks-Erzeugnisse und Mittel daher zu verneinen. (§. 28.) Dambach (Urheberrecht S. 202) hält die Einziehung auch noch nach Ablauf jener Frist für zu­ lässig, weil die Konfiskation mit der widerrechtlichen Herstellung verwirkt ist. Allein dieser Grund beweist Nichts, weil die Konfiskation sich nicht ipso jure vollzieht, sondern von dem Willen des Be­ rechtigten abhängt, mithin nicht mehr vorgenommen werden darf, wenn der Berechtigte, so lange sein Recht bestand, von demselben keinen Gebrauch gemacht hat. Vergl. Endemann S. 68. (7. 91.) Wächter, Autorrecht @.288; Kloster mann a. a. O. S. 270.

91) 92) 93) 94)

(6. (6. (6. (6.

91.) A.) A.) A.)

Vergl. das Str.G.B. §.67 Abs. 3. Gleichviel, ob und wann der BerechtigteKenntniß von der Uebertretung erhalten hat. Vergl. das A. L.R. I. 9 §§. 551 ff. und Str.G.B. §. 68. Hieraus folgt, daß die Verjährung der Entschädigungsklage durch den Antrag des

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

881

und eben so wenig unterbricht die Anstellung der Entschädigungsklage die Verjährung des Straf­ verfahrens.

§. 39. Die Eintragsrolle, in welche die in den §§. 6 und 11 vorgeschriebenen Eintragungen >0 ^tragsstattzufinden haben, wird bei dem Stadtrath zu Leipzig geführt9 ß). ° e §. 40. zu bewirken,

Der Stadtrath zu Leipzig ist verpflichtet, auf Antrag der Betheiligten die Eintragungen ohne daß eine zuvorige Prüfung über die Berechtigung des Antragstellers oder über

die Richtigkeit der zur Eintragung angemeldeten Thatsachen stattfindet9«).

§. 41.

Das Bundeskanzler-Amt erläßt die Instruktion über die Führung der Eintragsrolle9').

Es ist Jedermann gestattet, von der EintragSrolle Einsicht zu nehmen und sich beglaubigte Auszüge aus derselben ertheilen zu lassen99).

Die Eintragungen werden im Börsenblatt für den Deutschen

Buchhandel und, falls dasselbe zu erscheinen aufhören sollte, in einer anderen vom Bundeskanzler-

Amte zu bestimmenden Zeitung öffentlich bekannt gemacht. §. 42.

Alle Eingaben, Verhandlungen, Atteste, Beglaubigungen, Zeugnisse, Auszüge u. s. w.,

welche die Eintragung in die Eintragsrolle betreffen, sind stempelfrei.

schädigten auf Verurtheilung des Beschuldigten zur Erlegung einer Geldbuße statt der Entschädigung nicht unterbrochen wird. Dambach S. 204; (7. A.) Wächter, Autorrecht S. 287. 95) (6. A.) Der Stadtratl) zu Leipzig hat in seiner Eigenschaft als Kuratorium der Eintragsrolle am 3. Febr. 1871 folgende Bekanntmachung erlassen: „Die in Gemäßheit der Vorschrift in §.39 des Bundesgesetzes v. 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht rc., von dem unterzeichneten Kuratorium zu führende Eintrags rolle umfaßt lediglich die Eintragungen: a) der wahren Namen der Urheber anonymer oder pseudonymer Werke (Abth. A., vergl. Abs. 4 §. 11 und Abs. 3 §. 52 des alleg. Gesetzes); b) von Anmeldungen des rechtzeitigen Erscheinens vorbehaltener Uebersetzungen (Abth.B., vergl. Abs. 4 §. 6 des alleg. Gesetzes); c) von früher ertheilten Privilegien (Abth. 6., wird am 1. April 1871 geschlossen, vergl. Abs. 4 §. 60 des alleg. Gesetzes). ’ Nach Maßgabe der vom Bundeskanzler-Amte über die Führung der Eintragsrotle erlassenen In­ struktion ist der A n t r ag^uf eine der vorberegten Eintragungen schriftlich oder zu Protokoll bei uns zu stellen. Ersteren Falls muß die Echtheit der Unterschrift des Antragstellers gerichtlich oder notariell beglaubigt sein, letzteren Falls die Identität der Person des Antragstellers, dasern derselbe bei uns nicht persönlich bekannt ist, durch zwei dem Protokollführer persönlich und als glaubhaft bekannte Zengeu erwiesen werden. Dem Antragsteller'wird ein Ein tragsschein nur auf besonderes Verlangen ertheilt. Die Einsicht der Eintragsrolle ist während der gewöhnlichen Dienststunden Jedermann gestattet. Alle Eingaben, Verhandlungen, Atteste, Beglaubigungen u. s. w., welche die Eintragung in die Rolle betreffen, sind stempel frei, für jede Eintragung, für jeden Eintragsschein, sowie für jeden sonstigen Auszug aus der Einiragsrolle ist eine Gebühr von je 15 Ngr. im Voraus zu entrichten oder auf Wunsch mittelst Postvorjchuß einzuziehen."

96) (6. A.) Der Zweck der Eintragsrolle ist die Herstellung eines sicheren und allgemein erkenn­ baren Rechtszustandes. Der Gesetzgeber hat dabei weniger das Interesse der Autoren, als vielmehr das Interesse des Publikums im Auge gehabt. Es soll Jeder Gelegenheit haben, sich zu überzeugen, ob ein Werk übersetzt (§. 6), nachgedruckt (§§. 11 u. 60) oder öffentlich aufgeführt (§. 52) werden darf. Diese Gelegenheit bietet die Eintragsrolle. Mot. S. 36 u. 37; Komm.-Ber. S. 10 u. 18. Für den Autor hat die Anmeldung zur Eintragung in die Rolle gewissermaßen die Natur einer Protestation; er wahrt sich durch dieseibe ein Recht, welches er sonst verlieren würde. Das Recht selbst aber wird durch die Eintragung nicht bewiesen. Es besteht auch nicht eine Vermuthung für die Nichtigkeit der eingetragenen Thatsachen. Nur die Zeit, in welcher die Thatsache eingetragen und bekannt gemacht worden ist, wird durch die Rolle festgestellt. Von einer Pflicht oder einem Recht des Leipziger Stadt­ raths zur Prüfung der Berechtigung des Antragstellers oder der Richtigkeit der zur Eintragung ange­ meldeten Thatsachen kann daher keine Rede sein. Glaubt Jemand Grund zur Beschwerde über den Stadtrath zu haben, so hat er sich an die Königl. Sächs. Behörde zu wenden, welche demselben vor­ gesetzt ist. Dahn a. a. O. S. 61 u. 62. In letzter Instanz entscheidet die Ceutralstelle des Reiches traft des diesem durch die Reichsverfassung Art. 4 Nr. 6 übertragenen Schutzes des geistigen Eigenthums. 97) (7. A.) Diese Instruktion ist am 7. Dez. 1870 erlassen, jedoch erst im Jahre 1876 durch das Centralblatt für das deutsche Reich veröffentlicht worden. Klostermann, das Urheberrecht rc. S. 189. 98) (6. A.) Vergl. die Anm. 95 zu §. 39. Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aufl.

56

Erster Theil.

882

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 42-47.)

Dagegen wird für jede Eintragung, für jeden Eintragsschein, sowie für jeden sonstigen Auszug auS der Eintragsrolle eine Gebühr von je 15 Sgr. erhoben,

und

außerdem hat der Antragsteller

die etwaigen Kosten für die öffentliche Bekanntmachung der Eintragung (§. 41) zu entrichten.

II.

Geographische, topographische, naturwissenschaftliche, architektonische,

technische und ähnliche Abbildungen. §. 43.

Die Bestimmungen in den §§. 1—42 finden auch Anwendung auf geographische, topo­

graphische, naturwissenschaftliche, architektonische, technische und ähnliche Zeichnungen und Abbildun­

gen, welche nach ihrem Hauptzwecke nicht als Kunstwerke zu betrachten find "). §. 44.

Als Nachdruck ist es nicht anzusehen, wenn einem Schriftwerke100) einzelne Abbil­

dungen aus einem anderen Werke*1)2 beigefügt 3 * S. werden, vorausgesetzt,

daß das Schriftwerk als die

99) (6. Ä^) Eine Zeichnung bezweckt nach Man dry, Urheberrecht an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst rc. 1867 S. 218, entweder 1. „die Darstellung des Schönen und die Erregung der demselben entsprechenden Gefühle im Betrachtenden (ästhetische Darstellung)" oder 2. „die Vermittelung von Gedankenaustausch (belehrende Darstellung)" oder endlich 3. „die Befriedigung auderweiter, materieller Bedürfnisse des Menschen (industrielle Darstellung)." Der Entwurf' des vorliegenden Gesetzes beabsichtigte die Regelung des Urheberrechts an den unter 1 u. 2 gedachten Erzeugnissen. Der Abschnitt, welcher von den Werken der bildenden Kunst handelte, wurde indeß vom Plenum des Reichstages gestrichen. (Sten. Ber. S. 99.) Zeichnungen und Abbildungen, welche einen ästhetischen Zweck verfolgen (1), find daher nicht Gegenstand des Gesetzes. R.O.H.G. I v. 6. Okt. 1871, Entsch. 3 S. 315. (7. A.) Sie fallen in den Bereich des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, v. 9. Jan. 1876. Industrielle Zeichnungen (3) gehören hierher nur dann, wenn sie zur Belehrung über die dargestellten Gegenstände bestimmt,' resp, zum Gegenstände des Vertrags gemacht sind; hiervon abgesehen find sie nur insofern geschützt, als die Bedingungen des Gesetzes, betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen, v. 11. Jan. 1876 erfüllt sind. ’ Klostermann a. a. O. S. 65. Den Schutz der Photographiern gegen unbefugte Nachbildung regelt das Gesetz v. 10. Jan. 1876. (6. A.) Die §§. 43 u. 44 des Gesetzes v. 11. Juni 1870 beziehen sich demnach nur auf die unter Nr. 2 gekennzeichneten Abbildungen, durch welche nicht sowohl künstlerische als vielmehr wissenschaftliche Ideen veranschaulicht werden. Auf den literarischen Werth der Zeichnung kommt es dabei nicht an. (Anm. 1 zu §. 1.) O.Tr. Sen. für Straff, v. 31. März 1870, Oppenhoff, Rechtspr. 11 S. 215. Zu den Abbildungen im Sinne des §. 43 sind namentlich gezählt worden: Landkarten aller Art, Globuskarten, Wandkarten, Stadlpläne (Heydemann und Dambach, die Preuß. Nachdrucks-Ge­ setzgebung S. 464, 484, 490, 493, 496), anatomische, botanische, mineralogische Abbildungen, Darstel­ lungen von Maschinen, Geräthen rc. (Komm.-Ber. S. 19). Auch Post- und Reisespiele, sowie Modellirkartonbogen für Kinder hat der literarische Sachverständigen-Berein in Berlin, weil dadurch ein belehrender Zweck verfolgt wird, gegen mechanische Vervielfältigung schützen wollen. Heydemann und Dambach a. a. O. S. 118 und 511. (7. A.) Streitig ist, ob plastische Abbildungen nach §. 43 den Schutz des Gesetzes genießen. Dafür: Man dry a. a. O. S. 268 und mit gewissen Einschränkungen auch Klostermann' S. 65; dagegen: Wächter, Autorrecht S. 290, und namentlich Endemann S. 71. Die Motive des Gesetzentwurfs beantworten die Fragen ebenso wenig wie der Kommissionsbericht. Die ganze Bestim­ mung des §.43 scheint indeß, wie Endemann hervorhebt, von einer Gleichstellung der Abbildungen mit den Zeichnungen auszugehen und deshalb die Verneinung der gestellten Frage zu fordern. Wenn dies richtig ist, so bleibt den plastischen Abbildungen nur der'Musterschutz, sofern dessen Voraussetzun­ gen nach dem Gesetze v. 11. Jan. 1876 erfüllt sind. Vergl. Klostermann a. a. O. (6. A.) Im klebrigen ist es, wenn an sich §. 43 anwendbar ist, gleichgültig, wie die mechanische Vervielfältigung hergestellt ist, ob durch Stiche, Steindruck, Photographie u. s. w. Endemann S. 71. Im Reichstage wurde beantragt, die Nachbildung des Originals in einem von diesem abwei­ chenden Maßstabe zu gestatten. Der Antrag wurde indeß verworfen. Sten. Ber. S. 82. In der Berichtigung eines älteren Stadtplans nach einem neueren Plan liegt keine unbefugte Nachbildung des letzteren. R.O.H.G. I v. 7. Okt. 1873, Entsch. 11 S. 165.

100) rathungen gestatten. Autorrecht

(6. A.) Das Werk braucht nicht gerade ein wissenschaftliches zu sein. Bei den Be­ des Entwurfes in Leipzig wollte man die Ausnahme nur in ein wissenschaftliches Werk Doch ist später hiervon abgesehen worden. Dambach, Urheberrecht S. 218; Wächter, S. 293.

1) (6. A.) Nach §. 7 a kann auch die Beifügung einer einzelnen Abbildung, welche nicht in einem anderen Werke erschienen, sondern selbständig veröffentlicht ist, als Nachdruck nicht angesehen wer­ den. §. 43.

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

Hauptsache erscheint und die Abbildungen nur zur Erläuterung des Textes u. s. w. dienen.

883 Auch

muß bej Urheber oder die benutzte Quelle angegeben sein, widrigenfalls die Strafbestimmung im

§. 24 Platz greift. in.

§. 45.

Musikalische Kompositionen.

Die Bestimmungen in den §§. i bis 5, 8 bis 42

finden auch Anwendung auf das

ausschließliche Recht des Urhebers zur Vervielfältigung musikalischer Kompositionen *).

§. 46.

Als Nachdruck sind alle ohne Genehmigung des Urhebers einer musikalischen Kompost-

tion herausgegebenen Bearbeitungen derselben anzusehen, welche nicht als eigenthümliche Komposi­ tionen betrachtet werden können, insbesondere Auszüge aus einer musikalischen Komposition, Arran­ gements für einzelne oder mehrere Instrumente oder Stimmen8), sowie der Abdruck von einzelnen

Motiven oder Melodien eines und desselben Werkes, die nicht künstlerisch verarbeitet fmb4 2 ).35 6 §♦ 47.

Als Nachdruck ist nicht anzusehen: das Anführen einzelner Stellen 5) eines bereits ver­

öffentlichten Werkes der Tonkunst, die Aufnahme bereits veröffentlichter kleinerer Kompositionen in

ein nach seinem Hauptinhalte selbstständiges wissenschaftliches Werk8), sowie in Sammlungen von Werken verschiedener Komponisten zur Benutzung in Schulen,

ausschließlich der Musikschulen 7).

Vorausgesetzt ist jedoch, daß der Urheber oder die benutzte Quelle angegeben ist, widrigenfalls die Strafbestimmung des §. 24 Platz greift. 2) (6. A.) Das Tonwerk genießt hiernach denselben Schutz wie das Schriftwerk. Mot. S. 39. Auf den inneren Gehalt wird auch hier nicht gesehen. Wesentlich ist nur, daß die Komposition eine geistige Schöpfung darstellt, welche zur mechanischen Vervielfältigung und zum Vertriebe geeignet ist. Unter dieser Voraussetzung sind bloße Fingerübungen im Klavierspiel ebenso geschützt, wie musikalische Improvisationen, deren Veröffentlichung seitens des Komponisten gar nicht beabsichtigt war. Man dry a. a. O. S.196; Wächter, das Verlagsrecht S. 159; Dambach S. 220 u. 221; Endemann S. 72. Bergt, auch das Erk. des O.Tr'. v. 18. Dez. 1863, J.M.Bl. 1864 S. 55.

3) (6. A.) Auszüge, namentlich Klavierauszüge, überhaupt vereinfachte Darstellungen ganzer, insbesondere Partiturwerke (En de mann S. 74), Arrangements und Transskriptionen sind unbedingt verboten, wenngleich sie „ost mit großem Geschick und mit Erfindung den Effekt des Originals unter anderen Bedingungen, z. B. für andere Instrumente, hervorzubringen' suchen." Mot. S. 39; Kouun.Ber. S. 20; D a m b a ch S. 224.

4) (6. A.) Der Sinn ist der: Einzelne Motive und Melodiken eines und desselben Werkes dürsen nicht abgedruckt, wohl aber künstlerisch verarbeitet werden. Endemann S. 74. „Das musikalische Werk soll, wie das literarische, gegen mechanische Ausbeutung geschützt, aber der geistigen Verarbeitung zugänglich sein. Das Alte soll zur Anregung für dds Neue dienen, aber dieses Neue selbst soll eine eigenthümliche Leistung und nicht eine äußerliche Umgestaltung frem­ der Arbeit sein." Komm.-Ber. S. 20. Nach diesem Prinzip entscheidet sich auch die Frage, ob Va­ riationen, Phantasieen, Etüden über ein Thema gestattet sind. Das französische Recht verneint die Frage, das baierische Gesetz v. 28. Juni 1865 (Art. 22) bejahte sie. Nach dem vorliegenden Gesetze liegt darin kein Nachdruck, wenn die Komposition eine eigenthümliche ist. Dahn, in der Zeit­ schrift für Gesetzgebung re. 5 S. 66. Dasselbe gilt auch'von Potpourris. Die bloß mechanische Nachbildung ist hauptsächlich daran zu erkennen, daß die Verbindung der fremden Melodieen und Motive durch künstlerisch unselbständige Uebergänge hergestellt'ist. Entwurf des Bundes­ raths §.48; Gutachten des musik. Sachv.-Vereins in Berlin v. 24. August 1860, J.M.Bl. 1863 S. 63; Dambach S. 225; Wächter, Verlagsrecht S. 596 Note 5.' (7. A.) Bergl. überhaupt Wächter, Autorrecht S. 294—312; Klo st er mann, das geistige Eigenthum 1 S. 171 ff. und das Urheberrecht (1876) S. 66, 67, 220, 221. 5) (6. A.) Einzelne Stellen — d. h. Takte — sind nicht identisch mit kleineren Theilen eines bereits veröffentlichten Tonwerks. Letztere dürfen nicht, wie nach §. 7 a bei Schriftwerken, mit abgedruckt werden. Endemann S. 76; (7. A.) Wächter, Autorrecht S. 305. 6) (6. A.) Die Aufnahme kleinerer Kompositionen in ein selbständiges musikalisches Werk ist hiernach nicht erlaubt. Die Frage aber, ob das Werk seinem Wesen nach ein wissen­ schaftliches oder ein musikalisches ist, kann nur nach der Lage des einzelnen Falles beant­ wortet werden. Endemann a. a. O. (7. A.) Gegen den ersten Satz, sofern das musikalische Werk zugleich ein wissenschaftliches ist, Wächter, Autorrecht S. 307 Note 20. 7) (6. A.) Sammlungen von Werken verschiedener Komponisten dürfen nur zum S ch u l ge­ brauch veranstaltet werden. Darin liegt eine wesentliche Abweichung von dem Prinzip des §. 7 a, nach welchem auch Sammlungen zu einem eigenthümlichen literarischen Zwecke zulässig sind. Auf den Charakter der Schule kommt es nicht an, ebenso wenig daraus, ob die Sammlung beim Mnsik-

Erster Theil.

884 §. 48.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§.48—50.)

Als Nachdruck ist nicht anzusehen: die Benutzung eines bereits veröffentlichten Schrift­

werkes als Text zu musikalischen Kompositionen, sofern der Text in Verbindung mit der Komposi­ tion abgedruckt wird 8 * ). ******

Ausgenommen sind solche Texte, welche ihrem Wesen nach nur für den Zweck der Komposition

Bedeutung haben, namentlich Texte zu Opern oder Oratorien 9).10 11 Texte 12 dieser Art dürfen nur un­

ter Genehmigung ihres Urhebers mit den musikalischen Kompositionen zusammen abgedruckt werden. Zum Abdruck des Textes ohne Musik ist die Einwilligung des Urhebers oder seiner Rechts­

nachfolger erforderlich 1 °).

§. 49.

Die Sachverständigen-Vereine, welche nach Maßgabe des §. 31 Gutachten über den

Nachdruck musikalischer Kompositionen abzugeben haben, sollen aus Komponisten, Musikverständigen und Musikalienhändlern bestehen"). IV.

Oeffentliche Aufführung dramatischer, musikalischer oder dramatisch­ musikalischer Werke.

§. 50.

Das Recht, ein dramatisches, musikalisches oder dramatisch-musikalisches Werk öffentlich

aufzuführen, steht dem Urheber und dessen Rechtsnachfolgern (§. 3) ausschließlich zu ").

oder Turnunterricht benutzt werden soll. Musikschulen sind ausgeschlossen, weil die Komponisten und Verleger auf den Absatz ihrer Werke in solchen Schulen vorzugsweise rechnen müssen. Komm.Ber. S. 21. Jene Abweichung von dem Prinzip rechtfertigt sich durch den verschiedenen Charakter kleinerer Musikstücke und kleinerer Schriftwerke: während jedes Erzeugniß der Tonkunst, auch wenn sein Um­ fang noch so gering ist, zum selbständigen Verlag und Vertrieb sich eignet, läßt sich dies von einem einzelnen Gedicht in den meisten Fällen nicht behaupten. Mot. S. 40; Komm.-Ber. S. 21. Die Frage nach der Zulässigkeit von Quodlibets, d. h. von Tonwerken, die aus lauter ein­ zelnen Takten fremder Kompositionen zusammengesetzt sind, entscheidet sich nach dem Prinzip des §. 46. Vergl. Wächter, Verlagsrecht S. 595, Autorrecht S. 305, und Dambach S. 226. 8) (6. A.) Diese Bestimmung ist im Interesse der musikalischen Komposition unentbehrlich. Mot. S. 40. Der Gedanke, welcher ihr zu Grunde liegt, ist der, daß die Verbindung des Textes mit der Komposition ein selbständiges Geisteswerk erzeugt', mithin als Nachdruck des Textes nicht angesehen werden kann. Es ist aber sestzuhalten, daß der Text zu der Musik benutzt sein muß und daß die Benutzung nur dem Komponisten zusteht. Wer also eine fremde Melodie abschreibt und ein frem­ des Gedicht, welches darnach gesungen werden kann, darunter setzt und diese Zusammenstellung ver­ vielfältigt, der begeht einen Nachdruck. Kramer, die Rechte der Schriftsteller und Verleger (1827) @.107; Wächter, Verlagsrecht S. 601 u. 602, Autorrecht S. 296. Schriftwerke, welche noch nicht gedruckt sind, dürfen ohne Genehmigung ihres Autors auch nicht zu musikalischen Kompositionen verwendet werden. (§. 5a.) Denn das Gesetz gestattet dem Komponisten nicht die Veröffentlichung eines fremden Werkes, sondern nur die Benutzung desselben, nachdem der Autor von dem aus­ schließlich ihm zustehenden Rechte der Veröffentlichung bereits Gebrauch gemacht hat. 9) (6. A.) Solche Texte können nicht freigegeben werden, wenn sie nicht ihren Verlagswerth ver­ lieren sollen. Mot. S. 40.

10) (6. A.) Vorausgesetzt ist ein Text, der bereits mit einer Komposition verbunden ist. Ende­ mann S. 77. Nur in' dieser Verbindung wurzelt das Recht des Komponisten zur Verwerthung des Textes. „Außerhalb des musikalischen Organismus bleibt der Text ein für den Komponisten frem­ des Nechtsobjekt." Wächter, Verlagsrecht S. 601. Textbücher zu Opern, Oratorien, Kantaten u. s. w. dürfen daher ohne Genehmigung des Autors nicht gedruckt werden. (7. A.) Klostermann S. 68. 11) (6. A.) Siehe die Instruktion v. 12. Dez. 1870, oben in der Anm. 79 zu §. 31. 12) (6.21.) Man kann dieses Recht auf die aus dem Urheberrecht fließende Befuaniß deö Autors, ausschließlich über die Art und den Umfang der Veröffentlichung seines Werkes zu befinden, zurück­ führen. Allein in der Praxis hat weniger diese Erwägung ais vielmehr die Rücksicht auf die dem Urheber zustehende vermögensrechtliche Nutzung an dem Erzeugnisse seines Geistes dahin geführt, die öffentliche Ausführung eines Werkes von der Genehmigung des Verfassers abhängig zu machen. Wächter, Verlagsrecht S. 630 ff. und Autorrecht S. 314. Nach dem älteren Recht war diese Ge­ nehmigung bei ungedruckten Werken unbedingt (O.Tr. v. 6. April 1835, Simon, Rechtspr. 4 S. 232), bei den durch den Druck veröffentlichten Werken nur dann erforderlich, wenn der Autor das Recht, die Erlaubniß zur Aufführung zu ertheilen, durch einen Vermerk auf dem Titelblatt sich Vor­ behalten hatte. Ges. v. n.Juni 1837 §. 32 und v. 20. Febr. 1854 §. 2. Das vorliegende Gesetz hat, mit einer Ausnahme bei musikalischen Werken (§. 50 Abs. 2), den Unterschied zwischen gedruckten und ungedruckten Werken, sowie den Vorbehalt als eine überflüssige Formalität fallen lassen. Mot.

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

885

In Betreff der dramatischen und dramatisch-musikalischen Werke ist eS hierbei gleichgültig, ob das Werk bereits durch den Druck rc. veröffentlicht worden ist oder nicht18). welche durch Druck veröffentlicht-worden sind,

anfgeführt werden,

Musikalische Werke,

können ohne Genehmigung des Urhebers öffentlich

falls nicht der Urheber auf4 bem Titelblatt oder an der Spitze des Werkes sich

das Recht der öffentlichen Aufführung vorbehalten hat").

S. 41; Komm.-Ber. S. 23. Es verbietet die öffentliche Aufführung ohne Genehmigung des Autors. (7. A.) Fehlt diese Genehmigung, so ist die Aufführung eine unbefugte. „Die unbefugte Ausführung bildet den Grund der Delikts klage, ist daher von dem Entschädigung oder Strafe be* ansprnchenden Kläger zu behaupten." Des Beweises dieser Behauptung aber'ist der Urheber über­ hoben, da ihm die Befugniß zur Aufführung ausschließlich zusteht, die Vermuthung mithin für die Unbefugtheit der nicht von ihm veranstalteten Aufführung spricht. R.O.H.G. I v. 21. April 1874, Entsch. 16 S. 333 u. 334; Wächter, Autorrecht S. 337. Die Genehmigung des Autors ist also von demjenigen zu beweisen, der dessen Werk aufführen läßt. Daß sie ausdrücklich erklärt sein müsse, ist nicht vorgeschrieben. Sie kann mithin auch durch konkludente Handlungen erfolgen. Wächter, Autorrecht S. 319. Im Zweifel ist an­ zunehmen, daß die Genehmigung des Autors eine örtlich beschränkte ist. Der Leiter (Direktor) einer stehenden Bühne, den der Autor zur Aufführung seines Werkes ermächtigt hat, kann daher, wenn nicht besondere Vereinbarungen oder Umstände eine andere Auffassung rechtfertigen, bloß aus der ihm ertheilten Ermächtigung ein Recht zur Aufführung nur an dieser Bühne herleiten. An einer anderen Bühne darf er das Stück nicht geben, selbst wenn er seine bisherige Stellung aufgege­ ben hat. Wächter S. 321; Klosterm ann S. 157. Die örtliche Beziehung der Genehmigung zur Aufführung rechtfertigt aber andererseits auch den Schluß, daß dieselbe für die Bühne unab­ hängig von der Person des Leiters derselben ertheilt ist. Es bestand in und außerhalb Deutschland der Gebrauch, und zwar schon vor Erlaß des Gesetzes v. 11. Juni 1870, „daß ein gegen einmalige Honorarzahlung dem jeweiligen Leiter einer stehenden Bühne zur Ausführung überlassenes drama­ tisches oder dramatisch-musikalisches Werk als „der Bühne" überlassen galt, d. h. auch von jedem nach­ folgenden Unternehmer des gleichen Theaters ohne nochmalige Vereinbarung oder Honorarzahlung aufgesührt werden durfte." Dieser Gebrauch aber dient zur Ergänzung der unter seiner Herrschaft ge­ schlossenen Verträge, indem davon auszugehen ist, daß die Kontrahenten das in Fällen dieser Art Uebliche, Gewöhnliche wollen. Hieran hat das Gesetz v. 11. Juni 1870 nichts geändert. Die vor^ seinem Erlaß einem Theater eingeräumten Aufführungsrechte können daher von dem zeitweiligen Di­ rektor nach wie vor ausgeübt werden. R.O.H.G. a. ä. O. S. 337 ff. Wie man sich das Verhältniß juristisch zurechtlegen kann, darüber ergeben die weiteren Ausführungen S. 359 ff. daselbst das Nähere. Vergl. auch Nissen, von der Uebertragbarkeit des Rechts zur Aufführung dramatischer Werke rc., in Goldschmidts Zeitschrift für das' gesammte Handelsrecht Bd. 18 S. 346—364; Wächter S. 320, Klostermann S. 155—158. (6. A.) Die Ausführung eines Musikstückes besteht in der musikalischen Wiedergabe des In­ halts der Komposition. Bei dramatischen und bei dramatisch-musikalischen Werken dagegen läßt sich von einer Aufführung nur sprechen, wenn die Darstellung „mit vertheilten Rollen und mit scenischer Handlung" erfolgt. Klostermann, das geistige Eig. 1 S. 404. Die Aufführung in Privatgesellschaften ist gestattet. Denn der Autor hat ein Interesse nur an der öffentlichen Aufführung, weil nur mit dieser regelmäßig eine vermögensrechtliche Nutzung verbunden ist. Wächter, das Verlagsrecht S. 633. Der Begriff der Oeffenttichkeir aber ist thatsächlicher Natur. Entscheidend ist, daß der Zutritt zu der Aufführung nicht auf einen bestimm­ ten Kreis von Personen beschränkt ist. Dahn a. a. O. S. 70. Doch kann auch eine sogenannte Abonnementsvorstellung und die Aufführung in einem Liebhabertheater oder einem Gesangverein den Charakter der Oeffentlichkeit tragen. Mot. S. 42. Ende mann S. 79. Die bloße Vorlesung ist nicht verboten. K l o st e rm a n n, Urheberrecht (1871) S. 39. (7. A.) In der Ermächtigung zur Aufführung liegt an sich nicht die Ermächtigung zum Druck. Wenn jedoch das Werk bisher nicht gedruckt oder die gedruckten Exemplare vergriffen sind, so enthält die Genehmigung zur Aufführung die Ermächtigung zu einer diesen Zweck nicht überschreitenden Ver­ vielfältigung^ Wächter, Autorrecht S. 322;' K l o st e r m a n n, Urheberrecht (1876) S. 154.

13) (6. A.) Vergl. §§. 1 u. 5a. 14) (6. A.) Der Entwurf des Bundesrathes beabsichtigte, musikalische Werke gegen öffentliche Auf­ führung nur so lange zu schützen, als sie noch nicht gedrückt wären. Motivirt war dies wie folgt: „Wenn die Komposition gedruckt ist, so fordert es die Sitte des musikalischen Verkehrs, daß ihre Auf­ führung gestattet sei. Es würde kaum möglich sein, ein Konzert mit neueren Kompositionen zu Stande zu bringen, wenn es verboten sein sollte, Sonaten, Symphonieen rc., obwohl sie im Buchhandel er­ schienen' sind, ohne Genehmigung des Komponisten öffentlich vorzutragen. Auch fordert das eigene Interesse des Autors die möglichste Verbreitung seiner Kompositionen durch öffentliche Aufführung." Mot. S. 41. Die Kommission des Reichstages hielt es indeß für billig, dem Komponisten das Recht

Erster Theil.

8ö6

Eilfler Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 50—56.)

Den: Urheber wird der Berfasser einer rechtmäßigen Uebersetzung des dramatischen Werkes in Beziehung

auf

das

ausschließliche Recht

zur öffentlichen

Aufführung

dieser Uebersetzung

gleich

geachtet15). Die öffentliche Aufführung einer rechtswidrigen Uebersetzung (§. 6) oder einer rechtswidrigen Bearbeitung (§. 46) des Originalwerkes ist untersagt16).

§. 51.

Sind mehrere Urheber vorhanden, so ist zur Veranstaltung der öffentlichen Aufführung

die Genehmigung jedes Urhebers erforderlich17). Bei musikalischen Werken, zu denen ein Text gehört, einschließlich der dramatisch-mustkalischen Werke, genügt die Genehmigung des Komponisten attein 18). §.52.

In Betreff der Dauer des ausschließlichen Rechts zur öffentlichen Aufführung kommen

die §§. 8 bis 17 zur Anwendung. Anonyme und pseudonyme Werke, welche zur Zeit ihrer ersten rechtmäßigen öffentlichen Auf­

führung noch nicht durch den Druck veröffentlicht sind, werden dreißig Jahre vom Tage der ersten rechtmäßigen Aufführung an, posthume Werke dreißig Jahre vom Tode des Urhebers an gegen un­

befugte öffentliche Aufführung geschützt19).

Wenn der Urheber des anonymen oder pseudonymen Werkes oder sein hierzu legitimirter Rechts­ nachfolger innerhalb der Frist von dreißig Jahren den wahren Namen des Urhebers vermittelst Ein­

tragung in die Eintragsrolle (§. 39) bekannt macht, oder wenn der Urheber das Werk innerhalb derselben Frist unter seinem wahren Namen veröffentlicht, so gelangt die Bestimmung des §. 8 zur

Anwendung 20). §. 53. Bei dramatischen, musikalischen und dramatisch-musikalischen Werken, welche noch nicht mechanisch vervielfältigt, aber öffentlich aufgeführt worden sind, gilt bis zum Gegenbeweise derjenige

als Urheber, welcher bei der Ankündigung der Aufführung als solcher bezeichnet worden ijl21). auf einen Antheil an dem Gewinne, der durch die öffentliche Aufführung seines Werkes erzielt würde, zu wahreu. Deshalb fügte sie deu Satz „falls nicht rc." hinzu. Komm.-Ber. S. 24. Bergt. Dahn a. a. O. S. 68. (7. A.) Wächter, Autorrecht S. 315 und 329. (6. A.) Der Vorbehalt ist aber nicht bloß auf der ersten Ausgabe, wie die Kommission wollte, sondern auf jedem Exemplar jeder Ausgabe zu machen. Sten. Ber. S. 92. Eine besondere Form dafür ist nicht vorgeschrieben. Es ist daher namentlich nicht nöthig, daß der Name des Komponisten unter dem Borbehalt steht. Nach dem Gesetz v. 20. Febr. 1854 '§. 2 war dies unerläßlich.

15) (6. A.) Weil nach dem letzten Absätze des §. 6 Uebersetzungen den gleichen Schutz gegen Nachdruck wie die Originalien genießen. Selbstverständlich kann der Uebersetzer nur die Aufführung seiner Uebersetzung verbieten. Dahn a. a. O. S. 68; (7. A.) Wächter, Autorrecht S. 317. 16) (6. A.) Vergl. §. 6 b u. c.

17) (6. A.) Siehe §. 9 u. die Anm. 26 dazu.

Vergl. auch Wächter S. 316.

18) (6. A.) Die Genehmigung des Komponisten genügt auch dann, wenn einzelne Stellen des Textes nicht gesungen, sondern gesprochen werden. Da mb ach S. 240. Andererseits ist die Geneh­ migung des Dichters erforderlich zur Ausführung von dramatischen Werken, in denen Musikpiecen Vorkommen, ohne daß dadurch das Drama den Charakter der Oper annimmt. Mandry a. a. O. S. 317; Dahn S. 71; Endemann S. 81.

19) (6. A.) Die Vorschrift entspricht der Bestimmung des §. 11 Abs. 3. Nach dem Gesetze v. 11. Juni 1837 §.32 wurden posthume Werke nur 10 Jahre lang, vom Tode ihres Autors ab, gegen öffentliche Ausführung geschützt. Vergl. den Bundesbeschl. v. 12. März 1857 Nr. i. 20) (6. A.) Die erstere Alternative bezieht sich auf Werke, die noch nicht gedruckt sind; sind sie gedruckt, so entscheidet §. 11 Abs. 4. Die zweite Alternative stellt der Eintragung in die Eintragsrolle die Veröffentlichung unter dem wahren Namen des Autors gleich. 21) (6. A.) Die Vorschrift bezweckt, die Führung der Legitimation des Autors und beziehungs­ weise der Rechtsnachfolger desselben bei solchen Werken, welche öffentlich anfgeführt werden können, zu erleichtern. Folgende Fälle sind dabei zu unterscheiden: a) Ist das Werk bisher weder mechanisch vervielfältigt, noch öffentlich aufgeführt, so muß der­ jenige, welcher dasselbe verfaßt zu haben behauptet, diese Behauptung beweisen. Eine Rechtsvermuthnng besteht nicht. Allg. Ger.-O. I Eint. §. 16 und Tit. 13 §.28. b) Wenn dagegen das noch nicht mechanisch vervielfältigte Werk öffentlich aufgeführt ist, so spricht die Vermuthung für die Autorschaft desjenigen, welcher bei Ankündigung der Aufführung als Ver­ fasser genannt ist. Dies ist der Fall des §. 53. Ueber anonyme und pseudonyme Werke ist keine

Bon dem Urheberrecht uu Schriftwerken rc.

54.

887

Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit ein dramatisches, musikalisches oder dramatisch

musikalisches Werk vollständiger) oder mit unwesentlichen Aenderungen unbefugter WeiseS8) öffent­ lich aufführt 2 4), ist den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird

außerdem mit einer Geldstrafe nach Maßgabe der §§. 18 und 23 bestraft -8). Auf den Veranlasser der unbefugten Aufführung findet der §. 20 mit der Maßgabe Anwen­

dung, daß die Höhe bet Entschädigung nach §. 55 zu bemessen ist26).

§. 55.

Die Entschädigung, welche dem Berechtigten im Falle des §. 54 zu gewähren ist, be­

steht in dem ganzen Betrage der Einnahme von jeder Aufführung ohne Abzug der auf dieselbe ver­ wendeten Kosten2?). Ist das Werk in Verbindung mit anderen Werken anfgeführt worden, so ist, unter Berücksich­

tigung der Verhältnisse, ein entsprechender Theil der Einnahme als Entschädigung festzusetzen. Wenn die Einnahme nicht zu ermitteln oder eine solche nicht vorhanden ist, so wird der Betrag der Entschädigung vom Richter nach freiem Ermessen festgestellt.

Trifft den Veranstalter der Aufführung kein Verschulden, so haftet er dem Berechtigten auf

Höhe seiner Bereicherung28). §. 56.

Die Bestimmungen in den §§. 26 bis 42 finden auch in Betreff der Aufführung von

dramatischen, musikalischen und dramatisch-musikalischen Werken Anwendung. Bestimmung getroffen. Der Autor muß daher, wenn er seine Eigenschaft als solcher darthun will, aus der Anonymität resp. Pseudouymität heraustreten. Komm.-Ber. S. 25. c) Ist das Werk bereits mechanisch vervielfältigt (gedruckt), so kommen lediglich die Grundsätze des §. 28 zur Anwendung. Dambach S. 243.

22) (6. A.) „V oll ständig" heißt nicht so viel, wie „von Anfang bis zu Ende", sondern ist gleichbedeutend mit „unverändert". Das ergießt sich aus dem Gegensatz „oder rc." Daß die Aufführung auch nur Eines Aktes ohne Genehmigung des Autors unstatthaft ist, darf nach §. 4 Abs. 2 nicht bezweifelt werden. Klostermann, Urheberrecht (1871) S. 39; Endeman n S. 80 u. 84; Bayerisches Gesetz v. 28. Juni 1865 Art. 41. Daher ist es auch nicht bloßer Versuch, wenn die Aufführung eines Stückes abgebrochen und nicht wieder ausgenommen wird. Dam dach S. 247 u. 250. ' 23) (6. A.) Ein Theaterdirektor hatte die Befugniß zur Aufführung eines Stückes daraus her­ leiten wollen, daß bereits seine Vorgänger in der Direktion dasselbe Stück gegeben hätten. Er wurde jedoch wegen unbefugter Aufführung v'erurtheilt, da er den Erwerb der Befugniß seinerseits nicht nachwies. R.O.H.G. II v. 4. Sept. 1872, Entfch. 7 S. 49. (7. A.) Diese Entscheidung steht nicht in Widerspruch mit dem Urtheil des R.O.H.G. I v. 21. April 1874, ebenda 12 D. 358. 24) (6. A.) Ueber den Begriff der öffentlichen Aufführung siehe die Anm. 12 zu §♦ 50. 25) (6. A.) Nur für die Geldstrafe sind die §§. 18 u. 23 allegirt. Die Entschädigung bestimmt sich nach §. 55. Gleichwohl kann auch hier auf eine an den Urheber oder dessen Rechtsnach­ folger zu erlegende Buße erkannt werden. Die Entstehungsgeschichte des §. 18 Abs. 4 ergießt nämlich, daß dort die Worte „statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädigung" gerade um deswillen gewählt sind, nm auch die Entschädigung, welche dem Berechtigten nach §§. 54 u. 55 zu leisten ist, mitzuumfassen. Sten. Ber. S. 58 ff., 107. Die Bestimmungen des §.21 dagegen sind aus den Fall der unerlaubten Aufführung nicht an­ wendbar. Das hindert indeß die Polizeibehörde nicht, eine ohne Genehmigung des Autors veranstal­ tete Vorstellung zu inhibiren und die dabei gebrauchten Hülfsmittel mit Beschlag'zu belegen. Zu einer Einziehung (Konfiskation) kann aber eine solche Beschlagnahme nicht führen. Dambach S. 253, (7. A.) Wächter Autorrecht S. 336. 26) (6. A.) Während der erste Absatz die rechtlichen Folgen für den Veranstalter festsetzt, bezieht sich der zweite Absatz auf den Veranlasser der unbefugten Aufführung. Die Strafbarkeit und Ersatzpflicht der T h e i l n e h m e r an der unerlaubten Handlung des Thäters bestimmt sich nach den gewöhnlichen Regeln. Siehe die Anm. 51 zu §. 20. Daß darnach auch Schauspieler, Sän­ ger u. s. w. zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie von dem Mangel der Genehmi­ gung des Autors zu der Vorstellung Kenntniß hatten, ist nicht zweifelhaft. Dambach S. 249.

27) (6. A.) Das Motiv für diese Bestimmung lag für den Gesetzgeber in der Erwägung, daß der Autor der Regel nach gar nicht im Stande ist, den Beweis zu führen, daß er durch die Auffüh­ rung seines Stückes einen Schaden erlitten habe. Mot. S. 43. In vielen Fällen wird überhaupt eine Beschädigung des Verfassers nicht stattgefunden haben. Die Entschädigung, welche ihm indeß gleichwohl zu leisten ist, hat dann die Natur einer Privatstrafe. Komm.-Ber. S. 25. R.O.H.G. I v. 16. Mai 1873, Entsch. 10 S. 116. 28) (6. A.) Die Bereicherung wird in der Regel der Nettoeinnahme aus der unbefugten Auf-

Erster Theil. Eilfter Titel.

888

V.

§. 57.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§.57—58.)

Allgemeine Bestimmungen.

Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1871 in Kraft.

Alle früheren, in

den einzelnen Staaten des Norddeutschen Bundes geltenden, rechtlichen Bestimmungen in Beziehung auf das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen

Werken treten von demselben Tage ab außer Wirksamkeit33). §. 58. Das gegenwärtige Gesetz fiiibet auf alle vor dem Inkrafttreten desselben erschienenen

Schriftwerke, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen -Werke Anwendung, selbst wenn dieselben nach den bisherigen Landesgesetzgebungen keinen Schutz gegen Nachdruck, Nachbil­ dung oder öffentliche Aufführung genossen fjatien 30 * * ). * * 29

sührung gleichkommen. Die Klage unterscheidet sich von der Bereicherungsklage des §. 18 Abs. 6 dadurch, daß letztere die Bereicherung des Verklagten nur bis zum Betrage des dem Kläger zugefügten Schadens ergreift, während hier ein Schade überhaupt nicht nachgewiesen zu werden braucht. (Anm. 47 zu §. 18.) Bergt. Endemann S. 85; Dambach S. 251.' 29) (6. A.) Siehe die Anm. * Abs. 5 u. 6 zur Ueberschrift des Gesetzes. 30) (6. A.) Durch diese Vorschrift hat das Gesetz nicht ohne Weiteres sich rückwirkende Kraft beigelegt. Denn die rückwirkende Kraft eines Gesetzes besteht in der Anwendung desselben aus frühere Fälle und in der damit verbundenen Verletzung wohlerworbener Rechte. Förster, Theorie und Praxis, 3. Aust. 1 S. 37. Das vorliegende Gesetz aber kann nur ausnahmsweise zu einer Rechts­ verletzung führen. Folgende Fälle sind zu unterscheiden: a) Die Frage, ob ein Schriftwerk rc. überhaupt gegen Vervielfältigung und Veröffentlichung beziehungsweise öffentliche Aufführung geschützt und wie länge der Schutz zu gewähren ist, entscheidet sich lediglich nach dem neuen Gesetz. Die Aufführung eines durch den Druck veröffentlichten Dramas mithin, welches früher von Jedermann aufgeführt werden durfte, weil der Verfasser das ausschließ­ liche Recht der Aufführung durch einen Vermerk auf dem Titelblatte sich nicht gewahrt hatte (Ges. v. 20. Febr. 1854 §. 3), ist seit dem i.Jan. 1871 ohne Genehmigung des Autors nicht mehr gestattet. Dasselbe gilt, wenn die frühere zehnjährige Schutzfrist, nicht aber die dreißigjährige Frist, welche das gegenwärtige Gesetz den Erben des Autors nach dessen Tode gewährt, am 1. Jan. 1871 bereits abaelanfen war. Es wird also durch das Gesetz ein Urheberrecht (das Recht der Aufführung), welchebisher nicht existirte, neu geschaffen und ein verlorener Rechtsschutz wiederhergestellt. R.O.H.G. I v. 16. Mai 1873, Entsch. 10 S. 121. Dadurch aber werden wohlerworbene Rechte nicht verletzt. Denn Niemand war berechtigt, zu verlangen, daß ihm die Aufführung eines Dramas, welcher vor dem i.Jan. 1871 Nichts im Wege stand, auch nach diesem Termin ohne Erlaubniß des Autors oder der Rechtsnachfolger desselben gestattet würde. (7. A.) Nicht so einfach liegt die Frage nach dem Einfluß des neuen Gesetzes auf bestehende Ver­ träge, durch welche der Autor sein Werk nt Verlag gegeben oder die Aufführung an einer bestimmten Bühne gegen Honorar gestattet hat. Soll hier, wenn das Werk zur Zeit des Vertragsabschlusses überhaupt' nicht oder nicht mehr geschützt gewesen, oder die damals gewährte Schutzfrist abgelaufen ist, der Vertrag durch das Gesetz vom n. Juni 1870 oder durch den Ablauf der ursprünglichen Schutzfrist aufgehoben sein, oder in Kraft bleiben; die Neuverleihung des Urheberrechts und die Verlängerung der Schutzfrist durch das neue Gesetz also dem Autor, oder dem Verleger, resp, der Bühne, zu Gute kommen? Vorausgesetzt ist, daß nicht eine unbeschränkte Veräußerung deS Rechtstattgefunden oder die Ausübung desselben nur auf eine bestimmte Zeit überlassen ist; denn in jenem Fall ist der Erwerber ganz an die Stelle des Autors getreten, und in diesem erlischt sein Recht mit dem Ablauf der Zeit. Im Uebrigen ist die Frage in den: Leipziger Theaterprozeß, wo 37 Autoren beziehungsweise deren Rechtsnachfolger durch die „deutsche Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponisten" dem Direktor und Pächter des Leipziger Stadttheaters gegenüber die Erweiterung und Neuverleihung des Schutzrechts für sich in Anspruch nahmen, zu Gunsten der Bühne entschieden. R.O.H.G. I v. 21. April 1874, Entsch. 12 S. 319—366; Wächter, Verlags­ recht S. 156, 324, 325, 330; Klostermann, Urheberrecht (1876) S. 175—185. Das Reichsgericht motivirt seine Entscheidung wesentlich durch Feststellung des Vertragswillens der Betheiligten. „Es entspricht", so heißt es in den Gründen S. 343, „dem vermuthlichen Willen beider Theile, daß dem Erwerber der Ausführungsbefugniß in gleicher Weise die Vortheile eines durch die spätere Gesetzgebung verlängerten oder ertheilten Rechtsschutzes zu Gute kommen, wie ihn die Nachtheile eines durch die spätere Gesetzgebung entzogenen oder verminderten Rechtsschutzes treffen." In einem Urtheil vom 27. November 1874, Entsch. 15 S. 193 ff., ist dieser Ausleguugsgrundsatz gegen wiederholte Angriffe aufrecht erhalten und dabei seine Geltung auch für den Verlagsvertrag behauptet worden. (S. 196.) Gegen die Ausführungen des Reichsoberhandelsgerichts siehe v. Hillern, Streitfragen aus dem Autorrecht mit Bezug auf zwei Entscheidungen rc. 1876, und Klostermann a. a. O.

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

889

Die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandenen Exemplare, deren Herstellung nach der

bisherigen Gesetzgebung gestattet war, sollen auch fernerhin verbreitet werden dürfen, selbst wenn ihre Herstellung nach dem gegenwärtigen Gesetze untersagt ist. Ebenso sollen die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandenen, bisher rechtmäßig angefer­ tigten Vorrichtungen, wie Formen, Platten, Steine, Stereotypabgüsse rc., auch fernerhin zur An­

fertigung von Exemplaren benutzt werden dürfen81). Auch dürfen die beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits begonnenen, bisher gestatteten Verviel­ fältigungen noch vollendet werden.

Die Regierungen der Staaten des Norddeutschen Bundes werden ein Inventarium über die Vorrichtungen, deren fernere Benutzung hiernach gestattet ist, amtlich aufstellen und diese Vorrich­

tungen mit einem gleichförmigen Stempel bedrucken lassen.

Ebenso sollen alle Exemplare von Schrift­

werken, welche nach Maßgabe dieses Paragraphen auch fernerhin verbreitet werden dürfen, mit einem

Stempel versehen werden.

v. Hillern gelangt zu dem Ergebniß, daß die Verlängerung der Schutzfrist die Dauer des Ver­ lagsvertrags nicht beeinflussen könne, und folgert dann weiter, daß dasselbe auch hinsichtlich der Befugniß zur Aufführung gelten müsse. Kl ost er m a nn dagegen will beide Verhältnisse scharf von einan­ der trennen. Was den Verlagsvertrag betrifft, so stimmt er mit v. Hillern überein, indem er davon ansgeht, daß der Verleger nicht der Successor des Autors, das Verlagsrecht vielmehr ein von dem Urheber abgeleitetes Recht sei und als solches mit der Erweiterung oder Neubegründung des Urheberrechts sich nicht von selbst erweitere. Aber auch wenn man in dem Verlagsvertrage eine Veräußerung des Urheberrechts erblicke, so ständen doch die dem Urheber durch das neue Gesetz ver­ liehenen Rechte nicht bent Verleger zu, weil sie nicht aus dem auf denselben übergegangenen Urheberrechte, sondern aus der Urheberschaft entspringen. Ganz anders sei die Rechtsstellung des In­ habers einer Erlaubniß zur öffentlichen Aufführung; er übe nicht wie der Verleger das aus­ schließliche Recht des Autors aus, sondern sei nur frei von dem Rechte des Autors zur Untersagung der Aufführung, und diese Befreiung werde durch die Erweiterung oder Neubegründung des Urheberrechts nicht alterirt. Das R.O.H.G. verwechsele aber offenbar dieses Rechtsverhältniß mit dem Berlagsrechte, habe indeß in der Sache selbst richtig entschieden. (6. A.) Bei posthumen Werken begann der Schutz nach dem Bundesbeschluß vom 19. Ium 1845 Nr. 2 erst mit dem Tage des Erscheinens, während die Schutzfrist nach §. 12 des Ge­ setzes vom 11. Juni 1870 bereits vom Todestage des Autors läuft. Wenn also z. B. das Werk eines im Jahre 1850 verstorbenen Schriftstellers erst im Jahre 1861 herausgegeben ist, so hatten die Erben ein Recht auf Schutz gegen Nachdruck bis 1891 einschließlich. Dieses Recht ist ihnen durch das neue Gesetz insofern verkümmert, als nach demselben das Werk schon mit dem Jahre 1880 den Schutz verliert. Das ist allerdings ein Fall der rückwirkenden Kraft des Gesetzes. Man ist sich dessen bei der Berathung des Entwurfes in der Kommission des Reichstages auch bewußt gewesen; ein Versuch aus der Mitte der Kommission , den am 1. Jan. 1871 bereits erschienenen Werken den längeren Schutz des alten Rechts zu wahren, scheiterte an dem Widerspruch der Majorität. Komm.-Ber. S. 32. Ein zweiter Fall der Rückwirkung des Gesetzes kann bei Übersetzungen Vorkommen, da hier die längere Schutzfrist des alten Rechts auf fünf Jahre verkürzt worden ist. (§. 15.) b) Die Folgen der Verletzung des Urheberrechts bestimmen sich nach dem zur Zeit der Verletzung geltenden Recht. Darauf, wann das Werk entstanden oder erschienen ist, kommt eö nicht an. Die Bestrafung des Nachdrucks indeß erfolgt, auch wenn derselbe vor dem 1. Ian. 1871 begangen ist, nach dem neuen Gesetz, insofern letzteres zu einer milderen Behandlung deS Angeschuldigten führt als das alte Gesetz. Str.G.B. §. 2. Da §. 58 auch solche Schriftwerke rc. schützt, die nach dem bisherigen Recht nicht geschützt wa­ ren, so kann es vorkommen, daß eine Handlung, die vor dem 1. Jan. 1871 erlaubt war, nach die­ sem Zeitpunkt als verboten angesehen wird. Das Verbot wirkt aber nicht zurück. Das Gesetz macht denjenigen, welcher vor dem Eintritt seiner Geltung eine damals rechtmäßige Vervielfältigung vor­ genommen hatte, nicht bloß nicht rechtlich verantwortlich, sondern es erkennt die Rechtmäßigkeit der Vervielfältigung sogar ausdrücklich an, indem es die Ausbeutung der letzteren auch unter seiner Herr­ schaft gestattet. Abs. 2, 3, 4. 31) (7. A.) „Es ist diese Bestimmung hauptsächlich für den Musikalienhandel von Erheblichkeit. Bei musikalischen Kompositionen werden in der Regel nicht feste Auflagen angefertigt, wie von Büchern, sondern es werden von den Platten nur nach dem jeweiligen Bedürfnisse Exemplare abgezogen. Wollte man nun dem Musikalienhändler, welcher bisher in rechtmäßiger Weise Platten angefertigt hat, deren fernere Benutzung untersagen, so würde hierin eine große Benachtheiligung der Musikhänd­ ler gegenüber den Buchhändlern liegen, indem die letzteren die bereits hergestellten ganzen Auflagen auch ferner verbreiten dürfen." Mot. S. 52.

890

Erster Theil.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Juni 1870 §§. 58—61.)

Nach Ablauf der für die Legalisirung angegebenen Frist unterliegen alle mit dem Stempel nicht versehenen Vorrichtungen und Exemplare der bezeichneten Werke, auf Antrag des Verletzten, der

Einziehung8 2).

Die nähere Instruktion über das bei der Aufstellung des Inventariums und bei

der Stempelung zu beobachtende Verfahren wird vom Bundeskanzler-Amte erlassen-").

§. 59.

Insofern nach den bisherigen Landesgesetzgebungen für den Vorbehalt des Uebersetzungs-

rechts audere Förmlichkeiten und für das Erscheinen der ersten Uebersetzung andere Fristen, als im §♦ 6 Littr. c vorgeschrieben sind, hat es bei denselben in Betreff derjenigen Werke, welche vor dem

Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes bereits erschienen sind, sein Bewenden "). §. 60.

Die Ertheilung von Privilegien zum Schutze des Urheberrechts ist nicht mehr zulässig.

Dem Inhaber eines vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes von dem Deutschen

32) (6. A.) Dagegen kann der Besitzer der Vorrichtungen und der Exemplare weder bestraft, noch entschädigungspflichtig gemacht werden, da die Herstellung derselben unter der Herrschaft deS alten Rechts nichts Unrechtmäßiges war. Die Einziehung ist lediglich eine Folge der Nichtbe­ achtung des polizeilichen Gebotes der Abstempelung. Endemann S. 91; Dambach S. 263. 33) (6. A.) Das Bundeskanzler-Amt hat am 7. Tez. 1870 folgende Instruktion erlassen: §. 1. Nach §. 58 Absatz 3 und 5 des Gesetzes v. 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken rc., dürfen die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandenen, bisher rechtmäßig angefertigten Vorrichtungen, wie Formen, Platten, Steine, Stereotypabgüsse rc. auch fernerhin zur Anfertigung von Exemplaren benutzt werden, selbst wenn ihre Herstellung nach dem Gesetze v. 11. Juni 1870 untersagt ist; die Vorrichtungen müssen aber amtlich mit einem Stempel versehen werden. Wer sich daher im Besitze derartiger Vorrichtungen befindet und dieselben noch ferner zur Her­ stellung von Exemplaren benutzen will, hat die Vorrichtungen bis zum 31. März 1871 einschließ­ lich der Polizeibehörde seines Wohnortes vorzulegen. §. 2. Die Polizeibehörde stellt ein genaues Verzeichniß' der ihr vorgelegten Vorrichtungen nach dem nachfolgenden Formulare A. auf und bedruckt die Vorrichtungen demnächst mit ihrem Dienst­ stempel. Ob die Herstellung der Vorrichtungen nach der bisherigen Gesetzgebung erlaubt war, hat die Polizeibehörde nicht zu prüfen > dagegen hat dieselbe die Stempelung zu verweigern, wenn sie ermit­ telt, daß die Vorrichtungen erst nach dem 1. Januar 1871 hergestellt worden sind. §. 3. Das Verzeichniß (§. 2) wird bis zum 30. April 1871 von der Polizeibehörde an die zu­ ständige Centralbehörde des betreffenden Bundesstaats im Geschästswege eingereicht und von der letz­ teren ausbewahrt. Einer Anzeige, daß bei der Polizeibehörde Vorrichtungen zur Abstempelung über­ haupt nicht vorgelegt worden seien, bedarf es nicht. §. 4. Nach §. 58 Absatz 2 und 5 des Gesetzes v. 11. Juni 1870 dürfen die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandenen Exemplare, deren Herstellung nach der bisherigen Gesetzgebung ge­ stattet war, auch fernerhin verbreitet werden, selbst wenn ihre Herstellung nach dem gegenwärtigen Gesetze untersagt ist; die betreffenden Exemplare von Schriftwerken müssen aber mit einem amt­ lichen Stempel versehen werden. Wer sich daher im Besitze derartiger Exemplare von Schriftwerken befindet, hat dieselben bis zum 31. März 1871 einschließlich der Polizeibehörde seines Wohnortes vorzulegen. §. 5. Die Polizeibehörde stellt ein genaues Verzeichniß der ihr vorgelegten Exemplare nach dem nachstehenden Formulare B. aus und bedruckt demnächst jedes einzelne Exemplar mit ihrem Dienst­ stempel. Die Bestimmungen im §. 2 Absatz 2 und im §. 3 dieser Instruktion finden auch auf die Ab­ stempelung der Exemplare von Schriftwerken Anwendung. Eine Abstempelung der Exemplare von Abbildungen und musikalischen Kompositio­ nen findet nicht statt. §. 6. Für die Jnventaristrung und Abstempelung der Vorrichtungen und Exemplare werden Kosten nicht erhoben.

34) (6. A.) Das Gesetz v. 11. Juni 1837 bestimmt unter §. 4 Nr. 3: „Als Nachdruck ist nicht anzusehen: die Herausgabe von Uebersetzungen bereits gedruckter Werke. Ausnahmsweise sind jedoch Uebersetzungen in folgenden Fällen dem Nachdrucke gleich zu achten: a) Wenn von einem Werke, welches der Verfasser in einer todten Sprache bekannt gemacht hat, ohne seine Genehmigung eine deutsche Uebersetzung herausgegeben wird. b) Wenn der Verfasser eines Buches solches gleichzeitig in verschiedenen lebenden Sprachen hat erscheinen lassen, und ohne seine Genehmigung eine neue Uebersetzung des Werkes in eine der Sprachen veranstaltet wird, in welchen es ursprünglich erschienen ist. Hat der Verfasser auf dem Titelblatte der ersten Ausgabe bekannt gemacht, daß er eine Uebersetzung, und in

Von dem Urheberrecht an Schriftwerken rc.

891

Bunde oder den Regierungen einzelner, jetzt zum Norddeutschen Bunde gehörigen Staaten ertheilten

Privilegiums steht es frei, ob er von diesem Privilegium Gebrauch machen oder den Schutz des ge­

genwärtigen Gesetzes anrufen will. Der Privilegienschutz kann indeß nur für den Umfang derjenigen Staaten geltend gemacht wer­ den, von welchen derselbe ertheilt worden ist.

Die Berufung auf den Privilegienschutz ist dadurch bedingt, daß das Privilegium entweder ganz

oder dem wesentlichen Inhalte nach dem Werke vorgedruckt oder auf oder hinter dem Titelblatt des­ selben bemerkt ist.

Wo dieses nach der Natur des Gegenstandes nicht stattfinden tarnt, oder bisher

nicht geschehen ist, muß das Privilegium, bei Vermeidung des Erlöschens, binnen drei Monaten

nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Eintragung in die Eintragsrolle angemeldet und von dem Kuratorium derselben öffentlich bekannt gemacht toerbett8 5).

§.6i.

Das gegenwärtige Gesetz findet Anwendung auf alle Werke inländischer Urheber, gleich­

viel ob die Werke im Jnlande oder Auslande erschienen oder überhaupt noch nicht veröffentlicht

sind88).

welcher Sprache, herausgeben wolle, so soll diese Uebersetzung, wenn sie innerhalb zweier Jahre nach dem Erscheinen des Originals erfolgt, als mit dem Original gleichzeitig erschienen, be­ handelt werden." Die Anmeldung zur Eintragung in die Eintragsrolle (§. 6) ist jedoch auch" bei den vor dem 1. Januar 1871 herausgegebenen Werken erforderlich, wenn die Uebersetzung erst an oder nach diesem Termine erschienen ist. Mot. S. 36. Auch wird die Geltung des §. 15 durch §. 59 nicht einge­ schränkt. Ebenda S. 52. 35) (6. A.) Nur angemeldet muß das Privilegium vor dem 1. April 1871 sein. Darauf, ob die Eintragung und die Bekanntmachung rechtzeitig erfolgt, kann es nicht ankommen, weil dem Privilegirten auf die Beschleunigung dieser Akte ein bestimmender Einfluß nicht zusteht. Dambach S. 266 u. 267 ; Klostermanu, Urheberrecht (1871) S. 32 u. 53. Vergl. die Anm. 33 zu §. 11 des Gesetzes. 36) (6. A.) DaS ältere Recht schützte diejenigen Werke, an denen im Deutschen Bunde ein Ur­ heber- (resp. Verlags-) Recht erworben war. Es sah also auf den Wohnort des Autors, bezie­ hungsweise des Verlegers. Kl oster mann a. a. O. S. 22. Das neue Gesetz ist zur Vermeidung ungerechtfertigter Konsequenzen, welche mit diesem Prinzip verbunden sind, von demselben abgegangen: es gewährt seinen Schutz jedem Werke, dessen Verfasser ein Inländer ist. Lediglich diese Eigen­ schaft entscheidet. Wo das Werk hervorgebracht, wo es erschienen, ob es überhaupt veröffentlicht ist oder nicht, ist gleichgültig. Mot. S. 53. (7. A.) Wächter, Autorrecht S. 128 ff.; Klostermann, Urheberrecht (1876) S. 107 ff.

(6. A.) Inländer ist jetzt jeder, welcher einem Staate des deutschen Reiches angehört. Ges. v. 1. Juni 1870, B.G.Bl. S. 355 ; Reichsverf. Art. 3. Ein Autor, welcher als Ausländer ein Werk im Auslande hat erscheinen lassen, erwirbt mit dem Reichsindigenat zugleich Anspruch auf Schutz seines Urheberrechts im Jnlande, soweit nicht wohlerworbene Rechte anderer Inländer entgegenstehen. Ebenso verliert er den Schutz, wenn er die Eigenschaft als Inländer aufgiebt oder derselben ohne seinen Willen verlustig wird. Die im Auslande veröffentlichten Werke ausländischer Verfasser sind im Jn­ lande nicht schutzberechtigt, es sei denn, daß internationale Verträge es anders bestimmen. Solche Verträge sind geschlossen: a. zwischen Preußen und Großbritannien am 13. Mai 1846, G.S. S. 343, und am 14. Juni 1855, G.S. S. 695; b. zwischen Preußen und Belgien am 28. März 1863, G.S. S. 428; c. zwischen dem norddeutschen Bunde und Italien am 12. Mai 1869, B.G.Bl. S. 293; d. zwischen dem norddeutschen Bunde und der Schweiz am 13. Mai 1869, B.G.Bl. S. 624 ; e. zwischen Preußen und Frankreich am 2. August 1862, G.S. 1865 S. 486. Der Vertrag mit Frankreich, der durch den Krieg von 1870 außer Wirksamkeit gesetzt war, ist nach dem Friedensvertrage vom 10. Mai 1871 Art. 11, R.G.Bl. S. 231, und der Zusatzkonven­ tion vom li. Dezbr. 1871, ebenda 1872 S. 7, wieder in Kraft getreten. (7. A.) Die unter a— e bezeichneten Verträge sowie diejenigen, welche von andern deutschen Staaten mit Großbritannien, Belgien und Frankreich geschlossen worden sind, schützen meist das aus­ schließliche Vervielfältigungsrecht des Autors auch dann, wenn das Werk desselben vor Abschluß des Vertrags veröffentlicht worden ist. Dagegen erstreckt sich der Rechtsschutz hinsichtlich der Befugniß des Autors zur Aufführung nur auf diejenigen Werke, welche nach Eintritt der Wirk­ samkeit desStaatsvertrags zum ersten Male in einem der betheiligten Staaten veröffentlicht oder öffentlich aufgeführt worden sind. R.O.H.G. I v. 16. Mai 1873, Entsch. 10 S. 122 u. 123, und v. 27. Nov. 1874* ebenda 15 S. 189 ff. Vergl. auch Klostermann, Urheberrecht (1876) S. 279.

892

Erster Theil.

(Stifter Titel.

(G. ü. 11. Juni 1870 §§. 61. 62. G. v. 9. Jan. 1876.)

Wenn Werke ausländischer Urheber bei Berlegern erscheinen, die im Gebiete des Norddeutschen

Bundes ihre Handelsniederlassung haben, so stehen diese Werke unter dem Schutze des gegenwärti­

gen Gesetzes8'). §. 62.

Diejenigen Werke ausländischer Urheber, welche in einem Orte erschienen sind, der

zum ehemaligen Deutschen Bunde, nicht aber zum Norddeutschen Bunde, gehört, genießen den Schutz dieses Gesetzes unter der Voraussetzung, daß das Recht des betreffenden Staates den innerhalb des

Norddeutschen Bundes erschienenen Werken einen den einheimischen Werken gleichen Schutz gewährt; jedoch dauert der Schutz nicht länger als in dem betreffenden Staate selbst.

Dasselbe gilt von nicht

veröffentlichten Werken solcher Urheber, welche zwar nicht im Norddeutschen Bunde, wohl aber im ehemaligen Deutschen Bundesgebiete staatsangehörig finb88).

Urkundlich rc.

29.

Gesetz, betreffend das Urheberrecht anWerken der bildenden Künste**).

Vom 9. Januar 1 87 6.

(R.G.Bl. S. 4.)

Wir rc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­

raths und des Reichstags, was folgt:

37) (6. A.) Die Ausnahme, welche diese Vorschrift von dem Prinzip des ersten Absatzes macht, ist durch die Rücksicht auf den inländischen Buchhandel gerechtfertigt. Mot. S. 53. Im Handel und Verkehr kommt es auf die Nationalität der Person nicht an. Den Schutz des Gesetzes genießt daher der Verleger nicht, weil er Inländer ist, sondern weil er im Jnlande eine Handelsniederlassung (Buchhandlung) hat. Ob diese Niederlassung die Haupt- oder nur eine Zweig-Niederlassung ist, da­ rauf wird nicht gesehen. Es genügt aber nicht die Bedruckung des Titels eines Buches mit der Firma des Verlegers, daö Werk muß vielmehr in der inländischen Handlung erschienen fein, der Verlagsort muß im Jnlande liegen. Klostermann, das geist. Eig. 1 S. 251, (7. A.) und das Urheberrecht S. 108 u. 272 ; Wäch ter, Autorrecht S. 130 ff. (6. Ä.) Geht die diesseitige Nieder­ lassung em, so erlischt der Schutz für die Werke des ausländischen Urhebers im Jnlande. Der Entwurf des Bundesrathes hatte noch eine Bestimmung über das sogenannte getheilte Verlagsrecht. Man versteht darunter das Recht mehrerer Verleger, von denen jeder das Werk nur in einem bestimmten Lande vertreiben darf. Eine Ueberschreitung des Verlagsgebietes wurde vielfach als Nachdruck geahndet. Der Reichstag hielt dies indeß für inkonsequent, weil eine mit Genehmi­ gung des Autors veranstaltete Ausgabe trotz deS vertragswidrigen Vertriebs doch immer eine recht­ mäßige Veröffentlichung bliebe. Man strich deshalb die Bestimmung des Entwurfes, welche übrigens das getheilte Verlagsrecht nur bei Musikalien anerkannte. (Sten. Ber. S. 99 ff.) Das Gesetz kennt also dieses Recht nicht, so daß, wenn ein getheilter Verlag verkommt, der Eingriff des einen Ver­ legers in das Gebiet des anderen nicht mehr als unerlaubte Handlung, sondern nur noch als Ver­ letzung des Vertrages gerügt werden kann. Nur in den Fällen, in denen internationale Konventio­ nen das getheilte Verlagsrecht garantiren, darf der Richter sich der Anerkennung desselben nicht ent­ ziehen. (7. A.) Siehe im Uebrigen Wächter, Autorrecht S. 109, 133, 227, 297, und K lostermann, Urheberrecht (1876) S. 237—240, 279. 38) (6. A.) Nachdem daS Gesetz im ganzen deutschen Reiche Geltung erlangt hat (Anm. * S. 855), ist der §. 62 nur noch für das Verhältniß Deutschlands zu Luxemburg, Lunburg, Lichten­ stein und denjenigen Provinzen Oesterreichs von Bedeutung, welche dem vormaligen deutschen Bunde angehörten. In diesen Ländern sind die deutschen Autoren und Verleger bereits durch die dort publizirten Bundesbeschlüsse aus den Jahren 1832, 1837 nud 1845 den einheimischen gleichgestellt. Die letzteren genießen daher den gesetzlichen Schutz für ihre Werke auch im deutschen Reiche. Wächter, Verlagsrecht S. 407 (7. A.) und Autorrecht S. 134; Klostermann a. a. O. S. 273 u. 274.

*) (7. A.) Dergl. hierzu Klostermann, das Urheberrecht an Schrift- und Kunstwerken rc., Berlin 1876; OScar Wächter, das Urheberrecht cm Werken der bildenden Künste rc., Stuttgart 1877. Beide Werke sind in der Folge nur mit den Namen ihrer Verfasser citirt. Aus der älteren Literatur sind hervorzuheben: Hitzig, das Königl. Preuß. Gesetz v. 11. Juni 1837 rc., dargestellt in seinem Entstehen und erläutert in seinen einzelnen Bestimmungen aus den amtlichen Quellen, Berlin 1838; Homeyer, das Gesetz v. 11. Juni 1837 und das geistige Eigen­ thum, Berlin 1838; Froriep, Schutz vor Nachbildung der Kunstwerke. Nach dem königl. preußi­ schen Gesetz v. 11. Juni 1837 für Künstler und Kunstfreunde erläutert. Berlin 1839; Schnaufe, über das künstlerische Eigenthum. Aus den Annalen für die Rechtspflege und Verwaltung. Trier 1843; A. W. Volk mann, die Werke der Kunst in den deutschen Gesetzgebungen zum Schutze des Urheberrechts. München 1855; O. Wächter, daö Recht des Künstlers gegen Nachbildung und Nachdruck seiner Werke. Nach den in Deutschland geltenden Rechten und den neuesten legislativen Anträgen dargestellt. Stuttgart und Tübingen 1859; F. I. KühnS, der Rechtsschutz an Werken der bildenden Künste. Eine Denkschrift im Namen der deutschen Kunstgenossenschaft. Berlin 1861;

Von dem Urheberrecht an Werten der bildenden Künste.

893

Goltdamm er, die strafbare Nachbildung von Kunstwerken. Berlin 1864. Bergt, auch die Litera­ turnachweise in den Anm. * zu den Marg. bei Tit. 11 §§. 996 und 1024 und zu der Ueberschrift des Gesetzes vom 11. Juni 1870. Das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste steht seinem Grunde und Gehalte nach we­ sentlich auf gleicher Linie mit dem Urheberrecht an Schriftwerken (Anm. 1 zu §. 1 des Ges. vom 11. Juni 1870). Die Verschiedenheit des Gegenstandes beider Rechte übt indeß einen gewissen Ein­ fluß auf die Stellung des Berechtigten. Denn während das Kunstwerk schon an sich, d. h. in der Gestalt, in welcher die Idee seines Schöpfers sich verwirklicht hat, — als Original — einen Ver­ mögenswerth darstellt, vermag der Schriftsteller sein Werk nur durch Vervielfältigung zu verwerthen. (Wächter S. 3, 31 ff.) Hinzutritt, daß die Reproduktion^ eines Kunstwerkes weitaus schwieriger ist als die eines Schriftwerks. Es ist daher erklärlich, daß die Bestrebungen, für den Urheber einer Geistesschöpfung den staatlichen schütz zu erlangen, zunächst immer nur den Nachdruck im Auge hatten. (Wächter S. 4.) Insofern freilich, als auch das Kunstwerk einer mechanischen Verviel­ fältigung fähig ist, kamen auch diesem die Maßregeln gegen den Nachdruck zu Gute. Allein da die Werke der Kunst, uni vervielfältigt werden zu können, regelmäßig erst in eine andere Kunstform um­ gesetzt, also der Thätigkeit eines mit dem Urheber des Originals nicht identischen Künstlers unter­ worfen werden müssen, so schützten die älteren Gesetze das Vervielfältigungsrecht nicht in der Person des ursprünglichen Urhebers, sondern zu Gunsten des reproduzirenden Künstlers oder des Verlegers. (Klostermanu S. 70 u. 71.) Doch bedrohte schon das bayerische Strafgesetzbuch vom Jahre 1813 Th. 1 Art. 397 mit Strafe und Schadensersatz denjenigen, der ein Kunstwerk ohne Genehmigung des Urhebers oder der Rechtsnachfolger desselben durch den Druck oder sonst vervielfältigte und im Publikum bekannt machte, ohne dasselbe zu eigenthümlicher Form verarbeitet zu haben. (Wächter S. 5.) Aber erst das preußische Gesetz „zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung" vom li. Juni 1837, G.S. S. 165, verlieh den Kunstwerken den gleichen Rechtsschutz wie den Schriftwerken. Es bestimmte u. a.: „§. 21. Die Vervielfältigung von Zeichnungen oder Gemälden durch Kupferstich, Stahlstich, Lithographie, Farbendruck, Übertragung u. s. lu. ist verboten, wenn sie ohne Genehmigung deö Ur­ hebers des Original-Kunstwerks oder seiner Rechtsnachfolger bewirkt wird. §. 22. Unter gleicher Bedingung ist die Vervielfältigung von Skulpturen aller Art durch Ab­ güsse, Abformungen u. s. w. verboten. §. 23. Hinsichtlich dieser Verbote, §§. 21 und 22, macht es keinen Unterschied, ob die Nach^ bildung in einer andern Größe, als das nachgebildete Werk, oder auch mit andern Abweichungen von demselben vorgenommen worden ist; es seren denn die Veränderungen so überwiegend, daß die Arbeit nicht als eine bloße Nachbildung, sondern als ein eigenthümliches Kunstwerk betrachtet wer­ den könnte. §. 24. Als eine verbotene Nachbildung ist es nicht zu betrachten, wenn ein Kunstwerk, wel­ ches durch die Malerei oder eine der zeichnenden Künste hervorgebracht ist, mittelst der plastischen Kunst, oder umgekehrt, dargestellt wird. §. 29. Die Abbildung eines Kunstwerks, welche durch ein anderes, als bei dem Original an­ gewendetes Kunstverfahren, z. B. durch Kupferstich, Stahlstich, Holzschnitt u. s. w. (§. 21), oder durch Abgüsse, Abformungen u. s. w. (§. 22), rechtmäßig angefertigt worden, darf nicht ohne Ge­ nehmigung des Abbildners oder seiner Rechtsnachfolger durch ein rein mechanisches Verfahren ver­ vielfältigt werden, so lange die Platten, Formen und Modelle, mittelst welcher die Abbildung dar­ gestellt wird, noch nutzbar sind. Auch hierbei kommt die Bestimmung des §. 23 zur Anwendung." Die hier legalisirten Grundsätze wurden in der Hauptsache auch von der vormaligen Bundes­ versammlung zu Frankfurt a. M. den Beschlüssen vom 9. Novbr. 1837 und vom 19. Juni 1845 zu Grunde gelegt. Wenn nun auch diese Beschlüsse in den meisten Staaten Deutschlands zur Pub­ likation gelangten, so entsprachen sie doch den Wünschen der Künstler nicht vollständig, weil sie we­ sentlich nur tue Grundsätze über den Nachdruck von Schriftwerken auf die Vervielfältigung der Kunst­ werke anwendeten, den Eigenthümlichkeiten der letzteren aber nicht ausreichend Rechnung trugen, na­ mentlich einen rechtlichen Schutz des Künstlers gegen Kopien nicht gewährten. (Kl oster mann S. 71 ff.) Die auf Herstellung eines gemeinsamen Urheberrechts gerichteten Bestrebungen, welche vorzugsweise von den Regierungen Sachsens und Oestreichs gefördert wurden, hatten zunächst nur den praktischen Erfolg, daß die'Bundesversammlung in Frankfurt a. M. einen Gesetzentwurf auf­ stellen ließ, in welchem auch das Recht an Werken der bildenden Künste eine Stelle fand. Dieser Entwurf ist meist wörtlich in daS bayerische Gesetz vom 28. Juni 1865 übergegangen. (Wächter S. 7 ff.) Damit ist die Partikulargesetzgebung auf diesem Gebiete zum Abschluß gelangt. Der Versuch der Centralgewalt des norddeutschen Bundes, das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste zugleich mit dem Urheberrecht an Schriftwerken rc. gesetzlich zu ordnen, scheiterte. Der Reichstag lehnte, wie bereits oben S. 882 erwähnt wurde, den 5. Abschnitt des Entwurfes vom 4. Febr. 1870 ab, und zwar deshalb, weil die Schwierigkeiten, welche der Ordnung des Ur­ heberrechts an Werken der bildenden Künste ohne gleichzeitige Berücksichtigung der Kunstindustrie ent-

Erster Theil.

894

A. §. 1.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 9. Jan. 1876 §§. 1—6.)

Ausschließliches Recht des Urhebers.

Das Recht, ein Werk der bildenden Künste») ganz oder theilweise nachzubilden*), steht dem

Urheber desselben ausschließlich zu.

§. 2.

Das Recht des Urhebers geht auf dessen Erben über.

Dieses Recht kann beschränkt oder

unbeschränkt durch Vertrag oder durch Verfügung von Todeswegen auf Andere übertragen werden»).

§. 3.

Auf die Baukunst findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung 4).

§♦ 4.

Als Nachbildung ist nicht anzusehen die freie Benutzung eines Werkes der bildenden

Künste zur Hervorbringung eines neuen Werkes6). gegengetreten waren, auch auf dem Wege der Vorberathung durch eine Kommission nicht hatten über­ wunden werden können. (Klostermann S. 16; Wächter S. 13 ff.) Die hierbei zu lösenden Fragen wurden nunmehr zum Gegenstände einer Enquete von Sach­ verständigen aus den Kreisen der Künstler und. Industriellen gemacht. Auf Grund der so gewonne­ nen Resultate ließ das Reichskanzleramt durch den Geheimen Ober-Postrath Dambach drei Gesetz­ entwürfe außarbeiten, von denen der eine das Urheberrecht an Werken der bildenden Küuste, der andere das Urheberrecht an Mustern und Modellen, der dritte den Schutz der Photographieen gegen unbefugte Nachbildung zu ordnen bestimmt war. Die Entwürfe wurden, mit Motiven versehen, am 1. Novbr. 1875 dem Reichstage vorgelegt (Drucks. Nr. 24). Hier wurden sie am 9. November, nach erfolgter erster Lesung, einer besonderen Kommission überwiesen. Diese erstattete unterem 4. De­ zember schriftlichen Bericht. (Drucks. Nr. 76). Demnächst passirten die Entwürfe am 13. die zweite und am 17. Dezbr. 1875 die dritte Lesung. (Sten. Ber. S. 604, 743.) Nach der am 18. Dezember vorgenommenen Schluß ab stimmung (ebenda S. 745) sind sie von dem Bundesrath genehmigt und von dem Kaiser mit der gesetzlichen Sanktion versehen worden. Die Gesetze tragen das Datum des 9., des io. und des u. Januar 1876. Ihre Verkündigung durch das Reichsgesehblatt S. 4 — 14 ist am 18. desselben Monats erfolgt.

1) (7. A.) Die bildenden Künste find die Malerei (Zeichnung) und die Plastik (Bildhauerkunst und Baukunst). Die Werke der bildenden Künste, Kunstwerke, sind — mit Ausschluß der Baukunst §. 3 — dem Schutz des Gesetzes unterworfen. Das Kunstwerk unterscheidet sich durch seinen Zweck von denjenigen Abbildungen, welche durch die Gesetze vom n. Juni 1870 und vom n. Januar 1876 geschützt sind. Der Künstler, welcher dem von ihm gefaßten Gedanken Form giebt, beabsichtigt dabei die Darstellung des Schönen; der Zweck seiner Schöpfung ist ein ästhetischer. (Vgl. oben die Anm. 99 zu §. 43 des Gesetzes vom 11. Juni 1870.) Ob dieser Zweck im einzelnen Fall erreicht ist, ob das geschaffene Werk Anspruch hat aus künstlerischen Werth, ist für den rechtlichen Begriff des Kunstwerkes gleichgültig. (Mot. S. 10.) Aus dem Bereiche der Werke der bildenden Künste scheidet es nur aus, wenn der erkennbare Zweck auf Belehrung oder auf den materiellen Gebrauch gerichtet ist. Klostermann S. 69 ff.; Wäch­ ter S. 41 ff. Die Photographie ist kein Kunstwerk, weil zu ihrer Herstellung keine formgebende, sondern eine lediglich reproduzirende Thätigkeit erforderlich ist. Klostermann S. 78. 2) (7. A.) Der materielle Inhalt des Urheberrechts an Werken der bildenden Künste hat hier­ durch gegenüber dem Gesetz vom 11. Juni 1837 eine bedeutende Erweiterung erfahren. Während dieses Gesetz das ausschließliche Recht des Urhebers nur auf die mechanische Vervielfältigung er­ streckte, umfaßt dasselbe jetzt jede Nachbildung, also grundsätzlich auch die Kopie. Dadurch unter­ scheidet sich daß künstlerische Urheberrecht zugleich von dem Urheberrecht des Gesetzes vom 11. Juni 1870. Der Grund für die Erweiterung des ersteren liegt darin, daß das Kunstwerk auch als Uni­ kum einen Vermögenswerth repräsentirt und das Original durch die Herstellung von Kopien häufig an Werth beträchtlich verliert. Vergl. Klostermann S. 74 und Wächter S. 32 ff. Ueber die theilweise Nachbildung stehe Wächter S. 187 ff.

3) (7. A.) Ebenso das Gesetz vom li. Juni 1870 §. 3. Wächter S. 86 ff.

Vergl. die Anm. 4 u. 5 dazu und

4) (7. A.) An dem einzelnen Bauwerk besteht sonach kein Urheberrecht. Der Grund ist, daß dasselbe, hiemi es auch im einzelnen Fall ästhetische Anforderungen erfüllt, doch wesentlich materiellen Zwecken dient. (Klostermann S. 75; Wächter S. 41 ff.) Auch das preußische Gesetz vom 11. Juni 1837 schützte den Baukünstler nicht gegen Nachbildung seiner Werke. Der Nachdruck von Plänen, Zeichnungen, Nissen rc. ist durch das Gesetz vom li' Juni 1870 §. 43 verboten. Mot. S. 11. Vergl. unten §. 5 Nr. 3.

5) (7. A.) Das Kunstwerk kennzeichnet sich als Original durch die Form, in welcher die Idee des Künstlers Gestalt gewonnen hat. Es verhält sich hiermit ebenso wie mit dem Schriftwerk und dem Tonwerk. Die Gedanken, welchen der Schriftsteller durch die Sprache, der Tondichter durch die Melodie einmal Ausdruck geliehen hat, entziehen sich der ausschließlichen Verbindung mit der Person ihres Erzeugers. Wie sie ihren Ursprung haben in dem Jdeenkreise, in welchem der Autor

Bon dem Urheberrecht an Werken der bildenden Künste.

§. 5.

895

Jede Nachbildung eines Werkes der bildenden Künste, welche in der Absicht, dieselbe zu

verbreiten6 * ), * * ohne ** Genehmigung des Berechtigten (§§. 1, 2) hergestellt wird, ist verboten.

Als ver­

botene Nachbildung ist es auch anzusehen: 1. wenn bei Hervorbringung derselben ein anderes Verfahren angewendet worden ist, als bei dem Originalwerk7)8; 9

2. wenn die Nachbildung nicht unmittelbar nach dem Originalwerke, sondern mittelbar nach einer Nachbildung desselben geschaffen ist«);

3. wenn die Nachbildung eines Werkes der bildenden Künste sich an einem Werke der Baukunst,

der Industrie, der Fabriken, Handwerke oder Manufakturen befindet«); 4. wenn der Urheber oder Verleger dem unter ihnen bestehenden Vertrage zuwider eine neue Ver­ vielfältigung des Werkes veranstalten; 5. wenn der Verleger eine größere Anzahl von Exemplaren eines Werkes anfertigen läßt, als ihm

vertragsmäßig oder gesetzlich gestattet ist10). §. 6.

Als verbotene Nachbildung ist nicht anzusehen:

1. die Einzelkopie eines Werkes der bildenden Künste, sofern dieselbe ohne die Absicht der Verwer­ thung angefertigt wird11).12 ES ist jedoch verboten, den Namen oder das Monogramm des Ur­

hebers des Werkes in irgend einer Weise auf der Einzelkopie anzubringen, widrigenfalls eine Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark verwirkt ist; 2. die Nachbildung eines Werkes der zeichnenden oder malenden Kunst durch die plastische Kunst,

oder umgekehrt"); lebt und schafft, so sollen sie wieder befruchtend wirken auf diesen Kreis. Die geistige Entwickelung würde stillstehen, wenn der Eine die von dem Anderen ausgedrückten Gedanken nicht verwerthen dürste. Der Gedanke, welchem der Einzelne Gestalt gegeben hat, ist dadurch Gemeingut geworden; nur die Form, in welcher er der Welt sich offenbart, verbleibt dem Urheber. In dem Kunstwerk freilich durchdringen Form und Inhalt sich oft dergestalt, daß es schwierig ist, diesen von jener zu trennen. Aber daS beweist nichts gegen die Richtigkeit des Prinzips, auf welchem der §. 4 beruht. Oben Anm. 7 zu §. 4 und Anm. 4 zu §. 46 des Ges. v. 11. Juni 1870. Vergl. auch Kloster­ mann S. 229; Wächter S. 185.

6) (7. A.) Vergl. das Ges. v. 11. Juni 1870 §§. 18 ff. 7) (7. A.) Z. B. ein Oelgemälde durch Zeichnung kopirt ist. Klostermann S. 226. Motivirt ist die Vorschrift lediglich durch die Konsequenz aus der Ausschließlichkeit des Urheberrechts. Mot. S. 12.

8) (7. A.) Vgl. die Anm. 6 Abs. 3 zu §. 4 deS Ges. v. 11. Juni 1870. 9) (7. A.) Nach dem Gesetze v. u. Juni 1837 §. 25 war den Erzeugnissen der Manufakturen, Fabriken und Handwerke gestattet, als der Fabrikant, Handwerker rc. in der Lage ist, die v. 9. Januar 1876 für sich in Anspruch zu nehmen. Ob dies über Wächter S. 200 ff.

„die Benutzung von Kunstwerken zu erlaubt." Jetzt ist sie nur insoweit Bestimmung unter §. 4 des Gesetzes der Fall, ist Thatsrage. Vergl. dar­

10) (7. A.) Die Vorschriften unter Nr. 4 und 5 enthalten die Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes v. li. Juni 1870 §. 5 c und d auf Kunstwerke. 11) (7. A.) Die Einzelkopie, welche das Gesetz gestattet, kann wiederholt werden, wenn da­ mit nur nicht die Absicht der Verwerthung verbunden ist. In der Kommission des Reichstages wurde „der Vorschlag, statt „Einzelkopie" „einmalige Kopie" zu setzen, fallen gelassen, da beide Begriffe etwas Verschiedenes bedeuten. Es soll die Handkopie erlaubt werden, gleichgültig ob sie einmal oder mehrmals geschieht. Der Ausdruck „einmalig" würde die Folge haben, daß z. B. der Besitzer eines Gemäldes straffällig würde, wenn er dasselbe in seinem Zimmer ohne Erlaubniß des Künstlers zu seinem Vergnügen einige Male nachzeichnet." Komm.-Ber. S. 5; Kloster mann S. 228. Die Veräußerung einer ohne die Absicht der Verwerthung angefertigten Kopie ist an sich nicht unerlaubt. Wächter S. 181. Aber wenn der Verfertiger der Kopie selbst der Veräußerer ist, so wird dies nicht selten ein starkes Anzeichen dafür sein, daß er schon bei der Anfertigung die Absicht der Verwerthung hegte. Die erlaubte Kopie eines Kunstwerks steht wesentlich auf gleicher Linie mit der Abschrift eines Schriftwerks, welche nicht die Bestimmung hat, den Druck zu ersetzen. Ges. v. 11. Juni 1870 §. 4. 12) (7. A.) Nach dem Gesetze v. 11. Juni 1837 § 24 war es ebenfalls „als eine verbotene Nachbildung nicht zu betrachten, wenn ein Kunstwerk, das durch die Malerei oder eine der zeich­ nenden Künste hervorgebracht ist, mittelst der plastischen Kunst, oder umgekehrt, dargestellt wird."

896

Erster Theil.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 9. Ian. 1876 §§. 7—11.)

3. die Nachbildung von Werken der bildenden Künste, welche auf oder an Straßen oder öffent­

lichen Plätzen bleibend sich befinden.

Die Nachbildung darf jedoch nicht in derselben Kunstform

erfolgen"); 4. die Aufnahme von Nachbildungen einzelner Werke der bildenden Künste in ein Schriftwerk, vor­

ausgesetzt, daß das letztere als die Hauptsache erscheint, und die Abbildungen nur zur Erläu­

terung des Textes dienen").

Jedoch muß der Urheber des Originals oder die benutzte Quelle

angegeben werden, widrigenfalls die Strafbestimmung

im §.24 des Gesetzes vom 11. Juni

1870, betreffend das Urheberrecht an SchcifLwerken re. (Bundes-Gesetzbl. 1870 S. 339), Platz

greift1 *ß). * * S. * * * * * * * * * * * §. 7. Wer ein von einem Anderen herrührendes Werk der bildenden Künste auf rechtmäßige Weise, aber mittelst eines anderen Kunstverfahrens nachbildet, hat in Beziehung auf das von ihm

hervorgebrachte Werk das Recht eines Urhebers (§. 1), auch wenn das Original bereits Gemeingut

geworden ist").

§. 8.

Wenn der Urheber eines Werkes der bildenden Künste das Eigenthum am Werke einem

Anderen überläßt, so ist darin die Uebertragung des Nachbildungsrechts fortan nicht enthalten 17);

bei Portraits und Portraitbüsten geht dieses Recht jedoch auf den Besteller") über. Durch Gesetz vom 20. Februar 1854, G.S. S. 93, wurde indeß diese Bestimmung aufgehoben und statt derselben vorgeschrieben, daß „eine solche Darstellung nur dann als eine verbotene Nachbildung zu betrachten ist, wenn sie auf rein mechanischem Wege erfolgt." Diesen Standpunkt nahm auch der Gesetzentwurf vom 4. Februar 1870 ein, unter Beifall der Kommission des Reichstages, welche den Entwurf zu berathen hatte. (Drucks. 1870. Nr. 138 S. 28.) Gegen den Entwurf von 1875 dagegen, der ebenfalls von der Auffassung des Gesetzes von 1854 ausging (Motive in den Drucks, des Reichst. 1875 Nr. 24 S. 13), vertrat die Kommission sowohl wie das Plenum des Reichstages den Standpunkt des Gesetzes von 1837. (Komm.-Ber. Drucks. Nr. 76 S. 5; Sten. Ber. S. 545.) Doch nahm der Reichstag einen Vorschlag an, nach welchem die Worte „durch die plastische Kunst" den Worten „in plastischer Form" substituirt wurden. Das Verfahren also, mittelst dessen die Nachbildung ausgeführt wird, muß ein künstlerisches sein — im Gegensatz zur mechanischen Nachbildung. (Wächter S. 197.) Das aber scheint in der That der Tendenz deS Gesetzes vom 20. Febr. 1854 zu entsprechen. 13) (7. A.) Die ausführliche Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung siehe bei Wächter S. 153 ff. Die Materialien ergeben darüber, welchen Begriff das Gesetz mit dem Worte „Kunstform" ver­ bunden haben will, etwas positives nicht. Nur negativ scheint festzustehen, daß man bei der Kunst­ form nicht an den Gegensatz zwischen plastischer und malender Kunst zu denken hat. Nach Kloster­ mann S. 76 muß unter der Kunstform das in §. 7 gedachte Kunst verfahren verstanden wer­ den, wenn anders die Bestimmungen des §. 6 Nr. 2 u. 3 nicht denselben Gedanken ausdrücken sol­ len. (Hiergegen Wächter S. 158 und 159.) Einverstanden ist man darüber, daß ein Freskoge­ mälde an einem öffentlichen Gebäude nicht al fresco, wohl aber vermittelst der Photographie, deß Kupferstichs u. dgl., eherne Standbilder an öffentlichen Orten nicht in Erzguß, wohl aber durch die Skulptur nachgebildet werden dürfen. Ein ausschließliches Recht des Bildhauers, von seinem Werke Gipsabgüsse in verkleinertem Maße herstellen und durch den Kunsthandel vertreiben zu lassen, wird von Klostermann S. 77 nicht anerkannt, von Wächter dagegen a. a. O. zugestanden. Vergl. O.Tr. Sen. für Strafsachen v. 24. Febr. 1864, J.M.Bl. S. 78; Goltdammer, Arch. 12 S. 184; Oppenhoff, Rechtspr. 4 S. 383. 14) (7. A.) Nur unter dieser Voraussetzung ist auch nur die als Titelvignette zu einem Schriftwerke verwendete Nachbildung eines Kunstwerkes gestattet. Unter der Herrschaft deS älteren Rechts ließ man die Titelvignette, deren man sich ihrer Kleinheit wegen an Stelle des Vorbil­ des nicht bedienen könnte, als Kunstzugabe zu einer Broschüre ohne Weiteres zu. O.Tr. Sen. für Straff, vom 23. Juni 1858, Goltdammer, Arch. 6 S. 692. Bildet nicht ein Schriftwerk, sondern eine Reihe von Abbildungen künstlerischer Erzeugnisse den Gegenstand der Veröffentlichung (Album, Gallerie u. dgl.), so ist die Nachbildung eines Kunstwerkes als Titelvignette sowohl nach dem älteren Rechte (R.O.H.G. I v. 12. Januar 1875, Entsch. 16 S. 254) als nach dem vorliegenden §. 6 Nr. 4 ohne Genehmigung des Urhebers verboten. 15) (7. A.) Ebenso das Gesetz vom 11. Juni 1870 §. 44. 16) (7. A.) Vergl. hierzu den §. 29 des Gesetzes vom 11. Juni 1837, oben in der Anm. * zur Überschrift, und die Erkenntnisse des O.Tr. Sen. für Straff, v. 24. Febr. 1864, oben Anm. 13, und vom 24. Mai 1871, J.M.Bl. S. 188, auch das Gesetz vom 10. Januar 1876 §. 9, unten Zus. 30. Die Photographie hat nicht den Charakter des Kunstverfahrens im Sinne des §. 7; Komm. Ber. S. 11 ff.; Klostermann S. 80; Wächter S. 276. 17) (7. A.) Nach dem Gesetz vom 11. Juni 1837 §. 28 hatte die Uebertragung deS Eigenthums

Bon dem Urheberrecht an Werken der bildenden Künste.

897

Der Eigenthümer des Werkes ist nicht verpflichtet, dasselbe zum Zweck der Veranstaltung von

Nachbildungen an den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger herauszugeben1 ®).

B.

9.

Dauer des Urheberrechts.

Der Schutz des gegenwärtigen"Gesetzes gegen Nachbildung wird für die Lebensdauer deS

Urhebers und dreißig Jahre nach dem Tode desselben gewährt®®). Bei Werken, welche veröffentlicht sind, ist diese Dauer des Schutzes an die Bedingung geknüpft, daß der wahre Name des Urhebers auf dem Werke vollständig genannt oder durch kenntliche Zeichen ausgedrückt ist21 * * ). * 18 19 20

Werke, welche entweder unter einem anderen, als dem wahren Namen des Urhebers veröffent­

licht, oder bei welchen ein Urheber gar nicht angegeben ist, werden dreißig Jahre lang, von der Veröffentlichung an, gegen Nachbildung geschützt22).23 24 Wird 25 innerhalb dieser dreißig Jahre der wahre

Name des Urhebers von ihm selbst oder seinen hierzu legitimirten Rechtsnachfolgern zur Eintragung

in die Eintragsrolle (§. 39 des Gesetzes vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schrift­

werken rc., — Bundes-Gesetzbl. 1870 S. 339) angemeldet, so wird dadurch dem Werke die im Ab­

satz 1 bestimmte längere Dauer des Schutzes erworben2®). §. 10.

Bei Werken, die in mehreren Bänden oder Abtheilungen erscheinen, wird die Schutz­

frist von dem ersten Erscheinen eines jeden Bandes oder einer jeden Abtheilung an berechnet.

Bei Werken jedoch, die in einem oder mehreren Bänden eine einzige Aufgabe behandeln und

mithin als in sich zusammenhängend zu betrachten sind, beginnt die Schutzfrist erst nach dem Er­

scheinen deS letzten Bandes oder der letzten Abtheilung. Wenn indessen zwischen der Herausgabe einzelner Bände oder Abtheilungen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren, verflossen ist, so sind die vorher erschienenen Bände, Abtheilungen rc. als ein

für sich bestehendes Werk und ebenso die nach Ablauf der drei Jahre erscheinenden weiteren Fortse­ tzungen als ein neues Werk zu behandeln").

§. 11.

Die erst nach dem Tode des Urhebers veröffentlichten Werke werden dreißig Jahre lang,

vom Tode des Urhebers an gerechnet, gegen Nachbildung geschützt2 *).

den Verlust des Urheberrechts an dem Kunstwerke zur Folge, sofern nicht der Urheber dieses Recht sich Vorbehalten, oder auf den Erwerber übertragen hatte, und dem obersten Kuratorium der Künste Anzeige gemacht war. 18) (7. A.) Auch wenn der Besteller nicht der Portraitirte ist. DaS Recht des Bestellers ist kein ursprüngliches, sondern ein von dem Urheber abgeleitetes Recht; es erlischt mithin mit dem Ablauf der dem Urheber von dem Gesetze verliehenen Schutzfrist. Das Rechtsverhältniß des Portraitirten zu dem Besteller und dem Urheber liegt nicht auf dem Gebiete des Urheberrechts. Siehe dar­ über Klostermann S. 133 und Wächter S. 74 ff.

19) (7. A.) Dieser Satz ist eine Folgerung aus dem Begriff des Eigenthums. Eine gesetzliche Beschränkung des letzteren durch das Urheberrecht besteht nicht. Der Urheber kann mithin die Her­ ausgabe des Werkes zum Zwecke der Vervielfältigung von dem Eigenthümer nur verlangen, wenn dieser ihm dazu aus einem obligatorischen Grunde verpflichtet ist. Wächter S. 116. 20) (7. A.) Ebenso der Bundesbeschluß vom 19. Juni 1845 Nr. 1, G.S. 1846 S. 149. Nach dem Gesetze vom 11. Juni 1837 §. 27 waren Kunstwerke überhaupt nur 10 Jahre lang geschützt. Die gegenwärtige (dreißigjährige) Schutzfrist gilt auch für Schriftwerke nach dem Gesetz v. 11. Juni 1870 §. 8. 21) (7. A.) Durch diese Bestimmung wird das Prinzip des Gesetzes v. 11. Juni 1870 §§. 11, 43 u. 45 auf Kunstwerke ausgedehnt. Unter der Herrschaft deS Gesetzes vom 11. Juni 1837 §. 27 und des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1845 Nr. 3 war der Schutz der Kunstwerke gegen Nach­ bildung bedingt durch die Anmeldung bei dem obersten Kuratorium der Künste (Ministerium der geistlichen rc. Angelegenheiten).

22) (7. A.) Bei solchen Werken wird das Urheberrecht von dem Herausgeber und, wenn ein solcher nicht angegeben ist, von dem Verleger in Gemäßheit des Gesetzes v. 11. Juni 1870 §. 29 wahrgenommen. Siehe §. 16 unten. Ueber die Natur der Rechte des Verlegers und des Heraus­ gebers: Klostermann S. 104 und gegen denselben Wächter S. 80. 23) (7. A.) Ebenso das Gesetz vom 11. Juni 1870 §. 11. 24) (7. A.) Der Paragraph wiederholt wörtlich die Vorschriften des Gesetzes v. 11. Juni 1870

§. 14. 25) (7. A.) Eine Wiederholung des §. 12 a. a. O. Koch, Allgemeines Landrecht. I. 7. Aust.

57

Erster Theil.

898 §. 12.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 9. Jan. 1876 §§. 12—19.)

Einzelne Werke der bildenden Künste, welche in periodischen Werken, alS Zeitschriften,

Taschenbüchern, Kalendern rc. erschienen sind, darf der Urheber, falls nichts anderes verabredet ist,

auch ohne Einwilligung des Herausgebers oder Verlegers des Werkes, in welches dieselben ausge­ nommen sind, nach zwei Jahren, vom Ablaufe des Jahres des Erscheinens an gerechnet, anderwei­ tig abdrucken22). §. 13. In den Zeitraum der gesetzlichen Schutzfrist wird das Todesjahr des Verfassers27) be­

ziehungsweise das Kalenderjahr der ersten Veröffentlichung oder des ersten Erscheinens22) des Wer­ kes nicht eingerechnet22).

§. 14.

Wenn der Urheber eines Werkes der bildenden Künste gestattet, daß dasselbe an einem

Werke der Industrie, der Fabriken, Handwerke oder Manufakturen nachgebildet wird, so genießt er

den Schutz gegen weitere Nachbildungen an Werken der Industrie rc. nicht nach Maßgabe des ge­ genwärtigen Gesetzes, sondern nur nach Maßgabe des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Mu­

stern und Modellen22).

§. 15.

Ein Heimfallsrecht

des Fiskus oder anderer zu herrenlosen Verlaffenschasten berech­

tigter Personen findet auf das ausschließliche Recht des Urhebers und seiner Rechtsnachfolger nicht statt").

C. §. 16.

Sicherstellung deS Urheberrechts.

Die Bestimmungen in den §§. 18—42 des Gesetzes vom n. Juni 1870, betreffend das

Urheberrecht an Schriftwerken rc. (Bundes-Gesetzbl. 1870 S. 339), finden auch auf die Nachbildung

von Werken der bildenden Künste entsprechende Anwendung22).

Die Sachverständigen-Vereine, welche nach Maßgabe des §. 31 des genannten Gesetzes Gut­

achten über die Nachbildung von Werken der bildenden Künste abzugeben haben, sollen auS Künst­ lern verschiedener Kunstzweige, aus Kuusthäudlern, Kunstgewerbtreibenden und aus anderen Kunst­

verständigen bestehen22).

26) (7. A.) Entspricht fast wörtlich dem §. 10 a. a. O.

27) (7. A.) Mit dem Verfasser ist der Urheber des Kunstwerkes gemeint. Wächter §. 26 Note 5 S. 127. 28) (7. A.) Erschienen ist ein Werk, wenn es veröffentlicht, d. h. aber nicht schon, wenn es öffentlich ausgestellt, sondern wenn es vervielfältigt und im Kunsthandel zu haben ist. Das Gesetz bedient sich hier und in den vorigen Paragraphen der Worte „Veröffentlichung" und „Erscheinen" in dem nämlichen Sinne. Klostermann S. 166; Wächter S. 137. Das Kalenderjahr des Erscheinens ist nicht immer das Jahr, welches auf dem Titel steht. Die Verleger pflegen die gegen Ende des Jahres erscheinenden Werke meist mit der Zahl des folgenden JahreS bedrucken zu lassen. K l o st e r m a n n a. a. O.

29) (7. A.) Der §. 13 ist eine Nachbildung deS §. 16 des Gesetzes vom 11. Juni 1870. 30) (7. A.) Der Satz ist eine Konsequenz aus dem Begriff des Kunstwerks. Tritt dieses in den Dienst des Gewerbe-, so begiebt sich der Künstler damit insoweit des Rechtes auf Schutz des Kunst­ urheberrechts. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen dann der Muster- oder Modellschutz eintritt, bestimmt sich nach dem Gesetze vom 11. Januar 1876. Beide Urheberrechte lausen neben einander. Die Grenze zwischen ihnen ist prinzipiell scharf gezogen, im einzelnen Fall freilich schwer zu erkennen. Vgl. hierüber Wächter S. 64, 104, 203. 31) (7. A.) Der §. 15 lautet ebenso wie die Bestimmung unter §. 17 deS Ges. v. 11. Juni 1870. 32) (7. A.) Vergl. hierzu oben die Anm. 43—98 zu §§. 18—42 des Gesetzes v. 11. Juni 1870. Die EintragSrolle für Werke der bildenden Künste wird nach den durch das Centralblatt für daS deutsche Reich 1876 S. 119 ff. yeröffentlichten Bestimmungen des Reichskanzleramts v. 29. Febr. 1876 zusammen mit der EintragSrolle für Schriftwerke rc. als Eine Rolle geführt. Vergl. darüber Klostermann S. 188 ff. und Wächter S. 149 u. 150. 33) (7. A.) In Ausführung dieser Vorschrift sowie des §. 10 des Gesetzes v. 10. Januar und des §. 14 deS Gesetzes v. 11. Januar hat daS Reichskanzleramt unterem 29. Februar 1876 „Bestim­ mun gen über die Zusammensetzung und den Geschäftsbetrieb der künstleri­ schen, photographischen und gewerblichen Sachverständigen-Vereine" erlassen und durch daS Centralblatt für das deutsche Reich 1876 Nr. 9 veröffentlicht. Der Justizminister hat diese Bestimmungen, welche aus neun Paragraphen bestehen, mittelst Verfügung vom 19. Oktober 1876 den Gerichten durch das J.M.M. Nr. 56 S. 193 ff. noch besonders bekannt gemacht.

899

Von dem Urheberrecht an Werken der bildenden Künste.

D. §♦ 17.

Allgemeine Bestimmungen.

Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem i. Juli 1876 in Kraft.

Alle früheren in den

einzelnen Staaten des Deutschen Reichs geltenden Bestimmungen in Beziehung auf das Urheberrecht

an Werken der bildenden Künste treten von demselben Tage ab außer WirksamkeitS4). §. 18.

DaS gegenwärtige Gesetz findet auch auf alle vor dem Inkrafttreten desselben erschiene­

nen Werke der bildenden Künste Anwendung, selbst wenn dieselben nach den bisherigen Landesgesetz­ gebungen keinen Schutz gegen Nachbildung genossen haben.

Die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandenen Exemplare, deren Herstellung nach der bisherigen Gesetzgebung gestattet war, sollen auch fernerhin verbreitet werden dürfen, selbst wenn

ihre Herstellung nach dem gegenwärtigen Gesetze untersagt ist.

Ebenso sollen die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandenen, bisher rechtmäßig angefer­ tigten Vorrichtungen, wie Formen, Platten, Steine, Stereotypabgüsse u. s. w. auch fernerhin zur

Anfertigung von Exemplaren benutzt werden dürfen. Auch dürfen die beim Inkrafttreten deS Gesetzes bereits begonnenen, bisher gestatteten Verviel­

fältigungen noch vollendet werden.

Die Regierungen der Staaten des Deutschen Reichs werden ein Inventarium über die Vorrich­

tungen, deren fernere Benutzung hiernach gestattet ist, amtlich aufstellen und diese ^Vorrichtungen mit einem gleichförmigen Stempel bedrucken lassen3ß). Nach Ablauf der für die Legalisirung angegebenen Frist unterliegen alle mit dem Stempel nicht

versehenen Vorrichtungen der bezeichneten Werke, auf Antrag des Verletzten, der Einziehung.

Die

nähere Instruktion über das bei der Aufstellung deS Inventariums und bei der Stempelung zu be­ obachtende Verfahren wird vom Reichskanzler-Amt erlassen33 * * ). *34 * *35 * *36 ********** §. 19.

Die Ertheilung von Privilegien zum Schutze des Urheberrechts ist nicht mehr zulässig.

Dem Inhaber eines vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes von den Regierungen

Nach §. 1 der Best, darf „in keinem Bundesstaate mehr als ein künstlerischer, ein photographi­ scher und ein gewerblicher Sachverständigen-Verein bestehen." Der §. 2 lautet: „Der künstlerische und der photographische Sachverständigen-Verein besteht auS je sieben, der gewerbliche Sachverständigen-Verein auS zehn Mitgliedern, einschließlich des Vor­ sitzenden. Für den Fall der Verhinderung einzelner Mitglieder wird eine Anzahl Stellvertreter er­ nannt." Unter §§. 3 — 5 sind die Vorschriften der Instruktion vom 12. Dezbr. 1870 §§. 3, 6 und 7 Abs. 1 (oben Anm. 81 zu §. 31 des Gesetzes vom 11. Juni 1870) wörtlich wiedergegeben. Der Wortlaut deS §. 6 der Bestimmungen ist der: „Zur Fassung eines gültigen Beschlusses ist bei dem künstlerischen und bei dem photographischen Sachverständigen-Verein die Anwesenheit von wenigstens fünf, bei dem gewerblichen Sachverständigen-Verein die Anwesenheit von wenigstens sieben Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden und der etwa zugezogenen Stellvertreter, erfor­ derlich. Es dürfen bei dem künstlerischen und dem photographischen Verein nicht mehr als sieben Mitglieder, bei dem gewerblichen Verein nicht mehr als zehn Mitglieder an dem Beschlusse Theil nehmen." Die §§. 7—9 reproduziren den Wortlaut der von der Instruktion v. 12. Dezember 1870 unter §§. 9 — 11 gegebenen Vorschriften, so jedoch, daß die Gebühren in §. 8 auf 30 bis 300 Mark be­ messen und in tz. 9 die §§. 4—8 der Bestimmungen in Bezug genommen sind. 34) (7. A.) Zu den hierdurch außer Kraft gesetzten Bestimmungen gehören u. a. die das Ur­ heberrecht an Werken der bildenden Künste betreffenden Vorschriften der Gesetze vom 11. Juni 1837 und vom 20. Februar 1854 sowie der Beschlüsse der vormaligen Bundesversammlung zu Frankfurt ä. M. vom 9. Nov. 1837, vom 19. Juni 1845 und vom 9.'November 1856.

35) (7. A.) Nach dem Gesetze vom 11. Juni 1870 §. 58 Abs. 5 mußten bei Schriftwerken auch die Exemplare, um verbreitet werden zu dürfen, abgestempelt werden. Die Erstreckung dieser Vorschrift auf Kunstwerke hat man als unzuträglich und überflüssig fallen lassen. Wächter S. 163. Im übrigen ist der Inhalt des §. 58 ohne sachliche Aenderungen meist wörtlich in dem vorliegenden §. 18 wiedergegeben. 36) (7. A.) Die erforderlichen Bestimmungen sind von dem Reichskanzleramt am 29. Febr. 1876 erlassen und durch daS Centralblatt für daS Deutsche Reich S. 118 öffentlich bekannt gemacht wor­ den. Vergl. zu dem §. 18 Klostermann S. 168 ff. und — zum Theil gegen denselben --Wäch­ ter S. 144 ff., auch oben die Anm. zu §. 58 des Gesetzes vom 1L Juni 1870.

900 Erster Theil. Eilfter Titel. (S. v. 9. Jan. 1876 §§. 19-21. G. v. 10. Jan. 1876 §. 1.)

einzelner deutscher (Staaten37) ertheilten Privilegiums steht es frei, ob er von diesem Privilegium Gebrauch machen oder den Schutz des gegenwärtigen Gesetzes anrufen will. Der Privilegienschutz kann indeß nur für den Umfang derjenigen Staaten geltend gemacht wer­

den, von welchen derselbe ertheilt worden ist.

Die Berufung auf den Privilegienschutz ist dadurch bedingt, daß das Privilegium entweder ganz oder dem wesentlichen Inhalte nach dem Werke vorgedruckt oder auf oder hinter dem Titelblatt des­

selben bemerkt ist.

Wo dieses nach der Natur des Gegenstandes nicht stattfinden kann oder bisher

nicht geschehen ist, muß das Privilegium bei Vermeidung des Erlöschens, binnen drei Monaten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Eintragung in die Eintragsrolle angemeldet werden.

Das Ku­

ratorium der Eintragsrolle hat das Privilegium öffentlich bekannt zu machen33).39 §. 20.

Das gegenwärtige Gesetz findet Anwendung auf alle Werke inländischer Urheber, gleich­

viel ob die Werke im Jnlande oder Auslande erschienen oder überhaupt noch nicht veröffentlicht find. Wenn Werke ausländischer Urheber bei inländischen33) Verlegern erscheinen, so stehen diese

Werke unter dem Schutze des gegenwärtigen Gesetzes. §. 21.

Diejenigen Werke ausländischer Urheber,

welche in einem Orte erschienen find, der

zum ehemaligen Deutschen Bunde, nicht aber zum Deutschen Reich gehört, genießen den Schutz

dieses Gesetzes unter der Voraussetzung, daß das Recht des betreffenden Staates den innerhalb des Deutschen Reichs erschienenen Werken einen den einheimischen Werken gleichen Schutz gewährt; je­

doch dauert der Schutz nicht länger, als in dem betreffenden Staate selbst.

Dasselbe gilt von nicht

veröffentlichten Werken solcher Urheber, welche zwar nicht im Deutschen Reich, wohl aber im ehema­

ligen deutschen Bundesgebiete staatsangehörig fmb 40). Urkundlich rc.

30.

Gesetz, betreffend den Schutz der Photographieen

Nachbildung*).

Vom 1 0. Januar 1876.

gegen unbefugte

(R.G.M. S. 8.)

Wir rc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­

raths und des Reichstags, was folgt: 37) (7. A.) Das Gesetz vom 11. Juni 1870 hat im §. 60, mit welchem der vorliegende §. 19 sonst wesentlich gleichlautet, hier die Worte: „von dem Deutschen Bunde oder den Regierungen ein­ zelner, jetzt zum Norddeutschen Bunde gehörigen Staaten". Für Kunstwerke kommen also Pri­ vilegien, welche von dem ehemaligen Deutschen Bunde ertheilt sein könnten, nicht mehr in Betracht. 38) (7. A.) In dem §. 60 des Gesetzes vom 11. Juni 1870 ist die Bekanntmachung mit der Anmeldung in demselben Satze vorgeschrieben. Das konnte dem Mißverständnisse Raum geben, als ob die Erhaltung des Privilegiums auch von der Bekanntmachung abhängen solle. Die vor­ liegende Fassung stellt außer Zweifel, daß nur die Unterlassung der Anmeldung mit dem Erlö­ schen des Privilegiums bedroht ist. Bergl. die Anm. 35 zu §. 60 cit. 39) (7. A.) Der Verleger muß also ein Inländer sein, wenn der ausländische Urheber berechtigt sein soll, den Schutz unseres Gesetzes gegen Nachbildung anzurufeu. Der Entwurf, den die Regierung dem Reichstage vorgelegt hatte, wollte im Einklänge mit dem Gesetz vom 11. Juni 1870 §. 61 diesen Schutz schon dann eintreten lassen, wenn der Verleger, ohne das Jndigenat er­ worben zu haben, eine Handelsniederlassung im Jnlande hätte. Die Kommission des Reichstages hat dies geändert, indem sie die vorliegende Fassung annahm, um die Umgehung des Gesetzes zu ver­ hindern. Komm.-Ber. S. 9. Verliert der Verleger die Eigenschaft als Deutscher, so ist das von ihm verlegte Kunstwerk des ausländischen Urhebers nicht mehr geschützt. Desgleichen erlangt der Verleger den Schutz für ein solches Werk nicht dadurch, daß er nach dessen Erscheinen das deutsche Jndigenat erwirbt. Dem in­ ländischen Kommissionsverleger deS ausländischen Autors wird der Schutz des Gesetzes abgesprochen. Wächter S. 122 u. 123. Vgl. auch die Anm. 36 zu §. 61 cit. 40) (7. A.) Der Paragraph reproduzirt die Bestimmungen deS Gesetzes vom 11. Juni 1870 §. 62. *) (7. A.) In Bayern wurden die Photographien bereits durch das Gesetz vom 28. Juni 1865 gegen Nachbildung geschützt. In dem übrigen Deutschland waren sie schutzlos. Namentlich genossen sie nicht den Schutz, den die Bundesbeschlüsse und die Partikulargesetze den Kunstwerken angedeihen ließen. Wenigstens machte sich nur vereinzelt die Ansicht geltend, daß der Photograph eine bildende Kunst übe. Heutzutage scheint die Unrichtigkeit dieser Ansicht ziemlich allgemein anerkannt zu sein. Mag immerhin die Photographie nicht selten ästhetischen Zwecken dienen und das Schönheitsgefühl im hohen Grade befriedigen, eine Kunst in dem Sinne, wie die Malerei dies ist, kann sie nicht sein,

Von dem Schutz der Photographieen. §♦ 1.

901

Da- Recht, ein durch Photographie hergestelltes Werk ganz oder theilweise auf mecha­

nischem Wege nachzubilden, steht dem Verfertiger der photographischen Aufnahme ausschließlich zu'). weil der Photograph daS Bild nicht schafft, sondern die Entstehung desselben nur ermöglicht. Er ist nicht der Urheber, sondern nur der Verfertiger des Bildes. Seine Thätigkeit ist nicht eine formgebende, sondern nur eine vorbereitende, nachhelfende, aussührende. Die Photographie ist ein Kunstgewerbe. Sie hat, wie dieses überhaupt, Anspruch auf Schutz ihrer Erzeugnisse, weil es recht und billig ist, daß der Lohn für die Arbeit demjenigen gesichert werde, der dieselbe verrichtet. Treffend sagt Kl ost er mann, das geistige Eigenthum i'S. 191: „Hierfür läßt sich nicht nur geltend machen, daß der Originalphotograph oft sehr viel Zeit, Mühe und Kosten auf die Aufsuchung und Aufnahme der abgebildeten Gegenstände verwenden muß, wäh­ rend der Verfertiger der photographischen Nachbildung diese Kosten erspart und daher die Bilder wohl­ feiler Herstellen kann, als der ursprüngliche Urheber. Es kommt namentlich hinzu, daß die photo­ graphischen Abbildungen mit den Werken der reproduzirenden Künste (Kupferstich, Lithographie u. s. w.) m Bezug auf ihre Bedeutung für den vermögensrechtlichen Verkehr vollkommen, aus einer Linie stehen. Sie haben denselben Zweck wie jene, sie werden auf dieselbe Art durch den Buchhandel vertrieben, sie werden mit derselben Leichtigkeit vervielfältigt wie die Stiche und gewähren durch ihre Vervielfäl­ tigung denselben Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung wie jene. Sie stimmen also mit den Werken der reproduzirenden Künste in allen juristisch relevanten Merkmalen überein und unterschei­ den sich eben nur dadurch, daß sie nicht Produkte der bildenden Kunst, sondern der photographischen Technik sind." Rücksichten dieser Art führten bald nach Errichtung des norddeutschen Bundes dahin, die Ein­ führung eines gesetzlichen Schutzes der Photographien gegen Nachbildung ins Auge zu fassen. Der in Erledigung des Bundesrathsbeschlusses vom 10. Juni 1868 von dem Professor Kühns ausgear­ beitete Entwurf eines Gesetzes über das Urheberrecht enthielt einen besonderen Abschnitt zum Schutz der Photographien. Dieser Abschnitt wurde dann von dem Geheimen Ober-Postrath Dambach zu einem besonderen Gesetzentwurf gestaltet. (Drucks, des Reichstages 1870 Nr. 8.) Der Reichstag lehnte freilich in der Sitzung vom 14. Mai 1870 diesen Entwurf ab, wollte aber damit durchaus nicht gegen den Rechtsschutz der Photographien sich erklären, hielt vielmehr dafür, daß dieser Schutz nur gleichzeitig mit dem Urheberrecht an Kunstwerken und Mustern geordnet werden könnte. (Sten. Ber. S. 899.) Die verbündeten Regierungen schlossen dieser Auffassung sich an und legten demge­ mäß am 1. November 1875 dem Reichstage die drei Entwürfe vor, welche oben in der Anm. * zu der Überschrift deS Gesetzes vom 9. Januar 1876 S. 894 näher bezeichnet sind. (Drucks. deS Reichstages 1875 Nr. 24.) Der Reichstag ließ sich von der zur Vorberathung der Vorlagen von ihm eingesetz­ ten Kommission schriftlichen Bericht erstatten (Drucks. Nr. 76 S. 11—18) und erhob den Entwurf des Gesetzes zum Schutz der Photographien in der Fassung, in welcher derselbe aus den Berathun­ gen der Kommission hervorgegangen' war, ohne Debatte zum Beschluß. (Sten. Ber. S. 738.) DaS am 10. Januar mit der kaiserlichen Sanktion versehene und am 18. Januar durch das Reichsgesetz­ blatt S. 8—10 verkündete Gesetz ist am 1. Juli 1876 in Kraft getreten. Eine wissenschaftliche Bearbeitung des neuen Rechts enthalten die mehrfach in Bezug genomme­ nen Werke von Klostermann, das Urheberrecht an Schrift- und Kunstwerken rc., Photographien, Mustern und Modellen (Berlin 1876), und Wächter, daS Urheberrecht an Werken der bildenden fünfte, Photographien und gewerblichen Mustern (Stuttgart 1877).

1) (7. A.) Gegenstand dieses Rechtes ist das durch Photographie hergestellte Bild, und zwar kann jede photographische Aufnahme des Schutzes gegen Nachbildung theilhaftig werden, gleichviel ob sie nach der Natur oder von einem Werke der bildenden Kunst angefertigt worden ist. Eine Beschrän­ kung nach dieser Richtung ist nicht anerkannt. (Mot. Drucks. 1875 Nr. 24 S. 33.) Die Beschrän­ kung, welche der §. 1 in seinem zweiten Satze ausspricht, ist nicht durch die Beschaffenheit, sondern durch die rechtliche Qualifikation des Gegenstandes begründet. Das Wort „Photographie" ist von dem Gesetze im weitesten Sinne gebraucht ; es bezeichnet nicht etwa den Gegensatz zur Daguerrotypie, sondern alle mechanischen Erzeugungen, welche mit Hülfe des Lichts hervorgebracht werden (§. 11), so z. B. die Heliographie, die Pyrographie, den photographischen Stein- und Metall­ druck, den Anilindruck, den GlaSdruck, die Chromolithographie u. s. w. (Komm.-Ber. S. 17; Wächter S. 280.) — Der Schutz der Photographie reicht nicht so weit wie der des Kunstwerks: er wird nicht gegen jede, sondern nur gegen mechanische Nachbildung gewährt. Insbesondere „findet er nicht statt gegen solche Nachbildungen, welche.... mittelst der malenden oder zeichnenden Kunst angefertigt sind. ES kann allerdings nicht geleugnet werden, daß auch der Holzschnitt, die Lithographie, der Kupfer- oder Stahlstich unter Umständen zu geringerem Preise hergestellt werden können, als die Photographie, und daß dieselben also in das Absatzgebiet der photographischen Aufnahme beeinträch­ tigend' eingreifen können. Allein vorwiegend wird der Photograph nur dadurch geschädigt, daß sein Werk wiederum durch Photographie oder ein sonstiges mechanisches Verfahren reproduzirt wird, und eS erschien daher vorzuziehen, die auf nicht mechanischem Wege hergestellte Nachbildung zu ge-

902

Erster Theil.

Eilster Titel.

(Gesetz v. 10. Jan. 1876 §§. 1—6.)

Auf Photographieen von solchen Werken, welche gesetzlich gegen Nachdruck und Nachbildung

noch geschützt sind, findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung*). statten". (Mot. S. 35.) Ist hiernach die graphische Nachbildung des photographischen Bildes alerlaubt anzusehen, so ergibt sich, wie Kl ost ermann S. 85 sagt, „daß unter der mechanischen Nach­ bildung, auf welche das ausschließliche Recht des Photographen beschränkt ist, nur die photographische Kopie und die mechanische Ueberhagimg der Ausnahme auf eine Druckplatte verstanden ist." Diese Auffassung liegt anscheinend auch dem Bericht der Kommission des Reichstages, Drucksachen 1875 Nr. 76 S. il u. 12, und der Darstellung Wächter's S. 291 zu Grunde. Es ist selbstverständlich, daß der Begriff der mechanischen Nachbildung einer Photographie dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß dieselbe 'nicht von der Originalaufnahme, sondern von einer Nachbildung gefertigt worden ist. (Mot. S. 35.) Der Entwurf enthielt eine dem Gesetze vom 9. Jan. 1876 tz. 5 Nr. 1 und 2 entsprechende Bestimmung, die aber als überflüssig von der Kommission ge­ strichen wurde. (Komm.-Ber. S. 13.) Nach Wächter S. 292 soll daS Verbot der Nachbildung einer Nachbildung voraussetzen, „daß letztere selbst dem Verbot unterlag: denn", so^exemplifizirt er, „würde der Photograph z. B. einen nach einer Photographie genommenen Kupferstich wiedergeben, so läge hierin nicht eine Verletzung des jener Photographie gewährten Rechtsschutzes, da letztere gegen Kupferstich nicht geschützt war." Hiergegen ist zu bemerken, daß in dem Falle deS Beispieldie Nachbildung der Photographie keine mechanische ist, sondern ein Werk darstellt, welches nach §. 8 selbständig gegen jede Nachbildung geschützt ist, aber aus dem Rechte deS Nachbildners (Kupferste­ chers), nicht deS Photographen, — daß dagegen die Photographie, wenn sie mit Erlaubniß ihres Verfertigers photographisch von einem Andern kopirt worden, doch gegen mechanische Nachbildungen auch dieser rechtmäßigen Nachbildung (Kopie) aus dem Rechte des Origmalphotographen geschützt wer­ den muß.

2) (7. A.) Ist das photographirte Objekt gegen Nachdruck oder Nachbildung geschützt, so find drei Fülle möglich: a. Der Urheber deS geschützten Werkes hat die photographische Aufnahme desselben nicht gestat­ tet. Ist hier die Photographie in der Absicht der Verbreitung beziehungsweise der Verwerthung an­ gefertigt, so stellt sie den Thatbestand des Nachdrucks oder der unbefugten Nachbildung im Sinne des Gesetzes vom 11. Juni 1870 resp, des Gesetzes vom 9. Januar 1876 dar, begründet daher für den Photographen keine Rechte. b. Das Werk ist mit Genehmigung seines Urhebers photographirt, ein ausschließliches Recht zur Vervielfältigung der Photographie aber dem Verfertiger derselben nicht eingeräumt. In diesem Fall ist die Photographie, weil sie kein Kunstverfahren im Sinne deS Gesetzes vom 9. Januar 1876 §. 7 ist, aus dem Rechte des Photographen nicht geschützt gegen mechanische Nachbildungen, die ein Dritter vornimmt. Nur der Urheber des photographirten Objekts kann gegen dieselben auf Grund seines Urheberrechts einschreiten. c. Der Urheber hat das Nachbildungs- oder Vervielfältigungsrecht dem Photographen uneinge­ schränkt oder unter Einschränkung auf photographische Aufnahmen übertragen. In diesen Fällen hat der Erwerber zwar ebenfalls nach §. 1 Satz 2 kein ursprüngliches Recht auf Schutz gegen Nach­ bildung der von ihm hergestellten Photographien. Aber er genießt diesen Schutz kraft semeS von dem Urheber abgeleiteten Rechts nach Inhalt der zwischen ihnen bestehenden Vereinbarungen und nach Maßgabe des Gesetzes vom 11. Juni 1870 oder des Gesetzes vom 9. Januar 1876. Ob in concreto der Fall zu b oder der zu c vorliegt, ist Thatfrage, die der Richter — nach Befinden auf Grund sachverständigen Gutachtens — zu entscheiden hat. Wächter (S. 279) bemängelt die Bestimmung des Gesetzes unter §. 1 Satz 2, indem er be­ merkt , „es entspreche zwar durchaus den allgemeinen Grundsätzen, daß der Nachbildner kein Aus­ schließungsrecht gegen andere Nachbildungen oder Aufnahmen desselben Originalwerkes habe, nicht aber, daß seine Aufnahme des Schutzes der Kategorie derselben entbehre." Es scheint indeß nicht, daß dieser Vorwurf zutreffend wäre. Richtig ist wohl nur, daß die Nachbildung selbständig insoweit schutzberechtigt sein muß, als sie dem Original gegenüber eine eigene Geistesschöpfung ist. DaS photograhische Bild ist aber kein Erzeugniß des schaffenden Geistes. Der Photograph übt nur eine me­ chanische Thätigkeit. Freilich ist diese Thätigkeit durch technische Kenntnisse und Geschicklichkeit be­ dingt, oft auch mit einem nicht unerheblichen Aufwande von Kapital verbunden, und deshalb schützt das Gesetz regelmäßig die Werke der Photographie. Allein die Gründe für den Schutz verlieren das Gewicht, wenn daS photographirte Objekt selbst gegen Nachbildung oder Nachdruck geschützt ist. In diesem Fall ist die Photographie rechtlich nichts weiter alS ein Mittel zur mechanischen Vervielfälti­ gung eines fremden Geistesprodukts, die Herstellung des photograpischen Bildes mithin unstatthaft. Kann nun aber auS einer verbotenen Handlung derjenige, welcher sie vorgenommen hat. Rechte nicht herleiten, so folgt, daß die Nachbildung des photographischen Bildes nicht von dem Photographen, sondern nur von dem Urheber des durch die Photographie kopirten resp, vervielfältigten Werkes ver­ folgt werden kann. Hierin ändert sich auch dadurch nichts, daß der Urheber die photographische Auf­ nahme genehmigt hat. Denn an sich folgt aus der Genehmigung nur, daß ihm gegenüber die Auf-

Von dem Schutz der Photographiern.

§♦ 2.

903

Als Nachbildung ist nicht anzusehen die freie Benutzung eines durch Photographie her­

gestellten Werkes zur Hervorbringung eines neuen Werkes 3 * ). *4 5

§. 3.

Die mechanische Nachbildung eines photographischen Werkes, welche in der Absicht, dieselbe

zu verbreiten, ohne Genehmigung der Berechtigten (§§. 1 und 7) hergestellt wird, ist verboten ♦). §. 4.

Die Nachbildung eines photographischen Werkes, wenn sie sich an einem Werke der

Industrie, der Fabriken, Handwerke oder Manufakturen befindet, ist als eine verbotene nicht anzu­

sehen 6).7 §♦ 5.

Jedr rechtmäßige photographische oder sonstige mechanische Abbildung der Originalauf-

nahme muß auf der Abbildung selbst oder auf dem Karton a) den Namen beziehungsweise die Firma des Verfertigers der Originalaufnahme oder des Ver­

legers, und b) den Wohnort des Verfertigers oder Verlegers, c) das Kalenderjahr6), in welchem die rechtmäßige Abbildung zuerst erschienen ist, enthalten, widrigenfalls ein Schutz gegen Nachbildung nicht stattfindet.

§. 6.

Der Schutz des gegenwärtigen Gesetzes gegen Nachbildung wird dem Verfertiger des

photographischen Werkes fünf Jahre gewährt^).

Diese Frist wird vom Ablaufe desjenigen Kalender­

jahres ab gerechnet, in welchem die rechtmäßigen photographischen oder sonstigen mechanischen Ab­ bildungen der Originalaufnahme zuerst erschienen sind. Wenn solche Abbildungen nicht erscheinen, so wird die fünfjährige Frist von dem Ablauf des­ jenigen Kalenderjahres ab gerechnet, in welchem das Negativ der photographischen Aufnahme ent­

standen ist8). nähme nicht eine unbefugte ist. Der Photograph leitet sein Recht von dem Urheber ab und hat mit­ hin nur die Befugnisse, welche dieser ihm zugestanden hat, namentlich also die auS dem Urheberrecht fließende Befugniß zur Untersagung weiterer Nachbildungen nur, wenn dieselbe auf ihn übertragen ist. Vergl. übrigens Wächter S. 55 fi. 3) (7. A.) Diese Bestimmung, welche dem §. 4 deS Ges. vom 9. Januar 1876 entspricht, ver­ steht sich nach §. 1 Satz 1 von selbst; sie hätte ebensogut wegbleiben können. Zu ihrer Motivirun^ ist auch nur dieS gesagt: „Ebenso wie der Künstler bei den Werken der bildenden Künste, soll auch der Photograph nur gegen die eigentliche Nachbildung, gegen die Reproduktion seines Werkes ge­ schützt werden; dagegen muß es gestattet sein, ein photographisches Bild frei zu benutzen zur Schaffung eines neuen Werkes. Wenngleich Fälle dieser Art nicht oft vorkommen werden, zumal der Photograph durch das vorliegende Gesetz überhaupt nur gegen mechanische Nachbildung ge­ schützt wird, so sind dieselben doch nicht undenkbar, und eS erschien daher zweckmäßig, eine dem §’. 4

des Gesetzentwurfs, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste. entsprechende Be­ stimmung aufzunehmen/' (Mot. S. 35.) Nach Klostermann S. 84 „betrifft der Fall, auf wel­ chen §. 2 sich bezieht, die Ausführung eines Gemäldes oder einer Zeichnung, bei welcher eine Pho­ tographie oder vielmehr die mechanische Kopie einer solchen zur bloßen Grundlage der Zeichnung ge­ nommen ist."

4) (7. A.) Vergl. Ges. vom 9. Januar 1876 tz. 5 und Ges. vom 11. Juni 1870 §§. 18 ff., auch unten den §. 9 deS vorliegenden Gesetzes. — Eine einzelne mechanische Nachbildung ist nur verboten, wenn ihre Herstellung in der Absicht der Verbreitung erfolgt. Wächter S. 294. 5) (7. A.) Die photographische Aufnahme ist also im Gegensatz zu dem Kunstwerk (Ges. v. 9. Januar 1876 §. 5 Nr. 3) gegen Nachbildungen an Erzeugnissen der Industrie rc. nicht geschützt. Aber die Fassung (wenn sie sich...befindet) deutet an, daß die Nachbildung doch immer nur insoweit erlaubt ist, als sie nicht als selbständiges Bild, sondern an und mit einem Werke der In­ dustrie verbreitet wird. (Komm.-Ber. S. 14.) Vgl. Wächter S. 294. 6) (7. A.) Die Angabe der Jahreszahl auf der Abbildung oder dem Karton begründet keine Vermuthung für die Zeit des ersten Erscheinens. Klostermann S. 190. Vgl. die Anm. 28 zu §. 13 deS Gesetzes vom 9. Januar 1876, oben S. 898. 7) (7. A.) Die Schutzfrist, die bei Schrift- und Kunstwerken noch 30 Jahre nach dem Tode deS Urhebers läuft, ist für Photographien auf nur 5 Jahre festgesetzt, weil dieser Zeitraum „für den Zweck der Ausbeutung des dem ersten Verfertiger zustehenden ausschließenden Rechtes" als ein vollkommen ausreichender angesehen worden ist. (Mot. S. 36.) Photographien, welche einem Schrift­ werke einverleibt werden, erlangen dadurch nicht den längeren Schutz dieses Werkes; sie sind nicht

Bestandtheile desselben. Klostermann S. 169; Wächter S. 288. 8) (7. A.) „Hierin liegt allerdings die Nöthigung für den ersten Verleger, spätesten- bis zum

904

Erster Theil. Eilfter Titel. (G. v. 10. Jan. 1876 tz§. 6-12. G. v. 11. Jan. 1876.) Bei Werken, die in mehreren Bänden oder Abtheilungen erscheinen, findet der §. 14 deS Ge­

setzes vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken rc., Anwendung.

8. 7.

Das im §. 1 bezeichnete Recht des Verfertigers eines photographischen Werkes geht auf

dessen Erben über.

Auch kann dieses Recht von dem Verfertiger oder dessen Erben ganz oder theil-

weise durch Vertrag oder durch Verfügung von Todeswegen auf Andere übertragen werden e).

Bei

photographischen Bildnissen (Portrait-) geht das Recht auch ohne Vertrag von selbst auf den Besteller

über1 *°). ** §. 8.

Wer eine von einem Anderen verfertigte photographische Aufnahme durch ein Werk der

malenden, zeichnenden oder plastischen Kunst nachbildet, genießt in Beziehung auf da- von ihm

hervorgebrachte Werk daS Recht eines Urhebers nach Maßgabe des §. 7 des Gesetzes v. 9. Januar d. I., betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste11).* *

§. 9.

Die Bestimmungen in den §§. 18 biS 38, 44, 61 Abs. 1 des Gesetzes v. 11. Juni 1870,

betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken rc., finden auch Anwendung auf das ausschließliche

Nachbildungs- und Vervielfältigungsrecht des Verfertiger- photographischer Starte12).* §. 10.

Die Sachverständigen-Vereine, welche Gutachten über die Nachbildung photographischer

Aufnahmen abzugeben haben, sollen aus Künstlern verschiedener Kunstzweige, aus Kunsthändlern, aus anderen Kunstverständigen und aus Photographen bestehen"). tz. 11. Die Bestimmungen des' gegenwärtigen Gesetzes finden auch Anwendung auf solche

Werke, welche durch ein der Photographie ähnliches Verfahren hergestellt werden 14).

§. 12.

Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1876 in Kraft.

Auf photographische

Aufnahmen, welche vor diesem Tage angefertigt sind, findet dasselbe nur dann Anwendung, wenn

die erste rechtmäßige photographische oder sonstige mechanische Abbildung der Originalaufnahme nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes erschienen ist").

Ablauf des fünften Jahres nach der Entstehung deS Bildes eine Vervielfältigung desselben zu unter­ nehmen, wenn er die Ausbeutung seines ausschließenden Rechtes beabsichtigt. Bei dem vorwiegend industriellen Zwecke , der bei photographischen Aufnahmen obwaltet, liegt in dieser Zumuthung keine Unbilligkeit. Ein eigentliches Urheberrecht, wie es an Werken der Literatur, der Musik oder der bil­ denden'Künste anerkannt ist, kann dem Verfertiger einer Photographie nicht eingeräumt werden, und darum würde auch die Gewährung deS Rechtsschutzes auf Lebensdauer und auf 30 Jahre nach dem Tode, die in Rücksicht auf die persönlichen Interessen des Urhebers geboten erschien, über die Zeit­ grenze hinausgehen, die der Photograph für seinen Schutz billiger Weise in Anspruch nehmen kann. Nur sofern der Verfertiger das photographische Abbild vervielfältigen und absetzen will, wird er ge­ schützt; will er dies nicht, so verliert er sein auSschließendeS Recht durch Ablauf von 5 Jahren." Mot. S. 36. 9) (7. A.) Es gilt also hier dasselbe, waS daS Gesetz vom 9. Januar 1876 berrecht an Kunstwerken bestimmt.

2 für daS Urhe­

10) (7. A.) Hierdurch tritt daS Gesetz dem Mißbrauche entgegen, „daß photographische Por­ traits ohne oder gegen den Willen deS Bestellers vervielfältigt und verbreitet werden." Mot. a. a. O. Siehe die Anm. 18 zu 8» 8 *deS * * Gesetzes vom 9. Januar 1876. 11) (7. A.) Kupferstiche, Lithographien rc. sind hiernach als selbständige Kunstwerke geschützt, gleichviel ob das nachgebildete Werk der bildenden Kunst oder der Photographie angehört. (Mot. S- 37). Der Unterschied ist nur der, „daß der Kupferstecher, der ein Oelgemälde nachbilden will, dieses Recht sich von dem Maler erwerben muß, während er die Photographie ohne Erlaub­ niß nachbilden darf, vorausgesetzt, daß die Photographie selbst nicht Abbild eines ge­ schützten Gemäldes ist." Komm.-Ber. S. 16; Wächter S. 280. 12) (7. A.) Vgl. das Gesetz vom 9. Januar 1876 8. 16.

13) (7. A.) Siehe hierzu die Anm. 33 zu 8» 16 eit. 14) (7. A.) „Es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß im Laufe der Zeit die Photographie durch ein anderes vervollkommneteres Verfahren verdrängt wird, welches zwar in rechtlicher Bezie­ hung mit der Photographie gleich zu behandeln ist, aber doch einen anderen Namen trägt. Um auch den Erzeugnissen eines solchen etwaigen neuen Verfahrens den Schutz des gegenwärtigen Gesetzes zu sichern, ist — den geäußerten Wünschen der Photographen entsprechend — der 8« n in daS Gesetz ausgenommen." Mot. S. 37.

15) (7. A.) Photographien, deren Veröffentlichung vor dem 1. Juli 1876 begonnen hat, sind also nicht geschützt. Diese Abweichung von dem Prinzip, welches den Gesetzen vom H.Juni 1870 §. 58 und vom 9. Januar 1876 8. 18 zu Grunde liegt, ist dadurch gerechtfertigt, daß die Abstem-

Bon dem Urheberrecht an Mustern und Modellen.

905

Photographische Aufnahmen, welche schon bisher landesgesetzlich gegen Nachbildung geschützt waren, behalten diesen Schutz; jedoch kaun derselbe nur für denjenigen räumlichen Umfang geltend gemacht werden, für welchen er durch die Landesgesetzgebung ertheilt todt16). 31.

Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen**).

Vom

11. Januar 1 87 6. (R.G.Bl. S. 11.) Wir rc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des BundeSraths und des Reichstags, was folgt:

pelung und Jnventaristrung, an welche der Schutz älterer Photographien geknüpft werden müßte, bei der ungeheueren Zahl derselben schlechterdings nicht ausführbar erscheint. Mot. S. 37. 16) (7. A.) Die Bestimmung hat praktische Bedeutung nur für Bayern. Mot. S. 38. Vgl. oben die Anm. zur Ueberschrift des Gesetzes. — Das Gesetz gewährt den Schutz gegen Nachbildung nur denjenigen Photographien, welche von Inländern — gleichviel ob im In- oder Auslande — hergestellt worden sind. Der ausländische Photograph kann für seine Aufnahmen auch durch Uebertragung des Verlags auf einen Inländer kei­ nen Rechtsschutz erlangen. Die Bestimmungen deS Gesetzes vom n. Juni 1870 §. 61 Abs. 2 und §. 62, welche im wesentlichen das Gesetz vom 9. Januar 1876 unter §§. 20 u. 21 wiedergibt, fin­ den auf Photographien keine Anwendung. (§. 9 oben.) Der Grund, den die Kommission des Reichs­ tags hierfür geltend macht, ist der, daß'der Schutz der von Ausländern angefertigten Photographien, welche im Auslande regelmäßig nicht geschützt sind, eine Vertheuerung deS Preises der Bilder im Jnlande zur Folge haben und also das inländische Publikum gegenüber dem ausländischen benachtheiligen, überdies die Abschließung internationaler Verträge zum gegenseitigen Schutz der Photogra­ phien bedeutend erschweren würde. Komm.-Ber. S. 17. *) (7. A.) Der Schutz gewerblicher Muster und Modelle gegen Nachbildung findet seine juri­ stische Rechtfertigung in denselben Gründen, welche für den Schutz der Kunstwerke sprechen. Mag immerhin die geistige Thätigkeit des Zeichners und deS Modelleurs eine weit geringere sein, als die des Malers und des Bildhauers, hier wie dort ist es die schöpferische Kraft deS Genie's, die Erzeu­ gung und Gestaltung neuer Ideen, die Autorschaft, woraus für den natürlichen Gerechtigkeitssinn der Anspruch sich ergibt, daß der Lohn für die Geistesschöpfung demjenigen gesichert werde, dem die­ selbe ihre Entstehung verdankt. Die Rechtsordnung hat indeß nicht bloß daS einzelne Individuum, sondern auch — und zwar vorwiegend — die anderen Individuen, die Gesammtheit, zu berücksich­ tigen. Deshalb wird das Urheberrecht nirgends in seiner Absolutheit anerkannt, sondern stets nur mit gewissen Einschränkungen zu Gunsten'der intellektuellen und materiellen Entwickelung deS Vol­ kes. Bei dem gewerblichen Urheberrecht haben die Rücksichten auf die allgemeinen Bedürfnisse und Interessen sogar für die Frage, ob ein solches Recht überhaupt anzuerkennen sei, die Entscheidung herbeigeführt. Man hat die'Frage nicht so gestellt: hat der Urheber eines Musters oder Modells einen natürlichen Anspruch auf Schutz gegen Nachbildung? sondern so: ist der Muster- und ModellSchutz geeignet, die Industrie zu heben? Die Frage hat sich demnach zu einer rein Wirth sch aftl i ch e n gestaltet und folglich in den verschiedenen Zeiten und je nach dem Standpunkt der herrschen­ den Anschauungen auf diesem Gebiete eine verschiedene Lösung erfahren. Der Musterschutz hat seinen Ursprung in Frankreich. Hier hat er sich auS kleinen Anfängen, die im vorigen Jahrhundert mit der Seidenindustrie in Lyon gemacht wurden, zu allgemeiner Gel­ tung entwickelt. Dem Beispiele der Franzosen folgten die Engländer und in neuerer Zeit die Ame­ rikaner, die Belgier, die Oestreicher und die Russen. Alle führen den Aufschwung, den ihre In­ dustrie genommen hat, nicht zum geringsten auf den Musterschutz zurück. In Deutschland dagegen beharrte man bei der hergebrachten'Freiheit der Nachbildung. Nur in einem Theil der preußischen Rheinprovinz und in Elsaß-Lothringen war durch die dort geltenden französischen Gesetze der Urhe­ ber gewerblicher Muster und Modelle in der Ausbeutung derselben gegen fremde Eingriffe geschützt. Klostermann, das geistige Eigenthum 1 S. 206 ff. und das Urheberrecht rc. (1876) S. 85 ff. Ueber den Werth des Muster- und Modellschutzes wurde lange Zeit hindurch lebhaft gestritten. In Preußen wurden im Jahre 1854 die Regierungen und Handelskammern veranlaßt, sich darüber­ gutachtlich zu äußern. Die Gutachten, welche eingmgen, erklärten sich meist gegen den Musterschutz. Doch zählte die Minderheit unter sich gewichtige Stimmen, welche denselben forderten, in erster Linie die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft. (Klostermann, S. 91.) Nur allmählich vollzog sich ein Umschwung in der öffentlichen Meinung zu Gunsten des Musterschutzes. Der Reichstag des nord­ deutschen Bundes gab demselben, allerdings in sehr behutsamer Weise, dadurch Ausdruck, daß er die Ablehnung des zur Ordnung des Urheberrechts an Kunstwerken bestimmten 5. Abschnitts des Ge­ setzentwurfs vom 4. Februar 1870 mit einer Resolution begleitete, mittelst welcher die verbündeten Regierungen ersucht wurden, „dem nächsten Reichstage ein Gesetz vorzulegen, welches den 5. Ab­ schnitt selbständig und dergestalt regelt, daß dabei zugleich die berechtigten Interessen der Kunstin­ dustrie entsprechende Berücksichtigung finden." (Sten.Ber. S. 888.)

906

Erster Theil.

§. 1.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Januar 1876 §§. 1—5.)

DaS Recht, ein gewerbliches Muster oder Modell ganz oder theilweise nachzubilden, steht

dem Urheber desselben ausschließlich zu 0.

Wesentlich gefördert wurde die Einführung deS Musterschutzes durch die Einverleibung von El­ saß-Lothringen in das deutsche Reich. Die dortigen Fabrikanten eröffneten eine lebhafte Agitation für den Musterschutz, indem sie geradezu erklärten, daß derselbe für ihre Industrie eine Lebensfrage wäre. Eine Reihe von Handelskammern in dem übrigen Deutschland unterstützte ihr Begehren. Auch in der Literatur sand dasselbe beredte Fürsprecher; so namentlich: Iannasch, der Musterschutz und die Gewerbepolitik deS deutschen Reiches 1873; Landgraf, Musterrecht und Musterschutz 1875; Weigert, der Musterschutz 1875. Nachdem dann bei der im Mai 1875 von dem Bundesrath veranlaßten Enquete die Sachver­ ständigen mit überwiegender Mehrheit für den Musterschntz sich ausgesprochen hatten, wurde der Ent­ wurf eines Gesetze-, betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen, aufgestellt und dem Reichstage am 1. November 1875 vorgelegt. (Vgl. oben die Anm. * zur Überschrift des Gesetzevom 10. Januar 1876.) Die Motive, welche dem Entwurf beigefügt waren, hoben, unter Hinweis auf die Ergebnisse der Enquete und die Wünsche der Fabrikanten in Elsaß-Lothringen u. a. Folgen­ des hervor: „In den letzten Jahren ist von den Industriellen Deutschlands daS Verlangen nach einem Mu­ sterschutzgesetze mit erhöhtem Nachdruck gestellt und namentlich geltend gemacht worden, daß die deutsche Industrie den ihr gebührenden Rang und die Blüthe, zu welcher sie befähigt sei, erst dann erlangen könne, wenn sie gegen unbefugte Nachbildung geschützt werde. Ohne diesen Schutz könne der Fabri­ kant keine erheblichen Opfer aufwenden, um tüchtige Künstler zur Anfertigung neuer Muster und Modelle zu gewinnen, und der Künstler wiederum werde seine Kraft der Industrie nicht zuwenden, da diese ihm keinen entsprechenden Lohn für seine Arbeiten zu bieten im Stande sei. Es ist ferner darauf hingewiesen worden, daß Frankreich die Blüthe seiner Industrie, wenigstens zum großen Theile, seinem Musterschutzgesetz verdanke, und es ist endlich hervorgehoben, daß die deutsche Kunst­ industrie auf den neuesten Weltausstellungen den anderen Ländern gegenüber zurückgestandcn habe, — ein Umstand, welcher auf daS Engste mit dem Mangel eines gesetzlichen Schutzes gegen Nachbildung der Muster und Modelle Zusammenhänge." Drucks, des Reichstages 1875 Nr. 24 S. 22. Das Prinzip der Vorlage wurde weder in der Kommission noch im Plenum des Reichstages be­ kämpft, der Entwurf vielmehr mit einigen Modifikationen angenommen. Drucks. Nr. 76 S. 18 ff.; Sten.Ber. S. 605 ff., 738. Schon am 18. Januar 1876 konnte durch die an diesem Tage auSgegebene Nummer 2 des Reichsgesetzblattcs das am 11. Januar mit der kaiserlichen Sanktion versehene Gesetz verkündet werden. Am 1. April 1876 ist es in Kraft getreten. Vergl. außer den systematischen Bearbeitungen von Klostermann und Wächter (oben Anm. * zur Überschrift deS Gesetzes vom 10. Januar 1876) Darnbach, das Musterschutzgesetz vom 11. Ja­ nuar 1876, erläutert 1876. 1) (7. A.) Die Fassung schließt sich genau dem §. 1 des Gesetzes, betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, an. Der Unterschied, welcher zwischen diesen Werken und den gewerb­ lichen Mustern und Modellen besteht, bestimmt sich durch den Zweck, den der Urheber bei seiner Schöpfung verfolgt. DaS Kunstwerk ist sich selbst Zweck; es soll daS Schöne zur Darstellung brin­ gen und dadurch demselben entsprechende Gefühle in dem Beschauer erregen, sein Zweck ist ein ästhe­ tischer. Die Muster und Modelle dagegen haben einen materiellen Zweck, sie dienen als Vorbilder zur Ausfüllung der Fläche eines Gebrauchsgegenstandes oder zur plastischen Gestaltung desselben, in­ dem sie zwar durch Erweckung des Farben- und Formensinnes gleichwie die Kunstwerke ästhetische Vorstellungen vermitteln können, aber nicht um dieser selbst willen, sondern zur Verzierung oder Verschönerung von Gegenständen des Gebrauches. (Dambach S. 17; Klo st ermann S. 100.) Insofern die Muster (Modelle) zugleich eine solche ästhetische Bestimmung haben, pflegt man sie als Geschmacksmuster zu bezeichnen und stellt ihnen dann die Gebrauchsmuster, d. h. diejenigen gegenüber, bei denen der Gebrauchszweck überwiegt und wesentlich maßgebend ist für die Form. (Wächter S. 304.) Nach Dambach S. 16 sollen die Gebrauchsmuster, d. h. nach ihm solche Muster, welche „eine neue praktische Anwendung des Geräthes oder Werkzeuges" herbeizuführen be­ stimmt sind, nicht zu den von dem vorliegenden Gesetz betroffenen Gegenständen, sondern in daS Gebiet deS Patentschutzes gehören. Das Gesetz macht indeß einen solchen Unterschied nicht; es scheint daher nicht gerechtfertigt, von seiner Anwendung die Gebrauchsmuster auszunehmen. K lo st er­ matt n S. 102; Wächter S. 304. Ebensowenig ist unterschieden „zwischen den Erzeugnissen der Kunstindustrie und den gewöhnlichen Mustern der Gewerbe, vielmehr der Schutz gegen un­ befugte Nachbildung allen Mustern und Modellen gleichmäßig gewährt. Bei den Verhandlungen der Enquete überzeugte man sich allseitig, daß eine Grenze zwischen den verschiedenen Arten der In­ dustrie-Erzeugnisse nicht gezogen werden könne, daß der Uebergang aus der Kunstindustrie zum ge­ wöhnlichen Muster ein ganz allmähliger und verschwindender sei, und daß es gerechtfertigt erscheine, auch den einfachsten, aus Linien und Strichen kombinirten Mustern, sobald sich in ihnen eine eigene geistige Thätigkeit manifestire, den Schutz deS Gesetzes zu gewähren. Der Schutz gegen Nachbildung

907

Von dem Urheberrecht an Mustern und Modellen.

Als Muster oder Modelle im Sinne dieses Gesetzes werden nur neue und eigenthümliche Er­ zeugnisse angesehen 2). §♦ 2.

Bei solchen Mustern und Modellen, welche von den in einer inländischen gewerblichen

Anstalt beschäftigten Zeichnern, Malern, Bildhauern rc. im Auftrage oder für Rechnung des Eigen-

thümers der gewerblichen Anstalt angefertigt werden, gilt der letztere, wenn durch Vertrag nichts anderes bestimmt ist, als der Urheber der Muster und Modelle*3). 2

§. 3.

Das Recht des Urhebers geht auf dessen Erben über.

Dieses Recht kann beschränkt oder

unbeschränkt durch Vertrag oder durch Verfügung von Todeswegen auf Andere übertragen werden4).5 6 §. 4.

Die freie Benutzung einzelner Motive eines Musters oder Modells zur Herstellung eines

neuen Musters oder Modells ist als Nachbildung nicht anzusehenfi).

§. 5.

Jede Nachbildung eines Musters oder Modells, welche in der Absicht, dieselbe zu ver­

breiten, ohne Genehmigung des Berechtigten (§§. 1 — 3) hergestellt wird, ist verboten3).

Als ver­

botene Nachbildung ist es auch anzusehen: 1) wenn bei Hervorbringung derselben ein anderes Verfahren angewendet worden ist, als bei dem

Originalwerke, oder wenn die Nachbildung für, einen anderen Gewerbszweig bestimmt ist, als das Original; 2) wenn die Nachbildung in anderen räumlichen Abmessungen oder Farben hergestellt wird, als

das Original, oder wenn sie sich vom Original nur durch solche Abänderungen unterscheidet, welche nur bei Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden kcünen; wird gewährt dem Urheber, d. h. demjenigen, aus dessen geistiger Schöpfung das Werk hervorge­ gangen ist; es liegt hierin zugleich ausgedrückt, daß nur neue Muster, nicht etwa Nachbildungen geschützt sind." Mot. S. 23. Klostermann trat in seinem Werke „das geistige Eigenthum" 2 (1869) S. 252 de lege fe­ renda für die Beschränkung des Schutzes auf solche Muster und Modelle ein, welche der mecha­ nischen Vervielfältigung fähig wären, d. h. „mittelst einer äußeren Vorrichtung, wie z. B. das Drucken, Weben, Pressen u. s. w., auf einmal dargestellt und beliebig oft wiederholt werden könnten; er wollte also von einem Musterschutz nichts wissen, wenn „in der'Wiederholung des Musters die­ selbe Thätigkeit angewendet werden muß, wie bei der Hervorbringung des Originals, also z. B. dem neu erfundenen Schnitt eines Kleidungsstücks." Das vorliegende Gesetz hat jedoch in dieser Weise nicht unterschieden; es schützt eben alle Muster und Modelle, welche gewerblichen Zwecken dienen. Dambach S. 18; Klostermann, Urheberrecht S. 95. Die Grenze zwischen dem Patentschutz und dem Muster- und Modellschutz ergibt sich aus einer Vergleichung der Gegenstände des Schutzes. Das Patent schützt den technischen Effekt der Er­ findung in jeder Form der Ausführung, „durch welche derselbe technische Effekt mit denselben Mitteln erreicht wird." Der Musterschutz dagegen beschränkt sich auf die bestimmte Form, in welcher das Muster (Modell) deponirt ist. Klostermänu S. 101; Wächter S. 305.

2) (7. A.) Die Ueberflüssigkeit dieser Bestimmung ergibt sich aus den Motiven S. 23 (vor. Anm.). Die Kommission des Reichstages hat dieselbe der Regierungsvorlage hinzugesetzt, um dem Publikum das Verständniß des Gesetzes zu erleichtern. Komm.-Ber. S. 20; Dambach S. 19; Wächter S. 303. 3) (7. A.) Der §. 2 ist dem russischen Gesetze vom n. Juli 1864 entlehnt. Die Vorschrift ist jedenfalls sehr praktisch, weil daS durch sie vermittelte Rechtsverhältniß in den weitaus meisten Fäl­ len den Intentionen der Betheiligten entspricht und demnach den Fabrikeigenthümer der Nothwendigkeit besonderer Vereinbarungen über das Urheberrecht überhebt. Vorausgesetzt indeß ist, daß der Zeich­ ner rc. in der Anstalt beschäftigt, d. h. für dieselbe — wenn auch auf noch so kurze Zeit — ange­ stellt ist. Wo er daS Muster oder Modell anfertigt, ob zu Hause oder in den Räumen der Anstalt, ist gleichgültig. Nicht anwendbar ist der §. 2, wenn der Zeichner, ohne von dem Fabrikanten enqagirt zu sein, auf dessen Bestellung einzelne Muster fertigt. Ob der Fabrikant Inländer oder Ausländer ist, kommt nicht in Betracht, wenn nur die Anstalt im Inlande liegt. Mot. S. 23; Komm.-Ber. S. 21; Dambach S. 24 ff.; Wächter S. 308.

4) (7. A.) Siehe die Anm. 3 zu dem gleichlautenden §. 2 des Gesetzes, betr. daß Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, vom 9. Januar 1876. Von diesem Recht unterscheidet sich aber daS Urheberrecht an Mustern und Modellen durch seinen rein vermögensrechtlichen Charakter, so daß eS besonderen Beschränkungen bei der Zwangsvollstreckung nicht unterliegt. Klostermann S. 142; Dambach S. 27; Wächter S. 310. 5) (7. A.) Vgl. die entsprechenden Bestimmungen der Gesetze vom 9. Januar 1876 §. 4 und vom 10. Januar 1876 §. 2 sowie die dazu gehörigen Anmerkungen. 6) (7. A.) Ebenso das Gesetz vom 9. Januar 1876 §. 5.

908

Erster Theil.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 11. Jan. 1876 §§. 5-9.)

3) wenn die Nachbildung nicht unmittelbar nach dem Originalwerke, sondern mittelbar nach einer

Nachbildung desselben geschaffen ifl7).8 9 10 11 12

§. 6. Alö verbotene Nachbildung ist nicht anzusehen: 1) die Einzelkopie eines Musters oder Modells, sofern dieselbe ohne die Absicht der gewerbsmäßigen Verbreitung und Verwerthung angefertigt wird«); 2) die Nachbildung von Mustern, welche für Flächenerzeugnisse bestimmt sind, durch Plastische Er­

zeugnisse, und umgekehrt«); 3) die Aufnahme von Nachbildungen einzelner Muster oder Modelle in ein Schriftwerk'«).

§. 7.

Der Urheber eines Musters oder Modells genießt den Schutz gegen Nachbildung nur

dann, wenn er dasselbe zur Eintragung in das Musterregister angemeldet und ein Exemplar oder eine Abbildung des Musters re. bei der mit Führung des Musterregisters beauftragten Behörde niedergelegt hat")»

Die Anmeldung und Niederlegung muß erfolgen, bevor ein nach dem Muster oder Modelle ge­

fertigtes Erzeugniß verbreitet wird 1*).

§. 8.

Der Schutz des gegenwärtigen Gesetzes gegen Nachbildung wird dem Urheber des Musters

7) (7. A.) Die Sätze unter Nr. 1—3 sind einfache Konsequenzen auS dem Grundsätze des §. 1, die auf den bei der Enquete geäußerten Wunsch Aufnahme in das Gesetz gefunden haben. Mot. S. 24. Vgl. übrigens zu Nr. 1 u. 3 das Ges. v. 9. Januar 1876 §. 5 Nr. 1 u. 2. 8) (7. A.) Die Absicht der Verbreitung oder Verwerthung macht also die Anfertigung einer Ein­ zelkopie noch nicht zu einer unbefugten Nachbildung. Diesen Charakter erlangt die Kopie erst, wenn bei ihrer Herstellung die Absicht auf gewerbsmäßige Verbreitung oder Verwerthung gerichtet ist. „Wer also z. B. 20 Handarbeiterinnen zur Verfertigung von Kopien unterhielte, würde dem Gesetze verfallen. Eine einzelne Frau aber, die ein Muster abstickt, soll darin nicht gehindert sein. Für den Fabrikanten kann der Verkauf einer Einzelkopie gleichgültig sein; folglich wäre es nicht zu rechtfertigen, wenn das Gesetz für solche einzelne Personen, die sich mit Mühe durch daS Leben helfen, mit Strafe bedrohen wollte." Komm.-Ber. S. 24. Wenn aber so eine Frau ihren Lebensunterhalt dadurch erwirbt, daß sie fremde Muster abstickt, so trifft sie doch wohl der Vorwurf der unbefugten Nachbildung. Da mb ach S. 42. . Ueber den Begriff der Verbreitung siehe daS Urtheil des R.O.H.G. v. 11. Dez. 1874, Entsch. 15 S. 311, oben Änm. 43 zu §. 18 des Ges. v. u. Juni 1870, und über den Begriff des Gewerbs­ mäßigen die Anm. 64 zu §. 25 daselbst. 9) (7. A.) Eine Zeichnung kann sowohl als Muster für Flächenerzeugnisse als auch als Vorbild zu einem Modell für plastische Erzeugnisse verwerthet werden. Schutz gegen Nachbildung genießt aber der Urheber nur in der Kategorie, für welche er die Zeichnung bestimmt hat. Der Beweis dieser Bestimmung wird durch das Musterregister geführt. Siehe den §. 6 der von dem Reichskanz­ leramt erlassenen Vorschriften, unten in der Anm. Im übrigen ist zu vergleichen daS Gesetz vom 9. Januar 1876 tz. 6 Nr. 2.

10) (7. A.) Das Schriftwerk braucht nicht gerade die Hauptsache zu sein, wie in den Fällen der Gesetze vom 11. Juni 1870 §. 44 und vom 9. Januar 1876 §. 6 Nr. 4. Der Gesetzgeber hat die Aufnahme von Abbildungen einzelner Muster und Modelle in Schriftwerke, als den Fa­ brikanten unnachtheilig, ohne Einschränkung freigegeben. Komm.-Ber. S. 24; Dambach S. 45. 11) (7. A.) Die chen denselben davon gister bei der mit der plar des Musters rc. ausgeführt hat, „auf lerischen Erzeugnisse,

Gesetzgebungen aller Staaten, welche den Musterschutz eingeführt haben, ma­ abhängig, daß der Urheber das Muster (Modell) zur Eintragung in ein Re­ Führung desselben betrauten Behörde anmeldet und bei dieser Behörde ein Exem­ hinterlegt. Es beruht dies, wie der Pariser Kassationshof in einem Urtheil der Erwägung, daß das Waaxenmuster nicht, wie die literarischen und künst­ kraft des Gesetzes der ausschließlichen Benutznng deS Urhebers vorbehalten ist,

sondern daß es hierfür, wie bei Erfindungen, einer besonderen Erklärnng des Urhebers bedarf, zu­ mal ohne diese Bedingung es unmöglich wäre, diejenigen Muster, deren Benntzung ihrem Erfinder Vorbehalten ist, von anderen zu unterscheiden." Mot. S. 25; Kl ost ermann' S. 88 u. 191; Dambach S. 47.

12) (7. A.) Vor der Anmeldung und Niederlegung ist das Muster aus dem Grunde der Ur­ heberschaft nicht geschützt. Es empfiehlt sich deshalb, damit nicht zu zögern (Wächter S. 313) und bis dahin das Muster geheim zu halten. Werden Erzeugnisse, welche nach demselben angefertigt sind, verbreitet, bevor die Anmeldung erfolgt ist, so kann aus der Urheberschaft ein Recht nicht mehr her­ geleitet werden; die nachträgliche Anmeldung und Hinterlegung ist wirkungslos. Von der Ein­ tragung ist der Musterschutz nicht abhängig. Dambach S. 47 ff. Vergl. auch oben die Anm. 35 zu §♦ 60 de- Gesetzes vom n. Juni 1870.

Bon dem Urheberrecht an Mustern und Modellen.

909

oder Modells nach seiner Wahl ein bis drei Jahre lang, vom Tage der Anmeldung (§. 7) ab, gewährt. Der Urheber ist berechtigt, gegen Zahlung der im §. 12 Abs. 3 bestimmten Gebühr, eine Aus­

dehnung der Schutzfrist bis auf höchstens fünfzehn Jahre zu verlangen.

Die Verlängerung der

Schutzfrist wird in dem Musterregister eingetragen.

Der Urheber kann das ihm nach Abs. 2 zustehende Recht außer bei der Anmeldung auch bei

Ablauf der dreijährigen und der zehnjährigen Schutzfrist ausübend«). §. 9.

Das Musterregister wird von den mit der Führung der Handelsregister beauftragten

Gerichtsbehörden geführt13 14).15

Der Urheber hat die Anmeldung und Niederlegung des Musters oder Modells bei der Gerichts­ behörde seiner Hauptniederlassung, und falls er eine eingetragene Firma nicht besitzt, bei der be­

treffenden Gerichtsbehörde seines Wohnortes zu bewirken. Urheber, welche im Jnlande weder eine Niederlassung, noch einen Wohnsitz haben, müssen die

Anmeldung und Niederlegung bei dem Handelsgericht in Leipzig bewirken16). Die Muster oder Modelle können offen oder versiegelt, einzeln oder in Packeten niedergelegt

werden.

Die Packete dürfen jedoch nicht mehr als 50 Muster oder Modelle enthalten und nicht mehr

als 10 Kilogramm wiegen.

Die näheren Vorschriften über die Führung des Musterregisters erläßt

das Reichskanzler - Amt16). 13) (7. A.) Ueber die legislatorischen Gesichtspunkte, welche bei Bemessung und Ordnung der Schutzfristen leitend gewesen sind, Da mb ach S. 55 und Wächter S. 322 ff.

14) (7. A.) Die Anmeldung bei einer unzuständigen Behörde ist ungeeignet zur Wahrung deS Urheberrechts. Dambach S. 61.

15) (7. A.) Vgl. Ges. über den Markenschutz vom 30. Nov. 1874 §. 20. 16) (7. A.) Die „Bestimmungen über die Führung des Musterregisters" sind von dem Reichs­ kanzleramt am 29. Februar 1876 erlassen und hiernüchst durch das Centralblatt für das deutsche Reich S. 123 ff. und durch das Justiz-Ministerial-Blatt für die preußische Gesetzgebung und Rechtspflege S. 191 ff. veröffentlicht worden. Ihr Wortlaut ist folgender: §. 1. Das Musterregister wird von den mit der Führung der Handelsregister beauftragten Ge­ richtsbehörden geführt (§. 9 des Gesetzes vom 11. Januar 1876, betreffend daS Urheberrecht an Mu­ stern und Modellen — Reichs-Gesetzbl. S. 11). Soweit im Nachstehenden nichts Abweichendes be­ stimmt ist, kommen die Vorschriften über die Führung des Handelsregisters tuidj bei dem Musterre­ gister zur Anwendung. §. 2. Das Musterregister wird nach dem anliegenden Formular A. eingerichtet. Zu demsel­ ben ist ein Verzeichnis anzulegen, welches die eingetragenen Namen, beziehunKweise Firmen'in al­ phabetischer Reihenfolge enthält. §. 3. Zu dem Musterregister werden Akten angelegt, in welche, nach der Zeitfolge, alle das­ selbe betreffenden Eingaben, Verhandlungen, Urkunden rc. gebracht werden. Eingaben und Verhandlungen, in welchen ein Antrag auf Eintragung in das Musterregister enthalten ist, müssen mit dem Vermerke versehen werden, an welchem Tage und zu welcher Stunde sie bei dem Gerichte eingegangen sind. §. 4. Die Exemplare und Abbildungen der Muster rc., welche in Gemäßheit des §. 7 deS Ge­ setzes beim Gerichte niedergelegt werden, sind in einem besonderen, leicht zugänglichen Behältnisse sicher aufzubewahren und mit einem Papierstreifen zu versehen, auf welchem das betreffende Blatt des Musterregisters und der Akten angegeben ist. §. 5. Die Anträge auf Eintragung in daS Musterregister können schriftlich oder mündlich zu Protokoll gestellt werden. Im ersteren Falle muß die Echtheit der Unterschrift deS Antragstellers von einer zur Führung eines öffentlichen Siegels berechtigten Person, unter Beidrückung dieses Sie­ gels, amtlich beglaubigt sein; im letzteren Falle muß die Identität der Person deS Antragstellers, sofern derselbe dem Gericht nicht bekannt ist, durch einen bekannten und glaubhaften Zeugen erwie­

sen werden. §. 6. Bei der Anmeldung muß bestimmt angegeben werden, ob das Muster rc., dessen Eintra­ gung verlangt wird, für Flächenerzeugnisse oder für plastische Erzeugnisse bestimmt ist. (§. 6 Nr. 2 deS Gesetzes.) Wenn der Anmeldende eine solche Angabe unterlassen hat, so ist er zur nachträglichen Beibringung derselben mit dem Bemerken aufzufordern, daß die Eintragung des Mu­ sters rc^ vor Abgabe dieser Erkürung nicht erfolgen könne. Die Anmeldung eines und desselben Mu­ sters re. für Flächenerzeugnisse und für plastische Erzeugnisse ist unzulässig. §. 7. Die Muster können offen oder versiegelt, einzeln oder in Packeten niedergelegt werden. Die Packete dürfen aber nicht mehr als 50 Muster rc. enthalten und nicht mehr als 10 Kilogramme wiegen (§. 9 Abs. 4 des Gesetzes). Wenn bei der Gerichtsbehörde ein Packet eingeht, welches mehr

910

Erster Theil.

(Stifter Titel.

(Gesetz v. 11. Ian. 1876 §§. 9—11.)

alS 10 Kilogramm wiegt, oder welches — nach der Aufschrift bezw. nach dem Anschreiben — mehr als 50 Muster enthält, so ist dasselbe zurückzusenden und die Eintragung in das Musterregister zu verweigern. Auf den Packeten muß äußerlich angegeben sein, wie viel Muster rc. in demselben ent­ halten sind. Außerdem müssen an jedem Muster, beziehungsweise an jedem Packete mit Mustern die Fa­ briknummern oder die Geschäftsnummern, unter welchen die Muster in den Geschäftsbüchern deS Ur­ hebers oder seines Rechtsnachfolgers eingetragen sind, angegeben sein. §. 8. Alle Eingaben, Verhandlungen, Atteste, Beglaubigungen, Zeugnisse, Auszüge rc., welche die Eintragung in das Musterregister betreffen, sind stempelfrei. Die Gebühren, welche für die Eintragung und Niederlegung der Muster rc. ent­ richtet werden müssen, sind im §. 12 deS Gesetzes angegeben. Außerdem hat der Aumeldende nach §. 9 des Gesetzes die Kosten der Bekanntmachung im Deutschen Reichsanzeiger zu tragen. Diese Kosten betragen für die Bekanntmachung je­ der einzelnen Eintragung i,r»o M. Eintragüngsscheine werden nur auf ausdrückliches Ver­ langen des Anmeldenden ertheilt. Für jeden solchen Schein, sowie für jeden sonstigen Auszug auS dem 'Musterregister wird eine Gebühr von 1 M. erhoben. (§. 12 deS Gesetzes.) Die Gebühren sind entweder baar an das Gericht einzusenden oder, auf Verlangen des Anmel­ denden, durch Postvorschuß von demselben einzuziehen. §. 9. Wenn in Gemäßheit des §. 8 des Gesetzes eine Verlängerung der Schutzfrist beantragt Wird, so ist diese Verlängerung im Musterregister in der Spalte 7 emzutragen. Die Verlängerung der Schutzfrist wird ebenfalls im Deutschen Reichsänzeiger bekannt gemacht, und eS hat daher derjenige, welcher die Verlängerung nachsucht, außer den im §.12 des Gesetzes bestimmten Gebühren die Kosten der Bekanntmachung mit 1,5 o M. zu tragen. §. 10. Die Eintragung und die Verlängerung der Schutzfrist wird monatlich im Deutschen Reichsanzeiger bekannt gemacht (§. 9 des Gesetzes). Die mit der Führung deS Musterregisters be­ traute Behörde hat am Schlüsse jedes Monats ein Verzeichniß der von ihr tnt Laufe des verflossenen Monats bewirkten Eintragungen an die „Expedition des Deutschen Reichs- und Preußischen Staats­ anzeigers in Berlin" portofrei einzusenden und zugleich den Kostenbetrag für die Bekanntmachung (f. §§. 8, 9) beizufügen. Die Expedition deS Deutschen Reichsanzeigers rc. übersendet dem Gerichte über die erfolgte Be­ kanntmachung kostenfrei ein Belagsblatt, welches zu den Akten zu bringen ist. Die Bekanntmachung ist nach folgendem Muster abzufassen: A. In daS Musterregister ist eingetragen: Nr. 1. Firma Schmidt und'Co. in Leipzig: 1 Muster für Teppiche; offen; Flächen­ muster ; Fabriknummer 100; Schutzfrist 1 Jahr; Angemeldet am 1. April 1876, Vormittags 9 Uhr. Nr. 2. Fabrikant Schulz in Leipzig: 1 Packet mit 20 Mustern für Tapeten; Flächenmu­ ster; Fabriknummer 10—29; Schutzfrist 3 Jahre; Angemeldet am 2. April 1876, Vormittags 10 Uhr. Nr. 3. Glasfabrik von Müller in Leipzig: 1 GlaSkrone; versiegelt; Muster für plastische Erzeugnisse; Fabriknummer 20; Schutzfrist 10 Jahre; Angemeldet am 3. April 1876, Vormittags 11 Uhr. Leipzig, den 30. April 1876.

Königliches Handelsgericht. B. In daS Musterregister ist eingetragen: bei Nr. 1 Firma Schmidt u. Co. in Leipzig hat für daS unter Nr. 1 eingetragene Teppich­ muster die Verlängerung der Schutzfrist bis auf 3 Jahre angemeldet. Leipzig, den 31. Dezember 1876. Königliches Handelsgericht. §.n. Die versiegelt niedergelegten Muster rc. werden nach Ablauf der Schutzfrist, ober, falldie Schutzfrist drei Jahre übersteigt, nach Ablauf von drei Jahren, von der Anmeldung ab gerechnet, von Amtswegen eröffnet und können alsdann von jedermann eingesehen werden. Damit die Eröffnung rechtzeitig erfolge, ist über die versiegelt niedergelegten Muster ein beson­ deres Verzeichniß zu führen, in welchem der Tag vermerkt wird, an welchem die amtliche Eröffnung vorzunehmen ist. Ueber die erfolgte Oeffnung ist eine kurze Verhandlung aufzunehmen, welche bei den Akten verbleibt. §. 12. Die niedergelegten Muster rc., sowie deren Abbildungen werden vier Jahre nach Ablauf der Schutzfrist ausbewahrt. Demächst ist der Urheber, bezw. sein Rechtsnachfolger aufzufordern, die Mu­ ster rc. wieder in Empfang zu nehmen, widrigenfalls über dieselben anderweitig verfügt werden würde. Wenn der Urheber, bezw. sein Rechtsnachfolger die Muster rc. nicht in Empfang nimmt, so ist wegm deren weiterer Verwendung die Bestimmung deS Reichskanzler-Amts im geordneten GeschäftSwege einzuholen.

911

Von dem Urheberrecht an Mustern und Modellen.

Die Eröffnung der versiegelt niedergelegten Muster erfolgt drei Jahre nach der Anmeldung

(§. 7) beziehentlich, wenn die Schutzfrist eine kürzere ist, nach dem Ablaufe derselben"). Die Eintragung und die Verlängerung der Schutzfrist (§. 8 Alinea 2) wird monatlich im Deut­ schen Reichsanzeiger bekannt gemacht.

§. 10.

Die Kosten der Bekanntmachung hat der Anmeldende zu tragen.

Die Eintragungen in das Musterregister werden bewirkt, ohne daß eine zuvorige Prü­

fung über die Berechtigung des Antragstellers oder über die Richtigkeit der zur Eintragung ange­ meldeten Thatsachen stattfindet18).

§.11.

Es ist Jedermann gestattet, von dem Musterregister und den nicht versiegelten Mustern

und Modellen Einsicht zu nehmen und sich beglaubigte Auszüge aus dem Musterregister ertheilen zu

lassen").

In Streitfällen darüber, ob ein Muster oder Modell gegen Nachbildung geschützt ist,

A.

Fortlaufende N r.

||

Musterregister.

1.

1.

2.

Name, bezw. Firma des Änmeldenden.

Tag und Stunde der Anmeldung.

Bezeichnung des angemeldeten Musters oder Modells

2.

3.

4.

Angabe: ob daS Muster für Flächen­ erzeugnisse oder für plastische Erzeugnisse bestimmt ist.

Schutzfrist

Verlän­ gerung der Schutz­ frist.

Akten über das Muster­ register.

Bemer­ kungen.

5.

6.

7.

8.

9.

i. April 1 Muster für 1 Jahr. Firma Flächen­ Teppiche, offen, erzeugnisse. Schmidt u. Comp. 1876, Vormittags Fabriknummer in Leipzig. 9 Uhr. 100.

Fabrikant Schulz in Leipzig.

2. April 1876, Vormittags 10 Uhr.

Bd. 1. S. 1.

1 versiegeltes Flächen- 3 Jahre. Packet mit erzeugnisse. 20 Mustern für Tapeten, Fabriknummer 10—29.

Nachtrag zu der Bekanntmachung v. 29. Februar 1876.

Vom 23. Juli 1876.

§. i. Im Musterregister erhält jedes Muster oder Modell, welches einzeln niedergelegt wird, und jedes niedergelegte Packet mit Mustern rc. bei Eintragung der Schutzfrist eine besondere Nummer. §. 2. Die Kosten für die Bekanntmachung der Eintragung einer Schutzfrist oder ihrer Verlän­ gerung im Reichsanzeiger betragen zwei Mark fünfzig Pfennig. Dieselben kommen für jedes in das Musterregister eingetragene einzelne Muster oder Musterpacket besonders zum Ansatz. §. 3. Für jede Bekanntmachung, welche ausführlichere Angaben enthält, als die im §. 10 der Bestimmungen vom 29. Februar L I. vorgeschriebene Abfassung', sind, wenn die Bekanntmachung im Reichsanzeiger mehr als acht Druckzeilen einnimmt, statt des im §. 2 der gegenwärtigen Bestim­ mungen erwähnten Kostenbetrags die für Veröffentlichungen im Reichsanzeiger allgemein festgesetzten Insertionsgebühren zu entrichten. §.. 4. Die Vorschriften der §§'. 2 und 3 finden auf alle Bekanntmachungen Anwendung, welche der Expedition des Reichsanzeigers nach dem 15. August 1876 zugehen. 17) (7. A.) Die Eröffnung versiegelt hinterlegter Muster hebt den Schutz derselben nicht auf. Wenn also die Schutzfrist den Zeitraum von 3 Jahren übersteigt, so sind die Muster (Modelle) durch die Eröffnung zwar der Geheimhaltung, nicht aber dem Schutze gegen Nachbildung entzogen. D a m bach S. 63; Wächter S. 317. 18) (7. A.^ „Die Eintragung in das Musterregister erfolgt ohne vorherige causae cognitio. ES entspricht dies der Bestimmung im §. 40 des Gesetzes vom 11. Juni 1870 , indem danach die Ein­ tragungen in die Eintragsrolle in Leipzig ebenfalls ohne vorherige Prüfung über die Berechtigung des Antragstellers stattfinden. Eine vorgängige causae cognitio würde zu unabsehbaren Verwickelungen führen und die mit Führung des Registers beauftragte Behörde in Privatrechtsstreitigkeiten bringen, was selbstverständlich vermieden werden muß. Wird die Richtigkeit der eingetragenen Thatsachen später bestritten, so muß es den Betheiligten überlassen bleiben, ihre gegenseitigen Behauptungen im Rechtswege zum AuStrag zu bringen." Mot. S. 27.

912

Erster Theil.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. H. Januar 1876 §§. 11—17.) §. 1037.

können zur Herbeiführung der Entscheidung auch die versiegelten Packete von der mit der Führung

des Musterregisters beauftragten Behörde geöffnet toetben19 20).

§. 12.

Alle Eingaben, Verhandlungen, Atteste, Beglaubigungen, Zeugnisse, Auszüge rc., welche

die Eintragung in das Musterregister betreffen, sind stempelfrei2'). Für jede Eintragung und Niederlegung eines einzelnen Musters oder eines Packets mit Mustern rc. (§. 9) wird, insofern die Schutzfrist auf nicht länger als drei Jahre beansprucht wird (§. 8 Abs. 1),

eine Gebühr von 1 Mark für jedes Jahr erhoben.

Nimmt der Urheber in Gemäßheit deö §. 8 Abs. 2 eine längere Schutzfrist in Anspruch, so hat er für jedes weitere Jahr bis zum zehnten Jahre einschließlich eine Gebühr von 2 Mark, von elf

bis fünfzehn Jahren eine Gebühr von 3 Mark für jedes einzelne Muster oder Modell zu entrichten. Für jeden Eintragungsschein, sowie für jeden sonstigen Auszug aus dem Musterregister wird eine Gebühr von je 1 Mark erhoben. §. 13.

Derjenige, welcher nach Maßgabe deS §. 7 das Muster oder Modell zur Eintragung in

das Musterregister angemeldet und niedergelegt hat, gilt bis zum Gegenbeweise als Urheber22).23 24 25 §. 14.

Die Bestimmungen in den §§. 18—36, 38 deS Gesetzes vom u. Juni 1870, betreffend

das Urheberrecht an Schriftwerken rc. (B.G.Bl. 1870 S. 339), finden auch auf das Urheberrecht an Mustern und Modellen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die vorräthigen Nach­

bildungen und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Vorrichtungen nicht vernichtet,

sondern auf Kosteu des Eigenthümers und nach Wahl desselben entweder ihrer gefährdenden Form

entkleidet, oder bis zum Ablauf der Schutzfrist amtlich aufbewahrt werden22). Die Sachverständigen - Vereine, welche nach §.31 des genannten Gesetzes Gutachten über die

Nachbildung von Mustern oder Modellen abzugeben haben, sollen aus Künstlern, aus Gewerb-

treibenden verschiedener Gewerbzweige und aus sonstigen Personen, welche mit dem Muster- und

Modellwesen vertraut sind, zusammengesetzt werden"). §. 15.

Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen auf Grund der Bestimmungen diese- Gesetze-

eine Klage wegen Entschädigung, Bereicherung oder Einziehung angestellt wird, gelten im Sinne der Reichs- und Landesgesetze als Handelssachen22).

19) (7. A.) Die Oeffentlichkeit des Musterregisters folgt aus dessen Bestimmung, da diese u. a. die ist, „dem Fabrikanten, welcher ein fremdes Muster oder Modell nachbilden will, die Möglichkeit zu gewähren, sich Ueberzeugung davon zu verschaffen, ob das Muster überhaupt gegen Nachbildung geschützt ist und an wen er sich zu wenden habe, um die Genehmigung zur Nachbildung zu erlangen." Mot. S. 27. 20) (7. A.) Daß unter Streitfällen nur Rechtsstreitigkeiten (Prozeffe) zu verstehen sind, ist nach dem gewöhnlichen Sinne des Wortes kaum zweifelhaft, überdies in den Motiven S. 28 noch ausdrücklich hervorgehoben worden. Die versiegelten Packete dürfen also vor Ablauf der gesetzlichen Frist nur entweder auf den Antrag des NiederlegerS (§. 9 Abs. 4 u. 5) oder auf Ersuchen des ProzeßgerichtS geöffnet werden. 21) (7. A.) Der Satz ist dem Gesetze v. 11. Juni 1870 §. 42 entlehnt. 22) (7. A.) Ist dasselbe Muster (Modell) von Mehreren angemeldet, so streitet die Vermuthung der Urheberschaft für denjenigen, dessen Anmeldung zuerst bei der Behörde eingegangen ist. Bergt, die Anm. 72 zu §. 28 des Gesetzes vom 11. Juni 1870. 23) (7. A.) Durch diese Bestimmung ist die Anwendbarkeit deS 5. Absätze- in dem §. 18 deS Gesetzes v. 11. Juni 1870 nicht ausgeschlossen. Dambach S. 102. DaS Gegentheil behauptet Klostermann S. 252, „weil sonst einerseits dem Eigenthümer der eingezogenen Sachen, anderer­ seits dem Beschädigten ein Wahlrecht zustehen würde, über dessen Konkurrenz das Gesetz keine Be­ stimmung trifft." Dieser Grund dürfte jedoch nicht zutreffen. Zunächst hat der Beschädigte sich zu erklären, ob er die Gegenstände der Einziehung übernehmen will. Uebernimmt er dieselben, so ist die Sache erledigt. Gegensalls verbleiben die Sachen dem Eigenthümer, nach dessen Wahl dann so ver­ fahren wird, wie der §. 14 deS vorliegenden Gesetzes vorschreibt. So scheint das Verhältniß auch von Wächter S. 336 aufgefaßt zu werden. 24) (7. A.) Vergl. die Anm. 13 zu §. 10 de- Gesetzes, betreffend den Schutz der Photographien, v. 10. Januar 1876, oben S. 904. 25) (7. A.) Die Rechts streitig leiten gelten als Handelssachen, nicht die materiellen Rechts­ verhältnisse, aus denen sie hervorgehen, wenigstens nicht auf Grund des §. 15. Dambach S. 75. Die Kompetenz des Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, welche die Nachbildung von Mustern

Von dem Urheberrecht an Mustern und Modellen.

§. 16.

Von Schenkungen.

913

Das gegenwärtige Gesetz findet Anwendung auf alle Muster und Modelle inländischer

Urheber, sofern die nach den Mustern oder Modellen hergestellten Erzeugnisse im Jnlande verfertigt

sind, gleichviel ob dieselben im Jnlande oder AuSlande verbreitet werden. Wenn ausländische Urheber im Gebiete deS Deutschen Reichs ihre gewerbliche Niederlassung

haben, so genießen sie für die im Jnlande gefertigten Erzeugnisse den Schutz des gegenwärtigen Gesetzes86). /

Im Uebrigen richtet sich der Schutz der ausländischen Urheber nach den bestehenden Staats­

verträgen. §. 17.

DaS gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. April 1876 in Kraft.

ES findet Anwendung

auf alle Muster und Modelle, welche nach dem Inkrafttreten desselben angefertigt worden sind. Muster und Modelle, welche vor diesem Tage angefertigt worden sind, genießen den Schutz des

Gesetzes nur dann, wenn das erste nach dem Muster rc. gefertigte Erzeugniß erst nach dem In­ krafttreten deS Gesetzes verbreitet worden ist8').

Muster und Modelle, welche schon bisher landesgesetzlich gegen Nachbildung geschützt waren, behalten diesen Schutz; jedoch kann derselbe nur für denjenigen räumlichen Umfang geltend gemacht werden, für welchen er durch die Landesgesetzgebung ertheilt war88).

Neunter Abschnitt. Bon Sch enkungen**). §. 1037.

Schenkungen sind Verträge i), wodurch Einer dem Andern das Eigen-

und Modellen betreffen, ergiebt sich aus den nach §. 14 hier geltenden Vorschriften des Gesetzes v. 11. Juni 1870 §. 32. Mot. §. 29. Vergl. Ges. über den Markenschutz v. 30. Nov. 1874 §. 19. 26) (7. A.) Das Prinzip, welches diesen Bestimmungen (Satz 1 u. 2) zu Grunde liegt, ist die Beschränkung deS Schutzes auf das deutsche Fabrikat. Komm.-Ber. S. 32. Aus diesem Prinzip erklärt sich auch die Abweichung derselben von den entsprechenden Vorschriften des Gesetzes v. u. Juni 1870 §.,61. Vergl. übrigens Ges. v. 9. Januar 1876 §. 20 und vom 10. Januar 1876 §. 9.

27) (7. A.) Der Grund dafür, daß die Muster und Modelle, nach denen schon vor dem 1. April 1876 Erzeugnisse angefertigt und verbreitet worden, ungeschützt bleiben, liegt nach den Motiven S. 29 in der großen Schwierigkeit der Abstempelung und Inventarisirung. Vergl. Anm. 15 zu §. 12 deS Ges. v. 9. Januar 1876. 28) (7. A.) Diese Vorschrift hat praktischen Werth nur für Rheinpreußen und Elsaß-Lothringen. Dambach S. 82.

*) Vergl. v. Meyerfeld, die Lehre von den Schenkungen nach römischem Recht i.Bd. 1835, 2. Bd. 1. Abth. 1837; v. Savigny, System deS heutigen römischen Rechts Bd. 4 (1841) S. 1 ff.; Koch, das Recht der Forderungen, nach gemeinem und nach preußischem Recht, §§. 231 ff. Bd. 3 (2. Ausg.) S. 150 ff.; Borne mann, systematische Darstellung deS preußischen Civilrechts 3 §§. 242 ff.; (6. A.) Wind scheid, Lehrbuch des Pandektenrechts §§. 365 ff. Bd. 2 (4. Aufl.) S. 372 ff.; Förster, Theorie und Praxis deS heutigen gemeinen preußischen Privatrechts §. 122 Bd. 2 (3. Aufl.) S. 6—43; Gruchot, Glossen zum Aüg. Land-R. I. 11 §§. 1037 ff., in seinen Beiträgen zur Erläuterung des preußischen Rechts 13 S. 779—865. 1) (7. A. Schenkung im weiteren Sinne ist jede Bereicherung des Empfängers, welche von dem Zuwendenden beabsichtigt und als solche von dem Empfänger angenommen wird. Im engeren Sinne ist eine Zuwendung dieser Art nur dann Schenkung, wenn damit zugleich eine entsprechende Vermögensverminderung auf Seiten des Zuwendenden verbunden ist. Windscheid S. 373—375. Hier handelt es sich nur um die Schenkung im engeren Sinne, deren Begriff überdies noch dadurch eingeschränkt wird, daß dieselbe nur durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden vermittelt werden kann.) Der §. 1037 bestimmt nicht den Begriff der Schenkung, sondern nur ein einzelnes Mittel, durch welche- dieselbe verwirklicht wird (donatio perficitur). Zu jeder Schenkung gehören zwei Personen: der Schenker, welcher einen Gegenstand seines Vermögens unentgeltlich veräußert und dadurch ver­ liert, und der Beschenkte, welcher diesen Gegenstand unentgeltlich erwirbt und dadurch sein Vermögen vermehrt. AlS Mittel zur Schenkung können die verschiedenartigsten Vermögensverhältnisse dienen. Denn eine Schenkung läßt sich bewirken durch Verschaffung eines dinglichen RechtS (dando), durch Verschaffung eineS Forderungsrechts (obligando) und durch Befreiung von einer Schuld oder Last (liberando). v. SaviyNy, 4 S. 1 ff. Der §. 1027 spricht nur von der einen Gestalt, in welcher eine Schenkung zur Erscheinung Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aufl.

58

914

Erster Theil.

(Stifter Titel.

§§. 1037—1039.

thum einer Sache odereines Rechts?) unentgeltlich zu überlassen3) sich verpflichtet. kommen kann, nämlich von der Verbindlichmachung deß Schenkers gegen den Beschenkten, oder dem Verschaffen eines Forderungsrechts des Letzteren an den Schenker (Schenkungsversprechen). (6. A. Die Schenkung liegt hier in dem Versprechen, nicht in der späteren Leistung. Letztere ist die Erfüllung des Versprechens. Die Erklärung, einem Anderen Etwas schenken zu wollen, kann daher als ein verbindliches Schenkungsversprechen nicht angesehen werden. Der animus donandi muß de praesenti vorhanden sein, wenn eine klagbare Verpflichtung begründet werden soll. Vergl. Gruchot 13 S. 793.) Der Inhalt der Forderung ist für das Wesen'der Schenkung unerheblich; die Forderung kann auf alle möglichen Gegenstände des Vermögensrechts gehen: auf Verschaffung von Eigenthum, oder eines anderen dinglichen Rechts, oder eines Forderungsrechts an einen Dritten. Unerwähnt bleiben hier, im §. 1037, die beiden Formen der Tradition und der Liberation. Daß aber auch dando geschenkt werden könne, setzen die §§. 1040, 1052, 1053 und §§. 1065, 1149 d. T. u. a. voraus, und die Form der Liberation ist in einer anderen Stelle, nämlich im §. 393 Tit. 16 unter der Entsagung eines bereits erworbenen Rechts in soweit mitbegriffen, als es sich um die Liberation des Beschenkten von einer Schuld an den Schenker handelt. Dagegen wird der Schenkung in der Gestalt der Liberation des Beschenkten von der Schuld an einen Dritten, durch baare Zahlung oder durch Expromission nirgend gedacht. Dies ist konsequent. Denn durch diese einseitigen Rechtshand­ lungen kann eine Schenkung deshalb nicht vollzogen werden, weil das A. L.R. bei allen Schenkungen die Acceptation für nothwendig erklärt (§. 1058), mithin eine einseitige Schenkung nicht kennt. Vielmehr haben die erwähnten Handlungen stets eine Regreßklage (aus Mandat oder negotiorum gestio) zur Folge. Tit. 14 §§. 341, 406 und Tit. 16 §. 45. Das hat den Sinn, daß, wenn der Zahler oder Expro­ mittent in der Absicht, den Schuldner liberando zu beschenken, handelte, diese Absicht so lange keine rechtliche Folge hat, bis sie gegen den Schuldner ausgesprochen und von diesem acceptirt worden, also in einen Vertrag zwischen dem Schenker und dem Beschenkten übergegangen ist. v. S a v i g n y a. a. O. S. 294. Denn bis dahin, wo die Acceptation des Bedachten Hinzutritt, ist nichts geschehen, was zur Vollziehung (Perfektion) einer Schenkung gehört. Nach juristischer Konsequenz würde aber dennoch dem Zahler oder Expromittenten keine Regreßklage zustehen, denn es ist auch nichts geschehen, was die Perfektion eines anderen Rechtsverhältnisses zur Folge haben könnte: eine Schenkung ist nicht geworden, da die Acceptation fehlt, ein Forderungsrecht für den Handelnden ist aber auch nicht begründet, weil darauf die Absicht nicht gerichtet war.' Das praktische Resultat würde mithin, nach allgemeinen RechtSgrundsätzen, dem einer gültigen Schenkung doch ganz gleich sein, ohne die Bestim­ mungen des §. 406 Tit. 14 und §. 45 Ät. 16. Nur vermöge derselben kann der Handelnde seine ursprüngliche Gesinnung hinterdrein ändern und die actio negotiorum gestorum gebrauchen. Die Gesetzgebung hätte zu diesem Resultate auch bei Anerkennung einer einseitigen Schenkung gelangen können, wenn sie den Widerruf derselben unbedingt freigestellt hätte. 2) Nicht bloß eine einzelne Sache oder ein Recht, sondern auch daS ganze Vermögen kann ver­ schenkt werden. §. 1087.

3) Zu übertragen, wird gemeint, durch Tradition (§. 1038) und beziehungsweise durch Ab­ tretung (Cession). Auch das beschränkte Eigenthum einer Sache kann zum Zwecke einer Schenkung übertragen werden, namentlich auch der ideale Theil einer pro indiviso besessenen Sache, v. Sa­ tz i g n y 4 S. 109. Kein landrechtlicher Grundsatz steht entgegen. Das O.Tr. sagt in einem Erk. v. 22.August 1840, Ulrich, Arch. 8 S. 173, daß Gegenstände einer fortgesetzten allgemeinen Gü­ tergemeinschaft nicht Gegenstände einer Schenkung zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern sein könnten, weil der überlebende Ehegatte und die Kinder Eine Person repräsentirten, eine Schenkung unter ihnen mithin als eine solche anzusehen sei, welche Jemand an sich selbst verrichte; zu einer Schenkung aber zwei Personen gehörten. Der Vordersatz ist unrichtig; unter sich repräsentiren die Gemeinschafter so viel Personen (Parteien), als an der Gemeinschaft Theil nehmen; sie kön­ nen also unter sich jedes Rechtsgeschäft über die gemeinschaftlichen Sachen, z. B. die Auseinander­ setzung , sehr wohl abschließen. Warum also nicht auch z. B. die Ueberlassung einer Sache an den Einen oder den Anderen zum Zwecke der Schenkung? Wäre der Grund, welcher der Schenkung entgegenstehen soll, eine Wahrheit, so könnten die Gemeinschafter nimmermehr auseinander kommen; denn eine Person kann mit sich selbst auch keinen Theilungsrezeß schließen. Die allgemeine Güter­ gemeinschaft wirkt aber unter den Theilnehmern andere Modifikationen der Rechte und Uebereignungsarten, ohne die Möglichkeit einer Beschenkung des Einen auszuschließen. — Nicht weniger können fremde Sachen als Mittel zur Schenkung dienen ; der Beschenkte erwirbt dadurch als selbständiges Geschenk das Besitzrecht und kann überdies das Eigenthum pro donato ersitzen, die sonstigen Bedin­ gungen der Verjährung durch Besitz vorausgesetzt. Die Tradition einer Sache und die Ueberweisung eines Rechts ist in allen ihren verschiedenen Gestalten anwendar. Die Tradition kann mithin zum Zwecke der Schenkung auch brevi manu, oder durch constitutum possessorium, oder durch Anweisung und durch Auftrag mit Erfolg vollzogen werden. Ebenso die Uebertragung eines noch nicht vorhandenen Rechts an einen Dritten dadurch, daß dasselbe unmittelbar auf den Namen deS Beschenkten begründet wird, indem dieser an dem Ver-

Von Schenkungen.

915

§. 1038. Auch bei Schenkungen erlangt der Geschenknehmer das Eigenthum des Geschenks erst durch die Uebergabe ^). (Tit. 10, §§. 1, 18 — 25.) 32.

Gesetz

über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der

Grundstücke rc. vom 5. Mai 1 87 2. §. 1.

(G.S. S. 433.)

Im Fall einer freiwilligen Veräußerung wird daS Eigenthum an einem Grundstück nur

durch die auf Grund einer Auflassung erfolgte Eintragung deS Eigenthumsüberganges im Grund­ buch erworben.

§. 1039. Bloße Verzichtleistungen auf ein zwar angefallenes, aber noch nicht wirklich übernommenes5 * ), * * 4ingleichen auf ein zweifelhaftes Recht, find nach den Re­ geln von Schenkungen nicht zu beurtheilen. trage Theil nimmt (vergl. o. §§. 671 u. 672); und eines schon vorhandenen Rechts, außer der Cession, auch durch Expromission und Delegation. Auf einen Fall der Anwendung der Delegation zum Zwecke der Schenkung bezieht sich daS Pr. des O.Tr. 1709 v. 21. Febr. 1846, Entsch. 13 S. 190: „Bei verbrieften Forderungen ist eS eine gültige Uebergabe, wenn der Gläubiger die Urkunde dem Schuldner zurückgiebt, diesen eine neue Obligation auf den Namen des — Beschenkten ausstellen läßt, und Letzterer solche annimmt." Vergl. 1. 2 §. 1 D. de don. 39, 5; 1. 11 C. eod. 8, 54. Der Mangel der schriftlichen Form auf der Seite des Schenkers (Deleganten) wird hier ersetzt, in seinem Verhält­ nisse zu dem Schuldner, durch Vollziehung des dem Schuldner gegebenen mündlichen Auftrags zur Expromission, und in seinem Verhältnisse zu dem Beschenkten durch die Quasitradition der Forderung. §. 1090. 4) Denn die Schenkung ist kein Erwerbungömittel, sondern ein Resultat, zu dessen Erzielung man sich der Uebergabe und anderer Rechtsgeschäfte als Mittel bedienen kann, wobei die Schenkung als justa causa wirkt. (Anm. 1.) Der Ausspruch unseres §. 1038 hat aber noch einen anderen Sinn, er steht in Verbindung mit dem vorhergehenden §. 1037 und sagt, daß, wenn nicht durch die Uebergabe, sondern durch die Begründung eines Forderungsrechts aus Uebergabe einer Sache (Schen­ kungsversprechen) geschenkt wird, das Eigenthum der versprochenen Sache nicht schon durch das Scheukungsversprechen übertragen werde, sondern von der Uebergabe abhängig sei, wie bei jedem anderen Titel, welcher ein Recht'zur Sache giebt. Nachdem der Schenker das geschenkte Geld dem Vormunde des Beschenkten zur Ausbewahrung übergeben hat, ist er nicht mehr berechtigt, über die wenngleich verzinsliche und hypothekarische Aus­ leihung des Geldes zu verfügen. O.Tr. II v. 28. Novbr. *1853, Str. Arch. 11 S. 71. (6. A.) Der §. 1038 ist übrigens in seiner Anwendbarkeit jetzt auf bewegliche Sachen beschränkt. Bei unbeweglichen Sachen, für welche ein Blatt im Grundbuche angelegt ist oder doch angelegt werden kann (Gr.B.O. §. 49), überträgt die Uebergabe, auch wenn ihr die causa der Schenkung zu Grunde liegt, kein Eigenthum. Die Wirkung, welche früher die Tradition für den Eigenthumsübergang in Anspruch nahm, hat gegenwärtig im Fall der freiwilligen Veräußerung nur die Eintragung auf Grund der Auflassung. Ges. über den Eig.-Erw. rc. §. L (7. A.) Als Form der Schenkung in­ deß hat die Uebergabe ihre Bedeutung behalten. Siehe hierüber unten die Anm. 41 zu §. 1066.

5) Nach dem Begriffe der Schenkung muß der Schenker aus seinem bereits erworbenen Vermö­ gen etwas veräußern, er muß Verlust haben. • (Anm. 1.) Unterlassene Erwerbungen, wenngleich sie aus Wohlwollen gegen einen Anderen, um diesem den Gegenstand zukommen zu lassen, unterblieben, sind keine Veräußerungen , mithin enthalten sie keine Schenkung. Damit steht der Satz dieses §. in Einklang. Der §. 393 Tit. 16 äußert sich scheinbar widersprechend: „Eine — Entsagung eines bereits erworbenen, ingleichen eines zwar künftigen, aber doch so beschaffenen Rechts, daß der Anfall deffelben dem Entsagenden gewiß war, ist einer Schenkung gleich zu achten." Der scheinbare Wider­ spruch verschwindet bei der richtigen Beziehung der beiden Stellen. Unser §. 1039 ist namentlich von angefallenen, aber noch nicht angetreteneu Erbschaften zu verstehen, obgleich in der Bestimmung keine konsequente Anwendung des Grundsatzes von der Erwerbung einer Erbschaft auf den Begriff der Schenkung zu finden ist, da nach pr. R. zur Loswerdnng einer Erbschaft eine positive Handlung, die Entsagung, erforderlich ist (§. 368 Tit. 9), folglich die Entsagung eine wahre Veräußerung eines schon wirklich erworbenen Gegenstandes, gleich einer Dereliktion, enthält, während es nach R.R. sich gerade umgekehrt verhält. Die zweite Stelle dagegen, der §. 393 Tit. 16, handelt von der Tilgung und Auf­ hebung obligatorischer Rechte, insbesondere von dem pactum remissorium und erkennt, wie schon gesagt (Anm. 1), die Schenkung auch in der Form der Liberation an.' (Vergl. das O.Tr. in den Entsch. 8 S. 250 ff.) Der §. 393 spricht von zweierlei Rechten, die er als Gegenstand einer Schenkung gleich stellt: von „bereits erworbenen", und von „zwar künftigen, aber doch so beschaffenen, daß der Anfall — gewiß war". (7. A. Die erstere Klasse macht keine Schwierigkeiten. Insonderheit ist der Erlaß einer Schuld rechtlich als Schenkung auzusehen, weshalb die darüber errichtete Urkunde auch bem Schenkungsstempel unterworfen ist. O.Tr. 1 v. 30. April

Erster Theil.

916 Wann die Absicht von Schenkungen

L 1 O4O S-

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Eilfter Titel.

§§. 1040—1042.

Daß eine Sache als ein Geschenk gegeben worden, wird nicht verWo eine besondere persönliche7), obschon nicht gesetzlich verbindende

1875, Entsch. 75 S. 180.) Hinsichtlich der zweiten Klasse dagegen kann Zweifel über die Beziehung sein, namentlich darüber: ob darunter nicht eben dieselben Rechte gemeint sein möchten, welche in unse­ rem §. 1039 als „zwar angefallene, aber doch nicht wirklich übernommene" bezeichnet werden. Der Zweifel verliert sich bei der Betrachtung, daß der §. 393 lediglich einen Satz aus der Lehre von den Arten der Tilgung obligatorischer Verbindlichkeiten enthält. Än welche Rechte man bei „zwar künf­ tigen aber rc." gerade gedacht habe, ist freilich nicht zu wissen; denn der Ausdruck paßt weder auf bedingte, noch auf betagte (ex die). Vielleicht ist die Restitution eines Fideikommisses (ich meine nicht ein Familienfideikommiß) im Sinne gewesen. Jedenfalls ist hier von obligatorischen Rechten und deren vertragsmäßiger Entsagung die Rede, so daß die Entsagung als Mittel zur Vollzie­ hung einer Schenkung dient. Vergl. über die Form das Pr. 801 (Pl.-Beschl.) in der Anm. zu §. 393 Tit. 16. 6) (7. A. Deshalb wird indeß der Vindikationskläger dadurch, daß der Beklagte Schenkung be­ hauptet, aber nicht beweist, noch nicht der Verpflichtung überhoben, die für die Redlichkeit und Rechtmäßigkeit des Besitzes des Beklagten streitende Vermuthung zu widerlegen. O.Tr. III v. 29. Juni 1874, Str. Arch. 92 S. 197.) Die in den §§. 1040—1045 gegebenen Bestimmungen behufs Feststellung des animus donandi beziehen sich alle nur auf eine von den verschiedenen Gestalten, in welchen die Schenkung in die Er­ scheinung treten kann, nämlich aus die Uebergabe (Anm. 1). Mittelst dieses Rechtsgeschäfts kann eine Schenkung stillschweigend vollzogen werden; andere Rechtsgeschäfte, welche man als Mittel zum Zwecke einer Schenkung anwenden kann (Vertrag oder Schenkungsversprechen, Uebereignung eines schon be­ stehenden Rechts, Liberation), vermögen schwerlich ohne in die Sinne fallende Aeußerung des Willens vollzogen zu werden. Deshalb bedarf es bei der Schenkung in der Form des Gebens (dare, Tra­ dition) , und nur bei dieser, gesetzlicher Bestimmungen, wodurch dem Richter ein die Thatsache betref­ fender Anhalt gegeben wird, wenn über die bei einem stumm vollzogenen Geben gehegte Absicht hin­ terdrein Parteistreit entsteht. Für andere Rechtsgeschäfte sind die hier gegründeten 'Vermuthungen nicht vorgeschrieben, weil sie dabei völlig entbehrlich. Wenn z. B. Jemand für den Anderen eine Schuld bezahlt, so können diese Vorschriften schon deswegen, weil das A. L.R. in dieser Form die Schenkung nicht anerkennt (Anm. i), keine Anwendung finden. (Für die Unanwendbarkeit auf diesen Fall auch das O.Tr. III (Präj. 1004) v. 17. April 1841, Entsch. 7 S. 88, und I v. 24. Septbr. 1852, Str. Arch. 6. S. 332, u. v. 15. Nov. 1861, ebenda 44 S. 84.) Denn wollte man auch die Absicht der Schenkung, aus den Umständen oder aus den persönlichen Verhältnissen, vermuthen, so würde das ganz fruchtlos sein, weil jene Absicht allein keine rechtliche Folge haben soll, und daher bei dem Mangel der Acceptation eine Schenkung nicht zu Stande gekommen wäre. Es bleibt mithin lediglich bei dem wirklich vollzogenen Rechtsgeschäfte, der negotiorum gestio. §. 406 Tit. 14 und Anm. 1 zu §. 1037 d. T. Nach R.R. ist es anders: darnach kann in dieser Form Jemand wider sein Wissen und Willen beschenkt werden. L. 14 D. de don. 39, 5; 1. 2 i. f. C. de rei vind. 3, 32; 1. 23 D. de solut. 46, 3. (7. A. Vgl. indeß Wind scheid §. 365 Note 5 a. a. O. S. 374.) Welche andere justa causa einem stumm, oder unter einer zweifelhaften Willenserklärung, vollzogenen Geben unterliegt, muß, wenn keine Vermuthung für eine Schenkung zutrifft, aus den Umständen ge­ funden werden. (6. A.) Was vorstehend von der Schenkung durch Uebergabe gesagt ist, muß auch dann gelten, wenn eine Schenkung als causa der Auflassung in Frage steht.' — Das römische Recht hatte übrigens eine solche Rechtsvermuthung, wie sie der §. 1040 aufstellt, nicht. Erst die gemeinrechtliche Doktrin hat dieselbe ausgebildet, indem sie der modernen Anschauung, daß im Verkehrsleben der R-i gel nach jeder Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht, daß Nichts ohne Entgelt gethan wird, Rech­ nung trug. Vergl. Schloß mann, zur Lehre von ber Causa obligatorischer Verträge (1868) S. 45; Eudemann, das Deutsche Handelsrecht §. 92; Gruchot 13 'S. 795 u. 796. Als RechtsVermuthung entbehrt indeß die Präsumtion des Landrechts der inneren Begründung. Denn die Frage, ob Jemand diese Absicht, zu schenken, gehabt hat, ist rein thatsächlicher Natur, v. Meyer­ feld 1 S. 45. Es läßt sich auch in der Praxis mit dem Satze ,,donatio non praesunytur“ Nicht­ anfangen, weil durch denselben Niemand der Verpflichtung überhoben wird, den Anspruch, welchen er rechtlich verfolgt, thatsächlich zu begründen und zu beweisen. Vergl. hierüber Gruchot, Beitr. 13 S. 652, und Koch, Recht der Forderungen (2. Ausg.) 3 S. 154 ff. 7) Eine besondere persönliche Pflicht zur Wohlthätigkeit r d. i. eine durch Familienver­ hältnisse begründete, im Gegensatze zur allgemeinen christlichen und menschlichen Pflicht, auf welche im §. 1043 u. 1044 gleichfalls eine Vermuthung gegründet wird. Vergl. Th. H. 2 §. 234 und die Anm. dazu.

Von Schenkungen.

917

Pflicht zur Wohlthätigkeit vorhanden ist, da wird vermuthet, daß das ohne Vorbe­ halt 8) Gegebene 9) in der Absicht, solches zu schenken, gegeben worden. §. 1042. Was also io) Verwandte in auf- und absteigender Linie, Geschwister und Eheleute, einander ohne Vorbehalt geben, wird für geschenkt angesehen, so lange nicht ein Anderes aus den Umständen “) erhellet, oder durch besondere Gesetze bestimmt ist (Th. II, Tit. 1, Abschn. 5)12). 8) Ohne Vorbehalt, d. h. eben ohne alle Erklärung oder unter zweifelhafter Erklärung, so daß die eigentliche Absicht, in welcher gegeben und angenommen worden (die causa), ungewiß ist. O.Tr. v. 27. Septbr. 1839, Schl. Arch. 4 S. 368. Wäre die Absicht beim Geben ausgesprochen worden, so könnte das dadurch vollzogene Rechtsgeschäft hinterdrein einseitig nicht verändert werden. Hätte z. B. Jemand dem Anderen in der gewissen Absicht, schenken zu wollen, eine Sache gegeben, so würde es ganz vergeblich sein, wenn er nach der Annahme noch einen Vorbehalt nachholen wollte. 9) S. o. die Anm. 6. Dem „Gegebenen" ist auch das Geleistete (Anm. 11) und ausdrück­ lich Gestattete in dieser Beziehung gleichzustellen. Angenommen von dem O.Tr. IV in dem Erk. v. 2. Novbr. 1865, Str. Arch. 60 S^ 253. Nicht aber kann von Schenkung auch unter den also verbundenen Personen die Rede sein, wo die Person, aus deren Vermögen das Geschenk kommen soll, dasjenige, was sie von dem Anderen kontraktlich zu fordern hatte, zu fordern eine Zeit lang unterlas­ sen hat, wie seltsamerweise ein Appell.-Gericht erkannt hat (O.Tr. II v. 9. Febr. 1865, Str. Arch. 57 S. 222), oder wo diese Person sich passiv bei der Entziehung des Gegenstandes verhält, z. B. wenn der Andere durch Geschäftsbesorgung etwas an sich genommen hat. Ueber einen solchen Fall ent­ scheidet das Erk. des O.Tr. v. 13. März 1846, Ulrich Arch. 12 S. 265, sachgemäß. Die Frage ist nicht zweifelhaft. 10) (7. A. Deshalb kann auch ein großjähriges Kind, welches nach des Vaters Tode im Hause der Mutter verblieben und unterhalten ist, sür die der Mutter im Hause geleisteten Dienste eine nicht versprochene Vergütung nicht fordern. Es folgt dies zwar nicht aus Th. II. 2 §§.121 ff., weil diese Bestimmungen nur das Verhältniß der unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder regeln, wohl aber aus dem allgemeinen Grundsatz, der in dem §. 1042 dieses Titels zum Ausdruck und in den §§. 121 ff. eit. zur Anwendung gebracht ist. O.Tr. I v. 4. Okt. 1875, Str. Arch. 94 S. 183. Die Ausstattung, welche der Vater seinem Kinde gegeben hat, gilt als geschenkt. Vgl. Th. II. 2 §. 288. Dazu O.Tr. III v. 8. Mai 1876, Entsch. 77 S. 190.) Der §. 1042 enthält, wie daS Wort „also" andeutet, eine bloße Folgerung aus dem in §. 1041 ausgesprochenen Prinzip, daß unter den Personen, welche durch Familienverhältnisse mit einander verbunden sind, Schenkung zu vermuthen ist, wenn die bezeichnete Voraussetzung vorliegt. Treffend sagt daher das O.Tr. III in dem Erk. (Pr. 260) v. 27. Mai 1837 : „Die Vermuthung der Schenkung beschränkt sich nicht bloß auf die im §. 1042 bezeichneten Verwandten; er bezeichnet nur einzelne Fälle, in denen diese Vermuthung eintritt." Dies ist z. B. auch bei Verschwägerten, namentlich in dem Verhältnisse zwischen Schwiegersohn und Schwiegereltern der Fall, wie gleichfalls das O.Tr. in dem Erk. v. 26. Novbr. 1847, Rechtsf. 3 S. 164, folgerichtig ausgesprochen hat. Vergl. den in gleichem Sinn entschiedenen RechtSfall zwischen Verschwägerten in Ulrich Arch. 4 S. 61. Historisch zu erwähnen ist, daß ein Erlaß des J.M. v. 18. Januar 1841, J.M.Bl. S. 56, daS Gegentheil behauptet.

11) Z. B. wenn ein Sohn seinem Vater häusliche Dienste, jedoch nur gegen die mündliche Zu­ sicherung der künftigen Hofesfolge geleistet hat, der Hof aber später einem anderen Sohne übergeben wird. O.Tr. v. 13. Okt. 1838, Ulrich Arch. 5 S. 605; oder wenn der Geber Schuldner deS Empfängers ist. O.Tr. v. 27. Septbr. 1839, Schles. Arch. 4 S. 368, und I (Pr. 2217) v. 7. Juni 1850, Entsch. 20 S. 284 und 288. Vergl. auch O.Tr. I v. 24. Septbr. 1852, Str. Arch. 6 S. 331. (6. A. Später ist das Gegentheil angenommen: „Der Umstand", sagt das O.Tr. IV, „daß der­ jenige, welcher etwas ohne Vorbehalt gegeben oder geleistet hat, ein Schuldner des Empfängers ist, ist keineswegs für sich allein geeignet, die hier in Rede stehende Vermuthung zu beseitigen. Es müssen nothwendig noch andere Umstände hinzutreten, wenn die Sache so liegen soll, daß, wie sich der §. 1042 ausdrückt, ein Anderes als die Absicht, zu schenken, auS den Umständen erhellt." Da­ bei ist dem Vorwurfe des Widerspruchs mit jenen älteren Entscheidungen durch die Bemerkung be­ gegnet, daß der Fall des Erkenntnisses v. 27. Septbr. 1839 thatsächlich anders gelegen habe und daß die betr. Aeußerung in den Gründen des Urtheils v. 7. Juni 1850 nur eine zur Entscheidung der Sache selbst gar nicht gehörige Nebenbemerkung gewesen sei. O.Tr. iv v. 5. Januar 1869, Str. Arch. 73 S. 204.) Den Vorschriften der §§. 1041—1045 läßt sich der Fall nicht unterordnen, in welchem Jemand die Schuld eines Anderen einseitig aus eigenen Mitteln ohne Vorbehalt bezahlt. Ein Geschenk des Zahlers an den Schuldner wird, auch bei'einer zwischen Beiden bestehenden, im §. 1042 bezeichne­ ten, Verwandtschaft resp. Verbindung, durch eine solche Handlung noch nicht existent, vielmehr ist nach Tit- 16 §. 45 das dadurch zwischen diesen Personen entstandene Rechtsverhältniß, wenn nicht

918

Erster Theil.

Eilster Titel.

§§. 1043—1048.

§. 1043. Ebenso ") wird bei dem, was einem Armen zu seinem Unterhalte gegeben worden, die Absicht solches zu schenken vermuthet. §. 1044. Ein Gleiches findet statt, wegen solcher Gelder und Sachen, die an Armenanstalten und milde Stiftungen ohne weiteren Vorbehalt abgeliefert worden. §. 1045. Was unter Umständen gegeben worden, wo sich gar keine andere Ab­ sicht des Gebenden denken läßt14), ist gleichfalls für geschenkt anzusehen. Schenkung«§. 1046. Wenn die Gesetze Jemanden zu Handlungen, die an sich eine bloße w-lchc"dc'n Freigebigkeit enthalten würden, in Beziehung auf gewisse Personen oder Verhältnisse "°zu"achten"^ ausdrücklich verpflichten: so werden die zur nähern Bestimmung dieser Pflicht geschlos­ senen Verträge den lästigen gleich geachtet16). §. 1047. Wenn also Personen, welche eine andere auszustatten nach den Gese­ tzen schuldig sind, derselben eine gewisse Summe oder Sache zur Ausstattung, oder ein der Absicht der Freigebigkeit an sich entgegenitehende« Mandat ;ur Bezahlung vorliegt, nach den Regeln von der negotiorum gestio zu beurtheilen; der Zahler hat unmittelbar ex lege (§. 46 eit.) von dem Schuldner Ersatz des statt seiner gezahlten Betrages zu fordern. O.Tr. I v. 15. Nov. 1861, Str. Arch. 44 S. 87. — Diese Verbindung des Nachsatzes mit dem Vordersatze als einer Folge von Diesem ist unjuristisch. Das Rechtsprinzip der negotiorum gestorum actio und das der actio ex lege stehen von einander ganz unabhängig neben einander, ohne alle innere Verwandtschaft oder Zusammengehörigkeit. Die actio n. g. ist eine ursprüngliche Klage, gleich der actio mandati; die aus §. 46 zustehende Klage dagegen ist eine cedirte Klage, nämlich ebendieselbe, welche dem be­ zahlten Gläubiger zustand. 12) Die hier bezeichneten besonderen Gesetze find die §§. 314 ff. a. a. O. 13) Ebenso, d. h. unt^r denselben Voraussetzungen. Keineswegs wird durch daS „ebenso" eine Herleitung dieser hier gegründeten Vermuthung aus dem Prinzipe des §. 1041 angedeutet, wie daS O.Tr. in dem Erk. v. 5. Sept. 1845, Entsch. n S. 414, meint; vielmehr hat diese Vermuthung einen anderen allgemeineren Grund als „eine besondere persönliche Pflicht". (Anm. 7 oben.) Zwischen einem Armen als solchem und Anderen besteht keine besondere persönliche Pflicht zur Wohlthätigkeit, wohl aber die sehr allgemeine religiöse gegen alle Menschen. Auf diese gründet der §. 1043 eine besondere Vermuthung. Aber die Vermuthung wird ebenso ausgeschlossen wie jene nach §. 1042, also z. B. auch durch den Umstand, wenn der Geber der Schuldner des Empfänger­ ist, daher bei dem Verpfleger die Vermuthung nicht eintritt, wenn der Verpflegte eine Forderung an ihn hat, zumal der Verpflegte, so lange die Forderung nicht konsumirt ist, sich nicht einmal im Zu­ stande der Armuth befindet. O.Tr. IV v. 2. Juni 1848, Rechtsf. 4 S. 121. — In allen Fällen aber ist jede Vermuthung für eine Schenkung ausgeschlossen, wo der Geber civilrechtlich verbunden ist, das Gegebene zu geben. Was also z. B. öffentliche, zur Unterstützung Hülfsbedürftiger ver­ pflichtete Anstalten denselben gewähren, ist nicht als geschenkt anzusehen. O.Tr. v. 5. Septbr. 1845, Entsch. 11 S. 410. (6. A.) Dasselbe gilt auch dann, wenn die Anstalt, z. B. ein Hospital, wel­ ches einer Kirche gehört, zwar nicht gesetzlich, wohl aber statutenmäßig zur Aufnahme und Verpflegung Hülfsbedürftiger bestimmt ist. O.Tr. I v. 29. Jan. 1872, Str. Ärch. 86 S. 44. Auf dem nämlichen Prinzip beruht auch das in einem Prozesse gegen ein Waisenhaus ergangene Erk. des O.Tr. I v. 27. April 1866, Str. Arch. 64 S. 94.

14) Z. B. wenn unter ausgenöthigten Höflichkeitsbezeugungen, auS Gastfreundschaft und auf Einladung zu Besuchen oder Genüssen, gegeben wird. Ueber einen solchen Fall entscheidet daS Erk. des O.Tr. v. 13. Jan. 1838, Jur. Wochenschr. 1838 S. 729. (6. A. Wenn zwei Personen verschiedenen Geschlechts, ohne mit einander verheirathet zu sein, wie Eheleute zusammen leben, so muß das, was Einer dem Anderen ohne Vorbehalt gibt oder zu den Kosten des gemeinschaftlichen Unterhalts verwendet, als geschenkt angesehen werden. Vergl. daS Erk. des Kammergerichts v. 4. März 1853, v. Rönne, Ergänz. 6. Ausa. 1 S. 703.) Daß die Absicht, zu schenken, nicht ausdrücklich erklärt zu sein braucht, sondern auch auS den Umständen gefolgert werden kann, ist nach §. 1045 selbstverständlich. Das Obertribunal hat ange­ nommen, daß der Beweis der thatsächlich vorhanden gewesenen, wenngleich nicht erklärten Absicht des Gebers, zu schenken, unmittelbar durch Eideszuschiebung geführt werden könne. O.Tr. IV v. 2. Okt. 1855, Str. Arch. 18 S. 171. (6. A.) Diese Annahme ist indeß nicht unbedenklich. Nach der A.G.O. I §§. 252—255 wenigstens scheint der zugeschobene Eid nur zur Feststellung von äußer­ lich erkennbaren Thatsachen, nicht auch zum direkten Beweise der Willensnchtung einer Person bestimmt zu sein. Vergl. oben Tit. 4 §. 58.

15) Was Jemand zu geben verpflichtet ist, das schenkt er nicht, wenn er es giebt. Die Widerruflichkeit ist folglich ausgeschlossen.

(Anm. 13.)

Von Schenkungen.

919

auck zum Brautschuhe ausdrücklich versprochen haben, so ist ein darüber in rechtsgül­ tiger Form *6) abgefaßter Bertrag für einen lästigen anzusehen. §. 1048. Auch wenn ein Fremder unter der Bedingung, oder zum Zwecke einer schließenden (Sfje18), einem oder dem andern der künftigen Eheleute etwas 16) Diese ist die allgemeine Vertragsform. Daher kann auch derjenige, der dem anderen Theile eine unbewegliche Sache unter der Vereinbarung, daß derselbe eine bestimmte Person heirathe, abge­ treten hat, diesen Vertrag wegen Mangels der schriftlichen Form nicht ansechten, wenn der Andere die bezeichnete Person wirklich geheirathet hat. O.Tr. Pl. (Pr. 1631) v. 7. Novbr. 1845, Entsch. 12 S. 31. Bergl. Anm. 18. Aber ein wesentliches Erforderniß bleibt unter allen Umständen, daß „eine gewisse Summe oder Sache" versprochen worden. Deshalb kann derjenige, der mit einem Anderen die Vereinbarung getroffen, dessen Pflegetochter gegen Zuwendung der Hälfte seines Nach­ lasses zu heirathen, nachdem er die bezeichnete Person wirklich geheirathet hat, nicht auf Erfüllung klagen, weil die versprochene Gegenleistung eine unbestimmte, selbst eine ungewisse ist, die sogar der Willkür des Verpflichteten anheim gegeben ist, indem dieser es so einrichten kann, daß er gar nichts hinterläßt, abgesehen davon, daß selbst die „Zuwendung" auf den Todesfall ein Akt der freien Will­ kür ist. Tit. 5 §. 71; O.Tr. I v. 5. Oktbr. 1855, Entsch. 31 S. 398. Gleiche Unklagbarkeit ist vorhanden, wenn eine Parzelle von einem Grundstücke als Mitgift formlos versprochen worden: dies ist nichtig, wenn auch darauf die Heirath vollzogen worden ist.

17) S. die vor. Anm. — Die Bestimmung dieses §. ist rein positiv; sie steht nicht im organi­ schen Zusammenhänge mit anderen Instituten oder Rechtsgrundsätzen. Etwas Aehnliches kennt das R.R. m der Dos, welche ein Fremder dem Ehemann giebt oder verspricht. Darin liegt durchaus keine Schenkung des Gebers an den Mann, aber es ist eine Schenkung an die Frau, denn diese erwirbt dadurch' die dotis actio gegen den Mann, ohne ihre Theilnahme, selbst ohne ihr Wissen. L. 9 §. 1, 1. 33 !. f., 1. 43 §. 1 D. de jure dot. 23, 3; 1 5 §. 5 D. de doli cxc. 44, 4; 1. un. §. 13 C. de rei uxor. act. 5, 13. In dieser Weise kann das Geschäft nach den Grundsätzen des A. L.R. nicht vollzogen werden. Einestheils giebt es keine Dos im Sinne des R.R., welche die Frau dem Manne zu bestellen verpflichtet wäre, so daß der Mann für seinen Theil von dem Fremden nur das erhielte, was ihm zukäme, während die Freigebigkeit des Fremden lediglich die Frau anginge. Anderentheils kann die Frau nicht ohne Acceptatiön an dem Gegebenen oder Versprochenen Theil nehmen. Was mithin ein Fremder dem Ehemanne auS bloßer Freigebigkeit giebt oder verspricht, das fommt' ihm allein zu gut und ist in Wahrheit ein Geschenk, eS soll aber, nach der positiven Bestimmung unseres §. 1048 dafür nicht angesehen werden, d. h. eine solche Freigebigkeit ist der für Schenkungen voraeschriebenen Form nicht unterworfen und kann auch nicht wie eine Schenkung widerrufen werden. Soll das Gegebene oder Versprochene im Falle der Auflösung der Ehe der Frau zufallen, so muß diese zugezogen werden; die einseitige Bestimmung des Gebers würde der Frau keinen Anspruch ge­ gen den gewesenen Ehemann geben'. 18) Diese Vorschrift erfordert nicht, daß der, welchem zum Zwecke oder unter der Bedin­ gung einer zu schließenden Ehe etwas versprochen wird, bereits verlobt sei, oder eine bestimmte Wahl getroffen habe. O.Tr. II (Pr. 765) v. 29. Nov. 1839. Vergl. Anm. 16. Es liegt im Be­ griffe deö im §. 1048 vorausgesetzten lästigen Vertrages — sagt das O.Tr. —, daß das unter der Bedingung oder zum Zwecke einer zu schließenden Ehe Versprochene und die Schließung der Ehe sich als Leistung und Gegenleistung darstellen müssen, sowie im Begriffe des im Tit. 5 §. 165 voraus­ gesetzten mündlichen Vertrages , daß das Versprechen der Eingehung der Ehe als Hauptgegenstand des Vertrages von der einen Seite und das Versprechen von der anderen Seite als die Vergütung für die Erfüllung dieses Versprechens erscheint. Diese Auffassung liegt auch dem Pl.-Beschl. v. 7. No­ vember 1845 (Anm. 16) nach seinen Motiven zum Grunde. Nun ist aber allerdings in jedem ein­ zelnen Falle nach den vorwaltenden Umständen zu ermessen, inwiefern das Versprechen zu dem Zwecke der zu schließenden Ehe erfolgt und in dieser Richtung der diesfällige Vertrag geschlossen war. O.Tr. I v. 16. Novbr. 1866, Str. Arch. 66 S. 161. D. h. kurz: es ist eine Frage'thatsächlicher Natur: ob das vorliegende Versprechen ein Versprechen der Ehelichung einer bestimmten dritten Person als Lei­ stung von einer Seite und eine promissio dotis als Gegenleistung von der anderen Seite im Sinne des §. 1048 sei. (6. A.) Das ist auch in der That die Meinung des Obertribunals. In einem Falle, der zur Entscheidung desselben gelangt ist, stützte der Kläger seinen Anspruch auf einen Revers des Verklagten folgenden Inhalts: „Wenn mein Bruder" (der Kläger) „in die Wirthschaft der Wittwe W. geb. Ä. zu G. hineinheirathet, so zahle ich ihm am Tage seiner Verheirathung mit der genannten Wittwe eine Ausstattung von 2000 Rthl." Der Appellatwnsrichter hatte hierin eine (wegen Form­ mangels ungültige) Schenkung int Sinne des §. 1049 gesehen, da dem Verklagten eine gesetzliche Verpflichtung zur Ausstattung seines Bruders nicht obläge. DaS Obertribunal hob jedoch das an­ gegriffene Urtheil auf, indem es annahm, daß der Revers den Abschluß eines nach §. 1048 klagbaren Vertrages beurkundete. O.Tr. I v. 24. März 1873, Str. Arch. 88 S. 332. Siehe die folgende Anmerkung.

920

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 1048—1053.

in rechtsgültiger $orm19)20 versprochen 21 22 23 bat, 24 ist ein solcher Vertrag einem lästigen gleich zu achten 2v). §. 1049. Was aber nur bei Gelegenheit einer Eheverbindung versprochen wor­ den 21), hat, wenn dabei eine bloße Freigebigkeit zum Grunde liegt, die Natur einer Schenkung 2«). §. 1050. Verträge zwischen Eheleuten, wodurch Einer dem Andern gewisse Vor­ theile auf den Todesfall bestimmt, sind nicht als Schenkungen, sondern als lästige Verträge zu betrachten9 3). §. 1051. Wenn wechselseitige Schenkungen unter Lebendigen geschehen sind, so muß jede Schenkung für sich, nach den von Schenkungen überhaupt vorgeschriebenen Regeln, beurtheilt werden. §. 1052. Wenn jedoch ein Theil das dem andern versprochene oder gegebene Geschenk auch aus einem an sich gesetzmäßigen Grunde widerruft; so muß der Ändere wegen desjenigen, was er von seiner Seite in Ansehung des von ihm versprochenen Geschenks, wirklich gegeben, oder geleistet hat, vollständig entschädigt werden 2*). 19) Der §. 1048 hat nur den Zweck, auszudrücken, daß auch aus einem bloß schriftlichen Versprechen die Klage auf Erfüllung wie aus einem lästigen Vertrage stattfinde und nicht der Ein­ wand gemacht werden dürfe, daß das eine bloße Freigebigkeit in sich schließende Versprechen zu seiner Gültigkeit die gerichtliche Abfassung erfordere, wie der §. 1063 bezüglich der reinen Schen­ kungsverträge vorschreibt. Setzt somit der §. 1048 ein Versprechen in rechtsgültiger Form voraus, so ist auch, wenn es sich um eine Summe von mehr als 50 Thlr. handelt, nach der als Regel geltenden Vorschrift des Titels 5 §§. 133 ff. die schriftliche Abfassung nöthig. Die Ausnahme, daß bei Verträgen über Handlungen die mündliche Form genügt, sobald die Handlung geleistet worden (§. 165 a. a. SD.), ist ausgeschlossen, wenn nicht festgestellt werden kaun, daß demjenigen, der für den Fall der Heirath zu einer Zahlung sich verpflichtet hat, die Eingehung der Ehe als Gegenleistung oder Bedingung versprochen ist. O.Tr. I v. 28. Jan. 1867, Str. Arch. 67 S. 71. Vgl. §. 869.

20) (6. A.) Derjenige, welchem das Versprechen gemacht ist, erfüllt den Vertrag durch seine Verheirathung mit der bezeichneten Person. Aus der Natur des Abkommens folgt eine weitere Verbind­ lichkeit seinerseits nicht. Der andere Kontrahent kann daher, wenn später die Ehe geschieden wird, das Gegebene oder Geleistete nicht zurückfordern. Wind scheid, die Lehre des röm. Rechts von der Voraussetzung (1850) S. 27 u. 28; Gruchot 13 S. 807.

21) Gleichviel, ob von dem anderen Ehegatten oder einem Dritten. 22) (6. A.) Der §. 1049 hat nicht bloß ein am Tage der Eheschließung abgegebenes Versprechen im Sinne. Seine Voraussetzung ist vielmehr nur die, daß die in Rede stehende Ehe zwar noch nicht vollzogen, aber deren Eingehung bereits gewiß und in der Vorbereitung begriffen sei. O.Tr. I v. 24. März 1873, Str. Arch. 88 S. 335.

23) Diese Verträge gehören überhaupt nicht zu den Rechtsgeschäften unter Lebenden. stimmung hat nur die Bedeutung, daß der Widerruf ausgeschlossen sein soll.

Die Be­

24) Was man sich bei dieser Bestimmung, die eigentlich mit dem vorhergehenden §. 1051 nicht harmonirt, juristisch gedacht hat, ist nicht bekannt. Eine wahre wechselseitige Schenkung giebt es nicht. Macht Einer dem Anderen ein Geschenk, so kann er dazu wohl durch die Hoffnung bewogen werden, daß der Andere sich dadurch veranlaßt finden werde, ihm wieder ein Geschenk zu machen, nichts desto weniger aber ist die erste Handlung eine wahre Schenkung. Wird der Andere wirklich dadurch be­ stimmt, Jenem wieder etwas zu schenken, so ist dies eine remuneratorische Schenkung, die das R. R. gleichwohl als wahre Schenkung behandelt. Die scheinbar widersprechende 1. 25 §. 11 D. de hered. pet. bezieht sich nicht darauf, sondern auf den Umfang der Leistungen des Erbschaftsbesitzers, v. Savigny 4 S. 92 ff.; v. Meyerfeld 1 S. 369 ff. Die Neueren haben aber daraus den Begriff einer wechselseitigen Schenkung, welche zu den lästigen Verträgen gehören soll, entnommen. Darauf beziehen sich einige Monita gegen den Entwurf, in welchem die wechselseitige Schenkung ganz übergangen war. Hierüber äußert Suarez in der revis. monit.: „Es wollen emige Monenten, daß alle donationes reciprocae als lästige Verträge betrachtet werden sollen. Dies kann man aber unmöglich annehmen, wenn man nicht zugeben Null, daß die ganze Legislation über die Schen­ kungen vereitelt werde. Ich glaube, daß solche Schenkungen allen anderen gleich behandelt zu ach­ ten sind, und daS einzige Singuläre dabel stattfindet, daß, wenn der Eine revozirt, der Andere wegen dessen, was er auf seine Schenkung schon gegeben oder geleistet hat, vollständig entschädigt werden müsse." In Folge dessen wurden die §§. 1051 u. 1052 eingeschaltet. Ges.-Rev. Pens. 14 S. 186. Die erste Stelle entspricht völlig den Grundsätzen des R.R.; die zweite Stelle hingegen bringt die wechselseitigen Schenkungen gewissermaßen auf den Stand, welchen die Monenten wollten,

Von Schenkungen.

921

§. 1053. Schenkungen, welche unter einer von dem Geschenknehmer zu leisten­ den Bedingung, oder zu einem gewissen von ihm zu erfüllenden Endzweck^) verspro­ chen, oder gegeben worden, sind, im zweifelhaften Falle, den lästigen Verträgen gleich zu achten. aber es ist unklar, wie daS gemeint ist. Man kann es zunächst zweifelhaft finden: ob jedem der beiden Schenker zugestanden sein soll, wegen des Gegebenen oder Geleisteten Entschädigung zu for­ dern , wenn der Andere mit Erfolg widerruft. Denn auf den Vorschenker paßt der Grund des Ge­ setzes nicht; es war, als er durch sein Geschenk die Dankbarkeit des Anderen zu gewinnen versuchte, völlig ungewiß, ob der Andere durch ein Gegengeschenk sich dankbar erweisen würde; der Vorschen­ ker konnte nichts fordern und es wird wohl als völlig zweifellos angesehen werden, daß er seine Schenkung aus dem Grunde allein, weil kein Gegengeschenk erfolgte, niemals hätte widerrufen können, wenn es auch ganz gewiß geworden, daß er ein solches nicht zu erwarten habe. Diese in sofern von Anfang unwiderrufliche Schenkung soll hinterdrein den Charakter einer zu vergeltenden Leistung annehmen, wenn zufällig ein Gegengeschenk folgt. Das liegt außer dem Bereiche der Jurispru­ denz. Dennoch ist dies, nach dem Wortlaute, der Inhalt des Gesetzes. Hiernächst ist zu fragen: ob, nachdem der Eine seine Schenkung widerrufen, die Schenkung des Anderen, lediglich wegen je­ nes Widerrufs, auch soll ganz widerrufen (aufgehoben) werden können, oder ob sie fortbestehen soll, nämlich als Innominatkontrakt (ein juristischer Widerspruch), und Entschädigung für das Geleistete soll gefordert werden dürfen. Die zweite Eventualität führt zur offenbaren Rechtsverletzung, indem der Beschenkte gezwungen wird, die geschenkt erhaltene, noch im unveränderten Zustande vorhandene Sache, die ihm vielleicht zu gar nichts nütze ist, zu behalten und mit einer schweren Summe Gel­ des zu bezahlen, für die er freiwillig niemals nur einen Groschen ausgegeben haben würde. Dieser Grund nöthigt, sich für die erste Eventualität zu entscheiden. Dann aber, fragt sich weiter, warum diesem Gegenschenker nicht ebenso nur obliegen soll, die noch vorhandene Sache in ihrem dermaligen Zustande zurückzugeben, gleichwie er selbst gehalten ist, die von ihm gegebene Sache, so wie sie ist, zurückzunehmen. Nach der Fassung des Gesetzes ist er berechtigt wie verpflichtet, die noch vorhandene Sache zurückzugeben, aber doch verpflichtet, die Verschlechterungen zu vergüten, weil er die Wieder­ aushebung der beiderseitigen Schenkungen veranlaßt hat und der Andere darunter nichts verlieren soll. Man hat sich diese Verhältnisse nicht in ihrem wahren Zusammenhänge klar gedacht. (6. A.) Förster (Theorie und Pr. 2 S. 37) findet in dem §. 1052 nur den Rechtssatz ausge­ drückt, daß der Widerruf deö einen Theils, der ihm nur aus den gesetzlichen Gründen zuste'hl7 auch den anderen Theil zum Widerruf berechtigt, wenn derselbe sich nicht selbst auf solchen Grund stützen kann.

25) Donatio sub modo. Dieses Rechtsgeschäft ist aus Schenkung und Verpflichtung vermischt (negotium mixtum); die Bereicherung wird durch die auferlegte Verpflichtung zum Theil wieder auf­ gehoben. Die Verpflichtung kann bestehen in einer Leistung an den Schenker, oder an einen Dritten, oder in einer Leistung im öffentlichen oder kirchlichen Interesse. Betrifft der Modus nur die Ver­ wendung des Geschenks zum Besten deS Beschenkten, so ist daS Rechtsgeschäft eine reine und wahre Schenkung. §. 1056. Deshalb ist „das aus reiner Freigebigkeit ertheilte Versprechen, Jemanden während seines Ausbildungsstadiums bei einer öffentlichen Behörde zu unterhalten oder zu unter­ stützen, von Seiten solcher Personen, die überhaupt keine gesetzliche Verpflichtung zur Erziehung resp. Alimentation haben, nach den Regeln von Schenkungen zu beurtheilen, und bedarf daher zur Klag­ barkeit der gerichtlichen Form." O.Tr. III (Pr. 1715) v. 27. Febr. 1846, Entsch. 13 S. 182. DaS R.R. behandelte die donatio sub modo als Schenkung, d. h. sie war den Formen und den positiven Einschränkungen der Schenkung unterworfen, doch so, daß, wenn deswegen eine Ungül­ tigkeit oder ein Widerruf zur Durchführung kam, das auf die Schenkung Geleistete abgezogen werden durfte. L. 49 D. de don. inter vir. 24, 1 ; 1. 5 §. 9 D. de jure dot. 23, 3. Wegen Erfüllung der Auflage hatte der Schenker, wenn er ein eigenes Vermögensinteresse dabei hatte, — außer dem Falle der Stipulation — stets die actio praescriptis verbis, wie aus einem Innominatkontrakte. Wenn aber eine Leistung an einen Dritten oder eine Handlung, bei der kein Einzelner ein Geldinteresse hat, auferlegt war, so konnte er im Falle der willkürlichen — unverschuldete Unmöglichkeit befreite — Nichtleistung nur das Geschenk, condictione causa data, zurückfordern. L. 3 §. 8 C. de cond. ob causam 4, 6. Der Dritte hatte, wenn er dem Vertrage nicht beigetreten war, nach älterem Recht keine Klage, nach neuerem Recht hatte er eine actio utilis. L. 3 C. de don. quae sub modo 8, 55. (7. A. Vgl. hierzu Windscheid §. 368 S. 391.) Diese praktische Seite der donatio sub modo behandelt das A. L.R. anders: eine solche Schenkung soll nach unserem §. 1053 schlechtweg wie ein lästiger Vertrag angesehen werden. Daraus folgt: 1. Sie ist weder der Form, noch dem Wider­ rufe einer Schenkung unterworfen; 2. der Geber kann schlechthin auf Gegenleistung (Erfüllung deö Modus) klagen, im Falle derselbe nicht in einer Leistung an ihn selbst besteht, auch dann, wenn er kein besonderes Geldinteresse dabei hat, ebenso wie nach R.R. O.Tr. Hl (Pr. 1571) v. 10. Mai 1845, Entsch. 12 S. 150; 3. der Dritte hat, wenn er bei dem Vertrage nicht zugezogen worden ist, teilt Klagerecht.

922

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 1054—1063.

§. 1054. Wenn jedoch aus den Umständen klar erhellet26), daß die Bestimmung oder der Endzweck nur zum Scheine beigesügt worden, so ist dergleichen Schenkung, auch in Ansehung der Befugniß zum Widerruft, nach den allgemeinen Grundsätzen von Schenkungen überhaupt zu beurtheilen. §. 1055. Doch muß, wenn ein Widerruf aus gesetzlichen Gründen erfolgt, und die Bedingung oder der Zweck nicht zum eigenen Vortheile des Beschenkten beigefügt waren, alles, was Letzterer zu deren Erfüllung gethan, oder geleistet hat, demselben nach dem höchsten Werthe vergütet werden. §. 1056. Zielt die beigefügte Bedingung, oder der bestimmte Zweck lediglich zum Besten des Beschenkten2^) ab, so kann eine solche Schenkung gleich jeder andern widerrufen werden. §. 1057. Liegt jedoch der Grund des Widerrufs nicht in dem eigenen Verschul­ den des Beschenkten'; und hat dieser, in Rücksicht auf die Schenkung, Handlungen vor­ genommen, oder Einrichtungen getroffen, die ihm jetzt, bei erfolgendem Widerrufe, schädlich werden: so kann er deshalb von dem Geschenkgeber Entschädigung2 8) fordern. 2tung®oer“ä §• 1058. Bei allen22) Schenkungen ist, wie bei andern2") Verträgen eine austrLgc^-ichlos- drücklich oder durch Handlungen erklärte Annahme nothwendig. (Tit. 5, §.78 sqq.) (6. A.) Hierbei ist übersehen, daß der §. 1053 die donatio sub modo nicht schlechtweg, son­ dern nur im zweifelhaften Falle den lästigen Verträgen gleichstellt. Die unter Nr. i und 2 gezogenen Folgerungen treffen daher dann nicht zu, wenn die Schenkung trotz des modus ihren Cha­ rakter als solche behält. In diesem Fall ist a) die Gültigkeit ded Geschäfts durch die Beobachtung der für Schenkungen vorgeschriebenen Form bedingt und der Widerruf gestattet, dagegen b) die Klage auf Erfüllung des Endzwecks ausgeschlossen und nur die Rückforderung deS Geschenkes zulässig. (Tit. 4 §§. 74, 154, 157, 158 und die Anm. dazu.) Vergl. Förster, Theorie und Pr. 3. Ausl. 2 S. 36 u. 37.

26) Es soll also dem Richter aus den Umständen wahrnehmbar sein. Eidesdelation ist damit ausgeschlossen.

Direkter Beweis durch

27) Siehe die Anm. 25 zu §. 1053.

28) Die Entschädigung muß so weit reichen, daß der Beschenkte in die Lage kommt, in welcher er sich befunden haben würde, wenn er nicht beschenkt worden wäre. Eine solche Entschädigung wird jedoch in manchen Fällen gar nicht zu ermessen sein. Gesetzt, ein junger Mensch hätte eine donatio alimentorum auf gewisse Jahre erhalten, um zu studiren. Ohne dieselbe wäre er Professionist ge­ worden, als welcher er sich schon im zwanzigsten Jahre hätte ernähren können. Er hat es in diesem Alter aber erst bis zum Abgänge zur Universität gebracht, nun ihm die Schenkung entzogen wird. Er hat jetzt keine Mittel zum Unterhalte und ist auch nicht im Stande, sich den Unterhalt durch Arbeit zu verdienen; der Verlust der Schulzeit seit dem 14. Jahre wird ihm nun schädlich. Wie soll dieser entschädigt werden? Ich meine: auf diesen Fall findet der, freilich sehr unbestimmte, Satz gar keine Anwendung. Der Beschenkte ist jetzt, hinsichtlich seines Unterhalts, nicht schlimmer gestellt, als er eS vor der Schenkung war; und die Schulwissenschaften, welche er in Folge des bisherigen Genusses der Schenkung erlernt hat, werden ihm nicht schädlich, sie können ihm nur Vortheil bringen. 29) Bei allen, ohne Ausnahme. Dadurch entsteht eine erhebliche Abweichung von dem R.R. Nach dessen Grundsätzen ist die Einwilligung des Beschenkten zwar auch in solchen Fällen nothwen-^ dig, wo die Schenkung durch ein Rechtsgeschäft vermittelt wird, welches die Natur eines Vertragemit dem Beschenkten hat, wie namentlich Tradition (L. 55 D. de obl. et act. 44, 7), Schenkungs­ versprechen, Erlaßvertrag, aber nicht, weil die Schenkung als solche zu ihrer Vollendung der Acceptatiou bedürfte, sondern weil das Rechtsgeschäft, worin die Schenkung beruht, nicht ohne die Einwil­ ligung des dadurch Beschenkten vollzogen werden kann. In Fällen aber, wo eine Rechtshandlung zur Schenkung angewendet wird, zu deren Vollziehung die Mitwirkung des Beschenkten nicht erfor­ derlich ist, wie bei der Bezahlung einer Schuld, bei der Expromission, — da bedarf es zur Perfektion der Schenkung der Annahme des Beschenkten nicht, v. Savigny 4 S. 146, wo die Beweise ge­ geben sind. Nach den Grundsätzen des A. L.R. verhält es sich damit anders. (Oben Anm. 1 zu §. 1037.) (6. A.) Die Frage ist übrigens auch nach R.R. nicht unstreitig. Puchta z. B. hält an der VertragSnatur der Schenkung fest und fordert deshalb zur Vollendung der letzteren die Annahme des Beschenkten; er bescheidet sich zwar, daß der Schuldner liberirt wird, wenn ein Dritter animo donandi den Gläubiger befriedigt; aber er sieht hierin nur dann eine Schenkung, wenn der gewesene Schuldner von der Tilgung der Schuld Kenntniß erlangt und der Absicht des Dritten, ihm damit ein Geschenk zu machen, zustimmt. Puchta, Institutionen §. 205 Note p. Gleicher Ansicht sind u. a. Wind scheid §. 365 Note 5 S. 374 und Förster §. 122 Bd. 2 S. 13.

Von Schenkungen.

923

§. 1059. Doch sind die Worte30 31)32 und Handlungen des Andern, im zweifelhaf­ ten Falle, so zu deuten, daß er das Geschenk dadurch habe annehmen wollen. §.. 1060. Wenn der Beschenkte wegen Kindheit, Krankheit, oder sonst wegen Mangels am Verstände33), 34 die Absicht, das Geschenk anzunehmen, nicht äußern kann, so kann ein jeder Dritter dasselbe zu seinem Besten acceptiren33). §. 1061. Ein noch nicht angenommenes Geschenk kann von den Erben dessen, für den es bestimmt war, wider den Willen des Schenkenden nicht mehr rechtsgültig acceptirt werden. §. 1062. Wie weit der Beschenkte nach dem Tode des Schenkenden noch anneh­ men könne, oder die Erben des Letzteren diesen Antrag anzunehmen3 4) befugt sind, ist nach den allgemeinen Grundsäken von der Acceptation überhaupt zu beurtheilen. (Tit. 5, §§.90 — 108.) §. 1063. Schenkungsverträge sollen gerichtlich abgeschloffen33) werden. 30) Die Verf. des A. L.R. sind davon ausgegangen, daß die Schenkung ein einzelnes Rechtsge­ schäft sei, welches die Natur eines Vertrages zwischen dem Schenker und dem Beschenkten habe. Daher halten sie die Acceptation bei d i e s e m Vertrage, wie bei anderen Verträgen, für nothwendig. Vergl. die vor. Anm. Die Form der Annahme ist die allgemeine. Tit. 4 §. 94 und Tic. 5 §. 81, Verb, mit §. 1059 d. T. 31) In der authentischen Ausgabe vou 1817 steht hier, aus einem Druckfehler, „Werke" statt Worte. 32) Außer dem Falle eines solchen in mangelhaften Geisteskräften liegenden Hindernisses kann kein Dritter den Willen des Beschenkten ersetzen: geschieht es doch, so ist das Geschäft nichtig. Vergl. Tit. 5 §. 88. — Die vom Vater seinem minderjährigen Kinde zwar nach der Theilung des Nachlasses seiner verstorbene befrau, jedoch mit Rücksicht aus diese Theilung gemachte Schenkung kann auch von dem bestellt gewesenen Theilungskurator angenommen werden, — sagt das O.Tr. IV in einem Erk. v. 10. Mai 1855, Str. Arch. 17 S. 184. — Was dabei bedenkliches oder bedingtes wäre, ist nicht findbar. Mit oder ohne Rücksicht aus die Theilung, Theilungskurator oder nicht, — jeder Dritter hätte mit Erfolg acceptiren können, wenn der Beschenkte ein Kind war, wie der §. 1060 verordnet. War er aber nicht mehr in den Kinderjahren und demnach fähig, sich selbst zu erklären (Tit. 4 §. 21), so war der vormalige Theilungskurator zu dessen Vertretung schwerlich legitimirt.

33) Aus einem Vertrage, wodurch ein Großvater einem bereits geborenen Enkel und denen, welche etwa noch später geboren würden, ein Grundstück schenkt, können, wenn ihn die Eltern der Be­ schenkten genehmigt haben, die nachgeborenen Enkel und deren Rechtsnachfolger Rechte gegen den erstgeborenen Enkel unmittelbar geltend machen. O.Tr. UI v. 26. Mai 1862, Entsch. 47 S. 114. (6. A.) Vgl. gegen dieses Erkenntniß: P. Hinschius in der Preuß. Anw.Zeitung 1863 S. 172 ff. und Gruchot 13 S. 817 Note 4. 34) Muß heißen: „zurückzunehmen".

R. v. 29. Dez. 1837, Iahrb. 50 S. 469.

*) Bei der Schenkung hat man von Alters her und fast bei allen civilisirten Völkern eine be­ sondere Gefahr des Mißbrauchs einer vollkommenen Willensfreiheit gefunden, und daraus Anlaß ge­ nommen, die Freiheit des individuellen Willens bei dieser Handlung zu beschränken. Das R.R. hat zu diesem Zwecke drei ganz positive Regeln: Erschwerung der Willenserklärung durch positive Formen; Verbot der Schenkung unter Eheleuten; Gestattung.des Widerrufs einer selbst vorschriftsmäßig, also aültig vollzogenen Schenkung in gewissen Fällen aus besonderen Gründen. Auch die Verfasser des A. L.R. haben die vollkommene Willensfreiheit des Individuums bei Schenkungen für gefährlich ge­ halten und Einschränkungen für zuträglich; von den Vorgefundenen Mitteln haben sie aber zwei fürausreichend gehalten: die besondere Form und den Widerruf, wogegen das dritte Mittel, das Verbot der Schenkungen unter Ehegatten, ganz aufgehoben worden ist. §. 1072. Von der Form wird hier­ in den §§. 1063—1069 gehandelt. Dieses Erschwerungsmittel ist bei weitem nicht so durchgreifend angewendet wie im R. R. Dieses fordert die Anwendung der Form, bei Strafe der Nichtigkeit, bei der Schenkung in allen Gestalten, welche sie anzunehmen fähig ist. Nicht so das A. L.R.: nur die Schenkung in der Gestalt des Schenkungsversprechenö ist als solche einer positiven Form unterworfen. Bei der Schenkung durch Tradition und Quasitradition (Session) schien den Verf. die Gefahr des Miß­ brauchs der Willensfreiheit nicht so groß, um auch hier die besondere Form vorzuschreiben. S uarez sagt darüber in seinen Vorträgen über die Schlußrevision des Gesetzbuchs: „Da in der ganzen Lehre von Schenkungen hauptsächlich darauf gearbeitet worden, dem Leichtsinne, den Uebereilungen und den Unbesonnenheiten, die bei solchen Geschäften hauptsächlich Vorfällen, möglichst vorzubeugen, so ist als ein solches Vorbeugungsmittel angenommen: daß aus pactis de donando, wenn sie außergerichtlich geschlossen werden, aus Erfüllung nicht soll geklagt werden können. Es giebt Leute, die sich sehr be-

924

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 1064—1065.

§. 1064. Aus einem außergerichtlichen, wenn auch schriftlichen Schenkungsvertrage, kann daher in der Regel auf Erfüllung nicht geklagt werben36). §. 1065. Ist hingegen eine geschenkte bewegliche Sache oder Summe87) dem Geschenknehmer bereits übergeben88) worden, so findet deren Rückforderung aus dem denken, wenn sie nur etliche Louisdor baar aus ihrem Beutel weggeben sollen, die es aber gar nichts kostet, ein Bersprechen, das erst in der Zukunft erfüllt werden soll,' auszustellen und zu unterschreiben. Niemand verliert etwas durch obige Feststellung. Ist das Geschenk nicht übertrieben, sondern den Bermögensumständen des Donantis angemessen, so kann er es ja gleich geben. Kann er aber dies nicht, so ist solches ein Zeichen, daß das Geschenk ihn wirklich inkommodne und seinen Umständen nicht angemessen sei. Auf allen Fall bleibt ja noch der Weg der gerichtlichen Ausstellung übrig, wobei von Uebereilungen und ungestümen Zudringlichkeiten weit weniger zu besorgen ist." Jahrb. 41 S. 23. (7. A.) Ist die Schenkung ein Handelsgeschäft, so ist ihre Gültigkeit nicht bedingt durch die Be­ obachtung einer Form. R.O.H.G. III v. 15. März 1875, Entsch. 16 S. 184. 35) Wegen dieses Ausdrucks ist die gerichtliche Form auch für die Annahme behauptet worden. Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die Berbindlichmachung des Schenkers, auf das Schenkungsversprechen, wie aus Suarez' Erklärung (s. die vor. Anm.) erhellet und aus §. 1059 folgt, indem diese Vorschrift von allen Schenkungen gilt (§. 1058), also auch von Schenkungsversprechen, welche darnach durch Handlungen acceptirt werden können. Der Ausdruck „a b s ch l i e ß e n" hat hier dieselbe Bedeutung wie das „errichten" im §. 172 Tit. 5. Die Beschränkung der Vorschrift aus das Versprechen folgt außerdem aus dem Zwecke der Form, und aus den allgemeinen Grund­ sätzen über die Anfechtung formwidriger Verträge. Der Zweck ist, Leichtsinn und unbesonnene Ueber* eilungen zu verhüten, nicht etwa in der Person des Beschenkten bei der Annahme — dieser wird gar nicht verpflichtet, den versprochenen Gegenstand künftig anzunehmen, er kann trotz der Acceptation des Versprechens die Annahme der Erfüllung ablehnen. Und einen Vertrag wegen Mangels der Form kann nur die Partei, hinsichtlich welcher die Form nicht beobachtet worden ist, ansechtcn, weil nur diese nicht verbindlich gemacht worden ist. Ein vor einem Gerichtsdeputirten ohne Zuziehung eines Protokollführers oder eines Unterschriftszeugen von einem schreibkundigen Schenker und einem schreib­ unfähigen Beschenkten abgeschlossener Schenkungsvertrag kann darnach von dem Schenker nicht ange­ griffen werden, weil der acceptirende Beschenkte nur mit Kreuzen unterzeichnet hat, und seine Annahme nur als eine mündlich erklärte gilt. Wer aus diesem Grunde die Unverbindlichkeit des gerichtlichen Versprechens behaupten will, der muß entweder die absolute Nichtigkeit des Vertrages von An­ fang an behaupten, was ganz gewiß grundlos sein würde, da außergerichtliche Schenkungsverträge nur nicht klagbar sind (§. 1064), öder er müßte den Grund der Unverbindlichkeit des Versprechens darin finden, daß der Beschenkte auch seinerseits nicht an die Annahme gebunden wäre. Damit würde aber, konsequent, die Möglichkeit bestritten werden, ein Schenkungsversprechen überhaupt zum rechtsgültigen Dasein zu bringen, denn der Beschenkte kann niemals gezwungen werden, den ihm versprochenen Ge­ genstand anzunehmen, er ist auch an die in gerichtlicher Form' erklärte Annahme nicht gebunden.

36) Die schriftliche Erklärung des Vaters, Einem seiner Kinder eine bestimmte Summe zahlen zu wollen, welche dasselbe aus seinen väterlichen Erbtheil anzurechnen verpflichtet sein solle (II. 2 §§. 303 u. 327), stellt ein reines Schenkungsversprechen dar und ist mithin wegen mangelnder gericht­ licher Form unklagbar. O.Tr. IV v. 9. Juni 1863, Str. Arch. 49 S. 245. (6. A.) Eine Schenkung kann auch nicht in der Weise rechtsgültig konstituirt werden, daß der Schenker in notarieller Form sich zum Darlehnsschuldner auf Höhe einer nach seinem Tode zahlbaren Summe bekennt und die fingirte Forderung durch die als Gläubiger bezeichnete Person dem Beschenkten notariell cediren und hiernächst auf sein Grundstück im Grundbuche eintragen läßt. Eine Darlehnsforderung ist hier selbstredend nicht entstanden, weil sie nicht gewollt, auch ein Darlehn nicht gegeben ist. Eine Schenkung ist zwar beabsichtigt gewesen, aber wegen Mangels der gerichtlichen Form'nicht zur rechtlichen Existenz gelangt. O.Tr. III v. 24. Jan. 1873, Entsch. 69 S. 25; Str. Arch. 88 S. 18. 37) Diese Vorschrift findet auch bei Rechten statt, welche nicht zu den unbeweglichen Sachen gehören. O.Tr. III (Pr. 1710) v. 21. Febr. 1846, Präj.-Samml. S. 71.

38) Bei Rechten (s. d. vor. Anm.) kommt es mithin auf die Vollziehung derjenigen Handlung an, auf welcher der Uebergang an den Beschenkten beruht. a) Bei der Schenkung eines Forderungsrechts ist es die Session oder Expromission, lediglich in der für sie als solche vorgeschriebenen Form. Eine Session aus Freigebigkeit ist mithin rechtsgültig, wenn auch die ihr als causa praecedens zum Grunde »liegende Schenkung nur mündlich geschlossen worden ist. O.Tr. v. 9. April 1847, Schles. Arch. 6 S. 472, und v. 29. Oft. 1847, Rechtsf. 3 S. 56. Die Schenkung einer im Hypothekenbuche eingetragenen Forderung wird, auch bei Uebergabe des Dokuments, durch eine bloß mündliche Scheukungserklärung noch nicht perfekt und wirksam; es gehört vielmehr dazu eine schriftliche Erklärung des Geschenkgebers, durch welche der Geschenknehmer

Von Schenkungen.

925

Grunde der Ermangelung eines gerichtlichen Vertrages nicht statt 2 S). in den Stand gesetzt wird, über die Forderung als über die seiniae zu verfügen. O.Tr. IV (Pr. 2230) v. 12. Juli 1850, Entsch. 20 S. 128. Es versteht sich jedoch^ daß die Cessionshandlung als solche völlig perfekt und rechtsgültig sein muß; es genügt daher weder die bloße Uebergabe des Dokuments in Fällen, wo zur Cession eine schriftliche Erklärung wesentlich ist (§. 394 d. T.), noch ist die in ge­ höriger Form abgefaßte Erklärung wirksam, so lange der Erklärende solche dem Anderen nicht einhän­ digt. So ist z. B., wenn Jemand eine verbriefte Schuldforderuug durch Cession erwirbt, das Cessionsinstrument nicht aus seinen Namen, sondern auf den eines Dritten in der Absicht ausstellen läßt, die­ sem Dritten die Schuldforderung zu schenken, sodann das Schuld- und Cessionsinstrument in seiner Gewahrsam behält und, wenn auch 'mündlich, doch nicht schriftlich, erklärt, daß er die Dokumente für den Dritten besitze, — durch diese Handlungen (eine Uebertragung des Forderungsrechts, folglich) eine rechtsgültige Schenkung noch nicht zu Stande gekommen. O.Tr.'v. 9. April 1833, Entsch. 2 S. 260. Siehe auch die folgende Anm. 39 Abs. 2. (6. A. Mil der Schenkung eines Forderungsrechtes ist der Fall nicht zu verwechseln, in welchem der Schenker eine Schuld seinerseits in nicht gerichtlicher Form fingirt und die fingirte Forderung dem Beschenkten abtreten läßt. Hier wird die Uebergabe der geschenkten Sache (Forderung) weder durch die Cession und die Ausantwortung der Abtretungs- und der Schuldurkunde an den Beschenkten, noch durch die Eintragung der fingirten Forderung im Grundbuche ersetzt. O.Tr. v. 24. Jan. 1873, oben in der Anm. 36* zu' §. 1064.) Auch ein Sparkassenbuch kann nicht durch bloße Uebergabe verschenkt werden, wenn es auf einen Namen lautet. Denn alsdann ist es, obgleich die Rückzahlung der Einlage an den Inhaber geleistet werden kann und muß, doch kein Jnhaberpapier, sondern nur eine Beweisurkunde über ein dem be­ nannten Gläubiger zustehendes Forderungsrecht, und der Inhaber ist ein bloßer Zahlungsempfänger für diesen Gläubiger. Deshalb ist zur Schenkung eines solchen Buches durch bloße Uebergabe die Cession desselben von Seiten des darin genannten Gläubigers erforderlich. O.Tr. IV v. 16. Oktbr. 1866, Str. Arch. 65 S. 79. (6. A. Bergl. gegen diese Entscheidung v. Kräwel, in Gruchot, Beitr. 12 S. 323 ff. — Wenn der Beschenkte, dem das Sparkassenbuch von dem Schenker ausge­ händigt ist, das Kapital von der Sparkasse ausgezahlt erhalten hat, so ist ihm dasselbe im Sinne des §. 1065 übergeben und damit der Anfangs der Schenkung anhaftende Formmangel geheilt. O.Tr. IV v. 26. Jan., i873, ebenda 89 S. 111. Bergl. unten Tit. 15 §. 47 und die Anm. dazu.) Die Expromission und durch sie die Schenkung geschieht, wenn der Schenker seinem Schuldner, unter Zurückgabe der Schuldverschreibung, auch nur mündlich aufträgt, dieselbe Schuld dem zu Be­ schenkenden zu expromittiren, und wenn darauf die Expromission zwischen dem Schuldner und dem Beschenkten förmlich vollzogen wird. S. das Pr. des O.Tr. 1709 oben in der Anm. 3. Dadurch ist die Forderung aus den Beschenkten übertragen, folglich die beabsichtigte Schenkung des alten Gläu­ bigers an den Beschenkten ausgeführt. „Die Rückforderung aus dem Grunde der Ermangelung eines gerichtlichen Vertrages findet, wie überhaupt bei schenkungsweise übergebenen beweglichen Sachen, auch in jenem Falle nicht mehr statt." Dass. Pr. 1709 Alin. 2, Entsch. 13 S. 190. (6. A. Vergl. gegen diese Ausführung Förster a. a. O. 2 §. 222 Note 45. Koch verwechselt augenscheinlich die Dele­ gation mit der Expromission. Denn in dem Präjudiz 1709 wird, wie er selbst in der Anm. 3 zu tz. 1037 hervorhebt, die Delegation als Mittel zur Schenkung behandelt. Durch Expromission kann man nur so schenken, daß man die Schuld desjenigen, den man beschenken will, übernimmt. Tit. 14 §§. 399 u. 400. Nach der Koch'schen Auffassung ist dies freilich überhaupt nicht möglich. Anm. 1 zu §. 1037. Siehe auch den folgenden Absatz b a. E.) b) Bei der Schenkung durch Liberation von einer Schuld des Beschenkten an den Schenker be­ steht die causa efficiens in dem Erlaßvertrage (Entsagung); die Schenkung wird mithin wirksam voll­ zogen durch rechtsgültigen Abschluß des Erlaßvertrages. „Unentgeltliche Entsagung eines bereits erwor­ benen, ingleichen eines zwar noch künftigen, aber doch so beschaffenen Rechts, daß der Anfall desselben dem Entsagenden gewiß war, sind nur in Rücksicht aus ihre rechtlichen Wirkungen, nicht aber in Rücksicht auf ihre Form den Schenkungen gleich zu achten." O.Tr. Pl. (Pr. 801) v. 24. Febr. 1840, Entsch. 5 S. 261. Das soll heißen: Dergleichen Entsagungen enthalten zwar eine wirkliche Schenkung im rechtlichen Sinne und es finden daraus die Grundsätze von Schenkungen Anwendung, sie unterliegen mithin auch dem Widerrufe der Schenkungen; aber die für Schenkung'sver sprechen vorgeschriebene Form wird dazu nicht erfordert. Bergl. O.Tr. III v. 16. Dez. 1861, Str. Arch. 43 S. 268. — Die Liberation von der Schuld des zu Beschenkenden an einen Dritten kann nicht Mittel der Schenkung sein, weil Jener nur auf dem Umwege des Erlasses befreit werden kann. Der Schenker muß daher mit dem Geschenknehmer selbst in ein Bertragsverhältniß dadurch treten, daß er ihm den Regreßanspruch, welchen er an denselben durch Bezahlung oder Uebernahme jener Schuld erworben hat, erlaßt. (6. A.) Wenn aber der Schenker durch die Schuldübernahme einen Anspruch gegen den bis­ herigen Schuldner gar nicht erwerben will, so befindet er sich auch nicht in der Lage, demselben Etwas zu erlassen. Freilich müssen Beide in ein Vertragsverhältniß zu einander treten. Aber dies geschieht nickt durch den Erlaß eines Regreßauspruchs, sondern dadurch, daß der bisherige Schuldner sein Einverständniß mit der ihm erklärten Absicht des Anderen, ihm durch die Schuldübernahme einen Bor-

926

Erster Theil.

Elfter Titel.

§§. 1066—1075.

§. 1066. Ist eine unbewegliche Sache auf den Grund eines schriftlichen, wenn­ gleich außergerichtlichen Schenkungsvertrages, dem Beschenkten übergeben worden, so kann der Geschenkgeber dieselbe wegen Ermangelung eines gerichtlichen Vertrages nicht zurückfordern4 °). §. 1067. Vielmehr hat in diesem Falle der schriftliche außergerichtliche Vertrag die Kraft einer Punktation44). §. 1068. Doch gelten obige Vorschriften (§§. 1066, 1067) nur alsdann, wenn eine wirkliche Naturalübergabe,' wodurch die geschenkte Sache in den Besitz und die Gewahrsam") des Beschenkten gelangt, erfolgt ist. theil ohne Gegenleistung zuzuwenden, kundthut. Die Acceptation des Beschenkten hat hier keine andere Bedeutung wie bei jeder anderen Schenkung. Eö bleibt mithin unerfindlich, weshalb Koch die Mög­ lichkeit, durch Expromission zu schenken, mcht gelten läßt. Vergl. die Anm. 1 zu §. 1037 und dle AlUN. 29 zu §. 1058. 39) Wegen Formmangels kann die Schenkung nicht angefochten werden, weil sie in gültiger Form vollzogen worden ist. Deshalb ist jedoch der Widerruf, welchem jede, auch formgemaß voll­ zogene Schenkung, aus besonderen Gründen in gewissen Fällen, unterworfen ist (Anm. *), nicht aus­ geschlossen, vielmehr zeigt sich gerade bei einer formell gültigen Schenkung die Gestattung des Wider­ rufs erst wirksam, da es dieses Mittels bei einer formell ungültigen Schenkung nicht bedarf. Der §. 1065 bezieht sich lediglich aus die Form der Schenkungen, und der scheinbar widersprechende §. 1090 gehört den Regeln vom Widerrufe einer sormgerechten Schenkung an; er gestattet die Reue eine Zeit lang im Falle'des §.1065 ohne einen besonderen Grund.' So verschwindet aller Widerspruch zwischen beiden stellen, der mir früher unauflöslich schien. Bei der Schenkung einer Forderung ersetzt die schriftliche Session und die Uebergabe der CessionSund der Schuldurkunde den Mangel der gerichtlichen Errichtung des Schenkungsvertrages. O.Tr. IV v. 26. Mai 1853, Str. Arch. 9 S. 192. Vergl. oben die Anm. 38 b. (6. A.) Die bloße Session der Forderung, ohne Uebergabe des Schulddokuments an den Beschenk­ ten, ist nicht geeignet, eine gültige Schenkung zu vermitteln. O.Tr. in v. 16. Dez. 1861, ebenda 43 S. 274. — Jemand hatte in dem Vertrage, durch den er sein Grundstück verkaufte, dem Käufer aufgetragen, das Restkaufgeld seinem Bruder zu zahlen, und dann diesem mündlich erklärt, er habe ihm die Kauf­ gelderforderung geschenkt. Nach dem Tode des Verkäufers widerrief dessen Erbin jenen Auftrag und führte die Ungültigkeit der Zahlungsanweisung klagend gegen den Bruder ihres Erblassers aus. Der Verklagte setzte der Klage den Einwand der mündlich von ihm acceptirten Schenkung entgegen. Der Einwand wurde jedoch verworfen, weil die für Schenkungen vorgeschriebene Form nicht beobachtet und die Kaufgelderforderung aus dem Vermögen des Erblassers durch die mitgetheilten Momente nicht herausgegangen, der dem Käufer ertheilte (nicht ausgeführte) Auftrag zur Zahlung an den Verkl. daher jederzeit widerruflich wäre. O.Tr. III v. 3. Nov. 1873, Str. Arch. 89 S. 350. 40) (6. A.) Dagegen kann er, so lange er als Eigenthümer im Grundbuche eingetragen ist, dieses sein Eigenthum in Gemäßheit des §. 7 des Gesetzes über den Eig.-Erw. v. 5. Mai 1872 auch gegen den Beschenkten mit der Vindikationsklage verfolgen. Die Einrede der Schenkung beseitigt diese Klage nicht. Der Verkl. muß vielmehr die ihm aus dem Vertrage zustehenden Rechte im Wege der Klage oder Wieder klage geltend machen. Er ist befugt, die Auflassung des ihm schriftlich ge­ schenkten und übergebenen Grundstücks zu fordern. Das Prinzip des neuen Gesetzes, daß das Eigen­ thum nicht durch die Uebergabe, sondern durch die Eintragung auf Grund der Auflassung übertragen wird, hindert ihn hieran nicht. Denn die Uebergabe ersetzt nach Landrecht die gerichtliche Form der Schenkung nicht deshalb, weil sie den Eigenthumsübergang vollendet, sondern deshalb, weil durch die Tradition' die Ernstlichkeit des Willens, für welche der Gesetzgeber eine besondere Garantie verlangt, ebenso gut verbürgt wird, wie durch den gerichtlichen Abschluß der Schenkung. (Anm. * S. 923.) Vergl. die Allg. Gr.O. II. 3 §. 17. 41) Die §§. 1066 u. 1067 stehen völlig in Einklang mit dem allgemeinen Grundsätze, daß bei -unbeweglichen Sachen die justa causa der Uebergabe in schriftlicher Form entstanden sein muß, wenn die Uebergabe rechtsbeständig sein soll. Tit. 5 ß. 135 und die Anm. dazu. Unter dieser Voraus­ setzung kann auch die Uebergabe einer unbeweglichen Sache als Mittel zum Zwecke einer Schenkung angewendet werden. (6. A.) Das Gesetz über den Eigenthums-Erwerb v. 5. Mai 1872 hat hieran Nichts geändert. Die Uebergabe hat darnach ihre Bedeutung für die obligatorischen Beziehungen der Kontrahenten behalten. Nur auf die Frage nach dem EigenthumSubergang ist sie im Fall der freiwilligen Veräußerung von Grundstücken ohne Gewicht. Siehe oben die Anm. zu §. 95 d. T. und die Anm. 1 zu §. 1 Tit. 10. Vergl. auch die vorige Anm.

42) Und die Gewahrsam. Dadurch wird die Uebergabe, als Form der Schenkung, beschränkt auf die Fälle, wo der Uebernehmer den Gegenstand der Uebergabe körperlich empfängt. Nach dem

Von Schenkungen.

927

§. 1069. Schenkungsverträge, welche bloß von — Notariis geschlossen werden, haben nicht die Kraft gerichtlicher Schenkungen43 * * ).*44 **************** §. 1070. Geschenke, welche zur Beförderung unerlaubter Absichten gemacht SchU-nacn worden, sind ungültig. Anh. §♦ 27. Hat ein Kantonist nach seiner Auswanderung, oder innerhalb des letzten Jahres der Person vor seinem Austritt, durch Schenkungen, Entsagungen, Derzichtleistungcn, Anerkenntnisse, Remissio- nehimrs^unnen und andere Verfügungen sein Vermögen, ganz oder zum Theil, mittelbar oder unmittelbar verringert, so ist zu vernmthen, daß er dies in der Absicht gethan habe, um die Rechte des Staats und

besonders der Jnvalidenkasse zu schmälern.

Demgemäß soll der Fiskus befugt sein, auch wenn die

Disposition außerdem rechtsgültig und in gehöriger Form abgcfaßt wäre, auf die Annullirung solcher Schenkungen und anderer Verfügungen anzutragen, und dasjenige, was etwa schon aus dem Grunde

derselben an einen Andern gelangt ist, jedoch ohne Zinsen, zurückzufordern, eS wäre denn, daß der Beschenkte, oder derjenige, zu dessen Gunsten die Entsagung, der Erlaß, die Verzichtleistung oder daS

Anerkenntniß erfolgt ist, nachzuweisen vermöchte, oder sonst aus den Umständen klar erhellte, daß zur Zeit des gemachten Geschenks, oder der sonstigen Disposition, der Ausgewanderte die Absicht,

sich dem Lande und Kanton zu entziehen, noch nicht gehabt habe").

§. 1071. Das wirklich Gegebene ist der Fiskus von dem Empfänger zurückzu­ fordern berechtigt. §. 1072. In wiefern Eheleute einander unter Lebendigen gültig beschenken kön­ nen , ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II, Tit. 1, Abschn. 5.) §. 1073. Auch wegen der Schenkungen an Kirchen und geistliche Gesellschaften hat es bei den Vorschriften des Kirchenrechts sein Bewenden. (Th. II, Tit. 11, Abschn. 4, 12.) §. 1074. Was von diesen verordnet ist, gilt auch von Schenkungen an aus­ wärtige Schulen, Universitäten, und andere Erziehungsanstalten und milde Stiftungen. §. 1075. Dagegen sind Schenkungen an inländische Schulen, Universitäten, und an andere dergleichen öffentliche Lehr- und Erziehungsanstalten, sowie an inlän=~ dische Armen - und Waisenhäuser, an Hospitäler, zu Stipendien und andern milden Wortverstande müßte er in eigener Person die Sache empfangen; doch ist dies der Sinn des Gesetzes nicht, vielmehr ist, nach dem Zusammenhänge, der Gedanke dieser, daß die Sache aus der physischen Gewalt des Schenkers heraus- und in die des Beschenkten übergegangen sein muß, dergestalt, daß der Beschenkte nicht in der Lage ist, gegen den anderen Sinnes gewordenen Schenker auf Aushändigung der Sache zu klagen. Die Form des außergerichtlichen constitutum possessorium ist mithin unge­ eignet zur Vollziehung einer Schenkung durch Uebergabe. Dagegen kann „etiam per interpositam personam donatio consummari“ (1. 4 D. de don. 39. 5), wenn diese Mittelsperson den Beschenkten repräsentirt, dergestalt, daß, wenn dieser den Gegenstand in seine Hände bringen will, er deswegen mit dem Schenker nicht mehr in Berührung tritt, vielmehr es nur mit dem von ihm abhängigen Stellvertreter zu thun hat. Auch die br. m. traditio genügt, wenn die causa, auf welcher die Ge­ wahrsam des Beschenkten beruht, in gehöriger Form aufgehoben'wird. Kurz, das Prinzip ist: der Geschenknehmer muß in die Lage versetzt worden sein, daß er wegen der thatsächlichen Verfügung über die geschenkte Sache gar nicht in Konflikt mit dem Schenker kommen, vielmehr, über dieselbe in Person oder durch einen von ihm abhängigen Stellvertreter körperlich verfügen kann. Dies gilt mithin auch von beweglichen körperlichen Sachen. Die symbolische Uebergabe ist in allen Fällen ungenügend, wenn dadurch nicht der Schenker aus der körperlichen Herrschaft über die Sache gesetzt wird. (6. A.) Den hier entwickelten Ansichten hat sich auch das Obertribunal angeschlossen. O.Tr. III v. 17. Jan. 1870, Entsch. 62 S. 385; Str. Arch. 77 S. 190. Vergl. auch Förster, Theorie u. Praxis, 3. Ausg. 2 S. 20 Note 82. 43) Diese Vorschrift ist durch den §. 40 der Notariatsordnung v. 11. Juli 1845, wonach die von den Notaren innerhalb ihrer Kompetenz aufgenommenen Urkunden dieselbe Beweiskraft und Glaub­ würdigkeit, wie die gerichtlich ausgenommenen, haben, nicht berührt, weil es sich hier nicht um bloße Beweiskraft und Glaubwürdigkeit sondern um wesentliche Form handelt. 44) Die Bestimmung, welche sich auf die abgeschafste Kantonverfassung und die aufgehobene Ver­ mögenskonfiskation bezieht, kann nicht mehr zur direkten Anwendung kommen. Ob aber nicht eine analoge Anwendung davon zu machen, um die erkannte Geldstrafe, im Mangel anderer Exekutions­ mittel, zur Vollstreckung zu bringen, ist eine Frage, die mit guten Gründen bejaht werden kann.

gültig sind,

928

Erster Theil.

Eilster Titel.

§§. 1075—1087.

Stiftungen an und für sich, ohne Einschränkung auf eine gewisse Summe, zulässig. (Th. II,' Tit. 19)"). einesgÄtlgen §.1076. Aus einem gültigen Schenkungsvertrüge entsteht das Recht, auf die Schenlungs- Uebergabe der geschenkten46) Sache zu klagen"). Vertrages. § 1077. Sind nutzbare Sachen gültiger Weise zum Geschenk versprochen wor­ den , so muß der Geschenkgeber, wenn er die Uebergabe widerrechtlich verzögert, die seit der Zögerung wirklich erhobenen Nutzungen mit der Sache zugleich abliefern. §. 1078. Uebrigens aber wird er, auch wegen der Erhaltungskosten, der Ver­ besserungen und Verschlimmerungen, nur einem redlichen Besitzer gleich geachtet"). §. 1079. Von geschenktem") Gelde können erst nach ergangenem rechtskräfti­ gen Erkenntnisse Zinsen gefordert werden. §. 1080. Ist aber ein zinsbares Kapital geschenkt toorben50), so muß der Ge­ schenkgeber alle Zinsen, die nach dem Zeitpunkte des Verzugs fällig waren, und die er gehoben hat, dem Beschenkten herausgeben. §. 1081. Die Erben des Geschenkgebers sind zu Verzögerungszinsen, gleich an­ dern Schuldnern, verpflichtet"). §. 1082. Der Empfänger des Geschenks muß die Sache mit den darauf haften­ den Lasten übernehmen. §. 1083. Zur Gewährleistung wird der Schenkende dem Beschenkten nur durch ein ausdrückliches Versprechen derselben verpflichtet. §. 1084. Wer jedoch wissentlich") eine fremde oder schädliche Sache geschenkt, und den «Geschenknehmer darüber nicht gewarnt hat, der haftet für den diesem Letzter» an seiner Person oder übrigem Vermögen dadurch entstehenden Schaden"). 45) (7. A.) Siehe hierzu das Gesetz, betreffend die Genehmigung zu Schenkungen rc. an Korpo­ rationen und andere juristische Personen, v. 23. Febr. 1870, unten Zus. zu Th. I. 12 §. 39. 46) Sollte heißen: „versprochenen" Sache. Denn die Uebergabe der Sache ist hier nicht das Schenkungsmittel, sondern nur die Bezahlung einer civilrechtlich gültigen Schuld; die wahre Schenkung ist das dem Beschenkten durch das Schenkungsversprechen verschaffte Forderungsrecht, v. Savigny, System 4 S. 118. Bergt, auch 1. 35 §. ö'Cod. de don. 8. 54.

47) (6. A.) Bildet ein Grundstück den Gegenstand der Schenkung, so ist der Geschenknehmer auch berechtigt, die Auflassung des Eigenthums zu fordern. Es korrespondirt dieses Recht der Verpflichtung des Geschenkgebers, den Vertrag zu erfüllen. (§. 1037 d. T. und §. 270 Tit. 5.) Förster, Grund­ buchrecht S. 95; Achilles, die Ges. über Grundeigenthum rc. 2. Ausg. S. 37 u. 45. 48) Er hastet mithin, wenn die Sache untergeht oder verschlechtert wird, nur für DoluS und grobes Versehen, nach dem allgemeinen Prinzipe, Tit. 5 §. 280; L. 18 §. 3, 1. 22 D. commod. 13. 6; 1. 108 §. 12 D. de leg. 30; 1. 62 D. de aedil. edicto 21. 1; 1. 18 §. 3 D. de donationibus 39 5. 49) S. die Anm. 46. Man meint hier eine gewöhnliche Geldobligation, welche durch das Schen­ kungsversprechen gegründet worden ist. Die Eigenthümlichkeit derselben, daß der Schuldner keine Ver­ zugszinsen zahlt,' ist aus dem R. R. beibehalten. L. 22 D. de don. 39, 5. Dieser §.1079 legt jedoch dem Schenker Iudikatzinsen aus. Diese sangen an mit dem Tage nach Eintritt der Rechts­ kraft oder, wenn ein Zahlungstermin festgesetzt ist, nach Ablauf desselben, weil der Schuldner den letzten ganzen Tag zur Zahlung Zeit hat, der Verzug mithin erst am folgenden Tage anfängt. 50) Dieser Fall steht dem im §. 1077 gesetzten Falle völlig gleich. 51) Der Anfangstermin kann jeden Falls erst in die Zeit'nach Ablauf der Ueberlegungsfrist fal­ len. Denn aus der Mora des Erblassers hat der Erbe keine Verbindlichkeit geerbt, weil der Erblasser selbst keine hatte; der Erbe muß mithin für seine Person in Moram versetzt werden, was während der Ueberlegungsfrist nicht angeht. Tit. 9 §. 386. Vergl. auch 1. 5 §. 20 D. ut in possess. legator.

52) Also Hafter der Schenker nur für den Dolus wegen der Eviktion wie wegen der ädilitischen Ansprüche. Dieser Grundsatz kommt unverändert aus der 1. 18 §. 3 D. de don. 39. 5 und 1. 62 D. de aedil. ed. 21. 1. Vergl. die folg. Anm. 53) Das bringt die Natur der Schenkung mit fich, welche es unmöglich macht, daß, wie bei dem Kaufe, redhibitorisch oder actione quanti minoris auf Rückgabe oder Minderung des Kaufgeldes ge­ klagt werden kann. Der Anspruch des Beschenkten geht nur' auf Ersatz seines in Folge der Schenkung erlittenen positiven Verlustes, soweit dieser den Werth des Geschenkes übersteigt, der Beschenkte mithin ärmer geworden ist in Vergleich zu seinem Vermögen vor der Schenkung. Würde ihm z. B. die ganze Sache evinzirt, so bestände sein Verlust in den aus eigenen Mitteln auf die Sache gemachten Verwendungen.

Bon Schenkungen.

929

§. 1085. Wenn eine Sache mehreren Personen geschenkt worden, und eine von ihnen derselben nicht mit theilhast werden kann, so fällt ihr Antheil in das Vermö­ gen des Schenkenden zurück5* 4*).* * §. 1086. Ist die geschenkte Sache untheilbar, so entsteht in diesem Falle zwi­ schen dem Schenkenden und den übrigen Beschenkten ein gemeinschaftliches Eigenthum. §. 1087. Hat Jemand eine rechtsgültige 5ö) Schenkung seines ganzen Vermö­ gens^) errichtet, sich aber die Verfügung über einen gewissen Theils7) oder eine ge54) Das Akkrescenzrecht ist ausgeschlossen.

55) Ist nicht möglich, es giebt dafür keine Form. (Anm. 60 am Ende.) Den Vers, des A. L.R. ist die Schenkung des ganzen Vermögens nicht klar gewesen. S u a r e z sagt: „Sie ist widerruflich, da sie nur mortis causa geschehen kann." Iahrb. 52 S. 18. 56) Es ist ungewiß: ob das gegenwärtige oder auch das zukünftige Vermögen gemeint ist. Man muß das Erste annehmen, weil die Verschreibung des ganzen zukünftigen Vermögens einen Erbvertrag enthält, welcher nicht in der Form des Schenkungsvert'rages errichtet werden kann. — Die Schenkung des ganzen Vermögens muß immer als eine Singularsuccession betrachtet werden. Folgerecht müßten deshalb die einzelnen körperlichen Sachen, um das Eigenthum zu übertragen, an den Beschenkten über­ geben werden. Das A. L.R. hat jedoch den Grundsatz, daß das Eigenthum eines ganzen Vermögens schon durch den Vertrag übergeht; nur der Besitz muß von jeder einzelnen Sache besonders ergriffen werden. §§.474 u. 475 d. T. (6. A. Förster, Theorie und Praxis, 3. Aufl. 1 S. I0i u. 2 S. 16, bestreitet mit guten Gründen, daß jener Grundsatz im Landrecht enthalten sei. Die §§.474 u. 475 beweisen Nichts für die Koch'sche Meinung. Nach §. 474 geht allerdings das Eigenthum an der Erbschaft durch den Abschluß des Vertrages aus den Erbschastskäufer über. Allein dies ist nur eine Konsequenz des §. 447, nach welchem nicht die einzelnen Erbschaftssachen den Gegenstand des Erbschaftskaufes bilden, sondern das Erbrecht selber. Kraft dieses Rechts aber müssen jene Sachen nach landrechtlicher Auffassung ohne Besitzergreifung Eigenthum des Berechtigten werden, während der Besitz nach §.475 auch von dem Erbschaftskäufer nur durch die Uebergabe erlangt wird.) — Hinsichtlich der Schulden gilt der Grundsatz, daß unter Vermögen nur dasjenige verstanden wird, was nach Abzug der Schulden übrig bleibt. Anh. §. 19 (zu §. 646 d. T.); 1. 72 pr. D. de jure_ dotium 23. 3 ; 1. 39 §. 1 D. de verb. sign. 50. 16; 1. 69 D. ad leg. Falc. 35. 2; 1. 11 D. de jure fisci. 49. 14; 1. 8 §.4 C. de bon. quae lib. 6. 61. Nach allgemeinen Nechtsgrundsätzen wäre dies nur von Einfluß auf das Verhältniß der beiden Parteien; die Gläubiger gewinnen dadurch kein Klagrecht gegen den Beschenkten. Aber sie erreichen, nach R. R., das praktische Resultat, sich aus dem Vermögen bezahlt zu machen, durch eine utilis actio, nämlich durch fingirte Session der Klage, welche der Schenker selbst, wenn er angegriffen wird, aus Vertretung und Freimachung hat, oder, wenn der­ selbe etwa dem Beschenkten die'Bezahlung der Schulden ausdrücklich erlassen hätte, durch die actio Pauliana. Das A. L.R. hingegen sieht die Schulden als obligationes re! an mit) giebt den Gläubi­ gern die direkte Klage gegen den Inhaber des Vermögens als solchen. §. 463 d. Tit.; Anh. §.19 und die Anm. dazu; (7. A. Dernburg, Lehrb. 2 S. 139.) Das O.Tr. I hat in einem Erk. v. 26. März 1860, Entsch. 43 S. 131, im'Widerspruche mit den einstimmigen Instanzgerichten ange­ nommen, daß auch das künftige Vermögen, welches am Todestage des Schenkers vorhanden sein werde, durch einen Schenkungsakt, ohne Anwendung der Formen eines Erbvertrages, übertragen werden könne. Die Beweisführung ist weder juristisch, noch ist sie auf positive Bestimmungen gestützt; sie beruht auf Aeußerungen von Suarez, die jedoch die bestehende Frage ganz ebenso unberührt lassen,-wie es der §. 1087 selbst thut. Ein solches die Testamente und Erbverträge ganz entbehrlich machendes Institut kennt das A. L.R. nicht; es wird von dem Obertribunal erst neu eingeführ-t, paßt aber nicht in das landrechtliche System und dessen Formenwesen. In der ganzen Erfindung ist keine juristische Logik. Zur Uebertragung eines ganzen zukünftigen Vermögens, wie es bei dem Tode des Besitzers sein wird, kennt das A. L.R. keine anderen Formen als Testamente und Erbverträge; die §§. 1087 und 1088 sprechen nur von bereits vorhandenem Vermögen. Als Vertrag unter Lebendigen ist dieser Schen­ kungsvertrag schon nach Tit. 5 §. 71 wegen Unbestimmtheit des Gegenstandes unverbindlich. Vergl. die eigene Ausführung des O.Tr. I in dem Erk. v. 6. Juli 1860, Str. Arch. 38 S. HO. (6. A.) Das R. R. gedenkt der Schenkung des künftigen Vermögens nicht. Von gemeinrechtlichen Schriftstellern sind für die Zulässigkeit namentlich Puchta, Vorles. §.71, Bücking, Pandekten §. 106 Note 23 (2. Aufl.) 1 S. 568, und Meyerfeld a. a. O. S. 13 ff. aufgetreten, v. Savigny, Syst. §. 159, hält ein solches Geschäft für unstatthaft. Nach Pr. R. wird auch von denen, welche die Schenkung des zukünftigen Vermögens zulassen, der Vertrag im Zweifel nur auf das gegenwärtige Vermögen bezogen. Der Uebergang des Vermögens auf den Beschenkten kann sich in allen Fällen nur durch Singu­ larsuccession vollziehen, (7. A.) also durch Tradition, Cession rc. Windscheid S. 388; Förster S. 15 ff. Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Aufl.

930

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 1087—1091.

wisse Summe Vorbehalten: so fallen diese, wenn der Schenkende gar keine Verfügung getroffen hat. in der Regel dem Beschenkten anheim. §. 1088. Verläßt aber der Schenkende gesetzliche Erben in auf- oder absteigen­ der Linie, oder Geschwister oder Geschwister-Kinder ersten Grades: so haben diese aus eine solche vorbehaltene Sache oder Summe vor dem Beschenkten vorzüglichen Anspruch. Widmu,») §. 1089. Gerichtlich geschlossene Schenkungen können in der Regel nicht widertungen rufen werden. 1) überhaupt. §. 1090. Ist aber eine außergerichtlich geschlossene Schenkung schon durch die Uebergabe vollzogen worden, so findet dennoch der Widerruf 5«) innerhalb Sechs Monaten nach der Uebergabe statt59). 57) Der vorbehaltene gewisse Theil kann bestehen in einer Quote, oder in einzelnen Sachen und Rechten, oder in dem Nießbrauchs oder auch in der Verpflichtung des Empfängers, den Schenker zu verpflegen. Der letzte Fall verwandelt die Schenkung in einen Vitalizien- oder 'Alimentenkontrakt, von welchem der §. 19 des Anh. (zu §. 646 d. T.) handelt. Hat der Schenker sich einen quotitativen oder quantitativen Theil Vorbehalten, so müssen sich die Gläubiger zunächst an ihn halten, weil er dann nicht verntögensloö ist. Dergl. die vorige Anmerkung.

*) Der Widerruf, von welchen! unter dieser Ueberschrist gehandelt wird, bezieht sich auf au sich gültige Schenkungen, ist also eine Ausnahme von der Regel', und nur aus besonderen Gründen

zulässig. 58) Dieser Widerruf braucht nicht in dem persönlichen Gerichtsstände des Beschenkten zu geschehen. O.Tr. IV v. 26. Mai 1853, Str. Arch. 9 S. 192. — Der Widerruf erfordert überhaupt keine be­ stimmte Form, weil er als bloße Thatsache (Reue) in Betracht kommt und wirkt; nur muß er dem Beschenkten kund gegeben werden. Damit ist auch das Obertr. einverstanden; denn es hat angenom­ men, daß die durch einen Dritten Namens des Schenkers abgegebene Erklärung des Widerrufs dem Beschenkten die Ueberzeugung verschaflen müsse, daß derselbe wirklich von dem Geschenkgeber ausgehe und gewollt werde; und daß diese Ueberzeugung dem Beschenkten noch innerhalb der bestimmten sechs­ monatlichen Frist verschafft werden müsse. Es sei in jedem einzelnen Falle Sache konkreter thatsäch­ licher Beurtheilung, ob ein Hergang anzunehmen, welcher eine solche Ueberzeugung konstatire. Der Rechtsfall war der, daß ein Rechtsanwalt dem Beschenkten mitgetheilt hatte, der Geber widerrufe das Geschenk, ohne sich über den Auftrag auszuweisen. O.Tr. IV v. 8. Nov. 1866, ebd. 65 S. 124 u. 126.

59) Widerspricht nicht dem §. 1065. (Anm. 39.) Dieser hier wegen bloßer Sinnesänderung (Reue) gestattete Widerruf kann ausgeschlossen werden durch Hinzufügung der gerichtlichen Form zu der Hand­ lung, in deren Gestalt die Schenkung vollzogen worden ist, oder, wie Suarez (Anm.* zu Nr. 2 unten) es ausdrückt, durch gerichtliche Insinuation der Schenkung. §. 1089. Das Obertribunal hat folgendes Präjudiz angenommen: „Die dem Geschenkgeber zustehende Besugniß, eine außergerichtliche, durch die Uebergabe vollzogene Schenkung binnen sechs Monaten zu widerrufen, beschränkt sich nicht auf seine Person, sondern geht aus seine Erben über." O.Tr. III (Pr. 1554) v. 15. März 1845, Entsch. 11 S. 256. Der Satz ist keine Rechtswahrheit (Anm. 70 zu §. 1112) und stößt ohne nöthigenden Grund den unstreitigen uralten Grundsatz um, daß der Wille des Erblassers durch den Erben nicht geändert werden kaun, vielmehr durch den Tod unveränderlich wird; eine Reue des Gebers kann nicht mehr eintreten, sie ist etwas höchst Persönliches, durch einen Anderen nach seinem Sinne zu begehen undenkbar, folglich unvererblich. Dieser Grundsatz findet gerade auch auf den Widerruf von Schenkungen Anwendung. Fragm. Vat. §. 313 ; 1. 24 C. de don. inter vir. 5. 16 i 1. 1, 7 §. 1, 1. 10 in fine C. de revocandis donationibus. 8. 56. Das A. L.R. ändert Weder direkt noch indirekt hieran Etwas. Beral. auch unten die Anm. 53 u. 54 zu §§. 1137 u. 1138. (6. A. Das Obertribunal ist indeß bei seiner Auffassung verblieben. O.Tr. III v. 6. Oktbr. 1871, Entsch. 66 S. 46; Str. Arch. 84 S. 30. In dieser Entscheidung wird die Ansicht, daß das Recht zum Widerruf kein Vermögensrecht sei, verworfen und aus der Fassung des §. 1090 der Satz herge­ leitet, daß jenes Recht nicht an die Person des Schenkers gebunden sei. Der Beweis dafür aber , daß das Widerrufsrecht ein Vermögensrecht sei, ist nicht erbracht. Es scheint überhaupt für die Entscheidung der Frage nicht förderlich zu sein, hier bei dem Widerruf das Recht zu demselben zu betonen. Der Widerruf ist eine Thatsache, die sich als die Aeußerung der Sinnesänderung des Schenkers dar­ stellt. Die Befugniß zu dieser Aeußerung ist allerdings ein Recht, aber nicht ein Privatrecht, sondern ein Recht der natürlichen Freiheit. Ein Privatrecht entsteht erst durch die Aeußerung. Denn erst dadurch, daß der Schenker dem Beschenkten seine Willensbestimmung (Sinnesänderung) kun'dthut, gelangt ein obligatorisches Rechtsverhältniß zwischen Beiden zur Existenz. Der §. 1090 sagt auch nichts Anderes, als daß durch den Eintritt der Thatsache des Widerrufs die Schenkung rückgängig gemacht, das Recht der Rückforderung des Geschenkten begründet werde. Dieses Recht kann allerdings' vererbt werden. Aber

931

Von Schenkungen.

§. 1091.

Nach Verlauf dieser Sechs Monate kann auch eine außergerichtliche

das Recht, den Willen des Schenkers zu ändern, kann niemals einem Anderen zustehen. Der Erbe kann niemals mit rechtlicher Wirkung sagen: mein Erblasser hat zwar schenken wollen, aber ich will nicht, daß sein Wille gelte, ich will den Gegenstand der Schenkung für mich haben. Dgl. Gruchot, Beitr. 2 S. 429 und 13 S. 836.) (7. A. In einem jüngeren Erkenntniß verweist das Obertribunal auf die früheren Entscheidungen, indem es unter Anführung einer Bemerkung von Förster, Theorie und Praxis 2 S. 25, nach welcher der §. 1090 das Korrektiv gegen die Formlosigkeit der Schenkungen durch Uebergabe bilden soll, behauptet: „Darnach wurzele die Besugniß zum Widerrufe rc. in einem durch die Uebergabe für sich allein nicht sofort vollständig behobenen Mangel der im §. 1063 a. a. O. für Schenkungsverträge vorgeschriebenen Form." O.Tr. IV v. 28. Januar 1875, Str. Arch. 93 S. 157. Hiergegen genügt es hervorzuheben, daß Förster a. a. O. Note 104 gerade diese Auffassung des Obertribunals bekämpft und mit Koch Anm. 39 zu §. 1063 davon ausgehr, daß der §. 1090 eine sormgerechte, an sich gültige Schenkung voraussetzt. Ein fernerer Grund des Obertribunals knüpft an das gemeinrechtliche pactum displicentiae an und spitzt sich in dem Satze zu, daß „der Umstand, daß ein Forderungsrecht bedingt ist durch die Willensbestimmung des Gläubigers, das Recht selbst noch an sich nicht zu einem höchst persönlichen macht." Dieser Satz kann zugegeben werden. Aber der Vordersatz, daß hier ein bedingtes Forde­ rungsrecht in Frage sei, bleibt ein nach wie vor unbewiesenes Axiom. Der Widerruf ist nicht Bedin­ gung, sondern wie üben angedeutet Entstehungsgrund der Forderung des Schenkers; vor dem Wider­ ruf ist ein Forderungsrecht überhaupt nicht und folglich auch kein bedingtes vorhanden.) Auch nach der Theorie des Obertribunals ist übrigens ein einzelner Miterbe, solange die Miterben über den innerhalb der sechsmonatlichen Frist gestatteten Widerruf der von ihrem Erblasser einem Dritten mündlich gemachten und durch Uebergabe vollzogenen Schenkung sich noch nicht erklärt haben, für sich allein zur Ausübung dieses Widerrufsrechts und zu der Klage auf Rückgabe der geschenkten Sache an die Erben nicht befugt, gemäß Tit. 17 §. 151. O.Tr. IV v. 22. Juni 1865, Str. Arch. 59 S. 264. (7. A. Dagegen ist in dem erwähnten Erkenntniß des Obertribunals vom 28. Januar 1875 dem Nach­ laßkurator das Recht zugestanden, Namens der unbekannten Erben, und zwar ohne Autorisation des Nachlaßgerichts, eine von dem Erblasser gemachte Schenkung vor Ablauf der sechsmonatlichen Frist zu widerrufen.) Wegen Irrthums in dem ausdrücklich erklärten alleinigen Beweggründe der durch Uebergabe voll­ zogenen Schenkung unterliegt die Rückforderung nicht der Bestimmung des Tit. 4 §. 150, sondern den Vorschriften des Tit. 11 §§. 1090 ff. und des Tit. 16 §§. 166 ff. und 178 ff. O.Tr. IV v. 24. April 1856, ebenda 21 S. 128. (6. A.) Die Richtigkeit dieses Ausspruches ist indeß zu bezweifeln. För­ ster a. a. O. S. 25 Note 105. Das Recht zur Anfechtung der Willenserklärung auf Grund des §. 150 ist an sich auf Schenkungen ebenso gut anwendbar, wie auf andere lukrative Geschäfte. Die Uebergabe der geschenkten Sache kann dasseibe nnr dann beseitigen, wenn der Schenker dabei wußte, daß die thatsächliche Voraussetzung der Anfechtung des vorhergegangenen Schenkungsversprechens für ihn bereits eingetreten wäre. Denn dann hat er nicht mehr aus Irrthum geschenkt, vielmehr durch die Uebergabe anerkannt, daß der irrige Bewegungsgrund nicht die alleinige Ursache der Schenkung sei. Welchen Einfluß sonst noch, die Uebergabe hier haben könnte, ist nicht erfindlich. — Damit soll indeß die Richtigkeit der vom Obertribunal getroffenen Entscheidung des fraglichen Falles nicht bestritten werden. *) Die unter dieser Ueberschrift in den §§. 1091—1112 getroffenen Bestimmungen weichen von der Röm. Theorie erheblich ab. Das neue R.R. ist darin mangelhaft. Während es die gerichtliche Insinuation nur bei der sehr bedeutenden Summe von 500 Solidi, ohne Rücksicht auf den Betrag des Vermögens des Schenkers, vorschreibt, befreit es sogar die Schenkungen unter dieser Summe von der allgemeinen Dertragsform der Stipulation und läßt jedes formlose Schenkungsversprechen gelten. Diese Mängel haben die Verf. des A. L.R. bewogen, von den Normen deß R.R. in diesem Punkte abzugehen. "Suarez begründet in seinen Vorträgen bei der Schlußrevision des Gesetzbuchs die neue Theorie wie folgt: „Der Römischen Theorie, wonach eine Schenkung, wenn sie quingentos Solidos überstieg, gerichtlich insinuirt werden mußte, und wenn die Insinuation nicht geschehen war, quoad excessum nicht gelten konnte, ist hier eine andere substituirt, nach welcher die Insinuation er­ fordert wird, wenn die Schenkung die Hälfte von dem Vermögen des Schenkenden überstiegen hat. Der Grund der Aenderung liegt sichtbar darin, weil 500 Solidi,' die für den Millionär eine Kleinig­ keit sind, einen anderen, minder vermögenden Donatorem leicht sehr in Verlegenheit setzen, oder wohl gar ruiniren können; mithin der Zweck des Gesetzes: ne donationes in profusionem degenerent, noxiosque reipublicae producant effectus, durch die Bestimmung einer gewissen Summe, ohne Rück­ sicht auf die Vermögensumstände des Donatoris, nicht erreicht werden könne. Es giebt daher Rechts­ lehrer, welche behaupten, daß Schenkungen, welche a personis iilustribus geschehen, an diese Summe nicht gebunden sind, und andere, z. E. E st o r, sind gar der Meinung, daß diese Römische Theorie in Deutschland keine Anwendung finde. Das einzige Bedenken gegen die Vorschriften des Gesetzbuchs

59*

2) Wegen Ueber­ maßes*).

932

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 1091—1104.

Schenkung nur so weit widerrufen werden, als das Geschenk die Hälfte von dem Ver­ mögen des Schenkenden überstiegen hat. §. 1092. In gleichem Maße kann auch eine gerichtlich geschloffene und durch die Uebergabe vollzogene Schenkung widerrufen werden. §. 1093. Doch ist in beiden Fällen der Widerruf wegen Uebermaßes nur inner­ halb Dreier Jahre, bei gerichtlichen Schenkungen vom Tage der Abschließung, bei außergerichtlichen aber vom Tage der Uebergabe zulässig. §. 1094. Hat der Schenkende bei gerichtlicher Abschließung des Vertrags aus­ drücklich erklärt, daß das Geschenk die Hälfte seines Vermögens nicht übersteige 60 * * ),* * so ************* kann er von dieser Befugniß zum Widerrufe keinen Gebrauch machen61). könnte darin gesetzt werden, daß nach selbigen eine Ungewißheit des Eigenthums und der Rechte ent­ stehe ; und daß die Untersuchung des Vermögenszustandes tempore donationis, wenn aus diesem Fun­ damente die Revokation verlangt wird, aus große Weitläufigkeiten führen könnte. Wenn man in­ zwischen erwägt, daß der Widerruf aus diesem Grunde nur innerhalb dreier Jahre stattfinde, daß in der Zwischenzeit der Donatarius alle Rechte eines redlichen Besitzers habe, mithin das geschenkt Erhal­ tene nur quatenus extat vel quatenus locupletior est, zurückgeben dürfe; daß diese Rückgabe sich nie aus das Ganze, sondern nur auf den Excessum über die Hälfte erstrecke, so werden die Besorgnisse wegen Unsicherheit des Eigenthums und wegen unverschuldeter Verlegenheiten für den Donatarium wohl hinwegsallen. Da hiernächst der Donans, wenn er feierlich und gerichtlich versichert hat, daß das Geschenk die Hälfte seines Vermögens nicht übersteige, von diesem Jure revocandi keinen Gebrauch mehr machen kann; und da ein Jeder, welcher aus diesem Grunde sein eigenes factum impugniren will, sich dadurch der richterlichen Untersuchung: ob er nicht ein Verschwender sei? aussetzt; so ist überflüssig dafür gesorgt, daß nicht so Leicht Jemand aus bloßem Leichtsinne, Veränderlichkeit oder Chikane zu diesem Remedio gerissen wird. Auf der anderen Seite ist dann doch aber auch die Aus­ sicht, daß eine wirklich übertriebene Schenkung innerhalb dreier Jahre noch revozirt werden könne, sowie die Umständlichkeit und Feierlichkeit, womit die Schenkung selbst, wenn sie der Revokation nicht ausgesetzt sein soll, vollzogen werden muß, theils ein Zaum gegen Uebereilungen und Verleitungen zu unbesonnenen Handlungen dieser Art; theils ein letztes Rettungsmittel für den, welcher sich dazu bei aller Vorsicht des Gesetzes hat hinreißen lassen, und der dadurch wenigstens gegen eine gänzliche Verarmung geschützt wird. Eher könnte man noch an der neuen Theorie tadeln,' daß der Widerruf zu sehr erschwert sei. Inzwischen scheint es doch nicht, daß darunter etwas geändert werden könne, ohne der Sicherheit und Zuverlässigkeit des bürgerlichen Verkehrs, die freilich immer ein Haupt­ augenmerk der Gesetzgebung sein muß, zu nahe zu treten." Approbatum auf vorhergängigen Vortrag im Staatsrathe den 30. Dezember 1793. Suarez. Jahrb. 41 S. 29.

60) Dies ist die Formel der gerichtlichen Insinuation einer Schenkung, welche Suarez sich „feierlich" gedacht hat. Davon ist keine Spur. Die Formel wird nicht von dem Schenker ausge­ sprochen und wer die Praxis kennt, weiß, daß die Floskel und die Belehrung (§. 1095) ins Protokoll geschrieben wird, ohne daß die Bedeutung immer zum klaren Bewußtsein des Erklärenden kommt. Nach der Natur der Formel als solcher kommt auf die historische Wahrheit ihres Inhalts nichts an, da sie eben nur den Zweck der Feierlichkeit hat, um Uebereilung zu verhindern. Suarez hat aber den Beweis der Unrichtigkeit für zulässig und wirksam gehalten (§. 1096), indem er als Folge davon nur die Gefahr zeigt, daß der Jmpugnant sich der Untersuchung, ob er nicht ein Verschwender sei, aus­ setze. (Vor. Anm.) Diese Gefahr ist sehr entfernt und ungewiß, und wenn der Fall eintreten sollte, wird sich Mancher eine solche Folge gern gefallen lassen. Die Formel paßt auch nur auf Schen­ kungen einzelner Sachen und Rechte, bei Schenkungen des ganzen Vermögens (§. 1087) ist sie selbst­ verständlich unanwendbar. Eine solche Schenkung bleibt mithin dem Widerrufe bis auf die Hälfte während der Verjährungszeit immer ausgesetzt. Man hat sich die eigenthümliche Natur des aus einer Schenkung des ganzen Vermögens entstehenden Rechtsverhältnisses nicht klar gedacht. Siehe die Anm. 55 zu §. 1087. (6. A.) In seinem Rechte der Forderungen (2. Ausg.) 3 S. 169 u. 170 ist Koch zu dem Er­ gebnisse gelangt, daß eine Schenkung über die Hälfte des Vermögens überhaupt nicht gültig geschlossen werden könne, daß daher namentlich die Errichtung einer Schenkung des ganzen vermögens recht­ lich unmöglich sei. Der Hauptgrund für diese Auffassung wurzelt in der Erwägung, daß aus ein solches Geschäft die Vorschriften der §§. 1094 u. 1095 nicht anwendbar seien, mithin unerfindlich bleibe, auf welche Weise dasselbe sich vollziehen solle. Vergl. hiergegen Förster, Theorie und Praxis, 2 S. 22 u. 26. 61) (6. A.) Diese Vorschrift verhält sich zu den §§. 1092 u. 1093 wie die Ausnahme zur Regel. Voraussetzung der Ausnahme ist die Erklärung des Schenkenden, daß das Geschenk die Hälfte seines Vermögens nicht übersteige. Fällt die Voraussetzung fort, wird also die Erklärung nicht abgegeben, so bleibt es bei der Regel, daß der Widerruf nach Maßgabe des §. 1091 innerhalb dreier Jahre zu-

Von Schenkungen.

933

§. 1095. Doch muß einem solchen Geschenkgeber das Gesetz nebst den Folgen seiner Angabe deutlich erklärt, und wie dieses geschehen, in dem Protokolle ausdrück­ lich bemerkt werden ”2). §. 1096. Ist diese Vorschrift beobachtet worden, so ist der Widerruf nur alsdann zulässig, wenn der Schenkende zugleich nachweisen kann, daß er aus einem Irrthume, tn welchen er ohne sein eignes grobes Versehen gerathen ist, sein Vermögen für grö­ ßer, als es wirklich war, gehalten habe. §. 1097. Bei der Bestimmung: ob und wie weit das Geschenk die Hälfte von dem Vermögen des Schenkenden übersteige, ist aus die Zeit des geschlossenen Vertra­ ges zu sehen. §. 1098. Geschieht aber der Widerruf noch vor der Uebergabe, so wird auf den Zustand des Vermögens, wie es alsdann beschaffen ist, Rücksicht genommen. §. 1099. Besteht ein Geschenk in beständig fortlaufenden Hebungen, so muß, bei Berechnung des Betrags, das Kapital nach landüblichen Zinsen bestimmt werden. (§. 841.) §. 1100. Besteht das Geschenk in jährlichen Hebungen, die nur auf die Lebens­ zeit des Schenkenden oder des Beschenkten eingeschränkt sind, so müssen die Hebungen mit den Einkünften, die der Schenkende zur Zeit des Vertrages zu genießen hatte, ver­ glichen, und soweit, als sie die Hälfte dieser Einkünfte übersteigen, heruntergesetzt werben63 * *).*64* *65 * * * * * * * * * 62 §. 1101. Wird ein Geschenk durch Beiträge mehrerer Personen zusammen ge­ bracht, so wird, in Ansehung eines jeden der Schenkenden, auf das Verhältniß seines Beitrags zu seinem Vermögen Rücksicht genommen. §. 1102. Geschenke einer Korporation sind nach dem gemeinschaftlichen66) Ver­ mögen derselben zu beurtheilen. §. 1103. Wenn eine Person Mehreren zu gleicher Zeit63) Geschenke macht, so. können dieselben in so weit widerrufen werden, als sie, zusammen genommen, das halbe Vermögen des Schenkenden übersteigen. §. 1104. Alsdann trägt ein jeder Geschenknehmer, nach Verhältniß des Em­ pfangenen, zur Ergänzung der dem Schenkenden fehlenden Hälfte bei. lässig ist. Bei dieser Regel muß es auch dann bewenden, wenn der Schenkende ausdrücklich erklärt, daß der Gegenstand der Schenkung mehr als die Hälste seines Vermögens betrage, oder wenn er sein ganzes Vermögen verschenkt. In diesem Fall kann von Beobachtung der §§. 1094 u. 1095 keine Rede sein. Daraus folgt aber nicht, daß eine Schenkung des ganzen Vermögens unmöglich ist, sondern nur, daß dieselbe innerhalb dreier Jahre widerrufen werden kann. Eine solche Schenkung begründet aber keine Universalsuccession. Der Beschenkte kann daher das Eigenthum an den Bestandtheilen des Ver­ mögens nur durch Auflassung der Grundstücke, Uebergabe der Mobilien und Cession der Forde­ rungen erwerben. Förster a. a. O. S. 15, 22, 27. (7. A. Vergl. die Anm. 56 u. 60.) Eine Form-Vorschrift ist in dem §. 1094 nicht enthalten, wie aus der Fassung und der Stel­ lung desselben ersichtlich ist. Förster S. 22. Koch's Meinung über diese Frage ist nicht deutlich zum Ausdruck gelangt. Er spricht zwar in dem Recht der Forderungen 3 S. 168 u. 169 von Förm­ lichkeiten ; doch mißt er der Nichtbeobachtung derselben nur die Wirkung bei, daß dann das Widerrufs­ recht wegsalle. S. die Gegenüberstellung der Ansichten von Koch und von Förster bei v. Rönne, Ergänzungen 6. Ausg. 1 'S. 711. 62) (6. A.) Der §. 1096 ergiebt, daß, wenn die Vorschrift des §. 1095 nicht vollständig beobachtet ist, die Erklärung des Schenkenden nach Maßgabe des §. 1094 ohne Wirkung bleiben muß.

63) Bei Legaten und Schenkungen von Todes wegen ist die Berechnungsart eine andere. Vgl. Tit. 12 §§. 347 ff. 64) Das ist das Korporationsvermögen oder dasjenige, was die juristische Person als solche hat, mit Einschluß des Vermögens, dessen Nutzungen den einzelnen Mitgliedern der Korporation zustehen. Aber auch hier gilt als Vermögen nur das, was nach Abzug der Schulden übrig bleibt. Eine Korporation, die zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse ihre Mitglieder besteuern muß, hat kein Vermögen in dem hier­ gemeinten Sinne. 65) Der Fall ist so gedacht, daß Mehrere durch ein und dieselbe Handlung beschenkt werden. §. 1106.

Erster Theil.

934

Stiftet Titel.

§§. 1105—1113.

§. 1105. So weit jedoch einer der mehreren Geschenknehmer, nach der unten §. 1165 folgenden Vorschrift, zur Rückgabe seines Antheils nicht schuldig, oder dazu nicht vermögend ist, darf der dadurch entstehende Ausfall von den andern Beschenkten nicht übertragen werden. 8.1106. Die Vorschrift §§. 1103—1105 findet nur alsdann Anwendung, wenn die an sich gültigen Schenkungsverträge mit den mehreren Geschenknehmern, durch eine und eben dieselbe Handlung, es sei außergerichtlich durch Uebergabe, oder durch gerichtliche Aufnahme, abgeschloffen worden"«). §. 1107. Hat aber Eine Person Mehreren zu verschiedenen Zeiten, wenngleich an Einem Tage, Geschenke gemacht; so ist bei jedem Geschenke das Verhältniß deffelben, gegen das Vermögen des Schenkenden, nach dem Zeitpunkte, wo der Vertrag darüber geschlossen worden, zu beurtheilen«?). §. 1108. Die ältern gültig versprochenen, wenn auch noch nicht wirklich gege­ benen, Geschenke sind alsdann, in Ansehung einer jeden spätern Schenkung, gleich andern Schulden, von dem Aktivvermögen des Geschenkgebers abzuziehen««). §. 1109. Was vorstehend §§. 1107, 1108 verordnet ist, findet auch statt, wenn Jemand eben derselben Person mehrere Geschenke zu verschiedenen Zeiten gemacht hat. §. 1110. Daß die Entrichtung des Geschenks in verschiedenen Terminen verspro­ chen, oder wirklich geleistet worden, hat auf die Beurtheilung des Verhältnisses zwi­ schen dem Geschenke und dem Vermögen des Geschenkgebers keinen Einfluß, sondern es wird immer nur auf den Zeitpunkt, wo der Schenkungsvertrag selbst zu Stande gekommen ist, Rücksicht genommen. §. 1111. Sobald sich findet, daß Jemand mehr als die Hälfte seines Vermö­ gens verschenkt habe, ist der Richter befugt und schuldig, zu untersuchen, ob nicht ein solcher Mensch, als ein Verschwender, unter Vormundschaft zu setzen sei««). §. 1112. Die Erben des Geschenkgebers können eine an sich gültige Schenkung des Erblassers aus dem Gmnde, weil sie das halbe Vermögen des Erblassers überstie­ gen habe, in der Regel nur alsdann?«) widerrufen, wenn schon der Erblaffer seinen Entschluß zu einem solchen Widerrufe gerichtlich erklärt hatte. (Tit. 12, §. 587 sqq.) sertüqung §• 1113. Dagegen ??) können nothwendige Erben, denen nach den Gesetzen de» Pflicht- --------------------theils*).

66) (6. A.) Eine und dieselbe Handlung im Sinne des §. HO kann auch dann noch vorliegen, wenn nach einander mehrere Sachen übergeben oder Forderungen in verschiedenen Instrumenten cedirt werden. O-Tr. I v. 22. Januar 1869, Entsch. 61 S. 54.

67) Man kann auf diese Weise sein ganzes Bermögen wegschenken bis auf eine große Kleinigkeit, ohne daß ein Widerruf wegen Uebermaßes möglich ist:' man verschenkt von dem jedesmaligen Reste immer nur die Hälfte. Daran hat man wohl nicht gedacht. (6. A.) Koch, Recht der Ford., 2. AuSg. 3 S. 199. 68) Schenkungen, welche durch Erlaß von Schulden vollzogen worden sind, werden sowohl der Aktivmasse wieder hinzugerechnet, als auch bei der Summe der Schenkungen berücksichtigt.

69) Das muß mithin in allen Fällen geschehen, wo Jemand eine Schenkung des ganzen Vermö­ gens macht. §. 1087 und Anm. 60. Jedenfalls aber in dem in der Anm. 68 gedachten Falle. 70) Dies ist eine Ausnahme. Das O.Tr. hingegen meint, auch der Erbe habe das Widerrufs­ recht, und sieht hierin eine besondere Einschränkung des Revokationsrechts der Erben, indem es davon ausgeht, daß dem Erben als solchem der Widerruf einer Schenkung, wozu der Schenker befugt gewesen wäre, wenn er seine Gesinnung geändert hätte, zustehe. Das ist ein Rechtsirrthum. Siehe die Anm. 59 zu §. 1090 und die Anm. 53 zu §. 1137.

*) Bergl. hierzu A. H. Simon u. H. L. v. Stramp ff, Bemerkungen über die donatio inofficiosa und die damit verwandten Lehren des Widerrufs einer Schenkung wegen Uebermaßes und eines Leibrentenkontrakts wegen Verletzung im Pflichttheil, in deren Zeitschrift 1 S. 75; Müller, über die donatio inofficiosa, ebd. S. 65 ff.; (6. 21.) Mühlenbruch, Fortsetzung von Glückes Kommentar 36 S. 122 ff.; Koch, Recht der Forderungen, 2. Ausg. 3 S. 187 ff.; F. Hin schi us, Beitrag zur Lehre von dem Widerrufe der Schenkungen wegen Verkürzung des Pflichttheils, in der preußischen Anwalts-Zeitung 1866 S. 600 ff. und 619 ff.; Gruchot, Beitr. 13 S. 838—850.

71) Dieses Bindewort ist hier in der Bedeutung gebraucht,

um den Ersatz der in dem vorher-

Vo» Schcnkuu^cn.

935

ein Pflichttheil gebührt, eine jede von dem Erblasser innerhalb Dreier Jahre vor sei­ nem Tode gemachte Schenkung widerrufen, wenn der reine Betrag des Nachlasses nicht die Hälfte des Betrags der geschenkten Summe oder Sache ausmacht 72). Anh. §. 28.

Was im §. 1113 von bloßen Schenkungen aus Freigebigkeit gesagt worden ist,

soll auf belohnende und solche Schenkungen, bei welchen eine Bedingung zum Vortheil des Geschenk­ geber?^) gemacht worden ist, nicht angewendet werden. gehenden §. verordneten Ausschließung der Vererblichkeit des Widerrufs wegen Uebermaßes mit diesem Satze in Verbindung zu setzen. Dies giebt den beiden §§. 1112 u. 1113 diesen Sinn: Der Wider­ ruf einer Schenkung wegen Uebermaßes geht in der Regel nicht auf die Erben über. Dagegen geht er ausnahmsweise in zwei Fällen auf sie über: a) wenn der Schenker seinen Entschluß zum Wider­ rufe schon gerichtlich erklärt hat, und b) wenn der reine Nachlaß nicht die Hälfte der in den letzten drei Jahren gemachten Schenkungen austrägt. Darnach hätte dieser Widerruf keinen Zusainnienhang mit der Röm. donatio inofficiosa. Bei näherer Betrachtung der Sache kommt man jedoch zu der Ueber­ zeugung, daß die Fassung des Gesetzes unzutreffend ist. Dazu führen zwei sichere Gründe. Der eine sachliche Grund besteht darin, daß nicht vererbt werden kann, was der Erblasser selbst nicht hatte und nicht haben mochte. Der Widerruf wegen Uebermaßes hat die Bedingung der Willensveränderung des Schenkers : wenn er nicht widerrufen will, so will er eben schenken. So lange er mithin seinen Wil­ len nicht verändert hat, ist für ihn kein Forderungsrecht vorhanden, er hinterläßt also auch keins, wenn er in der Stetigkeit seines Willens stirbt. Diesen Rechtsgrundsatz erkennt der §.1112 ausdrücklich an. (Aus diesen Gründen ist das Pr. des O.Tr. 1554, in der Anmerk. 59 zu §. 1090, ungerechtfertigt.) Ein Dritter kann die Handlung des Gebers, wider dessen Willen, unmöglich anfechten, es sei denn, daß seine Rechte durch die Schenkung verletzt worden; er muß mithin aus eigenem Rechte dazu be­ fugt sein. Nach R.R. kommt dies in zwei Fällen vor: bei der donatio inofficiosa und bei der actio Pauliana. — Der andere Grund ist die ausdrücklich erklärte Absicht der Verfasser des A. L.R., das Wesen der donatio inofficiosa beiznbehalten. Sua rez sagt darüber tu den Vorträgen bei der Schluß­ revision : „Die Römische Lehre de donatione inofficiosa ist eine der komplizirtesten, und es kann dar­ aus zu den weitläufigsten und verderblichsten Prozessen Anlaß entstehen. Die ganze Querela inofficiosae donationis harmonirt nicht mit den Prinzipiell und der Analogie des Juris Romani, welches das sehr vernünftige Prinzip hat: quod viventis non sit hereditas; woraus aber unmittelbar folgt, daß auch keine Legitima, die Jemand bei seinem Leben schuldig sein könnte, sich gedenken lasse. Cf. Thomasi i Dissert. de legitima viventis. Wenn nun vollends ausgemittelt werden soll, wieviel dak Vermögen des Schenkenden tempore donationis betragen habe; wieviel also, wenn er damals gestorben wäre, die Legitima seiner Kinder gewesen sein würde, und ob also der Begriff einer donationis inoff. wirklich vorhanden sei? so läßt sich leicht ermessen: auf welche weitläufige,' kostbare und verhaßte Er­ örterungen eine solche Ausmittelung führen müsse: zumal wenn die Schenkung schon vor einer Reihe von Jahren geschehen ist. Man hätte daher vielleicht Grund genug gehabt, die ganze Querela inoff. donat. auf;uheben; inzwischen wäre alsdann Geschrei darüber zu besorgen gewesen, daß es doch un­ billig sei, Kindern, welche durch solche nachtheilige Dispositiones unnatürlicher Eltern auf eine unbillige Art "verkürzt werden, ein Remedium, das ihnen die bisherigen Gesetze zum Schutze gegen dergleichen

Laesiones gegeben hatten, verschränken ZN wollen. Man hat also die Römische Theorie im Wesent­ lichen beibehalten, und sie nur auf solck-e Schenkungen, die in den letzten 3 Jahren vor dem Tode des Geschenkgebers geschehen sind, eingeschränkt, theils weil dadurch die Schwierigkeiten bei der Ausmitte­ lung sehr vermindert werden, theils weil, je weiter der Zeitpunkt der geschehenen Donation zurückgeht, desto weniger sich gedenken läßt, daß dabei eine Absicht, die Kinder im Pflichttheile zu verkürzen, zum Grunde gelegen habe." Jahrb. 41 S. 24. 72) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn wegen Ueberschuldung gar kein reiner Nachlaß existirt. O.Tr. III (Pr. 1460) v. 22. Juni 1844, Präj'-S.amml. S. 71. Ist der Beschenkte gleichfalls ein Notherbe, so ist die geeignete Klage die Erbtheilungsklage, gleich­ wie in dem Falle, wo ein Miterbe dem gemeinschaftlichen Nachlasse etwas schuldig ist, so daß nicht die Herausgabe des Ganzen ad depositum, sondern nur die Heranziehung zur Theilung der Erbschaft ge­ fordert werden kann. O.Tr. I v. 2. März 1860, Str. Arch. 37 S. 81. (7. A.) Der Anspruch der Notherben aus §.1113 unterliegt nicht der kurzen Verjährung des §. 1093, sondern der dreißigjährigen Verjährung. O.Tr. I v. 15. Januar 1875, ebenda 93 S. 127. 73) Oder eines Dritten. Denn es ist die donatio sub modo gemeint, welche das A. L.R. nicht als Schenkung, sondern als lästigen Vertrag behandelt. (§. 1053 und die Anm. 25 dazu.) Der §. 24 des Anh. erschöpft den Inhalt seiner Quelle nicht vollständig. Diese ist das Reskript des Groß­ kanzlers v. Goldbeck, v. 30. Oktbr. 1797 , auf eine Anfrage des Pupillenkollegiums zu Königsberg über die Anwendbarkeit des §.1113 auf Verträge, wodurch Eltern die Gütergemeinschaft aufheben oder einsühren. Der Bescheid sagt: es bedürfe keiner Anfrage bei der Gesetzkommission, da es klaren Rechtens sei, daß nur bloße donationes simplices wegen einer Verletzung im Pflichttheile angefochten werden können. (Rabe 4 S. 339.) Dieser Grundsatz soll durch den §. 28 wiedergegeben werden;

936

Erster Theil.

Eilster Titel.

§§. 1114—1116.

§. 1114. Doch darf alsdann von den Geschenknehmern nur so viel, als zu die­ ser Hälfte fehlt, zurückgegeben werden"). er ist aber positiv und darin mangelhaft ausbedrückt, daß von der umschriebenen donatio sub modo nur der eine Fall derselben erwähnt worden ist. Damit soll jedoch der andere Fall (Anm. 25) nicht ausgeschlossen sein; man hat nur nicht an ihn gedacht bei der Abfassung. 74) Die §§. 1113 und 1114 haben hauptsächlich nach zwei Richtungen hin zu Zweifeln Anlaß gegeben : 1. Die Art der Berechnung dessen, was zurückgezahlt werden muß, ist streitig. Der an sich klare Sinn nach dem Wortlaute der §§. 1113 und 1114 ist dieser: der reine Nachlaß soll soviel betragen, wie die Hälfte der in den letzten drei Jahren gemachten Schenkungen zusammen genommen. Wären also 4000 Thlaler verschenkt worden, so müßte der Pflichttheilserbe 2000 Thlr. im Nachlasse finden, denn dies ist „die Hälfte des Betrages der geschenkten Summe". Gesetzt, es wäre kein reines Ver­ mögen hinterlassen, so müßte der Beschenkte 2000 Thlr. zurückgeben; er behielte dann nicht mehr, als der Pflichttheilserbe erhielte. Befänden sich aber 1999 Thlr. Üeberschuß im Nachlasse, so hätte er nur 1 Thlr. zurückzugeben und er würde nahezu das Doppelte der Summe haben, welche dem Pflichttheilserben zufiele. Diese ausfallende Verschiedenheit des Resultats der vorgeschriebenen Berechnungsart hat die Meinung veranlaßt, daß der Beschenkte immer nur soviel zurückzuzahlen habe, als erforder­ lich sei, damit der Erbe halb so viel erhalte, wie dem Beschenkten verbleibe. (Simon, Zeitschr. 1 S. 75 ff.) Dieses Resultat wird ganz einfach durch Zusammenhang des Nachlasses und des Geschenks gewonnen. In dem gesetzten ersten'Falle würden also die geschenkten 4000 Thlr. nach diesem Verhältnisse zu vertheilen sein, mithin würde der Beschenkte, nicht wie nach der vorgeschriebenen Berechnungsart 2000 Thlr., sondern nur 1JJ33 Thlr. 10 Sgr. herauszugeben haben: und in dem zweiten Beispiele würde die zurückzuzahlende ^umme 20 Sgr. betragen. Dieses Prinzip findet sich in dem verwand­ ten Falle des Leibrentenkontrakts, §§.638 u. 639, angewendet; und nad) den Materialien ist es mehr als wahrscheinlich, daß bei den §§. 1113 und 1114 ein mehrfacher Fassungsfehler vorgesallen ist. (Simon a. a. O. S. 70 ff. u. 77 ff.) Allein der Sinn des Gesetzes, welches einen positiven Charakter hat, ist klar und deutlich; man muß die Abänderung abwarten. Das Obertribunal ist ebenfalls der Meinung, daß das Gesetz so anzuwenden sei, wie es gegeben ist. „Die Redaktoren haben, wie mit Sicherheit anzunehmen, bei den §§. 1113 u. 1114 bezweckt, dem Pflichttheilsberechtigten durch die Ergänzung des reinen Nachlasses bis zur Hälfte des Geschenkes den gewöhnlichen Pflichttheil, den sie als die Hälfte der Intestatportion betrachtet haben, zu gewähren. Das paßt jedoch nicht in den Fällen, wo nicht das ganze Vermögen verschenkt, sondern noch ein reiner Nachlaß, doch nicht so­ viel, wie die Hälfte des Geschenkes beträgt, vorhanden ist. — Sind nun auch diese Mängel in der Fassung der §§. 1113 u. 1114 nicht zu bestreiten, so erscheinen sie doch nicht geeignet, von dem Wort­ inhalt der Vorschrift abzugehen, und die Auslegung zu rechtfertigen, zu der der Äppellationsrichter ge­ langt ist, weil er ihre wörtliche Bestimmung mit dem Grundsätze vom Pflichttheil — §. 392 II. 2 — nicht in Uebereinstimmung gefunden hat." O.Tr. I v. 10. Mai 1867, Entsch. 58 S. 126; Str. Arch. 67 S. 203. 2. (6. A.) Fernere Schwierigkeiten bietet die Frage nach dem Schicksal der Masse, welche aus dem reinen Nachlasse des Geschenkgebers und dem entsprechenden Theil des Geschenks zu bilden ist. a. Ist der Pflichttheilsberechtigte der alleinige Erbe des Geschenkgebers, so fällt ihm die ganze Masse zu, nicht etwa bloß der davon nach Th. II §. 392 zu berechnende Pflichttheil; denn der §. 1113 fingirt, daß der Pflichttheil in jener Masse bestehe. Prinzipiell nicht anders liegt der Fall, wenn der Geschenkgeber von mehreren Personen beerbt ist und diese sämmtlich als Notherben die Schenkung widerrufen: sie theilen sich in die bis zur Hälfte der Schenkung ergänzte Erbmasse, wie wenn letztere vonvornherein so viel betragen hätte. Der Fall, welcher dem unter Nr. 1 erwähnten Erkenntnisse zu Grunde lag, war folgender: Je­ mand hatte als Notherben seine Wittwe und zwei Kinder hinterlassen. Der Wittwe hatte er ein auf 1238 Thlr. berechnetes Geschenk gemacht, welches mit der Volljährigkeit seiner Tochter der letzteren zu­ fallen sollte. Der Sohn erhielt von dem auf 256 Thlr. 2 Sgr. 8 Pf. ermittelten reinen Nachlaß seinen gesetzlichen Antheil mit 102 Thlr. 20 Sgr. 8 Pf., klagte aber wegen Verletzung im Pflichttheil gegen die Wittwe seines Vaters auf Ergänzung des Nachlasses bis zur Hälfte der Schenkung, d. i. vis zum Betrage von 619 Thlr. Der Appellationsrichter berechnete die Intestatportion des Klägers auf 3/8 dieser Summe und den Pflichttheil auf 1/8 derselben, also aus 77 Thlr. 11 Sgr. 3 Pf. 'Da Kläger indeß schon mehr erhalten hatte, so wurde er abgewiesen, jedoch (aus einem Grunde, der hier nicht interresstrt) nur angebrachtermaßen. Das Obertribünal erachtete die Nichtigkeitsbeschwerde für be­ gründet, indem es die Ansicht, daß der Pflichttheil nach II. 2 §. 392 von der Hälfte des Geschenks zu berechnen wäre, als rechtsirrthümlich verwarf. Die Entscheidung des Appellationsrichters wurde je­ doch aufrecht erhalten, weil die Tochter des Geschenkgebers nicht mitverklagt war. Die positive Frage, wie die Masse zu vertheilen, kam also formell nicht zum Austrage. Aber auö den Urtheilsgründen ergiebt sich als die damalige Auffassung des Obertribunals die, daß der Pflichttheil des — beziehend-

Bon Schenkungen.

937

§. 1115. Sind innerhalb dieser Drei Jahre mehrere Schenkungen geschehen, so müssen zwar, zum Behufe der Bestimmung, ob eine Verkürzung im Pflichttheile vor­

handen sei, alle diese Schenkungen zusammengerechnet werden. §. 1116. Dagegen findet ein wirklicher Widerruf der, der Zeit nach, ältern7 b) Geschenke nur so weit statt, als die Ergänzung des Pflichttheils aus den zurückgenom­ menen spätern Geschenken nicht erfolgen tann7 6). lich der — Nocherben in der ganze» nach §§. 1113 und 1114 zu bildenden Hälfte der Schenkung und nicht etwa bloß in einer Quote derselben bestände. b. Die beiden Paragraphen haben zunächst nur den Fall im Sinne, daß der oder die Pflichttheilsberechtigten, welche die Schenkung widerrufen, allein den Geschenkgeber beerbt haben. Man sucht je­ doch vergeblich nach einem inneren Grunde, der zu einer prinzipiell verschiedenen Behandlung der Sache führen müßte, wenn noch andere Erben vorhanden sind, welche die Schenkung nicht in Frage ziehen. Natürlich hat der Beschenkte in diesem Falle den Nachlaß nicht bis zur Häifte der Schen­ kung zu ergänzen. Vielmehr können die PflichrtheilSberechtigten nur den Betrag beanspruchen, den sie erhalten würden, wenn sie sich mit ihren Miterben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu theilen hätten. In einem Falle, in welchem eine Frau ihr ganzes Vermögen ihrem nicht pflichttheilsberechtigten Manne geschenkt hatte, wurden deshalb die Notherben mit der Klage auf Herausgabe der Halste des Gegenstandes der Schenkung angebrachtermaßen abgewiesen. Der Appellalionsrichter hatte angenommen, daß die Kläger beim'Vorhandensein mehrerer'Jntestaterben nur ihre von der Hälfte der Schenkung zu berechnende Jntestatportion fordern könnten, letztere aber nach Lage der Sache nicht zu ermitteln wäre. Das Obertribunal wies die Nichtigkeitsbeschwerde zurück, indem es auSzuführen suchte, „daß auch im §. 1114 dem Widerrufe keine weitere Wirkung beigelegt wäre, als daß dem widerrufenden Notherbeu der Pflichttheil ergänzt, nicht aber hierüber hinaus vom Geschenknehmer etwas herausgegeben werden müßte," daß daher die klagenden Notherben, da der Appellalionsrichter sie „zur Forderung sogar bis zur Ergänzung ihrer Intestaterbportion für berechtigt" hielte, keinen Grund zur Beschwerde hätten. O.Tr^ I v. 14. Oktober 1872, Entsch. 68 S. 67; Str. Arch. 86 S. 262. Bereits früher hat das Obertribunal sich dahin ausgesprochen, „daß der eine Schenkung seines Erblassers, wegen Verkürzung des Pflichttheils widerrufende nothwendige Erbe, wenn er mit anderen nothwendigen Erben, denen der gemeinschaftliche Erblasser eine solche Schenkung gemacht hatte, konkurrirt, von der in Folge des Widerrufs zu bildenden Theilungsmasse als Pflichttheil nicht seine ganze gesetzliche Erbportion, sondern nur die nach §. 392 Tit. 2 Th. II zu berechnende Quote derselben er­ hält." O.Tr. I v. 16. April 1869, Entsch. 62 S. 84; Str. Arch. 74 S. 237 z Paul Hinschius in Behr end's Zeitschrift für Gesetzgebung rc. 5 S. 285. Der Fall, der hier entschieden ist, war der, daß der klagende Notherbe, der durch Schenkungen an drei ebenfalls pflichttheilsberechtigte Erben ver­ kürzt war, von der nach §§. 1113 und 1114 zu bildenden Hälfte der Schenkungen den vierten Theil verlangte, während die Verklagten ihm nur die Hälfte dieses Viertels zubilligten. Indem das Ober­ tribunal sich der letzteren Ansicht anschloß, ließ es sich durch die Erwägung leiten, daß über die Art der Berechnung des Pflichttheils in den §§. 1113 und 1114 keine Bestimmung getroffen wäre, daß hierfür mithin'die Vorschriften des §. 392 Tit. 2 Th. II maßgebend blieben. Es'ist einleuchtend, daß mit dieser Auffassung die Begründung des Erkenntnisses v. 10. Mai 1867 (oben Nr. 1) nicht zu ver­ einbaren ist. Vergl. die Kritik der jüngeren Entscheidung von Hinschius a. a. O. S. 286. — Die Materialien des Landrechts ergeben, daß der Entwurf den Pflichttheil der Ascendenten und Descen­ denten in allen Fällen auf die Hälfte der Jntestatportion festgesetzt hatte. Das Landrecht hat dagegen andere Bestimmungen. Die Redaktoren haben aber übersehen, mit denselben die §§. 1113 und 1114 in Einklang zu bringen. (Str. Arch. 67 S. 210 ff.) Der Gesetzgeber hat also in der That durch die Hälfte der Schenkung in diesen Paragraphen den Pflichttheil bezeichnen wollen. Man kann demnach füglich von dieser Hälfte nicht den Pflichttheil nach §.392 eit. berechnen. Vergl. v. Kräwel in Gruchot, Beitr. 17 S. 252 ff.

7U (6. A.) Die Frage, ob die an dem nämlichen Tage gemachten Geschenke von verschiede­ nem Alter im Sinne des §. 1116 oder für gleichz eitig (§.1103) vollzogen zu achten sind, läßt sich nur nach der Lage des konkreten Falles beantworten. §§. 1106 u. 1107. Vergl.. die Anm. 66 zu §. 1106. 76) Sei es wegen Unzulänglichkeit, oder wegen Unbeibringlichkeit der widerrufenen jüngeren Schenkung. So könnte man bei dem Mangel einer Unterscheidung der Ursachen der thatsächlichen Unmöglichkeit anzunehmen geneigt sein. Doch würde man dadurch aus den unhaltbaren Satz kom­ men, daß es von der Zufälligkeit der Uneinziehbarkeit abhänge, ob eine ältere völlig rechtsgültige Schenkung ungültig sein solle. Denn angefochten werden können nur diejenigen Schenkungen, welche eine Pflichttheilsverletzung enthalten; was der Schenker schon vorher aus noch zulänglichem Vermö­ gen weggegeben hat, war seiner unbeschränkten Verfügung unterworfen, kann mithin nicht unter den Begriff der lieblosen Schenkung fallen.

938

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 1117 -1131.

§• 1117. In gleichem Maße7 7) können auch diejenigen, denen der Schenkende nach den Gesetzen79) Unterhalt zu geben verpflichtet ist. wenn der Nachlaß diesen Un­ terhalt ganz oder zum Theil nicht gewähren kann. die Ergänzung des Fehlenden aus den Nutzungen der verschenkten Sache oder Summe, so weit dieselben hinreichen, ohne Rücksicht auf den Betrag7 9) der Schenkung an sich, fordern. 8- 1118. Doch findet auch deshalb ein Anspruch nur an solche Geschenknehmer statt, deren Schenkungen in den Drei letzten Jahren vor dem Tode des Schenkenden erfolgt sind. §. 1119. Die Geschenknehmer können nicht eher in Anspruch genommen wer­ den, als bis auch die Substanz des Nachlasses durch die Alimente erschöpft ist. §. 1120. Dagegen müssen sie aber auch, wenn die Nutzungen der geschenkten Sache oder Summe zur Bestreitung der gesetzmäßigen Alimente nicht hinreichen, selbst die Substanz des Geschenks, so weit es erforderlich ist, dazu mit verwenden. §. 1121. Doch dauert überhaupt die Derbindsichkeit der Geschenknehmer nur so lange, als die Pflicht des Geschenkgebers, dergleichen Alimente zu reichen, würde be­ standen haben"). §. 1122. An Schenkungen, welche geschehen sind, ehe die Verbindlichkeit des Erblassers, den Unterhalt zu reichen, entstanden ist8 x), können diejenigen, welchen dieser Unterhalt gebühret, in keinem Falle Anspruch machen. emreTem §• 1123. Der Geschenkgeber selbst kann, wenn er in Dürftigkeit gerathen ist"), entjogen'er

Alimente»),

Geschenkgeber_________________ zu reichenden

Kompetenz.

*) DaS R.R. kennt nur zwei Fälle des Widerrufs eines Dritten wider den Willen des GeberS: den des Pflichttheilsberechtigten bei der donatio inosficiosa, und den der Gläubiger in der actio Pauliana. DaS A. L.R. führt hier einen dritten Fall ein. Die rechtliche Natur desselben ist zweifelhaft: man ist ungewiß: ob er sich an jene oder an diese anschließt, oder ob er nicht alS eigenthümliches Institut zu behandeln ist. Man wird sich für das Letztere zu entscheiden haben. (Anm. 78.) Das Rechtsmittel muß indeß doch der Querela inoff. donat. nachgebildet werden.

77) Unter dem „gleichen Maße" ist die in dem vorhergehenden §. 1116 angedeutete Ordnung zu verstehen, in welcher die Schenkungen nach einander widerrufen werden dürfen, nicht aber die Grenze der Widerruflichkeit, welche in der Anm. 76 bezeichnet ist; vielmehr können sämmtliche in den letzten drei Jahren gemachten Schenkungen zurückgenommen werden, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts erforderlich sind. Daraus folgt, daß, wenn der nach der Zeit an der Reihe stehende Be­ schenkte unvermögend ist, dieser übergangen und der nächstfolgende angegriffen werden kann. 78) Damit ist die Alimentationsverbindlichkeit deutlich bezeichnet, welche aus zustandsrechtlichen Verhältnissen entspringt, im Gegensatze zu derjenigen, welche durch Vertrag begründet worden ist. Jene hat die Eigenthümlichkeit, daß sie an der Person haftet und mit deren Tode für die Zukunft erlischt, weil mit dem Tode das Verhältniß ein Ende nimmt. Suarez sagt aber in der revis. Mo­ nitor. : „Ehe die Geschenknehmer in Anspruch genommen werden können, muß erst die Substanz deS Nachlasses durch die Alimente erschöpft sein. Alimente sind Schulden, für welche auch die Substanz des Nachlasses haftet." Ges.-Revis. Pens. 14 S. 195. Daraus ist, wegen jener Eigen­ thümlichkeit der gesetzlichen Alimentationspflicht, die Meinung entstanden, daß das hier eingeführte neue Institut sich nur auf diejenigen Alimentatiousansprüche beziehe, die z. B. aus einer erfolgten Tödtung für die Hinterbliebenen, aus einer körperlichen Verletzung für den Beschädigten entspringen. (Ebendas.) Dem ist auf das Bestimmteste zu widersprechen. Diese Leistllngen sind keine Alimente im rechtlichen Sinne; sie haben die rechtliche Natur einer ganz gewöhnlichen Entschädigung und mit den wahren Alimenten nichts als den Namen zufällig gemein, in ähnlicher Weise wie die Verzugs­ zinsen Zinsen heißen. Suarez' Ausspruch über die vermeintliche Natur der Alimente ist kein Ge­ setz. (6. A.) In einem Erk. des O.Tr. II v. 10 n. 15. Juni 1869, Str. Arch. 75 S. 166 u. 167, findet sich die Bemerkung, daß in dem §. 1H7 so wie an mehreren anderen Stellen deS Land­ rechts nicht unterschieden sei, ob die Alimentationspflicht auf Gesetz oder auf Willenserklärung beruhe.

79) Und auf das Verhältniß deS Betrages zu dem reinen Betrage der Verlassenschaft. 80) Wenn er noch am Leben wäre. Denn das fortdauernde Dasein des Ernährers wird in die­ ser Beziehung fingirt, außerdem fehlte das Subjekt der Verbindlichkeit zur Ernährung und Erhaltung des Bedürftigen. 81) Bei Kindern entsteht sie mit dem Augenblicke der Geburt, nicht etwa schon mit der Zeugung, deren Zeit nicht genau festzustellen ist. Die Frage ist erheblich bei nachgeborenen Kindern. 82) Dieser Grund zum partiellen Widerrufe einer Schenkung ist gleichfalls neu.

Das Oester-

Bon Schenkungen.

939

von dem Beschenkten Sechs vom Hundert von der geschenkten Summe, oder dem Werthe der geschenkten Sache, als eine Kompetenz8S) jährlich fordern. §. 1124. Soweit der Beschenkte sich selbst in Umständen befindet, wo er sich und seiner Familie den nöthigen Unterhalt würde entziehen müssen, um dem Schenken­ den diese Kompetenz zu reichen, ist Letzterer dieselbe zu fordern nicht berechtigt88). §. 1125. Doch kann der Beschenkte, unter diesem Vorwande, sich nicht entbre­ chen, allenfalls auch die Substanz des Geschenks, so weit dasselbe oder dessen Werth bei ihm noch vorhanden ist, zur Ernährung88) des Geschenkgebers mit zu verwenden. t §. 1126. Es steht aber auch dem Geschenknehmer frei', wenn er sich der Kom­ petenz ganz entschlagen will, das Geschenk selbst, so weit dasselbe oder sein Werth bei ihm noch vorhanden ist, herauszugeben88). §. 1127. Diese Substanz wird zur Ernährung des Schenkenden, so weit sie dazu erforderlich ist, nach und nach verwendet, und auf einen etwaigen Ueberrest bleibt dem Geschenknehmer sein Recht vorbehalten. §. 1128. Hat der verarmte Geschenkgeber an mehrere Personen zu verschiedenen Zeiten Schenkungen gemacht: so ist der frühere Geschenknehmer zu feinet87) Ernäh­ rung nach obigen Grundsätzen nur so weit verpflichtet, als die der Zeit nach spätern Geschenke dazu nicht hinreichen. §8. 1129-1131. Fallen weg88). reichische Recht kennt ihn auch.

G.B. §. 947.

Behauptet worden ist er von manchen Schriftstellern, $fon,ur'c8

B. Lauterbach, Coll. XXXIX. 5 §.39: Schiller, exercit. ad Fand. XXXIX 5 §. 23. Dagegen f. m. Leyser, med., sp. 494 m. 5; Stryk, de cautel. contract. , sect. III c. 9 § 8. — Wenn das beneficium außer dem Falle des Konkurses geltend gemacht wird, so müssen zur Fest­ stellung der Dürftigkeit, wie nach R.R. (1. 54 §. 3 D. 24. 3; 1. 19 §. 1 und 1. 49 D. 52. 1), alle sonstigen Schulden des Schenkers vorweg abgezogen werden, nach dem Grundsätze: bona intelliguntur deducto aere alieno.

83) Diese Benennung darf nicht verleiten, hierbei an einen Fall der RechtSwohlthat der Kompe­ tenz , wovon im Tit. 49 der Pr--O. und in der Konk.-Ordn. vom 8. Mai 1855 §§. 434 ff. gehan­ delt wird, zu denken, und die davon geltenden Regeln aus diesen Fall des Widerrufs anwenden zu wollen. Beide Institute haben mit einander keine Verwandtschaft. (Anm. 84.) Nach gemeinem Rechte räumt man dem verarmten Schenker eine Forderung auf den nothdürftigen Unterhalt gegen den Beschenkten ein. Dies ist die Quelle der §§. 1123 d. T. Das Nähere siehe im Recht der Forder. 3 §. 235 Nr. I lit. F S. 206.

84) Hierdurch wird gerade umgekehrt (vor. Anm.) dem Beschenkten das beneficium competentiae gegen den widerrufenden Schenker gegeben. (6. A. Vergl. hiergegen Förster, Theorie und Praxis 2 S. 31 Note 143.) Ueber die Verstümmelung der Theorie über die Rechtswohlthat der Kompetenz durch die Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 §§. 434 ff. in Beziehung auf den Schenker, und über das dadurch hervorgebrachte sonderbare Resultat siehe das Recht der Forder. (2. A.) 3 §. 235 I F a. E. 85) Nämlich zur Bezahlung der sechs Prozente jährlich. 86) Zum gerichtlichen Depositorium behufs Verwaltung, wegen deS im folg. §. 1127 dem Be­ schenkten vorbehaltenen Rechts. 87) Zu dessen, des Schenkers, Ernährung. *) Der zweite Grund, aus welchem daS R.R. einem Dritten — den Gläubigern — den Wi­ derruf einer Schenkung wider den Willen des Schenkers gestattete (Anm. * zu 4), ist, wenn ein Schuldner durch Schenkung unredlicherweise sein Vermögen für die Schulden unzulänglich gemacht oder die schon vorhandene' Insolvenz desselben vergrößert hat. Das Rechtsmittel ist die Pauliana actio, welche, von der unredlichen Veräußerung angerechnet. Ein Jahr lang dauert (1. 6 §14; 1. 10 §. 18 D. quae in fraud. 42. 8) und zu deren Begründung eine wahre Veräußerung im Gegen­ satze zur Unterlassung einer sich dargebotenen Erwerbung, Unredlichkeit des GeberS; und in der Per­ son des Empfängers entweder Theilnahme an der Unredlichkeit (Mitwissenschaft), oder Bereicherung (Schenkung) erfordert wird. L. 6 §. 11; 1. 25 pr.; 1. 7, 8, 9 D. eod.; 1. 5 c. de revoc. bis quae in fraud. 7. 75. Dieses Rechtsmittel giebt auch das A. L.R. hier den Gläubigern eines zah­ lungsunfähigen Schuldners gegen Schenkungen, aber unter einer so einschränkenden Bedingung, daß die Gläubiger in den allermeisten Fällen gegen die Betrügereien ihrer bösen Schuldner völlig schutz­ los bleiben, indem die Rechtshülfe nur in dem Falle deS formellen Konkurses gewährt werden soll. Diesem Zustande der Rechtlosigkeit abzuhelfen, war der Zweck des Gesetzes v. 9. April 1835, an dessen Stelle das Gesetz v. 9. Mai 1855 getreten ist. 88) (6. A. Die weggefallenen Bestimmungen lauteten:

940

Erster Theil.

Eilfter Titel.

§§. 1132—1133.

(Gesetz v. 9. Mai 1855

1.)

§. 1132. Wegen der von dem Gemeinschuldner an seinen Ehegatten gemach­ ten Schenkungen ist das Erforderliche gehörigen Orts bestimmt. (Th. II, Tit. 1, Abschn. 5)89). §.1133. Fällt weg9"). §. 1129. Die binnen Einem Jahre vor eröffnetem Konkurse gemachten Schenkungen des Ge­ meinschuldners können die Gläubiger, insofern sie auf einer bloßen Freigebigkeit beruhen, zurück­ fordern. §♦ 1130. Ist die Schenkung früher gemacht worden, so müssen die Gläubiger, welche sie wi­ derrufen wollen, nachweisen, daß der Schenkende schon damals über den Betrag seines Vermögens sei verschuldet gewesen. §. 1131. Dieser Widerruf steht jedoch nur solchen Gläubigern zu, deren Forderungen älter sind, als die Schenkung.) Diese Bestimmungen sind durch die §§. 102 Nr. 2 und 104 ff. der Konk.-O. v. 8. Mai 1855 ersetzt worden. Bergl. das Eins. Gesetz Art. II u. ui Der §. 1129 müßte hiernach folgende Fas­ sung erhalten: „Die binnen zwei Jahren vor der Zahlungseinstellung oder der Anzeige der Vermögensunzulänglichkeit, oder des Antrags auf Konkurseröffnung gemach­ ten Schenkungen des Gemeinschuldners können die Gläubiger, insofern sie auf einer bloßen Freige­ bigkeit beruhen, zurücksordern." (7. A. Vgl. die Konk.-O. für das Deutsche Reich §. 25.) Nach §. 1129 war der Gläubigerschast der unbedingte Widerruf aller von dem Gemeinschuldner innerhalb des letzten Jahres vor der Konkurseröffnung gemachten Schenkungen gestattet. Noch bis zwei Jahre weiter zurückliegende Schenkungen sollten mir angefochten werden können: 1. von denjeni­ gen Gläubigern, deren Forderungen älter waren, und 2. wenn sie beweisen könnten, daß der Ge­ meinschuldner schon zur Zeit der Schenkung über den Betrag seines Vermögens verschuldet gewesen sei. (§. 1130, 1131, 1133.) Diese Beweisführung machte den Angriff schwierig. Auch konnte man bei Abfassung der Konkursordnung keinen ausreichenden Grund äbsehen, weshalb zur Anfechtung einer über ein Jahr zurückliegenden Schenkung nur solche Gläubiger befugt sein sollten, deren For­ derung älter als die Schenkung. Nehme das Gesetz an, daß eine innerhalb des letzten Jahres er­ folgte Schenkung als eine Benachtheiligung sämmtlicher, auch der späteren Gläubiger des Schen­ kers erachtet werden müsse, so könne von früheren Schenkungen nicht füglich etwas Anderes gelten; das Interesse der Gläubiger lasse sich nicht in dieser Weise trennen. (Motive S. 85.) Der Schluß geht fehl. Denn die Bedingung der Benachtheiligung und der Beweisführung (§§. 1130 u. 1131) sind die rechtlichen Erfordernisse der aus dem R.R. aufgenommenen Widerrufüngsklage (actio PauMana) , und der §. 1129 machte hiervon eine willkürliche Ausnahme zum Vortheile der Glänbiger, ohne bei der so kurz vor der Eröffnung des Konkurses gemachten Schenkung nach dem Alter der ein­ zelnen, meistentheils doch wohl älteren, Forderungen zu fragen und davon die Legitimation zur Klage abhängig zu machen. Mit dem zunehmenden Alter der Schenkung vermindert sich aber die Zahl der älteren Forderungen und es war sehr verständig von den Verfassern des A. L.R., mit der willkür­ lich gemachten Ausnahme (§. 1129) von der Regel (§§. 1130 und 1131) doch nicht gar zu weit zu­ rückzugehen und dadurch allzu viel Gläubigern, die durch die Schenkung gar nicht benachtheiligt worden waren, auf Kosten der wirklich Benachtheiligten einen unzukömmlichen Vortheil zuzuwenden. Die Verfasser der Konkursordnung haben nun die Ausnahme des §. 1129 zur Regel gemacht und die Regel selbst (§§. 1130 u. 1131), d. h. die Bedingungen des Widerrufs und die Erfordernisse der actio Pauliana, abgeschafft; dabei auch den dreijährigen Zeitraum auf einen zweijährigen beschränkt. Kon.-O. §. 102 Nr. 2. Diese Verbesserung des A. L.R. erscheint vom juristischen Standpunkte aus recht zweifelhaft; sie hat einen Justinianischen Charakter. Die Bedingung der Vermögensunzuläng­ lichkeit liegt jedoch in dem Erfordernisse der Benachtheiligung, die bei einer zureichenden Vermögens­ masse nicht eintreten kann, ist mithin selbstverständlich beibehalten. (7. A.) Durch die Reichs-Konk.O. §. 25 ist die Sache wesentlich vereinfacht. 89) (6. A.) ES sind die §§. 311—317 a. a. O. gemeint. Bergl. dazu die Konk.-O. v. 8. Mai 1855 §§. 103 ff. (7. A.) und die Reichs-Konk.-O. §.'25 Nr. 2. 90) (6. A. Der §. 1133 hatte folgenden Wortlaut: „Alle Schenkungen, die, eS sei an Ehegat­ ten oder Andere, früher als drei Jahre vor eröffnetem Konkurse rechtsgültig erfolgt sind, können von den Gläubigern unter keinerlei Vorwande angefochten werden.") Suarez sagt, das Neue bei dieser schon in der Pr.-Ordn. vorgetragenen Theorie (§§. 1129 bis 1133) sei nur, daß nach §. 1133 Schenkungen, die älter als 3 Jahre sind, unter dem Vorwande eines schon damals vorhanden gewesenen concursus materialis nicht sollen revozirt werden können. Die Absicht dieser Einschränkung sei klar. Es solle nämlich der Ungewißheit des Eigenthums, welche aus allen dergleichen actionibus revocatoriis immer zu besorgen fei, möglichst abgeholfen, und es sollten die Weitläufigkeiten, die unfehlbar eintreten müßten, wenn in der Erörterung über den Ver­ mögenszustand eines Menschen auf viele Jahre zurückgegangen werden muß, wenigstens vermindert werden. Jahrb. 41 S. 25.

Von Schenkungen.

32.

Gesetz,

941

betr. die Befugniß der Gläubiger zur Anfechtung der Rechts­

handlungen zahlungsunfähiger Schuldner außerhalb des Konkurses,

für die

das A. L.R. und die A. G.O. Gesetzeskraft

haben.

Landestheile,

in welchen

Vom 9. Mai 1855.

(G.S. S. 429.)*)

Wir rc. verordnen für diejenigen Landestheile,

in welchen das A. L.R. und die A. G.O. Ge­

setzeskraft haben 91 * * ), * * *unter * * * * *Zustimmung ** der Kammern, was folgt: §. 1.

Außer dem Falle des Konkurses steht jedem Gläubiger, dessen Forderung vollstreckbar92)

Mit Rücksicht auf die Konk.-O. v. 8. Mai 1855 §§. 102 Nr. 2 u. 103 Nr. 3 müßte der §. 1133 so gefaßt werden: „Alle Schenkungen, die an Andere als den Ehegatten früher als zwei Jahre vor der Zahlungseinstellung, oder der Anzeige der Vermögensunzulänglich­ keit oder des Antrags auf Konkurseröffnung rechtsgültig erfolgt sind, können von den Gläubigern unter keinerlei Vorwande angefochten werden." Der Widerruf wegen Rechtsungül­ tigkeit verjährt natürlich nicht in dieser kurzen Zeit. *) Vergl. hierzu: Meischeider, die preußische Gesetzgebung über das Anfechtungsrecht der Gläubiger. Berlin 1864; (6. A.) Windmüller, die Anfechtung simulirter und sonstiger Veräu­ ßerungen. 1854; Koch, Recht der Ford. 2. Ausg. 2 S. 813 ff. und 846 ff.; Förster, Theorie und Praxis 3. Aust. 1 S. 525—535; (7. A.) Dernburg, Lehrbuch des preußischen Privatrechts 2 §§. 127—132 S. 285—298. Die gemeinrechtliche Literatur siehe bei Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts §. 463 Bd. 2 (4. Aust.) S. 725. 91) Das Gesetz vom 9. Mai 1855 ist durch Gesetz v. 31. Mai 1870 (G.S. S. 214) auf die Hohenzollernschen Lande und durch Gesetz vom 3. Februar 1864 (G.S. S. 40) auf den Justizsenat zu Ehrenbreitstein ausgedehnt worden. 92) Hiernach kann außerhalb des Konkurses der Widerruf nur wegen solcher Forderungen aus­ geübt werden, wegen welcher das Exekutionsverfahren auf Grund eines exekutorischen Titels stattfindet. Das Ges. v. 26. April 1835 forderte überdies noch die wirklich eingetretene Einleitung des Ver­ fahrens durch Erlaß des Exekutionsmandats (tz. 4). Davon sieht das neue Gesetz ab und es muß davon absehen, weil das Exekutionsmandat, nach neuerem Rechte, nicht mehr erlassen wird. Die Klage wird nun in dem Falle, wo nicht das Gericht des Exekutionsverfahrens auch für die Anfech­ tungsklage kompetent und wo auch nicht der Versuch der Exekntionsvollstreckung gemacht worden ist, durch das Erkenntniß und ein Attest der Vollstreckbarkeit (Rechtskraft) zu begründen sein, namentlich in dem Falle des §. 3 Nr. 3. Unbedingte Geltung hat bei dem heutigen Rechtsstande also noch der Ausspruch des Obertribunals: „Bei rechtskräftig feststehenden, terminlich zu leistenden Zahlungen (Ali­ menten) findet das Recht des Gläubigers zum Aufrufe der (im Ges. v. 26. April 1835) erwähnten Verträge nur wegen solcher Zahlungen statt, weshalb innerhalb eines JahreS vor Errichtung des Vertrages die Exekution verfügt worden (verfügt werden kann), nicht aber wegen der künftig erst einziehbaren." O.Tr. I (Pr. 1041) v. 14. Sept. 1841, Präj.-Samml. S. 404. Nicht mehr pas­ send aber ist das Pr. 2303: „Die gesetzliche Befugniß, den Schuldner in der Verfügung über sein Vermögen zu beschränken und dieselbe, wenn sie getroffen worden, rückgängig zu machen, wird durch die Nachsuchung der Exekution und den Erlaß des Exekutionsmandats bedingt und erstreckt sich nicht auf andere Forderungen und Ansprüche desselben Gläubigers, als auf die, wegen deren er ein Exe­ kutionsmandat wirklich extrahirt hat, mag auch dasselbe sich erfolglos erwiesen haben." O.Tr. IV (Pr. 2303) v. 19. Juni 1854, Entsch. 21 S. 250. An die Stelle des Exekutionsmandats (Zah­ lungsbefehls) tritt jetzt die Exekutionsverfügung an den Exekutor, und im Falle des §. 3 Nr. 3 ist ein Exekutionsantrag und ein Versuch der Exekution nicht erforderlich. Eine Ausnahme von der Re­ gel des §. i macht der §. 6. (7. A. Nach der Civilprozeß-Ordnung für das deutsche Reich §§. 646 ff. ist der Beweis, daß die Forderung des Gläubigers vollstreckbar ist, durch eine mit dem Zeugnisse der Rechtskraft oder der vorläufigen Vollstreckbarkeit versehene Urtheilsausfertigung zu führen.) Der Gläubiger braucht zur Durchführung seiner Anfechtungsklage außer feinem exekutorischen Titel nicht noch den Beweis anzutreten, daß ihm der wider den Schuldner vollstreckbar gewordene Anspruch auch wirklich zustehe. O.Tr. IV v. 25. Januar 1859, Entsch. 40 S. 71; Str. Arch. 32 S. 165. (6. A. Zur ^Lubstanüirung der Klage gehört in dieser Hinsicht nur die Bezugnahme auf das vollstreckbare Urtheil, durch welches dem Kläger die Forderung zugesprochen ist. O.Tr. IV v. 15. Juni 1869, Str. Arch. 75 S. 169. Das Obertribunal hat aber in anderen Fällen dem Ver­ klagten gegen die Anfechtungsklage den Beweis gestattet, daß das Urtheil, auf welches der Kläger sich stützt, nicht gerechtfertigt sei.) Dem Erwerber eines von einem zahlungsunfähigen Schuldner erkauften Grundstückes steht der Einwand, daß der Wechsel, aus welchem der Veräußerer verurtheilt worden, gefälscht sei, an sich und auch in dem Falle zu, wenn in dem Wechselprozesse gegen den Schuldner die Aechtheit des Wechsels in contumaciam festgestellt worden ist. O.Tr. IV v. 31. März 1864, Entsch. 51 S. 468; Str. Arch 54 S. 42. (6. Ä.) Diese Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß auch der wechselmäßig Verurtheilte noch im Separatum die Fälschung des Wech-

942

Erster Theil.

(Stifter Titel.

(Gesetz v. 9. Mai 1855 §§. 1. 2.)

ist, die Befugnis") zu, Rechtshandlungen seines Schuldners im Wege der Klage oder Einwendung nach Maßgabe der folgenden näheren Bestimmungen als ungültig anzufechtenö4). sels würde ausführen dürfen. Später indeß, als Jemand wegen einer ihm rechtskräftig zuerkann­ ten Darlehnsforderung die Anfechtungsklage angestellt hatte, wurde dem Verklagten auch die Ein­ rede der Simulation des Darlehns nachgelassen und dabei ganz allgemein der Satz ausgesprochen, daß dem Erwerber des Exekutionsobjekts der Gegenbeweis gegen die thatsächliche Voraussetzung des Urtheils nicht verschränkt werden dürfe. O.Tr. IV v. 25. (2.) Februar 1865, Entsch. 53 S. 362; Str. Arch. 58 S. 138. Ueber das Bedenkliche dieses Satzes siehe P. Hinschius in der Preuß. Anwalts-Zeitung 1865 S. 206 und 1866 S. 79 u. 80. Das Obertribunal hat neuerdings die Zu­ lässigkeit der Simulationseinrede, weil letztere dem eigenen Recht des Anfechtungsbeklagten entnom­ men und gegen beide Parteien des früheren Prozesses gerichtet wäre, aufrecht erhalten, im Uebrigen jedoch den angegriffenen Satz dahin eingeschränkt, daß „der mit der Anfechtungsklage in Anspruch genommene Verklagte nicht befugt sei, aus rein objektiven Rechtsgründen die vom Kläger erstrit­ tene Forderung, wegen deren die Anfechtungsklage angestellt wird, zu bestreiten und das diese For­ derung festsetzende Judikat sich gegenüber sür unwirksam zu erachten. Soweit dasselbe seine eigene Rechtssphäre nicht berührt, muß er es anerkennen; denn cs hat zwischen dem Kläger und dem Exequenden ein unabänderliches formelles Recht mit rückwirkender Kraft geschaffen, gleichviel, ob die For­ derung wirklich zu Recht bestanden hat oder nicht, (§§. 65, 66 der Einl., §. 1 Tit. 16 der Allg. Ger.-Ö.). O.Tr. IV v. 7. Mai 1872, Entsch. 67 S. 353; Str. Arch. 84 S. 348. (7. A.) Ein auf Rechnungslegung und — weil diese' verweigert worden — auf Leistung des Interesse gerichtetes Judikat, durch welches das Interesse auf einen bestimmten Geldbetrag nicht fest­ gesetzt ist, gewährt nicht eine vollstreckbare Forderung im Sinne des Gesetzes vom 9. Mai 1855. O.Tr. IV v. 10. Febr. 1876 , Entsch. 77 S. 197.

93) (6. A.) Die Befugniß zur Anfechtung einer Rechtshandlung des Schuldners steht dem Gläu­ biger nur unter der Voraussetzung zu, daß er durch diese Handlung benachtheiligt ist. O.Tr. IV v. 7. April 1870, Entsch. 64 S. 389; Str. Arch. 77 S. 310 und 78 S. 167. Vergl. die Konk.-O. v. 8. Mar 1855 §. 392 Abs. 2. (7. A.) Die Bestellung einer Hypothek kann unter dieser Voraussetzung nicht bloß bei Gelegenheit der Subhastation, sondern auf Grund des Gesetzes vom 9. Mai 1855 auch außerhalb deS Subhastationsverfahrens angefochten werden. O.Tr. IV v. 8. Jan. 1874, Str. Arch. 91 S. io. Die Erstreckung des den R e a l gläubigern in der Subhastation gesetz­ lich zustehenden Anfechtungsrechtes aber auf andere als die in der Subhastations-O. v. 15. März 1869 §. 71 bezeichneten Falle ist nicht zulässig. O.Tr. IV v. 15. Januar 1874, Entsch. 71 S. 132; Str. Arch. 91 S. 19. *94) Betreffs der Passivlegitimation hat daS O.Tr. zum §. 2 des Ges. v. 26. April 1835 den Satz ausgesprochen, daß die anzustellende Anfechtungsklage nur für zulässig erachtet werden könne, wenn sie gegen beide Kontrahenten deS Vertrages zugleich gerichtet wird. Dies soll aus dem Zwecke und der Wirkung einer solchen Anfechtungsklage folgen. Denn ein zweiseitiger Vertrag könne von einem Dritten nur angefochten und rücksichtlich dieses Klägers von dem Richter für unverbindlich er­ klärt werden, wenn beide Kontrahenten darüber gehört seien; dies liege im Wesen zweiseitiger Verträge und folge gleichzeitig aus dem Zwecke der Klage, welcher dahin gehe, den Vertrag als solchen, d. h. in Bezug auf beide kontrahirende Theile (?), dem Kläger gegenüber für unverbindlich zu erklären, wozu eine einseitige Verhandlung mit dem Erwerber allein nicht ausreiche, und weshalb also der Vertrag bezüglich des Veräußerers, dem Kläger gegenüber, bei Kräften bleiben, dadurch aber gerade für den Gläubiger des Veräußerers die Möglichkeit ausgeschlossen sein würde (?), den veräußerten Gegenstand, im Wege der gegen seinen Schuldner gerichteten Exekution, zu seiner Befriedigung zu verwenden. O.Tr. iv v. 13. Okt. 1853, Entsch. 27 S. 156; Str. Arch. 10 S. 213. Der Satz ist kein geltender Rechtssatz und die Begründung bewegt sich auf Irrwegen. Die Klage, welche das G. v. 26. April 1835 dem Gläubiger giebt, ist wesentlich eine Abforderungsklage nach dem Prinzip der actio Pauliana. Zweck der Klage ist keinesweges die Ungültigkeitserklärung des fraglichen Ver­ trages, und noch dazu „in Bezug auf beide kontrahirende Theile", zwischen diesen bleibt der Vertrag ganz in seinen Würden; den Gläubiger geht er nichts an; der Zweck der Klage ist vielmehr ledig­ lich, den Verklagten (den Erwerber) verurtheilt zu sehen, den erworbenen Gegenstand herauszuge­ ben, wie bei anderen Abforderungsklagen; die Klage geht sogar gegen den dritten Besitzer, gründet sich niithin nicht auf einen den Kläger umfassenden oder verbindenden Vertrag. Der abfordernde Gläubiger ist hierin dem Vindikanten ähnlich, der gleichfalls nicht nöthig hat, den Kaufkontrakt, durch den der Beklagte die Sache in seinen Besitz gebracht hat, für ungültig erklären zu lassen, und des­ halb seine Klage mit gegen den Verkäufer zu richten. Der abfordernde Gläubiger hat zur Begrün­ dung seiner Klage gegen den Besitzer des Gegenstandes die Voraussetzungen seines Abforderungs­ rechts zu behaupten, und auf den Einwand des Beklagten, daß er die Sache rechtmäßig erworben habe, nur zu repliziren: daß diese Erwerbung ihm, dem Kläger gegenüber, unkräftig fei'; denn daS Gesetz selbst (§. 2) erklärt das Geschäft in Beziehung auf den 'anfechtenden Gläubiger für unverbind­ lich ; es bedarf nicht erst noch einer richterlichen Ungültigkeitserklärung, vielmehr kann der Gläubiger

Von Schenkungen.

§. 2.

943

Die Anfechtung ist nur zulässig, wenn eine Vermögensunzulänglichkeit des Schuldners

anzunehmen ist 95). dasselbe als für ihn gar nicht vorhanden behandeln. Ob die Voraussetzungen dazu vorhanden, kann er nur mit dem Beklagten ausmachen, der Veräußerer ist dabei ganz entbehrlich. Findet der Be­ klagte in seinem Interesse die Mitwirkung desselben nothwendig oder nützlich, was wegen des Re­ gresses möglich ist, so mag er ihn zuziehen. (Diesem entsprechend behandelt das Obertribunal auch die Interventionsklagen. Der Prinzipal-Intervenient hat seine Jnterventionsklage nur dann gegen beide Parteien des Hauptprozesses zu richten, wenn beide seine Ansprüche bestreiten; hat der Schuld­ ner bei Vollstreckung der Exekution den Eigenthumsanspruch des Intervenienten anerkannt, so ist die Interventionsklage lediglich gegen den Extrahenten der Exekution anzubringen. Die entgegengesetzte Ansicht verstößt gegen Rechtsgrundsätze. O.Tr. III v. 6. Febr. 1852, Str. Arch. 6 S. 27. Im Einklänge hiermit ist ferner angenommen, daß die nach dem Gesetze von 1835 anzustellende Anfech­ tungsklage unter besonderen Umständen auch bloß gegen Einen Kontrahenten des Vertrages gerichtet werden könne. O.Tr. III v. 27. Ott. 1854, ebenda 15 S. 196.) Wird der Beklagte dem Klagean­ träge gemäß zur Herausgabe des fraglichen Gegenstandes zum Zwecke der Befriedigung des Klägers verurtheilt, so ist doch völlig unfindbar, wie „die Möglichkeit ausgeschlossen sein soll, den veräußer­ ten Gegenstand, im Wege der gegen seinen Schuldner gerichteten Exekution, zu seiner Befriedigung zu verwenden"; es braucht ja nur das Urtheil vollstreckt zu werden. Das Obertribunal verwirrt sich in den beiden verschiedenen Verfahren, von welchen das Exekutionsverfahren gegen den Veräuße­ rer das Hauptverfahren, und der Abforderungsprozeß mit dem Dritten (dem Erwerber deS Exeku­ tionsobjekts) ein Zwischenverfahren ist: während der Dauer des letzteren ruht daS erstere; ist das zu Gunsten des Gläubigers in dem Zwischenverfahren ergangene Urtheil vollstreckt, und die abgeforderte Sache dem Erwerber abgenommen, so wird das Hauptexekutionsverfahren in dieselbe wieder fortge­ setzt. So ist der Rechtsstand schon nach dem Ges. v. 26. April 1835. In dem Ges. v. 9. Mai 1855 tritt derselbe noch deutlicher hervor. Die ganze Fassung ergiebt, daß der Gesetzgeber daran, daß der Erwerber nicht für sich allein bei der Abforderungsklage passiv legitimirt sein soll, durchaus nicht gedacht hat. Insbesondere erhellet solches bestimmter hier aus diesem §. 1 und weiterhin auS dem §. 14. Der §. 1 gestattet, das Prinzip der Klage auch in der Form der Exception geltend zu machen. DaS würde nicht angehen, wenn nicht der gewiß seltene Zufall eingetreten wäre, daß der Schuldner und sein Abnehmer gemeinschaftlich geklagt' hätten, was sie ja willkürlich vermeiden können. Der^ §. 14 sagt, der Gläubiger (Kläger) sollte in seinem Anträge ausdrücken, waS der Verklagte (nicht die Verklagten) zu thun oder zu dulden für schuldig erkannt werden soll, also daß er z. B. eine Sache herauszugeben oder eine Löschung zu gestatten verurtheilt werden soll. Damit ist nur der Er­ werber gemeint, folglich ist auch nur dieser unter dem Verklagten zu verstehen. Die spätere Praxis des Obertribunals scheint auch jene Theorie aufgegeben zu haben. Dasselbe hat nämlich folgenden Satz ausgesprochen: „Zweck der Klage ist nicht, zunächst erst einen, jenes Geschäft für unverbind­ lich in Beziehung auf den klagenden Gläubiger erklärenden, richterlichen Ausspruch zu erlangen, son­ dern jenes Recht (den Gegenstand der stattgehabten Veräußerung, als noch in dem Vermögen deS Veräußerers verblieben, zu behandeln) gegen den Erwerber des Gegenstandes der stattgehabten Veräußerung zur Geltung zu bringen und unmittelbar gegen diesen wirksam zu machen."' O.Tr. IV v. 15. Sept. 1857, Str. Arch. 25 S. 367. Vergl. Entsch. 13 S. 133. Das ist zwar juristisch auch nicht genau richtig, aber praktisch unschädlich. Neuerdings ist man endlich zu dem Ergebnisse gelangt, daß die gegen den Erwerber allein gerichtete Anfechtungsklage nach dem Stande und dem'S inne dieses Gesetzes zulässig sei, und daß sie nicht von vornherein deshalb zurückgewiesen werden könne, weil sie nicht zugleich mit gegen den Veräußerer gerichtet worden. Der desfallsige Einwand erscheine danach hinfällig. O.Tr. IV v. 18. Sept. 1862, Entsch. 49 S. 362; Str. Arch. 46 S. 204. Somit wäre denn in dieser Beziehung das rechte Geleise getrosten, wobei die Kautel bezüglich auf die Rechtfertigung der alten Theorie „nach dem Stande und dem Sinne des neuen Ge­ setzes" immerhin in den Kauf genommen werden mag, obgleich dieser „Stand und Sinn" in Wahr­ heit kein anderer ist. Vgl. auch O.Tr. IV v. 22. November 1866, Str. Arch. 65 S. 150. (6. A.) In der Wissenschaft ist die neuere Meinung allgemein als die richtige anerkannt. Förster, Theo­ rie und Praxis, 3. Aust. 1 S. 534 Note 71; v. Rönne, Ergänz. 6. Ausg. i S. 717.

95) Bei dieser Anfechtung entscheidet hinsichtlich der Vermögensunzulänglichkeit nicht die Zeit der Erfüllung, sondern die Zeit' des Abschlusses des Vertrages. O.Tr. IV v. 21. März 1853, Str. Arch. 10 S. 20. Das Recht des Gläubigers, auf Grund dieses Gesetzes Veräußerungsverträge seines Schuldners anzufechten, ist nicht dadurch bedingt, daß die veräußerten Gegenstände im Wege der Exekution für den Gläubiger gepfändet worden. O.Tr. III v. 19. Sept. 1851, ebd. 4 S. 21. Dies bezieht sich auf den §. 2 des G. v. 26. April 1835, gilt aber auch von dem Ges. v. 9. Mai 1855. Auf Grund des §. 2 des Ges. v. 26. April 1835 (und der §§. 1 u. ff. deS G. v. 9. Mai 1855) kann der Gläubiger den Veränßerungsvertrag seiner mehreren Schuldner in Betreff eines denselben gemeinschaftlich gehörigen Grundstücks nur auf den Antheil desjenigen Schuldners ctnfechten, welcher

Erster Theil.

944 §♦ 3.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 9. Mai 1855 §§. 3. 4.)

Eine Vermögensunzulänglichkeit des Schuldners (§. 2) ist anzunehmen "):

1) wenn bei der von dem Gläubiger veranlaßten Auspfändung keine Exekutionsgegenstände, oder

nur solche Gegenstände vorgefunden worden sind, deren Unzulänglichkeit sich klar ergiebt, oder welche von dritten Personen in Anspruch genommen werden 97 * * ); *98 * *sofern * * * * *der * 96Schuldner auf Be­

fragen anderweite Gegenstände nicht sofort nachweist99); 2) wenn der Schuldner sich auf flüchtigen Fuß gesetzt hat oder sich verborgen hält99), und des­

halb die Vollstreckung der Exekution nicht stattfinden kann;

3) wenn innerhalb des letzten Jahres öor100) dem Tage, an welchem die auf die Anfechtung gehinsichlich des Erwerbes zu den in den bezogenen §§. genannten Personen gehört. O.Tr. IV v. 23. Febr. 1854, ebd. 12 S. 166. Ein Gläubiger, auf dessen Antrag bei seinem Schuldner im Wege der Exekution Sachen abge­ pfändet worden sind, ist berechtigt, einem Intervenienten, welcher das Eigenthum dieser Sachen von dem Schuldner durch einen mit ihm geschlossenen Vertrag vor der Pfändung erworben zu haben be­ hauptet, auch ohne den Nachweis einer Vermögensunzulänglichkeit des Schuld­ ners entgegen zu setzen, daß dieser Vertrag simulirt sei; er muß jedoch den Beweis nach der Vor­ schrift Tit. 4 §. 55 führen und kann sich nicht auf die Vorschrift des §.17 dieses Gesetzes stützen, wenn er sich nicht zugleich auf die Vermögensunzulänglichkeit, also auf die Grundsätze der actio Pauliana, gründet. O.Tr. III v. 19. Dez. 1864, Entsch. 54 S. 1; Str. Arch. 57 S. 183. (6. A.) Vergl. dagegen das O.Tr. IV v. 20. Dez. 1864, Entsch. 53 S. 341.

96) (6. A.) „Gegen die Annahme der Vermögenöunzulünglichkeit auf Grund des §. 3 des Ge­ setzes v. 9. Mai 185*5 kann in dem Prozesse über die Anfechtung einer Rechtshandlung des Schuld­ ners durch Nachweisung geeigneter Vermögensobjekte desselben ein Gegenbeweis geführt werden." O.Tr. Pl. (Pr. 2759) v. 24. (20.?) Juni 1870, I.M.B1. S. 238; Entsch. 63 S. 1. Hierdurch ist die Annahme des 4. Senats, daß ein Gegenbeweis immer nur auf die zum Nachweis der Vermögens­ unzulänglichkeit von dem Gläubiger behaupteten Thatsachen selbst gerichtet und im Falle des §. 3 Nr. 1 nur bei der Exekutionsvollstreckung selbst geführt werden könnte, Erk. v. 4 Okt. 1866, Str. Arch. 65 S. 30, verworfen. Der Rechtsfall, welcher zu dem Pl.-Beschl. Veranlassung gegeben hat, ist vom 3. Senat entschieden, und zwar durch Erk. v. 3. Okt. 1870, Str. Arch. 79 .S. 237. Vgl. Meischeider a. a. O. S. 19. 97) (6. A.) Diese Bestimmung ist nicht bloß auf bewegliche Sachen, sondern auch auf Immobi­ lien anzuwenden. O.Tr. IV v. 2. April 1868, Str. Arch. 70 S. 281.

98) Hierbei ist an das Befragen des Schuldners von Seiten des Exekutors bei dem Versuche der Exekutionsvollstreckung gedacht. Dieses Befragen setzt natürlich die Anwesenheit des Schuldners vor­ aus und muß also unterbleiben, wenn er sich' nicht antrefien läßt, was sehr gewöhnlich. Für diesen Fall kommt die Bestimmung 2 zur Anwendung. (7. A.) Die Worte „sofern re." beziehen sich auf alle drei vorher angeführten Fälle. O.Tr. III v. 26. Februar 1877, Entsch. 79 S. 254. Nach einer Bemerkung deS O.Tr. IV in einem Erk. v. 17. Juli 1866, Str. Arch. 64 S. 227, sollte die Beziehung auf den letzten Fall beschränkt sein.

99) Noch ein dritter Fall kann eintreten, der die Vollstreckung der Exekution verhindert, nämlich der der einfachen Abwesenheit, verbunden mit dem Mangel an Gegenständen in den zugänglich ge­ machten Räumen und Behältnissen. Der Exekutor ist nicht in der Lage, festzustellen: ob der Schuld­ ner, den er nun nicht befragen kann, entwichen ist oder sich verborgen hat, oder ob er nur zufällig abwesend ist. Das Wesentliche wird sein, daß deshalb, weil die Person des Schuldners fehlt, die Vollstreckung der Exekution nicht stattfinden kann. Außerdem könnte sich durch die Wiederholung des Versuchs oder durch die Untersuchung und Feststellung der Abwesenheitsursache die Sache so sehr in die Länge ziehen, daß der Gläubiger darüber die Zeit verlöre. 100) Nur in dem einzigen Falle des §. 3 Nr. 3, wenn die Vermögensunzulänglichkeit aus einer nicht von dem anfechtenden Gläubiger, sondern von einem Dritten gegen den Schuldner in Antrag gebrachten und fruchtlos vollstreckten Exekution gefolgert werden soll,' wird erfordert, daß diese inner­ halb des letzten Jahres vor dem Tage, an welchem die auf die Anfechtung gerichtete Klage ange­ bracht worden ist, stattgefunden habe*. Im Uebrigen ergeben dagegen die Bestimmungen dieses Ge­ setzes nicht, daß die Vermögensunzulänglichkeit immer für die Zeit vor der Klageanstellung festgestellt sein müsse und nicht berücksichtigt werden dürfe, wenn sie erst später im Laufe des Prozesses über die Ungültigkeit des von dem Schuldner vorgenommenen Rechtsgeschäfts dargelegt sei. In dieser Be­ ziehung sind vielmehr gar keine Fristen gegeben. Es steht daher nichts entgegen, eine erst nach der Klageanstellung von dem Klüger beantragte und fruchtlos ausgefallene Exekution für die Feststellung der die Klage bedingenden Vermögensunzulänglichkeit zu berücksichtigen, zumal dadurch zugleich die Fortdauer des Unvermögens des Schuldners, den Kläger zu befriedigen, klar dargethan wird. O.Tr. IV v. 12. Juli 1866, Str. Arch. 63 S. 301. — Diese Meinung hat das Bedenken gegen sich, daß eine die Gläubiger benachtheiligende Veräußerung nur dann vorliegt, wenn das Vermögen deS Schuldners

Von Schenkungen. richtete Klage oder Einwendung angebracht worden ist,

945

eine Exekution gegen die Person oder

in das Vermögen des Schuldners fruchtlos gewesen ist 1). Ein anderweiter Nachweis der Vermögensunzulänglichkeit ist durch vorstehende Bestimmungen nicht ausgeschlossen 2).

§♦ 4.

Werden bei der durch den Gläubiger veranlaßten Exekution Gegenstände der Exekutions­

vollstreckung vorgefunden oder von dem Schuldner nachgewiesen, so treten, bevor eine Vermögens

Unzulänglichkeit angenommen werden kann, folgende Bestimmungen ein: 1) wenn liquide, sichere, zur Deckung der Schuld hinreichende und innerhalb dreier Monate fäl­

lige Aktivforderungen in Beschlag genommen sind, so muß der Gläubiger den Zahlungstermin abwarten 8);

zur Zeit der Veräußerung entweder schon unzulänglich war, oder durch diese Veräußerung unzulänglich wurde. Daher berechtigt eine Vermögensunzulänglichkeit, welche sich erst nach der Klageanstellung herausstellt, nicht zu dem Schlüsse, daß dieselbe schon zu einem wer weiß wie lange der Vergangenheit angehörigen Zeitpunkte vorhanden war. 1) In dieser Vorschrift ist nur die Zeitbestimmung neu, im Uebrigen ist der §. 11 Nr. 2 des G. v. 26. April 1835 hier wiederholt. Die Praxis hat angenommen: dieser Fall setze voraus, daß die Forderung, wegen welcher die Exekution gegen die Person oder in daS Vermögen des Schuldners fruchtlos gewesen, objektiv eine andere und von derjenigen verschieden sei, wegen welcher der Gläubi­ ger von der Anfechtungsbefugniß nach den Vorschriften "des Gesetzes Gebrauch macht; der Anwendung deS §.11 Nr. 2 stehe eö aber nicht entgegen, daß beide Forderungen demselben Gläubiger zuständig sind und in demselben Prozesse gleichzeitig zur Exekution standen. O.Tr. IV (Pr. 2415) v. 30. Nov. 1852, Entsch. 25 S. 5. — (6. A.) Der Anfechtungskläger muß beweisen, daß seit der fruchtlos vollstreckten Exekution noch kein Jahr verflossen ist. Der Verklagte hat nicht nöthig, einzuwenden, daß dieser Zeit­ raum verstrichen sei. O.Tr. Hl v. 28. November 1870, Str. Arch. 80 S. 108. 2) Das Ges. v. 26. April 1835 hat diese Bestimmung im §. 11, wo es die Fälle, in welchen eine Vermögensunzulänglichkcit anzunehmen, aufzählte, nicht und es hatte dadurch den Zweifel ver­ anlaßt, ob auch außer den genannten Fällen der Nachweis zulässig sei. Die Praxis des O.Tr. hatte angenommen, daß der §. li nicht die einzigen Fälle enthalte, vielmehr eS den einen Vertrag ihres Schuldners anfechtenden Gläubigern unbenommen bleibe, die Vermögensunzulänglichkeit auch aus an­ dere Weise, insbesondere durch daS Geständniß deS Schuldners nachzuweisen. O.Tr. III (Pr. 1652) v. 15. Nov. 1845, Präj.-Samml. S. 402. Dagegen hielt das Obertribunal die Vermögensunzu­ länglichkeit dadurch allein, daß ein ergreifbares Vermögensobjekt nicht bekannt ist, nicht für nachge­ wiesen. O.Tr. IV v. 5. Septbr. 1854, Str. Arch. 14 S. 225. — Das Geständniß deS Schuldners ist ein zweifelhaftes Beweismittel; der Schuldner ist nicht Partei und kann mithin ein Geständniß im rechtlichen Sinne nicht ablegen. §§. 82, 85 Tit. 10 Pr.-O. Geständnisse beweisen auch nur wider den Gestehenden. §. 88b Q. a. O. DaS sog. Geständniß deS Schuldners kann nur als Zeugniß in dem ihm fremden Prozesse gelten, und wenn er Mitpartei ist, begründet er gegen die andere Mit­ partei ein Indizium. §. 86 a. a. O. — Das Erk. v. 8. Mai 1848, Entsch. 17 S. 101, wiederholt den ersten Theil deö Pr. 1652 und fügt bei: „und es bedarf namentlich keines weiteren Beweises darüber (über die Vermögensunzulänglichkeit), wenn der Schuldner sich durch den angefochtenen Ver­ trag seines gesammten Vermögens entäußert hat/' Das ist überzeugend, wenn der Veräußerer Schulden harte. Vergl. 1. 17 §. 1 D. quae in fraudem creditorum 42. 8. — Uebrigens ist der Rechtssatz unverändert, daß der Fall der Anfechtungsklage auch dann vorhanden, wenn die Vermö­ gensunzulänglichkeit erst durch das angefochtene Rechtsgeschäft eingetreten ist. O.Tr. Pl. v. 12. Juni 1843, Entsch. 9 S. 136 u. IV v.28. Juni 1855, Str. Arch. 17 S. 311. Vergl. I. 17 §. 1 D. quae in fraud. cred. 42. 8; 1. 10 D. qui et a quibus manumissi. 50. 9. (7. A.) Die Vermögensunzuläuglichkeit des Schuldners kaun als ein Rechtöbegriff durch Eides­ zuschiebung nicht festgestellt werden. Vergl. die — die Unzulässigkeit der Eidesdelation zum Nachweise der Zahlungsunfähigkeit im Sinne der Konk.-Ordn. v. 8. Ma! 1855 ausführenden — Urtheile deS R.O.H.G. II v. 13. Januar 1871, Entsch. 4 S. 262, und v. n. Mai 1872, ebd. 6 S. 16 u. 123.

3) (6. A.) Der §. 4 Nr. 1 betrifft lediglich den Fall, wenn bei einer durch den Gläubiger veranlaßten Exekutionsvollstreckung sichere, liquide, zur Deckung der Schuld hinreichende und innerhalb dreier Monate fällige Aktivforderungen mit Beschlag belegt worden sind. Wenn daher der Verklagte gegen die Anfechtungsklage einwendet, daß der Exequeude noch eine der Exekution unterliegende Forde­ rung habe, so kann' dieser Einwand nicht durch Berufung auf §. 4 Nr. 1, resp, nicht durch die Er­ wägung beseitigt werden, daß der Nachweis der Li qui di tät und Sicherheit dieser Forderung von dem Verklagten nicht angetreten sei. O.Tr. III v. 28. Nov. 1870, Str. Arch. 80 S- 112 unten. Vergl. die Änm. 96 zu §. 3. (7. A.) Wenn der Gläubiger eine Forderung seines Schuldners im Wege der Exekution (mit

Koch, Allgemeines Landrecht I.

7. Anst.

60

946

Erster Theil.

Eilfter Titel.

(Gesetz v. 9. Mai 1855 §§. 4. 5.)

2) wenn andere bewegliche Sachen, deren Unzulänglichkeit sich nicht klar ergiebt, abgepfändet sind,

so muß der Gläubiger den öffentlichen Verkauf derselben bewirken lassen; 3) wenn der Schuldner Grundstücke besitzt, so muß der Gläubiger entweder deren Revenüen in

Beschlag nehmen, sofern nicht klar erhellt, daß seine Befriedigung aus den Revenüen innerhalb Jahresfrist nicht zu erlangen sei; oder er muß den gerichtlichen Verkauf der Grundstücke und

die Vertheilung der Kaufgelder abwarten, insofern nicht der Ausfall der Forderung klar zu

übersehen ist4 * ); *5* 4) wenn für die Forderung eine Sache als Pfand

oder Hypothek bestellt ist, welche sich nicht

mehrß) im Eigenthum des Schuldners befindet6),7 so muß der Gläubiger den gerichtlichen Ver­ kauf derselben unb die Vertheilung der Kaufgelder abwarten, insofern nicht der Ausfall der

Forderung klar zu übersehen ist. §. 5.

Die nachstehend bezeichneten Rechtshandlungen unterliegen der Anfechtung, insofern sie

innerhalb zweier Jahre, vom Tage der Anbringung der auf die Anfechtung gerichteten Klage oder

Einwendung zurückgerechnet'), vorgenommen worden sind:

1) Verträge, durch welche der Schuldner Gegenstände seines Vermögend auf Leibrenten 8) gege­ ben hat;

den Rechten des Assignatars) sich hat überweisen lassen, so kann er solange, als weder die Rechte aus der Ueberweisung von ihm aufgegeben sind, noch die überwiesene Forderung sich als uneinziehbar er­ wiesen hat, eine Rechtshandlung seines Schuldners nicht anfechten. O.Tr. III v. 23. Juni 1874, Str. Arch. 92 S. 172. 4) (6. A Der erste Satz der Nr. 3 verordnet, daß der Gläubiger die Revenuen in Beschlag zu nehmen hat, falls dadurch seine Befriedigung innerhalb Jahresfrist zu erwarten ist. Für den Fall dagegen, daß diese Erwartung sich nicht rechtfertigt, bestimmt der zweite Satz, daß dann der Gläubiger den gerichtlichen Verkauf des Grundstücks und die Vertheilung der Kaufgelder abzuwarten hat, sofern nicht auch hierbei der Ausfall der Forderung klar zu übersehen ist.) Die Alternative des „entweder — oder" bezeichnet daher kein Wahlrecht deS Gläubigers, nach seinem Belieben daS Eine oder das Andere zu thun oder zu unterlassen, sondern sie bezieht sich auf die Vorschriften über die Grade der Real-Exekution. O.Tr. IV v. 18. November 1861, Entsch. 46 S. 394; Str. Arch. 43 S. 200. Die erstere Alternative findet auch auf Schuldner Anwendung, welche Fideikommißgüter besitzen. Der Gläubiger hat in diesem Falle den Beweis zu führen, daß die Befriedigung aus den Revenüen inner­ halb Jahresfrist nicht erfolgen könne. O.Tr. Ill v. 4. April 1862, Entsch. 47 S. 366. (6. A.) Die Vorschrift unter Nr. 3 kommt auch solchen Grundeigenthümern zu Statten, gegen welche die Mobiliarexekution fruchtlos vollstreckt oder deren Vermögensunzulänglichkeit nach §. 3 des Gesetzes nachgewiesen ist. O.Tr. Ill v. 21. Oktober 1870, Str. Arch. 79 S. 322. Denn der §. 4 stellt unter Nr. 3 die Vermuthung auf, daß der Besitzer eines Grundstücks nicht unpfandbar sei, daß vielmehr die Gläubiger aus der Substanz oder — und zwar binnen Jahresfrist — auö den Reve­ nüen befriedigt werden können. O.Tr. IV v. 26. Sept. 1872, Entsch. 68 S. 293; Str. Arch. 86 S. 201. 5) „Nicht mehr", also sich doch zur Zeit der Verpfändung zweifelsfrei noch im Besitze des ExequenduS befunden haben müssen. Denn diese Bestimmung (Nr. 4) spricht nur von solchen Grund­ stücken, deren Verpfändung öom Schuldner ausging. Auch findet sie keine Anwendung auf solche Grundstücke und Vermögensobjekte des Schuldners, „welche von Dritten in Anspruch genommen wer­ den" (§. 3 Nr. 1). O.Tr. IV v. 2. April 1868, Str. Arch. 70 S. 281.

6) In dem §. 12 des G. v. 26. April 1835, dessen wesentlicher Inhalt in dem §. 4 des jetzigen Gesetzes wiederholt wird, fehlten Nr. 4 die Worte: „welche sich nicht mehr im Eigenthume des Schuld­ ners befindet". Das O.Tr. hatte deshalb den RechtSgrundsatz angenommen: „Diese Vorschrift (Nr. 4 §. 12) findet keine Anwendung auf den Fall, wenn die verpfändete Sache nicht dem Exequendus, sondern einem Dritten gehört." O.Tr. IV (Pr. 2292) v. 29. April 1851, Entsch. 21 S. 68. Diese Jurisprudenz ist durch die neue Bestimmung beseitigt.

7) Diese Zeitbestimmung ist den Umständen außerhalb deS formellen Konkurses angepaßt; im Uebrigen stimmt der §. 5 wörtlich überein mit dem §. 102 der Konkursordnung v. 8. Mai 1855. (7. A. Abweichend die Reichs-Konk.-Ordn. §§. 24 u. 25.) Die Zeitbestimmung würde in dem Falle des §. 4 Nr. 4 möglicherweise zu enge Grenzen ziehen; für einen solchen Fall aber sichert der §. 6 die nöthige Rechtshülfe. (6. A.) Nur durch die Anbringung, nicht auch schon durch die Anmeldung der Anfech­ tungsklage wird die zweijährige Frist des §. 5 gewahrt. O.Tr. IV v. 8. Juli 1869, Entsch. 62 S. 346. 8) Man hatte angenommen, daß ein Vertrag, durch welchen der Schuldner sein Grundstück an einen Dritten veräußert und von dem Käufer sich und seiner Ehefrau ein Ausgedinge bestellen läßt,

Bon Schenkungen.

947

2) freigebige Verfügungen des Schuldners9), insbesondere Schenkungen, Erbes- oder Vermächtniß-

entsagungen 10), ingleichen solche Verfügungen, welche zwar unter lästigem Titel vorgenommen, aber wegen des zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung obwaltenden er­ heblichen Mißverhältnisses als freigebige Verfügungen des Schuldners zu erachten sind");

3) Veräußerungen unter einem lästigen Titel12), welche der Schuldner rücksichtlich der die Ehefrau betreffenden Ausgedinge-Stipulation nicht dem Anfechtungsrechte der Gläubiger des Ehemanns nach Maßgabe des v. 26. April 1835 unterliege. O.Tr. iv v. 15. Sept. 1853, Str. Arch. 10 S. 122. Nach den Bestimmungen des Ges. v. 9. Mai 1855 wird dies nicht anzunehmen sein. 9) (6. A.) Belohnende Schenkungen sind freigebige Verfügungen. O.Tr. IV v. 14. September 1869, Entsch. 62 S. 356; Str. Arch. 76 S. 87. Dagegen kann von einer Freigebigkeit nicht die Rede sein, wenn Jemand eine Schuld, die er während'seiner Minderjährigkeit eingegängen ist, nach erreichter Volljährigkeit anerkennt. O.Tr. IV v. 10. März 1859, Str. Arch. 33 S. *56. (7. A.) Die Morgengabe ist eine freigebige Verfügung, wenn auch nicht nothwendig eine Schen­ kung im Sinne deS Landrechts. R.O.H.G. I v. 16. Januar 1877, Entsch. 21 S. 297.

10) Dadurch ist der Meinungsstreit, welchen der §. 1 des G. v. 26. April 1835 über die Zu­ lässigkeit der Anfechtung von Erbschaftsentsagungen veranlaßt hatte, im Sinne der von mir vertre­ tenen Meinung entschieden. M. s. darüber: das Erk. des O.Tr. I (Pr. 1254) v. 10. Januar f843, Entsch. 8 S. 250, und das Erk. v. 25. März 1847, Entsch. 15 S. 87; dagegen Koch's Aufs, im Schles. Arch. 6 S. 206 ff. Eine Erbschaftsentsagung kann, falls die übrigen Desiderate des §. 5 Nr. 2 vorliegen, als eine freigebige Verfügung nach diesem Gesetze von den Gläubigern des Entsagenden angefochten werden. O.Tr. 1II v. 22. Februar 1867, Entsch. 59 S. 411; Str. Arch. 65 S. 341. Zu dem Erk. v. 25. März 1847 ist von den Herausgebern der Entscheidungen der Satz formulirt: „Das Recht des Gläubigers, einen von seinem zahlungsunfähigen Schuldner geschlossenen Ver­ trag auf den Grund des G. v. 26. April 1835 zu widerrufen, findet nur bei Verträgen über solche Gegenstände statt, in welche zur Zeit des geschlossenen Vertrages Exekution schon hätte vollstreckt werden können." Angehänat ist als Folgesatz: „Die Entsagung eines an den Schuldner erledigten Lehnsanfalls kann daher gleichfalls nur im Wege des förmlichen Konkurses angefochten werden." Dieser Folgesatz kam nicht „daher", sondern aus einem anderen, nach dem neuen G. v. 9. Mai 1855 nicht mehr geltenden Grundsätze. Der Vordersatz ist kein geltender Rechtsgrundsatz; von der in das Reich der Thatsachen gehörenden Möglichkeit der Exekutionsvollstreckung hängt der Rechtspuukt nicht ab.

11) Eine Umgehung dieses Gesetzes ist es, wenn ein zahlungsunfähiger Schuldner ein Forde­ rungsrecht an einen Fremden cedirt und sich ausbedingt, daß der Cessionar das Aktivum gegen ein von dem Schuldner ihm zu gewährendes Entgelt weiter auf den Sohn des veräußernden Schuldners übertragen solle. Diese Veräußerung geht lediglich aus einer freigebigen Verfügung des Schuldners zum Besten seines Sohnes hervor und kann mit Recht von dem unbefriedigten Gläubiger auf Grund des §. 5 Nr. 2 und §. 12 angefochten werden. O.Tr. IV v. 7. Dezember 1858, Str. Arch. 3i S. 309. Dieser Rechtsanwendung ist voller Beifall zu geben. Der Schuldner bringt ja durch Frei­ gebigkeit das Aktivum durch eine dafür abgefundene Mittelsperson auf seinen Sohn. Vergl. unten die Anm. 16. 12) (6. A. Erbtheilungen gehören nicht zu den Veräußerungen in dem hier gemeinten Sinne, und zwar deshalb nicht, weil sie nicht auf dem freien Willen der Erben, sondern auf recht­ licher Nothwendigkeit beruhen. O.Tr. IV v. 6. Sept. 1855, Str. Arch. 18 S. 126, und v. 6. De­ zember 1870, ebenda 80 S. 144. Förster, Theorie und Praxis, 3. Aufl. 1 S. 532. Anderer Ansicht sind: Meischeider a. a. O. S. 47; Beisert in Gruchot, Beitr. 10 S. 36.) Pachtverträge sind gleichfalls nicht Veräußerungen, welche von den Gläubigern deS Ver­ pächters angefochten werden dürften. O.Tr. IV (Pr. 2587) v. 16. Dez. 1854, Entsch. 30 S. 241; Str. Arch. 15 S. 290, und v. 22. September 1868, Str. Arch. 72 S. 200. (6. A. Dagegen liegt in der Abtretung der Rechte des Pächters aus dem Pachtverträge (Afterpacht) eine Veräußerung, welche unter die nach §. 5 Nr. 3 anfechtbaren Rechtshandlungen fällt. O.Tr. IV v. 17. Sept. 1872, Str. Arch. 86 S. 188, und III v. 13. Oktbr. 1873, Entsch. 70 S. 376 ; Str. Arch. 92 S. 60.) (7. A. Ein Schuld versprechen ist im Sinne des preuß. Rechts keine Veräußerung. Des­ halb ist auch dem Versprechen einer Morgengabe der Charakter der Veräußerung abgesprochen wor­ den. R.O.H.G. 1 v. 16. Januar 1877, Entsch. 21 S. 292. Vergl. oben die Anm. 9 Abs. 2.) Auf den Gegenstand der Veräußerung kommt hinsichtlich der Anfechtbarkeit derselben nichts an. DaS Frankfurter Appellationsgericht hatte die eigenthümliche Ansicht zur Geltung bringen wollen, daß das Anfechtungsrecht aus dem Gesetze v. 26. April 1835 nur dann stattfinde, wenn der Ver­ äußerungsvertrag bestimmte, in den Besitz des Erwerbers übergegangene, „spezifisch noch vor­ handene" Vermögensstücke des Schuldners betreffe, dieses aber bei einer veräußerten Erbschaft, als einem Inbegriffe von Rechten und Pflichten, nicht der Fall sei. Das O.Tr. ist diesem Theorem ent-

948

Erster Lheil.

(Stifter Titel.

(Gesetz v. 9. Mai 1855 §. 5.)

a) an seinen Ehegatten, vor oder nach geschlossener Ehe, oder

b) an einen seiner eigenen nahen Verwandten, oder c) an einen nahen Verwandten seines Ehegatten, oder

d) an den Ehegatten einer der unter b. und c. erwähnten Personen1 s) gegengetreten und hat den Satz begründet, daß auch alsdann, wenn das veräußerte Objekt einem Inbegriffe, vermöge dessen mit den darin enthaltenen Rechten auch Verbindlichkeiten verknüpft sind, angehört und spezifisch in dem Besitze des Erwerbers nicht mehr vorhanden ist, die Anfechtung der Veräußerung stattfinde. O.Tr. IV v. 13. März 1855, Entsch. 31 S. 93. Nach der Fassung des Gesetzes v. 9. Mai 1855 ist dieser Satz vollends unzweifelhaft. Früher rechnete man auch hypothekarische Schuldverschreibungen zu den hier gemeinten lästigen Verträgen. O.Tr. HI (Pr. 680 b) v. 29. Mai 1839, Präz.-Samml. S. 403. Später ist den Pfandund den Hypothekenbestellungen die Eigenschaft von Veräußerungen unter einem lästigen Titel abge­ sprochen, und zwar aus dem allgemeinen Grunde, weil der weitere gemeinrechtliche Sinn des Wor­ tes „alienatio“, in welchem es auf Verpfändungen ebenfalls paßt, in das A. L.R. nicht übergegangen sei. O.Tr. IV v. 1. November 1859, Entsch. 43 S. 463, Str. Arch. 35 S. 213, v. 31. Okt. 1861, Str. Arch. 43 S. 165, und v. 23. Juni 1868, Str. Arch. 71 S. 268. Förster a. a. O. i S. 532. (7. A. Ebenso R.O.H.G. II v. 27. April 1872, Entsch. 5 S. 429.) .Die Rückzahlung eines Darlehns seitens des Schuldners gegen die Quittunqsleistung des Gläu­ bigers gehört nicht zu den hier gemeinten lästigen Vetträgen. Vergl. §. 7 Hr. 5. O.Tr. IV v. 5. September 1854, Str. Arch. 14 S. 225. Nicht zu übersehen ist, daß hier überall ernstlich gemeinte Rechtsgeschäfte vorausgesetzt werden. Folge ist: 1. daß der Einwand des Beklagten, daß unter den Kontrahenten kein simulirteS, sondern ein wirkliches Rechtsgeschäft abgeschlossen worden sei, unerheblich ist, O.Tr. II (Pr. 1104) v. 11. Febr. 1842; 2. daß der Verwandte des Schuldners, als dessen Abkäufer, sich nicht mit dem Einwande, daß der Kauf- oder Annahmepreis den wahren Werth der ihm übereigneten Sache erreicht habe, schützen kann, O.Tr. HI (Pr. 1075) v. 20. November 1841 (6. A. Vergl. O.Tr. III v. 16. Dezbr. 1870, Str. Arch. 80 S. 186); 3. daß auch außer den Fällen dieses Paragraphen jeder Gläubiger befugt ist, Veräußerungsverträge seines Schuldners anzufechten, wenn er zu beweisen vermag, daß dieselben von beiden Seiten ohne die Absicht, daS Eigenthum zu übertragen, und lediglich zum Scheine abgeschlossen worden. O.Tr. III (Pr. 1513) v. 14. Dez. 1844, Entsch. 20 S. 355. Bergl. oben die Anm. 45 zu §. 71 und das Präj. 1654 in der Anm. zu §. 395. Diesen von der Praxis festgestellten Satz 3 hat nun das gegenwärtige Gesetz in dem folgenden §. 7 ausgenommen. Vergl. oben die Anm. 95 zu §. 2.

13) Damit sind die Veräußerungen an Schwiegerkinder außer Streit gesetzt. Vergl. über das frühere Recht die Erk. des O.Tr. in (Pr. 680) v. 29. Mai 1839, v. 24. April 1846, Entsch. 13 S. 123, und III (Pr. 1739) v. 21. März 1846, Entsch. 14 S. 190, wonach Gütergemeinschaft oder doch gemeinschaftlicher Erwerb zur Anfechtbarkeit der Veräußerung an einen Descendenten und dessen Ehegatten erforderlich war. Die Bestimmungen des Anfechtungsgesetzes können nicht auSdehnend erklärt werden. Deshalb ist der Fall des §. 5 Nr. 3 lit. d nur dann für vorliegend zu erachten, wenn zur Zeit des ange­ fochtenen Vertrages die Ehe des Käufers mit einer der unter b u. c genannten Personen bereits wirklich geschlossen ist. O.Tr. IV v. 18. September 1862, Entsch. 49 S. 356; Str. Arch. 46 S. 207 u. 208. Damit ist die Frage entschieden, ob die Bestimmung auf Verlobte, wenn sie sich nach Ab­ schließung des Vertrages wirklich geheirathet haben, Anwendung finde. (6. A. Handelt es sich um eine bedingte Veräußerung, so ist die Rechtshandlung, durch welche dieselbe vorgenommen wird, der Vertrag, nicht das Ereigniß, durch welches die Erwerbung vollendet wird oder dauernden Bestand erhält. Die Veräußerung unter der Bedingung, daß der Käufer die Tochter des Verkäufers heirathe, kann daher, so nahe dieser Fall auch der Veräußerung an den Schwiegersohn des Verkäu­ fers steht, doch auf Grund des §. 5 Nr. 3 nicht angefochten werden. Ausnahmegesetze, wie das Gesetz v. 9. Mai 1855, leiden eben keine analoge Anwendung. O.Tr. IV v. 7. September 1871, Entsch. 67 S. 59; Str. Arch. 82 S. 287. Auf gleichen Erwägungen beruht das Erk. des O.Tr. III v. 12. Mai 1871, Str. a. a. O. S. 95. Die entgegengesetzte Ansicht wird in einem Erk. des O.Tr. IV v. 9. April 1867 vertreten. Gruchot, Beitr. 16. S. 150. Vergl. hierüber Wienstein ebenda S. 145 ff. u. 159.) Aus dem Prinzip, welches dem Erk. v. 18. Sept. 1862 zu Grunde liegt, ist gefolgert worden, daß die Vorschrift des §. 5 Nr. 3 auch dann nicht angewendet werden könne, wenn die in Frage stehende Ehe zur Zeit der Veräußerung durch richterliches Erkenntniß oder durch den Tod bereits wieder aufgelöst ist. O.Tr. IV v. 12. Juli 1864, Entsch. 53 S. 347; Str. Arch. 55 S. 197. (6. A.) Vergl. Sutro in der Preuß. Anwalts-Zeitung 1864 S. 97; gegen die Ansicht des ObertribunalS: Koch, Komm, zur Konk.-O. v. 8. Mai 1855 §. 102 Anm. 24; Paul Hinschius in der Preuß. Anw.-Z. 1866 S. 77. — (6. A.) Für die Frage nach der Anfechtbarkeit der Veräußerung ist es gleichgültig, ob die letztere

Von Schenkungen.

949

vorgenommen hat14), sofern der andere Theil nicht Umstände nachweist 16), aus welchen zu entnehmen ist, daß er zur Zeit der Veräußerung um eine Absicht des Schuldners, seine Gläu­ biger durch die Veräußerung zu benachtheiligen16), nicht gewußt hat. unmittelbar an einen nahen Verwandten des Veräußerer- oder an eine Handelsgesellschaft geschieht, deren Mitglied jener ist. O.Tr. IV v. 1. Juli 1858, Gruchot, Beitr. 5 S. 202.

14) (7. A.) Rechtshandlungen, welche der Schuldner vorgenommen hat, unterliegen der Anfech­ tung nicht, wenn nicht der Schuldner es ist, durch dessen Rechtshandlung die Sache oder daö Recht auf den Erwerber (oder dessen Autor §. 16) übergegangen ist. In einem Streitfälle, wo Va­ ter und Sohn gewisse Werthpapiere, deren Eigenthum jeder für sich ausschließlich in Anspruch ge­ nommen , vergleichsweise an die Kinder des Sohnes veräußert (verschenkt) hatten, wurde deshalb daS Recht zur Anfechtung dieser Veräußerung den Gläubigern deS SohneS abgesprochen, weil dieser nicht Eigenthümer der Papiere gewesen war. O.Tr. IV v. 12. März 1874, Entsch. 72 S. 24 u. 25.

15) Hierdurch ist der indirekte oder Indizien-BeweiS, dessen Zulänglichkeit der Richter nach sei­ ner subjektiven Ueberzeugung zu bemessen hat, für zulässig erklärt. Dadurch ist aber dem Erwerber, welcher dadurch begünstigt sein soll, die Führung eines direkten Beweises nicht verschränkt, er kann daher zur Ausschließung des §. 5 Nr. 3 auch einen Eid darüber zuschieben, daß er zur Zeit des Ab­ schlusses des angefochtenen Vertrages von der Absicht des Exequendus, seine Gläubiger dadurch zu benachtheiligen, keine Kenntniß gehabt habe. Freilich wird der Delat diesen Eid nur de ignorantia anzunehmen und zu schwören haben, womit dem Produzenten nicht viel geholfen ist; denn gewiß kann derselbe mit gutem Gewissen schwören, daß er davon nichts wisse. O.Tr. IV v. 25. (2.) Fe­ bruar 1865, Entsch. 53 S. 361; Str. Arch. 58 S. 138. (6. A.) Ueber das Bedenkliche dieser Ent­ scheidung vergleiche Meischeider, die Pr. Gesetzg. über daS Anfechtungsrecht rc. S. 88. Das O.Tr. hat indeß an seiner Auffassung festgehalten. O.Tr. IV v. 28. Okt. 1868, Str. Arch. 72 S. 307. Es hat schließlich die Eideszuschiebüng über das Wissen oder Nichtwissen einer Partei ganz allgemein für zulässig erklärt. O.Tr.IV (Pr. 2708) v. 26. Sept. 1872, Entsch. 67 S. 442 und 68 S. 293; Str. Arch. 86 S. 200. (7. A.) Bergl. oben die Anm. 2 a. E.

16) „Ein Vertrag, durch welchen ein Schuldner eine Sache oder ein Recht einem Dritten der­ gestalt überlassen hat, daß der von dem Uebernehmer zu vergütende Werth zur Befriedigung gewisser Gläubiger des Schuldners verwendet worden ist, kann von anderen Gläubigern auf Grund des G. v. 26. April 1835 nur in sofern angefochten werden, als dargethan wird, daß der mit dem Dritten verabredete Preis zum Nachtheile jener übrigen Gläubiger augenscheinlich unverhältnißmäßig niedrig sestgestellt worden ist/' O.Tr. v. 25. März 1847, Entsch. 15 S. 87. Im Einklänge hiermit sagt das O.Tr. III in einem Erk. v. 6. Mai 1853, Str. Arch. 9 S. iso, daß ein Vertrag, durch welchen ein Schuldner seine Sache einem seiner Gläubiger käuflich überlassen hat, von den übrigen Gläubi­ gern dieses Schuldners auf den Grund des §. 2 des Gesetzes v. 26. April 1835 nur insoweit an­ gefochten werden könne, als von ihnen dargethan werden könne, daß der Kaufpreis zu ihrem Nach­ theile unverhältnißmäßig niedrig festgestellt worden. In solchem Falle fällt nämlich die Verkürzung der Gläubiger in soweit, als ihnen die Gegenleistung für den Gegenstand zugewendet wird, weg, folglich ist die Veräußerung keine bezügliche und der Anfechtung eines Dritten nicht unterworfen. Ist aber darunter eine Schenkung versteckt, welches der Fall, wenn der Preis in der Absicht deS Gebers auf Bereicherung des Anderen unverhältnißmäßig niedriger als der Werth gestellt ist; so un­ terliegt das Geschäft der Anfechtung als Schenkung auf Grund jenes wie auch des gegenwärtigen Gesetzes. Die Frage war, wie eine solche venditlo cum donatione mixta oder ein anderes negotium mixtum cum donatione behandelt werden sollte, ob nämlich das ganze Rechtsgeschäft, oder nur der, die Schenkung enthaltende Theil widerruflich sein sollte. Das G. v. 26. April 1835 und daS A. LR. haben darüber kein Prinzip, und das O.Tr. behandelt die Frage bei Gelegenheit des so eben mitgetheilten Ausspruchs nicht; denn die Fassung der Ueberschrift des erstgedachten Erk.: „kann — nur in sofern (d. h. in tantum) angefochten werden", ist nicht als Rechtsgrundsatz durch Beschluß des O.Tr. angenommen worden, sondern nur die wohl nicht erwogene Ausdrucksweise der Herausgeber. Das gegenwärtige Gesetz hat das Röm. Prinzip, unter Nr. 2 dieses Paragraphen, ausgenommen. Bergl. Anm. 11. , Wenn bei einem Kaufverträge zwischen den hier genannten Personen daS Kaufgeld durch „Kom­ pensation" berichtigt worden, ist zur Entkräftung der Vermuthung, daß die Kontrahenten den Ver­ trag in der unredlichen Absicht, die Gläubiger des Schuldners zu bevortheilen, geschlossen haben, nicht der Beweis erforderlich, daß der Forderung des Käufers ein Vorzugsrecht vor den Forderun­ gen aller Gläubiger zustehe, sondern es genügt der Beweis der Richtigkeit der kompensirten Forderung deS Käufers. O.Tr. II (Pr. 710) v. 9. August 1839. Das Pr. hat noch jetzt, auch bei der Fas­ sung der Nr. 3 dieses Paragraphen, wonach gleichfalls dem Erwerber der Beweis der Negative (die Widerlegung einer Vermuthung) aufgelegt ist, praktischen Werth. Da daS Gesetz eine Benachtheiligung des anfechtenden Gläubigers vorauSsetzt, so kann die An­ fechtungsklage in allen Fällen mit dem Einwande, daß dem Bekl. wegen der Forderung, zu deren Sicherung oder Tilgung daS angefochtene Rechtsgeschäft geschlossen worden, ein Vorrecht vor der

Erster Theil.

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Eilfter Titel.

(Gesetz v. 9. Mai 1855 §§. 5—7.)

Unter nahen Verwandten werden verstanden: die Verwandten in aufsteigender oder ab­ steigender Linie17 * * ), *18 * *sowie * * * * *die * * *vollbürtigen *** und halbbürtigen Geschwister. §. 6.

Kann der Gläubiger schon vor der Vollstreckbarkeit seiner Forderung, sei es bei Anstel-

lung der Klage oder im Laufe des Prozesses gegen den Schuldner, die Vermögensunzulänglichkeit

desselben bescheinigen") und eine der vorstehend (§. 5)

angeführten Rechtshandlungen bezeichnen,

welche er künftig anzufechten gedenkt, so hat auf seinen Antrag das Gericht diese Absicht sofort dem­ jenigen bekannt zu machen, gegen welchen die Anfechtung künftig gerichtet werden sott 19).20 Der Gläubiger erlangt durch eine solche Bekanntmachung das Recht,

den zweijährigen Zeit­

raum, auf welchen die Anfechtung beschränkt ist, schon vor dem Tage der Zustellung der Bekannt­ machung zurttckzurechnenao).

Forderung des Klägers gebühre (§. 15), entkräftet werden. O.Tr. IV v. 10. Ian. 1860, Str. Arch. 36 S. 135. Wenn ein insolventer Schuldner eine wirkliche Schuld dadurch, daß er dem Gläubiger Sachen verkauft und den Kaufpreis im Kontrakte auf solche Schuld verrechnet, berichtigt, so sehen die Kon­ kursordnung und das Anfechtungsgesetz dies nicht als eine unerlaubte, zur Benachteiligung der Gläu­ biger vorgenommene Veräußerung, sondern als eine nur in den besonderen Fällen der Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 §. 101 Nr. 2 u. 3 anfechtbare, sonst erlaubte Befriedigung eines einzelnen Gläu­ bigers aus dem noch vorhandenen Vermögen an und haben das natürliche Recht des Gläubigers, aus den bereitesten Mitteln seines Schuldners seine Befriedigung zu suchen und anzunehmen, nicht weiter, als a. a. O. geschehen ist, eingeschränkt. O.Tr. III v. 17. April 1863, Entsch. 49 S. 368 ; Str. Arch. 49 S. 164, In der A. G.O. I. 50 §. 44 war der römischrechtliche Grundsatz, daß die Be­ friedigung eines Gläubigers durch datio in solutum nicht unter das Prinzip der actio Pauliana falle, unbeschrankt anerkannt. Weiter als über die bestimmten Abweichungen in der Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 §. 101 Nr. 2 u. 3 ist eine Einschränkung des im §. 44 a. a. O. ausgesprochenen, dem Rechte völlig entsprechenden Grundsatzes nicht ausgesprochen, und demnach darf die Bestimmung des §. 5 Nr. 3 dieses Ges. auf Angaben an Zahluugsstatt nicht angewendet werden. O.Tr. IV v. 25. Sept. 1866, Str. Arch. 66 S. 95. (6. A.) Wenn aber auch davon ausgegangen wird, daß eine Veräuße­ rung , welche zum Zwecke der Tilgung einer bestehenden Schuld erfolgt, der Anfechtung auf Grund des tz. 5 nicht unterliegt, so kann doch dieser Grundsatz dann keine Anwendung finden, wenn die

Veräußerung nur theil weise zu dem Zwecke der Tilgung geschieht, t heilweise aber eine unter den Gesichtspunkt des §. 5 Nr. 3 fallende Veräußerung vorliegt. In einem solchen Falle ist viel­ mehr die Veräußerung anfechtbar, und soweit durch dieselbe eine Zahlung bewirkt war, tritt die For­

derung, deren Tilgung bezweckt worden, wieder in Kraft. O.Tr. IV v. 21. Septbr. 1869, Str. Arch. 76 S. 132.' Meischeider a. a. O. S.