228 111 81MB
German Pages 348 Year 1988
Linguistische Arbeiten
192
Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner
Manfred von Roncador
Zwischen direkter und indirekter Rede Nichtwörtliche direkte Rede, erlebte Rede, logophorische Konstruktionen und Verwandtes
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1988
C IP- t e lauf n ahme der Deutschen Bibliothek Roncador, Manfred von : Zwischen direkter und indirekter Rede : nichtwörtl. direkte Rede, erlebte Rede, logophor. Konstruktionen u. Verwandtes / Manfred von Roncador. - Tübingen : Nicmeyer, 1988. (Linguistische Arbeiten ; 192) Zugl.: Oldenburg, Univ., Diss,, 1986 NE: GT ISBN 3-484-30192
ISSN 0344-6727
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1988 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt,
VOFWORT
Die vorliegerde Arbeit ist eine überarbeitete und gekürzte Fassung neiner Dissertation, die im November 1986 vom Fachbereich II "Kartnunikation/Ästhetik" der Universität Oldenburg angenommen wurde. Die Redewiedergabe ist einer der Gegenstandsbereiche, für die sich Sprachwissenschaft, Sprachphilosophie und Literaturwissenschaft gleichermaßen seit langem interessieren, freilich häufig, ohne voneinander Kenntnis zu nehmen. Diese Arbeit ist u. a. aus dem Interesse des Sprachwissenschaftlers für die Fragestellungen der Nachbardisziplinen entstanden, und zwar sowohl aus dem Interesse für die Fragen der Sprachphilosophie seit Frege nach dem logischen Status von Sätzen in intensionalen Kontexten als auch aus dem Interesse für die Fragen der Literaturwissenschaft nach den möglichen Beziehungen zwischen Autoren- und Figurensprache. Von zentralem Interesse war allerdings die sprachwissenschaftliche Frage nach den möglichen Ausprägungen der Redewiedergabe in verschiedenen Sprachen und nach den Grenzen dieser Variation. Das Buch wendet sich somit in erster Linie an den an sprachlichen Universalien und Typologie interessierten Linguisten, könnte aber auch den Literaturwissenschaftler und Sprachphilosophen ansprechen. Für das Zustandekommen dieser Arbeit bin ich verschiedenen Personen zu Dank verpflichtet. In erster Linie danke ich meinem Doktorvater, Professor Winfried Boeder (Universität Oldenburg). Er hat die Dissertation in jeder Phase ihrer Entstehung verfolgt, angeregt und kritisiert, wobei seine Anteilnahme, sein Verständnis und seine Geduld für den zögernden und zweifelnden Kandidaten weit über die übliche Fürsorgepflicht eines Betreuers hinausgingen. Mein Dank gilt ferner Dr. Wolfram Bublitz (Universität Trier), der verschiedene Fassungen der Arbeit gelesen und mit wertvollen Kommentaren versehen hat. Schließlich danke ich meiner Frau, Heike von Roncador, die nicht nur persönliche Einschränkungen, sondern auch die mühsame Schreibarbeit auf sich geronnen hat. Fehler und Irrtümer, die zweifellos dem Buch noch zahlreich anhaften, gehen selbstverständlich zu meinen Lasten. Für Hinweise auf Mängel würde mein Dank dem aufmerksamen Leser gelten.
Für meine Tante Hella Braun
INHALTSVERZEICHNIS
VORHORT
V
Abkürzungen der MDrphemübersetzungen
X
1.
EINFUHRUNG
1
1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3
Gegenstand Probleme Methodisches Forschungsumfeld Sprachphilosophische Fragestellungen Literaturwissenschaftliche Fragestellungen Sprachwissenschaftliche Fragestellungen
12 14 16 24 27
1.5 1.6
Aufbau Terminologische und technische Hinweise
3O 31
2.
DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN DIREKTER UND INDIREKTER REDE UND DIE VERSCHIEBUNG DER REFERENZ
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4
Direkte und indirekte Rede in der Grantnatiktheorie Probleme der Repräsentation direkter Rede Die Beziehung zwischen direkter und indirekter Rede in transformationellen Theorien Probleme der Definition der Redewiedergabe Die Verschiebung der Referenz Deixis, Expressiv!tat und andere Verschiebungsbereiche Theorien der Deixis Expressiv! tat Äißerungseingliederung und Verschiebungsmodell
3.
DIE NICHTWÖRTLICHE DIREKTE REDE
88
3.1
Vorbemerkungen
88
3.2
Das Problem einer realistischen Interpretation direkter Rede
89
l 4
34
35 37 44 53 55 66 66 83 85
VIII
3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5
Die Probleme syntaktischer Bestimmungen direkter Fede Direkte Rede und Referenzverschiebung Referenzverschiebung und syntaktischer Status direkter Rede Referenzverschiebung und Funktionen direkter Rede Grenzfälle direkter Rede
4.
DIE ERLEBTE REDE
4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.4 4.4.1 4.4.2
Einleitung Das Phänomen Verbreitung und Auftreten der erlebten Rede Neuere Theorien zur erlebten Rede Die erlebte Rede als diskrete Kategorie Die erlebte Rede als freie indirekte Rede Die erlebte Rede als abgeleitete direkte Rede Personale Deixis und Expressivität in erlebter Rede Temporale und lokale Deixis in erlebter Rede "Autonome" vs. "abgeleitete" Tempora in erlebter Rede Die Tempustransposition in einer Analyse nach Reichenbach
127 128 134 139 14o 144 148 151 170 171 175
4.4.3
Die Gegenwart des Bewußtseinsträgers
183
4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7 4.4.8
192 202 214 22O 227
4.5 4.6
Die Vergangenheit des Bewußtseinsträgers Die Zukunft des Bewußtseinsträgers Analoge Transpositionen Erlebte Rede ohne Tempustransposition Temporal- und lokaldeiktische Mverbialausdrücke in erlebter Rede Die Zuordnung von Kode und Stil in der erlebten Rede Die erlebte Rede als Ausdruck des Ego
5.
DIE IÖGOPHORIK
243
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2
Einleitung Das Phänomen Das Verbreitungsgebiet der logophorischen Formen Der Stand der Forschung Logophorische und nichtlogophorische Funktion der sprachliehen Einheiten und das Problem der Herkunft Formen mit nur logophorischer Funktion Ißgophorik und unabhängige Formen Ijogopborik und emphatisch-reflexive Funktion
243 243 246 247 248
5.2.1 5.2.2 5.2.3
1O2 1O8 18 116 121 127
231 239
248 250 254
IX
5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.3
5.6.1 5.6.2 5.7
Logophorik und Genusklassen Logophorik und erste Person Das Problan der Herkunft Logophorik und funktional konkurrierende Mittel: Vergleich und Abgrenzung Die indirekten Reflexiva Die Schaltreferenz Die Null-Anapher Die vierte Person Logophorik außerhalb des afrikanischen Raumes Die personale Differenzierung der funktional konkurrierenden Mittel Die personale Differenzierung logophorischer Formen Logophorische Markierung aller Personen Logophorische Markierung zweiter und dritter Person Logophorische Markierung der dritten Person logophorischer Einschluß der Pluralformen Logophorische Kombinationen Ungebungsbedingungen logophorischer Formen Die logophorische Konstruktion zwischen direkter und indirekter Hede Logophorische Konstruktionen mit Elementen direkter Rede Logophorische Konstruktionen mit Elementen indirekter Rede Die Logophorik als Ausdruck des Ego
6.
ZUSAWEHFASSUNG UND AUSBLICK
5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.5 5.6
LTTERATOR
259 261 262 264 264 27O 272 273 274 276 278 278 280 282 283 286 287 289 29O 294 295 298
302
Abkürzungen der Morphertfibersetzungen
Die längeren Alternativen dienen gelegentlich der Explikation der Beispiele im Text. 1
2 3 Akk
Erste Person Zweite Person Dritte Person Akkusativ
log M/Mask. Mod Neg
Logcphorisch Maskulinem Modus Negation
Nominal! sator
Aspekt Assoziativ (partikel)
Nlr Nom Cfoj P/P1. Part Poss
Objekt Plural Partikel
Dem
Auxiliar Belebt Dativ Demonstrativ
Det
Determinator
Prs
Präsens
arph
Brphase Femininum
Prt Quot
Futur Gerundium Honorifikum Menschlich Inperativ
QP Ref l. Rel S/Sg. Sbj
Präteriturn Quotativform Zitierpartikel Reflexiv Relativpronomen Singular
Infinitiv Inferentialis Noninalklasse
Sbr SS Subj
Subordinator Selbes Subjekt Subjunktiv
Konnektiv Kopula
T VB
Tenpus, Temporal Verschiedenes Subjekt
Asp Ass Aux BEL
Dat
F/Fem. Put Ger H/Hon HUM
Infin Infer
Kl. Kann Kap
Nominativ
Possessiv (um)
Subjekt
1.
EINFÜHRUNG
Du weißt also auch, daß bis zu diesen Versen, 'und er flebete allen Achaiern, aber zumeist den Atreiden, den zween Heerfürsten der Völker', der Dichter selbst redet und auch gar nicht darauf ausgeh t/ unser Gemüt anderwärts zu wenden/ als ob ein anderer der Redende wäre als er selbst, daß er aber das Folgende redet, als ob er selbst der Chryses wäre, und sich alle ersinnliche Mühe gibt, uns dahin zu bewegen t daß uns nicht Homeros scheine der Redende zu sein, sondern der alte Priester. Platon. Politeia, 393a,b. In der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher.
1,1
Gegenstand
Diese Arbeit befaßt sich mit dem übergangsbereich zwischen direkter und indirekter Rede. Die Konstruktionen der direkten und der indirekten Rede, wie sie uns z . B . in den folgenden Ausschnitten aus einer Tageszeitung begegnen, sind wohlbekannt: (1)
Der Kinderarzt Fabio Serreni aus Mailand trug eine Splitterverletzung an einer Hand davon. "Ich hatte solche Angst", sagte er. "Ich legte mich hin ... Ich hörte das Rat-tat-ta. Rings um mich gab es Schreie und Blut."
(2)
Ein Polizei-Hundeführer, der die Flucht beobachtete, sagte, er habe zunächst Taxifahrer gesehen, die sich in Sicherheit gebracht hätten, und Schüsse gehört. (Augsburger Allgemeine vom 28.12.1985,3.3)
Mit der direkten Rede werden häufig u. a. folgende Eigenschaften in Verbindung gebracht: Fornal steht sie unverbunden vor oder hinter einer Redekennzeichnung, und sie hat die gleichen Möglichkeiten wie ein unabhängiger Satz. Inhaltlich präsentiert sie das Gesagte als wörtliche Wiedergabe, insbesondere sind deiktische Ausdrücke wie die erste Person in {1) und Expressiva auf denjenigen bezogen, dessen Rede, Gedanken oder Absichten wiedergegeben werden; der Reporter in (1) gibt die Rede des Kinderarztes schriftlich wieder, niinnt aber sonst keinen Einfluß auf deren Form oder Inhalt.
2
Die indirekte Rede dagegen wird häufig unter Rückgriff auf ein Verständnis der direkten Bede erklärt, aus der sie umzuwandeln oder (genetisch) abzuleiten sei: Sie wird oft durch ein formales Element (z. B. daß) als Komplement eines Prädikats markiert, das aber auch fehlen kann (wie in (2); sie weist gegenüber unabhängigen Sätzen häufig verschiedene Beschränkungen auf, z, B. in der Wortstellung/ im Bereich der Verbformen (spezielle Modi wie der Konjunktiv in (2) oder infinite normen}, in 6er Reduzierung oder Herabstufung von Argumenten ("Equi-NP-^Tilgung", Akkusativ- oder Genitivmarkierung des zugrundeliegenden Subjekts) usw. Sie präsentiert das Wiederzugebende mit den Worten des Berichtenden, auf den insbesondere die deiktische Orientierung und die Expressiv!tät der indirekten Rede zu beziehen sind; dan Heporter in (2) wird unterstellt, daß er einen mehr oder weniger großen Einfluß auf die Form, weniger auf den Inhalt des Gesagten nennte. Diese in dan meisten Schulgramraatiken so oder ähnlich skizzierte direkte und indirekte Rede, die eine Idealisierung darstellt, bezeichne ich jeweils als ihre "kanonische Form". Wenn man die angeführten Eigenschaften als extreme Jßqlichkeiten der kanonischen Formen zusatttnenfaßt, dann ergeben sich Realisierungen, die Eigenschaften sowohl dar kanonischen Form der direkten Rade als auch der der indirekten Hede enthalten. Drei Fälle, die im Zentrum dieser Untersuchung stehen, seien hier genannt: 1. Die direkte Rede ist keineswegs ganz "immun" gegen Subordination durch Einbettung und gegen "Eingriffe" des Berichtenden. Sie ist in vielen Sprachen formal durch ein Subordinationsmorphem gekennzeichnet. In manchen Sprachen existieren "semi-direkte" Reden, in denen die erste und die zweite Person nicht beide auf dan wiederzugebenden Sprechakt orientiert sind, sondern nur eine der beiden, während die andere Person die Orientierung einer indirekten Rede hat. Femer müssen Ausdrücke wie das und das* der und der oder den und den im folgenden Beispiel als Ausdrucksmittel des Sprechers und nicht als zitierte Ausdrücke interpretiert werden; es geht offenbar nicht um die tatsächliche Zitatgenauigkeit (3)
Wenn meine Schwester mir erzählt: "Stell 1 dir vor, heute hab' ich wieder den und den getroffen", dann schalte ich sowieso ab.
2. Die als literarische Möglichkeit der Rede- und Gedankenwiedergabe bekannte erlebte Kode zeigt gewöhnlich keine Unterordnung und erscheint häufig ohne formale Redekennzeichnung; sie gestattet expressive Ausdrücke und deiktische Ad-
verbien wie hier oder jetzt, die auf den Standpunkt einer Fersen der Handlung bezogen sind, was sie der direkten Rede nahebringt. Andererseits tritt derjenige, dessen Gedanken oder Reden in der erlebten Rede dargestellt werden, als dritte Fersen auf, und die Tenpustransposition der Verbformen ist derjenigen der indirekten Rede ähnlich; vgl. die hervorgehobene Passage in: (4)
Nun kreuzte Doktor Mantelsack im Stehen die Beine und blätterte in seinem Notizbuch. Hanno Buddenbrook saß vornübergebeugt und rang unter dem Tisch die Hände. Das B, der Buchstabe B war an der Reihe! Gleich würde sein Name ertönen, und er würde aufstehen und nicht eine Zeile wissen, und es würde einen Skandal geben, eine laute, schreckliche Katastrophe, so guter Laune der Ordinarius auch sein mochte ... Die Sekunden dehnten sich martervoll. "Buddenbrook" ... jetzt sagte er "Buddenbrook" ... "Edgar" sagte Doktor Kantelsack ... (Thomas Mann, Buddenbrooks, T.11,Kap.2)
3. In vielen Sprachen, hauptsächlich des afrikanischen Kontinents, besteht die Möglichkeit einer Redewiedergabe, in der derjenige, dessen Rede wiedergegeben wird, in dieser durch eine pronominale Sonderform markiert wird. Diese Konstruktion mit logophorischen, speziellen Proncrninalforinen variiert hinsichtlich anderer Eigenschaften sprachspezifisch zwischen einer eher direkten und einer eher indirekten Rede. Hier ein Beispiel aus dem Aghem, in dem die logophorische Konstruktion bis auf die logophorische Form selbst (log) einer direkten Rede entspricht; (5)
wizin 'v« ndz£ ä win nl'ä e qge 'lighä wo Frau, diese sag zu ihm. daß Log. sehr lieb dich, a i D i 3 "the woman said to him that she liked him a lot' bzw. 'the woman said to him "I like you a lot"' (Hyman 1979:51)
Das spezielle Pronomen e bezeichnet eindeutig den Referenten des Subjekts des Übergeordneten Satzes und die Form der zweiten Person wo bezieht sich in diesera Beispiel wie in einer direkten Rede auf das indirekte Objekt des übergeordneten Satzes. Die vorliegende Untersuchung befaßt sich zwar hauptsächlich mit den genannten Erscheinungen, die im angesprochenen Sinne zwischen direkter und indirekter
Es handelt sich um eine Grassland-Bantu-Sprache in Kamerun. Die Einbettung der direkten Rede durch ein unterordnendes Element ist eine durchaus häufige Erscheinung in den Sprachen der Welt und spricht keineswegs gegen eine Interpretation von (5) als direkte Rede (vgl. K a p . 3 ) .
Rede liegen, sie bezieht aber als Extrempunkte die kanonischen Formen der direkten und der indirekten Rede insofern reit ein, als sie die Bezugspunkte der Darstellung liefern. Hauptanliegen dieser Arbeit ist es, einen sprachübergreifenden Rahmen zu erstellen, Innerhalb dessen die genannten Phänomene ihren systematischen Ort finden können. Dieser Rahmen soll gleichzeitig als Grundlage für eine universelle Definition der Redewiedergabe dienen. 1.2
Probleme
Zunächst sollen einige Fragen angesprochen werden, die den Rahmen, die Bezugspunkte, die Richtung und Haa Interesse der vorliegenden Untersuchung verdeutlichen mögen. 1. Es ist zunächst die Präge zu stellen, was für eine Definition von Redewiedergabe sprachübergreifend angemessen sein kann und angestrebt werden soll. Versucht man, wie es häufig geschieht, den Begriff "Redewiedergabe" wörtlich aufzufassen, dann begegnet man sogleich der Notwendigkeit, andere Verwendungsweisen als die Wiedergabe fremder oder eigener Rede aus dieser unterstellten primären Funktion ataleiten zu müssen. Für diese Auffassung spricht die Tatsache, daß eigentliche Redeprädikate wie das vielfach obligatorische neutrale Redeverb 'sagen' oft in Konstruktionen auftreten, die man aus anderen Gründen der Redewiedergabe zurechnen möchte, auch wenn im wörtlichen Sinne keine Rede wiedergegeben wird. Solche Konstruktionen sind allerdings in einem so hohen Maße granmatiXalisiert, daß es unangemessen wäre, auf der synchronen Ebene von abgeleiteten Verwendungsweisen zu sprechen. Andererseits dürfte aber der Versuch, von gemeinsamen formalen Eigenschaften einer Konstruktion der Redewiedergabe auszugehen, ebenfalls auf beträchtliche Schwierigkeiten stoßen, da deren Variationsbreite in verschiedenen Sprachen außerordentlich groß ist. Unter einem universalistischen Gesichtspunkt ist eher eine Definition vorzuziehen, wie sie vielfach in der heutigen UniVersalienforschung anzutreffen ist, die definitorische Eigenschaften nicht gemäß der klassischen Logik als notwendige und hinreichende Bedingungen auffaßt, sondern als skalare Werte, die auf das gegebene Phänomen jeweils mehr oder weniger oder u. U. auch gar nicht zutreffen können. Häufungen der positiven Werte der herangezogenen Eigenschaften werden als fokale Instanzen begriffen, die als t y p i s c h e Vertreter des zu definierenden Begriffs gelten; Phänomene, auf die nur niedrige Werte
von wenigen herangezogenen Eigenschaften zutreffen, werden eher dem Randbereich des Begriffs oder möglicherweise a u c h einem anderen Begriff zugerechiet warden. Man spricht in diesem Zusammenhang von prototypischen Begriffen, die durch die Zugehörigkeit zu einer Menge skalarer Eigenschaften bestirmt werden (vgl. z. B. Ccnries 1981:100-126 Erörterung der Definition des Subjekts durch die skalar verstandenen Bedingungen Agens und "topic"). In dieser Sichtweise sind direkte und indirekte Rede keine fest voneinander abgegrenzten Kategorien, sondern (relative) Grenzwerte, die durch Maxima bestinmter Eigenschaftsskalen erfaßbar sind. Als maßgeblich für die Unterscheidung direkter und indirekter Hede wird hier vor allem der Grad der V e r s c h i e bung pragmatischer Eigenschaften einer Äußerung angesehen. Mit dieser Verschiebung pragmatischer Komponenten sind Fälle angesprochen, in denen kontextbedürftige sprachliche Ausdrücke {z. B. Deiktika) nicht durch die aktuelle Sprechsituation fixiert werden, sondern durch den sprachlichen umgebenden Text; so kann ich in einer direkten Ftede durchaus eine andere Person bezeichnen als den Äußerer der entsprechenden Lautkette oder den Reporter im Beispiel (1). Einige Faktoren, die der Verschiebung ±m angesprochenen Sinne unterliegen können, sind im Schema (I) aufgeführt i (1} Verschiebung pragmatischer Eigenschaften Maximum < DR
> Minimum 2
LK
ER
IR
-t-
+ -
+ -
IlLokution Sprecher
+ +
Ego
+
+
+
Angesprochener
-t-
+
(-)
Ort
+
+
+
+ -*-
+ +
+ -
Zeit adverbial verbal
-
Die Verschiebungseigenschaften, die den einzelnen Redewiedeigabekategorien zukamen, sowie Abweichungen werden in den jeweiligen Kapiteln und insgesamt in der theoretischen Diskussion des Kapitels 2 behandelt. Daher seien an dieser Stelle nur einige Verständnishilfen gegeben.
Die Abkürzungen stehen für: direkte Rede, logophorische Konstruktion, erlebte Rede und indirekte Rede.
Die Gemeinsamkeit der verschiedenen Kategorien der Redewiedergabe kann in der Verschiebung der Illokution gesehen werden, d. h., wer in einer Redewiedergabe fremde Behauptungen, Fragen oder Aufforderungen wiedergibt oder eigene, die er zu einem anderen Zeitpunkt geäußert oder gedacht hat, der überninint in der Regel nicht die Verpflichtungen, die mit den betreffenden illokutionären Akten verbunden sind. Eine Konstruktion allerdings, die syntaktisch häufig dem Master der indirekten Rede folgt, nämlich die Konstruktion expliziter performativer Sätze, hätte, wollte man sie der Redewiedergabe zurechnen, auch die Verschiebung der Illokution auf zuweisen. Zum anderen Extrem hin könnte man ein Maxinum an Verschiebung im Rollenspiel bzw. in den dramatischen Literaturgattungen sehen, wo sozusagen auch der Äußerungsakt verschoben ist. Die Differenzierung zwischen "Sprecher" und "Ego" wird später (2.3} ausführlich zu erläutern sein. "Ego" ist ein von McCawley (1977) überncnmener Terminus, der hier für eine zeichentheoretisch begründete Kategorie verwendet wird, die den Redenden im Objektsbezug bezeichnet, als "Person" und Bewußtseinszentrum, das seine inneren Zustände zum Ausdruck bringt. Psychoanalytische Anklänge sind nicht beabsichtigt. Davon wird der Zeichenbezug unterschieden, der den Redenden als Ausführenden eines Redeaktes kennzeichnet und der 2eichenreflexiv verwendet werden kann, sowie der Interpretantenbezug, der den Redenden in seiner sozialen Rolle definiert. In der Regel fallen diese drei Aspekte zusammen; •iah bezeichnet im Standardfall sowohl denjenigen, der den Redeakt ausführt, als auch die sich ausdrückende Person und denjenigen, der eine bestimmte soziale Rolle in der Redesituation einninmt. Es ist eine These dieser Arbeit, daß der als "Ego" bezeichnete Cfojektsbezug sich auch unabhängig manifestieren kann, und zwar beispielsweise in der erlebten Rede und in der logophorischen Konstruktion (dort kamt ihm allerdings im Gegensatz zur erlebten Rede auch der Interpretantenbezug zu). In der logophorischen Konstruktion kann der Ausdruck für den Angesprochenen der Verschiebung unterliegen; so enthält (5) gleichzeitig eine logophorische Form (die ein 'ich'der direkten Rede ausschließt) und ein 'du' mit der Orientierung der direkten Rede. Bei der erlebten Rede dagegen spielt der Faktor des Angesprochenen keine Rolle. Das liegt daran, riaft die erlebte Hede ebensowenig wie der direkte innere Monolog nach dem Hister einer Kcrtmanikation dargestellt wizd, sondern Haft sie auch dort, wo sie auf Gesprochenes Bezug nirrmt, dieses als bloß intern Wahrgenatmenes darstellt (vgl. 4.3). Bei der zeitlichen Verschiebung werden zwei Fälle unterschieden: die Verschiebung bei adverbialen deiktischen Ausdrücken in den Sprachen mit einem verbalen
Tempussystem und die Verschiebung im verbalen Bereich. Während in der logophorischen Konstruktion gewöhnlich die Tenpora der direkten Rede auftreten (soweit man in den betreffenden Sprachen von Tenpora sprechen kann), finden sich in den Sprachen, die die literarische Form der erlebten Bede kennen und soweit sie hier berücksichtigt werden konnten, in dieser Form der Redewiedergabe neist Tanpusformen, die nicht urmittelbar die Perspektive des Helden darstellen und die in manchen Sprachen mit den Tenpusformen der indirekten Itede identisch sind (vgl. 4.4). Funktional betrachtet decken die verschiedenen Fönten der Redewiedergabe einen Bereich ab/ der von der Bezugnahme auf innere Aktivitäten (auf Akte des Denkens, Wahmehtrens oder Wbllens) über die Bezugnahme auf sprachliche Handlungen zur Darstellung (sinnlich wahrnehmbarer) nichtsprachlicher Aktivitäten oder Ereignisse (z. B. Natur lauten) reicht. Das, was andere ifenschen wahrnehnen, denken oder wollen, erschließt sich uns in der Hegel über ihr sprachliches und nichtsprachliches Verhalten. Andererseits wird häufig das, was uns an sinnlich wahrnehmbaren Naturereignissen charakteristisch erscheint, in eine sprachliche Form gebracht, die ein Verb wie 'sagen1 mit einer charakterisierenden Form {häufig ein cnctnatqpoetisches oder ideophonisches Element) enthält. Diesen funktionalen Bereich nenne ich die "Skala der Innerlichkeit". Die Werte dieser Skala korrelieren umgekehrt proportional zu dem durch unsere Erkermtnisnbglichkeiten gegebenen Zugang zu den genannten Aktivitäten. Dem Schnittpunkt dieser geläufigen Skalen Iä6t sich diejenige Redewiedergabe zuordnen, deren Objekte Warte sind und die durch Verben für sprachliche Handlungen charakterisiert wird. (II) Innerlichkeit^- und Zugänglichkeitsskala + innerlich
+ zugänglich
- zugänglich
- innerlich
wiedergegeben werden:
Gedanken, Wahrnehmungen, Intentionen
Verben der Wiedergabe:
denken, glauben ,.. vollen, wünschen ... sehen, hören ...
Formen der Redewiedergäbe:
IR, ER [DR)
Worte
sagen ,.. fragen, .bitten
IR, DR
"Werke" (charakteristische Eigenschaften, Formen, Laute)
sagen, machen .(faire, go) (DR) sagen'-Konstruk tionen 1
8
Die Verknüpfung der Ausdrücke, die gemäß dem Schema (l) der Verschiebung unterliegen, mit den Verbtypen, die in (II) exemplarisch der Skala der Innerlichkeit zugeordnet wurden, wird als wesentlich für eine universell brauchbare Definition von Redewiedergabe aufgefaßt. Die zentrale Instanz könnte in der Verknüpfung eines Verbs wie 'sagen' mit "verschobenen" Ausdrücken gesehen werden, die auf den Redeakt Bezug nehmen. Beide Eigenschaften können gemäß der Profcotypkanzeption von Redewiedergabe als graduelle Eigenschaften mehr oder weniger oder auch gar nicht zutreffen. So verstanden gehören sowohl die direkte Rede {1) als auch die indirekte Rede (2) zu den zentralen Instanzen von Redewiedergabe, wobei in (1) mehr Verschiebung stattfindet als in (2). Zu den Randbereichen hinsichtlich der durch die Verbtypen repräsentierten Eigenschaftsskala wurden Ausdrücke zählen, die nicht mit einem Äußerungsverb oder kognitiven Verb, sondern mit einem nominalen metasprachlichen Ausdruck verknüpft sind, wie der Satz, das Wort, der Ausdruck; da in diesen Kontexten die Ausdrücke nicht gebraucht, sondern nur erwähnt werden, und als sogenannte autonym verwendete Ausdrücke Namen ihrer selbst sind und nicht ihre sonstige Referenz haben, lassen sich Fälle wie das Wort "aow" zu den Verschiebungsphänonienen und so in einem weiteren Sinne zur Redewiedergabe rechnen. Randphänomene hinsichtlich der Skala der Verschiebung pragmatischer Eigenschaften wären einerseits, wie erwähnt, explizite performative Sätze, andererseits die sogenannten 'sagen'-Konstruktionen, die der Wortbildung dienen; z. B. der Ableitung von Verben aus Nomina oder aus Interjektionen mit einer Form des Verbs 'sagen1 (in vielen Sprachen Äthiopiens) oder die Konstruktion von Cnomatopoetika oder Idecphonene mit 'sagen* (in vielen voneinander unabhängigen Sprachen der Erde}. Randphänomene hinsichtlich beider Eigenschaftsskalen wären z. B. Konplementsätze nach faktiven {vergessen, bedauern) oder implikativen Verben (lassen, verhindern) t die einige Gemeinsamkeiten mit Äußerungs- bzw. kognitiven Verben haben (vgl. Given 198O). Auf der formalen Ebene schließlich zeigt der Variationsbereich der Redewiedergabe Ähnlichkeiten mit skalaren Konzepten, die mit Abhängigkeit, Unterordnung und mit kategorialen Übergängen (Noninalisierung) zu tun haben. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die semantosyntaktische Skala der "Bindung" bei Givon (1930), die Skala der zunehmenden "Typisierung von Propositionen" bei Chr.Lehmann (1982) oder die Versuche, den Begriff der Unterordnung gemäß einer Theorie der Prototypen zu klären (Haiman/Ihompson 1984) oder durch die Begriffe der Abhängigkeit und Einbettung zu ersetzen (Van Valin 1984).
Zu den formalen Mitteln, die die Eingliederung der wiedergegebenen Reife in ihren Kennzeichnungsteil markieren können, zählen: Intonation, Zitierpartikel, Subordinatoren, Verbalaffixe und Derivationsaffiste. Zunehmende Eingliederung äußert sich in der Reduktion modaler, aspektueller und tenporaler Möglichkeiten (bei Givön 198O als "freedcro of action" bezeichnet), in der Reduktion von Argumenten (z. B. dan Acl im Lateinischen) und in der Reduktion der Person {bei Given "freedom of agent"). Die genannten Mittel können zwar alle auch in der Redewiedergabe auftreten, sie sind aber mit Ausnahme der Zitierpartikel nicht auf diesen Zusammenhang beschränkt. Auf formale Definitionen verschiedener Fönten der Redewiedergabe werde ich später im einzelnen noch eingehen. 2. Diese Arbeit wird sich mit der Redewiedergabe hauptsächlich unter dem Aspekt der Verschiebung pragmatischer Eigenschaften auseinandersetzen, wie sie in (I) skizziert wurde. Damit ist bereits die Frage nach don systematischen Ort des Modells der Redewiedergabe angesprochen, das hier entwickelt werden soll. Indem dieses Modell mit der Verschiebung pragmatischer Korrelationen von der aktuellen Sprechsituation auf eine kontextuell gegebene Situation das Spektrum der Redewiedergabe bestimmt, bedient es sich pragmatischer Kategorien zur Erklärung formaler Eigenschaften verschiedener syntaktischer Konstruktionen. Bei den herangezogenen pragmatischen Kategorien handelt es sich um solche, die gelegentlich in die semantische Beschreibungsebene aufgenommen werden; so wird z. B. die Indexikalität von Äußerungen in theoretischen Modellen, die in der Nachfolge Montagues stehen, in einer Satantik der Äußerungen beschrieben (Kutschera 1976:151ff.). Da diese theorieabhängige Abgrenzung der Ebenen die hier behandelten Probleme nicht direkt berührt, werde ich weiter von pragmatischen Faktoren sprechen, ohne damit eine eventuelle Einbeziehung in eine semantische Theorie auszuschließen. 3. Sieht man von einigen speziellen Analysen der indirekten Rede im Rahmen der kategorialen Grammatik ab, so wurden die meisten Theorien jüngerer Zeit zur Redewiedergabe in transformationeilen Grammatikmodellen entwickelt. In der Auseinandersetzung mit diesen Entwürfen bedient sich die vorliegende Studie zwar auf weiten Strecken des Beschreibungsinventars der Transformationsgrammatik, verfolgt aber nicht speziell die Möglichkeit der Darstellung der Redewiedergabemittel in einer transformationeilen Theorie. Die Arbeit ist vielmehr universalgrammatisch orientiert, d.h. von der Suche nach den Grenzen sprachlicher Variabilität und deren Begründung geleitet. Sie lehnt sich dabei an neuere For-
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schungen an, die die Grenzen sprachlicher Variation bestimmter Eigenschaften auf funktionale Prinzipien zurückzuführen trachten, wie in den von Seiler (1973, 1978), Lehmarm (1984:31-42), Oonrie (1981:22-27) oder Lieb (1978;176ff.) umrissenen Theorien. 4. Die Frage nach den Funktionen der Redewiedergabe ist im Zusammenhang mit deren definitorischen Eigenschaften bereits angesprochen worden. Als Funktion der Redewiedergabe wird die Darstellung der Gegenstände von Aktivitäten, die auf der Skala der Innerlichkeit angeordnet sind, angesehen. Als unmittelbare Phänomene des Inneren gelten trivialerweise die inneren Zustände, Ereignisse oder Aktivitäten bzw. deren Gegenstände selbst, z. B, Gefühle, Empfindungen, Gedanken usw. Als mittelbare Ausdrucksnöglichkeiten des Inneren können sprachliche Handlungen und in geringerem Maße nichtsprachliche Handlungen und Ereignisse gelten. Von den Zugangsnöglichkeiten her gesehen gilt eine umgekehrte Reihenfolge, so daß, unter Einbeziehung der Skala des Zugangs, Bedewiedergabe als Darstellung des Freitdinneren aufgefaßt werden kann, deren Punktion um so besser erfüllt wird, je weniger die Werte der beiden Skalen voneinander abweichen, vergleiche Sehern (II) oben. Eine typische Redewiedergabe liegt dementsprechend sowohl hinsichtlich der Unmittelbarkeit des Inneren als auch hinsichtlich des Zugangs zum Fremdinneren in der Mitte der jeweiligen Skala, also bei dem, was andere sagen. Der allwissende Autor, der einen privilegierten Zugang zum Inneren seiner Figur hat, kann nach diesem Verständnis auch über eine gute Darstellung des Freraünmeren selbst verfügen; die erlebte Rede wäre ein solches Mittel. Aber vom Standpunkt der Skalen aus ist die erlebte Hede nicht idealtypisch, sondern an spezielle Bedingungen gebunden (vgl. 4.6). Nach dem Muster des Sagens werden in verschiedenen Sprachen konventionell auch andere Aktivitäten kodiert, die auf der Skala der Innerlichkeit an sich an anderer Stelle stehen. Dazu zählen zum einen die Kodierungen von an sich innerlichen Intentionen in finalen Kontexten oder zur Begründung von Handlungen und zum anderen die Kodierung dessen, was als "Naturlaut" oder als anderes sinnlich wahrnehnfoares Ereignis ohne einen Sprecher auftritt (vgl. dazu im Paradigma der direkten Rede 3.4 und 3.5). 5. Wie erwähnt, wird diese Arbeit die verschiedenen Formen der Redewiedergabe hauptsächlich in Hinblick auf die Verschiebung pragmatischer Eigenschaften untersuchen. In diesem Zusammenhang ist zu fragen, welche Variablen beteiligt sind und wie sich der Bezugspunkt für die Verschiebung auffassen Iä0t. Es muß vor allem auf die Beteiligung der Deiktika und Expressive eingegangen werden,
aber auch auf andere Faktoren wie die Verpflichtung/ die jeweils mit der illokutionären Jtolle verbunden ist oder die Verantwortung für die Festlegung der Referenz oder für den Kode (2. Kapitel). Als Bezugspunkt für das Verschiebungsmcdell soll eine zeichentheoretisch begründete Analyse der Deixis dienen, in der unterschieden wird zwischen priirären sprechaktbezogenen deiktischen Kategorien (d. h. ihren Zeichenbezug, der auch zeichenreflexive Funktion haben kann) und sekundären "relationalen" deiktischen Kategorien (d, h, ihrem Objektsbezug, der in unabhängiger Rede mittelbar über den Zeichenbezug gegeben ist: ioh bezeichnet meine Person mittelbar dadurch, daß ich das Zeichen gebrauche) . Dementsprechend soll gezeigt werden, daß diese zeichentheoretischen Unterscheidungen sich durch die Eigenschaften verschiedener Formen der Redewiedergabe manifestieren. 6. Eine wichtige Frage ist die nach den Beziehungen, insbesondere den Implikationsbeziehungen, zwischen den Variablen verschiedener Formen der Redewiedergabe, Wie zu erwarten ist, hat die personelle Deixis eine Schlüsselrolle: Verschiebungen in diesem Bereich duplizieren Verschiebungen in anderen Bereichen. Innerhalb der personalen Deixis ist die Situation nicht ganz so eindeutig: Zwar impliziert eine Verschiebung der Referenz bei der ersten Person in der überwiegenden Mahrzahl der Fälle auch eine Verschiebung der zweiten Person, aber zumindest eine Ausnahme ist in jüngster Zeit bekannt geworden (Rioe 1986; vgl, 3.53. Die zweite Person steht gewöhnlich je nach Zuordnung entweder als Nichtsprecher in exposition zur ersten Person oder als Kcnminikationsteilnehroer mit der ersten in Opposition zur dritten Person: Beispiele für die erste Alternative finden sich häufig in der Markierung der Logophorik und anderer Mittel der Referenzfi-xierung zwischen aufeinanderfolgenden Sätzen, insofern als zweite und dritte Person in einer Form zusammengefaßt sind; umgekehrt sind in der erlebten Rede (in unpersönlicher Erzählung) erste und zweite Person in ihrer konrunikativen Rolle gleichermaßen ausgeschlossen (4.3). Einige speziellere Implikationen lassen sich noch im Bereich logophorischer Markierung erschließen (siehe 5.5). Aus der unterschiedlichen Forschungslage in den eingangs genannten Untersuchungsbereichen (1.4) ergeben sich unterschiedlich weit gesteckte Ziele 6er vorliegenden Arbeit. Sie ist u. a. ein Versuch, die unterschiedlichen disziplinären Forschungsrichtungen der Sprach- und Literaturwissenschaft und der Sprachphilosophie zum Phänomen der Redewiedergabe zueinander in Beziehung zu setzen. Selbstverständlich kann und will diese Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit
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der Erfassung des Porschungsstands erheben. Dennoch könnte die Einbeziehung philosophischer und Literaturkritischer Darstellungen zu den in engerem Sinne sprachwissenschaftlichen Problemen vielleicht dazu beitragen, das Problembewußtsein der einen Disziplin möglicherweise für die andere fruchtbar zu machen. So ist ftea außergewöhnlich gut dokumentierte Phänomen der erlebten Rede vor allem TOR der Literaturwissenschaft bearbeitet worden, ohne daß die Sprachwissenschaft davon sonderlich Kenntnis nahm, und das Phänomen der Logophorik ist außerhalb eines afrikanischen Spezialistenkreises veitgehend unbekannt. Bei der von Sprachwissenschaftlern häufig als unergiebig vernachlässigten direkten Rede ging es u. a. um die Darstellung ihrer formalen und funktionalen Itöglichkeiten, die weit über die gewöhnlich vorausgesetzte Wörtlichkeitsbedingung hinausgehen. Bei der erlebten Bade galt es, die Voraussetzung der literaturwissenschaftlichen Frage: "Wer spricht?" anhand der formalen Eigenschaften der Konstruktion zu hinterfragen. Bei der Logophorik galt es überhaupt erst, die aus einzelsprachlichen Untersuchungen bekannten Fakten in einen sprachübergreifenden Rahmen zu bringen, um zu einer Einschätzung des Phänomens zwischen den Polen der direkten und indirekten Rede zu gelangen. Dsn typologisch-universalistischen Interesse dieser Arbeit entsprechend soll über die Auslotung der Nöglichkeiten der Redewiedergabe hinaus, was an sich bereits ein Desiderat darstellt, die Ergiebigkeit und die Brauchbarkeit des theoretisch entwickelten Modells der Redewiedergabe samt seiner Grenzen dargestellt werden. 1.3
Methodisches
Die Subtilität der angesprochenen Erscheinungen erforderte in weiten Teilen der Arbeit ein philologisch-interpretierendes Bearbeiten des Materials. So sird bei der Beschreibung der erlebten Rede, auch wenn es sich dabei möglicherweise nicht um ein ausschließlich literarisches Phänomen handeln sollte, die gängigen sprachwissenschaftlichen Befragungstechniken nur begrenzt nutzbar, und auch die eigene Intuition als kompetenter Sprecher führt nur selten zu entschiedenen urteilen. Es wurde aber versucht, die an Beobachtungen reiche Spezialliteratur zu diesem Phänomen, die zu einem großen Teil literaturwissenschaftlich orientiert ist, nach sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten auszuwerten und durch gezielte Lektüre einzelner Autoren zu ergänzen, die dieses Mittel entweder häufig oder in spezieller Weise verwenden. Bei der Inventarisierung der Redewiedergabefornen in verschiedenen Sprachen mußte ich vor allem auf deskrintive Grammatiken
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und Sprachbeschreibungen sowie die relativ spärliche Spezialliteratur zu Redewiedergabephänomenen in Einzelsprachen zurückgreifen. In vielen Fällen finden sich in den Gramnetiken nur wenige und sehr allgemein gehaltene Bemerkungen zur Redewiedergabe, was mit der häufigen Vernachlässigung der Syntax allgemein und im besonderen mit dem Status der direkten Rede zu tun hat, die in vielen Sprachen als eine Erscheinung zwischen Satzgrammatik und Textgrammtik auftritt. Daher brauchte ein großer Teil der konsultierten Werke in dieser Arbeit nicht explizit genannt zu werden. Da es hier vor allem auf die nicht-kanonischen Formen direkter und indirekter Rede ankam, wurde auch darauf verzichtet, auf die Sprachen, die offenbar keine Zwischenformen kennen, näher einzugehen. Zusätzlich zu den deskriptiven Arbeiten wurden gelegentlich analysierte Texte herangezogen, vorzugsweise natürlich dort, wo interessante Zwischenformen existieren. Eine Arbeit wie diese, die sich um typologische und universelle Eigenschaften der Redewiedergabe benüht, kann schwerlich durch Informantenbefragungen gefördert werden. Auch die Natur der angesprochenen Erscheinungen, die häufig zu ihrem Verständnis einen weiten sprachlichen Kontext benötigen, spricht gegen die üblichen Befragungsmethcden. Die gleiche Skepsis ist auch gegenüber der Möglichkeit einer Fragebogenaktion mit gezielten Fragen an Fachwissensehaftler einer repräsentativen Auswahl an Sprachen am Platz; auch diese nüßten ja zur Ergänzung ihres Wissens Leute befragen. Sorgfältiges philologisch-interpretierendes Vorgehen scheint hier erfolgversprechender als ausgefeilte Befragungstechniken. Ein weiteres methodisches Problem besteht darin, daß das Arbeiten mit sekundären Quellen von Sprachen, die man nicht kennt, verschiedener Kritik standhalten miß. Zum einen begegnet nan der Skepsis, ob auf diese Art und Weise überhaupt Signifikantes zu erfahren sei, und zum anderen ist nicht auszuschließen, daft fehlerhaft interpretiert wird, vorhandene Fehler nicht bemerkt oder potenziert werden. Zum zweiten Punkt gibt es nur die Antwort, daß sorgfältiges Studium und die übergreifende Perspektive manchmal hilft, gewissen Aussagen skeptisch gegenüberzustehen und unbelegte Kategorien nicht unbesehen zu übernehmen. Hinweise auf Lücken, Widersprüche und nicht berücksichtigte Fälle finden sich denn auch an mehreren Stellen. Dennoch kann ich natürlich nicht ausschließen, daß sich noch andere Fehler in der jeweiligen Quelle oder in meinem Verständnis finden lassen.
Gerade bei den Erscheinungen der erlebten Rede oder der Logophorik sind Zweifel angebracht, ob die groben Raster mit zu übersetzenden Beispielen d i r e k t e r und indirekter Rede in verschiedenen Personen {z. B. bei Noonan 1985:138) überhaupt die möglichen Übergänge ans Licht bringen können.
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Dem ersten Kritikpunkt ist schwerer zu begegnen. Chr-Lehmann (1984:15), der sich bei seiner universalgrantratischen Behandlung des Relativsatzes dieser Problematik stellt, meint dazu: "Es handelt sich gar nicht in erster Linie darum, über eine Einzelsprache etwas herauszubringen, sondern darum, Has Bekannte in umfassendere, zwischsnsprachliche Generalisierungen einzubetten." Damit ist die angesprochene methodische Skepsis, die wohl letztlich in gewissen über4 Zeugungen zur Analysierbarkeit und Übersetzbarkeit fremder Sprachen wurzelt, nicht zu entkräften. Nur bleibt, will man Vergleiche ziehen, keine andere Wahl. "Denn der Sprachvergleich bietet methodischen Zugang zu einer Erkenntnisquelle, die in der Sprachwissenschaft nicht verzichtbar ist und sich auf andere Weise nicht erschließt." (ib.) 1.4
Forschungsunifeld
Die vorliegende Arbeit soll bei aller Fülle der herangezogenen Literatur kein Forschungsbericht sein. Trotzdem soll in diesem Abschnitt eine allgemeine Orientierung gegeben werden, da die Literatur später nur noch punktuell besprochen werden kann. Das Hauptgewicht wird auf angrenzenden Fragen der Philosophie, Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft liegen. Doch zunächst sollen einige Arbeiten erwähnt werden, die dem vorliegenden Ansatz wenigstens entfernt nahestehen. Der hier verfolgte Ansatz, die "kanonische" direkte und indirekte Rede als Extreme einer Skala von verschiedenen Hsalisierungsmbglichkeiten aufzufassen und die dazwischenliegenden Formen in einem einheitlichen Rahmen zu beschreiben, hat bisher nur sehr wenig Parallelen. Es gibt einige Arbeiten, die sprachintern die Redewiedergabe als eine Art Kontinuum mit verschiedenen Realisierungsmöglichkeiten auffassen. Zu nennen wäre beispielsweise Herrmann (1973), der für den Rahmen der Realisierung der Redewiedergabe ein Kriterium erwähnt, das der hier {2.2} vorgeschlagenen Referenzverschiebung ähnelt, nämlich Hgp mindestens in einem Punkt vom "Ich-Jetzt-Hier
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Als Hauptvertreter dieser skeptischen Grundhaltung aus. verschiedener Motivation und in verschiedener Ausprägung sind zu nennen Online (J.96O) mit der These von der Unbestimmtheit der Übersetzung und Whorf (1956) mit dem linguistischen Relativitätsprinzip,
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der aktuellen Sprechsituation" abgewichen wird. Von literaturwissenschaftücher Seite kommt der Vorschlag von McHale {1978:238f.}, der auf frühere Ideen von Hemadi (1972) zurückgeht, wonach die platonischen Begriffe 'Mimesis' und 'Diegesis' als Endpunkte einer Skala von Erscheinungen aufzufassen seien. Diese Skala enthält u. a. erlebte Rede und direkte und indirekte Hede. An einem Ende der Skala befindet sich nach McHale der innere Monolog der ersten Person und am anderen Ende die bloße Erwähnung der Tatsache, daß sprachliche Handlungen stattfinden {"diegetic summry). Diese anf literaturwissenschaftliche Bedürfnisse abgestellte Skala ordnet die Erscheinungen sicherlich richtig ein, unklar bleibt jedoch, nach welchen Prinzipien diese Einordnung erfolgt. Ebenso fehlen bei McHale die der Literaturwissenschaft fremden, eher formal definierten Erscheinungen wie logophorische Formen und andere. Auf diesen und andere Versuche, den Status der erlebten Rede zwischen direkter und indirekter Rede zu klären, werde ich im 4. Kapitel noch zu sprechen kommen. Sprachübergreifend gibt es m. W. bis heute keine Untersuchung zur Redewiedergabe. Irmerhin fordert das Questionaire von Comrie/Smith (1977) für eine Reihe deskriptiver Gramretiken ausdrücklich eine Stellungnahme zur Redewiedergabe in der jeweiligen Sprache, so rfoP damit ein Grundstein für vergleichbare Daten gelegt ist. Auch der kürzlich von Coulraas (1986) herausgegebene Sammelband mit Beiträgen zur direkten und indirekten Rede in verschiedenen Sprachen 2eigt das zunehmende Interesse an den Variationsmöglichkeiten der Redewiedergabe. Was die formalen Einbettungseigenschaften bei der Redewiedergabe betrifft, so gibt es Berührungspunkte mit Chr.Lehmanns (1982) funktionaler Kategorie der 'Vergegenstandlichung eines Sachverhalts", die die unterschiedlichen Grade der 'Vergegenständlichung" von Konplementsatzen, Infinitivkonstruktionen und Noninalisierungen erfassen soll. Betrachtet man z. B. die Position eines e Zeichenereignis zeichenreflexiv identifizierbar ist/ und der Person s. Frei ( 1 9 4 4 ) . Zu Einflüssen des personaldeiktischen Systems auf syntaktische Entwicklungen s. Galton (1977) und Kuryiowicz (1972). Vom Standpunkt der Markiertheitstheorien aus, die Verbreitung, Resistenz gegen sprachlichen Wandel, "Einfachheit" usw. als Hinweis auf relative Unmarkiertheit ansehen, ist die dritte Person markierter als die zweite und diese markierter als die erste, s. Mayerthaler (1981). 71
In der konstruierten Sprache würde der Sprecher auf sich bzw. auf den Angesprochenen mit kennzeichnenden Ausdrücken referieren, z. B. mit der Herr, der Diener, deren Gebrauchsbedingungen dieselben wären wie bei der Referenz auf dritte Personen. Die Sprecher- und Hörerrolle wäre in einer solchen Sprache nicht im Sprachsystem kodiert, dennoch wäre es in ihr möglich, erfolgreich auf die Kommunikationspartner zu referieren. Daß "ich" nicht den Referenzbedingungen von Namen und Kennzeichnungen entspricht, beinhaltet auch Harwegs Konzeption der personalen Deixis als "rollentheoretische Örter"; zu weiteren philosophischen Überlegungen in dieser Richtung s. Castaneda (1968) und Parret (198O). Die personaldeiktische Kategorie gehört zu den sprachlichen Universalien (Hockett 1963:21) und zählt nach Comries ( 1 9 8 1 : 1 5 f f . ) Klassifikation möglicher sprachlicher Universalien zu den absoluten, substantiellen und pragmatisch motivierten Universalien.
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des Sprechers, die als Bewußtseinszentrum ihr Inneres zum Ausdruck bringt, sowie der Sprecherrolle, die die soziale Relation zu einem Angesprochenen herstellt. In einem zeichentheoretischen Bezugsrahmen lassen sich diese Unterscheidungen mit dem Zeichen-, dem Objekts- und dem Interpretenbezug von iah identifizieren. In einer Sprache, die ioh und du durch Kennzeichnungen ersetzt, wie in der erwähnten von Lyons (1977) entworfenen Quasisprache könnte durch die Kennzeichnung der Sprecher als Person und in seiner sozialen Rolle bezeichnet werden, sie würde den Sprecher aber nicht unmittelbar als Ausführenden des itedeaktes bezeichnen (es war vorausgesetzt, plötzlich}, die Bewertung von eigenen Handlungen oder Erfahrungen durch die Stellungnahme anderer, die Darstellung von angreifbaren Ansichten zu Argumentationszwecken und viele andere. Auf konventionalisierte Funktionen direkter Rede zur Darstellung von Fremdinneren, die nicht notwendig sprachliche Äußerungen dupliziert, werde ich im sprachübergreifenden Zusammenhang noch zu sprechen können. Die unvermittelte Darstellung innerer Zustände anderer in der direkten Rede beinhaltet, daß sie in entscheidender Hinsicht außerhalb des Verantwortungsbereichs des Sprechers liegt. Aus dem Verantwortungsbereich des Sprechers verschoben sind in der direkten Bede sprecherrelative Kategorien wie Referenzzuweisung, Wahrheitsanspruch, Emotivität oder Definitionen des sozialen Status (vgl. 2.2). Dieser pragmatischen Unabhängigkeit vom Sprecher entspricht einerseits die oft hervorgehobene seraantische Unabhängigkeit der direkten Rede von ihrer [Ingebung: Sie weist keine wahrheitsfunktionale Relation zur Redeeinleitung auf, sie ist der Paraphrase entzogen, sie stellt das Paradebeispiel eines nach philosophischem Sprachgebrauch nur de-d-iato-interpretierbaren Kontexts dar, indem in ihr sowohl die Substitution referenzidentischer Ausdrücke salva veritate als auch der Schluß auf die Existenz des Referenten eines referierenden Ausdrucks unzulässig sind. Andererseits spiegelt diese pragmatische Unabhängigkeit die besondere Art der Einbettung direkter Rede wieder. Wie oben angeführt (2.1), weist die direkte Rede viele Merkmale unabhängiger Sätze auf, kann sie sogar Formen enthalten, die nicht dem Sprachsystem ihrer Ungebung angehören, steht sie in vielen Sprachen in unverixmdener Konstruktion bei einer Redekennzeichnung und
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In ihren Untersuchungen zu oralen narrativen Texten bemerkten Labov/Waletzky ( I 9 6 7 i 3 7 f f . } , daß die Bewertung von persönlicher Erfahrung, die sie als "evaluation of a narrative" bezeichnen und in der die Einstellung des Erzählers zur Erzählung zum Ausdruck kommen soll, häufig durch einen anderen Beteiligten ausgedrückt werden kann.
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Wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird, gibt es allerdings direkte Reden, die Formen aufweisen, die auf den Sprecher zu beziehen sind.
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in unterschiedlichen Formulierungen auf die besondere Natur der Eingliederung direkter Rede haben u, a. Partee (1973a), Banfield (1973) und Körner (1977) hingewiesen; s. oben 2.1.
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ist oft nur durch die Intonation oder durch graphische Auszeichnung gegenüber der Sprecherrede bzw. der Autorensprache unterschieden. folgenden Abschnitt sollen einige der formalen Eigenschaften, die als definitorische Kennzeichen direkter Rede gelten, zunächst anhand deutscher Beispiele kritisch betrachtet werden. 3.3
Die Probiene syntaktischer Destiimungen direkter Rede
In einigen Arbeiten zu Konstruktionen der direkten Rede wird diese durch strukturelle Eigenschaften bestintnt. So verweist Partee (1973a) in ihrer mtersuchung zur direkten Rede auf ein begleitendes Verb des Sagens und auf die Bormgleichheit der direkten Rede mit unabhängigen Sätzen: 18 The main concern here will be with sentences in which a verb of saying is in construction with the direct quotation of a whole sentence, as in (1): (1) The other day Tom said to me, "My grandfather was killed with a knife by a bachelor" Such constructions are not intuitively very problematic looking. The verb "say" raises none of the semantic puzzles of "know" or "believe" ... and the syntax of the embedding could hardly be simpler - a quoted sentence has exactly the form it would have as an independent one. (Partee 1973a:41O).
Faßt man diese beiden Charakteristika - Konstruktion mit einem Redeverb und formale Identität init einem unabhängigen Satz - als konstituierend für die fßglichkeiten der direkten Rede auf, so ergeben sich folgende Probleme: Auch in der gesprochenen Sprache ist die direkte Rede nicht nur auf die Konstrukticn mit den eigentlichen Verben des Sagens 19 beschränkt, wie folgende Beispiele zeigen: (14)
... und da hab ich mir schon mal gedacht s+ vie wird das?, wenn er mal wieder mitkriegt, daß wir weggehen +s (Texte 1975:33).
(15)
... aber ich hätte an ihrer Stelle dann die ganzen vier Wochen Angst s4 Mensch, wird uns nichts geklaut? +s (Texte 1975:54).
18 Ähnlich bestimmt auch Banfield (1973:27} direkte Rede durch eine Klasse von "Kommunikationsverben" und {mit Hilfe ihres -Begriffs) durch die Identität mit unabhängigen Sätzen (vgl. oben 2.1). 19
Verschiedene Bedeutungen von "sagen 1 auf dem Hintergrund von Austins Unterscheidung der Sprechaktebenen diskutiert Frye (1976).
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In (14} steht die direkte Rede nach einem Verb des Denkens und in (15) nach einem intransitiven Qrpfindungsprädikat. Obwohl der Bereich der Verben, die diicekte Rede einleiten können, in der modernen literarischen Schriftsprache wesentlich größer ist (vgl. Michel 1966 für das Deutsche, Körner 1974 für das Spa "2C\ nische und 1977 für das Französische), kamen auch im Rahmen des spontanen Gesprächs direkte Reden mit Verben des Denkens, der Enpfindung oder der Wahrnehmung vor/ wie die Beispiele zeigen. Die häufig konstatierte formale Übereinstimmung der direkten Rede mit einem unabhängigen Satz ist inplizit bereits in der Bestiimung der direkten Rede als wörtliche Wiedergabe enthalten, Authier (1979) vergleicht die direkte Rede mit einem gegenüber dem zitierenden Sprecher verschlossenen Bereich: Au discours direct, le [: "] qui Signale le debut de la citation peut etre considere comrae une barriere au-dela de laquelle le locuteur L semble s'effacer, pour n'Stre plus que le porte-voix de l dont il reproduit la chaine signifiante. Authier 1979:216). 21
Auf die syntaktische Übereinstimmung e'er direkten Rede mit einem nicht eingebetteten Satz zielt ebenso väe Partee auch Harweg (1968:3073, wenn er sagt: "... die Entlassung der direkten Rede aus dem Verband mit ihrem Einleitungsteil ändert ihre morpbematische Gestalt bekanntlich nicht." Die angencnmene strukturelle Isonorphie von direkter Rede und unabhängigem Satz schlägt sich auch darin nieder, daß beide zum Anwendungsbereich der sogenannten "root~transformaticns"
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zahlen, die Hauptkonstituenten umstellen können und als nicht-zyk-
lische Transformationen keine eingebetteten Sätze betreffen.
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S. Kurz (1966) zu Redeeinführungen in der Zeitungsspräche durch Verben, die nicht zur Klasse der eigentlichen Redeverben gehören; zur Problematik einer Abgrenzung einer Klasse parenthetischer Verben der Redekennzeichnung vgl. Cornulier (1978]. Korner (1977) beobachtet eine kontinuierliche diachronische Zunahme der begleitenden Verben der direkten Rede im Französischen.
21
"L" bezeichnet den zitierenden und "l" den zitierten Sprecher.
22. Vgl. Emonds (197O, 1976). Hooper/Thompson (1973), Green (1975) und N. McCawley (1977) haben gezeigt, daß es noch mehr Anwendungsbereiche für diese Transformationen gibt, z. B. die erlebte Rede und Komplementsätze nach Wahrnehmungs- und Empfindungsprädikaten. N. McCawley schlägt zur Erklärung der DistributionseigenSchäften der "root-transformations" die Einführung einer kategorialen Klasse "expressions of Ego" vor (s. oben 2 . 3 ) , die sowohl Aussagen, Glauben und Urteile als auch Empfindungen und Wahrnehmungen einer Person zum Ausdruck bringt. Auf Ähnlichkeiten dieses Konzepts mit dem hier vorgestellten Begriff der Sprecherperson, die von der Sprecherrolle prinzipiell zu unterscheiden ist, habe ich bereits hingewiesen.
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Für das Deutsche hat m. W. als erster Harweg (1970, 1972) auf Ausdrücke hingewiesen, deren Distribution u. a. die direkte Rede von unabhängigen Sätzen unterscheidet. Es sind dies Ausdrücke der Form & und der, da und da, so und so 23 usw. ' {zur Bestirmtung der Klasse dieser Ausdrücke vgl, Harweg 1972:45f.), Diese Ausdrücke kennen nach Harweg nur im Bereich der "zitierten Rede" vor, die er als Oberbegriff für die Begriffe der direkten, indirekten und erlebten Rede definiert, scwie in Fällen, in denen in Harwegs Diktion "die zitierte Rede ... mit der aktuellen Rede FUSIONIERT [ist]" (Harweg 1972:47; als Beispiel dafür nennt er: Dann sollte iah an der und der Stelle das und das tun.).24 In Sätzen, die keine direkte (oder indirekte) Rede darstellen, sind die genannten Ausdrücke nicht möglich, wie in folgendem Beispiel: (16)
A: * Wann kann ich da und da sein? B: * Wenn du den und den Zug nimmst, wirst du um die und die Seit da und da ankommen.
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Analoge Bildungen mit einer durch 'und 1 verbundenen Wiederholung eines Demonstrativums scheint es in vielen Sprachen zu geben, vgl. Brugmann (19O4: 1 3 2 f f . ) . Daneben gibt es auch häufig spezielle Formen für 'ein gewisser*, ' N , N . ' , z, B. das griech. ho deina (s, Brugmann 19O4:9O, 133; Schwyzer 1950:512) oder das arabische fulan, das in die iberischen Sprachen als fulano/~a entlehnt wurde. Vgl. auch türkeitürkisch falan, filan, falan, filan, Swahili fulani. Im Türkischen kommt falan in Redewiedergabekontexten, aber auch in Ausdrücken für ' u s w . ' vor. Fulano im Portugiesischen kommt auch texteinführend in der Bedeutung 'einer, ein gewisser 1 vor, z. B. im Kitz. Die Konstruktion mit (partieller) Wiederholung scheint auch in Sprachen vorzukommen, die außerhalb des mediterranen Kulturraumes liegen, z. B. im Umbundu, einer Bantusprache in Angola, in der neben dem Ausdruck ngsndi für 'der und der' auch der durch die Assoziativpartikel verbundene wiederholte Ausdruck ngandi l a ngandi möglich ist, allerdings m. E. vor allem für eine Mehrzahl, also für 'der und der und der und der 1 oder für 'die und die'. Interessant ist auch, daß dieser Ausdruck, der sonst vor allem in Redewiedergabekontexten vorkommt, auch zur Vermeidung von Tabuwörtern verwendet wird, ähnlich daß dich doch dieser und jener ... (Brugmann 1904:132: dass dich der und der}, z. B. ngandi yovel 'dein der und der' als Ersetzung für Beschimpfungen mit tabuisierten Körperteilen (s. Alves 1951:924).
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In den Fällen, in denen Adverbien wie angeblich oder Modalverben wie wollen, sollen für den Ausdruck des Hörensagens verwendet werden - was in verschiedenen anderen Sprachen durch eine spezielle Verbalform, den sog. Inferentialis (Lyons 1977:847, 1982; Hewitt 1979a) oder "indirekte Erlebnisform" (Haarmann 1970), ausgedrückt werden kann - fällt es schwer, ein akzeptables Beispiel mit Formen wie der und der zu konstruieren. Offenbar ist es in diesen Fällen nicht ohne weiteres zulässig, die referentielle Information zu reduzieren. Abweichend sind Sätze wie: Herr S. will um die und die Zeit sein Hotel an der 47, Straße verlassen haben. Er ging angeblich auf dem und dem Weg direkt in Richtung Central Park. Ein Grund dafür,
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Kiglich sind hingegen solche Sätze, wenn sie als direkte Rede in Verbindung mit einer Redeeinleitung stehen. Allerdings sind für die Akzeptahilität solcher Formen noch andere Bedingungen maßgebend. Wie Harweg (1972:50f.) ausführt, betreffen diese die Einbeziehung der gesamten Konstruktion in einen weiteren Kontext und/oder die Notwendigkeit eines gewissen Informtionsreichtums: Infomationsreichere, komplexere Sätze sind z, B. als direkte Reden mit solchen Formen akzeptabler als Minimalsätze. Wenn man einmal diese besonderen Bedingungen beiseite läßt und die hier aufgeführten direkten Reden daraufhin untersucht, inwieweit sie jeweils als unabhängige Sätze in Frage können und ob sie als solche gleiche Bedeutung haben, so fallen noch andere Ausdrücke auf, z. B. die Ausdrücke dies und das und eo im hier als (17) wiederholten Ausschnitt der direkten Rede aus (2): (17)
dies und das gefällt mir nicht, und an deiner Stelle würde ich es
so einrichten.
Versucht man, diesen Satz außerhalb der direkten Rede zu kontextualisieren, so denkt man bei den genannten Ausdrücken vor allem an begleitende außersprachliche Mittel: bei dies und das an Hinweisgesten und bei so an beschreibende Gesten oder sonstige Mittel, wie graphische Darstellungen, wenn man die Interpretation als Vorverweis auf sprachliche Mittel ausschließen will. Wenn wir allerdings (17) im Kontext von (2) als direkte Rede verstehen, ergibt sich keine referentielle Bedeutung der angeführten Ausdrücke. Sie können im Kontext von (2) nicht als singuläre Terme im Sinne von Quine (196Q:lOOff.) aufgefaßt werden, da der Kontext der direkten Rede für sie keine Fixierung der Referenz weder anaphorisch durch den sprachlichen Kontext noch deiktisch durch Ostensicn ermöglicht. Dagegen könnte man einwenden, daß ja der Sprecher in (2) etwa durch Ostensicn die referentielle Fixierung "mitliefern" könnte. Dazu ist folgendes
daß in solchen Sätzen diese Formen unzulässig sind ~ obwohl die Sätze Hörensagen und somit die Bezugnahme auf Gesagtes beinhalten -, mag darin zu sehen sein, daß hier der Sprecher die Verantwortung für die Referenz trägt, anders gesagt: daß solche Sätze referentiell transparent sind, also keine Referenzverschiebung in dieser Hinsicht aufweisen. Man könnte also eine zusätzliche Bedingung für das Vorkommen der Ausdrucke der Form der und der darin sehen, daß sie nur in intensionalen Kontexten vorkommen können, in denen der Sprecher die Referenzfestlegung nicht zu verantworten hat. Diese Bedingung würde u, a. besagen, daß diese Formen in intensionalen Komplementsätzen nach Hahrnehmungsprädikaten möglich sind. Tatsächlich scheint der intensionale da^-Satz akzeptabler als der oichtintensionale wie-Satz nach einem Wahrnehmungsprädikatr vgl·.: Er hat gesehen, daß der und der eine Flasche geworfen hat. vs. *Er hat gesehen, wie der und der eine Flasche geworfen hat.
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zu sagen: Erstens ist - wenn man eine realistische Interpretation unterstellt nicht sichergestellt, R < E (oder E > R < S bzw. bei Comrie R < E und R < S)
Die Relation, die bei den Tempora auf der linken Seite zwischen S und E besteht, tritt bei den Tempora auf der rechten Seite jeweils zwischen R und E auf. Man könnte bei diesen Tempora also sagen, daß sich die temporalen Relationen der
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S. eine entsprechende Darstellung bei Lyons (1977:683, 8 1 2 f . ) .
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direkten Rede in der erlebten Rede bezogen auf eine Kontextzeit R wiederfinden. Die Tempora der erlebten Rede unterscheiden sich von den Tempora der direkten Hede dadurch, daß sie statt der Sprechzeit der direkten Bade auf eine Konteictzeit bezogen sind und daß diese Kontextzeit jeweils vorzeitig zu einem Zeitpunkt S zu verstehen ist. Einige Anmerkungen zu diesem revidierten Schema sind angebracht. Ein Hauptproblem stellt das zweimalige Vorkommen von "Past" in diesem Schema dar: zum einen als primäres (absolutes) Tempus und zum anderen als "transponiertes Präsens". Als letzteres enthält es eine die Ereigniszeit überlappende Kontextzeit, das "Jetzt" des Bewußtseinsträgers. Für diese Auffassung spricht die Kompatibilität des "Past" in erlebter Bede mit Adverbialausdrücken, die sonst auf den Sprechzeitpunkt bezogen sind wie nou^ today. Weniger klar ist, ob das Zusammentreffen von R und E auch sonst für das "Past" eine Holle spielt, wie Reichenbach angenommen hat. Eine Gemeinsamkeit beider Vorkamen von "Past" besteht darin, daß sie gewöhnlich keine Referenz auf den aktuellen Sprecbzeitpunkt als Kontextzeit zulassen, Reichenbachs Behauptung allein, daß Zeitadverbiale sich auf die Referenzzeit und nicht auf die Ereigniszeit beziehen, kann in Verbindung mit seiner Repräsentation von "Past" als R,E—S nicht erklären, warum "Past" innerhalb und außerhalb erlebter (bzw. indirekter) Rede verschiedene Distributionen mit Zeitadverbialen wie hat. Dagegen läßt sich die Kompatibilität von now mit "Past" in bestimmten Kontexten, u . a . in erlebter Rede, erklären, wenn man mit Aqvist (1976:230) annimnt, daß Reichenbachs "point of reference" interpretiert werden kann als "potential speech point, relative to which a fresh division of events into past, present, and future is made". 66
Vgl. Reichenbach (1947:294): "When a time determination is added, such as is given by words like 'now 1 or 'yesterday' ..., it is referred, not to the event, but to the reference point of the sentence." Comrie (1981) hat anhand von Beispielen mit dem "Pluperfect" und dem "Future-in-the-past" gezeigt, daß sowohl Ereigniszeit als auch Referenzzeit als Bezugspunkte für Zeitadverbiale aufgefaßt werden können.
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Ich vernachlässige hier Erzählkontexte, in denen eine Perspektivenverschiebung auftreten kann, die man aber nicht zur erlebten Rede rechnen wird, wenn auch Tempora und lokal- und temporaldeiktische Ausdrücke die gleichen Merkmale wie in erlebter Rede aufweisen. Gemeint sind Perspektivenverschiebungen wie: Am 28. März lief die Flotte da Gamas in den Hafen von Calicut ein. Gestern noch hatte Meuterei in der Luft gelegen, heute ließ die Aussicht auf die bevorstehende Plünderung alle Entbehrungen vergessen. Vgl. dazu z. B. Hamburger ( 1 9 5 7 : 6 5 f f . ) . Ebenso vernachlässige ich Fälle von Präteritalformen, die aus einem (impliziten) präteritalen Matrixsatz herrühren, wobei das Tempusmerkmal auf den geäußerten eingebetteten Satz übertragen wird; Beispiel; Wer bekam jetzt das Bier? (vgl. Wunderlich 197O:139f.).
180
Die Gemeinsamkeit der oben schematisch dargestellten Tempora der erlebten Rede besteht darin/ daß die Ereignisse nicht von der sprechaktbezogenen Komponente S aus interpretiert werden, sondern von der als Gegenwart des Bewußtseinszentrums verstandenen Kontextzeit R aus. Die Sprechzeit S wird als (fiktiver) Zeitpunkt des Erzählaktes verstanden, der zu der maßgeblichen Kontextzeit prinzipiell in einer Relation der Nachzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Vorzeitigkeit stehen konnte. Daß der (fiktive) Zeitpunkt des Erzählaktes selbst in sogenannten Zukunftsromanen gewöhnlich nicht vorzeitig zur Kontextzeit dargestellt wird, liegt an der relativen Markiertheit der Futurtempora (Markus 1977:30f.), die wiederum durch unsere Wahrnehrnungsmöglichkeiten bedingt ist? möglich ist eine solche Erzählhaltung allenfalls als Prophezeihung. Steht der fiktive Zeitpunkt des Erzänlaktes in einer Relation der Gleichzeitigkeit zur Kontextzeit, dann liegt der Fall des historischen Präsens vor, daß nachträglich aufgrund des Widerspruchs zur tatsächlichen oder zur rekonstruierten Erzählsituation als Entsprechung eines Präteriturns interpretiert wird, wobei sich zusätzliche Interpretationen, z. B "Vergegenwärtigung", ergeben. Die Relation zwischen dem fiktiven Zeitpunkt des Erzählaktes und der für die Interpretation der zeitlichen Reihenfolge der Ereignisse maßgeblichen Kontextzeit kann als der temporale "Rahmen", der für die Erzählung Gültigkeit hat, gedeutet werden. Cfc der übliche präteritale temporale Rahmen im Sinne einer performativen Analyse wie bei Rauh (1978) als Relation zwischen der Tempuskategorie des obersten Hypersatzes (8) (in 4.2.3} mit dem Merkmal [4-present] und der Tempuskategorie eines eingebetteten Satzes mit dem Merkmal [-Hpast] zu verstehen ist oder als "episches Präteritum" nach Hamburger /ro
(1953, 1957:59ff.), also einer "obstinaten Tempusverwendung"
ohne temporalen
Eigenwert, verstanden werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden.
68
Markus ( 1 9 7 7 : 2 9 f f . ) versteht darunter die Kennzeichnung des "Andauern[s] einer (vorher signalisierten) Sprechhaltung hinsichtlich der Aktzeit". Der Begriff 'Obstination* wird von Heinrich ( 1977:l I f f . ) für "hohe Rekurrenzwerte" von Zeichen in Texten verwendet.
69
Die Entscheidung für oder gegen eine abstrakte Instanz, der ganze Texte zugeordnet werden (die performative Analyse auf Textebene), dürfte m. E, mehr von theoretischen und methodologischen Zielsetzungen (z. B. größtmögliche Generalisierung vs. einem Prinzip größtmöglicher Oberflächennähe) abhängen, als daß sie empirisch zu belegen wäre. Ähnlich sieht auch Roberts (1981) im Problem der Zuschreibung einer oder mehrerer"Stimmen" zur erlebten Rede eine Spiegelung der verschiedenen Zielsetzungen eines generativen Ansatzes einerseits und eines funktionalistischen oder interpretativen Ansatzes andererseits.
181
Die Regularität, die bei den angeführten "transponierten" Tsnpora der erlebten Rede gegenüber den entsprechenden Tempora der direkten Rede zu beobachten ist, läßt sich relativ einfach erfassen. Sie liegt darin, daß der Relation zwischen Sprechzeit S und Ereigniszeit E der direkten Rede die Relation zwischen Kontextzeit R und Ereigniszeit E der erlebten Rede entspricht. Die Kontextzeit als Jetzt des Bewußtseinszentrums der erlebten Rede dient also in den aufgeführten Tempora in gleicher Weise als Orientierungszeit wie die Sprechzeit in der direkten Rede. Tempora der direkten Rede, die bereits notwendig einen Kontextzeitpunkt enthalten, werden durch die angesprochene Regulärität zunächst nicht erfaßt* Tatsächlich läßt sich ja auch das Plusquamperfekt, das die Struktur E < R < S aufweist, nicht weiter transponieren. Anders steht es mit deni Futur II "Future Perfect". Diese Formen sind transponierbar in die uürde-Perlpbrase des Konjunktivs Plusquamperfekt bzw. in den "Conditional Perfect" (Comrie 1981:27, 3O) . Wir müssen also zulassen, daß auch Formen, deren Struktur bereits ein nicht-redundantes R enthält, von der Ersetzungsregel betroffen werden können. Da in den abgeleiteten Tempora verschiedene Referenzzeitpunkta unterschieden werden müssen, werden diese verschieden indiziert, wobei die direkt mit dem Sprechzeitpunkt in Relation stehende Kontextzeit in geeigneter Weise ausgezeichnet wird, da diese in der erlebten Rede als Jetzt des Bewußtseinszentrums zu verstehen ist. Wenn man davon ausgeht, daß der zeitliche Rahmen der erlebten Rede, also die Relation zwischen dem fiktiven Erzählzeitpunkt und der als Jetzt des Bewußtseinszentrums aufgefaßten Kontextzeit, dem zeitlichen Rahmen der Ungebung angepaßt ist nach dem Muster: Was sollte er jetzt machen
fragte er sich bzw. Was soll er
jetzt machen, fragt er siuh, dann läßt sich die Interpretation der Tempora in erlebter Rede folgendermaßen verallgemeinern:
7O
Zur erlebten Rede im Präsens in einem präteritalen Kontext vgl. 4 . 4 . 7 . Nach Steinberg (1971:249-2523 und Heinrich (!971:182f.) soll es auch eine erlebte Rede iia Präteritum ins Rahmen eines historischen Präsens geben, obwohl sie selten sei. Die zitierten Fälle einer so gearteten Nichtübereinstimmung von Kontextzeit und Tempus der erlebten Rede scheinen mir allerdings nicht eindeutig, vgl. folgendes Zitat Steinbergs (1971;25o) aus fer^andte und Bekannte von W. Bredel: Hardekopf zieht mit seinen Leuten ab. Aber er blickt mehrere Male zurück. Käs ging dort vor? Was sollte mit den Ausgesonderten geschehen? Da sieht er, wie einige der Gefangenen ... auf die andere Seite der Landstraße geführt werden. Man könnte in diesem Fall z. B. annehmen, daß durch die Umgebung ... blickt zurück implizit eine Änderung der Rahmenzeit eingeführt wird, daß also eine Redekennzeichnung er dachte aus diesem Kontext erschlossen werden kann, so daS die implizite Perspektive der Umgebung mit der Rahmenzeit in der erlebten Rede übereinstimmt.
182 (33)
In einem von "Expression" dominierten Ausdruck eines literarischen Textes, der einem Ego zugeordnet werden kann, läßt sich die direkt mit dem fiktiven Zeitpunkt des Erzählaktes S in Relation stehende Kontextzeit R der temporalen Beschreibung als Jetzt des Ego interpretieren. Die Relation zwischen dieser Kontextzeit R . g j (und einem weiteren Zeitpunkt R . ) und der Ereigniszeit E entspricht der Relation zwischen S {und einem Zeitpunkt R , ) und E in einer direkten Rede.
Ich verzichte hier auf eine Formalisierung und verweise nur auf die entwickelten Modelle zur Repräsentation temporaler Relationen bei Aqvist (1976) und Guenthner (1979), in deren Rahmen eine Pormalisierung möglich wäre. Die Interpretation der in Präge stehenden Kontextzeit als Gegenwart eines Ego hangt davon ab, daß der ganze Satz als Wiedergabe eines inneren Vorganges aufgefaßt wird, d . h . , daß er einem Bewußtseinsträger zugeschrieben wird. Wie oben (4.2.1) bei der Behandlung von Banfields Theorie bereits angemerkt wurde, ist es allerdings problematisch, diese Zuschreibung an das Vorhandensein bestimmter Prädikate in der thigebung zu binden, jedenfalls wird angenontrien, daß die Anwendung der Interpretationsregel (33) bereits die Identifikation des in Frage stehenden Ausdrucks als dargestelltes Bewußtsein voraussetzt. Das bedeutet unter anderem, daß die erlebte Rede nicht durch die in ihr vorkommenden Tempora als solche identifiziert wird. Auf einige (scheinbare) Ausnahmen könne ich später (4.4,6, 4.4.7) zu sprechen. Die Regel {33) zeigt den systematischen Zusammenhang auf zwischen der Orientierung des Bewußtseinsträgers und der Einbettung dieser Orientierung in den temporalen Rahmen der Erzählung. Sie ließe sich als Transformationsregel, die Strukturen direkter Rede in erlebte Rede umwandelt, verstehen, wie der Nachsatz andeutet. In einer solchen Theorie würde Sätzen erlebter Rede eine komplexe temporale Struktur zugeordnet, in der Rahmenzeit von der Orientierungszeit (dem Jetzt des Bewußtseinszentrum) unterschieden wird. Die bekanntesten Repräsentationen dieser Art stellen wohl die performative Analyse und die Hypersatztheorie dar (vgl. 4.2.2 und 4.2.3). Möglicherweise könnte sie auch als eine Regel einer Theorie der Textkonstitution aufgefaßt werden, oder sie kann als ein Spezialfall ihren Platz innerhalb einer semantischen Komponente der Kerngranmatik finden.
71
Komplexe Strukturen für die Repräsentation von Tempora schlägt beispielsweise McCawley {1971:lo4) vor, der das Present perfect durch eine Struktur repräsentieren will, in der auf einer Stufe der Ableitung ein Verb "present" ein Verb "past" dominiert. Martin (1976) unterscheidet in der syntaktischen Struktur eine "primary tense axis", die als Tochter von S über Propositionen operiert, und "secondary tense elements", die als Prädikate (VP) einer norni-
183
Formuliert man die Regel rückwärts gelesen als Erzeugungsregel, so sind zwei Dinge zu beachten.Erstens erzeugt die Regel auch Strukturen, für die es in der jeweiligen Einzelsprache u. V, keine Form gibt, bzw. solche, für die eine entsprechende Form in hohen Maße unakzeptabel wäre. Eine übergenerierung von Strukturen kann bekanntlich in den verschiedenen Ausprägungen der "öransformationsgraimatik. durch Filterfunktionen anderer Regeln kompensiert werden. Zweitens beschränkt die Regel die möglichen Formen in erlebter Rede; beispielsweise ist keine Ableitung eines "Present perfect" im Erzählrahmen R < S durch die Anwendung der Regel möglich, da jeder weitere ReferenzZeitpunkt sich nur auf R und nicht auf S beziehen könnte, dan "Perfect" aber eine Gleichzeitigkeitsrelation von Referenzzeit und Sprechzeit (E < R = S} zugeschrieben wird (s, unten 4.4.3). Im folgenden soll die Regel (33) vor allen als Rekonstruktionsregel· zur Orientierung des Bewußtseinszentrums aufgefaßt werden.
4,4.3
Die Gegenwart des Bewußtseinsträgers
Die vermutlich häufigste Transposition in der erlebten Rede läßt sich schenatisch wie folgt repräsentieren i (34)
E
=
Se ->
E
=
R(s)e
E < R. > R, , < S / R < S 3 e ] CS)e 0 · ··· · e O Diese Beschreibung stimmt mit der von Comrie {1981} überein (vgl. oben 4 . 4 . 2 ) . Comrie hat dort m. W. erstmals darauf hingewiesen, daß bestinmate Tempora mehr als einen Referenzpunkt zu ihrer Beschreibung erfordern, ja daß prinzipiell keine Grenze für die Anzahl der Referenzpunkte angebbar ist, wenn auch natürlich von der Verarbeitungsfähigkeit her Grenzen gesetzt sind (Comrie 1981:27).
212
erlebter Rede akzeptabel sind, wage ich nicht zu entscheiden. Auch eine Kontextualisieruncr wie im folgenden konstruierten Text gestattet noch kein sicheres intuitives Urteil: (65)
Die Sorgen ließen sie nicht schlafen. Wie sollte das nur weitergehen. Die Gläubiger wurden immer ungeduldiger. Immerhin würde ja wohl Franz gestern den Wagen verkauft haben.
Das Problem ist nach diesen Überlegungen also, ob die Relation zwischen S und R. im Schema (67) tatsächlich als 'R. ist zukünftig bezüglich S ' zu deuten ist/ m. a, W., wie die Relation zwischen dem Jetzt des Bewußtseinsträgers und dem vorgestellten Bezugspunkt, von dem aus ein Ereignis vergangen ist,
zu deuten
ist.
Die Teilrelation E < R. {E ist vergangen bezüglich eines Referenzzeitpunkts R.) dagegen ist jedenfalls isomorph zu der Relation, die auch das Perfekt ausdrückt und die mit "E < (R =} S" beschrieben wurde (s. 4.4.2}. Worin unterscheiden sich also Er wird ja wohl gestern den Wagen Verkauft
haben von Er 'hat ja wohl gestern
den Wagen verkauft bzw. EP würde Ja wohl gestern den Wagen verkauft
haben von
Er hatte ja wohl gestern den Vagen verkauft? Die Modalpartikeln ja wohl geben hier bereits mit einem gewissen Grad von Redundanz die inferentielle Modalität des Satzes an. ich vermute, daß wird bzw. würde der Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Sachverhalts in diesen Fällen nichts hinzufügt. Was die Sätze mit wird bzw. würde von denen mit Perfekt bzw. Plusquamperfekt unterscheidet, m. E.eine Bestätigungserwartung,
ist
die mit ersteren verbunden ist, Fortsetzungen
z. B. mit aber das wird/würde sich gleich herausstellen sind bei wird/würde angemessener als mit Perfekt/Plusquamperfekt, während abschließende Fortsetzungen wie und damit ist/war die Sache erledigt eher bei Perfekt/Plusquamperfekt angemessen sind. Wenn diese Intuitionen richtig sind, so könnte doch eine zukünftige tanporale Bedeutung der Formen wird/isürde -t- Infinitiv Perfekt angencminen werden. Bei Fällen wie den eben erwähnten ist der Referenzpunkt weniger ein in der Zukunft gelegener Punkt, von dem aus das Ereignis gesehen wird, als vielmehr ein in der Zukunft gelegener Punkt, von dem aus das Ereignis als
wahr
gesehen wird. Legt man die Unterscheidung von Hare (197O) zugrunde, wonach drei Aspekte der Satzbedeutung zu unterscheiden sind: nämlich der propositionale Gehalt ("phrastic"), der "Modus des Sagens" ("tropic") und die auf die propositionalc Einstellung bezogene Verpflichtung des Sprechers gegenüber dem durch den propositionalen Gehalt Ausgedrückten {"neustic"), so kann man Lyons (1977:749ff.) folgend zwischen objektiver und subjektiver Modalität dadurch unterscheiden, daß die Modalität auf die zweite oder die dritte Komponente bezogen wird. Den "Modus
213
des Sagens", der zwischen imperativ- und Fragesätzen einerseits und Aussagesätzen andererseits unterscheidet, expliziert er als "so be it" bzw. "it is so". Die dritte Komponente, die er als "I-say-so component" bezeichnet, stellt nach Lyons den Teil der Satzbedeutung dar, "which expresses the speaker's carmitment to the factuality, desirability, etc.,of the prepositional content conveyed by the phrastic". Wenn man diese Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Modalität auf die Analyse der Formen mit werden überträgt, dann könnte ein Satz wie Er wird ja woht gestern den Wagen verkauft haben in der subjektiven Lesart der inferentiellen Komponente analysiert werden als: "Ich vermute (zum Zeitpunkt t,-J , es wird eine Tatsache sein (zu t, > t ) , daß [die Proposition] verkauft den Wagen1 wahr war (zu t. f= "gestern"] < t . ) . Die Möglichkeit, das Futur II in dieser Weise temporal zu repräsentieren, beschränkt sich allerdings auf die subjektive Modalität. Wenn die inferentielle Komponente dagegen als objektive Modalität verstanden werden soll, dann besteht keine Möglichkeit, das Futur II temporal zu repräsentieren. In dieser Interpretation wäre der Satz etwa als "Ich sage (in w ) , es ist möglieh/wahrscheinlich {in w. = w-), daß verkauft den Wagen* wahr ist von w. (< w.) " zu verstehen, wobei w die Welt des Sprechers und w., w, mögliche Welten repräsentieren, zwischen denen temporale Relationen bestehen, Ob das Futur II prinzipiell beide Interpretationen erlaubt, von denen nur die erste temporal ist, möchte ich dahingestellt sein lassen. Ich fasse die Ausführungen zu den Fonnen mit würde (bzw. deren Entsprechungen
in anderen Sprachen) zusaranen. Es laßt sich tatsächlich eine Parallelität der Funktionen von würde in erlebter 1O5 Zur Kritik an dieser Unterteilung s. Kempson ( 1 9 8 1 : 1 3 2 f f . ) . Der Modus des Sagens scheint dem zu entsprechen, was Searle (1975:346f.) als "direction of fit between words and the world" bezeichnet hat, also der Abbildung der Welt in Worte bei Aussagesätzen bzw. der Realisierung der Horte in Zustände der Welt bei Imperativ- und Fragesätzen. Die neustische Komponente hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Hunderlichs ( 1 9 7 6 : 7 3 f f . ) Begriff des Positionstyps, der als Funktion verstanden wird r die propositionalen Gehalten propositionale Einstellungen zuordnet. Wissenschaftsgeschichtlich geht diese Differenzierung innerhalb des Moduszeichens, das meist mit handlungsbezogenen Begriffen qualifiziert wird (vgl. Kempson 1975:44f., passim: "pragmatic mood operator"; Kutschora 197£>:157f. "performativer Modus"), wohl auf Freges Begriff des Assertionszeichens zurück, das als Zusammensetzung eines Funktors, der Wahrheitswerte in Wahrheitswerte abbildet, und eines Elements, das die Behauptung repräsentiert, verstanden wird, vgl, Frege (1891; 1962:31). Zu Freges Assertionsbegriff Dummett (1981: § iO, bes. 3 1 4 f f . ) .
214
Rede zu den Funktionen der Formen von werden in direkter Rede beobachten. Eine Ausnahme stellt die Imperativische Funktion dar, deren Möglichkeit in erlebter Rede ohnehin durch das
Fehlen des Angesprochenen begrenzt ist
{vgl. 4.3). Die-
se Identität des Funktionsbereichs würde darauf hindeuten, daß der Ausgangspunkt für die Transposition im Deutschen das Präsens von werden + Infinitiv darstellt. Es wurden ferner Überlegungen in der Richtung angestellt, daß die temporalen und modalen Funktionen von werden und würde eng miteinander verbunden sind und daß die nodalen Funktionen auf Strukturen zurückgeführt werden könnten, die der temporalen Relation, ausgedrückt durch "S > R" in einer direkten Rede, entsprechen. Die Überlegungen in dieser Richtung betrafen einerseits die Interpretation von ">" als Relation, die später oder auch gleichzeitig zur Sprechzeit der direkten Rede bzw. zum Jetzt des Bewußtseinsträgers aufgefaßt werden kann, und andererseits beim Futur II die Interpretation des Bezugspunktes,
von dem aus gesehen etwas vergangen ist,
als Bezugspunkt, von dem aus etwas
als wahr festgestellt wurde. Eine andere Überlegung betraf die Frage, ob die Funktion von aürde in erlebter Rede als transponierte Form von werden sich mit der Funktion von würde in Konditionalsätzen in Zusaimienhang bringen läßt. Hier wurde zu zeigen versucht, daß die temporal interpretierbare Distanz als Rahmentempus, das ja keine definite zeitliche Situierung des Erzählaktes impliziert, in gewissem Sinne der Distanz entspricht, die durch die Einführung einer fiktiven möglichen Welt in Konditionalsätzen geschaffen wird.
4.4,6
Analoge Transpositionen
Wenn mit der Transposition von werden auch nichtzeitliche Funktionen transponiert werden können, so steht zu erwarten, daß gelegentlich auch andere Verbalinodi durch die Transposition erfaßt werden können, vorausgesetzt, es gibt in der betreffenden Sprache eine Form, die die Bedeutung der vorausgesetzten bzw. der zu erschließenden Ausgangsform enthält und zusätzlich eine Markierung des Rahmentempus gestattet. Von solchen Fällen soll dieser Abschnitt hauptsächlich handeln.
Außerdem werde ich noch kurz auf die Frage eingehen, ob die erlebte Rede
gelegentlich auch eine "Modusverschiebung" gegenüber einer rekonstruierten direkten Rede aufweisen kann. Als Beispiel für den ersten Fall seien die türkischen Formen -sindi, -eywdi und -etimd-i genannt, die durch die d-i-Vergangenheitsform als transponierte Formen des sog. Imperativs der dritten Person -sin bzw. des sog. Cptativs der ersten
215 Person Singular -(y)eyim oder Plural -(y)elim aufgefaßt werden können.
1 0ft
Für
Tietze (1962:341 ff . } kennzeichnen diese transponierten Formen sogar "morphologisch eindeutig" die erlebte Rede.107 Drimba (1976:14) bezweifelt dagegen, daß es sich dabei um genuine Formen der erlebten Rede handelt und möchte sie im Rahmen der allgemeinen Bedeutung der Formen behandelt wissen. Tietze führt nur ein Beispiel einer erlebten Rede mit der Form der 1 . Person -(y)eyimdi an, die einen sich erinnernden Ich-Erzähler voraussetzt: (66!
Babara kaybolan oyuncak kayigimin yerine bana bir kuzu Vater traein verschwunden Spielzeug Boot : mein : Gen an: Stelle mir ein Lamm aldi, fakat ne ed-eyim-di ben onu? kaufte aber was mach: Opt : lS-Prt ich 3S:Akk 'Mein Vater k a u f t e mir an Stelle des verschwundenen Spielereibootes ein Lämmchen, doch was sollte ich damit anfangen?' {Halikarnas Ballkclsl, Aganta! Burina! Burinata! Tietze 1962:342).
Tietze kcmnentiert den Satz mit dan Optativ in dem Sinne, daß die Frage nicht als rückblickende Frage aus der Perspektive des Erzählers verstanden werden kann, sondern nur als Itasetzung einer direkten Rede Ne edeyim ben onu? 'Was soll ich damit tun?' in eine erlebte Rede. Häufiger als die erwähnte Form -eyimdi könnt der sog. Optativ oder Imperativ der 3. person mit dem Prateritalirorphem -di als transponierte Form -sindi in erlebter Rede vor. Von den bei Tietze angeführten Beispielen ist folgendes am interessantesten: (67)
... 'Dieser arme Jüngling ... liess seine Beine durch das Geländer der Brücke herabhängen und, dem Mond zugewandt Branntwein trinkend, sang er ein selbstgedichtetes Lied r Er hatte um das Mädchen angehalten, doch sie hatten es ihm verweigert, weil er arm sei ... Hey anam dügünü de yarin olacakti 0 i E
R ( s ) e = SQ /
Re = SQ
sei eine beliebige Zeitrelation.)
iton kann diese Veränderung so verstehen, daß sie lediglich Komponenten, die in der Ausgangsstruktur implizit enthalten sind, aktiviert, indem sie die deiktisch fungierende Sprechzeit als Referenzzeit im Rahmen einer "Vergegenwärtigung11 beschreibt. Im folgenden Beispiel könnte es sich aus dem Kontext genommen am Anfang um eine transponierte erlebte Rede handeln: (73)
Und das hatte nun Pepi davon geträumt, K. werde, wenn sie äie Stellung habe, bittend zu ihr kommen, und sie werde nun die Wahl haben, entweder K. zu erhören und die Stelle zu verlieren oder ihn abzuweisen und weiter zu steigen. Und sie hatte sich zurechtgelegt, sie werde auf alles verzichten und sich zu ihm hinabwenden und ihn wahre Liebe lehren, die er bei Frieda nie erfahren könnte und die unabhängig ist von allen EhrensteLlungen der Welt. Aber dann ist es anders gekommen. Und was war daran schuld? K. vor allem und dann freilich Friedas Durchtriebenheit. K. vor allem: denn was will er, was ist er für ein sonderbarer Mensch? . .(Franz Kafka, Das Schloß. 2o. K a p . ) .
Das auf den Plusquamperfekt folgende Perfekt und das Präsens machen aber klar, daß es sich nicht um transponierte erlebte Rede handelt. In diesem Fall kann auch die Vorvergangenheit für die Perspektive des Ego vorausgesetzt werden. Man könnte also die gesamte Passage als erlebte Rede in einem neu eingeführten sentischen Rahmentempus verstehen.
113
prä-
Die erlebte Rede ohne Tempustransposition
innerhalb eines Präsens als Rahmenzeit soll uns hier nicht weiter beschäftigen, da sie keine zusätzlichen Probleme mit sich bringt.
114
113 Zu unterbliebener Transposition innerhalb einer transponierten erlebten Rede s. weiter unten. Bei der Untersuchung längerer Partien temporal nicht transponierter erlebter Rede in Kafkas Romanfragment Das Schloß meint Steinberg ( 1 9 7 1 : 2 6 1 f f . ) , diese unterbliebene Tempustransposition verstärke die Wirkung der Personentransposition, um einen Eindruck von "Beziehungslosigkeit" und "Wirkungslosigkeit der Worte" hervorzurufen. Das Fehlen der durch ich und du ausgedrückten Sprecher-Hörer-Relation deutet er also offenbar als eine Art "Entfremdung" in einer Kommunikationssituation. Hier wird hingegen argumentiert, daß erlebte Rede keine Kommunikationssituation abbildet. Wenn auch der Gesamteindruck des in Rede stehenden Monologs der Pepi aus dem 2o. Kapitel des Werkes richtig charakterisiert sein mag, so scheint es mir schwer zu belegen, welchen Anteil an diesem Eindruck von "Beziehungslosigkeit" und "Wirkungslosigkeit der Worte" die fehlende Transposition verursacht. 114 Vgl. hierzu Steinberg ( 1 9 7 1 : 2 5 6 f f . } , der Beispiele aus La Fontaine, Döblins Berlin Alexdndexplatz un in (14) oder die französische Frageform est-oe que in (19).
11R
Häufig treten aber an
i 17 Auf formelhafte Wendungen, die temporal nicht transponiert werden wie est-ce que, n'est-ce gue hat bereits Totaler (1887) aufmerksam gemacht. Er stellt fest, daß trotz der prinzipiellen Möglichkeit eines ne s'etait-il pas ... in erlebter Rede, "... kein Franzose daran denkt, dieses richtige Tempus zu setzen, das Präsens vielmehr . - . allein sich findet" [1887; 1 9 o 6 : 8 f f . ) . Kalepky (1899:496f.) hat danach auf Fälle hingewiesen, in denen statt est-ce gue ein etait-ce gue vorkommt, und meint, daß die beiden Möglichkeiten der Frageform durch verschiedene Einstellungen des "Sprechenden" bedingt seien: die Präsens form mehr als rhetorische Frage und die Iraperfektform als "mehr oder minder . . » wirkliche Frage". 118 vgl. oben auch die Beispiele mit Imperativformen in idiomatischen Wendungen, z. B. laß sehen in ( 2 7 ) , songez done in (28) , TaJce Peter Nalsh now aus (29) .
224
sich feststeherde Wendungen, oft überraschend, mit Tempustransposition auf. Vgl. oben das Row she do? in (13) oder das wer· wußte im folgenden Beispiel: (75)
Und Tonio Kroger ging ganz verklärt und beschwingt von dannen. . , , Hans würde 'Don Carlos' Lesen, und dann würden sie etwas miteinander haben, worüber weder Jimmerthal noch irgendein anderer mitreden konnte. Wie gut sie einander verstanden! Wer wußte, vielleicht brachte er ihn noch dazu, ebenfalls Verse zu schreiben? (Thomas Mann, Tonio Kroger. Kap. 1 ) .
Ändere mehr oder weniger formelhafte Wendungen, die im Präsens verkennen, sind auch transponiert vorstellbar, vgl. etwa das Ja s& sähe im Beispiel ( 4 ) , das auch im "Preterite irrperfeito" als Ja se sabia vorstellbar wäre. Bei Sätzen mit Sentenzcharakter könnt es offenbar etwa genauso oft zur Transposition als zur Nicht-Transposition des Präsens. Nach meinem Eindruck wird die Transposition bevorzugt, wenn es sich um bekannte, sprichwortartige oder allgemeingültige Sätze handelt, während sich die Nicht-Transposition bevorzugt dort findet, wo die Sentenz weniger allgemeingültig ist, sondern mehr persönliche Urteile oder Vorurteile des Helden wiedergibt, die dieser für allgemein hält.119 Einige Beispiele mögen diese Tendenz erläutern, zunächst mit transponierten Sprichwörtern und Redewendungen der Typen "X hat die Eigenschaft Y" oder "A ist A" wie Frauen sind Frauen: (76)
Diese Frau, deren Wesen so kühl, so eingezogen, verschlossen, reserviert und ablehnend war und die nur an ihre Musik ein wenig Lebenswärme zu verausgaben schien, erregte unbestimmten Verdacht. Die Leute holten ihr bißchen verstaubter Menschenkenntnis hervor, um sie gegen Senator Buddenbrooks Gattin anzuwenden. Stille Kasser waren oft tief. Mancher hatte es faustdick hinter den Ohren, (Thoraas Mann, Buddenbrooks. T. lo, Kap. 5 ) .
(77)
Jeanie sighed heavily to think that it should be her lot on the Lord's day, and during kirk-time too, to parade the street of an inhabited village with so very grotesque a comrade; but necessity had no law, since, without a positive quarrel with the madwoman, which, in the circumstances, would have been very inadvisable, she could see to means of shaking herself free of her society. 1_ (Walter Scott, The Heart of Mid-Lothian. Kap. 3 1 ) .
119 Üblicherweise wird angenommen, daß die Sätze mit beibehaltenem Präsens einen höheren Grad von Allgemeingültigkeit ausdrücken. Allerdings hat bereits Kalepky (1899:494) bezweifelt, "daß die größere oder aerinaere AllqemeinqüLtigkeit des ausgedrückten Gedankens für die Wahl des Tempus ohne weiteres entscheidend w ä r e . " Bally (1914:418) bemerkt: "...le present peut echapper a la transposition dans l'expression d ' u n e pensee generale." Als eine "Kann-Bestimmung" faßt auch Steinberg ( 1 9 7 1 : 2 2 5 f f . ) die Beibehaltung "gnomischer Tempora" auf. 120 Dieses Beispiel wird a u s f ü h r l i c h diskutiert bei Pascal ( 1 9 7 7 : 4 8 f . ) .
225 (78)
The two women exchanged more glances. Elsie perfectly comprehended the case of Mrs. Arb, and sympathized with her. Mrs. Arb was being couried. Mrs. Arb had come to a decision. Mrs. Arb desired as much information as possible before coming to a decision. Women had the right to look a f t e r themselves against no matter what man, Women were women, and men vere men. (E. A. Bennett, RIceyman StepsJ
(79)
Coupeau les regarda, s'expliqua tres carrement. Us n ' a l l a i e n t pas faire les dindes, peut-etre! Le passe etait le passe, n'est-ce pas? Si on conservait de la rancune apres des neuf ans et des dix ans, on finirait par ne plus voir personne. Non, non, il avait le coeur sur la main, lui! (Emile Zola, L'Assommoir. Kap. V I I I ) .
Man vergleiche auf der anderen Seite Beispiele für als allgemein hingestellte spezifische "Sentenzen":122 (80)
Er glaubte selbst zu wissen, was Moral und große Ideen seien, und er sagte es bei jeder Gelegenheit, um auf Gerda einen günstigen Einfluß zu nehmen. ... Leo Fische! hatte stets jede Ursache zu der Annahme gehabt, daö sein guter jüdischer Kopf dem seiner Gattin überlegen sei, und nichts empörte ihn so sehr wie die Beobachtung, daß sie aus Gerdas Verrücktheit Nutzen zog. Warum sollte ausgerechnet er plötzlich nicht mehr imstande sein, modern zu denken? Das war ein System! Er erinnerte sich dann der Nacht, Das war schon nicht mehr Ehrabschneidung; das war die Ehre mit der Wurzel abgraben! In der Nacht hat der Mensch nur ein Nachthemd an, und darunter kommt gleich der Charakter, Keine Fachkenntnisse und -klugheit schützen ihn. Man setzt, seine ganze Person ein. Nichts sonst. Was sollte es also heißen, daß Klementine, wenn von christlich-germanischer Auffassung die Rede war, ein Gesicht machte, als ob er ein Wilder wäre? (Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften. 2, Teil, 51: "Das Haus Fischel").
Ich verzichte darauf, weitere Beispiele des letztgenannten Typs anzuführen, und verweise lediglich auf Steinberg 1971:225ff.), der ein gutes Dutzend ähnlicher Beispiele zitiert, deren "Sentenzen" im Präsens fast alle nicht allgemein bekannt sind. Er hebt als bemerkenswertes Faktum hervor, daß nicht nur Sätze, denen der "vermittelnde Erzähler" zustiitmen könne, ohne Tempustransposition in erlebter Rede vorkarmien können, sondern auch solche, deren ausgedrückte Ansichten "sehr subjektiv" oder sogar "völlig närrisch" seien. Diese Tatsachen sind weniger 121 Zitiert nach Meyer ( 1 9 5 7 : 2 o ) . Vgl. zu diesem Beispiel auch Steinberg (1971: 231) . 122 Zur erlebten Rede als Parodie bei Robert Musil vgl. Hoffmeister ( 1 9 6 5 : 9 9 f f . , passim), der einen Zusammenhang zwischen erlebter Rede ohne Tempustransposition und ironischer Lesart sieht; seines Erachtens eignet sich das Präsens besonders für die Wiedergabe allgemeiner Vorurteile, Zu dem zitierten Passus speziell s. Miller (1958 : 216f.) und Steinberg {1971:228}.
226
erstaunlich, wenn man beide Falle - die Transposition einer idiomatischen Wendung oder eines Sprichworts und die Nicht-Transposition bzw. die Markierung durch das Präsens eines nicht allgemein bekannten Satzes - als zwei verschiedene Phänomene begreift und nicht als verschiedene Ausprägung des gleichen Phänomens, etwa als fakultative Transposition bei Allganeinsätzen. Als typisches Beispiel des ersten Falles kann die Transposition von Sprichwörtern und Redewendungen gelten, deren Form ja gewissermaßen fixiert ist. Dennoch können auch Sprichwörter trotz dieser Fixierung gramnatischen Transformationen unterliegen (Boeder 1985a). '" Nach Boeder beruhen diese Transformationen zumeist auf einem Vorgang der Anspielung.
124
Zu den häufigsten Techniken, mit de-
ren Hilfe das Sprichwort in eine Anspielung auf das Sprichwort transformiert wird, gehört die Ersetzung oder UmInterpretation genereller Ausdrücke durch bzw. in spezifische. Beispielsweise kann nach Boeder eine Pronominalform der 1. Person Plural, die im Sprichwort generell verstanden wird, kontextreferentiell, d. h. auf den Sprecher bezogen, interpretiert werden» Diese Technik läßt sich als Anwendung einer generellen Regel auf den Einzelfall verstehen, wozu aber die Kenntnis des Sprichworts benötigt wird. Als Anwendung auf den Einzelfall kann auch das transponierte Sprichwort in erlebter Rede aufgefaßt werden. Dennoch bestehen Unterschiede, während in einer Anspielung auf ein Sprichwort wie Sie ist ein ganz stilles WasseT der Ausdruck stilles Wasser auf Grund der Kenntnis des Sprichworts Stille Wasser sind tief und seiner Bedeutung metaphorisch verstanden wird, und zwar als partikuläre Prämisse ("A ist s") in einem Schlußschema, dessen generelle Prämisse die allgemeine Aussage ["wenn S, dann T") des Sprichworts darstellt und dessen Konklusion ("A ist T") erschlossen wird, berührt andererseits die Transposition im Tempus nicht den allgemeinen Charakter eines Satzes wie Stille Wasser waren oft tief. Was durch das Tanpus transponiert wird, ist nicht die Allgemeingültigkeit des Sprichworts selbst, sondern der Zeitpunkt seiner Anwendung auf einen speziellen Fall, also der Zeitpunkt des (gedanklichen) Zitierens des Sprichworts. Indem die generellen Sätze als Zitate anläßlich einer bestimmten Gelegenheit vom Bewußtseinsträger wahrgenonmen und auf diese Situation
123 Neben speziellen Verweisen zum Sprichwort im Georgischen finden sich in dieser Arbeit auch noch Literaturhinweise zur allgemeinen Sprichwortforschung. Vgl, dort auch zur Variabilität bei Sprichwörtern, die ich hier vernachläss ige. 124 Zu Anspielungen auf Gesagtes vgl. Svensson (1977). Es wurde bereits ( 3 . 2 ) darauf hingewiesen, daß im Gegensatz zur direkten Rede sich die Anspielung auf eine reale bzw. bekannte Äußerung beziehen muß. Bei Sprichwörtern handelt es sich weniger um eine reale Äußerung des Sprichworts als vielmehr um die als bekannt vorausgesetzte "Existenz" des Sprichworts, dessen Hortlaut und Inhalt dem Hörer zur Interpretation der Anspielung geläufig sein müssen.
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bezogen werden, unterscheiden sie sich im Prinzip nicht von einer wahrgenommenen Bede, bei der es ja auch zu Transpositionen eigentlich feststehender Wendungen können kann (z. B. How did she do?) . Bei den nicht-transponierten "Sentenzen" handelt es sich dagegen nicht um Anspielungen auf allgemein bekannte Sätze, sondern um Generalisierungen des Bewußtseinsträgers. Das Präsens im Kontext praterital transponierter erlebter Rede signalisiert offenbar eine besondere Bedeutung, die die Transposition blockiert. Diese besondere Bedeutung liegt weniger in der Allgeroeingültigkeit der betreffenden Aussage (dann dürfte es keine transponierten Sprichwörter geben), sondern in einem subjektiven Gebrauch des atemporalen Präsens ("für mich ist es so") durch den Bewußtseinsträger. Die Interpretation des Präsens als subjektive Verallgemeinerung durch den Bewußtseinsträger wirkt gegenüber der Transposition offenbar ähnlich blockierend wie die subjektive Komponente der türkischen wtjFormen oder die Präsupposition eines Sachverhalts durch das Bgo im Falle der nicht-transponierten Formen mit werden in (74). Die allgemeine Erklärung für unterbliebene Transposition würde also dahin gehen, daß eine spezielle nicht-temporale Bedeutung der betreffenden Form blockierend wirkt, sei es eine aspektuelle Bedeutung wie bei der m?'§-Fom oder sei es eine subjektive modale Komponente wie beim Präsens oder bei werden. Weitere Generalisierungen, etwa im Rahmen eines Konzepts der Subjektivität, müssen zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen bleiben. Anspielungen auf Sätze mit Zitatcharakter (z. B. auf Sprichwörter) enthalten, wie bereits ausgeführt wurde, ein temporales Element in der erlebten Rede, das als Zeitpunkt des gedanklichen Zitierens des als bekannt vorausgesetzten Satzes verstanden wird. Dieser Zeitpunkt wird in der transponierten erlebten Rede als Jetzt des Ego, als Referenzzeitpunkt des Präteriturns interpretiert. Ein Sprichwort, das in einer sonst transponierten erlebten Rede unverändert auftritt, wird dadurch nicht allgemeiner, sondern verliert den Charakter des gedanklichen Zitierens zum Referenzzeitpunkt. Wenn es dann überhaupt als erlebte Rede verstanden wird und nicht als direkte Rede oder auktorialer Kommentar, so vermutlich dadurch, daß eine spezielle Bedeutung des Tempus konstruiert wird, die die Transposition blockiert. 4.4.8
Temporal- und lokaldeiktische Adverbialausdrücke in erlebter Rede
Eines der anerkanntesten Merkmale der erlebten Rede stellt die auf den Bewußtseinsträger bezogene Standortbestinmung durch temporale und lokale Adverbialaus-
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drücke dar. Das unterschiedliche Verhalten von Teinpora und Adverbialausdrücken hat, wie erwähnt (4.4.1), Banfield (1982) veranlaßt, eine Kategorie "PRESENT" vcn einer Kategorie "NCW" zu unterscheiden. Ausdrücke wie hier, jetzt, gestern, morgen finden sich in vielen der zitierten Beispiele. Ich erwähne nur: stiller than this [morning]f one of these days {3); God aould call him new (25); iki yildtr 'seit zwei Jahren' und orada 'dort* (38); $imdi 'jetzt' £39); hier oben und heute (63); jetzt und gestrig (71); dort drinnen (74). Es erübrigt sich also, dafür weitere Belege anzuführen. Eine wichtige Frage ist, ob es auch im adverbialen Bereich zu Transpositicnen analog den Tenpustranspositicnen können kann. Karpf (1933:250) hat behauptet, sie könnten auch in "ER in der umgesetzten Form der IR erscheinen", ohne allerdings Beispiele zu nennen. Auch Steinberg (1971:241 f . ) hält "auktoriale Zeitadverbien" in erlebter Eede für möglich.126 Er führt folgendes Beispiel als Beleg für "auktoriale" Zeitausdrücke an: (8l)
Au Postilion est un debit, de l'autre cote, face aux casernes, et tout le monde y semblait deja au courant de ce qui se passait, M. Benolt s'y installa, ... Est-ce que tous ces gens-la, ce dimanche soir, avaient perdu de vue que Je lendemsin etait lundi? et qu'ils devraient Stre A levtr travail? (Louis Aragon, La Seraaine sainte. Kap. V: "Saint-Denis".). 1 9 7
125 Vgl. schon bei Kalepky (1899:498), der diese Ausdrücke allerdings im Sinne seiner Theorie der "verschleierten Rede" als Beleg dafür wertet, "daß die Zeitbestimmungen nicht zu denjenigen Punkten gehören, in denen der Erzähler Aenderungen in der Absicht vollzieht, nicht selbst als der Fragende zu erscheinen." Wie McHale (1978:265f.) und Pascal (1977:20) anmerken, werden diese Merkmale bei Bally und bei Lips offenbar nicht als "Indizien" erlebter Rede behandelt, eine Tatsache, die damit zusammenhängen mag, daß die von ihnen zitierten Beispiele wenig auf den Bewußtseinsträger bezogene temporalund lokaldeiktische Adverbialausdrücke enthalten; dagegen kommen in einigen der von Lips (1926) zitierten Belege kontextrelative Adverbialausdrücke wie le lendemain vor. Wenn Steinberg ( 1 9 7 1 : 2 3 7 f f . ) kritisch anmerkt, daß die Konibinierbarkeit von Vergangenheitsteinpora mit Adverbialausdrücken wie morgen erst durch Hamburger (1953) ins Bewußtsein der Literaturwissenschaft gerückt sei und von der Systemlinguistik nicht zur Kenntnis genommen würde, so hat sich dies heute geändert. Ich nenne neben Banfield ( 1 9 7 3 ) , für die die Beibehaltung deiktischer Ausdrücke ein konstitutives Merkmal der erlebten Rede ist, Fillmore ( 1 9 7 6 ; 2 O 9 f . ) , DilIon/Kirchhoff £ 1 9 7 6 : 4 1 3 f . ) , Rauh (1978:286), McHale (1978), Wunderlich (197O:98f.), Markus ( 1 9 7 7 : 5 o ) , Smith B. H. (1978:51ff.) und Smith L. E. (1981:217). Die Liste ließe sich weiter fersetzen. 126 Vgl, Steinberg (1971:241f.): "Auktoriale Zeitadverbien sind in E.R. seltener als personale, ein auktoriales Zeitadverb ist jedoch kein Kriterium, das ausschlösse, eine Darstellung als E.H. zu interpretieren." Vgl. zu "erzählenden Adverbien" in erlebter Hede auch weinrich ( 1 9 7 1 : 2 4 2 f . ) und Hilty (1965:271). 127 Vgl. Steinberg (197i:24o), der In diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß
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Die meisten Belege für "auktoriale" Zeitausdrücke stellen die französischen Zeitangaben l& l&ndemain und Ta veille. 128 Die von Steinberg beobachtete Seltenheit solcher nicht-deiktischen Zeitausdrücke in erlebter Rede im Englischen und Deutschen dürfte wohl darauf zurückzuführen sein, daß in diesen Sprachen für den Bezug auf den folgenden cder vOrhergehenden Tag keine nicht-deiktischen lexikalischen Entsprechungen zu den deiktischen Ausdrücken existieren. Deiktische Aasdrücke, für die es keine nicht-deiktischen lexikalischen Entsprechungen gibt, dürften daher nicht ersetzbar sein. So kann man sich für jetzt keine "auktoriale" Zeitangabe als lexikalische Entsprechung in erlebter Rede vorstellen. Wenn man für jetzt im Beispiel (71) versuchsweise ein dann einsetzt (und statt gestrigen eine Umschreibung wie des Vortages), dann hat man nicht mehr den Eindruck einer erlebten Rede, sondern den eines auktorialen Kcmnentars: (82)
Hätte er es auf den Versuch einer Anpassung an die venezianische Luft oder auf Besserung des Wetters ankommen lassen, so stand ihm dann, statt Hast und Last, ein Vormittag am Strande gleich dem des Fortages bevor.
Offenbar sind also tenporale deiktische Adverbialausdrücke in erlebter Rede nur bezogen auf dan Standpunkt des Ego zu verstehen; sobald der Standpunkt des Erzählers ins Spiel könnt, wie im konstruierten Beispiel (82), geht die Interpretationsröglichkeit als Wiedergabe vm Gedachtem verloren, und es entsteht der Eindruck eines Kontnentars durch einen auktorialen Erzähler. Wenn dieser Eindruck richtig ist, dann hieße das, daß temporalen deiktischen Adverbialausdrücken prinzipiell eine andere temporale Struktur als den verbalen Tempora zuzuordnen ist. Die Paradigmen dieser Adverbialausdrücke erlauben es demnach nicht, sie systematisch als Ausdrücke mit einer dreistelligen tanporalen Relation aufzufassen, die in zwei zweistellige Relationen umgeformt werden kann, deren eine als torporaler Rahman zwischen einem Bezugspunkt R und einem fiktiven Bezugspunkt des Erzählaktes aufgefaßt werden kann und deren andere die Perspektive des Bedie fragliche Stelle in der deutschen Übersetzung von Hans Mayer so lautet: "Hatten all diese Leute am heutigen Sonntagabend vergessen, daß morgen Montag war und daß sie dann zur Arbeit mußten?" 128 Bei den Belegen mit relationalen statt deiktischen Zeitangaben in erlebter Rede fällt auf, daß es sich jeweils um wahrgenommene Rede handelt. Vgl. etwa bei Lips (1926:68,73) ein Beispiel mit la veille und eines mit Je _Zendemain. Ebenfalls um wahrgenommene Rede handelt es sich bei einem von Steinberg (1971 24O) dokumentierten Beispiel mit le lendemain aus Flauberts Madame Sovary, das von Lerch (1928) folgendermaßen zusammengefaßt wurde: " . . . Emma und Leon [sehen] sich nach langer Zeit zufällig wieder. Nachdem Emma in direkter Rede einige Worte geäußert hat, heißt es: Et l Occasion otait perdue, car eile partait des le lendemain. Man wird das zunächst für eine Angabe des Autors halten, es folgt jedoch: Vrai? fit Leon, und erst daraus erkennt man, daß auch der fragliche Satz in seiner zweiten Hälfte Rede war (Rede Emmas}."
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wußtseinsträgers zwischen seinem mit R gleichzusetzenden subjektiven Jetzt und einem Ereignis E ausdrückt. Vielmehr stehen sie offenbar für eine zweistellige Relation zwischen einem Ereignis und dem Standort des Ego, das als Bewußtsseinszentrum fremde oder eigene Rede bzw, Gedanken wahrniirmt {und nicht notwendig "Sprecher" ist). Ersetzbar sind deiktische Adverbialausdrücke durch relationale Ausdrücke in erlebter Rede offenbar dann, wenn es systematische lexikalische Entsprechungen in der betreffenden Sprache gibt (z. B. frz. demain und le lendemain bzw. hiev und la veille) , Bei lokalen deiktischen Adverbialausdrucken existieren in der Regel keine nichtdeiktischen Entsprechungen. Man würde also erwarten, daß auch ein auf den Standpunkt des Ego bezogenes hier {ebenso wie jetst) nicht durch einen auf den Erzählerstandpunkt bezogenen deiktischen Ausdruck ersetzt werden kann. Wenn man für hier oben in (63) ein dort oben einsetzt, entsteht entweder der Eindruck einer auktorialen Stellungnahme oder einer erlebten Rede, in der von einem anderen Ort die Rede ist: (83)
Die Vorstellung ... verwirrte ihn so, daß er die Augen schloß und eine abwehrende Handbewegung machte. "Unmöglich, unmöglich", murmelte er. Da es denn aber unmöglich war, so würde er also allein und ohne Joachim dort oben weiter leben?
Ein there in erlebter Rede statt einem here einer direkten Rede kann, wie im nächsten Beispiel, dann vorkamen, wenn es sich um die von einem Ego wahrgencmitiene Rede eines anderen handelt: (84)
The moment I tried to speak of the business that had brought me to his house, he [Mr. Fairlic] shut his eyes and said I 'upset' h i m . . . . As to the settlements, if I would consult his niece, and afterwards dive as deeply as I pleased into my own knowledge of the family a f f a i r s , and get everything ready, and limit his share in the business, as guardian, to saying Yes, at the right moment - why/ of course he would meet my views, and everybody else's views, with infinite pleasure. In the meantime, there I saw him, a helpless sufferer, confined to his room.... (Wilk-ie Collins, The Woman in White. "Tlie Story Continued by Vincent Gilmore ", I . ) .
Vorstellbar ist in diesem Falle aber auch, daß das wahrnehmende Ego durch ein here die Perspektive des Redenden übsrniirmt. Beide ^$iglichkeiten stellen aber keine auktoriale Position dar, sondern nur verschiedene perspektivische Zugänge des Ego.
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4.5
Die Zuordnung von Kode und Stil in der erlebten Rede
Die Frage, inwieweit die erlebte Rede die Worte bzw. die wahrgenommenen Worte oder die in Warte gefaßten Gedanken des Bewußtseinsträgers abbildet, ist so alt 1 29 wie die Forschungsgeschichte der erlebten Rede. zu den Phänomenen, die bei der Beantwortung dieser Frage eine Polle spielen, zählen auf den Kode bezogene Merkmle erlebter Rede, stilistische Eigenschaften und die Verwendung von Kamen oder Kennzeichnungen. Wenn die erlebte Rede nur Figurensprache wäre, so lautet ein Argument, dann mißte sie iirmer den Idiolekt der Figur und die Bezeichnungen, die sie verwenden wurde, enthalten. Aus der Tatsache, daß erlebte Rede keine Kdiminikation abbildet, folgert Banfield (1973:32): "it never presents the purely phonological dialectal trait of a character (as opposed to features of his syntactic and lexical style ...)". Mit dieser Restriktion spricht Banfield offenbar mehr an als die Unmöglichkeit, blo0e Geräusche durch erlebte Rede wiederzugeben. Die Abgrenzung, wann ein Dialektmerkmal als re±n phonologisch gelten kann im Gegensatz zu lexikalischen Eigenschaften, ist in der Praxis oft schwer zu ziehen. Sind beispielsweise Formen aus einer anderen Sprache "rein phonologische" Merkmale oder handelt es sich bei den französischen Ausdrücken in der folgenden Passage, die von einer indirekten Rede in eine Konstruktion übergeht, die formal erlebter Rede entspricht, um lexikalische Inseln direkter Rede? (85)
Dick talked her around, saying that his brother couldn't marry a foreigner on account of la famille and not having a situation and that he would soon be out of the array and back at a drafting desk ... did she know how little a draftsman in an architect's office was paid en Am&rique? Nothing at all, and with la vie chere and la chute ciu franc and le dollar would go next and la revolution mondiale would be coming on, and the best things she could do was to be a good girl and not have the baby. She began to cry ... Dick followed her and consoled her and patted her cheek and said gue voulez vous it was la vie .., (John Dos Passos, Nineteen Nineteen. "Richard Ellsworth Savage", 3 ) .
129 Es sei nur erinnert an Kalepkys Auffassung, wonach formal gesehen der Autor spricht, der Kontext aber die fraglichen Formen als "verschleierte Rede" der Figur der Erzählung interpretieren läßt (Kalepky 1899r5o6f., 1913:613). 130 Zu ähnlichen Beispielen aus John Dos Passos s. McHale (1978). Banfield (1982) nimmt gegenüber früher (1973) eine differenziertere Position ein; sie sagt, Anhaltspunkte für Aussprache und lexikalische Eigenschaften des Idiolekts des Bewußtseinsträgers seien "möglicherweise schwer zu unterscheiden" 11982:114).
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Daß erlebte Rede dialektale Eigentümlichkeiten widerspiegeln kann, hat bereits Lips (1926:68ff.) festgestellt: "Ainsi le style indirect libre pennet, ccntne le direct, des effets par evocation du milieu ...", Sie zitiert in diesem Zusamnsnhang hauptsächlich aus Zola erlebte Reden mit Argotausdrücken. Karpf (1933:246) zählt "Dialekteigentümlichkeiten, Vulgarismen" zu den unterscheidenden Merkmalen der erlebten gegenüber der "streng" indirekten Hede. Er zitiert eine Reihe Beispiele aus Dickens, die alle wahrgenamene Hede wiedergeben, wie das folgende: (86)
... and Mrs. Crupp expressly intimated that she should always yearn towards me as a son. I was to take possession the day after tomorrow, and Mrs, Crupp said, thank Heaven she had now found siamun she could care for! (Charles Dickens, David Copperfield. Kap. 2 3 ) .
Als typisch für den Stil von Dickens bezeichnet Pascal (1977:72) "the use of the personal idiom of the characters". Er weist darauf hin, daß Dickens in Bleak House häufig auch in erzählenden Passagen gruppenspezifisches lexikalisches Material einfließen laßt. Eine Andeutung von morphologischen oder phonologischen Besonderheiten der Personensprache in erlebter Rede mag in folgendem von Pascal (1977:73) zitierten Passus gesehen werden: (87)
Why, Mrs. Piper has a good deal to say, chiefly in parentheses and without punctuation, but not much to tell. Mrs. Piper lives in the court iwhich her husband is a cabinet-maker), and it has long been well beknown among her neighbours ... as the Plaintive - so Mrs. Piper insists on calling the deceased - was reported to have sold himself. Thinks it was the Plaintive's air in which that report originatinin. See the Plaintive often and considered as his air was feariocious and not to be allowed to go about some children being timid ,.. Has seen the Plaintive wexed and worrited by the children ... On accounts of this and his dark looks has often dreamed as she see him take am pickaxe from his pocket and split Johnny's head (which the child knows not fear and has repea.tua.lly called after him close at his eeis). (Charles Dickens, Bleak House. Kap. 11).
Einige der hervorgehobenen Abweichungen von der standardenglischen Orthographie könnten als Andeutungen phonologischer Dialekt- oder Idiolektmerkmale aufgefaßt. \verden (z. B. sels statt heels} wexed statt vexed oder die Endung -in statt ~ing), wenn auch z. B. der Ausfall des /h/ nicht durchgängig dargestellt ist. Die idiolektalen morphologisch-phonologi sehen Züge der wahrgenctiinenen Rede der betreffenden Person dienen weniger der "Wiedergabe" der Form als solcher, sondern sie charakterisieren vor allem die Person Mrs. Piper. Relevant in der erlebten Rede ist nicht die lautliche Ebene als solche, sondern die "soziale Bedeutung", die mit den betreffenden lautlichen Zeichen verbunden ist, d. h., es sind die verschiedenen Ebenen des sprachlichen Zeichens zu beachten: Es bezeich-
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net etwas und ist zugleich auch Indikator für Eigenschaften des Sprechers. Wahrgenoroen wird in der erlebten Rede die soziale Bedeutung, die durch die phonologische Form vermittelt wird. Es dürfte bei einer Passage wie (87) jedenfalls problematisch sein, sie als Fall einer Mischung aus direkter und erlebter Rede anzusehen, da hier kaum angebbar ist, welche Elemente Einschübe direkter Rede darstellen und welche nicht. Eine Kategorie "gemischter Rede" ist von Partee (1972) für indirekte Rede, die expressive Elemente enthält, mit nachstehendem Beispiel angesprochen worden und wird von Banfield (1973) als "mixed direct and indirect quotation" bezeichnet:131 (88)
She giggled that she would feel just too, too liberated if she drank another of those naughty martinis.
Die Gründe für Restriktionen der erlebten Rede gegenüber sprachlichen Ausdrükken, die ganz einer fremden Sprache angehören oder die keinen deskriptiven Gehalt haben, hängen m. E. vor allem damit zusammen, daß Gesprochenes nur soweit darstellbar ist, als es durch die Wahrnehmung des Bewußtseinsträgers verarbeitet werden kann. Voraussetzung für die "Wiedergabe" des Gesprochenen in erlebter Rede dürfte z. B. sein, daß der Held es interpretieren kann. Eine Satzfolge wie die folgende klingt daher für den Leser, der die englischen bzw. die türkischen Ausdrücke versteht, absurd; für den Leser, der sie nicht versteht, stellen sie eine direkte Rede in Form einer bloßen Lautkette dar: (89)
Vom gegenüberliegenden Garten winkte die neue Nachbarin. How did she do?/ Afasil idi? Elsa versuchte den Sinn der Frage zu erfassen.
Daß erlebte Rede so nicht möglich ist, hängt m. E. weniger von der Tatsache des verschiedenen Kodes ab, als vielmehr von der nachfolgenden Charakterisierung der Wahrnehmung durch den Bewußtseinsträger. Ersetzt man den Satz durch ein deutsches Äquivalent, so wird man die ausgedrückte Verständnisschwierigkeit in einem nicht wörtlichen Sinn zu interpretieren versuchen, beispielsweise als Schwierigkeit, die sozial-situative Bedeutung zu erfassen. Man könnte darüber spekulieren, 131 Der Terminus "mixed direct and indirect quotation" geht auf Partee (1973a: 411) zurück, die solche Sätze aus ihrer Analyse ausklammert, da sie nicht in "normaler gesprochener Sprache" vorkämen. Das Phänomen, daß Elemente direkter Rede in indirekte Rede eingestreut werden, ist von der Zeitungsfaerichterstattung und der Sachiiteratur wohlvertraut. Schuelke (1958) nannte diese Phänomene "Slipping"; vgl. dazu auch Page (1973:34) und McHale (1978: 2 6 O f . ) mit weiterer Literatur.
234 welcher spezielle erzählerische Kontext eine fremdsprachige erlebte Rede möglich machen kann. Vorstellbar erscheint sie beispielsweise in einem Zusammenhang, in dem sich die Akteure in mehr als einer Sprache verständigen. Daß kein Beleg für eine solche erlebte Rede bekannt ist, überrascht angesichts der speziellen Bedingungen nicht, ißglicherweise spielt auch eine gewisse Rücksicht auf den Leser eine Rolle, an den ja schon bei längeren fremdsprachigen direkten Reden höhere Anforderungen gestellt sind. Diese Überlegungen sprechen m. E. dagegen, zumindest für die erlebte Rede, die die Wahrnehmung von Gesprochenem darstellt, eine Restriktion auf den Kode der Umgebung anzunehmen. Die innere Wahrnehmung bezieht sich zwar eher auf Bedeutungen, und diese können gewöhnlich durch den Kode der Umgebung wiedergegeben werden. In markierten Fällen sozialer Bedeutung aber muß auf den Kode des Originals zurückgegriffen werden. Ein wenig anders stellt sich die Frage nach der Kodezugehörigkeit der erlebten Rede, wenn sie Gedanken des Helden wiedergibt. Hier ist eine Übereinstimmung zwischen dem Kode des Ego und dem der Umgebung in der Regel gegeben. Wenn bei einer Darstellung des Helden extensiver Gebrauch von der sozialen Bedeutung seines Kodes gemacht wird, dann finden sich umgekehrt Elemente dieses Kodes auch außerhalb der eigentlichen Rede- oder Gedankenwiedergabe (z. B. in Döblins Berlin Alexanderplatz}. 132 " Daß unterschiede zwischen dan Kode der erlebten Rede des Ego und dem Kode des Erzählers selten auftreten, hat m. E. vor allem erzähltechnische Gründe. Es irßßte dafür jeweils ein Mctiv bestehen, warum die Figur, deren Perspektive die Erzählung bestürmt, durch ihre Sprache sozusagen wieder verfremdet wird. Der umgekehrte Fall besteht darin, daß der Autor oder Erzähler (scheinbar oder wirklich) über die Transposition der Person und des Tempus hinaus in die erlebte fiede eingreift. Banfields Prinzip, wonach jedem von E dominierten Satz nur höchstens ein Bewußtseinszentrum "SELF" zugeordnet werden kann, auf das sich alle Ausdrücke der Subjektivität beziehen {vgl. oben 4.2.1) , schließt Eingriffe des Erzählers durch expressive Ausdrücke aus. Als Test dafür gelten ihr parenthetische Redekennzeichnungen, die erlebte Rede kennzeichnen können und die z. B. keine Interjektionen erlauben, vgl. Mas sollte er jetzt tun?, (*
) dachte er.
132 Vgl. Lips (1926:71): "Zola ne met pas seulement un langage vulgaire dans la bouche des gens du peuple, tnais il emploie lui-meme des expressions triviales en parlant d'eux."
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Diese These von der "EinstInnigkeit des Satzes" 133 hat eine Reihe von Gegenreaktionen, vor allem von literaturwissenschaftlicher Seite, hervorgerufen, 134 die in erlebter Rede dag Phänomen einer "Zweistiinnigkeit" sehen, vgl, den Titel von Pascals (1977) Buch The Dual Voice. Diese Auffassung von der Überlagerung zweier Stiimen in der erlebten Rede ist bereits 193O von VoloSinov vertreten worden: Außerdem gibt es in unserer Form kein "Entweder-oder-Dilemma", ihr Spezifikum besteht gerade darin, daß sowohl der Autor, als auch der Held aus ihr sprechen, daß hier, innerhalb der Grenzen einer sprachlichen Konstruktion, die Akzente von zwei verschiedengerichteten Stimmen bewahrt werden. (Volosinov 1975:215).
In jüngerer Zeit hat man versucht, die Bereiche, die man dem Autor zuschreibt, von den Bereichen abzugrenzen, die man dem Helden zuzuordnen hat. Meist wird dabei darauf hingewiesen, daß der Autor für die tvortwahl verantwortlich ist. Dabei ist oft unklar, was gemeint ist. Beispielsweise spricht Guiraud (1971:85) davon, daß die erlebte Rede die wörtliche Bedeutung ("predicative message") der Figurensprache und die darüber hinausreichende situationsspezifische oder Sprechaktbedeutung ("locutive message") der Autorensprache vermittle: Free indirect style ... superimposes the primary speaker's [=Autor, aktueller Sprecher] voice and the secondary speaker's voice; or rather, the primary speaker's voice and the secondary speaker's words.
Unter "voice" versteht Guiraud die Einbringung der "locutive message", wozu er rhetorische Mittel wie Ironie rechnet. Daß erlebte Rede oft in ironischer Weise und Absicht präsentiert wird, wie übrigens auch direkte Rede, ist wohl eine wohlbekannte Tatsache, die aber nicht als Hinweis auf eine doppelte Perspektive
133 Ähnliche Überlegungen enthält wohl auch Isenbergs (1977) Satzdefinition; s. dazu in 2 , 2 . 134 Direkt mit Banfields Arbeit setzen sich auseinander: Dillon/Kirchhoff (1976) (eine Erwiderung darauf ist Banfield 1978b) , Perruchot (1975) , McHale (1978), Roberts .(1981) und Ron (19815. 135 Vgl. Pascal ( 1 9 7 7 : 4 3 ) : ... free indirect speech is never purely and simply the evocation of a character's thought and perception, but always bears, in its vocabulary, its intonation, its syntactical composition and other stylistic features, in its content, or its context, or in some combination of these, the mark of the narrator.
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der erlebten Rede gewertet werden kann. "" Allenfalls kann mit dieser Auffassung der Stinroenüberlagerung gameint sein, daß die Komposition des Textes Sache des Autors ist, denn eine ironische Interpretation ergibt sich ja beispielsweise dadurch, daß etwas nicht als situationsadäquat dargestellt wird. Banfield (1978bc 297, Anm, 7) weist im Zusammenhange ihrer Unterscheidung von Autor und Erzähler {= Ich-Erzähler) darauf hin, daß sich der auktoriale Charakter von Wortwahl und Anordnung {"selection and arrangement") u. a. darin dokumentiert, daß Fehler und Inkonsistenzen nicht dem Erzähler, sondern dem Autor zugeschrieben werden. Auf den zusammenfassenden Charakter, den die erlebte Rede bisweilen annehmen kann, haben verschiedene Autoren hingewiesen. "' Pascal (1977:26) betont die nichtwörtliehe Interpretation: The narrator also makes himself felt through the form and order of the sentences. 'Erlebte Rede' is different from direct speech in that it does not claim to report speech literally; it is, or always may be, a resume, a condensation, an ordering of what goes on in the mind of the character, or of what he said ... Außerdem wird inner wieder darauf verwiesen, daß erlebte Reden Worte enthalten, die für den Helden zu prätenziös oder anderweitig unangemessen seien. Beispielsweise wird im Zusammenhang mit der vielzitierten Passage (1-4}, die die Angst Hanne Buddenbrooks vor dem Ausfragen des Lehrers darstellt, häufig betont, "daß Hanno unmöglich so gedacht haben konnte."
(Beyerle 1972:355). Die Sprache der
erlebten Rede, die hier ohne den Kontext wiederholt wird, sei "nicht die eines Kindes" (Ißrck 1921:59): (90)
Das B, der Buchstabe B war an der Reihe! Gleich würde sein Name ertönen, und er würde aufstehen und nicht eine Zeile wissen, und es würde einen Skandal geben, eine laute schreckliche Katastrophe, so guter Laune der Ordinarius auch sein mochte . , .
136 Auch Pascal (1977:26) führt Ironie als Hinweis auf die Interpretation der erlebten Rede als "dual voice" a u f , verweist dabei u. a. auf die Darstellung des Maklers Gösch in Buddenbrooks; so bereits Lerch (1914:479): "So ironisiert der Dichter die beweglichen Klagen dieses Geschäftsmannes.. Pascal w i r f t Lerch allerdings vor, die ironische Funktion erlebter Rede nicht erkannt zu haben, 137 Zur erlebten Rede als Resume vgl. auch Guiraud ( 1 9 7 1 : 8 6 f . ) und vor allem Beyerle ( 1 9 7 2 : 3 5 1 ) : "Die erlebte Rede h a t , was oft übersehen wird, die Gabe der Zusammenfassung ..."; als "Wesenszug" der erlebten Rede erachtet er den möglichen und üblichen Eingriff des Autors. Hilty (1973:41, Anis.) kritisiert daran zu Recht, daß dies keine konstitutive Eigenschaft erlebter Rede darstellt.
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Ich will die Beurteilung dessen, ob die Sprache dieses Beispiels Hanno angemessen ist oder nicht, den Literaturwissenschaftlern überlassen. 138 ~ Bei diesen Überlegungen wird offenbar vorausgesetzt, daß die erlebte Rede ein gewisses Maß an Wörtlichkeit aufweise. Wahrend für die direkte Rede die realistische Interpretation der wörtlichen Wiedergabe idealtypisch ist, auch wenn der Sprecher auf verschiedene Weise durch sprachliche Mittel ein Abgehen von der Vfort-für-WortWiedergabe signalisieren kann (s. Kap. 3), ist für die erlebte Rede, die innere Zustände wiedergibt, eine realistische Interpretation nicht typisch. Dennoch ist die Unterscheidung, ob durch sprachliche Mittel (und somit für den Interpreten auch durch sprachliches Wissen) ein gewisses Maß an Wörtlichkeit signalisiert wird, legitim. Auf diese Weise betrachtet, gibt uns veder der Text (9O) noch seine nähere Umgebung einen expliziten Anhaltspunkt bezüglich der "Wbrtlichkeit" der Gedanken. Nicht die erlebte Rede, sondern der Gesamtzusaimienhang des Werkes, unsere Polgerungen über die Eigenschaften der beschriebenen Figuren und unser Alltagswissen läßt uns Überlegungen anstellen, ob die Diktion des Helden wiedergegeben wird oder nicht. Wenn wir aufgrund solchen Wissens zu dem Schluß kamen, daß es in einem realen Sinne unwahrscheinlich ist, daß der Held so gesprochen, gehört oder gedacht haben sollte, dann folgt daraus noch nicht, daß der Autor auf diese Weise seine Präsens signalisiert. Der interpretierende Leser wird die Diskrepanz zwischen der Diktion der erlebten Rede und der erwarteten Diktion des Helden vielmehr als rhetorischen Effekt verstehen, beispielsweise als ironische Charakterisierung. Wenn Guiraud (1971:86f.) meint, daß in der folgenden erlebten Rede sowohl Arnoux als auch Flaubert sprechen, da Flaubert nicht genau die Worte seiner Figur wiedergebe, so irrt er m. E. aus den eben angesprochenen Gründen. (9l)
Le monsieur eri bottes rouges donna des conseils au jeune homme; i l exposait des theories, narrait des anecdotes, se citait lui-meme en example, debitant tout cela d'un ton paterne, avec une ingenuite de corruption divertissante. II etait republicain; il avait voyage, il connaissait l'interieur des theatres, des restaurants, des journaux, et tons les artistes celobres, gu'il appeläit familiärement par leurs prönoms; Frederic lui confia biento't ses projets; il les encouragea. (Flaubert, L'education sentimentale. Kap, I ) ,
138 Steinberg (1971:409, Anm. 1), der ja für die erlebte Rede eine direkte Rede voraussetzt, lehnt diese Interpretation ab und macht geltend, die Wortwahl sei nicht unangemessen, sondern im Gegenteil im Einklang mit Hanrios sonstiger "hochgestochener Redeweise". Diese Passage wurde zuerst zitiert bei Lerch (1914:478), dann von Lorck (1921:59) als Beleg für eine von ihm "mittelbare erlebte Rede" genannte Kategorie aufgegriffen, in der der Autor für die Wortwahl der Personen sorge. In gleicher Weise interpretiert sie Spitzer { 1 9 2 8 s l 9 1 f . ) . Als Wortwahl Hannas dagegen faßt sie Herczeg (1963:229) a u f .
238
Freilich wird man als Leser die hervorgehobene Passage Insgesamt nicht als genaue Wiedergabe in einem "realistischen" Sinne (wenn der Ausdruck in Zusammenhang mit einem fiktionalen Werk gestattet ist) verstehen. Dieses Verständnis kamt aber nicht dadurch zustande, daß der Autor seine Präsenz durch zusätzliche Mittel signalisiert, sondern allenfalls dadurch, daß man weiß: "So spricht man nicht." Dabei läßt sich durchaus jeder einzelne Satz "wörtlich" interpretieren, was wohl auch Guiraud (1971:87) meint mit: "... it is Arnoux speaking inasmuch as the author superimposes on the indirect sentence the direct intonation of his character." Darüber hinaus übersieht Guiraud offenbar eines der wichtigsten Merkmale der erlebten Hede, daß sie nicht den Sprecher wiedergibt, sondern den Hörer; in diesem Falle: daß Flaubert nicht durch erlebte Rede wiedergibt, was Arnoux sagt, sondern das, was von Gesagten (durch Frederic) wahrgenommen wird. Wenn wir dieses Msrktnal beachten, sind wir frei, auch den Relativsatz der Wahrnehmung Frederics zuzuschreiben, die, da sie sich auf Bedeutungen bezieht, auktorial wiedergegeben wird. Auf ein letztes Problem, das im Zusammenhang mit der "Wörtlichkeit" der erlebten Rede bzw. mit der Einmischung des Erzählers diskutiert wird, sei lediglich hingewiesen. Verschiedentlich hat man bemerkt, daß in erlebter Rede Namen oder Kennzeichnungen für den Bewußtseinsträger vorkamen können, die nicht dessen Wortwahl sein können: {92}
He stopped again, rose again, and seemed quite embarrassed - He was more in love with her than Emma had supposed, (Jane Austen, Emma). ^°
(93)
Der Konsul sah ihn blinzelnd an, indem er ihn weder sah noch hörte. Er hatte keineswegs seinem wirklichen Gedanken Ausdruck gegeben, über den er g r ü b e l t e . . . . Warum gerade jetzt, jetzt jetzt - und der Chef der Firma 'Johann Buddenbrook' wußte sehr wohl, was er unter diesem Jetzt verstand dieser Zusammenbruch auf allen Seiten ... Der Konsul wäre allzu naiv gewesen, hätte er nicht gewußt, daß das Ansehen seines eigenen Namens nach der Verlobung Grünlichs mit seiner Tochter auch seinem Schwiegersohne hatte zugute kommen müssen. Aber hatte der Kredit des letzteren so vollkommen, so eklatant, so ausschließlich von dem seinen abgehangen? War Grünlich selbst denn nichts gewesen? Und die Erkundigungen, die tier Konsul eingezogen, die Bücher, der er geprüft hatte? Mochte es sich damit verhalten, wie es wollte, so stand sein Entschluß, in dieser Sache auch nicht das Glied eines Fingers zu regen, fester als jemals. Man sollte sich verrechnet haben! (Thomas Mann, Buddenbrooks. T. 4, Kap. 8 ) .
139 Zitiert bei Banfield (1981:71). 140 Die Passage wird auszugsweise bei Heemstra (1932:66, 81} in Zusammenhang mit dem Ausdruck des letzteren zitiert. Dieser Ausdruck hat sein Antezeäens eigentlich außerhalb der erlebten Rede und kann nicht in einer direkten inneren Rede Johann Buddenbrooks vorausgesetzt werden.
239
Beispiele wie (92) haben Banfield (1981, 1982:183ff.) bewegen, eine erlebte Rede, die auf ein reflektierendes Bewußtsein bezogen ist und die keine Namen oder Kennzeichnungen zur Bezeichnung des Helden erlauben soll, von einer Darstellung zu unterscheiden, die unreflektiertes Bewußtsein repräsentiert, z. B. von Wahrnehmungen oder Gefühlen des Helden. Diese zweite Kategorie soll durch folgende Eigenschaften ausgezeichnet sein: Sie erlaubt Deiktika, die den räumlichen und zeitlichen Standort des Helden definieren, aber keine nichteingebetteten expressiven Elemente (wie die Partikel yes); keine Fragesatzform, da Fragen Reflexion implizieren; keine parenthetischen Redekennzeichnungen; dagegen erlaubt sie nach Banfield den Eigennamen anstelle eines Pronomens der dritten Person zur Bezeichnung des Helden (müßte dabei konsequenterweise nicht auch noch zwischen Vor- und Familiennamen unterschieden werden?). Deskriptive Ncminalphrasen zur Referenz auf den Helden seien allerdings auch in der Kategorie der unreflektierten erlebten Rede ausgeschlossen. Cb der Satz in (93) mit der hervorgehobenen Kennzeichnung der Konsul sich als erlebte Rede eines unreflektierten Bewußtseins auffassen laßt (falls man nicht überhaupt argumentieren will, daß die Bezeichnung außerhalb der erlebten Rede stehe), scheint mir allerdings fraglich. Darüber hinaus wäre ja die deskriptive ffcminalphrase nach Banfield ohnehin auch in der Wiedergabe eines nichtreflektierten Bewußtseinsinhalts unzulässig. Offenbar wird bei der Diskussion verkannt, daß ja auch das prononen der dritten Person ein auktorialer Ausdruck für das ist, was den Ego, soweit es nicht Sprecher ist (direkte Rede produziert), durch iah nicht zur Verfügung steht. Man müßte donzufolge eher zwischen Graden der Auktorialität statt zwischen diskreten Kategorien der erlebten Rede unterscheiden. Da es in den europäischen Literatursprachen keine sprachliche Bezeichnung für das Fjgo gibt, muß der Autor (als Sprecher) einspringen. Ob es in den Sprachen, die mit logophorischen Pronomina (s. das folgende Kapitel) nach der hier vertretenen Auffassung über eine Bezeichnung für das Ego verfügen und die ebenfalls die literarische Konstruktion einer erlebten Rede kennen, weitergehende Restriktionen gibt, muß zum gegenwärtigen Zeitpunkt offenbleiben. Die erlebte Rede in neuerer literarischer Prosa im Yoruba, in der nach Bamgbose (1986) die logophorischen Formen zur Bezeichnung des Helden Verwendung finden, könnte ein Testfall sein. 4.6
Die erlebte Rede als Ausdruck des Ego
Die sprachlichen Besonderheiten der erlebten Rede wurden in den vorangegangenen Ausführungen vor allem aus zwei Eigenschaften abgeleitet.
24
Vor allem enthält die erlebte Rede keine Darstellung des Zeichenbezugs personaldeiktischer Ausdrücke; sie kann kein neues "ich" einführen, das einen Bezug zu einem dargestellten Sprechakt zum Ausdruck bringt. Ein "ich" ist nur dort möglich, wo es sich um die erlebte Rede eines bereits eingeführten Ichs handelt, also im Falle eines Ich-Erzählers. Die Instanz, der die erlebte Rede zugeordnet wird, entspricht einan Bewußtseinszentrum, das durch den Ofojektbezug gegeben ist: einem Ego, das nicht spricht. Zum zweiten läßt sich der erlebten Rede auch keine Sprecherrolle, die soziale Dimension eines Redenden, zuordnen, selbst dort, wo sie sich auf Gesprochenes bezieht, gibt die erlebte Rede nur die nichtkoniminikative innere Wahrnehmung des Gesprochenen wieder; sie hat also weder einen Sprecher noch einen Hörer. Vfenn die erlebte Rede im Rahmen einer unpersönlichen Erzählung auftritt, steht sie nach der hier vertretenen Analyse in einem Text, der einem Erzähler zugeschrieben wird, der nur durch den Zeichenbezug des fiktiven Erzählaktes definiert ist. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die vorgeschlagene Analyse sowohl von der von Banfield (vgl. 4.2.1), die in diesen Fällen keine Instanz eines Erzählers zugrundelegt, als auch von der Pascals (1977), in dessen Theorie der Zweistinmigkeit der erlebten Rede die beiden Stimmen als mehr oder weniger gleichberechtigt sich überlagernde Stiitmen erscheinen: die Stimme des Erzählers und die des Helden. Im Beschreibungsrahmen der Referenzverschiebung tritt also nur die Verschiebung in den Bereichen auf, die an den Cbjektbezug der deiktischen Zeichen, insbesondere an das Ego, gebunden sind. In einer unpersönlichen Erzählung, einem Text alsor der durch das Fehlen subjektiver Elenente charakterisiert ist, tritt Referenzverschiebung zwischen einem Textabschnitt ohne ein Ego und einem Textabschnitt mit einem Ego auf. In der Ich-Erzählung verschiebt sich die Referenz zwischen zwei zeitlich getrennten Instanzen eines "ich", wobei das Ego des Bewußtseinszentrums der erlebten Rede von dem möglichen Ego des auktorialen Erzählers zu unterscheiden ist. Ein "du" ist selbst hier nur unter speziellen Bedingungen möglich, z . B . in Texten wie dem Briefroman, die einen persönlichen Adressaten des Erzählers (also ein "du" als "Person") aufweisen. Im Bereich der personalen Deixis wurden verschiedene Falle untersucht, die Ausnahmen gegenüber der Nichtverschiebung im Zeichenbezug darstellen könnten. Die möglichen Ausnahmen der ßeferenzverschiebung eines "ich" oder eines "du" wurden auf verschiedene Ursachen zurückgeführt. Darunter waren Fälle expressiver idiomatischer Wendungen, für die keine paradigmatischen Entsprechungen der dritten Person existieren; Vokative, die an eine nichtkommunikative Instanz gerichtet sind (denen also der rollentheoretische Bezug fehlt); Imperative, die als inne-
241
res Echo des Bewußtseinstragers begriffen werden; Fälle von generischem "wir", die in der Weise interpretiert werden können, daß sie nicht auf ein rollentheoretisch zu fassendes Ich referieren, sondern auf das Ego des Bewußtseinsträgers. Im Bereich der Verbtempora wurden die sogenannten transponierten Tempora der erlebten Rede dahingehend interpretiert, daß sie zum einen die Orientierung des Ego darstellen und zum anderen den Zeitpunkt des fiktiven Erzählaktes. Die Einbeziehung des letzteren unterliegt verschiedenen Restriktionen: Er darf nicht so zu verstehen sein, daß er eine persönliche Orientierung des Erzählers beinhaltet, daß also auch der Erzähler gleichzeitig als Ego auftritt; daher sind u. a. das Perfekt oder der türkische Inferentialis, die eine Bewertung von Sprecherstandpunkt aus beinhalten, nicht als transponierte Tempora möglich. Ein Zeitpunkt des fiktiven Erzählaktes kann auch dann nicht auftreten, wenn es in der betreffenden Sprache keine Form gibt, die zum einen die Orientierung des Bewußtseinsträgers beinhaltet und zum anderen eine Zeitrelation, die als Erzählrahmen interpretiert werden kannj in diesen Fällen kann die erlebte Rede nur nichttransponierte Formen aufweisen, die sozusagen gegenüber der Transposition blockierend wirken. Nichttransposition tritt ferner im Kontext des historischen Präsens auf (dort wurde sie auch als Null-Transposition aufgefaßt) und dann, wenn eigentlich transponierbare Tempora in irgendeiner Weise markiert interpretiert werden sollen (z. B, als aspektuell markiertes Präteriturn oder als generisches Präsens); diese Markierung wirkt der Transposition gegenüber ebenfalls blockierend. Bei den temporal- und lokaldeiktischen Adverbialausdrücken ist im Gegensatz zu den Verbtempora gewöhnlich keine Transposition möglich. Diese Tatsache wurde damit in Verbindung gebracht, daß die Adverbialausdrücke nicht als dreistellige Relationen aufgefaßt werden können, die sich in zwei zweistellige Relationen umformen lassen: eine, die eine Relation zwischen einem als Jetzt des Ego aufzufassenden Zeitpunkt und einon Ereignis zum Ausdruck bringt, und eine, die eine Relation zwischen dem fiktiven Zeitpunkt des ErzäMaktes und dem Jetzt des Ego beinhaltet. Deiktische Mverbialausdrücke können dagegen offenbar nur entweder auf den Standpunkt des Ego oder auf den auktorialen Standpunkt bezogen werden. Ersetzungen beispielsweise von jetzt durch dann in einer erlebten Rede führen entweder zu einer Interpretation eines auktorialen Kommentars oder einer erlebten Rede mit anderem Inhalt. Abweichungen vom Kode und Stil der Itagebung, also Verschiebungen in dieser Hinsicht, sind nach der vorgeschlagenen Analyse kein Hinweis auf eine gewisse Wörtlichkeit der erlebten Rede, sondern dienen der Charakterisierung der betreffen-
242
den Figur, stellen also die soziale Bedeutung der "abweichenden" sprachlichen Zeichen in den Vordergrund. Die Frage wurde offengelassen, ob im Bereich der nordnalen Ausdrücke zwischen verschiedenen Stufen auktorialer Einflußnahme unterschieden werden muß in dem Sinne, daß Prononina der dritten Person als weniger auktorial gelten als Eigennamen {möglicherweise mit einer zusätzlichen Differenzierung zwischen Vor- und Familiennamen) und diese als weniger auktorial als Kennzeichnungen. Es wurde darauf hingewiesen, daß gegebenenfalls diese Skala mit der Möglichkeit logophorischer Pronomina beginnen könnte, deren Verhalten in erlebter Rede noch ganz am Anfang linguistischer Untersuchung steht.
5.
DIE LOGOPHORIK
II sera-it soukaitable que I fenqu§te sur leg logophoriqueSj dont eette etude presente I'amorce, Boit etsndue au plus grand nombre de tongues passible. Claude Hagege 1974, Les pronoms logophoriques, . 3 9.
5.1
Einleitung
5.1.1
Das Phänomen
Die Bezeichnung "logophorisch" hat sich seit Hageges (1974) Benennungsvorschlag zunächst innerhalb und später auch außerhalb der Afrikanistik für spezielle, meist pronominale Formen durchgesetzt, die den zitierten Sprecher in wiedergegebener Rede eindeutig kennzeichnen. Als zentrale Instanz logophorischer Markierung läßt sich das Strukturschema {1) mit einer unterstellten Subjekt-VerbWbrtstellung begreifen, in dem "Log" für eine spezielle Markierung steht, die ReferenzIdentität mit dem Subjekt des Redeverbs kennzeichnet. Die Beispiele in (2} aus dem Bwe demonstrieren eine solche logophorische Markierung, (2a) im Kontrast zur Markierung mit der regulären, nichtlogophorischen Proroninalform der 3. person (2b). (!)
mi Vdic
(daß) [Log i ...] s
(2a)
Kofi be y^-dzo Kofi sag Log-geh 'Kofi said that he [Kofi) l e f t . '
(2b)
Kofi be §-dzo Kofi sag 3Sg:Sbj-geh 'Kofi said that he/she (j* Kofi) left. ' {Clements 1979).
Die MininBlbedingungen für logophorische Formen, die später erläutert werden,
244
können folgendermaßen zusammengefaßt werden:
1. Die logophorische Form drückt die Referenzidentität mit dan zitierten Sprecher aus, während die "normale" (pronominale) Form (der 3. Person} Referenzverschiedenheit ausdrückt. 2. Als Antezedens für die logophorische Form könnt immer eine dritte Person in Frage; daneben können in einigen Sprachen auch zv^ite und erste Personen logophorische Markierung auslösen (5.4). Die Markierung erfolgt meist durch eine Pronominalform, gelegentlich auch durch ein Verbalaffix (5.4.1), 3. Die logophorische Form im Komplementsatz eines Redeverbs drückt die Referenzidentität mit dem Subjekt des Redeverbs aus; unter Anständen können auch andere syntaktische Positionen das Antezedens für logophorische Markierung enthalten. 4. logophorische Markierung ist immer beim Subjekt des Komplsnentsatzes möglich; meist kann sie jedoch auch in anderen syntaktischen Positionen des KomplementSatzes erfolgen. 5. Das Verb des Matrixsatzes gehört typischerweise zur Klasse der Redeverben; daneben können aber häufig auch andere Verben, die Komplarsente einführen, im Matrixsatz auftreten. (Zu den letzten drei Bedingungen s. 5.5). Als funktionale äquivalente logophorischer Formen können in gewissem Sinne gelegentlich die sogenannten indirekten Reflexiva und die Schaltreferenzmarkierung aufgefaßt werden. Unter letzterer versteht man die obligatorische Markierung aufeinanderfolgender oder subordinierter Sätze abhängig davon, ob beide Sätze gleiche Subjekte haben oder nicht. Beide Mittel haben in der Regel einen weiteren Anwendungsbereich als die logophorik und sind in stärkerem Maße durch syntaktische Bedingungen definiert (insbesondere spielt der Begriff des Subjekts eine Rolle). Irn Kontext einer Redewiedergabe kann mit ihrer Hilfe aber auch die Eigenreferenz des zitierten Sprechers von einer Referenz auf andere Personen unterschieden werden. Bekannt sind die Fälle aus dem Lateinischen, in denen in abhängigen Sätzen eine Form des Reflexivums mit der anaphorischen Pronominalform der dritten Person kontrastieren kann, wie im folgenden Beispiel aus der Schulgranmatik: (3)
Decima legio Caesari gratias egit, quod de se (ea) optimum iudicium fecisset (fecerat). 'Die zehnte Legion dankte Caesar, weil er ein so hohes Urteil über sie abgegeben habe ( h a t t e ) . ' (Rubenbauer/Hofmann 1968:185).
Der Begründungssatz mit se wird so verstanden, daß sich das Reflexivum notwendig
245
auf die Legion bezieht und daß der Satz den Standpunkt der Legion wiedergibt (zur Abgrenzung von Reflexivität und Logophorik s. 5.3.1) . M folgenden Beispiel aus don Hopi kennzeichnet die Schaltreferenzmarkierung eine sonst möglicherweise mehrdeutige wiedergegebene Rede (zwischen einer Inter pretation als direkte oder indirekte Rede) eindeutig: (4a)
[ [ ' i m pit yiki] s -qa "^wp ?*ra ?aw P a! ükawni du es:Obj mach: T -Nlsr -VS du ihm wirst: sagen 'you should tell him "you made it". '
(4b)
[['im pit yikijc; -qa "yl^p ?*m ?aw paqkawni du es:Obj mach: T -Nlsr -SS du ihm wirst: sagen 'you should tell him you made it 1 (Voegelin/Voegelin 1975:385).
Hier kennzeichnet das Suffix -y die Referenz Identität des Subjekts des eingebetteten Satzes mit dem Subjekt des übergeordneten Satzes , d . h . , die zwei Instanzen des "du" beziehen sich auf den aktuellen Hörer, während das Suffix -t die beiden Subjekte als referentiell verschieden kennzeichnet. Gewöhnlich sind Schaltreferenzsysteme weder auf den Kontext von Redewiedergaben noch auf den Kontext von Satzkonplementen allgemein beschränkt, sondern fungieren häufig auch zwischen syntaktisch unverbundenen Sätzen (5.3.2) . Dennoch könnten funktionale Verbindungen vorliegen, die sich in diachronen Entwicklungen niederschlagen. So werden einem relativ untypischen logophorischen System, das Verbalsuffixe statt Pronominal formen verwendet (dem des Gokana, vgl. 5.4.2) , auch Eigenschaften eines Schal treferenzsystens zugeschrieben, Hauptanliegen dieses Kapitels ist die Untersuchung der Logopäiorik als spezielle Zwischenforra der Redewiedergabe (5.6) , die sich als eine weitere Manifestierung der Kategorie des Ego auffassen läßt (5.7) . Neben den Besonderheiten der Logophorik im Verhältnis zu anderen Formen der Redewiedergabe ist auch die Herausarbeitung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen logophorischen Systemen und anderen Systonen, die referentielle Bezüge zwischen Nominalphrasen markieren, ein Anliegen dieses Kapitels (5.3), da in letzteren Aspekt Anknüpfungen zu allgemeineren Konzepten bestehen, z, B, zum Empathiebegriff in funkt ionalistischen Ansätzen (Kuno 1975, 1976; Kuno/Kaburaki 1975). Auf die nicht- logophorischen Funktionen der logophorisch fungierenden sprachlichen Einheiten kann in dem
l
Die beiden Beispiele wurden bereits als (3-24,25) behandelt.
246
Rahmen nur kurz eingegangen werden (5.2), obwohl diese Dinge auch von Standpunkt der allgemeinen Linguistik von Interesse sind. 5.1.2
Das Verbreitungsgebiet der logophorischen Formen
Es finden sich zwar funktionale Äquivalente der Logophorik in einer Reihe verschiedener Sprachen der Welt, Die ausschließlich oder zumindest vorwiegende Funktion der betreffenden sprachlichen Mittel, die ReferenzIdentität mit dem zitierten Sprecher Im Kontext einer Redewiedergabe zu markieren, ist jedoch vor allem im west- und zentralafrikanischen Sprachraum anzutreffen. Die Untersuchung konzentriert sich daher vor allsn auf diesen Raum. Das afrikanische Verbreitungsgebiet der logophorischen Formen umfaßt bezüglich gängiger genetischer Gliederungen den Kernbereich der Niger-Kongo-Sprachen mit gewissen Häufungen im Bereich des Kwa-, Benue-Kongo- und Ubangi-Zweiges. In den Mandesprachen und in den westatlantischen Sprachen kernt logophorische Markierung offenbar seltener vor oder deckt ein anderes funktionales Spektrum ab. Außerhalb der Niger-Kongo-Sprachen tritt logophorische Markierung auch in den weiter östlich gelegenen zentralsudanischen Sprachen der nilosaharanischen Sprachfamilie und weiter nördlich in angrenzenden tschadischen Sprachen der afroasiatischen Sprachfamilie auf. In südlicher Richtung stellt etwa das Regenwaldgebiet des Kongo die Grenze für das Auftreten von Logophorik dar, ot*chl es nach Voorhoeves (1980) Ansicht Anzeichen für Logophorik in früheren Sprachstufen der südlicher gelegenen Bantusprachen gibt. Das areale Gebiet der Logophorik erstreckt sich also etwa südlich der Sahara bis nördlich des Kongobeckens und östlich vom Atlantik bis zum Niltalgraben. Cb iran die Logophorik als areales Merkmal dieses Raumes auffassen kann, das in verschiedenen Sprachen auftritt, die miteinander in Kontakt stehen, aber häufig nicht oder nur entfernt miteinander verwandt sind, muß zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen bleiben. Die ursprüngliche Fassung der Dissertation wurde vor allem im Bereich der Logophorik und speziell in Abschnitt 5.2 stark gekürzt. Verzichtet wurde auf die philologische Dokumentation der bislang zur Logophorik zugänglichen Daten, auf die Darlegung möglicher genetischer Zusammenhänge und weitgehend auf die Fragen funktionaler Entwicklungslinien. Ich h o f f e , in Kürze diese Dinge von einem mehr afrikanistischen Standpunkt aus als selbständige Publikation vorzulegen. Im westatlantischen Ful existiert beispielsweise eine spezielle Pronominalreihe, die anaphorische Relationen innerhalb der Satzgrenzen kodiert und damit auch offenbar funktionale Bereiche der Logophorik abdeckt, V g l , Näheres bei Armstrong (1978) und Arnott ( 1 9 7 O : 1 5 2 f f . ) .
247
5.1.3
Der Stand der Forschung
Seit Hagege dem Phänomen den heute akzeptierten Hamen gegeben hat, sind verschiedene Forscher dem als Motto vorangestellten Wunsch nachgekommen, und es liegen scmit heute einige spezielle Untersuchungen zur Logophorik in afrikanischen Sprachen vor. Im Bereich der Benue-Kongo- und der Kwa-Sprachen gibt es Beschreibungen der Logophorik im Efik (Essien 1975), im Ngvro (Voorhoeve 1979, 1980) , im Tikar (Stanley 1982), im Marabila (Perrin 1974) , M Gokana (Hyraan/canrie 1981; die bisher wohl linguistisch grürsdlichste Untersuchunq), im Ewe (Clements 1979} und im Yoruba {Barngbose 1986} . Die ubangischen Sprachen f&indang und Tuburi hat Hagege (1974) diesbezüglich beschrieben, Logophorik und ReflexivitMt in Sprachen der itoru-Madi-Gruppe {Zentralsudanisch} untersuchen Andersen/ Goyvaerts (1986) und aus don Bereich tschadischer Sprachen gibt es von Frajzyngier (1985) eine Arbeit speziell zu diesem Phäncmen. Mit Ausnahme von Essien (1975), der eine transformationeile Ableitung der Konstruktionen mit logophorischen Formen von Konstruktionen vorschlägt, die direkte Eede repräsentieren, und Perrin {1974}, die sich an tagmemischen Modellen der Redewiedergabe von Pike/Löwe (1969) und Low (1969) orientiert und eine entsprechende Kategorisierung vornimmt, geht es in den meisten der angeführten Arbeiten mehr darum, das Phänomen zunächst zu erfassen und korrekt zu beschreiben, als es in ein bestimmtes Ntodell einzugliedern. In Hyman/Gcmrie (1981) und ausführlicher in Conrie {1983} werden darüber hinaus mit der Logophorik zusammenhängende universalgrammatische und typologische Fraaen angesprochen. Die speziellen pronominalen Formen im Kontext einer Redewiedergabe sind auch vor 4 Hageges (1974) Arbeit verschiedentlich beobachtet worden, und Tucker (194O) hatte für sie die spezielle Bezeichnung "referierende Pronomina" {"referring pronouns") eingeführt. Einige deskriptive Grammatiken enthalten relativ detaillierte Beschreibungen der Logophorik. Zu nennen sind hier Abrahams {1967) Idoma-Grammatik, verschiedene Darstellungen der "großen" afrikanischen Sprachen Igbo (Carrell 197O, Green/Igwe 1963), Yoruba (Bamgbose 1966) und Ewe (Westermann 1930} sowie einige neuere Grammatiken und Teilbeschreibungen "kleinerer" Sprachen, z. B. des Aghera (Hyman 1979) und des Jtoni (Hyman 1981), oder die verSo hat beispielsweise bereits Funke (19 9 ; 3 5) auf spezielle Formen des "verbundenen Personalpronomens in indirekter Rede" hingewiesen. Diese Bezeichnung wurde m. W.außer von Tucker selbst (Tucker 1959, Tucker/ Bryan 1966) nur von Santartdrea in verschiedenen Publikationen aufgegriffen (z. B. Santandrea 1965 und 1976).
248
gleichende Untersuchung zu Pronominalformen in ubangischen Sprachen von Cloarec-Heiss (1969). Insgesamt liegen derzeit für über 60 Sprachen Hinweise auf logophorische Systeme vor, die jedoch von sehr unterschiedlicher Oialität sind. In diesen Kapitel beschränke ich mich auf die Fälle, für die ausreichend detaillierte Beschreibungen vorliegen, ümerhin erlaubt es die gegenwärtige f>iellenlage, eine erste sprachübergreifende Bestandsaufnahme dieses hochinteressanten Phänomens zu geben und eine vorläufige Einordnung innerhalb des Kontinuums der Redewiedergabeformen zu versuchen. 5.2
Logophorische und nichtlogophorische Punktion der sprachlichen Einheiten und das Problem der Herkunft
In einigen Sprachen kommen spezielle Ausdrücke für den zitierten Sprecher offenbar nur in dieser logophorischen Funktion vor (5.2,1). in den meisten Sprachen aber haben die fraglichen Formen außer der logophorischen auch noch andere Funktionen, Diese Funktionen sollen anhand von Beispielen aus gut dokumentierten Sprachen systematisch der logophorischen Funktion gegenübergestellt werden (5.2.2 bis 5.2.5). Auf diese Weise sollen Ansätze zu einem größeren funktionalen Zusammenhang, innerhalb dessen sich die Loqophorik einordnen läßt, gewonnen werden{s, 5.3). Anhand der nichtlogophorischen Funktion der betreffenden Einheiten soll auch auf die Frage der möglichen Entwicklungslinien der logophorischen Formen eingegangen werden {5.2.6}. 5.2.1
Formen mit nur logophorischer Funktion
Im Efik, einer Benue-Kongo-Sprache in Nigeria und Kamerun, und im Ewe, einer Kwa-Sprache in Togo, Benin und Ghana, konmen die logophorischen Formen offenbar nur in derFunktion vor, den zitierten Sprecher einer wiedergegebenen Rede eindeutig zu kennzeichnen. In den folgenden Beispielen aus dem Efik sind in (5a) und (6a) jeweils der Referent der logophorischen Pronominalform imo sowie des entsprechenden mit dem Subjekt kongruierenden Verbpräfixes - und der Referent des Subjekts der Redeeinleitung referenzidentisch: Andere Sprachen, in denen offenbar die fraglichen Formen nur logophorische Funktion haben, sind das AKoose {Hedinger 1984), das Ekpeye (Clark 1 9 7 2 ) , das Ngwo (Voorhoeve 1979, 198O), das Gokana (Hyman/Comrie 1981} und das Babungo (Schaub 1985) neben einigen anderen, für die f u n k t i o n a l e Zusammenhänge ungewiß sind.
249 (5a)
Ata ekere ete imo Iraeye Ata 3 :denk daß Log Log:schön 'Ata. denkt, daß er. schön i s t . '
(5b)
Ata ekere ete enye eye er 3s:schön 'Ata. denkt, daß er, . sehen i s t . ' i L ,3
(6a)
Bassey sdoho ete imo imeye Bassey 3S:sag daß Log Log:schön 'Bassey. hat gesagt, daß er. schön ist.'
(6b)
Bassey odohci, "Ami mmeye" Ich l S:schön 'Bassey hat gesagt: "Ich bin schön". (Nach Essien 1 9 7 5 : 1 3 4 , 138).
Die Beispiele (5a) und (6a) zeigen, daß die logophorische Form koreferierend mit dem Subjekt der Redeeinleitung interpretiert werden muß. Aus dan Beispiel (5b1 geht hervor, daß die koreferierende Interpretation des Subjekts der Redeeinleitung auch mit der nicht-logophorischen Pronominalform möglich ist. Auf die genaueren Bedingungen werde ich später eingehen (5.6). Der Kontrast von logophorischer und nicht-logophorischer Lesart manifestiert sich nicht nur bei den unabhängigen Prorariinalformen im o vs. enye, sondern auch bei den mit den Subjekt kongruierenden pronominalen Verbpräfixen; die logophorischen Präfixe lauten i-, während die regulären Präfixe der 3. Person durch Vokalharmonie determiniert sind. Die logophorische Interpretation in (5a) und (6a) bliebe also auch ohne die unabhängigen Pronomina gewahrt. Die logophorische Markierung im Efik betrifft nicht nur ein Antezedens der dritten Person, sondern kann auch bei der zweiten Person mit derselben logophorischen Form erfolgen (vgl. 5.4.25 . Für die logophorische fterkierung des Plurals der zweiten urd dritten Person steht ein spezielles unabhängiges Pronomen zur Verfügung (mims), während die pronominale Präfixform für Singular und Plural gleich ist (vgl. ebenfalls 5.4.2) . Etwas andere Eigenschaften hat die Logophorik im EVe. Vgl. folgende Beispiele, von denen die beiden ersten bereits eingangs aufgeführt wurden, (7a)
(7b)
Kofi be ye-dzo Kofi sag Log-geh 'Kofi said that he ( K o f i )
Left.'
Kofi be -dzo Kofi sag 3S:Sbj-geh ' K o f i said that he/she (i K o f i )
left-1
250 (7c)
Kofi be me-dzo Kofi sag lS:Sbj-geh 'Kofi said that I l e f t 1 oder 'Kofi said, "I l e f t " , 1
{8a)
e-be ye-a-va 2S:Sbj-sag Log: S-T-komm 'you. said you. (sg.) would come.'
(8b)
-be yewo-a-va 2s-Sbj-sag Log :P-T- komm 'you, said you. . would come.' L (Clements 1979:142, 151) .
Die Beispiele (7a) und (7b) zeigen, daß im Ewe die Referenzeigenschaften der logophorisch und nicht-logophorisch markierten Hsde schärfer kontrastieren als im Ef ik. Wahrend in (5b) eine Referenz Identität der nicht-logophorischen Form mit dem Subjekt der Redeeinführung unter speziellen Bedingungen möglich ist, ist diese Lesart in (Tb) ausgeschlossen. Die Beispiele (8) dokumentieren, daß logophorische Formen nicht allein die Referenzidentität mit Vorgängern der dritten Person ausdrücken können, sondern auch mit einer zweiten Person als Subjekt der Redeeinführung (s. 5.4.2). (8b) zeigt darüber hinaus, daß logophorische Formen nicht nur einer Bedingung der Referenzidentität unterliegen, sondern auch einer Bedingung, die man "Referenz Inklusion " nennen könnte, genügen können. In diesem Fall ist der Referent des Subjekts der Redeeinfünrung eingeschlossen in die Menge der Referenten des logophorischen Pronomens {s. 5.4.4) . Die historische Entwicklung der logophorischen Formen in den beiden angeführten Sprachen ist ungeklärt. Für das Ewe hat Clements (1979) eine erste Person als Ansgangsform in Erwägung gezogen, da sowohl die Form der ersten Person in (7c) als auch die logophorische Form tief tonig sind. Eine andere Erklärung, die für weiter südlich gelegene Sprachen von Voorhoeve (1980) vorgeschlagen worden ist, könnte in der Logophorik das Relikt einer Nominalklassenverschiebung sehen, bei der sich eine ursprüngliche kongruierende Form der Klasse [+hum] in den gegenüber Veränderungen konservativen Objektsätzen der indirekten Rede erhalten hat (vgl. 5.2.4-6) . 5.2.2
Logophorik und unabhängige Formen
In einer Reihe von Sprachen tritt die logophorisch fungierende Form auch als Pronominalform auf, die entweder in Isolation oder in anderen syntaktischen Positionen als der Subjektposition vorkommt.
251
In logophorischer Funktion kontrastiert im Igbo, einer der Häuptsprachen Nigerias, die Form yä in gleicher Weise mit dan Subjektprononen der dritten Person wie die logophorische Form yS des Ewe (7a) mit dem Subjektpronomen (Tb), vgl.: (9a)
Jon gwara ft nä yä riri j i John sag mir daß Log ess Jams 'John, sagte mir, daß er, Jamswurzeln i ß t . '
(9b)
Jon
gwära ib
nä
5 riri ji 3S:Sb) 'John, sagte m i r , daß e r . , , . . Jamswurzeln i ß t , ' (Carrell 1 9 7 O : 5 5 f . ) . 8
Die Form ya tritt in nichtlogophorischer Funktion als "freie" (Carrell 1970:66) bzw. "trennbare" {Green/Igwe 1963:32) Pronominalform in Objektfunktion (10a), Possessivfunktion ilcb), als koordiniertes Subjekt (vgl. 1Oc und 10d) oder auch als Subjektform in bestimmten morphologisch determinierten Umgebungen, z. B. 9 vor dem harmonisierenden Verbalpräfix /e- auf {vgl. lOe und 10f): UOa)
nyfe yä! 'Gib ihm! '
(lOb)
ülö yä 'sein/ihr Haus'
(iOc)
'go 3S:Sbj hab Geld 'Er hat Geld'
(lOd)
gi na yä nwere e'go du und er hab Geld 'Ihr habt Geld'
(lOe}
e 'gbüle m tot : Imp : Neg mich 'töte mich nicht'
(lof)
yä e'gbüle gi er töt:Imp:Neg dich 'er soll dich nicht töten'
(Green/Igwe 1963 )
Die Form y& wird zum Paradigma der Pronomina gezählt, die in Isolation auftreten können. Dieses Paradigma steht im Singular in Opposition zu einem Paradigma von Subjektpronomina, zu denen 6 gehört. Hyman/Comrie (1981:34} f die Fälle wie
7
Nach Carrell (197O;56) kann die Form ya im zentralen Igbo auch die Identität mit dem Objekt der Redeeinführung kennzeichnen. Diese Möglichkeit der logophorischen Form ist nach Meier/Meier/Bendor-Samuel (1975) im sehr eng verwandten Izi nicht gegeben, dessen logophorisch fungierende Form iyä/yä ansonsten unter etwa gleichen Bedingungen vorkommt wie die Form yä des zentralen Igbo.
8
Die Transkription folgt im wesentlichen Green/Igwe (1963) , Das Zeichen ' bezeichnet den sog. "downstep", d. h. die tonale Herabstufung des auf einen Hochton folgenden Hochtons.
9
Das Verbalpräfix a-/e- tritt in verschiedenen Formen der Verbalflexion a u f , meist in Verbindung mit S u f f i x e n , z. B. dem negativen Imperativ -!e in (lOe, f ) .
252
(1Oa, b, d) als nichtlogophorische Verwendung der Form ya anführen, charakterisieren daher y& als Pronominalform in Nicht-Subjektposition, die in logophorischer Verwendung als Subjekt fungieren kann. Winston (1973:149) sieht zwei mögliche Punktionsbereiche für die Verwendung der unabhängigen Form ya in Subjektposition: zur Qnphase oder "Klarheit" (damit sind Fälle wie 8d, 8f angesprochen) und zur Markierung der Referenz in indirekter Rede, d, h, zur logophorischen Markierung wie in (1Oa). Diese unabhängigen Formen bilden nach Winston eine morphologische Klasse, der die Klasse der gebundenen Subjektmorphenie (z. B. 6 in 9b) gegenübersteht. Auch im Yoruba, einer der anderen Hauptsprachen Nigerias und des Benin, gibt es zwei pronominalreihen: eine mit längeren und selbständig stehenden Formen (z. B. &mi I.Pers.Sg-, dhxm S.Pers.Pl.) und eine mit meist morphologisch verwandten kürzeren und unselbständig stehenden Formen (z. B. 1.Pers.Sg.Qbj., 3.Pers Pl.Cfoj. bzw. won 3, Pers.Pl.Sbj.). Aufgrund distributioneller Kriterien ordnet Bamgbose (1966) den beiden Pronominalreihen verschiedene Kategorien zu, für die er die Bezeichnung "pronominals" bei den Langformen und "pronouns" bei den Kurzformen vorschlägt. Die Langformen der "pronominals" ersetzen die Kurzform in nichtverbalen Fügungen und vor einigen Auxiliarverben* Stehen die Langformen in Kontexten, in denen auch Kurzformen möglich sind, so drücken sie Emphase aus. Die Langformen äun 3.Sg. und 3. 1. können auch zur Kennzeichnung logophorischer Funktion dienen, während die Kurzformen der S.Person (o 3,Sg,Sbj. r won 3,Pl.Sbj., ein hannonisierender Vokal für die 3,Sg,Gbj. und 3.Pl.Qbj.) im Kontext der Redewiedergabe gewöhnlich Referenzverschiedenheit mit dem zitierten Sprecher ausdrücken: (lla)
o ri pfe 6 16w6 3S seh daß 33 Geld ' E r . sah, daß e r . Geld hatte.'
(lib)
6
(lie)
won a ni won fi d&so ebi 3p Fut sag 3P Asp kauf:Kleid Familie 'They will say that they are buying a family dress 1 (i.e. they themselves or they other than themselves)
lo
öün 16w6 Log ' E r . sah, daS er. Geld hatte.' ri
pe
Die Transkription folgt der orthographischen Praxis, den Mittelton urtbezeichnet zu lassen und Nasalisiertmg durch ein folgendes "n" zu repräsentieren.
253
(lid)
won ä nl Swon däso ebi Log 'They will say that they themselves are buying a family dress.' (Bamgbose 1966:lo7).
Wie die Übersetzung des Beispiels ( T i c ) nahelegt, ist offenbar bei der Kurzform der 3Pl. eine ReferenzIdentität zwischen dem Subjekt des Komplementsatzes und dem Subjekt des Matrixsatzes nicht ausgeschlossen, während die kurze Sinoularforni nach Bamgbose notwendig Referenzverschiedenheit ausdrückt. Da im Yoruba innerhalb der pronominalen Kurzformen zwischen Subjekt- und Objektform unterschieden wird, kann auch in Cbjektposition des Komplementsatzes zwischen logophorischer und nichtlogophorischer Referenz unterschieden werden, anders als im Igbo, in dan ja das pronominale Objekt durch die Form ausgedrückt wird, die auch logophorisch fungiert (1Oa). Auf das logophorisch markierte Objekt im Yoruba hat Armstrong (1978:79) aufmerksam gemacht; vgl. seine Beispiele: (12a)
(12b)
ni won pe e 33 sag 3P ruf 3S:Obj ' e r , sagte, sie riefen i h n . ' ni
won pe
oun
Log 'er, sagte, sie riefen i h n . '
Mit diesen Möglichkeiten ist ein weiterer Unterschied zum Igbo angesprochen: Während y& im Igbo aus einer Pronorninalreihe stammt, die man trotz einiger Ausnahmen (vgl. 1Cd, f) als Nicht-Subjektform charakterisieren kann und deren Formen u. a. als Objekte vorkamen können, handelt es sich bei der Opposition der langen und kurzen Pronominalformen iin Yoruba offenbar eher um eine generelle Opposition zwischen freien und gebundenen Formen, die nach Bamgbose (1966) zwei verschiedene Wortklassen darstellen. 12 Dieser Unterschied ist offenbar nicht ab-
11
Ähnliche Zusammenhänge wie im Igbo bestehen im Tikar (Stanley 1 9 8 2 ) , in dorn die logophorisch verwendete Form formal identisch mit der G b j e k t p r o n o m i n a l form ist, und im Tiv (Armstrong 1978), in dem e b e n f a l l s das unabhängige Objektpronomen logophorisch fungiert.
12
Vor allem als freie Form tritt das logophorisch fungierende Pronomen auch \ ·> Idorpa auf {Abraham 1967). In logophorischer Funktion w i r k e n die f r a q l i c h r n Formen dort auf höchst komplexe Weise mit einer Zitierpart i k e l zusammen, wobei Pronominalform und Partikel einer Form des obligatorischen e i n l e i t e n d e n Redeverbs des Matrixsatzes s u f f i g i e r t werden. Die Markierung durch die Zitierpartikel· ist dabei offenbar eine Vorbedingung f ü r logophorische M a r k i e rung, so daß die 2. Person Plural, die keine Zitierpartikel erlaubt, auch nicht logophorisch markiert werden kann, obwohl die 2, Person S i n g u l a r m i t
254
solut, da die Markierung des Subjekts häufiger durch Affigierung beim Verb erfolgt als die Markierung etwa des Objekts. Auch im Igbo, in dem hauptsächlich die syntaktische Funktion die Verwendung der beiden Prononinalreihen bestintnt, kann (und rruß) die Nicht-Subjektform auch außerhalb der Logophorik unter bestirtrrten Bedingungen für die Subjektform eintreten (10d, f) . 5.2.3
logophorik und emphatisch-reflexive Punktion .
Die vorangegangenen Ausführungen zu den nichtlogophorischen Funktionen der in Rede stehenden sprachlichen Formen haben vor allem einen Zusammenhang mit Formen erbracht, die nicht gebunden sind, die nicht mit dem Subjekt kongruieren und die in Opposition zu gebundenen und kongruierenden Formen stehen. Diese Zusammenhänge finden sich vor allem in den Sprachen des Kwa- und des Benue-KongoZweiges. In einer Reihe von Sprachen der östlicher gelegenen Ubangi-Sprachen und auch in einigen der angrenzenden zentralsudanischen Sprachen der nilosaharanischen Sprachfamilie scheinen die logophorisch fungierenden sprachlichen Einheiten sonst in Funktionen vorzukarmen, die sich als emphatisch oder reflexiv zusarmenfassen lassen. Dieser Zusammenhang soll im folgenden vor allem anhand des Gbaya dargestellt werden. In seiner Beschreibung des Gbeya oder Gbaya 14 unterscheidet Samarin (1966:101) zwei Klassen von Prononina, "cottton and explicit pronouns" f die er folgendermaßen charakterisiert: "The latter are used in quotation or anywhere else where the pronominal reference is made explicit, and the ccmon pronouns are used elsewhere." Vgl. die folgende Übersicht der Proncminalformen:
einer logophorischen Form bei Referenzidentität mit dem zitierten Sprecher markiert wird. Auf die Darstellung dieses hochinteressanten Redewiedergabesystems muß hier verzichtet werden. Freie Formen finden in logophorischer Funktion ebenfalls Verwertdung im Engenni (Thomas i 978}, im Logba (Westermann 19O3) und in der tschadischen Sprache Kera (Ebert 1979), in der die Formen auch als Objekt und betontes Subjekt auftreten. 13
Z. B. bezeichnet Tisserant (193O) die in Rede stehende Form im Banda als "pronom emphatique special", führt aber für deren Gebrauch nur RedewiedergabeXontexte an. Historische und synchrone Zusammenhänge zwischen Reflexivität und Emphase behandelt Faltz (1977); s. dazu Näheres in 5.3.
14
Unter "Gbaya" versteht man eine Dialektgruppe, wahrend das von Samarin (1966) beschriebene Gbeya oder Gbsya eine regionale Ausprägung darstellt.
15
Die Transkription wurde beibehalten. Das Zeichen t unter einem Buchstaben bezeichnet die Nasalierung. Die Digraphen aus dem Zeichen für den Glottisverschluß ' und folgendem b, d, m, n bezeichnen präglottalisierte, ingressive Laute» E-} steht für ein suprasegmentales Genitivmorphem, das den folgenden Tiefton anhebt, z. B. zäq-wa in (13c).
255
Subjektformen
Nicht-Subjektformen
1S
am
ml/mbi
2S
me
mt
3S
"explizite" Formen
|
1P
/
£rf-/r6
2P
wi
wi
3P
wa
wä
2P\ 3P f ·
oro/r6
In logophorischer Funktion fassen die expliziten Pronomina die zweite und dritte Person sowohl im Singular als auch im Plural zusammen. Die Pluralform or& soll (ebenso wie die reguläre 1Pl. > ) in Isolation, nach einer Pause oder zum Ausdruck von Qnphase vorkcmnen, die kurze Form ro (bzw. r } sonst. Die folgenden Beispiele illustrieren die logophorische Verwendung: (13a)
m£ t£ ye ge, ha turu hä-m 2S:Sbj sag Quot Aux Log geb Kleider für-lS 'du sagtest, du würdest mir Kleider geben'
(13b)
§ t£ ye n£ § gb