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German Pages 428 Year 1921
CONRAD VON ORELLI
ALLGEMEINE RELIGIONSGESCHICHTE
ALLGEMEINE
RELIGIONSGESCHICHTE VON
CONRAD TON ORELLI D R . l ' H I L . E T T H E O L . , ORD. PROF. D E B T H E O L . IN B A S E L
ERSTER BAND
MANULDRUCK NACH DEK 2. AUFLAGE VON 1911
BONN A. M a r c u s & E. W e b e r ' s Verlag;. 1921
Ubersetzungsrecht. vorbehalten.
Vorwort zur zweiten Auflage. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Werkes sind zwölf Jahre verflossen. Bei dem reichen Zuwachs, welchen das Material dieser Wissenschaft unterdessen gewonnen hat, musste mir's hoch willkommen sein, diesem Fortschritt in einer neuen Ausgabe Rechnung zu tragen. Die Anlagt ist dieselbe geblieben. Der Zweck des theologischen Handbuchs brachte es mit sich, dass möglichst wenig in andere Disziplinen wie Geschichte Israels, Kirchengeschichte usw. übergegriffen werden sollte, für welche so zahlreiche Hülfsmittel vorhanden sind. Auch die Bestimmung des Werkes f ü r S t u d i e r e n d e legte mir manche Beschränkungen in der Auswahl des Stoffes und der Literatur auf, zugleich aber die Verpflichtung, den Weg zu weiterer Belehrung überall zu weisen. Mein Bestreben, auf diese Weise auch f ü r e i n e n w e i t e r e n L e s e r k r e i s verständlich und geniessbar zu schreiben, ist nicht ohne Erfolg geblieben. Auch ausserhalb der theologischen Zunft hat das Buch zu meiner Freude viele Leser und sogar manche Leserinnen gefunden. Das Bedürfnis nach einer solchen Darstellung scheint mir heute noch dringlicher als vor zwölf Jahren. Die Religionsgeschichte hat von Jahrzehnt zu Jahrzehnt in zunehmendem Masse die Teilnahme weiter Kreise gewonnen. Aber gerade bei der jetzt so beliebten theologisierenden Verwertung der Völkerreligionen begegnet man in der Literatur und sonst nicht selten einer höchst mangelhaften Kenntnis des objektiven Tatbestands und einem ebenso oberflächlichen Urteil bei der Religionsvergleichung, Diese Erscheinungen beweisen, dass die heutige Christenheit nicht bloss einer literargeschichtliehen, sondern auch einer t h e o l o g i s c h e n Orientierung über den Gegenstand bedarf. Diese wird allerdings je nach dem Standpunkt des Beurteilers verschieden ausfallen. Charakteristisch ist dafür z. B., dass in einem Standard-work der protestantischen Theologie Muhammed als ein echter Prophet hingestellt wird! Da ist es wahrlich nicht überflüssig, dass auch ein
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Vorwort zur zweiten Auflage.
anderer, höherer Massstab angelegt werde. Jeder bringt eben seinen Massstab mit. Es war aber vor allem mein Bestreben, die Religionen selbst sprechen zu lassen und ihrem religiösen Gehalt gerecht zu werden, ohne sie zu idealisieren. Die meisten Kapitel bedurften einer durchgängigen Uberarbeitung, einzelne sind ganz neu geschrieben, z. B. der Abschnitt über Japan, der in der ersten Auflage höchst unzureichend war. Dem Herrn Dr. H a n s H a a s , der sich mit Recht darüber aufhielt, verdanke ich manche wertvolle Belehrungen. Auch den andern Kritikern war ich für jede sachliche Ausstellung dankbar, während ich allerdings mit blosen Werturteilen nichts anfangen konnte, zumal wenn sich herausstellte, dass der Rezensent das Buch nicht einmal ordentlich gelesen hatte. Besondern Dank schulde ich Herrn Prof. Ed. N a v i l l e in Genf für freundliche Auskunft und dem Herrn Prof. S e y b o l d in Tübingen für durchgehende Notizen zum Abschnitt über Islam. Was die Transskription der Eigennamen betrifft, so habe ich bei diesem für weitere Kreise deutscher Leser bestimmten Buche im allgemeinen die d e u t s c h e Wiedergabe der Laute angestrebt und damit meist auf die unter Fachleuten übliche, bald englische, bald französische Umschreibung verzichtet, die ja genauere Schattierungen angibt, aber bei deutschen Lesern fast sicher zu falscher Aussprache führt. Aber ganz konsequent bin ich dabei nicht gewesen, was auch in einem Buche, das so verschiedene Sprachgebiete behandelt, kaum möglich ist. Zu den Ausgaben des Tao te-king Seite 59 f. sind noch hinzuzufügen die während des Druckes erschienenen von J u l i u s G r i l l (Tübingen 1910) und R. W i l h e l m (Jena 1911); zu Seite 237: Das Gilgamesch-Epos, übersetzt von A. U n g n a d , erläutert von G. G r e s s m a n n , Göttingen 1911; zu Seite .256 das zusammenfassende, reichhaltige Werk von Graf W. B a u d i s s i n : Adonis und Esmun, Leipzig 1911. Obwohl ich miob l»emühte, den Umfang dieses Handbuches nicht anschwellen zu lassen —• dieser erste Band ist kaum l 1 /« Bogen stärker als der entsprechende Teil der ersten Auflage — empfahl es sich doch, das Ganze in zwei Bände zu teilen. Die erste Lieferung der zweiten Hälfte soll Deo volente im nächsten Jahre erscheinen. B a s e l , 25. September 1911.
Der Verfasser.
Inhaltsübersicht. Einleitung. Seite 1. Die Religion im allgemeinen 1 2. Allgemeine Religionsgeschichte 5 3. Religion und Kultur 7 i. Die Einteilung der Religionen 13 6. Verhältnis der allgemeinen Religionsgeschichte zur christl. Theologie 19 6. Geschichte der Disziplin 22 A. Turanische Gruppe. I. Religion der Chinesen. Einleitung 30 1. Die altchinesische Reichsreligion 45 2. Lao-tse 59 3. Kong-tse's Leben und Lehre 65 4. Spätere Meister 76 5. Entwicklung der chinesischen Volksreligion bis auf die Gegenwart 83 II. Religionen 4er Übrigen turanischen Völker 89 1. Die mongolisch-tatarischen Religionen 90 2. Die Finnische Religion 100 3. Die Japanische Religion Einleitung 104 a) Der Schinto 106 b) Kongtse in Japan 113 c) Der Buddhismus in Japan 114 d) Die Religion im heutigen Japan 119 B. Hamitische Familie. Religion der alten igypter. Einleitung . . . . , 1. Selbstdarstellung der Gottheit in der sichtbaren Natur. . 2. Die vornehmsten Götter der alten Ägypter 3. Historisch-theologische Kritik der ägypt. Götterlehre, . . 4. Leben nach dem Tode. Totenkultus . . 5. Verhältnis zur Gottheit: Kultus, Frömmigkeit, Sittlichkeif C. Semitische Familie. I. Religion der Rabylonier und syrer. Einleitung 1. Götter der BaJbylonier und Assyrer 2. Magie und Mantlk 3. Sittlichkeit, Frömmigkeit,. Kultus 4. Kosmogonie und mythologische Epen 5. Der Zustand nach dem Tode
122 144 152 166 171 178
182 196 211 221 231 241
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Inhaltsübersicht.
II. Religion der Phönizier, Kanaaniter, Karthager. Einleitung' 1. Vorstellungen von der Gottheit 2. Kultus und Frömmigkeit III. Religion der AramUer, Ammoniter, Moabiter, Edomiter, Araber IV. Israel und die Semiten T. Das Christentum VI. Der Hanichäismus VII. Die Mandäische Religion VIII. Der Islam. Einleitung 1. Religion der vorislamischen Araber 2. Muhammed, sein Leben und persönlicher Charakter . . . 3. Der Koran 4. Lehre und Kultus im Islam 5. Ausbreitung und Spaltungen im Islam
245 249 261 270 280 297 299 31] 323 325 343 373 377 394
Abkürzungen. ATB.
= Hugo Gressmann, Altorientalische Texte und Bilder zum Alten Testamente I u. II. Tübingen 1909. ATLO. = Alfred Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des Alten Orients. 2. Aufl. Leipz. 1906. BMM. = Basler Missionsmagazin. BUL. = A. Bertholet, Religionsgeschichtliches Lesebuch. Tüb. 1908. CIS. = Corpus Inscriptionum Semiticarum. Paris 1881 ff. KAT. 2. 3. = Eb. Schräder, Die Keilinschriften und das Alte Testament, 2. Aufl. Giessen 1883. 3. Aufl. neu bearbeitet von H. Zimmern und H. Winckler. NKZ. = N e u e Kirchliche Zeitschrift, herausgegeben von G. Holzhauser. 1890 ff. PRE. i. ä. 3. = Protestantische Realencyklopädie. 1. 2. 3. Auflage. RHU = Revue de l'Histoire des Religions. Paris 1880 ff. RUV. = Religionsurkunden der Völker, herausgegeben von Julius Böhmer. Leipz. 1909 ff. SBE. = Sacred Books of the East, herausgegeben von Max Müller in Oxford. T i l l IC —Transactions of the III International Congress for the History of Religions. Oxford 1908. TLZ. = Theologische Literaturzeitung, herausgegeben von Harnack und Schürer. TSK. = Theologische Studien und Kritiken. V II IK = Verhandlungen des II. Internationalen Kongresses für Allgemeine Religionsgeschichte. Basel 1905. ZDMG. = Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft.
E i n l e i t u n g '). 1. Die Religion im allgemeinen. Das Wort „Religion" wird in subjektivem und in objektivem Sinne gebraucht. In ersterem versteht man unter Religion das Verhalten des Menschen zur Gottheit, soweit diese mit unmittelbarer Gewissheit in sein Bewusstsein getreten und für dasselbe Autorität geworden ist. Dieses, im Innersten des Menschen wurzelnde Verhältnis wirkt sich im Gefühl, Intellekt und Willen des Menschen aus. Die unmittelbare Empfindung des Göttlichen spricht sich im Kultus aus, das vernünftige Bewusstsein davon prägt sich aus in Symbolen, Mythen, Lehren usw. Das praktische Bestimmtsein durch das Göttliche tritt zutage in Sitten, Rechten, Gesetzen, ethischen Grundsätzen. Die Gesamtheit dieser Lebensäusserungen des religiösen Bewusstseins nennt man R e l i g i o n im o b j e k t i v e n Sinne. Bestimmt man die Religion einfach als das Verhältnis des Menschen zu Gott, so ist der Begriff zu weit gefasst. Alles Endliche, auch Tiere und Pflanzen stehen zu Gott in einem Verhältnis. Aber Religion hat nur der Mensch, bei welchem dieses Verhältnis ein b e w u s s t e s ist. Dies liegt auch schon in dem ursprünglichen Sinne des Wortes religio, das, wie immer man es etymologisch ableite 2 ), ein subjektives Verhalten, bewusste Ehrfurcht vor 1) F. Max M ü l l e r , Vorlesungen über den Ursprung und die Entwicklung der Religion, Strassb. 1880. — D e r s e l b e , Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft, Strassb. 1876. — D e r s e l b e , Essays, 2 Bändchen, Leipzig 1869. — Victor v o n S t r a u s s u n d T o r n e y , Essays zur Allg. Religionswissenschaft, Heidelb. 1879. — J. G. M ü l l e r , Über Bildung und Gebrauch des Wortes Religio, Programm, 2Basel 1834 und TSK 1835, Heft 1. — J. K ö s t l i n , Art. „Religion" PRE , 12, 638 ff. — A. R é v i lie, Prolégomènes de l'Histoire des Religions, Paris 1881. 2) Bekanntlich stehen sich gegenüber die Ableitungen Ci c e r o s von relegere und diejenige des L a c t a n z von religare. C i c e r o sagt De nat. deorum 2, 28: Qui omnia quae ad cultum deorum pertinerent, diligenter retractarent et tanquam relegerent, religiosi dicti sunt ex relegando, ut eleganter ex eligendo, tanquam a deligendo diligenter, ex intelligendo intelligenter; his euim in verbis omnibus inest vis legendi eadem quae in religioso. Es bedeutet dann religio eigentlich das WiederO r e 11 i, Religionsgeschichte. 1
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Ginleitung.
dem Göttlichen ausdrückt. In obiger Definition ist aber auch die Beschränktheit und der relative Charakter des Verhältnisses zu Gott angedeutet. Religion findet sich auch da, wo der uns Christen bekannte Gott ein unbekannter ist und nur spärliche, sehr getrübte Lichtstrahlen seines Wesens ins Bewusstsein der Menschen gefallen sind. Gerade um seiner Unbestimmtheit und Allgemeinheit willen ist für diese Seite des Lebens der Menschheit der Ausdruck „Religion" unentbehrlich, so wenig er in den kirchlichen Sprachgebrauch gehört, in welchen er seit der Zeit des Rationalismus etwa eingedrungen ist. Treffender als das lateinische religio drückt jenen allgemeinen Begriff aus das hebräische jir'ath Elohim (Gen. 20,11), „Furcht der Gottheit", welche auch Heiden zugeschrieben wird und auch bei diesen sittlich wirkt (Gen. 42,18). Doch lässt sich die Unbestimmtheit und Relativität, die in dem hebräischen Elohim liegt, nicht übersetzen. Nahe verwandt ist auch das griechische deisidaimonia (Apost. 17, 2 2 ; vgl. 25, 19), Ängstlichkeit vor den unsichtbaren Mächten (Dämonen). Doch wäre mit diesem Worte das Relative zu stark ausgesprochen, als dass wir auch die Gottesfurcht der Juden und Christen darunter begreifen könnten. Schon aus dem bisherigen geht hervor, dass nicht jedes Bewusstsein vom Überirdischen schon religiös ist oder gar das Wesen der Religion ausmacht. Es lässt sich ein bloss verstandesmässiges Bewusstsein von einem Unendlichen, Absoluten, Ewigen denken, das durch Operation des Verstandes gewonnen ist. Ein Philosoph, der auf solchem Wege zu einem Gottesbegriff gelangt, hat darum noch nicht Religion. Erst dann wird man ihm solche nicht absprechen können, wenn dieser Gott, den er durch umständliche logische Arbeit gefunden hat, m i t u n m i t t e l b a r e r G e w i s s h e i t von ihm empfunden und für sein Leben A u t o r i t ä t geworden ist. Nicht selten freilich sind Religionen i n t e l l e k t u a l i s t i s c h geworden; aber durch die einseitige Betonung des Wissens um den Inhalt ihres Glaubens ist jedesmal ihr Leben erstarrt. Darauf folgte etwa eine Reaktion, indem ebenso einseitig die p r a k t i s c h e T u g e n d als das Wesentliche an der Religion angepriesen wurde, d. h. das Bestimmtsein des Lebens durch die göttliche Norm. Allein so unveräusserlich jeder gesunden Religion die Ausgestaltung im sittlichen Leben ist, so ist doch das sittliche Handeln an sich nicht iesen, Überlegen, Überdenken, die Bedenklichkeit, Scheu (J. G. Müller) oder das Wiederlesen und fleissige Durchnehmen religiöser Satzungen (Köstlin). Dass der Übergang der Bedeutungen sehr durchsichtig sei, kann man nicht behaupten. L a c t a n t i u s (Instit. div. 4, 28) sagt: Hoc vinculo pietatis obstricti deo et religati sumus; unde ipsa religio nomen accepit, non, ut Cicero interpretatus est, a relegendo. Religion wäre also das Gebundensein, bzw. Sichgebundenwissen, von einer höheren Macht. Diese, eine Zeitlang ganz fallengelassene Erklärung, welche logisch nichts zu wünschen übrig liesse, aber etymologisch etwas weniger wahrscheinlich ist, findet neuerdings wieder namhafte Vertreter. Dass von religare das Subst. religio gebildet wurde, ist in der Tat möglich, wie die Beispiele optio, rebellio, internecio, von optare, rebellare, internecare u. a. beweisen.
Die Religion im allgemeinen.
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notwendig religiös. Bekanntlich hat Schleiermacher der intellektualistischen und der moralistischen Fassung der Religion eine dritte gegenübergestellt 1 ), welche sich noch immer des meisten Beifalls erfreut. Nach ihm ist das Gebiet der Religion das menschliche Gemüt, ihr Wesen ein bestimmtes G e f ü h l , das er näher als „absolutes Abhängigkeitsgefühl" bezeichnet hat. Sobald man unter diesem Gefühl nicht ein bloss zuständliches, sondern ein gegenständliches mit objektivem Inhalt versteht, so leuchtet ein, dass damit eine hohe Wahrheit, wenn auch nicht ohne Einseitigkeit, ausgesprochen ist. Liegt es doch in dem Wesen des Absoluten, Göttlichen, dass es nicht von den Kategorien des Verstandes erfasst, sondern nur vom Gemüt empfunden werden kann. Gefühle sind die ersten Regungen des Göttlichen im Menschen, und die innigste Art, wie er das Göttliche in sich aufnehmen kann, bleibt bis zuletzt noch Gefühl. Allein darum ist noch nicht die Religion reine Sache des Gefühls oder das blosse Gefühl des Unendlichen, Göttlichen schon Religion. Wir haben das religiöse Gefühl als ein gegenständliches bezeichnet; der Gegenstand, welcher dasselbe hervorruft, muss notwendig ins Bewusstsein treten. Damit ist dem intellektuellen Faktor ebenfalls ein konstitutives Recht in der Religion eingeräumt. Ohne dass dieser den göttlichen Inhalt zu erkennen sich bemüht, kommt es zu keiner Religion. Auch ist nicht richtig, ft den prächtigen ttgypt. Tempeln in deren innerstem Gemach eine Katze, ein Krokodil, eine Schlange oder sonst ein garstiges Tier sein Wesen treibe. verhöhnteD
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Ägyptische Religion.
sie znm Teil örtlich begrenzt und bestimmt, indem die einzelne Stadt oder der Gaa sein besonderes Tier hatte. Z. B. zu Tachompsa wurde das Krokodil, in Bubastis die Eatze, in Kynopolis der Hund, zu Theben der "Widder, in Lykopolis der Wolf verehrt. Diese Verschiedenheit in der Heilighaltung konnte sogar gelegentlich bis zu blutigen Fehden führen, indem z. B. in der römischen Zeit die Bewohner der Stadt Oxyrynchus an den Bewohnern von Kynopolis, die ihren heiligen Fisch assen, durch Abschlachten von Hunden, sich rächten, worauf Krieg zwischen ihnen ausbrach 1 ). Die Verehrung ging aber auch über die Bezirksgrenzen hinaus. Wenn der Bock von Mendes starb, wer Trauer im ganzen Gau; wenn der Apisstier starb, im ganzen Land. Auch Ibis, scarabaeus sacer,. Katze, Sperber hielt man in ganz Ägypten heilig. Wie der Apisstier zeigt, liebte man es, ein bestimmtes Exemplar der hl. Gattung repräsentativ zu verehren. Diese erkorenen Tiere wurden durch, ihre Priester sorgsam gepflegt; ein Stück Land war ihnen geheiligt, dessen Ertrag zu ihrem Unterhalt diente 8 ). Die verstorbenen hl. Tiere wurden einbalsamiert und mumisiert. Viele solche Mumien von Stieren, Kühen, Schakalen, Hunden, Geiern, Katzen, Krokodilen usw sind gefunden worden. Endlich hatte oft auch das einzelne Haus sein Tier, meist einen Vogel oder eine Katze, die als Hausgott gehalten and nach ihrem Ableben mumisiert und unter den Mitgliedern der Familie bestattet wurden. Die Tötung eines hl. Tieres galt als schweres Verbrechen. Diodor (1, 83) erzählte, dass selbst wet unabsichtlich einen Ibis oder eine Katze tötete, sterben musste und von der entrüsteten Menge oft ohne Richterspruch aufs grausamste g itötet wurde. Sogar ein Mitglied der römischen Gesandtschaft, welche man aufs rücksichtsvollste zu behandeln beflissen war, hätten die Behörden, da es unabsichtlich eine Katze tötete, nicht vor der Rache des Volkes zu schützen vermocht. Und Herodot (2, 66) sagt: Wenn eine Katze im Hause sterbe, schneiden sich alle Hausbewohner die Augenbrauen ab. Bei Feuersbrünsten sei man nur auf Rettung der Katzen bedacht; wenn diese dennoch im Feuer umkommen, gebe es grosse Trauer. Die hauptsächlich verehrten Tiere seien hier aufgezählt: Der S t i e r , speziell das unter dem Namen hapi (griech. am;) verehrte einzelne Exemplar, nach dem Glauben der Ägypter von einerdurch einen Lichtstrahl vom Himmel (Herodot)3) oder Mondstrahl (Plutarch) 4 ) befruchteten Kuh geworfen, galt recht eigentlich als Inkarnation der befruchtenden Gottheit. Man erkannte ihn an gewissen Merkmalen: Er musste von schwarzer Farbe sein, aber auf 1) Plutarch, de Iside c. 72. Über das Verhältnis dieses Falles zu. dem von Juvenal, Sat. 16 erzählten, siehe P a r t h e v ' s Ausgabe S. 269 ff„ 2) S. Näheres bes. Diodor 1, 83. 3) Herod. 9, 80. 4) De Iside c. 43.
Verehrung der Gottheit ia der Natur.
Tierkultus.
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der Stirne ein weisses Viereck zeigen, auf dem Rücken einen adler^rtigen Flecken, im Schwanz zweifarbige Haare, unter der Zunge einen käferförmigen Wulst 1 ). Hatte man ein entsprechendes Exemplar gefunden, so wurde er zuerst auf 40 Tage nach Nilopolis geführt, wo er auch für die Weiber zugänglich war, die sich ihm dort vorstellten, während er sonst ihren Blicken entzogen blieb. Darauf wurde er auf ein Boot gebracht, das ihn in einem vergoldeten Gehäuse nach Memphis führte, wo er im Tempel des Ptah seine lebenslängliche Residenz erhielt 8 ). Dort wurde er aufs beste verpflegt und von angesehenen Männern gefüttert; man schmückte seine Lagerstätten aufs schönste und gesellte ihm die stattlichsten Kühe bei. Auch an Salben und Weihrauch liess man «s ihm nie fehlen. Starb er, so trauerte das ganze Land, bis ein neuer Apis gefunden war. Den verendeten mumisierte man und bestattete ihn mit ungeheuerem Aufwand 3 ). Beigesetzt wurden die Apisleichen im Serapeion, d. h. Osiris-Apis-Tempel unweit Memphis, in der Nähe des heutigen Sakkara, wo derselbe samt den gross-? artigen unterirdischen Gängen wieder autgefunden ist, in welchen zu beiden Seiten Nischen in den Fels gehauen sind, in denen die kolossalen Sarkophage stehen. Das älteste dieser Gräber weist auf Amenophis III (18. Dyn.). Ramses II (19. Dyn.) hat diesen Gräberpalast erweitert, ebenso Psammetich I. Bis jetzt sind gegen 70 solche Grabstätten aufgedeckt, wovon allerdings nur die wenigsten unversehrt waren. In diesem Stier, in welchem sich derselbe Gott darstellt wie im Nilstrom (S. 145), wird die göttliche Z e u g u n g s k r a f t verehrt, die er verkörpert. Er ist schwarz, wie der fruchtbare Boden Ägyptens. „Seine ungeheure Zeugungskraft und lust brütet dumpf in ihm wie in dem schwarzen Boden Ägyptens die nimmer ruhende Triebkraft" (Ebers). Auf den befruchtenden Einfluss des Lichtes deutet das über seine Empfängnis Gesagte, sowie seine bedeutsamen lichten Flecken auf dunkeim Grund. Er wird auch mit der fionnenscheibe zwischen den Hörnern abgebildet, ebenso mit der Uräusschlange. Damit, d&ss er das männliche, Leben schaffende Prinzip darstellt, stimmt überein sein Aufenthalt bei P t a h , dem Gotte des schöpferischen Anfangs, sowie seine nahe Beziehung zum Gott O s i r i s , mit welchem er sogar identisch gesetzt wird. Schon die Denkmäler reden vom Gott Osiris-Apis. Plutarch 4 ) sagt: „Den Apis halten sie für ein beseeltes Bild des Osiris" und an einer andern Stelle 5 ): „Die meisten Priester sagen, Osiris und Apis seien eng miteinander verflochten, indem sie uns berichten, und belehren, man habe den Apis als ein wohlgestaltetes Bild der Seele des 1) 2) 3) 4) 5)
Heroaot 3. 28. Diodor 1, 85. Vgl. z. B. Diodor 1, 84 Ende. De Iside c. 42. De Iside c. 29.
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Ägyptische Religion.
Osiris anzusehn". Diodor: „Einige sagen, die Seele des Osiris sei bei seinen Sterben in den Apis übergegangen und auf diese Weise verhärte er bis jetzt nach seinen Erscheinungen bei den Nachgeborenen 1 )". Eine Art Doppelgänger hatte der Apis in dem Stier M n e v i s (Mvev'is), welcher im Soimenheiligtum zu On (Heliopolis) gehalten wurdö) nach gewissen Abbildungen ein weiser Stier, nach Plutarch (de Iside c. 33) dagegen schwarz, und im O n u p h i s , dem schwarzen, widerhaarigen, struppigen Stier der Stadt Hermonthis (Aelian). Wesentlich dasselbe Prinzip wird verkörpert geschaut und verehrt im Bock oder Widdfcr*) zu Mendes und im W i d d e r zu Theben (Herodot). Anderer Art ist, wa den Vogel I b i s (threskiornis religiosa) verehrungswürdig machte. Dieser weisse Vogel von würdevoller- Haltung und leichtem Flug verzehrte nicht nur das Ungeziefer am Nil, sondern erschien auch jedesmal, wenn das Steigen des Stromes begann, so dass man ihn als den guten Genius dieser Naturerscheinung ansah, welcher die rechte Zeit dafür angab. Deshalb war er dem Thot, dem Gott des Zeitmasses und der Schriftzeicben heilig, welcher sehr häufig geradezu mit Ibiskopf erscheint. Ebenfalls mit der Nilschwelle in Verbindung steht der Vogel B e n n o , Phönix, eine Art Beiher mit zwei langen Federn am Hinterkopf, ardea cinerea (Lepsius) oder purpurea (Wiedemann), in welchem man die Lebenskraft der Selbstverjüngung zu erkennen glaubte, so dass man ihn mit Osiris in Zusammenhang brachte. Und zwar wurde er besonders zu Heliopolis verehrt. Herodot (2, 73) erzählt als Sage der Bewohner dieser Stadt, nach je 500 Jahren komme ein grosser Vogel, rot- und goldfarbig und bringe die Überreste seines Vaters aus Arabien, um sie im Heiligtum des Sonneflgottes zu bestatten. Nach Plinius H. N. 10, 2; vgl. 13, 9, u. a. war die Erzählung die, dass der Phönix, wenn er 500 Jahre alt geworden, sich auf einem von ihm selbst gerüsteten Scheiterhaufen von Spezereien verbrenne und sich dann wieder erzeuge, worauf er die Überreste seines alten Leibes nach Heliopolis bringe. Die regelmässige Wiederkehr des Bennu nach einem halben Jahrtausend bezeichnet ihn als Vertreter einer astronomischen Periode. Die Monumente sagen freilich noch nichts von einem solchen Zeitraum, doch Ist schon dort der Bennu Symbol der aufgehenden Morgensonnne, daher Zeichen der Auferstehung, und schwebt auf Abbildungen aus Flammen gen Himmel. Auch wandelt sich die Seele des Verstorbenen mit Vorliebe in einen Bennu, d. h. nimmt 1) Diodor 1, 85. 2) Vgl. die grosse Stele des Ptolemäus Philadelphus zu Mendes, welcher König der Sohn des hl. W i d d e r s heisst. Dieser selbst wird genannt: „Der Herr der Stadt Mendes, der grosse Gott, das Leben des Ra, der Begattende, der Fürst der jungen Frauen, der einzige Gott, die Ur-Mannskraft der Götter UDd Menschen" usw. B i u g s c h in d. Ztschr. für äg. Sprache, 1875, S. 33 ff.
Verehrung der Gottheit In der Natur.
Tierkultus.
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seine Gestalt an 1 ). Auch der S p e r b e r oder F a l k e * ) (iegaS, ion. i'gtjS), nach Herod. 2, 65 eines der heiligsten Tiere, bat astralen Charakter; er gehört als siegreich auffliegendes T i e r dem Gott Eoros an. Der S k a r a b ä u s (scarabaeus sacer), eine Ägypten eigentümliche Käferart, galt dagegen als Repräsentant der männlichen Urzeugung, da man glaubte, er pflanze sich ohne Weibchen fort, und man an ihm wahrnahm, dass er seine Eier in eine Mistkugel lege, welche 28 T a g e nnter der Erde bleibe, bis die Jungen daraus hervorgehen. So glich er dem weltscbaffenden Gott, der nach weit -verbreiteter Anschauung ein Weltei erzeugt, als dessen Schalen Himmel und Erde sich auftun. Der Skarabäus ist deshalb dem Ptah, dem Gott fies schöpferischen Anfangs,, heilig. Er erscheint unendlich häufig auf den Denkmälern. Auch die Gräber sind mit künstlich gebildeten Skarabäen besät. Die K a t z e , dem Sonnengott Ba als Kater, seiner «Tochter Bast als weibliches Tier heilig, wurde besonders in Heliopolis und Bubastis verehrt. Katzenmumien sind aber auch in Theben und sonst gefanden worden. Die Reinlichkeit des Tieres, das nichts schmutziges an sich duldet, scheint den Anlass gegeben zu haben, da6s man es als lichtfreundliches Wesen dem Sonnengotte beigab; auch die Veränderung seiner Pupillen nach dem Grade des Lichts mochte merkwürdig genug scheinen. Der hl. Kater des Ra zu Heliopolis wird in einer Inschrift aus dem 4. Jahrhundert v . Chr. beschrieben: „Dein K o p f ist der Kopf des Sonnengottes. Deine Nase ist die Nase des Thot, des zweitaal grossen Herrn von. Hefmopolis. Deine Ohren sind die Ohren des Ofsiris, «reicher hört die Stimme aller, die ihn anrufen. Dein Mund ist der Mund des Gottes Tum, des Herrn des Lebens: er hat dich bewahrt vor allem Schmutze. Dein Herz ist das Herz des Ptah,er hat dich gereinigt von allem bösen Schmutz an deinen Gliedern. Deine Zähne sind die Zähne des Gottes Chunsu (des Mondgottes). Deine Schenkel sind die Schenkel des Gottes Horos, des Rächers seines Vaters Osiris, welcher vergolten hat dem Set das Böse, das er jenem bereitet." Das K r o k o d i l dagegen wurde nur in gewissen Landesteilen verehrt, so in Arsinoe (Krokodilopolis, südlich von Theben), Theben, am Mörissee, während man es anderwärts als ty phonisch verabscheute und verfolgte. W i e die heiligen Exemplare gepflegt wurden, erzählen Herodot (2, 69) und Strabo (p. 811)'. Der Gott, welchem dieses Tier gehörte, war Sebek. Der Grund seiner Verehrung wird darin liegen, dass es neben dem Hippopotamos, der auch in gewissen Gegenden verehrt wurde, das cnarakteristische Tier des hl. Nilstroms war, daher geeignet, die Kraft des feuchten Elementes darzustellen, in welchem es hauste. Von S c h l a n g e n wurden verschiedene Arten heilig gehalten, besonders unschädliche (Herod. 2,, 74). Als gute wohltätige Gottheit führt 1) Vgl. YViedemann über die Sage vom Vogel Phönix, Ag. Zeitsehr. 1878, S. 89 ff. 2) Nach L o r t e t : Wanderfalke, s. Navil& Rel. S. 15.
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Ägyptische Religion.
di« Schlange den Namen K n u p h . Sie stellt besonders die Heilkraft dar. Dabei kommt die heilsame Wirkung des Wassers in Betracht, welches die Schlange darstellt, aber auch die Häutung der Schlange, welche medizinisch verheissungsreich ist. Man trug Ringe, Armspangen u. dgl. in Schlangenform als Amulette gegen schädliche Einflüsse. Ein Kakodämou ist dagegen die mythische Schlange Apep (Apophis), in welcher die Finsternis und die schädlichen Dünste, die das Sonnenlicht bekämpfen oder auch das verderbliche Meerwasser, sich lebendig darstellen. Die G e i e r waren der Göttin Mut (s. unten S. 162) heilig, angeblich weil es von dieser Tierart keine männliche Exemplare gebe. Der intelligente Hundskopfaffe (xvvoxeipaios) war dem Thot heilig, der S c h a k a l (aus einem nahe liegenden Grunde) dein Gott Anupu (Anubis), welcher die Toten geleitet. Auch Kuh, Rind, Hund, Löwe, Wolf, Ichneumon, der Fisch Oxyrynehus u. a. Tiere sind göttlicher Ehre teilhaftig geworden. Wie in der Tierwelt, so sah man auch ir der P f l a n z e n welt göttliche Lebensäusserungen, da die Pflanzen am einfachsten und reinsten die Samenkräfte der Natur zur Anschauung bringen. Doch sind die heiligen Pflanzen spärlicher. Dahin gehört namentlich die L o t o s b l u m e (wie in Indien) ägypt. seschni, eine Wasserlilie, die beim Aufgang der Sonne über dem Wasser erscheint und sich erschliesst, dagegen, bei Sonnenuntergang sich wieder unter dem Wasser versteckt (Farbe rot oder blau). Die Pflanze ist also vom Lichte sichtlich abhängig; zugleich bewegt sie sich im feuchten, fruchtbaren Element des Süsswassers. Sie schliesst ausserdem das Geheimnis der Befruchtung in sich, ist „Geburts- und Hochzeitsstätte von Osiris und Isis". Hör wird dargestellt dem Lotoskelohe entsteigend; Osiris auf dem Lotosblatte wie Brahma bei den Indiern. Die Göttinnen führen meist ein Szepter mit Lotosblume. Auch die P a l m e gilt als heilig; dass sie wie der oben erwähnte Vogel den Namen bennu führt (vgl. den Doppelsinn von ) und Aa%6g (so zu lesen statt Aa%rj, Aayos), es ist das Götterpaar Lachmu und Lachamu, ferner Ku>oaßtf und Aaacogog (die Götter Kisar und 1) B e r o s i Fragm. ed. Müller 1. 4. 7. — L e n o r m a n t , Essai de Commentaire des Fragments Cosmogoniques de B6rose, Paris 1871. 2) Eine Abbildung dieses Wesens siehe z. B. bei Smith, Chald. Gen. S. 40. 3) ßcdäzd im Blick auf die folgende Erklärung, vielleicht' blosser Schreibfehler für (kmärt = T&vat, Tftmat, Tiamtu, Meer. — S c h r ä d e r , KAT« S. J3. 4) Ob dieser Zug sich wirklich so bei Berqsus fand, oder ob es sich um das Blut des Ungeheuers handelt«, darüber siehe Zweifel bei G u n k e l S. 20f. 5) De primis principiis c. 125.
Mythische Epen.
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An§ar, welche der untern und obern Kegion, Erde und Himmel entsprechen), aas diesen die dreU 'Av6s, "IXitvos nnd 'A6s (die Trias Ana, In-lil, Eaj; als der Sohn des H6e and der Aavxq sei ffijloi geboren, den sie fttr den Demiargen halten. Die beiden Urprinzipien entsprechen dem axSzoc und VÖCOQ bei Herodot, der assyr.-bab. Tiämat (Meerestiefe hebr. töhöm) und Apsa (Abgrund). Aus den Keilinschriften ergibt sich nun, dass in Assyrien, bzw. Babylonien, woner man diese Mythen hatte (ohne dass damit ihr niohtsemitischer Ursprung bewiesen wäre), verschiedene Darstellungen des Weltanfangs in Ansehen standen. Am bekanntesten ist das sog. Siebentafel-Epos Enuma eliS, das den schon auf uralten Siegeln abgebildeten Zweikampf des Gottes mit dem Drachen einlässlich erzahlt. Näher ist es die aus Babel stammende (wenn auch in Ninive gefundene) Version, in welcher i l a r d u k als der siegreiche Schöpfergott statt des alten Enlil-Bel eingesetzt worden. Die als Drache dargestellte T i ä m a t ( = Omorka des Ber.) erscheint als Gebärerin des Alls, aus welcher zuerst die Götter hervorgingen : Zuerst Lachmu und Lachamu, dann Anschar und Kischar, dann die Trias Ana, Enlil-Bel, Ea, ferner des letztern Sohn Mardak, und die übrigen Götter, namentlich auch der Feuergott Gibil. Die Urmatter Tiamat will diese Götter vertilgen, wahrscheinlich weil sie ihre Alleinherrschaft durch deren Walten gefährdet sieht. Sie sammelt um sich die furchtbaren Götter und Geister der Finsternis, zu deren Haupt Sie den Kingu erhebt, dem sie die Schicksalstafeln an die Brust heftet: „Dein Befehl werde nicht gebeugt, fest stehe dein Ausspruch." Um die bedrohten Götter zu retten, sandte AnSar gegen die wütende Tiamat zuerst den Gott Anu, der aber vor ihr erschrak und umkehrte, dann mit demselben Misserfolg einen anderen. Gott; endlich aber den Bei Marduk, welcher sich als Preis die Herrschaft über alle Götter ausbedingt und dann den furchtbaren Kampf mit dem chaotischen Ungeheuer wagt. Er hieb den Leib dW Tiamat mitten entzwei, „gleich einem Fisch", indem er aus der obern Hälfte den Himmel, aus der untern den Bau der Erde herstellte. E r schloss die Uber dem Himmel wie die untei der Erde befindlichen Wasser ab und sonderte so auch Festland und Meer. Auf Tafel 5 wird die Erschaffung der Gestirne erzählt. Die Verwandtschaft mit Gen. 1 , 1 4 ff. ist hier deutlicher. Merkwürdig ist aber, dass der babylonische Bericht viel künstlicher und komplizierter ist als der biblische, indem er die Sternbilder des Tierkreises, den Nord- und Südpol, die Planeten, die verschiedenen Mondphasen namhaft macht, während die Erzählung der Genesis eine kindlich naive und primitive Weltbetrachtung zeigt, so dass sie gewiss nicht aus dem vorliegenden künstlichen Entwicklungsstadium der babylonischen Sage durch Vereinfachung geflossen ist'), sondern mit dieser auf eine bedeutend ältere semitische "Über1) Gegen J e n s e n , welcher die vorliegenden assyrischen Texte s den Prototyp der biblischen Legenden" nennt, Kosmologie S. 304.
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lieferung zurückgeht. Die theologische Verschiedenheit zwischen beiden Darstellungen leuchtet ein und die Vergleichung dient am beBten dazu, die hohe geistige und sittliche Erhabenheit des doch so kindlich naiven biblischen Schöpfungsberichts ins Licht zu 8et2en, Mögen auch einzelne biblische Ausdrücke und Vorstellungen an diesen Text erinnern (das bibl. t e höm-Tiämat; die Scheidung der obern und untern Wasser usw.), wie majestätisch kontrastiert gegen jenen Kampf ums Dasein, den die babylonischen Götter führen müssen, die ruhige Erhabenheit des schaffenden Gottes in Gen. 1 und Gen. 2, 4 ff.! Doch ist auch hier beim Mardukmythus ähnlich wie wir es beim Sin- und Nebokultus fanden, eine Btark monarchische Tendenz bemerkenswert. Schon vor dem Kampf huldigen alle Götter dem Marduk, damit er ihnen helfe: „0 Marduk, du allein bist unser Helfer, wir geben dir hiermit die Königsherrschaft über alles allzumal . . . . Vernichten und Schaffen gebiete — so geschehe es" usf. 1 ). Erwähnt sei noch, dass J e n s e n 1 ) den Ursprung dieser Kosmogonie aus dem solaren Charakter des Marduk erklärt, welcher dann freilich schon dem alten Eulil-Bel müsste eigen gewesen sein: Als die Frühsonne, welche siegend aus dem Ostmeer ( = tiämat) emporsteigt, ist er der Lichtbringer am Weltmorgen, der Himmel und-Erde scheidet, erst jenen, dann diese aus dem Ghaos hervortreten lässt. Bekanntlich hat schon J. G. Herder') die biblische Darstellung von Gen. 1 so aufgefasst, dass der Weltanfang nach Analogie des Sonnenaufgangs dargestellt sei, wobei dann freilich die dazu wenig passende Einteilung in sechs „Tagewerke" spätere Zutat sein müsste. Es gibt übrigens auch noch andere babylonische Schriftstücke, die von der Weltbereitung handeln und in denen der Götterkampf nicht vorkommt, so z. B. zu Anfang eines neubabylonjschen, wahrscheinlich jedoch recht alten B e s c h w ö r u n g s t e x t e s H i e r ist es namentlich auf die Bereitung der Heiligtümer abgesehen; formell sind einige Berührtingen mit Gen. 2, 4 ff. vorhanden. Marduk bildet das Festland aus Böhricht aüf dem Wasser, wie angeschwemmtes Land am Eufrat sich festsetzen mochte. Er schafft die Menschen zum Dienst der Götter, „um die Götter an der Stätte ihrer Herzensfreude ( = in ihren Tempeln) wohnen zu lassen"1. Die Muttergöttin Aruru (Erdgöttin als Tonbildnerin?) wirkt bei der Erschaffung der Menschen mit, welcher Zug auch sonst erscheint. In bezug auf das Alter jenes Siebentafelmythus gehen die Ansichten noch weit auseinander. Dass er Übersetzung aus einem sumerischen Text sei (Smith u. A.), wird mit starken Gründen be1) ATB I, 15 f. 2) Kosmologie S. 307 ff. 3) J. G. H e r d e r , Älteste Urkunde des Menschengeschlechts 1774. 4) Zimmern bei Gunltel S. 419 f.; W i n c k l e r , Textbuch S. 98ff.; Ungnad, ATB 1 S. 26 ff.; A. J e r e m i a s ATLO* S. 226 ff.
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zweifelt1), und Sayce s ) meint sogar, es dürfte diese Version relativ späten Ursprungs sein, vielleicht nicht vor dem 7. Jahrhundert entstanden. So viel ist gewiss, dass die Juden nicht erst im babylonischen Exil diese Weisheit der Babylonier sich angeeignet haben, was u. a. jene unnatürliche Annahme der Entstehung des Primitiven aus dem Künsttichausgebildeten erforderte. Viel mehr Wahrscheinlichkeit hat es, dass Abrahams Geschlecht schon um 2000 die Grundzüge dieser altsemitischen Uberlieferung nach Westen mit sich nahm, welche durch die Israel zuteilgewordenen Offenbarungen geläutert wurden, während sie bei den Babyloniern durch mythologische Phantasie und Gelehrsamkeit weitergebildet worden sind. Nicht anders wird es sich mit der Paradiesesgeschichte vom Fall des Menschen und ähnlichen Urgeschichten der Genesis verhalten. Dass dieselben lange vor dem Exil Eigentum der Hebräer gewesen sind, kann nicht bezweifelt werden, da sie dem jahvistischen Erzähler der Genesis angehörten. Sie stammen ebenfalls aus Babylonien. Zwar hat man noch keine sichere Spur von der Geschichte des Sündenfalls auf den Denkmälern gefunden*). Aber das Material jener Geschichte ist gut babylonisch: heilige Bäume, dämonische Schlange, Kerubim u. s. f. Die Lage des Paradieses mit seinen Strömen weist ebenfalls dorthin. Eine Art Seitenstück zur Sündenfallserzählung hat man im Adapa-Mythus 4 ) finden wollen, der zum Kultus von Eridu gehört. In dieser Stadt waltete der weise Adapa, das Geschöpf Ea's, als Priester dieses Gottes, dem er täglich den Opfertisch rüstete. Einst als er auf dem Fischfang war, warf ihm der Vogel Zu, d. h. der Südwind, sein Boot um, dass er ins Wasser fiel. Im Zorn verwünschte er diesen und brach ihm damit die Flügel, so dass er sieben Tage nicht mehr wehen konnte. Als Anu, der Himmelsgott, ihn deshalb zur Rechenschaft vor sich forderte, wies ihn sein Gott Ea an, von jenem weder Speise noch Trank anzunehmen, da es Todesspeise sein werde, was man ihm reiche. Am Himmelstor traf er die Götter Tamuz und GiSzida, die er nach Ea's Rat durch ein schmeichelhaftes Wort zu Fürsprechern gewann. Sie stimmten denn auch den hoch erzürnten Anu um, so dass er dem Adapa sogar Lebensspeise und -trank vorsetzen liess, welche dieser aber, der empfangenen Warnung eingedenk, zum Erstaunen Anu's nicht anrührte. So kehrte er, ohne die von Gott ihm zugedachte Unsterblichkeit, auf die Erde zurück. Wenn man Adapa mit dem Urmenschen Adam gleichsetzen darf, was zweifelhaft, so haben wir hier allerdings eine Parallele zu Gen. 3, näher eine Erklärung, warum die Menschen bei all ihrer 1) J e n s e n , Kosmologie S. 263 ff. 2) S a y c e , Alte Denkmäler im Lichte neuer Forschung S. 19. 3) Das Bildchen bei S m i t h , Chald. Gen. S. 87 reicht nicht hin, um deren Vorhandensein zu beweisen. 4) ATB I, 34 ff.; ATLO», 166 ff.
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Weisheit, Macht und Frömmigkeit1) doch nicht ansterblich sind. Aber die geistige Verschiedenheit ist eine fundamentale: Adapa kommt um das ewige Leben nicht wegen seines Ungehorsams, sondern wegen seines Gehorsams gegen das Gebot seines Schöpfers. Er ist das Opfer der Zwiespältigkeit der Götter and der Launenhaftigkeit des höchsten Gottes, dessen Stimmung der sonst so weise Ea nicht richtig vorausberechnet hat. Sollte dagegen der allwissende Ea mit Absicht seinem Günstling das göttliche Leben vorenthalten haben, so entspreche seine Gesinnung der der Schlange des Paradieses. Auf alle Fälle ist der ethisch-religiöse Gehalt dieses Mythus gleich Null, während Gen. 3 die tiefste Lösung des Todesrätsels bietet. Besonders nahe berühren sich biblische und babylonische Berichtein der Schilderung einer S i n t f l u t , deren nächster Schauplatz die babylonisch Ebene, das Land der Überschwemmungen, wird gewesen sein. Das« die Babylonier diese Überlieferungen besessen, wusste man schon vor Entzifferung der Keilinschriften aus Berosus. Dieser berichtet *) i 432000 Jahre nach dem Regierungsantritt des ersten babylonischen Königs Aloros sei dem 10. dieser KOnige, X i s u t h r o s der Gott Bei im Schlafe erschienen und habe ihm geoffenbart, es werde, am 15. des Monats Daesios durch ungeheure Regengüsse eine Überschwemmung des Landes erfolgen, weshalb er alle Schriften in der Sonnenstadt Sippara vergraben und für sich und seine Verwandten und Freunde ein Schiff von 9000 Fuss Länge*) und 1200 Fuss Breite erbauen soll, in welches er auch Vierfüsser und VOgel aufzunehmen habe. Beiin Eintreffen der Flut waren sie geborgen. Als die Wasser sich verliefen, liess Xisuthros zweimal Vögel ausfliegen, allein sie kehrten zurück, das zweite Mal mit Schlamm an den Füssen, das dritte Mal kehrten sie nicht wieder. Das Fahrzeug war auf einem Berge gestrandet; Xisuthros trat mit seinem Weibe, seiner Tochter und dem Baumeister des Schiffes heraus, verehrte die Erde, opferte den Göttern und verschwand mit den Seinigen. Seine Gefährten hörten nur noch seine Stimme, welche ihnen zurief, er sei zum Lohn für seine Frömmigkeit mit Weib und Tochter sowie jenem Baumeister zu den Göttern entrückt worden; sie sollten aus dem Armenierland nach Babylon zurückkehren und die vergrabenen Bücher holen. Sie befolgten die Weisung and bauten viele Städte und Tempel, insbesondere Babylon wieder auf. Vom Schiff des Xisuthros seien in den gordyäischen Bergen noch lange Überreste zu sehen gewesen. 1) Merkwürdig als Gegenstück zu Gen. 3,22 ist die Stelle, wo der freundlich umgestimmte Himmelsgott sagt: „Warum hat Ea einer unreinen (?) Person (?) des Himmels und der Erde Inneres gezeigt? Stark (?) hat er ihn (Adapa) gemacht, einen Namen ihm verliehen. Was können wir noch tun? Lebensspeise holt ihm, dass er davon 'esse!" 2) Abyd. Fragm. 1. 2 ed. Mueller. Berosi Fragm. 5. 8) So nach Euseb.; nach Sync. 6 Stadien = 3000 Fuss.
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Eine genauere Darstellung ist jetzt ans den Keilinschriften bekannt. Dieselbe war in das zwölfteilige Epos') aufgenommen, welches den Heros GilgameS (früher Izdubar oder GiStubar gelesen)*) feiert, den man oft mit dem biblischen Nimrod identifiziert hat. GilgameS mag ein König der Vorzeit gewesen sein, berühmt wegen kühner Heldentaten in Krieg und Jagd, wurde aber dann vergöttert und mit dem Sonnengott in Beziehung gesetzt, der sein Schutzherr war. Der Name trägt im Epos das Götterzeichen. In einem Beschwörungsgebet wird er für einen Kranken angerufen als „gewaltiger König, Richter der Erdgeister" und zu ihm gesagt: „Der Sonnengott hat Szepter und Entscheidung deiner Hand vertraut" *). Auf den Sonnenheros weist wohl auch die Zwölfzahl der epischen Gedichte aber ihn, die den zwölf Zeichen des Tierkreises entsprechen werden. Im 11. Stück (vgl. das Zeichen des Wassermannes?) wird ihm die Geschichte der grossen F l u t erzählt vom Helden derselben, UtnapiStim (er sah das Leben) oder A d r a ll asis (der sehr Gescheite), was auch nmgekehrt H a s i s a d r a scheint gelesen worden zu sein nach der bei Berosus erhaltenen Form Xisuthros. Die ihm in den Mund gelegte Erzählung4) ist auch theologisch interessanter als die des Berosus: Auf Ellils, des den gottlosen Menschen zürnenden Gottes, Bat bescbliessen die Götter, den Flutsturm über die Erde kommen zu lassen. Ea, der menschenfreundliche Gott, warnt den UtnapiStim nnd heisst ihn das Bettungsschiff bauen. Beim Andringen der Flnt donnerte Ramman, Nabu und Mardak gingen voran, Ninib liess Sturm hinterdrein folgen. „Nicht sah der Bruder seinen Bruder, nicht wurden erkannt die Menschen im Himmel. Die Götter fürchteten sich vor dem Flutsturm, sie flüchteten, stiegen empor zum Himmel des Ann. Die Götter waren gleich Hunden . . . niedergekauert am Damm (?) des Himmels. Es schrie IStar wie eine Gebärende, es rief die hehre, die Schönstimmige: „„Dieses Volk ist wieder zu Lehm geworden . . . . . was ich gebar, wo ist es? Wie Fischbrut füllt es das Meer."tt Die Götter weinten mit ihr über die AnunUaki (?). Die Götter sassen gebeugt unter Weinen, ihre Lippen waren zusammengepresst." Die Überschwemmung, zu deren Herbeiführung die Wassergottheiten der Tiefe mit denen der Atmosphäre wetteifern, entsteht durch eine Springflut vom Meer her und gleichzeitige gewaltige Begengüsse, was auch die Meinung des biblischen Berichts ist, 1) Übersetzungen des Gilgameä-Epos bei A. J e r e m i a s , Izdubar S. 14 fl.; U n g n a d ATB I, 40 ff., 2) Die Lesung GilgameS ist von P i n c h e s durch ein Syilabar festgestellt worden im Babylonian und Oriental Record 1890 p. 264. Vgl. auch A. J e r e m i a s , Izdubar S. 1 f. Einen babylonischen Sagenkönig Gilgamos kennt auch Aelian, Hist. anim. 12, 21. 3) J e r e m i a s , Izdubar S. S. 4) Vgl. SmIth, Chald. Gen. S. 222 ff. — P. H a u p t , KAT* S. 55 ff. — J e r e m i a s , Izdubar S.32 ff. — S a y c e , Alte Denkmäler S. 31 ff. — P. Haupt, Das babylonischeNimrodepos, Leipz. 1891. — J e n s e n , Kosmologie S. 368.ff. — ATB I, 60 ff.
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wie aus Gen. 7, 11; 8, 2 erhellt 1 ). Die Daner der Flut ist im babylonischen Bericht kürzer als im biblischen, wo sie nach der kleinsten Berechnung bis zur Aussendung der Vögel 40 Tage dauert 2 ), während im keilschriftlichen Text sie 7 Tage zunimmt, 7 Tage das Schiff auf dem Berge sitzt, worauf die Aussendung der Vögel (Taube, Schwalbe, Rabe) beginnt, nach welcher die Tiere herausgelassen werden und die Menschen ebenfalls aus dem Schiffe treten. UtnapiStim erzählt weiter: „Ich richtete einen Altar zu auf der Höhe des Berggipfels; j e 7 Gefässe stellte ich auf; unter sie breitete ich Calmus, Zedernholz und Blitzkraut. Die Götter sogen ein den wohlriechenden Duft, wie Fliegen sammelten Bich die Götter über den Opfernden. Als darauf die Göttin lätar herzukam (rief sie aus): „„Diese Götter! Bei meinem Halsschmuck werde ich nicht vergessen, diese Tage werde ich erwägen, in Zukunft nicht vergessen! Die Götter mögen hinangehen an die Spende, aber Ellil soll nicht hinangehen an die Spende, weil er unbesonnen gehandelt lind meine Menschheit dem Gericht überantwortet hat.1"* Als darauf der Gott Ellil herankam und das Schiff erblickte, stutzte er, von Zorn wurde er erfüllt gegen die Götter und die Igigi: „„Welche Seele ist entronnen? Kein Mensch soll dem Gericht entrinnen."" Da tat Ninib seinen Mund auf und sprach, sagte zu dem streitbaren Ellil: „Wer ausser Ea hat die Sache angerichtet? . . ."" Da tat Ea seinen Mund auf und sprach zu dem streitbaren Ellil: „„Du bist der streitbare Führer der Götter. Warum hast du so unbesonnen gehandelt, dass du einen Flutsturm erregtest? Auf den Sünder lass fallen seine Sünde, auf den Frevler lass fallen seinen Frevel. Lass dich erbitten, dass er nicht vertilgt werde Anstatt dass du einen Flutsturm erregest, mögen Löwen kommen und die Menschen vermindern; anstatt dass du einen Flutsturm erregest, möge eine Hungersnot eintreten und das Land verheeren; anstatt dass du einen Flutsturm erregest, möge (jler Pestgott kommen und die Menschen vermindern. Ich habe ihm nicht mitgeteilt den Beschluss der grossen Götter, einen Traum nur sandte ich Adrahasis, und er verstand den Beschluss der Götter."" Da stieg (der begütigte) Ellil hinauf in das Innere des Schiffes, fasste meine Hand und hob mich empor, hob auch mein Weib empor und legte ihre Hand in meine, wandte sich zu uns, trat zwischen uns und segnete uns: „„Bisher war Utnapistim ein Mensch, jetzt soll Utnapistim und sein Weib gleich Göttern erhaben sein; wohnen soll Utnapistim in der Ferne, a u der Mündung der Ströme. Da entführten sie uns, an der Mündung der Ströme Hessen sie uns wohnen."" Die biblische Überlieferung kennt eine Entrückung eines Frommen nur bei H e n o c h . Dieser entspricht dem babylonischen Enmeduranki, von welchem es heisst, die Götter Samas und Ramman hätten diesen König der Stadt Sippar in ihre Gemeinschaft aufgenommen und ihn in die Geheimnisse des Himmels und der Erde eingeweiht (KAT 3 5 3 3 f . ) . Aber auch der babylonische Gottesliebling der Flutgeschichte wird (anders als Noah), ohne den Tod zu schmecken, an einen Aufenthaltsort der Götter entrückt, wo die Lebenspflanze wächst. Die Lage dieses Paradieses wird wie Gen. 2, lOff. 1) Vielleicht auch Gen. 6,17; 7,6 mijjäm statt majim zu lesen nach J. D. Michaelis? — J e r e m i a s , Izdubar S. 37 f. 2) So wird gewöhnlich der jahvistische Bericht verstanden, aber mit zweifelhaftem Recht, da fraglich ist, ob die 40 Tage Gen. 7,17 mit den 8, 6 erwähnten identisch sein können.
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nach Strömen bestimmt. Nur ist hier von deren Mündung die Rede, während Gen. 2 das Paradies eher als Aasgangsort der Ströme erscheint'). Bedeutsam ist, dass auch in der altbabylonischen Darstellung die Flut als ein Gericht über die sündige Menschheit verhängt wird, also moralisch motiviert ist. Doch kontrastiert um so mehr der Zwiespalt der babylonischen Götter mit der biblischen Erzählung, wo die verschiedenen Schicksalswendungen auf Entschliessungen des Einen, selben Gottes zurückgeführt sind. Damit hangen die Blössen zusammen, welche die Götter sich in der Erzählung geben, die Notlüge des Gottes Ea, der das Geheimnis zwar keinem Menschen, aber einem Rohrzaun ausplaudert, damit es' sein Liebling dahinter höre, und die ebenso unlautere Ausrede, die er diesem in den Mund legt, damit er seinen Mitbürgern seinen Schiffsbau erkläre; ferner die Angst der Götter und Geister bei der Katastrophe, die leidenschaftlichen Klagen der IStar, die Vorwürfe der Götter gegen Ellil, dem sie Unbesonnenheit vorwerfen. Dies alles musste den Eindruck eines gerechten Gerichts der Gottheit in hohem Masse beeinträchtigen. — Dass die biblischen Versionen (Jahvist und Elohist) jedenfalls nicht direkt aus d i e s e r babylonischen stammen, leuchtet ein. Merkwürdig ist übrigens, dass in einer neu von Hilprecht gefundenen babylonischen Version, die dieser für die älteste hält (2500 v. Chr.), der selbe Gott Ellil (oder Ea?), welcher den Flutsturm bringt, den Utnapistim davor warnt 2 ). Falls sich dies bestätigt, so beweist es, dass die hebräische Version gerade in religionsgeschichtlich wichtigen Punkten der ursprünglichen Uberlieferung treuer geblieben ist, als die babylonische. Auch wird dadurch sehr wahrscheinlich, dass der Stoff schon mit Abram nach Westen wanderte. Die G i l g a m es legenden, in deren Zyklus dieser Flutbericht als Episode eingeflochten ist, haben auch sonst religionsgeschichtliches Interesse. Smith glaubte, dieselben seien schon ca. 2000 v. Chr. niedergeschrieben worden. Jedenfalls finden sich Szenen 1) Diese Lage ist aber auch in der babylonischen Legende schwer festzusetzen. Sind bei der Bestimmung „an der Mündung der Ströme' die des Landes gemeint, so führt sie auf den Osten oder Südosten deS Landes, wie auch für das biblische Paradies eine östliche Lage Gen. 2,8bezeugt ist. Allein die Wanderung des Gilgames geht, wie man es bei einem solaren Helden ohnehin erwartet, westwärts, wenn anders die Beziehung der verschiedenen Stationen auf die syrisch-arabische Wüste, den Libanon, das Mittelmeer, die Säulen des Herakles usw. richtig sind. Man denkt daher an himmltsche Ströme, welche das Vorbild des Euphrat usw. seien (Milchstrasse). Dann kann auch der Paradiesesgarten doppelt, am Himmel und auf Erden, gedacht worden sein, wie die Unterwelt in der Stadt Kuta ihr irdisches Gegenbild hat. In der Bibel handelt es sich um ein Paradies auf Erden. Dieses liegt im Osten, wie auch die babylonische Sage ein solches bei Eridu, an der Mündung der Ströme Phrat usw. zu kennen scheint. Vielleicht ist dagegen die Vorstellung Gen. 2,8 vom Ausgangsort der Weltströme noch ein Überrest von jener westlichen Lage des Paradieses. Doch bedarf hier noch manches der Aufhellung. 2) Siehe Ed. K ö n i g NKZ 1910 S. 444. — H. V. H i l p r e c h t , Der neue Fund zur Sintflutgeschichte aus der Tempelbibliothek zu Nippur, 1910.
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daraus schon auf altbabylonischen Siegelzylindern abgebildet, wie später in assyrischen Skulpturen. Sie stellen den Helden dar als eine riesenmässige, athletische, äusserst muskulöse Gestalt mit ausgeprägten, mannhaften Gesichtszügen, reichen Locken und üppigem Bartwuchs, wie er mit Löwe und Schlange oder einem ungeheuerlichen Stiere kämpft. Das auf 12 Tafeln geschriebene Epos erzählt von ihm folgendes: Seine Heimat war die Stadt Uruk. Dort baute der junge Held die gewaltigen Stadtmauern, wobei er die ganze Mannschaft der Stadt zum Frohndienst zwang. Da die Bewohner über den Druck zu den Göttern seufzten, so schuf die Göttin Aruru ein Wesen, das sein Gefährte werden und seinen Tatendurst in andre Bahnen lenken sollte: E a b a n i (Lesung nicht sicher), der als haariger Geselle mit Ochsenfüssen und Ochsenschwanz und Hörnern auf dem Kopf abgebildet wird. Dieses faunartige, mit den Tieren mehr als mit den Menschen vertraute Wesen zeigt sich ebenso stark in seinen sinnlichen Begierden als kundig der Geheimnisse und siegreich im Kampfe mit Ungeheuern und Tyrannen. Mit diesem Kampfgenossen zog Gilgameüi gegen den (elamitischen) Zwingherrn Humbaba aus, der in seiner Stadt auf dem Zedernberg der Göttin Irnini, der elamitischen Iätar, herrschte. Dieser vertritt also die elamitische Fremdherrschaft in Babylonien (S. 188). Sie erschlagen vereint den Tyrannen und GilgameS steht nun in Uruk im Siegesglanze da. Nun wirbt um seine Liebe die Göttin dieser Stadt, ISta r. Sie erfährt aber von seiner Seite eine entschiedene Abweisung, obwohl sie ihm als ihrem künftigen Gemahl Reichtum und Ehre ohne Mass versprochen hat. Er hält ihr dabei vor, wie sie die zahlreichen Opfer ihrer Liebschaften stets wehrlos und unglückliqh gemächt habe. Ergrimmt über die ihr widerfahrene Schmach, steigt sie zum Himmel hinauf und klagt dieselbe ihrem Vater Anu, der auf ihre Bitte einen göttlichen Stier schafft, welcher sie rächen soll. Allein GilgameS und Eabani ziehen gegen diese Bestie aus und erlegen sie, worauf sie dem Gott äamaS ein Dankopfer bringen. Oft abgebildet ist die Szene, wo Eabani den Stier am Kopf und Schwanz festhält, während Gilgames ihm die Waffe in die Kehle stösst. Die darob höchlich erzürnte iStar sprach von der Stadtmauer von Uruk herab einen feierlichen Fluch über Gilgameä. Dieser Fluch wurde erfüllt durch ihre Mutter Anatu, welche den GilgameS mit schwerer Krankheit (Aussatz?) schlug. Sein Elend wurde vermehrt durch den plötzlichen Tod seines Gefährten Eabani. GilgameS wandert nun durch die Wüste nach jenem fernen Eiland, wo UtnapiStim, sein Ahnherr, weilt, um dort Heilung zu erlangen. Der Weg dahin ist von zwei Ungeheuern bewacht, halb. Skorpionen, halb Menschen, welche das Sönnentor hüten. Nachdem er noch zu Schiff über das Meer und durch die Wasser des Todes gelangt war, fand er den Gesuchten, und dieser erzählte ihm die oben besprochene Geschichte von der grossen Flut. Dann liess er ihn, seiner Bitte entsprechend, an einen Reinigungsort fahren, wo er von seinem Aussatz völlig rein gewaschen wurde. Ja, er wies ihm
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auch die ersehnte Pflanze, eine Art Stecbdorn, welche unerschöpfliche Lebenskraft gewähre. Gilgames wurde ihrer habhaft und brachte sie glücklich ins Schiff. Während er aber auf dem Rückweg zu einer Quelle hinabgestiegen ist, um sich zu baden, hascht ihm eine Schlange das oben hingelegte Kraut weg. So kommt er zwar verjüngt, aber nicht unsterblich wieder. Nach Uruk zurückgekehrt, veranstaltete er aufs neue eine Trauerfeier um seinen geliebten Freund Eabani. Die Krankheit des Sonnenhelden und seine Genesung und Heimkehr wird auf die periodische Abnahme des Sonnenlichts und seine Verjüngung, in der es wiederkehrt, gehen. Auch der Gegensatz zu Istar, der sich durchs Ganze zieht, entbehrt nicht eines astralen Charakters. 5. Der Znstand nach dem Tode 1 ). Der Tote wurde bei Babyloniern und Assyrern, wie das eben angeführte und manche andere Beispiele zeigen, schmerzlich beklagt unter dem Gesang von Trauerliedern und mit Begleitung von Trauermusik, sowie Verbrennung von Spezereien und Ausgiessung von Trankopfern. Auch lange Verstorbenen brachte man mit zerrissenem Gewand solche Klageopfer unter Bussgebeten und erhoffte davon eine Erleichterung ihres Schicksals. Der Leichnam wurde begraben, nicht verbrannt 2 ), und auf ein ehrenvolles Begräbnis das grösste Gewicht gelegt. Wer kein Grab erlangt, dessen Seele irrt ruhelos umher. Daher man die Leichen von Verbrechern und leidenschaftlich gehassten Feinden schändet und den Kaubvögeln preisgibt. An diese Bergung des entseelten Körpers im Schoss der Erde schliesst sich die Vorstellung an, dass die Seele nach dem Tod in die Unterwelt hinabfahre, welche im Innern der Erde gedacht ist 3 ). Werden doch dieselben Zeichen (Ideogramme) für Grab und Unterwelt gebraucht. Das Erdinnere erscheint gemeinhin als Aufenthaltsort der abgeschiedenen Seelen, was nicht ausschliesst, dass es im fernen Osten oder Westen ein Land der Seligen gibt, wie sich oben gezeigt hat. Am anschaulichsten schildert diese Unterwelt das mythologische Gedicht, welches die H ö l l e n f a h r t d e r I S t a r erzählt4), welches beginnt (Ubs. Jeremias): 1) Ältere Literatur bei A. J e r e m i a s , Die babylonisch-assyrischen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode S. 1 u. 4. — Derselbe, Hölle u, Paradies bei den Babyl.2, Leipz. 1903. 2) An Fundstätten frühester Kultur hat man auch die Spuren von Verbrennung der Leichen gefunden, z. B. in Nippur. H i l p r e c h t schreibt diese der vorsemitischen Bevölkerung zu, ebenso V i n c e n t (Canaan 263 ff.), der in Palästina ebenfalls durch die semitische Einwanderung den Übergang von Verbrennung zur Beerdigung erklärt, da auch dort erstere in der frühesten Schicht sich nachweisen lässc. 3) Siehe Genaueres bei J e n s e n , Kosmologie S. 215 ff. 4) E. S c h r ä d e r , Die Höllenfahrt der lstar, Giessen 1874. — S m i t h D e l i t z s c h , Ctaald. Genesis 198 ff., 313 ff. — A. J e r e m i a s , Vorstellungen S. 10 ff. — ATB I, 65. O r e l l l , Religionsgeschichte 16
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Nach dem Lande ohne HeimKeür, dem Lande . . . . Richtete IStar, die Tochter Sin's (des Mondgottes) ihren Sinn, Nach dem Hanse der Finsternis, dem Sitze Irkallas1), Nach dem Hause, dessen Betreter nicht mehr herauskommt, Nach dem Pfade, dessen Hingang nicht zurückführt, Nach dem Hause, dessen Betreter (Bewohner) dem Lichte eDtrückt ist, Dem Orte, da Stauh ihre Nahrung, ihre Speise Kot, Da Licht sie nicht schauen, in Finsternis wohnen, Da sie gekleidet sind wie Vögel in ein Flügelgewand, Auf Tür und Riegel Staub sich breitet. Als Istar zum Tore des Landes ohne Heimkehr gelangt war, Sprach sie zum Wächter des Tores: Wächter des Wassers, öffne dein Tor, Öffne dein Tor. — eintreten will ich' Wenn du nicht öffnest, ich nicht eintreten kann, Werde ich zertrümmern die Tür, den Riegel zerbrechen, Werde zertrümmern die Schwellen, aufreissen die Türflügel, Will heraufführen die Toten, dass sie essen und leben, Zu den Lebendigen sollen sich scharen die Toten.
Der Wächter meldet der Königin der Unterwelt, EreSkigal die Ankunft ihrer Schwester IStar; sie gibt schadenfroh ihre Einwilligung zum Eintritt der sonst so Lebenslustigen. Der Wächter spricht zu dieser: „Tritt ein, meine Herrin, Kutü (die Unterwelt) möge jauchzen, Der Palast des Landes ohne Heimkehr möge deiner Ankunft sich freuen!"
Beim ersten der sieben Tore der Unterwelt nimmt er ihr ab die grosse Krone von ihrem Haupte und antwortet auf ihre befremdete Frage: So sei es die Übung nach dem Willen der Gebieterin der Unterwelt; ebenso muss sie beim zweiten Tor das Geschmeide von ihren Ohren lassen, beim dritten die Kette von ihrem Nacken, beim vierten den an der Brost getragenen Schmuck, beim fünften den Gürtel mit Edelsteinen von ihren Hüften, beim sechsten die Spangen von Händen und Füssen, endlich beim siebenten die letzte Umhüllung von ihrem Leibe. Ereskigat ergrimmt, wie sie die IStar sieht und befiehlt ihrem Diener Naratar (Pestgott) sie zu schlagen mit Krankheit an den Augen, Hüften, Füssen, am Herzen und am Kopf. Allein die Oberwelt kann der iStar, die hier als Liebesgöttin erscheint, nicht entraten. Nach ihrer Fahrt in den Hades wollen Menschen und Tiere sich nicht mehr paren. Die Götter trauern um ihren Weggang. SamaS klagt vor seinem Vater Sin und vor Ea. Ea aber sendet ein hiezu geschaffenes Wesen UdduSun&mir, dass es IStar befreie durch Beschwörung mit dem grossen göttlichen Namen und Besprengung mit dem Lebenswasser, das in der Tiefe der Totenwelt seinen wohlverwahrten Quellort hat. Die Göttin EreSkigal ist zwar höchlich erzürnt über diese Wendung und verwünscht den Boten Uddusunämir, muss aber gehorchen. IStar wird mit dem Lebenswasser besprengt und kehrt aus den Toren der Unterwelt zurück, wo sie am ersten ihr Leibgewand, am zweiten ihre Hand- und Fussspangen wiedererhält usw. 1) Beiname des Gottes der Unterwelt, Nergal.
"Der Zustand nach dem Tode.
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Der Schluss des Gedichtes ist dunkel. Er scheint eine Aufforderung an einen um seine Schwester Trauernden zu enthalten: Er möge sich an Istar und ihren Jugendgeliebten Thammuz wenden mit Gebeten und Opferspenden, um die Befreiung der Verstorbenen aus der Unterwelt zu erlangen. Der Hades ist in dieser Dichtung charakterisiert als ein ummauerter, mit festen Toren und Riegeln verschlossener Ort1). Er ist zwar reich an Eingängen, da die Menschen auf mancherlei Wegen hineinkommen, aber ohne Ausgang, da die Toten in der Segel nicht wiederkehren. Dunkel ist der Ort, weil unter der Erde gedacht; Licht und Leben sind ohnehin verwandte Vorstellungen. Schön ist dargestellt, wie beim Eingang in diese Sphäre alles und jedes Schmuckwerk und Kleid muss zurückgelassen werden. Die Insassen sind schattenhafte, schwebende Wesen, daher wie befiedert. Ihre Speise ist Staub, nach einer andern Stelle2) Aas, ihr Trank (ebenda) stehendes Wasser, d. h. nichts ernährendes und belebendes. Sie sind an Augen und Gliedern, Haupt und Herz mit Krankheit geschlagen, d. h. die Funktionen ihrer Sinne und Gliedmassen stille gestellt. So ist es, ähnlich wie in der volkstümlichen Vorstellung der alten Hebräer von der Scheol, eine fast ganz negative Auffassung des Daseins nach dem Tode. Das Sein der Menschen hört dabei zwar nicht auf, verdient aber kaum den Namen eines Daseins, jedenfalls nicht eines Lebens. Doch ist die Wiederherstellung des Lebens und Rückkehr der Toten in die Welt nicht schlechthin unmöglich, wie nicht nui; Iitars eigenes Beispiel beweist, sondern auch ihre Drohung, dass sie die Pforten zertrümmern und die Toten befreien und auf die Erde zurückkehren lassen könnte. Dass in vereinzelten Fällen solche Geister, freilich ohne wahres Leben, zurückkehren, ist auch die Voraussetzung der Magie, welche mit vampyrischen Totengeistern zu tun hat"), und der Mantik, wo, wie wir sahen, Abgeschiedene zur Konsultation heraufbeschworen werden. Es findet sich aber auch im tiefen Grunde des Totenreichs eine Quelle des Lebenswassers, welche von den Mächten der Unterwelt ängstlich gehütet wird. Wer von den Toten dieses Wasser trinkt oder damit begossen wird, der empfängt wieder Leben wie IStar selbst. Aber nur ein gewaltiges Götterwort, insbesondere Eas, kann ihnen diese Wohltat zuwenden. Lehrreich für die altbäbylonischen Vorstellungen vom Schicksal der Toten ist auch, was bei der Klage des Helder Gilgames um seinen verstorbenen Gefährten Eabani (12. Tafel des Epos) verlautet. Jener jammert darüber, dass sein (auf eine rätselhafte Weise umgekommener) guter Freund nicht mehr das Leben gemessen könne, aber auch nicht von Nergal (Kriegsgott) sei weg1) Vgl. die .Pforten der Unterwelt" oder des Todes bei den Hebräern Je.s. 38,10; Hiob 38,17; Psalm 107,18 und noch Matth. 16,18. 2) IV R 49 Nr. 2. — H a u p t , Nimrod-Epos 16-19. 3) L e n o r m a n t , Magie S. 511 f.
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Assyrisch-Babylonische Religion.
gerafft worden, in welchem Fall er mit den in der Schlacht gefallenen Helden an einem bessern Ort Aufnahme gefanden hätte, sondern der Erde, dem trostlosen Land der Finsternis, anheimgefallen sei. Durch Fürbitte sacht er za erlangen, dass sein Freund von da versetzt werde nach dem Aufenthaltsort der Seligen, die mit den Göttern wohnen, ruhend auf wonnigen Lagern und an köstlichem Mahl sich erquickend. Allein weder Bei noch Sin vermögen diese Bitte zu gewähren. Nur Ea vermag das, und dessen Sohn, der hilfreiche Gott Marduk, vermittelt es, dass Eabanis Genius oder Dämon, sein Unsterbliches, aus der Unterwelt befreit emporsteigt. Am Schluss jenes Epos wird in einem Zwiegespräch zwischen Gilgame§ und dem aus dem Öden Ort der Schatten glücklich erlösten Eabani die Seligkeit der in der Schlacht Gefallenen und ehrenhaft Begrabenen geschildert, dagegen das unglückliche Los derer beklagt, die unbestattet auf dem Felde liegen bleiben: Auf einem Rahepolster ist gelagert, reines Wasser trinkend, Wer in der Schlacht getötet ward — du sahst es? Ja, ich sah es: Sein Vater nnd seine Matter halten sein. Haupt Und sein Weib [kniet] an seiner Seite. Wessen Leichnam auf dem Felde liegt, Du sahst es? Ja, ich sah es: Dessen Seele hat nicht Buhe in der Erde. Wessen Seele keinen hat, der für sie sorgt, Du sahst es? Ja, ich sah es: Die Hefe (?) des Bechers, die Überbleibsel des Essens, Was auf die Strasse geworfen ist, geniesst er1).
Die Frage, wo jene Seligen weilen, beantwortet die Sage von UtnapiStim, welche ein Paradies an der Mündung der Ströme, auf einem Eiland jenseits der „Wasser des Todes" kennt. Doch ist die Vorstellung nicht an jenen Ort gebunden. Es scheinen auch andere Stätten für diesen Aufenthalt gegolten zu haben. Jenes Los ist immerhin nur ausnahmsweise den -Irdischen beschert. Im allgemeinen werden Grosse und Kleine, Hohe und Niedrige, Gute und Böse die Beute der Unterwelt. Und wenn Diogenes Laert. (de vit. philosoph., prooem.) behauptet, die Chaldäer hätten an eine schliessliche Auferstehung der Toten geglaubt, so mag dies auf bloss hypothetischer Verallgemeinerung solcher Fälle wie die angeführten beruhen. Auch die Erwartung einer Vergeltung des Guten und Bösen zeigt sich — trotz jener Ansätze der Unterscheidung eines verschiedenen Ausgangs — wenig ausgebildet. Überhaupt blieb, wie A. Jeremias richtig hervorhebt, die Vorstellung vom Jenseits mehr der Volksphantasie überlassen, als dass die systematisierende Priesterweisheit sich ihrer angenommen hätte. Die Religionslehre der letztern war im Unterschied von der ägyptischen viel mehr dem Diesseits zugewandt, in welchem der Schwer1) A. J e r e m i a s , Izdnbar S. 42 f., Hölle . . . S. 26. Trot? dem Widerspruch des Verfasse» wird hier doch wohl innerhalb der Unterwelt ein unterschiedliches Los der Töten angenommen, da Eabani schildert, was er ebendort gesehen hat.
Einleitung.
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punkt auch des geistigen und religiösen Lebens lag, und für welches man sich der Gunst der Götter zu vergewissern suchte.
II. Religion der Phönizier, Kanaaniter, Karthager1). Einleitung. Westwärts von den Hethitern und den Aramäern wohnten die P h ö n i z i e r , wie sie bei den Klassikern heissen, während ihr semitischer Name K a n a a n lautet, vielleicht „Niederland" 2 ), weil sie ursprünglich an der niedrigen phönizischen Küste Fuss gefasst hatten, ehe sie auch in die palästinischen Täler und Gebirge vordrangen. Schliesslich wurde der Name Kanaan auf das ganze westjordanische Palästina übertragen. Die Bevölkerung dieses letztern war nach manchen Anzeichen eine stark gemischte. Sprachlich war ein semitischer Stamm (die Emoriter?) massgebend. Die Sprache der Phönizier ist ebenfalls eine rein „semitische", vom Hebräischen, der „Sprache Kanaans", nur dialektisch unterschieden. Das Volk aber wird von der Bibel wohl mit ethnographischem, nicht bloss politischem Grund nicht zu den Semiten, sondern zu den Hamiten gerechnet. Gen. 10, 6. 15 f.; vgl. 9, 25 ff. Nach Herodot (1, 1; 7, 89) wissen die Phönizier selber davon, dass sie vom erythräischen Meere (dem persischen Golf) nach ihrer Küste gezogen seien, womit übereinstimmt, dass nach Strabo (16, p. 766) die Bewohner der 1) Zu dieser Gruppe sind besonders zu vergleichen: G. G e s e n i u s , Scripturae Linguaeque P h o e n i c i a e M o n u m e n t a P. I—III, Lips. 1837. — C o r p u s I n s c r i p t i o n u m S e m i t i c a r u m P. I s. Paris 1881 ss. — Mark L i d z b a r s k i , Ephemeris für semitische Epigraphik, Glessen 1902 ff. — Friedr. M ü n t e r , Religion der Karthager, 2 Aufl., Kopenhagen 1821. — F. C. M o v e r s , Die P h ö n i z i e r , bes. Bd. I 1841 (diese beiden Darstellungen enthalten viel Material, sind aber sonst veraltet). — O. M e i t z e r , Gesch. der Kartbager, 2 Bde, Berlin 1879, 1896. - K. B. S t a r k , Gaza und die philistäische Küste, Jena 1852. — Richard P i e t s c h m a n n , Geschichte der Phönizier, Berl. 1889. — George R a w l i n s o n , History of Phoenicia, London 1889. — Graf W: B à u d i s s i n , Studien zur semit. Religionsgeschichte I, II, Leipz. 1876. 78. — P. S c h o l z , Götzendienst und Zauberwesen bei den alten Hebräern und den benachbarten Völkern, Regensb. 1877. — Friedr. Bä t i l g e n , Beiträge zur semit. Religionsgeschichte, Berlin 1888. — Robertson S m i t h , Lectures on the Religion of the Semites 1894, deutsch von Stübe 1899. — Archäologisches bei E. R eu a n, Mission de Phénicie, Paris 1864. — T i e l e - G e h r i c h , Gesch. der Rel. im Altert. 1, 219 ff. — Fr. J e r e m i a s bei Ghantepie, Religionsgesch.8 I, 348 ff. — Ed. M e y e r in Roschers Lex. Art. Astarte, Baal, Melqart, Moloch und Gesch. des Altertums I, 2, 2 A. 1909, S. 368 ff. — Graf B a u d i s s i n , PRÈ 8 Art. Astarte, Atargatis, 2Baal usf. — P. M. J. L a g r a n g e , Etudes sur les Religions Sémitiques , Paris 1905. — P. Hugues V i n c e n t , Canaan d'après l'exploration récente, Paris 1907. 2) So hiesse das Land nicht im Gegensatz zu Aram, eher zu Emor, dem Emoriterland. W. Max M ü l l e r , Asien usw. 208 ff.
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Kelig'ion der Phönizier, Kanaaniter, Karthager.
Inseln Tyros (oaer Tylos) und Aradus in jenem Golf die phöniz. Städte gleichen Namens als ihre Kolonien ausgaben, und dass sie ähnliche Tempel aufzuweisen hatten wie die Phönizier 1 ). Schon zu Anfang des 3. Jahrtausends v. Chr. müssen sie sich am mittelländischen Meere niedergelassen haben, wenn anders nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, was die Priester dem Herodot erzählten, dass nämlich die Erbauung der Stadt T y r u s und ihres Heraklestempels vor 2 8 0 0 Jahren geschehen sei, also vielleicht 2 7 5 0 v. Chr.; denn schon in frühere Zeit fällt die Gründung, der später von Tyrus überflügelten Hauptstadt S i d o n . Auch die Städte G e b a l (assyr. Gublu, ägypt. Kupnu 2 ), bei den Griechen Ryblus) und A r v a d reichten ins hohe Altertum zurück. Die Phönizier haben sich von dieser Küste aus, wo eine Reihe von Buchten zur Schiffahrt einluden und das benachbarte Gebirge das beste Material für den Schiffbau lieferte, sehr bald auf8 Meer hinausgewagt und sind die eifrigsten Seefahrer der alten Welt geworden. Im Zusammenhang damit entfaltete Sich bei ihnen eine reiche städtische Kultur, wobei die einzelnen Städte in relativer Selbständigkeit sich zu Bündnissen zusammenschlössen, und die mächtigste derselben, erst Sidon, dann meist Tyrus die Oberhoheit inne hatte, ohne dass es bei der engen Begrenzung der Küste und dem wenig kriegerischen Sinn der Bewohner zur Bildung einer politischen Grossmacht kam. Seine hohe Bedeutung hatte dieses Volk vielmehr als das bewegliche Bindeglied der alten Welt. Die Phönizier vermittelten zwischen Ägypten, dessen Erfindungen sie auszubeuten wussten, und Babylonien, dessen Kultur sie dem Westen zugänglich machten. Zwar die meisten Erfindungen, die man ihnen gemeinhin zuschrieb (Alphabet, Glasfabrikation u. a.), waren nicht ihre Leistung; aber ihr Verdienst bleibt es, dass sie diese Entdeckungen zum Gemeingut der Mittelmeervölker machten. Auch waren sie ebenso fleissig, geschickt und geschmackvoll in der Industrie wie -rührig im Handel 8 ). Die Metalle und Kleidungsstoffe, die sie auf ihren Handelsfahrten eintauschten, wurden in Tyrus und Sidon kunstreich verarbeitet. Aus dem fernher von Nord und West geholten Eisen bereitete man vorzügliche Waffen, aus dem afrikanischen Elfenbein kostbare Geräte. Die einheimische Purpurschnecke lieferte reichlich verwendeten Farbstoff. Noch mehr als späterhin die Araber und noch später die Juden waren diese Phönizier durch ihren meist zu Wasser gepflogenen "Handelsverkehr bei allen im Altertum zugänglichen Völkerschaften bekannte und 1) W. Max M ü l l e r , Asien usw. S. 229 rät, auf Nicht-Semiten in Palästina zu verzichten, da die ägyptischen Abbildungen für ganz Syrien und Palästina, abgesehen von den Hethitern, nur den semitischen Typus wiedergeben. Dies hindert ihn aber nicht, bei den Philistern eine uichtsemitische Einwanderung anzunehmen, und S. 293 weist er auf die Unsicherheit jenes archäologischen Argumentes hin, da die oberägyptischen Künstler hier nicht zuverlässig seien. 2) Vgl. W. Max M ü l l e r , Asien S. 188 ff. 3) Vgl. E. A r c h i n a r d , Israel et ses Voisins (Genève 1890) S. 73 ff.
Einleitung-
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unentbehrliche Leute. Das 27. Kapitel des Propheten Ezechiel gibt ans unter dem sprechenden Bild eines grossartig ausgerüsteten Meerschiffes eine Darstellung vom Reichtum des Weltmarktes zu Tyrus, wo die Erzeugnisse und Bewohner aller Zonen zusammentrafen. Dieser Handelssinn, verbunden mit grossem Gewerbefleiss, führte zur Ansammlung ungeheuern Reichtums 1 ) in den Hauptstädten und zu einem üppigen Leben der Grossen und Reiehen, während die zahllosen Sklaven, welche zur Erwerbung solcher Schätze nicht am wenigsten beitragen mussten, hart genug behandelt wurden. Auch waren diese Phönizier, so wenig man ihrer entraten konnte, bei allen Völkern, mit welchen sie verkehrten, wegen ihrer vor keinem Betrug sich scheuenden Gewinnsucht und ihrer grausamen Härte verrufen 4 ). Wie sie überall auf Menschenraub und Sklavenhandel ausgingen, zeigen z. B. Odyss. 15, 413 ff., Herodot 1 , 1 ; vgl. Joel 4, 6 (hebr.). Verglichen mit den Ägyptern, Assyrern und Israeliten zeigen die Phönizier keinen idealen Zug. Sie waren und blieben nach allen Zeugnissen ein der niedrigen Sinnlichkeit ergebenes Volk. Dem entspricht ihre Religion, welche trotz aller Kultur eine abstossende Roheit behalten hat. In K a n a a n , wo die Bevölkerung zwar auch mit Vorliebe der städtischen Kultur sich zuwandte, immerhin vor ihrer Verdrängung durcn Israel den Landbau betrieb, war der geistige und religiöse Zustand etwas anders als in den rein phönizischen Seestädten des Nordens. Im Vergleich mit den frisch eingedrungenem Israeliten zeigten die Bewohner sich fortgeschrittener in der Bildung, Baukunst, Kriegskunst Und vielem andern; sie haben daher auch nicht ermangelt, auf die israelitischen Eroberer, deren naturwüchsiger Kraft und theokratischer Begeisterung sie erlegen waren, einen weit und nur allzu tiefgehenden Einfluss auszuüben. Wir erkennen ihre Gesittung und Religion wieder an den in Israel herrsehend gewordenen Gebräuchen, welche den Charakter des durch Gottes Offenbarung am Sinai geheiligten Volkes vielfach entstellten und daher von den Trägern dieser Offenbarung lebhaft bekämpft, aber erst im Lauf der Jahrhunderte überwunden wurden. Politisch zerfielen diese Kanaaniter in viele unter einander nur lose verbundene Stämme^ welche wie die Jebusiter meist an einem städtischen Gemeinwesen ihren Mittelpunkt hatten und monarchisch regiert waren. Vgl. das Verzeichnis von 31 von Josua besiegten Königen Jos. 12, 7—24. Ein Teil derselben wird unter dem allgemeinern Namen Emoriter befasst, z. B. Jos. 10, 5. Zu -unterscheiden von den Kanaanitera sind die H e t h i t e r (1 Kön. 10, 29; 2 Kön. 7, 6), von welchen S. 187 die Rede war. Aber auch die P h i l i s t e r , im Südwesten Palästinas an der KtLste niedergelassen, nehmen ethnographisch eine Sonderstellung ein. Während 1) Dies beweisen auch die hohen Tribute, welche diesem Land auferlegt werden konnten. Z . B . f o r d e r t e Tiglatpilesar von einem lyrischen König 160 kikkar Gold ( = 52 Millionen Franken). Ar chinar d a. a. 0. S. 99. 2) Vgl. z. B. Horn. Odyss. 14,288 f.
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Religion der Phönizier, Kanaaniter, Karthager.
die „Kanaaniter" zur Zeit der israelitischen Einwanderung längst das Land innegehabt haben müssen, zeigen sich bei den Hebräern noch deutliche Erinnerungen an das Eindringen der Philister. Ünd zwar sind sie nach Deut. 2, 23; Am. 9, 7; Jer. 47, 4 und auch Gen. 10, 13 f., wo die Wörter umzustellen, von Kaphtor ausgegangen. Kaphtor ist K r e t a , der Sitz der Kafti, welche die Ägypter als mächtiges Seevolk schon im 16. und 15. Jahrhundert kennen, wahrscheinlich zur vorhellenischen Bevölkerung der Insel gehörig 1 ). Die Abstammung dieser Philister ist streitig. Man hat in ihnen Arier erkennen wollen. Hitzig kombiniert ihren Namen mit dem der Pelasger. Aber jedenfalls hätten sie semitische Sprache und Religion angenommen. Ihr offensives Vorgehen gegen das erstarkte Israel lässt erkennen, dass sie noch abgehärteter und kriegstüchtiger waren, als die Kanaaniter. Politisch hatten sie nach der Weise der letztern einen Städtebund (dazu gehörten Gaza, Asdod, Askalon, Gath, Ekron) mit monarchischer Verfassung und gemeinsamem Bundesgott. Ihre Religion weist dieselben Grundzüge auf wie die phönizische, daneben auffällige Berührungen mit dem Osten (Babylonien), aber auch Beziehungen zum hellenischen Westen. Die Phönizier haben bei ihren Handelsfahrten eine Menge K o l o n i e n an der asiatischen und afrikanischen Küste, sowie auf den griechischen und italienischen Inseln und Gestaden, bis über die Säulen des Herakles hinaus (Gades in Spanien, vgl. das bibl. Tarsis) angelegt, wohin sich ihre Religion verpflanzte und von wo Weihgeschenke an die heimischen Heiligtümer gesandt wurden. Die bedeutendste dieser Niederlassungen war bekanntlich K a r t h a g o , dessen vornehmste Bevölkerung sich von Tyrus herleitete, wie denn auch diese Stadt von jener durch alljährlich übersandte Opfergaben als Mutter geehrt wurde. Diese Verwandtschaft wird wie durch die semitische Sprache der Karthager, so durch ihre wesentlich phönizische Religion und Gesittung vollauf bestätigt. Die Denkmäler karthagischen Ursprungs, zu welchen namentlich auch die Opfertafel vonMassilia gehört (sieheuntenS. 268f.), sowie die sonstigen Nachrichten über die Religion dieses Volkes dienen daher zur Bereicherung unserer Kenntnis dieser Gruppe, ebenso aber auch zahlreiche auf Cypern, Sizilien, Sardinien und an andern von Phöniziern und Karthagern besiedelten Küsten gefundene Denksteine. Als l i t e r a r i s c h e Q u e l l e zur Religionskunde Kanaans und Phöniziens kommt hauptsächlich das A l t e T e s t a m e n t in Betracht. Die phönizische Kosmogonie und Theogonie des S a n c h u n i a t h o n * ) , wovon umfassende Fragmente bei Eusebius erhalten sind, kommt 1) Ed. M e y e r , Gesch. I, 2P S. 702 ff. Anders W. Max Müller a. a. 0. 387 ff.: die Philister, die Purasati der ägypt. Denkmäler, ein Seeräubervolk aus Südwestkleinasien (Lykien) und den ägäischen Inseln, habe im 11. Jahrh. die Küste Kanaans erobert, aber, weil nur eine Minderzahl der Bevölkerung bildend, sich dieser in Sprache und Sitte -anbequemt. Vgl. auch Gut he unter „Philister" PRE8. 2) Siehe die Literat« bei B a u d i s s i n PRE* XVII, 452.
Die Gottheiten.
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als anmittelbarer Zeuge für die phönizische Religion nicht in Betracht, da P h i l o von B y b l n s (geb. 64 n. Chr.), ein gelehrter Mythograph, darin nicht, wie er vorgibt, ein altes Werk eines phönizischen Priesters Sanchaniathon ins Griechische übersetzt and herausgegeben hat, sondern iir dieser dem Euemeros nachgeahmten Einkleidung seine eigene freie Komposition bietet, in welcher phönizische Traditionen mit ägyptischen, hebräischen and griechischen Religionselementen verschmolzen and nach den euemeristischen Anschauungen des Verfassers gemodelt sind. Nichtsdestoweniger kann unter Beihilfe anderer Zeugnisse aus diesem Buche altes Material in bezug auf Götternamen und Vorstellungen gewonnen werden. Was von M e n a n d e r s aus Ephesus Schrift „Phoenicica" bei Josephus und Clemens AI. erhalten ist, bietet wenig Ausbeate. Ferner H e r ö d o t , S t r a t o u. a., auch der Afrikaner Appulejas (2 Jahrh. n. Chr.). 1. Tor Stellungen von der Gottheit. Was nun die R e l i g i o n der Phönizier (Karthager) und der vorisraelitischen Bewohner Kanaans anlangt, so sind sie nach der Bibel Polytheisten: sie dienten den Baalen und Astarten. Allein nähere Untersuchung zeigt, dass nicht nur am einzelnen Ort, z. B. in der einzelnen Stadtgemeinde ursprünglich Ein Hauptgott verehrt wurde, in der Regel mit seiner weiblichen Nebenfigur, die seine Ausstrahlung ist, sondern dass auch die an den einzelnen Stätten verehrten Hauptgottheiten auffällig ähnliche Züge aufweiten, so dass sie sich leicht als Vervielfältigungen eines Haupttypus» and zwar eines solaren, bzw. eines Himmelsgottes erkennen lassen. Der Umstand, dass die Gottheit bei diesen Stämmen in der Regel nicht nach einer Naturerscheinung, sondern nach ihrer Würde im allgemeinen benannt wurde als El (Gott), Baal (Herr), Adon (Gebieter) u. s. f., erleichterte es, dass die partikularen Besonderungen der Gottheit wieder zu einer einheitlichen Vorstellung zusammengefasst werden konnten. Dass die geläufigsten Götternamen wie Bäal, Astarte, darin auch Ramman, Dagon, Nebo u. a. auch bei Babyloniern und Assyrern sich finden, lässt sich daraus erklären, dass der babylonische Einfiuss auf diese Länder am Mittelmeer nach den Amarnabriefen schon sehr frühe muss ein starker gewesen sein, odei' aber so, dass diese Benennungen der Götter diesen Westsemiten mit den östlichen von früher her genieinsam waren. Ein Gott wie Nebo oder Dagon kann endlich auch von Westen nach Osten gewandert sein*). Erhabenheit und Sinnlichkeit sind übrigens bei der phönizisch-kanaanitischen Götterauffassung eigentümlich vereinigt, wie auch ihr Kultus unter einem Firniss von feiner Kultur barbarische Roheit verrät. Der älteste und eigentliche semitische Name für Gott ist E l , 1) Dieselbe Frage erhebt sich in bezug auf die südlichen Araber (Himjaren), die einen mit lltar zusammenhängenden Gottesnamen Athtar haben, ebenso einen Gott Sin wie die Assyrer.
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Religion der Phönizier, Kanaaniter, Karthager.
was dann Gattungsname geworden, besonders im Assyrischen. Die Ableitung und där Zusammenhang des Namens mit dem hebräischen Eloah, Elohim und dem arabischen Iläh sind zweifelhaft. El, die Gottheit schlechthin bezeichnend, kommt in vielen altsemitischen Personennamen vor. Als Eigenname erscheint er selten, und zwar für den höchsten Gott. Vgl. Gen. 46, 3; 14, 18 (hier mit Epithet). Philo von Byblos nennt den phönizischen El: Kfonos 1 ). Viel häufiger ist die Benennung oder Umschreibung der Gottheit mit Baal 2 ). Da dieses Wort auch im profanen Sprachgebrauch stets üblich war, musste seine appellative Bedeutung: Inhaber von etwas, Gewalthaber über etwas, Herr, stets im Bewusstsein lebendig bleiben. Aber nicht in dem Sinne brauchte die religiöse Sprache das Wort stets appellativ, dass es immer nur eine Gattung von Wesen bezeichnete, wie etwa wenn hebräische Autoren von „den Baalen" reden. Dass Baal im Singular eigentlich nur ein einzelnes Numen im Unterschied von andern als Inhaber eines bestimmten Orts, besonders einer Oase, bezeichne, wobei in dem Worte selbst die Beschränktheit und Vereinzelung dieses Wesens läge 8 ), ist irrig. Vielmehr ist der allumfassende Baal, aer Himmelsgott und Herr xar' Itoyfjv, älter als viele Lokalgottheiten, die seine Manifestationen und Besonderungen darstellen. Als allgemeiner und höchster Gott (Nebenbuhler von Jahveh) heisst er hebräisch mit Artikel habba'al. Zwar kommt er auf den Inschriften nicht> ohne näheres Attribut oder Genetiv vor. Allein die zahllosen mit Baal zusammengesetzten Personennamen 4 ) beweisen, dass dieses Wort für sich allein genügte, um eine bestimmte Gottheit zu bezeichnen^ und zwar kann bei der Allgemeinheit des Ausdrucks nicht ein einzelner Baal neben andern gemeint sein, sondern eben nur der Baal schlechthin, neben welchem man wenigstens im Sprachgebrauch dieses Volkes keinen andern kannte, so dass das Wort den Charakter eines eigentlichen Gottesnamens annehmen konnte. Formell sind jene Personennamen 1) Vgl. L a g r a n g e , S. 71 f. — El Gabal heisst der Sonnengott von Enaesa, durch Spitzsäulen dargestellt und mit Knabenopfern verehrt (Scholz, Götzendienst S. 143 u. 189). 2) Dies die phönizisch-kaüaanitische Form; syrisch Be'el; vgl. assyr. Bei (mit Ausfall des s). — LXX unterscheiden den babylon. Bei (B^ü od. Bifloi) vom kanaanit. Baal, geben aber diesen in Zusammensetzungen auch mit Biel od. BiX. In Palmyra und sonst findet sich auch die Aussprache Bol in Zusammensetzungen, wie Aglibol, der neben Malakbel Hauptgott von Palmyra. B ä t h g e n , Beiträge S. 84. 3) Siehe gegen diese beliebte MeiUung* B a u d i s s i n , PBE8 II, 3251. Derselbe .deutet S. 340 an, dass man einen Zusammenhang des phönizischen Baal mit dem babylonischen Bei (in seiner doppelten Gestalt) Schwerlich abzu «reisen berechtigt ist. Für einen solchen spricht schon die hüben und drüben wohlbekannte Astarte. 4) Z. B. Baaljathon oder Baliton, Baal spendet j 'Täaalsama, B. erhört; BaalSamar, B. behütet; Asarbal = Asrubal = Asdrubal, Hilfe Baals; Inibai, Auge Baals oder: mein Auge ist Baal? usf. S. ein Verzeichnis bei'Scholz, Götzend. S. 168 ff. Geradeso bildeten die BabjNonier Eigennamen mit ihrem obersten Gotte Bei. Auch Baal konnte demnach zum Eigennamen (des Hauptgottes) werden.
Die Gottheiten.
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nicht anders zu erklären, als wenn ein Israelit seinen Sohn Ischba'al 1 ) nannte, indem er mit „dem H e r r n " eben Jahveh meinte, der in älterer Zeit unverfänglich b a a l i „mein Herr" angerufen wurde 2 ), 80 gut wie adönaj „rrrein Gebieter", bis der Gebrauch dieses Namens wegen der leicht möglichen Beziehung auf den ganz anders ge arteten Gott der Kanaan iter verdächtig wurde. F ü r eine universale Fassung des phönizisch-kanaanitischen Baal bürgen sein häufig hervortretender solarer Charakter und Beine Bezeichnung als Himmelsherr. Beides schliesst ein partikulares Lokalnumen aus, und führt vielmehr darauf, dass ein allgemeiner Himmels- oder Sonnengott sich mannigfaltig lokal besondert hat. Manche Neuere haben in diesem Baal einen ursprünglichen Sonnen gott gesehen (J. G. Müller, Schräder u. a.). Allein mit Recht fand Schlottmann, ohne den solaren Charakter zu bestreiten, in ihm die vielgestaltige erzeugende Naturkraft, welche sich in den solaren Erscheinungen nicht erschöpft. Und es dürfte mindestens ebenso richtig und seinem ursprünglichen Wesen entsprechender sein, wenn man ihn als H i m m e l s g o t t bezeichnet. So lässt ihn das phönizische Epitheton erkennen B a a l S a m e r n , BeeXadfir)v (bei Sanchuniathon) = xvQiog ovgavov (Philo Byblius). Eine phönizische Weiheinschrift 3 ) beginnt DSU "pxr, dem Gebieter, dem „Herrn des Himmels"; eine sardinische Votivtafel ebenso, aber mit kontrahierter Form L e basgamem 4 ). Die palinyrenischen Inschriften geben die Form "joo bsa baal samin 5 ). Augustin bezeugt als bei den Puniern geläufigen Gottesnamen baal samen 0 ), und in der T a t schwört bei Plautus Poen. 5, 2. 67 der Punier Hanno „gune bal samem", bei der Hoheit ("»sieM) des Himmelsbaals. Verwandt mit dieser. Benennung ist die des Baal räm, des erhabenen B. auf neuphönizischen Inschriften 7 ). Auch der Höhenkultus der Phönizier und Kanaaniter führt, wie wir sehen werden, auf eine himmlische Gottheit. F ü r die beherrschende Stellung dieses Gottes und überhaupt f ü r das phönizische Pantheon in der assyrischen Zeit ist wichtig der keilschriftlich erhaltene Vertrag zwischen Asarhaddon und dem KöoigBaal von T y r u s (ca. 676). Dort erscheinen als die Gottheiten, welche den eventuellen Treubruch des Tyriers rächen sollen, die phönizischen Hauptgötter : Ba-al-sa-me-me (sie!), Ba-al-ma-la-gi-e (malki?), Ba-al-sa-pu-nu ( r ^ x ) , dann die speziell tyrischen Götter Mi-il-kar-ti (Melkart) und Ja-su-mu-nu (E§mun), und endlich. Ag-tar-tu (Astarte)! 8 ) Baataamem gehört also jedenfalls der altphöniziachen 1) 1 Chron. 8,33. 2) Hos. 2, 18 f. 3) CIS I, p. 3Q. 4) CIS I, p. 183. 5) De Vogü6, Syrie Centrale I Nr. 16 u. 73. 6) Quaest. 16 in Jud. 7) S c h o l z , Götzendienst S. 139. Dieses Baal-räm erscheint auch als Personenname. S. ebenda S. 168. 8) KAT» S. 357.
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Religion der Phönizier, Kanaaniter, Karthager.
Religion an 1 ). Vgl. auch die babylonische Aschera als „Braut des Himmelskönigs", Seite 259, Anm. 4. Als Himmelsgott aber wurde der Baal namentlich in der s o l a r e n Gestalt geschaut, auf welche bestimmter andere Epitheta weisen. So heisst er B a a l c h a m m ä n bsa unzähligemal auf karthagischen und auch sonst auf nordafrikanischen, maltesischen und sizilianischen Inschriften; d. i. der Glut ausstrahlende, Baal solaris 2 ). Die judäischen c h a m m ä n i m , Sonnensäulen (Jes. 17, 8 und sonst), den ägyptischen Obelisken ähnlich, wenn auch roher bearbeitet, sind Embleme dieses Gottes wie die Äscheren solche der Astarte. Die schlanken Säulen mögen den Sonnenstrahl darstellen. Eine phallische Deutung war jedenfalls nicht allgemein, doch, ist sie bei gewissen Steinen kaum abzuweisen'). Eine eigentliche Abbildung des Sonnenbaals findet sich z. B. über einer afrikanischen Inschrift 4 ), wo er als männliche Gestalt mit Strahlen um. das Haupt dargestellt und ausserdem weiter oben die Sonnenscheibe mit menschlichem Gesicht angebracht ist 6 ). Die ausgebreiteten Arme halten zwei grünende Bäumchen. Bei einer andern ebenfalls dieser Gottheit geweihten Inschrift 6 ) ist eine ähnliche Gestalt zu sehen, deren Arme in eine riesige "Weintraube und in einen Granatapfel auslaufen, wodurch sie ebenfalls als Spenderin des fruchtbaren Wachstums, das ihre Strahlen hervorrufen, gekennzeichnet ist. Die Wohltätigkeit des Gottes wird auch durch die vielen Inschriften bezeugt, welche für empfangene Wohltaten danken oder seine Segnungen erflehen. Dass der im benachbarten Baalbek (griech. Heliopolis) verehrte Baal Sonnengott war, ist unzweifelhaft; nur stammen allerdings die Nachrichten über sein dortiges Heiligtum aus sehr später Zeit. Mit dieser Verehrung des Baal als Sonnengottes wird es zusammenhangen, dass die Karthager und auch die Tyrier zu Zeiten den Apollodienst bei sich aufnahmen. Höchst wahrscheinlich haben sie eben in dem griechischen Sonnengott nur eine nationale Modifikation ihres eigenen Gottes erkannt. Z. B. haben die Karthager aus Gela (Sizilien) eine kolossalb JLpollostatue entführt und sie den Tyriern als Trophäe geschickt, welche dieselbe im Tempel ihres 1) Gegen Lidzbarski, Ephem. I 252 ff. Irrig scheint anderseits die Angabe bei Chantepie I8 S. 366 oben. 2) G e s e n i u s , Monum. p. 170 SB., WO jedoch die Kombination mit dem agypt. Amon, die bei ungenauer Schreibung des chammän nahelag, abzuweisen. Dass dieser Gott nicht von der Sonnen s&ule, sondern diese nach ihm benannt ist, leuchtet ein. Die Säule strahlte keine Wärme aus, hiess also nach dem Gotte chammän. Ganz so verhält es sich mit der Aschera (gegen Stade, Ed. Meyer u. a.). 3) Vgl. Vincent S. 113 (u. 127) über einen solchen zu Gezer; L a g r a n g e S. 190. 4) Gesenius ebenda tab. 21. 5) Auch in Phönizien fand Renan eine Säule mit dem Bild des Baal, von dessen Haupt Strahlen ausgehen (Mission en Ph6nicie p. 92 32 N. 2). $) Gesenius a. a. 0. Numid. IV, tab. 23.
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Hauptgottes Herakles, d. i. Melkart (der dem Baal Chamman entspricht) aufstellten, dann aber während der Belagerung der Stadt durch Alexander, da sich das Gerede bildete, der Apollo wolle die Stadt verlassen, mit einer goldenen Kette an deü Altar des Herakles fesselten*). — Ferner weiss Cicero8) von einer aus Agrigent durch die Karthager geraubten, von Myron verfertigten Apollostatue. — Bei der Zerstörung Karthagos durch die Börner wurde eine solche (aber schwerlich dieselbe!) Kolossalstatue des „Apollo" von 1000 Talenten Goldes Gewicht durch die Truppen zertrümmert3). Eine damals erbeutete Apollostatue wurde von den Siegern in Rom gegenüber dem Zirkus aufgestellt 4 ). Doch fragt sich in bezug auf die letztem Fälle, ob es sich wirklich um Bilder des griechischen oder eines karthagischen Gottes handelt, dem die Ausländer diesen Namen gaben s ). So verhält sichs gewiss mit dem Apollo von Utica, dessen Tempel die Phönizier nach Pli'nius6) schon 1178 Jahre vor seiner Zeit gebaut haben sollen. An Apollo, welchem die Fliege heilig war, erinnert auch B a a l - z e b ü b , d. i. der Fliegenbaal bei den Philistern zu Ekron 2 Kön. 1, 2. 3. 16. Er heisst so als der sömmerliche Sonnengott, dem dieses Tier heilig ist, während der Gedanke an die Abwehr der Fliegen (vgl. Zeus &n6fiuiog) sekundär sein wird. Jedenfalls war er Orakelgott, und wahrscheinlich wurden seine Vorzeichen aus dem Benehmen der Fliegen erschlossen. Dass er auch Heilgott war, lässt sich aus dem an obiger Stelle erzählten Fall nicht sicher folgern, doch ist es nicht unwahrscheinlich. Von den rabbinischen Juden wurde später, aus diesem Gott der schlimmste der Dämonen gemacht 7 ) und zugleich sein Name in B e e l - z e b u l umgelautet, was den Mistgott bedeutet, wenn die Verwandlung des b in 1 nicht bloss der lautlichen Erleichterung zuliebe geschehen ist. Nach seiner sozialen und politischen Seite heisst der Gott bei den Kanaanitern, von denen ihn die Sichemiten in der Richterzeit übernommen hatten, B a a l - b e r i t h Rieht. 8, 33; 9, 4 vgl. Vs. 46 El-berith. Damit wird nicht sein Bundesverhältnis zum Volke, sondern sein schirmendes Verhalten zum Bund der Menschen untereinander ausgedrückt 8 ). Er ist der Schutzgott eines kanaanitischen Städtebundes, einer Eidgenossenschaft, vielleicht auch „der Gott, bei welchem Verträge geschlossen oder Vertragsopfer gebracht werden" (Nöldeke ZDMG 42, 478). Man übersehe aber nicht, dass in seinem Hause auch die Weinlese gefeiert wird Rieht. 9, 27. Denn des hier genannte „Haus ihres Gottes" ist sicher kein anderes als 1) Curtius 4, 15; Plutarch, Vita Alexandri M. c. 24. 2) Cicero in Verr. 4 § 93. 3) Appian. Pun. c. 127. 4) Plutarch, Titus c. 1. 5) Vgl. J. H. M o r d t m a n n , ZDMG 32, 552 ff. 6) Plinius, Hist. nat. 16, 79. 7) Einen sprachlichen ErklHrungs versuch dafür gibt Riehm im Bibl. Hdwb. Alt. Beelzebub. 8) Vgl. B a u d i s S i t PRE» II, 334.
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Religion der PhOnieier
Kanaaniter. Karthager.
das Vs. 4 genannte. — Der Ortsname B a a l - g a d 1 ) lässt auf einen Glücksbaal schliessen, der dort am Fusse des Hermon verehrt worden wäre 2 ). Dagegen B a a l - t a m a r (Eicht. 20, 33) „Palmenbaal" erinnert an das oben über die befruchtende Wirksamkeit des Gottes Gesagte. Eine Abart des Gottes wurde unter dem Namen B a a l P e ö r auf moabitischem Gebiet mit wollüstigem Kultus verehrt, an dem sich die Israeliten schon in frühester Zeit beteiligten 3 ). Steht auch Num. 25, 2 nicht ausdrücklich, dass bei der Pestfeier dieses Baal der unzüchtige Umgang sei gepflogen worden, so kann doch, da die Moabiterinnen ihre lüsternen Buhlen dazu einladen, kaum ein Zweifel sein, dass dies die Meinung ist 4 ). Dagegen ist nicht nachzuweisen, dass dieser sinnliche und unsittliche Kultus im Namen Peör ausgedrückt sei, den die Rabbinen „Entblössung" u. dgl. deuten wollten. Es scheint dieser Baalskult einer bestimmten Gegend eigen gewesen zu sein, wo das Gebirge Peör und der Ort Beth Peör lagen. Beide sind wohl nach dem Gotte benannt, doch könnte beim Berge aucn das umgekehrte der Fall sein. Auch bei andern Ortsnamen kann man inj Zweifel sein, ob eine Spezialität des Gottes dem Ort oder ob der Ortsname dem Gott die Spezialbenennung gegeben hat: Baal-Hamon, B. Chazor, B. SaliSa, B. Perazim. B, Meön usw. Doch ist hier meist letzteres anzunehmen. Anders vernält sichs mit B a a l Z e p h ö n oder Zaphon, dessen Heiligtümer weit auseinander liegen. Vgl. den Ort am roten Meer fix. 14, 2 mit dem im Stamme Gad Jos. 13, 27 und dem karthagischen Personennamen fDSi.as, Diener des Zaphon 5 ). Mit dem griechischen Namen Typhon ist es schwerlich, identisch, wie Renan meinte. Eher bedeutet es den Baal des Nordens, der auf dem Götterberg im äussersten Norden (Jös. 14, 13) seinen Sitz hat (Bäthgen). Da diese an sich allgemeine und vielseitige Gottheit, welche man Baal nannte, sich örtlich und qualifikativ so mannigfach besonderte, erklärt sich leicht, wie von einer wirklichen Mehrheit von Baalen gesprochen werden konnte. Man hat mit innfirm Recht die verschiedenen, Marien mit ihren lokalen Attributen im römischen Kultus verglichen 6 ). Maria Einsiedeln usw. Die Mehrheit der Bilder wirkt dabei mit. Nur schritt das Heidentum unbedenklich zu eigentlicher, Vermehrung seiner Götter fort. 1) Jos. 11, 17; 12, 7 ; 13, 5. 2) Vgl. den Glücksgott Jes. 66,11 und die syrische Gad-Tyche ZDMG 31 99. Siehe unten S. 273 3) Num. 25 3. 5 ; 31, 16; Deut. 4, 3 ; Jos. 22, 17 4) Anders K a u t z s c h , Die Ächtheit der moabitischen Altertümer 1876, S. 74 f. Analog ist aber das Hos. 4 14 gezeichnete Treiben. . 5) CIS I, p. 342; Vgl. 127 f. 6) R e n a n vergleicht auch mit den verschieden.«*) Tempeln, welche die unterschiedenen Baale oder Astarten in derselben Stadt haben konnten, die Pariser Kirchen Notre Dame des Victoires, Notre Dame de Bonne Nouvelle usw.
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Der Baal von Tyrus führte speziell den Namen M e l k a r t , d. i. rnelek kereth, König der Stadt, offenbar eigentlich ein Beiname, der seine politische Bedeutung aussprach. Ihm galten jene Huldigungen der Karthager. Wie das Königshaus von Tyrus, so rühmten sich die vornehmsten Familien Karthagos von ihm abzus t a m m e n Z w e i maltesische Stelen 2 ) 6ind geweiht m p b " r IS „unserm Gebieter, dem Melkart, dem Baal von Tyrus". Dem entspricht in de* darunterstehenden griechischen Widmung: 'Hgax/.el &(>%TqyEiu. Auch Philo Bybl. identifiziert den tyrischen Melkart ausdrücklich mit Herakles 8 ). Da letzterer Sonnengott ist, bestätigt sich auch von dieser Seite der solare Charakter des tyrischen Melkart, mit welchem man übrigens nach dem oben (Sr 252 f.) Gesagten auch den Apollo verwandt ansah. Ferner ist zu beachten, dass nach Menander4) der König Hiram von Tyrus (Zeitgenosse Salomos) angefangen habe, die Auferstehung des Herakles in einem bestimmten Monat zu feiern. Das geht auf die Neubelebung der bis zur Wintersonnenwende abgestorbenen Sonne. Die Selbstverbrennung des Herakles wurde durch Scheiterhaufen symbolisch dargestellt. Jener König Amilkas, der nach Herodot 7, 167 sich auf einem Scheiterhaufen verbrannte und dem die Karthager opferten, scheint der historisierte Melkart zu sein. Dass man diesen auch dort verehrte, zeigen die vielen mit diesem Gott zusammengesetzten karthagischen Personennamen; wie Abdmelkart, Germelkart (Schützling des M.), Hamilkar, Himilkar ( = mpba "in«)6). Derselben Gottheit galten anderweitige phönizische Tempel des „Herakles", z. B. ein solcher auf Thasos im ägäischen Meer. Der thasische Herakles kehrte, wohl etwas gräzisiert, wieder nach Tyrus zurück und erhielt dort einen besondern Tempel6). Auch zu Gades hatten die Phönizier ihrem Herakles-Melkart ein berühmtes Heiligtum gebaut; ebenso wurde er verehrt in Tarsus, auf Sizilien (Heraklea = Bus Melkart, Vorgebirge des M.), Malta und anderswo. Abgebildet ist er auf Münzen von Gades mit jugendlichem männlichem Kopf and den Abzeichen der Keule und Löwenhaut. Seine Embleine im Kultus sind zwei Säulen. Im Haupttempel zu Tyrus waren dieselben, nach der angegebenen Stelle bei Herodot, von Gold und Smaragd. Dass der himmlische Sonnengott auch das Meer beherrschend, ja darin wohnend gedacht wurde, s. Baudissin, Studien II, 174 f. — Übrigens kommt bei den Phöniziern auch das einfache milk, König, als Benennung Gottes vor und steht in diesem Sinn, in manchen Eigennamen 7 ). Die Bedeutung ist analog wie bei Baal zu erklären. Sie hat sich dann zu der einer bestimmteren Stamm1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Virgil, Aen. 1, 729; Silius Italicus, Punica 1. 87. CIS I p. 151 s. Vgl. auch Herodot 2, 44: 2 Makkab. 4,19 f.; Diodor, Sic. 20,14. Bei Josephas, Ant. 8, 5, 3. S. S c h o l z , Götzendienst S. 200f. B ä t h g e n , Beiträge, S. 21. Herodot 2, 44. Vgl. B ä t h g e n , Beiträge S. 37 ff.
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gottheit verdichtet, z. B. bei den Ammonitern, die ihren Gott nach dem Alten Testament Milkom oder Molek nannten, wobei aber die letztere Vokalisation wohl Zutat der Schriftgelehrten ist, welche auf boschet (Schande) hinweisen wollten. Vielleicht hiess der ammonitische Gott einfach hammelek, oder melek, vgl. Zeph. 1, 5. Die Idee des Ersterbens and Wiederauflebens der göttlichen Naturkraft prägt sich namentlich auch im Adonismythus aus. Die griechischen und römischen Autoren kennen eiilen phönizischen Gott A d o n i s . Dieses Adon ist ganz ähnlich wie Baal eigentlich Appellativ, den Herrn und Gebieter bezeichnend, daher bei den Hebräern stets unbedenklich zur Umschreibung von Jahveh gebraucht. Bei den Phöniziern verdichtete sich die Vorstellung zu der eines bestimmten Gottes, während es im Grund eine bestimmte Erscheinungsform der allgemeinen Gottheit (Baal) ist. So wurde Adon oder Adoni (griech. "Adcovig) ein nomen proprium für einen von Baal, Melkart u. s. f. unterschiedenen Gott. Lokal ist die ßhönizische Stadt Byblus (Gebäl) der Stammsitz des Adoniskultus, von wo er namentlich auch nach Cypern überging 1 ). Er vereinigt in sich Schönheit, Jugendkraft und Minne, wird aber von einem feindlichen Eber getötet und von den Weibern beweint*). Er stellt also das unter widerwärtigen Einflüssen ersterbende üppige göttliche Naturleben dar, das sich übrigens wieder verjüngt. Die Frage, ob ursprünglich das abnehmende Sonnenlicht oder die verschmachtende Vegetation diese Idee nahelegte, ist mit Baudissin 8 ) im erstem Sinne zu beurteilen. Doch trat (ähnlich wie in Ägypten) mit der Zeit mehr die letztere Vorstellung in den Vordergrund, welche namentlich bei den Griechen vorherrschte. Um der innern Verwandtschaft der Idee willen verschmolz der phönizische Adonismythus und -kultus sich mit der Zeit einerseits mit dem gleichfalls nach Vorderasien vorgedrungenen (vgl. Ezech. 8, 14) ThammuzDienst und anderseits mit dem des ägyptischen Osiris, der j a nach der jungen Gestalt des Mythus als Leiche eben nach der phönizischen Stadt Byblus gekommen und dort von der klagenden Isis gefunden worden sein soll. Mit Adonis verwandt, gewissermassen ein Doppelgänger von ihm, ist E s m u n der Heilgott, welcher eigentlich die verjüngende Lebenskraft darstellt 4 ). In der grossen Sarkophaginschrift 5 ) des Königs von Sidon, Eschmunazar (d. i. Eschmun hat geholfen), be1)' Vgl. über die Namensform B ä t h g e n , Beiträge S. 42 ff. und über die Adonismythen, die uns nur in gräzisierter Form erhalten sind, S c h o l z , Götzendienst S. 218 ff. — Ch. V e l l a y , Annales Musée Guimet 16 (1904). 2) L a m p r i d i u s , Heliog. 7 : Salambonam etiam omni planctu et jadatione Syriaci cultus exhibuit, geht auf das zum Beweinen ausgestellte Adonisbild. Salambo oder Salambas ist = 'ws aïs. Bildnis des Baal. Robertson S m i t h a. a. 0 . S. 412. 3) B a u d i s s i n , Studien II S. 188. 4) Siehe über Esmun B a u d i s s i n ZDMG 59 (1905) S. 459 ff, ubd D e r s e l b e , Eämun-Asklepios, Glessen 1906. 5) CIS I p. 13 ss. Siehe dort die Literatur zu dieser Inschrift p. 12«
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richtet dieser, dass er mit seiner Mutter AmmaStart dem Baal, der Astarte and dem Eschmun Tempel errichtet habe. -Auch andere Phönizier benannten sich nach diesem Gott, der wie in Sidon namentlich auch in Berytos verehrt war. Philo Byblius nennt ihrf den achten Bruder der sieben Kabireri. Wegen seiner Heilkraft, welche die Kranken anriefen, nennen ihn die griechischen Inschriften Asklepios, die lateinischen Aesculap 1 ). Auch er wurde in Karthago, auf Gypern und in anderen Kolonien verehrt, wo er ebenfalls in zahlreichen Eigennamen begegnet wie Abdeschmun, Eschmunäillek (E. lässt frei ausgehen) u. s. f. £ ). In Karthago, wo er einen berühmten Tempel auf der Akropolis hatte, war er besonders angesehen. Zu Astarte hat er nahe Beziehungen. Der Gott R e s e p h , dessen Name in Persönalbenennungen auf Cypern vorkommt und auf einer Inschrift aus Citium 3 ) Beseph Chöz heisst, B. mit dem Pfeile, ist nach der hebräischen Bedeutung des Wortes f)®~i (Flamme) zu schliessen, Blitzgott, Gewittergott. Er kommt auch in Ägypten vor in der Form Bagpu und ist dort als asiatischer Gott abgebildet 4 ). Nach Ed. Meyer 5 ) wäre er wie die Göttin Anath (s. unten) hethitischer Gott gewesen und diesem feindlichen Volk von den Ägyptern zur Zeit der 18. und 19. Dynastie entlehnt worden. Der anscheinend semitische Name ist jedoch diesem Ursprung nioht günstig. Die Gottheit spiegelt sich nun aber bei diesen Völkern regelmässig in einem weiblichen Gegenbilde wieder. E l a t h oder Eloth kommt vereinzelt in Karthago und Sardinien als Name der Göttin vor c ). Baa.lat, welches bei den Assyrern so gangbar geworden (Bilit, Beltis), wird seltener gebraucht. Immerhin heisst auf der Inschrift eines Königs von Gebal 7 ) die Göttin von Gebal (Byblus) baj n r a o ' r m n „die Herrin, die Baalat von Gebal". Sie buhlte mit Adonis-Thamihuz 8 ) und wurde als Liebesgöttin mit Unzucht gefeiert nach Lucian (de dea Syr. c. 6), der von tfinem grossen Heiligtum dieser Aygodiirj Bvßkirj weiss. — Hie und da erscheint auch eine M i l k a t als weibliche Ableitung von milk 9 ). Der gewöhnliche, bei all diesen Völkern verbreitete Name der Göttin ist jedoch A s t a r t 1 0 ) , lautlich und auch dem Wesen des Numens nach der assyrischen Istar entsprechend. Nur ist auch sie, dem vielgestaltigen Basti analog, eine dea multiformis (Appulejus), Denn auch das weibliche Götterwesen hat sich lokal und nach 1) 2) 3) 4) 5)
CIS I p. 188. Vgl. B ä t l i g e n , Beiträge S. 45 f. CIS I p. 36 ff. Vgl. die Abbildungen ebenda p. 38 und oben S. 1S5. ZDMG 31, 719. Vgl. auch ZDMG 32, 557.
6) Siehe Lagrauge S. 72 f.
7) CIS I p. 1 ss. 8) Vgl. B a u d i s s i n , Studien I, 301 f. 9) B ä t h g e r r , Beitrüge S. 40. 10) Dies die phöuizische Ausspräche. Im AT. liest man 'aschtoret, ob mit Recht? Vgl. B a u d i s s i n , PRE 3 II, 149. Orelli, Religionsgeschicbte. 17
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sonstigen Attributen mannigfach besondert. In der Regel ist es das weiblich empfangende, fruchtbare Prinzip wie Baal das männlich befruchtende. Und wie Baal in der' Sonne seine vornehmste Erscheinung hat, so ist bei diesen vorderasiatischen Völkern Astärte meist lunaren Charakters 1 ), indem dem Monde ein starker Einfluss auf die Fruchtbarkeit zugesprochen wurde, während wir bei den Babyloniern und Assyrern diese Göttin stets mit dem Planeten Venus verbunden fanden. Sie wurde als Göttin der animalen Fruchtbarkeit iii Kanaan mit Kuhhörnern dargestellt^) (vgl, Isis-Hathor), was sich bei einer lunaren Göttin um so besser begreift — während Baal-Moloch in Stiergestalt oder mit Stierkopf symbolisch erscheint. Sie heisst 1 Kön. 11, 5 33; 2 Kön. 23, 13 Göttin der Sidonier, d. h. Phönizier. Gerade in Sidon aber war sie die Hauptgöttin und Schutzgöttin der Stadt. Die Inschrift Eschinunazars berichtet, dass dieser König von Sidon und seine. Mutter, welche Ammaütart (Magd der Astarte) hiess, dieser Göttin einen Tempel gebaut haben. Mehrere sidonische Könige führen den Namen Abdastart (BodaStart), Verehrer der A. Ähnlich war es in Tyrus, wo immerhin Melkart den Vorrang" hatte. Z. B. war der Vater der israelitischen Königin Isebel, Ithobal, ein Priester der Astarte zu Tyrus 3 ). Auch in Karthago genoss sie Verehrung; dort dominierte jedoch die Göttin Tanit (s. unten) Besonders merkwürdig ist, dass ein sidonischer Tempel der Astarte mit dem Zunamen DU), Name des Baal, geweiht war 4 ) Darin spricht sich das Bewusstsein wesentlicher Einheit dieser beiden Gottheiten aus, so zwar, dass die Göttin das sekundäre ist, eine OfFenbarungsform, in welcher die Gottheit (Baal) den Menschen näher tritt. Die so häufige, auch in Israel bekannte Unterscheidung einer unnahbaren, verborgenen und einer offenbaren Gottheit, welche beide verwandt, ja im Grunde Eins sind, findet sich hier in geschlechtlicher Form. Ganz ähnlich heisst Tanit „Angesicht des Baal", wie wir sehen werden. Baal und Astarte wurden auch sehr häufig auf JEinem Altar verehrt. Das Symbol der Göttin heisst A s c h e r a und ist ein aufgerichteter Baum, entweder mit frischen Zweigen, nach Art der Pfingstmaien, oder kahl 1) So überhaupt in Vorderasien. Auch die „Himmelskönigin", welche abgöttische Frauen der Israeliten verehrten, war Mondgöttin. S. meinen Komm, zu Jer. 7,18 und 44,17. 2) So z. B. auf Bildfiguren, die zu Gezer und Taanach gefunden worden sind. Auch die obengenannte Baalat Von Gebal, die auf jenem Denkmal ägyptisch stilisiert ist, trägt dort die Hörner der Isis-Hathor. Siehe auch die Abbildung bei V i n c e n t S. 169 und G r e s s m a n n , Bilder S. 77, 82 f. Vgl. den Ortsnamen 'Asteroth karnajim, (Ort der) zweigehörnte(n) A. Gen. 14, 5, nach Deut. 1,4 in Basan. 3) Vgl. Josephus contra Apion. 1,18 mit Ant. 8, 13, 2. 4) Nach der Eschmunazarinschrift CIS I, p. 18. Gegen D i l l m a n n , der lesen wollte: „Himmelsastarte des Baal", siehe B ä t h g e n , Beiträge S. 267.
Die Gottheiten.
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und dürre geworden 1 ). Diese Äscheren werden von vielen (z. B. Archinard) als phallische Symbole der Liebesgöttin angesehen. Wahrscheinlicher stellen sie, wie die grünen Bäume, unter denen man am liebsten Altäre errichtete, das göttliche Naturleben dar 2 ). Aschera kommt im A. T. aber auch als Wechselname der Göttin Astarte selbst vor 3 ). Dass dies nicht auf Irrtum beruht, wie man behauptet hat, sondern das Wort eigentlich Benennung einer verwandten Göttin ist (ganz analog jvie jenes chammän), geht aus den Monumenten hervor 4 ). Dagegen war es verfehlt, wenn man in Aschera im Unterschied von der gestrengen jungfräulichen Astarte die holde Liebesgöttin erkennen wollte. Diese Doppelseitigkeit ist zwar bei diesen Völkern auch vorhanden, entspricht aber keineswegs dem Gebrauch jene: beiden Namen. Wie BaalMelkart (Herakles) einerseits huldvolle, hilfreiche, lebenspendende Gottheit ist und auf der andern Seite gefürchtet und mit blutigen Opfern versöhnt wird, so lässt der Kultus der Astarte bald eine mannhafte oder jungfräuliche, kriegerische Gottheit erkennen, bald die der Lust und Liebe. In der Bibel ist oft im Plural von Astarten die Eede — vorausgesetzt, dass «s nicht pluralis eminentiae sein soll 5 ) —, was ganz analog zu erklären wie der Plural be'älim, nämlich aus den örtlichen und qualitativen Besonderungen der weiblichen Gottheit, während die „Äscheren" auf die symbolischen Repräsentanten der Göttin gehen, wie ja auch bei den „Baalen" die. Bilder zur Multiplikation des Numens beigetragen haben. Zweier Doppelgängerinnen der Astarte ist noch besonders zu gedenken. Eine altpalästinensische Göttin ist A n a t h , von der sich Spuren in Personen- und Ortsnamen erkennen lassen 6 ). Fraglich ist, ob dieselbe mit der assyrisch-babylonischen Anatu identisch sei7). Ed. Meyer glaubt, sie sei vielmehr hethitisehen Ursprungs und wie der Gott KeSeph (s. oben) von diesem Volke, zu den unter der 18, und 19. Dynastie mit ihm im Kampf liegenden 1) Siehe - die Abbildung dieser Bäume auf dem lehrreichen Bild eines Heiligtums aus Susa (um 1100 v. Chr.). V i n c e n t , Canaan S. 144. 2) Vgl. Robertson S m i t h , Rel. of the Semites, 1894, S. 456 f. 3) Siehe 2 Kön. 23,4; 1 Kön. 15, 13; 2 Chron. 15,16 und die allerdings angefochtene Stelle 1 Kön. 18,19. 4) Die Amarnatafeln nennen Abd Asirta oder Abd Asratum, Knecht der Aschera. In einem au Taanach gefundenen keilschriftl. Briefe ist die Göttin Asirat selber genannt, und der König' jener Stadt' heisst ebenda Asirat-jasur. Aber auch auf einer babylonischen Inschrift erscheint diese Göttin schon in Hammurabis Zeit und wird dort als „Braut des Himmelskönigs" bezeichnet. KAT3 S. 432. 5) S c h l o t t m a n n , ZDMG 24,650. 6) Vgl. den Personennamen Rieht. 3, 31; 5, 6 und die Ortsnamen Beth Anath in Naphtali Jos. 19,38; Rieht. 1, 33 und Anathoth in Benjamin Jerem. 1,1 usf. Siehe B ä t h g e n , Beiträge S. 53. Auch die philistäische Stadt Anthedon (später Agrippias) in der Nähe von Gaza, welche in Böotien eine Namensschwester hat, ist zu vergleichen, R e l a n d , Palaestina, Norimb. 1716 p. 424. 7) Siehe gegen diese Annahme Ed. M e y e r , ZDMG. 31, 716 ff.
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Ä g y p t e r n übergegangen. Jedenfalls wurde Antrat oder Anta in Ä g y p t e n verehrt, und z w a r w i r d sie mit Helm, Schild und Lanze, sowie mit einer Streitaxt in der Linken abgebildet. Sie ist also Kriegsgöttin und entspricht der Igtar in dieser Fassung, oder der gestrengen jungfräulichen Astarte, daher sie die Griechen mit Athene gleichsetzen, was auch lautlich nahelag. So auf einer bilinguen cy prischen Inschrift 1 ) w i r d die Widmung t r n ts n w j „der Anath, der K r a f t des L e b e n s " wiedergegeben mit 'A&rjvä
Soneiga Nixfl. Mit diesem Namen klingt zusammen der der Göttin T a n i t . Der N a m e ist dunkel, auch die Aussprache unsicher. So ( T n t ) heisst auf den Inschriften die Schutzgöttin von K a r t h a g o , die von Astarte zu unterscheiden ist 2 ). A u f unzähligen (bis jetzt über 2000!) hier gefundenen Votivtat'eln ist sie neben "Baal Chamman genannt, so zwar, dass sie v o r a n s t e h t . Gewöhnlich beginnt die n:nb ,na-ib d . h . „ d e r Herrin Tanit, W i d m u n g : p n bsab 'pKbi dem Angesichte Baals und dem Gebieter Baal Chamman". Merkwürdig ist hier, dass einerseits die Göi.tin voransteht, offenbar als die zu den Menschen in näheres Verhältnis getretene Schirmherrin der Stadt, anderseits derselben doch eine sekundäre Stellung z u Baal angewiesen wird, als dem „ A n g e s i c h t " desselben, d. h. der Erscheinung seines Wesens. Formell erinnert diese Verwendung' des „Angesichts" an Exod. 33, 14 f. wie die obige des göttlichen „Namens" an Exod. 23, 21. Die ursprüngliche Einheit der Gottheit, die sich erst zu männlicher und weiblicher Besonderheit entfaltete, wird auch hinterher wieder hergestellt durch Wechsel des Geschlechts, d. h. "Übertragung der weibflehen Attribute auf die männliche Gottheit und umgekehrt der männlichen auf die weibliche, sowie geradezu durch Gleichsetzung der Namen. Z. B. erscheint auf einer afrikanischen Inschrift 8 ) ein Priester des Esmun Astart, was' nahelegt, dass man einen ESmun mit den Attributen der weiblichen Gottheit kannte, der das männliche und das weibliche Prinzip in sich vereinigte, ein Seitenstück zu dem AtpQÖditog der Griechen, dem Venus almus der Römer 4 "). Auch Astar KemoS in der Mesa-Inschrift Zeile 1.7 scheint so erklärt werden zu sollen, dass es Astarte mit den . Prädikaten des männlichen Gottes Kemosch, der die moabitische Sondergestalt des Baal ist, sein soll, also eine kriegerische Astarte 5 ). 1) CIS I. p. 114. 2) ZDMG 59, MO. Ö12. 31 CIS I, p. 328. 4) B a u d i s s i n ZDMG 59, 504 ff. erklärt diese Fälle allerdings genetivisch: „Esmun der Astart", genauer, da ein Eigenname doch nicht im Status constr. stehen kann: JH., T e m p e l g e n o s s e der A." Ob dies aber sprachlich sich ebenso leicht ergänzt wie bei Jahveh, G o t t der Zebaoth? Ed. M e y e r , ZDMG 31, 733 übersetzt auch: „Die 'Ashtör des Kamösh"; sie sei als Kriegsgöttin seine Gemahlin. 5) Vgl. S e h l o t t m a n n , ZDMG 24, 640ff. — B ä t h g e n , Beiträge S. 256. Eine männliche Form inos», 'athtar, kommt nur bei den Himjariten vor.
Hultus und Frömmigkeit.
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Nur ist hier im Unterschied vom vorigen Fall die weibliche Gottheit vorangestellt. Eine Komposition der erstem Art ist dagegen Milk AStart 1 ). Im erstem Fall wird das Männliche, im letztern das Weibliche überwiegend gedacht worden sein, wie die bildlichen Darstellungen bald einen verweiblichtenMann, bald einvermännlichtes Weib (Venns barbata) erkennen lassen. Mit diesem Wechsel der Naturen hing es zusammen, dass Priesterinnen in Mannskleidung mit Waffen ihrer Göttin und Priester in Frauenkleidung ihrem Gott oder auch ihrer Göttin dienten, was Deut. 22, 5 untersagt wird. Aber auch Gottheiten gleichen Geschlechts werden, ähnlich wie in Ägypten, öfter einander gleichgesetzt, um auszudrücken, dass sie im Grund nur verschiedene Auffassungen ein und derselben Macht seien. So wurden auf Cypern EStaun-Melkart, EsmunAdonis, Adonis-Osiris verehrt, was uns bei der oben angegebenen Verwandtschaft der zusammengekoppelten Götter sich so leicht erklärt, wie wenn in Karthago von einem Milk-Baal oder Milk-Osir die Rede ist 8 ).
2. Kultus und Frömmigkeit. Die Eigenart dieser Gottheiten lernt man am besten aus ihrem K u l t u s kennen. Sie erweisen sich durch denselben überall als Naturgottheiten, d. h. ihr Wesen wird nicht wahrhaft über die Natur erhaben vorgestellt, sondern in die Sinnlichkeit herabgezogen und bleibt einer wahrhaft übermenschlichen ethischen Würde bar. Zwar sind es nicht, wie bei den Ariern, einzelne Naturerscheinungen, mit welchen die Götter nahezu identifiziert würden. Auch der Sonnenbaal behält allgemeineren und geistigeren Charakter, als dass er je mit der Sonne als Phänomen identisch gedacht wäre. Allein die ethische Weihe macht sich bei diesen Göttern wenig bemerklich und lässt sich oft ganz vermissen. Wenn auch die sittliche Seite der Religion hier so wenig als in Babylonien gänzlich fehlt, so stellen die Gottheiten dieser Phönizier, Karthager usw. doch meist nur jene übermächtige, unverstandene, aber tief empfundene Naturgewalt dar, welche bald den Menschen mit Wohltaten überschüttet, bald ihn seiner Güter beraubt, ja sein Leben zürnend vernichtet. Jenachdem das eine oder das andere überwiegt, nimmt der Kultus einen lasziven oder einen unmenschlich grausamen Charakter an. Zwar ist die Abbildung der Gottheiten, wobei man sie in Tier oder Menschengestalt darstellte, bei diesen Völkern üblich. Aber ihre Bildnerei war meist eine rohe, wobei die symbolische Bedeutung die Hauptsache war, auf die Form wenig Mühe verwandt wurde und eine ideale Auffassung gar nicht zu plastischer Ausprägung kam, sofern nicht ägyptischer und vollends griechischer Einfluss veredelnd einwirkte, was bei dem regen Verkehr mit 1) UlS I, p. 33. 2) Vgl. die treffliche Abhandlung v o n B U t h g e n , Beiträge S. 253 ff.
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diesen Völkern an den Küsten bald der Fall war. Besonders mächtig waren von jeher auch im Kultus die Wechselwirkungen zwischen Kanaan und Babylonien, doch hat ersteres auch hierin eine gewisse Eigenart behauptet. Ein beliebtes Bild der männlichen Gottheit (Baal, Melkart) scheint in Kanaan die Stiergestalt gewesen zu sein, während die weibliche mit Kuhhörnern figurierte. Man pflegte zum Zeichen der Verehrung solche Bilder zu küssen 1 ). Gewiss älter als solche Götterbilder sind aber bloss symbolische Embleme, welche die Gegenwart des Gottes andeuteten. Häufig sind in Syrien heilige Steine, griechisch Baitylia genannt (von beth-el ?). Nach einem Bericht bei Damascius 2 ) gab es deren viele beim syrischen Heliopolis. Das dort näher beschriebene ist deutlich ein Aörolith. Man errichtete auch einen Stein, eine Mazeba an Stellen, wo man das Walten der Gottheit erfahren hatte 3 ). Und wie man zur Vergegenwärtigung des Sonnengottes steinerne Säulen (eli.-immänim) aufrichtete 4 ), so pflanzte man zu Ehren der Göttin jene Bäume auf, welche das fruchtbare Leben versinnbildeten die Äscheren 5 ). Der Ort der Anbetung waren Anhöhen, Berge und Hügel. Manche heilige Berge begegnen in und um Kanaan, wie Karmel, Hermon 6 ), Libanon 7 ), Nebo, Sinai usf. und ungezählte heilige Anhöhen, bämöth, welche dem Kultus dienten und zum grössten Teil durch, die Israeliten von den Kanaanitern übernommen worden waren. Diese verehrten auf ihren Höhen, wo erst mit der Zeit und nur zum Teil Tempel mit Bildern errichtet wurden, ursprünglich die Gottheit unter freiem Himmel, also sicher eine himmlische Gottheit, der man sich in der Höhe näher fühlte und dort auf einem primitiven Altar Opfer brachte. Mit Vorliebe geschah das „unter grünen Bäumen", d. h. wo ein riesiger Baum oder eine stattliche .Baumgruppe, etwa durch eine Quelle getränkt, Schatten und Kühlung bot, zugleich aber die Anwesenheit des segnenden Naturgottes veranschaulichte. Dass auch sonst die Quellen vorzugsweise als Stätten desselben geehrt wurden, versteht sich leicht, da im Morgenlande, vollends in der Wüste, das Dasein einer Quelle so sichtbar alles Wachstum bedingt. Unrichtig ist es, wenn 1) Vgl. 1 Kön. 19,18; Hos. 13, 2. Es ist wolil Fusskuss gemeint. 2) TTIC II, 177 ff. 3) Vgl. Genes. 28,18. 22. Das Wort^masseba bedeutet im Hebr. einfach einen (in der Hegel zu Kultuszwecken) aufgerichteten Stein. Über das Verhältnis der Gottheit zu diesem Symbol ist damit nichts ausgesagt, die Vorstellungen davon waren verschieden, daher auch die biblischen Urteile über diesen Brauch. Der Ausdruck ist also umfassender als chammänim, welches Idolatrie direkt ausdrückt (S. 252). Vgl. über die heiligen Steine L a g s a n g e , S. 187 ff. 4) S. oben S. 252 und vgl. Jes. 17,8; 27,9; 2 Chron. 34, 4. Am kostbarsten waren die zwei Säulen des Melkart-Herakles in Tyrus, die eine aus lauter Gold, die andere aus Smaragd. Herodot 2, 44. 5) S. oben S. 258 f. 6) Eicht. S, 3. 7) CIS I, 24 ss.
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man neuerdings etwa meint, den Fetischismus, und zwar Steinkultus als die ursprüngliche Religion dieser „Semiten" nachweisen zu können Vielmehr hatten solche Steine, die an sich nichts weniger als geeignet waren, die Gottheit, wie man sie sich dachte, darzustellen, commemorative und symbolische Bedeutung und wiesen auf die sehr hoch gehaltene Heiligkeit des bestimmten OrtesUnd wenn auch zwischen den Steinen selbst und dem Numen, das sich da offenbarte, eine Beziehung angenommen wurde, die vielfach in Fetischismus ausartete, so hat sich doch nicht aus diesem eine höhere Religionsstufe entwickelt, sondern er war die letzte Stufe der VersinnJichung, auf die man gelegentlich herabsank. Man vergesse nicht, dass in die Augen fallende Steine die uralte Zeichenschrift der Bewohner einer wenig bebauten Gegend waren und zum Teil bis heute geblieben sind 1 ). Namentlich religiöse Wichtigkeit des Platzes wird damit angedeutet. J e nach ihrer Form konnten die Steine verschiedene Bedeutung haben, als eigentliches Symbol der Gottheit oder als Altar oder als .Denkmal für ein Opfer, einen Vertrag usf. Der krasse Aberglaube an lebendige, sich bewegende und sprechende Steine oder Baitylien spukt am meisten in der spätesten Zeit. Die sprachliche Identität des griechischen Baitylion mit dem hebr. Beth-el trotz allen Bedenken festzuhalten, empfiehlt sich auch durch neugefundene Parallelen 8 ). Sachlich ist aber deshalb die Vorstellung von ferne nicht überall dieselbe. — Wie Baudissin 8 ) nachgewiesen hat, standen auch die heiligen Bäume, Quellen, Gewässer usw. mit überirdischen, astralen Gottheiten in Verbindung. Derselbe lässt PRE 3 II, 329 die Möglichkeit offen, dass der Gott Baal an einzelnen Stätten eine von seinem sonstigen Charakter als Himmelsgott unabhängige tellurische Bedeutung gehabt habe und beide Seiten erst später zusammenwuchsen. Aber natürlicher bleibt doch die Annahme, dass man überall die Fruchtbarkeit eines Erdfleckens mit dem alles befruchtenden Himmel in Zusammenhang brachte. Bemerkt sei noch, dass Baal = Melkart (Moloch) nicht eigentlich Feuergott, sondern Sonnengott ist; denn das irdische Feuer wurde nicht göttlich verehrt. Aus gewissen Höhlen unter dem Boden, z. B. in Gezer, kann man v i e l l e i c h t schliessen, dass die vorsemitischen „troglodytischen" Bewohner Kanaans chthonische Götter verehrten 4 ). Vom Kultus, wie ihn die vor Israel in Palästina wohnenden, Landbau treibenden, nachher durch die Israeliten aufgesogenen Kanaaniter pflegten, geben uns biblische Schilderungen ein Bild, welche von israelitischen Gebräuchen und Unsitten reden, die sie jen«n abgelernt hatten. Man ersieht daraus, dass der Baal als Spender der Fruchtbarkeit und des Jahresertrages gefeiert wurde 1) Vgl. z. B. die Steinkegel am Weg- von Mar Saba zum Toten Meier, Bädeker, Palästina 6 S. 121. 2) Vgl. L a g r a n g e , S. 194 ff. 3) B a u d i s s i n , Studien II, 145 ff. 4) Vgl. V i n c o n t , Canaan S. 117 f. 138 f.
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in lustigen Ernte- und Winzerfesten. Dabei kam die Freude, welcher der heiligende Eifer wahrer Gotteserkenntnis fehlte, zu ungezügeltem Ausdruck. Der feurige Wein des Landes floss reichlich, und mit der,Völlerei ging Unzucht im Schwang. Dies waren aber nicht blos Ausschreitungen, wie sie auch bei Festen von ursprünglich ernstem Charakter in Israel und in der Christenheit vorkommen konnten; sondern in der schrankenlosen Hingabe an den Naturgenuss gab sich der Mensch an die Gottheit bin, welche als ungeheiligte Naturkraft gedacht wurde. Dies beweist der Umstand, dass man ihr durch Wollust und Unzucht geradezu zu dienen meinte, wie wir solches schon in Babylonien fanden. Die weiblichen Hierodulen (kßdeSoth, mit kadöä, heilig, nächstverwandt!) waren solche, die sich zu Ehren der Gottheit den Männern preisgaben und den dafür empfangenen Lohn ihr weihten. Erzählte man doch von Astarte selbsl. sie hab^, sich in Tyrus zelin Jahre lang preisgegeben 1 )! Ebenso prostituierten sich Männer nach Art der Weiber (Gesenius, Thes. 1196) um Lohn, der dem Heiligtum zufiel8). Aber so üppig diese Naturfeste waren, so fehlte doch auch die finstere Seite im Kültus nicht. Dass das M e n s c h e n o p f e r hier hÄufig war, wird durch die Ausgrabungen in Palästina und seiner Umgebung bestätigt. Sie bezeugen vor allem die Häufigkeit der Kinderopfer. So hat man z. B. in Gezer eine grosse Zahl Kinderskelette unter einem Astartetempel gefunden; ebenso auch sonst dort und in Taanach zahlreiche in grossen Krügen beigesetzte Leichen von neugeborenen Kindern, denen Teller und kleine Krüge — zum Gebrauch in der Totenwelt — beigegeben waren. Diese waren, wie Sellin bemerkt 8 ), höchst wahrscheinlich4) alle geopfert, wohl nicht geschlachtet und verbrannt, sondern durch übergefüllte Erde erstickt; bei andern zeigen sich Spuren des Feuers. Es werden zumeist Erstgeborene gewesen sein, durch deren Hingabe man der Gottheit ihren Tribut entrichtete. Ebenso bezeugen die Funde die Häufigkeit des B a u o p f e r s . Zur Befestigung des Fundaments eines Hauses, einer Mauer oder eines Tores nach Andern, um die Götter und Geister mit dem Neubau auszusöhnen5) — mauerte man einen Menschen darunter ein, dessen Geist fortan den Bau beschützen sollte. Allerdings ist die Interpretation dieser Funde nicht durchweg sicher. Kommt doch auch die Bestattung 1) Epiphan. Opp. II, 107. 2) Sie heissen kgdeschim oder kSläbim (Hunde)^ vgl. Deut. 23,18 f.; Apoc. 22, 15. — CIS I, p. 95. 97. 3; E. S e l l i n , Ertrag der Ausgrabungen im Orient, Leipzig 1905, S. 30 f. H. G r e s s m a n n , Ausgrabungen in Palästina und das A. T. Tüb. 1908, S. 37 ff. 4) Nach V i n c e n t (Can. S. 188 ff.) steht es ausser Zweifel für Plätze in Gezer und Meggiddo, während er in Taanach eher an einen Kinderfriedhof denkt (194, 282). 5) Vgl. Jos. 6,26; 1 Kön. 16.34, wo jedoch die Beziehung auf ein Bauopfer anfechtbar.
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eines auf natürliche Weise Verstorbenen unter der Schwelle oder dem Boden des Hauses öfter vor 1 ), dessen Genius man dem Haase zu erhalten wünscht. Namentlich wenn Unglück drohte, opferte man in den phönizischen Städten und zu Karthago Menschen in grosser Zahl, um den Zorn des Landes- oder Stadtgottes, den mam durch eine Verschuldung erregt zu haben fürchtete, zu beschwichtigen. Die griechischen und römischen Autoren, welche dies melden, nennen diesen Gott der Kinder- und Menschenopfer „Kronos" oder „Saturn". Dass es in T y r u s und Karthago nicht der Melkart gewesen sei, weil dieser von ihnen. Herakles genannt werde, lässt sich schwerlich behaupten 2 ). Jedenfalls ist der oberste Gott gemeint, von dem man sonst die irdischen Segnungen ableitete und dessen Ungnade man in einer Dürre, Seuche oder feindlichem Überfall erblickte. Er musste durch Opferung von Menschenleben, besonders Kindern besänftigt werden, und zwar sollten es eigene, vornehme, womöglich einzige Kinder sein, nicht etwa gekaufte 8 ). Während der Belagerung der Stadt durch Alexander d. Gr. verlangten einige T j j - i e r , dass man die durch die Perserkönige unterdrückten Kinderopfer wieder einführe und so den wegen ihrer Unterlassung zürnenden „Saturn" begütige und die Eroberung der Stadt abwende (Curtius 4, 3). Ebenso bei gefahrvollen Unternehmungen, Eröffnung eines Feldzuges, Gründung einer Stadt, einer neuen Kolonie wurde nach dem Zeugnis des Klitarch 4 ) etwa ein Menschenopfer gebracht, ebenso nach errungenem Sieg weihte man die schönsten Gefangenen dem Opfertod. Aber auch an gewissen alljährlich wiederkehrenden Festtagen brachte man ein solches Sühn- oder Reinigungsopfer 6 ). Dass bei den K a r t h a g e r n diese Unsitte ganz besonders blühte und zwar während der ganzen Dauer der karthagischen Geschichte in eher zunehmendem als abnehmendem Masse, erhellt aus zahlreichen unverdächtigen Zeugnissen 6 ). Auch hier sollten die liebsten K i n d e r geopfert werden. Als die Karthager (berichtet Diodor inder Hauptsache wohl zuverlässig) von Agathokles besiegt wurden, schrieben sie es dem Umstände zu, dass man nicht mehr wie in älterer Zeit die Blüte der eigenen J u g e n d , sondern fremde, zu diesem B e h u f gekaufte und gemästete Knaben dem „Kronos" geopfert habe (was an Mexiko erinnert). Die Untersuchung habe ergeben, dass einige Kinder von den Eltern auf die Seite gebracht worden. Da nun Agathokles vor den Mauern von Karthago erschien, habe man beschlossen, zur alten Sitte zurückkehrend, 2 0 0 K n a b e n aus dem vornehmsten Adel zu opfern. Ausserdem gaben sich noch 1) Vgl. 1 Sam. 25, 1; 2 Kön. 2, 34. 2) Vgl. die Untersuchung B a u d i s s i n s PRE» 13, 288 f. 3) „Die Phönizier opferten bei grossen Unfällen, Im Kriege, bei Dürre oder Seuchen das ain meisten geliebte Kind dem Kronos nach vorhergegangener Abstimmung" Porphyrius de abstin. lib. II c. 56 p. 201. 4) Vgl. bei M ü n t e r , Rel. der Karthager S. 21. 5) M o v e r s , Phönizier I, 301 f. 6) Siehe dieselben bei M ü n t e r , Religion der Karthager S. 17 ff.
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300 (Erwachsene?) freiwillig den Tod, um als Sühnopfer zu dienen'). Die Mütter hatten den Kinderopfern ohne Klage und Seufzen beizuwohnen; das Jammern der Kinder wurde durch Trommeln und Pfeifen übertönt. Die Todeszuckungen auf ihrem Antlitz wurden als vergnügtes Lächeln gedeutet, woher das berüchtigte „sardonische Lachen" abgeleitet wird. Die Todesarten waren ohne Zweifel verschieden. Nach der rabbinischen Tradition war der Moloch ein eisernes Bild mit Stierkopf, dem man die Kinder in die Arme legte, nachdem diese durch eingelegtes Feuer glühend geworden. Ähnliches verlautet von solchen Statuen, die als Glühofen dienten, aus Afrika und andern Kolonien. Biblische Stellen 8 ) führen dagegen darauf, dass man die Kinder erst mit dem Messer abschlachtete (wohl schon um das Blut zu gewinnen), und dann den Leichnam verbrannte. So wird es in der Regel auch mit den Erwachsenen gehalten worden sein. Dass die Punier auch mit ihren Kindern so verfuhren, zeigen einige Inschriften 8 ), wonach dieselben mit dem Messer durchbohrt und dann als Brandopfer dargebracht wurden. Das „Hindurchgehenlassen der Kinder durchs Feuer für den Molech", welches öfter den Israeliten verboten oder vorgeworfen wird, haben die Rabbinen, z. B. D. Kimchi, Maimonides, Levi ben Gerson u. a. (nach Analogie der mit Sachen vorgenommenen Reinigung durch Feuer, Num. 31, 23), von einer blossen Weihe durch Hindurchführen zwischen zwei Scheiterhaufen verstehen wollen. Allein es lässt sich der Ausdruck schwerlich anders verstehen als Jerem. 7, 31, wo vom Verbrennen der Kinder die Rede, oder an den oben angeführten Stellen, wo von ihrer Abschlachtung die Rede ist. Vgl. besonders Ezech. 23, 37, wonach dieses durchs Feuergehenlassen dem Abgott die Kinder „zum Frasse" liefert4)* Dass solchen grauenhaften Verirrungen, um derentwillen namentlich die Karthager bei den andern Völkern berüchtigt waren, eine tiefe und edle, aber missleitete religiöse Empfindung ursprünglich zu Grunde lag, zeigen biblische Erzählungen wie die von Isaaks Opferung oder die der Tochter Jephtas; ebenso Stellen wie Micha 6, 7. Das Menschenopfer ging von dem Bewüsstsein aus, dass man das Kostbarste der Gottheit zu weihen habe, und was war einem Vater oder einer Mutter teurer als das leibliche, das erstgeborene, das einzige Kind! Ein tiefes Schuldgefühl (vgl. Micha 6, 7), das alle geringem Gaben als unzureichend zur Sühnung empfand, oder ein edler Trieb der Hingabe des eigenen Fleisches und Blutes zur Rettung des ganzen Volkes oder Gemeinwesens (vgl. Jephtas Beispiel, der einen Hausgenossen dem Tode weiht), oder eine 1) Diodor. Sic. 20,14. 2) Vgl. Gen, 22,10; Ezech. 16, 20 f.; 23, 39. 3) Bei G e s e n i t i s , Monum. Numid. VI. VII. VIII, p. 448 s., 453. — B a u d i s s i n , Jahve et Moloch, Lips. 1874, p. 41. — A r c h i n a r d , Israël usw. p. 233. 4) Vgl. G e s e n i u s , Thesaurus p. 985. — R i e h m , Bibl. Hdwb. Art. Molech. — A r c h i n a r d a. a. O. S. 234 f.
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schrankenlose Verehrung der Gottheit, die sich nicht genug tun konnte (Abraham), mochten versucht sein, sich in dieser ungeheuerlichen Weise zu äussern. Allein es setzt das immerhin eine noch wenig entwickelte Gotteserkenntnis oder einen dieselbe verfinsternden Fanatismus voraus. Bei den Israel umgebenden Heidenvölkern erklären sich diese kalten Blutes durch alle Phasen der Külturentwicklung hindurch gepflogenen Greuel aus der niedrigen Vorstellung, die man von der immerhin sehr intensiv empfundenen Gottheit hatte. Das Ethische machte sich bei diesen Menschenopfern, soweit wir • sehen, äusserst wenig geltend. Man sah in dem Gott nur die feindliche Macht, welche ein Opfer verlängte, um beschwichtigt zu werden. So schob man ihr, die natürlichen Gefühle erstickend, ein unschuldiges Kind in den Raehen. An irgend eine ethische Versöhnung dachte man dabei kaum. Auch fand dabei die tierische Grausamkeit im Menschen Nahrung und mochte sich an solchem Schauspiel weiden. Auch die wilden T ä n z e 1 ) der Hierodulen und ihr tolles Gebaren zeigen, dass man sich bei diesem Kultus zu einem Taumel aufregte, in welchem die natürlichen Gefühle erstarben. Die Geschichte des Elia, 1 Kön. 18, erzählt von dem Treiben der 450 „Propheten" des Baal (und der 400 der Astarte) deren Kultus die tyrische Königstochter in Ephraim heimisch gemacht hatte. Sie heissen „Propheten" wegen ihres mantisch aufgeregten Treibens, wodurch sie den Baal herbeizurufen und die Menge für ihren Gott zu begeistern suchen. Bei ihren mit wildem Geschrei ausgeführten Tänzen um den Altar ritzten sie sich mit Messern blutig (Vs. 28), um den Gott zu erweichen oder die Menge zu fanatisieren. Man hat sich diese Chöre nach Art der heutigen Derwische vorzustellen, welche sich ebenfalls durch Geheul und Tanz in eine Art Ekstase hineinsteigern, in welcher sie gegen Schmerz unempfindlich werden und das Volle durch unerhörte Leistungen in Erstaunen setzen. Auch der weiblichen Gottheit diente man mit solchem strengen Kultus. Zwar vertritt sie an sich dem strengen Gemahl (Baal, Melkart usf.) gegenüber das mildere Prinzip, entsprechend dem Monde mit seinem sanftem Lichte, sowie dem Wachstum und Leben in der frdischen Natur. Aber sie weist hier wie in Babylonien neben ihrer erotischen Gestalt auch eine gestrenge, enthaltsame, jungfräuliche auf. Und wie sie gleich dem Baal-Melkart, Molech usf. mit Menschenopfern sich verehren liess, so auch mit blutigen Geisselungen, Selbstentmannung und sonstiger Selbstpeinigung. Die männlichen Kideschen, welche ihr dienten, waren meist Verschnittene in Weiberkleidern, welche ähnlich das Land durchziehen mochten, wie die Cinädenbanden der syrischen Göttin, von deren Treiben Movers nach Lucian (deDeaSyra) folgendes Bild entwirft: „Der Bande voran ging ein Trompeter, der ihre Ankunft in den 1) In einigen Inschriften kommt Baal Marköd, Tanzes" vor.
der „Baal des
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Dörfern, an den Meierhöfen oder auch in den Gassen einer Stadt mit seinem Blasinstrumente, einem gewundenen Horn in der Gestalt einer Schlange, ausposaunte. Ihm folgten in phantastischem Attfauge die bettelnden Priester und Gallen mit ihrem Magister, der Esel, welcher das verschleierte Symbol der Göttin samt dem Bettelsack trag, in der Mitte. Si« waren in buntfarbige, schmutzige Fraueogewänder gekleidet, Gesicht und Augen gleichfalls nach Frauenweise bemalt, den Kopf mit gelben leinenen «der seidenen Twbanen umwanden; andere trugen weisse Kleider, vorn ajit der roten, herabhängenden Clava geschmückt. Die Arme waren bis eut Schulter aufgestreift; grosse Schwerter und Beile, auch die Geissei, dann Klappern, Pfeifen, Cymbeln oder Tjgnpanen in den Händen, zogen sie mehr tanzend als gehend unter dem Schall einer wilden Musik ihre Strasse. An einem Meierhofe angekommen, stellen sie ihre Gaukeleien an. Ein misshelliges Geheul eröffnet die Szene. Dann fliegen sie wild durcheinander, das Haupt tief z w Erde gesenkt, aber in Kreisen sich herumdrehend, so dass das aufgelöste Haar durch den Kot schleift; dabei zerbeissen sie sich zuerst die Arme und zerschneiden sie zutetzt mit ihren zweischneidigen Schwertern. Dann" beginnt eine neue Szene. Einer von ihnen, der es in der Käserei allen zuvortut, fängt unter Ächzen und Stöhnen an zu prophezeien (Sirrin wie die Baalspriester 1 KÖn. 18, 29); er klagt sich öffentlich seiner begangenen Sünden an, die er durch die Züchtigungen des Fleisches nun bestrafen will, nimmt die knotige Geissei, welche die Gallen zu tragen pfleg«», zerschlägt den Rücken, zerschneidet sich mit Schwertern, bis das Blut von dem verstümmelten Körper heruntertrieft. Das Ende vom Ganzen ist eine Kollekte. Einige werfen ihre Kupfer-, wohl auch SllbermüijÄen in den vorgehaltenen Schoss, andere bringen Wein, Milch, Käse, Mehl herbei, was sie gierig zusammenraffen, in dem dazu bestimmten Säckel neben der Göttin dem Esel auf den Rücken legen, dann bis zum nächsten Dorf oder Landhans weiterziehen, wo das ganze Zeremoniell aufs neue wiederholt wird. Am Abend in der Herberge angekommen, entschädigen sie sich durch einen Schmaus und allerlei Ausgelassenheiten, auch unnatürliche Laster von den blutigen Kasteiungen des Tages" x). Grausamkeit und Wollust vereinigen sich hier zur Misshandlung des eigenen, einer finstern Gottheit geweihten Leibes. Dase der Kultus bei diesen Völkern ein mit der Zeit gesetzlich wohl geordneter war und bestimmte Satzungen über Priesterkleidung, Opferritus u. dgl. bestanden, örhellt aus manchen Notizen. Doch sind ans nur wenige Fragmente solchfit Priestererdnungen erhalten, vor allem die Opfertafel vo» Marseille2') eine ftn alten Massilia gefundene Steintafel, welche jedoch in Karthago beschrieben zu 1) M o v e r s , Phönizier I, 681—683. Über die freiwillige Kastration, welche diese Gallen in ,einem Anfall heiliger Raserei an sich vollzogen, 8. ebenda S. 684 f. Vgl. auch S c h o l z , Götzendienst S. 323 ff. 2) Siehe über dieselbe CIS I p. 217 ss.
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sein scheint, so dass sie als Reglement für die massiliensische Kolonie oder sonstwie dorthin gewandert wäre. Sie gibt den Tarif, der die Abgaben regelt, welche bei jedem Opfer den Priestern zu entrichten waren. Es erhellt daraus, dass das gewöhnlichste Opfermaterial aus Rindern, Schafen, Böcken und Ziegen sowie ans Vögeln bestand. Auch Hindinnen beliebten die Phönizier zu opfern'). Unterschieden werden kalil (das Ganzopfer), und selem (Dankopfer). Ausserdem kommt saw at vor, ein Bitt- oder Sühnopfer. Natürlich wurden namentlich auch Landesfrüchte dargebracht, dazu Weänund in Kanaan, wie die Ausgrabungen bewiesen haben, reichliche Ölspenden. Dass diese Naturreligion trotz der oberflächlichen Kultur, welche sich mit ihrem Dienste verbunden hatte, keinen wahrhaft veredelnden und heiligenden Einfluss auf diese Völker ausüben konnte, wird niemand befremden. Es prägte sich dabei jene niedrigstehende Charakterbildung und Gesinnung aus, die wir S. 247 als dieser Völkergruppe besonders eigen bezeichnen mussten. Die teils entnervende, teils abstumpfende Wirkung dieses Kultus aber hat jene ungünstigen Charakteranlagen noch verschlimmern und zur Degradation der Völker mächtig beitragen müssen. Letztere ist denn auch trotz aller materiellen Blüle rasch eingetreten, und zu einer ehrfurchtgebietenden Höhe vermochten sich weder die Phönizier noch die Karthager aufzuschwingen. Sie dienten zwar alfe ein Bindeglied der alten Welt mit ihrer rührigen Wanderlust und ihrem Handelstrieb, vermochten aber religiös ernstern und sittlich kräftigtem Völkern nicht lange zu Widerstehen. Wie die Kanaaniter, trotz ihrer Überzahl und ihrer Überlegenheit in Hinsicht auf weltliche Bildung, den eindringenden Israeliten erlagen, so die üppigen, weichlichen Karthager den gestrengen, pietätvollen Römern. Es erfüllte sich an dieser Völkergruppe jener Fluch Noahs, Genes. 9, 25 ff., weil die dort typisch gezeichnete rohe Pietätlosigkeit und schmutzige Sinnlichkeit ihr trauriges gemeinsames .Erbe war. Das Gegenbild zu dem ruchlosen Kanaan ist in jener Erzählung der fromme Sem, zu welchem Jahveh in ein Eigentumsverhältnis tritt. Im stärksten Kontrast zum kanaanitischen Unwesen steht nun in der Tat, was von religiöser Entwicklung von einem Zweige dieses Stammes ausgegangen ist. Trotz sprachlicher und geographischer, geschichtlicher und religionsgeschichtlicher naher Berührungen zwischen beiden gibt es in der alten Welt keinen stärkern Gegensatz als zwischen Ham-Kanaan und Sem-Israel. 1) Dass V>ts als Hirsch auf der Opfertalel zu lesen sei, wird von R e n a n bestritten.
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Religion der Aramäer, Ammoniter, Moabiter, Edomiter, Araber.
III. Religion der Aramäer, Ammoniter, Moabiter, Edomiter, Araber1). Zu der semitischen Gruppe, welche den Typus dieses Stammes am reinsten bewahrt hat, gehören namentlich die mit den Hebräern nächst verwandten Völkerschaften, welche in der Bibel von Terach abgeleitet werden. Dass die semitische Abstammung nicht einfach aus der Sprache gefolgert werden kann, wurde schon erinnert. Haben doch häufig Mischungen der Bevölkerung und damit verbunden auch Sprachentausch stattgefunden. Dagegen kann die nahe Verwandtschaft der Hebräer mit einem grossen Teil der nordöstlich von ihnen ansässigen Syrer (Aramäer) und südlich hausenden Araber (Ismael, Midian), sowie mit den nächst benachbarten Edomitern, Moabitern, Ammonitern nicht in Zweifel gezogen werden. Die hebräischen Nachrichten darüber sind um so unverdächtiger, da die Israeliten mit den meisten dieser Völker (Midian, besonders aber Edom, Moab, Ämmon), fast immer auf gespanntem Fusse lebten. Auch in r e l i g i ö s e r Hinsicht zeigen diese Völker Ähnlichkeit mit der vorhergehenden Gruppe, sind aber noch näher unter sich verwandt. Bei den Aramäern tritt allerdings, infolge des Hin- und Herflutens der geistigen Mächte im offenen Lande kein bestimmt abgegrenzter und ausgestalteter Götterglaube und -dienst hervor. Doch ist ihre ursprüngliche Stammreligion nach Analogie derjenigen der Ammoniter, Moabiter, Edomiter und Araber zu denken, so nämlich, dass die Gottesverehrung um einen Stammgott konzentriert war, der sich bald geschlechtlich differenzierte und lokal besonderte, indem eine Mehrheit von Göttern nicht unzulässig schien. Dieser Stammgott trug den Charakter einer Natur- und vielfach willkürlichen Schicksalsmacht an-sich Doch war er nicht ohne sittliche Attribute und diente bei den Israel nächstverwandten Stämmen einer reineren Frömmigkeit und Sittlichkeit zur Stütze. — Bei den A r a b e r n ist nach den ältesten inschriftlichen Denkmälern ebenfalls eine erhabene Gottesauffassung anzuerkennen, welche dem heidnischen Polytheismus weichen musste, aber wohl nie ganz von demselben verdrängt wurde. Der nördlichste Zweig dieser Semiten sind die A r a m ä e r , welche zu beiden Seiten des obern Euphrat, im eigentlichen Mesopotamien und in Syrien sich ausgebreitet haben und hier mit andern Völkern wie den Hethitern, Assyrern, Babyloniern in mannigfache Berührung kamen. Ihre ursprünglich nomadischen Stämme wuchsen nie zu einer politisch vereinigten Nation zusammen. 1) Siehe ausser den S. 245 angeführten Schriften: Joannis S e i d e n i T ^ D i s Syris Syntagmata, ed. Beyer, Lips. 1668. — Fr. Buhl,'Geschichte der Edomiter, Leipz. 1893. — Sam. I. C u r t i s s , Ursemitische Religion im Volksleben des heutigen Orients, Leipz. 1903 — G. D a l m a n , Petra und seine Felsheiligtümer, Leipz. 1908, — Vgl. die Artt. der bibl. Wörterbb. über Anmon, Moab, Edom, über letzteres bes. B a u d i s s i n PRE S , V, 162 ff.
Religion der Avamäer.
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Einige kleinere Königreiche der Aramäer sind aus der Bibel bekannt, so Aram-Damask und das davon südlich gelegene AramZoba. Bei dieser politischen Zerfahrenheit waren sie um so mehr auch dem religiösen Eünfiuss der in Vorderasien abwechselnd herrsehenden Nationen ausgesetzt, und wie von Babylpnien und Assyrien aus sich frühe eine gemeinsame Kultur über diese Länder ausbreitete, so zeigte bald auch die Religion in Vorderasien überall dieselben Grundzüge mit wenig geistiger Originalität im einzelnen und mannigfachem Synkretismus aus babylonisch-assyrischen, arabischen, ägyptisch-hellenischen Elementen. Im allgemeinen herrscht auch hier der semitische Baal 1 ), in Syrien B e i genannt, und eine mit diesem Gott gepaarte, ihn oft in den Schatten stellende Göttin. In der israelitischen Überlieferung findet sich Genes. 31, 53 die Erinnerung an einen vom Gott des Stammvaters Abraham unterschiedenen, mit ihm aber ohne Zweifel nahe verwandten Gott Nahors, des Ahnherrn der aramäischen Vettern; ebenso daran, dass die in Israel noch lange spukenden Teraphim*), aus Aram importiert worden seien Genes. 31, 19 ff.; vgl. 35, 2. Ein altsyrischer Göttername«ist Hadad, nach welchem manche syrische Könige ihren Namen tragen, Hadadezer ("ITS n n ) auf den assyr. Keilinschr. Dad'idri, und Benhadad, keilinschr. Bir dadda; Peschita: Barhadad. Dagegen zeigt der Name Chazael (~Njn) 2 Kön. 8, dass daneben auch die allgemeinste semitische Gottesbenennung El üblich war 3 ). Die Vermutung, dass statt Hadad: Hadar zu lesen sei, hat sich als unrichtig erwiesen4). Der Name Hadad ist aber etymologisch noch nicht aufgehellt. Macrobius Saturn, I, 23, 17 f. schildert ihn als Sonnengott, indem er sagt: Accipe quid Assyrii ( = Syri) de Solis potentin opinentur. Deo enim, quem summum maximumque venerantur, Adad no'men dederünt. Ejus nominis interpretatio significat „unus unus" s ). Hunc ergo ut potentissimum adorant deum; sed subjungunt eidem deam nomine Adargatin omnemque potestatem cunctarum rerum his duobus attribuunt simulacrum Adad insigne cernitur radiis inclinatis, quibus monstratur, vim caeli in radiis esse solis, qui demittuntur in terram. Bäthgen (Beitr. S. 68) hält ihn dagegen für einen: Donnergott vom St. "nn krachen (des Donners). Baudissin ebenso für einen Gewittergott. Wenn er eigentlich Himmelsgott6) im allgemeinen war, so lässt sich beides vereinigen. Sein Kult blühte besonders in Hierapolis (Eufratgebiet), wo nach obiger Stelle 1) Vgl. auch El Gabal, oben S. 250 Anm. 1 und zum Gebrauch von Bei ebenda Anm. 2. 2) S. oben S. 218. 3) Josephus Ant. 9, 4, 6 meint naiver Weise, die Syrer hätten Könige dieses Namens zu Göttern gemacht. 4) Ed. M e y e r , ZDMG 31, 734 ff. — B ä t h g e n , Beitrage 67. 5) Unrichtige Etymologie: chad-chad. 6) Die halb aram. Form yga V« (baal-sämen) findet sich in Palmyra. Philo Bybl. schreibt BeeXaafirjv.
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Religion der Aramäer, Ammoniter, Moabiter, Edomiter, Araber.
Atargatis seine Genossin war, ist aber ausser in Damask auch in Phönizien (Byblos, Berytos) und Nordpalästina nachgewiesen. Der Ortsname Hadad Rimmon, Sach. 12, 11, weist diesen Götternamen in Verbindung mit einem zweiten auf, welcher ohne Zweifel identisch ist mit dem assyrischen Rammän 1 ), und ist vielleicht nur irrtümlich von den Masoreten anders vokaliaiert. Dieser Rammftn (Rimmön) ist ebenfalls Gewittergott, also ein Doppelgänger von Hadad, mit welchem er wieder wird identifiziert worden sein. Jenes von Macrobius erwähnte weibliche Seitenstück zu Hadad, A t a r g a t i s , aram. nns "ins Atar Até (nach einer palmyren. Inschrift), bei Ktesias Acgxexó geheissen ('Atar-atö), ist nach der ersten Hälfte ihres Namens die bekannte A t a r 2 ) = Astar = Istar. Dunkel ist die zweite -Hälfte der Zusammensetzung nru>. Ansprechend vermutet Bäthgen, es sei der lydische Attes, eine männliche, aber verweiblichte Gottheit, mit der die Atar daher identifiziert wurde. Ein Atargateion (Tempel der Atargatis) zu Karnion ( = Asteroth Karnajim) kommt 1 Makk. 5, 4 3 ; 2 Makk. 12, 26 vor. Die Göttin war also an diesem Ort Nachfolgerin und Erbin der alten Astarte. Atargatis hatte einen noch berühmten Tempel in jenem Hierapolis (syr. Bambyke oder Mabug); ebenso war Damask ein Hauptsitz ihrer Verehrung. Nicht minder war ihr Heiligtum zu Askalon ein Wallfahrtsort für Nahe und Ferne. A m letztern Ort lief das Bild der Göttin in einen Fischschwanz aus, war also dem des männlichen Gottes Dagón ähnlich, Von dem dasselbe galt. Dagegen in Hierapolis, wo dies nicht der Fall, stand ihr Tempel an einem fischreichen See, und in Syrien überhaupt waren ihr die Fische heilig und durften nicht genossen werden. Die darüber umlaufenden Mythen 31 sind sekundäre Phantasiegebilde welche sie auch mit der halbmythischen Gestalt der Semiramis in Verbindung bringen. Der Fisch gehört ihr zu als Symbol der Fruchtbarkeit (schnellen Vermehrung) und Bewohner des fruchtbaren Elements; ebenso die Tauben wegen ihres anschmiegenden minnigen Wesens. Wesentlich dieselbe Göttin wird auch die „ s y r i s c h e G ö t t i n " genannt, in Kleinasien die grosse G - ö t t e r m u t t e r , die phrygische Göttermutter, Cybebe, Cybele, Urania, Aphrodite usw. Der- Kultus derselben ist gerade in Syrien ein sehr lasziver und entsittlichender gewesen. Alles, was in Babylonien und Phönizien oder Kanaan oder auf Cypern von unzüchtigem Treiben beim \KuItus verlautet, kam im grössten Massstab an den oben genannten Verehrungsstätten der Atargatis, beim Kultus der von dieser Göttin abzuleitenden Aphrodite auf Cypern und anderswo 1) S. oben S. 205. 2) Auch Atar-samain begegnet auf assyr. Inschriften als Göttin eines nordarabischen Stammes. Die Form ist aber aramäisch, wie ßäthg'eu erinnert. 3) S. dieselben z. B. bei S c h o l z , Götzendienst S. 305 ff.
Religion der Moabiter und Ammomter.
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vor. Ebenso findet sich hier die wilde Leidenschaft bis zur annatürlichsten Grausamkeit und Selbstmisshandlung gesteigert bei den zu Ehren der Göttin sich kastrierenden Gallen und ihrem tollen und lasterhaften Gebaren, wovon oben S. 267 f. die Rede war. Auch die Mythen 1 ), welche die Entstehung dieser Gebräuche erzählen wollen, sind Erzeugnisse einer zuchtlosen Einbildungskraft, welche durcl) keine Schranke der Ehrfurcht davon abgehalten wird, auf die Gottheiten die schimpflichsten Ausschreitungen menschlicher Leidenschaft zu übertragen. Ein syrischer Gott, ursprünglich nur eine besondere Benennung der Gottheit, ist auch der bei den Philistern verehrte M a m a s , vom syrischen mar, Herr, maran, „unser Herr", also eigentlich synonym mit adon, baal u. ä. Ein prächtiger Tempel zu Gaza war dem Marnas geweiht, welcher dort als von Kreta gekommener (Zevs Kgritayevris) galt. Auch im Hauran fand man eine Inschrift, wo Marnas als Gottesname figuriert2). Sehr häufige Spuren finden sich in Syrien von Verehrung der Glücksgottheit. G ä d - T y c h e 3 ) , in welcher der gute Genius der einzelnen Städte weiblich personifiziert und nicht selten z. B. auf Münzen abgebildet wurde. So hatte z. B. Gaza ein Tycheon, Heiligtum der Tyche, wie ein Marnion, Heiligtum des Marnas. Der ursprünglich männliche Glücksgott Gad (Baal Gad) scheint mit der Zeit zur weiblichen Tyche geworden zu sein, was nicht befremden kann, da die wenig personliche Schicksalsmacht in ihm verehrt wurde 4 ). Als Glücksgott wurde Gad leicht mit dem Planeten Jupiter kombiniert. Nach Jes. 65, 11 wurden diesem Gott Tischopfer (Lektisternien) gerüstet, ebenso seiner weiblichen Hälfte M6ni, (vgl. die arabische Göttin Manät) der Schicksalsgöttin, welche man in dem Planeten Venus schauen mochte. Ein Mittelpunkt, von welchem babylonisch-assyrischer Einfluss über Syrien ausging, war die Stadt H a r a n im Nordosten Dort herrschte von Alters her der babylonisch-assyrische M o n d g o t t Sin. Als zwei nahe zusammengehörige Völkerschaften begegnen uns M o a b i t e r und A m m o n i t e r , beide ostwärts von Kanaan wohnend, die ersteren mehr südlich am toten Meer, die letztern weiter nördlich oder nordöstlich um ihre Hauptstadt Rabbath Ammon. Ihre Mundart war von der hebräischen nur wenig abweichend, wie sich namentlich bei den Moabitern nachweisen läsBt, von welchen ein grösseres Schriftdenkmal, die S i e g e s s t e l e d e s K ö n i g s M e S a aufgefunden ist 6 ), während die massenhaften Funde 1) S. dieselben z. B. bei Scholz, Götzendienst S. 305 f., 327 ff., 335 ff. 2) S. B ä t h g e n , Beiträge S. 66. 3) Vgl. oben S. 254. B a u d i s s i n , PKE 8 6, 333 f. 4) Vgl. B ä t h g e n , Beiträge S. 76 ff. 5) Der Mesastein, zuerst 1868 von Missionar F. A. Klein gesehen, stand beim alten Dibon (jetzt DhlbhSn), einer moabitischen (früher von Gaditen bewohnten; Stadt, etwa 4 Stunden Östlich vom toten Meer, und meldete die Taten dieses Königs (Anfang des 9. Jahrh. v Chr.). Die anO r e l l i , Religionsgeschichte.
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Religion der Aramäer, Amraoniter, Moabiter, Edomiter, Araber.
von moabitischen Altertümern, die einige Jahre später auftauchten, und deren Echtheit Schlottmann u. a verteidigten, sich als Fabrikat von Fälschern ausgewiesen haben 1 ). Bei der religionsgeschichtlichen Wichtigkeit der MeSainschrit't setzen wir den grössten Teil derselben nach der Vervollständigung und Übersetzung von Smend und Socin hierher: (1) Ich bin Me§a, der Sohn des Kßmosmelek, der König von Moab aus (2) Dibon. Mein Vater war König über Moab 30 Jahre, und ich wurde König (3) nach meinem Vater, und ich habe hergerichtet dies Heiligtum dem KömoS in Kirchah für die Rettung des MeSa. (4) Denn er rettete mich von allen den Königen und liess mich meine Lust sehen an allen meinen Feinden. Omri, (5) der König von Israel, der bedrückte Moab lange Zeit; denn es zürnte Kßmos auf sein (6) Land. Und dann folgte ihm sein Sohn, und auch der sprach: Ich will Moab bedrücken; in meinen Tagen sprach er solches. (7) Aber ich sah meine Lust an ihm und an seinem Hause, und Israel ging auf ewig zu Grunde. Und Omri nahm ein das ganze Land (8) Medeba, und es (d. h. Israel) wohnte darin seine Tage und die Hälfte der Tage seines Sohnes, 40 Jahre, und zurück (9) brachte es KSmoS in meinen Tagen; und ich baute Baalme'on und legte darin den Teich (?) an, und ich baute (10) Kirjatain. Und der Mann von Gad wohnte im Lande Atarot von Urzeit her, und es baute sich der König von (11) Israel Atarot; und ich kämpfte gegen die Stadt und nahm sie ein, und ich brachte um alle Leute aus (12) der Stadt, ein Schauspiel für KömoS und für Moab; und ich brachte zurück von dort den Altaraufsatz Dödah's (?) und schleppte (13) ihn vor Kömo§ in Krijot; ich siedelte darin an den Mann von Siran (?) und die Männer von (14) Mochrath (?). Und KömoS sprach zu mir: Geh, nimm Nebo Israel ab, und ich (15) ging in der Nacht und kämpfte dagegen vom Anbruch des Morgengrauens bis zum Mittag und nahm (16) es ein und tötetete sie alle, 7000 an Männern und an Knaben und Weiber und Mädchen (17) und Sklavinnen (?); denn AStar K€mo8 hatte ich es geweiht; und ich nahm von dort die Altar(18)aufsätze Jahveh's und schleppte sie vor Kömo§. Und der König von Israel baute (19) Jahas und lag darin, da er wider mich stritt, und es vertrieb ihn KömoS vor mir, und (20) ich nahm von Moab 200 Mann, alle seine Häuptlinge, und ich führte es hinauf gegen Jahas und nahm (21) es ein, um es zu Dibon hinzuzufügen . . [folgen noch 13, zum Teil defekte Zeilen]. Es erhellt aus dieser Inschrift, dass Kemos von Moab als sehnlichsten Bruchstücke sind jetzt im Louvre in Paris. Die beste Darstellung der Inschrift geben B. Smend und A. S o c i n , „Die Inschrift des Königs Mesa von Moab", Freiburg i. B. 1886. Vgl. jedoch L i d z b a r s k i , Ephem. I, 1 ff. 1902. 1) Vgl. E. K a u t z c h und A. S o c i n , Die Echtheit der moabitischen Altertümer geprüft, Strassb. u. Lond. 1876. Ferner die Mitteilungen von K a u t z s c h in der Beilage zur Allg. Augsb. Ztg. 1876, Nr. 198.
Religion der Moabiter nnd Ammoniter.
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sein nationaler Go1,t oder Stammgott angesehen wurde", dem es seine Macht, seine Siege, seine Rettung vor den Feinden verdankte. Dabei ist eine gewisse Analogie mit Jahveh, dem Gott Israels, nicht zu verkennen. Ganz mit ähnlichen Worten, wie biblische Erzähler berichten, Jahveh habe seinem Lande gezürnt, sein Volk den Feinden preisgegeben, so hören wir liier von Kömos, dass so lange er Moab zürnte, der feindliche König Israels Gewalt über dasselbe hatte, dass er dann sein Volk rettete und den König seine Lust sehen' liess am Unglück seiner Feinde. Die Kriegsgefangenen wurden dem Kemösch zu Ehren getötet (Zle. 11 f.), ebenso Zle. 16 namentlich auch die erbeuteten Weiber und Kinder dem Astar Kemos. Vgl. den Cherem (Blutbann) der Hebräer zu Zle. 17. Die Altäraufsätze der besiegten Gottheiten, speziell Jahveh's, werden als Beutestücke ins Heiligtum des Stammgottes geschleppt (wie die Bundeslade von den Philistern). Man beachte auch, dass Zle. 14 der Gott zum König spricht: „Geh, nimm Nebo Israel ab." Ebenso heisst es noch Zle. 32 „Und es sprach zu mir K£mos: Zieh hinab, kämpfe gegen Horonain." Dies mochte durch Orakelzeichen geschehen oder durch Träume, wobei immerhin auch Vermittlung durch Wahrsager wahrscheinlich im Spiele war. Bei aller äusserlichen Ähnlichkeit mit biblischen Formen tritt aber der Unterschied zwischen beiderlei Religion deutlich genug hervor. Der Zorn des Gottes Kömos über sein Volk ist nicht ethisch motiviert, ebensowenig das Eintreten seiner Gunst. Die Gottheit waltet unberechenbar willkürlich. Das stolze Ich aber des menschlichen Siegers tritt selbstherrlich hervor wie nie auf biblischem Gebiet. Dass dieser Kemos Moabs Volksgott war, bestätigen nicht bloss manche Eigennamen, die ihn aufweisen, wie Kömos-Melek (Inschrift Zle. 1), Kamusnadbi keilinschriftl. = KömoS nadab (K. ist freigebig) *) u. a., sondern es wird auch durch manche biblische Angaben ausdrücklich bezeugt*). Der Name dieses Gottes, dessen richtige Aussprache eher Kamosch sein dürfte, ist etymologisch nicht aufgehellt; er selbst aber ist als eine der Modifikationen des Baal anzusehen, jenes solaren Himmelsgottes, der besonders auch als verderbliche Macht gefürchtet und mit blutigen Opfern beschwichtigt wird. Lehrreich ist 2 Kön. 3, 27, wo eben jener König Mesa in seiner grössten Bedrängnis seinen erstgeborenen Sohn und Thronerben auf der Stadtmauer diesem Gott zum Opfer bringt und dadurch selbst nach dem israelitischen Volksglauben eine Wendung des Schicksals verursacht. Ebenso zeigte sich oben, dass man dem Kfimos, diesem kriegerischen Gott zu Ehren Gefangene abschlachtete. Dies ist Zle. 16 f. der Inschrift von Aistar-Kemos gesagt, in welcher Zusammensetzung wohl eine Verschmelzung dieser männlichen mit einer weiblichen Gottheit er1) S c h r ä d e r , Ii A T 2 S. 288, 22. Vgl. auch B ä t h g e n , Beiträge S. 13. 2) Moab heisst Volk des Kemos Num. 21, 29; Jer. 48, 46 und Vers 7. 13. Vgl. auch 1 Kön. 11, 7. 33; 2 Kön. 23, 13.
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Religion der Aramäer, Ammoniter, Moabiter, Edomiter, Araber.
scheint 1 ),' wobei die voranstehende weibliche dominieren dürfte, so dass zu übersetzen wäre: der AStar-Kömoi. Damit hängt wohl zusammen, dass dieser Gottheit namentlich auch Weiber und Kinder geopfert wurden.. Dass auf moabitischem Gebiet die Kultusstätte des ßaal-Peor lag, sahen wir oben (S. 254). Allein dieser Gottesname und Kultus scheinen mehr geographisch als national bedingt gewesen zu sein und die Machtsphäre des KämoS innerhalb des Moabiterstammes nicht begrenzt zu haben. Auch von einem Nebodienste verlautet nichts, wiewohl der moabitische Ort dieses Namens Offenbarungsstätte jenes babylonischen Gottes gewesen sein kann. Man sieht, diese Stämme zeigen noch deutlich den Übergang von einer natürlichen Einheit zur Mehrheit der Gottesidee. Den Stamm selber interessiert nur sein Gott, der ihm die Gottheit schlechthin ist, und erst im friedlichen oder feindliehen Zusammentreffen mit andern Völkern wird er eine wirkliche Mehrheit inne. Doch gibt er selbst im Fall des Unterliegens die Superiorität des feindlichen Gottes nicht zu: der eigene Gott hat nur ungnädig seine Hilfe versagt; sonst wären die Feinde nicht übermächtig geworden! Dies zeigt deutlich, dass man nicht meint, einen in seiner Macht beschränkten Partikulargott zu verehren, sondern in seinem Stammgott ein Wesen von unendlicher, unbeschränkter Machtfülle zu kennen glaubt, dem die andern Götter, welche auftauchen, nicht ebenbürtig sind. Der Gott der A m m o n i t e r heisst Milkom 1 Kön. 11, 5. 33; 2 Kön. 23, 13 2 ). Es ist eine Weiterbildung des einfachem phönizischen Gottesnamens Milk („König"), bei den Israeliten auch Molek8), wie 1 Kön. 11, 7 der Ammonitergott genannt wird, sonst der mit diesem identische in Israel verehrte Abgott, welchem zu Ehren Kinder verbrannt wurden 4 ). Letzterer heisst übrigens auch Baal Jer. 19, 5; 32, 35. Die jüdische Haggada schildert das eherne Molekbild menschenähnlich, mit Stierkopf und ausgebreiteten Armen, in welche die Kinder gelegt worden seien, nachdem man im Hohlraum der Statue Feuer eingelegt und sie glühend gemacht hatte. Dass die Ammoniter ihrem Milkom Menschenopfer brachten, ob auch vielleicht nur in Zeiten der Not und Gefahr, oder wenn ausländischer Einfluss dieser Unsitte Vorschub leistete, ist nicht zu bezweifeln. Von einem solchen Naturgott — offenbar ist ja auch dieser Milkom oder Melek kein anderer als Baal-Melkart in neuer, nationaler Besonderung — konnte ein heiligender Einfluss auf das Volk nicht ausgehen. Es haben denn auch weder die grausamen (Amps 1, 13) AmiQomter noch die grosssprecherischen (Jerem. 48, 29 f.) Moabiter irgend eine Spur 1) 2) S. 256. 3) 4)
Vgl. B ä t h g e n , Beiträge S. 255 f. und oben S. 260 f. Vgl. auch zu Jerem. 49, 1. 3 und zu Zeph. 1, 6 und siehe oben Siehe über die Form oben S. 256. Lev. 18, 21; 20, 2. 5; 2 Kön. 23, 10; Jer. 32, 35.
Religion der Edomiter.
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höheren geistigen oder edlern religiösen Lebens hinterlassen. Das schliesst freilich nicht aas, dass auch bei ihnen, wie wir es gleich bei Edom finden werden, zu Zeiten eine reinere Gotteserkenntnis und bessere Leoensweisheit gedeihen mochte. In den Erinnerungen, welche die Israeliten über den Ursprung und die frühere Entwicklung dieser Stämme aufbewahrt haben, spricht sich aus, dass sie zwar vom selben würdigen Stamme wie Abraham ausgegangen, aber von Anfang an sich stark mit ihrer kanaanitischen Umgebung eingelassen und von ihr viel heidnische Unsitte angenommen haben. Noch näher als die eben genannten Stämme war mit Israel E d o m verwandt, ein südlich von Kanaan in meist öden Wohnsitzen hausendes Jägervolk, das immerhin nicht ohne eine gewisse Kultur zu denken ist und namentlich durch seine Spruchweisheit berühmt w a r B e i diesen Edoinitern scheinen verschiedene Gottesnamen ?) gangbar gewesen zu sein nach den Eigennamen der Könige zu schliessen, die bald mit Baal 8 ), bald mit Malik4), bald mit kaus, kös 5 ) gebildet sind. Ein mit letztem ähnlich klingender Name, den Josephus als idumäisch erwähnt, (Ant. 15, 7, 9) Ko£L ist davon zu unterscheiden, und mit dem arabischen Gewittergott kozeh 8 ) zu identifizieren. Allein diese Benennungen können doch nur auf wesentlich denselben Gott bezogen worden sein, der im allgemeinen einheitlich in Edom verehrt wurde, auf die Himmel und Erde regierende höchste Gewalt, welche freilich diesem Volke sich nicht so herrlich und heilig geoffenbart hatte, wie dem israelitischen Brudervolk, aber immerhin nicht ohne ernstem, sittigenden Einfluss auf das Leben scheint geblieben zu sein. Das Buch Hiob wenigstens, dessen weisester Redner Eliphas jedenfalls ein Themaniter, also Edomiter ist (mag man nun das Land Uz, welchem der Schauplatz der Geschichte angehört, in Edoms Nachbarschaft oder im Hauran suchen), lässt erkennen, dass der Schöpfer Himmels und der Erde, der gerechte Lenker aller menschlichen Geschicke, diesem Volke bekannt war, der sich in Natur und Geschichte dem kontemplativen Sinn der Weisen erschloss und mit den Frommen in ein näheres Verhältnis sich einliess, die sich von dem bei diesen Nomadenstämmen häufigen Gestirndienst rein hielten und an dem unsichtbaren, überirdischen Gott festhielten. Zwar ist hier die Religion dieser ausserisraelitischen Bruderstämme offenbar idealisiert, aber es musste dieselbe doch solcher idealer Auffassung einigermassen fähig und würdig sein. Von Bilderdienst der Edomiter verlautet denn auch nichts ausser 2 Chron. 1) Obadja Vers 8; Jer. 49, 7. Vgl. das Buch Hiob. 2) Gegen Stade, der Edom selbst als ursprüngl. Gottesnamen fasst, B. B ä t h g e n , Beiträge S. 10. Vgl. aber auch oben S. 165. 3) So Baal chanan Genes. 36, 38. 4) So Malikrim in assyr. Inschr. KAT2 S. 150. 4 5) Assvr. ka-ui = oip KAT S. 150 u. 613. Bäthgen, Beitr. S. 11. 6) B ä t h g e n ebenda. Vgl. ZDMG 32,568 f.
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Beligion der Aramäer, Ammoniter, Moabiter,- Edomiter, Araber.
25, 14. Vielleicht bat derselbe nur zeitweilig Eingang gefunden. Etwa von 306 v. Chr. an drangen die Nabatäer (aramäisch redende Araber) ins Land. Ihr Hauptgott war D u s a r e s (du-esch-schera, Herr der Landschaft?). Die Ruinen von Petra zeigen reichliche kultische Steinsymbolik. Die Entstehungszeit dieser Felsenheiligtümer ist aber schwer zu bestimmen. Ganz ähnlich wie die edomitische haben wir uns die alte Beligion der auf der Sinaihalbinsel und im Norden der a r a b i s c h e n Halbinsel niedergelassenen, mit Israel verwandten Stämme (Midian, Ismael, Keniter usw.J zu denken. Aber auch die S ü d a r a b e r haben nach monumentalen Überresten, auf deren religionsgeschichtliche Bedeutung H o m m e l 1 ) aufmerksam gemacht hat, in der frühesten erkennbaren Zeit eine nicht zu verachtende Höhe des Gottesbewusstseins innegehabt. Die betreffenden Inschriften im minäischen und sabäischen Dialekt reichen an den Anfang des ersten Jahrtausends v. Chr. zurück. Die frühesten von den sabäischen Königen, welche sich erst nicht Könige, sondern mukarrib oder makrub (Priesterfürsten) nannten, stammenden mögen aus dem 10.—8. Jahrh- v. Chr. herrühren; noch früher setzen Ed. Glaser und Hommel die des Königreichs Main an. Die in den minäischen angerufenen Gottheiten sind A t h t a r (sprich: Astar) = babyl. Istar, aber ein männlicher Gott; W a d d (Gott der Liebe), En-karih (Gott des Hasses), in Hadramaut besonders Sin (der babyl. Mondgott), Sohn des Athtar u. a. m. Hier herrschte also Polytheismus. Hommel macht aber geltend, dass in den minäischen Personennamen in der Kegel nicht diese Götternamen, sondern einfach ilu erscheint, selten etwa Wadd oder Athtar, abgekürzt Atht. Er schliesst daraus auf eine weiter zurückliegende Zeit, wo die von aussen (Babyloniei importierten Götter noch nicht verehrt wurden, sondern die Gottheit schlechthin, ilu. Von dieser Gottheit sagen jene Eigennamen grosses und mannigfaltiges aus: Iii wahaba, „mein Gott hat gegeben". Iii jada'a, „mein Gott ist, (all)wissend". Iii azza, „mein Gott ist mächtig". Hi padaja, „mein Gott hat erlöst". Iii sami'a, „mein Gott hat erhört" usf. Ebenso mit umgekehrter Wortstellung: Jadhkur ilu, „Gott gedenkt" usw. Merkwürdig für das Verhältnis zwischen Gott und Menschen ist ferner, dass der Gottesname häufig durch Verwandtschaftsbezeichnungen umschrieben ist, deren Gebrauch eine innige Beziehung zur Gottheit voraussetzt, besonders durch abi 2 ), z. B. Abi amara, „mein Vater gebietet", Abi sami'a, „mein Vater hat erhört" usf., ebenso mit ammi, mein Oheim ( = Vormund, Beschützer), ebenso chäli (mein Oheim, speziell Bruder der Mutter), didi, mein Vetter, achi, mein Bruder. Ferner wird statt Gott gesetzt sumhu, „sein Name". Diese Zusammensetzungen mit ammi, 1) Fr. H o m m e l , Die Altisraelitische Überlieferung, München 189(7. S. 75 ff. 2) Diese Erscheinung ist von Wichtigkeit für die Erklärung der hebräischen Eigennamen Abinadab, Abieser, Amminadab, Achinadab usw.
Religion der Araber.
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cliali usf. sowie mit sumbu sind am häufigsten in den minäischen und ältesten sabäischen Inschriften, werden dagegen späterhin selten; sie deuten also auf den frühesten Besitzstand der Religion, der kein geringer gewesen sein kann, da sie einen erhabenen and doch mit den Menschen in innigem Verhältnis und Verkehr stehenden Gott erkennen lassen. Es ist hier auch daran zu erinnern, dass die „Königin von Saba" Salomo besuchte, um seine Weisheit zu hören1), was voraussetzt, dass ähnliche Weisheit, die nicht ohne allen religiösen Charaktei zu denken ist, in ihrem eigenen Lande Pflege fand. Auch ist zu beachten, dass die Israeliten sich bewusst waren, ihre Spruchweisheit nicht als ein ausschliessliches Besitztum ihres Volkes ansehen zu dürfen, sondern sie in gewissem Sinn als ein Gemeingut mit den verwandten Stämmen pflegten, daher sie sich nicht scheuten, auch Sprüche nichtisraelitischer Weiser in ihre Sammlungen aufzunehmen, wie die Überschriften Sprüche Sal. 30, 1; 31, 1 beweisen8), oder in deren Namen zu lehren, wie das Buch Hiob zeigt, von welchem oben die Rede war 8 ). Von dem, was wir erst aus nachchristlichen Quellen über das arabische Heidentum erfahren, wird später die Rede sein. Der theologisch wichtigste Zweig dieser Gruppe aber, der i s r a e l i t i s c h e , der sich als der lebensfähigste und fruchtbarste in der ganzen Religionsentwicklung erwiesen hat, kann und soll in diesem Buche nicht behandelt werden, da es nicht möglich wäre, ihm den nach seiner Bedeutung schuldigen Raum zu gewähren. Würde doch seine Darstellung nicht nur die gesamte alttestamentliche Entwicklung, sondern nicht minder die- als Frucht und Krone daraus hervorgegangene Entstehung des C h r i s t e n t u m s , aowie dessen ganze Entfaltung in der Missions- und Kirchengeschichte bis auf unsere Tage umfassen müssen, Gebiete, welche in mannigfachster Weise von jeher bearbeitet worden sind, so dass es an Darstellungen derselben nicht mangelt. Hier möchten wir nur mit einigen Hilfslinien andeuten, wie diese Gebilde sich in den Entwicklungsgang des gesamten religiösen Lebens einordnen, zugleich aber von den übrigen Religionen sich charakteristisch abheben und den Höhepunkt bilden, welchem die andern gewissermassen zustrebten, ohne ihn zu erreichen, von wo aus wir sie daher wahrhaft überschauen und ihren Wert beurteilen können. 1) 1 Kön. 10,1 ff. 2) Das nordarabische Königtum Massa Sprüche 31,1 (vgl. Gen. 36,14) ist auch durch die assyrischen Inschriften bezeugt. Siehe S a y c e , Higher Criticism6 (1895) S. 479 f. 3) Siehe T III IC I, 284 ff.
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Israel und die Semiten.
IV. Israel und die Semiten1). Als die im engsten Sinn semitische Gruppe, welche den semitischen Typus am reinsten erhalten hat, sind die soeben aufgezählten, mit den Hebräern nächstverwandten syro-arabischen Völkerschaften zu betrachten, welche in der Bibel (wie Israel selbst) von Terach abgeleitet werden. Zu den Semiten gesellen sich aber auch die Assyrer und (teilweise) Babylonier, zumal die Chaldäer. Die Meisten rechnen dahin hauptsächlich um der Sprache willen, aber im Widerspruch mit den biblischen Angaben auch die Phönizier und (sämtliche) Kanaanäer und die Karthager. Es kann jedoch die semitische Abstammung nicht untrüglich aus der Sprachgemeinschaft abgeleitet werden, indem vielfach Mischung der Bevölkerung und Sprachen tausch stattgefunden haben. Dagegen die Verwandtschaft der Hebräer mit den Arabern, sowie den ihnen benachbarten Völkerschaften Edom, Ammon, Moab und einem grossen Teil der nordöstlichen Syrer (Aramäer) kann nicht in Zweifel gezogen werden, und die hebräische Tradition darüber ist um so unverdächtiger, da Israel mit manchen dieser Völker (Midian, besonders aber Edom, Moab, Ammon) fast nur in feindliche Berührung gekommen ist. Bloss hypothetischen Wert haben die Aufstellungen über den ursprünglichen W o h n s i t z dieser Semiten. A. S p r e n g e r 8 ) und Eb. S c h r ä d e r 3 ) haben darzutun versucht, dass aas Stammland aller Semiten, die Babylonier, Chaldäer, Assyrer, Aramäer, Kanaanäer mit inbegriffen, die a r a b i s c h e H a l b i n s e l gewesen sei, und die meisten Neueren haben dem beigepflichtet 4 ). Ob aber diese Hypothese sich in ihrem ganzen Umfang aufrecht halten lässt, ist sehr fraglich. Der Hergang der Auswanderung aus dieser Völkerkammer, wie Schräder ihn näher beschreibt, ist zum Teil wenig einleuchtend. Auch spricht der noch erkennbare Zusammen* hang der Semiten mit den Ariern bestimmt dafür, dass die Semiten einst von Norden gekommen sind. Sicher ist jedoch, dass der semitische Stamm sich schon sehr frühe im Norden und Osten 1) Vgl. ausser den S. 245 und 270 angeführten Schriften von B a u d i s s i n , P . S c h o l z , Robertson S m i t h , W e l l h a u s e n , T i e l e , B ä t h g e n usf., besonders auch E. R e n a n , Histoire générale et système comparé des Langues Sémitiques, Paris 1855 (mehrmals abgedruckt). — B. S t a d e , Oesch. des Volkes Israel, 2 Bde., Berlin 1887. 88. — R. K i t t e l , Gesch. der Hebräer, 2 Bde., Gotha 1888—92, Bd. 2, 2 A. 1909. — A. K ö h l e r , Bibl. Gesch. A. T., 3 Bde., Erlangen 1875—1893. — James R o b e r t s o n , Die Alte Religion Israels vor dem 8. Jh., Stuttg. 2. A. 1905. — Fritz H o m m e 1, Die altisraelit. Überlieferung in inschriftl. Beleuchtung,. München 1897. — Ernst Sellin. Beiträge zur Israelit, u. jüd. Religionsgeschichte I, II, Leipz. 1896. 97. 2) Leben und Lehre des Mohammad I, 241 ff. — Derselbe, Die alte Geographie Arabiens als Grundlage der Entwicklungsgeschichte des Semitismus 1875. 3) ZDMG 27, 397 ff. 41 Z. B. Meyer, Gesch. des Altertums I, 2 (1909) S. 357 f.
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der arabischen Halbinsel festgesetzt und das semitische Wesen sich in diesem abgeschlossenen Lande am reinsten ausgebildet und bewahrt hat 1 ). Ferner steht ausser Zweifel, dass von hier aus im Laufe der Jahrtausende immer neue Wellen von semitischen Stämmen nordwärts ins babylonische Kulturland vorgedrungen sind und sich da der Eeihe nach niedergelassen und kultiviert haben. Zu ihnen gehören auch die Vorfahren der Hebräer, wie das lehrreiche Bild der einwandernden Semiten in den Gräbern von Beni Hassan zeigt, deren nahe Blutsverwandtschaft mit den Israeliten aus ihren Gesichtszügen spricht. Wichtiger als die Frage der Urheimat ist für uns die r e l i g i ö s e Anlage dieses semitischen Stammes, der, wie schon der alte Noah-Spruch andeutet (Genes. 9, 26), in religionsgeschichtlicher Hinsicht die höchste Bedeutung erlangen sollte, und aus dem die drei grossen monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum, Islam hervorgegangen sind. E. R e n a n 2 ) hat versucht, die semitische Rasse zu charakterisieren und dabei auch ihre religiöse Bedeutung atis ihrer natürlichen Besonderheit abzuleiten. Die Bedeutung der Semiten liegt nach Renan weder in der politischen Geschichte noch in der Philosophie, noch in der Kunst, sondern eben ausschliesslich in der Religion: In der Geschichte haben sie kein Geschick für Staatenbildung bewiesen und kein grösseres Reich zu Stande gebracht. Durch ihre Vielweiberei auf einer niedrigen Stufe der Gesellschaftsordnung zurückgehalten und wegen des Man eis an Unterordnung der Einzelnen auch keiner grossen Machtentfaltung im Kriege fähig, sind sie bei den primitivsten Staatsformen stehen geblieben. Zur Philosophie mangelte ihnen die objektive Beobachtungsgabe und die Fähigkeit der Abstraktion, des reinen Denkens. Was z. B. die Araber von Philosophie hatten, war rein bei den Griechen geborgt. In der Kunst stehen die Semiten hinter den Ariern weit zurück. Nur die Musik erfreute sich bei ihnen stets liebevoller Pflege. Für die objektivierenden Künste, Architektonik, Plastik, Malerei zeigten sie keine Anlagen. In der Poesie besassen sie kein Epos und kein Drama, sondern nur Lyrik, Psalmen und symbolisierende Spruchdichtung. Allein um so mehr waren sie begabt, mit sichern Instinkt, durch natürliche Intuition, die Gottheit zu entdecken und überall zu erkennen. Sie sind das Volk Gottes. Jene Zersplitterung der Gottheit, welche die Mythologie darstellt, ist bei ihnen nicht eingetreten. Dafür waren sie zu wenig ideal gerichtet. Ihr nüchterner Verstand, ihr Mangel an Phantasie, die Monotonie ihrer Wüste machten sie zu Monotheisten. Nicht die Reife des Nachdenkens, sondern eben ihr natürlicher 1) Nur die Südaraber, Himjaren, zeigen, wie wir sahen, merkwürdige religiöse Berührungen mit den ihnen geographisch nahen Babyloniern. Das bab Iitar örsuheint bei ihnen in der männlichen Form Athtar. Ebenso haben sie den Mondgott Sin. Hier ist Einfluss von aussen anzunehmen. . 2) Histoire générale etc. s. vorige Seite.
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Instinkt trieb sie zu dieser Religionsform, da sie keinen Sinn für die Mannigfaltigkeit besassen, sondern nur für die Einheit. Ihre besondere Geistesanlage prägte sich am genialsten in der Frophetic ans, in der Vision. Dabei waren sie in der Religion notwendig fanatisch Und intolerant, eben weil sie ausser ihrem Einen Gott einen andern nicht ertragen konnten. Renan selbst musste freilich sofort erkennen, dass diese Schilderung nicht auf alle die Völker passe, welche in der Bibel vön Sem abgeleitet sind oder von der neuern Forschung diesem Stamme zugewiesen werden. Um von den organisationslustigen, gewerbsfleissigen Phöniziern nicht zu reden, die wir auch nicht als Semiten betrachten, tritt uns ein noch stärker von dieser Beschreibung abweichendes Bild in dem nach Blut und Sprache zweifellos semitischen Volk der kriegerischen Assyrer entgegen mit seiner grossartigen Reichsbilduug und Verwaltung und einem unleugbaren Talent für Baukunst und Bildnerei. Renan half sich aber so, dass er aus dieser Völkergruppe einen nomadischen Zweig ausschied, welcher allein den semitischen Rassencharakter treu und rein bewahrt hätte, während die mehr politischen Zweige der Semiten sich zu sehr mit fremder Kultur berührten und bereicherten, als dass sie diesen Typus noch rein darstellten. Er schränkt diesen echt semitischen Zweig auf die Völkerschaften ein, aus denen Judentum, Christentum und Islam hervorgingen, die „syroarabischen" Stämme mit Einschluss der Israeliten. In dieser Begrenzung lässt sich Renans psychologische Charakteristik des Semitismus schon besser hören, und ist nicht zu leugnen, dass darin viel Zutreffendes gesagt ist. Auch wird man der Annahme nicht abgeneigt sein, dass dieser Zweig in der Tat das semitische Wesen im allgemeinen reiner erhalten habe als andere. Zweifellos richtig ist .sodann, was man freilich längst wusste, wie es denn schon Gen. 9, 26 angedeutet ist, dass diese Völkergruppe weder in ihren Leistungen auf dem Gebiete des Staates noch auf denen der Wissenschaft (Naturkunde, Philosophie) noch auch in der schönen Kunst hervorragen, dass sie dagegen einer unvergleichlichen Mission für die r e l i g i ö s e Entwicklung der Menschheit sich rühmen darf. Mag auch Renan die Geistesarmut der Semiten übertrieben haben — dass sie hinter den edelsten arischen Völkern aur jenen Kulturgebieten zurückstehen, ist nicht zu leugnen, und auch das ist nicht zu verkennen, dass die grossartige Einheitlichkeit ihrer Gottesauffassung mit ihrer weltlichen Beschränktheit in einein gewissen innern Zusammenhang steht. Gerade ihre Armut befähigte sie, sich um so einheitlicher auf das Göttliche zu konzentrieren, da sie weniger als andere in Gefahr standen, in den zerstreuenden Welteindrücken sich zu verlieren. Es fiel ihnen leichter als den objektiver beobachtenden und dialektisch begabteren Ariern, mit Übergehung der Mittelursachen die Welt in unmittelbarer Abhängigkeit von Gott zu schauen, statt bei den Mittelgliedern des Kausalnexus der Dinge stehen zu
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bleiben. Gleichwohl wai es unrichtig, wenn aus dem Monotheismus ein blosses Erzeugnis semitischer Rasseneigentümlichkeit gemacht werden wollte oder gar ein weiterer Mangel, der dieser Basse anhalte, als ob die Kenntnis Eines Gottes eine niedrigere Geistesstufe bekundete im Vergleich mit einer ausgebildeten Mythologie! Vielmehr zeigt die Geschichte, dass die Naturanlage der Rasse zur Entstehung und Bewahrung des Monotheismus nicht ausreichte; noch viel weniger lässt sich aus ihr allein die erhabene Stellung erklaren, welche die biblisch-semitische Gotteserkenntnis innerhalb der Religionsgeschichte einnimmt. Es zeigt sich nämlich, dass die streng einheitliche Auffassung der Gottheit gar kein durchgängiges Merkmal der semitischen Völker ist, nicht einmal wenn wir bei den letztern nur an den engen, von Renan gezogenen Kreis denken. Die Araber sowohl als die Hebräer zeigen einen starken, zeitweise übermächtigen Hang zur Vielgötterei bis hinab zum Petischdienst. Neuerdings wird ja gerade die „Volksreligion" der Israeliten bis zum Exil mit Vorliebe als eine fast heidnische dargestellt. Und auf die geistige Aristokratie darf man sich, wie Max Müller1) mit Recht hervorhebt, nicht berufen, wenn man vom natürlichen Instinkt einer Rasse spricht; denn ein solcher müsste sich gerade in den Ungebildeten, im gemeinen Volk am unmittelbarsten und sichersten zeigen. Wohin aber der natürliche Trieb auch in dem „Volke Gottes" H O L T ' ¿fopp ging, zeigt die Geschichte des stetsfort sich wiederholenden Abfalls Israels vom Einen, wahren, geistigen Gott, wobei es immer wieder zu dessen Verehrung im Bild und damit notwendig zur. Vielgötterei herabsank. Schon vor Abraham war der Stamm nach deutlichen Spuren in solche Abwege hineingeraten. Anderseits sahen wir auch die Chinesen und Ägypter, sowie die nichtsemitischen Babylonier von einem einheitlichem Gottesglauben herkommen, und bei den Ariern wird sich dasselbe ergeben. Gleichwohl ist nicht alles Einbildung, was man von natürlicher Anlage der Semiten zum Monotheismus gesagt hat. Nur genügte diese Anlage nicht, um einen wahrhaft monotheistischen Gottesglauben hervorzubringen, wofern nicht durch besondere geschichtliche Offenbarungen dieselbe geweckt, entwickelt und bewahrt wurde. Diese Anlage ist teils mehr negativer Art: Mangel an Einbildungskraft, welche die Einheit des Gottesbegriffes hätte stören können, Mangel an analytischer und dialektischer Begabung, welche leicht über zwischenliegenden Ursachen den obersten Urheber kann vergessen machen; dazu eine gewisse kunstlose Einfachheit der Sprache, welche den Ursinn der Wörter viel getreuer erkennen lässt und im Gedächtnis bewahrt als bei den Ariern, deren schillernde, vieldeutige Sprachen zur Entstehung der Mythen- und Götterwelt nicht wenig beigetragen haben. Als positive Eigenschaft der Semiten kommt ausserdem namentlich in Betracht eine gewisse 1) Essays I: Über den semitischen Monotheismus.
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energische Konzentration des Lebens und Strebens, welche zwar dasselbe aach in den Dienst geringer Güter stellen kann, aber im Dienste des höchsten Gates das grösste leistet. Der Boden, ans welchem die alttestamentliche Religion Israels hervorgegangen ist, war ein Semitismus, welcher einen überweltlichen Gott kannte, der freilich leicht in die Natur herabgezogen werden und zu einer Mehrheit sich spalten konnte, wie dies vor und nach Abraham bei alten mit ihm verwandten Stämmen mehr oder weniger eintrat. Fragt man nun, wie es in Israel allein zum bleibenden. Besitz eines einheitlichen, wahrhaft über die Natur erhabenen1 Gottes kommen konnte, so ist ans der Bibel die Antwort zu entnehmen: Durch O f f e n b a r u n g des lebendigen Gottes an einzelne Fromme, und zwar besteht die Form dieser Offenbatung in unmittelbarer Einsprache des göttlichen W o r t e s des reinsten und wahrsten Ansdrucks, in welchem der Geist sich äussert, und unterscheidet sich so wesentlich von den mannigfachen Medien, durch welche die Yölkerwelt Kundgebungen der Gottheit zu erlangen trachtete und glaubte 1 ). Eben diese geheimnisvolle Form, in welcher später Gott unmittelbar zu seinen erkorenen Werkzeugen und durch dieselben redete, nimmt die einstimmige Überlieferung dieses Volks schon bei A b r a h a m an, bei welchem ein erster Ansatz zur Bildung der spezifischen biblischen Religion auf semitischem Boden stattfindet. Ein weiterer Fortschritt knüpft sich an die ebenfalls prophetische Person des M o s e , durch "welchen die abrahamische Stammesreligion eine nationale wird. Und die weitere Erhaltung, Selbstreinigung und Fortbildung dieser Religion vollzieht sich meistens durch prophetische Organe, welche die göttliche Wahrheit und den reinen Willen Jahvehs immer wieder d*n entarteten Vorstellungen und Gebräuchen entgegensetzen. Die abrahamische Religion beginnt zwar nicht — war etwa der Islam — mit dogmatischer Formulierung der Einheit Gottes, aber mit so lebensmächtigen Bezeugungen einer e i n z i g a r t i g e n geistigen, in der Welt souverän waltenden und auf ihre Verehrer ethisch wirkenden Gottheit, dass neben ihrem Dienst jede Verehrung anderer Wesen als Untreue erscheinen musste. Nun sahen wir zwar, dass auch andere, besonders semitische Völkerschaften nur Einem ftotte d i e n t e n , und insofern ist der Unterschied zwischen ihnen Jind den Patriarchen Israels nicht sehr in die Augen fallend. Allein der Geist der Offenbarungen, welche letztere empfingen, war von Anfang an ein edlerer, höherer, reinerer. Von Abbildungen dieses Gottes findet sich in der patriarchalischen Zeit keine Spur, und wo die Teraphim 8 ) vorkommen, spricht sich das Bewusstsein 1) Siehe darüber v. O r e l l i , Die alttest. Weissagung von der Vollendung des Gottesreiches, Wien 1882, S. 16 ff. und PRE S 16, 100 ff. 2) Der Name T e r a p h i m ist noch nicht aufgehellt. Es sind puppenartige häusliche Idole, nach 1 Sam. 19,13 wohl von menschlicher Gestalt und Grösse, nach Gen. 31,34 kleiner zu denken. Vgl. die äusserst primitiven Stücke bei Vincent, Canaan 156. Sie galten als glückbringend und
Die Religion Abrahams.
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ans, dass diese Versinnlichungen von göttlichen Mächten etwas aus einem anderen Stamme Importiertes, in Abrahams Haas eigentlich Verbotenes seien1). Dergleichen Sparen von Heidentam zeigen nur, dass der abrahamische Glaube aasarten konnte, wie es zweifellos bei Ammon, Moab und auch Edom geschehen ist und auch in Israel nach der Unart der menschlichen Natur geschehen mnsste, wenn nicht die Erkenntnis des wahren Gottes darch besondere Erfahrungen und fortgesetzte Offenbarungen immer wieder aufgefrischt wurde, so dass sie gegen den natürlichen Hang zur Anpassung des Göttlichen an die sinnlichen und selbstsüchtigen Triebe der Menschen sich siegreich behauptete. Der im Himmel wohnende Gott Abrahams, der in seinen Offenbarungen durch keine Landesgrenzen beschränkt war, wurde vor Altären unter freiem Himmel angebetet. Wo geheiligte Steine vorkommen (Gen. 28, 18), sollen sie nur die Offenbarungsstäue des himmlischen Gottes kennzeichnen. Diesen Kultus aus dem Glauben an Steinfetische abzuleiten ist ein um so unberechtigteres Unterfangen, als auch die verwandten Stämme (die Araber eingeschlossen) nicht mit Fetischdienst angefangen haben, aus welchem überhaupt nirgends eine höhere Religion sich entwickelt. Aber auch nicht so verhält es sich, dass der Gott der Israeliten von Haus aus durch die engen Grenzen des Stammes beschränkt gedacht worden wäre. Dies ist nicht einmal bei jenen übrigen Stämmen das ursprüngliche. Vielmehr war diesen in der frühesten Zeit ihr Stamm ihre Welt, in welcher und für welche sie lebten, weshalb auch nur die Bedeutung der Gottheit für ihren Stamm sie interessierte; es war die einzige, von der sie wussten. Erst durch die Berührung mit andern Stämmen und Völkern, welche anderswie benannte und besonderte Götter verehrten, wurden sie zur Annahme mehrerer Götter genötigt, ohne jedoch willig einem andern Gott die Ebenbürtigkeit mit dem ihrigen zuzuerkennen, dessen Superiorität sie nach Kräften festhielten. Zu jener unfreiwilligen Vermehrung der Götter kam dann noch jener unwillkürliche Trieb, die überirdische Macht irdisch zu symbolisieren und das Symbol zu vergöttlichen. So kam es bei ihnen schliesslich zu Polytheismus und Fetischismus. Was nun speziell die Hebräer anlangt, so hat ihnen seit Abraham, d. h. seit 'sie sich als selbständigen Stamm wussten, die Einzigartigkeit ihres Gottes festgestanden, und diese musste auch theoretisch zur Einheit führen. Zwar haben auch sie die Erfahrung gemacht, dass über andere Völker andere Götter herrschten, und so können auch die Träger der wahren Gotteserkenntnis empirisch von andern Göttern reden und ihnen einen relativen Machtbesitz zuschreiben, aber in eben jenen Aussprüchen, welche man für wurden auch zu Orakeln benutzt (Ezech. 21,26), indem man wohl vor ihnen Lose warf. Nach den ältern Stellen sind es Hausgötter, vielleicht Laren- oder Ahnenbilder, jedenfalls nicht mit der eigentlichen Gottheit gleichen Ranges. 1) Vgl. Genes. 31,19 ff.; 35, 2. 4.
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ihre Anerkennung anderer Gottheiten geltend macht, wird die Unvergleichlichkeit ihres Gottes, seine Superiorität über alle andern aufs stärkste betönt, welche konsequent ausgedacht dazu führen musste, den andern die Gottheit überhaupt abzusprechen. Jene empirische Auffassung, die andern Göttern ein relatives Dasein und eine gewisse Macht zugesteht, und diese konsequent prinzipielle finden sich daher zeitlich nicht bloss nacheinander, sondern auch nebeneinander, weil die eine die andere richtig verstanden nicht ausschliesst. Eben deshalb ist es aber auch nicht zutreffend, wenn man neuerdings es liebt, den ältern Israeliten (und zwar noch weit über Mose hinaus) nicht Monotheismus, sondern „Monolatrie" zuzuschreiben. Letzterer Begriff wird schon der ältesten erkennbaren Phase, der vormosaischen, nicht gerecht. Wir verweisen in betreff dieser Fragen namentlich auf B a u d i s s i n 1 ) und B ä t h g e n ' ) , von denen der letztere auch aus den Eigennamen der Israeliten, die im Unterschied von den Personennamen der oben behandelten Völker nirgends auf mehrere Götter schliessen lassen, nachweist, dass wir uns die Israeliten, soweit unsre Nachrichten von ihnen zurückreichen, nicht als Polytheisten zu denken haben,* sowie er den merkwürdigen Umstand hervorhebt, dass das Hebräische für „Göttin" nicht einmal ein Wort gebildet hat, woraus sich ergibt, dass die bei den übrigen Semiten durchgängige geschlechtliche Differenzierung der Gottheit bei diesem Volke nie stattgefunden hat. Die Geschichtlichkeit der religiösen Entwicklungsstufe, welche durch den Namen Abrahams gekennzeichnet wird, können wir hier nicht näher dartun. Ebensowenig ist hier der Ort, die oft bestrittene historische Kealität des M o s a i s m u e zu erhärten, wo der Eine, geistige, daher bildlose, heilige, d. h. über alle Kreatur und ihre Unreinigkeit erhabene Gott unter dem Namen J a h v e h 3 ) der Gott der zu einem nationalen Ganzen vereinigten Stämme wurde. Immerhin sei bemerkt, dass dieselbe namentlich auch durch 1) Studien zur semit. Religionsgesch. I, 46 ff.: Die Anschauung des A. T. von den Göttern des Heidentums. 2) Beiträge zur semit. Religionsgesch.: Der Gott Israels und die Götter der Heiden. 3) In diesem Namen prägt sich nach der authentischen Erklärung Exod. 3, 14 eben diese schlechthinige Erhabenheit aus. Alle andern Erklärungen sind teils notorisch unrichtig, teils unbeweisbar und daher wertlos. Ebenso verhält sichs mit den Vermutungen, welche diesen Gottesnamen von andern Stämmen ableiten oder in ihm einen ursprünglichen Natnrgott (Feuergott oder Gewittergott) sehen wollen. Siehe James Robertson, Die alte Bei. Isr.* S. 191 ff., speziell gegen die Ableitung des Namens vom Midianiterkultus (Jethro) ebenda S. 194. Friedr. D e l i t z s c h wollte auf Täfelchen aus der Zeit Hammurabis die Namen Jahve-ilu und Jahum-ilu lesen (Babel u. Bibel 1902 S. 47). Siehe dagegen KAT8 468. Aus manchen Eigennamen scheint allerdings hervorzugehen, dass ein altsemitischer Gott Jau, Ja existierte. H o m m e l und Alfr. J e r e m i a s halten das mosaische Jahveh für eine „feierliche Differenzierung", also bewusste Weiterbildung dieses unverständlich gewordenen Gottesnamens.
Die mosaische Epoche.
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die unanfechtbaren einstimmigen Zeugniese der Propheten gestützt wird. Wenn in neuerer Zeit häufig die Vorstellung sich finden ltlsst, als wäre der ethische Monotheismus etwas, was erst diejenigen Propheten, deren Schriften wir besitzen (man denkt dabei in erster Linie an Arnos) in Israel eingeführt hätten, so widerstreitetet dem die ganze Haltung des Arnos und Hosea selbst, die nichts weniger als eine neue, höhere Lehre von Gott proklamieren wollen, vielmehr all das kanaanitische Unwesen in Leben und Kultus als einen unverantwortlichen Abfall von der höheren Stufe, die man unter Mose innegehabt, anklagen, und die Kenntnis des heiligen Gottes, der souverän in Natur und Geschichte waltet, als etwas Selbstverständliches voraussetzen. Aber auch die Zeugnisse der historischen Bücher für die Geschichtlichkeit einer am Sinai erfolgten grundlegenden Offenbarung des heiligen Gottes Jahveh unter Mose können nur durch tendenziöse Skeptik entwertet werden. Dass diese Offenbarung in einer feierlichen Bundesschliessung am Sinai Ausdruck fand, hat auch G i e s e b r e c h t (Die Geschichtlichkeit des Sinaibundes 1901) anerkannt. Weiter ist bei der schöpferischen Gestaltung des israelitischen Volkstums, die Mose im Namen des neu offenbar gewordenen Gottes vollzog, gar nichts anderes denkbar, als dass er auch den gesamten Kultus und den rechtlichen Brauch des Jahvehvolkes nach dem Gesichtspunkt dieser Offenbarung ordnete. Nahm er doch äusserlich eine ähnliche Stellung ein wie Muhammed zu Medina, als der Mann Gottes, der in allen solchen Dingen die oberste, untrügliche Autorität darstellte und bei jedem Anlass um Thora, d. h. Mitteilung des göttlichen Willens, angegangen wurde. Dass er dabei nicht gänzlich neue Formen des Gottesdienstes und Lebens einführte, sondern die vorgefundenen semitischen Gebräuche verwendete, lehrt die Vergleichung der israelitischen mit denen verwandter Stämme. Allein diese gottesdienstlichen Formen haben durch Beziehung auf Jahveh neuen, tieferen Inhalt und höhere Weihe empfangen und auch die von Mose aufgenommenen, bzw. beibehaltenen Bräuche wie Beschneidung, Reinigkeitssatzungen, Speisegesetze u. dgl. stehen mit dem ethischen Prinzip der Jahvehreligion in unverkennbarem Zusammenhang und dürfen daher nicht einfach aus dem Sinn heidnisch arabischer oder kanaanitischer oder gar polynesischer (Tabu u. dgl.) Gebräuche gedeutet werden, wie es neuerdings beliebt geworden ist. In Betracht zu ziehen ist jedoch, dass seit der Einwanderung Israels in Kanaan und der Niederlassung in diesem Lande eine starke Versetzung der mosaischen Religion mit kanaanitischen Elementen stattgefunden hat. Musste schon^ein Mose gegen den natürlichen Hang des Volkes zu sinnlioh^m Kultus kämpfen, so begreift sieh um so mehr, dass die mit Kanaanitern gemischten, unter sich wenig zusammenhängenden Stämme und Splitter von Stämmen von jenem im Lande längst eingerichteten, ihnen an Kultur überlegenen Volk vieles angenommen haben. Sie über-
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nahmen von diesem die heiligen Stätten, an welche sich teilweise auch für sie geheiligte Erinnerungen knüpften. Zugleich aber nahmen sie leicht auch deren sinnliche Symbole und üppigen Naturkult an. Mit dem Namen Baal, der als Ehrenname für Jahveh auch von den Hebräern anfänglich ohne Arg gebraucht wurde, schlich sich bald auch das unheilige Wesen des so benannten kanaanitischen Naturgottes in ihre Vorstellungsweise, ihren Kultus und ihr ganzes Leben ein. Der Höhendienst, in welchem die Israeliten ihrem Jahveh zu huldigen gewillt waren, wurde dem Baaldienst der bisherigen Inhaber dieser Heiligtümer nur allzu ähnlich, und die heidnischen Gewohnheiten, die sich von alters her an diese knüpften, dauerten trotz der Bekämpfung durch Propheten und einzelne strenger gesinnte Könige bis zum Exil fort. Dazu kamen ausländische Kultusformen und Unsitten, welche von den Nachbarn und den mit Israel im Lauf der Zeit in feindliche und freundliche Berührung getretenen Grossmächten her nur zu leicht Eingang fanden. Zwar darf man sich die „Volksreligion" des vorexilischen Israels nicht so niedrig vorstellen, wie die der umwohnenden Stämme, aber es gab im Volk von jeher eine heidnische Unterströmung, die nicht selten übermächtig wurde. Die Volksreligion wird besonders durch die neuern Ausgrabungen in Palästina illustriert. Doch ist dabei Vorsicht geboten, wie z. B. daraus hervorgeht, dass der von Sellin zu Taanach gefundene „Eäucheraltar" von Gressmann (Bilder S. 93) als ein bloss mythisch verzierter Ofen erklärt wird. Ein Niedergang von der durch Mose gewordenen religiösen Erkenntnis prägt sich vor allem im B i l d e r d i e n s t aus, d. h. in der Verehrung des übersinnlichen Gottes, Jahveh, unter der Gestalt einer Kreatur, besonders des Stiers1), wogegen schon Mose zu kämpfen hatte (Exod. 32) 2 ). In Kanaan finden wir beim Volke Israel den Bilderdienst bald wieder in der Richterzeit, zwar nicht sicher bei Gideon (Rieht. 8, 27)®), aber jedenfalls zu Dan (Rieht. 17 f.), wo freilich über die Gestalt des Gottesbildes nichts verlautet. Dagegen ist bekannt, dass Jerobeam I solche Stierbilder zu Dan und Bethel errichtete und damit diese Stätten zu Mittelpunkten des 1) Im A. T. ist dafür durchgängig der Ausdruck Egel, Kalb gebraucht. Es kann aber kaum einem Zweifel unterliegen, dass Stierbilder gemeint sind (vgl. Psalm 106, 20), welche um der Verjüngung des Massstabs willen von den Verehrern des geistigen Gottes spottweise „Kälber" genannt werden mochten. 2) Den Nachweis dafür, dass die mosaische Offenbarung den Bilderdienst prinzipiell ausschloss, siehe bei Ed. K ö n i g , Hauptprobleme und vgl. dazu James R o b e r t s o n Alte Rai. Tsr.» S. 160 ff. Beide Schriften haben überhaupt die moderne Vorstellung, als ob die Selbstentwicklung der kanaanitischen Naturreligion zum Jahvismus wissenschaftlich nachfewiesen wäre, gut widerlegt. Siehe auch die Literatur zur speziellen rage bei K ö n i g S. 1 ff. 3) Bestritten wird dies von K ö n i g a. a. 0. S, 62, K ö h l e r , Lehrb. d. bibl. Gesch. ATs II, 89. Vgl. auch O e t t l i im Kurzgef. Kommentar z. d. St.
Besondere Religion Israels und seine Beeinflussung durch die Völker. 289 israelitischen Kultus machte. Streitig ist, ob die Stiergestalt dieser Idole auf ägyptischen Einfluss zurückzuführen oder von den Kanaanitern abzuleiten oder angestammte althebräische Gottesdarstellung gewesen sei. Gegen die letztgenannte, von manchen Neuern 1 ) vertretene Anschauung spricht,? dass in der patriarchalischen Zeit bei Israel keine Spur davon zu finden ist. Auch wird nirgends das goldene Kalb als eine Entlehnung aus Kanaan bezeichnet. Gegen die erste (durch Ezech. 20, 7 f.; 23, 3. 8 nahe-, gelegte) Ansicht lässt sich nicht mehr einwenden, dass man in Ägypten nur lebendige Tiere, nicht plastische, zu verehren pflegte; dagegen ist richtig, dass dem hebräischen Sprachgebrauch die Verwendung von Stierhörnern u. dgl. zum Ausdruck der Kraft sehr vertraut war. Die Vorstellung der Gottheit in dieser Gestalt wird altsemitisch, • die plastische Stilisierung ägyptisch gewesen sein *). Die palästinischen Ausgrabungen beweisen starken Einfluss Ägyptens auf die religiöse Bildnerei in Kanaan. Sicher ist, dass mit dem erhabenen, geistig-ethischen Gott vom Sinai, den Mose verkfindete, eine solche nur die physische Macht und Zeugungskraft ausdrückende Abbildung im Widerspruch stand, weshalb von den erleuchteten Vertretern der mosaischen Religion dieselbe nirgends anerkannt wurde, während sie der sinnlichen Neigung des Volkes stets willkommen war. Direkt bekämpft wurde dieser Kultus yon den Propheten Arnos und noch mehr Hosea, welche darin eine unverantwortliche Verschuldung, weil einen Abfall vom Bunde mit Jahveh unter Mose finden. Aber auch wo kein eigentliches Bild auf der Opferhöhe stand, waren die Altäre mit Mazeben, Steinsäulen und Äscheren 3 ), den Sinnbildern der vorisraelitischen Gottheiten, des männlichen und des weiblichen Naturgottes, versehen. Die Sinnbilder des kanaanitischen Naturdienstes wurden also in den israelitischen Jahvehdienst aufgenommen und dieser so mit dem Baaldienst verschmolzen. Mit den Symbolen nahm man aber auch die sinnlichen Gewohnheiten dieses Kultus an, Üppigkeit aller Art, Unmässigkeft, Unzucht, zu Zeiten auch Menschenopfer, wie die Rügen derselben Propheten beweisen. Um so leichter konnte der Versuch gemacht werden, an Stelle Jahvehs geradezu den p h ö n i z i s c h e n Hauptgott oder B a a l zu setzen, was Isebel, die Gattin Ahabs, eine tyrische Prinzessin, Tochter des Königs und vormaligen Astartepriesters Ethbaal, zielbewusst ins Werk setzte 4 ), deren Unterfangen jedoch an dem Widerstand des grossen Propheten Elia scheiterte. Der religiöse Synkretismus und die Huldigungen an auswärtige Gott1) Vgl. z. B. Dillmann zu Exod. 32, 4, zur Frage überhaupt B a u d i s s i n PRE8 9, 704 ff. 2) Als ägyptisches Kultusbild vgl. z. B. die von Naville gefundene Kuh als Bild der Hathor, G r e s s m a n n ATB II, 63. 3) S. oben S. 252. 268 f. 262. 4) Vgl. A r3c h i n a r d , Israel et ses Voisins S. 51 ff. — v. Orelli, Art. Elia in PRE . Orelli, Rellgionsgeseblcbte. 19
Israel und die Semiten.
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heiten hörten aber damit nicht auf. Ahabs Sohn Ahasja wandte sich in seinem körperlichen Leiden an den Gott zu Ekron, BaalZebub') am Auskunft. Ans Arnos 5, 26 geht hervor, dass man unter der nachfolgenden Dynastie Jehus in Israel planetarische Gottheiten der Assyrer verehrte. In unmittelbarer Form lag übrigens die Versuchung zum Gestirndienst den Semiten seit der nomadischen Zeit nahe*) und es fanden daher sowohl Sonnen- als Mondund Sterndienst immer wieder leicht Eingang. Im Beiche Juda war es namentlich König Ahas 3 ), der teils aus Kleinglauben, teils aus Wohlgefallen an den heidnischen Kulten solche einführte. Der Chronist (2 Chr. 2 8 , 2 2 f.) berichtet, er habe, als er von den Syrern geschlagen worden, deren Götter verehrt in der Hoffnung, dass sie ihm dadurch günstiger würden. Vielleicht ist damit der Sonnenkultus gemeint, für welchen er nach 2 Kön. 23, 11 f. heilige Bosse und Wagen hielt, die ohne Zweifel bei Prozessionen figurierten4). Auch die Opferung seines Sohnes an den Sonnen-Feuer-Gott (2 Kön. 16, 3 ; 2 Chr. 28, 3) kann damit in Zusammenhang stehen. Doch hatte er dafür ein näheres Vorbild an der altkanaanitischen, u. a. bei den Ammonitern und Moabitern herrschend gebliebenen Unsitte. Den Tempel Jahvehs auf Zion behandelte Ahas mit pietätloser Willkür, wie der 2 Kön. 16, 10 ff. erzählte Zug beweist; er liess nach dem Muster eines Altars, den er zu Damask gesehen hatte, einen neuen Hauptaltar vor dem Tempel errichten, indem er den alten bei Seite schob. Da jener Aufenthalt in Damask eine Huldigung vor Tiglatpilesar (III) zum Zweck hatte, so ist auffällig, dass der König sich den Kultus des damals eben besiegten Damask zum Vorbild genommen haben soll. Manche meinen daher, es sei der tragbare (vielleicht dreieckige) assyrische Altar gewesen, den jener Herrscher mit sich führte. Allein der Wortlaut Vs. 10 scheint zu verlangen, dass jener Altar ständig zu Damask war; es dürfte daher mehr nur ästhetisches Wohlgefallen gewesen sein, was den König zur Nachahmung desselben trieb. Jedenfalls aber haschte er in seiner religiösen Haltlosigkeit nach möglichst vielen und sinnlichen Kultusformen und schreckte dabei vor den schlimmsten Greueln des Heidentums nicht zurück. Während er zuletzt das innere Heiligtam Jahvehs auf Zion rücksichtslos zuschloss (2 Chron. 28, 2 4 ; vgl. 2 9 , 3 . 7 ) , begünstigte er an allen Ecken der Stadt polytheistischen Bilderdienst und sanktionierte, wie schon bemerkt, durch sein eigenes Beispiel die Kinderopfer, welche fortan im Hinnomtale am Fuss der Hauptstadt dargebracht wurden. Welcher Gottheit, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Das Volk dachte an Baal-Moloch, scheint aber auch Jahveh mit diesem verschmolzen zu haben 5 ). Seit seiner Unter1) 2) 8) 4) 5)
S. oben S. 253. — 2 Kön. 1, 2 ff. Vgl. Hiob 31, 26 f.; Deut. 4,19; 17, 3. Vgl. Köhler, Gesch. II, 2, 228«. A r c b i n a r d a. a. O. 218ff. VgL auch die Sonnenuhr des Ahas Jes. 38, 8; 2 Kön. 20,11. Jerem. 7,31 } Ezecb. 20,26. Arders K ö h l e r , -Gesch. II, 2, 146.
Besondere Religion Israels und seine Beeinflussung durch die Völker. 291
werfung anter Assar wird der König namentlich auch assyrischen ^Kultus der Planeten-Gottheiten auf dem Dache seines Söllers (2 Kön. 23, 12) gepflogen haben. Zwar folgte unter Ahas' Sohn, H i s k i a , eine Art Reformation, worin die Idole (darunter auch ein Schlangenbild, NöchuStän, welchem geräuchert wurde in Erinnerung an Num. 21, 9) vernichtet, der Tempel gereinigt, die übrigen Kultusstätten entweiht wurden. Allein schon dessen Sohn und Nachfolger M a n a s s e leistete während seiner langen Regierung dem Heidentum, das im Verborgenen fortgelebt hatte, allen erdenklichen Vorschub, so dass die dem Götzenwesen geweihten Altäre wieder aufgerichtet und selbst im Tempelgebäude auf Zion aufgestellt wurden 1 ). Gehörte dies zum alten Heidentum des Landes, so wurden auch auswärtige Gottheiten wieder aufgenommen, natürlich vor allem assyrisch-babylonische. Auch die Kinderopfer im Hinnomtal bluteten aufs neue und wurden vom Feuer des Baal-Moloch verschlungen. Auch hierbei ist assyrischer Einfluss nicht ausgeschlossen2). Jedenfalls rührt von diesem die Verehrung des „ganzen Himmelsheeres" 3 ), wobei namentlich -an die Schicksalssterne wird zu denken sein4), während beim eigentlichen Sonnendienst syrischer Ursprung (s. oben) wahrscheinlicher ist. Die treuen Propheten, welche gegen solche Greuel ihre Stimme erhoben, starben den Zeugentod 5 ). Es versteht sich, dass auch jetzt mit dem Kultus der Naturgötter sinnliche Fleischeslust wie Grausamkeit ihren Einzug hielten, sowie das mannigfaltige Zauberwesen und anderer Aberglaube. Die Sinnlichkeit und Ungebnndenheit solchen Gottesdienstes, welche dem fleischlichen Sinn des Volkes mehr zusagten als der nüchterne, strenge Jahvehdienst, erkl&ren den Reiz, den er ausübte, und sein immer erneutes Eindringen auch in Zeiten, wo geistesmächtige Propheten Jahvelis dawider Zeugnis ablegten. Dazu kamen in der Regel auch politische Gesichtspunkte, welche die Regenten zur Buhlerei" mit den fremden Göttern, eigentlich aber mit den mächtigen Regenten, die unter ihnen standen, antrieben. Noch einmal, und gründlicher als irgend einer seiner Vorgänger hat der fromme König J o s i a mit der heidnischen und halbheidnischen Religionsübung aufgeräumt und namentlich auch die zweideutigen Opferhöhen abgetan, um allen Gottesdienst in 1) 2 Kön. 21,7; 23,6; 2 Chron. 33,7. Dieses „Bild der Aschera"= Astarte ist zu unterscheiden von den „Äscheren", d. h. symbolischen Pfählen geworfen. 1) Sure 81, 20 ff.; 53,5 ff. 2) Sure 86,4; 82,10 3) Sure 53.26 f.
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Der Islam.
Eine geringere Art von Geistern sind die D s c h i n n , offenbar eine Erbschaft aus dem arabische^ Heidentum. Diese Dämchen sind teils gut, teils böse, wie die Menschen und gläubig oder ungläubig wie diese. Sie hausen auf der Erde und im Zwischenraum zwischen Himniel und Erde. Sie klettern wohl auch am Himmelsgewölbe hinauf, um etwas von dem zu erlauschen, was in der himmlischen Ratsversammlung, welche Gott mit den Engeln abhält, gesprochen wird. Das verraten sie dann den Zauberern und Wahrsagern, welche daher bisweilen etwas richtig voraussagen. Wenn aber ein Engel diese am Himmel emporkletternden Genien bemerkt, schleudert er einen Feuerball nach ihnen — das sind die Sternschnuppen ! Da Gott der allmächtige Schöpfer, Erhalter und Regent der Welt ist, der alles regelt und bestimmt, das Gute und das Böse nach seinem Ratschluss geschehen lässt, so bleibt für den menschlichen Willen nichts übrig, als sich blindlings dem göttlichen Willen zu ergeben. Diese völlige E r g e b u n g an Gott heisst eigentlich I s l a m . Auch zu Glauben und Unglauben, Seligkeit undVerdammnis ist man durch Gottes absolutes Dekret p r ä d e s t i n i e r t 1 ) . Die Resignation des Muslim, der bei aller Widerwärtigkeit des Lebens spricht: Allah kerim ! (Gott ist gross) hat etwas Imponierendes und verleiht ihm die Kraft, die grössten Entbehrungen und Leiden geduldig zu ertragen. Allein es ist mehr eine sklavische, fatalistische Unterwerfung unter eine unbegriffene und unbegreifliche Macht als ein wirklich sittliches Verhalten zu Gott. Die erste und oberste Pflicht des Muslim ist zu g l a u b e n , was Gott geoffenbart hat. Aber auch dieser Glaube ist mehr eine äusserliche Unterwerfung unter das vorgeschriebene Dogma als eine gottvertrauende Gesinnung, welche auf einem ethischen Wecliselverhältnis zwischen Gott und Menschen ruhte. Dass dem so ist, zeigen die sehr äusserlichen Lock- und Schreckmittel, welche der Prophet in der Übung hatte zur Gewinnung der Ungläubigen für den wahren Glauben anzuwenden. Es handelt sich dabei einfach darum, die Grundsätze des Islam nachzusprechen. Wenn auch Muhammed gelegentlich zwischen dem auf innerer Überzeugung ruhenden Glauben (imän) und dem äusseren Bekennen (isläm) unterschieden hat 2 ), so richtet sich das menschliche wie das göttliche Urteil doch im allgemeinen nach dem letztern. Es versteht sich übrigens, dass auch der Glaube des Menschen von Gott gewirkt ist; er wird sich aber notwendig äussern im Bekenntnis und in der Beobachtung der fünf Hauptgebote (Waschung, Gebet zur rechten Zeit, Almosen, Fasten, Pilgerfahrt). Durch Vernachlässigung dieser guten Werke nimmt der Glaube nach Muhammeds Lehre ab. Dagegen gibt es eine theologische Richtung, e l M u r d s c h i a 3 ) , 1) Sure 3, 189. 2) Sure 49.14. Vgl. auch D o z y , Hist. de l'Islam. p. 182f. 3) Der Name bedeutet eigentl. „die Aufschiebenden", d. h. die,
Die Glaubenslehre des Islam.
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welche lehrt, der Glaube sei ein unveräusserliches Gut, das von Gott nach freier Wahl gegeben werde und den glücklichen Inhabern die Freuden des Paradieses sichere; es bedürfe dafür keineswegs der guten Werke. Muhammed war ein zu praktischer Volksfüürer, um die Theorie so weit zu treiben; er sieht doch die Menschen als zurechnungsfähig an und spricht etwa von der Billigkeit Gottes, der keinem mehr zumute als er leisten könne 1 ). Gott ist durchaus gerecht in seiner Vergeltung von Gutem und Bösem. Allein die bei Muhammed charakteristische, überaus starke Betonung der souveränen Willkür Gottes mit rücksichtsloser Verdammung aller noch so Gerechten, welche nicht Muslims geworden waren oder hatten werden können, führte leicht zu jener deterministischen Auffassung, welche zwar in der rechtgläubigen Theorie stets bekämpft wurde, aber die Muslims aller Länder stark beherrscht. Zur Entschuldigung seiner Versäumnisse und sittlichen Fehler beruft sich der Muhammedaner häufig auf Allah, der ihn sound nicht anders habe handeln lassen. Und die Ansicht, der einmal Erwählte brauche sich nicht mehr anzustrengen, dem zur Verdammnis Bestimmten helfe der beste Wandel nichts, hat, mit Döllinger zu reden, wie ein moralisches Opium auf die Bekenner des Islam gewirkt. Eine hervorragende Stelle in Muhammeds Predigt nimmt, wie wir sahen, von Anfang an die Ankündigung des j ü n g s t e n G e r i c h t e s ein, wo die öndgiltige Vergeltung des Guten und Bösen stattfindet. Diese oft neben die der Einheit Gottes gestellte Lehre vom Gerichtstag wird im Koran wie jene als unterscheidendes Merkmal der reineren Religionen der Juden, Christen und Sabier angesehen, was darauf hinweist, woher diese Lehre stammt, die nicht altarabischen Ursprungs ist. Sie wird fast in allen Suren des Korans wiederholt 8 ). Immer aufs neue predigt Muhammed das höllische Feuer mit seinen Qualen, welches die erwartet, die ihn und seine Lehre verwerfen, ja anch alle aufgenommen hat, welche vor ihm im Heidentum gestorben sind. Umgekehrt werden den Gläubigen die Freuden des Paradieses, die sie geniessen werden, zumal wenn sie im Kampfe für den Islam gefallen, in den verlockendsten Farben ausgemalt als Genüsse des Fleisches, wie sie sich ein Morgenländer nur wünschen kann: Sie werden in Gewändern prangen; welche mit Gold, Silber und Edelsteinen geschmückt sind, lustwandeln in üppigen Gärten an sprudelnden Bächen, in welchen Milch, Honig und Wein fliesst (47, 16), sich lagern im Schatten herrlicher Bäume, deren köstliche Früchte sie geniessen (55, 45 ff.). Sie werden sich vermählen mit reizenden welche nicht die Übertreter der Gebote sittenstreng verurteilen, sondern das Gericht Gott anheimgeben. 1) Vgl. z. B. S. 4, 52; 23, 64; 45, 21. 2) Siehe beispielsweise Sure 50, 16 ff. 40 ff.; 52, 13 ff.; 23, 102 ff.; 25, 12 ff.; 44, 9 ff.; 54, 46 ff.; 74, 41 ff.; 75, 1 ff. usw.
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Der Islam.
Jungfrauen, Huri genannt nach ihren grossen Augen 1 ), und von ihren holden Knaben umgeben sein (52, 17 ff.). Kurz, es erwartet die glaubenstreuen Muslims eine unendliche Fülle desjenigen Genusses, den sie auf Erden am meisten schätzten. Von einer geistigen Seligkeit ist nirgends die Bede, daher auch die Verheissungen nicht spiritualisiert werden können, was auch dem Geschmack der Sieger von Bedr und Kadesia wenig entsprochen hätte. Das Weltgericht, welches über den endgiltigen Zustand der Seelen entscheidet, wird eingeleitet durch die Auferstehung der Leiber, diese selbst durch einen Posaunenstoss des Engels Asrafil, worauf alle auf Erden Lebenden sterben. Auf den zweiten Posaunen^ stoss stehen die Toten auf. Eine Brücke, dünner als ein Faden und schärfer als die Schneide des Schwerts, führt über den Abgrund der Hölle zum Paradies. Die Menschen müssen darüber schreiten, wobei die Frommen von ihren Schutzengeln gehalten werden, während die Gottlosen hinünterfallen. Man dachte sich später diese Szene in jenem Tal (Josaphat) bei Jerusalem, wo die Juden das Endgericht erwarten. Der Faden ist dann über die Kidronschlucht gespannt, während Muhammed auf einer aus der Harammauer vorstehenden Säule seinen Standort haben soll. Nach einer andern bildlichen, aber gleichfalls eigentlich gemeinten Vorstellung wird der Spruch gefällt nach den Büchern jener Engel, die den Menschen durchs Leben geleitet haben. Muhammed selbst betont, dass keine Fürsprache, selbst nicht die Gabriels, an jenem Tage etwas ausrichte. Spätere legen ihm selbst das Hecht der Interzession bei. Auch die Engel, die Dschinn und sogar die Tiere werden an jenem Tage ihr Urteil empfangen. Die frommen Menschen werden dann von ihren Engeln itis Paradies eingeführt, die bösen sofort nach der Hölle gebracht, wo peinigende Geister sie in Empfang nehmen. Doch beginnen diese Seligkeit und Verdammnis nicht «rst dann. Muhammed schaut gleich nach der Schlacht die Gefallenen schon im Paradies, und sagi von den Ungläubigen, sie befinden sich im höllischen Feuer. Auch kennen die Spätem ein Seelengericht schon gleich nach dem Tode des Menschen. Man findet auf den Gräbern, stets zwei Steine, auf welchen die beiden Engel (naklp und munkar) sich setzen sollen, die den Toten in der -Nacht nach der Bestattung auf seinen Glauben zü prüfen haben. Damit er ja nicht vergesse, was er auf ihre Fragen zu antworten hat, wird .ihm beim Begräbnis noch unzählige Male das Credo vorgesungen: Es ist kein Gott auser Allah, Muhammed ist der Prophet Allahs! Nach Ghazäli werden von jenen examinierenden Engeln vier Fragen gestellt: „Welches ist dein Herr? Welches deine Religion? Welches dein Prophet? Welches deine Kibla? Besteht er dieses Examen nicht, 1) Es ist nicht richtig, dass die gläubigen Frauen nicht ins Paradies gelangen sollen, was vielmehr Syre 43, 70 bestimmt verheissen ist; doch wird der Selige nicht bloss auf sie angewiesen sein.
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60 wird der Tote von jenen beiden mit eisernen Barren auf Gesiebt und Kücken geschlagen. Die Gelehrten wissen über den Aufenthalt der Seelen von da an bis zum "Weltgericht allerlei zu sagen: Nur die Propheten sollen gleich ins Paradies eingehen, die Seelen der Märtyrer nehmen ihren Aufenthalt in den Kröpfen grüner Vögel, welche die Frucht und das Wasser des Paradieses gemessen, andere abgeschiedene Seelen sollen in der Tiefe des Brunnens Zemzem verweilen, noch andere im untersten Himmel mit Adam usw. 1 ). Die Seelen der Bösen sind im Kerker eingeschlossen, wo sie Pein erdulden. Es mangelt diesen Vorstellungen systematische Einheit. Die späteren Theologen haben eine solche hergestellt, so z. B. Ghaz^lî*), der in einer farbenreichen Bilderreihe die Vorgänge des jüngsten Gerichtes vorführt. Mit Recht hebt Gautier hervor, dass dieser Gegenstand innerhalb der starren orthodoxen Glaubenslehre fast der einzige war, der sich durch die Phantasie entwiekeln liess und deshalb mit besonderer Vorliebe behandelt wurde. Verglichen mit dem Koran zeigt Ghazâlî's Darstellung nicht nur einheitliche Systematisierung, sondern auch eine ethische Vertiefung, obwohl von oberflächlicher Auffassung des göttlichen Walten6 noch genug übrig bleibt. Während Ghazâlî darauf verzichtet die Paradiesesfreuden und Höllenqualen näher zu schildern, verweilt er um so langer bei dem Gericht und lässt hier einen sittlich viel strengern Massstab zur Geltung kommen, als man ihn bei Muhammed und seinem Anhang gewohnt ist. Charakteristisch ist die sklavische Furcht, in welcher doch auch nach ihm die Frömmsten vor Gott zittern, die Engel nicht ausgenommen, welche ebenfalls beim ersten Posaunenstoss sterben müssen. Wie nach der Auferstehung der Gerichtsspruch verzieht und die Menschen es fast nicht mehr aushalten, wagen es, eingedenk ihrer Sünden und Schwächen weder Adam noch Noah, noch Abraham, noch Mose, noch Jesus (letzterer, weil er samt seiner Mutter vergottet worden), Gott um Beschleunigung anzugehen. Nur Muhammed, das Siegel der Propheten, tut es ohne Scheu und mit Erfolg 3 ). Bezeichnend ist auch wie in dieser Darstellung Jesus nur als einer unter andern Propheten ine Paradies einzieht. Wie nämlich Scho'aib (Jethro) an der Spitze der frommen Blinden mit weisser Fahne in der Hand, Joseph als Führer der Keuschen mit roter Fahne, Aaron als der Führer derer, die sich in Gott lieben, mit gelber Fahne; Johannes der Täufer, eine gelbe Fahne in der Hand, mit der Schar der Märtyrer usw., 1) Siehe Ghazâlî, Perle précieuse ed. Gautier p. 32 ss. — Mühleisen-Arnold S. 80. 2) Siehe über ihn unten S. 406. Er hat die Eschatologie in seinem Hauptwerk „Belebung der Wissenschaften" und dann in einer Monographie „die kostbare Perle" behandelt, herausgegeben arabisch und französisch von Lucien G a u t i e r , Genf 1878. Vgl. aueh die moderne muhammedanische Schrift „über die Zustände der Auferstehung", welche Dr. M. Wolff, Leipzig 1872, herausgegeben hat. 3) Ghazâlî, Perle ed. Gautier p. 59 ss. O r e l l i , Rellgionsgeaehicbte
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so hält Jesus ebenfalls mit gelber Fahne seinen Einzug an der Spitze der frommen Armen, worauf Salomo mit bunter Fahne die frommen Reichen hineinführt 1 ). Es erhellt aus dem Angegebenen, wie viel wesentliches ttnd untergeordnetes Muhammed und die ihm folgenden Religionslehrer aus dem Judentum und Christentum geschöpft haben. Damit ist nicht gesagt, dass er alles, was aus diesen Quellen stammt, direkt von Juden oder Christen gehört hatte; war doch die arabische Ideenwelt von manchen dieser Vorstellungen bereits durchdrungen. Er selber war, wie schob bemerkt, sich anfänglich der wesentlichen Einheit seiner Religion mit Judentum und Christentum bewusst. Er findet ihren gemeinsamen Ursprung in der „Religion Abrahams". A b r a h a m (Ibrahim), häufig El Chalil genannt: der Freund, nämlieh Gottes (vgl. Jakobusbrief 2, 23), ist der Lieblingsprophet des Islam. Er hat seinem eigenen götzendienerischen Vater und dem Tyrannen Nimrod gegenüber die reine Gotteslehre verkündigt. Die Art, wie er zu dieser Erkenntnis kam, wird folgendermassen geschildert Sure 6, 75 ff.: „Also zeigten, wir dem Abraham die Herrschaft über Himmel und Erde, damit er zu deit Befestigten gehöre: Als die Nacht ihn uberschattete, sah er einen Stern; da sprach er: dies ist mein Herr! Als er aber unterging, sprach er: nicht liebe ich die untergehenden. Und als er den Mond aufgehen sah, sprach er: Fürwahr, wenn mein Herr mich nicht leitete, da würde ich gewlsslich angehören dem Volke der Irrenden! Und als er die Sonne aufgehen sah, sprach er: dies ist mein Herr; dieser ist der grösste. Als sie aber untergegangen, sprach er: 0 mein Volk, siehe ich bin rein von dem, was ihr (Gotte) zugesellt; siehe ich wende mein Antlitz dem zu, der Himmel und Erde geschaffen, als Hanife und gehöre Dicht zu denen, die (Ihm) Genossen beigesellen."
In Anlehnung an die jüdische Haggada wird auch von Muhammed erzählt, Abraham sei wegen Zertrümmerung der Götzen von Nimrod in einen Feuerofen geworfen worden, aber darin unversehrt geblieben. Dass er mit seinem Sohn Ismael die Ka'ba erbaut hat, wurde schon berichtet. Auch die andern alttestamentlichen Frommen von Adam, Idris ( = Henoch), Noah an werden häufig als treue Bekenner der reinen Lehre genannt; von Salomo werden jüdische Legenden über seinen Verkehr mit den Dschinn usw. erzählt. Aber auch Alexander d. Gr. erscheint als muhammedanischer Glaubensheld. Besonders gefeiert ist Chidr, angeblich Verwandter und Vezier Alexanders. Chidr wird mit dem hl. Georg verschmolzen und mit dem Propheten Elias kombiniert, aber von diesem unterschieden 2 ). Das Bild J e s u 8 ) zeigt sich von den apokryphischen Quellen, Kindheitsevangelien u. a. beeinflusst und auch sonst höchst unge1) Ebenda p. 86 ss. 2) G o l d z i h e r EHR 2, 324. 3) Er heisst im Koran I s a , was aber arab. = Esau. Dies deutet auf jüdische, dem Christentum feindliche Quelle, aus der man zuerst von ihm Kunde erhielt.
Der Kultus unter Muhammed.
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nügend. Von der Jungfrau geboren, ist Jesus 1 ) von Kindheit an wundertätiger Prophet, der das Gesetz Moses bestätigte, soweit es nicht durch das von ihm neu gebrachte Evangelium aufgehoben wurde. Sure 3, 30ff. und 66, 12 ist seine Mutter Marjam (Maria) als die Tochter Amr&ns (oder 'Imrans) bezeichnet und 19, 29 heisst sie Schwester Aarons. Aus beidem zusammengenommen folgt, dass Muhammed sie mit der im Arabischen gleichnamigen Schwester Moses verwechselt hat, was auf die Unklarheit seiner Vorstellungen von der biblischen Geschichte ein grelles Licht wirft 2 ). Auf doketischen Einfluss weist die Annahme, Jesus sei nicht gekreuzigt worden, sondern ein Doppelgänger von ihm 3 ). Doch glauben die Muhammedaner auf Grund von 3, 48, Gott habe Jesum auf einige Stünden sterben lassen, ehe er ihn in den Himmel aufnahm. Die christliche Versöhnungslehre hat Muhammed nicht angenommen, j a schwerlich genannt; sonst wäre Jesus aus der Reihe der blossen Propheten zu sehr herausgetreten und Muhammeds eigene Prophetenrolle dadurch beeinträchtigt worden. Seine Person soll in den heil. Büchern der Juden und Christen vorausgesagt sein, doch hätten diese die betreffenden Stellen meist unterdrückt. Er dachte wohl u. a. an die Verheissüng des Parakleten (Joh. 14, 16)', welche auch christliche Irrlehrer zu ihrer Legitimation missbraucht haben 4 ). Muhammed erklärt sich für den letzten und grössten Propheten; aber seiner gesetzlichen Auffassung der ganzen Religion entspricht es, dass auch er lediglich die Mission hat, den vergessenen rechten Weg zu zeigen. Diese Mission hat er nach seiner anfänglichen Auffassung die Araber ebenso zu lehren wie Moses und Jesus die J u d e n ; später aber dehnte er, da ihm die Abirrung dieser und der Christen von der wahren Lehre zum Bewusstsein gekommen, diese seine Mission auf alle Völker aus nnd verlangte von allen Anerkennung und Gehorsam. Zu dieser seiner Religionslehre gehört die Einhaltung gewisser k u l t i s c h e r V o r s c h r i f t e n . F ü n f G e b o t e sind die Pfeiler seiner Religion: Waschungen, Gebete, Almosen, Fasten, Wallfahrt. Die Reinigung durch W a s c h u n g e n ist als Vorbereitung zum Gebet („Schlüssel des Gebets") regelmässig vor demselben zu vollziehen. Dabei sind jedesmal Gesicht, Hände und Füsse zu waschen; doch können sie in Ermangelung von Wasser auch mit Sand ab-
1) Vgl. oben S. 378 f. Sure 3,52 steht die Erschaffung Jesu derjenigen Adams parallel. 2) Die Versuche, diese Verwechslung zu bestreiten, befriedigen nicht. 3) Sure 4,156. Siehe die Meinungen der Gelehrten bei MüKIe i s e n - A r n o l d S. 116. 4) Sure 61,6: „Jesus, der Sohn der Marjam, sprach: 0 Kinder Israel, siehe ich bin der Gesandte Gottes an euch, der bestätigen sollte, was von Thora vor mir gewesen ist, lind verkündigen einen Gesandten, der nach mir kommen wird, dessen Name Achmed." An welches Bibelwort diese Behauptung anknüpfe, ist ganz unsicher. Siehe N ö l d e k e , Gesch. des Q.2 I, S. 9 f.
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Der Iaiftm.
gerieben werden. Am ganzen Leibe ist die Waschung in Fällen besonderer Verunreinigung vorzunehmen 1 ). Das G e b e t ist fünfmal des Tages zu bestimmten Stunden 3 ) abzuhalten, welche vom Mueädin vom Minaret herab ausgerufen werden, indem er mit kantillierender Stimme gewisse Lobpreisungen und Mahnungen rezitiert. Dieser Ausrufer vertritt also die Stelle der israelitischen Posaunen oder der christlichen Glocken oder auch der Hammerschläge, wie sie in morgenländischen Kirchen üblich waren. Der erste Mueddin war der getreue Biläl. Diese geniale Einrichtung Muhammeds bewährt sich bis heute. Sie ist für die ganze Stadt eine tägliche, besonders in stiller Nacht wirksame Erinnerung an die Herrschaft des Islam. Beim Beten hat man das Angesicht nach Mekka zu richten, welche Richtung (kibla) in jeder Moschee durch eine Nische angegeben wird. Man betet auf einem Teppich oder einer Matte, die nicht mit Schuhen oder Sandalen zu betreten sind. Als Inhalt der Gebete sind bestimmte Koransprüche und sonstige liturgische Stücke vorgeschrieben, ebenso gewisse ausdrucksvolle und nicht unwürdige Geberden, wie die Prostration (mit dem Angesicht zur Erde), das Halten der Finger an die Ohrläppchen (Zeichen des Aufmerkens auf Gottes Stimme), die Neigung des Kopfes nach rechts und links (um die seitwärts stehenden Schutzengel zu begrüssen) u. a. m. s ) Die Äusserlichkeit und Unfreiheit des Gebetsverkehrs mit Gott tritt uns allerdings nicht erst in der Praxis des Islam entgegen, wo die gesamte Frömmigkeitsübung als opus operatum abgewickelt wird, sondern schon im Koran vermisst man jenen herzlichen Gebetsumgang des Menschen mit Gott, an Welchen man von der Bibel her gewöhnt ist. Persönliche Bitten dürfen n u r wenige in die Gebete eingeschaltet werden. Das häufigste Gebet ist die erste Sure des Korans, welche lautet: „Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmers. Preis sei Gott, dem Herrn der Weltgeschöpfe, dem Barmherzigen, dem Erbarmer, dem Gebieter des Gerichtstages] Dich verehren wir und dich rufen wir um Hilfe an. Führe uns auf dem geraden Pfade, dem Pfade derer, welchen du Huld erwiesen, auf denen kein Zorn liegt, und nicbt den der Irrenden." Die A l m o s e n (S. 9, 60) blieben nur zum Teil dem freiwilligen Ermessen überlassen; es wurde auch eine bestimmte Steuer an den Staatsschatz verlangt, der zu wohltätigen und religiösen Zwecken 1) Sure 5, 8. 9. 2) Die Gebetsstunden sind: 1. bald nach Sonnenuntergang (wo der neue Tag beginnt wie bei den Juden); 2. lVg Stunden nach Sonnenuntergang; 3. bei Tagesanbruch; 4. am Mittag; 5. 1/2 Stunde vor Sonnenuntergang. 1 Am F r e i t a g kommen noch besondere Akte in der Moschee hinzu, z. B . eine Predigt (chutba). Doch ist dieser ausgezeichnetste Wochentag kein allgemeiner Ruhetag. 3) Siehe die Abbildung der verschiedenen Gebetsstellungen bei E. W. L a n e , Manners and Customs of the modern Egyptians, 2 voll. Lond. 1871. Vol. I, p. 95.
Der Kultus noter Muhajnmed.
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dienen sollte. Aber auch persönliche Freigebigkeit ist eine Hauptpflicht des Muslim. Almosen sind ein Gott gegebenes Anleihen, das man in jener Welt verdoppelt und mit besonderer Belohnung wiederempfangt1). Doch wird gewarnt vor prahlerischem und mürrischem Almosengeben; besser als solche Gaben seien gütige Worte und Vergebung*). Selbstverständlich nimmt die Religion Muhammeds nicht bloss für die Armen, Witwen und, Waisen die 8penden ihrer Bekenner in Anspruch, sonders fordert auch ansehnliche Beisteuer zur Förderung des Islam, Vor allem zum heiligen Krieg gegen die Ungläubigen. Das Fasten hat Muhammed als „die Türe zur Religion" ebenfalls hoch gewertet und auf einen ganzen Monat, den Ramadhän in strengster Weise verordnet, so nämlich, däse während der Tageshelle über diese Zeit schlechterdings nichts genossen werden darf. Entschädigt man sich auch dafür von Sonnenuntergang biß Sonnenaufgang durch Essen und Trinken, so ist doch die lange Entbehrung jeglicher Erfrischung namentlioh, wenn der Ramadan in den Sommer fällt, äusserst peinlich. Gewisse Speisen sind den Muslims (wie den Juden) überhaupt verboten wie das Fleisch von Schweinen, Hunden, Katzen, nicht ordentlich geschlachteten Tieren. Ebenso hat der Prophet (vielleicht beim Zuge gegen Chaibar), den Gläubigen den Genuss des Weines*) wie das Maisir, ein Hazardepiel, streng untersagt, da beides dem Satan dieüe, um Streit und Vernachlässigung des Gebets zu bewirken. Auch die W a l l f a h r t e n nach Mekka (HadsCh und cUmra) rechnete Muhammed zu den unerlässlichen Pflichten der Gläubigen4). Auch dafür sind bestimmte Monate anberaumt und ein herkömmlicher Ritus vorgeschrieben. Wer am Hadsch nicht teilnehmen konnte, sollte die Wallfahrt nachholen und durch lOtägiges Fasten die Versäumnis sühnen. Am 10. bis 12. Tage deB Wallfahrtsmonats findet allenthalben im Gebiet des Islam feierliches Schlachten von Lämmern statt. Dies Fest heisst bei den Türken der „grosse Bairam", während man nach Schluss des Fastenmonata drei Tage lang den „kleinen Bairam" feiert. Die Zeremonien, welche der Prophet bei seiner letzten Wallfahrt in Mekka und Umgebung verrichtet hat, galten seitdem als-obligatorisch9); nach ihrer geistigen Bedeutung verstand man diese aus dem Heidentum stammenden. Gebräuche von Anfang an nicht mehr. Die Befolgung des Wallfahrtsgebots selbst stiess natürlich bei weiterer Ausdehnung des Islam auf unüberwindliche Hindernisse und musste eingeschränkt werden. Doch gilt immer noch, dass jeder gläubige Mann Wenigstens einmal die Ka'ba besucht haben sollte, und bis heute treffen dort 1) Sure 57, 10 ff.; 2, 255 u. sonst. 2) Sure 2, 266 f. 3) Sure 5, 92 f.; 2,216. 4) Sure 2, 192 ff.; 3, 90 ff. 5) Siehe die Beschreibung dieser Zeremonien Gesch. des Islam I, 201 f.
bei A. Müller,
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alljährlich angezählte Gläubige aas allen Gegenden, wo Muslims wohnen, zusammen, um die Riteil nach alter Weise zu vollziehen, besonders den heiligen Steiii zu küssen. Der Pilger darf sich Haare, Bart, Nägel nicht schneiden von dem Augenblick, wo er sich zur Pilgerfahrt rüstet, bis er zum Beschluss derselben in Mina angelangt ist, wo die Opfertiere (in den Tagen des Bairain) geschlachtet werden. Dann wird das Haupthaar abgeschnitten Die Zurückkehrenden werden in der Heimat ehrenvoll empfangen'. Später kam auch die Sitte auf, zu den Weli's, den Gräbern der Heiligen zu pilgern, was neuerdings sehr überhand genommen hat. ' Unter diesen fünf kanonischen Geboten erscheint die B e s c h n e i d u n g nicht, die überhaupt im Korah nirgends genannt ist. Doch hat der Islam sie aufgenommen, wie er sie iti Arabien vorfand, und als einen Ritus der Reinigung für notwendig erachtet. Sie wird im reifern Knabenalter zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr vollzogen und ist mit besondern Festlichkeiten verbunden. Was die Moral des Islam betrifft, so zeigt sie wie diese Religion selbst, einen Kompromiss zwischen biblischen Maximen und der Landessitte, ferner einen Mangel an ethischer Tiefe, welcher sie leicht äusserlich und oberflächlich macht. Es fehlt im Vergleich mit der biblischen Religion die tiefere Erkenntnis der .Sündhaftigkeit und Verderbnis der menschlichen Natur. Vorgeschrieben ist eine gewisse Werkgerechtigkeit, welche Gottes Wohlgefallen erwirbt, während die Leidenschaften nicht durch ein heiliges Gesetz, wie das mosaische, gebrochen werden, oder gar die alte Natur durch ein neues Wesen ersetzt wird wie im Christentum. Der Islam gründet sich durchaus auf den natürlichen Menschen mit seinen Tugenden und Fehlern. Die alten semitischen Tugenden wie Gastfreundschaft, Erharmen mit den Schutzlosen, Armen,Schuldnern u. s. f., werden neu gepriesen und strenger eingeschärft; die altarabische Tapferkeit und Kampflust erhält ein würdigeres Ziel in der Ausbreitung des Islam und einen höhern Preis in der Verheissung des Paradieses. An die Stelle der Stammesbrüderschaft ist die Glaubensbrüderschaft getreten, und man muss anerkennen, dass es dem Islam wie schon seinem Stifter gelungen ist, die zerrissenen und stets entzweiten arabischen Stämme zusammen zukitten, j a auch mit fremden Nationen durch eine gewisse Brüderschaft zu verbinden. Alle Muslims soll man nach Muhammeds Lehre a l s B r ü d e r l i e b e n . Weiter geht das Gebot der Nächstenliebe nicht. Es gibt zwar im Koran einige Stellen, wo man die „Brüder" auf alle Mitmenschen beziehen könnte. Allein in diesem Sinn hat weder Muhammed die Liebe verstanden, noch haben seine Anhänger sie so ausgeübt. Aufrichtigkeit und selbst Höflichkeit, Teilnahme an Begräbnissen und dgl. sind nur dem Muhammedaner gegenüber Pflicht. Den nationalen Stolz verwandelte. Muhammed in einen religiösen, der sich aufs schroffste gegen die verworfenen Heiden geltend machte. „Muhammed gab kein Gebot, welches zum Frieden und zur Achtung des Nächsten als Menschen aufforderte. J e weniger
Die Moral des Islam.
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er tat, um bei den Seinigen Duldung Andersdenkender zu wecken, mn so stärker entwickelte sich jener Glaubensstolz, und dieses Gefühl verlieh ihnen auch die Energie, die sie zu allen Eroberungen befähigte." (Krehl.) Grosse Unterwürfigkeit nach seiten des Himmels, welche mit dem Islam verbunden ist, darf man nicht mit wahrer Demut verwechseln. Es ist eine knechtisch Furcht vor dem übermächtigen, oft willkürlichen Gott. Ein allgemeines, tieferes Schuldgefühl fehlt. Es gilt nur, die Störungen, -welche durch absichtliche oder unabsichtliche Vergehen ethischer oder kultischer Art im Gottesverhältnis entstanden sind, durch Reue und Bussen zu beseitigen; dann tritt völlige Ruhe des Herzens und dauernde Freudigkeit schon hienieden ein. Der Islam ist seiner Natur nach i n t o l e r a n t . Die faktische T o l e r a n z der heutigen Muhamraedaner in zivilisierten Ländern geht mehr aus Staatsraison öder Indifferentismus hervor. Wo diese Religion sich ungehemmt in alter Wildheit entfalten kann, wie bei den Derwiscbschwärmen im Sudan, erzeugt sie blutdürstige Feindschaft gegen alle andern Religionen. Da gilt S. 47, 4: „Wenn ihr auf Ungläubige trefft, so schlagt ihnen die Köpfe ab, bis ihr eine grosse Niederlage unter ihnen angerichtet, und machet fest ibre Fesseln!" Unter diesen „Ungläubigen" sind nun freilich Christen und Juden nicht notwendig zu verstehen und auch nicht ursprünglich gemeint gewesen; doch werden diese schon im Koran S. 9,29 in gefährliche Verbindung mit den Ungläubigen gebracht, wobei geboten wird, sie wenigstens zu unterwerfen und Tribut zahlen zu lassen: „Kämpfet gegen die, welche nicht an Gott und den Gerichtstag glauben und nicht verbieten, was Gott und sein Gesandter verboten hat, und nicht die wahre Religion ausüben, nämlich die, welchen das Buch gebracht worden ist 1 ), bis sie von Hand Tribut bezahlen, indem sie geringe geworden sind." Hierauf folgt Polemik gegen Juden und Christen, welche offenbar als solche, die heilige Bücher haben, aber nicht die wahre Religion, unter obiges Urteil gestellt sind. Muhammed erlaubte in der Tat den Juden und Christen und den Anhängern des Parsismus in der Provinz Bahrain den Aufenthalt im Land und die Ausübung ihrer Religion gegen Entrichtung einer Kopfsteuer und Omar dehnte dies Verhalten sogar auf die berberische Bevölkerung in Nordafrika aus. So verfahr man auch in Ägypten den koptischen Christen und in Persien den Parsi gegenüber. Dass die meisten derselben den Ubertritt zum Islam vorzogen, war teils in der Haltlosigkeit ihres Glaubens, teils darin begründet, dass sie so ven jener Besteuerung frei werden und zugleich der von den Muhammedanern zur Schau getragenen Verachtung und allerlei Vexationen entgehen wollten. Allein auch jene Duldung war, wie schon zu Muhammeds Zeit, stets eine leicht widerrufliche Konzession, die der strengsten Un1) D. h. welche die Offenbarung schriftlich erhalten haben.
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duldsamkeit wich, sobald man kein Interesse mehr daran hatte, die Andersgläubigen auszunützen, und die Macht beuass, sie als unbequeme Nebenbuhler zu vernichten. Ein Krebsschaden im Leben der muslimischen Völker ist die niedrige Stellung, welche das W e i b bei ihnen einnimmt. Schon vor Muhammed herrschte bei den Arabern eine niedrige, sinnliche Auffassung der geschlechtlichen Verhältnisse, was auch in ihrer Literatur in abstossender Weise zu Tage tritt. Muhammed hat aber nicht nur nichts getan, um die niedrige Stellung des Weibes zu heben, sondern im Gegenteil dessen sklavische Abhängigkeit vom Eheberrn noch verschärft, es durch noch grössere Erleichterung der Ehescheidung noch schutzloser der Willkür des Mannes preisgegeben und durch seine eigene schrankenlose und schamlose Leidenschaft die Missstände der Polygamie sanktioniert. Dass er strenge Abschliessung und Verschleierung der Frauen anordnete, ist die Folge solcher sinnlicher und des Weibes nicht würdiger Auffassung der Ehe, und keineswegs bloss aus dem Zufall abzuleiten, dass Aischa ein Muschelhalsband verlor und infolge dessen ihre Tugend zweifelhaft wurde 1 ). Jedem Muhammedaner sind vier legitime Gattinnen und eine beliebige Zahl von leibeigenen Konkubinen erlaubt, wenn auch die meisten schon der Kosten wegensich mit einem einzigen Weibe begnügen müssen. Wie schon die Gattinnen des Propheten durch Eifersucht und Neid einander das Leben verbitterten und ihm manche schwere Stunde bereiteten, Bö ist es natürlich überall, auch da, wo die Nebenbuhlerinnen in gesonderten Wohnungen untergebracht sind. Aber auch das Verhältnis des Weibes zum Gatten ist nirgends ein würdiges, geistiges, sittliches. Die Frau bleibt ungebildet und ist von der höhern Geselligkeit ausgeschlossen. Es ist unschicklich, einen Muhammedaner nach seiner Frau zu fragen; so sehr gilt sie als ein geringeres Geschöpf, dessen man sich eigentlich zu schämen hat. Man sieht sie auch nicht gern in der Moschee; ihre religiösen Handlungen erscheinen überflüssig, wo nicht unwürdig. Die Männer allein haben Zutritt zu Gott. Ein lehrreiches Bild vom Familienleben im beutigen Mekka hat Dr. Snöuck Hurgronje 2 ) entworfen. Hier wissen allerdings die klugen Frauen sich eine relative Selbständigkeit ihrem Gatten gegenüber zu wahren und beuten diesen oft nur aus, um dann die Scheidung herbeizuführen. Eben deshalb ist aber eine andauernde Ehe eine Seltenheit; die ehelichen Verhältnisse wechseln unaufhörlich; ein lebenslängliches hat der Mann am ehesten mit der Sklavin. — Dass unter allen diesen Umständen das Familienleben im Islam nicht gedeihen kann, liegt auf der 1) So A. Müller, Gesch. des Isl. T, 134. Muhammed verordnete damals die Bestrafung der Verkl&ger voii verheirateten Frauen, wenn sie nicht vier Augenzeugen für ihre Anklage beibrächten. Aber keineswegs bloss die Schwierigkeit, vier Zeugein zu finden, macht den Muslim ao missti'auisch gegen seine Frauen! 2) Mekka II, 102 ff.
Gesamteindruck.
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Hand. Diese Missstände rächen sich auch physisch, indem die niuhammedanische Bevölkerung meist, wie in der Türkei, abnimmt.
Fassen wir den G e s a m t e i n d r u c k zusammen, den diese Religion auf uns mächt. So eng sich der I s l a m in manchen Stücken an das J u d e n t u m und das C h r i s t e n t u m angeschlossen hat, so ist doch die Kluft, die ihn von diesen beiden Religionen trennt, eine grössere, als die zwischen ihnen bestehende. Dies rührt daher, dass neben biblischen Entlehntingen das a r a b i s c h e H e i d e n t u m ein konstitutiver Faktor bei seiner Bildung gewesen ist. In theologischer Hinsicht ist er gewissermassen ein Rückfall vom biblischen Monotheismus in einen gewissen Naturalismus. Zwar mit der Einheit und Transzendenz Gottes macht er scheinbar mehr Ernst als das Christentum^ insonderheit das damalige orientalische. Allein des Menschen Verhältnis zu Gott ist dabei doch nicht ein wahrhaft geheiligtes, sondern ein fatalistisches und äusser lich-gesetzliches. Die Gottheit ist hier das heidnische Fatum in theomorphischer Vorstellung. Zwar fehlt es dieser Gottheit nicht an einem Sittengesetz, und insofern ijt sie über die blossen Naturgottheiten weit erhaben; aber ein sittlich freies Wechselverhältnis zwischen Gott und dem Einzelnen ist hier nicht möglich. Dieser hat sich einfach vor der unverstandenen Macht zu beugen, sein Bekenntnis zu sprechen und seine Riten zu vollziehen, um dafür reichen Lohnes gewiss zu sein. Dieser Lohn besteht in. Genüssen, welche nur eine Steigerung der diesseitigen fleischlichen Ergötzungen sind. Noch stärker zeigt sich der heidnische Einfluss in der Ethik. Die heidnische Polygamie steht schon an sich mit dem ethischen Monotheismus in einem innern Widerspruch. Die tiefe Stellung des Weibes ist eine Verkenirang der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, die Vernachlässigung und Hintansetzung des Weibes im religiösen Leben ein Symptom davon, wie wenig überhaupt die Persönlichkeit in dieser Religion zur Geltung kommt. Dagegen hat gerade dieser Kompromiss zwischen mächtigen geistigen Wahrheiten und irdisch-fleischlichem Sinn dem Islam seine Zähigkeit und grosse Expansivkraft verliehen. Er war und ist eine volkstümliche Religion, die zwar mit ihrem erhabenen Nimbus dem Menschen imponiert und ihn unter ein höheres Joch beugt, zugleich aber seinen Begierden, seinem Stolz, Ehrgeiz, Tatendrang, seiner Habsucht, und Fleischeslust entgegenkommt. Der Islam wurde daher wie wenig andere eine nationale und zugleich internationale Religion. Er begeistert und beherrscht die Masse leichter als das Christentum, das ungleich höhere und innerlichere Anforderungen an die Einzelnen und an die Gemeinde stellen muss, wenn es wenigstens nicht sich selber untreu werden will.
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5; Ausbreitung und Spaltungen im Islam1). Als Mnhammed nach kurzer Krankheit aus dem Leben schied, waren seine Anhänger auf dieses für den ganzen Fortbestand seiner Keligion kritische Ereignis nicht vorbereitet. Man hatte kaum ernstlich an dessen Möglichkeit gedacht. Omar wollte denn auch gar nicht glauben, dass der Prophet gestorben sei und versicherte dem Volk in der Moschee mit Ungestüm, er werde nach 40 Tagen aus seiner Ohnmacht zurückkehren. Allein Abu Bekr erinnerte an die Aussprüche (Sure 39, 31; 3, 138), in welchen Mohammed selber seinen Tod bestimmt vorausgesagt und die Seinigen für diesen Fall durch den Hinweis auf Gott, der nicht stirbt, beruhigt habe Muhammed war wirklich tot und hatte keine Anordnung über die Nachfolge in seinem Amte als geistiges und weltliches Oberhaupt der Gläubigen hinterlassen. Höchstens liess. sich darin ein Wink erkennen, dass er während seiner Krankheit Abu Bekr mit seiner Stellvertretung als Leiter des Gebets (Imäm) betraut hatte. Dieser älteste und treueste Freund, mit dem er einst sexbander aus Mekka geflohen war, hatte in der Tat einen besdndern Anspruch darauf, sein K a l i f e , d h. Nachfolger 2 ) zu werden. Doch war nicht einmal ganz sicher, ob Omar und gar Ali, der Adoptivsohn des Propheten, hinter ihm zurücktreten würden. Noch kritischer wurde jedoch die Sachlage dadurch, dass auf die erste Nachricht vom Ableben Muhammeds die Medinenser sich in einer Halle versammelten und den Augenblick benutzen wollten, um einem der Ihrigen die Führung zu sichern. Sa'd ibn Ubäda, der Scheich der mächtigen Chazradseh, war auf dem Punkt, ihre Huldigung zu empfangen, als Abu Bekr und Omar eintraten und der Versammlung vorstellten, nur ein Spross aus dem Stamm des Propheten fände bei den Arabern Gehorsam. Aach wiesen sie den Vorschlag einer Verteilung der Gewalt an einen Medinenser und einen Kuraischiten weit von sich. Die Besonnenheit Abu Bekrs, die suggestive Energie Omars, die Uneinigkeit der Medinenser, die sich schon wieder fühlbar machte, entschieden rür die alten Gefährten Muhammeds, unter welchen in 1) Vgl. bes. W e i l , Gesch. der Chalifen, Mannheim 1846—62, 5 Bde. — R. D o z y , s. oben S. 332. — A. Müller. Der Islam im Morgen- und Abendland, 2 Bde., Berl. 1885/87. - I. G o l d z i h e r , Islam s. oben S. 343. — William Muir, The Chaliphate, 3. Aufl. London 1891. — Uber die „Religionsparteien und Philosophenschulen" gibt esch-Schahrastäni (deutsch von Th. Haarbrücker, Halle 1850/51. 2 Bde.) einlässliche Auskunft 2) Dieser Titel lässt seinen Träger als Rechtsnachfolger Muhammeds erscheinen. Die Meinung ist aber dabei nicht, dass er jenem im Prophetenapit folge; vielmehr konnte er nur dann auf den Gehorsam der Gläubigen rechnen, wenn er mit dem Koran in Übereinstimmung blieb. Unter dieser Bedingung aber war seine Macht eine unbegrenzte, da sie sich auf das Geistliche und Weltliche erstreckte. Er war zugleich der oberste Imftm. Schon der Kalife Omar nahm auch den Titel: Emir ul mu'minina „Befehlshaber der Gläubigen* an.
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jener stürmischen Verhandlang der ehrwürdige A b u B e k r die Huldigung empfing. Er war in der Tat der richtige Mann, am das Ansehen des Propheten auf seine Nachfolger zu übertragen, da man ihm allgemein znträute, er werde ganz in den Bahnen des von Muhammed binterlassenen Gesetzes wandeln. Mit Klugheit und Milde verband er eine unerschütterliche Überzeugung von der Echtheit des Propheten und der Göttlichkeit seiner Lehre. Aber seine Festigkeit wurde gleich zu Anfang auf eine schwere Probe gestellt. Durch ganz Arabien war die Kunde von Muhammeds Tod zum Signal des Aufstandes für die freiheitsdurstigen Beduinen geworden, welche die kultischen Satzungen wie die Abgaben, welche der Islam ihnen auflegte, als ein äusserst lästiges Joch ¡empfanden. Die Lage war um so kritischer, als die besten Streitkräfte unmittelbar vor Muhammeds Tod nach Norden ausgezogen waren. Der Aufstand dehnte sich von einem Ende des Landes zum andern aus und wurde namentlich auch durch einen „Propheten" Musailama in Jemäma (im östlichen Arabien) genährt, der schon zu Muhammeds Lebzeiten als sein Nebenbuhler aufgetreten war, indem er dessen Koranstücke nachahmte, ihn durch Wundertaten zu übertreffen suchte und sich dadurch beliebt machte, dass er die lästigen fünf Gebete auf drei reduzierte. Abu Bekr hätte die missvergnügten Stämme durch ähnliche Konzessionen leicht gewinnen können. Namentlich wurde ihm von mehrern der Wunsch vorgetragen, er möge ihnen den Tribut erlässen. Allein obgleich auch seine Freunde, den unbeugsamen Omar nicht ausgenommen, zur Nachgiebigkeit rieten, lehnte er solche Abweichung von der Satzung des Propheten standhaft ab. Die Waffen mussten entscheiden. Amr ibn Asi (der spätere Eroberer Ägyptens) und Chälid, der längst erprobte Feldherr, führten die Scharen der Gläubigen gegen die Rebellen, jener durch Schlauheit ausgezeichnet, dieser, das „Schwert Allahs", durch erbarmungslose Grausamkeit furchtbar. Überall war der Sieg auf ihrer Seite, und die Abgefallenen traf namentlich von Seiten des letztgenannten ein entsetzliches Strafgericht. Kaum war das Land wieder dem Nachfolger des Propheten unterworfen, so begann man, den Weisungen Muhammeds getreu, den Krieg nach aussen, und die arabischen Stämme,' die sich eben noch feindlich bekämpft hatten, verbrüderten sich um so fester auf den Schlachtfeldern Syriens und Mesopotamiens, wo sie für denselben Glauben stritten und siegten. Schon unter Abu Bekrs Kalifat (632—634) war O m a r der eigentliche Leiter der Politik, auch folgte er jenem nach dessen Tod und auf dessen Anordnung im Amte nach, welches er 634—644 bekleidete. In diese Zeit fallen die grossen Siege in Syrien über die Byzantiner (zuletzt bei Jakusa, südöstlich vom See Tiberias im J. 636) und über die Perser bei Kadesia (537). Unter Omar wurden Ä g y p t e n , S y r i e n , M e s o p o t a m i e n , B a b y l o n i e n und die westliche Hälfte
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des P e r s e r r e i c h s mit seiner schätzereichen Hauptstadt Ktesiphon erobert. Erstaunlich ist namentlich, wie die mächtigen Reiche von B y z a n z und P e r s i e n fast beim ersten Anprall den ihnen nicht nur an Zahl, sondern auch an Ausrüstung, Bildung und Kriegskunst weit nachstehenden Arabern unterlagen und wie wenig geistigen Widerstand der Islam in den eroberten Ländern fand. Letzteres erklärt sich freilich sowohl in Syrien als in Ägypten teilweise daraus, dass die Kirchen dieser Länder mit dem Urteil der Irrlehre belastet und die Bewohner auch finanziell von Byzanz her stark bedrückt waren, so dass ein Wcchsel der Herrschaft, wobei ihnen ihre Religion einstweilen gelassen wurde, ihnen nicht ungelegen kam. Auch die Organisation der eroberten Provinzen nach islamischen Grundsätzen Führte Omar mit Kraft und Geschick durch. Die arabischen Muslims durften ausserhalb Arabiens weder Grund1 besitz erwerben noch das Feld bebauen, wurden aber durch Gehalte entschädigt, die aus den Abgaben der nicht muhammedanischen Bevölkerung flössen, ungeheure Summen wanderten in die Hauptkasse zu Medina. Bei Omars Ermordung erhielt das Kalifat O t h m a n (644—656), dessen gutmütige Schwachheit seltsam von Omars rücksichtsloser Energie abstach. Obendrein machte er sich dadurch verhasst, dass er seine Familie bei Erteilung von Ehrenstellen überall bevorzugte. So war seine schliessliche Ermordung nicht wie die Omars ein Ereignis des Zufalls, sondern das Ergebnis von Maohinationen, an welchen die angesehensten Gefährten Muhammeds nicht unbeteiligt waren, die denn auch den Schilderhebungen, die von Kufa und Ägypten her erfolgten, keinen Widerstand entgegensetzten. So fiel Othman den Banden der Aufrührer zum Opfer. Aber auch das moralische Ansehen des Kalifats erlitt unter diesen Umständen einen starken Stoss, und seine Behauptung wurde zu einer blossen Machtfrage. Ali, der Adoptivsohn Muhammeds und Gatte seiner einzig überlebenden Tochter Fätime, einer der tapfersten Krieger und seit seiner Kindheit einer der treuesten Bekenner des Islam, hatte gewiss die besten Ansprüche auf diese Würde, welche er schon lange gerne an sich genommen hätte. Allein auch er musste bald erfahren, dass-der Nimbus derselben, nicht ganz ohne seine Schuld, da er den Sturz seines Vorgängers nicht ungern gesehen hatte, im Schwinden begriffen war. Seine guten Rechte auf die Erbschaft Muhammeds wurden vom Statthalter Syriens Mn ä w i a , einem Umajaden, nicht anerkannt, und dieser wagte es, ihm den Gehorsam zu verweigern und mit Waffengewalt Trotz zu bieten, angeblich um Othmans Blut zu rächen. Der Ausgang des Kampfes wäre immerhin nicht zweifelhaft gewesen, wenn nicht Arglist und Ränke aller Art hineingespielt hätten, worin der wenig diplomatische Ali seinen durchtriebenen Gegnern von ferne nicht gewachsen war. Die Hauptschlacht hatte Ali schon so viel als gewonnen, als
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Muawia's Spiessgeselle Ämr ibn Asi auf den Einfall kam, seine Sache durch den Koran ZTI decken, welchem sie beide sonst nicht viel nachfragten: Man steckte Koranhandschriften auf die Speere und streckte sie den puritanisch gesinnten Kämpfern Alis entgegen, welche vor dem hl. Bache die tiefste Ehrfurcht hatten. Zugleich forderte man, dass statt der Waffen ein Schiedsgericht nach dem Koran über das Kalifat entscheide. Die List gelang vollkommen, die eifrigen Muslims bestürmten Ali, bis er nachgab, und die nachherigen Verhandlungen verliefen zu Gunsten seiner viel schlauem Gegner. Die vier bisher genannten gelten als die vier legitimen Kalifen. Es folgte ihnen eine lange Reihe von U m a j a d e n (661—750), von welchen die meisten religiös recht indifferent waren und sich nichts aus dem Glauben machten, desto eifriger aber als echte Kuraischiten darauf bedacht waren, ihre Macht und ihren Reichtum zu mehren und zu gemessen. Di« strenge, patriarchalische Einfachheit, in welcher Muhammed, Abu Bekr und nicht am wenigsten Omar gelebt hatten, wich jetzt der Üppigkeit eines orientalischen Hoflebens, wie das erobernde Volk selbst durch seine Berührung mit den weichlichen Persern und Griechen von deren Genusssucht angesteckt wurde. Auch verzehrten innere Kriege die Kraft der Bekenner des Islam und hemmten dessen Fortschritte. Gleichwohl eroberte derselbe unter diesen Herrschern neue Gebiete. Die Araber drangen im Anfang des 8. Jahrhunderts wieder siegreich nach Indien und Turkestan vor, sie bedrohten Konstantinopel, eroberten Spanien (711) und waren im Begriff auch das Frankenreich zu unterwerfen, als Karl Martell in der Schlacht von Tours und Poitiers (im Jahre 732) ihrem Siegeslauf ein Ziel setzte. Spanien konnten sie längere Zeit behaupten, wurden aber dann nach dem Süden (Granada) zurückgedrängt und endlich auch von hier vertrieben (1492). Wie aber der in semitischem Boden wurzelnde Islam arische Nationen (Ferser) gewonnen hat, so auch turanische; die T ü r k e n und Mongolen, welche zu einer Zeit, wo die Ausdehnungskraft der Araber nachliess, diese Streiter für Allah und den Propheten ablösten und den Kampf in ihrer noch ungleich roheren Weise fortsetzten, auch den Mittelpunkt der östlichen Welt, Konstantinopel in ihre Gewalt brachten, so dass das Kreuz auch hier vor dem Halbmonde weichen musste1). Aber schon in den blutigen Wirren der Zeit der Kalifen Othman und Ali, wo ein fortan unaufhörliches Spiel von Ehrgeiz, Habsucht, Treulosigkeit und Ruchlosigkeit um die Würde und Macht des Kalifats begann, sind auch die ersten Ansätze zu. den S p a l t u n g e n hervorgetreten, welche die Einheit des Islam auf die Dauer zerrissen haben. So entstand in den auf Othmans Tod folgenden Kttmpfen die Partei der C h a r i d s c h i t e n aus streitbaren 1) Der Halbmond ist nicht arabisches, sondern türkisches Feldzeichen.
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.Muslims, welche draussen im Felde standen und gegenüber den Umajaden an der reinen Seligion festhalten, aber auch mit Ali's Sache, die sich mehr auf persische Elemente stützte, nicht ohne weiteres solidarisch sein wollten. Diese Charidschiten waren die Puritaner jener Zeit, eifersüchtig auf das Selbstbestimmungsrecht der gläubigen Gemeinde auch den Kalifen gegenüber, wenn diese sich nieht an die heiligen Satzungen des Korans hielten. Diese zähen Gesellen machten den Statthaltern des Kalifen in Iräk und Chusistan viel zu schaffen; blutige Verfolgungen, welche sie wegen ihrer Unbotmässigkeit erlitten, vermochten ihre Widerstandskraft nicht zu brechen. Sie breiteten sich vielmehr auch in Arabien, Nordafrika und sonst aus. Viel gefährlicher wurde jedoch der muslimischen Herrschaft die S c h i a , d. h. „Partei" des Ali, welche nach dessen Tod seinen Nachkommen die Erbfolge zu sichern trachtete Durch die unter Muawias Nachfolger Jezid erfolgte Tötung von Alis jüngerem Sohn H u s a i n aufs äusserste gereizt, traten die Schiiten den Umajaden als Vertreter der legitimen Erbfolge gegenüber. Es war aber nicht bloss die politische Machtfrage, welche diese Spaltung herbeiführte, die sich als unheilbar erwies. Der Islam der Schiiten, die sich an die persische Nationalität lehnten, war stark mit persischen, den Semiten fremden Ideen durchtränkt. Sie sahen in Muhammed, und besonders in Ali, dann in den alidischen Imamen überhaupt eine Inkarnation der Gottheit, und verehrten auch die Lebenden (mit Ausschluss der nicht alidischen) als göttlich. Ihre Niederlage bei Kerbela (680) und die stetigen Verfolgungen, die sie zu erdulden hatten, gaben ihrer Religion einen elegischen Zug. Die „schiitische Träne" ist sprichwörtlich geworden. Das G r a b Ali's in Meschhed und namentlich das des H u s a i n in Kerbela wurde ihr beliebter Wallfahrtsort, hinter welchen die Ka'ba umsomehr zurücktrat, als ihnen die Wallfahrt dorthin lange Zeit ganz abgeschnitten war. Noch heute stellen sich nur wenige Perser in Mekka ein, nachdem ihnen im 19. Jahrhundert die Türken die Walfahrt zur Ka'ba wieder gestattet haben. Als die Umajaden herrschten und jede Regung der Anhänger Ali's blutig unterdrückten, bildete sich bei diesen die Vorstellung von einem unsichtbaren Imäm aus Ali's Haus (el Mahdi, der recht Geleitete), welcher irgendwo im Verborgenen lebe, bis er einst hervortrete 1 ). Die Aliden haben nieht wenig zum Sturz der Umajaden beigetragen, aber dabei freilich die Herrschaft nicht erlangt, sondern diese fiel dön schlauem A b b a s i d e n zu. Der Schiismos lebte jedöch fort und ist schliesslich die offizielle Religion von P e r s i e n geworden 8 ). Die Hauptunterschiede sind folgende: Die 1) Vgl. Ernst Möller, Beiträge zur Mahdilehre des Islam, Heidelb. 1901. (Auszüge aus Ibn Babuje, dem bedeutendsten theolog. Vertreter der Schia.) 2) Dies geschab, nachdem (1499) Ismael, der Gründer der Sefewiden-
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Schiiten verwerfen jene drei Imäme zwischen Mohammed und Ali, stellen diesen fast noch höher als jenen, besonders ihre extremste Richtung die „Alianbeter". Sie haben eine eigene imaginäre Reihe von (in der Regel) 12 Imamen, differieren aber auch unter sich in deren Aufstellung. Ihr Imam ist mit göttlichem Wissen ausgestattet, also nicht bloss ein an Koran und Tradition gebundener Herrscher der Gläubigen wie der Kalife der Orthodoxen; ja er wird mehr und mehr als göttliches Wesen angesehen. Die Schiiten legen den Koran mit grosser Freiheit allegorisch aus und haben sogar zur Verherrlichung ihres Ali eine besondere Sure hinzugefügt. Die Sünna, d. h. die von Medina ausgehende Tradition verwerfen sie; daher die Orthodoxen im Gegensatz zu den Schiiten S u n n i t e n genannt werden. Die eigene Tradition der Aliden ist stark tendenziös gefärbt. Beim Gebet legen sie (was dem altpersischen Religionssystem entspricht) besondern Wert auf die vorausgehende Reinigung. In der Prädestination s- und der Koranfrage (ob der Koran geschaffen sei oder von Ewigkeit bestehe) stehen sie auf der Seite der freier gerichteten Mu'taziliten, von welchen gleich die Rede sein wird. Auch in der Haltung der Frömmigkeitssatzungen wie Enthaltung vom Wein u. s. f. nehmen sie's vielfach nicht genau, wie man aus ihren weinfröhlichen Dichtern weiss. Im übrigen sind sie nicht minder bigott und fanatisch als die orthodoxen Muslims. Die Gebildeten aber zeigen öfter eine Neigung zum Pantheismus, welcher arische Natur und indischen Einfluss verrät. Die Ideen des Islam sind hier ihrem rein semitischen Charakter stärk entfremdet. Unter den Schiiten selbst gab es übrigens schon in älterer Zeit Spaltungen. So hat ein Teil derselben als siebenten Imäm einen gewissen Ismael anerkannt, der von seinem Vater Dschafar (f 765) dieser Würde verlustig erklärt war. Man nannte sie daher I s m a e l i t e n . Dieser Sekte bemächtigte sich 100 Jahre später ein schlauer Betrüger Namens Abdallah ibn Maimun, Perser von Geburt, ein gewissenloser Freigeist, obgleich er sich für einen erleuchteten Propheten ausgab, um sie zu einem staatsgefährlichen Orden mit neun verschiedenen Graden auszugestalten, der seine Sendlinge überallhin schickte, teils um die Leute für den Orden zu gewinnen, teils um an seinen Feinden Meuchelmord auszuführen. Die Adepten der untern Grade, welche man zu solchen Missionen gebrauchte, wurden in einem religiösen, scheinbar gut muhammedanischen System unterrichtet, dagegen die wenigen, die zu den obersten Stufen gelangten, in das Geheimnis eingeweiht, dass Philosophen wie Plato und Aristoteles weiser seien als alle Religionsstifter und die üblichen Formen der Religion nur als Mittel zur Beherrschung des Volks in Betracht kämen. Auch als dieser Abdallah zu Salamija in der Nähe von Hamät Dynastie, den Thron bestiegen hatte. Diese Herrscher nannten sich mit Genugtuung: „Hunde an Alis Pforte". '
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in Syrien, wo er zuletzt seinen Aufenthalt genommen, gestorben war, ging dieses Treiben unter seinem Sohne Achmed, dem neuen Grossmeister dieses Ordens, fort. Diese bald auch unter dem Namen K a r m a t e n 1 ) bekannte Sekte beunruhigte überall das Reich, und ein weiterer Abkömmling jenes Abdallah, Said, wurde sogar (909) zum Kalifen ausgerufen, nachdem er sich nach Ägypten begeben und dort für einen Nachkommen Alis und der Fatime, Ubeidallah, sich ausgegeben hatte. Der glückliche Betrüger, der sich ausserdem für den ersehnten Mahdi ausgab, ist der Begründer der Dynastie der F a t i m i d e n geworden, welcher die Abbasiden weichen mussten. Unter den Herrschern dieser in Ägypten residierenden Dynastie hat sich bekanntlich Häkim (regierte 996—1020) besonders als Verfolger der Christen und Juden ausgezeichnet. Er erachtete 6ich hierzu berechtigt, da die 400 Jahre, binnen welcher nach angeblicher Abrede Muhammeds mit denselben der Messias hätte kommen oder wiederkommen müssen, abgelaufen seien, so dass sie nicht -länger Duldung beanspruchen könnten. Häkims eigene Anschauung war anfänglich mehr orthodox, später wurde er extremer Schiit und stand mit Karmaten in Verbindung. Dies machte ihn gegen die ändern Religionen duldsam oder indifferent. Sich selbst hielt er für eine Inkarnation des göttlichen Wesens und zugleich der Seele Alis, nach der bei dieser Sekte häufigen Annahme einer Seelenwanderung. In jener Zeit entstand, eben durch karmatische Sendlinge, mit welchen Häkim verkehrte, die Sekte der D r u s e n 8 ) im Libanon, gestiftet von Darazi und Hamza, die beide mit dem Kalifen viel Umgang hatten. Sie sind nicht als Muhammedaner anerkannt und verwerfen auch ihrerseits den Islam. Sie nennen sich „Unitarier" und betonen vor allem die strenge Einheit Gottes, ohne Unterscheidung seiner Attribute von seinem Wesen. Aber Gott offenbart sich in menschlicher Gestalt. I)er letzte der zehn Propheten, in welchen er erschien, war jener Kalife Häkim, der nicht gestorben ist. sondern einst wiederkommt, um ein Weltreich aufzurichten, dessen Mittelpunkt die Drusen sein werden. Die Satzungen des Islam verwerfen sie, haben dagegen eigene heilige Gebote und Gebräuche sowie eine eigene religiöse Literatur. Diese Drusen sind eigentlich keine andere Nationalität als die Syrer: sie haben sich von diesen nur seit Jahrhunderten abgeschlossen. Sie zeichnen Bich durch Tapferkeit und gute Familiensitten aus, sind übrigens auf etwa 140000 Seelen zusammengeschmolzen. Einen viel schlimmeren Auswuchs des Schiismus stellen die A s s a s s i n e n dar. Dieser Orden geht wieder auf einen jener in der Geschichte des Islam so häufigen gewissenlosen Abenteurer zurück, welche die Religion nur zum Zweck ihrer herrschsüchtigen 1) Karmat war der Übername eines gewissen Hamdän, der ala Hauptstütze des Ordens eine Rolle spielte. 2) Siehe über die D r u s e n A. S o c i n , PRE 8 (1898) V, 38 ff., wo auch die Literatur angegeben ist.
Assassinen. -- m t a d t t m .
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Tläne missbrauchten und dabei eine raflinierle Schlauheit an den. Tag legten. Keiner derselben wurde in dieser Hinsicht von H a s a n e s - S a b b a h über troffen» der vun Haas aas zu den Ismaeliten, näher zn den Zwölfern (von ihren 12 Imamen so benannt) gehörte, aber sich leicht für das karraatische System des Unglaubens und der Mystifikation gewinnen Hess. Auf eigene Faust gründete auch er sich einen Orden und wusste (1090) sogar die starke persische Festung Alamut („Adlernest*) in seine Gewalt zu bringen. Nach seinem geheimen Grundsatz „nichts ist wahr und alles ist erlaubt" schreckte er vor den schändlichsten Mitteln nicht zurück, um seine Zwecke zu erreichen und erlangte damit einen weitgehenden politischen Einfluss. Dem Scheine nach wirkte er für die fernen (in Kairo residierenden) fatimidischen Kalifen; er selbst nannte sich nur den „Scheich des Berges", herrschte aber weit and breit mit unumschränkter Macht. Sein. Orden bestand wieder aus verschiedenen Graden mit besondern Geheimnissen. Die Glieder des fünften Grades (fidäi geheissen) wurden namentlich auch zor Ermordung unbequemer Herrscher und Gewalthaber ausgesandt and haben eine grosse Zahl derselben aus dem Wege geräumt. Man versetzte sie mittelst des haschisch (Hanf), wovon sie Körner und Blätter kauten oder den Saft tranken, in eine Ekstase, in welcher ihnen die Freuden des Paradieses, das sie erwarte, vorgegaukelt wurden. So fanatisierte man sie zu ihren gefährlichen Untaten, welche sie oft mit grausamem Tode büssen mussten. Sie hiessen daher auch haschischin, woraus die Franken assassins machten, und was sie „Mörder" deuteten. So waren sie die Werkzeuge eines gefürchteten Tyrannen, der durch sie einen wahren Terrorismus in Nähe und Ferne ausübte. Auch den Kreuzfahrern bereiteten sie viele Not. Die Nachfolger Hasans spielten die Bolle weiter. Hasan II. gab sich sogar für den endlich erschienenen, mit Sehnsucht erwarteten Imäm aus und schaffte kraft dieser Würde die Satzungen des Islam ab, welche jedoch nachher zum Schein wieder angenommen wurden. Zuletzt eroberten die Mongolen unter Hulagu im J. 1256 das Felsennest Alamut, von welchem »U6 170 Jahre lang Mord und Schrecken in die islamische Welt ausgegangen waren. Bilden beim ganzen Schisma der Aliden die politische Machtfrage und der nationale Gegensatz zwischen Arabern und Persern die nächsten und wichtigsten Ursachen der Spaltung, so hat die Lehreinheit des Islam durch einen i n n e r l i c h e n Gegensatz schon frühe gelitten. So lange die Glaubenslehre so einfach war wie zur Zeit Muhammeds, war die theoretische Einheit nicht schwer aufrecht zu halten. Allein sie fing sich zu spalten an, sobald die Theologen diese Lehre zum Gegenstand näherer Untersuchungen machten, was schon von der ersten Zeit der Umajaden an geschah. Es waren vornehmlich drei Punkte, an welche solche Erörterungen und Distinktionen sich knüpften: die Lehren von Allah, vom Koran und von der Prädestination. Weniger in Arabien als Orelll, Beligionagesthlchte. 26
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Der Islam.
im Iräk, zu Basra und Kufa, wo die gelehrten Schulen nicht ohne starke Beteiligung der Perser sich bildeten, wurden diese Probleme erörtert. H a s a n el Basri, Sohn jenes Koranschreibers Zaid ibn Thäbit, wird als Begründer dieser Scholastik genannt. War er noch rechtgläubig, so zeigen seine Schüler wie W a s i l ibn fAt& bereits jene Häresien, deren Vertreter man M u ' t a z i l i t e n ' ) nennt. Sie selber heissen sich die Bekenner der Einheit und Gerechtigkeit (Gottes). In ersterer Hinsicht leugnen sie, dass den Attributen Gottes wie Macht, Grösse, Majestät, Wille, Wort, Angesicht, Hände usf. irgend eine besondere, ewige Existenz zukomme, da dies die Einheit des göttlichen Wesens beeinträchtigen würde. Diese Ausdrücke sind im Koran nur als Redeweisen zu erklären. Der Gerechtigkeit Allahs glauben sie sich annehmen zu müssen gegenüber der Behauptung einer absoluten Prädestination zum Guten oder Bösen, zum Glauben oder Unglauben. Vielmehr entscheide sich der Mensch frei für das eine oder das andere. Wenn ein Gläubiger sündigt, ohne Busse zu tun, so kann er nicht selig werden; dagegen wird sein Los noch erträglicher sein al6 das des Ungläubigen; es gibt somit einen Mittelzustand zwischen Paradies und Hölle, eine Art Purgatorium; auch eine Art Seelenwanderung nahmen einzelne an. Der Koran ist in der Zeit geschaffen, er ist nicht von Ewigkeit her; sonst litte wieder die Einheit Gottes; es gäbe ja zwei göttliche Wesen. Auch sonst ist ihre Lehre eine Rationalisierung des Islam, wie sie denn die hohe Bedeutung der Vernunft in der religiösen Sphäre betonen; sie waren auch für Einflüsse der griechischen Philosophie empfänglich; manche bestritten sogar die im Koran erzählten Wunder. Die Orthodoxen behaupteten von alledem das Gegenteil, sahen sich aber durch diese Abweichungen von der Glaubenslehre nun auch genötigt, die von Muhammed gar nicht schulmässig definierten und systematisierten Begriffe näher zu bestimmen. Von orthodoxer Seite haben vier Lehrer Schulen gegründet, welche bis heute existieren als die vier Sekten der Sunniten, d. h. der Orthodoxen8)': Abu Hanifa (f 767) wurde das Haupt der H a n e f i t e n ; Málik, ein berühmter Lehrer zu Medina (f 795) das der Malek i t e n ; esch-Schäfi'J (f 820) das der S c h a f e ' i t e n ; Ibn Hanbai zu Bagdad (f 855) das der H a n b a l i t e n . Die Differenzen, welche diese untereinander haben, beziehen sich mehr auf untergeordnete Punkte der Rechtslehre, aber auch ihrem religiösen Geiste nach sind sie verschieden, z. B. die Hanbaliten fanatischer, die Hanefiten freier als die übrigen. Sie haben noch heute in Mekka ihre ver1) Dieser Name bedeutet die sich Abtrennenden. Sie heissen auch K a d a r i t e r . Doch ist dies genauer der Name einer älteren Partei, die schon unter den Umajaden zugunsten' der sittlichen Selbstbestimmung des Mensche, gegen die deterministische Gottesnuffassung auftraten, über die verschiedenen Gruppen und Lehren der Mu'tazila siehe §>chahrastä.ni (deutsch von Haarbrücker) I, 41 ff. und vgl. Heinr. S t e i n e r , Die Mu'taziliten oder die Freidenker im Islam, Leipz. 1865. 2) Siehe oben S. 399.
Die Mystiker (Sufi).
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schiedenen Vorbeterpolte, wo sie funktionieren l ). Namentlich aber wetteifern sie, um die studierende Jagend in ihre Lehre, bzw. ihr System des kanonischen Hechts (fikh) einzuführen. "Dieses Recht umfasst ahnlich wie das talmudische ausführliche Satzungen Uber Reinigungen, Gebet, Bestattungen, Almosen, Fasten, Wallfahrt, Verkauf, Erbrecht, Eherecht, Schwüre, Unterhalt, Verbrechen, Gerichtssprüche, Zeugnisse u. dgl. 8 ). In der Glaubenslehre sind alle Orthodoxen einig, und zwar ist für alle el A s c h ' a r i (f 945 n. Chr.) der normale Dogma,tiker geworden*). Der.Kampf zwischen Sunniten (Orthodoxen) und Mu'taziliten war unter den Umajaden und weiterhin ein sehr erbitterter. Die Kalifen nahmen bald für die eine, bald für die andere Richtung Partei, und von beiden sind Märtyrer gefallen, indem bald das Bekenntnis, der Koran sei geschaffen, bald das entgegengesetzte, er sei unerschaffen, den Tod bringen konnte. Die Mu'taliziten bestanden nämlich nicht weniger starr auf ihren Formeln als ihre Gegner und zeigten sich unter den wenigen Kalifen, die ihnen gewogen waren, ebenso Verfolgung?* süchtig wie jene. Aber auch an einer m y s t i s c h e n Richtung fehlte es nicht im Islam. Zwar ist er eine Religion, die den Mystizismus wenig begünstigt. Nach dem Koran zu urteilen, bleibt das Verhältnis des Menschen zu dem starr über die Welt erhabenen Gott stets ein äusserliches; Gott bleibt ihm nach seinem Wesen innnerlich fremd. Unerbittliche Schranken sind zwischen dem despotischen Herrn und seinen Knechten aufgerichtet. Es fehlt jenes Innewohnen des göttlichen Geistes im Menschen, welches das Judentum und noch viel vollkommener das Christentum kennt, damit aber auch die Grundbedingung für eine innige Vereinigung der menschlichen Seele mit Gott, wie sie die Mystik verlangt. Doch ist diese Verbindung des endlichen Geschöpfs mit dem unendlichen Gott ein so lebhaftes Bedürfnis für manche Gemüter, dass auch der Islam schon frühe des Eindringens der Mystik sich nicht hat erwehren können. Vorbilder ¡nes asketischen, beschaulichen Lebens boten die christlichen Ereiuiten und wenn auch Muhammed das Mönchtum abgewiesen hatte, gab es doch schon in seinem Jahrhundert einzelne Gestalten unter seinen Gläubigen, welche durch Entsagung eine Ausnahme von dem weltlichen Treiben der übrigen bildeten. Neuplatonische Ideen waren auch in der Luft. Namentlich aber kajn ein starker Impuls zur Mystik von Seiten der persischen Muslims, welche für solche Meditationen ungleich empfänglicher waren als die nüchternen Araber und ausserdem indische (brahmanische und buddhistische) Einflüsse bereits erfahren hatten, die zu einer mehr oder weniger pantheistischen Mystik trieben. 1) S n o u c k , Mekka I, 13 ff. 2) So ist die Reihenfolge bei den Schafeiten. S. Abu Ishäk eschSchträzi, At-Tanbih (Jus Schafiiticum) ed. J u y n b o l l , Lugd. Bat. 1879. 3) Siehe über seinen dogmatischen Traktat G o l d z i h e r , Islam S. 120 f.
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Der Islam.
Die mohammedanischen Mystiker, S u f i 1 ) genannt, führen allerdings schon yon Mohammed and von Ali mystische oder mystisch deutbare Aussprüche an, wobei sie allegorische Erklärung des Koran lieben. Besonders aber rühmen sie die Frömmigkeit und mystische Tiefe einer Frau namens R ä b i a im 1. Jhdt. der Hedschra. Von ihr werden Aussprüche berichtet, welche an ähnliche Äusserungen der in die Gottheit sich versenkenden christlichen Mystiker nnd Mystikeri^uen anklingen; z. B. das Wort: „Grosser Gott, verzehre durch Feuer mein Herz, das nach dir schmachtet!" In einer Krankheit sprach sie: „Eine geheime Wunde meines Herzens verzehrt mich und sie kann nicht heilen, bis ich mit meinem Freund vereinigt bin. Ich werde zu leiden fortfahren bis ich mein Ziel erreiche am jüngsten Tage". Auch die grossen Lehrer Hasan von Basra und Hakik von Balk rechnen die Sufl mit sehr zweifelhaftem Recht zu den Ihrigen, stellen aber Räbia noch höher als diese. Jene beiden sollen sie einst in ihrer Krankheit besucht haben. Hasan sprach zu ihr: Aufrichtig ist im Glauben nicht, wer nicht geduldig trägt, die Schläge seines Herrn! Hakik, der auf eine höhere Stufe weisen wollte, sprach: Aufrichtig ist im Glaubet nicht, wer nicht Vergnügen hat an Schlägen seines Herrn! Räbia aber, sie beide überbietend, sprach: Aufrichtig ist im Glauben nicht, wer seine Schläge nicht vergisst ob der Betrachtung seines Herrn! Aber erst zu Anfang des 9. Jahrhunderts (um 200 d. H.) wiTd der Perser Abu S a i d ibn a b i ' l K h a i r , der ein muslimisches Kloster gründete, wovon Muhammed nichts hatte wissen wollen, als der eigentliche Stifter des Suflsmus genannt. Im 9. Jahrhundert lebten zwei Gründer besonderer Schulen der Mystik, der Perser B e s t ä m i (+ 875) und D s c h u n a i d , von denen der erstere schon ganz pantheistisch lehrte: „Ich bin der Ozean ohne Grund, ohne Anfang, ohne Ende. Wenn die Menschen sich einbilden, Gott anzubeten, so betet Gott in ihnen sich selber an." Hier sind die Schranken zwischen Gott und Geschöpf so sehr hinweggeräumt, dass nicht nur der Islam, sondern jeder Theismus dabei aufhört. Vorsichtiger hat Dschunaid sich der koranischen 1) Sie hiessen so von der groben wollenen Kleidung (arab. süf, Wolle), die sie trugen. Diese Ableitung ist gegenüber neuern Versuchen beizubehalten. Vgl. NöTdeke, ZDMG. 1894, S. 45 ff. — Vgl. über den Sufismus ausser Dozy 314 ff. und G o l d z i h e r , Isl. 139 ff. a u c h T b o l u c k , lsufismus sive Theosophia Persarum pantheistica, Berol. 1821. — D e r s e l b e , Blütensammlung aus der morgenländischen Mystik, Berlin 1825. — A- v. K r e m e r , Geschichte der herrschenden Ideen des Islams, Leipz. 1868. — H. Et he, Der Cüfismus und seine drei Hauptvertreter in der persischen Poesie (Morgenländ. Studien, Leipz. 1876) S. 95 ff. — A. Baumg a r t n e r , Weltliteraturl, 548 ff. — Zur Bekämpfung der Mystik von rechtgläubiger Seite vgl. M. S c h r e i n e r ZDMG 52 (1898), 463 ff. 518 ff. und 53 (1899), 51 ff.
Die Mystiker (Sufi).
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Terminologie anbequemt. Auf den tauhid, das Bekenntnis der Einheit Gottes, legt er wie Muhammed und alle seine Anhänger das grösste Gewicht, versteht aber darunter pantheistiscben Monismus, statt Monotheismus, lehrt im übrigen ähnlich wie die Brahmanen und Buddhisten, man soll sich von Leidenschaften durch Bezähmung der Sinne und Erkenntnis der Wahrheit frei machen and das Gute tun. Berühmt und berüchtigt war ein schwärmerischer Zeitgenosse Dschunaids, der unter dem Beinamen H a l l ä d s c h 1 ) bekannte Sufi, welcher ebenfalls durch Askese zu einer übermenschlichen Höhe glaubte aufgestiegen zu sein. Während die Orthodoxen in ihm einen gemeinen Zauberer, Gaukler und Abenteurer sehen, verehren ihn die Schiiten als einen Heiligen und die Mystiker als höchstes Wesen* das menschliche Form angenommen habe. Übrigens sprechen auch milde Rechtgläubige, die für die Mystik nicht unempfänglich, wie Ghaz&li, ein günstiges Urteil über ihn. Er wurde, weil er sich in seiner mystischen Sprache für Gott auszugeben schien, zu Bagdad hingerichtet. Was die Sufi von seinen Wundern und seinem Martyrium erzählen, hat wenig geschichtlichen Wert, dagegen zeigt es anschaulich, welches ihr Ideal war. Auf dem Wege zum Schaffot sang er die Verse: Nimmer wollt ich, dass mein Freund der Grausamkeit beschuldigt werde, Er gab mir, was er selber trinkt, wie der Gastfreilnd dem Gaste tut. Und während der Becher kreiste,, rief er nach dem Block und dem Schwerte. So gehts dem, der Wein trinkt mit dem Drachen in Sommersglut *). Im Unterschied vom Koran betrachten die Sufi die Welt als von Ewigkeit bestehend. Die Seelen sind von Gott ausgegangen, während die sinnliche Welt kein wahres Wesen hat. Die Aufgabe des Menschen ist, mit Gott wieder Eins zu werden, was stufenweise geschieht. Auf der ers en Stufe, der des „Gesetzes", befleissigt sich der Sufi noch der koranischen Frömmigkeit. Auf der zweiten, der des „Weges" oder der Methode, wird die Unbedeutenheit der äusseren Werke und des äussern Gottesdienstes gelehrt; alles komme auf den innern Zustand an; doch hat sich der Sufi um so mehr auch durch äussere Frömmigkeit auszuzeichnen. Er kommt in einen göttlichen Enthusiasmus (häl genannt) hinein, welcher wenn er andauernd wird, makäm heisst. Der dritte Grad ist der der Gewissheit. Da hat der Sufi Gott in sich gefunden und ist sich bewusst geworden, ein Teil der Gottheit zn sein. Mag er auch noch der muhammedanischen Redeweise sich bedienen, so sind ihm doch die verschiedenen Religionen gleichwertig und gleicligiltig. 1) Sein eigentlicher Name ist Husain ibn Manijür. Er war Perser, aber in Bagdad geboren. Siehe über ihn Tholuck,'Blütenlese 311 ff. 2) Der .Freund" ist Gott, welcher auch mit Anspielung auf das Sternbild „der Drache" heisst. Er liess seinen Gast am seligsten Genuas teilnehmen, aber auch an der Selbstopferung, welche ihm eigen ist, der sich in die Einzelwesen spaltet.
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Diese die Gemüter anregende mystische Strömung hat die poetischen Perser mächtig angezogen und ihrer Phantasie und Beschaulichkeit einen Ersatz geboten bei der Trockenheit des Islam. Der Sufismus hat aber nicht allein in Persien, sondern auch in Indien und den übrigen Ländern des Islam Anhänger gefunden. Allein diese hochgespannte Mystik ging bei den persischen Dichtern leicht in liederliche Erotik und genusssüchtige Weltlichkeit über, die am Glauben wie an sittlicher Tatkraft Schiffbruch gelitten hatte. Anderseits fehlte es nicht an orthodoxen Theologen, welche dem Sufismus zuneigten und durch eine moderierte Mystik den starren Glauben der Muhammedaner erwärmten. Unter ihnen nimmt die erste Stelle der aus den Schafeiten hervorgegangene Ghazilll 1 ) ein. Nachdem er eine Zierde der hohen Schule gewesen war, zog er sich in beschauliche Einsamkeit zurück. Sein Hauptwerk „Belebung der Religionswissenschaften" wird in den muslimischen Hochschulen noch viel gelesen und zeugt wie seine übrigen Schriften von edler, sittlich hoher Frömmigkeit. „An Stelle der dialektischen und kasuistischen Religionsbehandlung der Dogmatiker und Ritualisten fordert Ghaz&li die Pflege der Religion als inneres Selbsterlebnis" (Goldziher). Die mystische Strömung hat viel dazu beigetragen, die H e i l i g e n Verehrung 8 ) im Islam einzubürgern. Ursprünglich war diese Religion wenig für Priestertum und Heiligenkult angelegt. Dafür betonte sie zu stark die Kluft zwischen Gott und Mensch. Vermag doch nach Muhammed die Interzession der Frömmsten nichts bei Allah. Nur der Koranleser und -lehrer ist unentbehrlich zur Übermittlung des rechten Pfades und der Vorbeter (imftm) nimmt im Gottesdienste eine ehrenvolle Stellung ein. Muhammed selber bekleidete dieses Amt in Medina und nach ihm die ersten Kalifen, die natürlich hohes Ansehen genossen. Aber eine kultische Anrufung von Heiligen widersprach durchaus seinen Grundsätzen. Ein natürliches menschliches Gefühl bat jedoch schon bald nach seinem Tod ihn selbst und seine Nachfolger über das natürliche Mass hinaus verherrlicht und mit der Zeit hat sich eine üppige Heiligenverehrung ausgebildet, welche besonders frommen, Gott nahestehenden Menschen (weit = der mit Gott innig Verbundene) nach ihrem Tod und auch schon bei Lebzeiten dargebracht wurde. Solche Heilige wurden jedoch nicht durch amtliches Dekret geschaffen, sondern die Volksstimme hat sie zu ihrem Rang erhoben. Auch hat ihre Verehrung ihren Platz nur ausserhalb der Moschee, wo Allah allein angerufen wird. Die Hauptstätte für Verehrung 1) Abu Hämid Muhammed el Ghaz&ll, geb. 1058 zu Tus in Chorasan, lehrte an den hohen Schulen zu Bagdad, Damask, Jerusalem, Alexandria, zog sich dann in ein von ihm gestiftetes Kloster zu Tus zurück und starb 1111. 2) I. Goldziher, Le Coite des Saints chez les Musulmans, RHB2, (1880) S. 257 ff. — Ed. Montet, Le Culte des saints Musulmans dans l'Afrique du Nord, Genève 1909.
Heiligenverehr ung.
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des weit ist sein Grab, meist mit einer Kappel (kubba) oder Kapelle geschmückt. Wie man aus dem Leben dieser Heiligen die phantastischsten Mirakel erzählt, so sollen sie anch nach ihrem Tode noch Wander tan. Deshalb macht man Wallfahrten zu ihren Gräbern and raft sie dort am Hilfe and Ganst an. Solche Heiligtümer finden sich überall in muhammedanischen Ländern, besonders Ägypten and Nordafrika sind damit übersät. Es leachtet aber ein, dass die mystische Bichtang, welche aaf Durchdringung des Menschen mit der Gottheit abzielt, dieser Heiligenverehrung ebenso günstig sein musste, wie ihr die nüchterne altarabische Rechtgläubigkeit ungünstig war. Nicht selten wurden solche Asketen oder Mystiker von ihren Anhängern hoch verehrt, dagegen von den rechtgläubigen Theologen verfolgt; nach ihrem, oft gewaltsamen Tod aber wurden sie in der Regel vom Volke hochgehalten. Der Charakter dieser Heiligkeit ist ein wesentlich anderer als in- der christlichen Kirche. Wohl gab es solche, die durch Fasten und Enthaltsamkeit oder durch Gottesgelehrtheit imponierten; doch ist dies kein durchgängiges und wesentliches Merkmal dieser Superlativen Frömmigkeit. Man sieht den Heiligen vielmehr auch grobe Ausschreitungen und Ausschweifungen nach, wenn sie einmal im Geruch besonderer göttlicher Gnade stehen; gerade darin, dass sie sich nicht mehr um die Schranken menschlicher Ordnung und Sittlichkeit zu kümmern brauchen, äussert sich ihr höherer Stand — Muhammed ist ja auf diesem Wege vorangegangen 1 ). Auch ihre Wundertaten, von denen unzählige Legenden erzählen, haben oft mehr Ähnlichkeit mit den Märchen von 1001 Nacht als mit den biblischen Wandern. Es fehlt das innerliche, religiöse Leben, das man bei Mystikern erwarten sollte und sogar vielfach die ethische Würde, ohne welche wirkliche Heiligkeit nicht denkbar ist. Obwohl der Islam das Weib so unbillig zurückgesetzt hat, fehlt es auch nicht an heiligen Frauen unter diesen Gottbegnadigten. Auch sie zeichnen sich etwa durch Gebetseifer, Tagend und Korankenntnis aus; aber selbst unter ihnen fehlen die lasziven Gestalten nicht. — Beachtenswert ist, worauf G o l d z i h e r (RHR 2,295fif.) hinweist, dass die zahlreichen Heiligen, welche verehrt werden, häufig an die Stelle der früher im Lande verehrten Götter getreten sind. An Stätten des alten heidnischen Landeskultus erstand ein Heiligengrab, so dass dort der Knltus fast in denselben Formen fortdauerte; so in Ägypten und Nordafrika, aber, wie C l e r m o n t G a n n e a u zeigte, auch in Syrien. Beispielsweise die bis heate fortdauernden, berühmten und berüchtigten Volksfeste in Tantä (Unterägypten) weisen dieselben Züge auf wie, die altägyptischen Feste zu Bubastis, welche Herodot beschrieben hat. Um das Grab des hl. Achmed al Bedäwi zu Tanta haben sie ihre Fortsetzung 1) Siehe die Beispiele solcher sittenlosen .Heiligen" bei Montet a. a. 0. S. 37 ff.
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Der Islam.
gefanden (BHB 2, 305f.). Einzelne dieser w e l i oder m a r a b u t , wie man ,.in Nordafrika die Heiligen heisst, haben übrigens nie gelebt; ihr Name ist etwa ans Missverständnis entstanden; von andern weiss man nicht einmal den Namen. Mit dieser Heiligen Verehrung, stehen nun die O r d e n oder B r ü d e r s c h a f t e n 1 ) des Islam in Zusammenhang. Diese haben sich in der Regel um einen solchen Heiligen gebildet. Er hatte Anhänger, die sich um ihn scharten und sich v-on ihm als ihrem Scheich die Art ihrer Anbetung und Askese vorschreiben liessen, vor allem den Wortlaut der Gottesanrufung (zikr) und die Andachtsübungen. Sie lebten wohl auch in klosterartigen Ansiedelungen um ihn her. Selbst Frauenklöster gab es, sogar in Mekka. Derartige Ordeü: finden sich auf dem ganzen Gebiet des Islam. Einzelne derselben erfreuen sich weit ausgedehnter Verbreitung und zählen Tausende von Brüdern. Besonders heimisch und einflussreich sind sie in Nordafrika, namentlich in Marokko. Die einen geben sich, abgesehen von den monotonen Litaneien, mit Unterricht ab, andere treiben nur äusserliche Askese und zwar in einer niedrigen Form, die an die asiatischen Naturkulte erinnert: durch endlose, immer raschere und lautere Anrufungen Allahs und Schwindel erregende Leibesbewegung (Heulen und Tanzen) steigern sich die D e r w i s c h e oder F a k i r s in einen ekstatischen Zustand hinein, wo sie, für Ekel und Schmerz ^unempfindlich, Schlangen und Ungeziefer verzehren, Scherben und Nadeln schlucken, sich mit Messern durchstechen usf. In solchem Treiben tun sich hervor die A i s s ä w a , ein von dem in Marokko lebenden Aissa (f z. 1523) gegründeter, dort sehr zahlreicher Orden. Dagegen die Glieder der K a d r i j e , von dem Perser Abd el Kader el Dschiläni (f 1160) gestiftet, und in der ganzen muhammedanischen Welt verbreitet, zeichnen sich durch innerliche Frömmigkeit und Werke der Menschenliebe aus. Solche Brüderschaften haben nicht selten politische Bedeutung, zumal ihre Verbindungen weit reichen und sind für den Zusammenhang und die Verbreitung, des Islam von grösster Wichtigkeit. Dies gilt z.B. von den S e n f i s i j e (gestiftet 1835), deren Glieder besonders In Algier und im Nigergebiet eine rege Tätigkeit entfalteten. Dem Eifer solcher Brüder und ihrer Afflliierten, die Handelsleute, Soldaten usw. sein können, ist es grösstenteils zuzuschreiben, dass der Islam von Nordafrika her ins Innere dieses Weltteils vorgedrungen ist und bis über den Äquator hinaus seine Eroberungen ausgedehnt hat. Ein Mittelpunkt solcher Missionstätigkeit war seit dem frOhern Mittelalter die Stadt Timbuktu im Flussgebiet des Niger. Während allen diesen Bewegungen mystischer Richtung Elemente zugrunde lagen, die dem Islam eigentlich fremd waren und daher mit dazn beitrugen, ihn von seinem Ursprung zu entfernen, 1) Ed. M o n t e t , Les Confréries Religieuses de l'Islam Marocain BHB 45 (1902) S. 1 ff.
Ordensbrüderschaften. — Die Wahhabiten.
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fehlte es auch nicht an Reaktionen und Reformationen, welche ihn auf seine reine Urgestalt zurückzuführen strebten. Eine derartige Bewegung war seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der W a h h a b i s m u s 1 ) , welcher bezeichnenderweise vom Herzen des arabischen Stammlandes ausging und sich auch wesentlich auf dieses Volk beschränkte. Der Stifter war A b d u l W a h h ä b (geb. gegen 1703, starb 1791)*) aus dem arabischen Nedschd. Die Entartung des Islam, die Missbräuche, die sich in den heiligen Städten Mekka und Medina eingeschlichen hatten, die Vergötterung Muhammeds, die Verehrung der Heiligengräber (Weli's) und -Reliquien, die Üppigkeit in Kleidung und Lebensweise, die lasterhaften Gewohnheiten, welche selbst bei der Wallfahrt zu Mekka sich breit machten — das alles empörte ihn, und als et an diesen Orten, wo man am Fortbestehen solcher Unsitten interessiert war, kein Gehör fand, predigte er den Beduinen seiner Heimat die Umkehr zur reinen Religion des Propheten, und fand Beifall beim Scheich von Dereja, namens Muhammed ibn Sa'üd, der an die Spitze der kriegerischen Unternehmungen dieser neuen Sekte trat. Diese musste übrigens von den Gelehrten in Kairo als rechtgläubig anerkannt' werden. Sie verabscheute namentlich auch die seidenen Kleider, die schon dem Muhammed ein Dorn im Auge waren, und das Tabakrauchen, das auch die orthodoxe Sekte der Malekiten untersagt. Den Rosenkranz, das Stehenlassen eines Haarschopfes und anderes, was dem Aberglauben Vorschub leisten kann, verwarfen sie. Auf Grund der wahhabitischen Reform wurde Abdul-Aztz, der Sohn jenes ibn Sa'üd, das Oberhaupt des bisher von Fehden zerrissenen Nedschd. Die türkische Regierung zu Konstantinopel, vom Scherif von Mekka aufgereizt und vom Pascha von Bagdad zu Hilfe gerufen, sandte Truppen gegen die neu ^erstehende unheimliche Macht der Wahhabiten, doch ohne Erfolg. Diese wurden in ihren Angriffen auf die nach ihrer Ansicht vom wahren Glauben und Kultus abgefallenen Muslims immer kühner. So zerstörten sie 1801 das den Schiiten teure Grabmal Husains und richteten dabei ein grosses Blutbad an. Und bald darauf nahm Abd ul Aziz Mekka ein, wo sie die kleineren Heiligtümer' ebenfalls zerstörten und sogar den schwarzen Stein als ein Idol zerschlugen. Nach der Ermordung des Abd ul Aziz übernahm sein Sohn S a u d die Führung und eroberte Medina, wo auch das Grabmal Muhammeds nicht verschont blieb. So hatten sie schon ganz Arabien mit Ausnahme vofi Oman und Hadramaut in ihrer Gewalt, als der Vizekönig von Ägypten, der energische Muhammed Ali im Auftrage des Sultans sie mit Krieg überzog und schliesslich sein Sohn Ibrahim Pascha durch Eroberung von Dereja (1818) ihre Macht vollständig brach. Seitdem bestanden sie als puri1) Vgl. über diese Bewegung auch Snouck H u r g r o n j e , Mekka I, 138 ff. 2) B r o c k e l m a n n , Gesch. der arab. Lit. II, 390.
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tanische Sekte ohne grosse politische Bedeutung fort 1 ). Sie schliessen sich streng gegen Bildung und Zivilisation ab, aber sie erhalten sich frei von Aberglauben und Weichlichkeit und dürften am ehesten das Bild derUrgemeindeMuhammeds wiedergeben. Unter den Schiiten in Persien dagegen stand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein fortschrittlicher Reformator auf, der Stifter des Babismus*): M i r z a Ali M u h a m m e d , zubenannt der B a b , d.h. die Pforte, nämlich der Offenbarung, geboren 1820, starb 1850. Mit gewaltiger Beredsamkeit trat der Jüngling in Schiras gegen die Korruption der Geistlichkeit auf. Wie sein Titel andeutet, stellte er sich zunächst als Organ dar, durch welches die Offenbarung an die Menschen ergehe. Bald jedoch ging er weiter und gab sich für eine göttliche Erscheinung aus. Er nannte sich jetzt die nukte, den ersten P u n k t des Wissens oder der Erklärung, den Exponenten Gottes. Gott ist an sich unerkennbar, weil er zu hoch über den Menschen erhaben. Aber in den Propheten Adam, Noah, Mose, David, Jesus, Muhammed und jetzt in ihm selbst, dem verheissenen Imam Mahdi (der „recht geleitete") ist der göttliche Urwille Fleisch geworden. Die Welt hat in der Zeit weder Anfang noch Ende. Sie ist aber vom göttlichen Ur willen hervorgebracht und im Verhältnis zu diesem das spätere oder abgeleitete. Zuerst hat Gott die „Buchstaben" hervorgebracht, welche sein Wesen bilden: Kraft, Macht, Wille, Handlung, Herablassung, Ruhm, Offenbarung. Diese Wesen erinnern an die gnostischen Äonen und die Schephiroth der Kabbala. Wie diese Mystiker liebt der Bab die Buchstaben- und Zahlensymbolik. Die Zahl 19 ist besonders wichtig. Zur Belehrung des Menschen hat sich die Gottheit in zahllosen Propheten in der endlosen Vergangenheit verkörpert, und dasselbe wird in der Zukunft geschehen. Unsterblichkeit gibt es so, wie ein ausgelöschter Buchstabe damit nicht vergangen ist, sondern immer wieder hergestellt wird. In diesem Sinn ist Mirza Ali derselbe wie einst Husain; doch haben darin die Muslims (gemeint sind die Schiiten) mit Unrecht eine Seelenwanderung erblickt. Was aber diesen Lehrer von andern Sufi besonders unterscheidet, ist, dass er nicht bloss für eine Zunft oder einen Orden von Eingeweihten lehren, sondern das Volksleben heben und erneuern wollte. So wollte er die Frauen würdiger behandelt wissen, als es im Islam der Fall ist. Ehescheidung und Vielweiberei sollten eingeschränkt und die Frauen zu den religiösen Versammlungen der Männer zugelassen werden, und zwar ohne Schleier. Sie sollten überhaupt gleiche Achtung geniessen wie der Mann. Auch 1) Vgl. die vier Briefe der Wahhabiten an den Pascha von Damask ZDMG 11, 428 ff. und die Mitteilungen Jul. E u t i n g s , T a g e b u c h einer Reise in iDnerarabien I (Leiden 1896) S. 157 ff. 2) Edward G. B r o w n e , Travellers Narrative written to illustrate the Episode of the Bab, 1891. D e r s e l b e , New History of Mirza AU Muhammed the Bab, 1893. — F. C. A n d r e a s , Die Babis in Persien, Leipzig 1896. Vgl. auch RHR. 18 (1888) S. 279 ff.
Babismus und Behalsmns.
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für Kindererziehung traf der Bab humane Bestimmungen; das Bauchen •erbot er; auch verlegte er das Fasten auf eine andere Zeit als den Ramadan usw. Er sandte begeisterte Apostel und auch eine Jüngerin, um seine Lehre bis nach Irak zu predigen. Diese sammelten viele Anhänger, welche bald zu einer politischen Partei geworden sind, die sich mit den Waffen verteidigte. Die Regierung bekämpfte sie seit 1848 heftig, und auf die Dauer vermochten sie der Übermacht derselben nirgends Stand zu halten. Aber die Leidens- und Sterbensfreudigkeit, womit die gefangenen Sektierer unsäglich grausame Marter erduldeten, hat ihrer Sache vermehrte Anziehungskraft verliehen. Der Bab selber war frühe interniert worden und hat, während die Seinigen sich für ihn schlugen, ein beschauliches Leben in der Stille geführt. Nachdem er für kurze Zeit die Freiheit wieder erlangt hatte, wurde er 1847 nach Maku im äussersten Nordosten des Landes gebracht, wo er noch einige stille Jahre zubrachte, bis er 1850 unter eigentümlichen Umständen 1 ) hingerichtet wurde. Er hat manches geschrieben. Als kanonisch gilt bei seinen Anhängern das Buch B e j ä n („Erläuterung"), worin er seine Glaubenslehre niedergelegt hat. Unter den Nachfolgern des Bab ist besonders zu nennen M i r z a H u s a i n Ali mit dem Beinamen Behä A l l a h „Glanz Gottes", welcher verschiedene Bücher sofarieb und sich selber für einen der grossen, bzw. den grössten Propheten ausgab. Er wurde nach Akka in Syrien verbannt, wo er erst- 1892 starb. Theoretisch und praktisch hat er manche Besonderheiten des Islam und des Babismus abgestreift mit dem Absehen auf eine Weltreligion. Er verlangte eine Weltsprache, Gleichachtung aller Nationen, Weltfrieden. Die Anhänger des Babismus und des Behaismus haben stetsfort zugenommen. Dass einige Babi im Jahr 1852 auf den Schah eine Attentat versuchten, führte zu neuen, massenhaften und furchtbar grausamen Hinrichtungen. Sie galten seitdem noch mehr als st&atsgefährlich, und es versteht sich, dass die Geistlichkeit stets aufs neue gegen sie hetzte. Noch die Ermordung Nasir eddins im Jahr 1896 wurde ihnen, wie eä scheint mit Unrecht, in die Schuhe geschoben. Während man ihnen von jener Seite alles schlechte zutraut, werden sie von europäischen Kennern, wie Dr. Andreas, vollends von Dr. Faber, günstiger beurteilt: Sie stellten wirklich eine edlere, fortschrittsfähige Religionsbildung im Islam dar und seien namentlich gegen Bekenner anderer Religionen duldsam, gegen das Christentum freundlich. Ob sie aber dem persischen Volke zu einer geistigen Neugeburt verhelfen können, ist äusserst zweifelhaft. Neuerdings ist der „ B e h a i s m u s " in Europa tind mit grösserem Erfolg in Amerika missionierend aufgetreten. Der Islam gehört gegenwärtig zu den ausgebreitetsten Religionen der Welt. Dr. H u b e r t J a n s e n *) hat in seiner sorgfältigen 1) Andreas a. a. O. S. 26 ff. 2) Hubert J a n s e n , Verbreitung des Islams, Friedrichshagen bei Berlin 1897 (autographiert).
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Der Islam.
statistischen Zusammenstellung als Gesamtzahl der Bekenner des Islam 260 Millionen gefunden, oder 15,rm °/0 der Erdbewohner, diese zu 1672500000 angenommen. Dieee Muslims verteilen sich auf, Asien, Afrika und Europa. Das Haupt der Rechtgläubigen ist der türkische Sultau in Konstantinopel, seit Muhammed II vom Stamm der Osmanli diese Stadt eingenommen hat. Er überträgt aber seine geistliche Gewalt auf einen Minister, den scheich-ulislftm, der eine Menge untergeordneter Beamter zu seiner Verfügung hat. Natürlich erkennen die Schiiten die Oberhoheit des Sultans nicht an. Aber auch von selten der arabischen Stämme hat er oft Mühe sich Achtung zu verschaffen, da diese sich für bessere Muhammedaner ansehen als die europäisierten Türken. Ein heftiges Aufflackern des rohen, fanatischen Islam fand seit Anfang der 80er Jahre im oberägyptischen Sudan statt, indem dort ein Derwisch Muhammed Achmed sich für den erwarteten M a h d i (den von Allah Geleiteten) ausgab und damit weite Kreise fanatisierte, während andere ihn nicht anerkannten. Seine Macht wurde für den Sudan und Abessinien verhängnisvoll, indem seine Glaubenskämpfer ebenso tapfer den Feind aus dem Feld schlugen wie die Andersgläubigen grausam behandelten. Auch nach dem Tode dieses Mahdi dauerte die von ihm gegründete Herrschaft am oberen Nil fort, bis der siegreiche Feldzug der Engländer 1898 (Schlacht bei Omdurman) diesem Schreckensregiment ein Ende machte. In Afrika breitet sich der Islam noch immerfort aus, da die ihm ergebenen Araber, die als Händler den Weltteil durchstreifen, überall auch Mission treiben. Sie gewinnen mit leichter Mühe die ihrer Fetische überdrüssigen Neger, denen sie statt derselben Koransprüche als Amulette verkaufen und einige Gebetsformeln vorschreiben. In dem heissen Wettbewerb mit der christlichen Mission, der auf afrikanischem Boden sich abspielt, hat der Muslim den Vorteil, dass er nicht der eroberungssüchtigen weissen Basse angehört und daher leichter das Zutrauen der Eingeborenen findet. Auch sind ja die geistlichen und sittlichen Anforderungen seiner Religion viel geringer als die der christlichen. Der zum Islam Bekehrte kann bei seiner Polygamie bleiben und seine kriegerischen oder räuberischen Triebe nach wie vor befriedigen. Dafür ist . aber auch die Veredlung solcher Stämme durch den Islam nicht hoch anzuschlagen, wenn sie sich auch nicht ganz leugnen lässt. Z. B. bildet sein Abstinenzgebot einen wertvollen Schutz für diese Völkerschaften. Auch in holländisch Indien hat der Islam noch in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte gemacht und in britisch Indien wenigstens zugenommen. Anderwärts ist er längst stabil geblieben und hat auch viel über Indifferenz seiner Bekenner zu klagen. Im Rückgang befindet er sich in der europäischen Türkei, Syrien, Palästina, Kleinasien, Unterägypten, Algier.
I. Namen- und Sachregister Abraham 284. 386. Abu Bekr 351. 394. Abu Dschahl 351. Abulfeda 345. Abu Said 404. Abu TAlib 346 Abydenos 194. Adam 306. Adonis 256. Aegypten 122 ff. 395. Ahas 290. Abnengeister 48. 55. 69 f. Ahnenkultus 50. 109. Ahti 101. Ainu 105. AVscba 366. 892. Akbar 23. Akka 100. Akkad 183 f. Alexander d. Gr. 132. Ali 347 f. 351. 396. 398. Allah 331 ff. 377 ff. All&t 327. Almosen 388. Amaterasu 107. Ainenemhat 127. Amida, Amita Buddha 87. 117. Amon 163. Ammoniter 273. 276 f. Anath 259. Anatu 197. Animlsmus 27. Anu 197., Anubis 160. Anunnaki 200. Anunit 200. 225. 229. Apep 152. 155. Apis siehe Hapi. Araber 278 f. 323 ff, Arabien 280. 323. Aramäer 270 f. Asch'ari 403. Aschera 258 f. Asfar MalwäschS 312. Asflassinen 400 f. Assur 185.
Asajrrer 132. 182 ff. 189 f. Astarte 164. 257 ff. Astrologie 194. ASur (Gott) 211. Atargatis 272. Augustinus 23. 300. Baal 164. 251. 289. Baal-Berith 253. Basl-Chamman 252. Baal-Gad 264. Baal-Melkart 251 ff. Baal-Peor 254. Baal-Samern 251. Baal-Tamar 254. Baal-Zebub 253. Baal-Zephon 254. Bab 410 f. Babel 18S. 191. Babylonier 184 ff. Bahlra 346. Bambu-Bäeher 42. Bast 156. 159. Bäume, bellige 262 ff. Bauopfer 264. Bedr, Schlacht bei 361 f. Behä 411. Bel 197 ff. 271 ff. Berosus 194. 232. Beschneidung 194. 232. Bes 165. Bestami 404. Biläl 353. Bilderdienst 288 f. 325 f. Bilit 189. 206. Blitz 216. 257 Bock 162. Borsippa 184. „191. Buddhismus 63. 84 ff. 114 ff. Buga 101. Buhàri 345. Buschido 120. Basspsalmen, babvl. 224 ff. Buto 162. I Chadidßcha 347.
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I. Namen- und Sachregister.
Chalasa 327. Chaldaer 186. 194. Chfllid 363. 369. Cbaridschiten 397 f. Chem 161 f. Cheta 129. Chinesen 30 ff. Chnum 16t. Christentum 84. 120. 133. 297 ff. 337. Christus siehe Jesus. Chufu 126. Chuuaten 130. 143. 169. Chunsu 163. Cicero 1. Clemens Alexandr. 136 f. Confucius siehe Kong-tse. Cubricus 301. Dagan 198. Dagon 272. Damascius 232. Damkina 199 Derwische 408. Dilbat 207. Dimischki 325. 328. Diodorus Siculus 143. 172. 194. 221. 265. Diwan 312. Drusen 400. Dschimu Tenno 108. Dschingis-Chan 35. 91. Dschodo-Sekte 117. Dschunaid 404. Dumuzi 207. Dusares 327. Ea 198 ff. Eabani 240. Edomiter 277 f. El 249 ff. Elamiten 225. Engel 381. Engi-schiki 106! Enlil, Ellil 197. Erde 48 102. Erech 184. 240 Eridu 185. 235. Esmun 256. Essener 298 ff. Euemeros 22. Fahian 85. Fals 327. Fasten, Fasttage 389. Fengschui 88. Fihrist 300. Finnen 100 ff. Fisch 232. Flut siehe Sintflut.
Fo 84. Gabriel 351. 365. 381. Gad-Tyche 273. Gansibrä 320. Geister 57. 78. 93 ff. 103. 382. Gericht, jüngstes 383 ff. Ghazali 365. 385. Gibil 205. GilgameS 237 ff. Gins& 312. 314. Gohei 111. Gudea 188. 216. Gula 204. Hadad 271. Hftkim 400. Hall&dsch 405. Hanbaliten 402. Uamiten 122. Hammurabi 188. Hamza 355. Ha-nefiten 402. Hantfe 340 ff. Hapi, Apis 145. 148. Hasan-el-Basri 402. 404. Hasan-es-Sabbah 401. Hat-hor 154. 156. Heiligenverehrung 406 f. Henoch 238. Herodot 223. 329. Hethiter (s. Cheta) 187. 247. Heu-tsi 49. Hiao-king 71. Hibil-Siwa 314 ff. Himmel, Himmelsgott 45. 100. 197. 251. Hiouen-Thsang 85. Hiskia 291. Hobal 328. 335. Hoei-Seng 85. Hölle 383. Höllenfahrt 241 ff. Homoröka 232. Honen-Schonin 117. Hör 156 ff. Husain 398. Hyksos 127 ff. Jahveh 286. Jama 85. Jang und Jin 75. 83. Jao 32. Japan 38. 104 ff. Jathrib 356 ff. Ibis 150. Iblis 305. 380 f. Ibn Hischaru 344. lbn Ischak 344. Ibn Sa'd 344.
I. Namen- und Sachregister. Jesus Christas 297 ff. 886. Igigi 200. J i - f i n g 41. 47. Imftm 394 ff. Impostoribus de tribus 23. Johanneschristen 813. Johannes .der Täufer 318. 318. Jordan 313. Josia 291. Isa 306. Isftf 327. Isanagi 107. Isanami 107. Isebel 258. 289. Isis 155 ff. Islam 323 ff. Ismaeliten 399. Israel 284 ff. IStar 205 ff. 225. 240. 241 ff. Juden 280 ff. 337 f. 360. 363 ff. 368. Jü 32. Jumala 100. Ka'ba 334. 353. Kambyses 132. Kanaaniter 245 ff. Karmaten 400. Karthager 245 ff. 265 ff. Katze 151. Keilschrift 186. 193. Kemosch 274 ff. Kernbim 204. Kibla 359 f. fang 41. Kingu 233. Kisar 232 f. Knuph 152. Kodschiki 106. Kong-tse 33. 41 ff. 65 ff. 113 f. Konjim 87. Koran 373 ff. Kossäer oder Kissier 187. Kreter 248. Krokodil 151. Kultur 7 ff. Lachmu und Lachamu 232 f. Lactantius 1 f. Lao-tse 59 ff. Lappen 103. Larsa 188. Lebensbaum 241. Lebenswasser 242. Leberächau 218 f. Li-ki 44. Li-tse 75. 78 f. Lotosblume 152. Lun-jü 44. Ha 155.
Maacmma 102. Mahdi 398. 400. 412. Maitreja 87. Malekiten 402. Manasse 291. Manàt 327. 330 354. Manda d'haj6 315; Mandaeer 311 fi. Mandschu 36. 91. Manetho 126. 143. Mani, Manichäismus 299 ff. Mardak 199. 201. 214. 233 f. Mamas 273. Maternus Jul. Firm. 23. Maut 162. Mazdak 310. Medina 356 ff. Mekka 334 ff. Melek, Molek, Milkom 276. Melkart 251. Meng-tse 45 79 ff. Menschenopfer 51. 179. Merenptah 131. Merira Pepi 126. Mesa 273 ff. Mi 76 ff. Miao 31. Miellikki 102. Mikado 108. Min 161. Mirza Ali Muhammed 410. Mirza Husain Ali 411. Mi-tse 76 ff. Moabiter 273 ff. Mondgott 107. 163. 199 ff. Mongolen 90 ff. Morito 106. Mose, Mosaismus 286 ff. Muhammed 319 . 343 ff. Mut 162. Mu'taziliten 402. Mystik 403 ff. Nabu, Nebo 202. Näila 327. Nanai 205. Nasoräer 313. Nebukadnezar 132. 191. Nephthys 156 f. Nergal 203. Nestorianer 84. Neuplatoniker 22. Nihongi 106. Nil 122 f. 145. Nilus 329. Ninive 185. Ninlil 198. Nippur 184. Nitschiren 119. Num 92.
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H Kam«»- m d SachregiaUr.
Nuskn 205. 214. Nrat IM. 156. Qaanes 232. Obelisken 142. Omar 355. 394 ff. Orakel 47 f. Ordensbrüderschaften 408. Orotal 329. Osiris 149. 155. 173. Othman 351. 374. 396. Palme 152. Paradies 87, 239. 383 f. Perser 132. 190. 395 f. Pharao 134. Pharisäer 293 f. Philä 158. Philister 247. Philo v. Alex. 220. 294. Philo v. Byblus 249. Phönix 136. 150. Phönizier 245 ff. Pira 315. Planeten 191 ff. Plinius 39. 150. 216. Plutarch 82. 144. Ptah 149. 160 f. Ptahil 317. Ptah-Hotep 180. pn 47. Pyramiden 141. Ra 153 f. Babia 404. Ramman 205. 272. Ramses II 130. Religion 1 ff. Reseph 257. Ruha 316. Sabäismus 326. Sabbat 231. Sabier 338 ff Sa'd 327. 334. Sadduzäer 293 f. Safech 164 Sais 162. §alomo 279. 386. SamaS 200. Sanchuniathon 248. Sa^an 380 f. Soilafe'iten 402. Schahrastani 325. Schamanen, Schamanismus 92. 94 ff. Schang-Ti siehe Ti. Scheol 245. Schi 41. 47. Schta 398. Schi-king 43. 46.
Sebingansefete 117. Schinran-Schonin 11&. Schill toismus 116 ü Schkandä 320. Schlangen 151 f. Schrift chines. 40» Schritten heilige, der Chinesen 4QiOff. Schu-king 32. 42. Schün 32. 47, Scythianus 300 f. Seb 154. 156. Sebak 162. Secht 169. Semiten 182 ff. 280 ff. Sendo-Sekte 119. Seraphim 203. Set-Tvphon 156. Sidon 246. Sidra d'Jahja 312. Sidra Rabbä 312. Simeon 337. Sin 199 f. Sintflut 236 ff. Sippar 184. Sirpurla 188. Skarabäus 151. Sonnengott 107 ff. 144. 200. 252 f. f. Sonnensäulen 252. Sperber 151. Sphinx 142. Steinkultus 262. 327 ff. Stiergottheit 148. Siehe Apis. Sufi, Sufiamus 404 ff, Sumerier 185 f. Sünna, Sunniten 399 {f. Susano 107. Tabari 345. Tänze 267 f. Ta-hio 44. 72. Täif (Stadt) 356. 370. Taiping-Revolution 37. Talmud 296 f. Tanit 260. Tao 60 ff. Taoismus 83 ff. Tao-sse 81. Tao-te-King 59 f. Tarmidft 320. Tascbmit 202. Tataren 90 ff. Taufe, Taufer 302. 311. 313. 839. Tendai-Sekte 117. Tengere 92. Teraphim 218. 284. Terebitithus 301. Thammuz siehe Dumuzi. Theben 120 ff. Ti, Ti-en, Thian 45. 49. 55. 69, Tiämat 233.
I. Namen- und Sachregister. Tiere, heilige, der Ägypter 144 ff. Toleranz 389. Totenbuch 140. 174 ff. Totenreich und Totenkultus 171 ff. 241 ff. Tschang-tse 82. Tscheu, Herzog von 33. Tscheu-li 39. 44. Tschong-jong 45. Tschün-tsieu 44. Tschu-fu-tse 86. Tschu-hi 86. Tse-tse 45. 75. Tum 155. Tungusen 90 ff. Tuonela, Tuonen usf. 103. Turko-Tataren 90 ff. Typhon siehe Set. Tyrus 246 ff. Ukaisir 328.
O r e l l i , Beligionsfseschichte.
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Ukko 100. Uraajaden 397. Umajja 341. Unas 126. Usertesen 127. Utnapistim 237 f. 'Uzza 327. 354. Wahhabiten 409. Wàkidi 344. Waraka 342. Wellamo 101. Wen 46. Widder 150. W u 33. Xisuthros 236. Za,id ibn 'Àmr 342. Zionismus 297. Zirbanit 201.
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II. Antorenyerzeichnis. Andreas F. C. 410 f. Anz W. 322. Archinard E. 24« ff. 266. 289 Aston W. G. 106. BaethgenFr. 197. 245 ff. 261. 286. 291. Bastian H. 27. Baüdissin, W. von 246 ff. 263 ff. 286. 289. Baumgartner AI. 325. 404. Baur F. Chr. 299. Beck J T. 3. Bertholet Alfr. 28. Biot E. 44 Bischoff E. 373. Bochart Sam. 24. Boehmer Jul. 28. Brandt W. 311 ff. Breasted J. H. 122 ff. Brockelmann 409. Browne E. G. 410. Brugsch H. 122 ff. 144. 150. 157.168.' Buhl Fr. 270. Castren A. 93. 100. Caussin de Parceval A. P. 325. Chamberlain B. H. 106. Chantepie de la Sausaaye, P. D. 28. Cherbury, Herbert v. 24. Chwolsohn 325 ff. 339. Comparetti D. 100. Conradi A. 83. Creuzer F. 26. 146. Curtiss S. I. 270. Curtius E. 209. Dalman G. 270. Delitzsch Friedr. 182. 203 ff. 231. 286. Dozy R. 332. 337. 382. 394. Duncker M. 122. Ebers G. 122 ff. Edkins Jos. 83. Erman Ad. 122. Ethe H. 404.
Euting J. 410. Faber E. 65. 75 f. 78 f. Fleischer H. 0. 277. Florenz K. 104. 106. Flügel G. 299. Frazei J. G. 27. Gabelentz, H. C. von der 43. 65. Ganander Ch. 100. Gautier L. 385. Geiger Abr. 377. Geizer H. 207. 209. Gesenius W. 245. 252. 266. Giesebrecht 287. Giles H. A. 46. Gloatz P. 20. Goldziher I 343. 386. 394. 403. 406 f. f. Gressinann H. 29. 264. 289. Griffis E. 104. Grimme H. 343. 373. 377. de Groot 45. 57. Grube W. 40. 45. Gützlaff 31. Gunkel H. 231. Haas H. 104 f. Hammer-Purgutall 325. Happel J. 45. Harles:, C. de 45. 58. 90. 92. Hartmann, E. v. 28. Haug K. 350. Haupt P. 205. 237. 243. Hegel G. F. W. 14. 25. 146. Herder J. G. 234. Herrmann W. 21. Hilprecht H. V. 184. 241. Hirschfeld H. 373. Hommel Fr. 189 ff. 209. 225. 278. 286. Houtsma Th. 343. 350. 378. Hughes T. P. 377. Hume David 24. Jansen Hubert 411. Jastrow M. 196 ff. 212 ff. Jensen P. 28. 187. 196 ff. 213. 231 ff.
II. Autorenverzeichnis. Jeremias Alfr. 196 ff. 230. 241 ff. 286. Jeremias Friedr. 196 ff. 245. Jost J. M. 296. Julien Stanislas 45. 57. Käuffer J. E. R. 31. Kasimirski M. 373. Kautzsch E. 254. Kessler K. 296. 299 ff. 308. 311 ff. King L. W. 212. Kittel R. 280. Köberle 228. Köhler A. 280. 290 f. König Ed. 239. Köstlin J. 1. Kohler 193. Kohut A 293. Krehl L. 325 ff. 343 ff. 377. 390 f. Kremer, A. v. 404. Kuenen A. 27. Kugler P. 220 Lagrange M. J. 245 ff. 262 ff. Lane E. W. 388. Lang Andrew 28. Lange H. 0 . 144. Lange R. 104. Legge J. 32. 40 ff. 64 f. 75. 79. Lehmann C. F. 186. Lencquist E. 100. Lenormant Fr. 170. 196 ff. 211 ff. Le Page Renouf 163. Lepsius R. 141. Lidübarski M. 245. 252. 312. 320. Lötz G. 210. 231. Maspero G. 122. 144. 164. 157. 171. 174. 182 201. Meitzer 0. 245. Meyer Ed. 122 ff. 157. 159. 182. 186. 221. 245. 259. Möller E. 398. Montet E. 408. Mordtmann J. H. 253. Movers F. C. 245. 265. 267 f. Mühleisen-Arnold 377. 385 ff. Müller A. 343. 346. 377. 392. 394. Müller F. Max 1. 13. 23. 27. 283. Müller J. G. 1. 14. Müller W. Max 122 ff. 164. 187. 245. Munter Fr. 245. 265. Mürdter 182. Munzinger C. 104. Myrrhmann W. 212. Naville Ed. 122 ff. 141. 174. 289. Nippold 0 . 104. Nöldeke Th. 343. 372 ff. 387. 404. Oehler Th. 14.
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Orelli C. v. 284. 289. 292 f. 298. Palmer E. H. 373. Pautz O. 377. Petermann 311 f. Petri Fl. 124. Pfleiderer 0. 16. 28. Pietschmann R. 345. Pinches 237. Plänckner, R. v. 45. 60. Plath J. H. 31. 45. 56. 65. Pognon H. 320. Pressel 296. Radioff W. 90. 93 f. 97 f. Rawlinson G. 205. 245. Rémusat Abel 60. Renan E. 252. 254. 269. 281 ff. Réville Albert 1. 28. Revon M. 106. 109. Richthofen, F. v. 30. Riehm E. 139. 253. 266. Ritsehl Albr. 3. Roberts R. 377. Robertson James 280. Robertson-Smith W. 5. 27. 138. 245. 245. 259 325. Roskoff G. 27. Ross John 45. Rotermund W. 60. Satow E. 106. Sayce A. H. 196. 235. 279. Schaub M. 83. 88. 90. ScheU P. 193. Schelling F. W. J. 25. Schiefner A. 100. Schlottmann C. 250. 260. Scholz P. 206. 245 ff. 272 f. Schräder Eb. 198. 210 f. 231. Schreiner M. 404. Schürer E. 294. 296. Schwally F. 372 f. Seiden J. 270. Sellin E. 264. 280. Sethe K. 142. Siebeck H. 16. Smith George 196. 235. 241. Snouck-Hurgronje 334. 392. 403. 409. Socin A. 400. Soederblom N. 27. Spencer Herb. 27. Spiegel Fr. 299. Sprenger A. 334. 340 ff. Stade B. 252. 277. 280. Stark K. B. 245. Steiner H. 402. Strack II. 296. Strauss u. Torney, V. v. 1. 43. 46. GO. 64. 134. 144. 168.
420
II. Autorenverzeichnis.
Tallquist K. L. 212. Tholuck A. 95. 404 f. Thomas L. 210. Thureau Dan gin F. 186. Tiele C. P. 27. 144 182. 196. Tylor E. B. 27. UUmann 373. Ungnad A. 193. 231. Utschimura Kanso 110. 112 ff. Yambery A. 90. Vincent H. 241. 245. 252. 263. Virey Phil. 180. Voelter D. 154. de Vogu6 251.
Vossius G. J. 24. Wahl 373. Waitz Th. 4. Warneck G. 11. Weber Ferd. 296. Weil 394. WeisBbach F. H.186. Wellhausen J. 27. 294 . 325 ff. 368. Wiedemann A. 122. 127. 144. 151. Wilhelm R. 44. 65. Winckler Hugo 28. 182. 193. 231. Wurm Paul 28. Wuttke A. 26. 90. 92. Zimmern H. 196. 212 ff. 222 ff. Zottoli Angelo 41 f.