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German Pages [465] Year 2019
Wissenschaftliche Wissenschaftliche Wissenschaftliche Monographien Monographien Monographien zum zum zum Alten Alten Alten und und und Neuen Neuen Neuen Testament Testament Testament 159 159 159
Katrin Katrin Katrin Zehetgruber Zehetgruber Zehetgruber
Zuwendung Zuwendung Zuwendung und und undAbwendung Abwendung Abwendung Studien Studien Studien zurzur zur Reziprozität Reziprozität Reziprozität des des des JHWH/Israel-Verhältnisses JHWH/Israel-Verhältnisses JHWH/Israel-Verhältnisses imimim Hoseabuch Hoseabuch Hoseabuch
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament
Begründet von Günther Bornkamm und Gerhard von Rad Herausgegeben von Cilliers Breytenbach, Martin Leuenberger, Johannes Schnocks und Michael Tilly 159. Band
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Katrin Zehetgruber
Zuwendung und Abwendung Studien zur Reziprozität des JHWH/Israel-Verhältnisses im Hoseabuch
Vandenhoeck & Ruprecht
Die Veröffentlichung wurde 2018 als Dissertation an der Universität Rostock angenommen. Das Werk wurde für den Druck überarbeitet.
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. ! 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2567-9694 ISBN 978-3-7887-3414-5
Meiner Mutter, Petra Zehetgruber, gewidmet
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im WS 2017/18 von der Theologischen Fakultät der Universität Rostock als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Besonderer Dank gilt meinen Doktoreltern, Frau Prof. Dr. Judith Gärtner und Herrn Prof. em. Dr. Bernd Janowski. Bereits in meiner Tübinger Studienzeit hat Herr Prof. Janowskis achtsame Herangehensweise an alttestamentliche Texte einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Sein Umgang mit den Texten wurde mir zum Vorbild eigener exegetischer Arbeit. In meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin wurde mir zudem Frau Prof. Gärtners präziser Blick für die Entwicklung zentraler Fragestellungen, die an die Texte zu stellen und mit größtmöglicher methodischer Klarheit zu beantworten sind, wegweisend. Beiden gilt daher mein herzlicher Dank – nicht nur für die Übernahme der Gutachten, sondern insbesondere für die wohlwollende Unterstützung und Begleitung meines Projektes und wissenschaftlichen Weges. Zentral für die erfolgreiche Durchführung meiner Dissertation waren zudem die Kolloquien in Rostock/Greifwald (Frau Prof. Gärtner/Herr Prof. Beyerle), Tübingen (Herr Prof. em. Janowski) sowie München (Herr Prof. Hartenstein). Ich traf dort auf Wegbegleiter, denen ich meine Gedanken zur Reziprozität im Hoseabuch vorstellen durfte und die mit ihren konstruktiven Anregungen ihren Teil zum Gelingen der vorliegenden Arbeit beigetragen haben. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. Herrn Prof. Dr. Martin Leuenberger und Herrn Prof. Dr. Johannes Schnocks danke ich zudem für die Aufnahme meiner Dissertation in die Reihe WMANT.
Rostock, im September 2019
Katrin Zehetgruber
Inhaltsverzeichnis 1.
Einleitung ……………………………….……….…..…….. 1 1.1 Ausgangslage: „Unbedingte Gerichtsankündigung“ als Summe des Hoseabuches? …………………..……. 1 1.2 Zum Stand der Forschung ....................................……. 3 1.3 Konzeptionelle Verortung: Reziprozität als Handlungsmodell der sozialen Interaktion nach Jan Assmann/Bernd Janowski ………………...…...…. 9 1.3.1 Das Konzept der „konnektiven Gerechtigkeit“ .…….………………….…….. 9 1.3.2 Die Adaption auf das Alte Testament ……… 11 1.4 Methode ………………………..…………..…..…… 12 1.5 Desiderat und Vorgehen ..………………………….... 15
2.
Hos 5–7 als literarischer Kern des Hoseabuches …....….... 17 2.1 Übersetzung und Textkritik ………………..……...… 17 2.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese .…….. 25 2.3 Kompositionsleitende Reziprozitätsvorstellungen ….. 35 2.3.1 „Erkennen“ in Hos 5,3–7; 6,1–6 und 7,9 ….. 35 2.3.2 „Unzucht treiben“ in Hos 5,3f und 6,10 ….. 53 2.3.3 „Gehen“ in Hos 5,1–7.8–11.12–14.15; 6,1–6 und 7,8–12 ..…….………………...… 67 2.3.4 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 5,1–7.15; 6,1–3.11 und 7,8–10.16 ………………….… 84 2.3.5 „Heilen“ in Hos 5,12–14; 5,15–6,1 und 6,7–7,12 ……..……...…………………...… 93 2.4 Ertrag ………….……....………………………....… 107
3.
Hos 8,1–14 als Abschluss der Komposition Hos 5–7 …... 114 3.1 Übersetzung und Textkritik ………..…..….……….. 114 3.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese ……. 117 3.3 Die Bündelung von Reziprozitätsvorstellungen ….... 121 3.3.1 „Erkennen“ in Hos 8,1–3.4-6 ………......… 121 3.3.2 „Verzehren“ in Hos 8,7–10.14 …...……..... 134
X
Inhaltsverzeichnis
3.3.3 3.3.4
„Gehen“ in Hos 8,9 ………………..….….. 149 „Gedenken“ und „überprüfen“ in Hos 8,13 ………………………………….. 153 3.3.5 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 8,13 ....... 163 3.4 Ertrag ………............................................................. 167 4.
Hos 4,1–19 und Hos 9,1–9 als Rahmen der Komposition Hos 5–8 ….......………………………………………….. 172 4.1 Hos 4,1–19 als neue Einleitung der Komposition Hos 5–8 …………………………………....…....…. 172 4.1.1 Übersetzung und Textkritik …...………….. 172 4.1.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese .……………………….…………... 176 4.1.3 Die Lokalisierung des Verlustes positiver Reziprozität im israelitischen Kult .....….... 181 4.1.3.1 „Streit“ in Hos 4,1–3 ....……….. 181 4.1.3.2 „Erkenntnis“ in Hos 4,4–7 …..… 189 4.1.3.3 „Verzehren“ in Hos 4,8–10 …..… 194 4.1.3.4 „Überprüfen“ und „wenden“ in Hos 4,9 ……..……...…………… 199 4.1.3.5 „Unzucht (treiben)“ in Hos 4,10–19 ………………....……… 204 4.1.4 Ertrag ………...…………………...……… 225 4.2 Hos 9,1–9 als Abschluss der Komposition Hos 4–8 ….......……………………...….…....…….. 230 4.2.1 Übersetzung und Textkritik …...…..…….... 230 4.2.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese ……………..……………………... 231 4.2.3 Die Bündelung von Reziprozitätsvorstellungen .………….…………………. 234 4.2.3.1 „Unzucht (treiben)“ in Hos 9,1–3 .……..………........….. 234 4.2.3.2 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 9,3 .……………………...…. 240 4.2.3.3 „Verzehren“ in Hos 9,3–5 ……… 243 4.2.3.4 „Gehen“ in Hos 9,6 ….………… 247 4.2.3.5 „Erkennen“, „gedenken“ und „überprüfen“ in Hos 9,7–9 .......... 253
Inhaltsverzeichnis
4.2.4 5.
XI Ertrag ..….……………………...……….... 266
Hos 2,4–15 und Hos 14,2–10 als neuer Rahmen des werdenden Hoseabuches ……………………………...… 272 5.1 Hos 2,4–15 als narrative Leseanleitung der Komposition Hos 4,1–9,9 …………………….…… 272 5.1.1 Übersetzung und Textkritik ………………. 272 5.1.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese …………………………………..... 274 5.1.3 Die Narration der Aufhebung positiver Reziprozität …………………….……....… 277 5.1.3.1 „Streit“ in Hos 2,4a ..….........….. 277 5.1.3.2 „Unzucht (treiben)“ in Hos 2,4b–7a ……..……………... 283 5.1.3.3 „Gehen“ in Hos 2,7.9.15 …....…. 293 5.1.3.4 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 2,9.11 ..........…...…………... 300 5.1.3.5 „Erkennen“ in Hos 2,10a ..……... 311 5.1.3.6 „Verzehren“ in Hos 2,14 ...…….. 314 5.1.3.7 „Überprüfen“ in Hos 2,15 …...… 318 5.1.4 Ertrag …………….…………………….… 321 5.2 Hos 14,2–10 als Buchabschluss des Hoseabuches .... 326 5.2.1 Übersetzung und Textkritik ………………. 326 5.2.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese …………………………………..... 328 5.2.3 Die von JHWH für Israel ermöglichte positive Reziprozität als buchabschließende Heilsvision ………..…. 334 5.2.3.1 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 14,2f.5b.8 .………………… 334 5.2.3.2 „Heilen“ in Hos 14,5 …...…...…. 348 5.2.3.3 „Tau“ in Hos 14,6a ……..........… 353 5.2.3.4 „Erkennen“ in Hos 14,10a ..…..... 366 5.2.3.5 „Gehen“ in Hos 14,7.10b ...…… 369 5.2.4 Ertrag ……………….………….……..….. 374
6.
Fazit: „Unabwendbare Reziprozität“ als Summe des Hoseabuches ..…………………………………………... 380
XII
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis …………………..…………………………. 403 Sachregister .……………………..…..……...…………………… 445 Stellenregister …………………………………………………… 449
1 Einleitung 1.1 Ausgangslage: „Unbedingte Gerichtsankündigung“ als Summe des Hoseabuches? Die Botschaft des Hoseabuches wird in der Forschung zumeist als „unbedingte Gerichtsankündigung“ bzw. „unbedingte Gerichtsprophetie“ bezeichnet. Exemplarisch sei auf Kratz verwiesen, der schreibt: „Die Gerichtsprophetie […] beginnt bekanntlich mit dem erneuten und definitiven Eintreten Assyriens unter Tiglatpileser III. in die Geschichte des syrisch-palästinischen Raums in der 2. Hälfte des 8. Jh. v. Chr. Die frühen Propheten Amos, Hosea und Jesaja sind, um mit Julius Wellhausen zu sprechen, die ‚Anfänger … einer neuen Phase der Prophetie. Der drohende Zusammenstoß Assurs mit Jahve und Israel, der Untergang Israels ist ihr Thema.‘“1. Bei dieser unbedingten Gerichtsprophetie handelt es sich nach Kratz um ein literarisches Phänomen, so dass er zusammenfassen kann: „Gerichtsprophetie ist Schriftprophetie“2. Dabei lasse sich „am literarischen Kern der Prophetenbücher […] in nuce der Übergang vom Wort zur Schrift als Übergang von gewissermaßen konventioneller Prophetie in die unbedingte Gerichtsprophetie beobachten, der sich im ausgehenden 8. Jh. (nach 732 und 722 / 720 v. Chr.) in etwa gleichzeitig in Hosea, Amos und Jesaja vollzogen hat“3. Die vorliegende Untersuchung schließt sich diesen Ausführungen insofern an, als sich im Hoseabuch die theologische Verarbeitung der assyrischen Bedrohung und des Untergangs des Nordreichs Israel wiederspiegelt.4 Dabei begegnet eine Form von Prophetie, die gegenüber der konventionellen Heil- oder Mahnprophetie neue Wege beschreitet, indem sie den Untergang des Nordreichs mit JHWH selbst in Verbindung bringt. Die zur Summierung dieser Theologie gewählte Bezeichnung als „unbedingte Gerichtsprophetie“ erscheint jedoch korrekturbedürftig. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass das geschichtliche Ergehen Israels im Hoseabuch als von JHWH 1
Kratz, Erkenntnis Gottes, 288 (Hervorhebung von mir). AaO, 305. 3 AaO, 306 (Hervorhebung von mir). 4 Dies gilt zumindest für den literarischen Kern des Hoseabuches (Hos 4–9), vgl. Kratz, Erkenntnis Gottes, 304. 2
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Einleitung
ausgehendes Reziprozitätsgeschehen infolge der Abwendung Israels von JHWH präsentiert wird. JHWHs Reaktion erweist sich dabei als die negative Seite einer – im Guten wie im Schlechten – auf Gegenseitigkeit (Reziprozität) beruhenden Beziehung. Hosea und seine Tradenten verkündigen somit nicht einen „andere[n], fürchterlich neue[n] JHWH“5, sondern denselben JHWH, der nun jedoch in anderer, fürchterlich neuer Weise reziprok reagiert: „Fremdartig ist die Tat, weil sie nicht zur Vernichtung der Feinde, sondern des Gottesvolkes führt. Israel bekommt also die gleiche Macht Gottes, die es früher heilvoll erlebte und der es seine Existenz verdankt, nun unheilvoll und gegen sich selbst gerichtet zu spüren und das kann nur heißen: zu seiner Vernichtung. […] Weil es der gleiche Gott ist, den Israel jetzt strafend erlebt, wie zuvor rettend und helfend, darum ist das auf Israel zukommende Unheil kein partielles oder vorübergehendes, das nur Wunden schlägt, sondern ein prinzipielles, totales, tötendes, vernichtendes, aus dem es keine Rettung gibt, solange sich nicht das Gottesvolk selbst total verändert“6.
„Gericht“, „Strafe“ oder „Unheil“ bezeichnen jedoch nur eine Seite – die negative – einer im Hoseabuch reziprok gedachten Beziehung zwischen Israel und JHWH, die im Guten wie im Schlechten das Verhältnis beider Größen zueinander bestimmt. Insbesondere die Verwendung von „Gericht“ und „Strafe“ suggeriert darüber hinaus ein juristisch-juridisch gefasstes Verhältnis zwischen JHWH und Israel, das jedoch im Hoseabuch kaum zur Beschreibung der Beziehung zwischen dem Landesgott und seinem Volk gewählt wird.7 Diese Begriffe sind daher ungeeignet, um die „hoseanische“ Theologie zu subsumieren. Stattdessen wird sich zeigen, dass im Rahmen der Genese des Hoseabuches seitens der Tradenten auf zentrale Leitworte aus dem literarischen Kern des Hoseabuches (Hos 4–9) zurückgegriffen wurde, um das Verhältnis zwischen Israel und JHWH als ein wechselseitig aufeinander bezogenes Verhältnis und das Ergehen Israels als die von JHWH initiierte Konfrontation mit den eigenen Taten darzustellen. Wie in der Analyse der zentralen hoseanischen Reziprozitätsaussagen deutlich werden wird, bietet es sich daher an, von einer „unabwendbaren Reziprozität“ zu sprechen, 5
Ebd. Jeremias, Grundtendenzen, 11f (Hervorhebungen von mir). 7 Eine Ausnahme bildet die Verwendung von ריבin Hos 2,4; 4,1.4 und 12,3. Das Wort wird u. a. von Gemser, Rîb- or Controversy-Pattern, 120–137; Nielsen, Yahweh as prosecutor and judge, 5ff; Boecker, Redeformen, 86f und Vielhauer, Werden, 2 als Bestandteil und Kennzeichen der Gattung des prophetischen Gerichtsstreits gedeutet. Während sich in Hos 4 und 12 diese Deutung von ריבals rechtliche Terminologie nahelegt, scheint es sich bei Hos 2,4 um die Aufforderung zu einer außergerichtlichen Auseinandersetzung zu handeln. 6
Einleitung
3
die grundsätzlich – d. h. im Guten wie im Schlechten – die Beziehung zwischen Israel und JHWH prägt bzw. prägen soll und die zuletzt von JHWH selbst ermöglicht wird (vgl. Hos 14,5). 1.2 Zum Stand der Forschung Die Botschaft des Hoseabuches wird in der Forschung mehrheitlich als Ausdruck einer „unbedingten Gerichtsverkündigung“ betrachtet, ohne dass dabei wahrgenommen wird, dass es sich bei der „unbedingten Gerichtsverkündigung“ nur um die negative Seite einer im Hoseabuch grundsätzlich reziprok gedachten Beziehung handelt, die durch Zu- bzw. Abwendungsbewegungen konstituiert wird. Diese erweiterungsbedürftige Wahrnehmung der Texte bildet dabei einen Forschungskonsens und findet sich sowohl in traditionsgeschichtlich als auch redaktionsgeschichtlich ausgerichteten Studien vertreten. Diese Sachlage soll nachfolgend an Studien zum Hoseabuch aus dem letzten Jahrzehnt exemplarisch verdeutlicht werden. So hat Gerlinde Baumann in ihrer 2000 erschienenen Dissertation „Liebe und Gewalt. Die Ehe als Metapher für das Verhältnis JHWH – Israel in den Prophetenbüchern“ in ihrer Auseinandersetzung mit Hos 2,4–25 „aus feministisch-theologischer Sicht […] die symbolische Vermischung und Zuschneidung der Geschlechterrollen mit dem Gottesbild als ein Kernproblem der Ehemetaphorik“8 wahrgenommen und dabei insbesondere den „Aspekt der sexuellen Gewalt für Gott und für das Verhältnis JHWHs zu Israel“9 hervorgehoben. Dass mit der Ehe (auch in Form einer „ökonomischen Ehe“ mit ungleichem Machtverhältnis zwischen Mann und Frau) eine der innigsten Formen einer wechselseitig aufeinander bezogenen, interpersonalen Beziehung als Metapher für das Verhältnis zwischen dem (versorgenden, vgl. Hos 2,10) Landesgott und seinem (untreuen, vgl. Hos 2,7) Volk gewählt wird, bleibt bei dieser Sichtweise außen vor. In ihrer Deutung der Entkleidung der Ehefrau durch den Ehemann als Ausdruck sexueller Gewalt10 übersieht sie, dass die Entkleidung im Kontext von Hos 2,4–15 mit dem Entzug aller Ehegaben einhergeht. Dieser Entzug der ehelichen Versorgungsgaben stellt die reziproke Erwiderung des Ehemannes der durch den Ehebruch der Ehefrau vollzogenen Aufhebung der Ehe dar. Da der Ehemann nur im Rahmen einer bestehenden Ehe zur Versorgung seiner Ehefrau verpflichtet war, ist 8
Baumann, Liebe und Gewalt, 104. Ebd. (Hervorhebung von mir). 10 Vgl. aaO, 102. 9
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Einleitung
der angekündigte Gabenentzug nicht Ausdruck von (sexueller) Gewalt.11 Vielmehr gehen die im Rahmen der Ehe der Ehefrau zur Verfügung gestellten Gaben aufgrund ihres Ehebruchs wieder in den Besitz und das Eigentum des Ehemannes über.12 Der im Rahmen der Ehemetaphorik angekündigte Gabenentzug verdeutlicht somit eine reziproke Reaktion des Landesgottes auf die (kultische) Untreue seines Volkes Israel, die in der Einstellung seiner Versorgung von Land und Volk besteht, die seitens Israels einer dritten Größe zugeschrieben wurde (vgl. V.7). Die Wechselseitigkeit dieser Interaktion wird dabei in Hos 2,4–15 von den Tradenten durch die Aufnahme zentraler Bewegungsverben ausgedrückt, die geprägte Vorstellungen aus dem Buchkern aktualisierend fortführen und dabei Hos 2,4–15 zu einer Leseanleitung der Komposition Hos 4–9 machen.13 Auch bei Walter Gisin, dem es in seiner 2002 erschienenen Dissertation „Hosea. Ein literarisches Netzwerk beweist seine Authentizität“ um „die redaktionskritische Frage nach der Authentizität des Buches und seiner Einzeltexte“14 geht und der den Nachweis versucht, dass „der stark verflochtene Hoseatext […] auf einen einzigen Autor für das ganze Buch“15 hinweist, findet sich diese Deutung der Botschaft des Hoseabuches. Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Hos 5,5 und 14,2, die seiner Einschätzung nach in einer „assoziative[n] Beziehung“16 zueinanderstehen, schreibt er: „Erst nach vollzogenem Gericht (V.1) wird es dem Volk möglich sein, wirklich zu Jahwe zurückzukehren (V.2). Das entspricht genau der Aussage von 5,4–5: Israel kann wegen seiner Untaten und mangelnden Erkenntnis nicht umkehren, 5,4, es muss zuerst das vernichtende Gericht erfahren, 5,5, mit dem seine Schuld beglichen 11
Vgl. u.a. Seifert, Metaphorisches Reden, 97: „In der Ankündigung, Weinstock und Feigenbaum – nicht die ‚Frau‘ selbst! – zu verwüsten, wird V5b vorsichtig wieder aufgenommen“. 12 Textintern kann dieser Vorgang seitens der Ehefrau durch das selbst vorgenommene Ablegen der Amulette (vgl. Hos 2,4) verhindert werden, zu dem Hos 2,5 die reziproke Erwiderung darstellt; gegen die Deutung der Entzugshandlungen des Ehemannes als sexuelle Gewalt hat sich bereits Kelle, Hosea 2, 78 ausgesprochen: „Verses like 2:5: ‚Lest I strip her naked and I exhibit her like the day she was born,‘ do not seem to reflect established practices of physical punishment and public humiliation of adulteresses but economic and property consequences like disinheritance, disownment, and expulsion. […] The husband, upon divorce with cause, retains the right to reclaim these items as compensation for the wrong done to him” (Hervorhebung von mir). 13 Vgl. Abschnitt 5.1. 14 Gisin, Hosea, 10. 15 AaO, 293. 16 AaO, 272 (Hervorhebungen von mir).
Einleitung
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wird“17. In seiner Auseinandersetzung mit Hos 14,2 berücksichtigt Gisin jedoch nicht, dass die Umkehr ()שוב, zu der Israel in V.2 aufgefordert wird, von der Heilung der Abwendung ( )משובהdurch JHWH abhängig ist, die in V.5 geschildert wird und somit zeitlich vor der Umkehr Israels erfolgen muss. Selbst wenn man Hos 14,1 als Einleitung der Argumentation von Hos 14 betrachtet,18 stellt die in V.5 angekündigte Heilung der Abwendung Israels die notwendige Bedingung für die Umkehr Israels dar. Hos 14,2 formuliert daher eine von JHWH ermöglichte Einladung zur Erwiderung der göttlichen Liebe (vgl. V.5), die jetzt in der Umkehr zu JHWH Gestalt gewinnen kann und soll.19 Auch in Hos 5,4f ist von keinem „vernichtenden Gericht“ die Rede, durch das Israel gar seine Schuld begleicht. Eine vergeltende Handlung wird in Hos 5,4f nicht ausgedrückt. Vielmehr betont die wechselseitig aufeinander bezogene Verwendung von ידעmit JHWH als Subjekt in V.3 und mit Israel als Subjekt in V.4 die Verweigerung Israels, die eigene vollständige Wahrnehmung und Kenntnis durch JHWH in Form einer ebensolchen zuwendungsvollen Wahrnehmung und Kenntnis JHWHs zu erwidern. Im Zentrum der konzentrischen Figur20 steht mit V.4a „die gewichtigste Aussage (Nennung der Folgen im Imperfekt)“21. Das im Anschluss in V.5 geschilderte „Fallen“ Israels wird daher nicht als Folge eines Gerichts JHWHs an Israel, sondern als Folge von Israels Verweigerung der Anerkennung JHWHs, die in V.5 als Hochmut und Schuld gedeutet wird, dargestellt. In seiner 2005 erschienenen Dissertation „Hosea 2. Metaphor and Rhetoric in Historical Perspective“ spricht sich Brad E. Kelle dafür aus, „[that] Hos 2 personifies a capital city in the context of imminent or threatened destruction”22. Als Bestandteil des “rhetorical horizon”23 von Hos 2 betrachtet Kelle dabei “the theological statement that Yahweh plans to execute judgment against an offending party“24. Gegen die Identifizierung der Mutter mit Samaria spricht im Anschluss an Vielhauer jedoch, dass „die Produkte, die die Frau laut 2,7b ihren Liebhabern zu verdanken meint, […] nicht in den
17
Ebd. Mehrheitlich wird der Vers als Abschluss von Hos 13 betrachtet, vgl. u.a. Jeremias, Hosea, 167, der den Vers als „Schlußvers“ bezeichnet. 19 Vgl. Abschnitt 5.2. 20 Vgl. Jeremias, Hosea, 75. 21 Ebd. (Hervorhebung von mir). 22 Kelle, Hosea 2, 199. 23 Ebd. Kelle definiert diesen Begriff als „the context and conditions reflected in and presupposed by the text itself” (vgl. aaO, 291). 24 Ebd. 18
6
Einleitung
städtischen, sondern in den ländlichen Bereich [weisen]“25. Zudem liegt in Hos 2,5 eine Trockenheitsmetaphorik vor, die die Austrocknung des Landes infolge des Entzugs von Versorgung durch den Landesgott auszudrückt, nicht jedoch auf die Stadt Samaria zu verweisen scheint. Die auf die Frau bezogenen Handlungen des Mannes repräsentieren in erster Linie den Entzug der ehelichen Versorgungsgaben (vgl. Hos 2,5.8.11.13f), die im Rahmen der Ehemetaphorik die Antwort des Ehemannes auf den Ehebruch seiner Frau darstellen, nicht jedoch eine „destruction“ der Frau als Stadt. Auch Susanne Rudnig-Zelt bezeichnet in ihrer 2006 erschienenen Dissertation „Hoseastudien. Redaktionskritische Untersuchungen zur Genese des Hoseabuches“ die negativen Zuwendungen JHWHs als Reaktionen auf die Vergehen Israels subsumierend als „Gericht“26, ohne Gerichtsterminologie aufzuweisen und ohne die grundsätzlich reziprok gedachte Struktur in der Beziehungsdynamik zwischen JHWH und Israel zu erkennen. Roman Vielhauer beschreitet in seiner Dissertation „Das Werden des Buches Hosea. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung“ von 2007 einen ähnlichen Weg, wenn er in Hos 8,7–10 und 5,8–14 „JHWHs Gerichtswirken mit einer verfehlten Außenpolitik begründet“27 sieht. Seine Dissertation baut dabei Vorarbeiten seines Lehrers Kratz zu einem redaktionsgeschichtlichen Modell des Hoseabuches aus. Kratz hat bereits in seinem 1997 erschienenen Aufsatz „Erkenntnis Gottes im Hoseabuch“ die Position vertreten, dass sich in der literarischen Entstehungsgeschichte des Hoseabuches „die theologische Reflexion über die Erkenntnis Gottes [vollzieht]. Und im Fortgang der theologischen Reflexion über die Erkenntnis Gottes gewinnt auch JHWH selbst zunehmend an Profil. In der assyrischen Krise wird von den Propheten bzw. denen, die sie in schriftlicher Form überliefern, ein anderer, fürchterlich neuer JHWH entdeckt, der nicht mit, sondern gegen sein Volk ist“28. Die 25
Vielhauer, Werden, 152. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 269 schreibt zusammenfassend über die von ihr identifizierte Konglomeratschicht aus „Abfall-Umkehr-Texten“ (Hos 1,8f; 2,4–25; 4,9.12; 5,5a.9b; 5,12–14; 5,15–6,3; 9,1f.10.15; 12,3–7.11.13f; 14,2–4.6–8): „Alle diese Texte implizieren einen Gesamtüberblick über die Geschichte Israels von der Frühgeschichte über Abfall und Gericht bis zur letztendlichen Umkehr des Volkes zu Jahwe“ (Hervorhebung von mir). 27 Vielhauer, Werden, 68 (Hervorhebung von mir). 28 Kratz, Erkenntnis Gottes, zitiert aus: Prophetenstudien, 304; anders Jeremias, Grundtendenzen, 11: „Fremdartig ist die Tat, weil sie nicht zur Vernichtung der Feinde, sondern des Gottesvolkes führt. Israel bekommt also die gleiche Macht Gottes, die es früher heilvoll erlebte und der es seine Existenz verdankt, nun unheilvoll und gegen sich selbst gerichtet zu spüren“. 26
Einleitung
7
„unbedingte Gerichtsprophetie [ist somit] ein literarisches Phänomen […]. Sie hat ihren Ort nicht in der mündlichen Verkündigung, sondern in der theologischen Reflexion im Rahmen des werdenden Prophetenbuchs. Gerichtsprophetie ist Schriftprophetie“29. Zu einem ähnlichen Votum gelangt er auch in seinem 2001 erschienenen Aufsatz „Probleme der Prophetenforschung“. In diesem Aufsatz bezeichnet er als vielleicht wichtigsten Zug der alttestamentlichen Prophetie die Tatsache, „daß die biblischen Propheten in der Mehrheit Unheilspropheten sind und das Unheil, das sie kommen sehen, auf den Willen Gottes zurückführen. Die unbedingte Gerichtsprophetie ist in den Büchern der Propheten der Ausgangspunkt der Überlieferung“30. Sowohl Vielhauer als auch Kratz scheinen dabei die Wechselseitigkeit in den Interaktionen zwischen Israels Aktionen und JHWHs Reaktionen (vgl. u. a. die Verwendung von הלךin Hos 5,13f) nicht zu erkennen, sondern die Reaktionen JHWHs als Ausdruck eines „Gerichts“ zu deuten. Nach Vielhauer versuchen die Tradenten „durch die Deutung der Katastrophe als Gericht […], den Untergang Samarias im Nachhinein zu erklären und JHWHs Handeln darin zu verstehen“31. Ausgehend von den Texten ist jedoch die Sichtweise naheliegend, dass JHWH Israels Abwendung durch den Vollzug einer eigenen Abwendung spiegelt (vgl. Hos 5,13f) und daher in seinem Handeln „demselben Prinzip der Gegenseitigkeit [folgt], wie es dem Handlungsmodell der sozialen Interaktion zugrundeliegt“32. Indem im Hoseabuch ein wechselseitiger Bezug zwischen den geschilderten Interaktionen konstituiert wird,33 wird das geschichtliche Ergehen Israels als Folge der eigenen Abwendungshandlungen von JHWH gedeutet, mit denen Israel durch reziproke Reaktionen JHWHs konfrontiert wird. Wolfgang Schütte identifiziert in seiner Dissertation „‚Säet euch Gerechtigkeit!‘ Adressaten und Anliegen der Hoseaschrift“ von 2008 Hos 14,1 als „Gerichtswort“34 gegen Samaria. Auch diese Charakterisierung erfolgt, ohne dass kontextuell eine Gerichtsterminologie verwendet wird. Die reziproke Beziehungsstruktur zwischen JHWH und Israel/Samaria bleibt unerkannt, obwohl diese von Hos 13,9 her eindeutig ist: Hos 14,1 beschreibt kein Gericht, das über Samaria verhängt wird, sondern stellt die Konfrontation mit den Folgen des Verlassens JHWHs dar. 29 30 31 32 33 34
AaO, 305. Kratz, Prophetenforschung, 13. AaO, 117. Janowski, Tat, 189. Vgl. auch die wechselseitige Dynamik in Hos 8,9f. Vgl. Schütte, Gerechtigkeit, 68.
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Die Stadt, die gegen ihren Gott JHWH – ihren „Helfer“ (Hos 13,9: – )עזרrebellierte (vgl. Hos 14,1), ist nun tatsächlich eine vom eigenen Gott verlassene Stadt und daher Angriffen hilflos ausgeliefert. Diese Angriffe sind jedoch keine Gerichtshandlung JHWHs, sondern werden durch die wechselseitig vollzogene Abwendung JHWHs von Samaria ermöglicht. Susan E. Haddox hat sich in ihrer Dissertation „Metaphor and Masculinity in Hosea“ von 2011 mit der Frage beschäftigt, „[how] the metaphors play around the concept of masculinity“35. Bezüglich JHWH identifiziert sie zwei zentrale Aspekte, die betont werden: „those of nurturer and enforcer. […] The more judgemental aspect of the enforcer is found especially in the hunting, animal, and natural phenomena imagery, but also occurs in the disownment of the son and the discipline of the farm animals. These roles encompass the characteristic positions of YHWH along the axes of activity, potency, and goodness”36. Man möchte ergänzen: und Reziprozität, denn die genannten Beispiele wie „disownment of the son and the discipline of the farm animals“37 präsentieren sich kontextuell als wechselseitig auf das Verhalten des Sohnes bzw. der Tiere bezogene Reaktionen JHWHs. Ähnliche Terminologie verwendet auch James M. Bos in seiner 2013 erschienenen Dissertation „Reconsidering the date and provenance of the Book of Hosea. The Case for Persian-Period Yehud“. Er schreibt bezüglich Hos 9,1–9: „The passage is broadly speaking an oracle of judgement. Israel is charged with ‘whoring’ away from its god […]. It is clear […] that the author believes that Israel has acted inappropriately with regard to Yahweh and as a consequence he will punish […] them”38. Bos übersetzt dabei פקדaus Hos 9,9 mit „punish” („bestrafen”). Nach Esther Brünenberg muss für פקדjedoch die Grundbedeutung „jdn. oder etwas nachprüfen, kontrollieren, nach dem Rechten sehen, genau beobachten“39 angenommen werden. Dabei scheint zugleich „ein Doppelsinn vorzuliegen […], der eine positive wie negative Konnotation erfahren kann“40. Für die negative Bedeutungsseite schlägt Bernd Janowski die Wiedergabe mit „überwachen, heimsuchen, Rechenschaft einfordern“41 vor. Am Beispiel von Hos 12,3 zeigt er den Übersetzungsunterschied zur gängigen Wiedergabe 35 36 37 38 39 40 41
Haddox, Metaphor, 164. AaO,160. Ebd. Bos, Reconsidering, 81. Brünenberg, Jahwes Widerstand, 54. Ebd. Janowski, Ein Gott, der straft und tötet?, 154.
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von פקדmit „strafen“ auf, die mit einem Strafgedanken operiert:42 „Während die Strafe nach der gängigen juristischen Definition die ‚Zufügung eines fühlbaren Nachteils um eines geschehenen Unrechts willen‘ (H. Rombach) ist und zu ihrer Vollstreckung einer richterlichen Instanz bedarf, die von außen auf das Geschehen einwirkt, knüpfen die alttestamentlichen Formulierungen einen inneren Zusammenhang zwischen Tat und Ergehen, indem sie den Täter mit den Folgen seiner Tat […] konfrontieren. Auf diese Weise wird in Hos 12,3 der Täter (‚Juda‘) mit seiner Tat in Kontakt gebracht, sodass er Einsicht in sein Tun gewinnen, Verantwortung für dieses Tun übernehmen und so ein neues Selbst- und Gottesverhältnis bekommen kann. Diese ‚Zurückwendung‘ der Tat auf den Täter durch JHWH ist etwas anderes als die ‚Strafe‘, die den Täter von seiner Tat trennt, indem sie im Sinn der Maxime punitur quia peccatum est vor allem auf die ‚Zufügung eines fühlbaren Nachteils‘ zum Ausgleich des geschehenen Unrechts aus ist“43. Ähnliches lässt sich bezüglich der Rede von einem „Gericht“ sagen. Das, was in den Texten des Hoseabuches als Re- bzw. Aktionen JHWHs ausgesagt wird, stellt sich nicht als „‚Zufügung eines fühlbaren Nachteils‘ zum Ausgleich des geschehenen Unrechts“44 dar, sondern als Rückwendung der Taten zu Israel im Guten wie im Schlechten. Dass JHWH im Hoseabuch als ein Gott präsentiert wird, der auch die schlechten Taten bzw. deren Folgen zu seinem Volk zurückwendet, ist das eigentlich „Neue“ in der Prophetie des Alten Testaments.45 Dieses Novum als „unbedingte Gerichtsprophetie“ zu bezeichnen, greift aufgrund der grundsätzlich reziprok gedachten Beziehungsdynamik zwischen JHWH und Israel jedoch zu kurz. Die Beziehungsdynamik wird präziser erfasst, wenn man stattdessen von einer „unabwendbaren Reziprozität“ spricht.
1.3 Konzeptionelle Verortung: Reziprozität als Handlungsmodell der sozialen Interaktion nach Jan Assmann/Bernd Janowski 1.3.1 Das Konzept der „konnektiven Gerechtigkeit“ Der Ägyptologe Jan Assmann entwickelt das Konzept der „konnektiven Gerechtigkeit“ ausgehend vom ägyptischen MaʼatBegriff. Diesen versteht er als einen ägyptischen „Oberbegriff für das 42 43 44 45
Vgl. aaO, 155. AaO, 155f (Hervorhebungen im Original). Ebd. Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 49ff.
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Insgesamt aller sozialen Normen“46, in dem „die Idee der Gegenseitigkeit auf einer sehr hohen Abstraktionsstufe gefaßt [wird]“47. Ausgehend von einer ägyptischen Königsinschrift des Königs Neferhotep (um 1700 v. Chr.), in der sich eine definitionsartige Bestimmung der Maʼat findet („Der Lohn eines Handelnden liegt darin, daß für ihn gehandelt wird. Das hält Gott für Maʼat“)48, gibt Assmann den Begriff mit dem Prinzip der „konnektiven Gerechtigkeit“ (iustitia connectiva) wieder.49 Als „Begriff der theoretischen Metasprache“50 beschreibt die konnektive Gerechtigkeit die Maʼat als ein Füreinander-Handeln,51 als eine „reziprok[e] Solidarität“52, durch die Menschen dafür sorgen, dass „die Tat zum Täter zurück[kehrt]“53: „Maʼat verkörpert das Prinzip der Solidarität, Gegenseitigkeit und Vergeltung“54. Als „Gegenseitigkeitsprinzip“55 ist die konnektive Gerechtigkeit somit von der Solidarität der Menschen untereinander abhängig.56 Nur, wenn im Guten wie im Schlechten tatsächlich füreinander gehandelt wird, d. h. eine Guttat oder Schlechttat eine entsprechende Erwiderung findet und daher „die Folge an die Tat [gebunden wird]“57, bleibt die konnektive Gerechtigkeit erhalten. Dieser Nexus von Tun und Ergehen wird demnach von Menschen aufrechterhalten und stellt sich nicht von selbst ein. Die konnektive Gerechtigkeit basiert vielmehr auf aktiver gesellschaftlicher Solidarität, die als „Vergeltung“58, aber auch als „Reziprozität“59 bezeichnet werden kann. Lässt diese „soziogen[e] Energie“60 der Reziprozität nach, gerät die Gesellschaft aus den Fugen; ist sie stark und prägt das gemeinsame Miteinander, so bewirkt sie eine „sozial[e] Vernetzung“61, die „Vertrauen und Gelingen ermöglicht“62. Assmann subsumiert: 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62
Assmann, Ägypten, 146. Ders., Maʼat, 64 (Hervorhebung von mir). Vgl. aaO, 65. Vgl. Ders., Ägypten, 146. Vgl. aaO, 501. Vgl. ders., Maʼat, 65. AaO, 68. AaO, 64. AaO, 66. AaO, 71. Vgl. ders., Maʼat, 67. Ders., Ägypten, 151. Vgl. ders., Maʼat, 66. Vgl. aaO, 60. AaO, 68. AaO, 69. Ebd.
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„Die Tat kehrt dann, und nur dann, zum Täter zurück, wenn das Prinzip der Maʼat wirksam ist, also unter den Menschen die solidarische Reziprozität des AufeinanderHörens und Füreinander-Handelns herrscht. Die Rückwirkung der Tat auf den Täter, im Guten wie im Bösen, ist nach ägyptischer Vorstellung abhängig von der in einer Gesellschaft herrschenden Gerechtigkeit; man könnte auch sagen: von der ‚kommunikativen Verfaßtheit‘ der sozialen Welt“63. In diesem Sinne bezeichnet „Gerechtigkeit […] ein Leben in Übereinstimmung mit den konnektiven Strukturen, die Gemeinschaft ermöglichen, mit Menschen und Göttern“64.
Da auch Gott „nicht außerhalb dieser Verfugung des Handelns [steht]“65, können Hilfsappelle an ihn gerichtet, ihm aber auch „der Vorwurf der Nicht-Intervention“66 gemacht werden. 1.3.2 Die Adaption auf das Alte Testament In seinem Aufsatz „Die Tat kehrt zum Täter zurück. Offene Fragen im Umkreis des ‚Tun-Ergehen-Zusammenhangs‘“ von 1994 stellt Bernd Janowski seine Überlegungen unter die Ausgangsfrage, auf welchem Weg eine Tat zum Täter zurückkehrt: „Geschieht es auf dem Weg eines selbstwirksamen Automatismus, also gleichsam ‚naturgesetzlich‘, oder geschieht es aufgrund jener ‚kommunikativen Verfaßtheit‘ der Wirklichkeit, die die Handelnden miteinander verbindet und gegenseitig verpflichtet?“67.68 In wertschätzender Abgrenzung von Klaus Kochs Vorstellung einer schicksalwirkenden Tatsphäre schließt er sich dabei der Position Assmanns an, wonach Vergeltung, wenn man sie als „FüreinanderHandeln“ versteht, eine „Kategorie der sozialen Interaktion [ist]“69. Nach Janowski problematisierte Koch den Vergeltungsbegriff, weil es ihm darum ging, „die Vorstellung von Gott als ‚Richter‘, der auf alles menschliche Verhalten mit Lohn oder Strafe reagiert (iustitia distributiva), durch eine angemessenere zu ersetzen“70. Jedoch sei der von Koch vorgeschlagene Alternativbegriff der schicksalwirkenden Tatsphäre „wenig geeignet, die alttestamentlichen Sachverhalte sachgemäß zu erfassen, da er wesentliche Aspekte des Problems gar
63
AaO, 178. Ders., Ägypten, 153. 65 AaO, 68. 66 Ebd. 67 Janowski, Tat, 168. 68 Vgl. auch Rösel, M., Art. Tun-Ergehen-Zusammenhang, NBL 3 (2001), 931–934; Köhlmoos, M., Richtiges Leben, Tun und Ergehen, in: Dietrich, W. (Hg.), Die Welt der Hebräischen Bibel, 2017, 324–338. 69 AaO, 180. 70 AaO, 186. 64
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nicht in den Blick bekommt“71. Zu diesen wesentlichen Aspekten sei dabei vor allem das Prinzip der konnektiven Gerechtigkeit (iustitia connectiva) zu rechnen.72 Janowski zeigt, dass auch „der Kern des Vergeltungsbegriffs […] in der Idee der Gegenseitigkeit (Reziprozität) [liegt]“73. Die Definition von Höffe aufgreifend, verdeutlicht er, dass „diese Idee […] bis heute ein unstrittiges Prinzip der Sozialmoral, der Tauschgerechtigkeit [bildet]. Wer bei der Vergeltung nur an das Heimzahlen eines Übels denkt, der übersieht die primäre, durch und durch neutrale Bedeutung. Der Ausdruck hat dieselbe Wurzel wie ‚Geld‘ und verweist etymologisch auf die Grundform menschlichen Verkehrs, den Tausch. ‚Vergeltung‘ meint jede Gegenleistung für empfangene Dienste, jedes Zurückzahlen“74. An Beispielen aus dem Proverbienbuch verdeutlicht er, dass „Vergeltung“, als „reziproke Solidarität (‚konnektive Gerechtigkeit‘)“75 und nicht als „selbstwirksames Regulativ (‚schicksalwirkende Tatsphäre‘)“76 verstanden werden kann und dass „Gottes Handeln […] demselben Prinzip der Gegenseitigkeit [folgt], wie es dem Handlungsmodell der sozialen Interaktion zugrundeliegt“. Anders als Assmann betont Janowski dabei jedoch den entscheidenden Unterschied des göttlichen zum menschlichen Handeln, der darin besteht, „daß sein [sc. Gottes] Eingreifen zwar erwartbar ist, aber unverfügbar bleibt, also gleichsam ein Akt der ‚Gnade‘ ist“77. 1.4 Methode Janowskis Wahrnehmung, dass der von Koch vorgeschlagene Alternativbegriff der schicksalwirkenden Tatsphäre zur Beschreibung des Nexus von Tun und Ergehen „wesentliche Aspekte des Problems gar nicht in den Blick bekommt“78, kann m. E. auch auf die Beschreibung der Botschaft des Hoseabuches als „unbedingte Gerichtsankündigung“ übertragen werden. In der Bezeichnung als „unbedingte Gerichtsankündigung“ oder „Gerichtsprophetie“ spiegelt sich die noch immer weit verbreitete „Vorstellung von Gott als ‚Richter‘ wider, der auf alles menschliche 71 72 73 74 75 76 77 78
Ebd. Vgl. ebd. AaO, 177. Ebd. AaO, 190. Ebd. AaO, 189. AaO, 186.
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Verhalten mit Lohn oder Strafe reagiert (iustitia distributiva)“79. Die aktiv-solidarische Prägung der geschilderten Interaktionen JHWHs mit Israel im Guten wie im Schlechten bringt diese Bezeichnung hingegen nicht zum Ausdruck, obwohl sie sich im Verlauf der Untersuchung als Grundüberzeugung der „hoseanischen“ Theologie erweisen wird. Die der Untersuchung zugrundeliegende Methode der Kompositionsanalyse, die auf die masoretische Textfassung angewandt wird, welche in der Neuedition des Codex Leningradensis in der Biblia Hebraica Quinta (BHQ) vorliegt,80 konstituiert sich im Rückbezug auf Steck durch einen methodischen Zweischritt. Dieser besteht einerseits aus einer historischen Synchronlesung des Hoseabuches und andererseits aus einer diachronen Rückreise in die Genese des Hoseabuches. Dieser Zweischritt bildet den methodischen Rahmen für die nachstehenden Analysen der Reziprozitätsvorstellungen in den einzelnen Kompositionsabschnitten. Zur „historische[n] Synchronlesung“81 schreibt Steck: „Alttestamentliche Prophetenforschung […] muß vom Gegebenen ausgehen und das heißt: von den Prophetenbüchern, wie sie sind”82. Dabei betont Steck, dass er „den Einstieg der Prophetenforschung bei den Prophetenbüchern, wie sie gegeben sind, nicht aus zweifelhaften theologischen Optionen für Vorrang oder gar Alleingeltung des sogenannten Endtextes biblischer Büchern forder[t], sondern einzig aus der historisch unausweichlichen Option für das, was beim Verstehen einer historischen Größe gegenüber allen aufgestauten Vorverständnissen aus der Forschungsgeschichte primär geboten ist: zu allererst auf das Gegebene als historische Größe zurückzugreifen, wie es ist“83.
Der zweite Schritt besteht in einer diachron-literarkritischen „Rückreise“84 in „die Vorgeschichte dieses Buches, zurück zu älteren, kürzeren Büchern, die im vorliegenden Buch schlummern, zurück bis zu den Anfängen des Ganzen“85. Das Ziel besteht dabei nicht in der Formulierung eines neuen redaktionskritischen Modells, sondern im Aufweis der kompositionsverbindenden Funktion
79
Ebd. Vgl. für die Stabilität der masoretischen Textüberlieferung Schütte, Gerechtigkeit, 16; bezüglich der Abweichungen in den Hoseafragmenten aus Qumran, die nach Schütte vor allem „bei den matres lectionis, der Kopula und bei Endkonsonanten bzw. Endungen“ (aaO, 217) vorliegen, ist „eine veränderte Bedeutung des Textes nicht gegeben“ (ebd.). 81 Steck, Gott in der Zeit, 162. 82 AaO, 155. 83 AaO, 160. 84 AaO, 165. 85 Ebd. 80
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zentraler Reziprozitätsvorstellungen im Rahmen der Genese des Hoseabuches. Dabei werden insbesondere die redaktionsgeschichtlichen Überlegungen von Jeremias86, Kratz und Vielhauer berücksichtigt. Obwohl bezüglich der literarhistorischen Genese des Hoseabuches kein Konsens besteht,87 hat Vielhauer, aufbauend auf den redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen von Jeremias und Kratz,88 auf überzeugende Weise Hos *4,1–9,9 als den literarischen Kern des Hoseabuches erwiesen.89 86
Vgl. insbesondere Jeremias, Hos 4–7; ders., Hosea und Amos. Drei aktuellere Monographien zur Genese des Hoseabuches sollen exemplarisch diesen fehlenden Konsens abbilden: So versucht Gisin in seiner 2002 erschienenen Dissertation „Hosea. Ein literarisches Netzwerk beweist seine Authentizität“ den Nachweis, dass „der stark verflochtene Hoseatext […] auf einen einzigen Autor für das ganze Buch“ 87 hinweist, den er mit dem historischen Propheten Hosea identifiziert (vgl. aaO, 289ff); Rudnig-Zelt rekonstruiert in ihrer Dissertation „Hoseastudien. Redaktionskritische Untersuchungen zur Genese des Hoseabuches“ von 2006 einen „etwa 500jährige[n] Wachstumsprozeß“ (aaO, 274), an dessen Anfang spöttische Bildworte (vgl. aaO, 263) stehen, die nach 722 v. Chr. von Beamten am judäischen Königshof verfasst wurden und die dazu dienten, das „eingetretene Debakel eines politisch-militärischen Rivalen oder sogar Gegners zu illustrieren. Es soll klargestellt werden, daß die Gegenseite völlig am Ende ist und als Machtfaktor ausgespielt hat“ (aaO, 262). Rudnig-Zelt führt im Rahmen der Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte des Hoseabuches den Begriff der „Konglomeratschicht“ (aaO, 44) ein, da ihrer Einschätzung nach im Hoseabuch „nicht unbedingt mit einheitlichen Redaktionsschichten […] zu rechnen ist“ (ebd.). Unter einer Konglomeratschicht versteht sie sukzessive Nachträge, „deren lose literarische Zusammenhänge sich an gemeinsamen Aussageanliegen festmachen lassen“ (ebd.). Den Weg der synchronen Annäherung an das Hoseabuch beschreitet Bos in seiner 2013 erschienenen Dissertation „Reconsidering the date and provenance of the Book of Hosea. The Case for Persian-Period Yehud“. Er geht von einer früh-perserzeitlichen Entstehung des Hoseabuches aus und betrachtet es als eine „composition by the non-royal elite in Jerusalem that instructed and socialized the readers […] in Yehud regarding ‘Israel’s’ past” (aaO, 32). 88 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 55, der jedoch erst nach Kap. 11 einen Einschnitt aufgrund der Verwendung der Gottesspruchformel vornimmt; vgl. auch Kratz, Erkenntnis Gottes, 304: „Der Kern der Hoseaüberlieferung ist […] in Hos 4–9* zu suchen, einer Komposition mit Überschrift in (1,2+)4,1–2 und Schluß in 9,1–6(.7–9), in der die kaum mehr faßbare, ältere Wortüberlieferung in verschrifteter, mithin redaktionell überformter und literarisch vielfach ergänzter Gestalt enthalten ist und die vermutlich noch im ausgehenden 8. oder frühen 7. Jh. v. Chr. und wohl in mehreren Schüben entstanden ist“. 89 Vgl. Vielhauer, Werden, 45ff; Vielhauer rekonstruiert einen literarischen Kern (Hos 5,1f; 6,7–7,12*), der nach 723/20 v. Chr. entstanden ist und um den herum das Buch „von innen nach außen gewachsen [ist]“ (aaO, 225). 87
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Dieser steht im Mittelpunkt der nachfolgenden Studien zur Reziprozität des JHWH/Israel-Verhältnisses im Hoseabuch und wird dabei durch ein Kapitel zu Hos 2,4–15 als einer neuen Einleitung dieses literarischen Kerns, der im Verlauf der Genese des Hoseabuches durch Hos 1* und Hos 3* ergänzt wurde,90 sowie zu Hos 14,2–10 als des endgültigen Buchabschlusses gerahmt. Die Untersuchungen von Hos 2,4–15* und Hos 14,2–10* dienen im Rahmen der vorliegenden Arbeit dem exemplarischen Aufweis der Rezeption zentraler Reziprozitätsvorstellungen aus dem Buchkern Hos *4–9 am Buchanfang und -abschluss, denen seitens der Tradenten im Rahmen der Fortschreibung des Hoseabuches eine kompositionsleitende Funktion beigemessen wurde.91 Über den gewählten Rahmen der Untersuchung hinaus wäre in weiteren Studien zu prophetischen Reziprozitätsvorstellungen im JHWH/Israel-Verhältnis der größere literarische Kontext des Zwölfprophetenbuches zu berücksichtigen. 1.5 Desiderat und Vorgehen Als grundsätzliches Desiderat erscheint zunächst, das aktivsolidarische Element der Interaktionen JHWHs mit Israel anhand von Texten aus dem Hoseabuch aufzuzeigen und somit eine präzisere Wahrnehmung der Texte und ihres intendierten Aussagegehalts zu ermöglichen. Im Anschluss an eine textkritische Übersetzung werden deswegen anhand von Kompositionsanalysen zentrale Leitworte des Buchkerns
Die Überlieferer nehmen dabei „eine eindeutig ephraimitische Perspektive ein“ und interpretieren „den Untergang des Nordreiches als Gericht JHWHs“ (aaO, 226). In einer ersten Ergänzungsschicht (Hos 5,8–14; 8,7– 10) wird diese „Gerichtsbotschaft auf das Südreich Juda aus[geweitet]“ (ebd.); eine kultpolemische Ergänzungsschicht (Hos 4,1–2.4–10*.11–14*; 5,6–7; 5,15–6,6*; 7,13–16; 8,1–3*.11f; 9,3–4a.6.7–9) baut das „überkommene Material zu der Komposition Hos 4,1–9,9* aus“ (ebd.); nach und nach werden dann die Grund- und Ergänzungsschichten der restlichen Kapitel ergänzt (vgl. aaO, 227ff); vgl. auch Schmid, Hoseabuch in: Gertz, Grundinformation, 377f. 90 Vgl. aaO, 127ff. 91 Die Geschichtsrückblicke in Hos 9–13 stehen nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit (vgl. aber Abschnitt 5), die sich in erster Linie dem Buchkern Hos 4–9 und dem Nachweis der kompositionsleitenden Funktion zentraler Reziprozitätsvorstellungen in der Genese des Hoseabuches anhand der exemplarischen Beschäftigung mit Hos 2,4–15 und Hos 14,2–10 widmet.
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Hos 4–992 identifiziert, die diese aktiv-solidarische Prägung, die im Rahmen dieser Untersuchung und in Anlehnung an Assmann/Janowski unter dem Begriff der „Reziprozität“ zusammengefasst wird, zum Ausdruck bringen. In einem weiteren Schritt wird exemplarisch anhand von Hos 2,4–15 als einer neuen Kompositionseinleitung des wachsenden Hoseabuches und von Hos 14,2–10 als dem endgültigen Buchabschluss die über den Buchkern hinaus stattgefundene aktualisierende Rezeption dieser Leitworte durch die Tradenten aufgezeigt und auf diese Weise das Festhalten an dieser Theologie auch und gerade angesichts der Katastrophen von 722 v. Chr. und 586 v. Chr. verdeutlicht. Als nachgeordnetes Desiderat erscheint hingegen die Prägung eines eigenen Alternativbegriffs. Wenn dennoch mit „unabwendbare Reziprozität“ eine neue Bezeichnung für die Summe des Hoseabuches und ein Alternativbegriff zu der geprägten Bezeichnung dieser Summe als einer „unbedingten Gerichtsprophetie“ vorgeschlagen wird, so stellt dies ein Angebot an die Forschungsgemeinschaft dar, gemeinsam nach präziseren Ausdrucksweisen für diejenigen Vorstellungswelten zu suchen, für deren Wiedergabe im deutschen Sprachraum oft auf juridischjuristische Terminologie zurückgegriffen wird, obwohl diese die Wahrnehmung des ursprünglichen Aussagegehalts der Texte eher verhindert als ermöglicht.
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Dass es sich bei Hos 4–9 um den ältesten Buchkern handelt, ist eine Sicht, die u. a. von Kratz, Erkenntnis, 304 und Vielhauer, Werden, 226f vertreten wird.
2 Hos 5–7 als literarischer Kern des Hoseabuches 2.1 Übersetzung und Textkritik Hos 5 1
2 3
1
Hört dies, ihr Priester und gebt acht, Haus Israel und Haus des Königs hört, denn euch gilt das Urteil! Denn ein Klappnetz seid ihr geworden für Mizpa und ein ausgelegtes Netz auf dem Tabor! und Abschlachtung haben Abtrünnige tief gemacht,1 aber ich bin eine Züchtigung2 für sie3 alle! Ich kenne Efraim und Israel ist nicht verborgen vor mir. Ja, jetzt4 hast du5 Unzucht getrieben6, Efraim
Gegen die von MT gebotene Lesart von V.2a („Und Abschlachtung haben Abtrünnige tief gemacht“; Vielhauer, Werden, 75, Anm. 2 schlägt als Übersetzung vor: „Abtrünnige haben abgrundtief schlecht gehandelt“) wird oft die von Umbreit, Praktischer Commentar, 34 vorgeschlagene Konjektur „( וׁשחת הׂשטים העמיקוund zu einer Fanggrube in Schittim, die man tief gemacht hat“) in Betracht gezogen (vgl. u. a. Jeremias, Hosea, 73; WilliPlein, Vorformen, 140, Vielhauer, Werden, 75). BHQ, 59* verweist jedoch darauf, dass „the vrss. all seem to presuppose the very obscure text of M […]. There is no evidence for interpreting the second word of the lemma as a place name“. Es wird daher im Anschluss an Macintosh, Hosea, 180f die von MT gebotene Lesart beibehalten (lectio difficilior). 2 Eine Umvokalisierung zu מֹוסר ֵ („Fessel“; vgl. Jeremias, Hosea, 73) erscheint im Anschluss an Macintosh, Hosea, 182 nicht angebracht. 3 Teilweise wird von einem ursprünglichem לכלכםoder לכםausgegangen, welches kontextuell besser passen würde (vgl. u. a. Wolff, Hosea, 119, der vermutet, dass in der von MT gebotenen 3. Pers. eventuell העמיקו nachwirkt; Willi-Plein, Vorformen, 141; Rudolph, Hosea, 116); anders Jeremias, Hosea, 73, der mit MT („sie“) liest. 4 Die von MT bezeugte Lesart wird von allen Versionen bestätigt und ist daher gegen den Emendationsvorschlag stattdessen „( אתהdu“) zu lesen (vgl. u. a. Jeremias, Hosea, 73; Wolff, Hosea, 120) beizubehalten. 5 Mit Rudolph, Hosea, 116f wird an der von MT gebotenen 2.Pers. festgehalten (vgl. Hos 4,13b.14a) und die von den Versionen gebotene 3.Pers. als Angleichung an ( נטמאsynonymer Parallelismus) eingeschätzt. 6 Rudolph, Hosea, 117 schlägt vor, statt des Hif. (MT) das Hof. von זנהzu lesen, da „dem Parallelwort נִ ְט ָמאnur Hophal ית ָ ֵ[ ָהזְ נentspricht]“). Diesem Vorschlag wird sich nicht angeschlossen, da das Hof. nicht belegt ist und auch das Hif. einen nachvollziehbaren Textsinn ergibt.
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Hos 5–7
unrein gemacht hat sich Israel. Nicht erlauben7 es ihre Taten umzukehren zu ihrem Gott, denn ein Geist der Unzucht ist in ihrem Inneren und JHWH kennen sie nicht! Und der Hochmut Israels antwortete in sein Angesicht und Israel8 und Efraim kommen zu Fall durch ihre Schuld, zu Fall gekommen ist auch Juda mit ihnen. Mit ihrem Kleinvieh und ihren Rindern gehen sie um zu suchen JHWH, aber nicht finden sie9, er hat sich ihnen entzogen. Gegenüber JHWH haben sie treulos gehandelt, denn fremde Söhne haben sie gezeugt; jetzt wird sie verzehren ein Neumond zusammen mit ihren Landanteilen.10 Stoßt ins Schofar in Gibea, (in) die Trompete in Rama, stimmt das Geschrei an zu11 Bet-Awen: Hinter dir,12 Benjamin! Efraim wird zur Verwüstung werden am Tag der Zurechtweisung; unter den Stämmen Israels habe ich verkündigt, was feststeht. Geworden sind die Beamten von Juda wie Versetzende von Grenzen; über ihnen werde ich ausgießen wie Wasser
Wörtlich: „geben“; vgl. Macintosh, Hosea, 184. Es gibt in den Versionen keinen Hinweis für eine Auslassung von ויׂשראל (vgl. BHQ, 59*). 9 LXX ergänzt αὐτόν; Macintosh, Hosea, 189 verweist jedoch darauf, dass „the addition is ad sensum and does not imply that the Hebrew also hat such a suffix”. 10 Der als „schwierig“ (Willi-Plein, Vorformen, 142) betrachtete V.7b wird von der Peschitta ausgelassen und auch LXX trägt mit ἐρυσίβη, der Bezeichnung für eine Pflanzenkrankheit („Getreidebrand bis Mehltau“, Rudolph, Hosea, 117), nichts zur Klärung des Textsinns bei; im Anschluss an Eitan, HUCA 14, 1939, 2 liest Jeremias, Hosea, 73 „( ֵמ ַח ֵדׁשEroberer, Eindringling“) statt ח ֶֹדׁש: „Jetzt wird ihnen der Eroberer ihre Äcker vertilgen“. Übersetzt man im Anschluss an Rudolph, Hosea, 119 אתmit „zusammen mit“, so kann die von MT gebotene Lesart beibehalten werden. 11 Es handelt sich wohl um einen Acc. loci (vgl. GK28 §118g). 12 LXX bietet ἐξέστη; mit BHQ, 59* kann in Betracht gezogen werden, dass es sich bei dieser Wiedergabe um eine falsche Herleitung von חרד („sich fürchten, zittern“) oder um einen Einfluss von Am 3,6 handelt. 8
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14 13
meinen Zorn. Unterdrückt wird Efraim, zerbrochen an Recht;13 denn er hat sich entschlossen14, er ist hinterhergegangen einem Feind/Nichtigen15. Aber ich bin wie Fäulnis16 für Efraim und wie Knochenfraß für das Haus Juda. und Efraim sah seine Krankheit und Juda sein Geschwür und Efraim ging nach Assur und17 sandte zum Großkönig18, aber er kann euch nicht heilen und er kann nicht trennen von euch das Geschwür. Ja, ich bin wie ein Löwe für Efraim
Während die von MT gebotene Lesart von V, S und T unterstützt wird, bietet die von LXX gebotene Lesart aktive Verbformen (κατεδυνάστευσεν; κατεπάτησεν) und ergänzt ein Objekt (τὸν ἀντίδικον αὐτοῦ): „Efraim unterdrückt seinen Gegner, tritt das Recht mit Füßen“. Es handelt sich wohl um eine bewusste Angleichung an Am 4,1 (vgl. Vielhauer, Werden, 47, Anm. 11a). 14 Vgl. Willi-Plein, Vorformen, 144, die für die Konstruktion יאלHif. + finites Verb ohne וauf Dtn 1,5; 2Kön 5,23; Hi 6,28 verweist und hervorhebt, dass „in diesen Fällen […] der Akzent nicht auf der Zielsetzung eines auf die Tätigkeit des zweiten Verbums gerichteten Entschlusses (inf. mit ) ְל [liegt], sondern auf dem Entschluß als solchem“; vgl. auch GK28 §120g). 15 Die Wiedergabe von צוvariiert. Wolff, Hosea, 134 geht von der von LXX gebotenen Lesart τῶν ματαίων („dem Nichtigen“) aus, deutet diese als „einen mit ָׁשוְ אgleichbedeutenden, ‚lautäffenden‘ (KBL) Vulgärausdruck“ und verweist auf Jes 28,10.13 (mit „dem Nichtigen“ übersetzt auch Jeremias, Hosea, 78); in Anlehnung an den Konjekturvorschlag von Duhm (צרֹו, ָ „seinem Feind“) liest Rudolph, Hosea, 124 „( ָצרdem Feind“). 16 Vgl. Driver, Difficult words, 66f. LXX schwächt die Aussage durch die Wahl von ταραχὴ („Verwirrung“) und κέντρον („Stachel“) ab; vgl. auch Riede, Motte, 139ff bezüglich der Wiedergabe von עׁש. 17 Willi-Plein, Vorformen, 145 ist zuzustimmen, dass der Gesamtaufbau des Verses statt וַ יִ ְׁש ַלחeine Bezeichnung für Juda erwarten lässt, die jedoch in MT fehlt; Macintosh, Hosea, 209 ergänzt „and Judah“ ad sensum. 18 LXX interpretiert ירבals Personen-, die Peschitta als Ortsnamen; Jeremias, Hosea, 78 und Wolff, Hosea, 131 übersetzen „zum Großkönig“ und geben damit den offiziellen assyrischen Titel šarru rabu wieder, den MT wiedergibt; Wolff vermutet, dass „ יָ ֵרבvielleicht als Geheimname des Assyrerkönigs verstanden [wurde], nachdem das alte ַמ ְל ִכי ָרבfalsch getrennt [worden] war“ (Hosea, 134); Rudolph, Hosea, 123 übersetzt „zum König Jareb“ und verweist auf Hos 10,6 als Nachweis, dass der assyrische König tatsächlich so bezeichnet wurde (vgl. aaO, 124). Zudem weist er darauf hin, „daß auch יָ ֵרבals Adjektiv zu der syr.-aram. Wurzel ‚( ירבgroß sein‘) ‚groß‘ bedeuten kann“ (aaO, 124). Dies ermögliche es dem Propheten „mit dem gleichlautendem Jussiv von ‚( ריבer möge streiten‘) ein Wortspiel zu machen“ (aaO, 124f).
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und wie ein Junglöwe für das Haus Juda. Ich, ich reiße und gehe davon, ich trage fort und niemand ist ein Befreier19! Ich gehe, kehre zurück zu meinem Ort, bis dass sie büßen20 und suchen mein Angesicht. Bedrückt man sie, werden sie nach mir verlangen. Lasst uns gehen21 und umkehren zu JHWH, denn er hat gerissen und er wird uns heilen, er hat22 geschlagen und er wird uns verbinden. Er wird uns zum Leben zurückbringen nach zwei Tagen; am dritten Tag wird er uns aufrichten und wir werden leben vor seinem Angesicht. So lasst uns erkennen, lasst uns nachjagen dem Erkennen JHWHs, wie erstes Morgenlicht so sicher ist sein Aufbruch23; und er kommt wie der Regen zu uns, wie Spätregen, der24 Land tränkt25. Was soll ich tun in Bezug auf dich, Efraim?
LXX bietet eine Lesart mit Artikel (ὁ ἐξαιρούμενος), jedoch verweist BHQ darauf, dass der Artikel „is asterisked, presumably in the Origenian tradition, as not being in the Hebrew text“. 20 Wolff, Hosea, 134 äußert die Frage, ob „ אׁשםhier die Bedeutungsnuance ‚gestraft werden‘ […] gewonnen haben sollte?“; Willi-Plein, Vorformen, 146 zieht mit Verweis auf Hos 2,14 eine Änderung von יאׁשמוzu ׁשמם( יׁשמו, „verwüsten“) in Betracht (so auch die von LXX gebotene Lesart); Rudolph, Hosea, 131 liest mit T („bis sie erkennen, dass sie schuldig sind“) und sieht keinen Anlass zu einer Textkorrektur von MT; dieser Sicht wird sich mit Verweis auf Kellermann, Art. אׁשם, 470 angeschlossen, der den Bedeutungsumfang von אׁשםim Qal mit „sich verschulden, schuldig werden, straffällig werden, Schuld büßen“ (ebd.) angibt. Seiner Einschätzung, dass „an allen Stellen bei Hosea […] ‚ אׁשםsich verschulden, schuldig werden‘ und somit ‚sich strafbar machen‘“ (aaO, 471) bedeute, wird sich hingegen nicht angeschlossen. Im Hoseabuch findest sich אׁשם 5mal (Hos 4,15; 5,15; 10,2; 13,1; 14,1); an vier der fünf Belegstellen (Hos 4,15; 5,15; 10,2 sowie 14,1) ergibt sich mit der von Kellermann angegebenen Bedeutung „Schuld büßen“ ein passender Textsinn. 21 Vgl. Macintosh, der von einem „hortatory usage of ”הלךausgeht (Hosea, 216). 22 Impf. cons.; es kann von einer Haplographie des וausgegangen werden (vgl. Willi-Plein, Vorformen, 149f.; Jeremias, Hosea, 79; Vielhauer, Werden, 48). 23 LXX bietet εὑρήσομεν αὐτόν als Übersetzung von ;מוצאוsie kann mit BHQ, 60* auf eine Dittographie des נzurückgeführt werden. 24 Asyndetischer Relativsatz nach Vergleich (vgl. GK28 §155g). 25 Imp. Hif. von ירהII.
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Was soll ich tun in Bezug auf dich, Juda? Ja, eure Treue ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der früh vergeht. Darum habe ich ausgehauen mit den Propheten26, habe sie getötet mit den Worten meines Mundes, so dass mein Recht heraustritt wie Licht27; Ja, Treue gefällt mir und nicht Schlachtopfer und Erkenntnis Gottes statt28 Brandopfer! Aber sie, wie (in)29 Adam haben sie übertreten einen Bund, dort haben sie treulos gehandelt gegen mich. Gilead ist eine Stadt von Tätern von Unrecht, bespurt von Blut. Und wie das Warten30 von Räubern auf jemanden ist die Gemeinschaft von Priestern; am Weg nach Sichem töten sie;31 ja, eine Schandtat haben sie begangen. Im Haus Israel habe ich Abscheuliches32 gesehen, dort ist Unzucht in Bezug auf Efraim,
Gegen LXX und Peschitta, welche die Propheten als Objekt von V.5aα betrachten und die Präposition בunberücksichtigt lassen, zeigt die Parallelstellung zu V.5aβ, dass בנביאיםdas Werkzeug angibt ( בinstrumenti), mit dem die Tätigkeit des „Aushauens“ von JHWH vollzogen wurde (so bereits Rudolph, Hosea, 132; vgl. auch Willi-Plein, Vorformen, 150). 27 Die von MT gebotene Lesart wird angesichts der von LXX, S und T gebotenen Lesart ּומ ְׁש ָפ ִטי ָכאֹור ִ auf eine falsche Worttrennung zurückgeführt; vgl. BHQ, 60*: „This reading is […] preferred because it is identical with the consonantal text of M, and avoids the akward change of speaker implied in M`s word division“. 28 Vgl. GK28 §119w (privativer Gebrauch von )מן. 29 In der parallelen Formulierung zu V.7b ( )ׁשםerfordert V.7a die Präposition ( ְבmit Jeremias, Hosea, 89). Willi-Plein, Vorformen, 151 geht von einer Verlesung aus, in deren Rahmen ְכstatt ְבgelesen wurde, vgl. jedoch BHQ, 60*: „There is no evidence for the conjectural reading באדם (see BHK3, BHS), but it would be possible to understand the noun as a place name with the preposition בunderstood”. 30 LXX und die Peschitta gehen in ihrer Übersetzung von dem Substantiv כחaus, die Vulgata und Symmachus von ;חךsie scheinen Schwierigkeiten mit dem Verständnis der wohl als Inf. cs. Pi. (vgl. GK 28 §75aa) zu deutenden ungewöhnlichen (vgl. GK28 §23l) Form ( כחכיmit Vergleichspartikel )כ gehabt zu haben. BHQ, 60* hält es für möglich, dass das erste Wort von 4QpIsac „may be a purely orthographic variant of M, apart from the absence of the copula, but it may also be identical with the Vorlage of G, which misvocalized the second letter as if with “ֹו. 31 Im Anschluss an Freedman, Chain, 536 liegt ein Nomen rectum vor, welches vom Nomen regens durch ein Verb getrennt ist. 32 Es wird Qere ׁשערוריהgelesen.
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unrein macht sich Israel. Auch Juda, angesetzt33 ist eine Ernte für dich, in meinem Wenden der Wendung meines Volkes. Gemäß meinem Heilen in Bezug auf Israel,34 zeigt sich auch die Schuld Efraims und die Bosheit Samarias, ja, sie verüben Betrug, und ein Dieb kommt hinein, es plündert35 eine Räuberbande draußen. Aber sie bedenken36 nicht in ihren Herzen, dass ich all ihrer Bosheit gedenke, jetzt umgeben sie ihre Taten, vor meinem Angesicht sind sie. Mit ihrer Bosheit beglücken sie den König und mit ihren Lügen Beamte. Sie sind alle Ehebrechende, sie37 gleichen einem brennenden Ofen, dessen Bäcker das Schüren einstellt vom Kneten des Teigs bis zu seiner Durchsäuerung. Am Tag unseres38 Königs schwächen sie39 die Beamten mit der Glut von Wein, hingerissen40 hat seine Kraft41 Großspurige42.
LXX, Quinta und Vulgata übersetzen imperativisch, Symmachus mit Part. Pass.; beide Übersetzungsformen dienen offenbar dazu, den in MT vorliegenden Sprecherwechsel (lectio difficilior) durch eine Umvokalisation zu korrigieren. 34 Es wird der masoretischen Verseinteilung gefolgt und Hos 6,11b als Nachsatz zu 6,11a verstanden und 7,1aα1 ( )כרפאי ליׂשראלals Vordersatz zu 7,1aα2 ()ונגלה עון אפרים ורעות ׁשמרון כי פעלו ׁשקר, vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 205f. 35 Es liegt eine übertragene Bedeutung von „( פׁשטausziehen“) im Sinne von „überfallen, herfallen über (urspr. um z. plündern [vgl. Pi.]; s. dtsch. jdn. bis aufs Hemd ausziehen“ (Gesenius18, פׁשט, 1087) vor. 36 Wörtlich: „sagen“. 37 Da V.4b אפהals Subjekt verlangt und בערהals fem. Partizip in Bezug auf תנורzwar „grammatisch nicht unmöglich [ist]“ (Willi-Plein, Vorformen, 157), aber doch seltsam anmutet, wird mit Willi-Plein das מvon מאפהzum Vorangehenden gezogen, vgl. ebd.; die Wortabtrennung בער הם אפהstellt eine weitere Alternative dar (vgl. Vielhauer, Werden, 87). 38 MT wird als lectio difficilior beibehalten; T nimmt eine Angleichung an den Kontext (3.m.pl.) vor. 39 LXX, V, S und T betrachten ׂשריםals Subjekt zu ;החלוim Anschluss an Moenikes, Ablehnung, 186 und Vielhauer, Werden, 87 legt sich kontextuell jedoch die Deutung der ׂשריםals Objekt zu החלוnahe.
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Ja, sie haben herannahen lassen43, wie der Ofen ist ihr Herz in ihrer Hinterhältigkeit, die ganze Nacht schläft ihr Bäcker44, am Morgen ist er ein Brennender wie loderndes Feuer. Sie alle glühen wie der Ofen und verzehren ihre Richter, alle ihre Könige sind gefallen, keiner von ihnen ruft mich an. Efraim, unter die Völker mischt es sich, Efraim, geworden zu einem Brotfladen, der nicht gewendet wurde. Fremde verzehren seine Kraft, aber er erkennt es nicht, auch weißes Haar hat sich eingeschlichen bei ihm, aber er erkennt es nicht. Und es zeugt45 der Hochmut Israels in sein Angesicht, aber nicht sind sie umgekehrt zu JHWH, ihrem Gott und nicht gesucht haben sie ihn trotz alledem. Und Efraim wurde wie eine Taube, eine Einfältige,
Vgl. Gesenius18, מׁשך, 753. Wörtlich: „Hand“; als Subjekt wird ייןangenommen (vgl. Vielhauer, Werden, 87, Anm. 5d). 42 Mit Rudolph wird von einem verkürzten Part. Polel von ליץausgegangen (Rudolph, Hosea, 148). 43 Der von MT gebotene intransitive Pi. von ( קרבvgl. LXX, S) hat die Bedeutung „herannahen lassen, heranbringen“ (vgl. Gesenius18, קרב, 1188); Jeremias, Hosea, 90 vokalisiert das Verb im Qal und übersetzt „Ja, sie hatten sich genaht wie ein Ofen“; Macintosh, Hosea, 262f bietet eine transitive Übersetzung: „they have made ready their resolve like an oven“; vgl. V). 44 Es wird oftmals von einer Fehlvokalisierung von MT ()א ֵֹפ ֶהם ausgegangen. LXX bietet „Εφραιμ“ und ist daher nicht zu berücksichtigen. Im Anschluss an S und T wird stattdessen mehrheitlich mit „ihr Zorn“ oder „ihre Leidenschaft“ ()א ְפ ֶהם ַ übersetzt (vgl. Rudolph, Hosea, 148; Wolff, Hosea, 135; Jeremias, Hosea, 90; Willi-Plein, Vorformen, 158, Vielhauer, Werden, 88). Einen anderen Weg beschreitet Macintosh, der die masoretische Vokalisation beibehält und im Anschluss an Kimchi davon ausgeht, dass „the baker in the simile stands for the resolve/heart“ (Macintosh, Hosea, 263). Diese Aussageabsicht liegt nach Macintosh auch in Mi 2,1 vor, findet sich dort jedoch ohne einen Vergleich ausgedrückt (vgl. ebd.). Da in V.6a die „Sie“-Gruppe mit einem Ofen verglichen wird, könnte es sich bei dem Bäcker aus V.6b auch um den Anführer dieser Gruppe handeln, der deswegen im Rahmen der metaphorischen Sprache mit dem Bäcker identifiziert wird. Da auch in V.7a Menschen aufgrund ihrer politischen Intriganz im Rahmen eines Vergleichs als „heiß, glühend“ dargestellt werden, ist es denkbar, von einem ähnlichen Sprachgebrauch in V.6b auszugehen. 45 Wörtlich: „antworten“; LXX bietet stattdessen ταπεινωθήσεται (vgl. V, S, T) als Wiedergabe von ענהII. 41
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ohne Verstand, (nach) Ägypten riefen sie, nach Assur gingen sie. Wenn sie gehen breite ich aus über ihnen mein Netz, wie Vögel des Himmels hole ich sie herunter, ich züchtige46 sie gemäß dem Hören ihres Zeugnisses47. Wehe ihnen, weil sie flohen vor mir, Verderben ihnen, weil sie rebellieren gegen mich! Aber ich, ich wollte sie auslösen, aber sie sprechen über mich Lügen. Und nicht haben sie geschrien nach mir in ihren Herzen, wenn sie heulen auf ihren Lagerstätten, wegen Korn und Most sich ritzen48, sie weichen49 von mir. Aber ich, ich erzog, ich stärkte ihre Arme,50 aber gegen mich planen sie Böses. Sie kehren um, doch nicht zum Hohen51, sie sind wie ein52 tückischer Bogen,
MT wird von allen Versionen bestätigt (vgl. BHQ, 61*). Der Übersetzung wird die Bedeutung von עדה2 zugrunde gelegt; nach BHQ, 62* können die Lesarten von LXX und T eventuell auf eine Verwechslung von רעהmit עדהzurückgeführt werden. 48 Mehrheitlich wird mit 13 MSS und LXX (καὶ κατετέμνοντο) גדדstatt גרר gelesen und die Form ּגֹודדּו ְ יִ ְתvorausgesetzt (vgl. Rudolph, Hosea, 152; Wolff, Hosea, 136; Jeremias, Hosea, 91, Willi-Plein, Vorformen, 162); Macintosh, Hosea, 281 verweist auf die Möglichkeit, „that the verb גדדmay have constituted a variant or early translation of גררat a time when it was no longer unterstood“; BHQ, 62* hält es jedoch für wahrscheinlicher, „that a simple graphical error ( רtwice for )דunderlies M“. 49 MT (סור, „sie weichen“) ist wegen ביproblematisch, wird jedoch beibehalten; LXX „sie wurden gezüchtigt“ (ἐπαιδεύθησαν) geht von der Wurzel יסרaus und formuliert deswegen passivisch. 50 Eines der beiden Verben wird zumeist für eine spätere Zufügung gehalten. Während Jeremias (Hosea, 91) und Rudolph (Rudolph, Hosea, 152) vom zweiten Verb als Zufügung ausgehen, verweist Seifert (Metaphorisches Reden, 166) auf das Fehlen von יִ ַס ְר ִתיin der LXX und sieht darin einen Hinweis für die spätere Ergänzung dieses Verbs (vgl. Wolff, Hosea, 136; Willi-Plein, Vorformen, 162); anders Gisin, Hosea, 162, der für die Ursprünglichkeit beider Verben votiert und dem sich angeschlossen wird (vgl. auch BHQ, 62*). 51 Die Schwierigkeit mit dem Verständnis von MT bildet sich auch in den Varianten ab; LXX bietet εἰς οὐθέν, σʼ, εʼ und V „ut essent absque jugo“; mit Macintosh, Hosea, 285 wird in Betracht gezogen, dass es sich bei עלum „a noun denoting ‚what is above‘ […], i.e. the highest level of morality and behaviour“ handelt; עלals einen ursprünglichen Verweis auf Baal zu deuten (Jeremias, Hosea, 91) erscheint angesichts der politischen Ausrichtung von Hos 7 wenig überzeugend. 52 BHQ, 62* verweist auf die Verwendung des Artikels in 4QXII g als „only textually significant variant“. 47
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ihre Beamten fallen durch das Schwert wegen der Verwünschungen ihrer Zunge, dies bedeutet: ihr Stammeln im Land Ägypten. 2.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese Die Komposition Hos 5–7 kann in sieben Kompositionsabschnitte unterteilt werden (Hos 5,1f; 5,3–753.8–11.12–14; 5,15–6,6; 6,7– 7,12.13–16), deren Einheitlichkeit jedoch umstritten ist.54 Sie wird in Hos 5,1f mit einem von JHWH ergehenden dreigliedrigen Höraufruf (V.1a) eröffnet, der sich an die israelitischen Führungskreise richtet: an die Priester ( )הכהניםals die Repräsentanten des Kultes, an das Haus Israel ()בית יׂשראל, womit wohl die „Sippen- und Familienhäupter“55 als die Repräsentanten der Ältestenversammlung gemeint sind, sowie an das Haus des Königs ()בית המלך, das die politische Führung Israels repräsentiert.56 Diesen Führungskreisen kam die Verantwortung für und Aufsichtspflicht über das Volk zu, welches sie zugleich in seiner Gesamtheit repräsentierten.57 Die sechs nachfolgenden Kompositionsabschnitte schildern entsprechend der in Hos 5,1f Angesprochenen einerseits kultische (vgl. Hos 5,3–7; 5,15– 6,6), andererseits innen- und außenpolitische (vgl. Hos 5,8–11.12–14; 6,7–7,12.13–1658) Vergehen Israels und beziehen sich dabei auf die drei genannten Führungskreise zurück (vgl. Hos 6,9.10; 7,3–7).59 Untereinander werden diese literarisch uneinheitlichen Abschnitte u. a. durch die fortschreibende Wiederaufnahme von zentralen Reziprozitätsvorstellungen miteinander verbunden,60 so dass es einerseits zur Entstehung der Großkomposition Hos 5–7 kommt, andererseits die unterschiedlichen thematischen Perspektiven zu einer
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Vielhauer, Werden, 108f rechnet Hos 5,3f und Hos 5,6–7 unterschiedlichen Phasen einer kultkritischen Fortschreibungswelle zu; Hos 5,5 betrachtet er als Einzelzusatz (vgl. aaO, 78). 54 Vgl. u. a. die redaktionskritischen Überlegungen bei Vielhauer, Werden, 45ff. 55 Jeremias, Hosea, 74. 56 Im Anschluss an Vielhauer, Werden, 96 wird Hos 5,1f (in Verbindung mit Hos 1,2*) als ursprüngliche Einleitung des Hoseabuches betrachtet, wofür nicht zuletzt der „weiter[e] literarisch[e] Horizont“ von Hos 5,1f spricht. 57 Vgl. Nogalski, Hosea, 86. 58 Hos 7,14 zeichnet sich durch eine kultische Thematik aus. 59 Vielhauer, Werden, 79. 60 Vgl. Abschnitt 2.3.
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Gesamtperspektive der prophetischen Wahrnehmung Israels (und Judas) vor JHWH verbunden werden.61 Der erste Kompositionsabschnitt Hos 5,1f wird mit einem dreigliedrigen Höraufruf eröffnet, der mit Imperativen drei verschiedener Verbformen ausgedrückt wird: ( ׁשמעhören, gehorchen), ( קׁשבHif., hören, achtgeben, aufmerken) und ( אזןHif., hören, aufhorchen). Es handelt sich jedoch um Synonyme, die keine Steigerung ausdrücken.62 Auch lässt sich anhand der Reihenfolge der Angesprochenen weder eine Hierarchie noch eine bestimmte Aussageabsicht rekonstruieren. An den Höraufruf schließen sich zwei –כיSätze an (V.1aβ.bα). Während der erste כי-Satz ein Urteil ( )המׁשפטankündigt, erfolgt im zweiten כי-Satz die das Urteil begründende Nennung von Vergehen der in V.1a genannten Führungskreise Israels. Da מׁשפט ein umfassendes Bedeutungsspektrum aufweist, das sowohl „Recht, Lebensordnung“ als auch „Gericht, Urteil“ umfasst,63 zeigt erst die Nennung der Vergehen ab V.1bα, dass V.1aβ mit המׁשפטein Urteil meint, das den Angesprochenen gilt und nicht etwa das Recht, das ihnen anvertraut wurde.64 Die drei Säulen65 der israelitischen Gesellschaft werden daher als Angeklagte angesprochen,66 die unter demselben Urteil 61
Vgl. Jeremias, Hosea, 101 (zu Hos 7,16): „Hosea wechselt wieder nahtlos vom kultischen zum politischen Thema“. 62 So bereits Rudolph, Hosea, 118; dies wird bestätigt, wenn man Hos 5,1a (1. ׁשמע, 2. קׁשב, 3. )אזןmit Jes 28,23 (1. אזן, 2. ׁשמע, 3. קׁשב, 4. )ׁשמעund 42,23 (1. אזן, 2. קׁשב, 3. )ׁשמעvergleicht. 63 Vgl. Gesenius18, מׁשפט, 760f. 64 Im Anschluss an Rudolph, Hosea, 119; anders u. a. Jeremias, Hosea, 73f. 65 Exemplarisch sei auf Jeremias, Hosea, 74 verwiesen, der von den „führenden Stände[n]“ spricht. 66 Deutet man מׁשפטals Urteil, so erscheint JHWH in diesem Kontext zunächst als Richter; die Verwendung von „( מוסרUnterweisung, Korrektur“) in V.2b deutet die Konfrontation mit den Folgen der eigenen Taten in Form einer Begegnung mit JHWH an, der ihnen, personifiziert als מוסר, begegnet. Während Marböck, Art. Zucht, NBL Bd. III, 1227f., 1227 einerseits hervorhebt, dass „das hebr. mūsār (vom Verb yāsar ‘unterweisen’) […] ein personales Geschehen zw. Menschen bzw. zw. Gott und Mensch [meint], das sich in vielfältiger Form vollzieht. […] Jahwes gesamtes Handeln an Israel kann als göttliche Z. [sc. Zucht] und Erziehung betrachtet werden”, wird Hos 5,2 als Gerichtshandeln (Strafe) zur Züchtigung Israels angesehen; so auch Branson, Art. יסר, 694: „Nur 2mal ist mûsār in der Bedeutung ‘Bestrafung’ in Verbindung zu JHWH gesetzt, ohne daß eine Nebenbedeutung von Läuterung oder Erlösung belegt ist. In Hos 5, 2 kündigt JHWH an, das Haus Israel zu züchtigen und selbst zur vollständigen Bestrafung für sie zu werden”. Diesbezüglich ist zweierlei anzumerken: Erstens kommt in V.2 nicht der Aspekt der Vollständigkeit, sondern der Aspekt der Personifizierung zum Ausdruck. Zweitens, geht es angesichts der Personifizierung JHWHs als מוסרin Bezug auf die
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( )המׁשפטJHWHs stehen.67 Kontextuell wird dabei deutlich, dass mit der Erwähnung der Orte in Kombination mit Personifizierung der Führungskreise als Fallen menschlicher Jagd in V.1bf auf Verhaltensweisen angespielt wird, die als kultische Vergehen (vgl. Hos 5,3) gedeutet werden. Ihnen werden im Kontext von Hos 5,1–7 negative Konnotationen beigemessen.68 Der zweite Kompositionsabschnitt Hos 5,3–7 weitet in der in V.3 fortgesetzten Gottesrede die auf die Führungskreise Israels fokussierte Schuldperspektive von Hos 5,1f auf ganz Israel aus. Die Gottesrede geht in V.4–769 in eine Prophetenrede über.70 Von zentraler Bedeutung ist die „konzentrisch[e] Figur“71 von Hos 5,3f.72 In ihr wird die mit ׁשובausgedrückte Wendethematik in enge Relation zu der mit ידעausgedrückten Erkenntnisthematik und der mit זנה ausgedrückten Unzuchtsthematik gesetzt. Die ausbleibende Umkehr zu JHWHs steht dabei im Zentrum der konzentrischen Figur (V.4a) und wird in V.3b und V.4bα gerahmt von dem die ausbleibende Umkehr begründenden Hinweis auf die Unzucht Israels bzw. den Unzuchtsgeist, dem sich Israel stattdessen hingegeben hat. Die Angeklagten in erster Linie um eine Begegnung mit JHWH. Angesichts der Beobachtung, dass מוסרkontextuell mit vorhandenem Wissen JHWHs Israel/Efraim (V.3) und mit fehlendem Wissen Israels/Efraims um JHWH (V.4b) in Verbindung gebracht wird, zeigt sich eine starke weisheitliche Prägung. Zugleich eröffnet sich die Möglichkeit, V.2 als Ausdruck der Begegnung mit JHWH als personifizierter Unterweisung (V.2) zu verstehen. Diese soll zur Erkenntnis der eigenen Schuldhaftigkeit führen, die anhand der Vergehensschilderungen in den V.3f expliziert wird. So gesehen wendet sich JHWH gemäß V.2 Israel nicht als eine „vollständig[e] Bestrafung”, sondern als „persönliche Unterweisung/Korrektur” zu. 67 Anders Kratz, Prophetenstudien, 292, der (angesichts der Aussagen aus Hos 6,1–3) feststellt: „Weniger gottlos als in der Politik scheint das untergehende Israel im Kult gewesen zu sein“; geht man im Anschluss an seinen Schüler Vielhauer jedoch davon aus, dass Hos 5,1–2 (zusammen mit Hos 1,2*) die ursprüngliche Einleitung des Hoseabuches bildete, so muss berücksichtigt werden, dass die Priester in Hos 5,1 als die erste Partei genannt werden, die vor JHWH schuldig geworden ist. 68 Vgl. u. a. Vielhauer, Werden, 78, der jedoch zurecht darauf hinweist, dass Mizpa nicht eindeutig zu identifizieren ist, Schittim nur durch Konjektur gewonnen wird und der Tabor „im AT […] weder als politisches noch als kultisches Zentrum bezeugt [ist]“. Eine kultische Verortung der Vergehen ergibt sich daher erst ab V.3. 69 Während Jeremias, Hosea 4–7, 57 Hos 4,1–19 und Hos 5,1–7 als Parallelkompositionen betrachtet, ist Vielhauer, Werden, 121 zuzustimmen, dass „Hos 5,1–7* eher Bezüge nach 5,8ff erkennen [läßt] als nach 4,4–19*“. 70 Schütte, „Säet euch Gerechtigkeit“, 92, verweist bezüglich Hos 5,2ff. darauf, dass „die direkt Angesprochenen offenbar wieder aus der dialogischen Struktur herausgefallen [sind]“. 71 Jeremias, Hosea, 75. 72 Vgl. Abschnitt 2.2.1.
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ausbleibende JHWH-Kenntnis (V.4bβ) ist Folge dieses Verhaltens und zugleich das antithetische Pendant zu der vollständigen Kenntnis, die von Israel bei JHWH vorhanden ist (V.3a). Die Erkenntnisthematik (V.3a.4bβ) bildet daher den äußeren, die Unzuchtsthematik (V.3b.4bα) den inneren Rahmen um die Wendethematik (V.4a).73 Die V.5ff vertiefen diese Thematik und verorten sie im kultischen Bereich. Dabei steht V.5 in einem Zitatverhältnis mit Hos 7,10. Das Verhalten Israels wird dabei als „Hochmut“ ( )גאוןgedeutet und unter dem Begriff der „Schuld“ ()עון subsumiert, welche zu Israels und Judas Fallen geführt hat. Die Prophetenrede endet in V.6f mit der Ankündigung einer unmittelbar bevorstehenden (V.7: עתה, „jetzt“) Konfrontation Israels mit negativen Folgen, die sich aus der Abwendung von JHWH ergeben.74 Der imperativische Auftakt von V.8 leitet den dritten Kompositionsabschnitt (V.8–11) ein, bei dem es sich um eine Zusammenstellung von Einzelsprüchen handelt, die wohl Ereignisse des syrisch-ephraimitischen Konflikts von 734/33 v. Chr. reflektieren und dabei Israel und Juda noch als verfeindete Staaten porträtieren.75 Insbesondere dieser Abschnitt spricht dabei für die Annahme, dass die ältesten Texte der Hoseaüberlieferung in der Komposition Hos 5– 7 zu finden sind. Die kultische Thematik des zweiten Kompositionsabschnittes wird im dritten Kompositionsabschnitt um die politische Thematik als Schuldbereich Israels und Judas ergänzt. Während die Hinwendung zu einer anderen Größe in der Beschreibung des Verhaltens Israels als „Unzucht“ nur impliziert wird, wird diese im begründenden כי-Satz von V.11b explizit gemacht. Mit der Formulierung הלך אחריwird dabei auf die Vorstellung einer kultischen Prozession zurückgegriffen, diese jedoch auf den politischen Bereich übertragen, so dass es zu einer Verbindung beider Schuldbereiche auf der literarischen Ebene kommt. Deutlich wird, dass Israel sich durch die Hinwendung zu einer anderen Größe als JHWH selbst in den in V.11a beschriebenen Zustand gebracht hat. Der vierte Kompositionsabschnitt Hos 5,12–14 setzt mit einem antithetischen „( ואניIch aber…“) ein, das der in V.8ff beschriebenen 73
Vgl. ebd. Bons, Hosea, 83f deutet חדׁשals Neumond(fest): „Ihre Fruchtbarkeitskulte, für die hier das Neumondsfest steht, gewähren ihnen keine Sicherheit, sondern bringen das Unglück über sie“; im Anschluss an Eitan, HUCA 14, 1939, 2 liest Jeremias, Hosea, 73 „( ֵמ ַח ֵדׁשEroberer, Eindringling“) statt ח ֶֹדׁש: „Jetzt wird ihnen der Eroberer ihre Äcker vertilgen“. Rudolph, Hosea, 119 übersetzt: „Jetzt wird ein einziger Monat sie verschlingen zusammen mit ihren Erbanteilen“. 75 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 295. 74
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Abwendung von JHWH eine Zuwendung JHWHs zu Israel und Juda gegenüberstellt und dabei den dritten Kompositionsabschnitt theologisch reflektierend fortschreibt. Der Abschnitt blickt dabei „aus einigem zeitlichen Abstand“76 auf „die Bündnispolitik Israels, vielleicht de[n] Tribut Menachems und jedenfalls die proassyrische Politik des Königs Hosea“77 zurück: „Der erste Schlag, die Niederschlagung der syrisch-ephraimitischen Koalition, vielleicht auch der Untergang Israels 722 v.Chr., ist schon erfolgt, der zweite, der auch Juda treffen soll, steht kurz bevor“78. Die nun mit הלך beschriebene Hinwendung Israels nach Assur/Assyrien wird dabei als Abwendung von JHWH interpretiert, die zunächst dessen Zuwendung als Löwe nach sich zieht (vgl. Hos 5,14a). Sie resultiert in der ebenfalls gehend vollzogenen Abwendung JHWHs mit Israel als gerissener Beute (vgl. V.14b: )הלך. Untereinander verbunden sind die Aussagen von Hos 5,12–14 durch die betonte Verwendung von Personalpronomen (vgl. Hos 5,12a.13bα.14aα.bα), durch die JHWHs überlegene Macht mit der des assyrischen Großkönigs kontrastiert wird (vgl. Hos 5,14bβ). Hos 5,12–14 fand wiederum eine Fortschreibung im fünften Kompositionsabschnitt Hos 5,15–6,6.79 Die literarische Einheitlichkeit des Abschnitts ist umstritten.80 Die thematische Konzeption des Abschnitts zeigt jedoch, dass er sowohl Hos 5,8–11 als auch 5,12–14 bereits voraussetzt und über Stichwortaufnahmen eng mit diesem Abschnitt verbunden worden ist.81 So wird die eine Zu- bzw. Abwendung ausdrückende Gehthematik (vgl. Hos 5,11.13.14.15; 6,1.4), die Wende- und Heilungsthematik 76
AaO, 63. Ebd. 78 Ebd. 79 Mit Vielhauer, Werden, 61 kann in Betracht gezogen werden, dass es sich bei Hos 6,5 un einen „junge[n] Einzelzusatz“ handelt, „der auf das im Kontext für die Zukunft angekündigte Gericht bereits zurückblickt und mit dem heilvollen Hervorbrechen der Lebensordnung JHWHs eine nunmehr positive Zielbestimmung für das Gericht angibt“ (ebd.); das Hervorbrechen der Lebensordnung JHWHs wie Licht scheint von Hos 6,5a her jedoch negative Implikationen für Israel zu haben. 80 Mit Vielhauer, Werden, 61 kann Hos 5,12–6,6 als ein „schriftlicher Reflexionstext identifiziert [werden], der die Einzelsprüche in 5,8–11 neu interpretiert [und] als planvolle Fortschreibung zu Hos 5,8–14 anzusehen [ist], die 5,12–14 im Aufbau nachahmt und das vorgegebene politische Thema um das kultische ergänzt“. 81 Vgl. Kratz, Erkenntnis Gottes, 292; Jeremias, Hosea 4–7, 62 rechnet Hos 6,1–6 zum Kompositionsabschnitt Hos 5,8–6,6, Vielhauer, Werden, 226 sieht Hos 6,1–6 als Teil einer kultpolemischen Ergänzungsschicht an, zu der er Hos 4,1–2.4–10*.11–14*; 5,6–7; 5,15–6,6*; 7,13–16; 8,1–3*.11f; 9,3– 4a.6.7–9 rechnet. 77
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(vgl. Hos 5,12ff.15; 6,1) und die Erkenntnisthematik (vgl. Hos 5,3f; 6,1–3.6) in Hos 5,15–6,6 aktualisierend aufgegriffen und dabei im kultischen Kontext verortet. Im Rahmen von Hos 5,15 wird dabei einerseits der zuvor geschilderte tödliche Ausgang der Zuwendung JHWHs infolge der als Abwendung von JHWH gedeuteten Bündnisbemühungen Israels (vgl. Hos 5,14) relativiert. Andererseits ermöglicht der in V.15 formulierte zeitlich begrenzte Rückzug JHWHs von Israel (vgl. V.15) jetzt eine erneute, dieses Mal jedoch kultisch vollzogene Zuwendung Israels zu JHWH (vgl. Hos 6,1–3). Dieser Umkehrwille wird jedoch nur im Rahmen der Selbstaufforderung von Hos 6,1–3 bekundet, ohne dass der tatsächliche Vollzug dieser Umkehr geschildert wird. Hos 6,1–6 kann in zwei Unterabschnitte unterteilt werden (V.1–3.4– 6). Der erste Unterabschnitt (V.1–3) bringt im Rahmen der Selbstaufforderung einer pluralischen, menschlichen Größe82 deren Willen zum Ausdruck, zu JHWH umzukehren. Aus der Erkenntnis, dass der eigene Landesgott der Urheber einer von ihnen durchlebten Situation der Bedrängnis ist, entspringt die als Gewissheit formulierte Hoffnung, dass auch von JHWH die Rettung zu erwarten ist (V.2).83 Beide Verse greifen dabei in ihrer Argumentation Stichworte aus Hos 5,13ff. auf und bilden auf diese Weise eine kompositionelle Verbindung, die es ermöglicht, die in Hos 6,1ff angekündigte Rückkehr zu JHWH kultisch zu verorten. Die Hoffnung auf Rettung mündet dabei in V.3aα in eine erneute Selbstaufforderung, die auf der Erkenntnis der Zuverlässigkeit JHWHs beruht, die in V.3 mit der Zuverlässigkeit von Naturvorgängen verglichen wird. Ist das Ziel der ersten Selbstaufforderung die prinzipielle Umkehr zu JHWH (V.1aα), so hat die zweite Selbstaufforderung zum Ziel, dem Erkennen JHWHs „nachzujagen“ (רדף, V.3aα). Beide Selbstaufforderungen stellen Absichtsbekundungen dar, deren Realisierung textintern nicht geschildert wird.84 Dieser Unterabschnitt (Hos 6,1–3) wird dabei teilweise als Bußlied85 oder Volksklagelied86 bezeichnet. Mit Jeremias kann diese 82
Diese kann von V.4a her als eine sich aus Efraim und Juda zusammensetzende Größe bestimmt werden. 83 Hos 6,1–3 impliziert gegenüber Hos 5,13 einen Erkenntnisfortschritt seitens des menschlichen Konfliktpartners, der sich jedoch nicht durch die von JHWH geforderte und für eine zuverlässige Gemeinschaftstreue nötige Beständigkeit auszeichnet (vgl. Hos 6,4). 84 Die Selbstaufforderungen können performative Qualität haben, stellen jedoch noch keine äußerlich realisierte Wendung zu JHWH als einem anderen Subjekt dar, sondern sind „eine Art des ‚Sich-zu-sich-verhaltens‘“ (Schlette, Idee, 399). 85 Vgl. exemplarisch Wolff, Hosea, 137; Willi-Plein, Vorformen, 146; Rudolph, Hosea, 134.
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Bezeichnung jedoch hinterfragt werden. Er verweist darauf, dass die „für ein Buß- bzw. Volksklagelied am Fastentag […] konstitutiven Formelemente der Klage und der Bitte, gar nicht zu reden vom Schuldbekenntnis [fehlen]“87. Stattdessen geht er von einer Selbstaufforderung mit doppelter „Begründung und Zielangabe“88 aus, die „ihre engsten Parallelen im kollektiven Entschluß zur Wahllfahrt [findet]“89. Es handele sich bei diesen Versen nicht um „eine spontane Meinungsäußerung“90, sondern um „eine Gesamtdeutung der Möglichkeiten und Absichten des Volkes in der Terminologie des Propheten“91. Im Anschluss an Vielhauer sprechen dabei bereits „die zahlreichen Kontextbezüge“92 gegen die Deutung der Verse als Wiedergabe einer Rede des Volkes. Stattdessen kann vom Vorliegen einer „fiktiven Rede des Volkes“93 ausgegangen werden.94 Der zum Ausdruck gebrachte Umkehrwille wird im Rahmen der sich in Hos 6,4–6 anschließenden Gottesrede aufgrund der fehlenden Beständigkeit der Treue Israels abgelehnt. Zudem wird die Suche nach der Erkenntnis JHWHs nun endgültig vom Kult gelöst (vgl. Hos 6,6). Der zweite Unterabschnitt (V.4–6) stellt die Antwort und Reaktion JHWHs auf diesen geäußerten Umkehrwillen dar. Den konkreten Willensbekundungen der pluralischen Größe wird zu Beginn des zweiten Abschnitts die von JHWH einmal an Efraim und einmal an Juda gerichtete und parallel formulierte Frage „Was soll ich tun in Bezug auf dich?“ (V.4a) entgegengestellt. Schließt an die zweite Selbstaufforderung (V.3a) eine Schilderung der Zuverlässigkeit JHWHs an, auf der die Gewissheit der Rettung beruht, so schließt an diese doppelt gestellte Frage eine Schilderung 86
Vgl. exemplarisch Smend, Entstehung, 198. Jeremias, Hosea, 84. 88 Ebd. 89 Ebd. mit Verweis auf Jes 2,3.5; Mi 4,2; Jer 31,6; Ps 122,1; 95,1f; 1Sam 11,14; Sach 8,21; Hos 2,9; vgl. auch Tångberg, Mahnrede, 173–181. 90 Ebd. 91 Ebd. 92 Vielhauer, Werden, 53, Anm. 9. 93 AaO, 52. 94 Yee, Composition, 147 schreibt Hos 5,15–6,3 einem Redaktor „R2” zu und geht von einer exilischen Abfassung aus; Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 172 datiert Hos 5,15–6,3 in die (hellenistische) Spätzeit alttestamentlicher Theologiebildung; Vielhauer, Werden, 61 betrachtet Hos 5,12–6,6 als „schriftliche[n] Reflexionstext“, welcher im Rahmen von Hos 5,8–6,6 als Teil einer kultpolemischen Ergänzungsschicht zu der in Hos 5,8–14 vorliegenden Grundschicht formuliert worden sei (vgl. aaO, 62; 120); er datiert die Neubearbeitung in den „Zeitraum des assyrischen Vormarsches auf der syropalästinischen Landbrücke in den beiden letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts v.Chr.“ (aaO, 124). 87
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der mangelhaften Treue ( )חסדEfraims und Juda an, aus der kontextuell die Notwendigkeit der in der Vergangenheit bereits mehrfach erfolgten negative Zuwendungen JHWHs durch die Propheten abgeleitet wird (V.5: )על־כן. Zur Schilderung der unbeständigen Treue Efraims und Judas wird dabei ebenfalls auf Vergleiche mit Naturvorgängen zurückgegriffen (V.4b). Die Versteile V.3aβ–b korrespondieren mit V.4b. Der behauptete Umkehrwille wird daher in der ab V.4 einsetzenden Gottesrede mit der fehlenden Beständigkeit der Treue ( )חסדIsraels (und Judas, V.4a) kontrastiert und auf diese Weise widerlegt. Die Intention der in V.5 geschilderten Intervention JHWHs bestand daher darin, das Recht (מׁשפט, V.5b) hervortreten zu lassen ()יצא, auch wenn dies negative Folgen für das eigene Volk impliziert (V.5a).95 Unter Aufnahme von zwei zentralen Stichworten (חסד, V.4b und ידע, V.3a) beschreibt der formelhafte Lehrsatz von V.6 dabei unter Verwendung kultisch-priesterlich geprägter Terminologie, woran JHWH Gefallen hat ()חפץ, nämlich ( חסדGemeinschaftstreue) und ( דעת אלהיםGotteserkenntnis) und woran nicht: ( זבחOpfer) und עלה (Brandopfer).96 Könnte man erwarten, dass dieser Lehrsatz den Umkehrwilligen den Weg in eine erneute Gottesbegegnung weisen soll, so zeigt die Einleitung des dritten Abschnitts mit „Aber sie…“ ( )והמהin V.7a, dass V.6 vielmehr als eine Kontrastfolie für die nachfolgend geschilderten Vergehen dient. Durch die Aufnahme der beiden zentralen Begriffe „Erkennen“ (V.3) und „Treue“ (V.4) erweist sich Hos 6,6 somit als ein Brückenvers, der einerseits die Umkehrbemühungen Israels (V.1–3) im Kult verortet und abweist, der andererseits jedoch auch das gewünschte Ideal zur nachfolgend kontrastiv (vgl. V.7a: sie aber; )והמהgeschilderten Realität in Israel (V.7–11) formuliert.97 Aufgrund der Tatsache, dass „mit ]…[ והמהniemals ein neues Prophetenwort an[fängt]“98, wird der sechste Kompositionsabschnitt Hos 6,7–7,12 teilweise als die ursprüngliche Fortsetzung von Hos 5,1f betrachtet.99 Jeremias hingegen sieht Hos 6,7–7,16 durch „de[n] lockere[n] Anschluß […] mit ‚sie aber‘ […] unlöslich auf 6,6 95
Die von MT gebotene Lesart „dein Recht” ()מ ְׁש ָּפ ֶטיָך ִ kann beibehalten werden, wenn man voraussetzt, dass es JHWH ist, der Israel und Efraim sein Recht anvertraut hat und der es nun durch seine Intervention wieder zur Geltung bringt. 96 Vgl. Botterweck, Art., חפץ, 110: „In der prophetischen Kultkritik ist die Wohlgefälligkeits- und Annahmeformel durch lo’ ins Gegenteil verkehrt.“ 97 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 63. 98 Wolff, Hosea, 137f. 99 Vgl. Vielhauer, Werden, 226, der Hos 6,7–7,12* (ohne Hos 6,10b.11a.11a; 7,4.10) zur Grundschicht des Hoseabuches rechnet.
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bezogen“100. Während nach Vielhauer Hos 6,7–7,12 als Grundschicht des Hoseabuches anzusehen ist, die von Hos 1,2 ()דבר־יהוה בהוׁשע und Hos 5,1f eingeleitet wurde,101 erweist sich für den Abschnitt Hos 7,8–12 seines Erachtens V.10 „mit seinem Wechsel von Sprecher und Bezeichnung der Adressaten (‚Israel‘ statt ‚Ephraim‘ und JHWH in 3. Pers.) als Zusatz, der Aussagen aus Hos 5, insbesondere Hos 5,3– 7, bündelt (5,4.5.6.15) und mit dem wahrscheinlich ebenfalls sekundären Vers Hos 5,5 bei wörtlicher Identität des jeweiligen ersten Halbverses eine Art Kehrvers bildet, der an Am 4,6ff erinnert“102. Hos 7,8–12 kann dabei aufgrund seiner thematischen Konzeption als Bestandteil des größeren Kompositionsabschnittes Hos 6,7–7,12 betrachtet werden.103 Ob dabei Hos 7,3–7104 eine literarische Priorität vor Hos 7,8–12 zukommt oder beide Abschnitte demselben literarischen Stratum angehören, ist umstritten.105 Kontextuell zeigen sich beide Abschnitte durch Stichwortaufnahmen miteinander verbunden, so dass in der vorliegenden Gestalt die Hos 7,3–7 prägende Metaphorik, die mit Willi-Plein als „Bild des 100
Jeremias, Hosea 4–7, 63. Vgl. Vielhauer, Werden, 111. 102 AaO, 71. 103 Vgl. u. a. den Anschluss an Hos 7,3–7 durch die Aufnahme des prägenden Wortfeldes des „Backens“ durch die Fortführung der Metaphorik durch den Vergleich Israels mit einem Brotfladen in Hos 7,8; vgl. zudem Jeremias, Hosea 4–7, 63, nach dem der Kompositionsabschnitt bis Hos 7,16 reicht, jedoch V.13–16 als „abschließende Klage“ (ebd.) von den vorangehenden Versen abgrenzt. 104 Vgl. Jeremias, Hosea, 90; er geht bezüglich Hos 7,3–7 von einem vormals mündlichen Einzelwort aus, vgl. Jeremias, Hosea, 95. Da V.7b durch die Verwendung von כלeine Verbindung zu V.2a, durch die Verwendung von מלךeine Verbindung zu V.3 (die pluralische Verwendung von מלךwird auch in den V.4–7a nicht vorbereitet), und durch die Verwendung von נפלeine Verbindung zu V.5b „ משךziehen, schleppen, hinreißen“ herstellt, erscheint es denkbar, dass V.3 ursprünglich einmal mit V.5.7b fortgesetzt wurde. Diese Sicht wird auch dadurch unterstützt, dass die Verwendung von „( שפטיהםihre Richter“) im Text weder vorbereitet, noch aufgegriffen wird. Während V.5 die Parallelisierung von מלךund ׂשרים aus V.3 aufgreift, kann V.7b als zusammenfassende Feststellung über die Schilderungen der V.3.5 gelesen werden, die auch ohne V.4.6–7a Sinn ergibt. 105 So sieht Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 263 u. a. Hos 7,8b.11a als älteste Aussagen (Bildworte) des Hoseabuches an, in deren Rahmen Efraim im Nachgang seines Untergangs aus judäischer Sicht mit minderwertigen Größen verglichen werde. Diese Bildworte hätten dann in Hos 7,4b.5b.9.10a eine erste Kommentierung erfahren. Dabei setze Hos 7,10a bereits das Exil von 587 v. Chr. voraus; Vielhauer, Werden, 226 rechnet Hos 7,8–12 zu der Kompositionseinheit Hos 6,7–7,12 (ohne Hos 6,10b.11a.11b; Hos 7,4.10), welche die Grundschicht des Hoseabuches bilde, deren Abfassung zwischen 722–701 v. Chr. anzusetzen sei. 101
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Backofens“106 bezeichnet werden kann,107 von Hos 7,8ff geteilt wird.108 Der Kompositionsabschnitt Hos 6,7–7,12 greift dabei in Hos 7,1 die Heilungsthematik aus Hos 5,13; 6,1 auf, kehrt die Heilungshoffnung aus Hos 6,1 jedoch zugleich in ihr Gegenteil um: Während eine heilende Zuwendung stattfindet, resultiert diese in der Offenlegung weiterer Krankheitsherde, die jetzt – die Metaphorik von Hos 5,12– 14; 6,1–3 durchbrechend – als „Schuld“ und Bosheit“ bezeichnet werden (vgl. Hos 7,1). Der Kompositionsabschnitt wendet sich dabei den innenpolitischen (vgl. Hos 6,6–7,10.13f) und außenpolitischen (vgl. Hos 7,11f.16) Vergehen Israels zu, verschränkt diese Vergehen jedoch argumentativ mit der ausbleibenden kultischen Zuwendung zu JHWH (vgl. Hos 7,7.14). Diese findet ihr negatives Pendant in der unerwünschten politischen Hinwendung nach Ägypten (vgl. die Verwendung von קראin Hos 7,7.11). Bezeichnenderweise wird die Komposition durch die Feststellung einer ausbleibenden Rückkehr am Kompositionsbeginn (vgl. ׁשובin Hos 5,4) und am Kompositionsabschluss Hos 7,13–16 (vgl. ׁשובin Hos 7,16) gerahmt. Während dabei nach Hos 5,4 die Hinwendung zu JHWH im Land ausbleibt, schließt die Komposition mit den Worten בארץ מצריםund visualisiert Israel – repräsentiert über die eigene Beamtenschaft – nicht mehr länger im Land JHWHs, sondern im Land Ägypten (vgl. Hos 7,16).109
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Willi-Plein, Vorformen, 146. Das Wortfeld wird u. a. aus folgenden Begriffen gebildet: „ תנורOfen“, „ בערbrennen“, „ אפהBäcker“ (V.4a); „ עורschüren“, „ לושkneten“, בצק „Teig“, „ חמץDurchsäuerung“ (V.4b); „ תנורOfen“ (V.6a), בער „Brennender“, „ כאש להבהwie loderndes Feuer“ (V.6b); „ חמםglühen“, תנור „Ofen“, „ אכלverzehren“ (V.7a). 108 Vgl. u. a. die Verwendung von „ אכלverzehren“ in V.7a und V.9a. 109 Vgl. aaO, 101: „Sie fallen ‚im Land Ägypten‘. Das meint mehr als nur: dort, woher sie Hilfe erwarten (V. 11). Es meint zugleich: dort, woher Jahwe einst Israel erlöste, um es zu seinem Volk zu machen. Der von ihnen verwünschte Gott entzieht ihnen sein Heil total, mit dem gegenwärtigen auch das vergangene. So wird Gottes Heilsgeschichte mit Israel revoziert: zunächst noch nur an Israels Führern, in 8,13 und 9,3 auch an Israel als Ganzem“. Die „Revozierung“ stellt sich dabei als eine reziproke Reaktion JHWHs auf die Vergehen Israels dar. 107
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Kompositionsleitende Reziprozitätsvorstellungen
2.3.1 „Erkennen“ in Hos 5,3–7; 6,1–6 und 7,9 Hos 5,3–7 Die Erkenntnisthematik der V.3f ist eingebettet in den Abschnitt Hos 5,1–7110. Der Schärfe der Anklagen, die in den Personifizierungen der V.1b–2a Ausdruck gewinnt, entspricht die Personifizierung JHWHs als Züchtigung/Unterweisung/Korrektur ( )מוסרin V.2b.111 Das Ziel dieser pädagogischen Zuwendung ist stets eine Verhaltensänderung durch Erkenntnis/Einsicht.112 Kompositionell bereitet die weisheitliche Einflüsse zeigende Personifizierung JHWHs als מוסר („Züchtigung, Korrektur, Unterweisung“) in V.2 die Erkenntnisthematik von V.3f vor.113
110
Die literarische Einheitlichkeit des Abschnitts ist umstritten; während Neef, Heilstraditionen, 226 Hos 5,1–7 als Einheit betrachtet, sieht Vielhauer, Werden, 78 nur Hos 5,1–2 als Einheit an, die sekundär um V.3–7 ergänzt worden sei. V.5 wird von Vielhauer dabei als Einzelzusatz betrachtet (vgl. ebd.), Jeremias, Hosea 4–7, 60 deutet V.5 hingegen als Brückenvers zwischen V.3f und V.6, in dem Schüler Hoseas die Schuld Israels mit dem Stichwort „Hochmut“ deuten. Die inhaltlichen und terminologischen Parallelen zwischen Hos 5,6–7; 4,1–14 und 5,15–6,6 wertet Vielhauer dahingehend aus, dass er die Texte „demselben literarischen Stratum“ (Vielhauer, Werden, 78) zuordnet. Später als V.6–7 seien die V.3–4 ergänzt worden, die „mit dem Stichwort ‚Hurerei‘ ( )זנהeine neue Kategorie zur Bewertung des Kultes ein[führen], die an Hos 2,4ff erinnert (vgl. auch das Suffix 3.f.sg.)“ (ebd.). Die Einleitung Hos 5,1f habe ihre Fortsetzung ursprünglich in Hos 6,7–7,12 gefunden (vgl. aaO, 226). 111 Die Rede von einer מוסרfindet sich vor allem in weisheitlichen und prophetischen Texten. In der Spruchweisheit ist das Subjekt der מוסר zumeist ein Lehrer bzw. Vater, während das Objekt ein Schüler bzw. junger Mann ist. 112 Anders als Branson, Art. יסר, 694 ist meines Erachtens מוסרin Hos 5,2 nicht als „‚Bestrafung‘ in Verbindung zu JHWH gesetzt, ohne daß eine Nebenbedeutung von Läuterung oder Erlösung belegt ist“. 113 Als Form von מוסר, durch welche diese Korrektur eines Verhaltens erstrebt wird, kann eine verbale Belehrung, aber auch eine körperliche Züchtigung gewählt werden. Unabhängig von der gewählten Form der korrigierenden Zuwendung wird dabei durch מוסרstets ein für das Objekt lebensdienliches Ziel verfolgt bzw. dient die מוסרan sich stets der Lebensförderung durch Einsicht. Aus diesem Grund gilt ihre Ablehnung alttestamentlich als Zeichen eines Toren ( )אוילbzw. von Torheit ()אולת, die in einer unguten Entwicklung der Person und ihres Lebensweges resultiert. Während dabei in den weisheitlichen Schriften vor allem die Ermahnung zur Durchführung bzw. zur Annahme der מוסרim Vordergrund steht, wird in der prophetischen Literatur von JHWHs מוסרberichtet bzw. diese angekündigt, zumeist jedoch ihre beklagenswerte Ablehnung festgestellt.
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Wird JHWH in Hos 5,2b als מוסרbezeichnet, so wird damit seine intervenierende und ihrer Intention nach eine Korrektur anstrebende Zuwendung zu den Schuldiggewordenen ausgedrückt. Die Verwendung von אניbetont den Vorgang dabei als ein von JHWH ausgehendes Zuwendungsgeschehen. Wird er dabei nicht mit einem Lehrer oder einem Elternteil identifiziert, welches die מוסר durchführt, sondern mit der מוסרselbst, so wird er nicht nur als die Quelle der מוסר, sondern zugleich als ihr Inhalt identifiziert. Die zur Falle gewordenen Führungskreise, die auf falsche Pfade führen, werden in JHWHs Zuwendung zu ihnen mit JHWH als מוסר konfrontiert. Die eigentliche Erwartungshaltung JHWHs ist in den Negationen von V.4 impliziert: Umkehr (V.4aβ), Treue (V.4bα) und Gotteserkenntnis (V.4bβ). Dass JHWH als מוסרauf eine Erkenntnis bzw. Einsicht der Täter abzielt, wird kontextuell dadurch deutlich, dass im Anschluss an V.2b die Thematik der vorhandenen (V.3a) bzw. nicht vorhandenen (V.4b) Erkenntnis durch die Verwendung von ידעsowie die ausbleibende Umkehr zu JHWH (V.4a) durch die Verwendung von ׁשובthematisiert wird. Erkenntnis und Umkehr erscheinen als Verhaltensmodifikationen, die möglich gewesen wären, die jedoch nicht vollzogen wurden. JHWHs Zuwendung als מוסרstrebt seitens der Täter nicht mehr die genannten Verhaltensmodifikationen selbst an, sondern die Erkenntnis der eigenen Schuldhaftigkeit angesichts des Beharrens auf den eigenen Wegen. Die in V.1f einsetzende Zuwendung JHWHs zu Israel findet in V.3 ihre Fortsetzung, in dem durch die Verwendung von „Efraim“ zugleich deutlich gemacht wird, dass die in V.1a angesprochen Führungskreise ganz Israel in seiner Schuld vor JHWH repräsentieren. Die im Rahmen von V.3aα formulierte Feststellung der bei JHWH vorhandenen Kenntnis Efraims stellt dabei jedoch nicht nur eine Feststellung von Wissen um die in den V.1–2a geschilderten Vergehen, sondern zugleich eine Beziehungsaussage dar: Während von JHWH ausgesagt wird, dass er Efraim „kennt“ (vgl. Hos 5,3: )ידע, wird von Efraim/Israel ausgesagt, dass sie JHWH „nicht (aner)kennen“ (vgl. Hos 5,4: )לא ידע. Von JHWH wird ausgesagt, dass er weiß, mit wem er es zu tun hat und wem er sich als Unterweisung zuwendet. Zugleich wird mit der Verwendung von ידע in V.3aα die inhaltliche Bestimmung von מוסרin V.2b als „Zurechtweisung“ bestätigt. Der antithetische Parallelismus von V.3aβ (יׂשראל לא־נכחד ממני, „Israel ist nicht verborgen vor mir“) Das Objekt der göttlichen מוסרbzw. ihrer Ablehnung ist dabei zumeist ein Kollektiv (Israel) und keine Einzelperson.
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verstärkt die Aussage der Wahrnehmung durch die Negation von Verborgenheit. Bei JHWH ist somit Kenntnis von Efraim in Form vollständiger Wahrnehmung gegeben.114 Kontextuell macht der mit affirmativen der כיeingeleitete V.3b(–7) jedoch deutlich, dass dies in erster Linie die vollständige Wahrnehmung und Kenntnis der Vergehen Israels meint, von denen Israel nicht ablässt (vgl. V.4). V.3b dient dabei zusammen mit V.4.6 der Verortung dieser Vergehen im Kult.115 Als Grund der ausbleibenden Umkehr zu JHWH nennt der כי-Satz von V.4b einen „Unzuchtsgeist“ (vgl. Hos 4,12) in Israels Inneren/Mitte, der eine reziproke Kenntnis und Anerkennung JHWHs durch Israel verhindert.116 Die vollständige Wahrnehmung und Kenntnis (der Vergehen) Israels durch JHWH in V.3a bildet einen antithetischen Gegensatz zu der vollständigen Unkenntnis und fehlenden Anerkennung JHWHs durch Israel in V.4b, die konzentrisch aufeinander bezogen sind und ihre schriftliche Prägung beweisen.117 Dieser Vers bringt die Weigerung Israels zum Ausdruck, die wahrnehmende Zuwendung JHWHs reziprok zu erwidern. Als Folgen dieser ausbleibenden positiven Reaktionen Israels gegenüber JHWH schildern die V.5–7, dass Israel (und Juda) aufgrund ihrer Schuld ( )בעונםzu Fall kommen werden (V.5)118, sie JHWH im Kult nicht mehr finden werden, 119 da er sich nun dauerhaft von ihnen
114
Von JHWH gekannt und wahrgenommen zu werden, kann alttestamentlich dem Gottesfürchtigen Anlass zur Freude, zum Dank und zum Staunen sein (vgl. u. a. Jer 12,3; Hos 13,5; Nah 1,7), während es dem Frevler Anlass zur Furcht sein soll (vgl. u. a. Jes 37,28; Jer 18,23; 29,23; 48,30; Ez 11,5; Am 3,2), da auch seine Vergehen JHWH bekannt sind (vgl. u. a. Am 3,2; 5,12ff). 115 Vgl. Vielhauer, Werden, 78; vgl. zudem 2.3.2 in der vorliegenden Arbeit. 116 Vgl. 2.3.2; vgl. zudem Rattray/Milgrom, Art. קרב, 164: „Gottes Gegenwart in Israel war abhängig vom Gehorsam Israels, Israels Ungehorsam zog Gottes Rückzug oder seine Strafe nach sich (Ex 33,3); wenn er nicht inmitten Israels ist, dann befällt es das Böse (Dtn 31,17). Beide Sichtweisen ergänzen sich: Israels Gehorsam bewirkt Gottes Gegenwart, ohne die es nicht überleben kann“. Zum Verhältnis von Hos 4,12 zu Hos 5,4 vgl. die Abschnitte 2.3.2 und 4.1.3.5. 117 Im Anschluss an Jeremias, Hosea 4–7, 60. 118 Dem Vers kommt nach Jeremias, Hosea 4–7, 60 eine Brückenfunktion zwischen V.3f und V.6 zu, in dem Schüler Hoseas die Schuld Israels mit dem Stichwort „Hochmut“ deuten; Vielhauer, Werden, 78 betrachtet den Vers als Einzelzusatz. 119 Vgl. 2.3.2.
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abgewendet hat (V.6: חלץPerf.) und sie die Folgen ihrer eigenen kultischen Treulosigkeit zu tragen haben (V.7).120 Hos 6,1–6 Wie Hos 5,1–7 verortet Hos 6,1–6 die Erkenntnisthematik im israelitischen Kult.121 Während in Hos 5,3f(.6) jedoch die ausbleibende Rückkehr Israels zu JHWH im Kult konstatiert wird, ist die Erkenntnisthematik von Hos 6,3.6 mit Hos 6,1–6 in einen Abschnitt eingebunden, der diese Rückkehr im Rahmen einer Selbstaufforderung ankündigt. Hos 6,1 greift dabei einerseits die Bewegungsverben von Hos 5,13–15 auf (הלך, „gehen“; ׁשוב, „umkehren“) und kehrt die Abwendung JHWHs von Israel in die (von V.15 erhoffte) Zuwendung Israels zu JHWH. Andererseits nimmt der Vers neben der Angesichtsthematik aus V.15 (vgl. Hos 6,2; vgl. auch Hos 7,2) auch die zentralen Verben aus V.13 (רפא, „heilen“; vgl. ebenfalls Hos 7,1) und V.14 (טרף, „reißen“) auf und transformiert sie zu einer Hoffnung auf eine heilvollen Zuwendung JHWHs. Die kompositionellen Verbindungen dienen dabei dem Ausdruck der Reziprozität des Verhaltens JHWHs und Efraims/Judas. Dies zeigt sich in Hos 6,1aα durch die Aufnahme der zur Beschreibung des Verhaltens JHWHs in V.15aα verwendeten Lexeme הלךund ׁשוב. Während beide Lexeme in V.15aα dazu dienen, die Abkehr JHWHs von Efraim/Juda auszudrücken, bis (Konj. )עדdiese „büßen“ ()אׁשם122 und sein Angesicht suchen ()בקׁש123, formuliert V.1aα im Rahmen einer Selbstaufforderung die Bereitschaft, diese Bedingung zu erfüllen. V.1aβ bringt unter Stichwortaufnahme von „( טרףreißen“) aus V.14bα und von „( רפאheilen“) aus V.13bα die aus dieser Bereitschaft resultierende Gewissheit einer erneuten, jetzt aber heilvollen Zuwendung JHWHs (V.3b: )הלךzum Ausdruck. Dabei lassen sich drei Beobachtungen machen: 120
Deutet man im Anschluss an Bons, Hosea, 83f die Aussage von V.7b als eine Begehung des (vorexilischen) Neumondfests, mit dem kultisch verwerfliche (Fruchtbarkeits-)Riten verbunden werden, so kann dies als ein Indiz für die frühe Abfassung des Hoseabuches betrachtet werden. 121 Die Eindeutigkeit der kultischen Verortung der Rückkehr zu JHWH wird jedoch erst von Hos 6,6 hergestellt. 122 Kellermann, Art. אשם, 471. 123 Im Anschluss an Hartenstein, Angesicht, 69 wird dabei eine konkrete Not (vgl. Hos 5,15: צר, „Enge, Not“) vorausgesetzt und „JHWH ist die Instanz, deren Angesicht man sucht, um ‚vor‘ diesem Angesicht, also in unmittelbarer Nähe zu Gott, sein Anliegen vorzubringen […]. […] Es zeigt sich hier, daß NN בקש פניoffenbar als ein Terminus technicus der Hofsprache zu verstehen ist, der […] zugleich für die in Analogie zu einem Thronsaal vorgestellte Sphäre JHWHs Verwendung findet“.
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Erstens, dass Hos 6,1aβ sowohl den Vergleich JHWHs mit einer Krankheit für Efraim/Juda als auch den Vergleich JHWHs mit einem Löwen aus Hos 5,12ff124 voraussetzt. Zweitens, dass Hos 6,1aα als Reaktion auf die Aussage von Hos 5,13bα JHWH als Urheber einer Heilung identifiziert und zum Ausdruck dieser Gewissheit beide Vergleiche aus Hos 5,12ff. miteinander kombiniert.125 Und drittens, dass durch die Fortführung des Parallelismus in Hos 6,1b mit dem Lexem „( חבׁשbinden, verbinden“) die negativen Erfahrungshorizonte von JHWH als Krankheit (Hos 5,12), Löwe (Hos 5,14) und Feind126 (Hos 6,1b: נכה, „schlagen“) durch die Hoffnung auf die Erfahrung JHWH als heilenden Arztes ersetzt werden und diese Vorstellung zu einer Hos 5,12–6,2; 7,1 prägenden Kompositionslinie wird.127 Im Anschluss an Jeremias wird dabei davon ausgegangen, dass „die Zeitangabe (wie auch das Verbpaar ‚aufleben lassen‘ – ‚wieder aufrichten‘) ihren Ursprung in medizinischer Prognostik haben als Bezeichnung einer sehr schnellen Heilung“128. Mit der Aufnahme des Stichworts „( פנהAngesicht“, V.15aβ) in Hos 6,2b (vgl. Hos 7,2) finden die Stichwortbezüge zwischen Hos 5,12–15 und Hos 6,1–3 ihren Abschluss. V.2b formuliert dabei die Hoffnung, dass durch JHWHs heilvolle Zuwendung eine neue Existenz Efraims/Judas vor seinem Angesicht ( )לפניוermöglicht wird, d. h. aber eine Existenz, die sich durch einen uneingeschränkten Zugang zum Königsgott auszeichnet.129 Diese 124
Vgl. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 167, die Hos 5,12–14 als einheitlich ansieht. 125 Die daraus resultierende Spannung der Vorstellung JHWHs als „heilenden Löwen” (vgl. Hos 6,1ab) sowie die Relativierung des eigentlich tödlichen „Reißens“ (vgl. Hos 5,14ba; Hos 6,1ab) wurde offenbar nicht als solche empfunden bzw. im Rahmen der Relativierung in Kauf genommen. 126 Angesichts der formulierten Notwendigkeit des Verbindens, die in der Hoffnungsaussage von V.1b ausgedrückt wird, ist weniger an eine körperliche Züchtigung zu denken, wie sie in der Weisheitsliteratur von Lehrern und Eltern als ausübenden Subjekten geschildert wird (vgl. Spr 23,13f.; 17,10; 19,25), sondern eher an eine „Züchtigung mit schwerem Körperschaden“ (Conrad, Art. נכה, 452), wie sie von einer feindlich gesinnten Partei ausgeführt wird. Dabei betont Conrad, dass es „in allen Fällen, in denen JHWH direkt oder indirekt Subjekt von nkh ist, […] um definitive Vernichtung bzw. schwere Schädigung [geht], die schlagartig erfolgt, wobei hier die göttliche Übermacht und Überlegenheit besonders manifest wird“. 127 Im Anschluss an Vielhauer zeigt sich dabei, dass nicht nur Hos 5,15 (Werden, 60), sondern Hos 5,15–6,1 „der definitiven und umfassenden Gerichtsaussage von V.14 […] ihre Totalität und Endgültigkeit [nimmt]” (ebd.). 128 Jeremias, Hosea, 85. 129 Bezüglich der Verwendung von פנהin Hos 5,15; 6,2; 7,2 (vgl. auch Hos 2,4; 3,1; 5,5 7,10; 10,7.15; 11,2) vgl. Hartenstein, Angesicht, 270: „Hier ist
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Existenz coram Deo steht für die Hoffnung Efraims/Judas auf eine Wiederherstellung der kultisch realisierten Beziehung zwischen Efraim/Juda und JHWH. Sie resultiert in V.3aα in einer erneuten Selbstaufforderung. Im Anschluss an die prinzipielle Rückkehr zu JHWH (V.1a: ׁשוב+אל+ )יהוהsteht nun das Erkennen von JHWH (V.3a: ל+ידע+את+)יהוה, dem nachgejagt (רדף, V.3aα) werden soll, im Fokus der Willensbekundung Efraims/Judas (vgl. Hos 5,3f). Dabei kann רדףkontextuell betrachtet als Intensivierung von ׁשוב angesehen werden, da es über die prinzipielle Zuwendung hinaus ein konzentriertes Streben nach der Erkenntnis JHWHs zum Ausdruck bringt. Doch statt auf die Geschichte als den Handlungsraum zu rekurrieren, in dem sich JHWH Israel zugewandt und als sein Gott offenbart hat, wird der Blick Naturvorgängen zugewandt, um im Rahmen von drei Vergleichen der vorhandenen Erkenntnis JHWHs bzw. seines zuverlässigen Wesens Ausdruck zu verleihen (V.3aβ–b). Im Rahmen des ersten Vergleichs wird „Gottes heilvolles Handeln so sicher wie de[r] neu[e] Tag nach der Nacht erwartet“130. Während Jeremias zur Interpretation des Versteils auf alte Siegeslieder Israels rekurriert, in denen „Gottes Kommen zur Hilfe als ein ‚Aufbrechen vom Wohnort‘ [beschrieben wird]“131, bezieht Macintosh מוצאauf den Aufgang der Sonne:132 „His [sc. JHWHs] appearance will be as bright and clear as the dramatic sunrise of Israel/Palestine“133. Aufgrund der im Rahmen von V.3 geäußerten Vergleiche mit Naturvorgängen erscheint der Vorschlag von Macintosh naheliegender.134 Mit Rudolph kann dabei in Betracht gezogen werden, dass zudem eine Anspielung auf ( מקומיmein Ort/meine das ‚Suchen des Angesichts‘ JHWHs als die wahre Suche nach erneutem Gotteskontakt aus der Erfahrung der Verborgenheit Gottes heraus verstanden. Heiligtumsbegrifflichkeit ist mitzuhören, aber in negativer Bezugnahme: JHWH zieht sich von allen Symbolen seiner Gegenwart zurück an seinen, gerade nicht näher bestimmten hintergründigen ‚Ort‘, damit Israel zu ihm zurückfindet. Doch die in Hos 6,1–3 stilisierte Antwort des Volkes bleibt uneindeutig. Die Möglichkeit eines erneuten Lebens ‚vor‘ (dem Angesicht) JHWH(s) (Hos 6,2) wird zu selbstverständlich erwartet. Gottes Antwort in Hos 6,5f. ist denn auch voll bitterer Härte: Der schnell verwehenden Hingabe des Volkes ‚wie Morgengewölk‘ (V.4) steht sein ‚Dreinschlagen‘ durch Propheten entgegen, den Werkzeugen seines tötenden Wortes (V.5f.)“. 130 Jeremias, Hosea, 86. 131 Ebd.; Jeremias verweist auf Ri 4,14; 5,4; 2Sam 5,24; Ps 68,8. 132 Vgl. Macintosh, Hosea, 225; Macintosh verweist auf Ps 19,7; Gen 19,23 und Neh 4,15. 133 AaO, 226. 134 Vgl. zudem Janowski, JHWH und der Sonnengott und ders., Rettungsgewissheit.
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Stätte) aus Hos 5,15 vorliegt und somit in V.3aβ das Ende der Zurückgezogenheit JHWHs erwartet wird.135 Eine weitere Verbindung zwischen Hos 6,3 und Hos 5,15 hat Jeremias benannt, der darauf hinweist, dass „der Ausdruck für ‚Morgenlicht‘ […] im Hebräischen wortgleich [ist] mit dem Verb ‚verlangen nach‘, das in 5,15 die Erwartung Gottes umschrieb“136. Deutlich wird, dass die erneute Zuwendung JHWHs zu Efraim/Juda von diesen mit Gewissheit erwartet wird. Dieser Gewissheit verleihen auch die beiden Vergleiche in V.3b Ausdruck, in denen JHWHs Kommen ( )בואzu Efraim/Juda mit dem Regen ( )גׁשםund Spätregen ( )מלקוׁשverglichen wird, der das Land tränkt. Wie Rudolph aufgezeigt hat, verdeutlicht dabei die Nennung des Spätregens, „daß auch bei dem Regenbild der Gedanke an das bestimmte Eintreten der Regenzeiten mitschwingt“137, der Relativsatz jedoch zeige, „daß hier stärker die wohltätige Wirkung des Regens im Vordergrund steht“138. Das in den Selbstaufforderungen zum Ausdruck kommende Verlangen nach JHWH weckt die Hoffnung auf eine reziproke und segensreiche Zuwendung JHWHs. Hätte Israel/Juda dem in Hos 6,3aβ beschriebenen JHWH dauerhaft Gemeinschaftstreue erwiesen, so wäre die Beziehung wiederhergestellt gewesen. Denn es wird im Rahmen der Gottesrede nicht geleugnet, dass JHWH so beständig ist wie es V.3 schildert. Vielmehr wird beklagt, dass Israel sich nicht durch dieselbe Verlässlichkeit gegenüber JHWH auszeichnet (vgl. Hos 6,4b). Demnach ist nicht eine baalisierte JHWH-Erkenntnis eines kanaanisierten Israels,139 wohl aber die fehlende Beständigkeit und das Ausbleiben der Erwiderung der Gemeinschaftstreue Israels/Judas gegenüber JHWH die Ursache der negativen Intervention JHWHs in Hos 6,5. Mit Rudolph ist Israels/Judas einziges Versäumnis die fehlende Beständigkeit ihrer Gemeinschaftstreue gegenüber JHWH im Rahmen der Geschichte – dieses Versäumnis ist aber zugleich das schwerwiegendste Vergehen gegen JHWH, wie die Beweisführung von Hos 6,7–11 durch den Hinweis auf Fallbeispiele der Geschichte zeigt: Statt einer gemeinsamen, von JHWH ermöglichten Heilsgeschichte, trennt Israel von JHWH eine bis in die (textinterne) Gegenwart reichende Schuldgeschichte.
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Vgl. Rudolph, Hosea, 137; vgl. zudem Hartenstein, Angesicht, 270. Jeremias, Hosea, 86. Rudolph, Hosea, 137. Ebd. Vgl. Jeremias, Hosea, 86.
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Die ab V.4 einsetzende Gottesrede (V.4–6)140 beginnt mit einer Frage, die an Efraim (Hos 6,4aα) und auch an Juda (Hos 6,4aβ) gerichtet wird: „Was soll/kann ich tun in Bezug auf/für ( )לdich?“141 (Hos 6,4a). Diese Frage wird im Alten Testament zumeist von Menschen gestellt. Dies kann im Rahmen von Verhandlungen geschehen,142 meistens wird sie jedoch gestellt, um fürsorgliche Anteilnahme,143 aber auch um Ratlosigkeit144 auszudrücken. Auch in Hos 6,4 ist die Frage „Was soll ich bezüglich dir tun?“ von anteilnehmender Ratlosigkeit145 angesichts der grundsätzlich unbeständigen Gemeinschaftstreue ( )חסדEfraims/Judas geprägt. Die Gemeinschaftstreue Efraims/Judas wird dabei ebenfalls unter Rückgriff auf Vergleiche mit Naturvorgängen beschrieben und wird zu der Beschreibung der Verlässlichkeit JHWHs in V.3 ins Verhältnis gesetzt.146 Die Aussageintention ist eindeutig: Mag JHWH auch so verlässlich sein, wie es die Rede des Volkes in Hos 6,3 beschreibt, ändert dies doch nichts daran, dass eine Gemeinschaft von JHWH und Efraim/Juda nur auf der Basis einer wechselseitigen Gemeinschaftstreue denkbar wäre. Da jedoch das einzig Beständige 140
Rudnig-Zelt weist Hos 6,4b der sog. priesterkritischen Konglomeratschicht zu (vgl. Hoseastudien, 276) und V.5f den sog. AbfallUmkehr-Texten (vgl. aaO, 278); insgesamt könne Hos 6,4–7 „frühestens aus der Exilszeit stammen” (aaO, 43); Vielhauer betrachtet Hos 5,15–6,6 „als planvolle Fortschreibung zu 5,8–14 […], die 5,12–14 im Aufbau nachahmt und das vorgegebene politische Thema um das kultische ergänzt“ (Werden, 61). Ein junger Einzelzusatz liegt nach Vielhauer in Hos 6,5 vor, da dieser „auf das im Kontext für die Zukunft angekündigte Gericht bereits zurückblickt und mit dem heilvollen Hervorbrechen der Lebensordnung JHWHs eine nunmehr positive Zielbestimmung für das Gericht angibt“ (aaO, 61f.). Hos 6,6.7ff wird von ihm dabei als „literarische Nahtstelle“ und „Scharnier“ (aaO, 96) betrachtet, über welches Hos 4,1–3 „älteres und redaktionelles Material sekundär zusammen[bindet]“ (ebd.). Hos 5,15–6,4.6 sei dabei Bestandteil eines Hos 4,1–2; 5,15–6,4.6; 9,3–4a.6.7–9 umfassenden Textstratums, „das sich in kritischer Weise mit Israels Kult auseinandersetzt“ (aaO, 108); Hos 6,4–6 sei daher Bestandteil der Hos 5,15– 6,6 umfassenden „kultkritischen Ergänzungsschicht“ (aaO, 93) in Hos 5,8– 6,6. 141 Vgl. Gen 27,37; 31,43; Ex 17,3; 33,5; 1Sam 10,2; 28,15; 2Sam 21,3; 2Kön 2,9; 4,2. 142 Vgl. Gen 31,43; 2Sam 21,3. 143 Vgl. 1Sam 10,2; 2Kön 2,9; 4,2. 144 Vgl. Gen 27,37; Ex 17,4; 1Sam 28,15. 145 So auch u. a. Vielhauer, Werden, 53; vgl. Gen 27,37. 146 So auch Rudolph, Hosea, 139: „Die Bilder, die Hosea für die Unbeständigkeit gebraucht, waren jedem Palästiner geläufig: der starke Tau, der im Sommer den Regen ersetzt, aber von den Strahlen der Morgensonne rasch aufgesogen wird, und die vom verdampfenden Tau gebildeten Morgenwolken oder auch die Bodennebel, die schon im Lauf des frühen Vormittags verschwinden.”
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an der Gemeinschaftstreue Efraims/Juda ihre Unbeständigkeit ist (vgl. Hos 6,4b), hat JHWH diese andauernde Unbeständigkeit bereits in der Vergangenheit (vgl. חצבPerf.) zum Anlass ( )על־כןeiner Intervention genommen (Hos 6,5). V.5 zeigt durch die Verwendung von Perfektformen, dass JHWH gegen „sie“147 bereits vorgegangen ist. Wie zudem die Rede von „Propheten“ im Plural zeigt, blickt V.5 dabei offenbar nicht auf einen einzelnen Zeitpunkt, sondern auf einen längeren Zeitraum zurück, in dem JHWH immer wieder durch die Propheten ( )בנביאיםinterveniert hat.148 Die „prophetenfreundliche“149 Sicht von V.5 zeigt sich dabei daran, dass die Propheten als das Werkzeug bezeichnet werden, mit dem bzw. durch das ( בinstrumenti) JHWH „ausgehauen“ ()חצב150 hat 147
Zur Identifizierung der pluralischen Größe „sie“ aus V.5 kommen, wie mir scheint, drei Möglichkeiten in Betracht: Mit „sie“ kann das textinterne Efraim/Juda gemeint sein und bringt – in Kombination mit den Perfektformen von חצבund – הרגeine zeitliche (und innere) Distanz zum Geschilderten zum Ausdruck; „sie“ bezieht sich auf eine Gruppe innerhalbt Efraims/Judas (die Priesterschaft?, vgl. Hos 6,9) oder aber auf die „Vorfahren der jetzigen Generation“ (Rudolph, Hosea, 139). Da die Priesterschaft jedoch erst in V.9 erwähnt wird und auch kein anderes Subjekt in den Text eingeführt wird (vgl. Hos 9,10), scheint die erste Variante die wahrscheinlichste zu sein. 148 Indem Hos 6,5a die Propheten als Werkzeug JHWHs präsentiert, durch welches er seinem Recht Geltung verschafft, tritt die Opposition zwischen Propheten- und Priestertum in großer Deutlichkeit hervor (vgl. Hos 6,6; 9f.). Nach Vielhauer handelt es sich bei Hos 6,5 um einen jungen Einzelzusatz, da der Vers bereits auf das angekündigte Gericht zurückblicke (vgl. Werden, 61f). 149 Vgl. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 149; Hartenstein, Angesicht, 270. 150 Das Lexem חצבfindet im Alten Testament insgesamt fünfundzwanzig mal Verwendung. Mit menschlichem Subjekt wird mit dem Lexem zumeist eine Bearbeitung von Steinen ausgedrückt, sei es die Tätigkeit des „Aushauens” im Rahmen des Anlegens von Brunnen und Zisternen, sei es die Tätigkeit des „Heraushauens“ im Rahmen der Tätigkeit des Steinebrechens bzw. der Erzgewinnung (vgl. Schunck, Art. חצב, 135). Nach Schunck werde das Verbum in der vorexilischen Prophetie jedoch auch in der Bedeutung „niederhauen“ bzw. „dreinhauen“ verwendet und bezeichne dann „JHWHs Gerichtshandeln durch die Propheten“ (aaO, 136). Eventuell setzt auch V.5b diese Metaphorik voraus; dann könnte sich die Bedeutung von V.5b aus der Tätigkeit des Tunnelbaus ergeben und das Licht bezeichnen, welches sichtbar wird, wenn die Tätigkeit des „Aushauens“ abgeschlossen ist. Dies muss jedoch eine Vermutung bleiben, da mit חצבim Alten Testament nur das Aushauen von Hohlräumen, nicht aber von Tunneln beschrieben wird. Mehrheitlich wird daher die Sicht vertreten, dass die Formulierung von V.5b einen Vergleich mit dem Aufstrahlen bzw. Aufleuchten der Sonne impliziert (vgl. u. a. Wolff, Hosea, 152; Rudolph, 139; Bons, Hosea, 92); Vielhauer, Werden, 54, Anm. 11 verweist bezüglich „ משפטals Rechts- und Lebensordnung (der Sonnengottheit) in Verbindung mit der Lichtmetapher“ auf Jes 42,4; 51,4f und Zef 3,5; zur
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(V.5aα). Der Vers sieht die Propheten in enger, positiver Relation zu JHWH (vgl. Hos 9,7ff) und legitimiert ihre Botschaften zugleich als die Worte JHWHs, durch welche dieser Efraim/Juda in der Geschichte immer wieder – und bis in die textinterne Gegenwart hinein – seinen Willen mitgeteilt hat. Dabei steht V.5a (aushauen, töten) in einem kontrastiven Dialog mit V.1f und der dort geäußerten Hoffnung (heilen, verbinden, zum Leben zurückbringen, aufrichten, leben vor seinem Angesicht). Die Argumentationsstruktur von Hos 6,1–6 macht jedoch deutlich, dass nur diejenigen Hoffnung auf Gemeinschaft mit JHWH haben dürfen, die sich durch eine verlässliche Gemeinschaftstreue auszeichnen. Da dies auf Efraim/Juda nicht zutrifft (V.4b), ist ihre gegenwärtige Hoffnung (V.1f) grundlos und wird stattdessen in V.5 mit der tödlichen Wirkung der Worte JHWHs konfrontiert, die diese – als Worte der Propheten, nicht als priesterliche Weisungen! – in der Geschichte bereits unter Beweis gestellt haben. Der geschichtliche Rückblick von V.5 dient zusammen mit der erneuten Willensbekundung JHWHs in V.6 der mahnenden151 Belehrung in der textinternen Gegenwart.152 Dabei ist es nicht angemessen, für den vorexilischen prophetischen Sprachgebrauch mit „niederhauen“ bzw. „dreinhauen“ andere Bedeutungsaspekte für חצבanzunehmen.153 Es geht in Hos 6,5aα nicht um ein unfokussiertes „Dreinhauen“ JHWHs durch die Propheten, sondern darum, dass diejenigen, deren Verhalten durch einen Mangel an wechselseitiger Gemeinschaftstreue gekennzeichnet ist, wie Steine aus einem Fels bzw. aus dem Volk ausgehauen werden.154 Indem V.5aβ das Lexem „( הרגtöten“, V.5aβ)155 mit Solarisierungsthematik vgl. u. a. Arneth, Sonne; Janowski, Rettungsgewißheit sowie ders., JHWH und der Sonnengott. 151 Vgl. Rudolph, Hosea, 140. 152 Hos 6,5 wird dabei teilweise als sekundäre Ergänzung betrachtet, vgl. Vielhauer, Werden, 61f, der den Vers als einen „jungen Einzelzusatz“ betrachtet, „der auf das im Kontext für die Zukunft angekündigte Gericht bereits zurückblickt und mit dem heilvollen Hervorbrechen der Lebensordnung JHWHs eine nunmehr positive Zielbestimmung für das Gericht angibt“. Diese positive Deutung des Verses wird nicht geteilt; JHWHs Hervortretenlassen des Rechts wie Licht (V.5b) dient dessen Wiederherstellung auch gegen den Widerstand Israel (vgl. V.5a: )על־כן. 153 Vgl. aaO, 135. 154 Vgl. Jes 51,1, wo dies als ein (positiver) Vorgang geschildert wird; vgl. zudem die im Dtn verwendete Formel „du sollte das Böse aus deiner Mitte ( )מקרבךausrotten” (Dtn 13,6; 17,7; 19,19; 21,21; 22,21.24; 24,7). Im Rahmen dieser Formel steht die Ausrottung des Bösen für die Entfernung von Sünden aus der Gemeinschaft, die als Krankheitsherde im Körper derselben imaginiert werden (vgl. Rattray/Milgrom, Art. קרב, 164). In Hos 6,5 liegt die gleiche Aussageintention der Beseitigung von Elementen vor,
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JHWH als Subjekt verwendet wird, drückt der Halbvers im Rahmen des Parallelismus eine vergleichbare Aussage aus, greift dafür jedoch auf ein anderes Sprachbild zurück. In V.5aβ erscheint JHWH nicht mehr als Steinmetz bzw. Steinbrucharbeiter, sondern als Kriegsherr, der „seinem eigenen Volk entgegen[tritt], da es ihm durch ständigen Ungehorsam und Abfall zum Feind und Widersacher geworden ist“156. Die Metaphorik von V.5 bringt zum Ausdruck, dass JHWH nicht als Arzt (vgl. Hos 6,1f), sondern als Steinmetz und Kriegsherr der Rechtsordnung zum Durchbruch verhilft bzw. diese Hervortreten ( )יצאlässt.157 Die Propheten und ihre Botschaft werden dabei als JHWHs „Werkzeug“ (V.5aα) und seine Worte als „Kriegswaffe“ (V.5aβ) identifiziert. Die Intention dieser Intervention thematisiert V.5b. Im Rahmen der Gottesrede wird dabei mit dem Licht-Vergleich ( )אורvon V.5b erneut auf ein Naturphänomen rekurriert. In diesem Sinn ist Wolff zuzustimmen, dass „der Vergleich mit dem hervorbrechenden (Sonnen-)‚Licht‘ […] die Überlegenheit und Beständigkeit dieses מׁשפטgegenüber dem flüchtigen Nebel des חסד Israels [bezeichnet]“158. Damit ist der Anspruch JHWHs an eine Gemeinschaftstreue Efraims/Judas diesen so deutlich vor Augen gestellt,159 „daß sich niemand entschuldigen kann, er habe nichts davon gewußt“160. V.5 steht dabei nicht nur in einem konstrativen Dialog mit V.1f, sondern impliziert zugleich die Antwort auf die Fragen aus V.4a. V.6 formuliert im Anschluss unter Aufnahme von priesterlicher Kultterminologie,161 woran JHWH „Gefallen“ ()חפץ162 hat und woran
die die Beziehung zwischen Israel und JHWH stören, sie wird jedoch durch ein anderes Sprachbild, der Tätigkeit des Steineaushauens, ausgedrückt. 155 Das Lexem הרגkommt 172-mal im Alten Testament vor und bezeichnet (bis auf Jes 22,13) die Tötung von Menschen durch Menschen. Das Bedeutungsspektrum des Lexems „spiegelt sich in Aussagen, in denen JHWH als Subjekt auftritt: er bestraft Verbrechen, er ist ein Kriegsheld, der äußere und innere Feinde vernichtet, er tötet persönliche Widersacher“ (Fuhs, Art. הרג, 492). In Hos 6,5 sind diejenigen „Widersacher“ JHWHs, die sich nicht durch Gemeinschsaftstreue auszeichnen (vgl. die durch על־כן ausgedrückte Begründungsstruktur). 156 AaO, 493. 157 Vgl. Wolff, nach dem “die prophetische Gerichtspredigt und damit JHWHs Kampf gegen Israel mit der Absicht seines durchbrechenden משפט ein Heilsziel im Sinn hat” (Hosea, 152f); dabei beschreibt der Imperfekt von „ יצאdie beabsichtigte Folge” (aaO, 152). 158 Ebd. 159 Vgl. Bons, Hosea, 92. 160 Rudolph, Hosea, 139. 161 Vgl. Jeremias, Hosea, 88: „‚Gefallen haben an’ (ḥpṣ) mit Gott als Subjekt bezeichnet von Haus aus die Annahme (bzw. negiert die
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nicht. Die Grundlage, auf der eine erneute Gemeinschaft Efraims/Judas mit JHWH möglich wäre, besteht dabei nach V.6 nicht aus einem, unter den Stichworten ( זבחOpfer) und ( עלהBrandopfern) subsumierten Opferkult, sondern aus Gemeinschaftstreue ( )חסדund Erkenntnis Gottes ()דעת אלהים. Der Vers rekurriert dabei mit der Verwendung von ( חסדV.6a, „Wohlwollen, Gemeinschaftstreue“) und ( דעת אלהיםV.6b, „Erkenntnis Gottes“) auf zwei zentrale Stichworte bzw. Formulierungen aus Hos 6,3f (vgl. V.3aα: ;דעת את־יהוהV.4bα: )חסד. Mit seinem Grundsatzurteil163 stellt er den Auftakt der prophetischen Kritik an Opferkult und Priesterschaft in Hos 6 dar.164 Die „Doppelbödigkeit“ des Textes zeigt sich dabei darin, dass in V.6 Efraim/Juda sowie die Lesenden selbst mit dem Prophetenwort konfrontiert werden, das in V.5 als das Werkzeug bzw. Kriegsgerät JHWHs präsentiert wurde, mit dem er seine Rechtsordnung gegen Widerstand – auch den Widerstand Efraims und Judas – durchsetzt. Kontrastiert werden zwei unterschiedliche Wege der Vermittlung wahrer Erkenntnis JHWHs: die priesterlich-kultische Vermittlung, der textintern jede Autorität abgesprochen wird, und die prophetische Vermittlung, deren Selbstverständnis in V.5 zum Ausdruck kommt. Kratz ist dabei in seiner Annahme zuzustimmen, dass in Hos 5,15– 6,6 ein Fortschritt in der Gotteserkenntnis gegenüber Hos 5,8–14 erkennbar wird: Hos 5,15–6,6 ergänzt „das in Hos 5,8–14 exponierte politische Thema […] um das kultische […]. Demzufolge entspricht die Instrumentalisierung des JHWH-Kultes in der assyrischen Bedrohung der Bündnis- und Königspolitik und läßt den Kult ebenso wie die Außen- und Innenpolitik als Abkehr von JHWH erscheinen“165.
Verwerfung) eines Opfers oder eines Verhaltens durch Gott, wie sie der Priester auszusprechen hat.“ 162 Das Lexem חפץdrückt die Tätigkeit (vgl. Botterweck, Art. חפץ, 102) der Annahme bzw. (negiert) der Ablehnung aus. So ist das Lexem in der priesterlichen Kulttheologie Bestandteil einer „Wohlgefälligkeits- und Annahmeformel“ (aaO, 110), welche in der prophetischen Kultpolemik „durch loʼ ins Gegenteil verkehrt [wird]“ (ebd.). 163 Vgl. Jeremias, Hosea, 88, der darauf hinweist, dass „Hos 6,6 […] eine Grundsatzentscheidung über die Realisierung und Verfehlung rechten Gottesverhältnisses überhaupt [fällt].“ Dabei formuliere Hos 6,6 „kein Plädoyer für ein kultloses Gottesverhältnis“ (ebd.), spreche sich aber gegen ein „mechanisches Gottesverhältnis [aus], in dem der Kult […] nicht mehr Ausfluß einer gelebten Gottesbeziehung ist, sondern, von ihr gelöst, an ihre Stelle getreten ist“ (ebd.). 164 Dieser prophetischen Kritik am Kult und Priestertum lassen sich auch die V.9f zuweisen. 165 Kratz, Prophetenstudien, 296 (Hervorhebung von mir).
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Hos 7,9 Anders als in Hos 5,3–7 und Hos 6,1–6 findet sich die Erkenntnisthematik von Hos 7,9 eingebettet in einen Abschnitt (Hos 7,8–12), der die fehlende Erkenntnis Israels in der Außenpolitik verortet. Dabei ermöglicht insbesondere die Stichwortaufnahme von „( אכלverzehren“) aus V.7a in V.9a, das außenpolitische Ergehen Israels (V.9a: „Fremde verzehren seine Kraft“) als ein reziprokes Ergehen zu verstehen, das durch Israels innenpolitische Vergehen (V.7a: „Sie verzehren ihre Richter“) erst ermöglicht wird. Die Destabilisierung der israelitischen Innenpolitik wird dabei jedoch von V.7b mit dem Ausbleiben der (kultischen) Anrufung JHWHs in Verbindung gebracht. Dabei handelt es sich um eine Parallele in der theologischen Argumentation, die offenbar auf einer Nachahmung der Argumentation von Hos 5,1–7 beruht.166 Durch diese kompositionelle Einbindung von Hos 7,8–12 erscheint die ausbleibende Hinwendung zu JHWH im Kult als der eigentliche Grund für Israels innenpolitische Destabilisierung und sein außenpolitisches Ergehen, das durch vollständige Ermangelung der Erkenntnis der wirklichen Abläufe (vgl. Hos 7,9) gekennzeichnet ist. Mit Moenikes können die geschilderten Vorgänge daher als „Symptom für das Abbrechen der Beziehung zu JHWH“167 verstanden werden, die ihren ersten Ausdruck im Ausbleiben der Anrufung JHWHs (V.7bβ) findet.168 Durch die Feststellung der Unterlassung einer Anrufung JHWHs, die als Grundform der Zuwendung insbesondere im Rahmen kultischer Handlungen ihren „Sitz im Leben“ hat, wird der grundsätzlichen Abwendung Israels von JHWH Ausdruck verliehen. Als kultischer Kommunikationsabbruch versinnbildlicht die ausbleibende Anrufung JHWHs dabei den von Israel ausgehenden Beziehungsabbruch.169 Während dabei die V.3–7 innenpolitischen Sachlagen gewidmet sind und dabei eine – eventuell der Priesterschaft nahestehende – „sie“Gruppe in Opposition zum König-, Beamten- und Richtertum zeigen, wird in den V.8f durch die Verwendung der Begriffe „ עמיםVölker“ 166
So auch Vielhauer, Werden, 71. Moenikes, Ablehnung, 186. 168 Das mit dem Lexem קראbeschriebene Rufen bzw. Nennen (vgl. Hos 1,4.6.9; 2,18; 7,7.11; 11,1.7) kann u. a. das öffentliche Bekenntnis (zu bzw. von jemanden), aber auch das Herbeirufen von jemanden meinen. Wird es wie in Hos 7,7b mit JHWH als Objekt verwendet, kann dies entweder das Ausbleiben des Bekenntnisses zu ihm oder das Ausbleiben eines an ihn gerichteten Hilferufs ausdrücken. 169 Die negative Verstärkung dieser kommunikativen Abwendung zeichnen die V.13f mit der Verbreitung von Lügen über JHWH (V.13) und dem Ausbleiben eines Hilfeschreis zu JHWH (V.14). 167
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(V.8a) und „ זריםFremde“ (V.9a) eine außenpolitische Dimension der Abkehr Israels/Efraims von JHWH in den Text eingeführt. Während in den V.3–7 der Vergleich mit einem Backofen im Vordergrund steht, kann die Verwendung von בללHitpol. „sich mischen“ (V.8a) als ein impliziter Vergleich Efraims mit einem Sauerteig gedeutet werden,170 während in V.8b die Bezeichnung Efraims als עגה „Brotfladen“ eine Metapher darstellt, deren negativer Aussagehalt sich erst aus der Aussage ergibt, dass es sich um einen Brotfladen handelt, der nicht gewendet wurde (V.8b: )בלי הפוכה.171 V.8a und V.8b weisen zwar beide Bezüge zum Wortfeld „Brot“ auf, teilen aber, abgesehen von der einleitenden Bezugnahme auf Efraim, keine gemeinsame Aussageabsicht. Dies kann als Hinweis darauf angesehen werden, dass es sich um zwei vormals unabhängige Einzelsprüche gehandelt hat.172 In einem anderen zeitgeschichtlichen Kontext könnte die Aussage von V.8a dabei als durchaus positiv betrachtet werden.173 Im jetzigen Kontext der Gottesrede muss der Sauerteigvergleich von V.8a als Schilderung eines unerwünschten Verhaltens angesehen werden. Dieses besteht darin, dass Efraim, statt bei sich und dem Seinen, d. h. aber: bei JHWH und im eigenen Land, in den eigenen Grenzen zu bleiben, sich in einen Kontakt mit der Völkerwelt begibt, der – im Bild von V.8a gesprochen – nicht auf eine positiv verstandene Durchsäuerung der Völkerwelt, sondern im Akt des „sich-Mischens“174 unter diese Völker für Efraim nur im Verlust der eigenen, an das Land als Gabe JHWHs und an JHWH als 170
Paul verweist bezüglich des Hapaxlegomenon יתבוללauf die Möglichkeit, „[that] the prophet may have intentionally selected this rare word instead of the common Hebrew verb ‚ לושto knead‘, already employed in vs. 4, in order to effect a clever double entendre. For in Akkadian inscriptions both the G (balālu) and N (nablulu) conjugations of bll are used to describe the mixing of populations. […] Hence in both baking and political terminology the root בללwas the ideal choice to forecast the impending doom of the Northern kingdom“ (Paul, Image, 118). 171 Gisin verweist darauf, dass „verständlicherweise […] nach dem Ofen/Bäcker-Bild das des Kuchens [kommt]“ (Gisin, Hosea, 154); dies trifft auf der Endtextbasis natürlich zu; bezüglich der Genese des Kapitels erscheint es jedoch naheliegender, V.8 für eine Zusammenstellung zweier vormals unabhängiger Einzelsprüche zu halten, der sekundär um V.9 – der die Brotfladen-Metapher aus V.8b [Brot, nicht Teig wird gegessen!] voraussetzt, nicht aber das Backofen-Vergleich der V.3–7 – erweitert und von einem Redaktor als Grundlage der Formulierung der V.3–7a verwendet wurde. Inhaltlich ergibt sich V.8f somit aus V.3–7a, bezüglich der Textgenese ist jedoch von der umgekehrten Reihenfolge auszugehen. 172 Vgl. Vielhauer, Werden, 85. 173 Vgl. Mt 13,33 par. Lk 13,20f. 174 Vgl. In Hos 6,11b wird die gleiche Aussage ohne Rückgriff auf eine metaphorische Sprache getroffen.
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Landesgott gebundenen Identität resultieren kann (vgl. Hos 7,7.16). Die erwünschte, aber ausbleibende kultische Zuwendung zu JHWH (Hos 7,7) findet ihre Entsprechung in der unerwünschten politischen Zuwendung zu den Nationen (V.8f.11). Deren Verhalten wird wiederum als Reaktion auf das Verhalten Israels in der eigenen Innenpolitik gezeichnet: Während Israel seine eigenen Richter „verzehrt“ (V.7a) und auch dies als Folge der Abwendung von JHWH gedeutet wird (V.7b), „verzehren“ die Fremden Israels Ressourcen, ohne dass Israel dies erkennt (V.9). Die Argumentation folgt einer Hos 5,3–7 parallelen Logik, wonach die kultische Abwendung von JHWH der eigentliche Grund ist, der die Schwächung und schließlich den Untergang des Nordreichs ermöglicht hat.175 Im Anschluss an Kratz kann das Israel aus Hos 7,8–9 daher als ein Israel angesehen werden, „das noch eine gewisse Gnadenfrist bis zum endgültigen Untergang im Jahre 722 (720) v. Chr. hat, das aber schon am Boden liegt, das bis auf einen kleinen Rest in das assyrische Provinzsystem aufgegangen ist, dessen Bevölkerung zu weiten Teilen schon deportiert wurde und das unter der assyrischen Besatzungsmacht und aufgrund der assyrischen Tributleistungen wirtschaftlich ausblutet“176. Statt wie V.8a eine Aussage über Efraims Verhalten zu treffen, wird dabei in V.8b eine Aussage über Efraim selbst getroffen. Da sich ein Brotfladen nicht selbst wenden kann, scheint die Metapher vom nicht gewendeten Brotfladen daher zweierlei zu implizieren: Erstens, dass jemand absichtlich oder unabsichtlich seiner Aufsichtsfunktion über Efraim nicht nachgekommen ist. Kontextuell lässt sich V.8a dabei als Folge der Distanzierung von JHWH verstehen, der als Landesgott sein Volk – aufgrund dessen Abwendung von ihm – nicht mehr beschützt, sondern es seinem eigenen Schicksal in der Geschichte überlässt. Und zweitens, dass Efraim sich aufgrund dieser Tatsache in einem irreversiblen Zustand der „Ungenießbarkeit“, d. h. aber: in einem Zustand der irreversiblen Unbrauchbarkeit befindet.177 175
Vgl. Vielhauer, Werden, 79: „Diese Verbrechen im Zusammenhang der Innen- und Königspolitik werden als Vergehen gegen JHWH gewertet“; im Anschluss an Kratz, Prophetenstudien, 290 kann das Israel aus Hos 7,8f daher als ein Israel angesehen werden, „das noch eine gewisse Gnadenfrist bis zum endgültigen Untergang im Jahre 722 (720) v. Chr. hat, das aber schon am Boden liegt, das bis auf einen kleinen Rest in das assyrische Provinzsystem aufgegangen ist, dessen Bevölkerung zu weiten Teilen schon deportiert wurde und das unter der assyrischen Besatzungsmacht und aufgrund der hohen Tributleistungen wirtschaftlich ausblutet“. 176 Kratz, Prophetenstudien 290. 177 Die Frage, wer seiner Aufsichtsfunktion nicht nachgekommen ist, steht zwar nicht im Zentrum von V.8a, nichtsdestotrotz ist im jetzigen Kontext
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V.9 setzt die Metapher vom Brotfladen aus V.8b voraus. V.9aβ und V.9bβ weisen durch die gemeinsame Verwendung der Phrase לא ידע ein Strukturelement auf, das als Hinweis auf eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit der Verse gedeutet werden kann. Diese Sicht wird auch durch den Anschluss von V.9bβ an V.9aβ durch גם unterstützt, das anzeigt, dass V.9aβ von V.9bβ vorausgesetzt wird und einen weiteren Aspekt der dort erwähnten Thematik zum Ausdruck bringt. Das tertium comparationis von V.9a und V.9b besteht dabei darin, dass Efraim einen Sachverhalt nicht erkennt. Während in V.9a davon die Rede ist, dass „( זריםFremde“) die „Kraft“ ( )כחEfraim verzehren und ein Ausgelaugtwerden des Staates bzw. seiner Ressourcen durch Dritte thematisiert wird, ist in V.9b von einem Schimmelbefall178 des „Brotfladens“ Efraim die Rede, der wiederum mit dem Verfall der staatlichen Strukturen in Israel/Efraim in Verbindung zu bringen ist.179 Hos 7,9 bildet die Summe aus den zuvor geschilderten innen- und außenpolitischen Zu- und Abwendungsbewegungen, die eine Folge der kultischen Abwendung von JHWH sind. Die Thematik der fehlenden Erkenntnis Israels nimmt dabei zwar ihren Anfang in V.9, prägt jedoch den gesamten Abschnitt V.9–12 und wird durch das Zitat von Hos 5,5 in Hos 7,10 an die in Hos 5,1–7 dargelegte kultische Abwendung von JHWH zurückgebunden.180 So betrachtet sowohl die absichtliche Verweigerung dieser Funktion seitens JHWHs angesichts Israels/Efraims Beziehungsabbruch ihm gegenüber als auch die Unfähigkeit der Führungsschicht von Israel/Efraim denkbar. 178 Ob eine Relation zwischen den beiden Versteilen vorliegt, hängt insbesondere an der Deutung von ׂשיבה זרקה בו. Muss die Formulierung im Sinne von „weißem Haar“ gelesen werden, so könnte dies auf das Ausgelaugtwerden aus V.9a zurückgeführt werden, würde jedoch die metaphorische Sprache dieses Verses durch die Verwendung einer Personifizierung neu ausrichten, vgl. Gisin, der von einem „raschen Verhalten“ spricht (Gisin, Hosea, 157). Mit Paul kann hingegen auf Tafel XI des Gilgamesch-Epos und die dortige Beschreibung eines Schimmelbefalls von Brot mit der Formulierung šîba ittadi, „the exact semantic equivalent of Heb. ( “ׂשיבה זרקהPaul, Image, 119), verwiesen werden. Daher kann in Betracht gezogen werden, dass es sich bei um einen idiomatischen Ausdruck handelt, der dem Akkadischen entliehen ist und „to grow moldy“ (aaO, 120) bedeutet, also einen Schimmelbefall beschreibt. In diesem Fall würde keine direkte Relation zwischen den Aussagen der beiden Vershälften bestehen. 179 Berücksichtigt man dabei die Tatsache, dass ein Schimmelpilzbefall immer von außen stattfindet, so bestünde das tertium comparationis von V.9a und V.9b darin, dass Israel durch eine außenpolitische Größe zunächst geschwächt (V.9b) und sodann irreparabel geschädigt (V.9b) wird und diesen Sachverhalt nicht erkennt. 180 Vgl. Jeremias, Hosea, 98. V.10 unterbricht mit der Rede von JHWH in der 3.m.sg. die Gottesrede. Gisin, Hosea, 115 relativiert diese Einschätzung jedoch und sieht in dem Wechsel von der 3.sg. zur 3.pl. ein „Resultat der
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deutet Hos 7,10 die ausbleibende Rückkehr zu JHWH angesichts der außenpolitischen Bedrohung als Ausdruck von Hochmut (גאון, V.10), während die Hinwendung nach Ägypten und Assur als Beweis von Israels Einfältigkeit (כיונה פותה אין לב, V.11a) angesehen wird (V.11f). Die in V.10a subsumierende Charakterisierung von Israels Vergehen als „( גאוןHochmut, Stolz, Arroganz“) bildet dabei eine kontrastive Einheit mit V.9, in dem gleich zweimal das Unvermögen Efraims betont wird, einen Sachverhalt zu erkennen. Dieses Unvermögen erweist den Stolz als realitätsferne Selbstüberschätzung.181 Während dabei die ausbleibende kultische Anrufung JHWHs ihr Pendant in der Kommunikationsaufnahme mit Ägypten findet (vgl. V.7b und V.11b), findet sowohl die ausbleibende Umkehr zu JHWH als auch die ausbleibende Suche nach JHWH (V.7b) ihr Pendant in der aktiven Hinwendung nach Assur (vgl. הלך, „gehen“ in V.11b).182 Israels fehlende Hinwendung zu JHWH ist Zeichen einer bewussten Abwendung, die als Hinwendung zu politischen Großmächten Gestalt gewinnt. Sie zieht wiederum eine entsprechende konfrontierende Zuwendung JHWHs zu Israel nach sich (vgl. V.12). Zwischenergebnis Eine Person oder einen Sachverhalt zu erkennen, impliziert die körperliche oder geistige Zuwendung.183 In der vorliegenden Reihenfolge der Erkenntnis-Belege im Rahmen der ältesten Komposition des Hoseabuches (Hos 5–7) findet die Erkenntnisthematik ihren programmatischen Auftakt mit der Feststellung der vollständigen Kenntnis und Wahrnehmung Israels und seiner Vergehen durch den Landesgott JHWH im Parallelismus von Hos 5,3f. Diese vollständige Wahrnehmung Israels durch JHWH wird jedoch von Israel nicht erwidert (vgl. V.4b). Das Ausbleiben der wahrnehmenden Anerkennung JHWHs durch Israel wird dabei kultisch begründet (V.3b.4b.5f). In dieser Leselinie wird auch die Suche nach dem Erkennen JHWHs in Hos 6,1–6 im kultischen Kontext verortet (Hos 6,6) und der Vorgang des innenpolitischen Verzehrens der eigenen Richter und dem Verzehrtwerden durch Fremdbestimmung durch Bundestradition“. Er verweist auf die geprägten Wendungen in Gen 24,12; 28,13; Ex 3,15.18; 6,7 und 10,7. 181 Vgl. Jeremias, Hosea, 98. 182 Vgl. Abschnitt 2.3.3; die Verwendung von ( הלךV.11b; 12a) durchbricht jeweils den Vogelvergleich, während man in Betracht ziehen kann, dass dieser in V.13a angesichts der Verwendung von נדדvorausgesetzt wird (vgl. Ps 55,7f; Jes 10,14; 16,2; Jer 4,25; 9,9; Spr 27,8); vgl. Gisin, Hosea, 159. 183 „Erkennen“ ( )ידעkann daher alttestamentlich auch zur Beschreibung der reziproken Zuwendung im Geschlechtsverkehr verwendet werden (vgl. Gen 4,1.17.24 19,8 24,16).
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Fremde (Hos 7,8) kontextuell mit der ausbleibenden kultischen Anrufung JHWHs durch Israel begründet (vgl. Hos 7,7b). Legt man die redaktionskritischen Überlegungen von Kratz und Vielhauer zugrunde, so hat die Erkenntnisthematik ihren Ausgangspunkt jedoch in der ausbleibenden Erkenntnis im Rahmen der Außenpolitik genommen (Hos 7,8–9) und wurde im Rahmen einer sekundären Ergänzungsschicht um die kultische Verortung ergänzt.184 Nach Vielhauer erfüllt diese kultpolemische Ergänzungsschicht (Hos 4,1– 2.4–10*.11–14*; 5,6–7; 7,13–16; 8,1–3*.11f; 9,3–4a.6.7–9)185 dabei den Zweck, „JHWH vom Kult, ja vom JHWH im Kult [zu trennen], der als Garant der staatlichen Ordnung versagt hat“186. Erst nachdem Hos 2,4–15 ergänzt wurde, sei diese neue Leseanleitung des Hoseabuches über „einige Zusätze in Hos 4,1–9,9* (4,12b.16–19; 5,3–4; 6,10b; 7,4; 9,1–2.5) […] eng mit dem literarischen Kern des Buches [verbunden worden]“187. Die Genese der Erkenntnisthematik wäre damit entgegengesetzt zu der Reihenfolge der Belege verlaufen. So überzeugend die redaktionskritischen Überlegungen von Kratz und Vielhauer grundsätzlich erscheinen, spricht gegen diese redaktionskritische Aufspaltung von Texten, die sich kritisch mit der Innen- und Außenpolitik Israels beschäftigen (Hos 6,7–7,12*; 5,8– 14; 8,7–10)188 von kultkritischen Texten (Hos 4,1–2.4–10*.11–14*; 5,6–7; 7,13–16; 8,1–3*.11f; 9,3–4a.6.7–9)189, dass in Hos 5,1, einem Vers, der auch von Vielhauer als ursprüngliche Einleitung des Hoseabuches angesehen wird,190 bereits beide Perspektiven in dem dreigliedrigen Höraufruf an die Priester (in erster Position), das Haus Israel und das Haus des Königs miteinander verbunden wurden. Mag am Anfang der Überlieferung die prophetische Kritik am Unvermögen Israels gestanden haben, die außenpolitische Gefahr angemessen zu erkennen (Hos 7,8f),191 so erscheint diese ausbleibende Erkenntnis bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt – 184
Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 289; Vielhauer, Werden, 226f. Vgl. Vielhauer, Werden, 226. 186 Ders., Werden, 226. 187 AaO, 227. 188 Vgl. aaO, 226 189 Vgl. ebd. 190 Vgl. aaO, 226. 191 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 291: „Wie aber bahnt sich in alledem Erkenntnis Gottes an? Von Gotteserkenntnis ist noch nicht ausdrücklich die Rede. Sie ist zuerst impliziert im profanen Gebrauch der Wurzel ydʽ ‚erkennen‘, in der Aussage nämlich, daß Israel die wirklichen Zusammenhänge seiner gegenwärtigen politischen Geschichte nicht erkennt, daß es nicht merkt, was mit ihm geschieht“; vgl. auch Vielhauer, Werden, 225, der die Position vertritt, dass „mündliche Verkündigung noch in Hos 5,8–11*; 6,7–9; 7,5f und 7,8b–9 durch[scheint]“. 185
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wenn nicht sogar seit dem Beginn – der literarischen Genese des Hoseabuches mit der kultischen Perspektive verbunden worden zu sein.192 Wie Jeremias eindrücklich gezeigt hat, werden beide Perspektiven dabei dadurch ineinander gespiegelt, dass das Ende eines Kompositionsabschnittes (vgl. Hos 5,3–7.8–11.12–14; 5,15– 6,6; 6,7–7,12.13–16) zumeist zugleich den Auftakt für den nächsten Kompositionsabschnitt bildet und diesen thematisch vorbereitet.193 Auf diese Weise zieht die ausbleibende Zuwendung Israels zu JHWH und die stattdessen stattfindende Zuwendung zu dritten Größen sowohl die konfrontierende Zuwendung (vgl. Hos 5,2b; 7,12b) als auch die schlussendliche Abwendung des Landesgottes JHWH von Israel nach sich (vgl. Hos 5,6) und liefert Israel seinem geschichtlichen Ergehen aus (vgl. Hos 7,8f). 2.3.2 „Unzucht treiben“ in Hos 5,3f und 6,10 Die Unzuchtsthematik findet sich im Rahmen von Hos 5–7 in Hos 5,3f und in Hos 6,10b. Dabei zeigt sich, dass Hos 5,3b und Hos 6,10b große Übereinstimmungen in der Formulierung aufweisen und nur in Hos 5,4b und Hos 4,12b von einem „( רוח זנוניםUnzuchtsgeist“) die Rede ist. Hos 5,3–4 kann aufgrund seiner konzentrischen Form als eine literarische Einheit betrachtet werden.194 Nach Vielhauer spricht dabei für die „literarkritische Ausscheidung von 6,10b die nahezu wörtliche Wiederaufnahme von 5,3b, die dem Nahkontext fremde kultische Terminologie זנה, ]…[ טמאsowie der relativ lockere Anschluß durch ׁשםentsprechend 6,7b“.195 Seines Erachtens handelt es sich u. a. bei Hos 4,12b; 5,3–4 und Hos 6,10b um „einige Zusätze in Hos 4,1–9,9 [Hos 4,12b.16–19; 5,3–4; 6,10b; 7,4; 9,1–2.5), die Hos 2 in mehreren Schüben enger mit dem literarischen Kern verbinden“196. Bezüglich des literarischen Verhältnisses zwischen Hos 5,4b und Hos 4,12b vertritt Jeremias die Sicht, dass Hos 5,4b „voll begreiflich nur mit 4,11ff. im Ohr“197 sei. Mit Vielhauer können beide Belege zu Texten oben genannter Fortschreibungswelle 192
Nach Vielhauer, Werden, 79 wurden die Adressaten aus Hos 5,1 „unter Beibehaltung der Reihenfolge aus Hos 6,7–7,7 zusammengezogen“. 193 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 61: „Das Schlußwort der Komposition V. 6f. nimmt – wie so oft im Hoseabuch – das Thema des folgenden teilweise schon vorweg, insofern V. 6 die Unerreichbarkeit Jahwes trotz allen – fehlgeleiteten – kultischen ‚Suchens‘ hervorhebt (vgl. 5,15 mit 6,1 ff.)“ (Hervorhebung von mir). 194 Vgl. u. a. Jeremias, Hosea, 75; ders., Hosea 4–7, 60; Vielhauer, Werden, 109. 195 Ebd., Anm. 75. 196 AaO, 227. 197 Jeremias, Hosea 4–7, 60.
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gerechnet werden, in deren Rahmen die „Hinwendung des Volkes zu JHWH im Kult als hurerische Hinwendung zu anderen Göttern gedeutet [wird]“198.199 Während in Hos 4,12b das Vorhandensein und die Wirkung des „Unzuchtsgeistes“ in Israel mit konkreten kultischen Praktiken (vgl. Hos 4,11–14) in Verbindung gebracht werden, zeigt die Fortführung von Hos 4,12bα in Hos 4,12bβ, dass diese als Ausdruck einer Abwendung von JHWH gedeutet werden (Hos 4,12bβ: )ויזנו מתחת אלהיהם. Nach Hos 5,3f ist der Unzuchtsgeist in Israels Inneren/Mitte hingegen Ausdruck und Folge der mangelnden Erkenntnis und Anerkennung JHWHs.200 Zählt man die Texte somit zu einer Fortschreibungswelle, so zeigt sich an diesen inhaltlichen Verschiebungen, dass sie nicht unbedingt „einer einzigen literarischen Schicht“201 zuzuordnen sind. Hos 5,3f Die Struktur von Hos 5,3f hat Jeremias präzise beschrieben: Hos 5,3f bilden eine „‚konzentrische Figur‘, bei der ein äußerer Rahmen einen inneren Rahmen umschließt und dieser den mittleren Kern, so daß sich eine Figur A-B-C-B´-A´ ergibt. V.3a (Stichwort ‚kennen‘) findet seine Aufnahme in 4b Ende, V.3b (Stichwort ‚Unzucht treiben‘ seine Entsprechung in 4b Anfang, mit V.4a steht die gewichtigste Aussage (Nennung der Folgen im Imperfekt) im Zentrum der Einheit“202. Gemäß der Argumentationsstruktur von Hos 5,3f findet das ausbleibende Zuwendungsgeschehen der Umkehr ( )ׁשובzu JHWH seinen Ausdruck dabei in Taten der Unzucht, die auf einen Mangel an (JHWH-)Erkenntnis zurückgeführt werden.203 Die „anti198
Vielhauer, Werden, 109. Nach Vielhauer, Werden, 108f ist dabei zunächst Hos 5,6–7 ergänzt worden, bevor eine Erweiterung des Textes durch Hos 5,3–4 vorgenommen wurde. Beide Abschnitte rechnet er zu verschiedenen kultkritischen Textgruppen (vgl. ebd.; Gruppe 1: Hos 4,4–10*.11–14*; 5,6–7; 7,13–16; 8,1–3*.11f), die bereits Hos 4,1–2; 5,15–6,4.6; 9,3–4a.6.7–9 voraussetze; Gruppe 2: Hos 2*; 4,12b.16–19; 5,3–4 – auf die Politik gewendet zudem Hos 6,10b und Hos 7,4 – sowie Hos 9,1–2.5), die jedoch im Zuge derselben Fortschreibungswelle ergänzt worden seien, vgl. aaO, 120. 200 Vgl. Wolff, Wissen um Gott, 195: „Man wird die copula der zweiten Satzhälfte kausal oder avdersativ auflösen können. Der Sache nach geht der Mangel an דעתdem Hurenwesen voran, so gewiß V. 4 a von der Rückkehr zu Jahwe spricht“ (Hervorhebung im Original); vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 138, die darauf verweist, dass „mit der Metapher von der Dirne zugleich die Ehemetapher einnert wird“. 201 Vielhauer, Werden, 109. 202 Jeremias, Hosea, 75. 203 So bereits Wolff, Wissen um Gott, 195: „Hosea spricht also Israel auf das ihm gegebene Wissen um Jahwe an und sieht die Ursache seiner Schuld in dem verlorenen Wissen um Jahwe“. 199
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thetisch[e]“204 Formulierung des äußeren Rahmens dient dabei der Formulierung eines ausbleibenden Reziprozitätsgeschehens gegenseitigen Er- und Anerkennens (vgl. Hos 5,4b). Wieso es seitens Israels zum Zerbrechen der Reziprozität kommt, begründen die V.3b.4bα. Ausgehend von Hos 5,3a wird dabei deutlich, dass JHWHs vollständige Wahrnehmung und sein vollständiges Wissen um Israel auch und insbesondere das Wissen um Israels Unzucht einschließt. In einem erneuten Parallelismus schildert V.3b, dass Efraim Unzucht ( )זנהbegangen und Israel sich unrein gemacht hat ( טמאNif.). Im zwischenmenschlichen Bereich kann זנהden illegitimen Geschlechtsverkehr (Unzucht) bezeichnen, aber auch die (legitime) Tätigkeit der Prostitution. Während in den weisheitlichen Schriften Unzucht und Prostitution kaum thematisiert werden, wird in der prophetischen Literatur des Alten Testaments mit Derivaten von זנה zumeist metaphorisch die Untreue Israels gegenüber JHWH als Unzucht Israels beschrieben, die Israel mit fremden Gottheiten bzw. politischen Großmächten vollzieht.205 Indem im Rahmen des Parallelismus mit priesterlich-kultischer Terminologie ausgedrückt wird, dass Israel sich unrein gemacht hat (V.3bβ: טמאNif.), zeigt sich, dass die Untreue Israels gegenüber JHWH in einer Verunreinigung Israels resultiert, welche zugleich den Ausschluss vom Kult nach sich zieht.206 Die Ausweglosigkeit der Situation Israels wird dabei erst im Kontext mit V.4 vollständig sichtbar: Das kultisch verunreinigte Israel ist so sehr von einem Unzuchtsgeist bestimmt, dass aufgrund dieser Taten eine Umkehr zu JHWH ausgeschlossen ist und kein Wissen bzw. keine Anerkennung JHWHs mehr vorhanden ist. Wenn dabei in der prophetischen Literatur auf Taten (מעלל, „Tat“) Bezug genommen wird, so handelt es sich zumeist um die Taten Israels, die als schlechte Taten charakterisiert werden. Bei Jeremia werden diese zudem oft mit dem schlechten Weg bzw. Wegen ( )דרךIsraels parallelisiert und die Aufforderung an Israel formuliert, von diesen Taten und Wegen der Bosheit ()רע umzukehren ()ׁשוב, d. h. von ihnen abzulassen oder diese zu verbessern ( יטבHif.).207 Erkennbar wird an diesen Formulierungen die (weisheitliche) Überzeugung, wonach die Taten den Lebenswandel eines Menschen konstituieren. So formuliert die Spruchweisheit, dass sich an den 204
Ebd. Vgl. Jer 2,20; 3,1.3.6.8 (Gleichsetzung von Ehebruch [ ]נאףund Unzucht [ ;)]זנהEz 6,9; 16,15ff.26.28.30f.33–35.41; 20,30; 23,3.5.19.30.43f; Hos 1,2; 2,7; 3,3; 4,10.12–15.18; 5,3; 9,1; Mi 1,7; Nah 3,4. 206 Vgl. Num 5,20–29; vgl. zudem Jeremias, Hosea, 76: „Ein kultisch verunreinigtes Israel kann Jahwe nicht mehr erreichen“. 207 Vgl. Jer 7,3.5; 18,11; 25,5; 26,13; 35,15. 205
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Taten eines jungen Mannes zeigt, ob er rein ( )זךund rechtschaffen ( )יׁשרist (Spr 20,11). Während die prophetisch ergehenden Aufforderungen zur Verhaltensänderung zeigen, dass dem Volk Israel die Fähigkeit zugesprochen wird, Einfluss auf das eigene Verhalten zu nehmen und dieses zu ändern, wird Israel in Hos 5,4 diese Fähigkeit abgesprochen. Im Alten Testament singulär ist dabei nicht nur die hoseanische Formulierung „Nicht geben es ihre Taten umzukehren zu ihrem Gott“ ( )לא יתנו מעלליהם לׁשוב אל־אלהיהםaus Hos 5,4a, sondern auch die sich in Hos 5,4b anschließende Begründung, dass sie nicht zu JHWH umkehren, da sich in ihrem Inneren ()בקרבם ein „Unzuchtsgeist“ ()רוח זנונים208 befindet.209 Ist dabei mit קרב, in Analogie zum Inneren des Körpers als des Sitzes der Eingeweide, der Vitalität, des Lachens und des Verstandes,210 das Volksinnere, d. h. die „Volksmitte“211 bezeichnet, so liegt dieser Formulierung eine Körpermetaphorik zugrunde.212 Das Innere dieses Körpers wird dabei als krankheitsbefallen213, als vom Geist der Unzucht infiziert, gezeichnet.214 Durch diese Formulierung entsteht das Bild einer Gesellschaft, die im wahrsten Sinne des Wortes „krank“ ist, jedoch krank an Unzucht. Dies heißt im Rahmen von Hos 5,3f: Erkrankt an einer chronischen Untreue gegenüber dem eigenen Landesgott JHWH. Durch die Benennung des Krankheitsauslösers als eines Unzuchtsgeistes wird Unzucht als wahres Problem im „Inneren“ Israels aufgedeckt. In Hos 5,4 ist – anders als in Hos 4,12b – die Unzuchtsmetaphorik über die Verortung in Israels Inneren mit einer Körpermetaphorik verbunden, in deren Rahmen der Unzuchtsgeist als eine Krankheit erscheint, der Israel zentral und wesensmäßig verdorben hat und der den Grund dafür darstellt, dass es nicht zu JHWH umkehrt. 208
Dieselbe Formulierung findet sich noch einmal in Hos 4,12. Für die Thematik der ausbleibenden Umkehr Israels zu JHWH vgl. Jacobs, YHWH`s Call, 20. 210 Vgl. Gen 18,12; 25,22; 41,21; Hi 20,14; Ps 5,10; 36,2; 51,12; 64,7; 103,1. 211 Vgl. Gen 18,24; 24,3; 45,6; 48,16; Ex 3,20; 8,18; 17,7; Num 11,20f; Dtn 6,15; Ps 46,6; 55,11f; Jes 6,12. 212 Die Vorstellung der Staaten Israel/Juda als Körper liegt auch den V.12– 14 zugrunde. Dort ist es ebenfalls der „Körper“ der Staaten Efraim und Juda, der von JHWH wie von einer Krankheit befallen bzw. wie von einem Löwen angefallen wird. 213 Aus diesem Grund ist es im Deuteronomium ein Anliegen, dass das Böse ( )רעaus der „Mitte“, d. h. dem Innersten des Volkes entfernt wird, vgl. Dtn 13,6; 17,7; 19,19; 21,9.21; 22,21.24; 24,7. 214 Vgl. Rattray/Milgrom, Art. קרב, 164: „Es war wichtig für die Gesundheit und Sicherheit des Körpers Israel, daß nicht nur keine Krankheit, sondern vielmehr Gott in ihm war“. 209
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Geht man in Anschluss an Vielhauer davon aus, dass Hos 5,8–14 vor Hos 5,3–4 ergänzt worden sind,215 so könnte die im Gegensatz zu Hos 4,12b verstärkte216 Interpretation des Unzuchtsgeistes als einer Krankheit in Israels Inneren/Mitte ()בקרבם217 ihren literarischen Ausgangspunkt in der negativen Zuwendung JHWHs als Krankheit aus Hos 5,12 genommen haben. Dieser schildert wie bereits Hos 5,2b mit betont vorangestellten Pronomen der 1. Pers. c. sg., dass JHWH Israel und Juda wie eine Krankheit begegnet (V.14).218 Dass dabei durch den Verweis auf den „Geist der Unzucht“ in Hos 5,4b nicht etwa eine Besessenheit Israels formuliert wird,219 anhand derer die Verantwortung für die eigenen Taten geleugnet werden könnte, sondern der Geist ( )רוחdas Personenzentrum bzw. die Geisteshaltung220 in Israels Mitte bezeichnet, die durch Untreue gegenüber JHWH geprägt ist, verdeutlicht V.5a. Indem Israels Verhalten als Ausdruck von „Hochmut“ ( )גאוןgedeutet wird, der in Israels Angesicht antwortet ()ענה, d. h. gegen Israel Zeugnis ablegt,221 wird Israel die Verantwortung für das eigene Handeln zugesprochen: Israel ist sozusagen am eigenen Willen zum Ungehorsam gegen JHWH erkrankt. Dem entspricht es, dass V.5b Israel auch für das 215
Vgl. Vielhauer, Werden, 226, der Hos 5,8–14 zusammen mit Hos 8,7–10 als eine erste Ergänzungsschicht ansieht, welche „die Gerichtsbotschaft auf das Südreich Juda aus[weitet]“, Hos 5,3–4 jedoch einer kultkritischen Textgruppe zuordnet (vgl. aaO, 109), dabei aber beide Schichten in die letzten beiden Jahrzehnte des 8. Jh. v. Chr. datiert (vgl. aaO, 124). 216 Vgl. Jeremias, Hosea, 76: „Die Wirkung ist gegenüber 4,12 noch gesteigert, weil es ein ‚Geist‘ ist, der sich ‚in ihnen, in ihrem Inneren‘ auswirkt“. 217 In Verbindung mit der Präposition be kann קרבauch das Innere einer Gruppe bezeichnen, vgl. Rattray/Milgrom, Art. קרב, 163; diese Gruppe wird dabei so verstanden „als nehme sie einen Raum ein” (ebd.). So verwendet zeigt sich „die dtn Vorstellung von Israel als einem Körper, der krank werden kann” (aaO, 164); vgl. zudem die im Dtn verwendete Formel „du sollte das Böse aus deiner Mitte ( )מקרבךausrotten” (Dtn 13,6; 17,7; 19,19; 21,21; 22,21.24; 24,7). Im Rahmen dieser Formel stellt die Ausrottung des Bösen „eine Art Operation an der Gemeinschaft” (ebd.) dar. 218 Vgl. den Beginn von Hos 5,3 mit ebenfalls betont vorangestellten ;אני vgl. auch Dtn 31,17b: „Ist nicht dieses Übel über uns gekommen, weil unser Gott nicht mehr in unserer Mitte ( )בקרביist?”; vgl. auch Rattray/Milgrom, Art. קרב, 164: „Gottes Gegenwart in Israel war abhängig vom Gehorsam Israels, Israels Ungehorsam zog Gottes Rückzug oder seine Strafe nach sich (Ex 33,3); wenn er nicht inmitten Israels ist, dann befällt es das Böse (Dtn 31,17). Beide Sichtweisen ergänzen sich: Israels Gehorsam bewirkt Gottes Gegenwart, ohne die es nicht überleben kann“. 219 Anders Seifert, Metaphorisches Reden, 140, die von einer „überpersönliche[n] Macht“ spricht. 220 Vgl. die Redeweise in Ps 78,8. 221 Vgl. Hos 7,10; vgl. auch Dtn 31,21.
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eigene Ergehen die Verantwortung gibt und dabei die Taten Israels als Schuld ( )עוןbezeichnet, durch die ( בinstrumenti) bzw. aufgrund derer sie zu Fall kommen.222 Der geschichtliche Untergang des Staates Israel wird nicht auf eine strafende Intervention JHWHs zurückgeführt, sondern als etwas dargestellt, das sich als Folge des eigenen Unzuchtsgeistes in ihrem Inneren/ihrer Mitte ergibt.223 Straucheln bzw. Fallen ()כׁשל224 bezeichnet dabei alttestamentlich nicht etwa das Resultat der ersten Gehversuche eines Kindes, sondern ist in geschichtlichen und weisheitlichen Kontexten zumeist das Resultat von Schwachheit oder Angst bzw. bezeichnet das (gewünschte) Ergehen von Feinden oder Frevlern. In der prophetischen Literatur wird mit כׁשלhingegen mehrheitlich die Folge einer (angekündigten) Intervention JHWHs gegen Israel225 und Feinde226 aufgrund ihrer Vergehen bzw. die Folge eigener Vergehen227 bezeichnet. Dass Israel geschichtlich zu Fall kommt (und später auch Juda, vgl. Hos 5,5bβ), wird im Rahmen von Hos 5,12ff als Folge der negativen Zuwendung JHWHs dargelegt; dass es sich bei diesem negativen Zuwendungsgeschehen jedoch um eine reziproke Erwiderung der Abwendung Israels von JHWH aufgrund des eigenen Unzuchtsgeistes handelt, präzisiert Hos 5,3f. Hos 6,10 Die Unzuchtsthematik von Hos 6,10 ist eingebettet in einen Kompositionsabschnitt (Hos 6,7–7,16228 bzw. Hos 6,7–7,12229), dessen „lockerer Anschluß“230 mit „( והמהAber sie“) nach Jeremias „unlöslich auf 6,6 bezogen [ist]“231, nach Vielhauer jedoch ursprünglich auf Hos 5,1–2 folgte und die (politische) Grundschicht des Hoseabuches bildete,232 die als Reflex auf den Untergang des 222
Dieses Ergehen wird auch Juda in V.5bβ zugesprochen. Vgl. Hos 14,2 (2.sg.). 224 „Straucheln“ ( )כשלkann synonym mit „Fallen“ ( )נפלverwendet werden bzw. im Fallen resultieren, vgl. Ps 27,2; Spr 24,16f; Jes 3,8; 8,15; 31,3; Jer 6,15; 8,12; 46,6.12.16; 50,32; Dan 11,19. 225 Vgl. Jer 6,15.21; 8,12; Dan 11,33ff; Mal 2,8. 226 Vgl. Jes 31,3; Jer 18,23; 20,11; 46,6.12.16; 50,32; Dan 11,14.19. 227 Vgl. Jes 3,8; Hos 5,5; 14,2.10. 228 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 63, sieht in Hos 6,7–7,12 eine thematische Reihenbildung, in deren Rahmen „kultische und soziale (6,7–9; 7,1 f.); innen- (7,3–7) und außenpolitische (7,8 f. 11 f.) Vergehen und Verirrungen […] nebeneinandergestellt [werden], indem offensichtlich Einzelworte Hoseas aus der Zeit um 734–732 sachlich geordnet werden“. 229 Vgl. Vielhauer, Werden, 226. 230 Jeremias, Hosea 4–7, 63. 231 Ebd. 232 Vgl. Vielhauer, Werden, 92. 223
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Nordreiches entstanden sei.233 Im Kontext der jetzt vorliegenden Komposition dienen die im Rahmen von Hos 6,7–11 exemplarischen „Fallbeispiele“234 aus der Geschichte235 dazu aufzuzeigen, dass wenig Hoffnung darauf besteht, dass Israel tatsächlich eine dauerhafte Umkehr zu JHWH vollzieht, die sich durch Gemeinschaftstreue und Erkenntnis Gottes auszeichnet und sein Wohlgefallen finden könnte (V.6). Den Mangel an beiden führen die V.7–10 vor Augen. Durch ihre Zusammenstellung erhalten die Einzelworte dabei den Charakter einer Beweiskette236. Nicht JHWH, sondern Israels eigenes Verhalten in der Geschichte widerlegt den bekundeten Umkehrwillen in der Gegenwart (Hos 6,1–3) und war der Grund für die Intervention JHWHs in der Vergangenheit (V.5). Die fehlende Gemeinschaftstreue wird dabei zunächst in Hos 6,7 anhand eines Vertragsbruchs aufgezeigt, mit einem entsprechenden Verhalten „in
233
Vgl. aaO, 226. Die in Hos 6,7–10 angedeuteten Vorkommnisse sind dabei „kaum noch zu rekonstruieren“ (Bons, Hosea, 94).Beachtenswert erscheint, dass im Rahmen der Beispiele verschiedene Schuldorte abgeschritten werden: Der Ort Adam (Hos 6,7a), die (als Stadt bezeichnete) Landschaft Gilead (Hos 6,8a), die Straße nach Sichem (Hos 9a) und zuletzt das ganze Haus Israel (Hos 6,10a). Der Textabschnitt erhält auf diese Weise nicht nur eine Gliederung, sondern zugleich eine Mehrdimensionalität von Ort/Stadt (Innen) und Straße (Außen). 235 Mehrheitlich wird von Vergehen der Zeit Hoseas ausgegangen, die offenbar als bekannt vorausgesetzt werden konnten, vgl. Bons, Hosea, 94, der davon ausgeht, dass es sich bei den Vergehen um solche der „Gegenwart Hoseas und seines Publikums“ handelte; auch Wolff, Hosea, 154 hält es für „wahrscheinlicher […], daß Hosea bestimmte zeitgenössische Einzelfälle vor Augen hat, als daß er Geschehnisse ferner Vergangenheit erinnert, die durch Tradition auf ihn gekommen wären“; Vielhauer, Werden, 84 verweist auf „die in V.8f verwendeten Tempora (V.8.9aα: Nominalsätze; V.9aβ: Impf.)[, die] gegen eine vergangenheitliche Deutung der Vergehen [sprechen].“ 236 Ob zwischen den genannten Vergehen ggfs. im Rahmen einer von Gilead ausgehenden Revolution (vgl. Alt, Hos 5,8–6,6, 186) eine Verbindung bestand, kann nur vermutet werden; Vielhauer, Werden, 85 macht zurecht darauf aufmerksam, dass sich „ebenso wenig […] entscheiden [lässt], „ob die Einzelworte ursprünglich aus ephraimitischer oder judäischer Perspektive gesprochen wurden“. Er verweist darauf, dass erst die Überlieferung „eine eindeutig ephraimitische Perspektive“ (aaO, 86) einnimmt: „Sie verallgemeinert die konkreten Vergehen konkreter Tätergruppen (7,1aß.2) und bezieht sie auf das Nordreich in toto (6,10a). Die Vergehen werden dabei als Vergehen gegen JHWH gewertet (7,2 und v.a. 6,7b) und dienen so der Begründung für dessen unheilvolles Gedenken (7,2).“ 234
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Adam“237 verglichen und als Treulosigkeit ( )בגדgegen JHWH bewertet (V.7b). Die Verwendung der Formulierung ברית+„( עברוsie haben übertreten [den] Bund“) in V.7aβ führte dabei zu der Frage, ob der JHWH-Bund mit Israel gemeint sei. Vielhauer weißt jedoch zurecht darauf hin, „daß עבר בריתsonst [zwar] immer den JHWHIsrael-Bund bezeichnet, aber eben niemals indeterminiert“238. Die „Störung des Gottesverhältnisses“239, welche Hos 6,7b formuliert, muss Resultat eines anderen Aspektes des bundesbrüchigen Verhaltens sein. Dabei kommt in erster Linie der Eid in Frage, der bei einem Bundes- bzw. Vertragsschluss im Namen des jeweiligen Gottes bzw. der jeweiligen Götter der Vertragspartner geleistet wurde. Dieser Eid sollte unter göttlicher „Strafandrohung“ die gegenseitige Bundestreue sicherstellen. In diesem Sinn ist ein Bundesbruch „kein rein weltlicher Akt“240, sondern stets Zeichen einer doppelten Untreue und Zeichen fehlender Gemeinschaftstreue: Gegen die andere Vertragspartei sowie gegen den eigenen Gott. Durch die Nennung eines zweiten Beispiels kommt Hos 8,6 die Funktion zu, die von V.7 begonnene Beweisführung der fehlenden Gemeinschaftstreue zu bekräftigen. Gilead wird im Rahmen dieses Verses als eine Stadt ()קריה241 von „Übeltätern“ ()פעלי און242 bezeichnet, die voller blutiger Fußspuren ()עקבה מד243 ist. Auch in diesem Fall ist nicht mit Sicherheit zu sagen, welche Vorkommnisse zu dieser Einschätzung von Gilead geführt haben.244 Wird dabei eine Stadt als ein Ort bezeichnet, der voller Blutspuren ist, so wird das Bild einer Gesellschaft gezeichnet, in der die Bewohner statt durch Gemeinschaftstreue nur noch als Täter und Opfer zueinander in Relation gesetzt werden. Da dabei jedoch alle Bewohner als Übeltäter ( )פעלי אוןdargestellt werden (V.8aβ) und die Stadt als ein Ort voller Blutspuren, besteht in Gilead zugleich für alle 237
Adam bezeichnet einen Ort (vgl. Jos 3,16), der „mit tell ed-damije s der Einmündung des […] Jabbok […] identifiziert [wird]“ (Görg, Art. Adam, NBL Bd. I, 30). 238 Vielhauer, Werden, 85, Anm. 90. 239 Görg, Art. Adam, NBL Bd. I, 30. 240 Rüterswörden, Art. Bund, wibilex.de, 25.08.2016. 241 Die Bezeichnung der Landschaft Gilead als Stadt kann als Hinweis auf eine späte Abfassung des Verses angesehen werden, vgl. u. a. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 139; anders Rudolph, Hosea, 142. 242 Diese Formulierung findet sich (bis auf Jes 31,2 und Hos 6,8) nur in den weisheitlichen Schriften des Alten Testaments (vgl. Hi 34,8.22; Ps 5,6; 6,9; 14,4; 28,3; 36,13; 53,5; 64,3; 92,8.10; 94,4.16; 101,8; 141,4.9). 243 Vgl. Willi-Plein, Vorformen, 151. 244 Teilweise wird mit Verweis auf 2Kön 15,25 eine Anspielung auf die Revolution Pekachs vermutet, vgl. Willi-Plein, Vorformen, 151; Macintosh, 238.
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Täter die Gefahr, zu Opfern zu werden. Dabei verdeutlicht der Verweis auf vergossenes Blut (דם, V.8b) als der Substanz, die als Trägerin der Lebenskraft betrachtet wurde,245 dass in der Gesellschaft Gileads der Verlust des Lebens246 durch die Hand anderer zum Regelfall geworden ist und Reziprozität im Sinne einer konnektiven Gerechtigkeit nicht mehr länger ein verlässliches Grundprinzip des wechselseitig aufeinander bezogenen Handelns darstellt.247 Im Rahmen der Widerlegung eines Interesses an Gotteserkenntnis, wie es V.3 zum Ausdruck bringt, thematisiert V.9 das Verhalten von Priestern (V.9). Der Vers impliziert den Vorwurf, dass diejenigen, die am ehesten über Gotteserkenntnis (V.6) verfügen müssten, sich durch ihr auflauerndes ( )חכהVerhalten wie Räuberbanden ( )גדודיםverhalten und sich mit dem Begehen von Morden der schlimmsten Verbrechen gegen den Willen JHWHs schuldig machen. Die Rahmenkapitel Hos 4,1–19 und Hos 9,1–9 führen diese kultischen Vergehen der Priesterschaft im Land als Hauptgrund für das geschichtliche Ergehen des Nordreichs an und präsentieren den Landverlust Israels als einen Entzug des Wohnrechtes durch den Landesgott JHWH infolge dieser Vergehen – eine Perspektive, die zuerst Hos 8,13 als neuer Abschluss der Komposition Hos 5–7 formuliert hat.248 Durch den Vergleich mit dem Verhalten auflauernder Banden wird dabei in V.9 die Hinterhältigkeit ihres Vorgehens betont. Die Verwendung von „( גדודיםBanden“) und „( חברGemeinschaft, Schar“) in V.9a hebt das gemeinschaftliche249 Vorgehen im Rahmen des Auflauerns und Mordens hervor und impliziert mit dem Mordvorwurf die stärkste Form der Negation von Gemeinschaftstreue. Wie bereits in V.7b schließt sich auch in V.9b eine Beurteilung an. Dabei wird das Handeln der Priester als „( זמהNiedertracht, Schandtat“) bezeichnet und die Verwerflichkeit ihres Handelns erneut hervorgehoben. Sie schlagen dabei an einem „Kreuzungspunkt der SN-Route von Hebron nach Damaskus und der WO-Route von der Küste zum Jordangraben“250 – einem Verkehrs- und Handelsweg251 – zu, der 245
Vgl. u. a. Lev 17,11; Dtn 12,23. Angesichts der Verwendung von פעלי אוןkann vorausgesetzt werden, dass es sich um menschliches Leben handelt. 247 Indem V.8 zwei Verallgemeinerungen impliziert (V.8a: alle Bewohner erscheinen als Übeltäter; V.8b: die Straßen sind voller Blutspuren) wird der Mangel jeglicher Gemeinschaftstreue dargestellt. 248 Vgl. Abschnitt 3.3; Hos 8,14 wird als ein späterer Zusatz betrachtet, der diesen programmatischen Abschluss des Landverlustes aufhebt, vgl. Jeremias, Hosea 112: „Ein judäischer Zusatz in V. 14 nimmt der Zielaussage in 8, 13 ihre Kraft“. 249 Vgl. Hos 5,1–2a. 250 Vgl. Jaroš, Art. Sichem, KBL III, 583–585, 583. 251 Vgl. Vielhauer, Werden, 86. 246
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zudem der Weg zu einem Heiligtum (Sichem) ist. Es kann vermutet werden, dass zu den potentiellen Opfern der Priester auch Pilger und Asylsuchende zählen.252 Statt gemäß ihres Amt kultische Vermittler zwischen JHWH und den Heiligtumsbesuchern zu sein, werde diese von den Priestern nicht nur von einem Besuch des Heiligtums in Sichem abgehalten,253 sondern um ihr Leben gebracht. Die Priester werden mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie, statt ihrem Amt als kultische Vermittler des Gotteskontakts nachzukommen, sich in der Negation jeglicher Gemeinschaftstreue die göttliche Verfügungsgewalt über Leben und Tod anmaßen. Obwohl sich sowohl Adam, als auch Gilead und Sichem im Gebiet des Nordreichs Israels befinden,254 setzt V.10 mit „Im Haus Israel…“ ( )בבית יׂשראלein und nimmt auf diese Weise eine Perspektiverweiterung auf das gesamte Gebiet Israels vor.255 Im Rahmen der Gottesrede ist es JHWH, aus dessen Sicht V.10b formuliert, dass er „( ׁשערוריהAbscheuliches, Grässliches“) im Nordreich gesehen ( )ראהhat. Trotz der äußerst seltenen256 Verwendung des Wortes wird deutlich, dass mit ׁשערוריהJHWHs Ablehnung von gegen ihn gerichteten Verhaltensweisen ausgedrückt wird.257 Kontextuell dient das Zitat aus Hos 5,3 mit seiner Verwendung von „( זנותUnzucht“)258 und von „( טמאunrein“) dazu, die in Hos 6,7ff geschilderten Vergehen als Vergehen gegen JHWH zu deuten. Als späterer Zusatz bildet Hos 6,10f einen neuen Abschluss, der die Vergehen in Israel (V.10a) kultisch konkretisiert und damit kompositionell in die Leselinie von Hos 5,3–7 einordnet. Das Verhalten des gesamten Nordreichs wird in V.10a mit einem Wort (ׁשערוריה, „Abscheuliches“) subsumiert, welches die Unvereinbarkeit mit JHWH und seinem Willen verdeutlicht und einen Bruch in der Beziehung zwischen JHWH und Israel zum Ausdruck bringt, der den Untergang des Nordreichs ermöglichte, den Israel aufgrund seiner als falsch angesehenen Kultpraktiken selbst verschuldet hat. Kratz und Vielhauer ist dabei zuzustimmen, dass auf 252
Vgl. Jeremias, Hosea, 94. Vgl. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 143f. 254 Alle genannten Orte liegen im Gebiet des Nordreichs Israel, vgl. Calwer Bibelatlas, 18. 255 Vgl. Jeremias, Hosea, 94. 256 Neben Hos 6,10 wird ׁשערוריהnur in Jer 18,13 verwendet. 257 Vgl. Bons, Hosea, 95. 258 Willi-Plein, Vorformen, 155 vermutet eine sekundäre Einfügung von זנותzu ( שם)הsowie von נטמא יׂשראלin Entsprechung zu Hos 5,3; danach habe eventuell die gleiche Hand die Glosse von V.11a eingetragen; im Anschluss sei mit der Einfügung von V.11b und Hos 7,1aα eine „eschatologische Deutung des vorliegenden Textes” (ebd.) vorgenommen worden. 253
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diese Weise der Landesgott JHWH vom israelitischen Kult gelöst wurde, „der als Garant der staatlichen Ordnung versagt hat“259. Nach Kratz wird dabei „in der assyrischen Krise […] von den Propheten bzw. denen, die sie in schriftlicher Form überliefern, ein anderer, fürchterlich neuer JHWH entdeckt, der nicht mit, sondern gegen sein Volk und, was noch schwerer wiegt, gegen den bis dahin verehrten JHWH ist“260. Hosea und seine Tradenten verkündigen jedoch keineswegs einen „andere[n], fürchterlich neue[n] JHWH“261, sondern derselben JHWH, der nun jedoch in anderer, fürchterlich neuer Weise reziprok auf die Vergehen seines Landesvolkes reagiert, wie bereits Jeremias gezeigt hat: „Fremdartig ist die Tat, weil sie nicht zur Vernichtung der Feinde, sondern des Gottesvolkes führt. Israel bekommt also die gleiche Macht Gottes, die es früher heilvoll erlebte und der es seine Existenz verdankt, nun unheilvoll und gegen sich selbst gerichtet zu spüren und das kann nur heißen: zu seiner Vernichtung. […] Weil es der gleiche Gott ist, den Israel jetzt strafend erlebt, wie zuvor rettend und helfend, darum ist das auf Israel zukommende Unheil kein partielles oder vorübergehendes, das nur Wunden schlägt, sondern ein prinzipielles, totales, tötendes, vernichtendes, aus dem es keine Rettung gibt, solange sich nicht das Gottesvolk selbst total verändert“262. Wie „( זכרgedenken“) in Hos 7,2 verdeutlicht dabei die Verwendung von „( ראהsehen“) in Hos 6,10a im Rahmen eines Anthropomorphismus die Wahrnehmung und Auseinandersetzung JHWHs mit dem „abscheulichen“ Verhalten Israels. JHWH bleibt Israel trotz allem zugewandt und stellt auf diese Weise seine Gemeinschaftstreue im Guten wie im Schlechten unter Beweis. Indem JHWH „sieht“ und „gedenkt“, nimmt er das Verhalten Israels wahr und ist in der Lage, im Sinne der Gemeinschaftstreue reziprok auf dieses zu reagieren.263 Da seine Zugewandtheit jedoch in beiden Fällen (Hos 6,10; 7,2) Vergehen zuteilwird, sind durch die Wahrnehmung JHWHs entsprechende Konsequenzen für die Täter impliziert, mit denen JHWH diese in Folge seiner Wahrnehmung ihrer Vergehen konfrontiert. In Hos 6,11a wird diese Konfrontation mit der Ankündigung einer Ernte, die für Israel und Juda angesetzt
259
Vielhauer, Werden, 226. Kratz, Prophetenstudien, 304 (Hervorhebung von mir). 261 Ebd. 262 Jeremias, Grundtendenzen, 11f (Hervorhebungen von mir). 263 Wird JHWH an anderer Stelle dazu aufgefordert, Vergehen nicht mehr zu gedenken (vgl. u. a. Ps 25,7; 79,8), so wird damit der Hoffnung auf einen heilvollen Neubeginn der Gottesbeziehung Ausdruck verliehen. 260
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ist,264 zum Ausdruck gebracht.265 Als Ausdruck für ein Gericht JHWHs findet sich das Bild von einer Ernte nur in wenigen (prophetischen) Texten.266 Im Rahmen eines Vergleichs von Hos 6,11a mit Jer 51,33 und Joel 4,13 hat Rudnig-Zelt aufgezeigt, dass Hos 6,11a das Gericht, das an den beiden anderen Belegstellen Fremdvölker trifft, „zum Gericht gegen Juda um[wandelt]“267.268 Der bildhaften Verwendung von „( קצירErnte“) in V.11a wird dabei oftmals „eschatologische Valenz“269 zugesprochen, die in V.11b (בׁשובי ׁשבות עמי, „In meinem Wenden des Geschicks meines Volkes“270) bereits vorausgesetzt, aber um das positive eschatologische Bild einer Heilswende für „ עמיmein [sc. JHWHs] Volk“ ergänzt worden sei.271 In Verbindung mit der Aussage von Hos 7,1aα (כרפאי ליׂשראל, „Entsprechend meines Heilens in Bezug auf Israel“)272 zeigt sich, dass aufgrund der reziproken Struktur der Gemeinschaftstreue auch eine Zuwendung, die eine Wende des Geschicks Israels und Israels Heilung anstrebt, (zunächst) nur als Schuldaufdeckung von JHWH vollzogen werden kann.273 264
Die Verwendung von „( גםauch“) in V.11a macht deutlich, dass beide Reiche unter die Gerichtsankündigung gestellt werden. 265 Im Anschluss an Willi-Plein, Vorformen, 154 kann V.11a als eine judäische Glosse betrachtet werden, die sich durch die Verwendung von גם auf V.10 zurückbezieht und ein Gerichtsbild darstellt; anders Rudolph, Hosea, 144, der davon ausgeht, dass “6,11 + 7,1 an falscher Stelle steht”; da „ בשובי שבות עמיeindeutig ein Heilsausdruck [ist]“ (Willi-Plein, Vorformen, 154), kann ihrer Ansicht nach eine ursprüngliche Verbindung von Hos 6,11b mit Hos 7,1aα in Betracht gezogen werden (vgl. aaO, 155); Jeremias, Hosea, 94 zieht in Betracht, dass es sich bei Hos 6,10–11a und 6,11b–7,1aα „um einen oder zwei Nachträge [handelt]“. 266 Vgl. für die wörtliche Verwendung u. a. Jes 9,2; 16,9; bildhafte Verwendung in Jes 17,11; Jer 51,33; Joel 4,13. 267 Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 150; diese Aussage muss dahingehend ergänzt werden, dass das angekündigte Gericht sich sowohl gegen Israel als auch gegen Juda richtet, wie der Anschluss von V.11 an V.10 mit גם („auch“) zeigt. 268 Nach Rudnig-Zelt handelt es sich bei Hos 6,11 um die jüngere Aussage, die bereits eine Abstraktion der Gerichtsaussage von Jer 51,33 und Joel 4,13 darstelle, da „der konkrete landwirtschaftliche Hintergrund“ (aaO, 150), der in Jer 51,33 und Joel 4,13 genannt wird, in Hos 6,11 bereits ohne Belang ist; sie vermutet eine Abfassung von Hos 6,11 in der hellenistischen Zeit (vgl. aaO, 151). 269 Willi-Plein, Vorformen, 155; vgl. zudem Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 152; Jeremias, Hosea, 94. 270 Vgl. Naumann, Hoseas Erben, 55f; anders Willi-Plein, Wiedererwägung, 55f. 271 Vgl. ebd.; vgl. zudem Jeremias, Hosea, 94, der שוב שבותals einen „eschatologischen Fachausdruck” bezeichnet. 272 Vgl. Hos 5,13; 6,1. 273 Vgl. Jeremias, Hosea, 94f.
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Kontextuell betrachtet schließt daher Hos 7,2 auf nachvollziehbare Weise mit der Aussage an, dass JHWH „all ihrer Bosheit“ ()כל־רעתם gedenkt und subsumiert auf diese Weise nicht nur das in Hos 7,1 genannte Verhalten, sondern darüber hinaus auch die in Hos 6,7–10a genannten Vergehen.274 Wie bereits in Hos 6,9b mit זמה („Schandtat“) und in 6,10a mit „( ׁשערוריהAbscheuliches, Grässliches“) subsumiert auch Hos 7,2 mit ( רעתBosheit) ein aus der Perspektive JHWHs formuliertes Urteil über die im Kult, in der Politik und in der Sozialsphäre von Israel vollzogene Taten, die das Fehlen jeglicher Gemeinschaftstreue in Israel eindrücklich vor Augen führen. Die Audienz, die JHWH in Hos 7,2 schließlich gewährt,275 wird daher nicht Israel, sondern seinen Vergehen zuteil.276 Zwischenergebnis Die Kategorie der „Unzucht“ ( זנהin Hos 5,3; רוח זנוניםin Hos 5,4) bzw. die Bewertung des Verhaltens Israels als „Unzucht“ ( ;זנותHos 6,10b) erfüllt in Hos 5,3f und in Hos 6,10b unterschiedliche kompositionelle Funktionen. In Hos 5,3f ist die Kategorie der Unzucht von den Tradenten277 eng mit der Erkenntnisthematik verbunden worden, wie der konzentrische Aufbau der kleinen literarischen Einheit zeigt: Während die Zugewandtheit JHWHs zu Israel darin Ausdruck findet, dass bei JHWH vollständige Kenntnis von Israel und seiner Unzuchtstaten vorhanden ist, findet die Abgewandtheit Israels vom eigenen Landesgott darin seinen Ausdruck, dass ein Unzuchtsgeist die Erkenntnis JHWHs verhindert bzw. sich erst infolge der mangelnden Zugewandtheit in Gestalt der ausbleibenden Erkenntnis JHWHs in Israels Inneren/Mitte ausbreiten konnte.278 Auf diese Weise werden auch die in Hos 5,1b–2a genannten Vergehen, wenn nicht selbst im kultischen Kontext verortet, so doch auf kultische Vergehen zurückgeführt. Dass die wahrnehmende Kenntnis Israels durch den Landesgott JHWH keine Entsprechung seitens Israels findet, wird dabei von Hos 5,4 mit einem „Unzuchtsgeist“ in Verbindung gebracht. Er repräsentiert die 274
Vgl. aaO, 94. Vgl. die kompositionsleitende Verwendung der Angesichtsthematik in Hos 5,5.15 6,2 7,2.10. 276 Vgl. Abschnitt 3.3.4; vgl. zudem Hartenstein, Das Angesicht JHWHs, 268–272. 277 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 60. 278 Vgl. Wolff, Wissen um Gott, 195, der darauf verweist, dass die copula in Hos 5,4b kausal oder adversativ übersetzt werden kann, dabei jedoch darauf hinweist, dass „der Sache nach der Mangel an דעתdem Hurenwesen voran[geht], so gewiß V. 4 a von der Rückkehr zu Jahwe spricht“ (Hervorhebung im Original). 275
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in Hos 5,4a genannten Taten, die – als „ihre Taten“ ()מעלליהם bezeichnet – den von Israel gewählten Lebensweg jenseits der Anerkennung des eigenen Landesgottes konstituieren. Dabei liegt der Formulierung „denn ein Unzuchtsgeist ist in ihrem Inneren/in ihrer Mitte“ ( )כי רוח זנונים בקרבםeine Körpermetaphorik zugrunde, die ihre Vorlage wohl in Hos 5,12 hat, in dem die Staaten Israel und Juda ebenfalls als Körper betrachtet werden und dort dem Angriff JHWHs als Krankheit ausgesetzt sind. Vergleicht Hos 5,12–14 zunächst das politische Ergehen Israels mit einem Angriff JHWHs auf sein eigenes Volk, der dem Befall eines Körpers durch eine Krankheit gleicht, so formuliert Hos 5,3f, dass der Angriff JHWHs auf Israel und Juda nur deswegen erfolgt ist, weil Israel statt JHWH einem Unzuchtsgeist die eigene (geistige) Mitte überlassen hat. Indem die Tradenten in Hos 6,10b die zweiten Vershälfte von Hos 5,3 fast wörtlich zitieren bzw. beide derselben kultkritischen Ergänzungsschicht zuzurechnen sind,279 werden die Texte nicht nur in eine kompositionelle Leselinie gestellt, sondern zugleich die in Hos 6,7–9 genannten Vergehen – gleich der Vergehen in Hos 5,1b– 2a – im Kult verortet bzw. mit kultischen Vergehen in Verbindung gebracht. In Hos 6,10b ist dabei jedoch keine explizite Verbindung zu der für Hos 5,3f zentralen und mit „( ידעwissen, kennen“) ausgedrückten Erkenntnisthematik vorgenommen worden. Stattdessen kommt Hos 6,10b im Rahmen von Hos 6,7–7,12 die kompositionelle Funktion zu, die zuvor bereits unter dem Stichwort „Abscheuliches“ (ׁשערוריה, Qere) subsumierten Vergehen kultisch zu begründen. Auf diese Weise wird nicht nur eine Verbindung zu der Kultkritik von Hos 6,1–6 hergestellt, sondern zugleich Hos 7,1–12 ebenfalls als Ausdruck der kultischen Abwendung vom eigenen Landesgott lesbar – eine kompositionelle Leselinie, die in Hos 7,4 und Hos 7,7 ihre textinternen „Anker“ gefunden hat.280 Ist es dabei in Hos 6,10a das „Sehen“ JHWHs, das das Wissen um Israels Vergehen zum Ausdruck bringt, ist es in Hos 7,2 das „Gedenken“ JHWHs, das der nun als „Bosheit“ ( )רעהsubsumierten Abwendung Israels vom Landesgott zuteilwird.
279
Vgl. Vielhauer, Werden, 227. Vielhauer, Werden, 227 rechnet aus diesem Grund Hos 7,4 derselben kultkritischen Ergänzungsschicht zu; Hos 7,7 sieht er hingegen als einen Bestandteil der ursprünglichen Grundschicht des Hoseabuches (Hos 5,1–2; Hos 6,6–7,12) an (vgl. aaO, 226). 280
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2.3.3 „Gehen“ in Hos 5,1–7.8–11.12–14.15; 6,1–6 und 7,8–12 „Gehen“ ( )הלךals Zu- bzw. Abwendungsgeschehen kommt in Hos 5,1–7,16 die Funktion eines kompositionsverbindenden Leitlexems zu (vgl. Hos 5,6.11.13.15; 6,1.4; 7,11f). Das Subjekt des Gehens ist dabei – bis auf Hos 5,14b.15a – stets Israel, so dass nicht die Gehbewegung an sich, sondern erst das Zielobjekt, auf das die Gehbewegung gerichtet ist, darüber entscheidet, ob es sich um eine Abwendung Israels von JHWH handelt (vgl. Hos 5,11.13; 7,11.12), die eine positive bzw. negative reziproke Entsprechung in der Reaktion JHWHs findet (vgl. Hos 5,6b.14b15a; 7,12). Die Zu- bzw. Abwendungsbewegung des „Gehens“ ist dabei in Hos 5,6.15; 6,1.4 im kultischen und in Hos 5,11.13f; 7,11f im politischen Kontext verortet. Über das kompositionelle Scharnierstück281 Hos 5,8–6,6 werden beide Themenbereiche miteinander verbunden.282 Hos 5,1–7.8–11.12–14.15 Der erste Beleg von הלךliegt in Hos 5,6 vor. Dass die Israeliten mit „ihrem Kleinvieh und ihren Rindern“ gehen, um JHWH zu suchen ()בקׁש, dient als Schilderung der Darbringung von Opfern für JHWH.283 Die gehende Zuwendung Israels zu JHWH, diesen im Opferkult zu suchen (vgl. Hos 5,6: )ילכו לבקׁש את־יהוה, resultiert jedoch darin, dass sie ihn nicht finden ()ולא ימצאו, da er sich ihnen im Opferkult bereits endgültig entzogen hat ( חלץPerf.). Die kultischen Bemühungen, die Hos 5,6 schildern, werden als vergeblich dargestellt, die Zuwendung Israels zu JHWH im Kult findet keine Antwort in einer positiven, sondern in einer negativen Reziprozität, die als endgültige Abwendung JHWHs dargestellt wird. Argumentativ liegt Hos 5,15–6,6 mit dem Beleg in Hos 5,6 auf einer Ebene bzw. geht diesem sogar voraus,284 da in Hos 6,1–3.4–6 die im Opferkult gesuchte Erkenntnis Gottes von diesem Opferkult losgelöst und ihm kontrastiv gegenübergestellt wird (vgl. Hos 6,6). Begründet wird die Ablehnung der kultischen Suche nach JHWH in Hos 6,4 dabei unter Aufnahme des Leitlexems הלךmit einem Mangel an Treue ()וחסדכם כענן־בקר וכטל מׁשכים הלך, die in Hos 5,3f mit der Kategorie der Unzucht bzw. einem Unzuchtsgeist, dem das Innere/die Mitte Israels überlassen wurde, ausgedrückt wird. Dementsprechend wird die Vergeblichkeit des Suchens JHWHs im 281
Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 298. So bereits Vielhauer, Werden, 93, der jedoch davon ausgeht, dass „in diesem Text die kultischen Anklagen den politischen erst redaktionell zugefügt wurden“. 283 Vgl. 2Chr 11,16; 20,4 und Sach 8,22. 284 Vgl. aaO, 108f. 282
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israelitischen Opferkult von Hos 5,6b damit begründet, dass JHWH sich Israel endgültig entzogen hat. Die Unzucht Israels konstituiert dabei die Abwendung von JHWH, die ihre Entsprechung in der Abwendung JHWHs von Israel findet (vgl. Hos 5,6b). Betrachtet man, welche Tätigkeiten alttestamentarisch von JHWH mit Formen von ( חלץPi./Nif.) ausgedrückt werden, so wird mehrheitlich ein Rettungs- bzw. Befreiungshandeln JHWHs beschrieben. Die einzige Parallele zur im Qal ausgedrückten Entzugshandlung in Hos 5,6 findet sich in Jes 20,2 im Rahmen der Aufforderung: „Und löse (d. h. ziehe ab, befreie) deine Sandale von deinen Füßen“ ()תחלץ מעל רגליך. Es steht nicht die Befreiung der Füße von der Sandale, sondern die Loslösung der Sandale von den Füßen im Vordergrund. Wird demnach in Hos 5,6b gesagt, dass JHWH sich „von ihnen“ ()מהם gelöst hat, so wird eine Ablösung als Selbstbefreiung JHWHs von Israel formuliert.285 Ihre Suche nach JHWH bleibt erfolglos, 286 da JHWH sich ihnen bewusst und endgültig (vgl. V.6: Perfekt von )חלץ entzogen hat, d. h. von ihnen nicht mehr gefunden werden will. Da die Israeliten auf dem Weg des Opferkultes versucht haben, JHWH zu suchen und zu finden, zeigt der Entzug JHWHs, dass er sich auf diese Weise nicht mehr finden lassen wird. Israels Suchen ( )בקׁשvon JHWH im Kult wird textintern nicht mehr als Umkehr ( )ׁשובzu JHWH (vgl. Hos 5,4a; vgl. Hos 5,15–6,6), sondern als eine ihrer abzulehnenden „Taten“ ( )מעלליהםverstanden. Der zweite Beleg findet sich mit Hos 5,11 in einem Abschnitt (Hos 5,8–11), welcher durch eine politische Dimension geprägt ist und gegenüber Hos 5,1–7 den Beginn einer neuen thematischen Einheit markiert.287 Eine strukturelle Ähnlichkeit besteht dabei zum ersten Abschnitt (V.1–7) dahingehend, dass auch der zweite Abschnitt durch Imperative (V.8a–bα) sowie die Nennung von drei Ortschaften (V.8α–bα) eröffnet wird. Anders als in V.1aα wird jedoch weder ersichtlich, wer der Sprecher288 der Aufforderungen ist, noch bei 285
Vgl. Wolff, Hosea, 127. Vgl. Am 8,12. 287 Vielhauer, Werden, 226 betrachtet Hos 5,8–14 als Bestandteil der ersten Ergänzungsschicht (Hos 5,8–14 und Hos 8,7–10), in deren Rahmen „die Gerichtsbotschaft auf das Südreich Juda aus[geweitet wird]“. Nach Kratz, Prophetenstudien, 295 geht es in den Einzelsprüchen von Hos 5,8–11 um „Vorfälle eines innerpalästinischen Grenzkonflikts zwischen Efraim und Juda im Zusammenhang des syrisch-efraimitischen Krieges“. 288 Nach Wolff, Hosea, 142 tritt Hosea „mit der erregenden Aufforderung auf, Alarm zu blasen“; nach Jeremias, Hosea, 80 „nimmt der Prophet in V.8 im Namen Gottes die Rolle eines Heeresobersten an“; anders Bons, Hosea, 85, dem es unklar erscheint, „wer in 5,8 zu militärischen Aktivitäten aufruft. […] Es scheint weder JHWH zu sein noch der Prophet. Eher handelt es sich um eine uns unbekannte Stimme, die Hosea hier zitiert“. 286
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wem es sich um die Adressaten handelt. Während in Hos 5,1 von den Führungskreisen Israels im Rahmen einer dreigliedrigen Imperativkette Aufmerksamkeit gegenüber einem von JHWH ergehenden Urteil eingefordert wird, wird in V.8 zu einem dreifachen akustischen Signal appelliert: In V.8aα wird unter Verwendung des Terminus technicus „( תקע ׁשופרins Schofarhorn stoßen“) zum Ertönenlassen eines Warn- bzw. Alarmierungstons in Gibea durch ein Schofarhorn aufgefordert, in V.8aβ durch eine Trompete ( )חצצרהin Rama und in V.8bα zum Anstimmen von Geschrei ( )רועin BetAwen. Die akustischen Signale beider genannten Instrumente dienen prinzipiell dazu, die Aufmerksamkeit eines Kollektivs zu wecken bzw. einem Kollektiv besondere Ereignisse anzuzeigen. Das Ertönen der Instrumente sowie das Anstimmen von Geschrei/Jubel ( )רועwird alttestamentlich sowohl im Rahmen festlicher Anlässe als auch im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen geschildert. Der kriegerische Aussagegehalt von V.8bβ289 ist dabei zwar eindeutig, es wird jedoch nicht klar, ob es sich um eine Warnung an Benjamin („Hinter dir, Benjamin!“) oder um einen Aufruf handelt, sich hinter Benjamin zu formieren („Dir nach, Benjamin!“).290 Kontextuell wird erst durch die Ankündigung der Verwüstung ()ׁשמה291 Efraims an einem „Tag der Zurechtweisung“ ( )יום תוכחהin V.9a deutlich, dass V.8 auf kriegerische Auseinandersetzungen bezogen ist, in deren Rahmen Israel zum Leidtragenden werden wird.292 Der angedeutete Konflikt wird dabei in der exegetischen Forschung zumeist auf Auseinandersetzungen zwischen Juda und Israel im Rahmen des syrisch-ephraimitischen Krieges bezogen.293 V.8 lässt sich dabei als eine an Israel gerichtete Aufforderung zur Warnung der Bevölkerung im Vorfeld kriegerischer Auseinandersetzungen lesen. 289
Die einzige weitere Stelle im Alten Testament, an der die Formulierung אחריך בנימיןverwendet ist, ist Ri 5,14. Im Siegeslied der Deborah ist Benjamin einer der Stämme, die gelobt werden. 290 Vgl. Jeremias, Hosea, 81, Anm. 13. 291 Vgl. Gesenius18, שמה, 1375f. 292 Kratz, Prophetenstudien, 295, Anm. 27 geht davon aus, dass „das ursprüngliche Wort […] entweder eine Klage über einen drohenden Angriff gegen das Nordreich (Hos 5,8f.11a) [war], ähnlich den Klagen über die innenpolitischen Zustände in 6,7ff; 7,3ff, oder eine Drohung gegen den judäischen Aggressor aus Juda (Hos 5,8.10)“. 293 Vgl. Jeremias, Hosea, 81, nach dessen Sicht der Angriff in der benjaminitischen Stadt Gibea seinen Anfang nimmt, nach Norden hin über die an der Grenze zu Efraim/Israel gelegene benjaminitische Stadt Rama verläuft und schließlich im Nordreich Israel Bet-Awen/Bet-El trifft; Rudolph, Hosea, 126 führt die Auswahl der Orte dabei auf ihre Lage „an der Heeresstraße […] die von Jerusalem nach Norden führt“ und auf ihre Höhe („aus der Höhe trägt der Schall weiter“) zurück.
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Kontextuell wird diese Warnung vor einer Auseinandersetzung jedoch durchlässig für die theologische Deutung des Konflikts als einer Auseinandersetzung JHWHs mit Israel und Juda, die für Israel am Tag der Zurechtweisung bedeutet, zu einem Schrecknis bzw. zu einer schaurigen Öde ( )ׁשמהzu werden und für Juda, dass JHWH über ihnen seinen Zorn ausgießen wird (vgl. V.9a; 10b).294 In der Reflexion der Tradenten wird beiden Nationen daher von JHWH her das Ende angekündigt (Hos 5,12–14).295 Von V.9b her wird ersichtlich, dass ab V.9a JHWH als sprechendes Subjekt impliziert ist. Der politische Konflikt zwischen den mit Stammesnamen bezeichneten Größen „Benjamin“ und „Efraim“ wird im Rahmen von V.9 mit einer theologischen Dimension versehen. Die in V.8 angekündigte kriegerische Auseinandersetzung wird durchlässig für die theologische Deutung der Auseinandersetzung als eines von JHWH angesetzten „Tags der Zurechtweisung“ für Efraim (V.9a). Dieses Geschehen wird dabei als etwas Feststehendes, Gewisses (Part. Nif. )אמןbezeichnet, das JHWH die Stämme Israels hat wissen lassen bzw. unter den Stämmen Israels bekannt gemacht hat (V.0b: ידעHi.). Der Bezug auf die Stämme Israels in V.9b stellt dabei einen Rückbezug auf die Verwendung der Stammesbezeichnungen in V.8 dar und verbindet auf diese Weise die Argumentation der beiden Verse. Mit der Bezeichnung des in V.9a angekündigten Tages als eines „Tags der Zurechtweisung296“ ( )יום תוכחהwird die in V.2b 294
Die vorhandene Durchlässigkeit der Ankündigung kriegerischer Auseinandersetzungen als eine Auseinandersetzung JHWHs mit Israels und Judas Vergehen wird auch daran ersichtlich, dass es in der prophetischen Literatur zumeist JHWH ist, der eine Nation zu שמהwerden lässt bzw. dieses Ergehen ankündigt (vgl. Jer 19,8; 25,9.11.18; 29,18; 42,18; 44,12.22; 49,13.17; 51,29.37; Ez 23,33; Hos 5,9; Mi 6,16). 295 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 294. 296 Von תוכחהist neben Hos 5,9 nur in 2Kön 19,3 // Jes 37,3 und Ps 149,7 die Rede. In 2Kön 19,3 // Jes 37,3 wird der Tag dabei als יום־צרה ותוכחה bezeichnet. Bei צרהhandelt es sich um eine Bedrängnis/Not, die selten von JHWH selbst ausgeht. Mehrheitlich wird JHWH stattdessen als derjenige genannt, der Einzelne bzw. sein Volk aus Not befreit bzw. der um Rettung aus Not gebeten wird (vgl. 2Sam 4,9; 1Kön 1,29; 2Chr 20,9; Hi 5,19; Ps 20,2; 22,12; 25,22; Jes 33,2; 63,9; Jer 15,11; 16,19; Jona 2,3; Nah 1,7). Wird er als derjenige genannt, der die Bedrängnis verursacht bzw. der zulässt, dass andere Nationen sein Volk in Bedrängnis bringen (vgl. Neh 9,27), so wird dies zumeist als Reaktion JHWHs auf von Israel begangene Vergehen geschildert (vgl. Dtn 31,16f; Neh 9,26). Dieser reziproke Aspekt steht auch in Ps 149,7 im Vordergrund, in dem JHWH als derjenige gepriesen wird, der Vergeltung/Rückerstattung ( )נקמהan den Nationen und Zurechtweisung ( )תוכחהgegenüber den Völkern ( )אמיםübt. Der Begriff impliziert, dass jemand von JHWH mit den Konsequenzenseiner Taten konfrontiert wird. In
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angekündigte Korrektur ( )מוסרaufgegriffen. Mit der Verwendung von מוסרund תוכחהzur Beschreibung der Interventionen JHWHs wird auf weisheitliche Terminologie und Vorstellungshintergründe zurückgegriffen. In der Spruchweisheit werden beide Begriffe auch synonym verwendet.297 In diesen erzieherischen Zuwendungen wird JHWHs Wille erkennbar, bis zuletzt eine Rückkehr Israels zu ihm zu ermöglichen. Da die Annahme der Zurechtweisung weisheitlich als eine Frage des Willens betrachtet wurde,298 zieht ihre Ablehnung den Zorn JHWHs nach sich (vgl. Hos 5,10b). Gemäß V.9b lässt JHWH Efraim an seinem Wissen partizipieren, jedoch jetzt nicht mehr, um noch eine Verhaltensänderung herbeizuführen, sondern um das bei ihm beschlossene Vorgehen gegen Efraim anzukündigen (V.9b). Dass dabei der in V.9a angekündigte „Tag der Zurechtweisung“ bereits die Ablehnung jeglicher Einsicht eigener Schuldhaftigkeit sowie die Ablehnung der Umkehr zu JHWH voraussetzt, wird anhand der Ankündigung ersichtlich, dass Efrain an diesem Tag zur Wüste bzw. (für andere) zum Anlass des Entsetzens ( )ׁשמהwerden wird (V.9aα). Die Bezeichnung als ׁשמהdrückt dabei nicht den Angriff („verwüsten“), sondern das Resultat des Angriffs bzw. der Zurechtweisung aus: Efraim wird zu einem Entsetzen hervorrufenden „Wüstland“ werden, d. h. unbewohnt und unbewohnbar sein.299 Der Tag der Zurechtweisung stellt sich somit als ein Tag dar, der nicht mehr auf eine Verbesserung Israels zielt, sondern der Konfrontation Israels mit den Folgen aus ihrem Ungehorsam und Unwillen dient, zu JHWH umzukehren. Diese Konfrontation impliziert dabei das Ende Efraims, das zugleich eine Mahnung für andere darstellt. Die Verse 9–11 changieren dabei zwischen den Vergehen Efraims und Judas. Kann Juda in V.8 noch als Gerichtswerkzeug JHWHs betrachtet werden, das er am „Tag der Zurechtweisung“ (V.9) gegen Efraim einsetzt, so wendet sich V.10 gegen die judäischen Beamten ( )ׂשרals eines Führungskreises von Juda. Auffällig ist, dass V.10 einen Führungskreis Judas kritisiert, der bezogen auf die Hos 5,9 kann JHWH als das Subjekt angesehen werden, welches einen Tag der Zurechtweisung für sein eigenes Volk ankündigt. Zef 1,14ff kündigt eine gesteigerte Version dieses Tages an und beschreibt ihn als einen Tag des Zorns ()עברה, einen Tag von Not ( )צרהund Bedrängnis ()מצוקה, von Verwüstung ( )שואהund Ödnis/Ruin ()משואה, von Finsternis ( )חשךund Dunkelheit ()אפלה, Bewölkung ( )ענןund Wolkendunkel ()ערפל, zudem von Schofar ( )שופרund Geschrei ()תרועה. An die Schilderung dieses Tages schließt sich in V.17 die Begründung – Vergehen gegen JHWH – an. 297 Vgl. Spr 3,11; 5,12; 6,23; 10,17; 12,1; 13,18; 15,5.10.32. 298 Vgl. Branson, Art. יסר, 696. 299 Dabei handelt es sich um ein Ergehen, dass sowohl Israel und Juda als auch den Nationen (von JHWH her) zuteilwerden kann, vgl. Jer 44,22; 46,19; 48,9; 50,3; 51,29.37.43; Sach 7,14.
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Führungskreise Israels nicht mit dem Urteil JHWHs konfrontiert wird (vgl. V.1). Dass zu ihrer Beschreibung in V.10a die Form des Vergleichs gewählt wurde („Geworden sind die Beamten Judas wie Grenzversetzer“, )היו ׂשרי יהודה כמסיגי גבול, warnt vor einer zu starken Identifizierung der Beamten mit wirklichen Grenzversetzern, auch wenn Annexionen von efraimitischen Territorien u. a. im Nachgang des syrisch-ephraimitischen Krieges stattgefunden haben können.300 Selbst wenn es sich jedoch nur um einen Vergleich des Verhaltens der Beamten von Juda mit dem von Grenzversetzern handelt, so macht dieser Vergleich doch das Missfallen JHWHs an dem judäischen Verhalten deutlich. Da JHWH alttestamentlich als derjenige betrachtet wird, der Grenzen setzt und das ganze Land unter den Stämmen verteilt hat bzw. verteilen ließ, ist das Versetzen von Grenzen nicht nur ein Vergehen gegen den Mitbürger und die Vorväter, sondern zugleich ein Vergehen gegen JHWH als den Geber des Landes und impliziten Landesherrn. Aus diesem Grund wird den Beamten von Juda in V.10b eine Konfrontation mit dem Zorn ()עברה JHWHs angekündigt, den dieser „wie Wasser“ ( )כמיםüber ihnen ausgießen wird. Der Zorn JHWHs stellt sich dabei alttestamentlich grundsätzlich nicht als irrationale Wut gegen jemanden dar, sondern als eine aus JHWHs Gerechtigkeit entspringende reziproke Reaktion auf Ungerechtigkeit und Vergehen.301 Die zerstörerische Energie dieser Reaktion, die im Alten Testament vor allem mit der von Wasser und Feuer verglichen wird,302 ergibt sich dabei aus dem Wesen der Taten als Vergehen und dem Maß ihrer Ungerechtigkeit. Der sich in ihren Taten verwirklichenden Ablehnung JHWHs als Landesherrn stellt JHWH in seiner Reaktion seine Ablehnung des Verhaltens der Beamten in Form seines Zorns entgegen.
300
Vgl. u. a. Wolff, Hosea, 144f, der mit Verweis auf Hos 9,10; Ex 22,24; Ez 16,31 היו כnicht als „Geworden …wie…“, sondern als „wirken als“ bzw. „handeln wie“ übersetzt; Jeremias, Hosea, 81; Rudolph, Hosea, 128; Nogalski, Hosea, 89; vorsichtiger drückt sich Bons, Hosea, 86 aus: „Wiederum wird wohl nur dem zeitgenössischen Publikum klar gewesen sein, auf welche Handlungen der Politiker oder Militärs Judas der Prophet hier anspielt“. 301 Vgl. zur Thematik des göttlichen Zorns u. a. Schmitz, JHWH: barmherzig, gnädig, zornig, 16ff; Hartenstein, Ein zorniger und gewalttätiger Gott?, 110ff; Jeremias, Zorn Gottes; ders., Gottes Zorn, 311ff; Joo, Provocation, 19ff; Wagner, Emotionen, 68ff; Miggelbrink, Der zornige Gott, 114ff; Scoralick, Gottes Güte und Gottes Zorn, 86ff; Latvus, God, 89ff; Janowski, Ein Gott, der straft und tötet?, 31ff. 302 Vgl. Jes 9,18; Ez 7,8; 21,36; 22,21.31; 38,19.
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Anders als V.10 liegt in V.11a eine Zustandserklärung303 Efraims vor, in deren Rahmen die Unterdrückung (Part. Pass. )עׁשקEfraims und das „Zerbrochensein“ an Recht ( )מׁשפטgeschildert wird.304 Dieser Zustand bzw. diese Situation wird im כי-Satz von V.11b mit Efraims Entschluss begründet, einem Feind bzw. Nichtigen hinterherzugehen ()כי הואיל הלך אחרי־צו. Diese Aussage wird im Rahmen der exegetischen Forschung mit Efraims Bündnis mit Syrien/Aram gegen Assyrien (und Juda) in Verbindung gebracht.305 Der Eindruck einer Zustandserklärung – statt einer Klage306 – ergibt sich dabei daraus, dass zwischen V.11a und V.11b nur die Korrelation von derzeitigem Ergehen und begangener Tat geschildert wird, ohne dass mit dieser Aussage ein (klagender) Wehe-Ruf oder die Ankündigung einer Intervention JHWHs verbunden wäre. Die Folgen, die sich aus Efraims Entschluss ergeben, werden dabei mit Unterdrückung (Part. Pass. )עׁשקund dem Zerbrochenwerden (Part. Pass. )רצץam Recht angegeben. Die in Hos 5,11 geschilderte Situation stellt sich daher als politischer Machterweis eines Dritten gegenüber Efraim dar, den Efraim durch seinen eigenen Entschluss ( יאלHif.) selbst ermöglicht hat.307 Schließt man sich der in der exegetischen Forschung vertretenen Sicht an, dass in V.11 auf die Bündnispolitik Efraims mit Aram Bezug genommen wird, so liegt das Urteil über dieses Bündnis in V.11b vor. In V.11b wird durch die Beschreibung von Israels Verhalten als „( הלך אחריnachfolgen, hinterhergehen“) nicht nur eine freiwillige Hingabe Israels an den Bündnispartner ausgedrückt,308 sondern durch dessen Bezeichnung als „Feind/Nichtiges“ zugleich seine Unwürdigkeit als Adressat dieser Hingabe festgestellt. Israels vertrauensvolle Hinwendung zu einem Feind/Nichtigem impliziert zugleich die schuldhafte Abwendung von JHWH, zu der sich Israel 303
So mit Nogalski, Hosea, 90: „The verse presumes a situation in which Ephraim has been defeated, yet it does not call for pity for Ephraim. Rather, it explains Ephraim´s current situation”. 304 So auch Bons, Hosea, 87, der übersetzt „Efraim ist unterdrückt, sein Recht zertreten“; anders übersetzt Rudolph, Hosea, 129: „Ephraim ist ‚mißhandelt und zerbrochen vom Gericht‘“; Willi-Plein, Vorformen, 145 bietet die Übersetzung „Bedrückt ist Ephraim, am Recht geknickt“. 305 Vgl. Rudolph, Hosea, 129; Nogalski, Hosea, 90; vgl. Jedoch Bons, Hosea, 87, der schreibt: „Wiederum ist es schwierig, das inhaltliche Verhältnis dieser Aussage zum Kontext genauer zu bestimmen und sie in eine historische Situation einzuordnen“. 306 Dass es sich bei V.11 um eine Klage handelt, wird u. a. von Wolff, Hosea, 145 und Bons, Hosea, 87 („eine Art Klage“) vertreten. 307 Vgl. Dtn 28,33. 308 Die Formulierung „ הלך אחריmeint, auf die Götter bezogen, den kultischen Dienst“ (Helfmeyer, Art. הלך, 424).
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bewusst entschlossen hat ( הואילHif.). Die Hingabe Efraims an einen Feind entspricht dabei der Abkehr Efraims vom eigenen Landesgott JHWH. Die auf eine fremde Größe bezogene Tätigkeit des הלך אחרי impliziert dabei nicht nur einen Verstoß gegen das erste Gebot, sondern zugleich die Negation der gesamten, auf JHWHs freiwilliger Zuwendung zu Israel basierenden Heilsgeschichte.309 Dieser Abkehr entspricht es, dass gerade die Bezeichnung als „Volk JHWHs“ bzw. „mein Volk“, trotz der vielfältigen Bezeichnungen, die sich für „Israel“ in Hos 5,1–7.8–11 finden,310 nicht verwendet wird. In der Abwendung von JHWH verlässt Efraim den eigenen Schutzraum des Landes und JHWH als Garanten des Rechts und ist der Unterdrückung und dem Zerbruch am Recht somit hilflos ausgeliefert (Hos 5,11a: – )מׁשפטeine Tatsache, für welche die Führungskreise von Israel ein Urteil (Hos 5,1: )מׁשפטvon JHWH empfangen. Der politischen Verortung des Gehens Israels als Abwendungsbewegung von JHWH in Hos 5,11 entspricht das ebenfalls im politischen Kontext verortete „Gehen“ Israels als Zuwendung zu Assyrien in Hos 5,13. Der Vers gehört dabei zu einem Abschnitt (Hos 5,12–14), der als theologischer Reflexionstext der Tradenten angesehen werden kann.311 Diese parallelisieren dabei die in Hos 5,8–11 literarisch vorausgesetzten Vergehen im syrischefraimitischen Krieg mit den Bündnisbemühungen Israels. Im Anschluss an Kratz kann dabei die Sicht vertreten werden, dass „mit dem Laufen Efraims nach Assur […] Bündnisbemühungen Israels, vielleicht der Tribut Menachems und jedenfalls die proassyrische Politik des Königs Hosea, gemeint [ist]; und sollte in der entsprechenden Zeile auch an Juda gedacht oder der Name gar zu ergänzen sein (s. BHS), wäre zudem das freiwillige Vasallitätsverhältnis des Ahas im Blick“312. Wie bereits in V.2b wird auch die Aussage von V.12a durch die betonte Verwendung des Pronomens „( אניich“) für die Beschreibung von JHWHs reziproker Reaktion verwendet. Im Rahmen des Parallelismus von V.12 werden die beiden Staaten Israel und Juda zusammen in den Blick genommen, während sie zuvor in den V.8–11 jeweils für sich thematisiert wurden. Im Unterschied zu V.2b, der JHWH als personifizierte Korrektur darstellt, vergleicht V.12 JHWH mit Krankheiten313. Die Verwendung von „( לfür, in Bezug auf, 309
Vgl. Helfmeyer, Art. אחרי, 223. Vgl. Hos 5,1 („Haus Israel); V.3aα („Efraim“); V.3aβ („Israel“); V.9b („Stämme Israels“). 311 Vgl. Jeremias, Hosea, Kratz, Prophetenstudien, 294. 312 Kratz, Prophetenstudien, 294. 313 Für die Deutung von עשals Krankheit („Eiter, Fäulnis“) und nicht als „Motte“ (anders Riede, Motte, 139ff) spricht die Fortführung in V.13 mit 310
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gemäß“) bringt dabei die negative Zuwendung JHWHs zu Efraim und dem Haus Juda zum Ausdruck. Wie die Ausdrucksform des Vergleichs zeigt, vollzieht sich diese Zuwendung in der Art des Befalls bzw. des Getroffenwerdens durch Krankheiten. Während von V.15 her der existenzbedrohende Angriff JHWHs auf die staatliche Existenz Israels und Judas als eine Form der Bedrängnis (um)gedeutet wird, die zukünftig zur Umkehr Israels/Judas führen soll, macht V.13 deutlich, dass Efraim und Juda in ihrer Bedrängnis erneut (vgl. V.11b) nicht die Hilfe JHWHs, sondern die Hilfe Dritter gesucht haben.314 Als Anzeichen der Gefährdung des staatlichen Bestandes bzw. der staatlichen Existenz, die von V.12 als „Erkrankung an JHWH“ gedeutet wird, kann auf „den ersten assyrischen Schlag gegen Israel und die bedrohliche Lage für Juda nach den assyrischen Feldzügen gegen Philistäa (Gaza), Damaskus und Samaria in der Zeit von 734–732 v. Chr. angespielt sein“315. Schließt man sich der Deutung an, wonach es sich bei V.12 um eine Selbstaussage JHWHs handelt, die darstellt, dass seine Zuwendung zu Efraim und Juda wie eine existenzgefährdende Krankheit ist,316 so macht V.13b deutlich, dass diese nicht auf die Auslöschung, sondern auf die Umkehr Israels und Judas zielt, ohne dass diese Hoffnung erfüllt wird. Auf die Wahrnehmung der eigenen Not (V.13a: ראה, „sehen“) folgt jedoch nicht das Suchen der Heilung bei JHWH,317 sondern im Rahmen von Bündnisbemühungen bei Assyrien als einer politischen Großmacht. Die Bestandssicherung des Staates wird nicht der Macht des eigenen Staats- und Landesgottes, sondern der Macht Assyriens zugetraut, der man sich gehend ( )הלךzuwendet. Existierte im Rahmen von V.13 noch die Möglichkeit und der Handlungsspielraum für Efraim und Juda, Hilfe bei anderen als bei JHWH zu suchen, so wird Ihnen diese Möglichkeit und dieser Handlungsspielraum im Rahmen von V.14 genommen. Werden Efraim und Juda in V.13a noch als autonom handelnde „Körper(schaften)“ geschildert, die „( הלךgehen“) und „( ׁשלחsenden, schicken“) – und dabei zugleich der Auseinandersetzung mit JHWH entgehen, d. h. ausweichen können – so erscheinen sie im Rahmen von V.14 als Objekte der reziproken Handlungen JHWHs, die gegen weiterer Krankheitsterminologie: „( חליKrankheit“, 17,17) und „( מזורGeschwür“, vgl. Jes 30,13); vgl. 146. 314 Vgl. Abschnitt 2.3.5. 315 Kratz, Prophetenstudien, 294. 316 Vgl. Bons, Hosea, 88: „JHWH selbst ist wie Knochenfraß) für beide, d. h., sie sind krank Einwirken“; anders Riede, Motte, 139ff. 317 Vgl. Abschnitt 2.3.5.
vgl. Dtn 7,15; 1Kön zudem Wolff, Hosea,
Eiter und Fäulnis (= infolge von JHWHs
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JHWH als Löwen ( )ׁשחלbzw. als den noch aggressiveren Junglöwen ( )כפירnichts mehr ausrichten können.318 Während in V.13aα angesichts der Wahrnehmung des eigenen Zustands für Efraim und Juda noch die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr zu JHWH bestand, impliziert V.14 durch die Verwendung des Verbums „( נׂשאwegtragen“), dass nun JHWH selbst eine gegen den Willen Efraims und Judas initiierte „Umkehr“ stattfinden lässt. Jetzt ist es JHWH,319 der reißt ()טרף, geht ( )הלךund wegträgt (– )נׂשא ohne, dass irgendjemand Israel (und Juda) aus dieser Lage retten bzw. befreien (Part. Hi. )נצלkönnte (vgl. V.14bβ).320 Der Löwenvergleich versinnbildlicht JHWHs überlegene (politische) Macht, gegen die kein Fremdherrscher etwas ausrichten kann, die aber auch Israel und Juda nicht mehr zum Heil gereicht, sondern sich als tödliche Aggression gegen sie richtet.321 JHWH selbst wird somit für das (staatliche) Ende der Existenz Israels und Judas verantwortlich gemacht.322 Dieses Ende des Abschnitts wird im Rahmen der Erweiterung der Komposition um Hos 5,15–6,6323 dahingehend relativiert, dass JHWHs Gehen (vgl. Hos 5,15: )הלךnun zu einem Rückzug von Israel (und Juda) und sein Reißen zu einem „Bedrücken“ ()צרר uminterpretiert wird, das zeitlich begrenzt ist und Israel und Juda zu einer Suche JHWHs ( )בקׁשmotivieren soll. V.15 führt einen neuen Gedankengang ein,324 ist jedoch durch die Aufnahme des Stichworts „( ׁשובwenden, umkehren“) sowie des Leitworts325 „( הלךgehen“) mit 318
Vgl. Schroer, Tiere, 92–96; Keel, Bildsymbolik, 75f.; Riede, Netz, 150ff.162ff. 319 Vgl. die betonte Verwendung von „( אני אניIch, ich“) in V.14bα. 320 Chalmers, No Deliverer, 287ff sieht אין מצילals eine Formel an, deren Funktion er mit „an assertion of power and incomparability“ (292) bestimmt und die „may have originated as a folk, or popular/proverbial saying, associated with the lion“ (289). 321 Vgl. Ps 7,3, in dem jedoch nicht die Aggression JHWHs, sondern des Feindes „in dem Bewegungsablauf des zuschlagenden, packenden und zerfleischenden Löwen […] nachgebildet [ist]“ (Janowski, Konfliktsgespräche, 144); die Aussichtslosigkeit der Situation bringt dabei die Formulierung „( ואין מּצילund keiner [ist da], der rettet“) zum Ausdruck, die sich sowohl in Ps 7,3bβ als auch in Hos 5,14bβ findet. 322 Vgl. Jeremias, „Ich bin wie ein Löwe“, 115: „So enden V.12–14 in absoluter Hoffnungslosigkeit“. 323 Mit Vielhauer, Werden, 226 setzt Hos 5,15–6,6 bereits Hos 5,8–14 voraus. 324 Während V.14b suggeriert, dass Efraim und Juda die Beute JHWHs sind, die von diesem weggetragen wird, setzt V.15 voraus, dass JHWH alleine an seinen Ort umkehrt und dort darauf wartet, von Efraim und Juda gesucht zu werden. 325 Vgl. Hos 5,6a.11b.13a.14b.15a.
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der Kompositionsstruktur von Hos 5,8–14 verbunden. Dass die Bewegungsverben von V.13a–15 dabei von zentraler Bedeutung für die Darstellung der Reziprozität der Beziehung JHWHs und Efraims sowie Judas sind, macht vor allem die Verwendung von הלך („gehen“) in V.13a–15a deutlich. Erfolgt in V.12f auf die Zuwendung JHWHs die Abwendung Efraims und Judas als Gehen nach Assyrien, so erfolgt in V.15a auf die Zuwendung JHWHs zu Efraim und Juda das Gehen und Umkehren JHWHs an seinen Ort ( )אל־מקומיund stellt die Erwiderung ihrer Abwendung von ihm dar.326 Dass diese Abwendung (vgl. V.6b) keinen dauerhaften Beziehungsabbruch darstellt, verdeutlicht V.15b mit der Nennung einer Frist bzw. Bedingung (עד, „bis“). Die Abwendung JHWHs von Efraim und Juda wird dabei gemäß V.15aβ solange von ihm aufrechterhalten, bis diese ihre Schuld büßen ( )אׁשםund sein Angesicht suchen ()בקׁש, d. h. aber: bis sie sich mit den eigenen Vergehen auseinandersetzen und sich JHWH zuwenden. Der zentrale Unterschied zwischen V.6 und V.15a besteht daher in der durch אׁשם („Schuld büßen“) ausgedrückten Einsicht in die eigene Schuldhaftigkeit. Diese Einsicht Efraims und Judas ist textintern jedoch noch nicht vorhanden, sondern spiegelt sich (wenn überhaupt) erst in dem „Bußlied“327 von Hos 6,1–3. Dass Efraim und Juda dabei auch zu dieser Einsicht nur durch die „bedrückende“ Zuwendung JHWHs finden, verdeutlicht V.15b. Hos 6,1–6328 Während es sich bei Hos 5,12–14 um einen Reflexionstext handelt, in dessen Rahmen die Tradenten Hos 5,8–11 „theologisch neu interpretieren“329, handelt es sich bei Hos 5,15–6,6 um einen Kompositionsabschnitt, der wiederum bereits auf Hos 5,8–11.12–14 reagiert und diesen neu interpretiert, indem er die kultische Perspektive mit der politischen Perspektive verschränkt.330 Dabei zeigt sich die enge kompositionelle Verknüpfung beider Perspektiven insbesondere anhand der Reziprozitätsvorstellungen in Hos 5,14f und Hos 6,1aα.331
326
Damit wird die tödliche Zuwendung JHWHs zu Israel und Juda in V.14 relativiert. 327 Vgl. Wolff, Hosea, 148. 328 Vgl. Abschnitt 2.3.1 bezüglich der Kompositionsstruktur von Hos 6,1–6. 329 Kratz, Prophetenstudien, 294. 330 Vgl. Vielhauer, Werden, 93. 331 Vgl. Abschnitt 2.3.4 und 2.3.5 bezüglich der Verwendung weiterer kompositionsverbindender Leitlexeme.
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Hos 5,15 fungiert zunächst als kultisch-theologische Relativierung von Hos 5,14.332 Während Hos 5,14 eine tödliche Reziprozität zwischen dem politisch verorteten „Gehen“ Israels nach Assyrien (V.13) und dem „(Weg)Gehen“ JHWHs als Löwe mit Israel als Beute ankündigt, impliziert das Gehen JHWHs in Hos 5,15 nur noch einen Rückzug von Israel und Juda, der zudem zeitlich begrenzt ist. Die auf politischer Ebene vollzogene Hinwendung Israels nach Assyrien (V.13) resultiert nach Hos 5,15 nicht mehr länger in der Israel (und Juda) den Tod bringenden Reaktion JHWHs (V.14). Vielmehr reagiert JHWH als der Landesgott Israels und Judas auf deren Abwendung nun mit einer eigenen Abwendung, die in V.15 unter Aufnahme des Leitlexems „gehen“ ( )הלךaus V.13 und V.14 ausgedrückt und unter Verwendung von „wenden“ ( )ׁשובals eine sich als Abwendung vollziehende Rückkehr an „meine Stätte/meinen Ort“ ausgedrückt wird.333 Indem Hos 6,1 beide Lexeme – „gehen“ ()הלך und „wenden“ ( – )ׁשובaufnimmt, wird die kompositionelle Verbindung der nun geschilderten Selbstaufforderung Israels und Judas zur Umkehr zu JHWH als eine Reaktion auf dessen in Hos 5,15 geschilderte Abwendung ersichtlich. Auf die mit „gehen“ und „wenden“ ausgedrückten Abwendung JHWHs von Israel und Juda erfolgt in Hos 6,1–3 die Aufforderung, durch das „Gehen“ und „Umkehren“ zu JHWH auf dessen zeitlich befristete Abwendung zu reagieren und diese durch die eigenen Zuwendung zu beenden (vgl. Hos 5,15b: )עד אׁשר־יאׁשמו ובקׁשו פני. Die von Israel und Juda im Rahmen der „fiktiven Rede des Volkes“334 Hos 6,1–3 geäußerte Hoffnung auf körperliche Wiederherstellung (V.1–2)335 beruht dabei auf der Annahme einer reziproken Reaktion JHWHs: Weil Israel sich JHWH zuwenden will 332
Während dabei Hos 5,12–14 ein Reflexionstext ist, in dessen Rahmen die Tradenten Hos 5,8–11 „theologisch neu interpretieren“ (Kratz, Prophetenstudien, 294), handelt es sich bei Hos 5,15–6,6 um einen Kompositionsabschnitt, der wiederum bereits auf Hos 5,8–11.12–14 zurückblickt und diesen neu interpretiert, indem er die kultische Perspektive mit der politischen Perspektive verschränkt (vgl. Vielhauer, Werden, 93). 333 Vgl. Abschnitt 2.3.4. Man kann fragen, ob hier bereits eine erste Trennung zwischen Israel und dem Land JHWHs vollzogen wird, das in Hos 5,15 nur noch als die Stätte/der Ort JHWHs („meine Stätte, mein Ort“) verstanden wird. Explizit findet sich diese Vorstellung erst in Hos 8,13; 9,3.9 formuliert, in deren Rahmen Israel die Rückkehr nach Ägypten ankündigt wird. Nach Bons, Hosea, 89 handelt es sich bei der Stätte bzw. dem Ort, den JHWH nach Hos 5,15 aufsucht, um „seine […] Höhle“; gegen diese Deutung spricht jedoch, dass Hos 5,15 die Löwenmetaphorik von Hos 5,14 nicht fortsetzt, wie Hos 5,15aβb deutlich macht. 334 Vielhauer, Werden, 52. 335 Vgl. die Körpermetaphorik in Hos 5,4.12f; vgl. zudem Jeremias, Hosea, 82f.85.
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(V.1), weckt dies die Hoffnung, dass auch JHWH sich ihnen im Rahmen einer positiven Reziprozitätshandlung zuwenden wird (vgl. Hos 6,3aβ.b). Dabei scheint Hos 6,1–3 Zeugnis von einem Erkenntnisfortschritt abzulegen, der von Hos 5,15 nur erhofft wurde. Die als Gewissheit formulierte Hoffnung, dass JHWH als derjenige, der sich für die Situation der Bedrängnis verantwortlich zeichnet (vgl. Hos 6,1), auch derjenige ist, der Israel und Juda aus dieser Not befreien kann (vgl. V.2), resultiert dabei in V.3 in einer erneuten Selbstaufforderung, die auf der Erkenntnis der Zuverlässigkeit JHWHs beruht, die in V.3 mit der Zuverlässigkeit von Naturvorgängen verglichen wird.336 Im Rahmen der sich an Hos 6,1–3 anschließenden Gottesrede von Hos 6,4–6 wird dieser Einschätzung der Zuverlässigkeit JHWHs durch Israel und Juda die von JHWH ergehende Einschätzung ihrer eigenen Zuverlässigkeit gegenübergestellt. Zur Schilderung der Unzuverlässigkeit Efraims und Judas wird dabei ebenfalls auf Vergleiche mit Naturphänomenen zurückgegriffen (V.4b). Während dabei die Vergleiche aus V.3 die Zuverlässigkeit JHWHs betonen,337 wird Israels und Judas mangelnde Verlässlichkeit bzw. Beständigkeit im Rahmen des synonymen Parallelismus von V.4b mit einer „Wolke am Morgen“ ( )כענן־בקרund dem „Tau, der schnell vergeht“ ( כטל )מׁשכים הלךverglichen338 und als Grund für die negative Zuwendung JHWHs bereits in der Vergangenheit angeführt, wie der Anschluss von V.5 mit „darum/deshalb“ ( )על־כןzeigt. Während dabei im Rahmen der Gottesrede nicht geleugnet wird, dass JHWH so beständig ist wie der nächste Tag oder wie die Regenzeiten, wird beklagt, dass Israel sich nicht durch dieselbe Verlässlichkeit gegenüber JHWH auszeichnet (vgl. Hos 6,4b). Dabei wird im Rahmen der Vergleiche von Hos 6,4 erneut auf das Leitlexem הלך zurückgegriffen, dieses Mal jedoch, um der mangelnden Beständigkeit der Gemeinschaftstreue Israels und Judas Ausdruck zu verleihen. Diese ist die Ursache dafür, dass statt der erhofften Wiederherstellung des Lebens (vgl. Hos 6,1f) JHWH Israel als todbringender Feind begegnet ist (Hos 6,5) und Gemeinschaftstreue/Wohlwollen ( )חסדund Gotteserkenntnis ( דעת )אלהיםals die neuen Ideale der Gottesbeziehung an die Stelle des Opferkultes treten.
336 337 338
Vgl. Abschnitt 2.3.1. Vgl. Rudolph, Hosea, 137. Vgl. die Aufnahme dieser Formulierungen in Hos 13,3.
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Hos 7,8–12 Ähnlich wie in Hos 5,12–14 wird auch das „Gehen“ Israels im Rahmen von Hos 7,11 im politischen Bereich verortet und dabei als ein Zuwendungsgeschehen dargestellt, das Assyrien als Ziel hat und damit zugleich die Abwendung von JHWH als Landesgott impliziert. Der Vers ist Bestandteil des größeren Kompositionsabschnittes Hos 6,7–7,12, in dem vor allem innen- und außenpolitische Vergehen Israels thematisiert werden.339 Dabei zeigt sich, dass V.11b kontextuell im engen Dialog mit V.7b und V.10340 steht.341 Während die ausbleibende kultische Anrufung JHWHs ihr Pendant in der Kommunikationsaufnahme mit Ägypten findet (vgl. V.7b und V.11b), findet sowohl die ausbleibende Suche nach JHWH (V.7b) als auch die ausbleibende Umkehr zu JHWH (V.10) ihre Entsprechung in der aktiven Hinwendung nach Assyrien, die ihren Ausdruck durch das Verb der Bewegung „( הלךgehen“, V.11b) findet.342 Die in Bezug auf JHWH ausbleibenden Handlungen der Anrufung und des Gehens sind daher kein Ausdruck einer Haltung grundsätzlicher Passivität seitens Israel, sondern Ausdruck einer bewussten Abwendung von JHWH, die ihr Pendant in einer unerwünschten Zuwendung zu politischen Großmächten findet. Aus diesem Grund wird Efraim in V.11a im Rahmen des Vergleichs mit einer Taube343 mit dem Part. 339
Vielhauer, Werden, 226 rechnet Hos 6,7–7,12* daher zu der politischen Grundschicht des Hoseabuches; jedoch rechnet er auch Hos 7,7b zur Grundschicht – ein Vers, der zwar auf die Königs- und Innenpolitik bezogen ist, ihren Vertretern jedoch vorwirft, JHWH nicht anzurufen ( ;)קראdamit wird die kultische Anrufung gemeint sein. 340 Hos 7,10 ist ein Zitat aus bzw. Kehrvers zu Hos 5,5 (vgl. Vielhauer, Werden, 71). 341 Anders Willi-Plein, die bezüglich V.11–12 in Betracht zieht, dass es sich um eine vormals selbständige Einheit handelt; vgl. Willi-Plein, Vorformen, 160. 342 Die Verwendung von ( הלךV.11b; 12a) durchbricht jeweils den Vogelvergleich, während man in Betracht ziehen kann, dass dieser in V.13a angesichts der Verwendung von נדדvorausgesetzt wird; vgl. Gisin, Hosea, 159. 343 Von einer Taube ist nur in Hos 7,11 und Hos 11,11 die Rede. Dabei setzt Hos 11,11 den Vergleich in Hos 7,11 voraus und kehrt seinen Aussagehalt in eine Heilsankündigung. Das negative Urteil über die Taube als „Verführbare“ und „Einfältige“ hat im Alten Testament keine Parallele; neben der Erwähnung als Opfertier (vgl. Lev 1,14; 5,7.11; 12,6.8; 14,22.30; 15,14.29; Num 6,10) vor allem in Lev, zeigen die poetischen Texte des Alten Testaments, dass die Bezeichnung als Taube „ein Kosewort für Frauen“ war (Schroer, Tiere, 76; vgl. Hld 2,14; 5,2). Im Rahmen von Metaphern kann die Taube die Schönheit und Anmut einer Person betonen (vgl. Hld 1,15; 4,1); zugleich kann der Psalmist sich die Flügel der Taube wünschen, um einer bedrohlichen Situation zu entfliehen (vgl. Ps 55,7); in der prophetischen Literatur zeigt sich, dass das Gurren der Taube auch als
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fem. „ פותהVerführbare, Einfältige“ bezeichnet, wobei das kollektive Verhalten von Efraim zeigt, dass sie „( אין לבohne Verstand, nicht bei Sinnen“) sind. Hos 7,(10).11f steigern im Rahmen des Taubenvergleichs den in V.9 Israel vorgeworfenen Mangel an Erkenntnis in Bezug auf die außenpolitische Bedrohung344 zu einer grundsätzlichen Wesenseigenschaft Israels. Der Vergleich mit einer leicht verführbaren Taube dient gerade nicht einer Schuldentlastung, sondern der Hervorhebung der Schuldhaftigkeit der aus Hochmut und Unverstand erfolgten Hinwendung der politischen Funktionsträger Israels nach Ägypten und Assyrien. Während V.11 in einem engen Dialog mit V.7b und V.10b steht, gilt gleiches bezüglich der Relation von V.12 und V.11.345 Beide Verse werden im jeweils ersten Versteil mit einem Vogelvergleich eröffnet. Dient der erste Vogelvergleich dabei der Herausstellung von Efraims Unverstand, kündigt V.12a für den Fall der erneuten346 Hinwendung nach Assyrien an, dass JHWH Efraim „ כעוף הׁשמיםwie einen Vogel des Himmels“ herunterholen ( ירדHif.) und züchtigen ( יסרHif.)347 wird.348 Bezüglich der ersten Aktivität, die JHWH als einen Vogelfänger zeichnet, schreibt Kratz: Klagegesang gedeutet wurde (vgl. Schroer, Tiere, 76; vgl. Jes 38,14; 59,11) und Schluchten und Felswände als die Nistorte wilder Tauben im Rahmen vergleichender und/oder metaphorischer Sprache Menschen als Zufluchtsorte nahegelegt werden (vgl. Jer 48,28; Ez 7,16). 344 Im Anschluss an Kratz, Prophetenstudien, 289 kann Hos 7,8f dabei als eine Charakterisierung Israels vermutet werden, „das in die Fänge Assurs geraten ist und in der Folge des aramäisch-ephraimitischen Bündnisses von 734/3 v. Chr., in der Folge des Grenzkrieges gegen Juda und des Aufstands gegen Assur, zum Rumpfstaat Efraim geworden ist. Es ist das Israel, das noch eine gewisse Gnadenfrist bis zum endgültigen Untergang im Jahre 722 (720) v. Chr. hat, das aber schon am Boden liegt, das bis auf einen kleinen Rest in das assyrische Provinzsystem aufgegangen ist, dessen Bevölkerung zu weiten Teilen schon deportiert wurde und das unter der assyrischen Besatzungsmacht und aufgrund der hohen Tributleistungen wirtschaftlich ausblutet“. 345 Vgl. die parallele Struktur aus Vogelvergleich (V.11a; 12a) und Nennung einer von Efraim (V.11b) bzw. von JHWH ausgehenden Folge (V.12b), sowie die Aufnahme des Stichworts הלךaus V.11b in V.12a. 346 Wie die Stichwortaufnahme des Lexems הלךaus V.11b in V.12a zeigt, ist wohl eine erneute Hinwendung nach Assyrien gemeint. 347 Vgl. die textkritische Anmerkung zu Hos 7,12. 348 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 291, der bezüglich des Bildes von JHWH als eines Vogelfängers schreibt: „So wie Tiglat-Pileser einmal den König Chanunu von Gaza wieder eingefangen hat, der laut Inschrift wie ein Vogel nach Ägypten geflohen war, so fängt laut Hos 7,11–12 auch JHWH das den politischen Bündnispartnern nachlaufende Israel wie Vögel wieder ein und bringt es zu Fall“. Von einem „Zu-Fall-Bringen“ Israels durch JHWH ist in Hos 7,11f jedoch nicht die Rede.
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„So wie Tiglatpileser einmal den König Chanunu von Gaza wieder eingefangen hat, der laut Inschrift wie ein Vogel nach Ägypten geflohen war, so fängt laut Hos 7,11–12 denn auch JHWH das den politischen Bündnispartnern nachlaufende Israel wie Vögel wieder ein“349. V.12b stellt durch die erneute Verwendung von „gehen“ ()הלך einen Rückbezug zu V.11b her und reagiert auf diesen mit der Ankündigung einer erzieherischen Zuwendung JHWHs für den Fall der Fortsetzung des dort geschilderten Verhaltens der Zuwendung zu politischen Großmächten (vgl. die parallele Argumentation in Hos 5,2b). Diese Intervention wird in Form einer Aktivität angekündigt, die durch das Lexem יסרausgedrückt wird.350 Damit ist ein Lexem gewählt, das eine erzieherische Maßnahme zum Ausdruck bringt.351 Dass dabei sowohl an eine verbale Zurechtweisung als auch eine körperliche Züchtigung gedacht sein kann, wird deutlich, wenn man die 43 Belegstellen des Verbs im Alten Testament untersucht. In beiden Fällen ist jedoch eine erzieherische Intervention gemeint. Liegt kontextuell die Vermutung nahe, dass eine verbale Zurechtweisung ausgedrückt werden soll, so kann diese mit Formen von „ermahnen, zurechtweisen, unterweisen, belehren“ wiedergegeben werden.352 Die Intention dieser erzieherischen Zuwendung JHWHs besteht dabei in der Korrektur eines bestehenden Verhaltens, das angesichts der Notwendigkeit einer Intervention JHWHs als Fehlverhalten erkennbar wird. Zugleich wird durch die erzieherische Intervention die Herbeiführung einer Verhaltensänderung als Zeichen der Übernahme des Wertekanons der erzieherisch tätigen Person angestrebt. Aus diesem Grund stellt der angekündigte Vorgang des Einfangens (V.12a) als „Heimholung“ die Voraussetzung dafür dar, dass JHWH erzieherisch auf das hochmütige und unverständige
349
Kratz, Prophetenstudien, 291; er verweist auf TUAT I, 373.376.389. Das Lexem findet sich im Hoseabuch nur in Hos 7,12.15; 10,10. Vgl. jedoch die im Rahmen des Hoseabuches einmalige Verwendung des Substantivs „ מוסרUnterweisung, Erziehung, Zurechtweisung“ in Hos 5,2 sowie des Substantivs „ תוכחהZurechtweisung, Züchtigung“ in Hos 5,9, die ebenfalls die Ausübung einer erzieherischen Zuwendung JHWHs gegenüber Israel ausdrücken, die auf eine „Einordnung in die Lebensordnung Gottes“ abzielt (Sæbø, Art. יסר, 742). In Hos 4,4 findet sich die im Hoseabuch einmalige Verwendung des Verbs „ יכחzurechtweisen“ (mit menschlichem Subjekt). 351 Vgl. Branson, R.D., Art. יסר, 688ff; vgl. zur Thematik u. a. Dürr, Erziehungswesen; Finsterbusch, Weisung. 352 Vgl. Gesenius18, יסר, 473. 350
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Israel einwirken kann.353 Die Abwendung Israels von JHWH (Hos 7,7) wird kontextuell mit der erzieherischen Zuwendung JHWHs zu Israel beantwortet (Hos 7,12). Wie Hos 7,12b zeigt, wird dabei der bildliche Vergleich mit einer einfältigen Taube nur noch insofern vorausgesetzt, als das das einfältige Israel der korrigierenden Zuwendung JHWHs bedarf. Zwischenergebnis „Gehen“ ( )הלךals Zu- bzw. Abwendungsgeschehen kommt in Hos 5,1–7,16 die Funktion eines kompositionsverbindenden Leitlexems zu (vgl. Hos 5,6.11.13.15; 6,1.4; 7,11f). Das Subjekt des Gehens ist dabei – bis auf Hos 5,14b.15a – stets Israel, so dass nicht die Gehbewegung an sich, sondern erst das Zielobjekt, auf das die Gehbewegung gerichtet ist, darüber entscheidet, ob es sich um eine Abwendung Israels von JHWH handelt (vgl. Hos 5,11.13; 7,11.12), die eine positive bzw. negative Entsprechung in der Reaktion JHWHs findet (vgl. Hos 5,6b.14b15a; 7,12). Die Zu- bzw. Abwendungsbewegung des „Gehens“ ist dabei in Hos 5,6.15; 6,1.4 im kultischen und in Hos 5,11.13f; 7,11f im politischen Kontext verortet. Über das kompositionelle Scharnierstück354 Hos 5,8–6,6 werden beide Themenbereiche miteinander verbunden.355 In den politisch ausgerichteten Kompositionsabschnitten (Hos 5,8–11.12– 14; 7,11f) hat das „Gehen“ Israels stets eine fremde politische Größe zum Ziel,356 von der Israel (und Juda) sich – statt vom eigenen Landesgott – Hilfe und Beistand erhoffen. An dieses als Abwendungsgeschehen von JHWH gedeutete politische Verhalten schließt sich die Schilderung bzw. Ankündigung einer Reaktion JHWHs an, die ebenfalls unter Verwendung des kompositionsverbindenden Leitlexems הלךin Hos 5,12–14; 5,15–6,6 formuliert wird und dabei entweder eine der Abwendung Israels (und Judas?) reziproke Abwendung mit Israel als Beute in Aussicht stellt (vgl. Hos 5,14) oder in der Nachinterpretation und Relativierung von Hos 5,14 durch Hos 5,15 eine zeitlich befristete Abwendung von Israel in Aussicht stellt, die durch die erneute Zuwendung Israels zu JHWH wieder aufgehoben werden kann.
353
Anders Sæbø, nach dem יסר/„ מוסרim Rahmen der prophetischen Gerichtsrede […] durchgehend Gottes strafendes Gerichtshandeln [bezeichnet]“ (Sæbø, Art. יסר, 741). 354 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 298. 355 So bereits Vielhauer, Werden, 93, der jedoch davon ausgeht, dass „in diesem Text die kultischen Anklagen den politischen erst redaktionell zugefügt wurden“. 356 Bezüglich Hos 5,11 vgl. die Textkritik.
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In den kultisch ausgerichteten Kompositionsabschnitten (Hos 5,1–7; Hos 6,1–6) hat das Gehen Israels stets JHWH zum Ziel, findet ihn jedoch im israelitischen Opferkult nicht mehr. Israels kultische Suche nach ihm ist vergeblich, da er sich Israel im Opferkult endgültig entzogen hat (vgl. Hos 5,6b) bzw. nicht reziprok auf die Wiederherstellungshoffnung Israels und Judas (vgl. Hos 6,1–3) reagieren kann, da er sich zwar durch die in V.3 beschriebene verlässliche Gemeinschaftstreue auszeichnet, Israel und Juda diese Beständigkeit ihrer Gemeinschaftstreue jedoch vermissen lassen (vgl. Hos 6,6). Argumentativ bildet Hos 6,4–6 die Grundlage für den Entzug JHWHs, der in Hos 5,1–7 geschildert wird und dort mit Taten der Unzucht und einem Unzuchtsgeist (vgl. Hos 5,3f) in Verbindung gebracht wird. Der endgültige Beziehungsabbruch zwischen Israel und JHWH im Kult (vgl. Hos 5,6b; 6,4–6) und die tödliche Begegnung mit JHWH in der Politik (vgl. Hos 5,14) gehen somit nicht als Aktionen von JHWH aus, sondern werden als reziproke Reaktionen auf das Verhalten Israels beschrieben. 2.3.4 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 5,1–7.15; 6,1–3.11 und 7,8. 10.16 Die Wurzel ׁשובfindet sich im älteren Buchkern Hos 5–7 in Hos 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16. Ihre zentrale, später auch über den Buchkern hinaus kompositionsleitende Funktion für das Gesamtbuch wird bereits an der Fülle ihrer Belegstellen ersichtlich.357 Sie bringt dabei im Buchkern eine Vielzahl von unterschiedlichen Zu- und Abwendungsbewegungen zum Ausdruck:358 eine erwünschte, aber ausbleibende Zuwendung Israels zu JHWH (Hos 5,4; 7,10), die Abwendung JHWHs von Israel und Juda aufgrund ihrer Hinwendung zu politischen Großmächten (Hos 5,15) bzw. zu Baal359 (vgl. Hos 7,16), die Selbstaufforderung Israels zu einer Umkehr zu JHWH (Hos 6,1) sowie JHWHs „Wenden“ des Ergehen seines Volkes (Hos 6,11b). Anders als in den späteren Heilsvisionen des Hoseabuches (vgl. u. a. Hos 3,5; 12,7; 14,2–8) dient die Wurzel ׁשובim älteren Buchkern dabei jedoch fast ausschließlich (mit Ausnahme von Hos 357
Vgl. Hos 2,9.11; 3,5; 4,9; 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16; 8,13; 9,3; 11,5.9; 12,3.5.7.15; 14,2f.5.8. 358 Diese Feststellung findet sich bereits bei Wolff, Umkehr, 132: „Das Wort bleibt innerhalb des Alten Testaments offensichtlich davor bewahrt, zur religiösen Formel zu erstarren. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß die Propheten in ihrer agressiven [sic] Verkündigung es in seiner natürlichen Bedeutung lebendig erhielten und ihm je nach Lage eine neue Wendung gaben“. 359 Vgl. die Textkritik zu Hos 7,16.
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6,11b) zur Verdeutlichung von Israels ausbleibender Zuwendung als Rückkehr zu JHWH und der sich stattdessen vollziehenden Hinwendung zu dritten Größen in der Außenpolitik und im Landeskult sowie JHWHs daraufhin vollzogener Abwendung von Israel. Diese „ungewöhnliche Differenziertheit der Verwendung der Wurzel ׁשובim Hoseabuch“360 kommt dabei erst zum Ausdruck, „wenn göttliche und menschliche Abkehr/Rückkehr zueinander in Beziehung gesetzt [werden]“361. Diesem Desiderat von Jeremias soll im Folgenden entsprochen werden. Hos 5,1–7.15 Die Wurzel begegnet zunächst in Hos 5,4. Der Vers kann dem größeren Kompositionsabschnitt Hos 5,3–7 zugerechnet werden.362 Hos 5,4 bildet mit Hos 5,3 eine „‚konzentrisch[e] Figur‘, bei der ein äußerer Rahmen einen inneren Rahmen umschließt und dieser den mittleren Kern, so daß sich eine Figur A-B-C-B´-A´ ergibt. V.3a (Stichwort ‚kennen‘) findet seine Aufnahme in 4b Ende, V.3b (Stichwort ‚Unzucht treiben‘ seine Entsprechung in 4b Anfang, mit V.4a steht die gewichtigste Aussage (Nennung der Folgen im Imperfekt) im Zentrum der Einheit“363. Bei dieser gewichtigsten Aussage, welche die Folge der als „Unzucht“ ( )זנהbezeichneten Taten und Hingabe an einen „Unzuchtsgeist“ sowie der mangelnden Anerkennung ( )לא ידעJHWHs durch Israel nennt, handelt es sich um die ausbleibende Zuwendung als Rückkehr ( )ׁשובzu JHWH (vgl. Hos 5,4a). Das Wissen JHWHs und die fehlende Anerkennung Israels sind dabei im äußeren Rahmen aufeinander bezogen und bilden die Argumentationsgrundlage, die durch den inneren Kern (V.3b und V.4bα) begründend hergeleitet wird (vgl. Verwendung von )כי. Während dabei das Wissen JHWHs um Israel und Israels Vergehen aus einer Beschäftigung mit und einer Zuwendung zu Israel resultiert, wie die zweite Hälfte des Parallelismus durch die Negation von Verborgenheit (vgl. V.3bβ) eindringlich zum Ausdruck bringt,364 ist diese zuwendungsvolle Anerkennung JHWHs durch Israel nicht gegeben (vgl. Hos 5,4bβ). Der innere Kern (Hos 5,3b und Hos 5,4bα) begründet dies damit, dass Israel Unzucht treibt ( )זנהund in Israels Inneren ein Unzuchtsgeist ( )רוח זנוניםist.365 Er repräsentiert die durch Taten vollzogene Abwendung von JHWH, die kontextuell kultisch 360
Jeremias, Eschatologie, 69. Ebd. 362 Zur umstrittenen Einheitlichkeit dieses Abschnittes vgl. 2.3.1. 363 Jeremias, Hosea, 75. 364 V.3aβ („und Israel ist nicht verborgen vor mir“) impliziert dabei, dass Israel mitsamt seiner Vergehen JHWH vor Augen steht (vgl. Hos 6,10a). 365 Zur Unzuchtsthematik vgl. 2.3.2. 361
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verortet wird (vgl. Hos 5,6f).366 Erkennbar wird an diesen Formulierungen der weisheitliche Vorstellungshintergrund, dass die Taten den Lebenswandel eines Menschen konstituieren.367 Dieser äußerlich (vgl. Hos 5,3b) und innerlich (vgl. Hos 5,4bα) vollzogenen Abwendung von JHWH entspricht es, dass Israel keine sich als Rückkehr realisierende Zuwendung zu JHWH vollzieht, wie Hos 5,4a formuliert. Die Formulierung von Hos 5,4a („nicht lassen es ihre Taten zu, umzukehren zu ihrem Gott“; לא יתנו מעלליהם לׁשוב אל־ )אלהיהםbringt dabei die Umkehr-Unfähigkeit Israels zum Ausdruck.368 Da es sich bei dem „Unzuchtsgeist“ jedoch um eine selbstgewählte Geisteshaltung des Staates Israels handelt,369 formuliert auch Hos 5,4 – und nicht erst Hos 7,10 – eine selbstgewählte Abwendung.370 Hos 5,15 wird, als Bestandteil des Kompositionsabschnittes Hos 5,15–6,6,371 aufgrund seiner kultischen Thematik von Vielhauer derselben kultkritischen Ergänzungsschicht wie Hos 5,3f zugerechnet.372 Jedoch geht er davon aus, dass diese Ergänzungsschicht im Rahmen einer Fortschreibungswelle entstanden ist, in deren Rahmen Hos 5,15–6,6 vor Hos 5,3–4 ergänzt wurde. So werde in Hos 5,3f die in Hos 5,15–6,6 „verurteilte Hinwendung des Volkes zu JHWH im Kult als hurerische Hinwendung zu anderen Göttern gedeutet“373. Legt man diese 366
Wenn in der prophetischen Literatur auf Taten (מעלל, „Tat“) Bezug genommen wird, so handelt es sich zumeist um die Taten Israels, die als schlechte Taten charakterisiert werden. Bei Jeremia werden diese zudem oft mit dem schlechten Weg bzw. Wegen ( )דרךIsraels parallelisiert und die Aufforderung an Israel formuliert, von diesen Taten und Wegen der Bosheit ( )רעumzukehren ()שוב, d. h. von ihnen abzulassen oder diese zu verbessern (Hif. ;יטבvgl. Jer 7,3.5; 18,11; 25,5; 26,13; 35,15). 367 So formuliert die Spruchweisheit, dass sich an den Taten eines jungen Mannes zeigt, ob er rein ( )זךund rechtschaffen ( )ישרist (Spr 20,11). 368 Vgl. Biberger, Umkehr, 567, nach dem Hos 5,4 „die Unfähigkeit Israels zur Umkehr [thematisiert]“. 369 Vgl. hierzu die Analyse des „Unzuchtsgeistes“ im Rahmen von 2.3.2. 370 Beachte auch die Fortsetzung der Argumentation in Hos 5,5, in dem das Verhalten Israels mit dem Begriff des Hochmuts ( )גאוןbeschrieben und demnach Hos 5,4 als ein Verhalten interpretiert wird, das auf einem bewussten Entschluss gegen JHWH beruht. 371 Vgl. Vielhauer, Das Werde des Buches Hosea, 226. 372 Vgl. aaO, 108f; jedoch rechnet er Hos 5,15–6,4.6 einer anderen kultkritischen Textgruppe zu als Hos 5,3–4 und geht davon aus, dass es sich bei Hos 5,3f um eine Fortschreibung handelt, die nach Hos 5,15–6,4.6 vorgenommen wurde und in deren Rahmen „die in der kultpolemischen Ergänzungsschicht (Textgruppe 1) verurteilte Hinwendung des Volkes zu JHWH im Kult als hurerische Hinwendung zu anderen Göttern gedeutet [wird]“ (aaO, 109). 373 AaO, 109.
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Rekonstruktion der Textgenese den eigenen Überlegungen zur Reziprozität im Buchkern Hos 5–7 zugrunde, so wurde durch die Aufnahme von ׁשובaus Hos 5,15 in Hos 5,4 sekundär ein kompositionsverbindender Rahmen zwischen Hos 5,1–7 und Hos 5,8–11.12–14.15 gebildet, der eine reziproke Beziehung zwischen dem Verhalten Israels und JHWHs konstituiert.374 Während es sich bei Hos 5,15–6,6 zunächst um eine Fortschreibung handelt, die die als Reaktion auf Israels politische Hinwendung nach Assyrien tödlich verlaufende Zuwendung JHWHs zu Israel relativiert (vgl. Hos 5,14 mit Hos 5,15), kommt Hos 5,15 nach der Ergänzung von Hos 5,3f eine neue kompositionelle Funktion zu. Im neuen Leseablauf stellt sich die mit ׁשובformulierte Abwendung JHWHs in Hos 5,15 nun zugleich als eine Reaktion auf die sich nicht vollziehende Rückkehr ( )ׁשובIsraels zu JHWH in Hos 5,3f dar. Hos 6,1–6.7–11 Setzt man die zuvor genannten Überlegungen zu Hos 5,1–7.8–11.12– 14.15 voraus, so bildet die ausbleibende Umkehr ( )ׁשובIsraels zu JHWH in Hos 5,3f nicht nur einen Rahmen mit dem sich als Abwendung von Israel realisierenden Rückzug ( )ׁשובJHWHs von Israel in Hos 5,15, sondern stellt zugleich eine negative Aktualisierung der in Hos 6,1–3 geschilderten Selbstaufforderung Israels zur Umkehr ( )ׁשובzu JHWH dar, die jedoch in Hos 6,4–6 aufgrund der mangelnden Beständigkeit von Israels Treue von JHWH zurückgewiesen wird.375 Wolff ist in seiner Einschätzung zuzustimmen, dass auch Hosea „nicht eigentlich einen Ruf zur Umkehr kennt. Auch bei ihm hat das Thema seinen ersten Platz in der Scheltrede“376. Auch Hos 6,1–3 ist von dieser Einschätzung nicht ausgenommen, da von Hos 6,4ff ersichtlich wird, dass „wirkliche Rückkehr […] חֶ סֶ ד, die wirkliche Verbundenheit mit Jahwe, zeitigen [würde]“377. In dem kompositionellen Gespräch, das Hos 5,4 mit Hos 6,6 aufnimmt, tritt jedoch ein weiter Aspekt hinzu, der eine wirkliche Zuwendung zu JHWH auszeichnen würde und dessen Mangel im äußeren Rahmen der konzentrischen Figur von Hos 5,3f die Argumentationsgrundlage für die ausbleibende Rückkehr Israels zu JHWH bildet. Dabei handelt es sich um Gotteserkenntnis ()דעת אלהים. 374
Im Anschluss an Vielhauer, Werden, 226 setzt Hos 5,15–6,6 bereits Hos 5,8–11 und die Ergänzung um Hos 5,12–14 voraus. 375 Hos 6,1–6 wird im Anschluss an Vielhauer, Werden, 226 als Bestandteil des größeren Kompositionsabschnittes Hos 5,15–6,4–6 betrachtet, der die politische (Hos 5,8–11.12–14) um die kultische Thematik ergänzt. 376 Wolff, Umkehr, 138. 377 AaO, 139.
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Treue ( )חסדund Gotteserkenntnis ( )דעת אלהיםwerden anstelle bzw. als Merkmale eines wahren Opferkultes Israels in der Gottesrede von Hos 6,4–6 gefordert. Ihr beständiges Vorhandensein in Israel wird jedoch von JHWH bestritten (vgl. Hos 6,4) und der Selbstaufforderung zur Umkehr daher jede Glaubwürdigkeit genommen. In Hos 5,3f ist es nun ebenfalls der Mangel an Erkenntnis bzw. Anerkennung JHWHs durch Israel, der mit dem vollständigen Wissen und der vollständigen Zugewandtheit JHWHs zu Israel kontrastiert wird (vgl. Hos 5,3a.4bβ) und die Argumentationsgrundlage für die Herleitung der ausbleibenden Umkehr zu JHWH (V.4a) bildet. Begründet wird die mangelnde Anerkennung JHWHs durch Israel dabei im inneren Kern (Hos 5,3b.4bα) mit einer äußeren Hinwendung zu Unzuchtstaten (V.3b) und einer inneren Hingabe an einen Unzuchtsgeist (V.4bα). Der Vorwurf der Unzucht stellt gegenüber Hos 6,1ff einen neuen, jedoch ebenfalls im Kult (vgl. Hos 5,6–7) verorteten Erklärungsansatz dar,378 der in Hos 4,1–19 zunächst mit kultischen Praktiken im Rahmen des JHWH-Kultes, von Hos 2,4–15 her in der Narration eines Ehebruchs präsentiert wird,379 der im Verlauf von Hos 2,4–15 durchlässig für den Vorwurf einer kultischen Untreue Israel wird (vgl. Hos 2,13.15).380 Der spätere Heilsausblick in Hos 6,11b formuliert dabei ebenfalls unter (doppelter) Verwendung der Wurzel ׁשובeine positive Schicksalswende als Wiederherstellung eines heilvollen Zustands für Israel, der jedoch nicht auf einem selbstgewählten Entschluss Israels zur Umkehr zu JHWH basiert, sondern von JHWH ermöglich wird, wie das Suffix der 1.c.sg. zeigt („In meinem Wenden…“; )בׁשובי ׁשבות עמי. Hos 6,11b liegt argumentativ auf einer Ebene mit anderen späten Heilsausblicken im Hoseabuch, die ebenfalls den Neuanfang für Israels als Folge der gnädigen Zuwendung JHWHs zu Israel formulieren.381 Dabei bezieht sich die Konfrontationsankündigung aus Hos 6,11a als Ankündigung einer Ernte, die für Israel und Juda angesetzt ist,382
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Vgl. Vielhauer, Werden, 109. Vgl. Baumann, Liebe und Gewalt, 106. 380 Mit Vielhauer, Werden, 227 kann dabei in Betracht gezogen werden, dass es sich bei Hos 4,12b.16–19; 5,3–4; 6,10b, 7,4; 9,1–2.5 um Zusätze handelt, „die Hos 2 in mehreren Schüben enger mit dem literarischen Kern des Buches verbinden“. 381 Vgl. insbesondere Hos 11,9 und 14,5, beide Male unter Verwendung von שוב. 382 Die Verwendung von „( גםauch“) in V.11a macht deutlich, dass beide Reiche unter die Gerichtsankündigung gestellt werden. 379
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zunächst auf Hos 6,7–10 zurück.383 Als Ausdruck für ein Gericht JHWHs findet sich das Bild von einer Ernte nur in wenigen (prophetischen) Texten.384 Im Rahmen eines Vergleichs von Hos 6,11a mit Jer 51,33 und Joel 4,13 hat Rudnig-Zelt aufgezeigt, dass Hos 6,11a das Gericht, welches an den beiden anderen Belegstellen Fremdvölker trifft, „zum Gericht gegen Juda um[wandelt]“385.386 Der bildhaften Verwendung von „( קצירErnte“) in V.11a wird dabei oftmals „eschatologische Valenz“387 zugesprochen, die in V.11b bereits vorausgesetzt, aber um das positive eschatologische Bild einer Heilswende ergänzt worden sei.388 Hos 7,8–12.13–16 Bei Hos 7,10 handelt es sich um ein Mischzitat aus Hos 5,3–6.389 Dabei erweist sich der erste Halbvers von Hos 5,5 und Hos 7,10 als identisch.390 Kontextuell werden jedoch mit dem in Hos 5,5a und Hos 7,10a als „Hochmut“ ( )גאוןbezeichneten Verhalten unterschiedliche Vergehen Israels kritisiert. Hos 7,10 findet sich in einem Abschnitt (Hos 7,8–12), der sich vor allem mit außenpolitischen Vergehen 383
Im Anschluss an Willi-Plein, Vorformen, 154 kann V.11a als eine judäische Glosse betrachtet werden, die sich durch die Verwendung von גם auf V.10 zurückbezieht und ein Gerichtsbild darstellt; anders Rudolph, Hosea, 144, der davon ausgeht, dass “6,11 + 7,1 an falscher Stelle steht”; da „ בשובי שבות עמיeindeutig ein Heilsausdruck [ist]“ (Willi-Plein, Vorformen, 154), kann ihrer Ansicht nach eine ursprüngliche Verbindung von Hos 6,11b mit Hos 7,1aα in Betracht gezogen werden (vgl. aaO, 155). 384 Die Wurzel findet insgesamt 54-mal im Alten Testament Verwendung; vgl. u. a. Jes 17,11; Jer 51,33; Joel 4,13. 385 Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 150; diese Aussage muss dahingehend ergänzt werden, dass das angekündigte Gericht sich sowohl gegen Israel als auch gegen Juda richtet, wie der Anschluss von V.11 an V.10 mit גם („auch“) zeigt. 386 Nach Rudnig-Zelt handelt es sich bei Hos 6,11 um die jüngere Aussage, die bereits eine Abstraktion der Gerichtsaussage von Jer 51,33 und Joel 4,13 darstelle, da „der konkrete landwirtschaftliche Hintergrund“ (aaO, 150), der in Jer 51,33 und Joel 4,13 genannt wird, in Hos 6,11 bereits ohne Belang ist; sie vermutet eine Abfassung von Hos 6,11 in der hellenistischen Zeit (vgl. aaO, 151). 387 Willi-Plein, Vorformen, 155; vgl. zudem Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 152; Jeremias, Hosea, 94. 388 Vgl. ebd.; vgl. zudem Jeremias, Hosea, 94, der שוב שבותals einen „eschatologischen Fachausdruck” bezeichnet. 389 Vgl. Vielhauer, Werden, 71, der Hos 7,10 für einen Zusatz hält, „der Aussagen aus Hos 5, insbesondere 5,3–7, bündelt (5,4.5.6.15) und mit dem wahrscheinlich ebenfalls sekundären Vers Hos 5,5 bei wortwörtlicher Identität des jeweiligen ersten Halbverses eine Art Kehrvers bildet, der an Am 4,6ff erinnert“. 390 Vgl. aaO, 71.
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Israels befasst.391 Im Kontext von Hos 7,8–12 kommt dem Vers dabei zunächst die kompositionelle Funktion zu, die im Angesicht der politischen Notsituation392 ausbleibende Rückkehr zu JHWH als Ausdruck von Hochmut zu brandmarken. Statt zu JHWH umzukehren ()ׁשוב, ein Vorgang, der im Parallelismus von Hos 7,10 mit dem kultischen Suchen JHWHs gleichgesetzt wird (vgl. Hos 7,10b: )בקׁש, hat Israel in Bündnispartnern seine Rettung gesucht (Hos 7,11)393.394 Während es in Hos 5,3–7 die als „Unzucht“ gebrandmarkten kultischen Vergehen Israels sind, die aus einem „Unzuchtsgeist“ heraus vollzogen werden und dabei einerseits auf einen Mangel an Kenntnis JHWHs ( )לא ידעוzurückgeführt werden und andererseits die Umkehr ( )ׁשובzu JHWH verhindern, ist es in Hos 7,9 die negative Zuwendung einer politischen Fremdmacht, die in der Argumentation von Hos 7,10 Israel zu einer (kultischen) Rückkehr zu JHWH hätte motivieren müssen. Dass diese Rückkehr ( )ׁשובausblieb, wird daher als Hochmut ( )גאוןgedeutet und auf einen willentlichen Entschluss Israels zurückgeführt. Indem der erste Halbvers von Hos 5,5 und Hos 7,10 identisch ist, wird sowohl die im Kult als auch die in der Politik nicht vollzogene Rückkehr Israels zu JHWH unter dasselbe Urteil gestellt und damit Israel die Verantwortung für das eigene geschichtliche Ergehen gegeben. Dieses wird kontextuell zwar mit der negativen Zuwendung JHWHs in Verbindung gebracht (vgl. Hos 7,12), dabei jedoch zugleich als eine Reaktion auf die Hinwendung Israels zu den Großmächten (vgl. Hos 7,11) und auf die Abwendung von ihm (vgl. Hos 7,13) dargestellt. Während Hos 7,10 im Dialog mit Hos 5,3–7 steht und das geschichtliche Verhalten Israels im eigenen Landeskult und in der Außenpolitik unter dasselbe Urteil stellt, verdeutlicht Hos 7,13–16, dass alle Zuwendungsbemühungen JHWHs zu Israel (vgl. 391
Aus diesem Grund wird der Abschnitt von Vielhauer, Werden, 226 der Grundschicht des Hoseabuches zugerechnet (Hos 5,1f; 6,7–7,12*), die nur dem Untergang des Nordreichs gewidmet ist und diesen „als Gericht JHWHs“ interpretiert. 392 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 289f, wonach Hos 7,8f ein Israel zeichnen, „das noch eine gewisse Gnadenfrist bis zum endgültigen Untergang im Jahre 722 (720) v. Chr. hat, das aber schon am Boden liegt, das bis auf einen kleinen Rest in das assyrische Provinzsystem aufgegangen ist, dessen Bevölkerung zu weiten Teilen schon deportiert wurde und das unter der assyrischen Besatzungsmacht und aufgrund der hohen Tributleistungen wirtschaftlich ausblutet“. 393 Vgl. die Verweigerung von Reziprozität gegenüber JHWH in der rufenden (vgl. Hos 7,7.11) und gehenden (Hos 7,11) Hinwendung nach Ägypten und Assyrien. 394 Die Verweigerung der Umkehr übernimmt Hos 7,10 aus Hos 5,4a; die (ausbleibende) Suchbewegung aus Hos 5,6a.
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Hos 7,13b.15a) seitens Israel nur mit aktivem Widerstand (vgl. Hos 7,13.15b) beantwortet wurde. Hos 7,16 formuliert den zu Hos 7,11 parallelen Abschluss der Kompositionseinheit, der zwar mit einer Umkehr ( )ׁשובendet, diese jedoch nicht zu JHWH hin vollzogen wird.395 Dass der Beziehungsabbruch Israels gegenüber JHWH dabei als Ausdruck wesensmäßig mangelnder Treue/Verlässlichkeit gedeutet wird (vgl. Hos 6,6), zeigt der Vergleich mit einem קׁשת רמיה „trügerischem/tückischem396 Bogen“ (V.16a). Die postulierte Tücke Israels drückt sich dabei in der äußerlichen Vorgabe von Zuverlässigkeit unter tatsächlicher Unzuverlässigkeit aus. Der Vergleich von V.16a stellt eine subsumierende Feststellung dar, in der sich das trügerische Verhalten Israels als mangelnde Gemeinschaftstreue im Rahmen der Sozialsphäre (V.1), als verschwörerischer Betrug im innenpolitischen Bereich (V.3–7) sowie als aus Hochmut (V.10a) geborener Selbstbetrug (V.9aα; 9bβ) im außenpolitischen Bereich (V.8–12) verwirklicht. Zugleich findet eine innere und äußere Abkehr von JHWH statt, die sich „passiv“ als Abbruch der Kommunikation (V.7b.14a) und als ausbleibende Umkehr (V.10b) sowie „aktiv“ als Flucht (V.13aα), Rebellion (V.13aβ), der Verbreitung von Lügen (V.13bβ), der Widerspenstigkeit (V.14b) und der Planung von Bösem (V.15b) verwirklicht. Die Tücke Israels äußert sich dabei auch in זעם „Verwünschungen“, die die Beamten in Ägypten äußern und aufgrund derer sie den Tod durch das Schwert finden.397 So deutungsoffen diese Aussage von V.16 auch ist, wird doch kontextuell deutlich, dass nicht JHWH, der Israels Heimholung und Korrektur anstrebt (vgl. Hos 7,8–12.13–16), sondern das eigene unsolidarische Verhalten der führenden Kreise Israels den Beziehungsabbruch zu JHWH, die eigene Schwächung (V.5.7.8b.9.14) und schlussendlich den eigenen Untergang herbeiführt, (vgl. V.10). Am Ende der ältesten Komposition findet sich Israel – repräsentiert durch seine Beamten – daher wieder „im Land Ägypten“ ( )בארץ מצריםvor, wo sie den Tod finden. Wie sich zeigen wird, wird ausgehend von der freiwilligen Hinwendung nach Ägypten (vgl. Hos 7,11) die unfreiwillige Rückkehr nach Ägypten als 395
Vgl. Textkritik zu Hos 7,16. Die Übersetzung mit „schlaff“ legt sich angesichts der Argumentation des Textes nicht nahe. 397 Im Anschluss an Willi-Plein betont die Formulierung זעם לשונםdaher, „daß die Unheil wirkende Verwünschung von den Betroffenen selbst ausgeht, daß Jahwes Handeln also allenfalls darin besteht, sie sich selbst überlassen zu haben“ (Willi-Plein, Vorformen, 163). 396
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Ausdruck der Landverweisung durch JHWH entwickelt (vgl. Hos 8,13; 9,3.9). Zwischenergebnis Nach Jeremias wurde die Wurzel ׁשובim Hoseabuch „zum zentralen, ja konstitutiven Stichwort der Eschatologie“398. Damit ist jedoch nicht der Anfang, sondern das Ende der kompositionellen Funktionserweiterung der Wurzel ׁשובbenannt. Wie die Untersuchung der Belegstellen von ׁשובin der ältesten Komposition Hos 5–7 gezeigt hat, steht am Anfang die Abwendung JHWHs von Israel aufgrund der gehend vollzogenen Hinwendung nach Assyrien (Hos 5,15). Dabei dient Hos 5,15 zunächst als Relativierung der tödlichen Zuwendung JHWHs zu Israel in Hos 5,14, die damit endet, dass er als Löwe mit Israel als seiner Beute davongeht. Mit ׁשובwird in Hos 5,15 eine Abwendung JHWHs von Israel ausgesagt, die so lange Bestand hat, bis Israel das Angesicht JHWHs sucht ()בקׁשו פני. Wie Wolff gezeigt hat, ist diese Formulierung „in der Kultsprache zu Hause“399. Auf den Kult kommen auch Hos 5,3f und Hos 6,1–6 zu sprechen, jedoch wird dieser als ein Ort gezeichnet, an dem sich die gewünschte Hinwendung zu JHWH nicht (Hos 5,1–3) bzw. nicht gemäß den Vorstellungen JHWHs (Hos 6,4–6) ereignet. Hos 6,1–6 bildet dabei zusammen mit Hos 5,15 einen Kompositionsabschnitt. Dieser wird durch Stichwortaufnahmen konstituiert und formuliert unter Aufnahme der Bewegungsverben des Fortgehens und des Abwendens JHWHs von Israel im Rahmen einer Selbstaufforderung die als Hingehen und Zurückkehren zu JHWH konstituierte Reaktion Israels (Hos 6,1). Sie wird jedoch abgelehnt, da Israel sich nicht durch beständige Treue und Gotteserkenntnis auszeichnet (vgl. Hos 6,4–6). Diese Argumentation wird in Hos 5,3f aufgegriffen und mit dem Stichwort der „Unzucht“ bzw. des „Unzuchtsgeistes“ neu interpretiert. Der Mangel an Gotteserkenntnis bildet dabei den äußeren Rahmen einer konzentrischen Figur, in der Israels ausbleibende Umkehr im Zentrum steht (Hos 5,4a) und die als Ausdruck einer mangelnden Anerkennung JHWHs (Hos 5,4b) dargestellt wird, die ihren äußeren Ausdruck in Taten der Unzucht und ihren inneren Ausdruck in einem „Unzuchtsgeist“ findet, die eine Rückkehr ( )ׁשובzu JHWH verhindern. Während Hos 5,15 zunächst in Hos 6,1 ein literarisches Echo findet, aktualisiert Hos 5,3f die dort abgelehnte Rückkehr aus Mangel an Erkenntnis zu einer ausbleibenden Umkehr zu JHWH aus einer 398 399
Jeremias, Eschatologie, 68. Wolff, Umkehr, 131.
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mangelnden Anerkennung JHWHs, die ihren Ausdruck in Unzuchtstaten findet. Die Ablehnung des israelitischen (Opfer)Kultes aus Hos 6,6 findet sich in Hos 5,3f mit dem Begriff der „Unzucht“ formuliert. Nach der Ergänzung von Hos 5,3f kommt Hos 5,15 eine neue kompositionelle Funktion zu. Der Vers dient nicht mehr länger nur der Relativierung der Aussagen von Hos 5,14, sondern stellt im neuen Leseablauf zugleich die Reaktion auf die sich nicht vollziehende Rückkehr ( )ׁשובIsraels zu JHWH in Hos 5,3f dar. Während Hos 6,11b als sekundäre Heilsvision identifiziert werden konnte, in der JHWH selbst für eine Wiederherstellung des Heils Israels sorgt, hat sich Hos 7,10 als ein Mischzitat aus Hos 5,3–6 erwiesen. Er greift das Urteil des „Hochmuts“ über die im Kult ausbleibende Rückkehr zu JHWH auf, wendet den Begriff jedoch auf das Verhalten Israels in der Politik an: Dass Israel trotz seiner Bedrohung durch fremde Großmächte nicht zu JHWH zurückgekehrt und ihm im Kult gesucht hat, wird nun ebenfalls als Hochmut gedeutet. Dass die Rückkehr zu JHWH angesichts der in Hos 5,3f und Hos 7,8f.11 geschilderten Verhältnisse ausblieb, wird in beiden Fällen durch Hos 5,5 und Hos 7,10 als Zeichen einer Abwendung gedeutet.400 Während die Komposition in Hos 5,15 mit der Abwendung JHWHs von Israel ihren Anfang nahm und damit die Relativierung einer tödlichen Zuwendung als Reaktion JHWHs auf die Hinwendung nach Assyrien formuliert wurde, endet die Komposition in Hos 7,16 mit der Hinwendung Israels nach Ägypten. Es findet somit eine Umkehr statt, jedoch zum falschen Objekt. Indem Hos 7,16 dem Land Ägypten das letzte Wort der Komposition überlässt, ist das Schicksal Israels vorgezeichnet. Hos 8,13; 9,3.9 greifen diese Perspektive auf und schildern dabei die Rückkehr nach Ägypten als eine Reaktion JHWHs, die den Landverlust, nach Jeremias sogar die Revozierung der Heilsgeschichte,401 konstituiert. 2.3.5 „Heilen“ in Hos 5,12–14; 5,15–6,1 und 6,7–7,12 Die Wurzel רפאfindet sich im Buchkern Hos 5–7 an drei Stellen: In Hos 5,13, der zum Kompositionsabschnitt Hos 5,12–14 zu rechnen ist und eine theologische Reflexion von Hos 5,8–11 darstellt,402 in Hos 6,1, der zum Kompositionsabschnitt Hos 5,15–6,6 gehört und dabei als kultische Reflexion403 von Hos 5,8–11.12–14 betrachtet 400
Anders Biberger, Umkehr, 567, nach dem Hos 5,4 „die Unfähigkeit Israels zur Umkehr [thematisiert].“ Dies ist nur solange richtig, wie Hos 5,5 noch nicht ergänzt wurde (vgl. Vielhauer, Werden, 71). 401 Vgl. Jeremias, Hosea, 101. 402 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 294. 403 Vgl. Vielhauer, Werden, 120.
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werden kann sowie in Hos 7,1, einem Vers, der zum Kompositionsabschnitt Hos 6,7–7,12 gerechnet werden kann und wohl zu den ältesten Bestandteilen404 des Buchkerns zählt.405 In Hos 5,12–14 wird Israels und Judas politischer Zustand als Krankheit gedeutet (V.12), dessen Heilung sie sich von einer Hinwendung nach Assyrien versprechen (V.13).406 Diese Hoffnung wird jedoch im Rahmen der Gottesrede von JHWH als vergeblich dargestellt (V.14), da er selbst der Auslöser der Krankheit ist und daher die Heilung auch nur von ihm ausgehen kann.407 In Hos 6,1 ist der Wunsch nach Heilung bzw. Wiederherstellung im kultischen Kontext verortet und tatsächlich auf JHWH gerichtet, so dass sich zunächst ein Erkenntnisfortschritt gegenüber Hos 5,13 abzuzeichnen scheint.408 In Hos 7,1 wird im Rahmen der Gottesrede die heilende Zuwendung JHWHs zu Israel als Arzt thematisiert,409 die in einem innenpolitischen bzw. gesellschaftlichen Kontext verortet wird, sich dabei jedoch als ein Aufdeckungsvorgang ( גלהNif.) von Schuld ()עון und Bosheit ( )רעהrealisiert.410 Bereits an diesem Sachverhalt wird ersichtlich, dass das mit רפאformulierte Zuwendungsgeschehen dazu dient, die unterschiedlichen thematische Perspektiven, die in Hos 5,15–6,6 und Hos 6,7–7,12 zur Sprache kommen, kompositionell miteinander zu verbinden und dabei als miteinander in Relation stehende Aspekte eines Reziprozitätsvorganges darzustellen. Hos 5,13 Hos 5,13 ist eingebettet in den theologischen Reflexionstext Hos 5,12–14,411 der, als Gottesrede gestaltet, eine Reaktion JHWHs auf die in Hos 5,8–11 geschilderten politischen Vergehen Israels und Judas formuliert, die ihren Höhepunkt in dem in Hos 5,11 geschilderten Abwendungsgeschehen der gehenden Nachfolge ( הלך 404
Vgl. aaO, 226. Darüber hinaus findet sich die Wurzel im Hoseabuch nur in Hos 11,3, einem Vers, in dem das Exodusgeschehen (vgl. Hos 11,1) als Heilungshandlung JHWHs gedeutet wird (vgl. Wolff, Hosea, 257) sowie in der späteren Heilsvision von Hos 14,5, in der die endgültige Heilung von Israels Abwendung ( )מׁשובהdurch JHWH verheißen wird, vgl. Jeremias, Hosea, 172. 406 Die Erkenntnis, dass JHWH der Urheber ihres Zustands ist, ist textintern erst in der Reflexion von Hos 6,1 gegeben. 407 Vgl. das antithetische Spiel mit Personalpronomen in Hos 5,12a.13bα.14aα.14bβ. 408 Vgl. jedoch die Widerlegung der Beständigkeit der Treue Israels in der ab Hos 6,4 einsetzenden Gottesrede. 409 Vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 156. 410 Vgl. Jeremias, Hosea, 94f. 411 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 294. 405
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)אחריIsraels hinter einem Feind/Nichtigem412 finden. Die politische Thematik von Hos 5,8–11, die wohl einem „innerpalästinischen Grenzkonflik[t] zwischen Efraim und Juda im Zusammenhang des syrisch-ephraimitischen Krieges“413 widerspiegelt, wird dabei in Hos 5,12–14 um die Thematik der Bündnispolitik erweitert,414 die, Hos 5,11 parallel, ebenfalls als ein sich als Abwendungsgeschehen von JHWH realisierendes, gehend vollzogenes Zuwendungsgeschehen Israels und Judas gedeutet wird, das dabei die politische Großmacht Assyrien zum Ziel hat (vgl. Hos 5,13: )וילך אפרים אל־אׁשור.415 Der Anschluss von Hos 5,12 an Hos 5,11 mit dem betont vorangestellten Pronomen 1.c.sg. („Aber ich“) verdeutlich dabei, dass die Tradenten das geschichtliche Ergehen Israels (und Judas) auf JHWH zurückführen, der sich beiden Staaten, den in V.12 genannten existenzgefährdenden Krankheiten vergleichbar, zugewandt hat.416 Seine negative Zuwendung zu Israel und Juda wird kontextuell als eine Reaktion auf die in Hos 5,11 beschrieben Abwendung von ihm dargestellt. Von V.13b her wird jedoch deutlich, dass die Intention dieser negativen Zuwendung JHWHs nicht die Existenzauslöschung Israels und Judas ist. Vielmehr soll die von JHWH über sie gebrachte Not (vgl. Hos 5,15b) Efraim und Juda dazu motivieren, zu JHWH umzukehren und bei JHWH ihre Heilung zu suchen. Ihr stattdessen in V.13a geschildertes Verhalten bestätigt hingegen kontextuell die Feststellung von V.4b, wonach sie JHWH nicht (mehr) kennen. Die Wahrnehmung der Notsituation (vgl. V.13) resultiert daher nicht in einer Zuwendung zum eigenen Landesgott, sondern in einer gehend vollzogenen Hinwendung nach Assyrien. Dass die Bestandssicherung des Staates durch eine fremde Großmacht, nicht aber durch den eigenen Landesgott sichergestellt werden soll, verdeutlicht dabei den Vorwurf der Tradenten an die Führungskreise der damaligen Zeit. Statt einer Hinwendung zu JHWH findet eine erneute Abwendung von ihm statt, die durch die Bewegungsverben „( הלךgehen“) und ׁשלח („senden, schicken“) in V.13a als Zuwendungsgeschehen nach Assyrien ausgedrückt wird. Als das Ziel des Gehens wird dabei Assur ()אשור, als das Ziel des Sendens/der Gesandtschaft ein „große[r]
412
Vgl. die Textkritik zu Hos 5,11. Kratz, Prophetenstudien, 295. 414 Vgl. aaO, 296. 415 Vgl. Vielhauer, Werden, 226. 416 Vgl. Bons, Hosea, 88: „JHWH selbst ist wie Eiter und Fäulnis (= Knochenfraß) für beide, d. h., sie sind krank infolge von JHWHs Einwirken“; vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 157f. 413
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König“ ()מלך רב417, d. h. der assyrische Großkönig genannt. Die Erwähnung von Assyrien und des assyrischen Großkönigs ermöglicht es dabei, die Notsituation historisch mit den jeweiligen Hilfegesuchen Efraims/Judas in Assyrien in Folge des syrischephraimitischen Krieges in Verbindung zu bringen.418 Dass Assyrien bzw. der assyrische Großkönig dabei nicht der richtige Ansprechpartner für den Heilungswunsch Israels und Judas ist, da er weder fähig ist zu heilen ()לא יוכל לרפא, noch das Geschwür von ihnen zu entfernen ()ולא־יגהה מכם מזור, d. h. aber: da er machtlos gegenüber der von JHWH gewirkten geschichtlichen Situation ist, ist ein Wissen, das textintern nur bei JHWH, nicht aber bei Efraim und Juda vorhanden ist (vgl. V.13b). Dieses bei JHWH vorhandene Wissen wird dabei durch die betonte Verwendung von „( והוא לאaber er nicht“) am Anfang von V.13bα im Kontrast zu dem betonten „( ואניAber ich“) aus V.12 hervorgehoben (vgl. auch V.14). Statt den assyrischen Großkönig dabei als Werkzeug des Willens JHWHs zu präsentieren,419 wird dessen Macht in V.13b dabei zugleich als der Macht JHWHs unterlegen dargestellt. Der Machtanspruch JHWHs gegenüber Israel/Juda zeigt sich dabei auch in der implizierten theologischen Logik von V.12f., dass JHWH als derjenige, der krank macht, d. h. der Urheber der Bedrängnis Israels/Judas ist, zugleich derjenige ist, der sie hätte heilen können, also den politischen Untergang Israels/Judas hätte abwehren können, wenn eine Zuwendung zu ihm stattgefunden hätte.420 Stattdessen verdeutlicht der Löwenvergleich von V.14 jetzt die überlegene Macht 417
Vgl. Jeremias, Hosea, 78: „Wiedergabe des assyr. Titels šarru rabū“ wie in 10,6, wobei jārēb als Adjektiv aufzufassen ist“. 418 Vgl. Nogalski, Hosea, 90: „Both Ephraim and Judah faced dire consequences from their dealing with Assyria in the aftermath of the SyroEphraimite war. Judah became a de facto vassal of Assyria, and within a decade Ephraim`s new king (Hoshea) led the nordern kingdom into another failed rebellion against Assyria. This revolt led to Samaria´s destruction”; vgl. Rudolph, Hosea, 130: „Bei Ephraim ist an den Tribut Menahems (739) angespielt (2Reg 15,19), vielleicht auch schon […] an den Hoseas (vgl. 2Reg 17,2) nach der antiassyrischen Periode unter Pekach, während bei Jerusalem an die Gesandtschaft des Ahas an Tiglat-Pileser (2Reg 16,7ff.) gedacht ist (der Text verlangt ja keineswegs, daß die Bemühungen um Assur gleichzeitig stattfanden).“ 419 Vgl. Jes 44,28; 45,1; Jer 25,9. 420 Vgl. Dtn 32,39; Jeremias, Hosea, 83: „Die Krankheit heilen kann nur der, der sie hervorrief“; Jeremias bezeichnet diese Aussage dabei als eine „Erkenntnis […], die weit über die konkrete Lage hinaus Geltung beansprucht“; Wolff, Hosea, 130 schreibt: „Dem betonten הּוא, dem scheinbaren Herrn der Welt, stellt er [sc. der Prophet] (V.14) das betonte ָּאנ ִֹכיund das überbietende ֲאנִ י ֲאנִ יdes eigentlichen Herrn der Welt gegenüber.“
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des Staatsgottes JHWH, gegen die kein Fremdherrscher etwas ausrichten kann, die aber auch Israel und Juda nicht mehr zum Heil gereicht, sondern sich als tödliche Aggression gegen sie richtet.421 Der sich im Vergleich mit einem reißenden Löwen ausdrückende Herrscheranspruch JHWHs über Israel und Juda zeigt sich dabei nur noch in ihrer Mitnahme als Beute, denn das Verbum „( טרףreißen“) bringt die Zufügung tödlicher Wunden durch ein Raubtier zum Ausdruck.422 Eine Heilung ist nun ausgeschlossen. Hos 6,1 Wie die Stichwortaufnahmen von „gehen“ ( )הלךund „umkehren“ ( )ׁשובaus Hos 5,15a sowie von „reißen“ ( )טרףaus Hos 5,14b und „heilen“ ( )רפאaus Hos 5,13b zeigen, kann Hos 6,1a als ein Mischzitat aus Hos 5,13–15 betrachtet werden. Als Bestandteil des Kompositionsabschnittes Hos 5,15–6,6 setzt Hos 6,1 nicht nur Hos 5,15, sondern auch Hos 5,12–14 voraus,423 einen Abschnitt, dessen für Israel und Juda tödlich verlaufender Ausgang (vgl. Hos 5,14) zunächst durch Hos 5,15 relativiert wird. Die Relativierung der Aussage von Hos 5,14 wird dabei dadurch vollzogen, dass das Weggehen JHWHs aus Hos 5,14 mit Israel und Juda als gerissener Beute in Hos 5,15 zu einer zeitlich befristeten Abwendung JHWHs von den beiden Staaten uminterpretiert wird und nicht mehr ihren „Tod“ voraussetzt. Dabei dient die Aufnahme von „gehen“ ( )הלךund „umkehren“ ( )ׁשובaus Hos 5,15a in Hos 6,1a zunächst dazu, die Zuwendung Israels zu JHWH als Reaktion auf die in Hos 5,15 zeitlich befristete Abwendung JHWHs von Israel darzustellen. Gemäß der Aussage von Hos 5,15 wird diese von JHWH so lange aufrechterhalten, bis Israel und Juda ihre Schuld büßen ( )אׁשםund JHWHs Angesicht suchen ()ובקׁשו פני. Mit letztgenannter Formulierung wird eine kultische Verortung der erhofften Zuwendung Israels (und Judas) zu JHWH vorgenommen und 421
Vgl. Ps 7,3, in dem jedoch nicht die Aggression JHWHs, sondern des Feindes „in dem Bewegungsablauf des zuschlagenden, packenden und zerfleischenden Löwen […] nachgebildet [ist]“ (Janowski, Konfliktsgespräche, 144); die Aussichtslosigkeit der Situation bringt dabei die Formulierung „( ואין מּצילund keiner [ist da], der rettet“) zum Ausdruck, die sich sowohl in Ps 7,3bβ als auch in Hos 5,14bβ findet. 422 Vgl. Wagner, Art. טרף, 376: „Die Grundbedeutung ist ‘reißen, zerreißen’ als vornehmliche Tätigkeit von Großwild-Raubtieren. […] Durch ‘Reißen’ und ‘Zerreißen’ verschafft das Raubtier sich Nahrung, sonst muss es verhungern”. In der Anwendung auf JHWH in Hos 5,14 „ist JHWH selber derjenige, der Ephraim Gewalt antut, nicht irgendeine andere Macht (etwa die des Assyrers). […] JHWH ist in seinen zerstörerischen Potenzen wie ein Löwe vorgestellt”. 423 So bereits Vielhauer, Werden, 226.
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zugleich die politische Thematik von Hos 5,8–11.12–14 kompositionell um die kultische Perspektive ergänzt. Demgegenüber dient die Aufnahme von „reißen“ ( )טרףaus Hos 5,14b und „heilen“ ( )רפאaus Hos 5,13b in Hos 6,1a dazu, über den Wechsel des Objektes, auf welches die israelitische und judäische Heilungshoffnung bezogen wird – von Assyrien in Hos 5,13 zu JHWH in Hos 6,1 – einem Erkenntnisfortschritt Israels und Judas Ausdruck zu verleihen.424 Dieser besteht darin, dass Israel und Juda im Rahmen der „fiktiven Rede“425 erkennen, dass JHWH für ihre geschichtliche Situation der Bedrängnis (vgl. Hos 5,15) verantwortlich zeichnet und sich dementsprechend mit ihrer Wiederherstellungshoffnung an ihn wenden. Interessanterweise wird dabei die in Hos 5,15 formulierte Bedingung („büßen, Schuld anerkennen“, )אׁשםin Hos 6,1–3 nicht mit einem Schuldbekenntnis erfüllt.426 Dass an die Stelle eines zu erwartenden Schuldbekenntnisses die Suche nach dem Erkennen JHWHs tritt, könnte sich dabei einer kompositionellen Rückbindung an Hos 5,3f verdanken.427 Es lassen sich somit drei Beobachtungen machen: Erstens, dass Hos 6,1aβ sowohl den Vergleich JHWHs mit einer Krankheit für Efraim/Juda als auch den Vergleich JHWHs mit einem Löwen aus Hos 5,12ff428 voraussetzt und als Reaktion Israels und Judas auf die
424
Die Parallelisierung von Israel und Juda in Hos 5,12–14; 5,15–6,6 kann mit Kratz, Prophetenstudien, 295 als Indiz dafür betrachtet werden, dass „unter dem Eindruck der sukzessiv von Norden nach Süden voranschreitenden assyrischen Expansion im Westen, die sowohl in Israel als auch in Juda auf denselben Gott JHWH trifft und – im Sinne des Propheten und seiner Überlieferer – mit ihm gemeinsame Sache macht, […] die beiden ehedem verfeindeten Staaten Efraim und Juda zur Einheit des Gottesvolkes Israel zusammen[wachsen]“. 425 So die Deutung von Hos 6,1–3 im Anschluss an Vielhauer, Werden, 52. 426 Aus diesem Grund hat sich bereits Jeremias, Hosea 84 gegen die Deutung von Hos 6,1–3 als „Bußlied“ ausgesprochen: „Für ein Buß- bzw. Volksklagelied am Fastentag fehlen die konstitutiven Formelemente der Klage und der Bitte, gar nicht zu reden vom Schuldbekenntnis“. 427 Anders als Vielhauer, Werden, 109f wird man daher überlegen müssen, ob Hos 5,3f und Hos 5,15–6,6 nicht zeitgleich ergänzt wurden oder die Ergänzung von Hos 5,3f vielleicht sogar Hos 5,15–6,6 zeitlich vorgeordnet werden muss. Dies gilt zumindest für die Erkenntnisthematik des äußeren Rahmens (Hos 5,3a.4a.bβ), die vielleicht sekundär um die Unzuchtsthematik ergänzt worden ist (Hos 5,3b.4bα), um „Hos 2 in mehreren Schüben enger mit dem literarischen Kern des Buches [zu] verbinden“. 428 Vgl. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 167, die Hos 5,12–14 als einheitlich ansieht.
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im Anschluss in Hos 5,15 genannte Abwendung JHWHs eine Zuwendung zu JHWH formuliert.429 Zweitens, dass Hos 6,1aα als Reaktion auf die Aussage von Hos 5,13bα JHWH als wahren Urheber der geschichtlichen Not und daher auch der Wiederherstellung/Heilung identifiziert und zum Ausdruck dieser Gewissheit die beiden Vergleiche aus Hos 5,12ff miteinander kombiniert werden.430 Und drittens, dass durch die Fortführung des Parallelismus in Hos 6,1b mit dem Lexem „( חבׁשbinden, verbinden“) die negativen Erfahrungshorizonte von JHWH als Krankheit (Hos 5,12), Löwe (Hos 5,14) und Feind431 (Hos 6,1b: נכה, „schlagen“) durch die Hoffnung auf die Erfahrung JHWH als heilenden Arztes ersetzt wird und diese Vorstellung zu einer kompositionsverbindenden Reziprozitätsaussage in Hos 5,15–6,6 sowie 6,7–7,12 (Hos 7,1) wird. Die in Hos 6,1 angekündigte Zuwendung Israels und Judas zu JHWH ist dabei die Grundlage für diese in Hos 6,1ab–3 geschilderte Hoffnung, dass auch JHWH sich ihnen wieder gnädig zuwenden wird. Im Anschluss an Jeremias wird dabei davon ausgegangen, dass „die Zeitangabe (wie auch das Verbpaar ‚aufleben lassen‘ – ‚wieder aufrichten‘) ihren Ursprung in medizinischer Prognostik haben als Bezeichnung einer sehr schnellen Heilung“432. Mit der Aufnahme des Stichworts „( פנהAngesicht“) aus V.15aβ in Hos 6,2b (vgl. Hos 7,2) finden die Stichwortbezüge zwischen Hos 5,12–15 und Hos 6,1–3 ihren Abschluss.433 Während dabei פנהim Rahmen der Gottesrede von Hos 5,15 zum Ausdruck der Hoffnung
429
Vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 160: „Wer JHWH als Arzt verwirft, muß ihn als angreifenden Löwen erfahren“. 430 Die daraus resultierende Spannung der Vorstellung JHWHs als eines “heilenden Löwen” (vgl. Hos 6,1aβ) sowie die Relativierung des eigentlich tödlichen „Reißens“ (vgl. Hos 5,14bα; Hos 6,1aβ) wurde offenbar nicht als solche empfunden bzw. im Rahmen der Relativierung in Kauf genommen. 431 Angesichts der formulierten Notwendigkeit des Verbindens, die in der Hoffnungsaussage von V.1b ausgedrückt wird, ist weniger an eine körperliche Züchtigung zu denken, wie sie in der Weisheitsliteratur von Lehrern und Eltern als ausübenden Subjekten geschildert wird (vgl. Spr 23,13f.; 17,10; 19,25), sondern eher an eine „Züchtigung mit schwerem Körperschaden“ (Conrad, Art. נכה, 452), wie sie von einer feindlich gesinnten Partei ausgeführt wird. Dabei betont Conrad, dass es „in allen Fällen, in denen JHWH direkt oder indirekt Subjekt von nkh ist, […] um definitive Vernichtung bzw. schwere Schädigung [geht], die schlagartig erfolgt, wobei hier die göttliche Übermacht und Überlegenheit besonders manifest wird“. 432 Jeremias, Hosea, 85. 433 Vgl. Hartenstein, Angesicht, 268–272.
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auf eine kultische Hinwendung ( )ובקׁשו פניIsraels zu JHWH dient,434 impliziert die Formulierung „und wir werden leben vor seinem Angesicht“ ( )ונחיה לפניוaus Hos 6,2b die wiederhergestellte (kultische) Gemeinschaft zwischen Israel, Juda und JHWH infolge der Zuwendung des Königsgottes.435 Eine Hoffnung, die im Rahmen der Gottesrede von Hos 6,4–6 jedoch zurückgewiesen wird. Hos 7,1 Hos 7,1 wird mehrheitlich zum Kompositionsabschnitt Hos 6,7– 7,12436 bzw. 6,7–7,16437 gerechnet, der von Vielhauer als Bestandteil der Grundschicht des Hoseabuches betrachtet wird.438 V.7aα sieht er dabei jedoch als einen Versbestandteil an, „der auf das vom Volk gesprochen Bekenntnis der Heilungszuversicht in 6,1–3 (vgl. ) [antwortet], […] also mindestens den Zusatz 5,15–6,6* voraus[setzt]“439. Auch Seifert vertritt die Sicht, dass כרפאי ליׂשראל dem Spruch 7,1f zugehört. Er antwortet auf 6,1–3, wo das Volk so zuversichtlich von JHWH erwartete, er werde es schnell heilen“440. Schließt man sich dieser Sichtweise der Texte an, so ist eine Herleitung der Heilungs- bzw. Wiederherstellungsthematik441 in Hos 7,1 als Reaktion auf die in Hos 5,15–6,6 textlich gut vorbereitete und in den Kontext integrierte Heilungsthematik möglich. Mit Hos 7,1 schließt sich der Kreis der Heilungs- bzw. Wiederherstellungshoffnung Israels (und Judas) jedoch auf dramatische Weise. So wird Israel in Hos 7,1f die in Hos 6,1–3 nur erhoffte Zuwendung des „Arztes“ JHWHs zuteil, aber sie hat nicht die eigentlich von JHWH intendierte Heilung ( )כרפאיzur Folge, sondern resultiert darin, dass sich Efraims Schuld ( )עוןund Samarias Bosheit ( )רעהzeigen ( גלהNif.). Hier ist offenbar infolge der 434
Vgl. Wolff, Umkehr, 131, der בקשals Synonym zur Wurzel שוב betrachtet, die Aufforderung zum JHWH-Suchen in Hos 5,15 jedoch als Antithese zu dem kultischen JHWH-Suchen aus Hos 5,5 ansieht. Schließt man sich dieser Sichtweise an, so bereitet Hos 5,15 bereits die Opferkultkritik von Hos 6,6 vor, in dessen Rahmen eine jenseits des Opferkults verortete Alternative der Gottesbegegnung durch die Nennung von Treue ( )חסדund Gotteserkenntnis ( )דעת אלהיםgenannt wird (vgl. Kratz, Prophetenstudien, 293f). 435 Vgl. Hartenstein, Das Angesicht JHWHs, 270. 436 Vgl. Vielhauer, Werden, 226. 437 Vgl. Jeremias, Hosea, 89. 438 Vgl. Vielhauer, Werden, 226. 439 AaO, 83, Anm. 79. 440 Seifert, Metaphorisches Reden, 206 (Hervorhebung von mir). 441 So gehört nach Seifert, aaO, 205, „die Wiederherstellung von Zerbrochenem oder Beschädigtem ursprünglich und wesentlich zur Bedeutung von “רפא.
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Krankheitsbilder und Körpermetaphorik aus Hos 5,4.12 an einen chirurgischen Eingriff durch JHWH gedacht, der der Entfernung eines Krankheitsherdes im Inneren Israels dient,442 in dessen Rahmen sich jedoch weitere Krankheitsherde zeigen. Ähnlich dem weisheitlichen Sprachgebrauch in Hos 5,4a sind es auch in Hos 7,2 „ihre Taten“ ()מעלליהם443, die das JHWH-abgewandte Verhalten Israels konstituieren. Hos 7,1f formuliert jedoch ein der Argumentationsstruktur von Hos 5,3f entgegenlaufendes und die Wiederherstellungshoffnung von Hos 6,1–3 zwar aufgreifendes, jedoch negierendes Reziprozitätsgeschehen. Sind es in Hos 5,3f die Taten Israels, die eine Umkehr zu JHWH verhindern, sind es in Hos 7,2 die Taten Israels, die schlussendlich vor dem Angesicht JHWHs stehen und denen die in Hos 6,1f erhoffte Audienz beim Königsgott zuteilwird. Anders als von Hos 6,1f erhofft, geht mit dieser Audienz jedoch keine Heilung einher, sondern eine gedenkende Auseinandersetzung JHWHs mit der gesamten Bosheit Israels (vgl. Hos 7,2), den Taten Israels, die es „jetzt“ ( )עתהumzingeln und d. h. mit denen JHWH sich nun gedenkend auseinandersetzt. Dabei zeigt sich eine konzeptuelle Nähe von Hos 7,1f zu Hos 5,3f. Diese besteht in der Wahrnehmungsthematik, die in Hos 5,3a durch die antithetische Gegenüberstellung der vollständigen Wahrnehmung Israels durch JHWH („ ;אני ידעתי אפרים ויׂשראל לא־נכחד ממניIch kenne Efraim und Israel ist nicht verborgen vor mir“) mit der ausbleibenden Anerkennung JHWHs durch Israel („ ;ואת־יהוה לא ידעוund JHWH kennen sie nicht“) in Hos 5,4b formuliert wird, in Hos 7 hingegen durch die antithetische Gegenüberstellung des ausbleibenden Bedenkens Israels („ ;ובל־יאמרו ללבבםnicht sagen/bedenken sie in ihren Herzen“) in V.2aα mit der gedenkenden Wahrnehmung ihrer gesamten Bosheit durch JHWH („ ;כל־רעתם זכרתיdass ich all ihrer Bosheit gedenke“) in V.2aβ. Die in Hos 6,1ff formulierte Hoffnung einer erneuten Existenz Israels coram Deo scheitert gemäß Hos 7,1f nicht an JHWH, sondern an Israels in Bosheit verhafteter Existenzweise (vgl. Hos 7,1.3–7). Kontextuell erfüllt Hos 7,2 dabei eine zweifache Aufgabe. Primär dient der Vers dazu, die Auseinandersetzung JHWHs mit dem zuvor beschriebenen Verhalten anzukündigen.444 In diesem Sinne schließt V.2 die vorangehenden Ausführungen ab.445 Zugleich ist der Vers 442
Vgl. Hos 5,4b („Denn ein Unzuchtsgeist ist in ihrem Inneren“). Vgl. Hos 4,9; 5,4; 7,2; 9,15; 12,3. 444 Anders als Rudolph, der Hos 7,1f dahingehend charakterisiert, dass dort „ein […] Urteil gefällt wird“ (Rudolph, Hosea, 146). 445 V.2 sollte nur dann als eine Gerichtsankündigung bezeichnet werden, wenn man unter „Gericht“ jegliche Form der Konfrontation mit Tatfolgen versteht. Ein juristisch-juridischer Kontext ist nicht gegeben. 443
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Bestandteil der durch das Lexem „ רעהBosheit“ miteinander verbundenen Verse Hos 7,1–3, so dass Hos 7,2 zugleich die Funktion einer einleitenden Überschrift der in Hos 7,3ff genannten weiteren Vergehen zukommt. Diese Vergehen erscheinen als Explikation der „ רעהBosheit“ im politischen Bereich. Die drei durch das Lexem רעה miteinander verbundenen Verse Hos 7,1–3 weisen dabei ein jeweils eigenes Profil auf: Während V.1 durch die Stichwortaufnahme von „Bande“ ( )גדודaus Hos 6,9 die Identifikation der in Hos 7,1 genannten pluralischen Gruppe „sie“ mit der „Gemeinschaft der Priester“ ( )חבר כהניםermöglicht, lässt es durch die Nennung der Straftatbestände Betrug, Diebstahl und Raub den in Hos 6,9 genannten Mord als Beginn einer Aufzählung von „Bosheiten“ erscheinen, die darin ein gemeinsames Merkmal aufweisen, dass sie allesamt Vergehen gegen Menschen darstellen und zugleich gegen geltendes Recht (vgl. 5,11) verstoßen. Dass die Priesterschaft dabei explizit als am schlimmsten dieser Vergehen (Mord) nicht nur beteiligte, sondern ausführende Personengruppe genannt wird (Hos 6,9), dient zum Ausdruck einer grundsätzlichen Priesterschaftskritik sowie zum Ausdruck der vollständigen Verdorbenheit der Gesellschaft: Wenn selbst der Berufsstand, der sich durch die größte Gottesnähe und seine interzessorische Tätigkeit für die Gesellschaft auszeichnen sollte, sich des schlimmsten Vergehens schuldig macht, besteht für den Rest der Gesellschaft kaum noch Hoffnung,446 wie Hos 7,1 für den gesellschaftlichen Bereich deutlich macht. In V.2 erfolgt dabei die Ankündigung der gegenwärtigen ()עתה447 Auseinandersetzung JHWHs mit dieser Bosheit. Dass damit an alle Vergehen gedacht ist, zeigt die Formulierung „ כל־רעתםall ihrer Bosheit“ in V.2aβ. Präziser als in V.2aβ lässt sich die Ankündigung der Auseinandersetzung JHWHs mit dieser Bosheit nicht fassen: Im Rahmen der Gottesrede kündigt JHWH als sprechendes Subjekt seine gedenkende Auseinandersetzung ( )זכרmit der Gesamtheit der unter dem subsumierenden Begriff „Bosheit“ charakterisierten und gegen seinen Willen verstoßenden Vergehen an.448 Dass Bosheit dabei in erster Linie als ein sich in Taten verwirklichender Habitus verstanden wird, verdeutlicht V.2bα, in 446
So mit Rudolph, Hosea, 144. Zur Hervorhebung der Gegenwärtigkeit der Auseinandersetzung JHWHs mit Vergehen wird עתהauch in Hos 2,12; 5,3.7; 8,8.10.13; 10,2 verwendet. 448 Vgl. Schottroff, Gedenken, 236: „Wenn hier vom Gedenken an die Bosheit die Rede ist, so besagt das, daß nicht einfach der Umschlag der Tat in Schicksal gemeint ist, die Tat sich also nicht von selbst am Täter auswirkt, sondern daß durch die Tat Jahwes Verhalten zum Täter bestimmt wird: Indem Jahwe der Taten Israels gedenkt, bleibt er nicht passiv, sondern läßt sie bei seinem Verhalten zu diesem leitend werden“. 447
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dem synonym zum Begriff רעהvon מעלליהםdie Rede ist.449 Die Taten werden dabei als personifizierte Größen beschrieben, die – ähnlich wie Feinde oder Vergehen im poetischen Sprachgebrauch450 – die Täter „ סבבumzingeln“. Das Bild von den Tätern, die von ihren eigenen Taten umzingelt werden,451 macht deutlich, dass diese einer Konfrontation mit ihren Taten nicht entgehen können. Der Gebrauch von עתהim Anschluss an die Schilderung des göttlichen Gedenkens verdeutlicht dabei, dass sich das Umzingeltsein nicht aus einem als Automatismus verstandenen Tun-Ergehen-Zusammenhang, als vielmehr aus dem Gedenken JHWHs ergibt.452 Sein Gedenken resultiert in der Konfrontation der Täter mit ihren Taten, der sie, wie das Bild des „Umzingeltseins“ ausdrückt, nicht ausweichen bzw. entgehen können. Anders als Hos 5,3f (A-B-C-B´-A´)453 weist Hos 7,2 eine A-B-A‘-B‘-Struktur auf: V.2aα V.2aβ V.2bα V.2bβ
ובל־יאמרו ללבבם כל־רעתם זכרתי עתה סבבום מעלליהם נגד פני היו׃
„Aber nicht bedenken sie in ihren Herzen, dass ich all ihrer Bosheit gedenke; jetzt umzingeln sie ihre Taten, vor meinem Angesicht sind sie.
Fasst man das Lexem רעהals die geschilderten Taten subsumierende und zugleich als verwerflich kennzeichnende Bezeichnung auf, so macht die dreimalige454 Verwendung des Begriffs ihn zur 449
Vgl. Hos 5,4. Die Grundbedeutung von „ סבבumgeben“ scheint in der poetischen Sprache des Psalters zu kurz zu greifen, da dort vor allem die Ausweglosigkeit einer Situation hervorgehoben werden soll (vgl. Ps 17,11; 18,6; 22,13.17; 49,6; 88,18; 109,3; 118,10–12). Diesem Sprachgebrauch verwandt sind auch die Belegstellen in Hos 7,2 und 12,1, die beide ein „feindlich umringt werden“ (Riede, Netz, 43) beschreiben. Es empfiehlt sich daher statt mit „umgeben“ mit „einkesseln“, „umringen“, „umstellen“ bzw. „umzingeln“ zu übersetzen (vgl. Riede, Netz, 43ff. 451 Vgl. Riede, Netz, 43–46. 452 Im Anschluss an Janowski wird die göttliche Intervention (vgl. Hos 7,2) in Form des Gedenkens der Bosheit nicht als ein Strafhandeln, sondern im Rahmen des Handlungsmodells der sozialen Interaktion als ein am Prinzip der reziproken Solidarität ausgerichtetes Handeln begriffen, das in der Konfrontation des Täters mit seinen Vergehen bzw. den Folgen seiner Vergehen resultiert. Das „Füreinander-Handeln“ besteht dabei im „Aneinander-Denken“, welches sich im Gedenken JHWHs vollzieht und den Täter somit nicht aus der Haftung entlässt, sondern mit seinen Vergehen konfrontiert und auf diese Weise Gerechtigkeit herstellt, vgl. Janowski, Die Tat kehrt zum Täter zurück, in: ZThK 91 (1994), 247–271, insbesondere 260–271; vgl. zudem: Ders., Ein Gott, der straft und tötet?, 156. 453 Vgl. Jeremias, Hosea, 75. 454 Vgl. zudem den adjektivischen Gebrauch in Hos 7,15, der mit der Verwendung in Hos 7,1 eine Inklusio bildet. 450
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Leseanweisung der Beurteilung dieser Taten.455 In diesem Sinne soll die Wahl des Lexems „ ׂשמחbeglücken, erfreuen“ in Kombination mit „ רעהBosheit“ und „ כחשLügen“ in V.3 verdeutlichen, dass auch der König und die Beamten als die Instanzen, die an der Durchsetzung von Recht und Ordnung in der Gesellschaft maßgeblich beteiligt sein sollten, keinen am Willen JHWHs orientierten Lebensstil pflegen.456 In diesem Fall wäre eine negative Reaktion auf die von der Priesterschaft bzw. „sie-Gruppe“ ausgelebten Bosheit und den von ihr verbreiteten Lügen zu erwarten gewesen. Die Gottesrede von V.3 impliziert auch das Urteil JHWHs über den König und die Beamten,457 deren Verhalten in den sich anschließenden Versen Hos 7,3–7 geschildert wird. In diesem Sinne entspricht der Verlauf und Abschluss der Komposition mit JHWHs gedenkender Auseinandersetzung mit den Vergehen der Priester ( ;כהניםHos 6,9), des Hauses Israel (;בית יׂשראל 6,10) und des Hauses des Königs ( ;מלךvgl. die Königserwähnungen in 7,3.5.7) dem Beginn der Komposition in Hos 5,1, in der diese im Rahmen des Höraufrufs aufgefordert werden, ihre Aufmerksamkeit auf die Urteilsverkündigung JHWHs zu richten.458 Die ihren Ausgang in Hos 5,12; 6,1 nehmende Heilungs- bzw. Wiederherstellungshoffnung Israels und Judas findet dabei in Hos 7,1 eine reziproke Erwiderung JHWHs, dessen Zuwendung jedoch schlussendlich nicht Heilung bewirken kann, sondern in der Aufdeckung und gedenkenden Auseinandersetzung mit der gesamten Bosheit Israels besteht. Wie Hos 5,1 wird dabei auch in Hos 7,1–7
455
Neben Hos 7,1 wird „( רעהBosheit, Übel, Verderben“) noch in Hos 7,2f; 9,15 und 10,15 verwendet. 456 Anders Rudolph, Hosea, 148. Seiner Einschätzung nach thematisieren die Verse 3–7 Königsmorde, so dass sich „keinerlei Beziehung zum Folgenden“ (ebd.) ergäbe, wenn man V.2 als Hinweis darauf verstünde, dass „König und Obrigkeit, die doch die Hüter von Sitte und Ordnung sein müßten, so heruntergekommen waren, daß sie an den schlimmen Zuständen sogar ihre Freude hatten“ (ebd.). Meiner Einschätzung nach leitet V.3 jedoch von der Auseinandersetzung JHWHs mit der Bosheit (V.2) zu der Schilderung der staatsdestabilisierenden Taten (V.4–7) über. Dass dabei König und Beamtentum selbst ihre Freude an den unter Umständen für sie zunächst positiven Auswüchsen der Bosheit und Lügen der Priesterschaft bzw. „sie“-Gruppe haben, verdeutlicht dabei, dass auch eigene Bosheit nicht davor schützt, fremder Bosheit zum Opfer zu fallen. Da bereits in Hos 6,9 das Morden der Priesterschaft explizit benannt wird, macht dies eine Identifizierung bzw. Verbindung der „sie-Gruppe“ aus Hos 7 mit der Priesterschaft sehr wahrscheinlich (vgl. Schütte, Gerechtigkeit, 80; RudnigZelt, Hoseastudien, 185). 457 Vgl. Wolff, Hosea, 158. 458 Vgl. Vielhauer, Werden, 79.
Hos 5–7
105
die gesamte Staatsstruktur aus Kult, Gesellschaft und Politik als voller Bosheit ( )רעהdargestellt. Zwischenergebnis Die Wurzel רפאdient im Rahmen von Hos 5–7 zum Ausdruck einer Heilungs- und Wiederherstellungsthematik, die in Hos 5,12f im außenpolitischen Kontext, in Hos 6,1 im kultischen Kontext und in Hos 7,1 im innenpolitischen Kontext verortet ist. Durch die Verbindung thematisch unterschiedlicher Kompositionsabschnitte (Hos 5,12–14: Außenpolitik; 5,15–6,6: Kult; 6,7–7,7: Innenpolitik) kommt ihr dabei einerseits die Funktion zu, diese unterschiedlichen thematischen Perspektiven miteinander zu einer Gesamtperspektive der göttlichen Wahrnehmung von Israel und Juda (vgl. Hos 5,12f) bzw. Israel und Samaria (vgl. Hos 7,1) zu kombinieren. Zugleich ermöglicht sie es, das geschichtliche Ergehen Israels und Judas in Relation zu JHWH zu setzen und es dabei als eine – schlussendlich an Israels Bosheit (vgl. Hos 7,2) – gescheiterte Erwiderung der Heilungs- und Wiederherstellungshoffnung Israels und Judas (vgl. Hos 5,13; 6,1) durch JHWH zu verstehen. So schreibt Kratz: „Evident ist die zeitgeschichtliche Anspielung in 5,13: Mit dem Laufen Efraims nach Assur sind Bündnisbemühungen Israels, vielleicht der Tribut Menachems und jedenfalls die proassyrische Politik des Königs Hoseas gemeint; und sollte in der entsprechenden Zeile auch an Juda gedacht oder der Name gar zu ergänzen sein (s. BHS), wäre zudem das freiwillige Vasallitätsverhältnis des Ahas mit im Blick. Beide Staaten trifft in 5,12–14 darum dasselbe Gericht: JHWH ist bereits ‚Eiter‘ und ‚Knochenfraß‘ für Efraim und Juda (V. 12), d. h. sie sind bereits angeschlagen, womit auf den Ausgang des sogenannten ‚syrisch-efraimitischen Krieges‘, den ersten assyrischen Schlag gegen Israel und die bedrohliche Lage für Juda nach den assyrischen Feldzügen gegen Philistäa (Gaza), Damaskus und Samaria in der Zeit von 734–732 v. Chr., angespielt sein dürfte. Und trotz bzw. gerade wegen der analogen Bündnisbemühungen wird JHWH zum Löwen für die beiden Staaten und frisst sie restlos auf (V.13–14), was – nun in direkter Anrede und im impf. als Ankündigung formuliert – auf den nächsten assyrischen Schlag gegen Israel von 722 (720) und als Folge davon vielleicht auch schon auf den Schlag gegen Juda von 701 v. Chr. vorausweist“459.
Angesichts des eigenen Krankheitsbefalles richtet sich die Heilungshoffnung Israels zunächst auf Assyrien (Hos 5,13). Wie durch die betonte Gegenüberstellung der Pronomen ersichtlich wird (vgl. Hos 12a.13bα.14aα.14bα), wird im Rahmen des Textes ein Machtspiel zwischen dem assyrischen Großkönig und JHWH abgebildet, dessen Ausgang jedoch feststeht: Wie Israel und Juda ist auch er gegen JHWHs das Leben der Staaten Israel und Juda in 459
Kratz, Prophetenstudien, 294.
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Hos 5–7
seinen Grundfesten („Eiter“; „Knochenfraß“) gefährdende Zuwendung machtlos. Israels und Judas Bündnispolitik wird dabei als Abwendung von JHWH gedeutet und zieht schließlich die Ankündigung einer weiteren Zuwendung JHWHs zu Israel und Juda nach sich, in deren Rahmen beide Staaten den Tod finden werden (V.14). Statt der gesuchten Heilung durch Assyrien, finden Israel und Juda schließlich den Tod durch ihren eigenen Staatsgott, dessen negative Zuwendung am Anfang und am Ende des Kompositionsabschnittes steht und dabei stets eine Erwiderung auf die Abwendung Israels und Judas darstellt (vgl. Hos 5,11; 5,13). Dass der Staatsgott JHWH sich Israel und Juda schwächend und schließlich tötend zuwendet, liegt in ihrer der negativen Zuwendung JHWH vorausliegenden Abwendung von ihm begründet, die sich als Zuwendungsgeschehen zu Dritten realisiert (vgl. V.11.13). Demgegenüber formuliert Hos 6,1 einen Erkenntnisfortschritt seitens Israels und Judas, indem die Heilungsbzw. Wiederherstellungshoffnung im Rahmen der Selbstaufforderung nun auf JHWH gerichtet und – die Abwendungsbewegung JHWHs aus Hos 5,15 spiegelnd – im Rahmen einer für die Zukunft angekündigten Umkehr zu ihm im Kult gesucht wird. Jedoch wird auch diese Hoffnung im Rahmen der Gottesrede Hos 6,4–6 abgelehnt, mit der fehlenden Beständigkeit der Treue Israels begründet (vgl. Hos 6,4b) und statt mit der Heilung durch JHWH als Arzt mit einer Metaphorik des Todes beantwortet, in deren Rahmen JHWH als Steinmetz und Feind präsentiert wird (vgl. Hos 6,5a). Demgegenüber scheint in Hos 7,1 die Heilungs- und Wiederherstellungshoffnung endlich eine positive Reaktion JHWHs hervorzurufen. So schildert V.7aα, dass JHWH sich Israel tatsächlich heilend zuwendet ()כרפאי ליׂשראל. Die Krankheitsmetaphorik aus Hos 5,4.12 aufgreifend wird dieser Prozess einem chirurgischen Eingriff vergleichbar dargestellt, der jedoch, statt in der Entfernung der Krankheitsauslöser, in der Aufdeckung weiterer Krankheitsherde besteht, die mit den Begriffen „Schuld“ ( )עוןund „Bosheit“ ()רעה begrifflich neu gefasst werden (vgl. Hos 5,3f: „Unzucht“; „Unzuchtsgeist“) und ganz Israel mitsamt seiner Hauptstadt im Rahmen der gedenkenden Auseinandersetzung JHWHs (vgl. Hos 7,2) mit der Begründung des Urteils konfrontieren, das die Komposition eingeleitet hat (vgl. Hos 5,1). Dabei zeigt sich, dass nicht Israel, sondern nur Israels als Vergehen dargestellter „Taten“ (vgl. Hos 7,2) schlussendlich die Audienz vor dem Königsgott JHWH gewährt wird, die eigentlich Israel hätte zuteilwerden sollen (vgl. Hos 5,15; 6,2; 7,2).
Hos 5–7
2.4
107
Ertrag
Hos 5,1–7,16 als der wohl älteste Kern des Hoseabuches460 hat sich als eine kompositionelle Einheit erwiesen, deren einzelne Abschnitte (Hos 5,1–7.8–11.12–14; Hos 5,15–6,6; 6,7–7,12.13–16) einerseits bereits durch Reziprozitätsaussagen geprägt sind (vgl. u. a. Hos 5,3f.6.12–14; Hos 7,2.11f.15f). Andererseits wurden diese Kompositionsabschnitte jedoch auch über die fortschreibende Wiederaufnahme und Aktualisierung von bereits vorhandenen Reziprozitätsaussagen miteinander verbunden bzw. erst durch die fortschreibende Aufnahme eines Bewegungsverbs Reziprozität zwischen dem Verhalten Israels und JHWHs konstituiert, wie exemplarisch das kompositionsverbindende Spiel mit הלךüber die Grenzen der Kompositionsabschnitte Hos 5,11,12–14; Hos 5,15–6,1 hinweg zeigt.461 So bringt die Erkenntnisthematik (vgl. ידעin Hos 5,3f.9; 6,3; 7,9) nicht nur am Anfang der Genese des Hoseabuches Israels Unvermögen zum Ausdruck, die eigene geschichtlich-politische Situation adäquat zu erkennen (vgl. Hos 7,9),462 sondern scheint dabei auch sehr zeitnah mit einer fehlenden bzw. verweigerten Kenntnis bzw. Anerkennung JHWHs durch Israel im Kult in Verbindung gebracht worden zu sein (vgl. Hos 5,3f; 6,1–3).463 Das wirtschaftliche Ausbluten Israels aufgrund der Tributlast im außenpolitischen Bereich (vgl. Hos 7,9),464 das als eine unerwünschte, aber auch seitens Israels unerkannt bleibende negative Zuwendung von Fremden ( )זריםdargestellt wird, wird im Verlauf der Genese des Hoseabuches mit einer ausbleibenden Anerkennung des eigenen Landesgottes JHWHs durch Israel im israelitischen Kult begründet (vgl. Hos 5,3f). In der jetzigen Komposition verläuft die 460
Vgl. AaO, 226. Vgl. „erkennen“ ( )ידעin Hos 5,3f.9; 6,3; 7,9; „Unzucht (treiben)“ (זנונים/ )זנהin Hos 5,3f; 6,10; „gehen“ ( )הלךin Hos 5,6.11.13ff.; 6,1.4; 7,11f, „sich wenden“ ( )ׁשובin Hos 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16 ; „heilen“ ( )רפאin Hos 5,13; 6,1; 7,1. 462 So im Anschluss an Kratz, Prophetenstudien, 289. 463 So geht Vielhauer zwar davon aus, dass es sich bei den kultpolemischen Texten um eine Ergänzungsschicht zur politkritischen Grundschicht handelt, setzt diese jedoch in fast unmittelbarer zeitlicher Nähe zueinander an, wenn er einerseits schreibt, „daß die Verfasser der hoseanischen Grundschicht den durch Assur gewirkten Untergang des Nordreiches 723/720 v. Chr. bereits erlebt haben“ (Werden, 116f), er andererseits sowohl die Ergänzung der Grundschicht um die Juda-Schicht als auch um die kultkritische Schicht in den letzten beiden Jahrzehnten des ausgehenden 8. Jh. v. Chr. ansetzt (vgl. aaO, 124). 464 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 290. 461
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Hos 5–7
theologische Argumentation von innen nach außen: Weil Israel im Landeskult die Anerkennung des eigenen Landesgottes JHWHs verweigert (vgl. Hos 5,3f), ist es dem von außen kommenden Zugriff fremder Nationen schutzlos ausgeliefert (vgl. Hos 7,9). Im Rahmen der Erkenntnisthematik findet das Scheitern positiver Wechselseitigkeit in der Beziehung zwischen JHWH und Israel schlussendlich darin seinen Ausdruck, dass die vollständige Kenntnis Israels durch JHWH mit der ausbleibenden Anerkennung/Kenntnis JHWHs durch Israel einander antithetisch gegenübergestellt wird und dadurch der Verweigerung von positiver Reziprozität Israels gegenüber JHWH Ausdruck verliehen wird. Ihren letzten Ausdruck findet diese Verweigerung der Anerkennung JHWHs daher in einer ausbleibenden Rückkehr zu ihm (vgl. ׁשובin Hos 5,4), deren Erwiderung in der Fortschreibung von Hos 5,15 erfolgt. Dass Israel JHWH im Kult aber selbst dann nicht mehr findet, wenn es JHWH (vgl. Hos 5,5–7) bzw. das Erkennen JHWHs dort sucht (vgl. Hos 6,1–3), wird mit der mangelnden Zuverlässigkeit von Israels Treue gegenüber JHWH (vgl. Hos 6,4) und Israels Unzuchtstaten (vgl. זנהin Hos 5,3) bzw. Unzuchtsgeist (vgl. רוח זנונים in Hos 5,4) begründet. Aufgrund dieser mangelnden Beständigkeit der positiven Reziprozität im Verhalten Israels gegenüber JHWH stößt schließlich auch die im Rahmen der „fiktive[n] Rede des Volkes“465 ergehende und eine Reaktion auf die gehende Abwendung JHWHs in Hos 5,15 darstellende Selbstaufforderung zur gehenden Rückkehr ( )ׁשובzu JHWH und zum Nachjagen hinter dem Erkennen JHWHs (vgl. Hos 6,3) auf Ablehnung seitens JHWHs (vgl. Hos 5,4; 6,4). Ist die Umkehr dabei in Hos 5,3f aufgrund der Unzuchtstaten Israels ausgeschlossen, wird sie in Hos 6,4 aufgrund dieser – im Rahmen der Vergleiche von V.4 als mangelnde Treue dargestellten – fehlenden positiven Reziprozität im Verhalten Israels gegenüber JHWH von diesem abgelehnt. Diese fehlende positive Reziprozität gegenüber JHWH findet dabei im Rahmen von Hos 5,3f und dem Zitat von Hos 5,3 in Hos 6,10 über die Kategorisierung des Verhaltens Israels als „Unzucht“ bzw. „Unzucht treiben“ eine neue Interpretation. Über den Begriff der „Unzucht“ wird eine dritte Größe impliziert, der statt JHWH die Zuwendung Israels zuteilwird. Erst im Rahmen von Hos 4,4–19; Hos 8,5f und der Narration von Hos 2,4–15 wird diese Größe mit falschen Kultpraktiken (vgl. Hos 4,4–19), dem Kalb von Samaria (vgl. Hos 8,5f) bzw. Baal (vgl. Hos 2,10.15) identifiziert. Im Rahmen der Komposition 5–7 werden JHWH und die richtige JHWH-Erkenntnis nicht mehr in dem in Hos 5,6 geschilderten 465
Vielhauer, Werden, 52.
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israelitischen Opferkult gefunden, sondern diesem nun antithetisch entgegengesetzt (vgl. Hos 6,6). JHWH selbst hat sich Israel im Kult entzogen (vgl. Hos 5,6) und die vormals geforderte, aber ausgebliebene Umkehr zu JHWH im Kult (vgl. Hos 5,4) ist nun nicht mehr möglich. Im Anschluss an Kratz stellt sich diese „Differenzierung JHWHs“466 dabei als „Folge der Gerichtsprophetie im Hoseabuch [dar]“467. JHWH wird vom israelitischen Kult gelöst und begegnet seinem untreuen (vgl. Hos 6,4) und unzüchtigen (vgl. Hos 5,3f; 6,10) Volk nun auf der politischen Weltbühne.468 Dabei wird er jedoch nicht zu einem „anderen“ JHWH, auch sein Verhalten wird noch immer als von Reziprozität geprägt dargestellt. Was sich ändert, ist der Ort, an dem JHWH auf die Untreue seines Volkes reagiert. So stellt sich kontextuell der Entzug JHWHs vom Kult als Rückzug auf die politische Weltbühne dar, von der aus nun die Untreue seines eigenen Volkes ihre Antwort seitens JHWH findet, indem er sich gegen sein eigenes Volk wendet (vgl. Hos 5,14).469 Der Untergang Israels und Judas stellt sich als reziproke Reaktion JHWHs auf die Untreue seines eigenen Landesvolkes von ihm dar. Während die kultische Zuwendung Israels zu JHWH aufgrund von Unzuchtstaten bzw. einem Unzuchtsgeist“ ganz ausbleibt (vgl. Hos 5,3f) bzw. als aufgrund der fehlenden Zuverlässigkeit der Treue Israels abgelehnt wird (vgl. Hos 6,4), wird die ausbleibende bzw. abgelehnte Hinwendung zu JHWH auch durch Gehbewegungen ()הלך ausgedrückt. Stärker noch als im Rahmen der Erkenntnisthematik zeigt sich die Reziprozität zwischen den Taten Israels und den Reaktionen JHWHs dabei im Rahmen der mit הלךausgedrückten gehenden Zu- und Abwendung im Kern des Hoseabuches (vgl. Hos 5,6.11.13ff; 6,1.4; 7,11f). Das „Gehen“ nimmt dabei seinen Ausgangspunkt in der (politischen) Nachfolge Israels hinter „Nichtigem“ in Hos 5,11.470 Während die Ereignisse um den syrischephraimitischen Krieg dabei als eine Abwendung von JHWH gedeutet werden, findet die Abwendung Israels von JHWH ihre Entsprechung in der Fortschreibung der V.12–14 zunächst darin, dass JHWH im Rahmen der Nominalaussagen von V.12 als die Staaten Israel und Juda zutiefst schwächende Krankheiten dargestellt wird. Infolge der Wahrnehmung (vgl. „sehen“ in V.13) des eigenen geschwächten Zustandes findet jedoch keine Zuwendung zum eigenen Landes- und Staatsgott statt, sondern – darin Hos 5,11 und 466 467 468 469 470
Kratz, Prophetenstudien, 306. Ebd. Vgl. aaO, 43. Vgl. die ähnliche Position von Jeremias, Grundtendenzen, 11. Vgl. Vielhauer, Werden, 226.
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Hos 7,11f parallel – erneut eine mit הלךausgedrückte Zuwendung zu einer dritten Größe (Assyrien)471, die als Bündnispartner „heilen“ ( )רפאsoll, d. h. die staatliche Wiederherstellung ermöglichen soll. Das durch die betonte Verwendung von Personalpronomen (vgl. Hos 5,12a.13bα.14aα.14bα) im Text abgebildete Machtspiel zwischen JHWH als Staatsgott und dem assyrischen Großkönig geht dabei zugunsten JHWHs aus, der sich in V.14 erneut und – die an den falschen Adressaten gerichtete Heilungshoffnung negativ erwidernd – nun mit der tödlichen Macht eines Löwen gegen seine Völker Israel und Juda wendet.472 Israels gehende Zuwendung zum assyrischen Bündnispartner wird im Rahmen von Hos 5,12–14 als eine Abwendung von JHWH gedeutet, die ihre Erwiderung in einem tödlichen Schlag gegen die eigenen Völker findet. So ist es zuletzt JHWH, der mit Israel und Juda als (verschlungener) Beute davongeht ()הלך. Im Rahmen der Fortschreibungen Hos 5,15–6,6 und Hos 5,3f wird diese politische Abwendung Israels von JHWH mit der kultischen Perspektive ineinander gespiegelt: So relativiert Hos 5,15 nicht nur zunächst das „Gehen“ JHWHs mit Israel und Juda als gerissener Beute in Hos 5,14, sondern ist als zeitlich begrenzter Rückzug (vgl. die Verwendung von ׁשובin Hos 5,15) die Voraussetzung, die es Israel ermöglicht, reziprok auf JHWHs Verhalten zu reagieren. Die Reaktion Israels auf den zeitlich begrenzten Rückzug JHWHs findet dabei darin ihren Ausdruck, dass mit denselben Bewegungsverben, die zunächst im Rahmen von Hos 5,15 die Abkehr JHWHs von Israel ausgedrückt haben ( הלךund )ׁשוב, nun im Rahmen von Hos 6,1 die Ankündigung der Rückkehr Israels zu JHWH ausgedrückt wird, bei dem die Heilung (vgl. Hos 6,1) gesucht wird. Das politische Ergehen Israels wird auch hier mit dem Verhalten Israels gegenüber dem eigenen Landesgott im Kult in Verbindung gebracht. Dabei findet sowohl in Hos 6,1 als auch in Hos 5,6 eine JHWH zugewandte Geh-Bewegung Israels statt, die jedoch JHWH im Kult nicht mehr erreicht, da er sich ihnen dort aufgrund ihrer mangelnden 471
Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 43, der die Erwähnung Assurs im Rahmen der Gerichtsprophetie als Indiz dafür ansieht, dass nicht 587 v. Chr., sondern 722 v. Chr. „die entscheidende historische Zäsur“ für die Entstehung der Gerichtsprophetie darstellt. 472 Vgl. aaO, 137: „Das Löwenwort bedient sich einer Metapher, die sowohl von der assyrischen Ikonographie und Herrschersymbolik als auch von der biblischen Überlieferung her nahelag, wo die Metapher Gott, den eigenen König und gewalttätige Fremdkönige bezeichnet“. Obwohl Kratz diese Sätze im Rahmen seiner Beschäftigung mit dem Pescher Nahum und seiner biblischen Vorlage schreibt, verweist er auf derselben Seite (Anm. 143) auch auf die Parallele in Hos 5,14.
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Treue (vgl. Hos 6,4) und ihrem als Unzucht gedeuteten Verhalten (vgl. Hos 5,3f) endgültig entzogen hat. Im Rahmen der ältesten Komposition Hos 5–7 bleiben die kultischen Größen, denen statt JHWH Israels Zuneigung und Anerkennung zuteilwird, unbestimmt. Im Vordergrund der prophetischen Botschaft steht vielmehr die Loslösung der wahren Gotteserkenntnis vom israelitischen Opferkult (vgl. Hos 6,6) und die Loslösung JHWHs von einem Opferkult, der den Untergang Israels nicht verhindern konnte (vgl. Hos 5,3f). Die politischen Größen, denen sich Israel statt JHWH zuwendet, sind zunächst ebenfalls unbestimmt (vgl. Hos 5,11), werden dann jedoch mit Assyrien (vgl. Hos 5,13; 7,11) und Ägypten (vgl. Hos 7,11.16) eindeutig identifiziert. Wie diesen politischen Großmächten Israels freiwillige Zuwendung als „Gehen“ auf der Suche nach politischer Wiederherstellung und politischem Beistand im Rahmen der Komposition zuteilwird (vgl. Hos 5,13; Hos 7,11), so findet die Komposition auch ihren Abschluss mit einer freiwilligen Hinwendung Israels, die jedoch nicht JHWH zuteilwird (vgl. Hos 7,16). Statt Heilung und Wiederherstellung findet Israel in Ägypten – repräsentiert durch die eigenen Beamten – nur den Tod. Als Abschluss der Komposition kommt Hos 7,16 dabei zunächst die Funktion zu, die Erfolglosigkeit der Zufluchtssuche Israels bei anderen Mächten in Kult und Politik als bei seinem eigenen Staatsund Landesgott aufzuzeigen. Indem Israel jedoch am Ende der Komposition bereits nicht mehr im eigenen Land visualisiert wird, sondern sich in Form der Beamtenschaft im Land Ägypten vorfindet, ist die Grundlage für eine theologische Entwicklung im Hoseabuch gelegt, in deren Rahmen die freiwillige Hinwendung Israels nach Assyrien und Ägypten (vgl. Hos 5,13; 7,11) zu einer unfreiwilligen Rückkehr nach Ägypten (vgl. Hos 8,13; 9,3) umgedeutet wird. Sie stellt sich dabei als Reaktion JHWHs auf die freiwillige Hinwendung Israels zu diesen Gegenmächten dar, die in einer Revozierung der Landesgabe durch den Landesgott resultiert und zuletzt die Revozierung der gesamten Heilsgeschichte als Aufhebung des Exodusgeschehens bedeutet.473 473
Vgl. Jeremias, Hosea, 101; vgl. jedoch Kratz, Prophetenstudien, 301: „‚Rückkehr‘ nach Ägypten (šwb) in 9,3 und 8,13 bedeutet […] zunächst nicht mehr als dies, daß Israel sich (wieder) an die Macht wenden muß, an die es sich – statt sich an JHWH zu wenden (vgl. 5,4; 6,1; 7,10) – schon einmal gewendet hat, daß es (wieder) dorthin muß, wo es – analog dem ‚Laufen nach Assur‘ in 5,13; 7,11f; 8,9 – zuvor schon (durch Gesandtschaften) vergeblich um Hilfe gebeten hat. So ist der angedrohte Tod in oder durch Ägypten und Assur in 7,16; 8,13; 9,3.6 die konsequente Strafe für eine verfehlte Bündnispolitik mit ebendiesen Mächten wie auch für Abgötterei, womit in Hos 4–9 das Gericht begründet wird. Erst vor dem
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Hos 5–7
Die sogenannte „unbedingte Gerichtsankündigung“ stellt sich in der theologischen Botschaft des Hoseabuches als die Kehrseite einer reziprok gedachten Beziehung zwischen dem Landesgott JHWH und seinem Volk Israel (und Juda) dar.474 Im Rahmen der prophetischen Botschaft gilt als eigentlicher Auslöser des geschichtlichen Ergehens Israels nicht die zunehmende Bedrohung durch Assyrien, sondern die Abwendung Israels vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH in der Innen- und Außenpolitik (vgl. u. a. Hos 5,11.13; 6,7; 7,7.16) sowie im Landeskult (vgl. u. a. Hos 5,3f; 6,10; 7,14). Diese aktive Abwendung von JHWH ist der Grund, wieso JHWH sich Israel negativ reziprok zuwendet und es mit seinen Vergehen konfrontiert bzw. sich negativ reziprok abwendet und das Verhalten Israels – als vorausgegangene Abwendung von JHWH in der Zuwendung zu dritten Größen – spiegelt. Kratz sieht dabei das Innovative an der Denkfigur der unbedingten Gerichtsansage darin, dass „ein andere[r], fremde[r] JHWH jenseits der staatlichen Ordnung“475 „für den geschehenen oder drohenden Untergang der beiden Staaten verantwortlich [ge]macht [wurde]“476. Der Untergang Israels durch Assur erscheint im Rahmen dieser Denkfigur „nicht als geschichtlicher Unfall, sondern als Tat Jhwhs, der sein Volk ins Verderben führt“477 und auf der Seite Assurs gegen sein eigenes Volk kämpft. Er ist daher auch nicht länger im israelitischen Opferkult zu finden, der nun als einer falscher bzw. als ein Baalskult diffamiert wird, sondern auf der politischen Weltbühne. Diesen JHWH zu erkennen ist nun die eigentliche Aufgabe Israels.478 Durch diese schriftprophetische Modifikation des Gottesbildes war es möglich, trotz der Krisenerfahrungen von 722 v. Chr. sowie von 597/87 v. Chr. an JHWH festzuhalten. So schreibt Kratz: Es war dieser „ander[e], fremd[e] JHWH, jenseits staatlicher Ordnung, der nach dem Ende des Staates Israel, mehr zufällig entdeckt und Hintergrund der geschichtlichen Heilstaten JHWHs in der Vorzeit Israels wird diese Strafe zu einer Rücknahme der Heilsgeschichte“. 474 Dabei kann mit Kratz, Prophetenstudien, 306 davon ausgegangen werden, dass „sowohl die Differenzierung JHWHs in die beiden Konkurrenten JHWH und ‚Baal‘ als auch der Ausschließlichkeitsanspruch JHWHs in dem durch den Exodus gestifteten, exklusiven Verhältnis von JHWH und Israel […] nicht Ursache, sondern Folge der Gerichtsprophetie im Hoseabuch [sind]“. 475 AaO, 43. 476 Ebd. 477 Ebd. 478 Vgl. Ders., Erkenntnis Gottes, 296: „Demzufolge entspricht die Instrumentalisierung des JHWH-Kults in der assyrischen Bedrohung der Bündnis- und Königspolitik und läßt den Kult ebenso wie die Außen- und Innenpolitik als Abkehr von JHWH erscheinen“.
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aufgeschrieben, in der prophetischen Überlieferung als Gott Israels zunächst im Staat Juda und nach 587 auch ohne den Staat überleben konnte“479. In der Auseinandersetzung mit den Reziprozitätsvorstellung der Komposition Hos 5–7 hat sich jedoch gezeigt, dass es gerade kein anderer, fremder JHWH ist, „der sein Volk ins Verderben führt“480, sondern sich dieses geschichtliche Ergehen Israels im Hoseabuch als die Kehrseite einer reziprok gedachten Beziehung zwischen Israel und JHWH präsentiert, die durch Zu- bzw. Abwendungshandlungen in Politik, Kult und Geschichte konstituiert wird. Die hoseanische Theologie der (Un-)Treue erweist sich als das kompositionsleitende Thema bereits von Hos 5–7. Sie gewinnt darin Gestalt, dass die Beziehung zwischen Israel und JHWH als durch reziproke Interaktionen konstituiert dargestellt wird, die sich als Zu- und Abwendungsgeschehen in Politik, Kult und Geschichte realisieren. Dementsprechend ist das „Gericht“, das Israel angesichts seiner Vergehen angekündigt wird und es historisch 722 v. Chr. ereilte, die Folge der Untreue Israels gegenüber JHWH, mit der Israel von JHWH konfrontiert wird. Hosea und seine Tradenten verkündigen dabei jedoch keineswegs einen „andere[n], fürchterlich neue[n] JHWH“481, sondern denselben JHWH, der nun jedoch in anderer, fürchterlich neuer Weise reziprok auf die Vergehen seines Landesvolkes reagiert, wie bereits Jeremias gezeigt hat.482 Im Untergang des Nordreichs wird Israel nicht mit einem Geschick bestraft, welches losgelöst von seinem Handeln ist. Vielmehr stellt sich der Untergang als die Kehrseite der reziproken Beziehung zwischen Israel und JHWH dar und als Folge der Abkehr Israels vom eigenen Landesgott JHWH. Dementsprechend entscheidet sich an Israels Treue oder Untreue gegenüber JHWH, dem Bleiben in oder dem Entfernen aus seinem Herrschaftsbereich – kurzum der Verwirklichung einer reziproken Solidarität auch und gerade in der Beziehung zum eigenen Nationalgott – das geschichtliche Ergehen Israels und Judas. Möchte man an der Rede von einer „unbedingten Gerichtsansage“ festhalten, so wäre diese als „reziproke Konfrontationsankündigung mit den Folgen der eigenen mangelnden Treue gegenüber JHWH“ zu definieren.
479 480 481 482
Ders., Prophetenstudien, 43. Ders., Die Propheten Israels, 64. Ders., Prophetenstudien, 304. Vgl. Jeremias, Grundtendenzen, 11f.
3 Hos 8,1–14 als Abschluss der Komposition Hos 5–7 3.1 Übersetzung und Textkritik Hos 8 1
2 3 4
5
1
An deinen Mund ein Schofarhorn1 wie der Geier über das Haus JHWHs, weil sie übertreten haben meinen Bund und gegen meine Weisung gesündigt haben. Zu mir schreien sie: „Mein2 Gott, wir haben dich erkannt, Israel3!“ Verworfen hat Israel Gutes, ein Feind wird es verfolgen4. Sie haben eingesetzt Könige, aber nicht ausgehend von mir, Beamte, aber nicht erkannt/gewusst habe ich es; ihr Silber und ihr Gold haben sie gemacht zu ihren Götzenbildern, damit es zerschlagen5 wird. Er hat dein Kalb verworfen6, Samaria. Entbrannt ist mein Zorn gegen sie;
S und T bieten Paraphrasen und scheinen von MT abhängig zu sein (vgl. BHQ, 62*). G bietet εἰς κόλπον αὐτῶν ὡς γῆ und beruht eventuell auf einer beschädigten hebräischen Vorlage (vgl. BHQ, 62*). 2 MT stellt gegenüber LXX (kein Suffix) und S (Pluralform) die lectio difficilior dar. 3 LXX und S lassen dieses Wort aus, da sie es offenbar nicht mit der Syntax des Satzes verbinden konnten (vgl. BHQ, 62*). 4 LXX bietet das Verb als 3.pl. und sieht אויבals das Objekt statt als das Subjekt des Satzes an. Mit BHQ wird dies im gegebenen Kontext jedoch als weniger wahrscheinlich angesehen (vgl. BHQ, 62*). 5 Nur MT bietet den Sg. BHQ hält den von allen Versionen gebotenen Pl. für bedeutsam, verweist jedoch darauf, dass dieser „may well reflect an exegetical tradition rather than a Hebrew Vorlage with a pl. verb“ (BHQ, 63*). Es wird daher mit M (lectio difficilior) gelesen. Willi-Plein, Vorformen, 164 sieht יכרת למעןals eine spätere Eintragung an, die „auch durch das Metrum (Fünfer) erkennbar“ sei. 6 Rudolph, Hosea, 157 merkt bezüglich MT „er hat verworfen“ an, dass dies nicht ginge, da JHWH in der gleichen Zeile selbst rede. Er schlägt daher vor, von einem Infinitiv abs. (Qal) auszugehen. Willi-Plein, Vorformen, 165 schließt sich dieser Position an und übersetzt: „Verwerfung in bezug [sic] auf dein Kalb, Samaria“.
Hos 8,1–14
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bis wann werden sie nicht fähig sein zur Reinheit? Ja, aus Israel ist es und7 es/er, ein Handwerker hat es gemacht und nicht ein Gott ist es; ja, zu Splittern8 wird9 werden das Kalb Samarias. Ja, Wind säen sie, aber Sturm10 ernten sie. Halm ohne seinen Spross11 macht kein Mehl; vielleicht wird es machen, Fremde verschlingen es. Verschlungen ist Israel; jetzt sind sie geworden unter den Nationen wie ein Gegenstand, an dem man keinen Gefallen hat. Ja sie sind hinaufgegangen nach Assur; ein Wildesel ist ein Abgesonderter für sich, Efraim verteilt12 Liebesgeschenke.13 Auch wenn sie diese verteilen unter den Nationen, jetzt werde ich sie sammeln und sie haben begonnen weniger zu werden14
S transferiert die Kopula von והואzum nächsten Wort und scheint damit eine Vereinfachung angestrebt zu haben. 8 Das Wort findet sich nur in Hos 8, seine Bedeutung ist umstritten. Die Versionen scheinen ebenfalls Schwierigkeiten mit seiner Wiedergabe gehabt zu haben und bieten verschiedene Annäherungen. BHQ verweist darauf, dass „the only potential textual evidence is that of 4QpHosb for pointing the word as a polel form, but even this is uncertain because it is not clear whether the relevant letter is to be read as וor י. If the reading were ו, this might be the basis of the rendering of G, θ' and ε'" (BHQ, 63*). 9 LXX und S bieten eine Vergangenheitsform, die eventuell auf eine Vorlage hindeutet, die identisch mit 4QpHosb ist. BHQ verweist jedoch darauf, dass diese Gemeinsamkeit auch „purely translational and the agreement with 4QpHosb coincidental“ (BHQ, 63*) sein kann. 10 LXX bietet καταστροφὴ; dabei scheint es sich um eine interpretierende Übersetzung zu handeln. 11 Die Versionen bieten keinen Anlass für eine Emendation des לוzu לה, welche weitere Emendationen der nächsten zwei Verben zu Femininformen nötig machen würde. LXX und (σ') umgehen diese Konstruktion und erlauben daher keinen Rückschluss auf ihre hebräische Vorlage (vgl. BHQ, 63*). 12 Die Verwendung des Hif. findet sich nur in Hos 8,9, wobei die Bedeutung unklar ist. Statt התנוwird von der BHS נַ תנוvorgeschlagen. 13 Die BHQ merkt an, dass in den meisten tiberischen Manuskripten das Ende des Verses, nach dem Wort, welches den Silluq trägt, durch zwei Punkte angezeigt werde. Die fünf der zwölf Fälle im M L (von 1050 Versen), in denen diese Punkte fehlen, seien daher als Fehler anzusehen. Ihr Fehlen im MA und in Am 1,14 sei hingegen typisch für M A, da in einem großen Teil des MA diese Punkte fehlen (vgl. BHQ, 63* und den dortigen Hinweis auf Yeivin, Tiberian Masorah, 176, § 208).
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wegen der Last des Königs der Fürsten15. Ja, Efraim hat viel gemacht die Altäre zum Sühnen,16 sie sind geworden für ihn zu Altären zum Sündigen17. Ich schrieb18 auf für ihn häufig/zehntausendfach19 meine Weisung20, wie Fremdes haben sie [sie] betrachtet. Als meine Opfergaben werden sie Fleisch schlachten, aber sie essen (es)21;
Alle Versionen scheinen Schwierigkeiten mit diesem Satz gehabt zu haben: BHQ verweist darauf, dass α' den Konsonantenbestand von MT als Pi. von חלהvokalisiert zu haben scheint und dass LXX, σ' und θ' – eventuell auch V und S – Formen dieser Wurzel angenommen haben. Für LXX wurde jedoch auch die Wurzel „( חדלbeenden“) sowie von CTAT, 3:552 der Hif. von „( יחלbeginnen, anfangen, entweihen“) für διαλείπειν und „( חילsich winden“) für ὑπομένειν vermutet. BHQ subsumiert: "It is unsafe to presuppose any consonantal Vorlage different from M. The fact that none of the vrss. renders in agreement with the Masoretic vocalisation […] is probably due to the difficulty of gaining a satisfactory sense in the context with this interpretation" (BHQ, 63*). 15 BHS möchte mit vielen Manuskripten von LXX, S und Manuskripten von T sowie V וְ ׂשריםlesen. Gesenius18 schlägt vor, mit LXX „sie werden bald aufhören Könige und Fürsten zu salben" zu lesen. BHQ hingegen identifiziert מלך ׂשריםals Titel des assyrischen Königs. 16 Die exakte Wiederholung des Wortes in V.11b (M) wurde von vielen Varianten durch die Wahl eines anderen Wortes umgangen. LXX bietet מזבחתzweimal. Beim ersten לחטאbietet LXX jedoch eine andere Vokalisation. Zudem bietet LXX statt der Wiederholung des Wortes ἠγαπημένα. Im Anschluss an LXX wird der Vokalisation leḥṭṭē’ („zur Sühne, zum Sühnen“) der Vorzug gegeben (so auch Jeremias, Hosea, 103). S bietet in beiden Fällen für לחטאeine andere Vokalisation, (σ') und V bieten eine andere Vokalisation nur in der zweiten Verwendung des Wortes, während T die zweite Verwendung paraphrasiert. 17 BHS vermutet eine Dittographie und schlägt die Auslassung dieses Versteils vor. 18 Das Verb wird von σ', S und T als Vergangenheitsform interpretiert. 19 Es ist nicht klar, wie Mketib vokalisiert werden soll: „Many read it as = ִרּבֹו 'myriad'. Macintosh (Hosea, 325), following Qimḥi, reads it as 3 pl. pf. qal of רבב, construed as an asyndetous relative clause. He also mentions Brockelmann´s vocalization as ֹרּבו, i.e., as the noun ר ֹבwith the old nominative case ending" (BHQ, 64*). Mqere wird zumeist als pl.cs. des Nomens ר ֹבangesehen. G, S und T übersetzen so, als wäre das Wort ר ֹב. Willi-Plein, Vorformen, 169 entscheidet sich für das Qere („meine vielen Weisungen“), „obwohl pl. von ר ֹבsonst nicht vorkommt. Gerade dieser Umstand kann zur Lesung רבֹוgeführt haben“. 20 Nur TMss liest mit MT. Die anderen Versionen vokalisieren den Konsonantenbestand als Plural. Das καί aus LXX kann sich aus einer anderen Unterteilung des Satzes ergeben haben und auf dem וam Ende des vorangehenden Wortes basieren. Die Verwendung von αὐτοῦ in LXX kann nach BHQ daher stammen, dass LXX das letzte יals וgelesen hat (vgl. BHQ, 64*).
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JHWH hatte keinen Gefallen (daran). Jetzt gedenkt er ihrer Schuld und er überprüft ihre Sünden, sie werden nach Ägypten zurückkehren22. Und Israel vergaß den, der es gemacht hat und baute Paläste und Juda hat zahlreich gemacht (die) befestigten Städte und ich sende ein Feuer in seine Städte und es wird verschlingen ihre Palastfestungen.
3.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese Hos 8,1–13(.14) kann in der vorliegenden Gestalt in zwei Hauptabschnitte (V.1–3; 4–14) gegliedert werden, deren Einheitlichkeit umstritten ist.23 Der erste Abschnitt (Hos 8,1–3) 21
Mit Rudolph, Hosea, 160 kann – unter Verweis auf hab hab (Spr 30,15) und das arab. habba – auch mit „Schlachtopfer [hastiger Gier] opfern sie“ übersetzt werden; Jeremias, Hosea, 103 verweist darauf, dass auch die Übersetzung mit „Liebesglut“ möglich sei und verweist auf die aram. und neuhebr. Wurzel hbhb. 22 BHQ (64*) verweist auf Jones, Formation, 99–100 und das dort angeführte Argument, dass, da LXX für die Wiedergabe von יׁשובוin 8,13 und für יׁשבוin 9,3 verschiedene Verben verwende, die Harmonisierung ihren Ursprung wahrscheinlich in der hebräischen Vorlage von LXX habe. 23 Wolff, Hosea, 175 nahm für Hos 8 eine Datierung um 733 v. Chr. vor: „Nach den Erfolgen der militärischen Operationen Tiglatpilesers III. im Norden des Staatsgebietes Israel (8), nach der Thronrevolte Hosea ben Ela (4a) und seiner Unterwerfung unter Assur (9a)“; Jeremias, Hosea, 112 erkannte in V.14 eine judäische, in V.6a eine exilische (aaO, 108) und in V.1b eine deuteronomistische (aaO, 104) Ergänzung; Pfeiffer, Heiligtum, 139 setzt für das von ihm identifizierte Grundgerüst von Hos 8 (V.1a.2– 3.4a.5aβ.b23.7–10a.b.13bβ) eine Entstehung „in [der] Zeit nach 720 v. Chr.“ an. Dieser Einheit sei zunächst „durch spätere Nacharbeit versprengtes Spruchgut [zugewachsen]“ (ebd.), welcher er in V.11.13aα.bα und V.5aα.6b zu erkennen meint. Bezüglich des Stücks V.5aα.6b merkt er an, dass dieses erst durch die nachträgliche Einfügung von V.6a aufgesprengt wurde und ursprünglich „ein Drohwort gegen den ‚Jungstier von Samaria‘“ (ebd.) dargestellt habe. Daran anschließend sei der „noch nicht am dekalogischen Bilderverbot orientierte V4b“ (aaO, 140) ergänzt worden. Danach sei die Ergänzung von V.1b erfolgt, für den eine „dtr. inspirierte Redaktion“ (ebd.) verantwortlich sei. V.6a gehe schließlich auf eine „nachexilische götzenpolemische Redaktion zurück“ (ebd.), während V.12 „aus nach-dtr. Zeit“ (ebd.) stamme. Meiner Einschätzung nach legt sich für das Grundgerüst von Hos 8 (Hos 8,1a.2–3.4–6a.(6b?)23.7–13) eine Datierung um bzw. nach 720 v. Chr. nahe (so auch Pfeiffer, Heiligtum, 139), die mit dem Propheten bzw. einem hoseanischen Tradentenkreis in Verbindung gebracht werden kann (vgl. ebd.). Für die sekundären Erweiterungen V.1b.6b(?).14 folge ich mehrheitlich Jeremias und gehe bezüglich V.14 von einer
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gliedert sich in eine von JHWH ergehende Aufforderung zu einem Warnruf (V.1a),24 an die sich in V.1b die mit יעןeingeleitete Begründung anschließt. V.1b wird dabei aufgrund seiner deuteronomistischen Prägung zumeist für einen exilischen Zusatz gehalten.25 Der zweite Abschnitt (Hos 8,4–14) stellt die Explikation der Vergehen Israels in unterschiedlichen Bereichen des Staates dar,26 die das in V.1aβ.3 angekündigte Geschehen begründen. Eine weitere Unterteilung dieses zweiten Abschnitts ist möglich (V.4a: Kritik an der Innenpolitik; V.4b–6: Götzenbildpolemik; V.7–10: Kritik an der Außenpolitik; V.11–13: Kultkritik).27 Stichwortaufnahmen verbinden dabei sowohl die beiden Hauptabschnitte (vgl. die durch זנח, „verwerfen“ ausgedrückte wechselseitige Interaktion in V.3a und V.5a) als auch die Unterabschnitte miteinander.28 Im Rahmen der Gottesrede von V.4a wird zunächst die Innenpolitik Israels kritisiert. Mit betont vorangestelltem הםwird Israels Führung vorgeworfen, Krönungen von Königen und Einsetzungen von Beamten vorgenommen zu haben, ohne dabei den Willens JHWHs berücksichtigt zu haben. Durch die Verwendung von („wissen, erkennen“) wird dabei innerhalb der Komposition eine Verbindung zwischen V.2b und V.4a hergestellt. Zugleich wird die Komposition durch die Aufnahme dieser zentralen Reziprozitätsaussage aus dem
(frühestens) judäischen Fortschreibung (vgl. Willi-Plein, Vorformen, 170) und für V.1b von einer deuteronomistischen Prägung aus (vgl. Jeremias, Hosea, 104). Wenn es sich bei V.6b um eine Ergänzung handelt, so wäre diese wohl exilisch anzusetzen. Während Jeremias, Hosea, 108 V.6b für einen exilischen Zusatz hält, geht Pfeiffer, Heiligtum, 139 von „originäre[m] Spruchgut“ aus. 24 Vgl. Jeremias, Hosea, 104 spricht von einem militärischen Warnruf, der eine Kriegsnot ankündigt und in V.2 mit einem Notschrei fortgesetzt werde. 25 Vgl. Jeremias, Hosea, 104: „Die Konjunktion jaʽan (‚weil‘), die bevorzugt Ezechiel und das DtrG verwenden, gebraucht Hosea nie“. 26 Vgl. aaO, 105. 27 Vgl. auch den Sprecherwechsel von V.4 zu V.5; von V.9 zu V.10; von V.12 zu V.13. 28 Nach Jeremias, Hosea, 105 seien hinter Hos 8,4–13 prophetische Einzelsprüche erkennbar. Als Hinweise auf diese Einzelworte sieht er „die zahlreichen verbindenden kȋ (‚ja, fürwahr, denn‘), das dreimalige folgernde ʽattȃ ‚jetzt‘ (V.8.10.13) sowie die Wechsel im Metrum und Stil“ (ebd.). Dabei weisen die einzelnen Textabschnitte (V.1–3; 4–6; 7–10; 11–13; 14) Stichwortwiederholungen auf, welche die thematischen Blöcke miteinander verbinden: „( תורתיWeisung[en]; V.1b.12a); „( זנחverwerfen“; V.3.5); בל ֹע („verschlingen“; V.7b.8a); „( נתןgeben/verteilen“, V.9b.10a); ח ֹ מזב („Altäre“; V.11a.b); „( אכלessen“; V.13a.14b).
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Buchkern Hos 5–7 eng mit diesem verbunden und insbesondere ein Rückbezug zu Hos 5,3f geschaffen.29 In V.4b–6 schließt sich eine Götzenbildpolemik an, die den Stierbildkult von Samaria thematisiert. Dabei wird durch die erneute Verwendung von זנחin V.5a eine Reaktion JHWHs auf Israels Verwerfung des Guten (V.3a) formuliert. Mit der Frage aus V.5b, die mit der Verwendung von „bis wann“ ( )עד־מתיdie Topik der Klage30 aufgreift, wird nach einem potentiellen Ende der Unfähigkeit Israels zur Reinheit gefragt und auf diese Weise der Kritik am Kult von Samaria Ausdruck verliehen.31 Dieser Kult wird als JHWHentfremdeter Kult präsentiert (vgl. V.5a: „dein Kalb“), dem in V.5a sowie im Rahmen des mit deiktisch-emphatischenֹ כיeingeleiteten V.6 das Ende angekündigt wird. V.4b und V.6b zeigen dabei nach Jeremias „Ansätze jenes aufklärerischen Spottes, den das nachexilische Israel über alle Herstellung von Götterbildern ausgießt“32. V.7–10 ist außenpolitischen Vergehen im Rahmen der israelitischen Bündnispolitik (vgl. V.9) gewidmet. Der Kompositionsabschnitt wird ebenfalls mit deiktisch-emphatischenֹ כיeingeleitet, auf das „zwei weisheitlich[e] Sprüch[e] aus dem bäuerlichen Bereich“33 folgen, die in V.8–10 anhand konkreter Vergehen Israels im Rahmen der Bündnispolitik mit Assyrien expliziert werden. Während dabei die Verwendung von ֹעתהim V.8b dazu dient, das Ergehen Israels in der textinternen Gegenwart mit den zuvor genannten Weisheitssprüchen in Verbindung zu bringen, dient die abermalige Verwendung von עתהin V.10a zur Formulierung der zeitlichen Korrelation von JHWHs Reaktion und Israels Vergehen. Zugleich fungieren V.8 und V.10 als Rahmen um den Hauptvorwurf von V.9, der Israels verfehlte Bündnispolitik mit Assyrien thematisiert und mit begründenden כֹי und betont vorangestellten ה ֹ המeingeleitet wird (vgl. V.4). Der Unterabschnitt weist dabei zwei Steigerungen von Aussagen aus dem Buchkern Hos 5–7 auf: Erstens wird die als Abwendung von JHWH gedeutete Bündnispolitik unter Rückgriff auf die Gehthematik aus dem Buchkern ausgedrückt,34 durch die Verwendung von עלה („hinaufgehen“) jedoch zu einem negativen Exodus gesteigert.35 29
Vgl. Abschnitt 2.3.1. Vgl. Wolff, Hosea, 181. 31 Jeremias verweist darauf, dass der Begriff „ נקיןsonst für reine, d. h. unschuldige Hände [steht]“ (ebd.). Wolff, Hosea, 181 verweist darauf, dass auch „ נקיןzu der die Klage begleitenden Unschuldsbeteuerung [gehört]“. 32 Jeremias, Hosea, 108; vgl. Pfeiffer, Heiligtum, 140. 33 Vielhauer, Werden, 67. 34 Vgl. Abschnitt 2.3.3. 35 Vgl. Abschnitt 3.3.3. 30
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Zweitens wird die mit אכלausgedrückte Verzehrthematik aus dem Buchkern Hos 5–7 (vgl. Hos 5,7; 7,7.9) aufgegriffen, dabei jedoch jetzt als ein „Verschlungensein“ ( )בלעpräsentiert (vgl. V.7f). Wie bereits der vorherige Unterabschnitt wird auch der letzte Unterabschnitt V.11–13 mit einem deiktisch-emphatischen כי eingeleitet. Der Abschnitt ist der kultischen Thematik gewidmet und kritisiert einen israelitischen Opferkult, in dessen Rahmen das Eigeninteresse am Fleischgenuss an die Stelle des Interesses an den Weisungen JHWHs getreten ist. Die V.11–13 stellen nach Jeremias einen „anschaulichen Kommentar zum Grundsatz von Hos 6,6 [dar]“36. Der Kompositionsabschnitt Hos 8,1–13(.14) fand sein ursprüngliches Ende in V.13. Während dabei in V.13a unter Verwendung priesterlich-kultischer Terminologie JHWHs Ablehnung des zuvor geschilderten Kultvollzugs formuliert wird („ ;יהוה ֹלא ֹרצםJHWH hat keinen Gefallen daran“), wird in V.13b durch die abermalige Verwendung von עתהdie Auseinandersetzung JHWHs mit den zuvor genannten Vergehen für die textinterne Gegenwart angekündigt. Infolge dieser innerlich vollzogenen Auseinandersetzung (ֹזכר, „gedenken, erinnern“; vgl. Hos 7,2) und äußerlich vollzogenen Konfrontation (פקד, „überprüfen, Rechenschaft fordern“) ergeht in V.13bβ die Ankündigung, dass Israel (ֹ„ ;המהsie“) nach Ägypten zurückkehren wird. V.13bβ kündigt als neuer Abschluss der Komposition Hos 5–8 nicht nur die Revozierung der Landesgabe, sondern die Revozierung des Exodus37 als des zentralen heilsgeschichtlichen und identitätsformierenden Ereignisses der Geschichte JHWHs mit Israel an und greift dabei mit ׁשובauf die zentrale Wendethematik des Buchkerns zurück.38 Israel, das sich geweigert hat, zu JHWH umzukehren (vgl. Hos 5,4; 7,10.16) und stattdessen seine Hilfe außerhalb des Landes bei fremden Großmächten gesucht hat (vgl. Hos 5,13; 7,11; 8,9), findet sich an Ende der Komposition in der Hand dieser Großmächte wieder. Die Abschlussperspektive der Komposition ist dabei jedoch eine von JHWH initiierte Landverweisung Israels als Reaktion auf die im Land vollzogene Abwendung Israels von ihm. Dabei wird die Abschlussperspektive von Hos 7,16 aktualisierend fortgeführt. Bei V.14 handelt es sich um einen judäischen Zusatz, der „der Zielaussage in 8,13 ihre Kraft [nimmt]“39. Während V.13 einerseits auf Hos 7,11.16 und Hos 8,9 reagiert und Israels Bündnispolitik als 36 37 38 39
Ebd. Vgl. Jeremias, Hosea, 111. Vgl. Abschnitt 2.3.4. Jeremias, Hosea, 112.
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freiwilligen Exodus aus dem Land JHWHs mit der Revozierung des von JHWH initiierten Exodus sowie der Landgabe beantwortet,40 wird mit V.14 sekundär ein Rahmen um die Komposition geschaffen, der Israels behaupteter Gotteserkenntnis (V.2b: ;אלהי ֹידענוך ֹיׂשרא ֹל „Mein Gott, wir haben dich erkannt, Israel!“) die Israel tatsächlich vorherrschende Gottvergessenheit (V.14:ֹ„ ;ויׁשכחֹיׂשראלֹאת־עׂשהוund vergessen hat Israel den, der es gemacht hat“) antithetisch gegenüberstellt und auf diese Weise den in V.14 erfolgenden Angriff begründet.41 3.3 Die Bündelung von Reziprozitätsvorstellungen Wie Jeremias aufgezeigt hat, läuft Hos 8,4–13 „der Komposition von Kap. 7 weithin parallel in der Reihenbildung der Klagen und Anklagen zu den Bereichen Königtum – Außenpolitik – Gottesdienst“42. Zugleich bildet Hos 8,1–14 seines Erachtens „eine kürzere Parallel-Komposition zu Hos 5,8–7,16 […]. Die Knappheit der Ausdrucksweise ist in manchen Versen nur verständlich, wenn die breiteren Ausführungen in 5,8–7,16 beim Leser vorausgesetzt werden“43. Im Folgenden soll anhand des Nachweises der Aufnahme und Aktualisierung zentraler Reziprozitätsvorstellungen aus der älteren Komposition Hos 5–7 aufgezeigt werden, dass es sich bei Hos 8,1–14 um eine Komposition handelt, die als neuer Abschluss der älteren Komposition fungiert. 3.3.1 „Erkennen“ in Hos 8,1–3.4–6 Der erste der beiden Erkenntnis-Belege in Hos 8 (Hos 8,2.4) findet sich im Rahmen des ersten Abschnittes Hos 8,1–3 (V.2). In ihrer jetzigen Form dienen die V.1–3 als Einleitung einer Angriffsankündigung. Diese wird dergestalt vollzogen, dass der Lesenden durch die in V.1a ergehende Aufforderung, die sich in der 2.m.sg. an einen nicht näher identifizierten Mann richtet, ein 40
In diesem Sinne formuliert Hos 8,13 nur von Seiten JHWHs die Erwiderung des Beziehungsabbruches, der von Israel bereits vollzogen wurde (vgl. Hos 7,11.16; 8,9). Hiermit ist die Basis für die spätere Narration des Ehedramas in Hos 2,4–15 bereits im politischen und kultischen (vgl. Hos 8,12) Bereich gelegt. 41 Vgl. auch die erneute Verwendung von אכל, „essen, verzehren“ zum Ausdruck eines nun von JHWH initiierten „Verzehrvorgangs“ (vgl. Hos 5,7; 7,7.9; 8,13). 42 Jeremias, Hosea 4–7, 64. 43 Ders., Hosea, 103.
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Schofarhorn an seinen Gaumen zu setzen, in ein Setting hineingenommen wird, das sich von den folgenden zwei Versen als Angriffsankündigung identifizieren lässt.44 Der Lesende wird dabei nach und nach mit Worten konfrontiert, die in ihrer Gesamtheit dem Wortfeld „Angriffsankündigung“ zugeordnet werden können: Bereits die in V.1aα ergehende Aufforderung an einen in der 2.m.sg angesprochenen Mann, ein Schofarhorn an seinen Gaumen zu setzen, bietet einen ersten Anhaltspunkt für dieses Wortfeld. Das Schofarhorn soll dabei an den Gaumen kommen, wie ein Adler/Geier ( )נׁשרüber das Haus JHWHs (V.1aβ). Für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von V.1aα mit V.1aβ spricht dabei das tertium comparationis, das die Halbverse miteinander verbindet. Diese verbindende Gemeinsamkeit lässt sich, aufgrund des Bedeutungsspektrums von – נׁש ֹרAdler oder Geier? – jedoch nur von V.1aα und in Kontext von V.2f eindeutig bestimmen: Ein Schofarhorn ertönt u. a. an Festtagen, aber auch zur Warnung vor einer drohenden Gefahr.45 Die Verwendung von „( זעקschreien“) in V.2a macht deutlich, dass keine Festtagssituation gemeint sein kann, da זעקim Alten Testament zumeist einen Hilfs- bzw. Notschrei bezeichnet, der an JHWH gerichtet wird (vgl. Hos 7,14). Sowohl das Schofarhorn als auch das Verb זעקgehören in Hos 8,1 zum oben bereits identifizierten Wortfeld der „Angriffsankündigung“. Wie die Aufforderung das Schofarhorn an den Gaumen zu setzen (V.1aα), so ist auch die Anwesenheit des Adlers/Geiers über bzw. auf ( )עלdem Haus JHWHs ein Indikator einer kurz bevorstehenden kriegerischen Auseinandersetzung. In V.1aβ fehlt ein Verb, das die Tätigkeit des Adlers/Geiers beschreiben würde. Da er sich jedoch bereits über bzw. auf dem Haus JHWHs befindet, wird deutlich, dass nicht durch die Beschreibung seines schnellen Flugs der Aspekt der zeitlichen Nähe des Angriffs ausgedrückt werden soll.46 Dies geschieht vielmehr durch die Tatsache, dass er bereits vor Ort anwesend ist. Somit liegt ein Indiz dafür vor, dass mit dem נׁשרin V.1aβ nicht ein Adler gemeint ist, sondern ein Geier, der sich als Aasfresser u. a. an Orten von kriegerischen Auseinandersetzungen einfindet. V.1a 44
Ist der Prophet der Angesprochene, so kann die an ihn ergehende Aufforderung, ein Schofarhorn an seinen Gaumen zu setzen, bildlich die Aufforderung darstellen, seinem Wächteramt nachzugehen. Dieses bestünde in der warnenden Ankündigung (vgl. Hos 9,8) dessen, was inhaltlich in Hos 8 kommuniziert wird. 45 Vgl. u. a. Hörnerklang im Rahmen einer Theophanie (Ex 19,16.19; 20,18), an besonderen (Fest)Tagen (Lev 25,9), im Rahmen einer priesterlichen Vorbereitung auf Kampfhandlungen (Jos 6,4–6.8.9.13.16.20; Jer 51,27; Am 3,6). 46 Vgl. u. a. Jer 4,13; 48,40; Klg 4,19; Hab 1,8.
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beschreibt demnach einen Zeitpunkt kurz vor einer Konfrontation: Das Schofarhorn soll bereits an den Gaumen gesetzt werden, ertönt aber noch nicht.47 Der Geier ist schon anwesend, stößt aber noch nicht hinab,48 um das Fleisch Gefallener zu fressen. Stattdessen scheint man in einen Monolog JHWHs kurz vor (s)einem Angriff hineingenommen zu sein, den dieser in der Anwesenheit des Mannes hält, an den in V.1aα die Aufforderung ergeht. Gemäß Hos 6,5 erscheint es dabei kontextuell naheliegend, den Propheten selbst in der Rolle des Feldherrn JHWHs zu sehen. Hos 8,1 übernimmt dabei aus Hos 5,8 die Schofarhorn-Ankündigung eines Angriffs.49 Dabei kommt es jedoch zu einer aktualisierenden Uminterpretation: So scheint es in Hos 8,1 der Landesgott JHWH selbst zu sein, der als Feind seinem eigenen Volk entgegentritt und seinen Angriff vom Propheten ankündigen lässt. Die Erwartung einer Begründung der Angriffsankündigung wird in V.1b–2 erfüllt. V.1b ist durch die Partikel יען50 mit V.1a verbunden und gibt als Fortführung der Gottesrede den Grund des bevorstehenden Angriffs an: Eine Gruppe „sie“ hat „meinen Bund übertreten“ (ֹ )עברוֹבריתיund „gegen meine Weisung gesündigt“ (על־ )תורתי ֹפׁשעו. Diese Gruppe wird erst von V.2b her als „Israel“ identifizierbar. Während auch V.3 Stichworte aufweist, die ebenfalls zum Wortfeld „Angriffsankündigung“ gehören („Feind“; „verfolgen“), trifft dies nicht auf V.1b.2 zu. Durch die Einführung der beiden Größen „Bund“ und „Weisung“ und ihre eindeutige Zuschreibung zu JHWH fungiert V.1b dabei als Leseanweisung für das ganze Kapitel. Diese Leseanweisung setzt auf der Seite des Lesenden das Wissen um den Bund und die Weisung JHWHs voraus und charakterisiert bereits im Vorfeld der Explikation der Handlungen Israels (V.4–14) diese als Übertretung des Bundes und 47
Anders, Pfeiffer, Heiligtum, 134: „Mit dem Bild des Adlers tritt in V1a eine nahe bevorstehende (immerhin gilt es schon, das Signalhorn zu blasen!) Gefahr in den Blick“. Neben Hos 8,2 findet sich die Formulierung אל־חכך noch in Ez 3,26. Dort wird das Kleben der Zunge am Gaumen ausgedrückt, so dass es sich bei אל־חכךoffenbar nicht um einen Terminus technicus für das Ertönenlassen des Schofarhorns handelt. Stattdessen wird durch diese Phrase tatsächlich nur der Bereich des Mundinnenraumes bezeichnet, an den das Schofarhorn gesetzt (Hos 8,2) bzw. an dem die Zunge kleben wird (Ez 3,26). Zum Ausdruck des Ertönenlassens eines Schofarhorns wird zumeist die Konstruktion aus Verb תקע+ (Präposition ּב ְֹ +) ׁשופרverwendet (vgl. u.a. Jes 18,3; 27,13; Jer 4,5; 6,1; 51,27; Ez 33,3.6; Hos 5,8 (!); Joel 2,1.15; Am 3,6; Sach 9,14). 48 Angesichts der Verwendung von עלin V.1a ist auch ohne Verb ersichtlich, dass der Geier sich noch auf/über dem Haus JHWHs befindet. 49 So bereits Jeremias, Hosea, 103. 50 Singuläre Verwendung im Hoseabuch.
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als Sünden gegen die Weisung JHWHs. Die in V.1b verwendeten Suffixe der 1.c.sg. bei „Bund“ und „Weisung“, die diese beiden Größen in die denkbar engste Relation zu JHWH setzen, lassen die weiteren Schilderungen in den V.4–14 als einen Konflikt zwischen zwei Willen – dem Willen JHWHs und dem Willen Israels – erscheinen. Mit dieser „Brille“ soll der Leser die nachfolgenden Verse lesen und das dort geschilderte, kultische und politische Handeln Israels auch selbst als ein schuldhaftes Streben nach Unabhängigkeit unter Loslösung von JHWH ansehen.51 Sieht man dabei mit der Mehrheit der Forschung Hos 8,1b als deuteronomistischen Zusatz an,52 so stellt Hos 8,2 die ursprüngliche Begründung für den Angriff dar. In diesem Vers findet sich auch der erste Erkenntnis-Beleg des Kapitels. Hos 8,2 übernimmt dabei aus Hos 7,14 die dort ausgebliebene Tätigkeit des Schreiens (ֹ )זעקIsraels zu JHWH. Die lautstarke Bekundung des Vorhandenseins von Gotteserkenntnis in dem zitathaft wiedergegebenen Vollzug des Schreiens durch Israel fungiert dabei kontextuell einerseits zur Angriffsbegründung durch JHWH, andererseits zur Angriffsabwendung durch Israel.53 Die im Rahmen von V.2 zitierte Behauptung des Vorhandenseins einer durch Wissen und Anerkennung konstituierten Beziehung zu JHWH wird jedoch – wie das Nachjagen nach dem Erkennen JHWHs im Rahmen der fiktiven Rede des Volkes in Hos 6,1–3 – aufgrund der antithetischen Gegenüberstellung mit der stattdessen tatsächlich von Israel vollzogenen Verwerfung des Gutes (V.3: ב ֹ )טוvon JHWH zurückgewiesen (vgl. Hos 6,4–6).54 Wäre die Behauptung von V.2b zutreffend, wäre ein Angriff ungerechtfertigt. In der Rückweisung (V.3a) der von JHWH in der Form eines Zitates wiedergegebenen Behauptung Israels von vorhandener Gotteserkenntnis (V.2b: )ידע zeigt sich dabei einerseits, dass aus der Sicht JHWHs Israel weder in der Vergangenheit, noch angesichts des angekündigten Angriffs zu einer angemessenen Selbsteinschätzung fähig ist: Sie sind der Überzeugung, ihn erkannt zu haben (V.2b). Diese Aussage impliziert, dass sie ihr Handeln als konform mit dem Bund und der Weisung 51
Vgl. die Verwendung von „tun, machen“ ( )עׂשהin Hos 8,4.6f.14. Vgl. Jeremias, Hosea, 104; Vielhauer, Werden, 108, Anm. 163. 53 Israels Anwesenheit wird in Hos 8,2 jedoch offenbar nicht vorausgesetzt, so dass wohl eher die Funktion der Angriffsbegründung im Vordergrund steht. 54 Vgl. Jeremias, Hosea, 103: „Wie in 6,1–3 erfolgt in der Not eine Wendung Israels zu Jahwe (V. 2), die im folgenden als trügerisch entlarvt wird, und zwar zunächst grundsätzlich (V. 3: ‚Israel hat das Gute verworfen‘, analog 6,4–6), sodann durch den Aufweis einzelner Vergehen, durch die Jahwe abgewiesen wird (V. 4ff. parallel 6,7–7,16)“. 52
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JHWHs einschätzen (V.1b) bzw. gemäß dem Wissen um JHWH („Gutes“) leben. Andererseits zeigt die antithetische Widerlegung der Behauptung in V.3a, dass JHWHs Einschätzung von Israels Verhalten nicht mit der Selbsteinschätzung Israels übereinstimmt. Vielmehr repräsentiert Israels Handeln für JHWH das Verwerfen von „Gutem“ (ֹ)טוב. Im vorliegenden Kompositionskontext kann mit dem „Guten“ nur der Bund55, die Weisung56 JHWHs (V.1b) sowie die behauptete Gotteserkenntnis (V.2) als seinen Willensäußerungen für Israel gemeint sein.57 Diese Verwerfung des Guten (V.3a) durch Israel wird als Faktum präsentiert, dem ein weiteres Faktum als Folge angeschlossen wird: Ein Feind wird es verfolgen (V.3b). Die von JHWH veranlasste und noch ausstehende Ankündigung eines Angriffs wird von V.1b mit Israels Übertretung seines Bundes, Israels Sündigen gegen die Weisung JHWHs und implizit mit dem Mangel an Gotteserkenntnis begründet. In der subsumierenden Feststellung der Untreue Israels gegenüber JHWH (V.1b) wird deutlich, dass Israels Verhalten als Lossagung von JHWH angesehen wird, einem Vasallen vergleichbar, der den Bund seines Bundesherrn bricht. Das Hoseabuch bietet dabei kein ausgereiftes Bundeskonzept. An den wenigen Stellen, an denen von einem „Bund“ die Rede ist, wird entweder ein Bund in Aussicht gestellt, der dem Noahbund gleicht (Hos 2,20), der Aspekt der (nicht vorhandenen) Loyalität betont (Hos 6,7) oder auf realpolitische Bündnisse angespielt (Hos 10,4; 12,2). Die Verbindung von „Bund“ und „Weisung“ findet sich im Hoseabuch nur in Hos 8,1. Von der „Weisung“ (ֹ )תורהist im Hoseabuch neben Hos 8,1(.12) nur noch in Hos 4,6 die Rede. Dort wird im Rahmen einer prophetischen Rede einem in der 2.m.sg. angesprochenen Priester vorgeworfen, die „Weisung deines Gottes“ (ֹ )תורת ֹאלהיךvergessen ( )ׁשכחzu haben. Während es sich bei „Weisung“ ( )תורהum ein theologisches Abstraktum handelt, unter dem die verschiedenen Willensäußerungen JHWHs subsumiert werden können (vgl. Hos 8,12), ermöglicht die komplementäre Verwendung des theologisierten, aber ursprünglich aus dem politischen Bereich stammenden Bundesbegriffes die argumentative und kompositionelle Verbindung des politischen und des kultischen Handlungsbereiches in Hos 8,1b–2 und Hos 8,4a–13. Dies zeigt sich prominent in der Ankündigung von V.3b, dass ein Feind Israel – 55
Von einem בריתist im Hoseabuch neben Hos 8,2 noch in Hos 2,20; 6,7; 10,4 und 12,2 die Rede. 56 Von der תורהist im Hoseabuch neben Hos 8,2.12 nur noch in Hos 4,6 die Rede. 57 Im Anschluss an Jeremias, Hosea, 105 wird mit dem Begriff des „Guten“ („ )טובder Wille Gottes von den Tradenten (vielleicht im Anschluss an Amos, vgl. Am 5, 14f.) zusammengefaßt“.
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womit höchstwahrscheinlich eine außenpolitische Größe (die assyrische Bedrohung?)58 gemeint ist – verfolgen wird, darüber hinaus jedoch auch in Efraims Einschätzung der Weisungen JHWHs als etwas „Fremdes“ (ֹ )זרin V.12b und schließlich auch in der an die Nennung kultischer Verfehlungen angeschlossenen Ankündigung der Rückkehr nach Ägypten (V.13bβ). Somit erscheint JHWH in den V.1–3 selbst als Feind Israels, der sein eigenes Volk mit den Folgen seiner Handlungen gegen ihn konfrontiert (V.3b) und sich als Landes- und Staatsgott nicht mehr länger schützend vor sein Volk stellt.59 Dass JHWH dabei zur warnenden Ankündigung vor dem eigenen Angriff auffordert, darf dabei als Ausdruck einer Restbeziehung zu seinem Volk verstanden werden.60 Es wird deutlich, dass es sich bei der in V.1a geschilderten Aufforderung, das Schofarhorn an den Gaumen zu setzen, nicht nur um einen von JHWH initiierten Akt der Ankündigung, sondern zugleich um einen Akt der Warnung handelt. Dieser dient jedoch nicht der Verhinderung der im Rahmen von Hos 8 geschilderten Konsequenzen aus dem Handeln Israels und der von JHWH ausgehender Sanktionen, sondern der Vorbereitung61 Israels auf diese Konfrontation mit den Folgen aus dem eigenen Verhalten und bezeugt die noch vorhandene Verbundenheit JHWHs gegenüber Israel. Dieses Zeichen von letzter Verbundenheit darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass angesichts der Vergehen Israels gegen JHWH auch seinerseits eine Distanzierung stattgefunden hat. Diese Distanzierung wird nicht zuletzt darin deutlich, dass JHWH im Rahmen der Gottesrede selbst nicht den Israel62-Namen verwendet. 58
So die Position von Jeremias, Hosea, 104. Vgl. Jeremias, Hosea, 104: „Die Gewißheit, daß Jahwe Unheil bringt, ist im Text von entscheidendem Gewicht, nicht so sehr das Werkzeug, durch das es vollzogen wird“ (Hervorhebung im Original). 60 Wenn ein Feind dies tut, so gibt er das Überraschungsmoment auf, welches den Ausgang eines Angriffs entscheiden kann. Wird dieser Schritt dennoch gewagt, so könnte er u. a. Zeichen taktischer Unwissenheit sein, aber auch eines vorhandenen Überlegenheitsgefühls. 61 Eine Warnung gibt Zeit, sich auf etwas vorzubereiten. Ob die Warnung auch noch Zeit für ein Umdenken gewähren soll, erscheint angesichts der Aussage von V.2a – unabhängig davon, ob man die Imperfektform präsentisch oder futurisch wiedergibt – unwahrscheinlich, da ein bereits vorhandenes Wissen behauptet wird. 62 Von „Israel“ ist im Rahmen des Hoseabuches 44-mal die Rede. Die Bezeichnung „Israel“ wird folgendermaßen verwendet: als Nation (Hos 1,1; 8,6; 10,15; 12,14 [zugleich personifiziert]; 13,1), als „Haus Israel“ (Hos 1,4.6; 5,1; 6,10; 12,1 [zugleich personifiziert]), personifiziert (Hos 1,5; 4,15.16; 5,3.5; 7,1.10; 8,3.8.14; 9,1.7.10; 10,1.6.8.9; 11,1.8; 12,1 [zugleich als „Haus Israel“]; 12,14 [zugleich als Nation]; 13,9; 14,2.6), als „Söhne Israels“ (Hos 2,1.2; 3,1.4.5; 4,1), als „Stämme Israels“ (Hos 5,9), als Gruppe 59
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Erst nachdem „sie“ sich im Rahmen der zitierten Behauptung von Gotteserkenntnis selbst als „Israel“ bezeichnet haben (V.2b),63 verwendet auch JHWH diesen Namen (V.3a), jedoch nur im Rahmen der erneuten Anklage (V.3a) und Angriffspräzisierung64 (V.3b), so dass über die Verwendung des Namens kein bleibender Beziehungsaspekt hervorgehoben, sondern Israel in der Rolle des Angeklagten seitens JHWHs eindeutig identifiziert wird. Der zweite Erkenntnisbeleg findet sich in Hos 8,4. Der Vers leitet den Abschnitt Hos 8,4–6 ein und verbindet die kultische mit der innenpolitischen Thematik. Die V.4–13 benennen die Handlungen Israels65, die zu dem Grundsatzurteil aus V.1b.3a geführt haben und widerlegen zugleich die in V.2 behauptete Gotteserkenntnis. Dabei bestehen die thematisierten Vergehen Israels jeweils in einem von JHWH losgelösten, eigenmächtigen Handeln in der Innenpolitik (V.4a) und dem Kult (V.4b–6). Im Rahmen der Gottesrede wird zunächst im Rahmen von V.4 Kritik an der Einsetzung von Königen und Beamten in Israel geübt. Diese Vorgänge werden dabei in V.4aα mit einer mit (betont vorangestellten) „( הםsie“)66 beschriebenen pluralischen Gruppe in Verbindung gebracht, die von V.3 her innerhalb Israels anzusetzen ist.67 Da Israel selbst dann, wenn man V.4 in die hoseanische Zeit datieren würde, bereits auf eine zwei Jahrhunderte andauernde monarchische Regierungsform zurückblicken konnte, scheint es sich bei der innerhalb Israels (Hos 8,2), als Name Jakobs (Hos 12,13). Die Bezeichnung als „Volk JHWHs“ wird im Hoseabuch nicht für Israel verwendet (vgl. aber Hos 1,9; 2,1). Es herrscht die personifizierte Redeform bezüglich Israel vor. Demgegenüber wird mit JHWH zweimal die Apposition „ihr[em] Gott“ (vgl. Hos 3,5; 7,10) und einmal die Apposition „dein Gott“ (Hos 14,2) verwendet. Singulär ist im Hoseabuch die Ankündigung der Bezeichnung „Kinder des lebendigen Gottes“ für die Israeliten in Hos 2,1. 63 So MT als lectio difficilior. 64 Auffällig ist, dass der Aspekt der Feindverfolgung (V.3b) im Rahmen von Hos 8 nicht wieder aufgegriffen wird, obwohl diese Ankündigung im Rahmen der vorliegenden Textgestalt der Einleitung die zentrale Sanktion darstellt. 65 Obwohl im Grundsatzurteil von V.3a nur Israel erwähnt wird, wird in V.14ab auch Juda unter die in V.14b genannte Sanktion gestellt. Der Grund wird von V.14a her ersichtlich und besteht in einem Bau befestigter Städte/Paläste, die offenbar an der Stelle JHWHs die Sicherheit von Israel (V.14aα) und Juda (V.14aβ) gewähren sollen. 66 Vgl. Hos 6,7. 67 Die Identifizierung der mit הםin V.4aα beschriebenen kollektiven Größe kann nur mit Rückbezug auf V.2b.3a erfolgen. Hier beweist V.4a bereits seine literarische Abhängigkeit von V.3. Die „Sie“-Gruppe ist dabei durchlässig für die Priesterschaft (vgl. Hos 6,7–9; 7,1–7), kann zugleich jedoch eine distanzierte Bezeichnung für die Führungskreise Israels sein.
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Aussage nicht um eine prinzipielle Kritik am Königtum zu handeln,68 die zugleich eine vormonarchische Zeit als Ideal implizieren würde. Stattdessen scheint sich V.4aα auf die in Hos 7,1–7 geschilderte Problematik von Königsmorden und -einsetzungen zurückzubeziehen.69 Es liegt demnach in V.4a keine prinzipielle Kritik an der monarchischen Herrschaftsform vor, sondern an der Art und Weise, wie die Krönungen von Königen und Einsetzungen von Beamten in Israel vollzogen wurden: ohne den Willen JHWHs zu berücksichtigen (vgl. V.4aβ). Inhaltlich schillernd erscheint in diesem Kontext die negierte Verwendung von ידעin der Anwendung auf JHWH. Das Verb ידעfindet sich bereits in V.2b und wird dort im Rahmen des Zitats von Israels behaupteter Gotteserkenntnis verwendet. Die Aussageintention der negierten Anwendung des Verbs auf JHWH in V.4aβ scheint dabei in der Betonung der völligen Missachtung seiner Person und seines Willens seitens Israels zu bestehen: JHWH streitet jeglichen Anteil und jegliches Mitwissen um die Einsetzung von Königen und Beamten in Israel ab und distanziert sich größtmöglich von den in Israel vollzogenen Königsmorden und Intrigen im Rahmen der Monarchie (vgl. Hos 7,3–7).70 Die beiden ErkenntnisBelege in Hos 8,2 und 8,4 waren dabei wohl bereits ursprünglich aufeinander bezogen.71 In Hos 8,2 ist das Subjekt des behaupteten Erkennens Israel, wie aus V.3a hervorgeht, und das Objekt JHWH. In Hos 8,4 ist es hingegen andersherum: Dieses Mal ist JHWH das Subjekt einer ausbleibenden Erkenntnis (vgl. Hos 7,9), die sich auf die von Israel durchgeführte eigenmächtige Einsetzung von Königen und Beamten bezieht (vgl. V.4a). Ähnlich der Struktur von Hos 5,3f wird dabei die behauptete Erkenntnis JHWHs durch Israel (vgl. Hos 8,2) der ausbleibenden Erkenntnis der innenpolitischen Vorgänge Israels durch JHWH reziprok zueinander in Beziehung gesetzt und dabei miteinander kontrastiert. Ein weiteres Vergehen der offenbar gleichen Personengruppe wird in V.4ba angeschlossen: Sie haben nicht nur eigenmächtig bestimmt, wer über sie herrschen soll, sondern sie haben auch ihr Silber und Gold eigenmächtig, nämlich für sich (V.4ba: ם ֹ )לה, zur Herstellung von Götzenbildern verwendet. Auffällig ist hier die Verwendung der 68
Vgl. Moenikes, Ablehnung. Vgl. Jeremias, Hosea, 104. 70 Vgl. aaO: „M. E. wird die Kürze der Aussage am ehesten verständlich, wenn Hos 7,3–7 mit seinem Hinweis auf die jüngst zurückliegenden Königsmorde beim Leser vorausgesetzt wird“. 71 So rechnet auch Vielhauer, Werden, 120 „aus strukturellen Erwägungen“ Hos 8,4a demselben kultkritischen Stratum wie Hos 8,1–3 (ohne V.1b, vgl. 108) zu. 69
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Suffixe („ihr Silber und ihr Gold“: כספםֹוזהבם, vgl. Hos 2,10, in dem Silber und Gold als Gaben JHWHs präsentiert werden). Die Verwendung der Suffixe könnte dahingehend gedeutet werden, dass JHWH mit seinem – schlussendlich zweckentfremdeten – Silber und Gold nichts mehr zu tun haben möchte und nur noch an der Vernichtung (V.4bb: כרתNif.) der Götzenbilder interessiert ist, zu deren Anfertigung es verwendet wurde. Unabhängig davon, ob JHWH auch in Hos 8 als eigentlicher Eigentümer des im Besitz von Israel befindlichen Silbers und Goldes gedacht wird, ist er im Rahmen der Gottesrede von Hos 8,4 derjenige, der das weitere Schicksal der Götzenbilder verkündet (V.4bβ) und darin bereits seine Überlegenheit ihnen gegenüber beweist (vgl. die Überlegenheit JHWHs gegenüber dem assyrischen Großkönig in Hos 5,12–14). Der Anschluss von V.4bβ mit „( למעןdamit, um zu“) lässt dabei den angekündigten Verwendungszweck („damit es wird vernichtet“) als den in den Augen JHWHs einzig denkbaren Verwendungszweck der Götzenbilder erscheinen.72 V.4b dient dazu, den kultischen Bereich als weiteren Bereich der Vergehen Israels gegen JHWH darzustellen und stellt dabei zugleich einen Rückbezug zu V.1b.3a her. Die Verwerfung von Gutem, nämlich des Bundes, der Weisung JHWHs und der Erkenntnis Gottes, bestand in „selbstgemachte[n] Könige[n] und selbstgemachte[n] Götterbilder[n]“73 (vgl. V.4bα: )עצב, welche die genannte Personengruppe „für sich“ anfertigte. Diese traten an die Stelle JHWHs. Israels eigene Taten widerlegen die behauptete Gottesbeziehung (V.2; vgl. Hos 5,5a; 6,10a). Wurde in V.4 bereits der Missbrauch des Israel zur Verfügung stehenden Silbers und Goldes für die Anfertigung von Götzenbilder als Vergehen genannt, so wird sowohl der Aspekt der eigenmächtigen Anfertigung als auch der Aspekt des Götzendienstes von V.5 aufgegriffen und nun mit dem „Kalb“ bzw. „Jungbullen“ ( )עגלvon Samaria in Verbindung gebracht, bei dem es sich wohl um eine Götzenstatue handelte.74 Die auf diese Stierstatue75 bezogenen 72
So mit Macintosh, Hosea, 298, der darauf hinweist, dass „the conjunction למעןalways denotes purpose and never consequence“. Die Verwendung von ( יכרתV.4bb) in Bezug auf die Götzenbilder (V.4ba) überrascht. Handelt es sich stattdessen bei כספם וזהבםum das Subjekt (vgl. u. a. Marti, Dodekapropheton, 66), so könnte man argumentieren, dass das Silber und Gold gleich auf doppelte Weise vernichtet wird: Einmal im Prozess der Herstellung der Götzenbilder („pressen, einschmelzen“), dann in der Form des Endprodukts. 73 Jeremias, Hosea, 105. 74 Nach Jeremias, Hosea, 106, ist mit dem Stierbild im Hoseabuch das Staatsheiligtum von Bet-El gemeint; vgl. Vielhauer, Werden, 110, der Hos 8,4b–6 gegenüber Hos 4,1–9,9 als sekundär betrachtet, da die Aussage zwar
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V.5aα.6 stellen die Konkretisierung der abstrakten Götzenbildpolemik aus V.4 dar. Während die Anfertigung von Götzenbildern an sich als verwerflich angesehen wird und daher ihre Vernichtung angekündigt wird (V.4bb), lässt die Existenz des Stierbilds den Zorn JHWHs über der ihn zu verantworteten Personengruppe entbrennen (V.5aβ). Zeichnete dabei V.4bα förmlich den Produktionsweg von den Materialien (Silber, Gold) über den Herstellungsprozess (עׂשה: „machen, herstellen, pressen“) bis zum fertigen Produkt (Götzenbilder) nach und schloss erst daran den von JHWH angedachten Verwendungszweck an, wird das Ergehen des Stierbildes von Samaria ohne eine solche Herleitung in V.5aα angekündigt. Dabei durchbricht V.5aα durch die Verwendung von ח ֹ זנ („er/man verwirft“) die Gottesrede.76 In V.5aα wird durch die Verwendung des Stichwortes זנחein Rückbezug zu V.3a hergestellt. Zugleich wird das Verb – wie bereits ידעin V.4aβ – ebenfalls mit JHWH als Subjekt77 verwendet, um jetzt die Verwerfung des Jungstiers auszudrücken. Die Anwendung von „erkennen“ (V.2b; 4aβ) und „verwerfen“ (V.3a; 5aα) zunächst auf Israel und dann auf JHWH betont durch die Parallelisierung und Reihenfolge, dass es sich bei JHWHs Verhalten um Reaktionen handelt, die zutiefst am Handeln Israels orientiert sind und in reziproker Relation zu diesem stehen. Zugleich wird durch die Verwendung des Suffixes der 2.m.sg. („dein Kalb“) erneut die Distanzierung JHWHs von dieser Form von Staatskult ausgedrückt.78 Dabei wendet sich die Aussage von V.5aα direkt an Samaria als Hauptstadt Israels, die als personifizierte Größe in den Blick genommen wird.79 in Hos 10,1–8 „eine enge Parallele hat“ (ebd.), jedoch nicht „in Hos 5,8– 7,16*, der längeren Parallelkomposition zu Hos 8*“ (ebd.). 75 Da im Rahmen von V.6bα angekündigt wird, dass der Jungbulle zu Splittern werden wird, kann man mit Jeremias vermuten, dass es sich um eine Statue aus Holz handelte, die mit einer Metalllegierung, vielleicht Blattgold, überzogen war (vgl. Jeremias, Hosea, 108). Zur Thematik des Stierkults vgl. insbesondere J. Hahn, Das „Goldene Kalb“. Die JahweVerehrung bei Stierbildern in der Geschichte Israels, 1981, 351ff., zudem Utzschneider, Prophet, 87–104; Pfeiffer, Heiligtum, 129–164. 76 Möchte man mit MT lesen, so könnte man V.5aα als Einwurf des Propheten verstehen. 77 Dass es sich beim Subjekt der Handlung um JHWH handelt, ist nur implizit aus dem Kontext erkennbar. 78 Vgl. Jeremias, Hosea, 108: „Das Kalb und damit der Staatskult, den es symbolisiert, ist damit als Wurzel allen Übels bezeichnet“. 79 Es scheint daher die Möglichkeit zu bestehen, dass die mit V.5aα eingeleitete „Kalb-Kritik“ (V.5aα.6) auf einen Auftritt des Propheten in Samaria zurückgeht, da die direkte Anrede Samarias auf der vorliegenden Textebene unerwartet ist und die einheitliche Anrede der pluralischen Größe
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Erst in V.6 erfolgt eine Herleitung des Produktionsweges des Jungstiers von Samaria, der noch ausführlicher dargelegt wird, als dies in Bezug auf die Herstellung der Götzenbilder in V.4bα der Fall war. Zuvor schließt sich jedoch an die Feststellung der Verwerfung die in der 1. Pers. sg. formulierte Aussage JHWHs an, dass sein Zorn über/gegen „sie“ entbrannt ist. Da aufgrund der Verwendung des Plurals ein Bezug auf den Jungstier ausgeschlossen ist und keine weitere pluralische Gruppe in den Text eingeführt wurde, scheint weiterhin die politisch einflussreiche, inner-israelitische Gruppe aus V.4aα gemeint zu sein. Sie erweisen in ihrer Einflussnahme auf die Regierungsbildung (V.4), in ihrer Verfügungsgewalt über Silber und Gold (V.4bα), in der Verwendung dieser Mittel für die Herstellung von Götzenbildern (V.4bα) und in der ihnen zugeschriebenen Verantwortung für den Jungbullen von Samaria (V.5aβ) nicht nur ihren Einfluss im innenpolitischen, sondern auch im staatskultischen Bereich. Nicht mehr länger JHWH, sein Bund und seine Weisung, sondern ihre Entscheidungen prägen die geschichtliche Existenz Israels. Umso schwerer wiegt die Behauptung, dass in diesen Entscheidungen eine Verbundenheit zu JHWH ihren Ausdruck findet (vgl. V.2b). Mit ihrer Einflussnahme auf die innenpolitischen und staatskultischen Zustände in Israel geht daher nicht nur die ihnen zugeschriebene Verantwortung, sondern auch ihre Schuld einher. Aus diesem Grund entbrennt der Zorn JHWHs gegen sie (vgl. V.5aβ). Begleitet wird diese Zornesbekundung jedoch erneut durch Polyvalenzen auf der Endtextbasis. An die Zornesaussage schließt sich eine an die Topik der Klage erinnernde Frage in V.5b an. Die darauf folgende detaillierte Benennung der Produktionsstätte (V.6aα) sowie des menschlichen Produzenten (V.6aβ) des Jungstiers bezeugt zugleich eine Argumentationsweise, die sowohl Bedauern über die fehlende Erkenntnis Israels über das wahre Wesen seines verehrten Jungbullen ausdrückt (vgl. V.6aγ: „und nicht ein Gott ist es!“) als auch durch die
unterbricht (vgl. V.4bα; V.5aβ). Eine Alternative bestünde darin, dass die pluralische Größe („sie“) in Samaria ansässig war und über die personifizierte Hauptstadt weiterhin der implizierte Adressat ist. In beiden Fällen scheint die Kalb-Kritik ein älterer Textbestandteil zu sein, der, wenn er nicht auf den Propheten selbst zurückgeht, so doch einen Auftritt des Propheten in Samaria erinnern könnte. Davon vollkommen unberührt bleibt die Frage, welcher „Jungbulle“ in Samaria verehrt worden sein könnte. Der Text bietet jedoch keinen Anlass für eine metaphorische Deutung. Vgl. bezüglich der Frage nach einem samarischen Heiligtum, Pfeiffer, Heiligtum, 142–164.
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Beseitigung des Jungbullen (V.6b) den von V.5b erfragten Zeitpunkt80 der Erkenntnis herbeiführen möchte. In der Argumentation der Gottesrede wird die in V.4bα thematisierte eigenmächtige Produktion von Götzenbildern aufgegriffen und zur Vermittlung des eigenen Standpunktes verwendet: Während der einflussreichen, inner-israelitischen Gruppe vorgeworfen wird, dass sie ihrer Eigenmächtigkeit dadurch Ausdruck verleiht, dass sie aus wertvollen Materialien Götzen „macht“, um sie als Götter zu verehren, beweist JHWH in V.6 durch den Verweis auf eben diese materielle Basis und die Ankündigung des Zersplitterns des Jungbullens (V.6bα) das wahre Wesen dieser Götzen als „Menschenwerk“ (vgl. V.6aγ). Auch die Tatsache, dass die Götzen textintern selbst nicht personifiziert werden und von ihnen keine Reaktion geschildert wird, stellt ein Argumentum ex silentio für ihre Nichtigkeit bzw. „Nichtgöttlichkeit“ dar. Einen deutlichen Einschnitt setzt V.7. Die weisheitliche Aussage aus V.7a wirkt geradezu subsumierend („Wind säen sie, aber Sturm ernten sie“) und erscheint wie ein Zwischenfazit über die von Israel begangenen Taten und die bis V.6 angekündigten Folgen.81 Dieser erste Leseeindruck von V.7a wird jedoch durch die Verhältnismäßigkeit der in den V.1–6 geschilderten Taten und Tatfolgen widerlegt: Der missbräuchlich verwendeten, schöpferischen Kraft Israels, die sich darin erwies, dass man eigenmächtig Könige und Beamte zum Herrschen veranlasste (V.4a), Götzenbilder aus Silber und Gold produzierte (V.4bα) und die Statue eines Jungbullen anfertigen ließ, um sie als Gott zu verehren (vgl. V.6a), setzt JHWH seinen Widerstand entgegen. Dies geschieht in der Form, dass dem von Israel Erschaffenen von JHWH die Existenz wieder entzogen wird: Die aus Silber und Gold gepressten Götzenbilder (V.4bα) werden vernichtet werden (V.4bβ: ;)כרתauf Israels Verwerfung von Gutem (vgl. V.3a: )זנח, folgt JHWHs Verwerfung des Jungbullen (V.5aα: ח ֹ )זנ82. JHWH reagiert reziprok auf die Vergehen Israels. Dieser 80
Die mit עד־מתיausgedrückte Frage „Bis wann?“ ist am Ende eines vorherrschenden Zustandes interessiert. 81 Vgl. Jeremias, Hosea, 108: „Wenn sie auch kaum beschränkt auf ein Gebiet verstanden werden wollen, so bezieht sich doch der erste Spruch stärker auf das Vorangehende, der zweite stärker auf das Folgende“. 82 Die erneute Verwendung von „verwerfen“ ()זנח, dieses Mal jedoch zur Beschreibung der Reaktion JHWHs in Bezug auf den Jungbullen, macht deutlich, dass textintern eine Verbindung zwischen Israels Verwerfung von Gutem (vgl. V.3a) und JHWHs Verwerfung des Jungbullen hergestellt wird: Hier zeigt sich ein argumentativer Zusammenhang, der darin besteht, dass Israel im Akt der Anfertigung des Jungbullen die Verwerfung des Guten vollzog.
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Existenzentzug wird jedoch nicht für die zum Herrschen eingesetzten Menschen angekündigt. In diesem Fall wird im Rahmen der Gottesrede nur betont, dass die Einsetzungen ohne JHWH und sein Wissen vorgenommen wurden (V.4a). Die Logik dieser Aussage ist die gleiche wie in Bezug auf die Götzen. Die Differenz bezüglich der Sanktion ergibt sich daraus, dass diesen Menschen nur ein Amt anvertraut wurde, sie ihre Existenz aber JHWH verdanken. Aus diesem Grund wird ihnen dafür, dass sie sich zum Herrschen haben veranlassen lassen, nicht ihr Leben von JHWH genommen. Dieser Handlungsgestalt annehmende Widerstand JHWHs, der sich infolge der Handlungen Israels regt, erscheint in allen Bereichen als reziprok und verhältnismäßig, so dass der weisheitlichen Aussage „Wind säen sie, aber Sturm ernten sie“ (V.7a) – die eine Maximierung der Folge einer Handlung in Aussicht stellt83 – nicht eine subsumierende Funktion über die bisherigen Aussagen zukommt, sondern die Funktion eines Brückenverses.84 Zwischenergebnis Hos 8,2.4 zieht die Summe aus der Erkenntnisthematik der Komposition Hos 5–7. Dabei greifen die Verse die konzentrische Struktur von Hos 5,3f auf, kehren die Argumentation jedoch um. In Hos 5,3f wird die vollständige, wissende Wahrnehmung Israels durch JHWH reziprok zu Israels vollständigem Mangel an wissender Anerkennung JHWHs in Beziehung gesetzt und antithetisch gegenübergestellt. In Hos 8,2.4 ist es nun die behauptete Gotteserkenntnis seitens Israels, die mit der von JHWH bestrittenen Mitwisserschaft an Israels Einsetzung von Beamten und Königen in Beziehung gesetzt und dabei antithetisch gegenüberstellt wird. Anders als in Hos 5,3f; 6,1–3 ist die Erkenntnisthematik dabei nicht selbst kultisch verortet, sondern dient zur kompositionellen Verbindung des Nachweises der innenpolitischen (V.4a) und kultischen Vergehen (V.4b–6), die Israels behauptete Gotteserkenntnis widerlegen und das Fazit von V.3a („Verworfen hat Israel Gutes“) bestätigen. Die inhaltliche Argumentation von Hos 8,2f entspricht dabei derselben Argumentationsstruktur wie Hos 6,1– 3.4–6: Während Israel im Rahmen der fiktiven Rede den Willen bekundet, zu JHWH umzukehren ( )ׁשובund dem Erkennen JHWHs nachzujagen ()נרדפהֹלדעתֹאת־יהוה, wird dieser behauptete Umkehrund Erkenntniswille im Rahmen der anschließenden Gottesrede Hos 6,4–6 aufgrund des Mangels an beständiger Treue zurückgewiesen und im Anschluss (Hos 6,7–9) ebenfalls mit den Vergehen Israels 83 84
Vgl. Wolff, Hosea, 182. Vgl. Abschnitt 3.3.2.
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kontrastiert. Wie die kurze Anspielung von Hos 8,4 zeigt, wird dabei offenbar das Wissen um die in Hos 7,3–7 geschilderten Intrigen bei den Lesenden vorausgesetzt. Indem Hos 8,1–6 im Rahmen der zueinander in Beziehung gesetzten behaupteten Erkenntnis seitens Israels und der Abstreitung einer mitwissenden Anteilhabe an den Intrigen im Rahmen der israelitischen Monarchie seitens JHWH sowohl die kultischen als auch die innenpolitischen Vergehen aus Hos 5–7 als vom Staatsgott JHWH losgelöstes, eigenmächtiges und – im Sinne des deuteronomistischen V.1b – als tora- und bundesbrüchiges Verhalten subsumiert, wird das nur angedeutete geschichtliche Ergehen Israels (vgl. V.3) als Folge der Abwendung vom eigenen Staatsgott dargestellt. Hos 8,1–6 zeichnet daher das Bild einer Nation, die nun nicht nur den Angriffen von außen schutzlos ausgeliefert ist (vgl. Hos 8,3.7f), sondern deren eigener Staatsgott ihnen jetzt im Land (vgl. V.1a: „Haus JHWHs“)85 nicht mehr als Verbündeter gegenübertritt, sondern einen kurz bevorstehenden Angriff ankündigen lässt und dabei selbst zwischen den Rollen des mit Israel über eine Restbeziehung verbundenen Staatsgottes und Feindes Israels zu changieren scheint. 3.3.2 „Verzehren“ in Hos 8,7–10.13f Vom „essen, verzehren“ ( )אכלist in der älteren Komposition in Hos 5,7 und in Hos 7,7–9 die Rede. Schließt man sich dabei Vielhauers redaktionskritischen Überlegungen an, so handelt es sich bei dem Belegen in Hos 7,7.9 um die ersten Belege im Rahmen der Komposition Hos 5–7 und bei Hos 5,(6–)7 um eine spätere, kultkritische Ergänzung.86 Dementsprechend hätte der Vorgang des „Essens“ seinen Ausgangspunkt im Rahmen der Innenpolitik Israels (Hos 7,7) genommen, die den Zugriff Dritter auf die Ressourcen Israels ermöglicht hat (vgl. Hos 7,9). In Hos 8 wird der Vorgang nun einerseits zu einem „Verschlungensein“ ( בלעNif.) Israels im außenpolitischen Bereich gesteigert (vgl. Hos 8,8) und dem geschichtlichen Ende des Staates Ausdruck verliehen. Im Rahmen der Kultpolemik von Hos 8,11ff wird unter Verwendung von אכלder Kult kritisiert. Israel wird dabei unterstellt, den Kult nicht zur Herstellung einer (Mahl)Gemeinschaft mit JHWH, sondern nur zur Maximierung des eigenen Fleischgenusses ( )אכלauszuüben (vgl. Hos 8,13). 85
Vgl. Jeremias, Hosea, 104: „Angegriffen ist ‚Jahwes Haus‘; der Begriff bezeichnet hier wie in 9,15 (vielleicht auch 9,8) nicht einen Tempel, sondern das Land Israels (‚Haus‘ = Gebiet, Besitz), und zwar als Gottes Eigentum“. 86 Vgl. Vielhauer, Werden, 226.
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Hos 7,7.9 In Hos 7,7 wird den an den Intrigen Beteiligten vorgeworfen, dass sie ihre Richter verzehren ()אכל. Der Vorgang des Essens wird hier metaphorisch verwendet und ist Bestandteil des „Bild des Backofens“ von Hos 7,3–7. Trotz der schwierigen87 Textüberlieferung der Verse 3–688 ist erkennbar, dass die Verse V.4.6–7a89 von einer Metaphorik geprägt sind, die mit Willi-Plein als „Bild des Backofens“90 bezeichnet werden kann.91 Der mehrheitlich vertretenen Sicht, dass die Verse politische Intrigen schildern, die sich in erster Linie gegen das Königtum richten, wird sich angeschlossen.92 Der Backofenvergleich versinnbildlicht in Bezug auf die „sie-Gruppe“ dabei „primär das Auflodern revolutionärer Leidenschaft, zugleich aber auch die trügerische Unterdrückung dieser Leidenschaft zum Zwecke der Täuschung“93. Während die Intensität der umstürzlerischen Leidenschaft durch den Backofenvergleich (V.4a) ausgedrückt wird, wird der Aspekt der Täuschung in erster Linie durch die Bezeichnung aller als החלו „ehebrecherisch“ (V.4a) zum Ausdruck gebracht.94 87
Anders Gisin, Hosea, 149. Vgl. Jeremias, Hosea, 90; er geht bezüglich Hos 7,3–7 von einem vormals mündlichen Einzelwort aus (vgl. auch aaO, 95). 89 Da V.7b durch die Verwendung von כלeine Verbindung zu V.2a, durch die Verwendung von מל ֹךeine Verbindung zu V.3 (die pluralische Verwendung von מלךwird auch in den V.4–7a nicht vorbereitet), und durch die Verwendung von נפלeine Verbindung zu V.5b „ מׁשךziehen, schleppen, hinreißen“ herstellt, erscheint es denkbar, dass V.3 ursprünglich einmal mit V.5.7b fortgesetzt wurde. Diese Sicht wird auch dadurch unterstützt, dass die Verwendung von „( ׁשפטיהםihre Richter“) im Text weder vorbereitet, noch aufgegriffen wird. Während V.5 die Parallelisierung von מלךund ׂשרים aus V.3 aufgreift, kann V.7b als zusammenfassende Feststellung über die Schilderungen der V.3.5 gelesen werden, die auch ohne V.4.6–7a Sinn ergibt. 90 Willi-Plein, Vorformen, 146. 91 Das Wortfeld wird dabei aus folgenden Begriffen gebildet: „ תנורOfen“, „ בערbrennen“, „ אפהBäcker“ (V.4a); „ עורschüren“, „ לוׁשkneten“, בצק „Teig“, „ חמץDurchsäuerung“ (V.4b); „ תנורOfen“ (V.6a), „ אפהBäcker“ (?), „ בערBrennender“, „ כאׁש להבהwie loderndes Feuer“ (V.6b); „ חמםglühen“, „ תנורOfen“, „ אכלverzehren“ (V.7a). 92 Vgl. u. a. Rudolph, Hosea, 148; Jeremias, Hosea, 95; Willi-Plein, Vorformen, 157. 93 Jeremias, Hosea, 95. 94 Anders als Jeremias, Hosea, 90, spricht für die Ursprünglichkeit dieses Wortes im Text einerseits die Assonanz mit ( אפהvgl. Willi-Plein, Vorformen, 158) und andererseits, dass sich die Charakterisierung der Verschwörer als Ehebrecher gerade deswegen zur Beschreibung eines täuschendes Verhaltens eignet, da bei einem Ehebruch unter offizieller 88
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Der Aspekt der Täuschung wird weiterhin durch die Gegenüberstellung von größtmöglicher Passivität in der ganzen Nacht („ יׁשןschlafen“) und dem Brennen ( )בערam Morgen (V.6b) versinnbildlicht, das neben der Plötzlichkeit und Intensität zugleich ein Moment der Überraschung impliziert.95 Die Verwendung von חלהHif. „schwächen/krank machen“96 bezüglich der Beamten (V.5a), von „ אכלverzehren“97 bezüglich der Richter (V.7a) sowie von „ נפלfallen“ bezüglich der Könige98 (V.7b) macht deutlich, dass das von dieser priesterlichen Gruppe verfolgte Ziel in der Schwächung und im Sturz dieser bisherigen Herrschaftsstrukturen und Ordnungsinstanzen besteht.99 Dass JHWH in prinzipieller Opposition sowohl zu den Verschwörern als auch zu dem geschilderten König-, Beamten- und Richtertum steht, zeigt sich einerseits in der bereits in der subsumierenden Bezeichnung der Taten der Verschwörer als ( רעהV.3a) sowie in der Tatsache, dass die von JHWH als Bosheit charakterisierten Taten beim König und Aufrechterhaltung eines durch Treue bestehenden Zustands („Ehe“) inoffiziell eine Verbindung mit einer anderen Partei eingegangen wird, von der der Ehepartner jedoch weder Kenntnis hat noch Kenntnis erlangen soll. Da ein Mann seine eigene Ehe nicht brechen konnte (vgl. Dtn 22,22), wird vielleicht aus diesem Grund das fem. Partizip ( בערהHos 7,4) zur Beschreibung verwendet. 95 Dieser Aspekt von Täuschung/Trug/Betrug wird auch in V.16 im Rahmen des Vergleichs mit einem Kriegsbogen aufgegriffen. 96 Zwar wird von V.5a her nicht deutlich, ob die Beamten sich selbst durch den Wein schwächen oder von der „sie-Gruppe“ durch großzügige Versorgung mit eben diesem Wein geschwächt werden, jedoch scheint sich kontextuell eher die zweite Deutung nahezulegen, da die Verse 4–7 das Verhalten der „sie-Gruppe“ schildern; vgl. Willi-Plein: „Je nachdem, ob החלוtransitiv oder intransitiv ist, sind die Verschwörer oder die Beamten Subjekt. Denn die Beamten gehören auf die Seite des Königs. V. 5a könnte von ihrer Unschädlichmachung durch den Weinrausch berichten. Das ‚Fröhlichmachen‘ (V. 3) von König und Beamten erwiese sich dann als hinterlistige Ausschaltung ihrer Aktionsfähigkeit durch die Verschwörer“ (Willi-Plein, Vorformen, 157). 97 Die Verwendung von „ אכלessen, verzehren“ (V.7) setzt dabei die Bäckermetaphorik der vorangehenden Verse voraus und knüpft an diese an. 98 Während V.3a.5a von jeweils einem König sprechen, kann mit Rudolph die Sicht vertreten werden, dass V.7b durch die pluralische Sprechweise einen längeren Zeitraum überblickt und bereits mehrere Königsmorde thematisiert. Aus diesem Grund setzt Rudolph den Vers in der Zeit Hoseas, des letzten Königs, an, vgl. Rudolph, Hosea, 149. Bezüglich der königskritischen Haltung im Hoseabuch vgl. insbesondere Moenikes, Ablehnung, 175–206. 99 Rudnig-Zelt (Hoseastudien, 214f) ist dabei Recht zu geben, dass von Königsmorden nicht explizit die Rede ist (vgl. Hos 7,7); anders Vielhauer, Werden, 85: „Um Königsmord geht es […] im folgendem Abschnitt Hos 7,3–7“.
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seinen Beamten statt auf Ablehnung auf Zustimmung stoßen (V.3) und er von diesen nicht mehr angerufen wird (V.7). Die durch das Verzehren der eigenen Richter herbeigeführte Destabilisierung des Staates (V.7) wird dabei als der Grund dargestellt, der einen Zugriff Fremder auf die Ressourcen Israels ermöglichte (vgl. V.9). Hos 5,7 Die Essensthematik wird in Hos 5,6–7 im Rahmen des Kultes verortet.100 Das untreue Verhalten (ֹ)בגד101 des Volkes Israel102 gegenüber JHWH zeigt sich nach V.7a daran, dass sie fremde ()זרים103 Söhne gezeugt (ֹ)ילד104 haben. Im Rahmen der UntreueMetaphorik von Hos 5,3–7 dient der Vorwurf der Zeugung fremder Söhne der Verifikation der Untreue gegenüber JHWH (vgl. Hos 5,3f). Der Vorwurf der Zeugung illegitimer Nachkommenschaft ist wiederum durchlässig für eine Ehebruchsmetaphorik.105 So ist בגד (V.7a) die „Bezeichnung für Treulosigkeit in der Ehe, für Nichteinhalten von gegebenen Versprechen, für Verlassen des rechtmäßigen Partners und Aufnahme der Verbindung mit einem anderen“106. Unabhängig davon, ob der Vorwurf einen Anhalt in der israelitischen Kultausübung hatte,107 zeigt der Gottesbezug, dass ein Verstoß gegen die von JHWH gegebene Ordnung und daher gegen JHWH selbst zum Ausdruck gebracht werden soll. Die Charakterisierung als „fremde“ ( )זריםSöhne zeigt dabei zugleich den illegitimen, nicht in JHWHs Segen liegenden Ursprung der Söhne an.108 Zugleich gelten „Fremde“ (ֹ )זריםin der prophetischen Literatur 100
Die kultische Thematik von Hos 5,6–7 legt daher auch nahe, den „Neumond“ nicht als Zeitangabe, sondern mit Bons, Hosea, 83f als Neumondfest zu verstehen. 101 Vgl. Hos 6,7. 102 Im Kontext von V.5b betrachtet, können in V.7 sowohl die Israeliten als auch die Judäer gemeint sein. Primär dürfte sich der Vorwurf jedoch gegen Israel gerichtet haben, vgl. Jeremias, Hosea, 76. 103 Vgl. Ez 16,32. 104 Die Verwendung von Suffixen der 3.Pers.pl.m. in V.6f legt nahe, dass ילדוin V.7a mit „sie haben gezeugt“ und nicht mit „sie haben geboren“ wiederzugeben ist, vgl. zudem Schreiner, Art. ילד, 634ff. Die Verwendung von Suffixen der 3.Pers.m.pl. in V.6f spricht dabei nicht gegen das Vorliegen einer Ehebruchmetaphorik (vgl. Hos 9,15). 105 Vgl. Hos 4,10; 9,16. 106 Erlandsson, Art. בגד, 508. 107 So geht Jeremias, Hosea, 77 davon aus, dass es sich um Kinder („Bastarde“) handelt, die baalistischen Sexualriten entsprangen; so auch Bons, Hosea, 83, der jedoch auch in Betracht zieht, daß die „Vorstellungswelt der Unzucht wieder bildlich gebraucht wird”. 108 Vgl. Rudolph, Hosea, 122.
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des Alten Testaments als Urheber von Unterdrückung und Verwüstung; sich in der Hand von Fremden zu befinden oder gegeben zu werden, wird als Gerichtshandlung JHWHs betrachtet.109 In diesem Sinne wird die Hervorbringung fremder Söhne zugleich durchlässig für die freiwillige Verbündung Israels mit Feinden (vgl. V.13a). Ob als Einlassung auf fremde Götter bzw. auf einen falschen JHWHKult110 oder als Einlassung auf fremde Großmächte in der Außenpolitik (vgl. Hos 5,13): Die Zuwendung zu Fremden und die aus ihnen hervorgehenden „Früchte“ werden im Rahmen der Prophetenrede von Hos 5,6–7 als Untreue gegenüber JHWH gedeutet (V.7a, vgl. auch V.13a).111 Hos 5,7 bildet dabei das reziproke Gegenstück zu Hos 5,6: Israel sucht ( )בקׁשJHWH in einem Opferkult, dem er sich bereits endgültig entzogen hat (vgl. חל ֹץ Perf.). Hos 5,3f begründet dies mit einem Mangel an Wissen und Anerkennung JHWHs durch Israel und der stattdessen vollzogenen Hinwendung zu Unzuchtstaten, die eine Rückkehr zu JHWH verhindern. Der Rückzug JHWHs aus dem israelitischen Opferkult wird als Reaktion auf Israels Verhalten dargestellt. Die Begehung der Kultfeste ist daher Zeichen der fortgesetzten Entfremdung von JHWH.112 Aufgrund der verifizierten Untreue wird Israel als kurz bevorstehende (עתה, „jetzt“) Folge angekündigt, dass sie ein Monat bzw. ein Neumond ( )חדׁשzusammen mit ihren Landanteilen verzehren ( )אכלwird. Im Anschluss an die Unzuchtsmetaphorik (Hos 5,3b–4.7a) in Kombination mit Aussagen, die aufgrund ihres 109
Vgl. Hos 7,9. So betont Bons, Hosea, 83, dass „fremd“ in Hos 5,7 „eher den Aspekt des JHWH-Fremden, Unzulässigen [meint], das der Reinheit und Heiligkeit des Kultes nicht angemessen ist. Konkret: Die ‚Untreue‘, also die Fremdgötterverehrung, führt ‚Fremdes‘ in den Kult ein, entweiht (‚profaniert‘) ihn also und macht seine Teilnehmer unrein (s. o. 5,3; vgl. Jer 2,23.25; Ez 23,7f).“ Meines Erachtens legt der Text jedoch nicht die Deutung nahe, dass etwas „Fremdes“ in den richtigen Kult eingeführt wird, sondern dass aus einem falschen Kult (Unzucht, V.3b.4b) etwas Falsches (fremde, d. h. illegitime Söhne, V.7a) hervorgeht. Ob hier auf Kinder angespielt wird, die aus den Verbindungen der Männer Israels mit (für das antike Israel bisher nicht nachgewiesenen) Kultprostituierten hervorgingen, kann nur vermutet werden (vgl. Hos 4,14). 111 Der dabei offenbar vorausgesetzte Maßstab ist JHWHs eigene Gemeinschaftstreue, vgl. Erlandsson, Art. בגד, 508. 112 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 297: „Die Erkenntnis JHWHs im israelitischen Kult des 8. Jh. v. Chr. wird hier im Kontext von Hos 4–5 als ‚Geist der Unzucht‘ (vgl. auch 4,12) gebrandmarkt, der anderen Göttern und nicht JHWH gilt. Damit treten der JHWH im Kult und der JHWH des Propheten auseinander“. 110
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Gottesbezuges zumindest auf den Kult Israels verweisen können (Hos 5,3b.6a.7a), legt es sich daher nahe, חדׁשnicht als Bezeichnung eines Zeitrahmens im Sinne von „innerhalb eines Monats“113, sondern als Bezug auf ein Neumondfest zu deuten. So kann im Anschluss an Bons die Sicht vertreten werden, dass Israel „sich vom Neumondfest […] Fruchtbarkeit für die Äcker [versprach] und […] dieses Opferfest mit einem Festessen [verband]. Doch das Ergebnis ist negativ: Das Fest selbst wird die Felder, die JHWH Israel einst zugeteilt hatte, mitsamt ihren Besitzern ‚essen‘, sie also vernichten. […] Anders ausgedrückt: Ihre Fruchtbarkeitskulte, für die hier das Neumondfest steht, gewähren ihnen keine Sicherheit, sondern bringen das Unglück über sie“114. Die Reziprozität besteht dabei zwischen der Abwendung von JHWH als des eigenen Landesgottes, der für die Fruchtbarkeit des Landes und seines Volkes eigentlich verantwortlich zeichnet und dem negativen Ergehen, das sich aus der Zuwendung zu einem als JHWH-entfremdet dargestellten Kult ableitet. Indem das Neumondfest im Rahmen von Hos 5,7b als JHWHfremdes Fest (vgl. Hos 2,13) und der mit der Begehung des Festes einhergehende Kindersegen als JHWH-fremder Segen charakterisiert wird (vgl. V.7a; vgl. Hos 2,6), wird die Zuwendung zu diesem Kult als Abwendung von JHWH gedeutet (vgl. V.7a). Mit dem Verweis auf „fremde“ Söhne (V.7a) und den Verlust von Landanteilen (V.7b) klingen im Text zwei zentrale Verheißungsgaben JHWHs an: Nachkommenschaft und Land. Kontextuell wird deutlich, dass Israel jenseits vom eigenen Staatsgott JHWH nur „fremde“ Söhne gebiert (V.7a), aber nicht die von JHWH verheißene Nachkommenschaft, sie zudem die ihnen zugeteilten Anteile am Land115 verlieren und doppelt in der eigenen Existenz bedroht sind (V.7b). Der Argumentation von Hos 5,6f nach hat Israel jenseits vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH keinen dauerhaften Bestand. Hos 8,7–10.13f Die Essensthematik der Komposition Hos 5–7 wird in Hos 8,7f.13f aufgegriffen. Nachdem es dabei in Hos 7,7 die eigene Destabilisierung der Staatsstrukturen war, die den Zugriff Fremder 113
Vgl. Rudolph, Hosea, 116. Bons, Hosea, 83f; vgl. den Einwand bei Rudolph, Hosea, 117. 115 Wolff, Hosea, 119 übersetzt mit „Landbesitz“; Rudolph, Hosea, 122 übersetzt mit „Äcker“; Bons, Hosea, 83 mit „Felder“; חלקbedeutet jedoch in erster Linie „Anteil“ und nicht „Feld, Acker“. Aus diesem Grund legt es sich nahe eine Anspielung auf die Landanteile zu vermuten, die den Stämmen (vgl. Hos 5,9!) zugeteilt wurden, vgl. Num 26,53.55f; Dtn 10,9; 12,12; 14,27.29; 18,1; Jos 13,7; 14,4f; 18,5ff; 19,9.51. 114
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auf die Ressourcen Israels ermöglichte (vgl. Hos 7,9), wird diese Situation der Destabilisierung Israels in Hos 8,7f vorausgesetzt und doppelt gesteigert. Dabei ahmt Hos 8,7f in seiner Argumentationsstruktur Hos 7,8f nach. Während es jedoch in Hos 7,8f nur Israels Ressourcen („ ;כחKraft“) sind, die von Fremden ( )זריםverzehrt werden ()אכל, ist es in Hos 8,8 Israel selbst, welches verschlungen ( בלעNif.) wird. Hos 8,8 blickt offenbar bereits auf den Untergang Israels zurück und führt den Untergang auf den JHWHentfremdeten Kult und die JHWH-entfremdete Innenpolitik zurück (vgl. Hos 8,1–7).116 Die Funktion der weisheitlichen Aussage von Hos 8,7a besteht daher offenbar weniger in der Formulierung eines Fazits, als vielmehr in der kompositorischen Überleitung vom innenpolitischen und staatskultischen zum außenpolitischen Handlungsfeld.117 In die gleiche Richtung weist der ebenso weisheitlich geprägte V.7b („Spross ohne Halm macht kein Mehl“)118. Auch dieser Halbvers scheint auf den ersten Blick das Wesen und Ergehen Israels zu thematisieren: In der Abwendung von JHWH kann Israel nicht gedeihen, wird nutzlos (vgl. 8b). Ohne diese Verbundenheit mit JHWH ist Israel jedoch nur eine Nation unter anderen (vgl. V.8b.10a) und verliert die eigene, an JHWH gebundene Identität (vgl. Hos 7,8).119 Hos 8,7 kommt dabei zugleich die Funktion eines Brückenverses zu: Über das Wortfeld „Ernte/Essen“ (V.7a: säen, ernten; V.7b: Spross, Halm, Mehl) wird die geschichtliche Realität der assyrischen Vasallität Israels nicht auf die Übermacht Assyriens, sondern auf das gegen JHWH gerichtete Handeln Israels im Land (vgl. V.7a) zurückgeführt und mit dem weisheitlich geprägten Getreidebild unterstrichen, das durch die Vorlage in Hos 7,3–7.8f assoziiert worden sein könnte. Die sich im innenpolitischen und staatskultischen Bereich erwiesene Eigenmächtigkeit Israels gegen JHWH ist der gesäte Wind, die Vasallität Israels („verschlungen ist Israel“) der Sturm, den Israel geerntet hat (vgl. V.8a). Die Eigenmächtigkeit Israels resultiert tatsächlich in der Loslösung von 116
Vgl. Jeremias, Hosea, 109: „Nicht nur Israels Getreide (‚seine Kraft‘, 7,9) ist ‚verschlungen‘, vielmehr Israel selber, indem es seine Sonderstellung unter den Völkern preisgab, auf Jahwe verzichtete und so das gleiche Geschick wie alle Kleinstaaten erlitt: Vasall Assurs oder sogar (wie der größte Teil des Nordreichs, die Provinzen Dor, Megiddo und Gilead) von Assyrien einverleibt zu sein“. 117 So bereits Jeremias, Hosea, 108: „Zwei weisheitliche Sprüche dienen in V. 7 als Bindeglied zwischen den Themen Bilderdienst (V. 4b–6) und Außenpolitik (V. 8–10)“. 118 Vgl. die textkritische Übersetzung von Hos 8. 119 Vgl. Jeremias, Hosea, 109.
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JHWH, zieht damit jedoch einen Zustand der absoluten Abhängigkeit und des Ausgeliefertseins an eine Fremdmacht nach sich, die diesen Zustand auch sogleich ausnutzt und Israel verschlingt ()בלע.120 Argumentativ zielt das über die Weisheitssprüche eingeführte Wortfeld der Ernte auf Israels „Verschlungenwerden“ (V.8a: בלע Nif.) durch Fremde (V.7b.8). Während V.7bβ sich noch im Rahmen der Metaphorik von V.7bα bewegt, kann V.7bγ durch die Einführung des Stichwortes „Fremde“ (ֹ )זריםzugleich zur realen außenpolitischen Situation Israels überleiten (V.8a–10). Dabei wird zunächst der „IstZustand“ Israels in der textinternen Gegenwart (vgl. V.8b: עתה, „jetzt“) genannt: Israel ist verschlungen/verschluckt worden (V.8a: בלעNif.) und jetzt unter den Nationen wie ein Gegenstand geworden, an dem man keinen Gefallen hat (V.8b). Während dabei V.8a Israels geschichtliche Situation pointiert festhält, bringt V.8b – der erst von V.10 her als Gottesrede erkennbar wird – das Resultat des Verschlungenseins Israels in Relation zu JHWH zum Ausdruck. Wie bereits in V.7b geschieht dies über die Betonung der nun Israel unter den Nationen prägenden „Unbrauchbarkeit“.121 Diese wird durch den Vergleich mit einem Gegenstand, „an dem man keinen Gefallen hat“ bzw. mit einem wertlosen Gegenstand (V.8b) ausgedrückt. Um zu dieser Einschätzung eines Gegenstandes zu kommen, gibt es nur zwei denkbare Gründe: Der Gegenstand ist entweder ästhetisch nicht ansprechend oder er erfüllt den ihn zugedachten Zweck nicht. Dieser Vergleich dient der erneuten Betonung, dass Israels eigenmächtiges Streben nach Unabhängigkeit unter Loslösung von JHWH nicht nur in die Abhängigkeit von einer Fremdmacht, sondern auch in die Bedeutungslosigkeit in den Augen JHWHs geführt hat (vgl. Hos 8,1b–2). Erneut geht es um die Wesens- und Identitätsfrage Israels: Indem Israel gegen Bund, Weisung und Gotteserkenntnis gehandelt (V.1b) und das Gute verworfen hat (V.3a), verwirft es mit JHWH als dem eigenen Existenzgrund im Land zugleich seine eigene, ihm von JHWH zugedachte Identität in der Ausrichtung an JHWHs Willen. Dies zieht ihre Nutz- bzw. Wertlosigkeit in den Augen JHWHs nach sich. Dabei fällt auf, das textintern nicht explizit ein „Nutzen“ oder „Zweck“ genannt wird, den Israel aufgrund der eigenmächtigen Entscheidungen gegen JHWH nun nicht mehr erfüllen kann. Implizit wird jedoch durch die zweifache Verwendung der Phrase „unter den Nationen“ (V.8b; 10a) deutlich, dass Israels eigentlicher „Zweck“ in einer Existenz bei JHWH besteht, was – als Gegenteil zu einer Existenz „unter den Nationen“ (vgl. V.8b: ם ֹ ;בגויvgl. Hos 7,8: 120 121
So bereits die Argumentationslogik von V.3. So mit Jeremias, Hosea, 102; 109.
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– )בעמיםeine Existenz im Land JHWHs und unter Beachtung seines Willens (V.1b) impliziert. In einer rückblickenden Schilderung schließt sich nun erneut eine begründende Herleitung und Explikation (V.9–10) des zunächst allgemein beschriebenen Zustandes Israels (V.7–8) an. Auch hier zeigt sich noch einmal die Signifikanz der Kombination der weisheitlichen Aussagen von V.7: Würde der außenpolitische Themenblock (V.7–10) nur mit V.7bα eingeleitet werden, so könnte das in den V.7bγ–8 geschilderte Ergehen Israels im außenpolitischen Bereich unverschuldet und die mit „jetzt“ (V.8b: ה ֹ )עתeingeleitete Zustandsbeschreibung ungerecht erscheinen. Nur durch den Brückenvers V.7a wird deutlich, dass Israel selbst etwas getan hat (vgl. Hos 8,4–6), dass Dritten den Zugriff auf den Staat ermöglicht (vgl. Hos 8,7) und zu seiner Existenz „unter den Nationen“ (ם ֹ ;בגוי V.8b.10a) geführt hat. Der zweite Beleg von אכלfindet sich im Kompositionsabschnitt Hos 8,11–13. Wie bereits in V.7a und 9a dient in V.11a die Verwendung von כיder Einleitung eines neuen thematischen Abschnittes (V.11– 13), der zur Situation in Israel zurückkehrt und dabei die gottesdienstliche Opferpraxis fokussiert. Wie bereits in V.7b.8a (בלע, „verschlingen“) und V.9b.10a (תנה, „verteilen“)122, findet sich auch in V.11a.b (מזבחת, „Altäre“) das Stilmittel der Wiederholung, das dazu dient, das Ergehen Israels als Folge des eigenen Handelns darzustellen. In Bezug auf die gottesdienstliche Praxis werden im Rahmen der Gottesrede zwei Vergehen genannt: die Erhöhung der Anzahl der Altäre (V.11a) sowie die Darbringung von Schlachtopfern als Gabe für JHWH (V.13a). Als Vergehen werden diese Praktiken jedoch erst durch die weiteren Ausführungen erkennbar, dass es sich um Altäre zum Sündigen123 (V.11a: )לחטאhandelt und bei den Schlachtopfern nicht die Opfergabe für JHWH, sondern der eigene Verzehr des Fleisches (V.13a: )אכלim Vordergrund steht.124 Auch der Kult wird zum Zeichen der eigenmächtigen Ablösung von JHWH in der Orientierung an eigenen Interessen. Hat Israel demnach in der Kultpraxis seinen eigenen Vorteil (V.11a.13a)125 statt der 122
Über die Verwendung von scheint die Vorstellung einer Prostituierten impliziert, die ihre Freier selbst für ihre Dienste bezahlt, vgl. Jeremias, Hosea, 109: „Hosea ist der erste Prophet, der das Bild der ‚Hure‘ für Israel vom baalisierten Gottesdient auf die Außenpolitik übertragen hat“. 123 Vgl. Jeremias, Hosea, 103, der zu leḥaṭṭēʼ („Sühne“) umvokalisiert. 124 Diese Aussageintention wird durch die Verwendung von „( בׂשרFleisch“) hervorgehoben, welches nicht geschlachtet ( )זבחwerden kann, sondern das Schlachtprodukt bezeichnet. 125 Das „Sündigen“ besteht nicht in der Erhöhung der Anzahl der Altäre. Worin es besteht, wird von V.11 her nicht ersichtlich, könnte aber
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Gottesbegegnung und -erkenntnis gesucht, so konfrontiert die in V.11b beschriebene Folge Israel/Efraim damit, dass die Altäre jetzt für Israel/Efraim tatsächlich nur noch dem Sündigen dienen. Dies impliziert, dass auch von JHWH her die Altäre für Efraim nicht mehr länger als Orte der Begegnung mit JHWH und Erkenntnis JHWHs zur Verfügung stehen, er sich also von diesen Altären reziprok distanziert. Diese ablehnende Distanzierung wird auch in V.13a deutlich. Da V.13a durch die Verwendung des Gottesnamens „JHWH“ die Gottesrede durchbricht, ist vermutet worden, dass es sich um das Zitat einer Formel handelt, die zugleich ein Urteil impliziert. Unterbrochen werden diese beiden auf die Opferpraxis Israels bezogenen Vergehen durch V.12, der die Weisung126 JHWHs thematisiert, die von JHWH tausendfach127 für Efraim aufgeschrieben, aber wie etwas Fremdes (V.12b: )ז ֹרbetrachtet wurde. Durch die erneute Verwendung von ( זרvgl. V.7b) wird die Fatalität des Handelns Israels/Efraims deutlich: Das, was Israel den Zugang zum eigenen Wesen (vgl. V.9a) und zur eigenen Bestimmung (vgl. V.1b–3.12a) gewiesen hätte, wird von Israel verworfen (V.3a) bzw. als etwas Fremdes (V.12b) angesehen und nicht in Relation zur eigenen Existenz gesetzt. Dadurch entfremdet sich Israel jedoch nicht nur von sich selbst (V.9), sondern zugleich von JHWH (V.8b). Dass sich Israel bewusst zu diesem Verhalten und gegen eine auf JHWH, seinen Bund und seine Weisung gegründete Existenz entscheidet, wird von V.1b und V.13b hervorgehoben, die dieses Verhalten als Übertreten ( )עברdes Bundes JHWHs (V.1bα), als Rebellieren ( )פׁשעgegen die Weisung JHWHs (V.1b), sowie als Schuld (V.13b: )עוןund Sünden (V.13b: )חטאתbeschreiben. V.1b und V.13b subsumieren jeweils die politische (V.1b) und die kultische (V.13b) Schuld Israels. Das von JHWH gesprochene „priesterliche Urteil“ über diesen verkehrten Kult ergeht dabei bereits in V.13a. Die Folge aus der mit priesterlicher Terminologie (ֹלא רצה, „keinen Gefallen haben“) formulierten Ablehnung des Kultes durch JHWH benennt V.13b: Der verkehrte Opferkult resultiert darin, dass JHWH „jetzt“ (V.13b) – also erneut in der textinternen Gegenwart (vgl. 8b; 10a) – ihrer Schuld gedenkt (ֹ )זכרund ihre Sünden überprüft (ֹ)פקד.128 argumentativ auf V.13aα bezogen sein: Umso mehr Altäre es gibt, umso mehr Fleisch steht für den Eigenkonsum zur Verfügung, vgl. für die weitere Verwendung von מזבחim Hoseabuch Hos 10,1f; 12,12. 126 Jeremias, Hosea, 103 vokalisiert mit LXX tôrotāj. 127 So mit Jeremias, Hosea, 103. 128 Vgl. Jer 14,10. Von der Aufnahme von V.13ba (ohne V.13bβ) in Jer 14,10 darf eventuell für Hos 8 geschlussfolgert werden, dass V.13bβ als
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Wie der Kult eine verkehrte Annäherung an JHWH abbildet, so besteht die Reaktion JHWHs in einer kritischen Zuwendung zu und Auseinandersetzung mit ihrer Schuld (ֹ )עונםund ihren Sünden ()חטאותם. Die Verwendung dieser Begriffe zur Subsumierung des Verhaltens Israels kennzeichnet dieses dabei als Verstoß gegen den Willen JHWHs (vgl. V.1b–2), auf den dieser reziprok reagiert (vgl. V.11.13). Die Komposition Hos 8,1–13(.14) weist – entgegen der von V.5b implizierten Möglichkeit eines Endes der Unreinheit – keinen Weg aus dieser Schuld heraus. Stattdessen weist V.13b129, im Anschluss an JHWHs Auseinandersetzung mit dieser Schuld und diesen Sünden (V.13a), Israel den Weg aus dem Land und aus dem Herrschaftsbereich JHWHs, indem die Rückkehr nach Ägypten ankündigt wird.130 Hat Israel/Efraim von V.9a her einen eigenmächtigen Exodus aus dem Land und dem Herrschaftsbereich JHWHs initiiert und dabei Assyrien als Ort des Heils angestrebt, so stellt die Ankündigung der Rückkehr nach Ägypten im Rahmen der Gottesrede die Reaktion JHWHs auf dieses Verhalten dar. Revoziert er den Exodus aus Ägypten, impliziert dies jedoch nicht weniger als die Revozierung der Heilsgeschichte und die Auslieferung Israels an Assyrien.131 Der letzte Beleg von אכלim Rahmen von Hos 8,1–14 findet sich in V.14, der die Ankündigung der Revozierung der Landgabe bzw. Heilsgeschichte sekundär ergänzt. Dabei stellt V.14 durch die Verwendung der Stichworte „Feuer“ (V.14b: ׁש ֹ )אund „verzehren“ (V.14b: )אכלeinerseits eine Verbindung zum Wortfeld der Angriffsankündigung aus V.1–3 her und scheint andererseits den Vollzug des Angriffs anzukündigen. Anders als in V.1–3 kann in V.14b JHWH eindeutig als Angreifer Israels und Judas identifiziert werden. Als Grund für diesen Angriff wird ein weiteres Vergehen gegen JHWH genannt, das nach V.14 sowohl Israel als auch Juda begangen haben: Beide Reiche haben sich dem Bau von Palästen (V.14a: )היכלותbzw. befestigter Städte (V.14a: ת ֹ )ערים ֹבצרו gewidmet. Dabei dient der Hinweis auf Israels Vergessen ( )ׁשכחvon demjenigen, „der es gemacht hat“ (את־עׂשהו, V.14a), dem Zweck, den vergessenen Ursprung von Sicherheit im Land – nämlich den eigenen Landes- und Staatsgott JHWH – mit dem eigenmächtigen Streben nach Selbstabsicherung zu kontrastieren, wie dies bereits in Hos 8,4–6 deutlich wurde. In einer umfassenden (V.14a: רבה, „viel, Abschluss des ganzen Kapitels und nicht nur als weitere Konsequenz der in V.13aα kritisierten Opferpraxis angesehen werden muss. 129 Der wohl ursprünglich den Abschluss von Hos 8 bildete, vgl. Jeremias, Hosea, 110. 130 Vgl. Abschnitt 3.3.4. 131 So mit Jeremias, Hosea, 111.
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zahlreich machen“) Bautätigkeit streben Israel und Juda die Befreiung von der eigenen Angewiesenheit auf den Schutz des Landes- und Staatsgottes JHWH an. Berücksichtigt man den durch die in V.14 verwendeten Stichworte hergestellten Bezug zu Hos 8,1– 3, so erscheint JHWH jetzt selbst in der Rolle eines politischen Gegners Israels und Judas, dem diese – durch die in den V.4-13 geschilderten Vergehen – die Loyalität versagt haben.132 V.14 ermöglicht es, JHWH in der Rolle eines erzürnten (V.5a) Bündnispartners zu sehen, der auf den von Israel und Juda gebrochenen Bund (vgl. Hos 8,9) mit einem Angriff auf ihre Städte und ihre Palastfestungen reagiert. Betrachtet man abschließend, wie der Aspekt der Eigenmächtigkeit des Handelns Israels (und Judas, vgl. V.14a) in der Komposition Hos 8,1–13(.14) kommuniziert wird, so scheint dies vor allem auf zwei Weisen zu geschehen: Explizit wird die Eigenmächtigkeit Israels von V.4a her ersichtlich, da sich dort an die Schilderung der von Israel vorgenommenen Krönungen von Königen und Einsetzungen von Beamten die aus der Sicht JHWHs formulierten Feststellungen anschließen, dass die Krönungen nicht von ihm ausgingen (ֹ)לאֹממני und er auch kein Wissen ( )לאֹידעתיvon der Einsetzung von Beamten gehabt habe, d. h. sein Wille bei den Krönungen und Einsetzungen unberücksichtigt blieben. Ein weiteres textprägendes Merkmal, welches den Aspekt der Eigenmächtigkeit des Handelns Israels hervorhebt, ist das Leitwort „machen“ (עׂשה: V.4b; 6a; 7b [2mal]). Das Leitwort dient dabei zugleich der Verbindung unterschiedlicher Kompositionsabschnitte (Hos 8,4–6; 7–10). Wie bereits in Bezug auf die Stichworte „erkennen“ (V.2b; 4a) und „verwerfen“ (V.3a; 5aα) wird auch das Stichwort „machen“ (V.4b; 6a; 7b; 14a) zunächst zur Beschreibung des Handelns Israels verwendet, bevor es zur Beschreibung einer reziproken Handlung JHWHs eingesetzt wird (V.14a). Im Rahmen von Hos 8,1–13(.14) handelt es sich dabei um die einzige Verwendung des Verbs עׂשה, die sich auf JHWH bezieht und ihn dabei als den von Israel vergessenen Schöpfer (V.14a: „Und Israel hat den vergessen, der es gemacht hat“) benennt. Der Verweis auf die schöpferische Tätigkeit JHWHs, der sich Israels Existenz verdankt, parallelisiert dabei nicht nur die schöpferischhandwerkliche Kraft Israels mit JHWHs, sondern entlarvt dabei den die Handlungen Israels prägenden Denkfehler Israels, der zugleich das grundsätzlichste Vergehen gegen JHWH darstellt: Ihre Bemühungen im innenpolitischen, kultischen, außenpolitischen und gottesdienstlichen Bereich, Unabhängigkeit von JHWH zu erreichen, 132
Im Rahmen dieser Interpretation setzt V.14 das Vorhandensein von V.1b (Bund- und Weisungsthematik) voraus.
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sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da Israel sich nicht von seinem eigenen Existenzgrund lösen kann, der nach V.14a in JHWH selbst besteht. Ist JHWH aber der Existenzgrund Israels, dann riskiert Israel mit den Versuchen, Unabhängigkeit von JHWH zu erlangen, zugleich die eigene Existenz, ohne dies jedoch zu erkennen (vgl. V.2b). Ausgehend von V.14a wird bezüglich der Anwendung von עׂשהzunächst auf Israel und dann auf JHWH zudem deutlich, dass nicht nur Israels Existenz, sondern auch Israels schöpferische Kraft ihren Ursprung in JHWH hat. Verwenden sie diese schöpferische Begabung gegen ihren Urheber, so machen sie sich vor JHWH schuldig (V.1b.3b.13b). Das Ausmaß der Schuld wird dabei auch durch die zweifache Verwendung von „zahlreich machen“ (ֹ )רבהin V.11a und 14a betont. Diese Schuld erfährt eine weitere Maximierung durch die Tatsache, dass die Aussage von V.11 dabei in ein antithetisches Verhältnis zu der in V.12 genannten Häufigkeit, mit der JHWH Israel seinen Weisungen mitgeteilt hat, gesetzt wird. Diese Mitteilung der Weisung(en) diente offenbar dem Zweck, Israel einen Weg zurück in das gemeinsame Bundesverhältnis zu weisen und wieder mit der Lebensordnung in Kontakt zu bringen, die für Israel als Inbegriff von „Gutem“ gedacht war (vgl. V.1b.3). Diese Versuche sind jedoch daran gescheitert, dass das Israel, welches glaubt, JHWH erkannt zu haben (ידענוך, V.2b), nicht einmal die Weisungen seines Gottes erkennt und sie stattdessen wie etwas Fremdes betrachtet (כמו־זרֹנחׁשבו, V.12b). Auf diese Weise versperrt sich Israel durch sein eigenmächtiges Verhalten nicht nur den Weg zu wahrer Gotteserkenntnis, sondern zugleich den Weg zu der ihm zugedachten Existenz mit JHWH im Land JHWHs. JHWH selbst eröffnet im Rahmen der Komposition keinen Ausweg aus dieser Schuldverstrickung. Israels eigenmächtige Loslösung von JHWH resultiert daher in ihrer Ausweisung aus dem Land JHWH in Form der Ankündigung der Rückkehr nach Ägypten (vgl. V.13b). Zwischenergebnis Mit dem zunächst unscheinbar wirkenden Wort „( אכלessen, verzehren“) wird im Rahmen der Komposition Hos 5–7 und im neuen Abschluss der Komposition in Hos 8,1–13(.14) zunächst die Abwendung von JHWH und im Rahmen von Hos 8,8 schließlich der geschichtliche Untergang des Nordreiches hergeleitet. Dabei lassen sich zunächst zwei grundsätzliche Beobachtungen machen: Die Essensthematik nimmt ihren Ausgangspunkt in der israelitischen Innenpolitik (Hos 7,7a) und wird im Rahmen von Hos 7,3–7 aus dem Bild vom Backofen abgeleitet. Sie wird metaphorisch verwendet, um
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die durch politische Intrigen selbst herbeigeführte innere Destabilisierung des Nordreichs auszudrücken. Sie wird dabei zugleich als Indiz der Abwendung von JHWH betrachtet (vgl. Hos 7,7b). Erst diese innere Destabilisierung ermöglicht fremden Großmächten von außen, Zugriff auf die Ressourcen Israels zu nehmen (vgl. Hos 7,8: „Fremde verzehren seine Kraft“). Dies wird im Rahmen von Hos 7,7f als ein reziproker Vorgang beschrieben, der sich jedoch nicht zwischen Israel und JHWH, sondern zwischen Israel und „Fremden“ ( )זריםvollzieht, dabei jedoch überhaupt nur durch die israelitische Abwendung von JHWH ermöglicht wurde (vgl. Hos 7,7b). Im Rahmen von Hos 5,3–7 ist die Essensthematik im israelitischen Kult verortet. In Hos 5,3–7 wird der israelitische Opferkult als ein Kult präsentiert, dem sich JHWH endgültig entzogen hat (vgl. Hos 5,6b), da er nicht durch Gotteserkenntnis, sondern durch Unzucht und einen Unzuchtsgeist geprägt ist (vgl. Hos 5,3b.4b). Die Folge dieser kultischen „Unzucht“ sind „fremde Söhne“ ()בנים ֹזרים, die als lebendiger Beweis der Untreue gegenüber JHWH betrachtet werden (vgl. Hos 5,7a). Im Rahmen von Hos 5,7b wird deswegen die Aufhebung der augenscheinlich vorhandenen Reziprozität zwischen der Begehung der JHWH-entfremdeten Kultfeste und der sich in Israel einstellenden Fruchtbarkeit angekündigt: Statt Segen und Fruchtbarkeit wird der JHWH-entfremdete Kult – repräsentiert durch das personifizierte Neumondfest (ֹ – )חדׁשIsrael mitsamt dem Land verzehren ()אכל. Statt Existenzsicherung bedeutet die Ausübung dieses Kultes ohne den Landes- und Staatsgott JHWH das Ende der Existenz Israels im Land. Hos 8,1–13(.14) setzt die Komposition Hos 5–7 voraus.133 Im Rahmen von Hos 8,1–13(.14) wird sowohl die politisch verortete Essensthematik aus Hos 7,7f als auch die kultisch verortete Essensthematik aus Hos 5,3–7 aufgriffen und aktualisiert. Im Rahmen von Hos 8,7–9 wird dabei die Aussage von Hos 7,7f doppelt gesteigert: Während in Hos 7,7f Fremde nur die Ressourcen Israels verzehrt ( )אכלhaben, ist es nun Israel selbst, das verschlungen ()בלע wird. Die Neuinterpretation der Essensthematik besteht im politischen Bereich darin, dass nicht mehr nur das wirtschaftliche Ausbluten Israels aufgrund einer Tributlast, sondern der Untergang des Nordreichs durch den vom „Essen“ zum „Verschlingen“ gesteigerten Vorgang des Zugriffs einer außenpolitischen Größe 133
Vgl. Jeremias, Hosea, 103: „Kap. 8 ist […] eine kürzere ParallelKomposition zu 5,8–7,16 […]. Die Knappheit der Ausdrucksweise ist in manchen Versen nur verständlich, wenn die breiteren Ausführungen in 5,8– 7,16 beim Leser vorausgesetzt werden“.
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ausgedrückt wird. Dabei wird jedoch weiterhin die vorangegangene Destabilisierung im Rahmen der Innenpolitik Israels vorausgesetzt, die als eigenmächtige Abwendung von JHWH dargestellt wird (vgl. Hos 8,4–6) und an der JHWH selbst jegliche Beteiligung oder Mitwisserschaft abstreitet (vgl. Hos 8,4a). Auch die kultische Essensthematik erfährt im Rahmen von Hos 8,1– 13(.14) eine Aktualisierung. Anders als in Hos 5,3–7 wird dabei die metaphorische Verwendung von אכלnicht fortgesetzt, sondern auf reale Essensvorgänge im israelitischen Kult Bezug genommen. Während im Rahmen von Hos 8,4–6 geschildert wurde, wie Israel den eigenen Willen der Lebensordnung JHWHs vorordnet (vgl. Hos 8,1–3.12), schildert V.13a, dass Israel auch den JHWH-Kult den eigenen Interessen untergeordnet hat und die Schlachtopfer für JHWH nur aus Eigeninteresse am Fleischverzehr darbringt. Das priesterliche Urteil über diesen JHWH-entfremdeten Kult ergeht Hos 8,13a. Als Folge wird im Rahmen der Prophetenrede von V.13b die Zuwendung JHWHs zu dieser Schuld und diesen Sünden Israels sowie die Rückkehr Israels nach Ägypten angekündigt. Die in Hos 8,13b angekündigte Rückkehr Israels nach Ägypten ist dabei einerseits die Reaktion JHWHs auf Israels eigenmächtigen „Exodus“ nach Assyrien (vgl. die Verwendung von in V.9). Zugleich nimmt Hos 8,13b jedoch die Leselinie von Hos 7,16 und 5,7b auf. Die Aktualisierung dieser Leselinie besteht dabei nicht nur in der Ankündigung der Revozierung der Landesgabe (vgl. Hos 5,7b) durch den Staats- und Landesgott JHWH, sondern in der Umkehrung der vormals freiwilligen Hinwendung nach Ägypten (vgl. Hos 7,16) in eine unfreiwillige Rückkehr nach Ägypten als Revozierung des Exodus.134 Der sekundär ergänzte V.14 „nimmt der Zielaussage in 8,13 ihre Kraft“135. Zugleich kommt ihr kompositionell jedoch die Funktion zu, den Vollzug des in Hos 8,1a als kurz bevorstehend geschilderten Angriff anzukündigen. Anders als in Hos 8,1b formuliert Hos 8,14 dabei eine Reaktion JHWHs auf die eigenmächtige Abwendung Israels von ihm. Nun wird JHWH selbst als derjenige präsentiert, der als Feind Israels und Judas in Erscheinung tritt und die steinernen Zeichen ihrer Loslösung von JHWH als Landes- und Staatsgott durch ein Feuer vernichtet, das diese Palastfestungen verzehren wird ()אכל. JHWH erscheint dabei einerseits in der Rolle eines geprellten Bündnispartners (vgl. Hos 8,9), andererseits als Schöpfer (ֹ עׂשהPart.) Israels und Judas, der sich gegen das Werk seiner eigenen Hände wendet, da dieses den eigenen Willen zur Macht (vgl. die 134 135
Vgl. Jeremias, Hosea, 111f. AaO, 112.
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Verwendung des Leitwortes עׂשהin V.4.6) über eine Existenz gestellt hat, die am Willen JHWHs orientiert ist (vgl. Hos 8,1b–3a). 3.3.3 „Gehen“ in Hos 8,9 Dass es sich bei Hos 8,1–13(.14) um „eine kürzere ParallelKomposition zu Hos 5,8–7,16“136 handelt, zeigt sich u. a. an der Aufnahme und steigernden Aktualisierung der Gehbewegungen aus dem Buchkern Hos 5–7. In Hos 8,9 wird diese nach Assyrien gerichtete Gehbewegung Israels unter Verwendung von „hinaufgehen“ ( )עלהjetzt zu einem negativen Exodus gesteigert, in dessen Rahmen Israel freiwillig das Land JHWHs verlässt. Dem Gehen Israels kommt dabei im Buchkern Hos 5–7 die Funktion eines kompositionsverbindenden Leitlexems zu (Hos 5,6.11.13ff; 6,1.4; 7,11f). Das kompositionelle Scharnierstück137 Hos 5,8–6,6 verbindet dabei den politischen mit dem kultischen Themenbereich.138 Das Subjekt des Gehens ist – bis auf Hos 5,14f – stets Israel. Das Zielobjekt von Israels Gehen entscheidet dabei darüber, ob eine Abwendung von JHWH impliziert ist (vgl. Hos 5,11.13; 7,11f), die eine Entsprechung in der Reaktion JHWHs findet (vgl. Hos 5,6b.14b.15a; 7,12). Während im Rahmen der Komposition Hos 5–7 im außenpolitischen Bereich die Zuwendung Israels zu einer außenpolitischen Größe mit „gehen“ (ֹ ;הלךHos 5,11.13f; 7,11f), aber auch mit dem kultisch geprägten Terminus „nachgehen, nachfolgen“ (ֹ ;הלךֹאחריHos 5,11) ausgedrückt wird, wird im kultischen Bereich die Zuwendung Israels zu JHWH mit „gehen“ ( ;הלךHos 5,6.15; 6,1.4) ausgedrückt, welches teilweise mit dem kultischen geprägten Terminus „suchen“ ( )בקׁשparallelisiert wird (vgl. Hos 5,6). In Hos 5,8–11.12–14; 7,11f als den politisch geprägten Kompositionsabschnitten ist Israels Gehbewegung immer auf eine außenpolitische Großmacht gerichtet, die – bis auf Hos 5,11139 – textintern mit Assyrien identifiziert wird (vgl. Hos 5,13; 7,11). Die Bündnisbemühungen Israels werden dabei als Abwendung von JHWH als dem eigenen Staats- und Landesgott Israels beurteilt, da Israel nicht bei ihm, sondern bei Assyrien den eigenen Schutz sucht. Als Folge ergeht in Hos 7,12 die Ankündigung einer Reaktion JHWHs, die darin besteht, dass er Israel „ כעוף ֹהׁשמיםwie einen 136
AaO, 103. Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 298. 138 So bereits Vielhauer, Werden, 93, der jedoch davon ausgeht, dass „in diesem Text die kultischen Anklagen den politischen erst redaktionell zugefügt wurden“. 139 Vgl. die Textkritik zu Hos 5,11. 137
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Vogel des Himmels“ herunterholen ( ירדHif.) und züchtigen (ֹיסר Hif.)140 wird.141 Die „Heimholung“ ist die Voraussetzung für die erzieherisch-korrigierende Zuwendung JHWHs zu Israel. Im Rahmen des Scharnierstückes 5,8–6,6 wird die Reaktion JHWHs auf Israels „Gehen“ teilweise ebenfalls unter Verwendung des Lexems הל ֹךformuliert, so dass diesem die Funktion eines kompositionsverbindenden Leitlexems zukommt (vgl. Hos 5,12–14; 5,15–6,6). Dabei besteht die in Hos 5,14 angekündigte Reaktion JHWHs auf das Gehen Israels nach Assyrien in Hos 5,14 zunächst in einer negativen Zuwendung JHWHs zu Israel, die mit der eines Löwen verglichen wird (V.14a). Die Zuwendung JHWHs (טרף, „reißen“) wird gefolgt von einer gehenden Abwendung JHWHs (הלך, „gehen, davongehen“), bei der er Israel als gerissene Beute mit sich davonträgt (vgl. V.14bβ: נׂשא, „heben, (fort)tragen“). Im Rahmen der späteren Fortschreibung Hos 5,15(–6,6) wird diese tödliche Zuwendung JHWHs mit anschließender Abwendung vom Schauplatz relativiert. So besteht die kultische Neuinterpretation von Hos 5,12– 14 in Hos 5,15 in einer zeitlich befristeten Abwendung JHWHs von Israel, die von Israel dadurch aufgehoben werden kann, dass sie Buße tun und das Angesicht JHWHs suchen ()בקׁש. Die Abwendung JHWHs von Israel kann durch eine kultisch vollzogene Rückkehr Israels zu JHWH aufgehoben werden. Hos 5,15 verkündigt gegenüber Hos 5,14 die Möglichkeit einer Wiederherstellung Israels in der Gemeinschaft mit dem eigenen Staats- und Landesgott JHWH. Die (späteren?)142 kultisch orientierten Kompositionsabschnitte (Hos 6,1–6; 5,3f.6f) greifen diese Perspektive auf und schildern unter Verwendung des Leitlexems הלךdie tatsächlich vollzogene Zuwendung Israels zu JHWH im Kult, die jedoch in beiden Fällen nicht zu der erstrebten Wiederherstellung der Beziehung mit dem eigenen Landes- und Staatsgott führt. Dass JHWH auf die kultische Zuwendung Israels zu ihm nicht in Form einer Zuwendung des Angesichts (vgl. Hos 5,15; 7,2!) reziprok reagiert, wird dabei in Hos 6,4–6 damit begründet, dass er sich zwar durch die in V.3 beschriebene verlässliche Gemeinschaftstreue auszeichnet, Israel und Juda diese Beständigkeit 140
Vgl. die Textkritik zu Hos 7,12. Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 291, der bezüglich des Bildes von JHWH als eines Vogelfängers schreibt: „So wie Tiglatpileser einmal den König Chanunu von Gaza wieder eingefangen hat, der laut Inschrift wie ein Vogel nach Ägypten geflohen war, so fängt laut Hos 7,11–12 denn auch JHWH das den politischen Bündnispartnern nachlaufende Israel wie Vögel wieder ein und bringt es zu Fall“. Die Aussage des „Zu-Fall-Bringens“ kann von Hos 7,11f jedoch nicht abgeleitet werden. 142 Vgl. Vielhauer, Werden, 108–110. 141
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ihrer Gemeinschaftstreue jedoch vermissen lassen (vgl. Hos 6,6). Hos 6,4–6 bildet die Grundlage für den endgültigen Entzug JHWHs, der in Hos 5,1–7 geschildert wird und dort die fehlende Gemeinschaftstreue durch die neue Kategorie der „Unzucht“ ausdrückt (vgl. Hos 5,3f). Die tödliche Zuwendung JHWHs zu Israel mit anschließender Abwendung (vgl. Hos 5,14) und der endgültige Beziehungsabbruch zwischen Israel und JHWH im Kult, der ebenfalls in Form einer endgültigen Abwendung beschrieben wird (vgl. Hos 5,6: Perf.), gehen nicht als Aktionen von JHWH aus, sondern stellen Reaktionen auf das Verhalten Israels dar. Im Rahmen der Fortschreibung von Hos 8,9f wird diese Gehbewegung aktualisiert und dabei im Aussagegehalt verschärft, indem nun nicht länger vom „gehen“ (ֹ )הלךoder vom „hinterhergehen, nachfolgen“ ( )הלך ֹאחריdie Rede ist, sondern – singulär im Rahmen von Hos 5–8! –143 die Bündnisbemühungen Israels in Assyrien jetzt als „hinaufgehen“ ( )עלהbezeichnet werden.144 Dass damit nicht einfach nur eine geographisch präzisere Aussage getroffen werden soll, zeigt sich daran, dass durch die Zielangabe „Assyrien“ die Richtung des Gehens Israels bereits impliziert ist und daher im Buchkern das Lexem ( )הלךzur Beschreibung der Zuwendungsbewegung Israels nach Assyrien ausreicht. Dass Israel dabei das in Hos 8,7f geschilderte geschichtliche Ergehen über sich selbst gebracht hat, wird im Rahmen von Hos 8,9 durch die Einleitung des Verses mit dem betont vorangestellten „( כי־המהDenn sie…“) verdeutlicht, an das sich die Schilderung der freiwilligen Zuwendung Israels nach Assyrien anschließt. Dabei wird nicht nur die in der Komposition Hos 8,1– 13(.14) ohnehin betonte Eigenmächtigkeit Israels unter Loslösung vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH betont (vgl. Hos 8,4.6f), sondern ein eigenmächtiger, sich von JHWH und JHWHs Land distanzierender Exodus beschrieben, dessen Ziel das Land Assyrien ist, repräsentiert durch seine Hauptstadt Assur (V.9a). In diesem Sinne bereitet Hos 8,9 die Revozierung der Landesgabe und der Heilsgeschichte vor, die in Hos 8,13 als neuer Buchabschluss angekündigt wird.145
143
Die Wurzel wird sonst nur in Hos 6,6 zur Bezeichnung der Brandopfer ( )עלותverwendet. 144 Vgl. Jeremias, Hosea, 109: „Angespielt wird mit dem Aufsuchen Assurs auf die Unterwerfung des neuen Königs und Königsmörders Hosea (732), der wenigstens das Kerngebiet des Gebirges Efraim vor dem Geschick, assyrische Provinz zu werden, bewahren wollte“; vgl. auch Kratz, Prophetenstudien, 301. 145 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 64.
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In diesem Kontext erscheint in V.9b zum ersten Mal in Hos 8 der über das Wortspiel mit „Wildesel“ (V.9aβ: א ֹ )פ ֶּר ֶּ hergeleitete Name „Efraim“ (V.9b: )א ְפ ַריִ ם. ֶּ Das Wortspiel dient einem zweifachen Zweck: Einerseits wird aufgrund der lautmalerischen Ähnlichkeit der Name „Efraim“ hergeleitet, andererseits wird über das vorausgesetzte Wissen um das Wesen eines Wildesels abermals (vgl. 7b.8b) die Abweichung Efraims von seinem ihm von JHWH zugedachten (vgl. V.1b.3) Wesen ausgedrückt: Wie ein Wildesel sich durch eine natürliche Scheu gegenüber und Distanz zu (fremden) Menschen auszeichnet, so hätte auch Efraim sich seinem eigentlichen Wesen gemäß verhalten und die Distanz zu Fremdmächten durch das Bleiben im Land JHWHs wahren sollen. Statt die Distanz zu wahren und seine Zuflucht bei JHWH zu suchen, hat Efraim jedoch das Gegenteil getan, indem es „Liebesgaben“ (ֹ)אהבים146 unter den Nationen verteilt hat. Über die Bezeichnung als „Liebesgaben“ wird der Aspekt der Bundestreue bzw. der Loyalität Efraims JHWH gegenüber aufgerufen (vgl. V.1b) und zugleich widerlegt. Zwischenergebnis Die Revozierung der Landesgabe in der Initiierung der Rückkehr Israels nach Ägypten durch JHWH (Hos 8,13) erweist sich als eine Reaktion JHWHs auf die Abwendung Israels von ihm, die einerseits durch die politischen Gehbewegungen Israels im Buchkern (vgl. Hos 5,11.13; Hos 6,1; Hos 7,11) vorbereitet wurde, andererseits im Rahmen von Hos 8,9 eine aktualisierende Neuinterpretation erhalten hat. Indem im Rahmen von Hos 8,9 die im Buchkern mit „gehen“ ()הלך und „nachgehen“ ( )הלך אחריbeschriebenen Bündnisbemühungen Israels jetzt (singulär in Hos 5–8) mit „hinaufgehen“ (ֹ)עלה bezeichnet werden, werden die als Abwendung von JHWH gedeuteten Gehbewegungen zum ersten Mal mit einem Exodusmotiv in Verbindung gebracht. Auf diese Weise wird die Hinwendung Israels nach Assyrien zu einem negativen Exodus gesteigert, der von Israel selbst initiiert ist (vgl. Hos 8,9:ֹ„ ;כי־המהֹעלוֹאׁשורdenn sie sind hinaufgegangen nach Assyrien“) und es aus der Gemeinschaft mit dem eigenen Landes- und Staatsgott sowie dem von JHWH geschenkten Land herausführt. Durch diese theologische Neuinterpretation hat Hos 8,9 wohl – infolge von Hos 7,8–11.16 (vgl. die Aufnahme von ׁשובaus Hos 7,16 in Hos 8,13) – die theologische Grundlage für die Entwicklung der Idee der Revozierung des Exodus gelegt, wie dies in Hos 8,13; 9,3.9 und schließlich in Hos 11,5 146
So mit Jeremias, Hosea, 102.
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begegnet. So schreibt Kratz: „So ist der angedrohte Tod in oder durch Ägypten und Assyrien in 7,16; 8,13; 9,3.6 die konsequente Strafe für eine verfehlte Bündnispolitik mit ebendiesen Mächten wie auch für Abgötterei, womit in Hos 4–9 das Gericht begründet wird. […] 11,1– 4 ist Auslegung von 7,8ff und 8,9f und überträgt die verfehlte Bündnispolitik, die eine Abkehr von JHWH impliziert (vgl. 11,7), unmittelbar auf den theologischen Sachverhalt des – nun heilsgeschichtlich (im Exodus als Gründungsdatum der Existenz Israels im Land) fundierten – Verhältnisses von JHWH und Israel“147. Die in Hos 8,13; 9,3.6; 11,5 schließlich ausformuliert begegnende Vorstellung der Revozierung der Landesgabe bzw. des Exodus stellt sich ebenfalls als eine Reaktion JHWHs auf den von Israel freiwillig vollzogenen Exodus von JHWH und seinem Land dar.148 3.3.4 „Gedenken“ und „Überprüfen“ in Hos 8,13 Vom Gedenken (ֹ )זכרist im Rahmen des Buchkerns Hos 5–7 nur in Hos 7,2 die Rede. Schließt man sich Vielhauers redaktionskritischen Überlegungen an, so zählt Hos 7,2 mit Hos 6,7–7,12 zur Grundschicht des Hoseabuches.149 Wie im Folgenden gezeigt wird, haben die Tradenten dem Gedenken JHWHs zentrale Bedeutung beigemessen und deswegen den jeweils aktuellen Schluss der wachsenden Komposition (vgl. Hos 8,13; 9,9) mit dem Gedenken der Sünden durch JHWH enden lassen, das an beiden Stellen mit einer über diese Vergehen Rechenschaft fordernden Tätigkeit (ֹ)פקד parallelisiert wird. Auf diese Weise stellt die gedenkende Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Bosheit (vgl. Hos 7,2) bzw. Schuld (vgl. Hos 8,13; 9,9) eine zentrale Kategorie der reziproken Reaktion JHWHs auf die jeweils zuvor im Rahmen der Komposition geschildert Vergehen Israels dar. Zugleich schattet das Gedenken JHWHs das weisheitliche Bedenken des Hoseabuches vor, das den späteren Abschluss des Gesamtbuches bildet (vgl. Hos 14,10)– eine reziproke Reaktion der Lesenden auf das Gedenken JHWHs, die in der Meditation des geschichtlichen Ergehens Israels zum Gelingen des eigenen Lebens beitragen soll (vgl. Hos 14,10). Hos 7,2 Im Kontext des Kompositionsabschnittes Hos 6,7–7,12 ist Hos 7,2 argumentativ eingebettet in eine Kompositionslinie, die über Hos 147 148 149
Kratz, Prophetenstudien, 301. Vgl. Abschnitt 3.3.5. Vgl. Vielhauer, Werden, 226.
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5,12–14 zu Hos 5,15–6,6 und schließlich zu Hos 7,1 führt und dabei u. a. durch die Stichwortaufnahme der Wurzel א ֹ „( רפheilen“) konstituiert wird.150 Obwohl dabei JHWH die im Rahmen von Hos 6,1–3 nun an ihn gerichtete Hoffnung auf Heilung bzw. Wiederherstellung tatsächlich erfüllt (vgl. Hos 7,1: )כרפאֹי, resultiert diese Zuwendung JHWHs nur in einer Aufdeckung weiter „Krankheitsherde“ in Israel und Samaria: So zeigen sich ( גלהNif.) Israels Schuld ( ;עוןvgl. Hos 8,13; 9,9!) und Samarias Bosheit (;רעה vgl. Hos 7,1ff). Während sich in Hos 7,1aβ–b die Schilderung der aufgedeckten Vergehen anschließt, kommt V.2 eine doppelte Funktion zu. Primär dient der Vers dazu, die Auseinandersetzung JHWHs mit dem zuvor beschriebenen Vergehen anzukündigen.151 In diesem Sinne schließt V.2 die vorangehenden Ausführungen ab.152 Zugleich ist der Vers Bestandteil der durch das Lexem „ רעהBosheit“ miteinander verbundenen Verse 1–3, so dass dem Vers zugleich die Funktion einer einleitenden Überschrift der in Hos 7,3ff genannten weiteren Vergehen zukommt und JHWHs konfrontierende Zuwendung zu diesen ankündigt. Diese Vergehen erscheinen als Explikation der „ רעהBosheit“ im innenpolitischen Bereich. Die drei durch das Lexem רעהmiteinander verbundenen Verse 1–3 weisen dabei ein jeweils eigenes Profil auf. V.1 bildet die Ausgangslage der Argumentation des Kapitels, indem der allgemeine gesellschaftliche Verfall Efraims und Samarias am JHWH-entfremdeten Verhalten im Rahmen der Sozialsphäre festgemacht wird. Während V.1 durch die Stichwortaufnahme von „ גדודBande“ aus Hos 6,9 die Identifikation der in Hos 7,1 genannten pluralischen Gruppe „sie“ mit der „ חבר ֹכהניםGemeinschaft der Priester“ ermöglicht, lässt es durch die Nennung von Betrug, Diebstahl und Raub den in Hos 6,9 genannten Mord als Beginn einer Aufzählung von „Bosheiten“ erscheinen, die darin ein gemeinsames Merkmal aufweisen, dass sie allesamt Vergehen gegen Menschen darstellen und zugleich gegen geltendes Recht (vgl. 5,11) verstoßen. Dass die Priesterschaft dabei explizit als die am schlimmsten dieser Vergehen (Mord) nicht nur beteiligte, sondern ausführende Personengruppe genannt wird (Hos 6,9), dient zum Ausdruck einer grundsätzlichen Priesterschaftskritik sowie zum Ausdruck der vollständigen Verdorbenheit der Gesellschaft. Da es sich bei den in V.1 genannten Vergehen um Verstöße gegen die den Willen JHWH 150
Vgl. zudem Abschnitt 2.3.3 und 2.3.4. Anders als Rudolph, der Hos 7,1f dahingehend charakterisiert, dass dort „ein […] Urteil gefällt wird“ (Rudolph, Hosea, 146). 152 V.2 sollte nur dann als eine Gerichtsankündigung bezeichnet werden, wenn man unter „Gericht“ jegliche Form der Konfrontation mit Tatfolgen subsumiert. Ein juristisch-juridischer Kontext ist nicht gegeben. 151
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ausdrückende Ordnung handelt (vgl. Hos 5,11: )מׁשפט, ist es JHWH selbst, der in V.2 als derjenige angekündigt wird, der sich der gesamten Bosheit gedenkend (ֹ )זכרannimmt. Präziser als in V.2aβ lässt sich die Ankündigung der Auseinandersetzung JHWHs mit diesen Vergehen dabei nicht fassen: Im Rahmen der Gottesrede kündigt JHWH als sprechendes Subjekt seine gedenkende Auseinandersetzung (ֹ )זכרmit der Gesamtheit der unter dem subsumierenden Begriff „Bosheit“ charakterisierten und gegen seinen Willen verstoßenden Vergehen an. Dabei gilt im Anschluss an Schottroff: „Wenn hier vom Gedenken an die Bosheit die Rede ist, so besagt das, daß nicht einfach der Umschlag der Tat in Schicksal gemeint ist, sondern daß durch die Tat Jahwes Verhalten zum Täter bestimmt wird: indem Jahwe der Taten Israels gedenkt, bleibt er nicht passiv, sondern läßt sie bei seinem Verhalten zu diesem leitend werden“153. Dass Bosheit dabei in erster Linie als ein sich in Taten verwirklichender Habitus verstanden wird, verdeutlicht V.2bα, in dem synonym zum Begriff „Bosheit“ (ֹ )רעהvon „ihren Taten“ ( )מעלליהםdie Rede ist.154 Die Taten werden dabei als personifizierte Größen beschrieben, die – ähnlich wie Feinde oder Vergehen im poetischen Sprachgebrauch155 – die Täter „umzingeln“ ()סבב. Die Verwendung von ה ֹ עתim Anschluss an die Schilderung des göttlichen Gedenkens verdeutlicht dabei, dass sich das Umzingeltsein nicht aus einem als Automatismus verstandenen Tun-ErgehenZusammenhang, sondern aus dem Gedenken JHWHs ergibt.156 Diese göttliche Intervention wird im Rahmen des Handlungsmodells der sozialen Interaktion als ein am Prinzip der Solidarität ausgerichtetes Handeln begriffen. Dieses resultiert in der Konfrontation des Täters mit seinen Vergehen bzw. den Folgen seiner Vergehen. Die von JHWH gelebte Solidarität verwirklicht sich in seinem Gedenken (V.2), wodurch er die Täter nicht aus der Haftung entlässt, sondern sie mit ihren Vergehen konfrontiert und auf diese Weise Gerechtigkeit herstellt.157 Wie das Bild des „Umzingeltseins“ 153
Schottroff, Gedenken, 236. Vgl. Hos 5,4. 155 Die Grundbedeutung von „ סבבumgeben“ scheint in der poetischen Sprache des Psalters zu kurz zu greifen, da dort vor allem die Ausweglosigkeit einer Situation hervorgehoben werden soll (vgl. Ps 17,11; 18,6; 22,13.17; 49,6; 88,18; 109,3; 118,10–12; 140,10). Diesem Sprachgebrauch verwandt sind auch Hos 7,2 und 12,1. Es empfiehlt sich daher, statt mit „umgeben“ mit „einkesseln“ bzw. „umzingeln“ zu übersetzen. 156 Vgl. Schottgroff, Gedenken, 236. 157 Vgl. Janowski, Die Tat, 247–271, insbesondere 260–271; vgl. zudem: Ders., Ein Gott, der straft und tötet?, 156. 154
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ausdrückt, können die Täter dieser Konfrontation nicht ausweichen bzw. entgehen. Dass sie nicht mit dieser intervenierenden Auseinandersetzung JHWHs mit ihren Taten rechnen,158 macht V.2aα deutlich. V.2 weist dabei eine A-B-A‘-B‘-Struktur auf. 2aα 2aβ 2bα 2bβ
A B A‘ B‘
ובל־יאמרו ללבבם כל־רעתם זכרתי עתה סבבום מעלליהם נגד פני היו׃
Aber sie bedenken nicht in ihren Herzen, dass ich all ihrer Bosheit gedenke; jetzt umzingeln sie ihre Taten, vor meinem Angesicht sind sie.
Dabei erfolgt zum ersten Mal die direkte Gegenüberstellung des Herzens als Beziehungs- und Denkorgans, dem im Falle der Tätergruppe eine zentrale Erkenntnis entgeht – nämlich, dass JHWH die Vergehen wahrnimmt und die Täter mit ihnen konfrontiert – sowie des Angesichts JHWHs als des „Ortes“, vor dem – im Sinne einer königlichen Audienz –159 den Taten (und nicht Israel selbst, vgl. Hos 5,15; 6,1!) die vollständige Aufmerksamkeit JHWHs im Rahmen einer Reaktion zuteilwird. Ein ambivalentes Spiel mit diesen beiden zentralen Wahrnehmungsorganen durchzieht dabei die gesamte Komposition, wie ein Blick auf die Verse 6.10.11.14 zeigt. Dass die Taten dabei entgegen der Erwartung Israels von JHWH wahrgenommen und ihrem Wesen nach beurteilt werden, macht nicht zuletzt die dreimalige160 Verwendung des Lexems רעהals die Taten subsumierende und zugleich als verwerflich kennzeichnende Bezeichnung deutlich, die den Begriff zur bestimmenden Leseanweisung der Beurteilung dieser Taten macht.161 Auch diesem Lexem kommt dabei eine rahmende Funktion zu, wie die erneute Verwendung der Wurzel in V.15 zeigt. Mit רעהist eine Gesamteinschätzung des in den Versen 1–14 geschilderten Verhaltens Israels impliziert. Dementsprechend verdeutlicht die Freude („ ׂשמחbeglücken, erfreuen“), die die Bosheit und Lügen (V.3) nach sich ziehen, dass auch der König und die Beamten als die Instanzen, die an der Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit in der Gesellschaft maßgeblich beteiligt sein sollten, ihren Ämtern nicht auf diese Weise nachgehen.162 Ausgehend von der Aufdeckung von 158
So bereits Schottroff, Gedenken, 236: „Gemeint ist, daß die Taten Israels im Gegensatz zu dessen eigener Meinung, daß sie verborgen bleiben würden, offen vor Jahwes Augen stehen“. 159 Vgl. Hartenstein, Angesicht, 268–272. 160 Vgl. zudem den adjektivischen Gebrauch in Hos 7,15, der mit der Verwendung in Hos 7,1 eine Inclusio bildet. 161 Neben Hos 7,1 wird „( רעהBosheit, Übel, Verderben“) noch in Hos 7,2f; 9,15 und 10,15 verwendet. 162 Anders Rudolph, Hosea, 148. Seiner Einschätzung nach thematisieren die Verse 3–7 Königsmorde, so dass sich „keinerlei Beziehung zum
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Schuld und Bosheit (V.1) durch den königlichen Richtergott impliziert die Gottesrede auch die gedenkende Auseinandersetzung JHWHs mit dem verwerflichen Verhalten des Königs und der Beamten.163 Als Reaktionen auf das Handeln Israels ist die gedenkende Zuwendung JHWHs dabei von der Qualität der Handlungen Israels geprägt. So stellt das Gedenken JHWHs (V.2: )זכ ֹרan sich eine neutrale Handlung dar, die erst durch ihren Objektbezug einen heilvollen oder unheilvollen Aussagegehalt erhält.164 Zunächst stellt es eine Reaktion auf die zutage getretene Bosheit (V.1), dann auf die fehlende Erkenntnis (V.2a: )ובל־יאמרוֹללבבםdar, dass er sich mit „all ihrer Bosheit“ auseinandersetzen wird. Diese Bosheit wird im Rahmen von V.2 mit „ihren Taten“ (ם ֹ )מעלליהgleichgesetzt. Kontextuell wird deutlich, dass Bosheit einer gedanklichen Planung (vgl. V.15b) entspringt, die in Handlungen ihren Ausdruck findet und dabei gegen den Willen Gottes und geltendes Recht (vgl. Hos 5,11: )מׁשפטverstößt (vgl. Hos 7,1). Setzt sich JHWH in V.2 mit der Bosheit Israels gedenkend auseinander, so resultiert diese Tätigkeit darin,165 dass Israel von seinen die Bosheit konstituierenden Taten umkreist wird und diese Taten vor dem Angesicht JHWHs sind:166 Das Gedenken JHWHs Folgenden“ (ebd.) ergäbe, wenn man V.2 als Hinweis darauf verstünde, dass „König und Obrigkeit, die doch die Hüter von Sitte und Ordnung sein müßten, so heruntergekommen waren, daß sie an den schlimmen Zuständen sogar ihre Freude hatten“ (ebd.). Meiner Einschätzung nach leitet V.3 jedoch von der Auseinandersetzung JHWHs mit der Bosheit (V.2) zu der Schilderung der staatsdestabilisierenden Taten (V.4–7) über. Dass dabei König und Beamtentum selbst ihre Freude an den unter Umständen für sie zunächst positiven Auswüchsen der Bosheit und Lügen der Priesterschaft bzw. „sie“-Gruppe haben, verdeutlicht dabei, dass auch eigene Bosheit nicht davor schützt, fremder Bosheit zum Opfer zu fallen. Da bereits in Hos 6,9 das Morden der Priesterschaft explizit benannt wird, macht dies eine Identifizierung bzw. Verbindung der „sie-Gruppe“ aus Hos 7 mit der Priesterschaft sehr wahrscheinlich (vgl. Schütte, Gerechtigkeit, 80; RudnigZelt, Hoseastudien, 185). 163 Vgl. Wolff, Hosea, 158. 164 So bereits Schottroff, Gedenken, 233: „Die […] Stellen für das Denken Gottes an die Vergehen von Menschen zeigten: zkr ist hier bloß das Gegenteil zum Gedenken an die Guttaten zum Segen und nur durch seine Intention von jenem Gedenken zum Guten unterschieden“. 165 Der resultative Aspekt wird vor allem durch die Verwendung von „עתהjetzt“ in Folge des Gedenkens in V.2b zum Ausdruck gebracht. 166 Wolff, Hosea, 132 übersetzt ( נגדֹפניֹהיוV.2b): „Vor meinem Angesicht wirken sie sich aus“ und trägt damit m. E. eine Interpretation in den Text ein, die durch die Verwendung von היהnicht abgedeckt ist. Es wird vielmehr die Tatsache betont, dass JHWH ihrer Bosheit gedenkt, diese also – wider dem Erwarten Israels (vgl. V.2a) – sehr wohl wahrnimmt und in
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bewirkt demnach eine Konfrontation des Täters mit seinen Vergehen und die genaue Wahrnehmung (ֹ )נגד ֹפניdieser Vergehen durch JHWH. Israel selbst wird dabei als eine Nation dargestellt, die nicht mit einer Auseinandersetzung JHWHs mit ihrem Verhalten gerechnet hat (V.2a). Die Verwendung vonֹ סבבzur Beschreibung des Eingekreistseins macht deutlich, dass sie dieser Konfrontation nicht ausweichen können. In diesem Sinne handelt es sich um eine von JHWH initiierte Konfrontation Israels mit den eigenen Vergehen. Impliziert scheint dabei der Gedanke, dass Israel, wenn es sich auch nicht JHWH und seinem Willen zuwenden will, von JHWH im Rahmen einer Reaktion dazu gebracht wird, sich seinen eigenen Vergehen zuzuwenden.167 Auch in der Abkehr von ihm bleibt JHWH Israel gegenüber dahingehend solidarisch, dass er es nicht aus der Haftung entlässt.168 In der Abkehr von JHWH im Rahmen der Innenpolitik und in der Hinwendung nach Ägypten im Rahmen der Außenpolitik (V.16) wird Israel schließlich in Ägypten mit einer Macht konfrontiert, die es als Unterstützung gesucht hat, jedoch als Feind erfährt. Dieser Zielperspektive der Komposition entspricht es, dass die von Israel vollzogene Abkehr von JHWH in der Hinwendung nach Ägypten und das daraus resultierende Ergehen anhand der geschichtshermeneutischen Kategorie des Exodus als Aufhebung der Heilsgeschichte profiliert wird.169 Als erster Abschluss der Komposition Hos 5–7 kommt Hos 7,16 somit paradigmatische Funktion zu, die eine bleibende Warnung an alle Nachgeborenen darstellt. Hos 8,13 Hos 8,13 kann als Mischzitat aus Hos 7,1–3(.10ff) betrachtet werden. Als neuer Abschluss der Komposition Hos 5–8 steht dabei auch in Hos 8,13 die gedenkende Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Vergehen im Vordergrund. Während JHWH dabei in Hos 7,2 ihrer gesamten Bosheit ( )כל־רעתםseine Aufmerksamkeit widmet, übernimmt Hos 8,13 aus Hos 7,1 stattdessen den Begriff der Schuld ()עון, der die gedenkende Zuwendung JHWHs zuteilwird. Zudem übernimmt Hos 8,13 aus Hos 7,2b die Verwendung von „( עתהjetzt“). einer Konfrontation Israels mit seinen Vergehen resultieren lässt. Wenn etwas sich „auswirkt“, dann ist es das Gedenken JHWHs. 167 Während V.2 nur von JHWH aussagt, dass Israels Taten vor seinem Angesicht sind, drückt sich dieser Aussagegehalt auch im „Umzingeltsein“ Israels von den eigenen Taten aus. 168 Im Anschluss an Janowski wird dieser Deutung das Konzept der „konnektiven Gerechtigkeit“ zugrunde gelegt, vgl. Janowski, Die Tat, 245– 271. 169 Vgl. Jeremias, Hosea, 111f.
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Während in Hos 7,2b עתהjedoch nicht auf die Tätigkeit des Gedenkens bezogen ist, sondern das Umzingeltsein Israels durch die eigenen Taten in der textinternen Gegenwart als Folge des Gedenkens JHWHs beschreibt, wird עתהin Hos 8,13 auf die Tätigkeit des Gedenkens JHWHs selbst bezogen und ihr im Rahmen der Aktualisierung von V.13 eine andauernde präsentische Qualität am Ende der neuen Komposition verliehen. Während dabei in Hos 7,2 das Gedenken JHWHs infolge der Schilderung von gesellschaftlichen bzw. innenpolitischen Vergehen geschildert wird (vgl. Hos 7,1aβ–b), die Israel in seinem Inneren destabilisieren (vgl. Hos 7,3–7), ist es in Hos 8,11–13 zuletzt der an den Eigeninteressen (vgl. V.13aα) Israels statt an JHWH orientierte Opferkult, der darin resultiert, dass JHWH „jetzt“ (V.13b) – also erneut in der textinternen Gegenwart (vgl. Hos 8,8b.10a) – ihrer Schuld gedenkt ( )זכרund ihre Sünden überprüft ()פקד.170 Wie der Kult eine verkehrte Annäherung an JHWH abbildet, so besteht die Reaktion JHWHs in einer kritischen Zuwendung zu und Auseinandersetzung mit ihrer Schuld (ֹ )עונםund ihren Sünden ()חטאותם. Die Verwendung dieser Begriffe zur Subsumierung des Verhaltens Israels kennzeichnet dieses dabei als Verstoß gegen den Willen JHWHs (vgl. V.1b–2), auf den er reziprok reagiert (vgl. V.11.13). Anders als in Hos 7,2 wird dabei JHWHs „Gedenken“ (ֹ )זכרvon Schuld im Rahmen des Parallelismus von Hos 8,13bα mit dem „Überprüfen“ (ֹ )פקדvon Sünden gleichgesetzt und resultiert in der Ankündigung einer Rückkehr nach Ägypten als Ausdruck der Revozierung der Landesgabe und des Exodus.171 Exkurs: זכרund פקדals Beschreibungen der Reaktion JHWHs auf Israels Verfehlungen Die Wurzel זכ ֹרkommt im Qal im Alten Testament 168-mal172 vor.173 Sowohl Menschen als auch JHWH können Subjekte des „Gedenkens“ darstellen und sich dabei auf eine Person oder einen Sachverhalt beziehen.174 Über einen bloßen Akt von Kenntnisnahme 170
Vgl. Jer 14,10. Von der Aufnahme von V.13bα (ohne V.13bβ) in Jer 14,10 darf eventuell für Hos 8 geschlussfolgert werden, dass V.13bβ als Abschluss des ganzen Kapitels und nicht nur als weitere Konsequenz der in V.13aα kritisierten Opferpraxis angesehen werden muss. 171 Vgl. Jeremias, Hosea, 111f. 172 Vgl. Eising, Art. זכר, 572. 173 Vgl. zu זכרvor allem Schottroff, Gedenken; Janowski, Schöpferische Erinnerung; Grund, Erinnerungsarbeit. 174 Vgl. aaO, 573.
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hinaus geschieht dies stets in einer Haltung „tiefe[r] Anteilnahme“175 und impliziert die Bereitschaft, tätig zu werden176, ohne jedoch schon selbst eine Praxis auszudrücken.177 Aus diesem Grund spricht Janowski von einer „Mittelstellung“178, die זכרeinnimmt. Nach Schottroff wird die Wendung זכ ֹר+ Subjekt JHWH 24-mal zu dem Zweck verwendet, das Gedenken Gottes von menschlicher Taten zu bezeichnen.179 Dabei richte sich die Intention des göttlichen Gedenkens nach der Art der menschlichen Tat,180 d. h.: „Heil und Segen als Entgelt für die gute Tat, […] Zorn und Tod als Ahndung der Übeltat“181. Charakteristisch für זכרwie für פקדist dabei die Feststellung von Eising, dass „beide Verben durch die positiven oder negativen Fakten bestimmt sind, in bezug [sic] worauf sie etwas aussagen“182. Eine parallele Verwendung beider Verben mit JHWH als Subjekt findet sich in Ps 8,5; Ps 106,4; Jer 14,10; 15,15; Hos 8,13 sowie 9,9. Auffällig ist, dass an allen genannten Stellen זכרin der ersten Position und פקדin der zweiten Position verwendet wird. Trotz der geringen Anzahl an vergleichbaren Stellen ist es bezeichnend, dass es keine Ausnahme zu dieser Regel gibt. Man kann dies als ein Argument gegen die Annahme einer synonymen Bedeutung beider Verben sehen, da in diesem Fall die Stellung der Verben variabel gewesen wäre. In Bezug auf Ps 8,5 stellt Janowski fest: „In Ps 8,5 […] führt פקדdie Aussageintention von זכרweiter und steigert sie sogar, indem es zum mentalen (‚denken an’) noch einen sinnlichen Aspekt (‚nachsehen, in Augenschein nehmen’), nämlich denjenigen des Entschlusses zum handelnden Eingreifen, hinzufügt“183. Er geht von einem klimaktischen Parallelismus aus. Vergleicht man die Texte, so entsteht der Eindruck, dass diese Steigerung um den resultativen Aspekt ergänzt werden kann, denn פקדsteigert die Aussageintention von זכרnicht nur, sondern ergibt sich jeweils erst aus dieser ersten Tätigkeit. Ausgehend von Schottroffs Feststellung, dass „ זכ ֹרdie bedenkende Prüfung der vorgebrachten Sache [bedeutet], die so zum Grund für das […] Einschreiten Jahwes werden soll“184, legt sich 175
Janowski, Schöpferische Erinnerung, 197. Vgl. Schnieringer, Psalm 8, 224. 177 Janowski, Schöpferische Erinnerung, 198. 178 Ebd. 179 Vgl. Schottroff, Gedenken, 217, der jedoch statt vom „Gedenken“ vom „Eingehen“ Gottes auf menschliche Taten spricht. 180 Vgl. ebd. 181 AaO, 340. 182 Eising, Art. זכר, 580. 183 Janowski, Schöpferische Erinnerung, 177. 184 Schottroff, Gedenken, 241. 176
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nahe, in der פקד-Tätigkeit JHWHs eine klimaktisch-resultative Tätigkeit zu der bzw. aus der זכר-Tätigkeit zu sehen. Janowski bietet für זכרdie Übersetzung „gedenken“ und für פקדdie Übersetzung „In-Augenschein-Nehmen“.185 Während beide Tätigkeiten „die dem Menschen geltende Aufmerksamkeit Gottes“186 zum Ausdruck bringen, ergibt sich aus der gedanklich-inneren Zuwendung („gedenken“) die äußere Zuwendung in der jeweiligen Situation („InAugenschein-Nehmen“; „überprüfen“). Welcher Art wiederum diese Zuwendung ist, hängt von den positiven oder negativen Sachverhalten ab, zu denen die Verben in Bezug gesetzt werden und über die sie eine Aussage treffen.187 Da JHWH den Vergehen nichts hinzufügt,188 erscheint die Bezeichnung dieses Vorganges als „Strafe“ ungeeignet. Dennoch hat der Vorgang einen für Israel negativen Charakter. Dieser ergibt sich aus der Tatsache, dass Israel von JHWH her mit etwas Negativem – den eigenen Vergehen – konfrontiert wird. Die Hoffnungsperspektive, dass JHWH die Taten auf Israel zurücklenkt, um einen Prozess der Erkenntnis und Einsicht anzustoßen und „auf diese Weise neues, an Jahwe orientiertes Leben entstehen zu lassen“189, ist an dieser Stelle nicht mehr gegeben, da die Rückkehr nach Ägypten als Ausschluss aus dem Land JHWHs die Folge der Konfrontation darstellt (vgl. V.13bβ). Mit זכ ֹרwird somit eine gedenkende Auseinandersetzung ausgedrückt, die eine Zuwendung zu dem Objekt impliziert, der die gedenkende Aufmerksamkeit zuteilwird. Im Akt des Gedenkens wird eine Verbindung hergestellt: Indem JHWH der Schuld Israels gedenkt, verbindet er Israel gedanklich mit dieser Schuld. Im Vorgang des Gedenkens werden zudem Zeitebenen aufgehoben: Das, was in der Vergangenheit geschehen ist, wird durch den Akt des
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Janowski, Schöpferische Erinnerung, 177. Ebd. 187 Vgl. Eising, Art. זכר, 580. 188 Vgl. Janowski, Ein Gott, der straft und tötet?, 155f: „Während die Strafe nach der gängigen juristischen Definition die ‚Zufügung eines fühlbaren Nachteils um eines geschehenen Unrechts willen‘ (H. Rombach) ist und zu ihrer Vollstreckung einer richterlichen Instanz bedarf, die von außen auf das Geschehen einwirkt, knüpfen die alttestamentlichen Formulierungen einen inneren Zusammenhang zwischen Tat und Ergehen, indem sie den Täter mit den Folgen seiner Tat […] konfrontieren. […] Diese ‚Zurückwendung‘ der Tat auf den Täter durch JHWH ist etwas anderes als die ‚Strafe‘, die den Täter von seiner Tat trennt, indem sie im Sinn der Maxime punitur quia peccatum est vor allem auf die ‚Zufügung eines fühlbaren Nachteils‘ zum Ausgleich des geschehenen Unrechts aus ist“ (Hervorhebungen im Original). 189 Brünenberg, JHWHs Widerstand, 73. 186
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Erinnerns vergegenwärtigt.190 Erinnern ist alles andere als ein passiver Vorgang; die aktive Komponente des Erinnerns besteht darin, dass im Gedenken JHWHs Israel mit seiner Schuld zusammengedacht, also verbunden wird und sich aus dieser gedanklichen Verbindung Konsequenzen für das Verhalten JHWHs gegenüber Israel ergeben (vgl. Hos 8,13bβ). Auch mit פקדwird eine solche Verbindung hergestellt. Mit Brünenberg kann für פקדvon der Grundbedeutung „‚jdn. oder etw. nachprüfen, kontrollieren‘“191 ausgegangen werden. Über die innere Auseinandersetzung ()ז ֹכר hinaus scheint daher mit פקדdie äußerlich vollzogene Zuwendung zu dem Objekt zum Ausdruck gebracht zu werden, dem die Überprüfung zuteilwird. Die Tatsache, dass JHWH Israel im vollen Bewusstsein der Konsequenz (vgl. Hos 8,13bβ) dennoch mit den eigenen Vergehen konfrontiert, zeigt, dass er Taten nicht folgenlos sein lässt.192 Es kann daher in Betracht gezogen werden, dass es sich bei Hos 8,13bα statt um einen synonymen um einen synthetischen Parallelismus handelt. Die innere und äußere Zuwendung JHWHs zu der Schuld und den Sünden Israels würde die Aktualisierung der Vorstellung einer Audienz bedeuten, in deren Rahmen die Taten vor dem Angesicht JHWHs stehen (vgl. Hos 7,2b). Diese Auseinandersetzung JHWHs mit der Schuld und den Sünden Israels und Israels Konfrontation mit diesen Vergehen zieht einen „negativen“ Exodus – die Rückkehr nach Ägypten – nach sich. Diese Ankündigung stellt das neue Schlusswort der Komposition Hos 5–8 dar und basiert dabei wohl auf den freiwilligen Hinwendungen Israels nach Ägypten und Assyrien im Rahmen von Bündnisbemühungen (vgl. Hos 5,13aβ; 7,11.16). Im Rahmen von Hos 8,13 wird aus dieser freiwilligen Hinwendung nach Ägypten, die stets als Abwendung von JHWH gedeutet wird (vgl. Hos 5,13bα–14; 7,12), die von JHWH initiierte Folge der Abwendung Israels von ihm. Sie bringt dabei die Aufkündigung der von Israel bereits aufgekündigten Beziehung zum eigenen Staats- und Landesgott seitens JHWHs zum Ausdruck. Zwischenergebnis Hos 8,13 hat sich als ein Mischzitat aus Hos 7,1–3 erwiesen, das am neuen Abschluss der Komposition Hos 5–8 die gedenkende und überprüfende Auseinandersetzung der Schuld und Sünden Israels durch JHWH zur zentralen geschichtshermeneutischen Kategorie der Erklärung des Untergangs des Nordreichs macht. Dabei werden die 190 191 192
Vgl. Assmann, Maʼat, 60ff. Brünenberg, JHWHs Widerstand, 54. Vgl. aaO, 73.
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kultischen, innenpolitischen und außenpolitischen Vergehen Israels als Abwendung von JHWH gedeutet und daher nicht länger mit dem Begriff der „Bosheit“, sondern mit den theologischen Begriffen „Schuld“ und „Sünden“ bezeichnet. Die Revozierung der Landesgabe und des Exodus als der zentralen, identitätsstiftenden Ereignisse der Geschichte Israels stellt dabei die Umkehrung der freiwilligen Bündnisbemühungen Israels in Ägypten und Assyrien dar (vgl. Hos 5,13; 7,11). Sie ergibt sich als Folge der gedenkenden und überprüfenden Auseinandersetzung JHWHs. Damit sind jedoch zwei in sich neutrale Tätigkeiten bezeichnet, deren positive oder negative Konsequenzen sich aus dem Objekt ergeben, dem diese Tätigkeiten zuteilwerden. JHWH erweist sich daher als ein im Guten wie im Schlechten reziprok handelnder Gott. Der Untergang des Nordreichs wird am Ende der Komposition auf die Vergehen und Abwendung Israels vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH zurückgeführt. Er bestätigt diesen Beziehungsabbruch und verweist daher Israel seines Landes – eine Vorstellung, die im Rahmen Hos 4 und Hos 9 leitend werden wird. 3.3.5 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 8,13 Die „differenzierte Verwendung der Wurzel ׁשובim Hoseabuch“193 konnte bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Verwendung der Wurzel im Buchkern Hos 5–7 (Hos 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16) aufgezeigt werden.194 Wie im Anschluss gezeigt werden wird, greift Hos 8,13 einerseits die im Buchkern ausbleibende Umkehr zu JHWH (vgl. Hos 5,4; 7,10.16), andererseits die zu einem von Israel initiierten Exodus gesteigerte Gehbewegung zu politischen Großmächten aus Hos 8,9 auf und formuliert nun die Rückkehr nach Ägypten als Reaktion JHWHs auf diese Abwendung. In der Analyse der Belege des Buchkerns Hos 5–7 hat sich dabei gezeigt, dass der wohl älteste Beleg in Hos 5,15 vorliegt. In diesem Vers wird mit der Wurzel „ ׁשובdas Sich-Zurückziehen“195 JHWHs als Relativierung der tödlichen Zuwendung JHWHs zu Israel und Juda (mit anschließender Abwendung mit Israel und Juda als gerissener Beute) ausgedrückt, die in Hos 5,14 geschildert wird. Seine abwartende Abwendung von Israel ist von zeitlich begrenzter Natur und kann von Israel dadurch beendet werden, dass sie Buße tun und das Angesicht JHWHs im Kult suchen ()בקׁשוֹפני.196 193 194 195 196
Jeremias, Eschatologie, 68. Vgl. Abschnitt 2.3.4. AaO, 69. Vgl. Wolff, Umkehr, 131.
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Diese kultische Suchbewegung wird in Hos 5,3f und Hos 6,1–6 thematisiert. Dabei formuliert zunächst die „fiktive Rede des Volkes“197 in Hos 6,1–3 das Pendant zu der in Hos 5,15 nur als hoffnungsvolle Erwartungshaltung JHWHs formulierte Umkehraufforderung an Israel (und Juda). Während dabei in Hos 5,15 mit „gehen“ ( )הלךund „zurückkehren“ ( )ׁשובdie Abwendung JHWHs von Israel beschrieben wird, werden beide Wurzeln in Hos 6,1 im Rahmen der Selbstaufforderung verwendet, um die Zuwendungsabsicht Israels (und Judas) zu JHWH auszudrücken. Hos 6,1 dient zum Ausdruck der Umkehrwilligkeit Israels und Judas, die jedoch im Rahmen der sich in Hos 6,4–6 anschließenden Gottesrede aufgrund Israels Mangel an beständiger Treue als nicht dauerhafte Rückkehr abgelehnt und ihrem Wesen nach von JHWH als Abwendung aufgedeckt wird. In Hos 5,4 kommt der Wurzel ב ֹ ׁשו hingegen eine andere kompositionelle Funktion zu. Sie drückt in Hos 5,4 die ausbleibende Rückkehr Israels zu JHWH aus, die im Rahmen der konzentrischen Figur von Hos 5,3f im Zentrum der Figur steht.198 Dort findet sie sich mit der Erkenntnis- und Unzuchtsthematik verbunden, die den äußeren (vgl. Hos 5,3a.4bβ) und inneren Rahmen (vgl. Hos 5,3b.4bα) um die Kernaussage (vgl. Hos 5,4a) bilden, wonach es die Taten Israels nicht zulassen, dass Israel zu JHWH umkehrt. Da es jedoch die Taten Israels sind (vgl. Hos 5,4), die die Zuwendung zu JHWH verhindern, bringt auch Hos 5,3f nicht eine Umkehrunfähigkeit,199 sondern den vollzogenen Wandel von einer unbewussten (vgl. Hos 6,1–3.4–6) zu einer bewussten Abwendung Israels zum Ausdruck.200 Anders als in Hos 6,4–6 wird zum Ausdruck dieser Abwendung deswegen der neue Begriff der „Unzucht“ bzw. eines „Unzuchtsgeistes“ verwendet. Mit ihr wird die Abwendung Israels von JHWH als absichtliche und aktive Zuwendung zu einer dritten Größe im Kult dargestellt – und kompositionell201 die argumentative Grundlage für den endgültigen
197
Vielhauer, Werden, 52. Vgl. Jeremias, Hosea, 75. 199 So die Position von Biberger, Umkehr, 567; vgl. die Aufhebung dieser Abwendung in Hos 6,11. 200 In diesem Sinne ist Jeremias, Hosea, 76 zuzustimmen: „Einem derartig in seinen eigenen Verfehlungen eingebundenen Israel […] ist die Rückkehr zu seinem Gott […] abgeschnitten, und zwar ausnahmslos jedem einzelnen. Was 2,9 und 3,5 als Ziel des göttlichen Strafhandelns erwarten, was 7,10.16 und 11,5 als Verweigerung Israels beschreiben […], das wird hier viel härter noch als Unmöglichkeit Israels dargestellt“. 201 Vgl. Vielhauer, Werden, 109. 198
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Entzug JHWHs aus dem israelitischen Kult vertieft (vgl. Hos 5,6: חלץPerf.).202 Das aus Hos 5,3–6 gebildete Mischzitat Hos 7,10 lässt die ausbleibende kultische203 Rückkehr Israels zu JHWH im Angesicht der außenpolitischen Situation als Hochmut erscheinen. Damit ist ebenfalls ein neuer Begriff zur Bewertung der ausbleibenden Zuwendung Israels zum eigenen Landes- und Staatsgott eingeführt, den Hos 7,10 aus Hos 5,5 übernommen hat. Israels „Unzuchtsgeist“ ( )רוחֹזנוניםund „Hochmut“ ( )גאוןstellen einmal die kultische, einmal die aus dem Kult auf die Politik übertragene Bewertung des Verhaltens Israels aus prophetischer Sicht dar.204 Zuletzt wird im Rahmen der Komposition Hos 5–7 in Hos 7,16 eine stattfindende Umkehr Israels geschildert, die jedoch nicht zu JHWH hin vollzogen wird.205 Am Ende der Komposition findet sich Israel – repräsentiert durch eine Gesandtschaft – im Land Ägypten wieder. Eine Tatsache, die im Rahmen von Hos 7,16 klagend festgestellt wird. Als neuer Abschluss der Komposition Hos 5–8 steigert Hos 8,13 diese klagende Feststellung in doppelter Form. So wird aus der Klage JHWHs zunächst eine Ankündigung JHWHs. Diese Ankündigung erweist sich zugleich als eine Reaktion JHWHs auf die Abwendung Israels von ihm, die im Rahmen von Hos 8,9 durch die aktualisierende Neuinterpretation des Gehens Israels nach Assyrien (vgl. Hos 7,11) durch das „Exodusmotiv“206 des Hinaufgehens (ֹ)עלה 202
Nach der Ergänzung von Hos 5,3f erfüllt Hos 5,15 eine weitere kompositionelle Funktion. Der Vers dient nicht mehr länger nur der Relativierung der Aussagen von Hos 5,14, sondern stellt im neuen Leseablauf zugleich die reziproke Reaktion auf die sich nicht vollziehende Rückkehr (ֹ )ׁשובIsraels zu JHWH in Hos 5,4 dar. 203 Vgl. die Verwendung von „suchen“ ( )בקׁשmit JHWH als Objekt im Rahmen von Hos 7,10. 204 Während dabei die Erkenntnisthematik in Hos 5,3f die seitens Israels ausbleibende Anerkennung des eigenen Landes- und Staatsgottes zum Ausdruck bringt, bringt sie im Rahmen von Hos 7,9 die ausbleibende Wahrnehmung der außenpolitischen Bedrohung zum Ausdruck. 205 Vgl. Jeremias, Hosea, 91, Anm. 17: „Der ursprüngliche Text lautete wohl wie an der Parallelstelle 11,7: ’ael a̔ l. Letzteres ist Epitheton (in Ugarit ̔lj, ‚der Hohe, der Erhabene‘) oder Kurzform für Baal. Die spätere Überlieferung hat ‚den Erhabenen‘ durch Metathesis verballhornt: zu ‚Nicht-Hoch‘ = ‚Ohnmacht‘, wodurch die Präposition verloren ging“. 206 Die Wurzel עלהin Hos 8,9 wird dabei als Bestandteil eines bereits bei den Tradenten vorhandenen Wissens um den Exodus gedeutet, vgl. Kratz, Prophetenstudien, 301f, der zwar die Meinung vertritt, dass „erst im Licht der Interpretation von 7,8ff und 8,9f in 11,1–4 […] das ‚zurück nach Ägypten‘ aus 8,13 und 9,3 (beachte die Parallele mit Assur) in 11,5a zur Zurücknahme der Heilsgeschichte und Aufkündigung des darin gestifteten Verhältnisses von Gott und Volk [wird]“ (aaO, 301f), der jedoch zugleich zugesteht, dass „die heilsgeschichtlichen Traditionen der Vorzeit […] der
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Hos 8,1–14
nach Assyrien zu einem negativen Exodus gesteigert wird. Nur in der kompositionellen Kombination aus Hos 7,11.16 und Hos 8,9 wird schließlich in Hos 8,13 die Ankündigung der unfreiwilligen Rückkehr Israels nach Ägypten als von JHWH initiierte Revozierung des Exodus.207 Die ohnehin bereits „differenzierte Verwendung der Wurzel ׁשובim Hoseabuch“208 erhält dabei im Rahmen des neuen Kompositionsabschlusses Hos 8,13 eine weitere Dimension. Statt mit einer hoffnungsvollen Ankündigung der von JHWH initiierten Rückkehr Israels zu ihm, schließt das wachsende Hoseabuch nun mit der Ankündigung der Rückkehr Israels nach Ägypten – eine Vorstellung, die sowohl die Revozierung der Landesgabe durch JHWH, als auch die Revozierung des Exodus als des identitätsstiftenden Ereignisses der von JHWH initiierten Heilsgeschichte und darin zuletzt die Revozierung der Beziehung zum eigenen Staats- und Landesgott JHWH ausdrückt. Zwischenergebnis Die Revozierung des Exodus in Hos 8,13 ist eine durch den Buchkern Hos 5–7 vorbereitete Aussage, die den neuen Buchabschluss des wachsenden Hoseabuches bildet. Sie findet ihre Vorlagen in der politischen Hinwendung Israels nach Ägypten und Assyrien (Hos 5,13; 7,11.16) und ihre erste Steigerung im Rahmen der Verwendung des Exodusmotivs des „Hinaufgehens“ ()עלה, welches in Hos 8,9 eine aktualisierende Umdeutung der im Buchkern Hos 5–7 mit „gehen“ (ֹ )הלךausgedrückten Zuwendung Israels nach Assyrien als Abwendungsgeschehen von JHWH ausdrückt. Indem Hos 8,9 die Bündnisbemühungen Israels in Assyrien mit dem Exodusmotiv des „Hinaufgehens“ ( )עלהin Verbindung bringt, werden die Bündnisbemühungen durchlässig für die theologische Deutung als eines von Israel initiierten „negativen“ Exodus. Dieser führt Israel in der Ablösung vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH aus dem Land JHWHs heraus. Im Rahmen von Hos 8,9 kommt damit dem Land JHWHs die Rolle zu, die im Rahmen des Exodus dem Land Ägypten zukommt. Als das neue Land des eigenen Heils wird Assyrien angestrebt, von dem sich Israel bereits in Hos 5,13 statt vom eigenen Landes- und Staatsgott die Wiederherstellung erhoffte. Hos 8,13 nimmt dabei die in Hos 7,10.16 geschilderte, aber nicht zu JHWH vollzogene Wendung ( )ׁשובIsraels und die Ägyptenperspektive aus Hos 7,11.16 auf und verbindet sie über die Prophetenüberlieferung in der einen oder anderen Form sicher schon vor[lagen]“ (aaO, 302). 207 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 65. 208 Ders., Eschatologie, 68.
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Kompositionslinie von Hos 8,9 mit dem Exodus als dem „Gründungsdatum der Existenz Israels im Land“209. Die den Kompositionsabschluss des wachsenden Hoseabuches bildende Ankündigung Hos 8,13 stellt jetzt eine Reaktion JHWHs auf die im Rahmen von Hos 8,1–13a geschilderte Abwendung Israels in der Innenpolitik (V.4a), dem Kult (V.4b–6.11–13a) und der Außenpolitik (V.9f) dar. Das als Aufhebung des Exodusereignisses gedeutete Hinaufgehen Israels nach Assyrien wird dabei als grundsätzliche Abkehr Israels vom eigenen Land und Landesgott verstanden: Israel initiiert einen eigenen Exodus, der es aus dem Land und weg von JHWH nach Assyrien führt. „Ägypten“ ist in Hos 8,13 daher durchlässig für Assyrien und kann in diesem Sinne als eine „Chiffre“210 verstanden werden, die jetzt für JHWHs Revozierung der im Exodusereignis gestifteten Beziehung steht – deswegen ist es am Ende nicht Israel, das erneut in Ägypten Zuflucht sucht oder im Rahmen von Bündnisbemühungen nach Ägypten/Assyrien geht, sondern dem im Rahmen der von JHWH initiierten Revozierung des Exodus angekündigt wird, dass es nach Ägypten zurückkehren wird.211 3.4 Ertrag Bei der Beschäftigung mit zentralen Reziprozitätsvorstellungen aus Hos 8,1–13(.14) konnte erwiesen werden, dass es sich bei Hos 8,1– 13(.14) nicht nur um „eine kürzere Parallel-Komposition zu Hos 5,8– 7,16“212 handelt, sondern Hos 8,1–13(.14) zugleich als neuer Abschluss der Komposition Hos 5–7 verfasst wurde und dabei zentrale Reziprozitätsvorstellungen aus dieser älteren Komposition aufnimmt und aktualisiert. So hat die Analyse der mit ידעformulierten Erkenntnisthematik (Hos 8,2.4) gezeigt, dass Hos 8,2.4 strukturell die konzentrische Figur von 209
Kratz, Prophetenstudien, 301. Vgl. Pfeiffer, Heiligtum, 183: „Mit ‚Assur‘ ist das Geschick Ephraims nach seiner historisch-empirischen Hinsicht bezeichnet. ‚Ägypten‘ steht hingegen als theologische Chiffre für den hinter der Exilierung nach Assur stehenden metahistorischen Sachverhalt. Nach ‚Ägypten‘ kann Ephraim nur ‚zurückkehren‘. Es besteht kein Zweifel, daß Ephraim hinter die Begründung des Gottesverhältnisses im Ägyptenexodus zurückgerufen wird. Damit verliert es alles, was es diesem Verhältnis verdankt: das Land, seine staatliche Existenz und vor allem seinen Gott“. Dieses „ZurückgerufenWerden“ Israels stellt sich dabei als eine reziproke Reaktion JHWHs dar. 211 Vgl. aaO. 212 Jeremias, Hosea, 103. 210
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Hos 5,3f nachahmt. Inhaltlich kehrt Hos 8,2.4 die Argumentation gegenüber Hos 5,3f jedoch um: Jetzt stehen sich das (behauptete) Wissen Israels von Gott (V.2) und die von JHWH bestrittene Mitwisserschaft/Anteilnahme an den innenpolitischen Entscheidungen Israels (V.4a) antithetisch gegenüber und sind auf diese Weise reziprok aufeinander bezogen, während im Zentrum der Aussage die Verwerfung des Guten durch Israel mitsamt der sich daraus ergebenden Folge steht (vgl. V.3). Die Argumentationsstruktur von Hos 8,2.4 hat indes Anleihen bei Hos 6,1–3.4–6: So wird zunächst die von Israel behauptete Gotteserkenntnis genannt (V.2), diese jedoch von JHWH durch die Nennung der Vergehen Israels widerlegt (V.4–13a).213 Der Erkenntnisthematik kommt im Rahmen von Hos 8,2.4 darüber hinaus die Funktion zu, die kultische (V.2) mit der innenpolitischen (V.4) Perspektive kompositionell zu verbinden. Die kurze Thematisierung der Innenpolitik in V.4a zeigt, dass das Wissen um die in Hos 7,3–7 geschilderten Intrigen bei den Lesenden vorausgesetzt werden kann, wohingegen im Rahmen der Stierbildpolemik (V.5f) die endgültige Trennung JHWHs vom israelitischen Opferkult vollzogen wird, die bereits in Hos 5,6; 6,6 vorbereitet wurde und verdeutlicht, dass „der JHWH im Kult und der JHWH des Propheten auseinander[treten]. […] Der JHWH im oder auf dem Stier wird zum goldenen Kalb“214. Indem Hos 8,1–6 im Rahmen der reziprok formulierten Erkenntnisthematik sowohl die kultischen als auch die innenpolitischen Vergehen aus Hos 5–7 als vom Staatsgott JHWH losgelöstes, eigenmächtiges und – im Sinne des deuteronomistischen V.1b – als tora- und bundesbrüchiges Verhalten subsumiert, wird das geschichtliche Ergehen Israels (vgl. V.3) als Folge der mangelnden Erkenntnis und Anerkennung des eigenen Staatsgottes dargestellt. Die Analyse der mit אכלformulierten Essensthematik in der Komposition Hos 5–7 hat gezeigt, dass damit zunächst ein metaphorischer Vorgang der inner-israelitischen Destabilisierung des eigenen Rechtswesens formuliert wird (vgl. Hos 7,7a), der aus dem Bild des Backofens abgeleitet (vgl. Hos 7,3–7) und als Symptom der Abwendung von JHWH gewertet wird (vgl. Hos 7,2.7b). Es ist diese eigene, inner-israelitische Destabilisierung, die eine von außen kommende Destabilisierung durch fremde Großmächte ermöglicht, 213
In V.14 wird durch die Verwendung von „( ויׁשכח ֹיׂשראל ֹאת־עׂשהוUnd vergessen hat Israel den, der es gemacht hat“) sekundär ein antithetischer Rahmen mit V.2 gebildet, in dem Israel das Vorhandensein der eigenen Gotteserkenntnis behauptet „ ;אלהי ֹידענוך ֹיׂשראלMein Gott, wir haben dich erkannt, Israel!“). 214 Kratz, Prophetenstudien, 297.
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die infolge Israels Ressourcen verzehren. Es handelt sich um reziprok aufeinander bezogene Vorgänge, deren Grundlage Israels Abwendung von JHWH ist (vgl. Hos 7,2.7). Ein ähnliches Bild zeichnet Hos 5,3–7 für den israelitischen Kult. Indem dieser als ein von JHWH entfremdeter Kult dargestellt wird, wird sich die augenscheinliche Reziprozität zwischen der Begehung der Festtage und der sich einstellenden Fruchtbarkeit als trügerisch erweisen: Im Rahmen der Prophetenrede wird daher das Ende der Reziprozität angekündigt. Statt der erhofften Fruchtbarkeit im Land wird das personifizierte Neumondfest Israel mitsamt dem Land verzehren ()אכל. Hos 8,1–13(.14) nimmt sowohl die politisch verortete Essensthematik aus Hos 7,7f als auch die kultisch verortete Essensthematik aus Hos 5,3–7 auf und aktualisiert sie. In Hos 8,7–9 sind es nun nicht mehr nur die Ressourcen Israels, die von Fremden im Rahmen von Tributzahlungen verzehrt werden, sondern Israel selbst. Und Israel wird nicht nur verzehrt ()אכל, sondern verschlungen ()בלע, womit das endgültige Ende des Staates ausgedrückt wird. Gegenüber Hos 5,3–7 wird die Entfremdung des israelitischen Opferkultes von JHWH in Hos 8,11–13 mit einem anderen Essvorgang in Verbindung gebracht, dessen Subjekt Israel ist. Der JHWH-Entfremdung wird dadurch Ausdruck verliehen, dass die Darbringung von Schlachtopfern nicht mehr zugunsten JHWHs vollzogen wird, sondern aus Eigeninteresse am Fleischverzehr. Wie in Hos 5,7 schließt sich jedoch auch an diese Abwendung von JHWH in Hos 8,13 die Schilderung einer Reaktion JHWHs an, in deren Rahmen Israel mit den Folgen seiner Taten konfrontiert wird. Indem Hos 8,13 zunächst die Ablehnung dieses Opferkultes durch JHWH formuliert (V.13ab) und im Anschluss die Ankündigung anschließt, dass Israel nach Ägypten zurückkehren wird (V.13b), wird die kultische mit der politischen Perspektive verbunden: Der Landverlust (vgl. Hos 5,7) ist nun Folge des freiwilligen Exodus nach Assyrien, der in Hos 8,13 seine Antwort in der Ankündigung der Revozierung des von JHWH initiierten Exodus findet.215 Dabei finden die politischen Geh-Bewegungen Israels (ֹ ;הלךvgl. Hos 5,11.13; Hos 6,1; Hos 7,11) eine Aufnahme und aktualisierende Neuinterpretation in Hos 8,9. Die im Buchkern als gehend vollzogene Abwendung von JHWH dargestellten Bündnisbemühungen Israels werden dabei in Hos 8,9 nicht mehr durch die Wurzel הלך, sondern mit der Wurzel „( עלהhinaufgehen“) ausgedrückt. Dabei wird 215
Ähnlich wie Hos 5,7 der Neumond, ist es im sekundären V.14 das Feuer JHWHs, welches Israels Städte und Judas Palastfestungen verzehren ()אכל wird.
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offenbar auf bereits geprägte Sprache für das Exodusgeschehen zurückgegriffen,216 so dass die Hinwendung Israels nach Assyrien im Rahmen von Hos 8,9 zu einem von Israel initiierten Exodus gesteigert wird, der Israel aus dem Land JHWHs herausführt. Infolge von Hos 7,8–11.16 (vgl. die Aufnahme von ׁשובaus Hos 7,16 in Hos 8,13) hat Hos 8,9 durch diese theologische Neuinterpretation die Grundlage für die Entwicklung der Idee der Revozierung des Exodus gelegt, wie diese in Hos 8,13; 9,3.9 und schließlich in Hos 11,5 zum Ausdruck kommt. Sie stellt sich als eine Reaktion JHWHs auf den von Israel freiwillig vollzogenen Exodus von JHWH und seinem Land dar. Die Revozierung des Exodus durch JHWH wird dabei als ein Vorgang angekündigt, der sich aus der Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Vergehen ergibt. Dabei hat sich Hos 8,13 als ein Mischzitat aus Hos 7,1–3.10ff erwiesen, das am neuen Abschluss der Komposition Hos 5–8 die gedenkende (ֹ )זכרund überprüfende (ֹ)פקד Auseinandersetzung mit der Schuld und Sünden Israels durch JHWH zur zentralen geschichtshermeneutischen Kategorie der Erklärung des Untergangs des Nordreichs macht. Indem der Objektbezug über den positiven bzw. negativen Ausgang dieser Tätigkeiten entscheidet, erweist sich JHWH in der Ankündigung der Revozierung des Exodus in Hos 8,13b als ein im Guten wie im Schlechten reziprok handelnder Gott. Hos 8,13 nimmt dabei die in Hos 7,10.16 geschilderte, aber nicht zu JHWH vollzogene Wendung ( )ׁשובIsraels und die Ägyptenperspektive aus Hos 7,11.16 auf und verbindet sie über die Kompositionslinie von Hos 8,9 mit dem Exodus als dem „Gründungsdatum der Existenz Israels im Land“217. Die den Kompositionsabschluss des wachsenden Hoseabuches bildende Ankündigung Hos 8,13 stellt jetzt eine Reaktion JHWHs auf die in Bezug auf ihn ausbleibende Umkehr (vgl. Hos 5,4; 7,10) bzw. nicht aus einer Haltung beständiger Gemeinschaftstreue erfolgende Umkehr (vgl. Hos 6,1–3) Israels zu ihm dar. Die stattdessen erfolgenden Hinwendungen nach Assyrien (vgl. 5,13; 7,11) stellen die Gegenbewegung zu dieser Umkehr zum eigenen Landesgott dar. Der Untergang des Nordreichs wird am neuen Ende der Komposition Hos 5–8 auf die Abwendung Israels vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH zurückgeführt, die in den innen- und außenpolitischen sowie kultischen Vergehen Ausdruck gewinnt. 216
Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 302, der die Position vertritt, dass „die heilgeschichtlichen Traditionen der Vorzeit […] der Prophetenüberlieferung in der einen oder anderen Form sicher schon vor[lagen]“. Er bezieht sich kontextuell auf Hos 9–14, doch ist diese Position auch für Hos 5–8 nicht auszuschließen. 217 AaO, 301.
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JHWH bestätigt diesen Beziehungsabbruch und verweist Israel seines Landes.
4 Hos 4,1–19 und Hos 9,1–9 als Rahmen der Komposition Hos 5–8 4.1 Hos 4,1–19 als neue Einleitung der Komposition Hos 5–8 4.1.1 Übersetzung und Textkritik Hos 4 1
2 3
4
1
Hört das Wort JHWHs, Söhne Israels, denn es gibt einen Streit von JHWH her mit den Bewohnern des Landes, denn es gibt keine Treue und keine Gnade und keine Erkenntnis Gottes in dem Land. Schwören und Lügen und Ermorden und Stehlen und Ehebrechen haben sich ausgebreitet,1 und Blut(schuld) reiht sich an2 Blut(schuld). Darum wird das Land trauern/vertrocknen3 und es wird verschmachten jeder Bewohner4 mitsamt5 dem Tier des Feldes6 und dem Vogel des Himmels und auch die Fische des Meeres werden zugrunde gehen. Jedoch, nicht irgendeinen soll man verklagen und nicht irgendjemanden soll man zurechtweisen,7
LXX bietet ἐπὶ τῆς γῆς, wobei nur schwerlich entschieden werden kann, ob die Erweiterung im Rahmen der Übersetzung vorgenommen wurde, um das schwierige Verb zu erklären, oder ob die Erweiterung bereits Bestandteil einer hebräischen Vorlage war und nach פרצוausgefallen ist (vgl. BHQ, 57*); Wolff (Hosea, 81) und Rudolph (Hosea, 95) vertreten die Sicht, dass V.3 die Erwähnung des Landes in V.2 wahrscheinlich macht und MT aus בארץ פרצוdurch Homoioteleuton entstanden sein kann. 2 Wörtlich: „berührt“; LXX bietet μίσγουσι (vgl. Jes 1,22), wobei es sich wohl um eine freie Übersetzung handelt (vgl. BHQ, 57*). 3 LXX übersetzt mit πενθήσει; nach Vielhauer, Werden, 94 reicht „das Bedeutungsspektrum von ]…[ אבלvon ‚vertrocknen‘ bis zu ‚trauern‘. Umstritten ist, ob dafür zwei Wurzeln unterschieden werden müssen“. 4 Mit MT. LXX gleicht mit σὺν πᾶσιν τοῖς κατοικοῦσιν αὐτήν an den Pl. von V.1 an ( ;)יוׁשביeine Angleichung an V.1 nimmt auch 4QXIIc vor. 5 Mit Wolff (81) wird בals Bezeichnung von Gemeinschaft aufgefasst; die Deutung als ב-essentiae (vgl. GK28 §119i) kommt nicht in Betracht, da mit den Landesbewohnern zuerst die Menschen gemeint sind (vgl. V.1). 6 In Anlehnung an Hos 2,20 bietet LXX die erweiterte Formulierung τοῦ ἀγροῦ καὶ σὺν τοῖς ἑρπετοῖς τῆς γῆς.
Hos 4,1–19 und Hos 9,1–9
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sondern ‘dir gilt mein Streit’8, Priester! Und du wirst straucheln an dem Tag9 und straucheln wird auch ein Prophet mit dir bei Nacht und ich richte deine Mutter10 zugrunde11. Mein Volk geht zugrunde12 aus Mangel an der Erkenntnis. Weil du die Erkenntnis verworfen hast, so verwerfe13 ich dich als Priester zu amtieren für mich; und (weil) du vergessen hast die Weisung deines Gottes, vergesse ich deine Söhne, auch ich. Wie ihre zunehmende Zahl sind auch ihre Sünden gegen mich;
Die Übersetzung lehnt sich an die Übersetzung von Jeremias, 63 an; V.4a kann zwar auch mit „niemand verklage und niemand rüge“ bzw. „aber wenn niemand anklagt, niemand verurteilt“ (Junker, Untersuchung, 166) wiedergegeben werden, ergibt jedoch im Zusammenhang mit V.4b kaum Sinn (vgl. Jeremias, Hosea, 63). 8 MT, (4QXIIc), V, S, T bieten in V.4b „und dein Volk ist wie die, die einem Priester Vorwürfe machen“. Diese Lesart wird auf einen fehlerhaften Text zurückgeführt (vgl. BHS); LXX bietet ὁ δὲ λαός μου, verwendet כמריבי im Sg. und macht es zu einem Attribut des Priesters (so auch S); Auch α' verwendet den Sg., fügt jedoch „Priester“ im Dativ an und folgt somit syntaktisch eher MT; σ' verwendet das Nomen als Abstraktum (vgl. BHQ, 57*). Da von V.6 her deutlich ist, dass es JHWH ist, der dem Priester Vorwürfe macht, kann gelesen werden „dir mache ich den Prozeß“ (Jeremias, Hosea, 63) bzw. „dir gilt mein Prozeß“ (Willi-Plein, Vorformen, 131); nach Jeremias wollten die überschüssigen Buchstaben km „wohl (als Wahllesart zu ‚dir’) die Kollektivität der Anrede sichern (‚euch mache ich den Prozeß, ihr Priester’)“ (Jeremias, Hosea, 63); für weitere Emendationen vgl. Tov, Text, 297 und Wolff, Hosea, 88. 9 LXX bietet ἡμέρας (vgl. S, T). Wolff übersetzt „am [hellen] Tage“ (Wolff, Hosea, 87), Jeremias bietet die Übersetzung „am helllichten Tage“ (Jeremias, Hosea, 63). Rudolph hingegen betont, dass „ היוםnur ‚heute’ und nie ‚bei Tage’“ (Rudolph, Hosea, 96) bedeutet. Statt היוםliest er ( יומםvgl. ebd.; vgl. BHS). 10 So MT und alle Übersetzungen (vgl. Jeremias, Hosea, 63); für Emendationsvorschläge vgl. Rudolph, Hosea, 97. 11 Vgl. KAHAL, 118 (III ;)דמהJeremias, Hosea, 63 mit Verweis auf Hos 10,7.15. 12 Eigentlich Plural; vgl. Jes 9,1 und die Argumentation bei Rudolph, Hosea, 97; Wolff, Hosea, 88. 13 Das Verb מאסweist ein drittes אauf, welches zumeist als überflüssig (vgl. Randmasora) und als Schreibfehler (vgl. Rudolph, Hosea, 97) angesehen wird; auch eine „verschollene Voluntativform mit Suffix“ (Wolff, Hosea, 88f.) wird in Betracht gezogen.
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Hos 4,1–19 und Hos 9,1–9
ihre14 Ehre werde ich15 tauschen in Schmach. Die Sünde16 meines Volkes essen sie und nach ihrer Verschuldung heben sie sein17 Verlangen. Dann ergeht es dem Volk wie dem Priester:18 und ich werde überprüfen an ihm seine Wege und seine Taten werde ich zurückkehren lassen zu ihm. Und sie werden essen, aber nicht satt werden, sie werden19 Unzucht treiben, aber sich nicht ausbreiten20, denn sie haben JHWH verlassen hinsichtlich des Bewahrens (von Unzucht)21. (Unzucht), Wein und Most nimmt22 das Herz
So MT, LXX, (α'), V; nach BHS (nicht mehr BHQ) liest ein Tiq. Soph. כבודיstatt כבודם: „meine [JHWHs] Ehre“ statt „ihre Ehre“; dies würde eine Anklage bzw. einen Vorwurf JHWHs darstellen (vgl. Dearman, Hosea, 156). 15 T und S bieten eine 3.pl. statt der 1.c.sg. in MT. Mit Rudolph wird jedoch die Sicht vertreten, dass die 1.c.sg. aus MT mit V.5f zusammenpasst, „wo auch stets menschliche Aktion und göttliche Reaktion nebeneinander stehen“ (Rudolph, Hosea, 98). Im Anschluss an van Gelderen geht Rudolph davon aus, dass bei den vorgenommenen Änderungen Jer 2,11 Pate stand, sich MT jedoch aufgrund des Wortspiels כרבם- כבודםals richtig erweist. 16 LXX, V, T, σ' bieten den Plural und spiegeln damit entweder eine entsprechende hebräische Vokalisation wieder oder betonen die Kollektivität (vgl. BHQ-Kommentar zu V.8). 17 Mit MT (lectio difficilior); die Übersetzung folgt Junker, Untersuchung, 167; Rudolph wendet gegen diese Übersetzung ein, dass „ נׂשא נפׁשimmer nur heißt: ‚eigenes Verlangen tragen’ und nie ‚das Verlangen eines anderen wecken’“ (Rudolph, Hosea, 98). Eine große Anzahl von Handschriften und Übersetzungen (außer S und T) liest נפׁשם. Diese Änderung beseitigt die Schwierigkeit des Sg.-Suffixes נפׁשוneben dem Plural יׂשאו. Nach Rudolph „ist es nicht so selten, daß sich ein (distributives) Sing.-suffix auf eine Mehrzahl bezieht (Kö § 348 u.v), und die Vermeidung von -am könnte sich aus Stilgründen wegen des unmittelbar vorangehenden, aber anders bezogenen gleichen Suffixes erklären“ (Rudolph, Hosea, 98). 18 Die Übersetzung lehnt sich an die bei Jeremias, Hosea, 63 gebotene Übersetzung von V.9a an. 19 Eigentlich Perfekt; vgl. Macintosh, Hosea, 147f. 20 Gleiches Wort wie in V.2; LXX bietet κατευθύνωσιν; V bietet cessaverunt; BHQ hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Übersetzungen auf einer anderen hebräischen Vorlage basieren (vgl. Kommentar zu V.10). 21 Jeremias, Hosea, 63 vertritt mit Bezug auf LXX und S die Sicht, dass das erste Wort von V.11 ursprünglich zu V.10 gehört haben wird; vgl. aber den Einwand und die Umstellung von V.9 hinter V.10 bei Rudolph, Hosea, 98.
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(meines Volkes)23. (Mein Volk) befragt seinen Baum und sein Stab soll ihm kundtun, denn ein Geist der Unzucht hat (sie)24 verführt und sie huren25 sich unter ihrem Gott weg. Auf den Spitzen der Berge bringen sie Schlachtopfer dar und auf den Hügeln räuchern sie, unter Eiche und Pappel und Terebinthe, denn gut ist ihr26 Schatten; darum treiben eure Töchter Unzucht und brechen eure Schwiegertöchter27 die Ehe. Nicht werde ich heimsuchen28 an euren Töchtern, dass sie Unzucht treiben und an euren Schwiegertöchtern, dass sie die Ehe brechen, denn sie29 selbst gehen mit den Prostituierten beiseite und mit den Qedeschen bringen sie Schlachtopfer dar; und ein unverständiges30 Volk kommt zu Fall.
Vgl. GK28 §146e für die Verwendung des Singulars des Verbs bei mehreren Subjekten. 23 Jeremias, Hosea, 63 vertritt auch hier mit G die Sicht, dass das erste Wort von V.12 ursprünglich zu V.11 gehört haben wird; vgl. wiederum den Einwand von Rudolph, Hosea, 106 der V.11 für einen „allgemeine[n] Satz“ (ebd.) hält, der in V.12 auf Israel angewandt wird. 24 In MT fehlt ein Objekt, welches in V, S und T ergänzt wird („sie“). LXX wählt eine passivische Formulierung, so dass keine Notwendigkeit mehr für ein Objekt besteht. 25 Es ist nicht die Tätigkeit einer Prostituierten gemeint; eine wörtlichere Wiedergabe mit einer Variante von „Unzucht treiben“ ist im Kontext des Verses jedoch schwierig, da in diesem Fall die Bewegungsstruktur („weg von“) verdeckt wird. 26 Mit Rudolph, Hosea, 107 wird von einem individualisierenden Singular ausgegangen (vgl. GK28 §135 p). 27 Rudolph verweist darauf, dass man auch trotz נאףmit „eure Bräute“ übersetzen könnte, „da die Braut rechtlich als Ehefrau gilt […], aber dann wäre auffällig, daß die zweite Generation vor der ersten genannt würde“ (Rudolph, Hosea, 107). 28 Rudolph, Hosea, 106 übersetzt „nicht mache ich…verantwortlich“; Jeremias, Hosea, 64 und Wolff, Hosea, 87 „nicht ahnde ich…“. 29 Die Verwendung des Pronomens der 3.m.pl. in MT stößt sich mit den vorangehenden Suffixen der 2.m.pl., wird jedoch aufgrund der breiten Bezeugung (außer S) beibehalten (lectio difficilior). 30 Mit Wolff, Hosea, 88f. und Rudolph, Hosea, 107 liegt ein asyndetisch angeschlossener Relativsatz vor.
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Wenn du Unzucht treiben willst, Israel, soll sich nicht straffällig machen Juda; und kommt nicht nach Gilgal und geht nicht hinauf nach Bet-Awen und schwört nicht beim Leben JHWHs/ so wahr JHWH lebt. Ja, wie eine störrische Kuh, so störrisch ist Israel, jetzt soll JHWH sie weiden wie ein Lamm in der Weite?31 Ein Verbündeter mit Götzen ist Ephraim, lass ihn!32 Ihr Trunk hört auf, dann treiben sie Unzucht um Unzucht;33 sie lieben (– liebt!34) Schande (sind) ihre(r) Schilde.35 Ein Wind hat sie eingewickelt36 in seine Flügel und sie werden zuschanden werden wegen ihrer Altäre.37
4.1.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese Der Kompositionsabschnitt Hos 4,1–19 kann in vier Abschnitte unterteilt werden (V.1–3.4–10.11–15.16–19), deren Einheitlichkeit
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Mit Rudolph, Hosea, 107 wird von einem Fragesatz ohne Fragepartikel ausgegangen (vgl. Kö § 353 a.b). 32 Mit MT, vgl. Wolff, Hosea, 88f.; anders: Jeremias, Hosea, 64 („darin hat es Befriedigung gefunden“); LXX nimmt eine Umdeutung vor (ἔθηκεν ἑαυτῷ σκάνδαλα). 33 Die Übersetzung orientiert sich an Bons, Hosea, 79. 34 Eventuell handelt es sich um eine Dittographie. 35 Vgl. Nötscher, Zwölfprophetenbuch, 678, der sich auf den Hinweis beschränkt, dass „der schwierige, in der überlieferten Form kaum zu übersetzende Text […] den Vorwurf der Götzenverehrung […] bei üppigen, ausgelassenen Opfermahlzeiten [enthält]“; auch andere Kommentatoren äußern sich zurückhaltend, vgl. Andersen/Freedman, Hosea, 320: „We shall not try to attempt to clear up this confusion by emending the text“; Bons, Hosea, 79 übersetzt: „Sie entbrennen vor Liebe zur Schande ihrer Schilde [= zu der, deren Schilde Schande sind?]“; Jeremias, Hosea, 64 übersetzt unter Verweis auf Klgl 3,65 „die Schmach der Verstocktheit“. 36 Vgl. Rudolph, Hosea, 108, der darauf hinweist, dass das Verb auch dann im Mask. stehen kann (GK28 §145o), wenn רוחFem. ist, wie בכנפיהzeigt. 37 BHQ, 59* vermutet, dass LXX, S und T vom Nomen מזבחstatt von der ungewöhnlichen Femininform זבחausgegangen sind und die Präposition מן ad sensum ergänzen.
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jedoch umstritten ist.38 Ein Höraufruf mit doppelter Begründung leitet den ersten Abschnitt (V.1–3) ein. Er ahmt strukturell den Höraufruf aus Hos 5,1f nach,39 nimmt jedoch zwei Generalisierungen und drei theologische Neuausrichtungen vor: Einerseits werden alle Söhne Israels ( )בני יׂשראלim Rahmen des Höraufrufs von V.1a angesprochen und auf den Streit JHWHs mit den Bewohnern des Landes (V.1bα: )יוׁשבי הארץhingewiesen.40 Andererseits stehen nun nicht mehr konkrete Vergehen (vgl. Hos 5,1bf), sondern grundsätzliche Verstöße gegen den Willen JHWHs im Vordergrund, wie die „Dreierreihe des 5.–7. Gebots“41 in V.2a zeigt. Zudem treten drei neue theologische Perspektiven gegenüber der älteren Komposition Hos 5–8 hervor: Erstens wird der Höraufruf aus Hos 5,1f aktualisiert zu einer „feierliche[n] Proklamationsformel“42. Zweitens wird der Streit ()ריב43 als subsumierende Kategorie für die in Hos 5–8 geschilderte Auseinandersetzung des Landes- und Staatsgottes JHWH mit den verschiedenen politischen und kultischen Vergehen seines Volkes Israel eingeführt. Drittens steht jetzt die Landesperspektive im Vordergrund, wie die dreimalige44 Verwendung des Stichwortes „( ארץLand, Erde“) in Hos 4,1–3 zeigt.45 Die deutlich formulierte Landperspektive nimmt eine 38
Vielhauer, Werden, 226f rechnet weite Teile von Hos 4,1–19 zu der von ihm identifizierten kultpolemischen Ergänzungsschicht, die jedoch ein mehrstufiges Wachstum aufweise (vgl. aaO, 108f). Demnach sei Hos 4,1f zu der Grundschicht der kultpolemischen Ergänzungsschicht zu rechnen; Hos 4,4–9.11–14 seien Teil einer weiteren kultpolemischen Textgruppe, welche jedoch „die gleiche theologische Konzeption wie die in Hos 4,1–2; 5,15– 6,4.6; 9,3–4a.6.7–9 bereits identifizierte Ergänzungsschicht [vertritt]“ (ebd.); Hos 4,12b.16–19 sieht Vielhauer als Bestandteil einer dritten kultpolemischen Textgruppe an, welche „Hos 2 in mehreren Schüben enger mit dem literarischen Kern des Buches verbinden“ (aaO, 227). V.3 sieht er als Glosse an (vgl. aaO, 101); bei V.10 und V.15 handelt es sich seines Erachtens um spätere Einzelzusätze (vgl. aaO, 108; Anm. 161). 39 Vgl. aaO, 96: „Dafür, daß Hos 4,1–3 Hos 5,1–2 literarisch voraussetzt, sprechen zum einen sein weiterer literarischer Horizont, zum anderen die erkennbaren inhaltlichen Umprägungen“. 40 Obwohl es sich bei den Söhnen Israels auch um Landesbewohner handelt, werden diese (noch) nicht miteinander identifiziert, vgl. Bons, Hosea, 68; anders Vielhauer, Werden, 94, der von parallelen Bezeichnungen ausgeht; vgl. Boecker, Redeformen, 86f. 41 Jeremias, Hosea, 62. 42 Vgl. Jeremias, Hosea, 60. 43 Vgl. zur Deutung von ריבals Bestandteil der Schilderung eines prophetischen Gerichtsstreits u. a. Gemser, Rîb- or Controversy-Pattern, 120–137; Nielsen, Yahweh as prosecutor and judge, 5–25; Boecker, Redeformen, 86f. 44 Vgl. die Textkritik zu V.2b. 45 Mit Artikel; vgl. Hos 6,3 (ohne Artikel); 7,16 (Ägypten).
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Verortung des Streits JHWHs vor, die zwar im Rahmen von Hos 5–8 vorausgesetzt, aber nicht explizit benannt wird.46 Inhaltlich wird den Angesprochenen in V.1bβ das Ausbleiben eines erwünschten reziproken47 Habitus (אמת, „Zuverlässigkeit“; חסד, „Gemeinschaftstreue“; דעת אלהים, „Erkenntnis Gottes“) der Landesbewohner sowie in V.2 der Vollzug eines unerwünschten Habitus (אלה, „Fluchen“; כחׁש, „Lügen“; רצח, „Morden“; גנב, „Stehlen“; נאף, „Ehebrechen“; דמים בדמים נגעו, „Blutvergießen“) geschildert. Die lebensvernichtenden Konsequenzen dieses Habitus48 für das Land bzw. die Erde und seine gesamte (menschliche und tierische) Bevölkerung werden mit dem Bild der Dürre in V.3 verdeutlicht,49 der jedoch aufgrund seiner wohl kosmologisch zu begreifenden Perspektive als sekundäre Ergänzung betrachtet wird.50 In der Gottesrede von Hos 4,4–10.11–14 schließt sich die Begründung des Streits anhand der Auseinandersetzung JHWHs mit den kultischen Vergehen des bzw. der Priester (vgl. Hos 4,4b.7bf) an, die für den in V.1bf geschilderten Verfall Israels verantwortlich gemacht werden und denen daher ab V.4a die Aufmerksamkeit JHWHs zuteilwird, wie die Einleitung von V.4a mit „( אךjedoch“) zeigt, wodurch eine Abgrenzung von anderen möglichen Schuldparteien vorgenommen und die Aufmerksamkeit auf den bzw. die Priester fokussiert wird. Als einer der Hauptvorwürfe wird ihnen das Verwerfen der Erkenntnis ( )דעתvorgeworfen, wie der eingeleitete Begründungssatz von V.6b zeigt, der zugleich über die Verwendung des Stichworts ( דעתWissen/Erkenntnis) einen Rückbezug zu V.1b herstellt, in dem u. a. der Mangel an Gotteserkenntnis ( )דעת אלהיםin Israel beklagt wird. Die Vermittlung dieses Wissens wird implizit als zentrale Aufgabe der Priesterschaft verstanden.51 Die Auseinandersetzung JHWHs mit den Folgen dieser nicht stattfindenden Wissensvermittlung schließt sich in V.6–14 an. So wird dem Priester, seiner Mutter und seinen Söhnen im Rahmen eines 46
Sie findet kompositionell ihre rahmende Entsprechung im Textabschnitt Hos 9,1–9, der im Anschluss an Vielhauer, Werden, 97 „als ursprüngliches Schlußstück einer mit Hos 4,1–3 anhebenden Komposition“ betrachtet wird. 47 Vgl. Jeremias, Hosea, 60, der חסדals einen „Relationsbegriff, üblicherweise für zwischenmenschliche Beziehungen“ bezeichnet. 48 Vgl. Jeremias, Hosea, 61, der von „paradigmatische[n] Vergehen“ spricht. 49 Übersetzt man in V.3aα הארץnicht mit „das Land“, sondern mit „die Erde“, so werden die kosmologischen Implikationen des gegen den Willen JHWHs gerichteten Habitus für alle Erdbewohner deutlich; vgl. Jeremias, Hosea, 62. 50 Vgl. Vielhauer, Werden, 101. 51 So bereits Bons, Hosea, 73.
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Dreigenerationenschemas52 das erbliche Priesteramt entzogen (V.5f). Dass das Volk nicht nur Opfer der Priesterschaft ist (vgl. V.6a), sondern durch den Mangel an vermittelter Gotteserkenntnis auch selbst zum Täter gegen JHWH wird, zeigen die V.7f mit ihrer Hervorhebung der Korrelation von zunehmender Priesterschaft und zunehmender Sündenanzahl. Da die Priester an den vom Volk dargebrachten Opfern partizipieren, haben sie ein Eigeninteresse an einer zunehmenden Sündhaftigkeit des Volkes (vgl. Hos 8,13). Zugleich scheint das Verhalten der Priester beim Volk auf Zustimmung zu stoßen, wie V.8b andeutet. In V.9 wird beiden Parteien daher von JHWH her eine Konfrontation mit ihren Taten angekündigt. Diese wird im Rahmen der prophetischen Kommentierung von V.10 damit begründet, dass ihr kultisches Verhalten ein Verlassen JHWHs darstellt.53 Dieses wird ab V.10 unter dem kompositionsverbindenden Stichwort der „Unzucht“ (זנה, vgl. Hos 4,10.12–15)54 subsumiert und mit konkreten Kultpraktiken in Verbindung gebracht (vgl. Hos 4,11–14). Der dritte Abschnitt (V.11–15) ist zunächst der Thematisierung der Untreue des gesamten Volkes gegenüber JHWH gewidmet (V.11f).55 Die geschilderten Kultpraktiken werden im Rahmen der Begründung von V.12b mit einem Unzuchtsgeist ( ;רוח זנוניםvgl. Hos 5,3) in Verbindung gebracht, der das Volk verführt habe und dazu führe, das sie sich „unter ihrem Gott wegprostituieren“ ( ;יזנו מתחת אלהיהםvgl. Hos 9,1: )זנית מעל אלהיך.56 V.13 dient dabei der Herleitung des Verhaltens der Töchter und Schwiegertöchter (V.14). Die verbal umschriebene Unzucht ( )זנהder Töchter und der verbal umschriebene Ehebruch ( )נאףder Schwiegertöchter wird dabei nicht diesen, sondern den Vätern und Schwiegervätern, d. h. der ausbleibenden Vorbildfunktion und vernachlässigten Vormundschaft der Familienoberhäupter angelastet, wie die mit כיeingeleiteten Begründung von V.14aβ deutlich macht. Wie bereits in V.4b.6bγ 52
Vgl. aaO, 72. Betrachtet man V.10 als sekundäre Ergänzung (vgl. Jeremias, Hosea, 71; Vielhauer, Werden, 108, Anm. 161), so wurde durch die Verwendung von „( פרץausbreiten, eine Bresche schlagen“) ein kompositioneller Rückbezug zu V.2 hergestellt. Die Wurzel begegnet im Hoseabuch nur in Hos 4,2.10. Indem V.10 das Stichwort aus V.2 aufgreift, wird eine reziproke Relation zwischen dem unerwünschten und dem ausbleibenden „Ausbreitungsvorgang” konstituiert. 54 Vgl. Hos 5,3f; 6,10b; 7,4. 55 Wie jedoch nicht zuletzt V.13 zeigt, stehen bei den Ausführungen der V.11f die Männer Israels im Vordergrund. 56 Vgl. das Wortspiel zwischen (תעה, „in die Irre führen“) und (תחת, „unter“) in V.12, wodurch beide Tätigkeiten in enge Relation gesetzt werden. 53
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sind es auch in V.13f die Männer von Israel (vgl. V.1: )בני יׂשראל, die aufgrund der patriarchalen Verfasstheit des gesellschaftlichen Systems Israels auch als die Hauptverantwortlichen für den Verfall der Gesellschaft verantwortlich gemacht werden. Während der Bezug auf das gesamte Volk den dritten Abschnitt rahmt (V.12a; V.14b), wird es einmal als sich selbst schuldig machender Akteur (V.12a) und einmal als Opfer der eigenen Taten (V.14b) präsentiert. Als Abschluss der immer größer werdenden „Schuld-Kreise“ wendet sich V.15 schließlich der Untreue des Staates Israel gegenüber JHWH zu (V.15aα), wobei im Rahmen einer Warnung auch der Staat Juda in den Blick genommen wird und vor Wallfahrten nach Gilgal und BetAwen sowie vor Schwüren mit Bezug auf JHWH gewarnt wird (V.15b).57 Angesichts von Israels Verhalten, das im letzten Abschnitt (V.16–19) mit dem einer störrischen Kuh verglichen wird, wird im Rahmen einer rhetorischen Frage deutlich gemacht,58 dass JHWH sie kaum wie ein Lamm in weitem Raum ( )במרחבweiden kann (V.16). Durch die Beschreibung Efraims als Verbündeter von Götzenbildern ()עצבים rekurriert der Abschnitt auf den in Hos 8,1–13(.14) beschriebenen kultischen und politischen Eigenwillen Israels, wie dieser im kultischen Bereich in der Anfertigung von Götzenbildern zum Ausdruck kam (vgl. Hos 4,17; 8,4). Obwohl dieser Abschnitt die prophetische Kritik an Israels Verhalten deutlich macht, wird ähnlich wie den vorherigen Abschnitten keine von JHWH ausgehende Strafe angekündigt. Die Reaktion JHWHs besteht vielmehr darin, dass er bezüglich des Priesters die Fortführung der verkehrten Ausübung des Priesteramtes unterbindet (V.5f) und die Ehre des Amtes gegen die Schmach des Amtsverlustes eintauscht (V.7b). Bezüglich Israel besteht die Reaktion auf ihre kultische Untreue ihm gegenüber darin, dass er sie in ihren Taten belässt und sie den Folgen ihrer Taten ausliefert sind (V.16). Die Distanzierung von Israel, die JHWH in diesen Reaktionen vornimmt, findet dadurch Ausdruck, dass die Bezeichnung als „mein Volk“ (vgl. V.6.8.12) der Bezeichnung als „Israel“ (V.15a) bzw. „Efraim“ (V.17) weicht und zuletzt nicht mehr zu (vgl. V.14), sondern über (vgl. V.16–19) Israel geredet wird. Israel als dem seinem eigenen Landes- und Staatsgott untreu gewordenen Volk JHWHs wird daher in V.19 angekündigt, an den eigenen Altären (vgl. „ ;מזבחותםihre Altäre“) zuschanden ()בוׁש zu werden. Diese textabschließende Perspektive drückt nicht nur eine
57
Die im Text nicht vorbereitete Juda-Perspektive erweist V.15 als Einzelzusatz, vgl. Jeremias, Hosea, 61; Vielhauer, Werden, 108. 58 Vgl. Jeremias, 72, der von einer „irreale[n] Frage“ spricht.
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Ablösung JHWHs vom israelitischen Opferkult aus,59 sondern zugleich die Bestätigung des Beziehungsabbruches JHWHs zu seinem eigenen Volk – eine Perspektive, die in Hos 9,1–9, dem kompositionellen Rahmenstück zu Hos 4,1–3, eine Entsprechung in Israels Landesverweisung in der Ankündigung der Rückkehr nach Ägypten findet. 4.1.3 Die Lokalisierung des Verlustes positiver Reziprozität im israelitischen Kult 4.1.3.1 „Streit“ in Hos 4,1–3 Hos 4,1–3 wird in V.1a mit einem an die Söhne Israels ()בני יׂשראל gerichteten prophetischen Höraufruf eröffnet, der einer „feierlichen Proklamationsformel“60 entspricht.61 Von den Söhnen Israels ist im Hoseabuch nur im Rahmen von Hos 2–4 die Rede,62 wobei es sich bei Hos 4,1 um ihre letzte Erwähnung handelt und sie nur in Hos 4,1 direkt angesprochen werden. Obwohl es sich dabei um ihre letzte Erwähnung handelt, richtet sich die Botschaft von Hos 4,1–19 durch den Vokativ explizit an sie. Während in Hos 2,1; 3,1.4f die Bezeichnung „Söhne Israels“ alle Israeliten zu implizieren scheint, werden diese in Hos 4,1bα von den Bewohnern des Landes ( )יוׁשבי הארץzunächst unterschieden.63 Da in Hos 4,1–19 insbesondere Männer in ihrer Amts- und Aufsichtsfunktion als Täter zur Sprache kommen (vgl. Hos 4,4b; 6b; 13f), ist in Hos 4,1 eine Eingrenzung der Angesprochenen „Söhne Israels“ auf die männlichen Israeliten denkbar. Die Differenzierung ermöglicht es den lesenden Männern, sich mit den „Söhnen Israels“ zu identifizieren, ohne sich zugleich mit den „Bewohnern des
59
Vgl. Vielhauer, Werden, 108f. Jeremias, Hosea, 60. 61 Nach Jeremias, Hosea 4–7, 56 leitet Hos 4,1–3 „nicht nur Kap. 4, sondern Kap. 4–11 [ein]“; nach Vielhauer, Werden, 98 „leitet Hos 4,1–3 eine Komposition ein, deren literarischer Horizont bis Hos 9,1–9 reicht“. Letztgenannter Position wird sich angeschlossen, da die Landesperspektive aus Hos 4,1–3 in Hos 9,1–3 ihre Entsprechung findet und beide Kompositionsabschnitte einen Rahmen um die ältere Komposition Hos 5–8 legen, der diese mit einer neuen Einleitung (Hos 4) sowie einem neuen Abschluss (Hos 9) versieht. 62 Vgl. Hos 2,1; 3,1.4f; 4,1. 63 Eine ähnliche literarische Technik liegt in Hos 2,4–15 vor, in dem die Ehefrau/Mutter mit dem Land JHWHs zu changieren scheint, wie die Vergleiche in Hos 2,5f zeigen. 60
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Landes“ identifizieren zu müssen, die die schuldige Partei darstellen, denen JHWH sich im Rahmen seines Streits ( )ריבzuwendet.64 Sie werden dazu aufgefordert, das Wort JHWHs ()דבר־יהוה65 zu hören ()ׁשמע. Mit der Bezeichnung der nachfolgenden Botschaft als Wort JHWHs legitimiert sich einerseits der Sprechende als Bote JHWHs und führt andererseits die Autorität der Botschaft auf JHWH selbst zurück.66 Diese Wort-Theologie impliziert dabei, dass der Botschaft kein Gehör zu schenken einer Ablehnung JHWHs gleichkäme. Da bei der Wurzel ׁשמעoftmals Hören und Gehorchen gemeint sind,67 impliziert die Verbindung des Verbums ׁשמעmit dem Objekt „ דבר־יהוהnicht nur Aufnahme von Tönen, sondern auch Annahme von Worten und ihres Inhalts“68. Die Angesprochenen sollen ihre Aufmerksamkeit uneingeschränkt dem nachfolgenden Wort JHWHs als dem Medium seiner prophetisch vermittelten Interaktion mit ihnen widmen und sich in ein richtiges Verhältnis zu ihr setzen.69 Im Rahmen der Komposition Hos 4,1–19 bedeutet dies vor allem, den Streit JHWHs als mahnende Leseanleitung für die Komposition Hos 5–8 wahrzunehmen und das eigene Verhalten am Willen JHWHs auszurichten (vgl. V.1bf). Denn die Höraufforderung wird im Rahmen des ersten כי-Satzes (V.1bα) mit dem Vorhandensein eines Streits ( )ריבJHWHs mit den Bewohnern des Landes begründet.70 Mit der Verwendung von ריבim Rahmen der neuen Einleitung Hos 4,1–3 wird die prophetische Botschaft der Komposition Hos 5–8 jetzt „in rechtliche Terminologie gekleidet“71 und die unterschiedlichen Auseinandersetzungen JHWHs mit den Vergehen Israels als Bestandteil eines Gerichtsprozesses dargestellt. „Hören“ lässt sich daher auch im Sinne einer gerichtlichen Anhörung verstehen,72 so dass der Streit nicht als ein zwischenmenschlich-familiärer Konflikt, sondern als 64
Anders Vielhauer, Werden, 94: „Das Stück beginnt mit einem Höraufforderung an die ( בני יׂשראלV.1a), die damit begründet wird, daß JHWH mit ihnen (parallel: )יוׁשבי הארץeinen Rechtsstreit hat (V.1ba)“; vgl. Boecker, Redeformen, 86f. 65 Vom „Wort JHWHs“ ( )דבר־יהוהist neben Hos 4,1 nur in Hos 1,1 die Rede; Wolff, Hosea, 82 führt daher beide Verse auf die gleiche Redaktion zurück; anders Rudolph, Hosea, 98. 66 Vgl. Rüterswörden, Art. ׁשמע, 267: „Der dāḇār-Begriff ist im Sinne der dtr Theologie zu verstehen; in ihm ist die Differenz zwischen Prophetenwort und Gesetzesmitteilung aufgehoben.“ 67 Vgl. aaO, 260f. 68 AaO, 261. 69 Vgl. aaO, 260. 70 Vgl. Hos 2,4; 4,1.4; 12,3. 71 Ringgren, Art. ריב, 500. 72 Vgl. aaO, 256.
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gerichtlicher Rechtsstreit erscheint.73 Die Männer sollen daher nicht nur als Zuhörer dem Wort JHWHs Gehör schenken, sondern als Teilnehmer an einem „Gerichtsprozess“74, denen ein Konflikt geschildert wird. Da weder die Ältesten, noch die Väter als Familienoberhäupter angesprochen werden, sondern die Männer von Israel als mündige Vollbürger Israels, scheint die imaginierte Situation die der lokalen Torgerichtsbarkeit zu sein.75 Die Männer dieser Gerichtsbarkeit werden im Rahmen der Prophetenrede in V.1bα über das grundsätzliche Vorhandensein eines Konflikts sowie über die Konfliktparteien in Kenntnis gesetzt, bevor sich in V.2f die Schilderung der Anklagen gegen die Bewohner des Landes anschließt und in V.3 die negativen Folgen aus diesen Vergehen für das Land bzw. die Erde mitsamt allen Bewohnern – Menschen wie Tieren – benannt werden.76 Die in V.3 implizierte Vorstellung einer Mitleidenschaft der Schöpfung aufgrund der in V.1bf geschilderten Vergehen beruht dabei auf der altorientalischen Vorstellung, dass „die kosmische, die politische und die soziale Ordnung [eine] Einheit [bilden]“77. Die Nennung von Folgen in V.3 dient dabei der Beweisführung: Das Eintreten der genannten Folgen verifiziert die vorgebrachten Anklagen und legitimiert zugleich den Rechtstreit.78 Während V.1a durch den Höraufruf an die Männer Israels suggeriert, dass ihnen die richterliche Aufgabe zukommt, den Streit zu klären bzw. Sanktionen auszusprechen, wird von V.5 und V.9f her deutlich, dass JHWH 73
Vgl. Vielhauer, Werden, 94. Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 56, der vom „Thema des ‚Prozesses‘ ()ריב Jahwes mit Israel“ spricht. 75 Vgl. Jer 7,2; vgl. Wolff, Hosea, 82: „Zwar erinnert die Identität von Kläger und Richter an die kultische Rechtsparänese, aber als ‚Sitz im Leben‘ dieses als ריבeingeführten und in Analogie zu den kasuistischen Rechtssätzen (vgl. Ex 21,1ff.) strukturierten begründeten Urteilsspruches wird man doch lieber die Urteilsverkündung der im Tor der Städte verhandelnden Rechtsgemeinde annehmen“. 76 Hayes, Prophetic Metaphor, 60 widerspricht der Annahme einer möglichen Abhängigkeit Hos 4,3 von P (so DeRoche, Reversal, 407f): „Hos 4:3 reflects traditional phraseology concerning creation and the traditional myth of a cosmic ‚undoing‘ of creation by means of a great flood. […] Hos 4:3, then, may depict the reversion of creation into a dry chaos while still drawing on the powerful tradition of the wet chaos embodied in the flood“; nach Jeremias, Hosea 4–7, 57 wird in Hos 4,3 „nicht einfach eine erfahrene Dürre beschrieben, sondern das Endstadium eines schon im Vollzug begriffenen totalen Sterbens. Vorstellungsmaterial und Terminologie entstammen kultprophetischer Verkündigung“. 77 Schmid, Schöpfung, 4. 78 Vgl. ebd.: „Das Recht statuiert die Durchsetzung der Schöpfungsordnung nach ihrer juristischen Seite hin“. 74
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sowohl die Funktion des Anklägers als auch die des Richters innehat.79 Dementsprechend wird die Funktion der zum Hören aufgeforderten Männer im weiteren Verlauf von Hos 4 auf die von Beisitzern reduziert.80 Dass den Männern von Israel im Rahmen der Prophetenrede ein Streit zwischen dem Staats- und Landesgott JHWH und den Bewohnern des Landes geschildert wird, in dessen Rahmen JHWH die Rolle eines menschlichen Anklägers und Richters einnimmt, zeigt bereits die metaphorische Verwendung der Gerichtsszenerie an, die den Staats- und Landesgott JHWH als einen reziprok auf Vergehen reagierenden Richter präsentiert. Die Bezeichnung der Angeklagten als Landesbewohner ( )יוׁשבי הארץin V.1bα verdeutlicht dabei, dass es sich um einen Konflikt zwischen dem Gott JHWH als des Landesherrn81 und den Israeliten als den Empfängern des Landes handelt. Die dreifache Verwendung des Stichworts „das Land“ (הארץ: vgl. Hos 4,1bα.bβ; 3aα) macht deutlich, dass dieses im Zentrum des Konflikts ( )ריבsteht: Als Landesbewohner ()יוׁשבי הארץ haben die Israeliten Vergehen gegen den Landesgott JHWH als Eigentümer des Landes begangen, die das Land JHWHs selbst mitsamt allen Bewohnern in Mitleidenschaft ziehen und die Konfrontation der Schuldigen durch den Landesherrn JHWH nach sich ziehen.82 Wendet man sich dabei zunächst den Anklagen in V.1bβ–2 zu, so lassen sich diese in zwei Arten von Vergehen unterteilen: In die erste Kategorie fallen Vergehen, die auf einem Ausbleiben gewünschter Verhaltensweisen beruhen (V.1bβ), d. h. Israel werden „Unterlassungen“ vorgeworfen. In die zweite Kategorie fallen Vergehen, die auf einer Durchführung unerwünschter 79
Vgl. Rudolph, Hosea, 99. Die Rolle von Mitanklägern könnten die Männer nur dann übernehmen, wenn sie selbst die Vergehen als Zeugen miterlebt hätten. 81 Vgl. Jeremias, Hosea, 60, der JHWH als den „Landesherrn“ bezeichnet. 82 Nach Vielhauer, Werden, 99, ist die Landeskonzeption von Hos 4,1–9,9 durch „die Vorstellung vom Land als Zuständigkeitsbereich und Eigentum des jeweiligen Landesgottes“ geprägt. Dieser Sicht entspricht die Verwendung der Wurzel פקדin Hos 4,9.14 (vgl. Hos 8,13; 9,9!): „pqd ist eine Funktion der ṣedaqā, der ‚Gerechtigkeit‘ Gottes“ (Scharbert, Das Verbum PQD, 298); vgl. auch Brünenberg, Jahwes Widerstand, 66: „Mit größerer Heftigkeit und Deutlichkeit als an anderen Stellen handelt Jahwe bei Hosea und zeigt sich als Akteur einer Antwort, die auf ein bestimmtes Tatverhalten des Menschen gegeben wird, ein Vorgang, der sich aber auch hier nicht als Vergeltung beschreiben lässt“ (Hervorhebung von mir). Dieses Verhalten kann jedoch im Rahmen des Handlungsmodells der sozialen Interaktion als reziproke Reaktion zur Aufrechterhaltung konnektiver Gerechtigkeit verstanden werden (vgl. Janowski, Die Tat, insbesondere 177; 181; 189). 80
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Verhaltensweisen beruhen (V.2), d. h. Israel wird mit den eigenen Taten konfrontiert. Mit Wolff kann die Benennung beider Arten von Vergehen als Aufweis negativer und positiver Schuld bezeichnet werden83 und mit Rudolph so verstanden werden, dass V.1 aufzählt, „woran es bei den ‚Söhnen Israels‘ schuldhaft fehlt, [während] V.2 erläuternd [hinzufügt], wie es in Wirklichkeit aussieht“84. Das Vorhandensein des Streits wird im Rahmen des zweiten כי-Satzes (V.1bβ) mit dem beklagenswerten bzw. anklagewürdigen Mangel an Zuverlässigkeit ()אמת, Gemeinschaftstreue ( )חסדund Erkenntnis Gottes ( )דעת אלהיםbegründet.85 Da חסדund אמתsowohl zur Beschreibung des Verhaltens JHWHs gegenüber Menschen86 als auch zur Beschreibung mitmenschlichen Verhaltens87 in der feststehenden Verbindung חסד ואמתverwendet werden, wird teilweise vermutet, dass es sich um eine Hendiadysverbindung handeln könnte, d. h. beide Begriffe einen ähnlichen Sachverhalt ausdrücken.88 In Hos 4,1 liegt hingegen eine „locker[e] Verbindung“89 vor, in deren Rahmen die Reihenfolge umgekehrt ist. Legt nach Zobel das nachgestellte Nomen das vorgestellte Nomen aus,90 so muss für Hos 4,1 ein enger Bezug zwischen allen drei Nomen angenommen werden. Während dabei sowohl אמתals auch חסדals Ausdrücke eines verlässlichen und gemeinschaftsgemäßen Handelns bezeichnet werden können, das auf Reziprozität beruht,91 steht bei אמתdas Moment „Festigkeit, Zuverlässigkeit und andauernde Gültigkeit“92, bei חסדjedoch das Moment „‚Güte‘, ‚Huld‘ oder ‚Freundlichkeit‘“93 im Vordergrund. Ohne die Vermittlung der Erkenntnis Gottes ( )דעת אלהיםkann jedoch von den Israeliten weder erkannt werden, dass JHWH sich in der Interaktion mit Menschen selbst durch ein gemeinschaftstreue
83
Vgl. Wolff, Hosea, 81. Rudolph, Hosea, 100. 85 Zuverlässigkeit, Güte und Erkenntnis wurden dabei in der exegetischen Forschung teilweise als Ausdrucksformen von Bundestreue verstanden und im Rahmen von Bundeskonzepten interpretiert, vgl. u. a. Huffmon, Treaty Background, 31ff; Huffmon / Parker, A Further Note, 36ff; Hillers, Covenant, 120ff. 86 Vgl. Ex 34,6; Ps 86,15. 87 Vgl. Gen 24,49; 47,29; Jos 2,14. 88 Vgl. Zobel, Art. חסד, 55; anders jedoch Wagner, Studien, 79. 89 Wagner, Studien, 79. 90 Vgl. Zobel, Art. חסד, 53. 91 Vgl. aaO, 57; vgl. Janowski, Die Tat, 180f. 92 Ebd. 93 AaO, 56. 84
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Verhalten auszeichnet,94 noch, dass es sich dabei auch um seinen Willen für das menschliche Miteinander in Israel handelt.95 Das Fehlen von Zuverlässigkeit, Güte und Erkenntnis Gottes erschüttert dabei nicht nur das auf konnektiver Gerechtigkeit basierende israelitischen Gemeinschaftswesen,96 wie V.2 zeigt, sondern stellt zugleich eine Entfremdung von JHWH als dem Eigentümer und Geber des Landes dar, die auch das Land in Mitleidenschaft zieht (V.3).97 Insbesondere das Fehlen der Erkenntnis JHWHs impliziert dabei, dass das Land nicht mehr als ein der Güte JHWHs Güte gegenüber Israel gewährter Lebensraum erkannt wird. Als Folge der fehlenden Zuverlässigkeit, Güte und des fehlenden Wissens um Gott wird in V.2 der Verfall der israelitischen Gesellschaft im Rahmen einer fünfteiligen Infinitivreihe beschrieben.98 V.2 zeichnet das Bild einer Gesellschaft ohne gemeinschaftliche Solidarität, in der Eidflüche missbraucht bzw. nicht ernst genommen werden ( )אלהund Lügen ( )כחׁשan die Stelle verlässlicher Worte treten (vgl.V.2aα). Die in V.2aβ angeschlossene Reihe, die identisch mit der des Dekalogs ist (Ex 20,13–15; Dtn 5,17–19),99 benennt drei Vergehen, die als Übergriffe im Rahmen der Sozialsphäre jeglichen gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstören: Im Rahmen von „gewalttätige[m], schuldhafte[m] Töten“100 ()רצח wird anderen Menschen das Leben genommen; im Rahmen von Diebstählen ( )גנבwird sich der Zugriff auf fremdes Eigentum angemaßt und im Rahmen des Ehebruchs ( )נאףder Eingriff in einen bestehenden Ehebund (vgl. V.2aβ). Das Lexem ( פרץsich ausbreiten, die Schranken durchbrechen) umbeschreibt dabei die machtvolle Ausbreitung (vgl. Hos 4,10) dieses gesellschaftlichen Verfalls als 94
Vgl. Ex 34,6; Ps 89,15; vgl. Janowski, Die Tat, 189: „Gottes Handeln folgt demnach demselben Prinzip der Gegenseitigkeit, wie es dem Handlungsmodell der sozialen Interaktion zugrundeliegt“. 95 Vgl. Ps 25,10; Spr 3,3; 20,28. 96 Vgl. Janowski, Die Tat, 191: „Das Füreinander-Handeln versteht sich nicht von selbst, sondern ist dem einzelnen und der Gemeinschaft prinzipiell aufgetragen. […] Wo die Kraft des Füreinander-Handelns nachläßt oder versiegt, zerreißt auch das Band von Gerechtigkeit und Erbarmen, das jeder Gemeinschaft Sinn und Zusammenhalt verleiht“. 97 Die Mitleidenschaft des Landes basiert dabei auf der altorientalischen Vorstellung, dass „die kosmische, die politische und die soziale Ordnung [eine] Einheit [bilden]“ (Schmid, Schöpfung, 4), so dass „ein Vergehen im Bereich des Rechts ganz selbstverständlich seine Folgen auch im Raume der Natur (Dürre, Hungersnot) oder der Politik (Feindbedrohung) zeitigen kann: Recht, Natur und Politik sind nur Aspekte der einen, umfassenden Schöpfungsordnung“ (ebd.). 98 Vgl. Jeremias, Hosea, 61. 99 Für eine Diskussion dieses Sachverhalts vgl. aaO, 62. 100 Hossfeld, Art. רצח, 654.
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etwas, das sich unaufhaltsam seinen Weg bahnt. Ein ähnliches Bild der Ausbreitung von Unrecht und Gewalt liegt dabei der Formulierung „( ודמים בדמים נגעוBlutschuld berührt Blutschuld“) in V.2b zugrunde. Während die in V.2a geschilderte Ausbreitung des gesellschaftlichen Verfalls als Folge des in V.1bβ genannten Mangels angesehen werden kann, gilt gleiches bezüglich des Verhältnisses von V.3 zu V.2. Die Einleitung des Verses mit „( על־כןdaher, deshalb“) verdeutlicht, dass V.3 die Folgen aus dem in V.2 geschilderten gesellschaftlichen Verfall für das Land beschreibt.101 Die Vorstellung, dass menschliche Vergehen den Lebensraum in Mitleidenschaft ziehen, findet sich auch an anderen Stellen in der alttestamentlichen Literatur.102 Wie der moralische Verfall den Zusammenhalt in der Gesellschaft schwächt und ein Leben in der Gemeinschaft unmöglich macht, entweihen die Vergehen zugleich das Land.103 Dies gilt für Blutschuld104, aber auch für Unzucht105 (זנה/ )זנותund für alle Verstöße gegen die Weisungen106 ()תורת, d. h. die Willensmitteilung JHWHs für ein Leben im Land. Dieser Vorgang wird in Hos 4,3 als Austrocknung beschrieben, von der sowohl das Land (אבל, „vertrocknen, trauern“) als auch seine menschlichen und tierischen Bewohner (אמל, „verwelken“)107 betroffen sind. Die Schilderung dieses Prozesses als Austrocknung/Dürre zeigt dabei, dass mit der Weisung JHWHs eine lebensfördernde Intention, mit Vergehen gegen diese Ordnung jedoch eine dem Leben nicht zuträgliche Wirkung verbunden wird.108 Während die Beschreibung als Dürre teilweise in der exegetischen Forschung auf die Erfahrung einer realen Dürre zurückgeführt wird,109 verdeutlicht der Verweis auf die Mitleidenschaft des Tieres des Feldes, des Vogels des Himmels und der Fische des Meeres, dass alle Raumdimensionen des Landes von den Auswirkungen der 101
Nach Vielhauer, Werden, 101, Anm. 141 spricht die Kausalbeziehung zwischen V.2 und V.3 „jedoch weniger für literarische Einheitlichkeit als vielmehr für den Gestaltungswillen des Glossators“. 102 Vgl. Gen 3,17f; Lev 19,29. 103 Vgl. Jes 24,5. 104 Vgl. u. a. Num 35,33; Ps 106,38. 105 Vgl. Jer 3,1f.9. 106 Vgl. Jes 24,5. 107 Der Ausdruck אמלwird sowohl zur Beschreibung des Versiegens menschlicher Lebenskraft (vgl. u. a. Jes 19,8; Jer 15,9) als auch der Lebenskraft der Erde bzw. der Flora und Fauna (vgl. Jes 16,8; Jes 24,4.7; 33,9; Joel 1,10.12; Nah 1,4) verwendet. 108 Grätz, S., Vergebliche Suche, 202, deutet V.3 hingegen nicht als Folge, die sich aus den menschlichen Vergehen ergibt, sondern als Strafe. 109 Vgl. Rudolph, Hosea, 101f. (mit Verweis auf Jer 14,1ff.).
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menschlichen Vergehen betroffen sind. Von einer schöpfungstheologischen Prägung von V.3aβ–b muss dabei nicht automatisch ausgegangen werden.110 So kann im Anschluss an Hayes davon ausgegangen werden, dass „Hos 4:3 reflects traditional phraseology concerning creation and the traditional myth of a cosmic ‚undoing‘ of creation by means of a great flood. […] Hos 4:3, then, may depict the reversion of creation into a dry chaos while still drawing on the powerful tradition of the wet chaos embodied in the flood“111. Im Rahmen dieser Deutung zerreißen die in V.2 genannten Vergehen nicht nur den sozialen Zusammenhalt unter den Menschen, sondern zerstören die Lebensgrundlage aller Landesbewohner.112 Aufgrund dieser Verschränkung der Lebensräume verwandeln die Vergehen der Israeliten den ihnen von JHWH anvertrauten Lebensraumes in eine Wüste, d. h. in einen Ort, der aufgrund seiner Lebensfeindlichkeit mit dem Chaos assoziiert wird.113 Zwischenergebnis „Mit größerer Heftigkeit und Deutlichkeit als an anderen Stellen handelt Jahwe bei Hosea und zeigt sich als Akteur einer Antwort, die auf ein bestimmtes Tatverhalten des Menschen gegeben wird“114. Während es Brünenberg widerstrebte, dieses Verhalten als Vergeltung zu bezeichnen,115 kann der Begriff durchaus zur Beschreibung des von JHWH als des Landesherrn aufgrund der Vergehen seiner Landesbewohner initiierten Streits ( )ריבverwendet werden, wenn man Vergeltung im Rahmen des Handlungsmodells der sozialen Interaktion als Reaktion JHWHs zur Aufrechterhaltung der konnektiven Gerechtigkeit versteht.116 Indem in der neuen 110
Für eine schöpfungstheologische Interpretation plädieren u. a. Bosma, Creation, 64–116 und DeRoche, Reversal, 400–409. 111 Hayes, Prophetic Metaphor, 60. 112 Vgl. Jeremias, Hosea, 62, nach dem „die gestörte Gemeinschaft im Gottesvolk zur Zerrüttung der gesamten Weltordnung, zum Beben der ‚Säulen‘, auf denen die Erde ruht […], [führt]“. Er führt das Vorstellungsmaterial und die Terminologie auf „kultprophetisch[e] Verkündigung“ (ebd.) zurück, vgl. zudem ders., Kultprophetie und Gerichtsverkündigung, insbesondere 129ff. 113 Vgl. Keel, Bildsymbolik, 96; Meier, Wüste in der Bibel, 6f; Schwarzenbach, Die geographische Terminologie, 93–112. 114 Brünenberg, Jahwes Widerstand, 66 (Hervorhebung von mir). 115 Vgl. ebd. 116 Vgl. Janowski, Die Tat kehrt, 181: „Gerechtigkeit stellt sich nicht von selbst ein, sondern sie ist angewiesen auf das Füreinander-Handeln und das Aneinander-Denken. Sie beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und ist nicht die ‚natürliche Folge‘ der […] Tat, sondern eine Funktion des gesellschaftlichen Handelns“, wobei „Gottes Handeln […] demselben
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Bucheinleitung Hos 4,1–3 die Kategorie des Rechtsstreits als Metametapher der Auseinandersetzung JHWHs mit den in der Komposition Hos 5–8 geschilderten Vergehen Israels gewählt wird, erscheint JHWH nicht nur als Ankläger und Richter Israels, sondern in erster Linie als Landes- und Staatsgott Israels, der an der der Durchsetzung von Gerechtigkeit in seinem eigenen Hoheitsgebiet interessiert ist, auch wenn dies bedeutet, das eigene Volk mit Vergehen konfrontieren zu müssen. Indem JHWH einen Rechtsstreit mit den Landesbewohnern initiiert, erweist er sich daher als ihr Landesherr als „Garan[t] der Ordnung“117 im Land. 4.1.3.2 „Erkenntnis“ in Hos 4,4–7 Bereits im Buchkern Hos 5–7 ließ sich eine Entwicklung zur kultischen Begründung des Erkenntnismangels Israels im politischen Bereich erkennen – exemplarisch sei auf die Rahmung von Hos 7,8f durch Hos 7,7bβ.10b verwiesen, aber auch auf den Kompositionsabschnitt Hos 5,12–14, der eine Fortschreibung in dem kultisch orientierten Kompositionsabschnitt Hos 5,15–6,6 gefunden hat.118 Die seitens Israels fehlende Erkenntnis/Wahrnehmung der eigenen geschichtlich-politischen Situation wird dabei auf die kultische Abwendung von JHWH zurückgeführt, die ihren Ausdruck u. a. im Ausbleiben der Anerkennung JHWHs findet (vgl. Hos 5,4). Diese Tendenz zur kultischen Verortung des Erkenntnismangels Israels als eines Abwendungsgeschehens von JHWH zur Begründung des geschichtlich-politischen Ergehens Israels wird auch im als neuem Buchabschluss konzipierten Kompositionsabschluss Hos 8,1– 13(.14) fortgeführt. So wird bereits die Angriffsankündigung aus Hos 8,1a in Hos 8,1b–3119 mit dem Verwerfen des Guten durch Israel begründet, das von V.2 her als die Erkenntnis Gottes und von V.1b her mit dem Bund und der Weisung JHWHs in Verbindung gebracht wird. Nicht aber auf den Bund und die Weisung (V.1b), sondern auf die behauptete Gotteserkenntnis (Hos 8,2), der das tatsächlich von Israel vollzogene Verwerfen ( )זנחdes Guten entgegengestellt (V.3) und das anhand des als Götzenkult dargestellten Kultes von Samaria dargelegt wird (V.4–6), rekurriert die kultisch verortete Erkenntnisthematik in Hos 4,4–6. Prinzip der Gegenseitigkeit [folgt], wie es dem Handlungsmodell der sozialen Interaktion entspricht“. 117 Otto, Theologische Ethik, 183. 118 Vgl. Vielhauer, Werden, 226. 119 Zur Frage der literarischen Einheitlichkeit von Hos 8,1–3 vgl. Abschnitt 3.2.
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Wurde in V.3 durch die Vermessung aller Raumdimensionen diesem Lebensraum, der von den Vergehen Israels betroffen ist, maximale Ausmaße verliehen, so wird in V.4 die gegensätzliche Bewegung durch die maximale Eingrenzung des Verantwortlichen auf einen Priester vorgenommen. Dabei entspricht die Größe der Schuld in V.4a der Weite des Lebensraums aus V.3. Zugleich wird in V.4a der Kreis der Verdächtigen durch die Verwendung von „( אךjedoch“) in Verbindung mit der zweifachen Negation „( אל איׁשnicht irgendein Mann/irgendwer“) eingegrenzt und auf diese Weise verdeutlicht, dass es sich bei der Person, die angeklagt ()ריב120 und zurechtgewiesen ( יכחHif.)121 wird, um nur eine Person handelt. Während dabei in V.4b diese Person über ihr Amt als Priester ( )כהןidentifiziert wird, dem JHWHs Streit122 ( )ריבgilt, zeigen die V.5–9, dass es sich bei dem einen Priester entweder um einen Priester hohen Ranges handelt, der stellvertretend für die ihm unterstellte gesamte Priesterschaft angeklagt wird oder dass es sich um einen Kollektivsingular handelt und mit der Anrede des einen Priesters in V.4b die gesamte Priesterschaft angeklagt wird.123 V.5f präzisiert dabei, worin die in V.4a angekündigte Zurechtweisung ( )יכחdes Priesters bzw. der Priesterschaft bestehen wird, während in V.6f ihre Vergehen benannt werden. In V.5a wird bezüglich des Priesters von JHWH her angekündigt, dass er bei Tage straucheln bzw. stürzen wird ()כׁשל124 und das gleiche Ergehen einem Propheten bei Nacht zuteilwerden wird, der jedoch im weiteren Textverlauf keine Erwähnung mehr findet.125 Betrachtet man die Verwendung von כׁשלim Hoseabuch (Hos 4,5; 5,5; 14,2.10), so ist es an keiner Stelle JHWH, der jemanden zu Fall bringt. Stattdessen wird an allen vier Belegstellen das eigene Verhalten als Grund des Stürzens genannt. In Hos 5,5 und Hos 14,2 ist es die Schuld ( )עוןIsraels (und Judas in Hos 5,5), die das Hindernis auf dem eigenen Weg darstellt, über ( )בdas sie zu Fall kommen. In Hos 14,10 sind es die Rebellierenden (Part. )פׁשע, die auf den Wegen JHWHs ( )דרכי יהוהzu Fall kommen, statt wie die 120
Vgl. u. a. Jer 12,1; Hos 2,4; 4,1.4; 12,3. Vgl. u. a. Jes 29,21; 37,4; Jer 2,19; Mi 6,2. 122 Der Charakter der Anklage statt des Streits ergibt sich daraus, dass nur JHWH als aktive Streitpartei genannt wird, der Priester hingegen nur mit der Anklage konfrontiert wird; würden dagegen zwei Streitparteien um etwas streiten, so würde die Konstruktion X+ריב+עם/בין+Y („X streitet mit Y“ bzw. „es gibt einen Streit zwischen X und Y“) vorliegen (vgl. u. a. Gen 26,20; Ex 17,2; Num 20,3; Dtn 25,1); vgl. Boecker, Redeformen, 86f. 123 Vgl. die Diskussion beider Möglichkeiten bei Rudolph, Hosea, 102. 124 Vgl. Hos 5,5; 14,2.10. 125 Vgl. Odell, Hosea, 83ff; Utzschneider, Hosea, 140f.227. 121
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Gerechten ( )צדקיםauf ihnen zu gehen ()הלך. Impliziert ist in allen vier Belegstellen die Vorstellung des „Scheiterns auf dem Wege“126 aufgrund eigener Vergehen. Auch der Mutter des Priesters wird von JHWH her das Ende angekündigt (דמה, V.5b; vgl. Hos 2,4).127 Die Stichwortaufnahmen, die V.5b–6b miteinander verbinden, lassen den Schluss zu, dass kompositionell eine mehrere Generationen umspannende Schuldgeschichte (re-)konstruiert wird, der von JHWH die Beendigung angekündigt wird. Die Interdependenz des Verhaltens des Priesters und den Reaktionen JHWHs kommt dabei durch Stichwortaufnahmen zustande: Während das Vorgehen JHWHs gegen die Mutter128 des Priesters zunächst überraschend hart erscheint, zeigt die Stichwortaufnahme von „auslöschen, zugrunde richten“ ( )דמהaus V.5b in V.6a, dass das Volk JHWHs dasselbe Ergehen teilt – und dies aufgrund des Verhaltens des Priesters. Während V.6a aus V.5b das Stichwort דמהaufnimmt, um auf diese Weise das Ergehen des Volkes aufgrund des Mangels an Erkenntnis ( )הדעתzu beschreiben, nimmt V.6bα wiederum das Stichwort „Erkenntnis“ aus V.6a auf, um diesen Mangel auf den Priester zurückzuführen, der die Erkenntnis verworfen ( )מאסhat. Unter Aufnahme dieses Stichworts kündigt JHWH dem Priester an, dass er ihm das Priesteramt entziehen wird („so verwerfe ich dich vom Priestersein für mich“). Schließlich resultiert das Vergessen ()ׁשכח der Weisung Gottes durch den Priester (V.6bβ) in V.6bγ in der Ankündigung der Reaktion JHWHs, dass auch er die Söhne des Priesters vergessen wird. Es zeigt sich somit, dass JHWH in seiner Interaktion mit dem Täter diesen mit den Folgen seiner eigenen Taten konfrontiert. Der Ausgangspunkt für JHWHs Verhalten gegenüber der Mutter und den Söhnen des Priesters ist dabei in beiden Fällen das Verhalten des Priesters gegenüber JHWH. Dass es in den V.5f um einen Konflikt nur zwischen JHWH und dem Priester geht, zeigt die betonte Verwendung von „( גם־אניauch ich!“) am Ende von V.6bγ in Kontrast zu „( כי־אתהweil du“) in V.6ba. Wie die Mutter und die 126
Barth, Art. כׁשל, 368. Vgl. Jer 6,2; Hos 10,7.15; nach Nogalski, Hosea, 75 liegt wie in Hos 2 mit der Erwähnung der Mutter eine Metapher für das Land vor: „This image of the failure of Israel´s religious leaders also leads YHWH to announce the land`s destruction using the ‚mother‘ metaphor of Hosea 2: ‚And I will destroy your mother‘“. Während Hos 2,3–25 jedoch grundsätzlich von einer Ehe(bruch)-Metaphorik geprägt ist, liegt in Hos 4 kein metaphorischer Sprachgebrauch vor. 128 Vielleicht wurde der Verweis auf die Mutter auch aus sprachlichstilistischen Gründen gewählt: Während „deine Mutter“ ()א ֶּמָך ִ die Vokalabfolge „i-ä“ zeigt, weist „mein Volk“ ()ע ִמי ַ die chiastische Vokalstellung „a-i“ auf. 127
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Söhne in einer Schuldgeschichte mit dem Priester stehen, so solidarisiert sich JHWH in V.6a mit dem Volk (עמי, „mein Volk“), dessen Unkenntnis JHWHs von diesem jedoch nicht in erster Linie als Schuld des Volkes, sondern als die Schuld des Priesters betrachtet wird. Es kann dabei eine Parallele in der Argumentationsstruktur von Hos 8,2.4 und Hos 4,4–6 beobachtet werden: In Hos 8,2.4 findet Israels Verwerfen ( )זנחdes Guten als der Erkenntnis Gottes eine Antwort in der prophetischen Ankündigung, dass JHWH den Jungstier von Samaria verwerfen wird ()זנח129.130 Auch Hos 4,4–6 parallelisiert das Verwerfen ( )מאסder Erkenntnis durch die Priester mit dem Verwerfen der Priester durch JHWH (vgl. 6b: )מאס. Hos 4,4–6 nimmt dabei jedoch eine aktualisierende Verstärkung der Aussage von Hos 8,2.4 vor. Ist es in Hos 8,5 nur der Jungstier als die den Kult von Samaria repräsentierende Götterstatue, die von JHWH verworfen wird, so sind es in Hos 4,4–6 die Priester als die für den Kult verantwortlichen Menschen, denen der Amtsentzug im Rahmen der Verwerfung durch JHWH angekündigt wird. Der als falsch angesehene Kult (vgl. Hos 8,4–6; Hos 4,11–15) wird auf die für den Kult Verantwortlichen zurückgeführt und diese für das Zugrundegehen ( דמהNif.) des Volkes JHWHs (vgl. Hos 4,6.8.12: „ ;עמיmein Volk“) zur Verantwortung gezogen. Indem ihnen das Verwerfen der Erkenntnis (Gottes) vorgeworfen wird, wird der Kult zum JHWH-fremden Kult. Darüber hinaus wird in Hos 4,6 das Verwerfen ( )מאסder Erkenntnis durch den Priester mit dem Vergessen ( )ׁשכחder Weisung Gottes (vgl. Hos 8,1b.12) durch den Priester parallelisiert. Dabei handelt es sich um die Parallelisierung zweier Vorwürfe, die in Hos 8,1b.12a gegen das Volk (vgl. 2b: Israel; V.11a: Efraim) gerichtet sind, die jetzt aber im Rahmen einer Anklage gebündelt und gegen das Priestertum gerichtet werden. Darüber hinaus tritt an die Stelle der Wurzel זנחdie Verwendung der Wurzel מאס. Wie jedoch die Parallelisierung beider Wurzeln in Ps 89,39 zeigt, muss damit nicht automatisch eine Verschiebung in der Aussageintention
129
Vgl. die textkritische Übersetzung von Hos 8,1–14. Vgl. Ringgren, Art. זנח, 619: „Hos 8,3 hat das Verb ein menschliches Subj.; Israel hat das Gute ‚verworfen‘, was nach dem Zusammenhang durch Götzendienst geschehen ist. In v. 5 findet sich ein zweites zānaḥ, was aber kaum richtig ist; am einfachsten liest man zānaḥtî, ‚ich (JHWH) habe dein Kalb verworfen, Samaria‘, was dann eine der Sünde entsprechende Strafe ergibt“ (Hervorhebung von mir). 130
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einhergehen.131 Jedoch steht bei מאסteilweise das Moment der Entscheidung stärker im Vordergrund,132 so dass die Verwendung der Wurzel in Hos 4,6 die bewusste Entscheidung der Priester in der Bevorzugung des eigenen Vorteils und Willens (vgl. Hos 4,8; vgl. 8,12f!) gegen die Erkenntnis hervorheben kann. Zwischenergebnis Die im Rahmen der Genese des Buchkerns bereits aufgezeigte, zunehmend kultische Verortung der Verwerfung der Erkenntnis wird im Rahmen von Hos 4,1–19 zur kompositionsleitenden Leseanleitung weiterentwickelt, die nun als neue Einleitung der Komposition Hos 5–8 fungiert und als eigentlicher Grund für den Streit ( )ריבJHWHs mit den Landesbewohnern von den Tradenten präsentiert wird. Indem Hos 4,4–6 dabei die ausbleibende bzw. verweigerte Rückkehr bzw. Anerkennung JHWHs durch Israel (vgl. Hos 5,3f; 6,4–6; 7,7.10.13f.16; 8,2f.12f) auf die Verwerfung der jetzt nominal gefassten „Erkenntnis“ Gottes im israelitischen Kult zurückführt, wird die Abwendung Israels vom eigenen Landes- und Staatsgott im Herzen des israelitischen Kultes als des Ortes der eigentlichen Gottesbegegnung verortet. Auf diese Weise wird dem Kult bzw. der Priesterschaft im Rahmen der Genese des Hoseabuches zusehends die Verantwortung für den Untergang des Nordreichs zugeschrieben. Er tritt dabei an die Stelle des ursprünglichen Ausgangspunktes der ausbleibenden Erkenntnis in den realpolitischen Vorgängen (vgl. Hos 7,7), so dass es zu einer Schuldverlagerung kommt, die den historischen Vorgängen entgegengesetzt ist: Nicht mehr Israels Unfähigkeit, die eigene politische Lage richtig einzuschätzen, wird als eigentlicher Grund des Untergangs des Nordreichs betrachtet (vgl. Hos 5,8–11; 7,7), sondern der Untergang des Nordreichs wird auf die Abwendung Israels bzw. der Priester von der Erkenntnis Gottes im Kult zurückgeführt, die die Ausgangslage für die fehlende Reflexionsfähigkeit Israels bildet, wie an dem gesellschaftlichen und innenpolitischen Verfall (vgl. Hos 6,7–10; 7,1–7) sowie den außenpolitischen Fehleinschätzungen sichtbar wird (vgl. Hos 5,12– 14; 7,11.16; 8,9f).133 131
Vgl. Wagner, Art. מאס, 619–633, 621: „Gegenstand der Entscheidung sind […] auch Abstrakta wie Gutes und Böses“ – eine Aussage, die ebenfalls für die synonyme Bedeutung beider Wurzeln zu sprechen scheint. 132 Vgl. aaO, 619. 133 Bei dieser Sichtweise handelt es sich selbstverständlich um die theologische Deutung realpolitischer Vorgänge durch die Tradenten, vgl. Kratz, Prophetenstudien, 297: „Weil JHWH auf seiten Assurs gegen Israel kämpft, darum […] werden JHWH und der Stier […] zu unversöhnlichen Konkurrenten“.
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4.1.3.3 „Verzehren“ in Hos 4,8–10 Bezüglich des reziproken Vorgangs des israelitischen Mangels an „Erkenntnis“134 hatte sich gezeigt, dass dieser zunächst in der Außenpolitik seinen Anfang nahm (vgl. Hos 7,9). Im Rahmen der Textgenese wurde dieser Erkenntnismangel in der Politik jedoch von den Tradenten zu einem Symptom eines anderen Erkenntnismangels erklärt, der in der ausbleibenden Anerkennung und beständigen Gemeinschaftstreue Israels gegenüber JHWH im Kult seinen Ursprung nahm (vgl. Hos 5,3f; 6,1–3.4–6). Es zeichnete sich eine zunehmende Schuldverschiebung ab, die von der Politik zum Kult als dem eigentlichen Epizentrum des Untergangs des Nordreichs vollzogen wurde und Israels Abwendung vom eigenen Staats- und Landesgott zum eigentlichen Grund der geschichtlichen Katastrophe erklärte. Ein ähnlicher literarischer Prozess lässt sich für die Verzehrthematik ( )אכלbeobachten. Im neu konzipierten Kompositionsabschluss Hos 8 gipfelt die Auseinandersetzung mit den Schilderungen von „Verzehrvorgängen“ ( )אכלim Buchkern Hos 5–7, die in der Politik stets einen unerwünschten Zugriff auf eine Person bzw. die Ressourcen eines Staates (vgl. Hos 7,7.9) zum Ausdruck bringen und mit dieser Aussageintention auch zunächst für den Kult übernommen wurden (vgl. Hos 5,7), schließlich in Hos 8,7f im endgültigen Verschlungensein ( בלעNif.) des Staates Israels durch Fremde in der Politik. In der Verortung der Verzehrvorgänge im Kult wird hingegen eine theologische Aktualisierung vorgenommen. Nicht mehr länger das Verzehrtwerden (vgl. Hos 5,7), sondern die Essensvorgänge im Rahmen des Kultes stehen nun als Ausdruck einer falschen Kultpraxis im Vordergrund. So schildert die Kultkritik von Hos 8,11ff einen israelitischen Kultvollzug, in dem Desinteresse an JHWHs תורתיvorherrschend ist und das Interesse der Kultgemeinschaft bzw. der Priesterschaft statt auf die Darbringung der Opfer für JHWH auf den eigenen Verzehr des Opferfleisches gerichtet ist. Die im neuen Kompositionsbeginns Hos 4,1–19 geäußerte Kultkritik von Hos 4,7–10 setzt die in Hos 8,11ff geäußerte Kritik am Kultvollzug voraus und nimmt eine aktualisierende Neuinterpretation vor, in deren Rahmen jedoch auf die Vorwürfe und die Terminologie von Hos 8,11ff zurückgegriffen wird. Während in Hos 8,11 der Vorwurf geäußert wird, dass Efraim
134
Vgl. Abschnitt 4.1.3.2.
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die Altäre „viel machte, mehrte“ ( )רבהzum Sühnen135, sie ihm aber zu Altären zum Sündigen ( )לחטאwurden, beschreibt Hos 4,7 ebenfalls einen innerisraelitischen Mehrungsprozess. Dieser ist auch im Kult verortet, bezieht sich jedoch nicht mehr auf die Altäre, sondern auf die Priesterschaft. Wie der Wechsel von der Anrede in der 2.Pers.sg. (V.6) zur Rede in der 3.Pers.pl. (V.7) zeigt, steht in V.7 der Priester mitsamt seinen „Söhnen“ bzw. die gesamte Priesterschaft im Fokus der Auseinandersetzung JHWHs mit ihren Vergehen. Ihnen wird im Rahmen der Gottesrede von Hos 4,7 der Vorwurf gemacht, dass entsprechend ihrer zunehmenden Zahl ( )כרבםauch ihre Sünden gegen JHWH ( )חטאו־ליzugenommen habe, d. h. eine direkte Korrelation zwischen ihrer Ausbreitung und der Ausbreitung der Sünde gegen JHWH im Volk besteht. Erneut wird ein Vergehen (Hos 8,11: die Mehrung von Altären) sekundär als Symptom eines anderen Vergehens (Hos 4,7: die Mehrung der Priester und ihrer Sünden) das, welches zeitlich vorgeordnet wird und daher als eigentlicher Grund der kultischen Abwendung Israels von JHWH (vgl. Hos 8,11: Efraim) präsentiert wird. Hos 4,7 identifiziert im Rahmen der aktualisierenden Neuinterpretation von Hos 8,11ff das Priestertum als eigentlichen Ursprung der Sündhaftigkeit des Volkes, die in der Abwendung von JHWH ihren Ausdruck findet. Eine weitere Aktualisierung liegt im Rahmen von Hos 4,8 vor. Während in V.7 von der Zunahme des Sündigens ( )חטאder Priesterschaft gegen JHWH die Rede ist, ist der Fokus von V.8 auf den Umgang der Priester mit der Sünde ( )חטאתdes Volkes gerichtet. Die zunächst harmlos klingende Aussage von V.8a („Die Sünde meines Volkes essen sie“) stößt dabei bereits in das Zentrum der prophetischen Kritik an einer pervertierten Form von Opferkult vor. Die Kritik richtet sich dabei nicht gegen die prinzipielle Durchführung des Opferkults, sondern gegen die inhaltliche Zielbestimmung und Ausrichtung des Opferkultes. Der Vorwurf lautet dabei, dass der Opferkult, so wie ihn die Priester durchführen, nicht mehr länger an JHWH, sondern in erster Linie am eigenen Versorgungsinteresse der Priester mit dem Fleisch der Opfertiere ausgerichtet ist.136 Statt entsprechend ihrer Aufgabe als Priester JHWHs dem Volk durch die Vermittlung der Erkenntnis und Weisung(en) JHWHs Wege aufzuzeigen (vgl. Hos 4,6), auf denen sie ihre Sünden und die Notwendigkeit der Darbringung von Sündopfern 135
Vgl. Jeremias, Hosea, 103, der im Anschluss an Rudolph leḥṭṭē’ („zur Sühne“) vokalisiert. 136 Während Fleisch seltener Bestandteil der Ernährung der Bevölkerung war, stand den Priestern aufgrund ihres Amtes und ihrer Tätigkeit im Opferkult regelmäßig ein Teil des Fleisches der Opfertiere zu, vgl. die Ausführungen bei Jeremias, Hosea, 67.
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minimieren und in Gemeinschaft mit JHWH leben können, richten sie den Opferkult nach ihren Bedürfnissen aus und haben dementsprechend ein Interesse an der Maximierung der Sünden im Volk. Gemäß diesem Vorwurf haben die Priester aus einem sekundären Element des Opferkults (ihrer Versorgung) den primären Zweck des Opferkultes gemacht. Der Vorwurf impliziert, dass die Priester billigend in Kauf genommen haben, dass eine Maximierung der Sünden des Volkes zugleich eine Maximierung der Störung in der Beziehung des Volkes zu JHWH nach sich zieht. So liest sich V.8b wie eine pervertierte Amtsbeschreibung: Statt das Volk am Sündigen zu hindern, wecken sie das Verlangen des Volkes nach ihren Vergehen ()עון.137 Der Vers greift dabei auf die Argumentation von Hos 8,13 zurück. In Hos 8,13 wird kritisiert, dass bei den Schlachtopfern nicht die Opfergabe für und Gemeinschaft mit JHWH, sondern der eigene Verzehr des Fleisches (V.13a: )אכלim Vordergrund steht.138 So wird der Kult zum Zeichen der eigenmächtigen Ablösung von JHWH in der Orientierung an Eigeninteressen. Israel (vgl. Hos 8,11: Efraim) hat demnach in der Kultpraxis statt der Gottesbegegnung und -erkenntnis (vgl. Hos 8,12) den eigenen Vorteil (V.11a.13a)139 gesucht. Im Rahmen der aktualisierenden Neuinterpretation von Hos 4,8 wird, wie bereits in Hos 4,7, eine Fokussierung der Schuld des Volkes auf die Priesterschaft vorgenommen. Das Wissen um Hos 8,13 voraussetzend, reicht in Hos 4,8 dabei die Formulierung, dass die Priester die Sünde ( )חטאתdes Volkes essen, um damit ihr Eigeninteresse an der durch das Volk vollzogenen Darbringung von Sündopfern in Form von Schlachtopfern sowie die damit implizierte Abwendung von JHWH und seinem Willen zum Ausdruck zu bringen.
137
Auch wenn man statt mit MT נפׁשוmit u. a. LXX „( נפׁשםihre Vitalität, Lebenskraft“) liest, ändert sich nichts an der prinzipiellen Deutung von V.8b; der Halbvers würde sich dann nur gegen die Priester selbst und nicht gegen ihre Verführung des Volkes richten. In diesem Fall würde der Bezug auf Volk und Priester in V.9 jedoch unvorbereitet erfolgen. 138 Diese Aussageintention wird durch die Verwendung von „( בׂשרFleisch“) hervorgehoben, welches nicht geschlachtet ( )זבחwerden kann, sondern das Schlachtprodukt bezeichnet. 139 Das „Sündigen“ besteht nicht in der Erhöhung der Anzahl der Altäre. Worin es besteht, wird von V.11 her nicht ersichtlich, könnte aber argumentativ auf V.13aα bezogen sein: Umso mehr Altäre es gibt, umso mehr Fleisch steht für den Eigenkonsum zur Verfügung, vgl. für die weitere Verwendung von מזבחim Hoseabuch Hos 10,1f; 12,12.
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Infolge der Konfrontationsankündigung JHWHs in V.9140 wird im Rahmen des als „Fluchwort“141, „Strafankündigung“142 und „Unheilsankündigung“143 bezeichneten V.10a das Ergehen des Volkes und der Priester angekündigt. Die von JHWH initiierte, reziproke Konfrontation mit ihren Taten resultiert in einer Existenz ohne JHWH und jenseits seines Segensbereiches.144 Sind die Täter aber nicht mehr in Gemeinschaft mit JHWH, sondern ihrem selbstgewählten Weg überlassen, so zeichnet sich dieser durch einen grundsätzlichen Mangel aus (V.10a). Haben die Priester ihr Amt und den Zugang zu JHWH aufgrund ihres falschen Amtsverständnisses und Amtsmissbrauchs verloren (אכל, V.8a), können sie nun essen (אכל, V.10a), werden jedoch keine Sättigung mehr erfahren. Entzieht sich JHWH als Garant der Ordnung und Fruchtbarkeit im Land dem Volk Israel als Lebensgrundlage, können auch die – vom Landesherrn nicht entzogenen – Nahrungsmittel des Landes keine Sättigung ()ׂשבע145 mehr herbeiführen.146 Intertextuell betrachtet, verdeutlicht die bewusste Negation der auch im Deuteronomium147 mit dem Land verbundenen Verheißung JHWHs zur Versorgung der Israeliten den Verlust seines Segens, der nicht an die Gaben, sondern an den Geber gebunden ist. Dass die Wurzel ׂשבעdabei auch, aber nicht nur die Befriedigung von physischem Hunger meint, zeigt der Vergleich mit der Verwendung der Wurzel in 1Chr 29,28 „( וימת בׂשיבה טובה ׂשבע ימים עׁשר וכבודund er starb satt/gesättigt an Tagen, an Reichtum und an Wertschätzung“). Dass es auch in V.10aβ um die Thematik des Mangels als Folge des Entzugs JHWHs geht, wird bereits daran deutlich, dass im Rahmen des Vollzugs von Unzucht ( )זנהnur selten die Reproduktion im Vordergrund steht. Der Halbvers steht vielmehr durch die erneute Verwendung von „( פרץausbreiten“) kontextuell in Dialog mit V.2b. Während V.2b die Ausbreitung der Verkommenheit Israels beschreibt, wird in V.10aβ angekündigt, dass Israels Unzucht ()זנה nicht in einer Ausbreitung von Israel selbst resultieren wird. Parallel der Aussage in V.10aα wird auch in V.10aβ die Durchführung des Vergehens nicht von JHWH unterbunden. Da auch die Fruchtbarkeit 140
Vgl. Abschnitt 4.1.3.4. Vgl. Jeremias, Hosea, 68; vgl. zudem Podella, Notzeitmythologem, 427ff. 142 Vgl. Rudolph, Hosea, 104. 143 Bons, Hosea, 74. 144 Vgl. Jeremias, Hosea, 68. 145 Vgl. Hos 4,10; 13,6. 146 Vgl. Hos 13,6; vgl. Grätz, Vergebliche Suche, 205. 147 Vgl. Dtn 6,11; 8,10.12; 11,15; 14,29; 31,20. 141
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des Menschen als Segensgabe JHWHs betrachtet wird, bringt die Negation von Ausbreitung in V.10aβ die theologische Überzeugung zum Ausdruck, dass eine Abkehr von JHWH zugleich einen Verlust seines Segens bedeutet.148 V.10aβ macht deutlich, dass der nötige Segen für die Hervorbringung von Leibesfrüchten bisher von JHWH ausging, von den Partnern der Unzucht nicht ausgehen kann und mit der Aufgabe der Gemeinschaft mit JHWH im Rahmen einer reziproken Reaktion von diesem entzogen wird.149 Mit der im Rahmen des כי-Satzes von V.10b angeschlossenen Begründung soll dementsprechend deutlich gemacht werden, dass nicht JHWH gegenüber Israel wortbrüchig geworden ist, sondern der Entzug JHWHs die Reaktion darauf ist, dass Israel ihn verlassen ( )עזבhat, weil sie lieber Unzucht „bewahren“ ()ׁשמר, d. h. an ihr festhalten wollten. Die mit „( עזבverlassen“) ausgedrückte Tätigkeit formuliert eine Abwendung. Die kontrastive Formulierung von V.10b bringt die von Israel ausgehende „Zerstörung der persönlichen [Bindung]“150 an JHWH bzw. des „persönlichen Schutz- und Solidaritätsverhältnis[ses]“ mit JHWH zum Ausdruck. Während im Deuteronomium mit Formen von ׁשמרeinerseits JHWHs Zuverlässigkeit und Bundestreue festgestellt wird und andererseits Israel mit Formen von ׁשמרdazu aufgefordert wird, sich JHWH, seinen Weisungen, seinem Bund mit ihnen und seinen geschichtlichen Heilstaten zuzuwenden und diese zu bewahren, wird durch die Verwendung von ׁשמרin Hos 4,10b ihre stattdessen vollzogene Hingabe an bzw. ihre Zuwendung zu ihrem eigenen Verlangen festgestellt. Zwischenergebnis Hos 4,7–10 stellt eine aktualisierende Neuinterpretation der Kultkritik aus Hos 8,11ff dar. Bereits die Kultkritik von Hos 8,11ff diente dazu, den verzehrenden Zugriff Dritter in der Außenpolitik auf die Ressourcen des Staates Israel (vgl. Hos 7,8f) und schließlich auf Israel selbst (vgl. Hos 8,7f) aus der Abwendung von JHWH im Kult in Form der Ausrichtung der Kultpraxis auf den eigenen Fleischverzehr herzuleiten. Im Rahmen der Hos 8,11ff 148
Grätz, Vergebliche Suche, 205 versteht die Ankündigung ausbleibender Sättigung und Fruchtbarkeit im Kontext der „Vorstellung vom verschwundenen Gott, der entweder im jahreszeitlichen Wechsel oder als Strafaktion seine Erhaltefunktion aussetzt und die kreatürliche Welt sich selbst überläßt“. 149 Eine politische Deutung von V.10b liegt angesichts des Kontexts nicht nahe. 150 Gerstenberger, Art. עזב, 1206.
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aktualisierenden Neuinterpretation der Kultkritik von Hos 4,7–10 wird diese Kultpraxis des Volkes nun als Schuld der israelitischen Priesterschaft identifiziert und eine weitere Fokussierung der Schuldfrage für den Untergang des Nordreichs vorgenommen. Die Priesterschaft wird dabei als die verantwortliche Größe für den kultischen Verfall Israels präsentiert, der nun als Ausgangspunkt des Unterganges des Nordreichs angesehen wird. Indem die Priesterschaft den Kult nicht zur Pflege der Gemeinschaft mit JHWH und der Vermittlung der Erkenntnis Gottes an das Volk, sondern aus Eigeninteresse am Fleischverzehr praktizierte, wurde auch das Volk JHWHs in diese Schuldspirale hineingezogen (vgl. Hos 4,8b). In Folge der Auseinandersetzung JHWHs mit ihren Taten und Wegen (vgl. Hos 4,9)151 ergeht dabei die Ankündigung einer Folge ihrer Vergehen, die im Ausbleiben jeglicher Sättigung besteht und damit die Abwendung des die Fruchtbarkeit und die Sättigung garantierenden Landes- und Staatsgottes JHWHs vom israelitischen Opferkult zum Ausdruck bringt.152 4.1.3.4 „Überprüfen“ und „wenden“ in Hos 4,9 Wie bereits zuvor beobachtet, 153 wird im Rahmen der neuen Einleitung der Komposition Hos 5–7 durch Hos 4,1–19 die israelitische Priesterschaft als Hauptschuldiger für den Untergang des Nordreichs identifiziert. Die Verlagerung der Erklärung des Untergang Israels von einem fehlenden Gespür für außenpolitische Vorgänge (vgl. Hos 7,8f) zur eigenen Destabilisierung der Staatsstruktur im Rahmen der Innenpolitik (vgl. Hos 7,7) und schließlich zur Pervertierung des JHWH–Kultes zu einem an Eigeninteressen geleiteten Kult (vgl. Hos 7,14; 5,3f; 8,11ff) stellt dabei einen Vorgang dar, der im Rahmen der neuen Einleitung Hos 4,1–19 fortgesetzt wird, seinen kompositionellen Rahmen in Hos 9,1–9 findet und dabei die Priesterschaft als die für die JHWHentfremdete Kultpraxis Israels Verantwortlichen und Hauptschuldigen für das geschichtliche Ergehen Israels benennt. Im Buchkern Hos 5–7 wird mit ׁשובstets eine Interaktion zwischen JHWH und Israel beschrieben. Sie findet dabei zunächst in einer von JHWH initiierten, zeitlich begrenzten Abwendung ihren Ausdruck 151
Vgl. Abschnitt 4.1.3.4. Vgl. Jeremias, Hosea, 68: „Wer Jahwe als die Quelle des Lebens ‚verläßt‘ […], um seine ganze Kraft dem widergöttlichen Gottesdient zu weihen […], begibt sich außerhalb der Segenskräfte Gottes; wer sich vom baalistischen Fest Förderung verspricht, scheitert und darbt“. 153 Vgl. Abschnitt 4.1.3.1–4.1.3.3. 152
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(vgl. Hos 5,15), die sich als Reaktion zunächst zu Israels gehender Hinwendung nach Assyrien (vgl. Hos 5,13), aber auch zu der ausbleibenden, von beständiger Gemeinschaftstreue gekennzeichneter Umkehr Israels zu ihm im Kult darstellt (vgl. Hos 5,4; 6,1, vgl. 6,4–6;154 7,10.16). Zuletzt wird mit der Wurzel die Reaktion JHWHs auf den von Israel freiwillig vollzogenen Exodus nach Assyrien (vgl. עלהin Hos 8,9) beschrieben, die in der Ankündigung der Rückkehr Israels nach Ägypten als Revozierung des Exodus Gestalt gewinnt (vgl. Hos 8,13). Die Rückkehr ()ׁשוב Israels nach Ägypten stellt sich im Rahmen von Hos 8,13 als die Folge einer Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Vergehen dar. Diese Vergehen werden im Rahmen des Kompositionsabschnittes Hos 8,11–13 mit einer falschen Opferpraxis identifiziert, in deren Rahmen Israel statt an der Herstellung einer Mahlgemeinschaft mit JHWH nur am eigenen Fleischverzehr (vgl. die Verwendung von בׂשרin V.13a) infolge der Darbringung von Schlachtopfern ()זבח interessiert ist. An die in priesterlich-kultischer Terminologie proklamierte Ablehnung dieser Opferpraxis (vgl. V.13a: „ ;יהוה לא רצםJHWH hat keinen Gefallen [daran]“155) schließt sich die prophetische Ankündigung der innerlich („ ;זכרgedenken, erinnern“) und äußerlich („ ;פקדüberprüfen“) vollzogenen Auseinandersetzung JHWHs mit „ihrer Schuld“ ( )עונםund „ihren Sünden“ ( )חטאותםan. Erst diese Auseinandersetzung JHWHs mit dem durch die Verwendung der Begriffe „Schuld“ und „Sünden“ in theologische Kategorien gefassten Verhalten Israels als Vergehen gegen JHWH resultiert in der Ankündigung der Rückkehr Israels nach Ägypten (vgl. Hos 8,13b). Während die Ägyptenperspektive als Revozierung des Exodus als Kompositionsabschluss fungiert, kombiniert Hos 4,9 Aussagen aus Hos 5,4; 7,2 mit der Ankündigung der Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Vergehen aus Hos 8,13 zu einer neuen ׁשוב-Aussage, die zum Ausdruck bringt, „daß JHWH die Tat auf den Täter ‚zurücklenkt‘“156. Somit werden zwei kompositionelle Neuausrichtungen der Wendeund Überprüfungsthematik vorgenommen: Erstens: Angesichts der Verortung der Schuld für Israels geschichtliches Ergehen im Landeskult wird Israel, repräsentiert über die Priester und Männer, nun im Land mit den eigenen Vergehen gegen JHWH konfrontiert; es findet somit eine Refokussierung auf 154
Bei Hos 6,11b handelt es sich um eine sekundäre Heilsperspektive, vgl. Jeremias, Hosea, 94. 155 Vgl. aaO, 103. 156 Janowski, Die Tat, 174.
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den Zustand Israels im Land und zeitlich vor dem „Landentzug“ statt, den Hos 8,13 visualisiert. Zweitens: Durch die aktualisierende Aufnahme der Überprüfungsthematik aus Hos 8,13 in Hos 4,9.14 wird ein Rahmen um die wachsende Komposition Hos 4–8 gelegt, die den neuen Buchanfang in Hos 4 mit dem Buchabschluss in Hos 8 thematisch verbindet und auf diese Weise einen Interpretationshorizont vorgibt, in dessen Rahmen alle in Hos 4–8 geschilderten Vergehen Israels mit der überprüfenden bzw. Rechenschaft einfordernden Zuwendung JHWHs konfrontiert werden. Betrachtet man die Darstellung dieses Vorgangs in Hos 4, so entspricht der in V.8b genannten Angleichung des Volkes an das Verhalten der Priesterschaft die Gleichbehandlung (V.9a) in der von JHWH angekündigten Konfrontation des Volkes und der Priester157 mit den eigenen Vergehen in V.9b. Der chiastisch formulierte Parallelismus in V.9b bringt dabei ein zweiteiliges, aufeinander aufbauendes Vorgehen JHWHs gegen den Priester zum Ausdruck, welches nach V.9a auch dem Volk gilt: ופקדתי עליו דרכיו ומעלליו אׁשיב „( לוUnd ich werde überprüfen gegen ihn seine Wege und seine Taten lasse ich zurückkehren zu ihm“). Einer eingehenden Überprüfung der Wege durch JHWH schließt sich die Konfrontation der Täter mit den eigenen Taten an.158 Auffällig ist dabei, dass in V.9b nicht erneut von Schuld ( )עוןoder Sünden ( )חטאdie Rede ist, sondern von den Wegen und den Taten, die miteinander parallelisiert werden. Wurde dabei bisher beobachtet, dass im Rahmen der neuen Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 kultische Gründe für die in der Komposition Hos 5–8 geschilderten Vergehen Israels angeführt werden und diese daher nur noch als Symptome der Abwendung des Priestertums von JHWH im Kult erscheinen,159 wird im Rahmen von Hos 4,9 dieselbe literarische Strategie in Bezug auf die von JHWH am Kompositionsabschluss geschilderte Konfrontation gewählt (vgl. Hos 8,13). So kündigt Hos 4,9 vorwegnehmend die Konfrontation der Priester mit ihren Taten durch JHWH an, die sich im älteren Buchkern als Taten erwiesen haben, die im Rahmen einer AudienzSzenerie vollständig von JHWH wahrgenommen werden (vgl. Hos 7,2) und ihre Nachahmung in den Taten Israels finden (vgl. Hos 5,4), die als der Grund angeführt werden, wieso Israel nicht zu JHWH umkehrt bzw. zurückkehrt (vgl. ׁשובin Hos 5,4). 157
Der Singular aus V.9a wird als Kollektivsingular betrachtet. Im Parallelismus von Hos 8,13 (vgl. Hos 9,9) wird dabei mit פקדdie äußerlich vollzogene Konfrontation ausgedrückt, die ebenfalls im Parallelismus von Hos 4,9 durch ׁשובzu finden ist. 159 Vgl. Abschnitt 4.1.3.1–4.1.3.3. 158
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Während das Weg-Motiv in der weisheitlichen Literatur verbreitet ist und den prinzipiellen Lebenswandel im Guten wie im Schlechten bezeichnet (vgl. Hos 14,10), gilt gleiches nicht von der Erwähnung menschlicher Taten. Werden diese thematisiert, handelt es sich in der Mehrzahl der Belege um Vergehen.160 Der Parallelismus von Hos 4,9 kann auf diese Weise bereits das negative Ergehen andeuten. Indem JHWH die Priester und das Volk mit ihren Taten konfrontiert, erweist sich JHWH als ein Gott, „der sich um das Verhalten seiner Geschöpfe kümmert und ihren Taten Folgen beimisst“161. Hos 4,9 greift zum Ausdruck dieser Auseinandersetzung JHWHs mit dem Verhalten von Priesterschaft und Volk auf die Terminologie von Hos 8,13b zurück. Während in Hos 8,13b jedoch die Tätigkeiten „gedenken“ ( )זכרund „überprüfen“ ( )פקדparallelisiert werden und in der Ankündigung von Israels Zurückkehren ( )ׁשובnach Ägypten resultieren, werden in Hos 4,9 die Tätigkeiten des Überprüfens (פקד, vgl. V.14) und des Zurückwendens ( ׁשובHif.) miteinander parallelisiert und bringen damit die Reaktion JHWHs auf die Vergehen von Priesterschaft und Volk zum Ausdruck.162 In Hos 4,9 ist es JHWH, der den Zusammenhang von Tat und Ergehen initiiert, aufrechterhält und garantiert. Dass Israel mit seinen Taten konfrontiert wird und diese zu Israel zurückkehren, ist sein Tun.163 Ob das Ergehen, das sich aus der Konfrontation mit den eigenen Taten und ihren Folgen ergibt, für den Täter positiv oder negativ ist, ergibt sich einzig aus der Qualifizierung der Taten als Vergehen oder Wohltaten durch den Täter.164 Dabei ist der Maßstab
160
Von den 42 Belegstellen beziehen sich 33 Belegstellen auf Taten, die als Vergehen qualifiziert werden (vgl. u. a. Hos 4,9; 5,4; 7,2; 9,15; 12,3; Mi 3,4; 7,13; Sach 1,4.6). 161 Brünenberg, Jahwes Widerstand, 73. 162 Vgl. Janowski, Die Tat, 189: „Gottes Handeln folgt […] demselben Prinzip der Gegenseitigkeit, wie es dem Handlungsmodell der sozialen Interaktion zugrundeliegt“. 163 Wolff, Hosea, 101 spricht von einer „von Gott gesetzte[n] […] Rechtsfolge“. 164 Vgl. Jer 32,19. Wenn sich bereits aus der Wortwahl die inhaltliche Qualifizierung der Taten als Vergehen ergibt (vgl. u. a. Jer 14,10; Hos 4,14; 8,13; 9,9; Am 3,14; Zef 1,9), so ist auch in diesen Fällen das Ergehen die Folge der eigenen Taten; es verwundert daher, dass u. a. Wolff, Hosea, 102 von einer „Strafankündigung“ spricht und die Strafe „als Rückkehr der Schuld zum Täter“ (aaO, 102f). beschreibt. Jedoch lässt JHWH nicht die Schuld, sondern die Taten zum Täter zurückkehren (vgl. Rudolph, Hosea, 105). Dabei gilt: Es ist nicht in erster Linie Zeichen eines strafenden Gottes, wenn er Vergehen zum Täter zurückkehren lässt und nicht in erster Linie Zeichen eines belohnenden Gottes, wenn er Wohltaten zum Wohltäter zurückkehren lässt, sondern das Eintreten für einen Tun-Ergehen-
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für das Verhalten die Willensmitteilung JHWHs (vgl. Hos 4,6). Indem Hos 4,9 im Rahmen der Gottesrede eine von JHWH initiierte Rückwendung der Taten zu den Tätern aus Priestertum und Volk ankündigt, zeigt sich der enge Dialog, in dem Hos 4,9 mit Hos 5,4 steht. Sind es in Hos 5,4 die Taten, die verhindern, dass Israel zu JHWH umkehrt ()ׁשוב, ist es in Hos 4,9 JHWH, der die Taten zu den Tätern zurückkehren lässt ( ׁשובHif.). Hos 4,9 greift somit nicht nur auf bereits zur Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Vergehen verwendeter Terminologie aus dem erweiterten Buchkern Hos 5–8 zurück, sondern repräsentiert eine Kompositionslinie, die über Hos 5,4 zu Hos 7,2 und Hos 8,13 verläuft. Zwischenergebnis Im Rahmen der dem wachsenden Hoseabuch vorangestellten neuen Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 wird das Priestertum als diejenige Gruppe identifiziert, die durch ihre eigene, bewusste Ablehnung der Erkenntnis und Weisung Gottes (vgl. Hos 4,6) auch das Volk von JHWH entfremdet und zu denselben Taten verleitet hat (vgl. Hos 4,8f). Dabei erweist sich die Formulierung von Hos 4,8 („ ;חטאת עמי יאכלוdie Sünde meines Volkes essen sie“) als eine Aussage, die in ihrer Kürze die Darstellung der falschen Opferpraxis aus Hos 8,11ff voraussetzt und auf diese rekurriert.165 Auf diese Weise ist es möglich, die in Hos 4,8 genannten Taten mit einer nur noch am eigenen Fleischgenuss orientierten Darbringung von Schlachtopfern zu identifizieren, die ihre Nachahmung beim Volk gefunden hat (vgl. Hos 4,8b). Sie stellen nach Hos 5,4 die Taten dar, die verhindern, dass Israel zu JHWH umkehrt ()ׁשוב. Hos 4,9 formuliert daher eine Reaktion JHWHs auf diese Taten, indem angekündigt wird, dass JHWH die Wege von Priestertum und Volk überprüfen ( )פקדund ihre Taten zu ihnen zurückkehren lassen wird ( ׁשובHif.).166 Anhand dieser terminologischen Rückgriffe, die zugleich im Rahmen von Hos 4,9 einer aktualisierenden Neuinterpretation erfahren, wie dies insbesondere für die Verwendung von ׁשובim Gegenüber zu Hos 5,4 der Fall ist, erweist sich Hos 4,9 als Bestandteil einer Kompositionslinie, die über Hos 5,4 zu Hos 7,2 und Hos 8,13 verläuft und dabei den israelitischen Zusammenhang ist Zeichen eines gerechten Gottes, der auf reziproken Ausgleich (Vergeltung) bedacht ist. 165 Vgl. Jeremias, Hosea, 67. 166 Jeremias, Hosea, 67 verweist darauf, dass die Ankündigung der reziproken Reaktion JHWHs dabei „aus Gründen des Stilzwanges (das Geschick zweier Gruppen wird identifiziert, vgl. Gen 18, 25; 44, 18 u. ö.) im Unterschied zum Kontext singularisch formuliert ist“.
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Kult als das Epizentrum identifiziert, das schlussendlich zum Untergang des Nordreichs führte. Damit bildet Hos 4,9 mit Hos 8,13 einen die Komposition Hos 4–8 umfassenden Rahmen, der die Rechenschaft einfordernde ( )פקדund die Taten zu den Tätern zurückwendende ( ׁשובHif.) Zuwendung JHWHs (Hos 4,9) mit der innerlich-gedenkenden ()זכר Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Schuld und der äußerlichüberprüfenden ( )פקדAuseinandersetzung JHWHs von Israels Sünden (Hos 8,13) verschränkt, die am Buchabschluss schließlich in der Rückkehr ( )ׁשובIsraels nach Ägypten als Revozierung der Landgabe und des Exodusgeschehens durch den Staats- und Landesgott JHWH resultiert (vgl. Hos 8,13b). 4.1.3.5 „Unzucht (treiben)“ in Hos 4,10–19 Von „Unzucht treiben“ ( זנהHif.; vgl. Hos 5,3b), „Unzucht“ ( ;זנותvgl. Hos 6,10b) und einem „Unzuchtsgeist“ ( ;רוח זנוניםvgl. Hos 5,4b) war bereits im Buchkern Hos 5–7 die Rede. Dabei zeigten sich zitatartige Übereinstimmungen zwischen Hos 5,3b und Hos 6,10b. Diese werden von Jeremias damit erklärt, dass es sich bei Hos 6,10–11a um einen Nachtrag handelt, der „zwei typische Wendungen der Generation Jeremias gebraucht, mit ihrer Hilfe den fast wörtlich zitierten Versteil aus 5,3b deutet“167. Bei den zwei jeremianischen Wendungen handelt es sich um „die Wurzel šʽr in der Bedeutung ‚abscheulich‘“168 sowie um „das Abstraktum zenût (‚Hurerei‘)“169.170 Nach Vielhauer spricht für die „literarkritische Ausscheidung von 6,10b die nahezu wörtliche Wiederaufnahme von 5,3b, die dem Nahkontext fremde kultische Terminologie זנה, ]…[ טמאsowie der relativ lockere Anschluß durch ׁשםentsprechend 6,7b“.171 Dabei zeigte sich,172 dass die Kategorie der „Unzucht“ in Hos 5,3f und in Hos 6,10b unterschiedliche kompositionelle Funktionen erfüllt. In Hos 5,3f ist sie von den Tradenten173 eng mit der Erkenntnisthematik verbunden worden. Dass Israel JHWHs vollständige Wahrnehmung nicht reziprok in der Anerkennung JHWHs erwidert ( )לא ידעוund nicht zu ihm umkehrt ( לׁשוב... )לא, wird mit Unzuchtstaten ( )זנהund einem Unzuchtsgeist ( )רוח זנוניםin 167
Jeremias, Hosea, 94. AaO, Anm. 23. 169 Ebd. 170 Nach Jeremias kann auch bezüglich Hos 4,11a von einem von Jeremia abhängigem Nachtrag ausgegangen werden (vgl. ebd.) 171 Vielhauer, Werden, 109, Anm. 75. 172 Vgl. Abschnitt 2.3.2. 173 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 60. 168
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Israel begründet. Dabei liegt der Formulierung „denn ein Unzuchtsgeist ist in ihrem Inneren/in ihrer Mitte“ ( כי רוח זנונים )בקרבםeine Körpermetaphorik zugrunde, die ihre Vorlage wohl in Hos 5,12 hat, in dem die Staaten Israel und Juda ebenfalls als Körper betrachtet werden.174 Indem die Tradenten in Hos 6,10b die zweiten Vershälfte von Hos 5,3 fast wörtlich zitieren bzw. beide derselben kultkritischen Ergänzungsschicht zuzurechnen sind,175 werden die Texte nicht nur in eine kompositionelle Leselinie gestellt, sondern zugleich die in Hos 6,7–9 genannten Vergehen – gleich der Vergehen in Hos 5,1b–2a – im Kult verortet bzw. mit kultischen Vergehen in Verbindung gebracht. In Hos 6,10b ist dabei jedoch keine explizite Verbindung zu der für Hos 5,3f zentralen und mit „( ידעwissen, kennen“) ausgedrückten Erkenntnisthematik vorgenommen worden. Stattdessen kommt Hos 6,10b im Rahmen von Hos 6,7–7,12 die kompositionelle Funktion zu, die zuvor bereits unter dem Stichwort „Abscheuliches“ (ׁשערוריה, Qere) subsumierten Vergehen kultisch zu begründen.176 Auf diese Weise wird nicht nur eine Verbindung zu der Kultkritik von Hos 6,1–6 hergestellt, sondern zugleich Hos 7,1–12 ebenfalls als Ausdruck der kultischen Abwendung vom eigenen Landesgott lesbar – eine kompositionelle Leselinie entsteht, die über Hos 5,3f und Hos 6,10b unterschiedliche Kompositionsabschnitte miteinander verbindet, die Abwendung Israels im Kult verankert (vgl. Hos 7,4).177 Eine terminologische Übereinstimmung lässt sich auch zwischen Hos 5,4b und Hos 4,12b beobachten, den einzigen beiden Halbversen im Hoseabuch, in denen von einem „( רוח זנוניםUnzuchtsgeist“) die Rede ist. Nach Vielhauer handelt es sich u. a. bei Hos 4,12b; 5,3–4 und Hos 6,10b um „einige Zusätze in Hos 4,1–9,9 [Hos 4,12b.16–19; 53– 4; 6,10b; 7,4; 9,1–2.5), die Hos 2 in mehreren Schüben enger mit dem literarischen Kern verbinden“178. Mit Vielhauer können beide Belege zu Texten dieser Fortschreibungswelle gerechnet werden, in deren Rahmen die „Hinwendung des Volkes zu JHWH im Kult als hurerische Hinwendung zu anderen Göttern gedeutet [wird]“179.180 174
Anders Jeremias, Hosea, 69, der von „dem Wirken einer widergöttlichen Macht“ spricht. 175 Vgl. Vielhauer, Werden, 227. 176 Vgl. Jeremias, Hosea, 94, Anm. 23, der Hos 6,10–11a (und 4,11a) für einen von Jeremia abhängigen Nachtrag hält. 177 Vielhauer, Werden, 227 rechnet aus diesem Grund Hos 7,4 derselben kultkritischen Ergänzungsschicht zu; Hos 7,7 sieht er hingegen als einen Bestandteil der ursprünglichen Grundschicht des Hoseabuches (Hos 5,1–2; Hos 6,6–7,12) an (vgl. aaO, 226). 178 AaO, 227. 179 Vielhauer, Werden, 109.
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Während in Hos 5,3f der Unzuchtsgeist in Israels Inneren/Mitte Ausdruck und Folge der mangelnden Erkenntnis und Anerkennung JHWHs ist,181 wird in Hos 4,12b das Vorhandensein und die Wirkung des „Unzuchtsgeistes“ in Israel mit konkreten kultischen Praktiken (vgl. Hos 4,11–14) in Verbindung gebracht. Die Fortführung von Hos 4,12bα in Hos 4,12bβ zeigt, dass diese als Ausdruck einer Abwendung von JHWH gedeutet werden (Hos 4,12bβ: ויזנו מתחת )אלהיהם.182 Deutlich wird, dass an beiden Stellen nicht eine Besessenheit Israels formuliert wird, anhand derer die Verantwortung für die eigenen Taten geleugnet werden könnte, sondern der Geist ( )רוחdas Personenzentrum bzw. die Geisteshaltung183 in Israels Mitte bezeichnet. In der Kultkritik des neuen Kompositionsabschlusses Hos 8,1–13(.14) wird das Stichwort der Unzucht nicht verwendet. Stattdessen werden die Mehrung von Altären, das Desinteresse an der Weisung JHWHs und die Darbringung von Schlachtopfern kritisiert, die nicht der Herstellung der Mahlgemeinschaft mit JHWH, sondern der Befriedigung eigener Fleischgelüste dienen (vgl. Hos 8,11–13a). In der Kultkritik von Hos 4,10–19 wird beides kombiniert: Die Schilderung konkreter Kultpraktiken, die als Ausdruck der Abwendung von JHWH gedeutet werden und in deren Rahmen auch die Darbringung von Schlachtopfern aktualisierend thematisiert wird (vgl. Hos 4,13f.19) und die Kategorisierung dieses Verhaltens als Ausdruck von Unzucht. Dabei werden die unspezifischeren Unzuchtstaten aus Hos 5,3f und 6,10b seitens der Tradenten mit einer kultisch vollzogenen Untreue identifiziert, die ihren Ausdruck in den Riten von Hos 4,11–14 (insbesondere V.14) gefunden hat.
180
Nach Vielhauer, Werden, 108f ist dabei zunächst Hos 5,6–7 ergänzt worden, bevor eine Erweiterung des Textes durch Hos 5,3–4 vorgenommen wurde. Beide Abschnitte rechnet er zu verschiedenen kultkritischen Textgruppen (vgl. ebd.; Gruppe 1: Hos 4,4–10*.11–14*; 5,6–7; 7,13–16; 8,1–3*.11f), die bereits Hos 4,1–2; 5,15–6,4.6; 9,3–4a.6.7–9 voraussetze; Gruppe 2: Hos 2*; 4,12b.16–19; 5,3–4 – auf die Politik gewendet zudem Hos 6,10b und Hos 7,4 – sowie Hos 9,1–2.5), die jedoch im Zuge derselben Fortschreibungswelle ergänzt worden seien, vgl. aaO, 120. 181 Vgl. Wolff, Wissen um Gott, 195: „Man wird die copula der zweiten Satzhälfte kausal oder avdersativ auflösen können. Der Sache nach geht der Mangel an דעתdem Hurenwesen voran, so gewiß V. 4 a von der Rückkehr zu Jahwe spricht“ (Hervorhebung im Original). 182 So auch Vielhauer, Werden, 108, Anm. 162, der zu Hos 4,12b schreibt: „Der Halbvers überträgt das ‚Huren‘ ( )זנהin kultischen Praktiken, wie es in der Grundschicht als Ausdruck mangelnder Gotteserkenntnis angeprangert wird, auf das Gottesverhältnis“. 183 Vgl. die Redeweise in Ps 78,8.
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Der V.11–14 umfassende Abschnitt ist der Schilderung der kultischen Vergehen des Volkes und JHWHs (ausbleibender) Reaktion auf diese gewidmet. V.11 wird dabei u. a. als „ein allgemeiner Satz von sprichwörtlichem Charakter“184 und als „Weisheitswort“185 bezeichnet und leitet zu den kultischen Vergehen des Volkes über. Im Rahmen von V.11 wird dabei bereits vor der Nennung der eigentlichen kultischen Vergehen die Selbstentmündigung des Volkes durch übermäßigen Alkoholgenuss geschildert.186 Während dabei in V.8a von der Sünde ( )חטאתdes Volkes die Rede war, wird dieses Wort im Rahmen von V.11–14 nicht zur Bezeichnung des Verhaltens des Volkes verwendet. Darüber hinaus liegen mit V.11, V.12bα und V.14a Formulierungen vor, denen man, wenn nicht eine schuldentlastende, so doch eine erklärende Funktion für den Zustand des Volkes zusprechen kann. Betrachtet man V.11 zusammen mit V.14 als Rahmen der Einheit, so entsteht der Eindruck einer gewissen Tragik, da das Volk, indem es sich von Wein ( )ייןund Most („ )תירוׁשdas Herz nehmen“ lässt, d. h. es die Fähigkeit zum logischen Denken verliert (V.11), zu einem unverständigen Volk (לא־יבין, „ohne Verstand/Einsicht“) wird und zu seinem eigenen Fall beiträgt (V.14b). In V.12–13 schließt sich die Schilderung kultischer Vergehen des Volkes an. Dabei wird in V.12a durch die Verwendung von Suffixen die eigentliche Zugehörigkeit des Volkes zu JHWH (עמי, „mein Volk“) und die tatsächliche Zugehörigkeit der genannten Gegenstände zum Volk (עצו, „ihr Holz“; מקלו, „ihr Stab, Stock, Zweig“) miteinander kontrastiert und auf diese Weise verdeutlicht, dass diese Gegenstände in keiner Relation zu JHWH stehen. Holz und Stab werden angesichts der Verwendung des Terminus technicus „( ׁשאל בbefragen“) in der exegetischen Forschung mehrheitlich als Gegenstände von Orakelpraktiken betrachtet.187 Wie die Belegstellen 184
Rudolph, Hosea, 110. Willi-Plein, Vorformen, 133. 186 Vgl. Jes 28,7; mit Rudolph, Hosea, 110 kann vermutet werden, dass mit V.11 ein Sprichwort aufgenommen wurde und sich die sprachlichen Besonderheiten des Verses – „nicht nur זְנּותstatt des sonst von Hosea gebrauchten ( זְ נּונִ יםdoch s. 6,10), sondern auch die Unterscheidung von ַייִן und תירֹוׁש, ִ die sich im ganzen AT außer Mi 6,15 (falls der Text richtig ist) nur hier findet“ – von daher erklären lassen. 187 Vgl. Bons, Hosea, 74; Nogalski, Hosea, 77 schreibt. „Hoses 4,12 accuses the people of consulting idols“; Wolff, Hosea, 105, spricht von „Orakelspender[n]“; auch Jeremias, Hosea, 69 deuten die Gegenstände als Bestandteile von kanaanäischen Orakelpraktiken, die wie auch „die priesterliche Orakeleinholung mittels ‚Efod und Terafim‘“ inhaltlich jedoch nur schwer bestimmbar seien; Rudolph, Hosea, 110 spricht sich dabei explizit gegen eine sexuelle Deutung von „Holz“ und „Stab“ aus und zieht 185
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zeigen, an denen JHWH das Objekt einer Befragung ist,188 wird in Hos 4,12 nicht eine Orakelpraxis an sich als illegitim betrachtet, sondern die Objekte, die von Israel im Rahmen der Orakelpraktiken befragt werden und denen jeglicher JHWH-Bezug189 fehlt. Angesichts der Reduzierung beider Gottheiten190 auf ihr Material (עצ, „Holz“) bzw. ihre Form (מקל, „Stab, Stock, Zweig“) wird im Rahmen von V.12 eine „Entmythisierung der kanaanäischen Kultobjekte“191 vorgenommen. Indem sie auf ihre unbelebte Gegenständlichkeit – vergleichbar jedem anderen Artefakt – reduziert werden, wird nicht nur ihre „Ungöttlichkeit“ und Machtlosigkeit, sondern zugleich die wahre Lebendigkeit und Wirkmacht JHWHs hervorgehoben. Beides umso mehr, als JHWH im Rahmen der Gottesrede als sprechendes Subjekt von V.12 dargestellt wird. Im Unterschied zu den anderen alttestamentlichen Belegstellen192 mit JHWH als Objekt der Befragung fällt zudem auf, dass weder der Anlass der Befragung, noch eine Antwort der befragten „Gottheiten“ in V.12 geschildert wird. Auch auf diese Weise wird die Sinnlosigkeit der Befragung ersichtlich gemacht. Strukturell und inhaltlich weist V.12b Ähnlichkeit zu der Begründung von V.10b auf. Während jedoch in V.10a zunächst das Ergehen und dann die das Ergehen begründende Tat (V.10b) geschildert werden, wird in V.12a zunächst die Tat und in V.12bα eine – zunächst schuldentlastend wirkende – Begründung für ihre Tat genannt, bevor sich in V.12bβ die (klagende?) Feststellung der Folge aus ihrem Verhalten – die Abkehr von JHWH – anschließt. Durch die Verwendung von Hif. תעה („verführen, in die Irre führen“) wird das Volk zunächst als Objekt einer Verführung dargestellt. Wie ein Vergleich mit den anderen Belegstellen von Hif. תעהzeigt, handelt es sich dabei zumeist um in Betracht, dass „V.12aα auf Baumorakel oder die Befragung von Götterbildern, V.12aβ auf Rhabdomantie [d. h. Orakel durch das Werfen hölzerner Stäbe] gehen kann“. 188 Vgl. alle unter Anm. 149 genannten Belegstellen. 189 Vgl. insbesondere Num 27,21; 1Sam 28,6. 190 So vermutet Nogalski, Hosea, 77, „idols“; Wolff, Hosea, 104, „den Kultpfahl Aschera“, „das Gottesbild nach Art der Teraphim“ oder „einen Orakelbaum“, die sich hinter den Bezeichnungen „Holz“ und „Stab“ verbergen. 191 Wolff, Hosea, 104. 192 Interessanterweise wird der Terminus technicus „( ׁשאל בbefragen“) mit JHWH als Objekt nur in den Geschichtsbüchern des Alten Testaments verwendet; in der Weisheitsliteratur ist selten von einer Befragung einer Gottheit die Rede und wenn, so wird die Formulierung ׁשאל מןbevorzugt (vgl. Ps 21,5; 27,4; Spr 30,7). In der prophetischen Literatur findet sich ב „( ׁשאלbefragen“) in Ez 21,26 und Hos 4,12, ׁשאל מןin Jes 7,11 und Sach 10,1.
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eine Verführung, die von Menschen in Führungspositionen ausgeht – seien es Könige,193 Priester,194 Richter oder Beamte195 – und dabei gegen das Volk von Israel gerichtet ist. In V.12bα wird jedoch stattdessen ein „Unzuchtsgeist“ ( )רוח זנוניםals Subjekt der Verführung Israels genannt. Diese Formulierung findet sich nur in Hos 4,12 sowie in Hos 5,4.196 Mit einem Verweis auf einen „Geist“ ( )רוחist alttestamentlich u. a. die Geisteshaltung197 gemeint und bezeichnet die Einstellung, durch die ein Verhalten geprägt ist.198 In diesem Sinne stellt V.12bα keine schuldentlastende Aussage dar, sondern zeigt die Israels Verhalten prägende Geisteshaltung der Untreue auf, mit der sie sich selbst in die Irre führen, d. h. von JHWH abwenden (V.12bβ) und zu Fall bringen (V.14b). Entsprechend der in V.12bα gewählten Unzuchtsmetaphorik zur Beschreibung der Untreue Israels gegenüber JHWH wird auch in V.12bβ die von ihnen aufgrund ihrer Untreue vollzogene Abwendung von JHWH mit einer Unzuchtsmetaphorik beschrieben: „( יזנו מתחת אלהיהםSie huren weg von unter ihrem Gott“)199. Mit „( תחתunter, unterhalb“) bzw. der Doppelpräposition „( מתחתausgehend von unten, unterhalb“) wird zunächst eine grundsätzliche Verortung im Raum vorgenommen. Diese kann wörtlich gemeint sein, jedoch auch im übertragenen Sinn verwendet werden und ein Herrschaftsverhältnis bezeichnen, von dem jemand (als Untertan) befreit wird bzw. sich selbst löst. Letztgenannte Bedeutung scheint dabei auch in V.12bβ vorzuliegen. V.13 präzisiert im Anschluss, durch welche Formen von Untreue sich das Volk von JHWHs Herrschaft löst. V.13a vermisst dabei den Schuldraum in der Vertikalen (V.13aα) durch den Bezug auf Berge bzw. Anhöhen (על־ראׁשי ההרים, „auf den Spitzen der Berge“; על־ הגבעות, „auf den Hügeln“) und in der Horizontalen (V.13aβ) durch den Bezug auf die schattigen Orte unter Bäumen ( תחת אלון ולבנה ואלה, „unter Eiche und Pappel und Terebinthe“).200 Während Gipfel 193
Vgl. 2Kön 21,9; 2Chr 33,9. Vgl. Ez 44,10; 48,11. 195 Vgl. Am 2,3f. 196 Vgl. Am 2,4 (jedoch ohne Erwähnung von רוח, „Geist“) sowie die Exegese zu Hos 5,4. 197 Vgl. u. a. Ps 78,8; Spr 17,22. 198 Vgl. u. a. Num 5,14; Dtn 34,9; Jes 4,4; 11,2; 29,10. 199 So auch Rudolph, Hosea, 106; Wolff, Hosea, 87 übersetzt, „dass sie sich treulos von ihrem Gott wegwenden“ bzw. „sie von ihrem Gott weghuren“ (aaO, 105); Jeremias, Hosea, 64 übersetzt: „so haben sie sich um der Unzucht willen von ihrem Gott abgewandt“. 200 Wolff, Hosea, 106 rechnet die genannten Bäume als „heilige Bäume“ zum „Inventar“ der Höhenkulte; Rudolph, Hosea, 111 weist jedoch darauf 194
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„wegen ihrer größeren Nähe zum Himmel in vielen Religionen, so auch in denen Palästinas, als Orte, an denen Gottheiten wohnen und […] zu verehren sind, [galten]“201 und daher für Kultorte (במה, „Höhenkult“) gewählt wurden,202 galt ähnliches von imposanten Bäumen203, die „als Zeichen der ‚Nähe‘ des Göttlichen“204 betrachtet und denen ein „numinoser Charakter“205 zugesprochen wurde. In ihrer Umgebung wurden daher sowohl Grab- oder Kultstätten angelegt, als auch wichtige Ereignisse206 vollzogen. Dass sich V.13a auf einen gewohnheitsmäßig praktizierten Kult an den genannten Orten bezieht, macht die Verwendung der iterativen Imperfektformen des Pi. von „( זבחSchlachtopfer darbringen“) sowie von ( קטרeine Opfergabe in Rauch aufsteigen lassen)207 in V.13aα deutlich. Die Verwerflichkeit dieser Opfer wird nicht aus V.13, sondern nur hin, dass „nicht gesagt ist, daß diese Bäume immer auf den Bergen stehen müßten (V. 13aα kann in asyndetischer Koordination zu aβ stehen)“. 201 Bons, Hosea, 75; die Formulierung „auf den (hohen) Bergen, auf den Hügeln und unter jedem grünen Baum“ (vgl. Dtn 12,2) wird alttestamentlich zur Bezeichnung von Fremdkulten verwendet. 202 Vgl. u. a. Jos 8,30 (JHWH); 1Kön 11,7 (Fremdgötter); 2Chr 21,11 (Fremdgötter); 33,15 (Fremdgötter); Jes 57,7 (Fremdgötter); 65,7 (Fremdgötter). 203 Zu diesen zählt vor allem die in Hos 4,12 erwähnte Eiche (אלון/)אלה, womit die Kalliprinos-Eiche (Quercus calliprinos Webb) bzw. die laubwechselnde Tabor-Eiche (Quercus ithaburensis Decne) gemeint sein kann, vgl. Maiberger, Art. Eiche, NBL II, 488; nach Dalman, AuS 1, 66, handelt es sich bei אלהjedoch um eine Terebinthe (Pistacia palaestina), da „laubwechselnde Eichen in Südpalästina selten sind“; auch bzgl. לבנה besteht keine Einigkeit, ob es sich bei diesem Baum um eine Silberpappel (so Rudolph, Hosea, 111) oder um einen Storax (so Wolff, Hosea, 107) handelt. Mit Dalman, AuS 1, 67 scheint jedoch der Ansicht Wolffs mehr Wahrscheinlichkeit zuzukommen, da der Storax „im palästinischen Berglande allenthalben wächst und zusammen mit Eichen und Terebinthen waldbildend auftritt“, während die „Silberpappel (Populus alba, ar. ḥōr) […] in Palästina vielleicht nur bei bāniās heimisch ist und sonst nur gepflanzt vorkommt“. 204 Bons, Hosea, 76. 205 Silberstein, Die Pflanzen im Alten Testament, 47. 206 Vgl. Jos 24,26 (Vertragsschluss); Ri 4,5 (Gerichtsort); 9,6 (Krönungsort). 207 Nach Clements, Art. קטר, 13 war die mit Pi. קטרausgedrückte Darbringung von Rauchopfern „fundamentale Aufgabe der Priesterschaft“; dabei wurde „das Feuer als ein Mittel [betrachtet], das die Kraft einer Opfermaterie an die Gottheit zurückvermitteln konnte“; als Opfermaterie kamen Teile (z. B. das Fett) von Tieren oder ganze Tiere sowie Pflanzen bzw. Pflanzenanteile (in verarbeiteter und unverarbeiteter Form) in Frage, vgl. u. a. Lev 2,1f.25f; 16,25; 1Sam 2,15; nach Bons, Hosea, 75 sollte die Gottheit durch die Zurückvermittlung „neue Kräfte erlangen und darum die Fruchtbarkeit des Landes gewähren“; so auch Jeremias, Hosea, 70, der auf das „urtümlich magisch[e] Verständnis“ hinter dieser Vorstellung aufmerksam macht.
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kontextuell deutlich. So handelt es sich bei V.13a um eine Explikation der in V.12 als „Unzucht“ bezeichneten kultischen Untreue Israels gegenüber JHWH, aus der zugleich die (real vollzogene?)208 Untreue der Töchter (זנה, „Unzucht treiben“) und der Schwiegertöchter (נאף, „ehebrechen“) in V.13b abgeleitet ()על־כן wird.209 Die in V.13a geschilderten Kultpraktiken werden ohne Benennung von Objekten geschildert.210 Angesichts der Untreuethematik des Abschnitts wird auf diese Weise verdeutlicht, dass der praktizierte Kult nicht als ein Kult im Dienste JHWHs betrachtet wird.211 Wie das Objekt, dem die Opfer dargebracht werden, wird auch die Intention, mit der die Opfer dargebracht werden, nicht genannt, so dass nur grundsätzliche Aussagen über den Sinn der in V.13a beschriebenen Opfer getroffen werden können. Da die genannten Opfer als Gaben an eine Gottheit fungieren, zielen sie im Sinne der Gaben-Ökonomie auf einen von der Gottheit ausgehenden Ausgleich der Opferhandlung.212 Während dabei das Schlachtopfer eine Einladung an die Gottheit zur (Mahl-)Gemeinschaft darstellt, an der die Opfernden auch selbst partizipieren durften (Vgl. V.8a; V.10aα), ist das Rauchopfer an der Versorgung der Gottheit allein interessiert und ist dabei getragen von der Hoffnung, dass auch die Gottheit sich versorgend bzw. fruchtbarkeitschenkend dem Opfernden, seinem Land und Besitz zuwenden wird.213 Kontextuell betrachtet kann der 208
So mit Nogalski, Hosea, 78: „A transitional marker, ‚therefore‘, abruptly signals the shift from metaphorical to literal prostitution“; zum Nebeneinander von Aussagen unterschiedlichen Abstraktionsgrades in V.12–14 vgl. Stark, Kultprostitution, 165ff, insbesondere 172: „[…] bezüglich des unzüchtigen und beziehungsbrecherischen Verhaltens [verschwimmt] die Grenze zwischen Bild und Realität“. 209 Belegstellen aus dem DtrG (1Kön 3,3; 22,44; 2Kön 12,4; 14,4; 15,4.35; 16,4; 17,11; 18,4; 22,17; 23,5.8; 2Chr 25,14; 28,4) und der späten prophetischen Literatur (Jes 65,7; Jer 1,16; Hos 11,2) machen die Kritik an diesem „frühisraelitischen Kult und Brauchtum“ deutlich, welches, „entsprechend dem religiösen Fortschritt, in zunehmenden Maß abgelehnt, verdrängt und verurteilt [wurde]“ (Silberstein, Die Pflanzen im Alten Testament, 45). 210 Vgl. Hos 11,2; in Hos 11,2 werden die Baale ( )בעליםals Empfänger der Schlachtopfer und die Götterbilder ( )פסליםals Empfänger der Rauchopfer genannt. 211 Varianten der in V.13aα vorliegenden Formulierung finden sich auch in Dtn 12,2; 2Kön 16,4; 2Chr 28,4 und Jes 65,7; an allen genannten Stellen wird kein Objekt benannt, kontextuell jedoch die Illegitimität dieser Kultpraktiken durch die Erwähnung ihrer Ablehnung durch JHWH deutlich gemacht. 212 Vgl. zur Thematik u. a. Mauss, Gabe; Godelier, Was Mauss nicht gesagt hat, 191ff. 213 Vgl. Bons, Hosea, 75.
212
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Verzicht auf die Nennung der Gottheiten und der Darbringungsintention auf die starke Orientierung der Opfernden an ihren eigenen Interessen und ihrem eigenen Verlangen (V.8; V.10b; V.11; V.13aβ) zurückgeführt werden. Dabei scheint der Vollzug der Opferhandlungen an schattigen214 Plätzen (V.13aβ) mitsamt der Befriedigung der „Fleischgelüste“ unterschiedlicher Provenienz bereits fast alle Erwartungen zu erfüllen, die von dem Vollzug der Kultpraktiken erhofft werden (Versorgung, Fruchtbarkeit). Ein solcher Opferkult muss von den Teilnehmenden daher bereits in seinem Vollzug als reziprok wahrgenommen werden. Die iterativen Imperfektformen des Pi. verdeutlichen dabei die Regelmäßigkeit dieser Opferpraxis und in diesem Sinne auch des reichlichen Fleischkonsums und der Sexualkontakte. Versteht man die Aussagen als Beschreibungen realer Vorgänge, so dürften die Sexualkontakte bereits aufgrund ihrer Häufigkeit in einer Zunahme an Schwangerschaften resultiert haben, die als „Fruchtbarkeitssegen“ wahrgenommen werden konnten.215 Dass dabei von den Opfernden außer Acht gelassen wird, dass es sich bei den Opfergaben, die von ihnen dargebracht und selbst genossen werden, um die Gaben des Landes JHWHs handelt, stellt den implizierten Vorwurf der Verse dar. Doch statt des Entzugs wird im Rahmen von V.10a das Ausbleiben der Sättigung (V.10aα) und der Fruchtbarkeit (V.10aβ) von JHWH her angekündigt, d. h. es wird die von JHWH ausgehende Durchkreuzung der von den Opfernden im Rahmen des Kults wahrgenommenen „funktionierenden Reziprozität“ angekündigt. Während V.13a dabei illegitime Kultpraktiken thematisiert, benennt V.13b illegitime Sexualkontakte der Töchter und Schwiegertöchter216 einer mit Suffixen der 2.m.sg. angesprochenen Gruppe. Indem V.13b mit „( על־כןdarum, deshalb“) an V.13a anschließt, wird dabei zwar eine logische Ableitung der illegitimen Sexualkontakte der Töchter und Schwiegertöchter aus den zuvor geschilderten kultischen Praktiken vorgenommen, ihre Tätigkeiten der Unzucht ( )זנהund des Ehebrechens ( )נאףjedoch nicht explizit auch im Rahmen dieser 214
Die in V.13 angeschlossene Begründung „( כי טוב צלהdenn gut/angenehm ist ihr Schatten“) benennt dabei diejenige Eigenschaft der Bäume, die das Aufsuchen von ihnen für die Opfernden erstrebenswert macht: „Hier tritt urspr. reine Zweckbestimmung qualitativer und quantitativer Art in den Vordergrund“ (Höver-Johag, Art. טוב, 318). Auch bezüglich des gewählten Ortes steht daher die Satisfaktion der Opfernden im Vordergrund. 215 Vgl. Engelken, Frauen, 97ff; von Weiher, Schwangerschaft, 117ff. 216 Vgl. Wolff, Hosea, 107, wonach es sich bei ‚„ כלהum die aus dem Stand der Jungfrau durch die Heirat in den der Ehefrau übergehende Braut‘“ [handelt], die der paterna potestas des Schwiegervaters unterstellt wird“ (das Zitat in Wolffs Zitat stammt von Rost, Erwägungen zu Hosea, 453).
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kultischen Praktiken verortet. Aus diesem Grund ist es prinzipiell auch möglich, V.13b als Schilderung der sich in der Sozialsphäre ausbreitenden Untreue zu deuten, die sich aus der kultisch vollzogenen Untreue gegenüber JHWH (V.10; 13a; V.14aβ.γ) ergibt.217 „( זנהUnzucht treiben“) kann dabei jegliche Form von illegitimen Geschlechtsverkehr, aber auch den Vollzug von Geschlechtsverkehr gegen Bezahlung („sich prostituieren“) bezeichnen,218 „( נאףehebrechen“)219 hingegen nur den Ehebruch220. Während זונהstets eine Prostituierte beschreibt,221 muss bezüglich des Verbs זנהvon einem größeren Bedeutungsspektrum ausgegangen werden, so dass sich im Anschluss an Miller die Wiedergabe mit „Unzucht treiben“ statt mit „sich prostituieren“ empfiehlt.222 Aufgrund des Doppelstandards der patriarchalen Gesellschaft Israels war jeder Sexualkontakt einer verheirateten Frau außerhalb ihres eigenen Ehebundes illegitim, d. h. Unzucht ( )זנהund zugleich ein Ehebruch ()נאף. Der außereheliche Geschlechtsverkehr eines verheirateten Mannes war hingegen nur dann ein Ehebruch ()נאף, wenn er mit der Ehefrau eines anderen Mannes vollzogen wurde.223 Als Subjekte von Unzucht ( )זנהwerden in V.13f die Töchter und als die Subjekte von Ehebruch ( )נאףdie Schwiegertöchter/Verlobten 217
Diese Deutung wird in der exegetischen Forschung bisher kaum in Betracht gezogen; so sieht u. a.Wolff, Hosea, 107, „das Nebeneinander von Opfermahlzeiten und Sexualriten“ in Hos 5,6f; Ez 18,6.11.15; 22,9; Jes 57,5.7 und Spr 7,14ff bezeugt; während in Jes 57,5.7 weder die Tätigkeiten Unzucht treiben ()זנה, noch Ehebrechen ( )נאףauf das geschilderte Verhalten angewandt werden, sondern nur die Herkunft der Angesprochenen auf solche Verhaltensweisen zurückgeführt wird (vgl. Jes 57,3), legt sich die von Wolff vertretene Deutung weder für den Beleg im Hoseabuch (Hos 5,6f), noch für die Ezechielbelege oder den Beleg im Sprüchebuch nahe; im Gegenteil scheinen gerade die Ezechielbelege das Nebeneinander von kultischer und sozialer Untreue zu thematisieren (vgl. Ez 18,5–9) und auch in Spr 7,14 scheint vorausgesetzt, dass der Ehebruch im Rahmen der Sozialsphäre – im Haus des Ehemannes – vollzogen wird (vgl. Spr 7,11.19.21); auch Jeremias, Hosea, 70 geht von „kanaanäische[n] Fruchtbarkeitsriten“ und „Sexualriten“ aus; so auch Nogalski, Hosea, 78, der schreibt: „The prostitution in this section likely reflects cultic rituals and/or the use of prostitution to fulfill religious vows“; vorsichtiger äußert sich Bons, Hosea, 75, der von „sexuellen Kontakten“ spricht, diese jedoch auch im JHWH-fremden Kult verortet: „Daß sich bei den gottesdienstlichen Feiern auf den Kulthöhen beides, Kult und sexuelle Kontakte, miteinander verbinden, scheinen die nächsten Sätze anzudeuten“. 218 Vgl. Miller, Critical Response, 503f. 219 Vgl. u. a. Lev 20,10; Spr 6,32. 220 Freedman-Willoughby, Art. נאף, 125. 221 Vgl. aaO, 503. 222 Vgl. aaO, 503f. 223 Vgl. Miller, Critical Response, 505.
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genannt. Somit sind sowohl noch nicht verlobte/unverheiratete Frauen gemeint, die sich noch im Haus ihres Vaters befinden und denen illegitime Sexualkontakte vorgeworfen werden, als auch verlobte/verheiratete Frauen, die sich bereits in einem Ehebund befinden und denen daher der Ehebruch vorgeworfen wird. Die Illegitimität der Tätigkeiten verdeutlicht dabei den Zusammenbruch der auf Gemeinschaftstreue basierenden Gesellschaftsordnung Israels als Folge des Verlustes der Gemeinschaft mit JHWH im Kult. Indem das Verhalten der Frauen jedoch in V.14 auf das Verhalten der für sie verantwortlichen Vätergeneration bzw. Männer zurückgeführt wird, werden diese als die Verantwortlichen für den gesellschaftlichen Verfall des Volkes und des Beziehungsabbruches zu JHWH identifiziert. Die Unzucht224 der Töchter und der Ehebruch der Verlobten/Schwiegertöchter wird in V.14aβ.aγ damit begründet, dass eine 3.m.pl.-Gruppe (V.14aβ, הם, „sie“) ihnen ein entsprechendes „Vorbild“ ist,225 indem sie sich mit den Prostituierten ()הזנות absondern (Pi. )פרד226 und mit den Qedeschen ()הקדׁשות Schlachtopfer darbringen. Von V.14a wird deutlich, dass beide Formen des in V.13b geschilderten Geschlechtsverkehrs grundsätzlich als illegitime Verbindungen betrachtet wurden und unter normalen Umständen ein kritisches Überprüfen ( )פקדJHWHs nach sich gezogen hätten. Dass dies nicht der Fall ist, wird in V.14aβ.γ mit dem Verhalten der Väter und Schwiegerväter begründet. Dabei weist der Text in V.13a und V.13b und V.14aα und V.14aβ.aγ eine A-B-A‘-B‘-Struktur auf: Während aus der kultischen Untreue der Männer (V.13a) die Untreue der ihrer Vormundschaft unterstellten Frauen (V.13b) abgeleitet wird, werden diese gemäß V.14aα von JHWH aufgrund ihrer Untreue explizit nicht zur Rechenschaft gezogen ()לא פקד, da sie in ihrem Verhalten nur dem Vorbild der Männer (V.14aβ, )הםgefolgt sind. Da sich eine unverheiratete Frau unter der Vormundschaft ihres Vaters und eine verheiratete Frau unter der Vormundschaft ihres Ehemannes befand,
224
Bons, Hosea, 76, deutet V.13 זנהals „sich prostituieren” und meint daher, die geschilderte Tätigkeit der Töchter relativieren zu müssen: „Von einer berufsmäßigen Prostitution ist aber nicht die Rede!“. Diese Relativierung ist jedoch unnötig, wenn man זנהmit „Unzucht treiben” übersetzt und somit ein breiteres Bedeutungsspektrum als „sich prostituieren” annimmt, vgl. Miller, Critical Response, 504. 225 Vgl. auch V.10. 226 Die so umschriebene Tätigkeit kann als Andeutung des Vollzugs von Geschlechtsverkehr verstanden werden, wobei Jeremias, Hosea, 71 darauf hinweist, dass die Bedeutung des Verbs Pi. „ פרדnicht ganz sicher [ist]“.
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werden die Männer daher für das Verhalten der Frauen verantwortlich gemacht.227 Prostitution war zwar kein anerkanntes Gewerbe, sie war aber auch nicht verboten.228 Wenn daher die Absonderung der Männer mit den Prostituierten ein illegitimes Verhalten bezeichnen soll, muss es sich bei V.14a um die Schilderung eines im Rahmen des Kults vollzogenen Vergehens handeln.229 Auf ein solches kultisches Vergehen kann auch die Parallelisierung von Prostituierten mit Qedeschen in V.14 hindeuten.230 Die Praktiken, die die Männer mit diesen Frauen im Kult vollziehen,231 werden dabei als Ausdruck der Untreue gegenüber JHWH betrachtet.232 Als Folge aus dem in V.12– 14a geschilderten Verhalten kann V.14b gelesen werden, der mit einem Rückbezug auf V.11 die Subjekte der geschilderten Verhaltensweisen subsumierend als „( עם לא־יביןVolk ohne Einsicht/Verstand“) bezeichnet. Einem solchen Volk wird angekündigt, dass es zu Fall kommen, d. h. im wahrsten Sinne des Wortes keinen Bestand haben wird.233 227
Vgl. zur sozialen und rechtlichen Stellung der Frau im alten Israel u. a. Marsman, Women; Meyers, Discovering. 228 Vgl. aaO, 127. 229 Im Anschluss an Miller, Critical Response, 506. 230 Dabei ist nach wie vor ungeklärt, welche Funktion die Qedeschen im Kult hatten, vgl. Stark, Kultprostitution, 208, die zwar eine „Anlagerung des Hurerei-Gedankens in den Kontexten zu weiblichen Qedeschen“ feststellt, zugleich jedoch auch darauf verweist, dass „die biblischen Texte […] den Verdacht der Kultprostitution als Tätigkeit der Qedeschen nicht [bestätigen]“; zur Frage des Verhältnisses zwischen den in V.14 genannten Prostituierten ( )זנותund Qedeschen ( )קדׁשותvgl. zudem Adams, Metaphor and Dissonance, 291–305 und die Erwiderung von Miller, Critical Response, 503–506. 231 Vgl. Freedman-Willoughby, Art. נאף, 125. 232 Die Frage, ob es Kultprostitution im alten Israel gab, wird kontrovers diskutiert; zu den Vertretern, die mit Kultprostitution im alten Israel rechnen, zählen u. a. Freedman/Willoughby, aaO, 127, die davon ausgehen, dass „die prophetische Verurteilung des Ehebruchs von Israel und Juda sich keineswegs nur auf den geistigen Ehebruch der Götzenverehrung [bezieht], sondern auch auf den realen Ehebruch der Kultteilnehmer, die sich im kanaanäischen Fruchtbarkeitskult der kultischen Prostitution hingeben. […] Diese enge Verbindung zwischen dem Geschlechtsverkehr der Anhänger und der Verehrung kanaanäischer Götter mit dem Ausschluß JHWHs erklärt, warum die prophetische Bewegung nā’ap und seine Derivate benutzte, um Israels Untreue zu bezeichnen”; vorsichtiger äußert sich u. a. Miller, Critical Response, 506, der auch die Möglichkeit in Betracht zieht, dass der Vorwurf kultischer Prostitution keinen Realitätsbezug hatte, sondern Bestandteil eines „polemical package” (ebd.) war. 233 Aus dieser argumentativen Logik ergibt sich vielleicht auch die Ankündigung, dass aus dem Ehebruch keine (erwünschten) Kinder als Zeichen der reziprok von der Gottheit gewährten Fruchtbarkeit hervorgehen
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Mit V.15234 beginnt ein neuer Abschnitt in Hos 4, der die V.15–19 umspannt235 und sich zunächst im Rahmen einer Gegenüberstellung an die personifizierten Staaten Israel (V.15aα) und Juda (V.15aβ) richtet. Dieser Perspektivwechsel zeigt, dass im Rahmen der vorliegenden Form von Hos 4 immer umfangreichere Schuldkreise beschrieben werden: Das Epizentrum der in Israel um sich greifenden Untreue wird dabei zunächst bei der kultischen Untreue der Priester gegenüber JHWH verortet (V.4b; 6b). Daran schließt sich die Schilderung der sich von ihnen her ins Volk – über die Männer zu den Frauen – ausbreiteten Untreue an (V.8bf; 12a; 13b), dem angesichts seiner Uneinsichtigkeit und im Rahmen einer – wie bereits bezüglich V.11 – an ein Sprichwort erinnernden Aussage236 der „Fall“ angekündigt wird (V.14b). Den größten „Schuldkreis“ thematisieren abschließend die V.15–19, indem die Untreue gegenüber JHWH unter erneuter Aufnahme der zentralen Metapher der Unzucht (זנה, V.15) auf der nationalen Ebene der Staaten Israel und Juda thematisiert wird.237 V.15aα richtet sich an den personifizierten Staat Israel, der unter Verwendung des betonten Personalpronomens der 2.sg.m. (אתה, „du“) angesprochen wird. Die Verwendung von אםin V.15aα formuliert dabei keine Bedingung, sondern ist als Ausdruck der Hinnahme238 („wenn gleich, wenn auch“) anzusehen: Da die als Unzucht bezeichnete Untreue des Staates Israels nicht mehr zu ändern ist, wird der Staat Juda gewarnt, sich nicht in gleicher Weise schuldig zu machen (אל אׁשם, V.15aβ)239.
werden. Die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte ausbleibende Fruchtbarkeit ist daher ebenfalls Zeichen mangelnden Bestandes und des Verlustes von Zukunft aufgrund der Abwendung von JHWH. 234 Im Anschluss an Jeremias, Hosea, 71 kann V.15 als ein Zusatz betrachtet werden, durch den „ein späterer Judäer seine Landsleute nach dem Untergang des Nordreichs vor einer analogen Verfehlung zu warnen versucht“. 235 Vgl. die erneute Personifizierung in V.17 („Efraim“). 236 Rudolph, Hosea, 112 macht diesbezüglich auch auf „das Wortspiel lojabund jillab-“ aufmerksam. 237 Auch wenn es sich bei V.15a um eine spätere judäische Ergänzung handelt, ändert das nichts daran, dass angesichts der Verwendung der Bezeichnungen „Israel“ in V.16a und „Efraim“ in V.17 die nationale Ebene der Untreue in den Blick genommen wird. Dies wurde vielmehr als Ausgangspunkt betrachtet, um auch das nationale Geschick Judas zu thematisieren. 238 So auch Wolff, Hosea, 111, wenn er von der „hier schon vorausgesetzte[n] gänzliche[n] Preisgabe Israels“ schreibt. 239 Vgl. Hos 5,15; 10,2; 13,1; 14,1; Kellermann, Art. אׁשם, 471 weist darauf hin, „daß dabei an eine endgültige Straffälligkeit vor Gott gedacht ist, [da] immer das Schuldigwerden durch das Ausüben und Anhängen am Baalskult
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Unter abgewandelter Aufnahme von Aussagen aus dem Amosbuch240 wird im Rahmen von zwei angeschlossenen verneinten Imperfekten (V.15b) eine mit Formen der 2.m.pl. angesprochene Größe – die Judäer241 – davor gewarnt, Gilgal242 und Bet-Awen/Bet-El243 aufzusuchen und beim Namen JHWHs zu schwören. Im vorliegenden Kontext und angesichts der Aufforderung ( אל אׁשםV.15aβ) kann V.15b nur als Warnung vor kultischen Vergehen gegen JHWH verstanden werden (vgl. Am 4,4). Dann aber müssen Gilgal, BetEl/Bet-Awen und Beerscheba im Anschluss an Jeremias als Kult- und Wallfahrtsorte angesprochen sein, vor deren Besuch die Judäer gewarnt werden. Dass es sich bei Gilgal ( )הגלגלum das efraimitische Gilgal im Jordangraben in der Nähe von Jericho handelt,244 wird daraus ersichtlich, dass im Anschluss davor gewarnt wird, nach BetAwen/Bet-El hinaufzugehen (עלה, V.15bα). Diese Aussage setzt die zwischen dem efraimitischen Gilgal und Bet-El bestehende topographische Differenz voraus. Während es sich bei Bet-El um eine bekannte Kultstätte handelte,245 kann man mit Görg bezüglich Gilgal angesichts der „Hinweise in 1Sam 10,8 11,14f Am 4,4 Hos 9,15 12,12 die Existenz eines Altars im [sic] G. vermuten, wenigstens
gemeint ist“; so auch Nogalski, Hosea, 78: „The word used for incurring guilt (ʾšm) generally implies cultic wrongdoing as in Leviticus 4:13, 22, 27“. 240 Vgl. Am 4,4; 5,5; 8,14. 241 V.15 wird mehrheitlich für eine judäische Ergänzung gehalten; nach Jeremias, Hosea, 71 wird dabei unter Aufnahme von Formulierungen aus dem Amosbuch (Am 4,4; 5,5; 8,14) „das leichtfertige, in Sicherheit wiegende Vertrauen auf Wallfahrten an heilige Orte“ beklagt. 242 Vgl. u. a. Jos 4,19 (Ort des Lagers nach der Jordanüberquerung); 4,20 (Aufrichtung von zwölf Steinen aus dem Jordan zur Erinnerung an die Überquerung); 1Sam 7,16f (Ort der Richtertätigkeit Samuels); 10,8; Am 4,4 (Ort der Darbringung von Opfern); 11,14 (Ort der Thronerneuerung). 243 Jeremias; Hosea, 71 geht davon aus, dass mit Bet-Awen eigentlich Bet-El gemeint ist, welches „wegen Am 5,5b verballhornt“ wurde; so auch Rudolph, Hosea, 113: „Die Ersetzung von Bethel durch Beth-Aven ist nur auf Grund der Drohung von Am 5,5b voll verständlich“; gemäß Görg, Art. Bet-El, NBL I, 281f, 281 ist von „einer tendenziellen Änderung mit Rücksicht auf die Bedeutung Bet-Els in den vorpriesterschriftlichen Traditionen über […] Abraham (Gen 12,8) und über […] Jakob (Gen 28,11.18.22 35,14) zu rechnen“. 244 Vgl. Zwickel, Art. Gilgal, CBL 2, 443; Jeremias, Hosea, 71; Wolff, Hosea, 112; Rudolph, Hosea, 113. 245 Nach Görg, Art. Bet-El, NBL I, 281f, 281f konnte Bet-El „als Ort einer Integration der vor- und frühisraelit. El-Verehrung in den vorstaatlichen Gottesglauben […] über eine Reputation verfügen, die seine Erwählung zu einer mit der Tempelstadt Jerusalem konkurrierende Kultmetropole durch Jerobeam I. begreiflich erscheinen läßt“.
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das Vorhandensein von Kultmalen […] oder Kultbildern, die eine kanaanäische Vergangenheit suggerieren“246. Während auch in Ri 3,19 von „den Götterbildern“ ()הפסילים247 die Rede ist, die bei Gilgal zu finden sind, wird mit Bet-El alttestamentlich u. a. die Verehrung von Stierbildern in Verbindung gebracht,248 die auch in der prophetischen Kritik als Zeichen eines Fremdgötterkultes angesehen werden (Hos 10,5; Am 3,14). Setzt man die Erwähnung des im Südreich gelegenen Beerscheba249 als des dritten Ortes voraus250, der nicht für Schwüre beim Leben JHWHs ( )חי־יהוהaufgesucht werden soll, wird nach V.15aβ erneut deutlich, dass es sich bei den Adressaten von V.15 um Judäer handelt, die im Anschluss an den offenbar vorausgesetzten Fall (V.14b) des Nordreichs die Möglichkeit hatten, neben den eigenen Kultstätten auch die dortigen Kultorte aufzusuchen.251 Von diesen Besuchen wird ihnen dringend abgeraten, da vermieden werden soll, dass Juda ebenfalls zu Fall kommt. Denn ein Besuch dieser Kultstätten würde bedeuten, genau die „Sündenherde“ für Wallfahrten oder für das Ablegen von Schwüren aufzusuchen, an denen durch die Priesterschaft (V.4b) die Untreue gegen JHWH, die den Fall Israels nach sich zog, ihren Ursprung nahm (V.14b). Die V.16–19 setzen sich resümierend252 mit dem beharrlichen Widerstand Israels gegen JHWH auseinander. Im Rahmen von V.16 wird der in V.14b zur Sprache gebrachte „Unverstand“ unter Verwendung eines Tiervergleichs erneut thematisiert. Dabei wird auch die Situation von V.14b vorausgesetzt, in der im Rahmen eines Sprichworts als Folge des Unverstands ein Fall bzw. ein „zu Fall kommen“ angekündigt wird. Während V.14b jedoch durch die Rede von einem Volk ( )עםauch in erster Linie auf das Verhalten des Volkes angewandt wird, wird in V.16 unter Aufnahme der Staatsbezeichnung Israel ( )יׂשראלdas Verhalten des gesamten Staates 246
Görg, Art. Gilgal, NBL I, 844f, 845. Mit פסיליםwerden alttestamentlich nur Fremdgötterbilder bezeichnet, vgl. u. a. Hos 11,2; Mi 1,7; 5,12. 248 Vgl. Ex 32,4; 1Kön 12,25–33; 2Kön 10,29; vgl. jedoch auch Pakkala, Jerobeam, 503, nach dem „the bulls are a late addition to I Reg 12,26–33“. 249 Auch mit Beerscheba verbinden sich alttestamentlich Vorwürfe eines illegitimen Kultes, vgl. 2Kön 23,8; Beerscheba kann darüber hinaus aufgrund des Namens ausgewählt worden sein, wenn man diesen von ׁשבע+( בארBrunnen des Schwurs) herleitet, vgl. auch Gen 21,31f. 250 Auf Beerscheba spielt das Verb „( ׁשבעschwören“) an, vgl. Jeremias, Hosea, 71. 251 So bereits Jeremias, Hosea, 71. 252 Vgl. Bons, Hosea, 79, der angesichts der fehlenden Anreden in den V.16–19 „geneigt ist, in 4,16–19 ein kommentierendes Selbstgespräch des Propheten zu sehen“. 247
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gegenüber JHWH thematisiert und in diesem Sinne eine Perspektiverweiterung vorgenommen. Indem Israel als so störrisch ( )סררwie eine störrische Kuh bezeichnet wird, wird dem Staat auch der letzte Rest an „gesundem Menschenverstand“ abgesprochen. Das Verhalten von Israel stellt sich als so irrational dar, dass die Formulierung „( לא־יביןohne Einsicht“, V.14b), die alttestamentlich entweder JHWH oder ein menschliches Subjekt voraussetzt,253 im Rahmen eines Tiervergleichs gesteigert wird. Das V.16a einleitende כיhat dabei keine begründende, sondern deiktische Funktion.254 Israels Irrationalität wird dabei als Störrischkeit ( )סררausgelegt, d. h. dem eigensinnigen Beharren auf einer Position bzw. einem Verhalten gegen alle von außen kommenden Beeinflussungs- und Belehrungsversuche. Der Vergleich mit einer störrischen Kuh ( )פרהentstammt der israelitischen Agrarkultur.255 Wie ein Vergleich mit Hos 10,11–13 und dem auch in Neh 9,29 vorausgesetzten Rinder-Vergleich zeigt, ist dabei in Hos 4,16 offenbar an eine Kuh gedacht, die in einen Pflug gespannt ist. Indem die Kuh ihre Schulter „störrisch“ macht256 und ihren Nacken verhärtet257, verweigert sie sich den über das Lenkholz zum Langholz (Joch) gegebenen Anweisungen des Pflugführenden, dem es unmöglich ist, das Tier auf einer geraden Bahn zu lenken (vgl. Hos 10,11).258 Die Aussageintention von V.16a ist eindeutig: Der Staat Israel beharrt gegen JHWH auf seinem Eigensinn und kommt daher vom vorgesehenen Weg ab. Während das vorausgesetzte Pflugbild nahelegt, dass JHWH als Pflugführer Israels einen geraden Weg für Israel vorgesehen hat, den er mit Israel beschreiten möchte, verweigert Israel den Anweisungen JHWHs den Gehorsam. Dies wird die Frage auf, wie V.16b gemeint ist: Handelt es sich um eine – 253
Vgl. Ringgren, Art. בין, 624, der schreibt: „bezieht sich also auf eine Vielfalt von Objekten und hat sowohl mit menschlicher Einsicht im Sinne der Weisheit oder des apokalyptischen Verstehens oder einfach der Gotteserkenntnis, als auch mit dem göttlichen Wissen zu tun. Es umfaßt oft sowohl das Verstehen, als auch das daraus folgende Handeln“; vgl. exemplarisch für menschliche Subjekte: Dtn 1,13; 4,6; 32,28f; Hi 13,1; 15,9; 18,2; 34,4; 42,3; Ps 92,7; Koh 9,11; Hos 14,10; für die Negation von Einsicht bzgl. Tieren (auch im Rahmen des Vergleichs mit der Uneinsichtigkeit des Menschen) vgl. exemplarisch Ps 32,9; 49,21; Jes 1,3 unterstellt Israel sogar noch weniger Einsicht zu haben als ein Rindvieh ()ׁשור, da ein Rindvieh seinen Besitzer kennt ()ידע, Israel aber JHWH nicht. 254 So bereits Wolff, Hosea, 113. 255 Vgl. Hos 10,11–13. 256 Vgl. כתף סררin Neh 9,29. 257 Vgl. ערף קׁשהin vgl. Neh 9,29. 258 Vgl. Dalman, AuS 2, 88.
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ungekennzeichnete259 – rhetorische Frage, die deutlich machen soll, dass eine störrische Kuh, die sich dem Pflügen verweigert, gewiss nicht von JHWH wie ein (zutrauliches)260 Lamm ( )ככבׂשgeweidet ( )רעהwerden wird?261 Oder stellt die von MT gebotene Aussage von V.16b („jetzt wird JHWH sie weiden wie ein Lamm in der Weite“) eine subtile Drohung dar, weil Lämmer häufig als Opfertiere verwendet wurden?262 Wie man sich auch entscheidet, wird in beiden Fällen angesichts der Kontrastierung einer störrischen Kuh mit einem Lamm deutlich, dass V.16b kein positives Ergehen für den Staat Israel von JHWH her impliziert. Die ab V.14b zunehmend als unabänderliche Tatsache dargestellte Untreue Israels gegen JHWH (vgl. V.15aα), die schließlich in V.16 als Beharren auf einem eigensinnigen Ungehorsam darstellt wird,263 ist auch das Thema von V.17. Während die V.16f durch Assonanzen miteinander verbunden sind,264 verbinden Wortspiele265 zugleich V.16–19.266 So erklärt sich durch die Assonanz zwischen פרהund אפריםauch der Wechsel von der Bezeichnung „Israel“ (V.15a; V.16a) zu „Efraim“ (V.17). Während sich V.15a im Rahmen einer Personifizierung direkt an Israel richtet und dabei die Untreue Israels gegen JHWH als Unzucht darstellt, die, da sie selbst nicht mehr zu ändern ist, nur noch der Warnung Judas dienen kann, zeigt sich in der Rede über Efraim im Schuldaufweis von V.17 eine zunehmende Distanzierung JHWHs von Israel. Dabei werden mit dem Begriff „( עצביםGötzen, Götzenbilder“) zum ersten Mal in Hos 4 die Objekte genannt, mit denen Efraim/Israel Unzucht treibt, d. h. JHWH kultisch untreu wird (vgl. Hos 8,3). Wird Efraim dabei in V.17 als Verbündeter (Part. Pass. )חברvon Götzenbildern bezeichnet, so stellt sich die willentliche Untreue 259
Vgl. Willi-Plein, Vorformen, 136. Vgl. Jer 11,19 ()ככבׂש אלוף. 261 Diese Sicht wird u. a. von Wolff, Hosea, 114 und Jeremias, Hosea, 64 vertreten. 262 Vgl. exemplarisch Ex 29,38f; Lev 9,3; 12,6; 14,12; 23,19; Num 7,71; 29,2; diese Möglichkeit wird von Nogalski, Hosea, 79 zur Sprache gebracht. 263 Vgl. Jeremias, Hosea, 72, der auf die „feststellenden Perfekt[e]“ hinweist. 264 Vgl. Willi-Plein, Vorformen, 137: „V.16 beruht auf der Assonanz – סרר ]…[ יׂשראלund ist durch die Assonanz ]…[ פרה – אפריםmit V.17 verbunden. 265 Vgl. Jeremias, Hosea, 72, der die folgenden Wortspiele anführt: „sorērâ – sārar (‚störrisch sein‘, V.16) – sār (‚ein Ende haben‘, V.18) – ṣārar (‚einwickeln‘, V.19). 266 Nach Jeremias, Hosea, 72 waren „die resümierenden Verse 16–19 […] von Anbeginn schriftlich konzipiert, wie die nur für den Leser zugängliche Fülle an Wortbezügen und Wortspielen zeigt“. 260
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Efraims/Israels gegenüber JHWH von V.17 her zugleich als selbstgewählte Treue Efraims/Israels gegenüber den Götzenbildern dar. Mit der Wahl des Partizips von „( חברein Verbündeter“) wird dabei auf eine bewusst hergestellte Einheit rekurriert,267 die sich aus mehreren Teilen bzw. Parteien zusammensetzt.268 Es handelt sich somit um eine Wahlgemeinschaft, die von Efraim initiiert wurde und der Efraim nun überlassen werden soll (הנח־לו, wörtlich: „lass es ruhen/unbelästigt!“269).270 Die V.18f lassen aufgrund der schwierigen Textgrundlage271 viele Fragen offen – so fasst Nogalski ihre Botschaft mit dem Satz zusammen: „Hosea 4:18–19 deals with sex and religion“272. Etwas genauer betrachtet ist jedoch von Alkohol (V.18a), Unzucht (V.18bα) und dem Kult (V.19b) die Rede. Dabei liest sich V.18 wie eine Kurzzusammenfassung der V.11–14: Während V.18a erneut den Alkoholkonsum thematisiert und damit auf den in V.11 geschilderten, übermäßigen Alkoholkonsum rekurriert, mit dem das Volk sich förmlich selbst entmündigt, ist V.18b – dem Ablauf von V.11–14 entsprechend – erneut der maßlosen Unzucht ( )הזנה הזנוund dem „Liebestreiben“ ( )אהבו הבgewidmet, die sich an den Alkoholkonsum anschließen.273 Bezüglich der Frage, worauf sich mit „( קלון מגניהSchande ihrer Schilde“) die Liebe bezieht, besteht in der 267
Vgl. Hos 6,9. Dabei kann mit חברsowohl das bewusste Zusammenfügen von Stoffen (vgl. Ex 26,3) als auch bewusste Verbünden (d. h. ein Bündnis) menschlicher Subjekte (vgl. 2Chr 20,35f) beschrieben werden. 269 So im Anschluss an Wolff, Hosea, 114, der auch auf ähnliche Formulierungen in 2Sam 16,11, 2Kön 23,18 und Ex 32,10 verweist; anders Jeremias, Hosea, 64, der mit „darin ‚hat es Befriedigung gefunden‘“ übersetzt. 270 Während Jeremias, Hosea, 72 bezüglich der Götterbilder davon ausgeht, dass „schwerlich an das Stierbild zu Bet-El (8,4–6; 10,5f.; 13,2) gedacht [ist]“, sondern eher an „die Mazzeben (3,4; 10,1) und Ascheren bzw. Terafim […] der Höhenheiligtümer“, erscheint es trotzdem eine Überlegung wert, ob der Vergleich mit einer „störrischen Kuh“ (V.16a) nicht zumindest einen Anklang auf das Stierbild von Bet-El darstellen könnte. 271 Wolff, Hosea, 114 spricht bzgl V.18 von einem „mit vielen textkritischen Fragen belasteten Vers“; Bons, Hosea, 79 schreibt bzgl. V.18f: „Die nächsten Sätze sind voller sprachlicher Schwierigkeiten und sachlicher Unklarheiten, weswegen die Übersetzungen beträchtlich voneinander abweichen“. 272 Nogalski, Hosea, 79. 273 Den Wiederholungen in V.18bα (הזנה הזנו, „Unzucht um Umzucht“) und V.18bβ (אהבו הבו, „sie lieben und lieben/liebt!“) kann dabei mit Jeremias, Hosea, 72 eine „verstärkend[e]“ Wirkung beigelegt werden, welche die Unlöslichkeit hervorhebt, mit der das Volk dem „abgöttischem Liebestreiben hingegeben [ist]“. 268
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exegetischen Forschung keine Einigkeit.274 Mit der Aufnahme von קלוןaus V.7 ist das moralische Urteil über sie jedoch impliziert. Die Schilderung des Ergehens aus dieser fehlgeleiteten Hingabe beschreibt abschließend V.19. V.19a rekurriert dabei zunächst durch ein Wortspiel auf V.16 (סרר/ )צררund durch eine Stichwortaufnahme ( )רוחauf V.12b. Durch beides wird eine assoziative Verbindung zwischen dem sich den Anweisungen JHWHs widersetzenden Störrisch-Sein ( )סררIsraels und ihrem Ergehen hergestellt. Es besteht darin, dass die von einem Unzuchtsgeist ( )רוח זנוניםGetriebenen von einem Wind ( )רוחin dessen Flügel eingewickelt (צרר, V.19a)275 und schließlich wegen ihrer Schlachtopferaltäre ( ;מזבחותםvgl. Hos 8,11.13) zuschanden werden (בוׁש, V.19b). Dieses Ergehen geht dabei nicht von JHWH aus, sondern wird als Folge der kultischen Abwendung vom eigenen Staats- und Landesgott dargestellt (vgl. Hos 4,11–14). Dabei spielt V.19a mit der Bedeutungsbreite von „( רוחGeist, Wind, Sturm, Hauch“), die wie bereits in V.12b als handelndes Subjekt dargestellt wird und dabei zugleich ein reziprokes Verhältnis zwischen der Israel prägenden und in die Irre führenden Geisteshaltung der Untreue ( רוח זנונים, „Unzuchtsgeist“) und dem Verlust jeglicher Freiheit durch einen „Wind“ bzw. „Sturm“ ( )רוחformuliert.276 Das Israel, das sich nicht in Solidarität an JHWH binden wollte, wird von einem Wind in dessen Flügel „eingebunden“ ()צרר. Durch das Wortspiel und die Stichwortaufnahme scheint V.19a dabei von der argumentativen Logik geprägt zu sein, dass erst diese eigensinnige Ablösung Israels von JHWH im Geist ( )רוחder Untreue es einem Sturmwind ()רוח 274
Mit Jeremias, Hosea, 63 kann in Anlehnung an Klgl 3,65 statt יה ָ ֶָּמגִ נ („ihre Schilde“) „( ְמגִ נָ הVerstockung, Verblendung“) in Betracht gezogen werden; Wolff, Hosea, 89 vermutet angesichts des „beziehungslos[en] Suff.3.fem.“ eine Verlesung aus der Pluralendung; alttestamentlich ist von einem „Schild“ im Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen bzw. der Benennung der Ausrüstung des Heeres die Rede (vgl. exemplarisch 1Chr 5,18; 2Chr 14,7; 17,17; 23,9; 26,14; 32,5;); ein Schild ist in erster Linie ein Kriegsgerät (vgl. aber die Erwähnung von Prunkschilden in 1Kön 10,17; 1Kön 14,26 // 2Chr 9,16; 12,9); ein Schild kann defensiv und offensiv eingesetzt werden; im übertragenen Sinn und in singularischer Form kann es auch eine Bezeichnung für JHWH und den Schutz sein, den er bietet (vgl. exemplarisch Gen 15,1; Dtn 33,29; 2Sam 22,31; Ps 3,4; 7,11). 275 Mit צררist eine Enge bzw. das Eingeschlossensein bzw. -werden von Personen und Objekten gemeint, vgl. exemplarisch Ex 12,34 (Einwickeln von Backtrögen in Mäntel); 2Sam 20,3 (Einschließen von Frauen); Hi 26,8 und Spr 30,9 (Einbinden des Wassers in Wolken); Hos 13,12 (Eingebundensein von Schuld). 276 Vgl. Jeremias, 73: „Der ‚Wind‘, der Israel einwickelt, nicht mehr freiläßt und in den Tod entführt (gemeint sind wohl die Assyrer), ist letztlich eines mit dem ‚Geist‘ der Unzucht von V.12b bzw. dessen notwendige Wirkung“.
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überhaupt ermöglicht hat, Israel in seine Flügel einzubinden ()צרר und – so darf wohl vorausgesetzt werden – fortzutragen.277 Da mit צררein Ausdruck vorliegt, der die Herstellung von Enge meint („einbinden, einschnüren“), wird der Lesende zugleich auf V.16b zurückverwiesen: Der Verlust von Weite ()מרחב,278 d. h. eines von JHWH geschenkten Lebens- und Freiraums,279 war ebenfalls eine Folge des Verhaltens Israels, das mit dem einer störrischen ( )סררKuh verglichen wurde. Zuletzt wird Israel daher angekündigt, dass sie zuschanden werden ( )בוׁשwird (vgl. Hos 4,7). Die Wurzel בוׁשbringt zum Ausdruck, „daß jemand, eine Person, eine Stadt, ein Volk, ein Berufsstand o. Ä. etwas galt und die ehemals angesehene Stellung und Geltung gestürzt ist. Jemand hat etwas auf eine Macht hin, sie sei eine andere Person, ein Staat oder ein Gott, riskiert und sich damit hervorgewagt und wird nun in diesem Sich-Hervorwagen getroffen, so daß er ins Gegenteil, in Schande, gerät“280. Israel ist das Risiko eingegangen, Versorgung und Fruchtbarkeit in einem JHWH-fremden Opferkult zu suchen, den sie an die Stelle JHWHs gesetzt haben (vgl. V.11–14). Im Rahmen der Zielperspektive von V.19 wird den Israeliten angekündigt, dass der von ihnen praktizierte Kult, den die Schlachtopfer repräsentieren, nicht die erhoffte positive Reziprozität in Form von Versorgung und Fruchtbarkeit seitens JHWHs nach sich ziehen wird, sondern er zum Ursprung der Schande – wohl im Sinne Israels – werden wird (vgl. V.7b).281 Zwischenergebnis Der Kompositionsabschnitt Hos 4,11–19 setzt – wie bereits Hos 4,7– 10 – die Schilderungen konkreter JHWH-entfremdeter Kultpraktiken Israels in Hos 8,11–13(.14) voraus, die dort zur Herleitung der Revozierung der Landesgabe und des Exodus durch den Landes- und Staatsgott JHWH in Hos 8,13b dienen. Im Rahmen der aktualisierenden Neuinterpretation von Hos 4,11–19 wird dabei die Unzuchtsthematik, die bereits im Buchkern in Hos 5,3f und 6,10b behandelt wurde und mit Vielhauer derselben Ergänzungsschicht zugerechnet werden kann,282 mit der Kultpolemik verschränkt. Hos 4,11–19 kann als ein kultpolemisches Interpretament von Hos 8,11– 277
Vgl. Jeremias, Hosea, 73, der den Wind, „der Israel einwickelt, nicht mehr freiläßt und in den Tod entführt“ mit den Assyrern identifiziert. 278 Vgl. u. a. Ps 18,20; 31,9; 118,5. 279 Mit dieser Aussage kann dabei sowohl der Verlust des Landes als auch eine Exilserfahrung assoziiert werden, vgl. Jeremias, Hosea, 73. 280 Seebaß, Art. בוׁש, 571. 281 Vgl. Hos 2,7; 10,6; 13,15. 282 Vgl. Vielhauer, Werden, 108f.
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13 betrachtet werden, welches der Präzisierung der Streitsituation (vgl. Hos 4,1) dient und so den Landverlust (Hos 8,13) bzw. das „Zuschandenwerden“ Israels durch die assyrische Großmacht (vgl. Hos 4,19) mit Israels kultischer Abwendung von JHWH begründet und dabei mit dem Begriff der „Unzucht“ terminologisch als Ausdruck der Untreue Israels zu begreifen lehrt. Sie dient dabei (zusammen mit נאף, „ehebrechen“, vgl. Hos 7,4; Hos 4,13f) zugleich als ein sekundär im Buchkern verwendeter, kompositioneller Leitbegriff (vgl. Hos 5,3f; 6,10b; 7,4), unter dem verschiedene Vergehen in der israelitischen Gesellschaft (vgl. Hos 5,1b–7; Hos 6,7–9; Hos 7,1–7) als Symptome derselben, im Kult von Israel vollzogenen Abwendung von JHWH erscheinen. Der Begriff „Unzucht“ begegnet dabei im Rahmen von Hos 4,11–14 mit unterschiedlichen konzeptuellen Ausrichtungen: In Hos 4,13f wird auf den Vollzug konkreter Fruchtbarkeitsriten im Kult angespielt, die im Rahmen der Kultpolemik als Ausdruck einer „realen“ Unzucht der unverheirateten Töchter und eines „realen“ Ehebruchs der bereits verlobten Schwiegertöchter/Bräute betrachtet werden und sich dabei einerseits als Folge des Verhaltens der israelitischen Männer einstellen (vgl. Hos 4,14a), sich andererseits im vorliegenden Text als Folge der in V.12b beschrieben Unzucht gegen JHWH präsentieren. Denn in Hos 4,12b – ein, wie V.15 wohl sekundär ergänzter Zusatz – 283 wird mit dem „Unzuchtsgeist“ eine Mentalität Israels bezeichnet, die im Rahmen der Kultpolemik von Hos 4,12a.13f mit der Ausübung bestimmter Kultpraktiken in Verbindung gebracht, die erst durch das kultpolemische Interpretament von V.12b als JHWHentfremdete Kultpraktiken erscheinen. Israels Unzuchtsgeist findet in V.18 durch die Formulierung „Sie treiben Unzucht um Unzucht“ eine synonyme Umschreibung, die Israels Verfasstheit als „Verbündeter von Götzen“ (vgl. Hos 8,4!) vor JHWH zusammenfasst, der sie überlassen werden. Durch das Wortspiel mit רוחin V.12b und 19a erscheint kontextuell der kultische Unzuchtsgeist ( )רוח זנוניםIsraels dabei als der Ermöglichungsgrund des Zugriffs des Sturmes ()רוח, der Israel „in den Tod entführt“284 und dabei wohl den Untergang des Nordreichs durch die Assyrer symbolisiert.285 Israel wird im Rahmen von Hos 4,11–19 als eine Nation gezeichnet, deren kultische Ablösung von JHWH in der Ausrichtung des Kultes an eigenen Bedürfnissen (vgl. die Aufnahme von טובaus Hos 8,3a in Hos 4,13!) den Untergang des Staates selbst ermöglicht hat. Dieser wird als Folge (vgl. Hos 4,19) der eigenen Untreue gegen JHWH dargestellt. 283
Vgl. ders., Werden, 108, Anm. 162. Jeremias, Hosea, 73. 285 Vgl. ebd. 284
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4.1.4 Ertrag Hos 4,1–19 hat sich als später ergänzte Einleitung der Komposition Hos 5–8 erwiesen.286 Dabei stellt sie die im Rahmen von Hos 5–8 geschilderten Auseinandersetzungen des Staats- und Landesgottes JHWHs mit den Verfehlungen seines Volkes Israels (und Judas) in Kult, Gesellschaft und Politik unter die neue Leselinie eines „Streits“ (ריב, vgl. Hos 4,1b). Durch die Wahl der Metametapher des (Rechts)Streits als neue Bucheinleitung hält ein neues Gottesbild Einzug im wachsenden Hoseabuch: JHWH erscheint nun als anklagender und richtender Landes- und Staatsgott Israels, der aktiv für die Durchsetzung von Gerechtigkeit in seinem eigenen Hoheitsgebiet eintritt, auch wenn dies bedeutet, das eigene Volk mit Vergehen konfrontieren zu müssen. Auf diese Weise erweist sich JHWH als Landesherr zugleich als „Garan[t] der Ordnung“287 im Land. Mit größter Deutlichkeit wird dabei durch die Wahl der Metametapher des Streits JHWH als „Akteur einer Antwort, die auf ein bestimmtes Tatverhalten des Menschen gegeben wird“288, präsentiert. Während Hos 4,1–19 zunächst der Streiteröffnung (vgl. Hos 4,1–3) sowie der Schilderung der Auseinandersetzung JHWHs mit den kultischen Vergehen der Landesbewohner dient (vgl. Hos 4,4–19) und die angekündigten Folgen sich als Reaktionen JHWHs auf die Vergehen der Männer Israels im Land erweisen (vgl. u. a. Hos 4,5f.9), wird erst in Hos 4,19 eine Folge angekündigt, die Israel aus dem Land herausführt. Dabei zeigt das Wortspiel mit ( רוחvgl. Hos 4,12b.19), dass es der eigene kultische Unzuchtsgeist ()רוח זנונים gegen JHWH im Land ist, der reziprok den Zugriff des (assyrischen) Sturms (vgl. רוחin Hos 4,19) und den Untergang des Nordreichs ermöglicht hat. Im Rahmen von Hos 4,1–19 wird als der Ausgangspunkt der in Hos 5–8 geschilderten Abwendungsvorgänge Israels in Politik, Gesellschaft und Kult vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH der israelitische Kult identifiziert. Die Schuld für das Ergehen des Volkes JHWHs (vgl. Hos 4,6a.8b) wird dabei bei den Priestern gesucht, denen die Verantwortung für eine angemessene Durchführung des Kultes sowie für die Vermittlung der Erkenntnis JHWHs anvertraut ist (vgl. Hos 4,6b–8). Wie Stichwortaufnahmen und Parallelen in der Argumentationsstruktur beweisen, greift Hos 4,6–10 dabei hauptsächlich auf Vorwürfe aus Hos 8,11–13 zurück und führt sie im Rahmen einer aktualisierenden 286
Vgl. Vielhauer, Werden, 96f. Otto, Theologische Ethik, 183. 288 Brünenberg, Jahwes Widerstand, 66. 287
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Neuinterpretation fort. Zugleich liegen jedoch auch aktualisierende Rückbezüge zu der Erkenntnisthematik (vgl. Hos 5,3f.9; 6,3; 7,9; 8,2.4), zu der Verzehrthematik (vgl. Hos 5,7; 7,7.9; 8,13f), aber auch zu der Wende- (vgl. Hos 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16; 8,13) und Unzuchtsthematik (vgl. Hos 5,3f; 6,10; vgl. 7,4) vor. So wird in Hos 4,6 die im Buchkern zusehends289 im Kult verortete Verwerfung der Erkenntnis (vgl. Hos 5,3f) nun mit dem bewussten Verwerfen ( )מאסder Erkenntnis durch das Priestertum begründet. Sie erweist sich durch die Voranstellung der neuen Einleitung Hos 4,1–19 als der eigentliche Grund für den Streit JHWHs mit den Landesbewohnern und wird im Rahmen von Hos 4,6 zur kompositionsleitenden Leseanleitung entwickelt, die jetzt dazu dient, den im Buchkern beklagten Mangel an Gotteserkenntnis als Folge dieses priesterlichen Verwerfens darzustellen. Indem dabei die Verwerfung der Erkenntnis ( )הדעתmit dem Vergessen der Weisung ( ;תורהvgl. Hos 8,1.12) Gottes parallelisiert wird, werden beide Größen miteinander identifizierbar und eine zunehmende Theologisierung der Vorwürfe als Abwendung vom mit der Tora identifizierte Willen JHWHs erkennbar, die dabei ihren kompositionellen Anker in Hos 8,1.12 hat. Obwohl die Erkenntnisthematik ihren Ausgangspunkt wohl in dem Vorwurf einer mangelnden außenpolitischen Weitsicht bzw. Erkenntnis genommen hat (vgl. Hos 7,8f),290 erscheint Israels politisches Verhalten jetzt als eine der Folgen der Verwerfung „wahrer“ JHWH-Erkenntnis durch die Priester im Kult (vgl. Hos 4,6). Nicht mehr länger Israels politisches Verhalten wird als Ermöglichungsgrund für den Untergang des Nordreichs angeführt, sondern die Abwendung der Priester von JHWH im Kult, die mit einer Ausrichtung des Kultes an den eigenen Bedürfnissen begründet wird (vgl. Hos 4,8). Dieses Vergehen wird als Auslöser der fehlenden Reflexionsfähigkeit Israels präsentiert (vgl. textintern Hos 4,6a.8bf), so dass der gesellschaftliche und innenpolitische Verfall (vgl. Hos 6,7–10; 7,1–7) sowie die außenpolitischen Fehleinschätzungen (vgl. Hos 5,12–14; 7,11.16; 8,9f) jetzt nur noch als Folgen dieser kultischen Abwendung erscheinen.291 Der im Buchkern zentralen Verzehrthematik (vgl. Hos 5,7; 7,7.9; 8,13f) kommt daher im Rahmen von Hos 4,8–10a einerseits nur noch 289
Vgl. Abschnitt 2.3.1. So im Anschluss an Kratz, Prophetenstudien, 289. 291 Bei dieser Sichtweise handelt es sich selbstverständlich um die theologische Deutung realpolitischer Vorgänge durch die Tradenten, vgl. Kratz, Prophetenstudien, 297: „Weil JHWH auf seiten Assurs gegen Israel kämpft, darum […] werden JHWH und der Stier […] zu unversöhnlichen Konkurrenten“. 290
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eine dienende Funktion zu, indem der priesterliche Wunsch nach einem erhöhten Fleischverzehr stellvertretend die Ausrichtung des Kultes an den eigenen Bedürfnissen zum Ausdruck bringen soll.292 Zugleich lässt sich jedoch eine ähnliche kompositionelle Verwendung der Verzehrthematik beobachten, wie dies bereits bezüglich der Erkenntnisthematik der Fall war. Denn indem das priesterliche Eigeninteresse an einer Maximierung des eigenen Fleischverzehrs stellvertretend für die pervertierte Ausübung des Kultes benannt wird (vgl. Hos 4,8–10a), erscheint es nicht nur als die Entscheidungsalternative, die der Weisung und Erkenntnis JHWHs im Rahmen der priesterlichen Verwerfungshandlung ()מאס vorgezogen wurde, sondern zugleich als der eigentliche Auslöser der israelitischen Krise (vgl. Hos 4,6a.14b.19). Indem den Priestern der Vorwurf gemacht wird, ihren eigenen Willen über den Willen JHWHs gestellt zu haben, erscheinen sie nun als diejenigen, die Israels Untergang durch eine Pervertierung des Kultes ermöglicht haben. Mit Hos 4,1–19 als neuer Bucheinleitung erscheinen die innenpolitischen (vgl. Hos 7,7) und außenpolitischen Destabilisierungsvorgänge (vgl. Hos 7,8f; 8,7f) nun ebenfalls nur noch als Folgen einer Kultpraxis, die am eigenen Vorteil interessiert ist. Vorbereitet wurde diese Argumentation von Hos 4,7–10 dabei bereits durch die Kultpolemik von Hos 8,11–13 (vgl. V.13a) die sie nun aktualisierend als Vergehen der Priester präsentiert. Die in Hos 8,13 angekündigte Rückkehr ( )ׁשובIsraels nach Ägypten präsentiert sich dabei durch die Vorschaltung von Hos 4,1–19 als Folge der Zurückwendung ( ׁשובHif.) dieser Taten auf Priester und Volk durch JHWH. Die weisheitliche Terminologie von Hos 4,9 hat dabei Anleihen bei Hos 5,3 und 7,2 ( – )מעללzwei Stellen, an denen es ebenfalls die Taten Israels sind, die eine Rückkehr zu JHWH verhindern (vgl. Hos 5,3) und denen die volle Aufmerksamkeit JHWHs als Königsgott im Rahmen eines Audienzsettings (vgl. Hos 7,2) zuteilwird. Anhand dieser terminologischen Rückgriffe, die zugleich im Rahmen von Hos 4,9 einer aktualisierenden Neuinterpretation erfahren, wie dies insbesondere für die Verwendung von ׁשובim Gegenüber zu Hos 5,4 der Fall ist, erweist sich Hos 4,9 als Bestandteil einer Kompositionslinie, die in der vorliegenden Buchform über Hos 5,4 zu Hos 7,2 und Hos 8,13 292
Vgl. Jeremias, Hosea, 67: „Die Priester ziehen das Volk in ihre Verschuldung mit hinein, und zwar um Gewinnes willen. Angespielt ist damit auf die Vermehrung kultischer Aktivitäten bei Opferfesten (V. 11 ff.), die in den politisch ruhigen Zeiten der Wirtschaftsblüte unter Jerobeam II. mehr Priester und mehr Abgaben erforderten, zugleich den Priestern größere Anteile erbrachten, damit aber immer stärker zum Instrument der Absicherung von Gedeihen und Erfolg (vgl. 2, 7–15) wurden“.
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verläuft und dabei den israelitischen Kult als den Ausgangspunkt identifiziert, der schlussendlich zum Untergang des Nordreichs führte. Als Folge dieser Konfrontation der Täter mit ihren Vergehen wird ihnen das Ausbleiben jeglicher Sättigung und damit die Abwendung des die Fruchtbarkeit und die Sättigung garantierenden Landes- und Staatsgottes JHWHs vom israelitischen Opferkult angekündigt (Hos 4,10; vgl. Hos 5,6; 6,4–6).293 Damit bildet Hos 4,9 mit Hos 8,13 einen Hos 4–8 umfassenden kompositionellen Rahmen, der die Rechenschaft einfordernde ()פקד und die Taten zu den Tätern zurückwendende ( ׁשובHif.) Zuwendung JHWHs (vgl. Hos 4,9) mit der innerlich vollzogenen gedenkenden ( )זכרAuseinandersetzung JHWHs mit Israels Schuld und der äußerlich vollzogenen überprüfenden ( )פקדAuseinandersetzung JHWHs mit Israels Sünden (vgl. Hos 8,13) verschränkt, die am Buchabschluss schließlich in der Rückkehr ( )ׁשובIsraels nach Ägypten als Revozierung der Landgabe und des Exodusgeschehens durch den Staats- und Landesgott JHWH resultiert. Als kompositioneller Leitbegriff dieser kultisch vollzogenen Untreue Israels gegenüber JHWH fungieren die Begriffe der „Unzucht“ ()זנות, des Unzuchtsgeistes ( )רוח זנוניםund die Tätigkeit des Unzuchttreibens (זנה, vgl. Hos 4,11–19; vgl. Hos 5,3f; 6,10; vgl. נאף in Hos 7,4 und Hos 4,13).294 Während sie im Buchkern verschiedene Vergehen der israelitischen Gesellschaft (vgl. Hos 5,1b–7; Hos 6,7–9; Hos 7,1–7) als Symptome der im Kult von Israel vollzogenen Abwendung von JHWH subsumieren, begegnen sie im Rahmen von Hos 4,11–14 unterschiedlichen konzeptuellen Ausrichtungen, die vom Vollzug konkreter Fruchtbarkeitsriten (Hos 4,13f) bis zur theologisch reflektierten Deutung dieser Kultpraktiken als Untreue gegen JHWH (vgl. Hos 4,12) reichen. Erst das theologische Interpretament von V.12b lässt diese Praktiken dabei als JHWH-entfremdete Kultpraktiken erscheinen. Eine besondere Rolle kommt der Identifizierung von Israels Geisteshaltung gegenüber JHWH mit einem „Unzuchtsgeist“ zu: Durch das Wortspiel mit רוחin V.12b und 19a erscheint kontextuell der kultische Unzuchtsgeist ()רוח זנונים Israels als der Ermöglichungsgrund des reziproken Zugriffs des
293
Vgl. Jeremias, Hosea, 68: „Wer Jahwe als die Quelle des Lebens ‚verläßt‘ […], um seine ganze Kraft dem widergöttlichen Gottesdient zu weihen […], begibt sich außerhalb der Segenskräfte Gottes; wer sich vom baalistischen Fest Förderung verspricht, scheitert und darbt“. 294 Vgl. Vielhauer, Werden, 108f.
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Sturmes ()רוח, der Israel „in den Tod entführt“295 und dabei wohl den Untergang des Nordreichs durch die Assyrer symbolisiert.296 Israel wird im Rahmen von Hos 4,11–19 als eine Nation gezeichnet, deren kultische Ablösung von JHWH in der Ausrichtung des Kultes an eigenen Bedürfnissen (vgl. die Aufnahme von טובaus Hos 8,3a in Hos 4,13!) den Untergang des Staates selbst ermöglicht hat. Dieser wird als Folge (vgl. Hos 4,19) der eigenen Untreue gegen JHWH dargestellt und findet seine Antwort von JHWH her in dem kompositionellen Rahmenstück von Hos 8,11–13. In diesem Sinne erweist sich Hos 4,1–19 als präzisierendes Interpretament zu der Kultpolemik aus Hos 8,11–13 und fungiert insofern als Fokussierung der Reaktion JHWHs, die bereits von Hos 4,19 als Landverlust „weg von/aufgrund ihrer Altäre“ als Folge der Abwendung Israels von JHWH im Kult ersichtlich wird. Bei der Analyse der Reziprozitätsvorstellungen in Hos 9,1–9 wird sich zeigen, dass beide Kapitel einen aufeinander bezogenen, kompositionell gestalteten Argumentationsbogen bilden,297 so dass die Folge aus der konfrontierenden Streitsituation jetzt erst in Hos 9,3–9 ergeht und in der Revozierung des Landes und des Exodus (vgl. Hos 9,3) infolge der gedenkenden und überprüfenden Beschäftigung JHWHs mit der Schuld und den Sünden Israels besteht (vgl. Hos 9,9). Diese Perspektive des Landverlustes wird Hos 9,1–9 an den „Tagen der Überprüfung und Vergeltung“ datieren und unter Rückgriff auf Hos 8,13 als endgültige Beendigung der Beziehung zwischen dem Landes- und Staatsgott JHWH und seinem Volk als Revozierung des Exodus darstellen.
295
Jeremias, Hosea, 73. Vgl. ebd. 297 So bereits Vielhauer, Werden, 97: „In der Tat bildet Hos 9,1–9 das mit der Überschrift genau abgestimmte Ziel“. 296
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4.2 Hos 9,1–9 als Abschluss der Komposition Hos 4–8 4.2.1 Übersetzung und Textkritik Hos 9 1 2 3 4
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Nicht freue dich, Israel, bis zum Jubel, wie die Völker, denn du hast dich prostituiert weg von deinem Gott, du hast geliebt den Buhlerlohn auf jeder Dreschtenne. Dreschtenne und Kelter werden298 sie299 nicht hüten300 und (der) Most wird sie301 im Stich lassen302. Nicht werden sie bleiben im Land JHWHs und zurückkehren wird Efraim nach Ägypten und in Assur werden sie Unreines essen. Nicht werden sie ausgießen für JHWH Wein und nicht werden sie darbringen für ihn ihre Opfer, wie Trauerbrot sind sie für sie, jeder Essende wird sich verunreinigen;303 denn ihr Brot ist für ihre Vitalität, nicht wird es hineinkommen in das Haus JHWHs. Was werdet ihr tun am Tag der Festversammlung und am Tag des Festes JHWHs? Denn siehe, sie sind gegangen weg vom Untergang, Ägypten wird sie sammeln, Memphis wird sie begraben; Kostbarkeit304 aus ihrem Silber, die Distel wird sie erben, Dornen werden sein in ihren Zelten. Gekommen sind die Tage der Überprüfung,
Eigentlich 3.m.sg. Es liegt 3.m.pl. vor. 300 LXX bietet ἔγνω. Nach BHQ, 64* hat LXX entweder דstatt רgelesen oder die Wiedergabe von LXX spiegelt eine der Bedeutungen von רעה wieder, so dass LXX=MT wäre. Macintosh (Hosea, 340) schlägt statt „hüten“ die Wiedergabe mit „will not pay attention to them“ vor. 301 LXX, V, S und T bieten αὐτούς und nehmen somit eine Anpassung an den Kontext vor (MT: lectio difficilior). Nach Macintosh bezieht sich das Suffix der 3.f.sg. auf „the collective notion of the nation“ (Hosea, 341) zurück (vgl. 1aβ). 302 Macintosh (Hosea, 341) schlägt „disappoint“ vor, da „the verb כחׁש followed by the preposition בindicates that the paucity of the product will disappoint the expectations of the people“ (ebd.). 303 Eine eingehende Diskussion von Übersetzungsalternativen findet sich bei Macintosh, Hosea, 343f. 304 Mit MT; nach BHQ, 64* missversteht LXX das erste Substantiv als einen Ortsnamen. 299
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gekommen die Tage der Vergeltung – erkennen305 wird (es) Israel. „Ein Narr ist der Prophet, verrückt306 der Mann des Geistes“307 – wegen der Größe deiner Schuld und großen Feindschaft.308 Ein Spähender ist Efraim gegen309 meinen310 Gott; Prophet: das Klappnetz eines Vogelstellers311 ist auf allen seinen Wegen, Feindschaft312 ist313 im Haus seines314 Gottes. Sie sind tief verdorben wie in den Tagen von Gibea315; er erinnert ihre Schuld, er überprüft ihre Verfehlungen.316
4.2.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese Der Kompositionsabschnitt Hos 9,1–9 ist eine zweigeteilte (V.1–6; 7–9) Prophetenrede, die mit einem imperativischem Mahnspruch eröffnet wird, der sich an Israel richtet. Im Anschluss an die in V.1aα 305
Mit MT; LXX bietet κακωθήσεται („betroffen sein; geschädigt werden“). Nach BHQ, 65* scheint LXX אוילund מׁשגעdurch die Formulierung ὁ παρεξεστηκώς wiederzugeben. LXX beginnt den Satz zudem mit einem interpretierendem ὥσπερ am Anfang des Satzes. Nach BHQ kann es als unwahrscheinlich gelten, dass LXX damit eine von MT abweichende hebräische Vorlage wiedergibt. 307 Die Worte werden in Anschluss an u. a. Macintosh (Hosea, 352) als Zitat der Gegner von Hosea verstanden. 308 Macintosh orientiert sich an Ibn Ezra und übersetzt: „Israel will perceive [whether] the prophet is a knave, the inspired man, deranged – because of the magnitude of your guilt and your great enmity” (351). Seine Interpretation kommt ohne Emendationen aus und ist nur auf die Ergänzung von “deiner” ad sensum für MTs für “great enmity” und die Annahme angewiesen, dass „the force of the preposition עלis continued over to the second phrase“ (353). 309 Für diese Interpretation ist es nötig, עםals Angabe der Beziehung zu einem Gegner zu deuten, im Sinne von „ein Verfahren mit“ = „ein Verfahren gegen”. 310 LXX bietet kein Suffix. 311 LXX bietet σκολιὰ („krumm, tückisch, gottlos“). 312 LXX bietet μανίαν („Raserei, Wut, Wahnsinn“). 313 LXX bietet κατέπηξαν (Aorist von καταπήγνυμι; „stecken bleiben, haften an“). 314 LXX bietet kein Suffix. 315 Macintosh, Hosea, 357 vertritt den Standpunkt, dass, da die Bedeutung von „ גבעהHügel“ ist, die Verwendung des Artikels bei „Gibea“ dem englischen Sprachgebrauch von „the City“ (d. h. von London) ähnlich sei. 316 V bietet „recordabitur …et visitabit“ (vgl. 8,13). 306
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ergehende Aufforderung an Israel, eine Freude ( )גילzu unterlassen, die der der Völker gleicht (vgl. כעמיםin V.1a), folgt in V.1aβ eine mit כיeingeleitete Begründung, die Israels Umgang mit dem Ernteertrag des Landes als Unzuchttreiben ( )זנהgeißelt und dabei zugleich das Hauptvergehen Israels benennt. In V.2–6 schließt sich die imperfektisch gehaltene Ankündigung der Folgen aus diesem kultischen317 Vergehen im Land an. Diese Folgen bestehen im Entzug der Landesgüter (V.2), dem Entzug des Aufenthaltsrechts im Land JHWHs (V.3a) und der Rückkehr Israels nach Ägypten, die mit dem Exil in Assyrien parallelisiert wird (vgl. V.3b). Infolge des Aufenthalts in Assyrien wird zugleich das Ende des JHWH-Kultes (vgl. V.4f) und zuletzt das Ende Israels angekündigt (V.6). Wie bereits von Jeremias318 und Vielhauer beobachtet, rekurriert Hos 9,1–6 mit der Beschreibung des kultischen Verhaltens Israels als „Unzuchttreiben“ ( ;זנהvgl. V.1a) und der Revozierung der Landesgabe (vgl. V.3) auf den Streit JHWHs mit den Landesbewohnern aus dem Kompositionsabschnitt Hos 4,1–19, in welchem dem israelitischen Priestertum die Schuld für das geschichtliche Ergehen Israels (vgl. Hos 4,19) gegeben wird, da sie die Weisung und Erkenntnis JHWHs verworfen haben. Im Volk nimmt diese kultische Abwendung von JHWH in der Ausübung von Fruchtbarkeitsriten Gestalt an, die als „Unzucht“ und „Ehebruch“ gebrandmarkt werden. Indem in Hos 9,1–9 beide Perspektiven – Israels Unzucht im Land und der reziproke Landesentzug JHWHs – kompositionell miteinander verbunden werden, ist jetzt die literarische Grundlage für eine theologische Entwicklung gelegt, in deren Rahmen der Beziehungsabbruch zwischen Landesgott und Landesvolk als Ehescheidung interpretiert werden kann. Diese Entwicklung nimmt zunächst in Hos 9,10–17 (insbesondere V.15) Gestalt an, dann jedoch vor allem in der Narration von Hos 2,4–15.319 317
Vgl. Jeremias, Hosea, 115 verweist darauf, dass „ גילzu Hoseas Zeiten wohl primär spezifisch kanaanäisches Festtreiben im Fruchtbarkeitskult bezeichnet“. 318 Vgl. aaO, 113: „Hos 9,1–9 beschließt die Überlieferung von Hoseaworten zum syrisch-efraimitischen Krieg und dessen Folgen, die in 5,8 begann. Mit 9,10 setzen die hoseanischen Geschichtsrückblicke der Spätzeit ein. Insbesondere die Teileinheit Hos 9,7–9 trägt Abschlußcharakter. Denn die Feindschaft gegen den Propheten will im Kontext nicht als Feindschaft einer einzelnen geschichtlichen Stunde gelesen werden, sondern als äußerste Zuspitzung verfehlter Gottesbeziehung, um deretwillen Jahwe seinen ‚Prozeß‘ (4,1) gegen Israel anstrengt. Zu diesem Prozeß werden die Leser zurückgeführt, wenn die Verse 1–2 zum Thema der Anfangskapitel im Überlieferungsblock Hos 4– 14 zurückkehren, der ‚Hurerei‘ im Gottesdienst (4,1–5,7)“. 319 Vgl. Abschnitt 5.1.
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Insofern ist Wolff zuzustimmen, dass Hos 9,1–9 „wie ein Abschied [wirkt]“320. Hos 9,7 erweist sich durch die Verwendung von zwei Perfektformen als Einschnitt, der zugleich den Beginn der zweiten Einheit Hos 9,7– 9 einleitet, in dem die endgültige Auseinandersetzung des Landesund Staatsgottes JHWH mit der Schuld und den Sünden seines Volkes geschildert wird (V.9). Dabei ist Vielhauer zuzustimmen, dass „nichts gegen die Annahme [spricht], daß Hos 9,1–6 und 9,7–9 auf ein und derselben literarischen Ebene liegen“321, die er im Rahmen der von ihm identifizierten kultpolemischen Ergänzungsschicht verortet und die in „mehreren Fortschreibungsschüben“322 entstanden sei. Dabei rechnet er Hos 9,3–4a.6.7–9 einem Textstratum zu, „daß sich in kritischer Weise mit Israels Kult auseinandersetzt“323. Hos 9,1–2.5 sei hingegen Bestandteil einer „Ergänzungsschicht“324, zu der nach Vielhauer „neben dem Leittext Hos 2 […] Hos 4,12b.16–19; 5,3–4 sowie – auf die Politik gewendet – Hos 6,10b; 7,4 zugerechnet werden [können]“325. Die Einheit Hos 9,7–9 wird dabei in V.7aα und V.9bβ durch die Verwendung der Wurzel פקדgerahmt, die das Thema der Einheit benennt und der Rechenschaftsforderung JHWHs das die Komposition abschließende, letzte Wort überlässt. Sie ist dabei zugleich Auseinandersetzung mit der Ablehnung des Propheten als des Übermittlers der Worte JHWHs (vgl. Hos 4,1; 9,7bf).326 Wohl auch aus diesem Grund wurde das Zitat aus Hos 8,13 aufgeteilt und findet sich jetzt in rahmender Funktion in Hos 9,3.9 verwendet. Der Landverlust stellt nun eine Reaktion JHWHs auf den kultisch vollzogenen Beziehungsabbruch seines Volkes im Land dar, der sich aus der gedenkenden und überprüfenden Auseinandersetzung mit dieser Schuld (V.9) an den Tagen der Überprüfung und Rückerstattung/Vergeltung (V.7) ergibt. Als neuer Kompositionsabschluss übernimmt Hos 9,9 dabei den älteren Kompositionsabschluss aus Hos 8,13 und bestätigt damit zugleich den endgültigen Beziehungsabbruch, der von Israel im Land initiiert wurde (vgl. V.1) und seitens des Propheten mit der Ankündigung einer reziproken und endgültigen (vgl. die Perfektformen in Hos 9,7) 320
Wolff, Hosea, 204. Vielhauer, Werden, 102. 322 AaO, 110. 323 AaO, 108. 324 AaO, 109. 325 Ebd. 326 Vgl. Jeremias, Hosea, 113; Vielhauer, Werden, 101: „Hos 9,7–9 dokumentiert in der Feindschaft gegen den Propheten die endgültige Ablehnung des Wortes JHWHs aus Hos 4,1“. 321
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Reaktion JHWHs beantwortet wird (vgl. Hos 9,2–6.7–9). Das, was Israel in Hos 9,7 erkennen wird, ist das eigene Ende, das sie über den kultisch vollzogenen Beziehungsabbruch („Unzucht“) gegenüber JHWH (vgl. Hos 4,1–14) selbst über sich gebracht haben. Dieser Beziehungsabbruch wird von JHWH in Form der Revozierung seiner Versorgung (V.1), seines Landes (V.3) und seines Schutzes (V.4–6) gegenüber seinem Landesvolk erwidert (vgl. Hos 2,4–15). In Hos 9,1–9 „findet der Gottesprozeß ‚mit den Landesbewohnern‘ sein Ende, indem das Gottesvolk aus ‚Jahwes Land‘ (V. 3) vertrieben wird und damit das Ende aller Gottesbeziehung eingeleitet wird (V. 4f.), das seinerseits notwendig in den Tod führt (V. 6)“327. 4.2.3 Die Bündelung von Reziprozitätsvorstellungen 4.2.3.1 „Unzucht (treiben)“ in Hos 9,1–3 Die prophetische Rede Hos 9,1–9 wird mit einem Mahnspruch (V.1) eingeleitet, in dem das Volk Israel angesprochen und aufgefordert wird, sich nicht bis zum Jubel ()אל־גיל328 zu freuen329 wie die Völker (V.1aα; vgl. Hos 7,8). Von V.1 an ist deutlich, dass es sich bei den Tagen der Überprüfung und Vergeltung (vgl. Hos 9,7) nicht um Freudentage handelt, sondern um Tage, an denen Israel den Zugriff auf die Landesgüter (V.2), das Land (V.3) und den Kult als Kontaktmöglichkeit zum eigenen Landes- und Staatsgott entzogen wird (vgl. V.4f). Stattdessen wird ihnen im Rahmen der Revozierung des Exodus eine Existenz in Assyrien angekündigt, die jeglichen Reichtum und jegliche Fruchtbarkeit entbehrt (vgl. V.6). Dieses Ergehen stellt sich dabei als die Folge aus dem in V.1aβ–bα genannten Vergehen dar, das zugleich die Schuld und die Sünden repräsentiert, mit denen Israel im Rahmen der Auseinandersetzung 327
Jeremias. Hosea, 114. Die Formulierung findet sich nur noch in Hi 3,22 und Prov 23,24 (in Prov 23,24 liegt jedoch Textverderbnis vor). Gegen MT (lectio difficilior) wird mit LXX und den anderen Übersetzungen oftmals ָתגֵ לstatt גִ ילgelesen, „obwohl אל־גילnicht unmöglich ist“ (Willi-Plein, Vorformen, 172). 329 Rudolph (Hosea, 175) schließt aus der Tatsache, „daß Hosea vor ausgelassener Freude warnen muß, […] daß damals noch keine drohenden Wolken am politischen Horizont standen. Das führt wohl nicht auf die Zeit Jerobeams II. (wegen V. 3b), sondern eher […] auf die paar ruhigen Jahre nach der Zeit der inneren Wirren“, Jeremias (Hosea, 115) ist hingegen der Ansicht, dass der Prophet „mit schrillen Tönen […] in das frohe Festtreiben der Kultgemeinde (‚Israel’) ein[greift], wie es grundsätzlich für das Herbstfest charakteristisch war (Lev 23,40; Dtn 16,14) und offensichtlich schon sogleich nach den schweren Kriegsjahren 733/32 wieder in aller Ausgelassenheit geübt wurde (vgl. 8,11ff.)“. 328
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JHWHs an den Tagen der Überprüfung und Vergeltung konfrontiert wird (vgl. Hos 9,9). Im begründenden כי-Satz von V.1aβ wird Israel dabei der Vorwurf gemacht, dass es sich von seinem Gott „wegprostituiert“330 ( )זנית מעל אלהיךund „Buhlerlohn“ auf jeder Dreschtenne331 geliebt hat ()אהבת אתנן על כל־גרנות דגן. Die einzige Stelle in Hos 9,1–9, in der Israel durch die Verwendung des Suffixes der 2.Pers.sg. noch in eine enge Relation zu JHWH gebracht wird, findet sich im Rahmen einer Anklage, d. h. im Rahmen der Feststellung, dass die Beziehung seitens des angeklagten Volkes Israel durch dessen Vergehen beendet wurde. Statt die Tätigkeit des „Unzuchtstreibens“ ( )זנהals Vergehen gegen den eigenen Gott zu erkennen, muss Israel im Rahmen der prophetischen Rede aufgefordert werden, eine ausgelassene Freude zu unterlassen, die in der Wahrnehmung des Propheten nur den JHWH-fremden Völkern angemessen wäre. Hier liegt nicht nur ein implizierter Rückverweis auf die im Buchkern thematisierte verlorene Erkenntnis des eigenen Gottes vor (vgl. Hos 5,3f; 8,2.4), sondern es wird ein Zweifaches festgestellt: Einerseits, dass Israel seinem eigenen Landes- und Staatsgott JHWH gegenüber untreu wurde und andererseits, dass es sich aufgrund dieser Untreue wesensmäßig den Völkern bereits angenähert hat (vgl. Hos 7,8). Die Verwerflichkeit des Vergehens wird dadurch verstärkt, dass Israel sich nicht aus Liebe mit anderen „Göttern“ eingelassen hat, sondern aus Liebe zum „Buhlerlohn“332 (V.1bα). Israel hat seinen Gott verlassen, um sich selbst um des Buhlerlohnes willen zu verkaufen. Andererseits wird die Verwerflichkeit dieses Vergehens auch noch dadurch verstärkt, dass es sich nicht um ein einmaliges Vergehen handelt, sondern um ein Vergehen, dass bereits zu einem Habitus geworden ist, wie die verallgemeinernde Formulierung von V.1bβ verdeutlicht (כל־גרנות, „auf jeder/auf allen Dreschtennen“). Hos 9,1 spricht somit bereits ein Israel an, das sich kultisch vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH gelöst hat und seine Identität nicht mehr länger durch die Gemeinschaft mit dem eigenen Landesund Staatsgott definiert, sondern über den Buhlerlohn. Während Israel die Identität als Volk JHWHs aufgibt, findet zugleich eine Annäherung an die Völker statt, in deren Rahmen Israel als JHWH330
Wörtlich: „du hast dich wegprostituiert gegen deinen Gott“; vgl. Hos 4,10.12.3.14 (2x)15.18; 5,3; 6,10. 331 Jeremias, Hosea, 115 verweist darauf, dass die Dreschtennen „nicht notwendig, wie häufig vermutet, als Kultort und hier als der Ort der Festfeier genannt [sind] – es genügt, auch, an den Ort zu denken, an dem die Dirne Israel ihre Wohlstandsgeschenke entgegenimmt“. 332 Wie die Fortführung der Argumentation in V.2 zeigt, sind mit dem Buhlerlohn die Landesgaben gemeint; vgl. Jeremias, Hosea, 115.
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untreue Ehefrau dargestellt wird (vgl. Hos 9,1bα).333 Dass es sich bei dem in V.1 genannten Vergehen um den Hauptanklagepunkt handelt, ist daran erkennbar, dass im Anschluss an V.1aβ–b keine weiteren Anklagen erfolgen und stattdessen die in V.1aβ–bβ genannte Anklage durch die Nennung von sich aus diesem Vergehen für Israel ergebenden Folgen expliziert wird (V.1–3). Die den Mahnspruch begründende Anklage (V.1aβ–bβ) und die Begründung der letzten Negation (V.4) bilden dabei eine Inklusio um vier Negationen (V.2– 4aβ). Dass die Verse 1–4 im Text nach M eine Einheit334 bilden, zeigt sich daher sowohl inhaltlich als auch strukturell: 1aβ 1bβ
כי כל
2a
לא
3a
לא
4aα 4aα
לא לא
4aβ
כל
4bα
כי
Hauptanklage: Unzucht Verstärkende Verallgemeinerung des Vergehens: „auf jeder = auf allen Dreschtennen von Korn” Folge 1: „kein Umgang mit ihnen pflegen/sie nicht weiden“ (Verlust: Landesgüter) Folge 2: „nicht wohnen bleiben”335 (Verlust: Bürgerrecht/Land) Folge 3: „nicht ausschütten/libieren für JHWH Wein“ (Verlust: Kultpraxis: „Trinken“) Folge 4: „nicht darbringen für ihn ihre Schlachtopfer“ (Verlust: Kultpraxis: „Essen“) Verstärkende Verallgemeinerung der Folge 4: „jeder Essende wird = alle Essenden werden sich verunreinigen“ (Rückbezug zu V.1bβ) Begründung von Folge 4: Ihr „Brot” ist „für ihre (eigene) Vitalität/Kehle”
Die im Rahmen der argumentativen Begründungsstruktur genannten Folgen betreffen dabei die Bereiche „Landesgüter“ (V.2), „Land JHWHs“ (V.3) sowie „Kultpraxis und Gottesdienst“ (V.4). Israel wird dabei nicht nur angekündigt, dass es den Zugriff auf die Landesgüter verlieren wird (vgl. V.2), sondern auch, dass es das Land JHWHs verlassen (V.3a) und stattdessen nach Ägypten zurückkehren wird (vgl. V.3bα). Ägypten wird im Rahmen von V.3b mit Assyrien parallelisiert, so dass es als Chiffre für die Revozierung 333
Während man ausgehend von Hos 9,1f Israel mit einer Prostituierten identifizieren könnte, zeigt insbesondere die Fortführung des Bildes in V.15, dass Israel als untreue Ehefrau JHWHs vorgestellt wird, der im Rahmen der Gottesrede V.15f angekündigt wird, dass JHWH sie aufgrund ihrer Untreue nicht mehr länger lieben und stattdessen aus seinem Haus ( )מביתיvertreiben wird. 334 Utzschneider charakterisiert diese Verse als „Redeformen des Rechtslebens“ (Boecker). Seiner Einschätzung nach tragen die Verse „wesentliche Merkmale der Verbindung von Urteil und Tatfolgebestimmung“ (Utzschneider, Hosea, 159). 335 Vgl. Abschnitt 4.2.3.5.
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des Exodus steht, der Israel nach Assyrien (vgl. באׁשורin V.3bβ) ins Exil führt bzw. geführt hat. Dort findet jeglicher kultisch vermittelte Gotteskontakt ein Ende.336 Dem vollständigen Abfall von JHWH im Landeskult entspricht dabei die vollständige Verunreinigung aller Israeliten in Assyrien (vgl. V.1bβ mit 4aβ). Zur Verstärkung der Anklage wird mit zwei Verallgemeinerungen gearbeitet, denen ebenfalls eine rahmende Funktion um die Negationen zukommt: In V.1 wird im Rahmen der Anklage betont, dass Israel den Buhlerlohn „( על כל־גרנות דגןauf jeder Dreschtenne/allen Dreschtennen von Korn”) geliebt hat. Die gleiche Verallgemeinerung findet sich im Rahmen der letzten (kultischen) Folge aus diesem Vergehen (V.4ab): Die Opfer Israels sind wie Trauerbrot, von denen gilt: כל־אכליו יטמאו („jeder/alle Essende[n] wird/werden sich verunreinigen“). Diese Inklusio legt sich dabei um vier als Negationen mit לאformulierte prophetische Ankündigungen für die Zukunft: Während die Dreschtennen zunächst als Orte der Liebe zum Buhlerlohn337 benannt wurden (V.1bβ), werden sie im Rahmen der ersten Negation und in Form eines kollektiven Singulars als personifizierte Größe „Dreschtenne“ mit der „Kelter“ als Produktionsstätten der Landesgüter JHWHs erneut ins Auge gefasst. Diese Landesgüter finden normalerweise auch im Kult Verwendung (vgl. V.4aα). Israel wird angekündigt, dass diese Stätten keinen Umgang mehr mit ihnen pflegen werden, d. h. die Unzucht Israels im Land keine positiven Folgen nach sich ziehen wird, sondern stattdessen in einem Entzug der Landesgüter resultiert, die im Rahmen einer Personifizierung ausgedrückt werden. Eine Erweiterung findet durch die angeschlossene Ankündigung statt, dass auch „Most“ – personifiziert und ohne Artikel – sie „im Stich lassen wird“338. Die Negation wird hier nicht durch die Partikel לא, sondern durch die Wahl des Verbs ausgedrückt. Diese Ankündigung liest sich zunächst 336
Bzgl. der Essens- bzw. Verzehrthematik vgl. Abschnitt 4.2.3.3. Die prophetische Argumentation scheint dabei folgendermaßen zu verlaufen: Das Volk Israel freut sich am Herbstfest (vgl. Jeremias, Hosea, 115) über einen guten Ernteertrag und will JHWH dafür im Rahmen des Kultes danken. Da der Prophet den Kult des Volkes Israel jedoch als verfehlten JHWH-Kult ansieht („du hast dich wegprostituiert von deinem Gott“), können auch die Erträge nur noch als „Buhlerlohn“ aufgefasst werden (V.1). Ab V.2 ändert sich die Argumentationsebene jedoch: Nun stehen Dreschtenne und Kelter als Produktionsstätten des Landes JHWHs im Vordergrund. Israel hat die Dreschtennen „missbraucht“ bzw. entweiht, indem sie auf ihnen den Buhlerlohn liebten. Daraus ergibt sich wiederum die Ankündigung, dass diese zukünftig keinen Umgang mehr mit Israel pflegen werden, d. h. der „Missbrauch“ endet reziprok im „Beziehungsabbruch“. 338 Für weitere Interpretationsmöglichkeiten vgl. Utzschneider, Hosea, 158. 337
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wie eine nachträgliche und zudem unnötige Erweiterung, es handelt sich jedoch um ein stilistisches Mittel: Während die Dreschtenne zunächst mit „Korn“ in Verbindung gebracht und identifiziert wird, schließt sich daran die Hauptfolge an, die sich im Rahmen einer Parallelisierung von Dreschtenne und Kelter findet (V.2a). Daran schließt sich wiederum die Identifikation der Kelter mit „Most“ an. Den Versen 1bβ und 2b kommt erneut rahmende Funktion um die in V.2a genannte erste Hauptfolge zu. Während in V.1 die Dreschtennen als Orte der Prostitution Israels im Vordergrund stehen, wird dieses Bild in V.2 durch die Gegenüberstellung und Personifizierung von „Dreschtenne“ und „Kelter“ (und „Most“) erweitert und dient nun zur Überleitung zur Fruchtbarkeitsthematik, die hier auf der Ebene der Fruchtbarkeit des Landes thematisiert wird. Die Erzeugnisse beider Orte – Getreide und Wein – stellen Landesgaben des eigenen Staats- und Landesgottes JHWH dar, ohne, dass Israel dies erkannt hätte. Die Kultkritik der Tradenten ist eindeutig: Israel verkauft („Buhlerlohn“) sich für Dinge, die es im Rahmen der Gottesbeziehung als freie Gaben von JHWH erhalten hat. Da Israel diese Erkenntnis jedoch fehlt, verkauft es sich umsonst und verliert damit nicht nur die ursprünglichen Gaben, sondern auch den ursprünglichen Geber dieser Gaben.339 Die Aussage, dass Dreschtenne und Kelter keinen Umgang mehr mit Israel pflegen werden, hat dabei sexuelle Konnotationen340 und greift die Unzuchtsmetaphorik aus V.1 auf: Im Rahmen der Anklage werden die Dreschtennen als die Orte genannt, an denen Israel den Buhlerlohn „liebte“.341 Dies kommt einer Entweihung und einem Missbrauch der Produktionsstätten des Landes JHWH gleich, so dass diese reziprok weiteren „Umgang“ mit Israel und auch einen weiteren Ertrag, der aus diesem Umgang resultieren könnte, verweigern. Indem sich Israel von JHWH durch das Unzuchttreiben entfernt, tauscht es seine Existenz im Land gegen eine Existenz nach Art der Völker (vgl. V.1a: )כעמיםbzw. unter den Völkern (vgl. V.17: )בגוים ein. Dabei ist im Akt des Unzuchttreibens „weg von gegen“ JHWH ( )זנית מעל אלהיךsowohl die Richtung der Bewegung als auch der 339
Mit Nogalski wird die Sicht vertreten, dass Hosea Israel „[admonishes] for failing to recognize YHWH as the source of its abundance“ (Nogalski, Literary Anchor, 98); vgl. zudem die Darlegung des Rechtsverhältnisses der israelitischen Ehe bei Utzschneider, Hosea, 167f. 340 Hier wird die Bedeutung von II „( רעהmit jemandem verkehren, umgehen, sich einlassen“) zugrunde gelegt, vgl. Utzschneider, Hosea, 155. 341 Eventuell bezieht sich V.1bβ („auf jeder Dreschtenne von Korn, auf allen Dreschtennen von Korn“) sowohl auf V.1ab als auch auf V.1bα. Dann würden die Dreschtennen sowohl den Ort des „Wegprostituierens“ als auch den Ort der Liebe zum Buhlerlohn bezeichnen.
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Handlung impliziert ()מעל, die eine Erwiderung in drei Folgen findet: dem Verlust der Landesgaben (V.2), des Aufenthaltsrechtes im Land (V.3a) sowie des vollständigen Kultentzuges in Assyrien (V.3b). Zwischenergebnis Hos 9,1f spricht Israel als ein bereits kultisch von JHWH entfremdetes Volk an, das sich im Land JHWHs im Verhalten den Nationen (vgl. V.1: )כעמיםannähert. Während die Unzuchtsthematik im Buchkern Hos 5–7 nur locker in den jeweiligen Kontext eingebunden ist (vgl. Hos 5,3f; 6,10), dabei jedoch ebenfalls kultisch verortet wird, zeigt Hos 9,1f große inhaltliche Parallelen mit Hos 4,4–19. Während in Hos 4,11–14 konkrete Kultpraktiken geschildert werden, die der Sicherstellung von Fruchtbarkeit dienen und dabei als Unzucht und Zeichen eines Unzuchtsgeistes stigmatisiert werden, sind es in Hos 4,7–10 die Priester, denen der Vorwurf gemacht wird, dass sie den Kult statt an der Weisung und Erkenntnis Gottes entsprechend ihren „Fleischgelüsten“ ausrichten und daher an einer Maximierung der Sünden im Volk interessiert sind, da sie am Fleisch der Sündopfer (Schlachtopfer) partizipieren. Auch Hos 9,1f zeichnet Israel als ein Volk, dass die Gaben des Landes auf eine falsche Art und Weise sicherstellen will. Dementsprechend wird auch dieses – jedoch nicht näher geschildertes – Verhalten als „Unzucht“ stigmatisiert, die gegen JHWH als den Landesherrn ausgeübt wurde, wie die Formulierung ( זנית מעל אלהיךwörtlich: „Unzucht getrieben weg von/wegprostituiert gegen deinen Gott“)342 zeigt. Ermöglicht es nach Hos 4,11–19 der Unzuchtsgeist Israels im Land schließlich dem (assyrischen) Sturm, von außen auf Israel zuzugreifen, sind es in Hos 9,1f die personifizierten Orte der Unzucht im Land, die einen weiteren fruchtbaren Ertrag für Israel – und eine positive Reziprozität infolge der „Unzucht“ – verweigern. Anders als in Hos 4,19 kehren sich in Hos 9,2 das Land bzw. die Produktionsstätten, an denen Israel aus den Landesgaben die Kulturgüter des Getreides und des Weines gewinnen durfte, gegen das Volk Israel. Wie sich zeigen wird, ist damit jedoch nur die erste Folge der Unzucht Israels im Land benannt, die in V.3–6 über den Entzug des Landes (V.3a) bis hin zum Exil nach Assyrien führt (V.3b) und dort nicht nur in einem Abbruch jeglicher kultischen Tätigkeiten für JHWH, sondern auch mit dem Verlust der eigenen Fruchtbarkeit und daher der eigenen Existenz endet (vgl. V.6bβ). Hos 9,1–9 zeichnet als neuer Kompositionsabschluss eine im Vollzug befindliche Auseinandersetzung mit der Unzucht Israels im Land 342
Vgl. Hos 4,12b.
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(vgl. V.1), die schließlich nicht nur im Landverlust, sondern auch im Abbruch jeglicher Beziehung zu JHWH in Assyrien resultiert (vgl. V.3–9). 4.2.3.2 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 9,3 Die „differenzierte Verwendung der Wurzel ׁשובim Hoseabuch“343 wurde bereits im Rahmen der Analyse der Verwendung der Wurzel im Buchkern Hos 5–7 (Hos 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16) ersichtlich.344 Es zeigte sich, dass die Wurzel zum ersten Mal im Rahmen von Hos 5,15 verwendet wurde und dort eine Abwendung JHWHs von Israel ausdrückte, die zugleich als Relativierung der tödlichen Zuwendung von Hos 5,14 diente. Diese Abwendung wurde als zeitlich begrenzt dargestellt. Sie konnte seitens Israels dadurch aufgehoben werden, dass sie Buße tun und das Angesicht JHWHs im Kult suchen ()בקׁשו פני.345 Hos 5,3–6 und Hos 6,1–3 schildern diese kultische Suche Israels, die jedoch in beiden Fällen erfolglos bleibt. Nach Hos 6,1–3.4–6 blieb die gehend vollzogene Umkehr zu JHWH erfolglos, da es Israel an Gemeinschaftstreue mangelt (vgl. Hos 6,4–6). Nach Hos 5,3f findet keine Umkehr zu JHWH statt, da Israel Unzuchtstaten gewidmet ist und JHWH nicht anerkennt. So bleibt die in Hos 5,6 gehend vollzogene Suche nach JHWH im Opferkult erfolglos, da er sich ihnen dauerhaft entzogen hat. Das aus Hos 5,3–6 gebildete Mischzitat Hos 7,10 deutet die ausbleibende kultische346 Rückkehr Israels zu JHWH im Angesicht der außenpolitischen Situation als Hochmut ()גאון. Auch die in Hos 7,16 geschilderte Umkehr ist nicht die von den Tradenten gewünschte Umkehr Israels zu JHWH.347 Am Ende der Komposition findet sich Israel – repräsentiert durch eine Gesandtschaft – im Land Ägypten wieder. Eine Tatsache, die im Rahmen von Hos 7,16 klagend festgestellt wird. Im neuen Kompositionsabschluss Hos 8,13 wird diese Feststellung in doppelter Form gesteigert. Die Form der Klage weicht dabei der Ankündigung einer Rückkehr Israels nach Ägypten, die entgegen 343
Jeremias, Eschatologie, 68. Vgl. Abschnitt 2.3.4. 345 Vgl. Wolff, Umkehr, 131. 346 Vgl. die Verwendung von „suchen“ ( )בקׁשmit JHWH als Objekt im Rahmen von Hos 7,10. 347 Vgl. Jeremias, Hosea, 91, Anm. 17: „Der ursprüngliche Text lautete wohl wie an der Parallelstelle 11,7: ’ael ̔al. Letzteres ist Epitheton (in Ugarit ̔lj, ‚der Hohe, der Erhabene‘) oder Kurzform für Baal. Die spätere Überlieferung hat ‚den Erhabenen‘ durch Metathesis verballhornt: zu ‚Nicht-Hoch‘ = ‚Ohnmacht‘, wodurch die Präposition verloren ging“. 344
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Hos 7,16 nicht mehr freiwillig vollzogen wird. Sie ist vielmehr eine Reaktion JHWHs auf die mit dem Exodusmotiv348 des Hinaufgehens ( )עלהbeschriebene freiwillige Hinwendung Israels nach Assyrien (vgl. Hos 7,11). In der kompositionellen Kombination aus Hos 7,11.16 und Hos 8,9 wird so in Hos 8,13 die Ankündigung der unfreiwilligen Rückkehr Israels nach „Ägypten“ als von JHWH initiierte Revozierung des Exodus dargestellt.349 Das wachsende Hoseabuch findet nun seinen Abschluss mit der Ankündigung der Rückkehr Israels nach Ägypten – eine Vorstellung, die sowohl die Revozierung der Landesgabe durch JHWH, als auch die Revozierung des Exodus als des identitätsstiftenden Ereignisses der von JHWH initiierten Heilsgeschichte und darin zuletzt die Revozierung der Beziehung zum eigenen Staats- und Landesgott JHWH ausdrückt. Im Anschluss an Pfeiffer kann „Ägypten“ dabei als „theologische Chiffre für den hinter der Exilierung nach Assur stehenden metahistorische[n] Sachverhalt“350 betrachtet werden. Während dabei in Hos 8,13 die Rückkehr nach Ägypten die Reaktion JHWHs auf Israels eigenen Exodus aus dem Land JHWHs nach Ägypten und Assyrien im Rahmen von Bündnisbemühungen darstellt (vgl. Hos 5,12; 7,11; 8,9), stellt sie sich zugleich als Folge einer inneren („ ;זכרgedenken, erinnern“) und äußeren („ ;פקדüberprüfen“) Auseinandersetzung des Landes- und Staatsgottes JHWHs mit dem als Schuld und Sünden bezeichneten Verhalten seines Volkes dar. So formuliert Hos 8,13 einen Zweischritt aus einer Auseinandersetzung, die innerlich-gedenkend (1.1) und äußerlich-überprüfend (1.2) vollzogen wird und einem aus diesem Auseinandersetzungsprozess gewonnenen Entschluss (2), der in einer reziproken, die Schuld und Sünden konfrontierenden Reaktion besteht (V.13bβ). Hos 8,13 scheint daher weniger einen synonymen als vielmehr einen synthetischen Parallelismus zu formulieren. Betrachtet man den Hos 8,1–13(.14) ersetzenden, neuen Kompositionsabschluss Hos 9,1–9, so fällt zunächst auf, dass dieser Zweischritt beibehalten, aber zugleich geteilt und in seiner Struktur 348
Die Wurzel עלהin Hos 8,9 wird dabei als Bestandteil eines bereits bei den Tradenten vorhandenen Wissens um den Exodus gedeutet, vgl. Kratz, Prophetenstudien, 301f, der zwar die Meinung vertritt, dass „erst im Licht der Interpretation von 7,8ff und 8,9f in 11,1–4 […] das ‚zurück nach Ägypten‘ aus 8,13 und 9,3 (beachte die Parallele mit Assur) in 11,5a zur Zurücknahme der Heilsgeschichte und Aufkündigung des darin gestifteten Verhältnisses von Gott und Volk [wird]“ (aaO, 301f), der jedoch zugleich zugesteht, dass „die heilsgeschichtlichen Traditionen der Vorzeit […] der Prophetenüberlieferung in der einen oder anderen Form sicher schon vor[lagen]“ (aaO, 302). 349 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 65. 350 Pfeiffer, Heiligtum, 183.
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umgekehrt wurde (vgl. Hos 9,3.9). So nimmt Hos 9,3 die in Hos 8,13 als Fazit der inneren und äußeren Auseinandersetzung JHWHs formulierte Reaktion JHWHs auf den „Exodus“ Israels nach Assyrien (vgl. Hos 8,9) vorweg und präsentiert die Rückkehr nach Ägypten im Rahmen der aktualisierenden Neuinterpretation als Reaktion JHWHs auf die im Land vollzogene kultische Untreue („Unzucht“) Israels (vgl. Hos 9,1f). Nicht die Hinwendung zu politischen Großmächten im Rahmen einer von den Tradenten kritisierten Bündnispolitik (vgl. Hos 5,12; 7,11; 8,9), sondern die im Land im Rahmen eines von den Tradenten als „Unzucht“ kritisierte Kultpraxis ist der Grund des Landentzugs. Hos 9,3 geht dabei einen argumentativen Weg, der bereits in Hos 8,11–13a und Hos 4,6–14 vorbereitet wurde. Während jedoch in Hos 8,11ff der Kult des Volkes Israels als Begründung für die Reaktion JHWHs neben den von Israel politisch initiieren Exodus von Hos 8,9 trat, lag in Hos 4,6–14 das argumentative Gewicht auf dem von der Priesterschaft im Land pervertierten Kult. Indem Hos 9,3 den Landentzug jetzt als von JHWH initiierten Exodus als Folge des als „Unzucht“ gedeuteten Kultes des Staates Israels präsentiert, werden die beiden in Hos 8,9.11–13 und Hos 4,6–14 separat vorliegenden Kompositionslinien miteinander verbunden. Dabei wird der Entzug des Landes durch den Landesgott aufgrund der kultischen Untreue Israels bereits durchlässig für die später im Rahmen von Hos 9,15a–bα angedeutete und im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 ausformulierte Interpretation des geschichtlichen Ergehens des Nordreichs als der Folge einer Trennung eines Ehemannes von seiner untreuen Ehefrau infolge ihrer mit Liebhabern vollzogenen ehelichen Untreue (vgl. Hos 2,4–7.14). Zwischenergebnis Während im Buchkern Hos 5–7 mehrheitlich das Ausbleiben einer Umkehr Israels zu JHWH thematisiert und beklagt wurde (vgl. Hos 5,3f; 6,1–3.4–6; 7,10.16), trat im Rahmen der Genese des Hoseabuches mit dem Anschluss des neuen Kompositionsabschlusses Hos 8,1–13(.14) ein theologischer Umbruch ein. Nicht länger wurde die ausbleibende Umkehr Israels zu JHWH thematisiert, sondern ab jetzt diente die Wurzel ׁשובzum Ausdruck einer von JHWH angekündigten Rückkehr Israels nach Ägypten (vgl. Hos 8,13) bzw. einer im Rahmen der neuen Einleitung der Komposition Hos 5–8 durch Hos 4,1–19 angekündigten Konfrontation von Priesterschaft und Volk mit ihren Taten, die von JHWH zu diesen zurückgewendet ( ׁשובHif.) wurden. Auch der neue Kompositionsabschluss Hos 9,1–9 geht hinter diese theologische Entwicklung nicht zurück.
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Vielmehr lässt sich beobachten, dass im Rahmen der aktualisierenden Neuinterpretation in Hos 9,3 die in Hos 8,9.11–13 und Hos 4,6–14 vorbereiteten Kompositionslinien des politisch von Israel vollzogenen Exodus aus dem Land JHWHs nach Assyrien (vgl. Hos 8,9) mit der Kultpolemik aus Hos 8,11–13 und der den Kult als „Unzucht“ deutenden Kultpolemik aus Hos 4,6–14 zu einer Kompositionslinie verschmolzen wurden. So deuten die Tradenten im Rahmen von Hos 9,1–3 den Staatskult Israels durch die Aufnahme des Begriffs der „Unzucht“ aus Hos 4,7–14 (vgl. zudem Hos 5,3f; 6,10) als Ausdruck eines im Land kultisch vollzogenen Abfalls vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH, auf den nun dieser – statt Israel, vgl. Hos 8,11 – mit der Revozierung der Landesgabe reagiert, die als Rückkehr nach „Ägypten“ formuliert wird und die Aufhebung des politischen Exodusgeschehens durch JHWH darstellt. 4.2.3.3 „Verzehren“ in Hos 9,3–5 Mit „essen, verzehren“ ( )אכלwird im Buchkern Hos 5–7 ein unerwünschter politischer Zugriff auf eine Personengruppe (Richter; vgl. Hos 7,7) bzw. die Ressourcen des Staates Israel (Hos 7,9) zum Ausdruck gebracht und dabei ein reziproker Vorgang zwischen der eigenen innenpolitischen Destabilisierung (Hos 7,7) und dem dadurch ermöglichten außenpolitischen Zugriff (vgl. Hos 7,9) formuliert. Mit diesem Aussagegehalt wird אכלdann auch im kultischen Kontext verwendet (vgl. Hos 5,7). Im Rahmen des ersten neuen Kompositionsabschlusses Hos 8,1–13(.14) finden sich beide „Verzehrvorgänge“351: Während dabei im politischen Bereich eine Steigerung des Verzehrens der Ressourcen Israels (vgl. Hos 7,9) hin zu einem Verschlungensein ( בלעNif.) des Staates Israel ausgesagt wird (vgl. Hos 8,7f), wird in der Kultpolemik eine theologische Fokussierung auf kultische Verzehrvorgänge vorgenommen. Im Rahmen der Kultkritik von Hos 8,11–13 wird den Israeliten (vgl. Hos 8,11) dabei vorgeworfen, Schlachtopfer aufgrund der eigenen Lust am Fleischverzehr, nicht aber zur Herstellung einer Mahlgemeinschaft mit dem eigenen Staats- und Landesgott JHWH darzubringen. Hier weicht die bildhafte Verwendung von אכלder Beschreibung realer Essvorgänge im Rahmen der Kultpraxis. Im Rahmen der neuen Einleitung der Komposition Hos 5–8 verwendet Hos 4,7–10 die Kultpolemik aus Hos 8,11–13 als literarische Vorlage und fokussiert die Schuld an dieser Pervertierung des Kultes auf die für den Kult verantwortlichen Priester (vgl. Hos 351
Vgl. zudem die Verwendung von אכלin dem sekundären V.14.
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4,6–8).352 Auch im Rahmen von Hos 4,11–14 steht dabei der reale Vollzug des Kultes im Mittelpunkt der Argumentation des Kompositionsabschnittes. Wie die Beschreibung dieser Kultpraktiken mit dem Begriff der „Unzucht“ (vgl. Hos 4,12b.13b.14a.15a.18b) verdeutlicht, werden sie von den Tradenten als Ausdruck der Untreue und der Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH gedeutet. Sie findet seitens JHWHs eine Entsprechung (vgl. Hos 4,6.9), resultiert für Israel in einem Mangel an Sättigung und Fruchtbarkeit (vgl. Hos 4,9f; vgl. das reziproke Verhältnis von פרץin V.2 und in V.10) sowie darin, dem eigenen „Unzuchtsgeist“ überlassen zu werden. Wie das Spiel mit רוחin V.12b und V.19a zeigt, ist es dieser in der Pervertierung des Kultes als Abwendung von JHWH Gestalt annehmende Unzuchtsgeist Israels ()רוח זנונים, der dem (assyrischen) Sturm den von außen kommenden Zugriff auf den Staat Israel ermöglicht (vgl. in V.19). Der neue Kompositionsabschluss Hos 9,1–9 greift diese konkrete Argumentationsebene aus Hos 8,11–13 und Hos 4,7–14 auf und kündigt das Ende des israelitischen Kultes als Folge des Verlustes der Landesgüter,353 des Landes und der Exilsexistenz in Ägypten/Assyrien aufgrund der kultischen Abwendung (vgl. V.1a) vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH an (vgl. V.3ff). Der Verzehr von Unreinem wird zum Inbegriff des Exils (vgl. V.3b). Dabei wird die dritte Folge aus Israels Vergehen durch den Gegensatz der Negation der Darbringung von Opfern für JHWH (vgl. V.4aα) und der Ankündigung des verunreinigenden Eigenkonsums dieser Kult(ur)güter (vgl. V.4aβ) nachgezeichnet. Im Rahmen von V.3f wird besonders deutlich, dass die Argumentation von Hos 8,11– 13 und Hos 4,7–14 voraussetzt wird. Denn während nach Hos 8,13 und Hos 4,8 die kultische Abwendung Israels und der Priester von JHWH darin Ausdruck fand, dass die Schlachtopfer nicht zur Herstellung einer Mahlgemeinschaft mit dem eigenen Staats- und Landesgott dargebracht wurden, sondern zur Maximierung des eigenen Fleischkonsums, so wird in Hos 9,3bβ.4aβ jegliche positive Folge eines möglichen Eigenkonsums von vornherein ausgeschlossen und stattdessen eine Verunreinigung durch den Verzehr dieser Opfergaben angekündigt.354 352
Während Fleisch seltener Bestandteil der Ernährung der Bevölkerung war, stand den Priestern aufgrund ihres Amtes und ihrer Tätigkeit im Opferkult regelmäßig ein Teil des Fleisches der Opfertiere zu, vgl. die Ausführungen bei Jeremias, Hosea, 67. 353 Vgl. Jeremias, Hosea, 116: „Tenne und Kelter repräsentieren den gesamten Ernteertrag“. 354 Dieser Zusammenhang der Argumentation zwischen Hos 9,1–9 und Hos 8,11–13 sowie Hos 4,7–14 scheint im Rahmen der exegetischen Forschung
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Der Verweis auf den Konsum von Unreinem in Assur (V.3bβ) leitet dabei über zu V.4 und bildet zugleich einen Gegensatz zu der dort im Rahmen der Negation thematisierten Opferpraxis, die in Folge der neuen Existenz Israels unter den Nationen nicht mehr stattfinden wird. Durch die chiastische Verwendung des Stichwortes טמא („unrein“) in Kombination mit „( אכלessen/Essende“) in V.3bβ und V.4aβ entsteht ein Rahmen um die sich aus Israels Vergehen ergebende Hauptkonsequenz, die in V.4aα genannt wird: In seiner neuen Identität und Existenzform unter den Völkern wird Israel weder ein Becher- bzw. Trankopfer für JHWH darbringen.355 Dies verdeutlicht, dass Israel im Exil keinen Kontakt mehr zu JHWH aufnehmen und keine Mahlgemeinschaft mehr mit ihm herstellen kann: 3bβ 4aα 4aβ
ובאׁשור טמא יאכלו לא־יסכו ליהוה יין ולא יערבו־לו זבחיהם כלחם אונים כל־אכליו יטמאו
Statt der Herstellung von Gemeinschaft mit JHWH wird im Rahmen von V.4a angekündigt, dass der Eigenverzehr dieser Opfergaben die Wirkung von Trauerbrot auf den Opfernden haben wird. Dies impliziert die Vorstellung, dass die Opfer für die Essenden eine Verunreinigung nach sich ziehen würden, die der Verunreinigung durch einen Leichenkontakt gleichkommt.356 Durch die rahmende Verwendung von כלin V.1b und V.4aβ verleihen die Tradenten dabei der Vorstellung Ausdruck, dass zwischen der Entweihung aller Dreschtennen im Land (V.1b), und der Verunreinigung jedes Partizipienten des in V.4a beschriebenen Kultes eine Relation besteht. Die Ergänzung von V.4b357 durchbricht diese Argumentation, indem zwischen einem – nach wie vor vorhandenen – profanen Nutzen des aus dem Getreide gewonnenen Brotes (vgl. V.1b) und seiner kultischen Verwendung im Haus JHWHs (;בית יהוה V.4b) differenziert und letztere Verwendung ausgeschlossen wird – noch nicht wahrgenommen worden zu sein; stattdessen wird die Verunreinigung monokausal aus dem Aufenthalt außerhalb des Herrschaftsbereiches JHWHs in einem fremden Land abgeleitet (vgl. Jeremias, Hosea, 116; Vielhauer, Werden, 98). Sie stellt sich jedoch erst als reziproke Folge eines pervertierten Landeskultes dar, als dessen markantestes Merkmal die Darbringung von Opfern zur Maximierung des eigenen Fleischgenusses dargestellt wird (vgl. Hos 8,13; 4,7f). 355 Zu den textkritischen Problemen dieses Verses vgl. Willi-Plein, Vorformen, 172. 356 Vgl. Dtn 26,14; Num 19,14. 357 Nach Jeremias handelt es sich bei V.4b um eine spätere judäische Ergänzung (vgl. Jeremias, Hosea, 116, Anm. 13).
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wohl um eine Verunreinigung des Hauses JHWHs zu verhindern. Der Begriff „Haus“ ( )ביתkann dabei sowohl als Gegenbegriff zu den Dreschtennen als Tempel JHWHs358 als auch im Sinne eines Haushaltes359 als Komplementärbegriff zum Land JHWHs (;ארץ יהוה vgl. V.3) verstanden werden. Durch die Identifizierung des Landes JHWHs mit einem Haus (vgl. auch Hos 9,15) scheint die literarische Basis für die narrative Ausgestaltung des Beziehungsabbruchs in Hos 2,4–15 gelegt worden zu sein. Denn wie die Fortsetzung des Kompositionsabschnittes in Hos 9,10–17 deutlich macht, wurde die in diesen Versen zum Ausdruck kommende Ehe-Metaphorik aus der Vorstellung des Landes als des Hauses JHWHs (vgl. V.4b) und dem Entzug von Fruchtbarkeit (vgl. V.11–14) in Folge der kultischen Unzucht Israels gegenüber JHWH (vgl. V.1b) entwickelt. So changiert in Hos 9,10– 17 die Wahrnehmung JHWHs zwischen der Wahrnehmung als eines Landes- und Staatsgottes, der sein untreues Volk aus seinem Land verweist (vgl. V.1–3.8b) und jegliche kultische Gemeinschaft ausschließt (vgl. V.4f) und der Wahrnehmung als eines Ehemannes, der sich von den Söhnen seines Volkes wie von unehelichen Söhnen distanziert (vgl. V.12a.13b), sein Volk wie eine untreue Ehefrau aus seinem Haus vertreibt (vgl. ;מביתי אגרׁשםV.15a) und dabei angekündigt, nicht fortzufahren, sie zu lieben (;לא אוסף אהבתם V.15b). In Hos 2,4–15 wird diese literarische Vorlage der Trennung des Landes- und Staatsgottes JHWHs von seinem untreuen Volk zu einer Narration der Trennung eines Ehemannes von seiner untreuen Ehefrau ausgestaltet. Zwischenergebnis Während im Rahmen von Hos 8,11–13(.14) und Hos 4,6–14 die im Buchkern Hos 5–7 geschilderten inneren und äußeren verzehrenden Zugriffe Dritter von einem an den Fleischgelüsten des Volkes (Hos 8,11–13) und schließlich von der Priesterschaft (Hos 4,6–9) ausgerichteten Kult abgeleitet werden, wird im Rahmen von Hos 9,3f mit der Verwendung von אכלdas Ende des israelitischen Kultes im assyrischen Exil angekündigt. Dabei wird in Hos 9,3f auf die Argumentation von Hos 8,11–13 und Hos 4,7–14 rekurriert. Die dort in der Kultpolemik geschilderte Ausrichtung des JHWH-Kultes an dem Bedürfnis der Maximierung des eigenen Fleischgenusses wird in Hos 9,3f vorausgesetzt, jedoch im Rahmen der aktualisierenden Neuinterpretation mit einem Vorgang der Verunreinigung verbunden. 358 359
Jeremias, Hosea, 116; Ben Zvi, Hosea, 186. Bezüglich des „Haushaltsmetapher“ vgl. Dearman, Hosea, 46.
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Während dabei der Aufenthalt in Assyrien als Folge der kultischen Unzucht im Land präsentiert wird (vgl. Hos 9,1b und V.4aβ), wird einer weiteren Ausübung des Kultes, die an den eigenen Bedürfnissen statt an der Weisung und Erkenntnis JHWHs ausgerichtet ist (vgl. Hos 4,6) verheißen, dass sie keinerlei positive Reziprozität in Form der Wiederherstellung von Mahlgemeinschaft mit JHWH oder eigener Reinheit nach sich ziehen, sondern in einer Verunreinigung resultieren wird. Wie der Entzug der Verarbeitung der Landesgaben zur eigenen Nutzung (V.2) und der Aufenthalt im assyrischen Exil, so stellt sich auch die von JHWH ergehende Einstellung des Kultes als eine Folge der kultischen Unzucht Israels im Land dar (vgl. V.1). Auf diese Weise bilden der Streit JHWHs mit den Landesbewohnern aufgrund der von ihnen im Land vollzogenen Pervertierung des Kultes in der Ausrichtung an den eigenen Bedürfnissen (vgl. Hos 4,7–14) und die Ankündigung des Verlustes des Zugriffs auf die Landesgüter, des Aufenthaltsrechts im Land JHWHs und die Ankündigung des Endes des israelitischen Kultes im Exil (Hos 9,3–5) einen reziprok aufeinander bezogenen Rahmen.360 4.2.3.4 „Gehen“ in Hos 9,6 Im Buchkern Hos 5–7 hat das Gehen ( )הלךIsraels in den politischen Kompositionsabschnitten (Hos 5,8–11.12–14; 7,11f) stets eine fremde politische Größe zum Ziel361 und findet seine Erwiderung seitens JHWHs in einem sich distanzierenden Gehvorgang (vgl. Hos 5,14f) bzw. in einem korrigierenden Zuwendungsgeschehen (vgl. Hos 7,12). In den kultisch ausgerichteten Kompositionsabschnitten (Hos 5,1–7; Hos 6,1–6) hat das Gehen Israels hingegen stets JHWH zum Ziel, ohne ihn jedoch im israelitischen Opferkult zu finden, da er sich Israel, das in Unzucht und fehlender Anerkennung JHWHs verharrt (vgl. Hos 5,3f), im Opferkult endgültig entzogen hat (vgl. Hos 5,6b) bzw. nicht reziprok auf die Wiederherstellungshoffnung Israels und Judas (vgl. Hos 6,1–3) reagieren kann, da sie sich nicht 360
Vgl. Vielhauer, Werden, 98f: „In der Komposition Hos 4,1–9,9 entsprechen sich somit angekündigte Strafe und aufgedeckte kultische Vergehen: Weil die Landesbewohner JHWH fälschlicherweise im Kult suchen und zu erkennen meinen, nimmt der ihnen das Land und macht sie dadurch kultunfähig. Zusammen mit den überkommenen politischen sind die neuformulierten kultischen Vergehen in der Überschrift Hos 4,1–3 auf den Begriff der Gotteserkenntnis gebracht. Beides, Politik und Kult, ist Ausdruck mangelnder Gotteserkenntnis, in beidem verkennt Israel JHWH, der deshalb einen Rechtsstreit gegen sein Volk anstrengt“; vgl. Boecker, Redeformen, 86f. 361 Bezüglich Hos 5,11 vgl. die Textkritik.
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selbst durch Gemeinschaftstreue auszeichnen (vgl. Hos 6,4–6). Hos 6,4–6 bildet argumentativ die Grundlage für den Entzug JHWHs, der in Hos 5,1–7 geschildert und mit dem neuen kultischen Interpretament der Unzucht bzw. einem Unzuchtsgeist (vgl. Hos 5,3f) in Verbindung gebracht wird. Der endgültige Beziehungsabbruch zwischen Israel und JHWH im Kult (vgl. Hos 5,6b; 6,4–6) und die tödliche Begegnung mit JHWH in der Politik (vgl. Hos 5,14) gehen nicht als Aktionen von JHWH aus, sondern werden als Reaktionen auf das Verhalten Israels beschrieben. Im neuen Kompositionsabschluss Hos 8,1–13(.14) erhalten die Schilderungen politisch motivierter Gehbewegungen Israels im Buchkern (vgl. Hos 5,11.13; Hos 6,1; Hos 7,11) eine aktualisierende Neuinterpretation. Indem im Rahmen von Hos 8,9 die im Buchkern mit „gehen“ ( )הלךund „nachgehen“ ( )הלך אחריbeschriebenen Bündnisbemühungen Israels jetzt (singulär in Hos 5–8) mit „hinaufgehen“ ( )עלהbezeichnet werden, werden die als Abwendung von JHWH gedeuteten Gehbewegungen zum ersten Mal mit einem Exodusmotiv verbunden. Die Abwendung Israels wird nun als Aufhebung des von JHWH initiierten Exodus gedeutet. Während die Revozierung der Landesgabe bzw. des Exodus durch JHWH (vgl. Hos 8,13) sich als Reaktion JHWHs auf den von Israel freiwillig vollzogenen Exodus von JHWH und seinem Land darstellt und den endgültigen Beziehungsabbruch ankündigt,362 präsentiert sich die in V.10 angekündigte Sammlung363 ( )קבץIsraels durch JHWH als eine Reaktion auf das Verteilen von Liebesgaben durch Israel (V.9b). Sie wird in der textinternen Gegenwart angesetzt (vgl. עתהin V.10a). In der prophetischen Literatur und mit JHWH als Subjekt erscheint die Wurzel mehrheitlich im Rahmen von Aussagen, die (in exilischnachexilischer Zeit) der Hoffnung auf eine Rückkehr der Exilierten Ausdruck verleihen.364 Die von JHWH durchgeführte Sammlung Efraims steht im Kontrast zu den Liebesgaben, die Efraim unter den Nationen „verteilt“365 hat (V.9b.10a). Die Interpretation von V.10 scheint dabei von der Vokalisierung von ויחלוabhängig zu sein, da die von MT gebotene 362
Vgl. Abschnitt 3.3.5. Nach Wolff, Hosea, 184 deutet „ קבץin andeutender Bildsprache die Strafe an; […] Zu denken ist an die Versammlung zum Gericht (Zeph 3 8 Jl 4 2), an die ‚Sammlung‘ der Garben auf der Tenne, die gedroschen werden (Mi 4 12f.), oder an das ‚Zusammentun‘ der Metalle im Schmelzofen (Ez 22 19f.)“. 364 Vgl. zum Beispiel Jes 43,5; 54,7; 56,8; Jer 23,3; 29,14; 31,8.10; 32,37; Ez 20,41; 37,21; 39,27; Mi 4,6; Zef 3,19f.; Sach 10,10. Der Ankündigung einer Sammlung verwandt ist die Ankündigung einer Ernte (vgl. Hos 6,11). 365 Vgl. Jeremias, Hosea, 102. 363
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Vokalisierung (וַ יָ ֵחּלּו, „und sie fingen an“ bzw. „und sie werden anfangen“, wenn man וְ יחלוliest) kaum Sinn ergibt. Sie wird daher mehrheitlich als fehlerhaft angesehen und stattdessen als „( וְ יָ ִחילּוund sie werden sich winden“) vokalisiert.366 Die Formulierung „sich winden“ ( )חילwird oft für die Beschreibung politischer Not verwendet, so dass die Last, von der im Anschluss an V.10a die Rede ist, wohl die Tributlast bezeichnet.367 Schließt man sich dieser Interpretation an, so erscheint auch die Sammlung durch JHWH als Auftakt einer Konfrontation Israels mit den Folgen ihrer Vergehen: „Jahwe liefert […] die, die sich den Fremden preisgaben, von sich aus der Not der Fremdherrschaft aus“368. Zugleich stellt die Sammlung Israels durch JHWH eine textinterne Gegenbewegung zu der Annäherung Israels an Assyrien (Hos 8,9) und Israels Verteilen von „Liebesgaben“ unter den Nationen dar (Hos 8,9b–10a). Diese Distanzierung Israels von JHWH in der Zuwendung zu Fremdmächten findet sich ausgerechnet in der Sammlung Israel durch JHWH gespiegelt, denn diese dient offenbar keinem Neuanfang, sondern führt Efraim direkt unter die Tributlast des assyrischen Königs369 (V.10b). Diese Reziprozität zwischen Israels gehender Hinwendung zu politischen Großmächten (vgl. Hos 5,12f; 7,11f; 8,9f), die freiwillig vollzogen wird und von den Tradenten als ein seitens JHWH unerwünschtes Verhalten präsentiert wird, und einer Rückholung durch JHWH (vgl. Hos 7,12; 8,10), die gegen den Willen Israels von JHWH vollzogen wird, wird im neuen Kompositionsabschluss Hos 9,1–9 aktualisierend aufgenommen (vgl. V.6). Wurde dabei bereits im Rahmen von V.3 auf Ägypten als Chiffre für den Exodus rekurriert,370 um das Ende der Beziehung zwischen JHWH und Israel durch die Revozierung des Exodusgeschehens zu verdeutlichen,371 wird in V.6 über die erneute Verwendung des Stichworts „Ägypten“ abermals auf diese Bezug genommen. An die Stelle der durch die Stichworte „Getreide“ und „Wein“ repräsentierten Kulturgüter und 366
Vgl. aaO, 103; ausgehend von der Wurzel חילvokalisiert Jeremias וְ יָ ִחילּו („und sie werden sich winden“). 367 Vgl. Wolff, Hosea, 185, der für diese Verwendung von חילauf Mi 4,10; Jer 4,19; 51,29 und Ez 30,16 verweist und bezüglich der Tributlast 2Chr 17,11 anführt. 368 Ebd. 369 So mit Jeremias, Hosea, 109. 370 Vgl. aaO, 117: „Wie deshalb das neue ‚Ägypten‘, aus dem Jahwe einst rettete und in das er nun sein Volk stößt, heißt – ob Assur oder Ägypten, repräsentiert durch Memphis mit seiner berühmten Gräberstadt –: Das Geschick heißt Hoffnungslosigkeit und Tod“. 371 Vgl. Jeremias, 117: „‚Zurück nach Ägypten‘ heißt in der Konsequenz nicht weniger als die Revozierung der Rettungstag Jahwes“.
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der Fruchtbarkeit des Landes, die sowohl für den Kult als auch für das Überleben (vgl. V.4b) existenziell sind, tritt nun eine Metaphorik, die zwar die Thematik der Fruchtbarkeit weiterführt, dabei jedoch eine Pflanzenmetaphorik in den Text einführt, welche die ab V.4 begonnene Todesmetaphorik (vgl. die Verwendung von ;לחם אונים „Trauerbrot“) aufnimmt und fortsetzt. Während dabei die V.1–6 einen Verlust der Landesgaben, des Landes und des Kultes als Folge von Israels kultischer Unzucht im Land thematisieren, die in einer unreinen Exilsexistenz jenseits des Herrschaftsbereiches und der Opfergemeinschaft mit JHWH resultiert (vgl. Hos 9,3–5), verliert sich die Ambiguität des Textes bezüglich der Frage, wie und durch wen Israels neue Existenz jenseits von JHWH in Folge von Israels Vergehen zustande kommt, zusehends: Wird zunächst mit Personifikationen gearbeitet und entziehen sich „Dreschtenne“ und „Kelter“ reziprok einem weiteren Umgang mit dem unzüchtigen Israel (V.2a), treten als nächstes Ägypten und Memphis als personifizierte Größen und „Gerichtsvollzieher“372 in Erscheinung (V.6a). Die passive Haltung der Verweigerung vom „Umgang“ (vgl. V.2) wird hier durch die Aktionen der „Sammlung“ und des „Begräbnisses“ Israels abgelöst.373 Dabei tritt in Hos 9,6 Ägypten als personifizierte Größe an die Stelle JHWHs, der in Hos 8,10 als derjenige geschildert wurde, der Israel sammelt (vgl. קבץ Pi.). Die bereits angesprochene Pflanzenthematik wird in diesem Kontext über die Begriffe „Unkraut, Distel“ ( )קמוׂשund „Dornen, Dornbusch“ ( )חוחnegativ verwendet und mit Stichworten verbunden, die bereits den Abbruch der kultischen Beziehung mit JHWH, des Aufenthalts in seinem Herrschaftsbereich und den damit verbundenen Verlust an Fruchtbarkeit und Lebensfülle auf der metaphorischen Ebene andeuten: Während Israel dem Untergang bzw. der Verwüstung ( )ׁשדeinmal entgangen374 (vgl. הלךin V.6aα) ist – hier kann im Rahmen der Multiperspektivität des Textes sowohl der Exodus als erinnerte Geschichte und Identitäts- und Existenzmarker Israels, die 372
Ägypten und Memphis werden zwar als personifizierte Größen dargestellt, dabei jedoch nicht als „Gerichtswerkzeuge“ JHWHs präsentiert. 373 Vgl. Kratz, der dies jedoch auch als eine Strafe deutet: „[…] ebenso entspricht das ‚Einsammeln‘ und ‚Begraben‘ durch Ägypten und Memphis in 9,6 dem ‚Einsammeln‘ unter der Last des assyrischen Königs der Könige in 8,9f durch JHWH selbst. […] So ist der angedrohte Tod in oder durch Ägypten und Assur in 7,16; 8,13; 9,3.6 die konsequente Strafe für eine verfehlte Bündnispolitik mit ebendiesen Mächten wie auch für Abgötterei, womit in Hos 4–9 das Gericht begründet wird. Erst vor dem Hintergrund der geschichtlichen Heilstaten JHWHs in der Vorzeit Israels wird diese Strafe zu einer Zurücknahme der Heilsgeschichte“ (Kratz, Erkenntnis Gottes, 301). 374 Vgl. Jeremias, Hosea, 117.
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Bündnispolitik als textintern gegenwärtige Geschichte der Zeit Hoseas oder die Exilserfahrung als erlebte Geschichte assoziiert werden – wird Israel zunächst die Sammlung375 ) קבץPi.) durch Ägypten angekündigt (V.6aβ). Die von V.6a mit הלךformulierte Fluchtbewegung kehrt zunächst die bisher im politischen Themenbereich mit הלךausgedrückte Zuwendungsbewegung um. Israel versucht nun nicht mehr, durch eine gehende Zuwendungsbewegung Beistand und Hilfe bei einer politischen Großmacht zu erlangen, sondern sich einer Verwüstung ()ׁשד, d. h. dem unerwünschten Zugriff einer dritten Größe (vgl. Hos 7,9; 5,6) gehend bzw. fliehend zu entziehen.376 Durch die Stichwortaufnahme steht V.6 dabei in einem direkten Dialog mit V.3b: Efraim wird zurückkehren nach Ägypten als den Ort, an dem sie dem Untergang entflohen sind (V.6a). Obwohl dies einmal funktioniert hat, wird Israel dort nicht auf einen neuen Exodus hoffen dürfen: Stattdessen wird die Sammlung durch Ägypten angekündigt (V.6a). In einer nächsten Steigerung wird aus der Sammlung das Begräbnis Israels durch Memphis377 (V.6aβ). Die in V.4a begonnene Todesmetaphorik wird im Folgenden fortgeführt: Ist Israel selbst erst einmal tot und in der Fremde begraben, werden nicht die Söhne den Besitz Israels erben, sondern Unkraut; nicht die Söhne werden in den „Zelten“378 Israels wohnen, sondern Dornen (vgl. 6b).379 Zwar wird hier bereits deutlicher mit einer Personifizierung von Nationen eine die Folge aus Israels Untreue gegen JHWH vollstreckende Partei in die Argumentation des Textes eingeführt,380 doch auch in V.6 geschieht dies noch nicht mit letzter Konsequenz: Zwar ist „Memphis“ auf der Bildebene die textinterne Größe, die Israel begraben wird, aber dies impliziert nicht notwendig, dass 375
In Hos 8,10 ist es JHWH, der diese Sammlung vollzieht. Vgl. Jeremias, Hosea, 117, der V.6 dahingehend deutet, „daß Hosea auch real nicht nur mit einer Verbannung nach Assyrien rechnete, sondern auch mit einer Fluchtbewegung nach Ägypten, wenn die Assyrier Israel verwüsten würden“. 377 Memphis, mit der Gräberstadt Sakkara, als „Totengräber“ Israels zu porträtieren, verleiht dem Vers ironische Züge. Zugleich wird durch die Wahl Memphis die Kompetenz der Stadt bezüglich der Todesthematik betont. 378 Die Verwendung des Begriffes „Zelte“ darf vielleicht auch schon als Hinweis auf die Vergänglichkeit Israels gedeutet werden; Jeremias sieht in ihnen entweder die Behausung der Festpilger oder eine poetische Formulierung, die für alle Wohnungen steht (vgl. Jeremias, Hosea, 117). 379 Vgl. Jeremias, Hosea, 117. 380 Vgl. Vielhauer, Werden, 38: „Wie Israel sich vormals in Assur und Ägypten um militärischen Beistand bemüht hat, so kehrt es nun als Geschlagener an den Ort seines Taktierens zurück“. 376
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„Memphis“ auch den Tod Israels herbeigeführt hat.381 Ähnliches gilt für die negative Pflanzenmetaphorik: Auch Unkraut und Dornen sind im Rahmen der Metapher zunächst nur negative382 Indikatoren des Nichtvorhandenseins der nächsten Generation und bringen auf diese Weise das Ende der Existenz Israels außerhalb des Landes und außerhalb der (kultischen) Beziehung zum eigenen Landes- und Staatgottes JHWHs als Folge der kultischen Abwendung Israels von JHWH im Land (vgl. V.1) zum Ausdruck. Zwischenergebnis Anders als im Buchkern Hos 5–7, anders aber auch als im ersten Kompositionsabschluss Hos 8,1–13(.14), wird mit הלךin Hos 9,1–9 nicht länger einer Zuwendungsbewegung Israels, sondern einer Flucht Ausdruck verliehen (vgl. Hos 9,6) und eine theologische Neuinterpretation durch die Umkehrung der politisch geprägten Gehbewegung vorgenommen. Während Jeremias dabei darauf verwies, dass V.6 zeige, „daß Hosea auch real nicht nur mit einer Verbannung nach Assyrien rechnete, sondern auch mit einer Fluchtbewegung nach Ägypten, wenn die Assyrer Israel verwüsten würden“383, scheint Hos 9,6 vielmehr nahezulegen, dass Israel sich einmal (im Exodusgeschehen?)384 dem Zugriff Ägyptens fliehend entziehen konnte, ihnen jetzt jedoch reziprok die Rückkehr an den Ort des von JHWH initiierten Exodus im Rahmen einer Sammlung385 ) קבץPi.) durch Ägypten angekündigt wird (vgl. Hos 9,6), der sich Israel nicht entziehen kann. Hos 9,6 nimmt dabei die Interpretation eines mit „( עלהhinaufgehen“) angedeuteten Exodus, der von Israel initiiert wurde und es aus dem Land JHWHs herausführte aus Hos 8,9a auf, zeichnet jetzt jedoch das harte Gegenbild eines hoffnungslosen Entzugsversuchs ( הלךals „fliehen“). So ist „Ägypten“ in Hos 9,6 eine personifizierte Größe, die an die Stelle JHWHs tritt, von dem in Hos 8,10 im Rahmen der Reaktion auf Israels eigenen „Exodus“ ankündigt wurde, dass er 381
Anders Vielhauer, Werden, 38, der in Bezug auf Ägypten und Assyrien von „Gerichtsvölker[n]“ spricht. 382 Mit dem Bild des Unkrauts und der Dornen werden negative Assoziationen von Trockenheit und Dürre, der Verlassenheit eines Ortes sowie von Verfall, Sterben und Tod geweckt: Unkraut und Dornen verdrängen nicht nur Kulturpflanzen, sondern machen sich auch dort breit, wo alles andere bereits zugrunde gegangen ist. Dass sie sich ausbreiten können, ist zudem Zeichen von mangelnder bzw. nicht mehr vorhandener Aufsicht und Pflege. 383 Vgl. aaO, 117. 384 Vgl. Pfeiffer, Heiligtum, 183; anders Vielhauer, Werden, 38. 385 In Hos 8,10 ist es JHWH, der diese Sammlung vollzieht.
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Israel sammeln ) קבץPi.) würde. Wie die Fortführung der Sammlungsankündigung in V.10a mit der Ankündigung einer Existenz unter der Tributlast des assyrischen Großkönigs in V.10b zeigt, stellte auch die von JHWH ankündigte Sammlung in Hos 8,10 keine für Israel heilvolle Zuwendung dar, sondern eine Reaktion auf die von den Tradenten als unerwünschtes Verhalten präsentierte exodusartige Hinwendung nach Assyrien sowie das Verteilen (vgl. Hos 8,9: תנה, „verteilen“) von „Liebesgaben“ in Assyrien. Während dabei in Hos 8,10 Israel „nur“ eine Existenz unter der assyrischen Tributlast angekündigt wird (vgl. V.10b), steigert Hos 9,6 die Folge aus der kultischen Abwendung Israels von JHWH (vgl. V.1) und dem gehend vollzogenen Fluchtversuch Israels (vgl. 5b) zu einer Ankündigung des Existenzendes Israels (vgl. V.6a), das in der Sammlung durch Ägypten nur seinen Auftakt gefunden hat und damit endet, dass Israel von Memphis begraben wird ( קברPi.). Das Volk Israel wird somit im Rahmen von V.6 ebenfalls personifiziert und mit einem Menschen identifiziert, der in der Fremde stirbt: „Das also heißt Verbannung, wie sie der Prophet ansagt, für Israel: die gänzliche Trennung von Gott, die Unmöglichkeit, seinen Segen, seine Fürsorge und Güte zu erfahren, ihn im Gottesdienst und beim Festmahl zu danken oder ihn im Gebet zu erreichen, und schlimmer noch Tod in ‚unreinem Land‘, d. h. in Gottesferne“386. 4.2.3.5 „Erkennen“, „gedenken“ und „überprüfen“ in Hos 9,7–9 Bei der Analyse der Erkenntnisthematik im Buchkern Hos 5–7 zeigte sich, dass dort mit Formen von ידעmehrheitlich ein ausbleibendes Wahrnehmungs- bzw. Anerkennungsgeschehen Israels beschrieben wird. In der Außenpolitik gilt dies in Bezug auf eine fehlende Wahrnehmung eines Zugriffs einer politischen Größe auf die Ressourcen des Staates (vgl. Hos 7,9). In der Kultpolemik gilt dies in Bezug auf die zwar gesuchte (vgl. Hos 6,1–3), aber nicht vorhandene Erkenntnis Gottes (vgl. Hos 6,4–6) bzw. das ausbleibende Anerkennen JHWHs durch Israel, dem reziprok die vollständige Wahrnehmung Israels durch JHWH gegenübergestellt wird (vgl. Hos 5,3f). Der neue Kompositionsabschluss Hos 8,1–13(.14) zieht in Hos 8,2.4 eine erste Summe aus der Erkenntnisthematik der Komposition Hos 5–7. Während in Hos 5,3f die kultische Anerkennung JHWHs seitens Israels ausbleibt, sie in Hos 6,1–3 zwar im Rahmen einer Umkehr erstrebt, diese aber seitens JHWHs aufgrund eines Mangels an 386
Jeremias, Hosea, 116f.
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beständiger Treue abgelehnt wird (vgl. Hos 6,4–6), wird das Vorhandensein von Gotteserkenntnis in Hos 8,1 seitens Israels behauptet. Dabei greift Hos 8,2.4 strukturell den konzentrischen Aufbau von Hos 5,3f auf, kehrt inhaltlich die Argumentation – in Anlehnung an Hos 6,1–3.4–6 – jedoch um:387 Jetzt ist es Israels behauptete Erkenntnis, die durch JHWH widerlegt wird. Dabei setzt Hos 8,1–6 zugleich die behauptete Erkenntnis seitens Israels im Kult und die Abstreitung einer mitwissenden Anteilhabe an den Intrigen im Rahmen der israelitischen Monarchie seitens JHWH reziprok in Beziehung zueinander und subsumiert dabei die im Buchkern Hos 5– 7 genannten kultischen und innenpolitischen Vergehen als Ausdruck eines eigensinnigen, gegen den eigenen Staats- und Landesgott gerichteten Verhaltens Israels, welches im deuteronomistisch geprägten V.1b als tora- und bundesbrüchiges Verhalten zusammengefasst wird. Das geschichtliche Ergehen Israels (V.3) stellt sich als Folge der Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott im Landeskult und in der Innenpolitik Israels dar. Die Behauptung des Vorhandenseins von Gotteserkenntnis in Hos 8,1 wird im Rahmen der neuen Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 ausführlich widerlegt und mit dem Verwerfen der – wie in Hos 6,6 – nominal gefassten Erkenntnis ( )דעתund dem Vergessen der Weisung ( )תורהGottes durch die Priesterschaft begründet. Aus dem Vorgang des Erkennens ist jetzt eine feststehende Größe geworden, die mit der Weisung ( )תורהGottes parallelisiert werden kann. Auch auf diese Weise wird die fortschreitende Konzeptualisierung des Erkenntnisbegriffs im Hoseabuch sichtbar. Dabei wird die Erkenntnisthematik im Rahmen von Hos 4,1–19 zur kompositionsleitenden Leseanleitung weiterentwickelt. Sie fungiert nun als neue Einleitung der Komposition Hos 5–8 und wird von den Tradenten als eigentlicher Grund für den Streit ( )ריבJHWHs mit den Landesbewohnern präsentiert. Dieser stellt sich als Reaktion JHWHs (vgl. Hos 4,1: )ריב ליהוהauf die Abwendung seines Volkes dar. Auf diese Weise wird dem Kult im Land die Schuld für den politischen Untergang des Nordreichs gegeben (vgl. das Wortspiel mit רוחin Hos 4,12.19),388 da ausgehend vom neuen Kompositionsanfang Hos 4,1–19 die im Rahmen der Komposition Hos 5–8 ausbleibende Erkenntnis Israels (vgl. Hos 7,9; 6,1–3.4–6; 5,3f) jetzt nur noch als Folge der Verwerfung der Erkenntnis Gottes durch die Priesterschaft erscheint. Gemäß dieser Argumentation der Tradenten war Israel aufgrund des Fehlverhaltens der Priesterschaft nicht in der Lage, die eigene politische Situation adäquat einzuschätzen und statt in einer 387 388
Vgl. Abschnitt 3.3.1. So bereits Jeremias, Hosea, 72f.
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verfehlten Bündnispolitik (vgl. Hos 5,12–14; 7,11.16; 8,9f)389 beim eigenen Staats- und Landesgott seine Hilfe und Rettung zu suchen (vgl. Hos 5,13f; 7,10.13). Da das Volk jedoch die Verfehlungen der Priesterschaft zum Vorbild des eigenen Verhaltens nahm, dient diese Argumentation nicht der Schuldentlastung, sondern des Schuldaufweises und führt dazu, dass Priesterschaft und Volk in der Reaktion JHWHs mit ihren Taten konfrontiert werden (vgl. Hos 4,9). Im Rahmen des neuen Kompositionsabschlusses Hos 9,1–9 liegt wiederum eine aktualisierende Neuinterpretation der Erkenntnisthematik vor. Anders als in Hos 4,6–14 ist nun der Staat Israel das Subjekt des Erkenntnisvorganges. Es wird erneut eine Perspektiverweiterung vorgenommen, wie die parallelisierende Formulierung „( כעמיםwie die Nationen“) in V.1 zeigt. Dabei wird anders als im Buchkern Hos 5–7 nicht mehr eine ausbleibende Erkenntnis Israels klagend festgestellt, anders auch als in Hos 8,2 nicht mehr seitens Israels das Vorhandensein der Erkenntnis Gottes behauptet und anders auch als in Hos 4,6 der Mangel an Erkenntnis nicht mehr im Rahmen einer Fokussierung auf die Verwerfung der Erkenntnis durch die israelitische Priesterschaft zurückgeführt. In Hos 9,7–9 wird vielmehr angekündigt, dass der Staat Israel etwas erkennen wird – und man hat angesichts des Erkenntnisobjekts den Eindruck, dass man ergänzen kann: Sie werden erkennen, ob sie wollen oder nicht. Denn das Erkenntnisobjekt ist nichts anderes als das Datum der endgültigen Auseinandersetzung JHWHs mit ihrer Schuld und ihren Sünden (vgl. Hos 9,7a). Hos 9,7 ist dabei der Beginn der bis V.9 reichenden Teileinheit Hos 9,7–9,390 die durch zwei פקד-Belege gerahmt wird (vgl. V.7aα.9bβ) und die überprüfende Zuwendung JHWHs zu Israel zur zentralen Zuwendungsform an den feststehenden Tagen der Konfrontation (vgl. V.7a: בואPerf.) erklärt,391 die zugleich den neuen Abschluss der Komposition Hos 4–9 bilden. In Hos 9,7a erfolgt die 389
Bei dieser Sichtweise handelt es sich um die theologische Deutung realpolitischer Vorgänge durch die Tradenten, vgl. Kratz, Prophetenstudien, 297: „Weil JHWH auf seiten Assurs gegen Israel kämpft, darum […] werden JHWH und der Stier […] zu unversöhnlichen Konkurrenten“. 390 Für eine detaillierte Darstellung der mit der Einheit verbundenen textkritischen Problematik vgl. Rudolph, Hosea, 173f. sowie Utzschneider, Hosea, 155f. In der vorliegenden Form zeigt sich eine planvolle Gestaltung der Einheit, die u. a. auf der rahmenden Verwendung der Wurzel ( פקדV.7a; 9b) und der Struktur „Schuld (A) – Feindschaft (B) – Schuld (A’) – Feindschaft (B’)“ beruht. 391 Vgl. Jeremias, Hosea, 117, der schreibt, dass das Thema der Rechenschaft „mit Hilfe der Wurzel pāqad am Anfang und am Ende der Teileinheit hervorgehoben [wird]“.
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prophetische Ankündigung der „Tage der “פקדהund der „Tage der “ׁשלם. Der Verweis auf die Tage der פקדהund die Tage der ( ׁשלםV.7) bildet dabei strukturell und argumentativ die Mitte zwischen den ausbleibenden Festtagen für JHWH (V.5) sowie den Tagen von Gibea (V.9), auf die im Rahmen des Schuldaufweises rekurriert wird. Auch dies unterstützt den Eindruck, dass die „Tage“ im Rahmen des neuen Kompositionsabschlusses Hos 9,1–9 ein systematisierendes Ordnungsprinzip bilden.392 Die in V.7 genannten Tage werden dabei nicht als ein Datum der fernen Zukunft in Aussicht gestellt, sondern sind bereits „gekommen“ ( באוPerf.).393 Aus der Sicht des Propheten stellt dies eine Tatsache dar, die Israel erkennen wird (vgl. V.7aβ: )ידע. Die Möglichkeit, dass Israel diesen Sachverhalt nicht wahrnimmt (vgl. Hos 7,9) oder sich ihm durch die Verweigerung der Anerkennung entzieht (vgl. Hos 5,3f), ist von vornherein ausgeschlossen. Mit der Wurzel ידעwird in Hos 9,7 eine unausweichliche Wahrnehmung der von JHWH durchgeführten Überprüfung und Vergeltung formuliert.394 Man könnte auch formulieren: Israel wird sich der Konfrontation durch JHWH im vollen Wissen und in voller Wahrnehmung stellen müssen. Die Nominalformen bringen dabei zum Ausdruck, welcher Gestalt diese Konfrontation sein wird. Die Wurzel פקדbegegnete bereits in Hos 4,9.14 und Hos 8,13 und wurde dort als Verbalform verwendet. In Hos 4,9 wurde sie mit der Wurzel ( ׁשובHif.) parallelisiert, in Hos 8,13 mit der Wurzel זכר. Während sie im Parallelismus von Hos 4,9 in erster Position verwendet wird, begegnet sie im Parallelismus von Hos 8,13 in zweiter Position. An beiden Stellen legt sich die Deutung des Parallelismus als eines synthetischen Parallelismus nahe, der einen zweigliedrigen Konfrontationsprozess Israels durch JHWH beschreibt, der stets das Subjekt der im Rahmen des Parallelismus beschriebenen Tätigkeiten ist. In Hos 4,9 stellt das Überprüfen der Wege des Priesters an bzw. gegen ihn die Ausgangslage für das anschließende Zurückwenden seiner Taten zu ihm dar. Es wird ein aufeinander aufbauender 392
Vgl. Gärtner, Summe, 69. Bereits Utzschneider hat auf den perfektiven Aspekt auf präsentischer Zeitstufe (GesK § 106g) der Aussage mit den Worten hingewiesen, dass „die beiden qatal-Formen באוdas Da-sein der Tage [betonen]. Hier und jetzt sind die פקדהund ‚ ׁשלםangekommen’! Wollte der Prophet ein Nahsein oder gar ein zukünftiges Kommen der ‚Tage’ ankündigen, so stünden dafür das yiqtol oder das w-qatal zur Verfügung“ (Hosea, 170). 394 Für eine Diskussion der Frage, worauf sich das Erkennen Israels bezieht, vgl. u. a. Ben Zvi, Hosea, 187f. 393
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Zweischritt geschildert, in dessen Rahmen zunächst die Faktenlage am Subjekt geklärt wird, bevor sich angesichts der im Rahmen der Überprüfung gewonnenen Bestätigung der Sachlage als Folge die Konfrontation ergibt. Dabei handelt es sich sowohl bei פקדals auch bei ( ׁשובHif.) um Tätigkeiten, deren positiver bzw. negativer Aussagehalt vom Objekt abhängig ist, dem diese Tätigkeiten zuteilwerden. Handelt es sich – wie in Hos 4,9 – um Wege und Taten, die von den Tradenten als schlechte Wege und Taten charakterisiert werden, so impliziert das Überprüfen und Zurückwenden dieser Wege und Taten auf die Täter für die Täter ebenfalls negative Folgen, die sich jedoch aus der Qualität der eigenen Taten ergeben. JHWH erscheint dabei als derjenige, der durch die Tätigkeiten des Überprüfens und des Zurückwendens die konnektive Gerechtigkeit im Guten wie im Schlechten aufrechterhält bzw. für ihre Sicherstellung sorgt. Im Parallelismus von Hos 8,13 steht פקדim Rahmen des Parallelismus mit זכרin zweiter Position. Das von JHWH vollzogene Überprüfen ( )פקדder Sünden an Israel stellt sich nun als ein Vorgang dar, der das Resultat einer gedenkenden ( )זכרAuseinandersetzung JHWHs mit der Schuld Israels ist. Mit der Wurzel זכרwird somit eine innere Beschäftigung JHWHs mit der Schuld Israels ausgedrückt, bevor er sich auch äußerlich dem schuldig gewordenen Subjekt zuwendet und es im Rahmen des Überprüfens ( )פקדmit den Verfehlungen konfrontiert. In Hos 8,13 wird der in Hos 4,9 am Subjekt vollzogene Vorgang des Überprüfens der Sachlage im Rahmen einer gedanklichen Abwägung vollzogen, so dass mit פקד nun der äußere Vollzug der Konfrontation geschildert wird. In diesem Sinne changieren die drei Wurzeln פקד, ( ׁשובHif.) und זכר und bringen unterschiedliche Aspekte einer Konfrontation der schuldig gewordenen Subjekte mit ihren Taten im Rahmen einer Reaktion JHWHs zum Ausdruck. Im Parallelismus von Hos 9,7 steht die Wurzel פקדals (mit Artikel verwendete) Nominalform הפקדהin erster Position zu der (ebenfalls mit Artikel verwendeten) Nominalform הׁשלם. Wie in Hos 4,9 liegt ein aufeinander aufbauender Zweischritt vor, in dessen Rahmen zunächst die Faktenlage am Subjekt im Rahmen einer Überprüfung durch JHWH geklärt wird, bevor sich angesichts der im Rahmen der Überprüfung gewonnenen Bestätigung der Sachlage als Folge die Konfrontation der Täter mit ihren Vergehen durch JHWH ergibt. Die Konfrontation wird in Hos 9,7 mit der Nominalform הׁשלם geschildert und bringt eine Vergeltung bzw. Rückerstattung zum Ausdruck, die der in Hos 4,9 mit ( ׁשובHif.) formulierten Zurückwendung vergleichbar ist. Gemeint ist wiederum ein Prozess, in dessen Rahmen die Täter von JHWH her mit ihren Taten
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konfrontiert werden. Der negative Sinngehalt der in Hos 9,7 angekündigten Überprüfung und Rückerstattung ergibt sich dabei einerseits kontextuell. Im Kontext von Hos 9,1–9 bildet die Ankündigung von V.7 den Auftakt der Auseinandersetzung JHWHs mit der in V.1.8f geschilderten Schuld Israels. Andererseits greift Hos 9,7 mit der nominalen Verwendung von פקדauf eine Wurzel zurück, die bereits am ersten Kompositionsabschluss (Hos 8,13) sowie in der neuen Kompositionseinleitung Hos 4,9 verwendet wurde, um JHWHs Überprüfen der Sünden (vgl. Hos 8,13) und der Wege (vgl. Hos 4,9) auszudrücken. Die mit פקדausgedrückte überprüfende Zuwendung JHWHs stellt sich dabei im Rahmen der Parallelismen als eine Auseinandersetzung mit negativ qualifizierten Taten dar. Dies gilt auch in Bezug auf die „Wege“, die in Hos 4,9 mit den „Taten“ parallelisiert werden. Werden diese thematisiert, handelt es sich in der Mehrzahl der Belege um Vergehen.395 Der Parallelismus von Hos 4,9 kann auf diese Weise bereits den negativen Sachgehalt andeuten, der durch den Kontext bestätigt wird. Somit wird sowohl kontextuell als auch kompositionell deutlich, dass die „Tage der Überprüfung und die Tage der Rückerstattung“ ein Datum benennen, an dem eine Konfrontation Israels mit den eigenen Vergehen durch JHWH stattfinden wird. Dieser Ankündigung und der Ansage, dass Israel sich diesen Konfrontations-Datum nicht entziehen kann, sondern es wahrnehmen und sich ihm stellen muss (vgl. ידעin V.7aβ), wird das Zitat einer Gegenrede entgegengestellt (vgl. V.7b). In dieser wird der Prophet von seinen Gegnern als Narr ()אויל396 und als verrückt ()מׁשגע bezeichnet und auf diese Weise bestritten, dass er Repräsentant JHWHs ist.397 Die Zuverlässigkeit seiner Ankündigung wird durch 395
Von den 42 Belegstellen beziehen sich 33 Belegstellen auf Taten, die als Vergehen qualifiziert werden (vgl. u. a. Jes 1,16; 3,8; Jer 4,4.18; 7,3.5; 18,11; 21,12.14; 23,2.22; 25,5; 26,3.13; 35,15; 44,22; Ez 36,31; Hos 4,9; 5,4; 7,2; 9,15; 12,3; Mi 3,4; 7,13; Sach 1,4.6). 396 Der Begriff אוילfindet vor allem in weisheitlichen Texten Verwendung (vgl. u. a. Hi 5,2.3; Spr 1,7; 7,22, 10,8.10.14.21.), zudem an wenigen Stellen in der prophetischen Literatur (Vgl. Jes 19,11; 35,8; Jer 4,22; Hos 9,7) und in einem Psalm (Ps 107,17). Während dabei אוילeinen Menschen ohne Erkenntnis/Einsicht bezeichnet und daher als Antonym zum Begriff חכם verwendet wird, bezeichnet ׁשגעdie geistige Unzurechnungsfähigkeit eines Menschen („verrückt, wahnsinnig“). Es wird im Alten Testament einmal zum Ausdruck der Reaktion auf ein Unheil verwendet (Dtn 28,34) und ansonsten im abwertenden Sinn (1Sam 21,15f. (3x); 2Kön 9,11; Jer 29,26; Hos 9,7). 397 Vgl. Rudolph, Hosea, 179: „Man will den lästigen Warner und Mahner dadurch loswerden, daß man ihn für verrückt erklärt“.
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die Bezweiflung seiner Berufung bestritten.398 Den Einwurf widerlegend, wird das in V.7bβ geschilderte Verhalten vom Prophet als Indiz für das Eingetretensein der in V.7aα angekündigten Tage bewertet.399 Dabei erinnert die doppelte Betonung der Größe bzw. Vielzahl der Schuld und Feindschaft (V.7b) an die Mehrung der Altäre (Hos 8,11) und insbesondere an die zunehmende Zahl der Priesterschaft, mit der die Tradenten den Verfall des Kultes verbinden (vgl. Hos 4,6ff). Obwohl V.8 als eine „schlimme crux interpretum“400 angesehen wird, wird in diesem Vers die dem Propheten entgegengebrachte Feindschaft im Rahmen einer Vogelmetaphorik beschrieben (V.8bα), die auf Hos 5,1; 7,12 rekurriert, dieses Mal jedoch nicht JHWH (vgl. Hos 7,12), sondern Israel in der Rolle des Vogelfängers und den Propheten in der Rolle des Vogels präsentiert, der sich auf allen seinen Wegen dem Netz (פח, vgl. Hos 5,1) des Vogelstellers, d. h. den Anfeindungen seiner Gegner ausgesetzt sieht.401 Die sich in diesem Verhalten spiegelnde Feindschaft gegen die Person des Propheten wird dabei in V.8b zu der „Feindschaft“ ( )מׂשטמהin Relation gesetzt, die im Haus „seines“ Gottes ist und gegen JHWH selbst gerichtet wird (vgl. V.8bβ). Indem zur Beschreibung der Feindschaft gegen Prophet und JHWH derselbe Begriff gewählt wird, wird die Zusammengehörigkeit von Prophet und JHWH betont und zugleich der zitierte Einwurf der Gegner aus V.7bα widerlegt.402 Der Prophet erscheint dabei auch dadurch als ein Nebenkläger im Rahmen des von Hos 4,1 vorliegenden Streit-Settings, dass er – im Gegensatz zu Israel – in Bezug auf JHWH noch immer von „meinem Gott“ (V.8a; 17aα) bzw. „seinem Gott“ (V.8bβ) reden kann. Andererseits kann der Prophet sich im Rahmen seines prophetischen Selbstverständnisses als „Prophet“ (V.8bα) und „Wächter Efraims“403 398
Vgl. Bons, Hosea, 118f. Vgl. aaO, 119: „Die Antwort des Propheten auf die Kritik an seiner Person lautet: ‚Zur Fülle deiner Schuld kommt die Größe [deiner] Feindseligkeit‘ oder ‚weil deine Schuld groß ist und deine Feindseligkeit groß ist‘“; vgl. zudem Wolff, Hosea, 202; Utzschneider, Hosea, 160; Rudolph, Hosea, 173; Macintosh, Hosea, 352. 400 Rudolph, Hosea, 173. 401 Vgl. Bons, Hosea, 119. 402 Vgl. Macintosh, Hosea, 188. 403 Eine Zusammenfassung der verschiedenen Deutungsmöglichkeiten von V.8 findet sich bei Ben Zvi, Hosea, 103f sowie Macintosh, Hosea, 354. Anders als Macintosh erscheint dabei jedoch eine Deutung dieses Verses auf Israel/Efraim im Rahmen der Argumentationsstruktur des Textes wenig sinnvoll. Insbesondere die Formulierung „( עם־אלהmit meinem Gott“) lässt eine Deutung der Aussage mit Efraim als Wächter kaum zu, da sowohl davor (V.7) als auch danach (V.9) von Israels Schuld die Rede ist. Im 399
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(V.8a) bezeichnen und weiß sich im Rahmen seines prophetischen Selbstverständnisses von JHWH in dieses Amt berufen.404 Dabei kann in Bezug auf die Beziehung von Prophet und JHWH zudem gefragt werden, ob das Fehlen der Botenformel und weiterer Bestandteile, die typischerweise zur Gattung der prophetischen Gerichtsrede gerechnet werden, nicht ebenfalls auf die enge Verbindung des Propheten mit JHWH zurückgeführt werden kann und zugleich der Betonung der Gerichtsbotschaft dient: Die Tage405 der פקדה/ ׁשלםsind gekommen, es besteht keine Notwendigkeit mehr, die eigene Sendung zu legitimieren.406 Während der Prophet dabei in den Anklagen gegen Israel neben JHWH tritt, kann gleiches nicht von den Konfrontationsankündigungen ausgesagt werden: Die Konfrontation Israels mit den Folgen ihrer Vergehen wird von JHWH vollzogen werden (vgl. V.9b; vgl. zudem V.15aγ; V.17aα). Die dem Propheten und JHWH entgegengebrachte Feindschaft wird im Rahmen der Prophetenrede von V.9 mit einer tiefen Verdorbenheit ( )העמיקו־ׁשחתוIsraels in Verbindung gebracht, die geschichtstheologisch mit „den Tagen von Gibea“ verglichen wird.407 Auf diese Weise wird eine Schuldgeschichte konstituiert bzw. konstruiert, die die Feindschaft in der textinternen Gegenwart als ein Rahmen der prophetischen Literatur findet sich der Begriff noch in Ez 3,17; 33,7 und wird dort beide Male in der Formulierungצפה נתתיך לבית יׂשראל verwendet. 404 Die Formulierung „Mann des Geistes“ bzw. „Geistesmann“ rekurriert dabei auf das Prophetenamt (vgl. Jeremias, Hosea, 117: „Beim volkstümlichen Begriff ‚Geistesmann‘ kann man schwanken, ob er noch grundsätzliche Anerkennung der prophetischen Vollmacht widerspiegelt oder in sich schon Hinweis auf befremdliches prophetisches Gebaren ist“); durch die Verwendung von רוחerinnert es die Leserschaft im Kontext der Komposition Hos 4–9 zugleich an den Unzuchtsgeist ()רוח זנונים, durch den Israels Verhalten den Tradenten nach charakterisiert ist (vgl. Hos 4,12; 5,4) und der schließlich zum Untergang des Nordreichs durch einen Sturm ()רוח führte (vgl. Hos 4,19). 405 Die Rede von den „Tagen“ kann dabei als systematisierendes Ordnungsprinzip der Verse 5–9 angesehen werden (vgl. Gärtner, Summe, 69). 406 Bedenkenswert ist auch, ob Wolffs Überlegungen zu Hos 5 (Hosea, 142) nicht auch auf Hos 9 zutreffen: „Man kann verstehen, daß der Kreis um Hosea angesichts der Feindschaft, die Hosea entgegengeschlagen sein mag (75b vgl. 97), die Worte des Propheten alsbald festgehalten hat (vgl. Jes 8 16 30 8ff.). Die Nähe der Niederschrift zum Auftritt selbst erklärt wieder das Fehlen aller Rahmenformeln, vielleicht auch den schlechten Zustand mancher Stellen des Textes; er hatte einen langen und gefährdeten Weg bis zur Aufnahme ins deuteronomistische Hoseabuch zurückzulegen“ (Hosea, 142). Stimmen diese Überlegungen, so würde dies auch in Hos 9 das Fehlen von Formeln erklären können. 407 Ben Zvi, Hosea, 188 spricht daher von „trans-temporal Israel“.
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Verhalten charakterisiert, das Israel seit der Vergangenheit her prägt. Durch die Verwendung des Stichwortes „Gibea“ (vgl. Hos 5,8; 10,9) im Kontext der Aussage „( העמיקו־ׁשחתו כימי הגבעהSie sind tief verdorben wie in den Tagen von Gibea“) in Hos 9,9a wird auf Ri 19– 21 und den dort erzählten Übergriff der Bewohner der benjaminitischen Stadt Gibea auf einen Leviten und seine Frau Bezug genommen, in dessen Folge sich der Stamm Benjamin mit Gibea verbündete und von den übrigen Stämmen angegriffen wurde (vgl. Ri 20,10). Obwohl der genaue Vergleichspunkt umstritten ist,408 scheint der Aspekt der Solidaritätsgemeinschaft in Verfehlungen im Vordergrund zu stehen, der zugleich der vollkommenen Verdorbenheit – in diesem Fall von Israel – Ausdruck verleiht (vgl. Hos 9,9a). Die Vorstellung, dass der Prophet sich mit dem Leviten aus Ri 19 vergleicht, erscheint wegen der Art und Weise, wie der Levit in der Erzählung dargestellt wird, hingegen abwegig.409 Über die „Sündensolidarität“ aus Gibea wird die tiefe und bis in die textinterne Gegenwart reichende Verdorbenheit Israels ausgedrückt. Die Tatsache, dass die Nennung des Stichwortes „Gibea“ ausreichte, um diese Assoziation bei den Zuhörenden/Lesenden zu ermöglichen, zeigt, dass die Erzählung bereits zur Zeit Hoseas sehr bekannt gewesen sein muss.410 Sie verdeutlicht den umfassenden Verfall Israels, der von V.1 her kultisch verortet wird und von V.9b her die gedenkende ( )זכרund überprüfende ( )פקדReaktion JHWHs nach sich zieht.411
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Rudolph, Hosea, 179f. schreibt: „Der Vergleichspunkt ist der: so wie sich damals der ganze Stamm Benjamin mit dem schändlichen Tun der Leute von Gibea solidarisch erklärte, so ist sich heute das ganze Volk (‚Ephraim’ V.8) einig in seinem schandbaren Verhalten gegen den Propheten Jahwes“; so auch Macintosh, Hosea, 357f; Wolff (Hosea, 204) sieht hingegen den Vergleichspunkt darin, dass der Levit „ein ähnlich brutales Abfangen von Menschen wie die Propheten und wie Hosea selbst [erlebt]“. 409 Anders Wolff, der schreibt: „So wird man an Ri 19–21 denken müssen und an die dort bezeugte benjaminitische Schandtat von Gibea, die einem umherziehenden Leviten widerfahren ist; er erlebt ein ähnliches brutales Abfangen von Menschen wie die Propheten und wie Hosea selbst“ (Wolff, Hosea, 204). Während Wolff in Bezug auf den Leviten den Opferaspekt betont, lässt er vollkommen außer Acht, dass der Levit alles andere als in einem positiven Licht gezeichnet wird: Nicht nur bewahrt er sich selbst vor einem Übergriff, in dem er seine Nebenfrau ergreift und sie selbst den Männern zur Vergewaltigung auf die Straße führt (Ri 19,25ff), sondern er lügt auch, als er nach dem Hergang der Ereignisse befragt wird und stellt sich selbst durch die Auslassung von Details zu den Umständen der Tat in einem besseren Licht dar (vgl. Ri 20,5). 410 So auch Rudolph, Hosea, 180. 411 Vgl. Abschnitt 3.3.4.
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Im Rahmen der Verse 7–9 wird deutlich, dass „die Tage der “פקדה und „die Tage der “ׁשלםeine Folge der dem Propheten entgegengebrachten Feindschaft von Volk und Kultpersonal (vgl. V8bβ) sind. Über die Anspielung auf die „Tage von Gibea“ wird die Feindschaft als besonders schwerwiegend charakterisiert und resultiert in der Aussage: „Er [sc. JHWH] gedenkt ihrer Schuld, er überprüft ihre Verfehlungen“ (V.9b). V.9 endet mit der Ankündigung, dass JHWH den Propheten gegen Israels Vorwürfe und Anfeindungen rechtfertigen wird. Insofern trägt die Teileinheit 9,7–9 tatsächlich „Abschlusscharakter“412. Angesichts der formalen und inhaltlichen Nähe der V.7ff besteht von V.9 her der erste Erkenntnisgewinn in der Feststellung, dass diese Tage sich mit einer Tätigkeit JHWHs verbinden. Dabei erlaubt die Wendung „er [JHWH]+זכר+ihre Schuld“ aus V.9bα einerseits einen Rückschluss auf die Deutung der Wendung „er [JHWH]+פקד+ihre Verfehlungen“ aus V.9bα, andererseits jedoch auch einen Rückschluss auf die Deutung von V.7aα: Die dort genannte פקדהund die dort genannte ׁשלםmüssen ebenfalls in Relation zu JHWH stehen und eine negative Folge für Israel implizieren. Ähnliches gilt für die Verwendung von פקד+„ihre Verfehlungen“ in V.9: Auch hier findet eine Auseinandersetzung JHWHs mit den Verfehlungen Israels statt. Trifft die Annahme eines synthetischen Parallelismus in diesem Vers zu,413 so muss פקדhier eine Bedeutung haben, die eine Steigerung einer gedanklichen Zuwendung darstellt und sich zugleich aus dieser ergibt. Geht man im Anschluss an Brünenberg von der Grundbedeutung „‚jdn. oder etw. nachprüfen, kontrollieren, nach dem Rechten sehen, genau beobachten‘“414 für פקדaus, so scheint sich als Übersetzungsäquivalent an dieser Stelle besonders eine Form von „(aufmerksam) betrachten“ zu empfehlen. Durch die Parallelität von V.7 und V.9 liegt die Schlussfolgerung nahe, dass an den Tagen der פקדהund an den Tagen der ׁשלםeine innere-gedankliche und äußere-überprüfende Auseinandersetzung JHWHs mit den Vergehen (V.9bβ.15aβ) und der Verdorbenheit Israels (V.9a.15aα) stattfindet. Die Notwendigkeit des Kommens der Tage der פקדהund der ׁשלם von JHWH her ergibt sich aus dem Verhalten Israels: Der Bewegung des Textes entsprechend stellen diese Tage den Zeitpunkt dar, zu dem auf Israels Distanzierung von JHWH (vgl. V.1), die in V.7bβ unter dem Begriff der „Schuld“ subsumiert wird, eine zuwendende Auseinandersetzung JHWHs mit dieser Schuld erfolgt. Die
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So Jeremias (Hosea, 113) Einschätzung dieser Verse. Vgl. Abschnitt 3.3.4. 414 Brünenberg, JHWHs Widerstand, 54. 413
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Tätigkeiten JHWHs in der Auseinandersetzung mit der Schuld und den Verfehlungen Israels werden dabei mit זכרund פקדbeschrieben. Eine dem innerlich-gedenkenden „Anrechnen“ ähnliche Tätigkeit scheint in V.9bβ dabei mit פקדausgedrückt zu werden. Mit Brünenberg kann bezüglich פקדvon der Grundbedeutung „‚jdn. oder etw. nachprüfen, kontrollieren, nach dem Rechten sehen, genau beobachten‘“415 ausgegangen werden. Stellt dabei ein Vergehen das Objekt zum Verbum פקדdar, so lässt sich diesbezüglich sowohl im profanen als auch im theologischen Sprachgebrauch „der Aspekt ‚Rechenschaft einfordern‘ sicher nicht umgehen. Umstritten ist jedoch, wie sich die Konsequenzen dieser Einforderung bestimmen lassen“416. Mit Brünenberg legt sich in diesen Fällen die Wiedergabe mit „nicht folgenlos sein lassen“417 nahe. Dieser Aspekt scheint in Hos 9,9 darin gegeben zu sein, dass פקדeine von JHWH ausgehende eingehende Überprüfung von Israels Taten zum Ausdruck bringt. Bleibt man bei der Bedeutung „überprüfen“ und verbindet diese mit dem Aspekt des „nicht folgenlos sein lassen“, so resultiert dies darin, dass Israel mit seinen Vergehen konfrontiert wird und sich daraus entsprechende Konsequenzen für die Beziehung zwischen JHWH und Israel ergeben (vgl. V.3). Dabei fällt die große Ähnlichkeit der mit פקדausgedrückten Tätigkeit zu der mit זכרausgedrückten Tätigkeit auf: פקדbringt zum Ausdruck, dass JHWH den Verfehlungen Israels sein volles Interesse zuwendet und einer eingehenden Prüfung unterzieht, die seine äußerlich vollzogene Zuwendung impliziert. Auch im Rahmen der פקד-Tätigkeit findet eine Verbindung und Vergegenwärtigung der Verfehlungen mit Israel statt. An den Tagen der פקדהund der ׁשלםerfolgt keine Aufhebung der Identität Israels von JHWH her, sondern der selbstgewählten Aufhebung der Identität Israels als Gottesvolk durch die eigene kultische Untreue gegenüber JHWH und der selbstgewählten Annäherung an die Nationen (vgl. V.1) wird von JHWH her an diesen Tagen Endgültigkeit verliehen. Dies stellt jedoch keine Strafe dar, sondern die von JHWH reziprok in Kraft gesetzte Folge aus Israels Vergehen. Von dieser Interpretation von V.9 her kann zugleich eine Interpretation der Nominalformen aus V.7 erfolgen. Die Nominalformen פקדהund ׁשלםbringen zum Ausdruck, in welcher Form dies an diesen Tagen geschieht: Es sind die Tage der Überprüfung ( )פקדהund die Tage der Rückerstattung/Vergeltung ()ׁשלם. Von der Argumentationsstruktur des Textes her ist deutlich 415
AaO, 54. AaO, 55. 417 AaO, 54. 416
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geworden, dass es sich auch bei ׁשלםnicht um einen Akt der göttlichen „Rache“ handelt, sondern um Tage, an denen JHWH Israel seine Taten rückerstattet (vgl. Hos 4,9). פקד/פקדה, ׁשלםund זכר bringen unterschiedliche Aspekte einer Tätigkeit JHWHs zum Ausdruck: Die Israel konfrontierende Auseinandersetzung JHWHs mit den Vergehen. Anders als Macintosh, der eine Parallele von Hos 9,7 zu Ri 19–21 zieht, wenn er schreibt „that the coming punishment (cf. v. 7) will be as devastating as that which came so near to obliterating the whole tribe of Benjamin following the outrage at Gibeah“418, kündigt die aus Hos 8,13 in Hos 9,9b übernommene Formulierung eine Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Vergehen an, die eine innerlich-gedenkende Auseinandersetzung JHWHs mit ihrer Schuld ( )עונםin einer äußerlich-überprüfenden Konfrontation mit ihren Sünden ( )חטאותםresultieren lässt und dabei eine Reaktion auf die Vergehen darstellt. Von V.9b her wird deutlich, dass Israel vor JHWH schuldig geworden ist. Die in V.1 beschriebenen Sachverhalte bezüglich des kultischen Verhaltens Israels (vgl. V.1: „Unzucht treiben“, „Buhlerlohn lieben“) werden nun auf theologische Begriffe gebracht: Es ist von „ihrer Schuld“ ( )עונםund „ihren Sünden“ ( )חטאותםdie Rede. Der Prophet kündigt in V.9b an, dass JHWH dieser Schuld gedenken ( )זכרund diese Sünden überprüfen/in Augenschein nehmen419 wird ()פקד. Die rahmende Verwendung von פקדsowohl in V.7a als auch in V.9b zeigt dabei, dass diese Tätigkeiten JHWHs an den in V.7a angekündigten Tagen stattfinden werden.420 Indem der neue Kompositionsabschluss Hos 9,3.9 den alten Kompositionsabschluss aus Hos 8,13 übernimmt, wird deutlich, dass die in Hos 9,7 angekündigte gedenkende und überprüfende Auseinandersetzung mit der Schuld und den Sünden Israels jetzt an den Tagen der Überprüfung und Vergeltung/Rückerstattung angesetzt wird, die als feststehend bzw. bereits eingetreten beschrieben werden (vgl. V.7). Die Rückkehr nach Ägypten als Revozierung der Landesgabe und des Exodus wird anders als in Hos 8,13 nicht mehr länger als eine sich aus der Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Schuld und 418
Macintosh, Hosea, 358. Vgl. Janowski, Schöpferische Erinnerung, 177. 420 So auch Wolff, Hosea, 204: „Sachlich nimmt 9b noch einmal 7a auf, so daß hier wie öfter kurze, nur andeutende Strafandrohungen ausgeführtere, konkrete Schuldaufweisungen umrahmen“ und Jeremias, Hosea, 118: „Wenn Gott […] der Schuld ‚gedenkt’ und sie ‚ahndet’ (und damit die Tage der ‚Ahndung’ von V.7 anbrechen läßt als notwendige Folge der ‚Tage von Gibea’ in V.9a), kann das Geschick nicht ausbleiben, von dem die Verse 1– 6 ausführlich sprachen“. 419
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Sünden ergebene Folge dargestellt, sondern präsentiert sich im Rahmen von Hos 9,1–9 als Folge der im Land kultisch vollzogenen „Unzucht“ Israels gegen JHWH (vgl. Hos 9,15). Die in Hos 9,7ff den neuen Kompositionsabschluss bildende Auseinandersetzung JHWHs an den Tagen der Überprüfung und Vergeltung ist jetzt der Abschluss des in Hos 4,1 begonnen Streits, dessen Ausgang bereits in V.1–6 feststeht. Indem Israel nach Ägypten zurückkehren muss, fällt „Israel […] hinter den Anfang seiner Geschichte mit JHWH zurück. Die Heilsgeschichte ist beendet, an eine Zukunft nach dem Aufenthalt in Ägypten […] wird hier nicht gedacht. Die Zukunft ist vielmehr hoffnungslos“421. Zwischenergebnis Anders als im Buchkern Hos 5–7 wird mit ידעin Hos 9,7 nicht mehr eine ausbleibende Erkenntnis Israels klagend festgestellt, anders auch als in Hos 8,2 nicht mehr seitens Israels das Vorhandensein der Erkenntnis Gottes behauptet und anders auch als in Hos 4,6 der Mangel an Erkenntnis nicht mehr im Rahmen einer Fokussierung auf die Verwerfung der Erkenntnis durch die israelitische Priesterschaft zurückgeführt. In Hos 9,7–9 wird vielmehr angekündigt, dass der Staat Israel das Gekommensein eines Datums erkennen wird, an dem eine endgültige Auseinandersetzung JHWHs mit der Schuld und den Sünden (vgl. Hos 9,9) Israels stattfindet. Hos 9,1 greift dabei kompositionell auf die Argumentation von Hos 4,6–14 zurück. Im Rahmen dieser Verse wurde eine Fokussierung der in der Kultpolemik von Hos 8,11–13 begonnenen kultischen Verortung der Schuld für den Untergang des Nordreichs auf das Priestertum vorgenommen, welches das Volk mit in seine Sünden verstrickte (vgl. Hos 4,8f). Aufbauend auf dieser Argumentation ist es nun in Hos 9,1 der gesamte Staat Israel, dem über die Verwendung des Stichworts „Unzucht treiben“ (vgl. Hos 4,11–19; Hos 5,3f; 6,10) eine kultische Angleichung an die Nationen im Land JHWHs vorgeworfen wird (vgl. V.1b). Ihre Entsprechung seitens des eigenen Landes- und Staatsgottes JHWH findet dieses Verhalten im Entzug seiner Landesgüter (vgl. V.2), im Entzug seines Landes (vgl. V.3) und schließlich im Entzug des Israel gewährten Lebens im Exil (vgl. V.6). Die im Rahmen des neuen Kompositionsabschlusses Hos 9,1–9 geschilderte Konfrontationsankündigung an den Tagen der Überprüfung und Vergeltung ist endgültig. Dabei zeigt sich Hos 9,1– 9 durch das Ordnungsprinzip von Tagen strukturiert. In zentraler 421
Bons, Hosea, 120.
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Position zwischen der Ankündigung des Endes aller kultischer Festtage im Exil (V.5) und dem Vergleich der Vergehen Israels mit den Vergehen „in den Tagen von Gibea“ (V.9) steht dabei die Angabe des Datums „der Tage der Überprüfung und der Tage der Vergeltung“, die nicht nur strukturell, sondern auch argumentativ den Mittelpunkt von Hos 9,1–9 bilden, indem sie den Zeitpunkt der reziproken Beziehungsaufhebung durch den Landes- und Staatgott JHWHs gegenüber seinem eigenen Volk Israel präsentieren. Was Israel schlussendlich an diesen Tagen der Konfrontation mit der eigenen Schuld und den eigenen Vergehen (vgl. V.9) erkennt, ist das eigene Ende als Folge der selbstgewählten Abwendung vom eigenen Staats- und Landesgott (vgl. Hos 9,1). 4.2.4 Ertrag Wie im Rahmen der Analyse der Bündelung von Reziprozitätsvorstellungen ersichtlich wurde,422 formuliert der neue Kompositionsabschluss Hos 9,1–9 den Abschluss des Streits JHWHs ( )ריב ליהוהmit den Landesbewohnern, der in Hos 4,1 eröffnet wird und in Hos 9,3 seine Entsprechung im Entzug des Landes und Israels Rückkehr nach Ägypten/Assyrien findet.423 Dabei zeigt sich, dass Hos 9,1 das kultisch vollzogene Unzuchttreiben ( ;זנהvgl. Hos 4,12–19; 5,3f; 6,10b; נאףin Hos 7,4) Israels zum zentralen Abwendungsgeschehen Israels von JHWH im Land erklärt, das nun reziprok den Landentzug durch JHWH nach sich zieht. Die Streitperspektive aus Hos 4,1 wird so zur zentralen Leselinie, die die gesamte Komposition Hos 4,1–9,9 umfasst und in Hos 9,1–9 ihren (vorläufigen)424 Abschluss findet.425 Hos 9,1–9 setzt dabei die in Hos 8,11–13 und Hos 4,6–14 formulierte Kultkritik voraus, kombiniert in der Übernahme der Ankündigung des Landverlustes aus Hos 8,13 und der Anwendung der Kategorie der „Unzucht“ auf den Kult aus Hos 4,1–19 jedoch zwei vormals nur getrennt voneinander verwendete Kompositionslinien und lässt auf diese Weise die kultische „Unzucht“ Israels als Grund des Landentzuges JHWHs erscheinen. Hier scheint die Grundlage für die spätere Deutung des geschichtlichen Ergehens Israels als eines 422
Vgl. Abschnitt 4.2.3. Vgl. Jeremias, Hosea, 113f; Vielhauer, Werden, 97f. 424 Vgl. Hos 2,4; 12,3. 425 So bereits Vielhauer, Werden, 98, der zwar formuliert: „In der Komposition Hos 4,1–9,9 entsprechen sich somit angekündigte Strafe und aufgedeckte kultische Vergehen“ (Hervorhebung von mir), dabei jedoch die Interaktion zwischen Landesgott JHWH und seinem Landesvolk als „Strafe“ bezeichnet. 423
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Ehedramas gelegt, denn die im Rahmen der Prophetenrede angekündigte Reaktion des Landesherrn JHWH besteht darin, dass er seinem Volk die Versorgungsgaben (V.2), das Wohnrecht in seinem Land (V.3) und schließlich seinen Schutz (V.4–6) entzieht. Etwas später wird dieser Vorgang im Rahmen der Gottesrede von Hos 9,15aβ–bα bereits folgendermaßen formuliert: „Wegen der Bosheit ihrer Taten vertreibe ich sie aus meinem Haus. Nicht will ich fortfahren sie zu lieben“ ( על רע מעלליהם מביתי אגרׁשם לא אוסף )אהבתם. Im Lichte dieser Aussagen erscheint Hos 2,4–15 als Narration von Hos 9,1–9.10–17.426 Die bereits im Buchkern beobachtete Tendenz, den Kult für das geschichtliche Ergehen Israels verantwortlich zu machen (vgl. Hos 5,3f; 6,10b; 7,4.7)427, zeichnete sich explizit im ersten „neuen“ Kompositionsabschluss Hos 8,11–13 ab, der in V.13b zum ersten Mal den Landentzug als Rückkehr nach Ägypten als Folge der kultischen Abwendung Israels von JHWH (vgl. Hos 8,11ff) ankündigte, dabei die israelitische Kultpraxis jedoch noch nicht als Ausdruck von „Unzucht treiben“ ( )זנהdeutete (vgl. Hos 4,11–19; vgl. zudem Hos 5,3f; 6,10b). Zugleich stellte der in Hos 8,13 angekündigte Landentzug als Rückkehr nach Ägypten auch die Folge auf den mit „( עלהhinaufgehen, hinaufziehen“) statt mit הלך („gehen“; vgl. Hos 5,13; 7,11) formulierten und von Israel initiierten Exodus aus dem Land JHWHs nach Assyrien dar (vgl. Hos 8,9): „Die Kombination Ägyptens mit Assur im Theorem des ‚umgekehrten Exodus‘ erscheint so als Aktualisierung und Traditionalisierung in einem. Aktualisiert wird das Begründungstheorem der Existenz Israels im Lande, traditionalisiert wird das geschichtlich-aktuelle Geschehen um das ausgehende Nordreich im Horizont der assyrischen Bedrohung“428. In Hos 9,1–9 werden diese Kompositionslinien nun miteinander verbunden. So wird nicht nur die in Hos 8,13 vorbereitete Landesperspektive in Form des Landverlustes infolge politischer und kultischer Abwendungen von JHWH aufgenommen, sondern jetzt auch die Fokussierung der Schuld für die im Land verortete Abwendung Israels vom eigenen Landes- und Staatsgott bei den Priestern aus Hos 4,1–19 vorausgesetzt. Hos 9,1–9 kombiniert beide Leselinien zu einem neuen Kompositionsabschluss: So ist es jetzt nicht mehr der „umgekehrte Exodus“429 Israels aus Hos 8,11, sondern die kultisch vollzogene Unzucht Israel im Land (vgl. V.1), die als 426
Vgl. Abschnitt 5.1. Vgl. Vielhauer, Werden, 109. 428 Utzschneider, Hosea, 175. 429 Ebd. 427
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Angleichung an die Völker beschrieben wird (vgl. V.1), die zu den in Hos 9,2–6 beschriebenen Reaktionen JHWHs führt und dabei mit dem Zitat aus Hos 8,13 in Hos 9,3 den Landentzug als Rückkehr ( )ׁשובnach Ägypten als Bestätigung des von Israel im Land vollzogenen Beziehungsabbruchs durch „Unzucht“ darstellt. Die Reziprozität, die zwischen dem Streit JHWHs mit den Landesbewohnern aufgrund ihrer kultischen Unzucht im Land (Hos 4,1) und dem Entzug des Landes aufgrund der kultischen Unzucht (Hos 9,1–3) besteht, wird explizit durch die im Rahmen der reziproken Aussage von V.3 antithetisch einander gegenübergestellten Wurzeln und ersichtlich: Diejenigen, die nach Hos 4,1 die Bewohner des Landes sind ()יוׁשבי הארץ, werden nach Hos 9,1 nicht mehr länger im Land wohnen, das jetzt explizit als Land JHWHs bezeichnet wird ()לא יׁשבו בארץ יהוה. Ihre kultische Unzucht im Land (vgl. Hos 4,11–14; Hos 9,1) zieht jetzt vielmehr den Entzug des Landes in Form der unfreiwilligen Rückkehr nach Ägypten bzw. Assyrien nach sich (vgl. Hos 9,3: לא יׁשבו בארץ יהוה )וׁשב אפרים מצרים. Die anderen Reziprozitätsgeschehen zwischen Israel und JHWH werden diesem Reziprozitätsgeschehen jetzt untergeordnet: Der priesterliche Wunsch nach einer Maximierung des eigenen Anteils an den Opfergaben, der als Maximierung des eigenen Verzehrs ( )אכלvon Schlachtopferfleisch beschrieben (vgl. Hos 8,13; 4,8) und dabei der Weisung und der Erkenntnis JHWHs im Rahmen einer bewussten Verwerfungsentscheidung (vgl. מאסin Hos 4,6) vorgezogen wird (vgl. Hos 4,6), wird in Hos 9,3–5 als ein Vorgang gezeichnet, der nur noch – und auch das nur noch zeitlich begrenzt, vgl. V.6 – Nahrungsaufnahme für ihre eigene Kehle (vgl. לנפׁשםin Hos 9,4) ist, d. h. aber: nur noch den Körper lebendig erhält. Damit wird der von JHWH abgelöste Verzehr von Opferfleisch auf den Vorgang reduziert, der er seinem Wesen dann nur noch ist: profanes Verspeisen von Nahrung, durch das keine Mahlgemeinschaft mehr mit dem eigenen Landes- und Staatsgott hergestellt wird und das jenseits seines Herrschaftsbereiches einem Verzehr von „Unreinem“ ( )טמאentspricht.430 „Es wird im Exil keinen Opferkultus für Jahwe mehr geben, weil dort buchstäblich jeder und alles unrein ist […]. Unrein sind alle tierischen und vegetabilen Nahrungsmittel, sie sind damit als Opfergaben unbrauchbar. Unrein sind alle, die sich davon 430
Vgl. Jeremias, Hosea, 111, Anm. 21: „Parallelbelege wie Jes 22, 13 und Jer 7, 21 legen die Vermutung nahe, daß der Begriff ‚Fleisch essen‘ (in Hoseas Zeiten auf Feiertage beschränkt) schon in sich für die Lösung des Opfers aus der Gottesbeziehung und damit für die Perversion des Opfers steht; vgl. in Dtn 12 die Unterscheidung zwischen kultischem Opfer (V. 14) und profanem ‚Fleisch essen‘ (V. 15) für das 7. Jh.“.
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ernähren; sie sind damit generell kultunfähig. Jedes Land außerhalb Israels ist unreines Land (vgl. Am 7,17; Ez 4,13). […] Ein legitimer Jahwekult ist an das Land Jahwes gebunden“431. Da er dort jedoch gemäß der Sicht der Tradenten nur als ein von JHWH losgelöster Kult, nur als „Unzucht treiben“ praktiziert wurde, hat Israel jegliche Möglichkeit der zukünftigen Kontaktaufnahme zu JHWH verspielt. Der Entzug der Landesgüter, des Landes und des Kultes repräsentiert eigentlich den endgültigen Entzug JHWHs (vgl. Hos 5,6) von seinem untreuen Volk – dieser Beziehungsabbruch wird jedoch durch eine Trennung Israels vom Land als dem Herrschaftsbereiches JHWHs vollzogen. Geradezu auf eine Randnotiz reduziert erscheint nun das „Gehen“ ( )הלךIsraels in Hos 9,6. „Gehen“ bezeichnete im Buchkern Hos 5–7 in der Politik die eigenmächtigen Bündnisbemühungen Israels, die von den Tradenten als Abwendungsgeschehen von JHWH dargestellt wurden und seitens JHWHs eine Entsprechung fanden (vgl. Hos 5,12–14.15; 7,11f). Im Kult bezeichnete es das vergebliche Suchen nach JHWH, der sich Israel jedoch aufgrund ihres als „Unzucht“ gedeuteten Kultes bereits endgültig entzogen hatte (vgl. Hos 5,3f; 6,1–3). Hos 8,11 nahm eine aktualisierende Neuinterpretation des Gehens Israels vor, indem durch die Verwendung von עלה („hinaufgehen, hinaufziehen“) die Bündnisbemühungen Israels jetzt geradezu als „umgekehrter Exodus“432 erschienen. In Hos 9,6 ist das Gehen Israels auf ein Fliehen vor dem Untergang durch die assyrische Großmacht reduziert, das jedoch „unmittelbar im Grab enden [wird]. Wie deshalb das neue ‚Ägypten‘, aus dem Jahwe einst rettete und in das er nun sein Volk stößt, heißt – ob Assur oder Ägypten, repräsentiert durch Memphis mit seiner berühmten Gräberstadt –: Das Geschick heißt Hoffnungslosigkeit und Tod, für Verbannte und Flüchtlinge gleichermaßen“433. Man gewinnt hier den Eindruck, dass die Reziprozität der Interaktion nun von JHWH her denjenigen überlassen wird, von denen sich Israel im Rahmen von Bündnisbemühungen einst diese Reziprozität aufgrund von Tributzahlungen erhoffte (vgl. Hos 8,9f). Ein ähnlicher Bedeutungsverlust lässt sich für die Verwendung von „wissen, erkennen“ ( )ידעin Hos 9,7 aufzeigen. Im Buchkern Hos 5–7 wurde Israel seitens der Tradenten nicht weniger als ein vollständiger Wahrnehmungsmangel bezüglich eines Zugriffs einer politischen Großmacht auf die staatlichen Ressourcen (Hos 7,8f) und im kultischen Bereich die Verweigerung der Anerkennung JHWHs (Hos 431
Utzschneider, Hosea, 179f (Hervorhebung von mir). AaO, 175. 433 Jeremias, Hosea, 117. 432
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5,3f) unterstellt, die eine Umkehr ( )ׁשובzu diesem verhindert (vgl. Hos 5,4). Während dabei in Hos 6,1–3 noch (halbherzig)434 nach dem Erkennen JHWHs gestrebt wurde, wird das Vorhandensein dieser Gotteserkenntnis im Rahmen des ersten neuen Kompositionsabschlusses Hos 8,2 von Israel behauptet, um einen drohenden Angriff abzuwehren. Wie bereits in Hos 6,4–6 wird diese Behauptung jedoch auch in Hos 8,3 widerlegt. In Hos 4,6ff wird der Grund für diese Widerlegung „nachgeliefert“ und dabei als Ausgangspunkt des im Rahmen der Genese des Hoseabuches erkennbaren Prozesses der Verlagerung der Schuld für den Untergang des Nordreichs von der Politik (vgl. Hos 7,8f) in den Kult (vgl. Hos 5,3f; 8,11–13) jetzt die priesterliche Verwerfung der Erkenntnis und der Weisung Gottes identifiziert. An die Stelle der Gotteserkenntnis tritt ein Unzuchtsgeist (vgl. Hos 4,12), der den Zugriff eines Sturms (vgl. Hos 4,19) ermöglicht, der den Staat schließlich in den Untergang reißt.435 In Hos 9,7 wird ein Wahrnehmungsvorgang Israels beschrieben, der mit Sicherheit eintreten wird, da es sich bei dem Objekt der Wahrnehmung mit den „Tagen der Überprüfung und Vergeltung“ um ein Datum handelt, dem Israel sich nicht entziehen kann. Unter Verwendung des Ordnungsprinzips der Tage436 verkündet der Prophet im Kontrast zum Festtag (vgl. V.5) die Tage der Überprüfung und der Rückerstattung.437 Die Korrelation von selbstgewählter Identitätsnegation als Gottesvolk (V.1) und prophetisch ergehender Verwerfungsankündigung durch JHWH an dem in V.7 genannten Datum stellt keine von JHWH ausgehende Strafe dar, sondern wird in Hos 9,1–9 reziprok als gedenkende und überprüfende In-KraftSetzung einer JHWH-entfremdeten Identität entwickelt. Da dieser durch die Distanzierung von JHWH und eine Angleichung an die Nationen bestimmt ist (vgl. V.1), sind auch die Folgen durch eine Distanzierung von JHWH und seinem Segensbereich bestimmt. 434
Vgl. Abschnitt 2.3.1. Vgl. Jeremias, Hosea, 73. 436 Vgl. Gärtner, Summe, 69. 437 Wenn ׁשלםhier mit „Rückerstattung“ übersetzt wird, ist damit nicht an eine Deliktsahndung im Sinne des Schaden-Schuld-Prinzips gedacht (so Utzschneider, Hosea, 169f.), sondern an die „Rückgabe“ der Tat an den Täter. Dabei wird deutlich, dass der Täter vor allem sich selbst geschadet hat (Identitätsauslöschung). Dabei wird sich Janowski in der Sicht angeschlossen, dass die „‚Zurückwendung’ der Tat auf den Täter durch JHWH […] etwas anderes [ist] als die ‚Strafe’, die den Täter von seiner Tat trennt, indem sie im Sinn der Maxime punitur quia peccatum est vor allem auf die ‚Zufügung eines fühlbaren Nachteils’ zum Ausgleich des geschehenen Unrechts aus ist“ (Janowski, Ein Gott, der straft und tötet?, 156). 435
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Dabei handelt es sich um negative Konsequenzen, da Hos 9 von der Prämisse geprägt ist, dass Israel nur in der Relation zu JHWH existieren kann. Die Bestätigung der Entscheidung Israels gegen JHWH (V.1) durch JHWH (V.2–6) kommt dem Ende Israels gleich: Ohne Versorgung durch JHWH (V.2), ohne Wohnrecht im Land JHWHs (V.3a), ohne Kult in der Fremde (V.3–5) und ohne den Schutz des eigenen Landes- und Staatsgottes – ohne JHWH – geht Israel nun seinem Ende entgegen (V.6). Die Identitätsauslöschung als Gottes Volk ist dabei bereits im Land von Israel selbst vollzogen worden (V.1). Was bleibt ist das Warten auf das Ende: Sie sind bereits tot. Sie haben es nur noch nicht erkannt (V.7aß–bα). Wie gezeigt werden konnte, bilden die Reaktionen, die im Rahmen der Prophetenrede seitens JHWHs auf die Unzucht Israels im Land JHWHs angekündigt werden (V.2–6), die Grundlage, von der aus die Interpretation des geschichtlichen Ergehens Israels als einer Ehescheidung aufgrund von ehelicher Untreue entwickelt wurde. Hos 9,10–17 (insbesondere V.15) kann dabei als literarischer Zwischenschritt zu der in Hos 2,4–15 ausformulierten Narration betrachtet werden.
5 Hos 2,4–15 und Hos 14,2–10 als neuer Rahmen des werdenden Hoseabuches 5.1 Hos 2,4–15 als narrative Leseanleitung der Komposition Hos 4,1–9,9 5.1.1 Übersetzung und Textkritik Hos 2 4
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Streitet mit eurer Mutter, streitet, denn sie ist nicht meine Frau und ich bin nicht ihr Mann. Und sie1 soll entfernen ihre Unzucht(szeichen)2 aus ihrem Gesicht und ihre Ehebruchs(zeichen) zwischen ihren Brüsten. Sonst werde ich sie nackt ausziehen und dann werde ich sie hinstellen wie (am)3 Tag, an dem sie geboren wurde. Und dann mache ich sie wie die Wüste und dann mache ich sie wie trockenes Land und dann lasse ich sie sterben durch Durst. Und ihrer Söhne werde ich mich nicht erbarmen, denn Söhne der Unzucht sind sie. Denn Unzucht getrieben hat ihre Mutter, Schande hat sie auf sich gezogen4, die sie empfing, denn sie hat gesagt: „Ich will nachgehen meinen Liebhabern, den Gebenden meines Brotes und meines Wassers, meiner Wolle und meines Leinens, meines Öls und meiner Getränke5”.
Mit MT, gegen LXX, die JHWH zum Subjekt des Satzes macht (V.4: „Ich entferne…“; V.5: „damit ich sie […] ausziehe“). 2 Angesichts der Erwähnung von Körperpartien (Gesicht; Brüste), kann vermutet werden, dass konkrete Gegenstände (Amulette? Stirnband/Schleier?) gemeint sind, die entfernt werden sollen (vgl. V.15aβ), so auch Rudolph, Hosea, 61. 3 Vgl. Kö § 319 d; vgl. auch Rudolph, Hosea, 61. 4 Es wird ( בוׁשHif.), nicht יבׁשvorausgesetzt, vgl. auch Rudolph, Hosea, 63. 5 Mit MT, gegen LXX, S, T („alles, was mir zusteht“), vgl. auch Rudolph, Hosea, 63, der Wein und Bier in Betracht zieht.
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Darum, sieh, ich versperre deinen6 Weg mit dem Dornengestrüpp und dann mauere ich ihre Mauer und ihre Pfade wird (man/sie)7 nicht finden. Und dann wird sie nacheilen ihren Liebhabern, aber sie wird sie nicht erreichen und dann wird sie sie suchen, aber sie wird nicht finden8. Und dann wird sie sagen: „Ich will gehen und umkehren zu meinem ersten Mann, denn mir ging es besser zu jener Zeit als jetzt”. Aber sie hat nicht erkannt, dass ich es war, ich gab ihr das Getreide und den Most und das Öl und Silber mehrte ich für sie und Gold –9 sie machten es zu dem Baal! Darum werde ich mich abwenden10 und dann werde ich nehmen mein Getreide zu seiner Zeit und meinen Most zu seiner festgesetzten Zeit und dann werde ich wegnehmen meine Wolle und meinen Leinen, die zur Bedeckung11 ihre Nacktheit dienten. Aber jetzt werde ich aufdecken ihre Blöße12 vor den Augen ihrer Liebhaber und man kann sie nicht herausnehmen/ retten aus meiner Hand.
MT ist lectio difficilior, LXX und S bieten das Suffix 3.f.sg. Wörtlich: „Ihre Pfade nicht finden“. 8 Das fehlende Suffix in MT wird in LXX, S hinzugefügt; Rudolph, Hosea, 63 deutet es als absichtliche Verkürzung, so auch Jeremias, Hosea, 43, Anm. 8. 9 Relativsatz ohne אׁשר. 10 Rudolph, Hosea, 62 übersetzt „Darum nehme ich zurück“ und versteht dabei אׁשוב ולקחתיals eine Handlung („zurücknehmen“), die „nicht die Wiederholung einer Handlung aus[drückt], sondern eine neue Handlung […], die den alten Zustand wiederherstellt“. 11 Der Infinitiv kann als Näherbestimmung zu der Gabe von Wolle und Flachs aufgefasst werden (so auch Rudolph, Hosea, 63 mit Verweis auf Kö § 385 c). Die von S, T vorgenommene Einfügung von „die ich gegeben habe“ spiegelt diese Deutung ebenfalls wieder; LXX sieht den Infinitiv in Abhängigkeit vom Verb והצלתיund negiert die Aussage daher (τοῦ μὴ καλύπτειν); 4QpHosb und LXX lesen zudem ein min („nicht mehr bedecken…“). 12 Es handelt sich um ein Hapaxlegomenom; es können Ableitungen von akk. baltu (männliche/weibliche Scham), aber auch von „( נבלverwelken, zerfallen“) oder von „( נְ ָב ָלהTorheit“) in Betracht gezogen werden, die alle „einen brauchbaren Sinn“ ergeben (Rudolph, Hosea, 64). 7
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Und dann werde ich ein Ende bereiten all ihrer Freude, ihrem Fest, ihrem Neumond und ihrem Sabbat und all ihren festgesetzten Zeiten.13 Und dann werde ich verwüsten ihren Weinstock und ihren Feigenbaum, von denen sie sagte: „Bezahlung14 sind sie für mich, die gegeben haben mir meine Liebhaber“ und dann werde ich sie machen zu Gestrüpp und fressen wird sie das Tier des Feldes. Und dann werde ich überprüfen gegen sie die Tage der Baale, an denen sie ihnen wieder und wieder Rauchopfer dargebracht hat und sich geschmückt hat mit ihrem Ring und ihrem Schmuck15 und hinterhergegangen ist ihren Liebhabern, aber mich hat sie vergessen, Ausspruch JHWHs.
5.1.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese Die Narration Hos 2,4–15 wird in V.4 mit einem doppelten Imperativ eingeleitet, der V.4 durch die Einführung der ריב-Thematik vom vorhergehenden Abschnitt Hos 2,1–3 mit seiner heilvollen Perspektive abgrenzt und der seine Fortsetzung in der mit כי einleiteten Begründung findet, die im Anschluss an Bons „keine definitive Scheidungsformel“16 darstellt, sondern eine „bedingt gültige Erklärung im Sinne von: ‚Denn so wie sie sich benimmt, kann sie nicht mehr meine Frau sein, und darum kann ich mich nicht als ihr Mann verstehen‘“17. Auch das mit ריבzum Ausdruck gebrachte 13
Bei LXX und S finden sich die von MT gebotenen Singularformen ganz oder teilweise durch Pluralformen ersetzt. 14 BHQ, 56* vermutet hinter ֶא ְתנָ הeine „unique variant of the more common ( “אתנןvgl. Auch Kelle, Hosea 2, 258: „If one follows the BHS note`s suggestion and makes the noun into the more common masculine form, then it matches the pronoun המהthat immediately follows it and clarifies the antecedent of the masculine plural suffixes in the rest of the verse“) und stellt die Vermutung an, dass 4QpHosa eine Dialektform des Nomens bewahrt haben könnte. 15 Es handelt sich um ein Hapaxlegomenom; mit Rudolph, Hosea, 64 muss offenbleiben, ob es sich um Ohrenschmuck, Halsschmuck oder um „ein allgemeines Wort für Schmucksachen“ handelt. 16 Bons, Hosea, 39. 17 Ebd.
Hos 2,4–15 und Hos 14,2–10
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Streitsetting meint dabei keinen Gerichtsstreit. Vielmehr werden die ריב-Belege „im uneigentlichen Sinn gebraucht und meinen […] ein Zur-Verantwortung-Ziehen der Schuldigen“18. Diese Perspektive rahmt den Kompositionsabschnitt sowie die Gesamtkomposition, wie die Aufnahme der mit פקדausgedrückten Konfrontationsankündigung aus Hos 8,13; 9,9; 4,6 in Hos 2,15 zeigt. Der Vers subsumiert das Verhalten der Ehefrau – die Bildebene durchbrechend – als Vergessen JHWHs und formuliert damit zugleich einen kompositionellen Rahmen mit der gedenkenden Konfrontation JHWHs von Israels Schuld und Sünden in Hos 9,9. Zugleich ist Hos 2,15 durch die Verwendung der GottesspruchFormel deutlich von Hos 2,16–25 abgegrenzt. Die Gottesspruchformel aus V.15 ermöglicht es, den Ehemann mit JHWH zu identifizieren, der seine Kinder/Söhne19 mit einem doppelten Imperativ auffordert, mit ihrer Mutter zu streiten (vgl. ריב in V.4), welcher der Vorwurf der ehelichen Untreue durch Unzucht (vgl. V.7: Perf.) gemacht wird (vgl. V.4b.6–7a). Die Verantwortung für die Auflösung der Ehe wird somit der Ehefrau gegeben und nicht durch den Ehemann herbeigeführt.20 Statt eine endgültige Trennung anzustreben, fordert der Ehemann seine Kinder auf, die Mutter zum Ablegen der ihren Unzuchts- und Ehebruchszeichen zu motivieren, die von V.15 her als Zeichen einer kultisch vollzogenen Unzucht betrachtet werden können. In V.5 ergeht die Ankündigung einer Reaktion ihres Ehemannes, mit der dieser das Verhalten seiner Ehefrau beantworten wird, sollte sie nicht bereit sein, ihren Schmuck abzulegen. In diesem Sinn kann V.5 im Anschluss an Vielhauer als ein „Ultimatum“21 betrachtet werden, dessen Erfolglosigkeit „in zwei parallel gestalteten Redegängen aufgezeigt [wird], die aus je drei Elementen bestehen: 1) einer mit היא לאformulierten Disqualifikation der Frau (V.4aβ: ‚sie ist nicht meine Frau; V.10aα: ‚sie hat keine Erkenntnis‘); 2) einem mit כיeingeleiteten Schuldaufweis, der die vermeintlichen Geber der Landesgaben (V.7b Liebhaber) dem wahren Geber (V.10aβ.b JHWH) gegenüberstellt; und 3) einer mit לכןeingeleiteten Strafansage, die im ersten Redegang Israel zu einer Rückkehr zu JHWH bewegen soll (V.8–9), während sie im zweiten Redegang mit dem Entzug der Landesgaben eine endgültige Gerichtsmaßnahme ankündigt (V.11– 15)“22. 18
Jeremias, Hosea 40. Vgl. Bons, Hosea, 38. 20 Vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 99: „Nicht Jahwe hat sein untreues Volk verstoßen, sondern Israel selbst hat den Bruch herbeigeführt“. 21 Vielhauer, Werden, 147. 22 Ebd. 19
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Während Wolff Hos 2,4–17 für einheitlich erklärte,23 geht Jeremias davon aus, dass „V. 7 […] vermutlich ursprünglich unmittelbar an V.4f an[schloß], indem er – mit erneutem kî ‚ja, denn‘ das kî von V. 4 aufnehmend – näher darlegte, worin der Ehebruch der Frau bestand“24. Vielhauer unterscheidet hingegen eine Grundschicht (V.4a.7b.12) von einer deuteronomistisch geprägten Ergänzungsschicht (V.4b–5.10a.11.15) und geht von unterschiedlichen Zusätzen (V.8f.10b.13f) aus, die Hos 2,4–15 die vorliegende Textgestalt verliehen haben. Während er die Sicht vertritt, „daß Hos 2* die Komposition Hos 4,1–9,9* literarisch voraussetzt“25, sieht er „keine Notwendigkeit, die Grundschicht von Hos 2 zeitlich weit von Hos 4,1–9,9 abzurücken“26. Er geht davon aus, dass beide „auf den Untergang des Nordreiches 723/0 v. Chr. bereits zurück[blicken]“27. Dabei habe die Grundschicht von Hos 2 (V.4a.7b.12)28 „eine Scheidung der als Ehe gedachten Beziehung zwischen Land und Landesgott [propagiert]. JHWH wird so seiner geographischen Bindung enthoben“29. Dieser Datierung wird sich angeschlossen, denn die Metaphorik einer Ehescheidung30 für das Verhältnis von JHWH und Israel dient nicht zum Ausdruck einer zeitlich befristeten, sondern einer endgültigen Trennung, so dass bereits die Wahl dieser Analogie als Hinweis auf die theologische Verarbeitung einer geschichtlichen Katastrophe größeren Ausmaßes betrachtet werden darf, die das Verhältnis zwischen Landes- und Staatsgott JHWH und dem Staat Israel in grundsätzlicher Weise in Frage stellte. Eher noch als die Konflikte im syrisch-ephraimitischen Krieg scheint daher die Verarbeitung des Untergangs Israels von 722/20 v. Chr. den Anstoß für die theologische Auseinandersetzung mit diesem geschichtlichen Ergehen Israels gegeben zu haben. Mit der Ergänzungsschicht (V.4b– 5.10a.11.15)31 „hält erstmals deuteronomistische Theologie und Begriffsbildung Einzug in das Hoseabuch. Sie identifiziert die Ehefrau JHWHs aus der Grundschicht mit dem Volk Israel, indem sie Züge der Bildrede Ez 16 einträgt. Zugleich deutet sie die im 23
Vgl. Wolff, Hosea, 33. Jeremias, Hosea, 42. 25 Vielhauer, Werden, 156. 26 Ebd. 27 Ebd. 28 Vgl. aaO, 227. 29 Ebd. 30 Vgl. zum altorientalischen Hintergrund der Ehemetaphorik sowie der Verwendung der Ehemetaphorik im Hoseabuch insbesondere Baumann, Liebe und Gewalt, 76–110. 31 Vgl. ebd. 24
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überkommenen Material gerügte Hinwendung Israels zu anderen Größen als JHWH als Verstoß gegen den Alleinverehrungsanspruch JHWH, als Bruch des ersten Gebotes, als Hurerei. Dieses Vergehen wird mit dem Entzug der Landesgaben geahndet“32. Hos 2,8f.10b.13f betrachtet Vielhauer hingegen als unterschiedliche Zusätze.33 So nachvollziehbar diese redaktionskritische Rekonstruktion der Genese von Hos 2,4–15 dabei insbesondere in Hinblick auf die zwischen Land und Volk changierende Rolle der „Mutter“ bzw. Ehefrau im Rahmen der Narration ist (vgl. u. a. Hos 2,5), bleiben doch Fragen offen. So zeigt sich insbesondere bezüglich V.11, der von Vielhauer als Bestandteil der deuteronomistisch geprägten Ergänzungsschicht betrachtet wird,34 dass V.11aα.bβ.γ bereits als Bestandteil der von Vielhauer rekonstruierten Grundschicht von Hos 2,4–15 (V.4a.7b.12) denkbar ist, da er über den Rückbezug auf „meine Wolle und meinen Leinen“ aus V.7b in V.11bβ nicht nur den Ehemann/JHWH als den wahren Geber und Besitzer dieser Gaben in Gegenüberstellung zur Ehefrau und ihren Liebhabern präsentiert, sondern zugleich als Bestandteil der Grundschicht notwendig ist, um über die Ankündigung des Entzugs dieser Gaben (V.11bβ.γ) die Thematik der beschämenden Entkleidung in V.12 vorzubereiten. Zudem zeigt sich, dass die von Vielhauer unterschiedlichen redaktionellen Schichten zugezählten Verse durch aufeinander bezogene Bewegungsmuster miteinander kompositionell verbunden wurden und eine reziproke Dynamik zwischen den Aktionen der Ehefrau und den Reaktionen des Ehemannes formulieren.35 5.1.3 Die Narration der Aufhebung positiver Reziprozität in Hos 2,4–15 5.1.3.1 „Streit“ in Hos 2,4a Der Kompositionsabschnitt Hos 2,4–15 wird mit einem doppelten Imperativ in V.4 eingeleitet und findet seinen Abschluss in V.15 mit der Verwendung der Gottesspruchformel. Durch die Verwendung der Gottesspruchformel wird die deutlich abgegrenzte Kompositionseinheit zugleich als Gottesrede identifizierbar, deren Einheitlichkeit jedoch umstritten ist.36 Die Gottesspruchformel aus 32
Ebd. Vgl. aaO, 147f. 34 Vgl. aaO, 153. 35 Vgl. Abschnitt 5.1.3. 36 Vgl. Vielhauer, Werden, 151, der den „literarischen Kern von Hos 2,4–15 in den Versen 4a.7b.12“ vermutet. Nach Vielhauer propagiert diese 33
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V.15 ermöglicht es, den Ehemann mit JHWH zu identifizieren, der seine Kinder/Söhne37 mit einem doppelten Imperativ auffordert, mit ihrer Mutter zu streiten (vgl. ריבin V.4), der der Vorwurf der ehelichen Untreue durch Unzucht (vgl. V.7: Perf.) gemacht wird (vgl. V.4b.6–7a). Mit der doppelt ergehenden Aufforderung zu „streiten“ ( )ריבwerden dabei in V.4a sowohl die Eindringlichkeit der Aufforderung als auch die Wichtigkeit der von ihnen auszuführenden Tätigkeit betont. Aufgrund der Verwendung von ריבwird Hos 2,4–15 in der Forschung als „prophetischen Gerichtsrede“38 verstanden: „Hos 2,4ff. beginnt mit der Aufforderung an Israel, seine Mutter zu verklagen (rîḇ), ‚denn sie ist nicht meine Frau und ich bin nicht ihr Mann‘. Es folgt eine lange Anklagerede wegen Treulosigkeit“39. Auffällig ist jedoch das Fehlen von Gerichtsterminologie, so dass die in Hos 2,4 mit ריבbeschriebene Tätigkeit zwar „auf das Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzung“40 hinweisen kann und die „prophetische Botschaft in gerichtliche Terminologie gekleidet ist“41, inhaltlich jedoch eine Auseinandersetzung der „Kinder“ mit ihrer „Mutter“ Grundschicht „eine Scheidung der als Ehe gedachten Beziehung zwischen Land und Landesgott. JHWH wird so seiner geographischen Bindung enthoben“ (aaO, 227). V.4b.5.10a.11.15 hält er für eine Ergänzungsschicht (vgl. aaO, 153), mit der „erstmals deuteronomistische Theologie und Begriffsbildung Einzug in das Hoseabuch [hält]. Sie identifiziert die Ehefrau JHWHs aus der Grundschicht mit dem Volk Israel, indem sie Züge der Bildrede Ez 16 einträgt. Zugleich deutet sie die im überkommenen Material gerügte Hinwendung Israels zu anderen Größen als JHWH als Verstoß gegen den Alleinverehrungsanspruch JHWHs, als Bruch des ersten Gebotes, als Hurerei. Dieses Vergehen wird mit dem Entzug der Landesgaben geahndet. Auf einer theologischen und sprachlichen Linie mit dieser Schicht liegen einige Zusätze in Hos 4,1–9,9 (4,12b.16–19; 5,3–4; 6,10b; 7,4; 9,1– 2.5)“ (aaO, 227). Hos 2* setze dabei die Komposition Hos 4,1–9,9* voraus und blicke wie diese auf den Untergang des Nordreichs von 723/0 v. Chr. bereits zurück (vgl. aaO, 156). Nach Vielhauer besteht dabei „keine Notwendigkeit, die Grundschicht von Hos 2 zeitlich weit weg von Hos 4,1– 9,9 abzurücken. Beide Textkomplexe sind mit dem einen Problem befaßt, die Folgen der Eroberung des Nordreiches durch die Assyrer theologisch zu verarbeiten“ (ebd.). Während V.6–7a ein Zusatz sei, für den dieselbe Hand verantwortlich zeichne, auf die auch Hos 1 zurückzuführen sei (vgl. aaO, 138), sei V.8–9 ein Zusatz, „der das endgültige und totale Gericht V.11–15 als erzieherische Maßnahme und damit als Vorstufe auf dem Weg zum Heil verstanden sehen will“ (aaO, 148). Auch bei V.13 und V.14 liegen nach Vielhauer Zusätze vor, die beide auf Hos 9,1–6 verweisen (vgl. aaO, 151). 37 Vgl. Bons, Hosea, 38. 38 Vgl. Ringgren, Art. ריב, 499. 39 AaO, 500. 40 AaO, 497. 41 AaO, 500.
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verlangt wird, die (noch) nicht vor einem Gericht, sondern im privaten Rahmen zu verorten ist.42 In diesem Sinne wäre es präziser, von einer „Intervention“ zu sprechen,43 zu der die gemeinsamen Kinder im Rahmen der Narration durch ihren Vater aufgefordert werden (vgl. V.4).44 Auf der bildlichen Ebene liegt eine Streitsituation zwischen Eheleuten vor, die von den Kindern der Eheleute – auf Wunsch des Vaters – geschlichtet45 werden soll. Verlässt man die bildliche Ebene, so stellt sich die Frage, welche realen Größen vom Lesenden mit dem Ehemann, den Kindern und der Ehefrau/Mutter verbunden werden sollen. Da Hos 2,4ff als Gottesrede gestaltet ist,46 ist das sprechende Subjekt des Ehemannes mit JHWH zu identifizieren. Schwieriger als die Identifizierung des Ehemannes gestaltet sich dabei die Identifizierung der angesprochenen Gruppe (V.4) sowie der von Mutter und Söhnen (vgl. V.4.6). Es handelt sich bei Hos 2,4ff wohl um eine „lose Sammlung von Einzelsprüchen“47, so dass „Spannungen [verständlich] werden“48 und eine strikte Unterscheidung zwischen den Söhnen und der Mutter im vorliegenden Text nicht mehr intendiert zu sein scheint.49 Dies wird
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So auch Bons, Hosea, 39: „Es handelt sich also um keinen Prozeß, der auf einen Urteilsspruch abzielt, vielleicht auch gar nicht um einen öffentlichen Prozeß; denn von Richtern und Zeugen, von Rede und Gegenrede erfährt man nichts“. 43 Vgl. Wacker, Figurationen, 60, die sich für ein Verständnis des Streits als einer „Auseinandersetzung in der Familie“ ausspricht. 44 Eine ähnliche Sicht findet sich bereits bei Rudolph, Hosea, 60, der schreibt, dass „die Kinder aufgefordert werden, ihre Mutter wieder auf den rechten Weg zu bringen“; vgl. auch Jeremias, Hosea, 40. 45 Dass die Intention des Streitens/Anklagens der Kinder die Versöhnung der Eltern und nicht etwa die Verurteilung der Mutter durch den Vater ist, macht die Einleitung von V.5a mit der Partikel פןim Anschluss an V.4b deutlich. Die Partikel kennzeichnet V.5 als die Ankündigung einer vom „Ehemann“ ausgehenden Reaktion, welche die Ehefrau nur dann trifft, wenn sie der Aufforderung aus V.4b nicht nachkommt. Indem das in V.4b geforderte Verhalten (Ablegen [ סורHif.] des Schmuckes) als Bedingung für das Ausbleiben der in V.5a geschilderten Folge im Falle des Nicht-Ablegens des Schmuckes formuliert ist, wird zugleich deutlich, dass die in V.5a geschilderte Folge aus der Sicht des Vaters abwendbar ist. 46 Mit Vielhauer, Werden, 131; anders Bons, Hosea, 39. 47 Wolff, Hosea, 38. 48 Ebd. 49 Entgegen Forschungspositionen, die versuchen, Söhne und Mutter verschiedenen Gruppen in Israel zu zuordnen (vgl. Rudolph, Hosea, 66), wird in der gegenwärtigen Forschung mehrheitlich die Sicht vertreten, dass sowohl die Söhne als auch die Mutter für Israel stehen (vgl. Jeremias, Hosea, 41; Vielhauer, Hoseastudien, 146; Bons, Hosea), welches zur
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insbesondere im Rahmen der Fortführung der Argumentation in V.6 deutlich, in dem die Söhne, die von V.4 her noch als der Mutter Einsicht vermittelnde Mediatoren agieren sollten, ebenfalls unter das Urteil der Unzucht gestellt werden und deren Wahrnehmung im Text ebenfalls changiert.50 Hos 2,4–7a greift dabei auf den in Hos 4,1–9 geschilderten Streit JHWHs mit den Landesbewohnern (vgl. Hos 4,1: ריב ליהוה עם־יוׁשבי )הארץzurück und gestaltet diesen nun narrativ aus. Dabei ist es in Hos 4,1–9 JHWH selbst, der einen Streit mit den Landesbewohnern führt (vgl. Hos 4,1: )ריב ליהוה עם־יוׁשבי הארץ, in der zunächst die Mitleidenschaft des Landes geschildert wird (vgl. Hos 4,3), bevor JHWH – im Rahmen eines Drei-Generationen-Schemas51 – den Streit gegen den Priester (vgl. Hos 4,4a), seine Mutter (vgl. Hos 4,5b: „ ;ודמיתי אמךund ich richte deine Mutter zugrunde“) und seine Söhne (vgl. Hos 4,6b: „ ;ותׁשכח תורת אלהיך אׁשכח בניך גם־אניund weil du vergessen hast die Weisung deines Gottes, vergesse ich deine Söhne, auch ich!“) eröffnet. Hos 4,1–9 kann als literarische Vorlage für die zwischen Land (vgl. die eine Verwandlung in eine Wüste ausdrückenden Vergleiche in Hos 2,5 und den Entzug von Fruchtbarkeit in V.14) und Volk (vgl. V.10b) changierende Mutterrolle in Hos 2,4–15 gedient haben.52 Wertet man das Changieren zwischen der Landes- und der Volksperspektive in Hos 2,4–15 literarkritisch aus, so kann im Anschluss an Vielhauer eine Grundschicht in Hos 2,4a.7b.12 von einer Ergänzungsschicht in Hos 2,4b.5.10a.11.15 unterschieden werden, die durch spätere Zusätze ergänzt wurde (V.6–7a; 8f; 10b; 13f). Während dabei im Rahmen der Grundschicht „eine Scheidung der als Ehe gedachten Beziehung zwischen Land und Landesgott“53 propagiert wird, wird erst in der deuteronomistisch geprägten Ergänzungsschicht eine Identifizierung der Ehefrau mit dem Volk Israel vorgenommen.54 Einsicht (vgl. in V.10a.22b) und zur Änderung des eigenen, gegen JHWH gerichteten Verhaltens motiviert werden soll (vgl. V.9). 50 Vgl. Aufgrund der terminologischen Nähe (הרה, זנונים, )רחםvermutet Vielhauer daher eine gemeinsame Herkunft von Hos 2,6–7a und Hos 1 (vgl. Vielhauer, Werden, 147). 51 Vgl. Bons, Hosea, 72. 52 Vgl. Abschnitt 5.1.3.2; nach Nogalski, Hosea, 75 liegt wie in Hos 2 mit der Erwähnung der Mutter eine Metapher für das Land vor: „This image of the failure of Israel´s religious leaders also leads YHWH to announce the land`s destruction using the ‚mother‘ metaphor of Hosea 2: ‚And I will destroy your mother‘“. Während Hos 2,3–25 jedoch grundsätzlich von einer Ehe(bruch)-Metaphorik geprägt ist, liegt in Hos 4 kein metaphorischer Sprachgebrauch vor. 53 Vielhauer, Werden, 227. 54 Vgl. ebd.
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Wie in Hos 4,1 zwischen den im Höraufruf angesprochenen Israeliten („ ;בני יׂשראלSöhnen Israels“) und den Landesbewohnern (;יוׁשבי הארץ „Bewohnern des Landes“) differenziert wird, wird auch im Rahmen von Hos 2,4–6 zwischen einer anklagenden Gruppe (vgl. Hos 2,4) und der schuldig gewordenen Mutter und ihren Söhnen differenziert. Mit Hilfe dieses literarischen Stilmittels wird den Lesenden die Möglichkeit gegeben, sich mit dem Volk JHWHs identifizieren zu können, ohne sich zugleich mit der vor ihrem Ehemann JHWH schuldig gewordenen Mutter und ihren Söhnen (vgl. Hos 2,6) identifizieren zu müssen.55 Der sich an die Aufforderung zur Auseinandersetzung mit ihrer Mutter anschließende begründende כי-Satz von V.4a scheint dabei zu implizieren, dass den gemeinsamen Kindern aufgrund der ihrerseits noch bestehenden Beziehung zu ihrer Mutter ein größerer Einfluss auf diese zugetraut wird, als der Ehemann sich selbst noch zugesteht. Die Distanzierung von seiner Ehefrau wird dabei auch an der Bezeichnung der Frau als „eure Mutter“ (vgl. V.4a: )אמכם ersichtlich, in der sich nur noch die Beziehung der Frau zu den Kindern in ihrer Funktion als Mutter wiederspiegelt. Mit größter Deutlichkeit zeigt sich die Distanzierung des Ehemannes in der im כיSatz von V.4a gebotenen Begründung für die Intervention כי־היא לא „( אׁשתי ואנכי לא איׁשהdenn sie ist nicht meine Frau und ich bin nicht ihr Mann“),56 die der Intervention jegliche Hoffnungsperspektive von vornherein zu nehmen scheint. Die Distanzierung des Ehemannes von seiner Ehefrau wird dabei nicht nur durch die betonte Verwendung der Pronomen deutlich (vgl. 4aα: היא, „sie“; V.4aβ: אנכי, „ich“), sondern insbesondere durch die Negation des Beziehungsstatus als Eheleute, die in der Aufhebung des Ehestatus zum Ausdruck kommt (vgl. V.4a).57 Diese – textintern gegenüber den Söhnen „laut“ ausgesprochene – Aufhebung der Ehe verleiht dabei einer inneren Abkehr des Ehemannes von seiner Ehefrau Ausdruck, die äußerlich bereits darin Gestalt gewinnt, dass das Gespräch mit der Ehefrau nicht mehr selbst gesucht wird,58 55
So auch Vielhauer, Werden, 146: „Hier wird Israel offensichtlich zur Auseinandersetzung mit sich selbst aufgefordert. Dieses Stilmittel dient dazu, Israel die (fiktive) Möglichkeit einzuräumen, sich aus eigener Einsicht von ihren [sic] ehebrecherischen Buhlen ab- und dem rechtmäßigen Ehemann JHWH wieder zuzuwenden“. 56 Vgl. die ähnlich distanzierte Redeweise in V.6b. 57 Für die Deutung von V.4 als Ehescheidungsformel plädiert u. a. Wolff, Hosea, 39; für die Deutung als negierte Eheschließungsformel u. a. Jeremias, Hosea, 41. 58 Dies gilt für die gesamte Narration, in der die Frau nur durch „Zitate“, die ihr vom Ehemann in den Mund gelegt werden, selbst zu Wort kommt (vgl. Bons, Hosea, 43).
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sondern die Kinder in der Rolle von „Mediatoren“ zwischen Ehemann und Ehefrau treten sollen. Über diese Mediatoren soll der Frau auch ausgerichtet werden, dass sie die Merkmale ihrer Unzucht ( )זנוניםund ihres Ehebruchs ()נאפופים, die beide an ihrem Körper lokalisiert werden und bei denen es sich wohl um Kultschmuck handelt (vgl. Hos 2,15a),59 entfernen soll (V.4b). Mit V.4b wird das Thema der Unzucht ( )זנוניםund des Ehebruchs ( )נאפופיםin den Text eingeführt und implizit die Abwendung des Ehemannes von seiner Frau als Reaktion dargestellt und begründet. In dieser Parallelität begegneten die Begriffe „Unzucht“ und „Ehebruch“ dabei bereits in Hos 4,13f. Dort wird den Frauen Israels seitens der Tradenten der Vorwurf gemacht, dass sie im Rahmen kultischer Sexualriten die eigene Fruchtbarkeit losgelöst von JHWH sicherstellen wollen. Dieses Verhalten wird im Rahmen der Komposition Hos 4,1–19 auf das priesterliche Verwerfen der Erkenntnis und das Vergessen der Weisung JHWHs (vgl. Hos 2,15) zurückgeführt und erweist sich auch in Hos 2,4b als Ausdruck des Abbruchs einer Beziehung, die in Hos 2,4–15 als Ehe imaginiert wird. Die im Rahmen der Verwendung der Ehescheidungsformel in V.4 sicher erscheinende Abwendung des Ehemannes von seiner Ehefrau als Reaktion auf ihre Untreue (vgl. V.4.7) wird jedoch im Rahmen von V.4f relativiert, da das Entfernen der Unzuchts- und Ehebruchszeichen von V.5 her als Bedingung ( )פןfür eine (Möglichkeit der) Wiederherstellung der Beziehung erkennbar wird. Dabei stellen V.5.6a.8.11.13–15 denkbare Reaktionsmöglichkeiten JHWHs/des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau in der Zukunft dar. Wenn man so möchte, spielt dieser in Gedanken bzw. vor einem (imaginierten) Publikum bzw. der Leserschaft mögliche Reaktionen auf das Verhalten Israels/der Ehefrau durch,60 setzt sich dabei aber zugleich mit der Untreue seiner Ehefrau auseinander, die er verhindern möchte (vgl. 8a), letztendlich aber nicht verhindern kann (vgl. V.10a.11a.15b). Zwischenergebnis Hos 2,4 übernimmt aus der älteren Kompositionseinleitung Hos 4,1– 9 das Streit-Setting zwischen JHWH und den Landesbewohnern und macht es zur kompositionsverbindenden Leseanleitung für das wachsende Hoseabuch. Anders als in der älteren Kompositionseinheit 59
Vgl. Jeremias, Hosea, 41, für den die Aussage von V.4b auf Amulette hindeutet, welche „die Wirkung des Kultfestes für den Alltag sichern sollten“. 60 So auch Kelle, Hosea 2, 233, der bezüglich V.5–6.8–9.11–15 von „potential reaction[s]“ spricht.
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Hos 4–9 schildert Hos 2,4 den Untergang des Nordreichs im Rahmen einer Narration als eine Ehescheidung zwischen einem Ehemann und einer Ehefrau, bei der die Wahrnehmung als Land Israel und Volk Israel changieren.61 Die in Hos 4–9 unter dem Stichwort „Unzucht“/„Unzucht treiben“/„Unzuchtsgeist“ (vgl. Hos 4,11–19; 5,3f; 6,10; 9,2) und dem Stichwort des Ehebruchs (vgl. Hos 7,4) subsumierten kultischen und politischen Vergehen des Staates Israel, die auch das Land in Mitleidenschaft gezogen haben (vgl. Hos 4,3) und schließlich in der Ankündigung der Revozierung der Landesgabe(n) durch JHWH resultieren (vgl. Hos 9,2f), werden im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 als eheliche Unzucht (vgl. Hos 2,4b.6–7a) dargestellt, die den von der Ehefrau ausgehenden Beziehungsabbruch gegenüber ihrem Ehemann zum Ausdruck bringt und dabei – wie bereits in Hos 4,11–19 – kultisch verortet wird (vgl. Hos 2,4b)62. Die aus Hos 4,1 übernommene Kategorie des Streits ( )ריבbringt daher nicht nur auch in der Narration den bestehenden Konflikt zwischen Landes- und Staatsgott JHWH und seinem Volk zum Ausdruck, der in einer Rechenschaft einfordernden Konfrontation endet (vgl. Hos 2,15a), sondern stellt zugleich eine Reaktion auf das als Untreue beschriebene Verhalten seines – als Ehefrau imaginierten – Volkes dar. Der in Hos 9,1–6 angekündigte Entzug der Landesgüter und des Landes, der bereits im Rahmen von Hos 9,11–17 (insbesondere V.15) durchlässig für die Trennung eines Ehemannes von seiner Ehefrau aufgrund von deren Unzucht (vgl. Hos 9,1) wurde, findet seine narrative Ausgestaltung in der in Hos 2,4 bereits vorweggenommenen Erwiderung des Beziehungsabbruchs durch die Ehefrau im Rahmen der Verwendung der Ehescheidungsformel bzw. negierten Verwendung der Eheschließungsformel durch den Ehemann. 5.1.3.2 „Unzucht (treiben)“ in Hos 2,4b–7a Im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 wird die in der Komposition Hos 4–9 dem Volk Israel (vgl. Hos 4,15; 5,3f; 6,10b) und einzelnen Gruppen im Volk Israel (vgl. Hos 4,13f; vgl. 7,4: „Ehebrecher“) vorgeworfene kultische „Unzucht“ als eheliche Unzucht der Ehefrau präsentiert. Der Vorwurf von Unzucht begegnet 61
Vgl. Abschnitt 5.1.3.2. Vgl. Jeremias, Hosea, 41, für den die Aussage von V.4b auf Amulette hindeutet, welche „die Wirkung des Kultfestes für den Alltag sichern sollten“. 62
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in V.4b.6–7a.63 In Hos 2,4 soll die Ehefrau von den gemeinsamen Kindern aufgefordert werden, Amulette abzulegen,64 die als Stirnband aus ihrem Gesicht ( )מפניהund als Kette zwischen ihren Brüsten ( )מבין ׁשדיהentfernt werden sollen. Indem diese Amulette jedoch nicht als solche, sondern als „ihre Unzucht“ (זנונים, Pl.) und „ihr Ehebruch“ (נאפופים, Pl.) bezeichnet werden, werden sie von den Tradenten als Zeichen ihrer Untreue gegen ihren Ehemann gedeutet und textintern mit der kultischen Begehung der „Tage der Baale“ (vgl. Hos 2,15) in Verbindung gebracht. Kontextuell wird durch die parallele Formulierung „Ihre Unzucht(szeichen) (…) und ihre Ehebruch(szeichen)“ eine Verbindung zu der Ausübung kultischer Sexualriten hergestellt, die in Hos 4,13f geschildert werden, denn nur in Hos 4,13f wird die Ausübung dieser kultischen Sexualriten der als Töchter und Schwiegertöchter/Verlobte vorgestellten Frauen Israels als „Unzucht treiben“ ( )זנהund „Ehebruch begehen“ ( )נאףebenfalls im Rahmen eines parallel strukturierten Vorwurfs formuliert. Dieses Verhalten wird dabei zugleich als Abwendung von JHWH gedeutet, die eine überprüfende ( )פקדKonfrontation durch JHWH nach sich ziehen würde, wenn nicht den Männern die Verantwortung für dieses Verhalten der ihnen anvertrauten Frauen gegeben würde (vgl. Hos 4,14). Kontextuell wird dieses kultische Verhalten der weiblichen und männlichen Bevölkerung Israels auf das priesterliche Verwerfen der Erkenntnis und das Vergessen der Weisung JHWHs zurückgeführt (vgl. Hos 4,6) und eine abgestufte Verantwortlichkeit für die Abwendung Israels von JHWH postuliert, die von der Priesterschaft als der für die richtige Ausübung des Kultes verantwortlichen Gruppe bis zu den unmündigen Frauen führt.65 Während die Priester und Männer für ihre Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. in Hos 4,9b), entgehen die unmündigen Frauen einer solchen Rechenschaftseinforderung durch JHWH (vgl. Hos 4,14). Wie dabei bereits in Hos 4,12b zu beobachten war, handelt es sich bei der begrifflichen Definition des Kultes als verbal bzw. nominal gefasste „Unzucht“ (vgl. Hos 2,4b.6b.7a) um ein theologisches 63
Vielhauer, Werden, 227 rechnet V.4b zu einer deuteronomistisch geprägten Ergänzungsschicht (V.4b–5.10a.11.15), welche „die Ehefrau JHWHs aus der Grundschicht mit dem Volk Israel [identifiziert], indem sie Züge der Bildrede Ez 16 einträgt“ (ebd.). Hos 2,6–7a sei hingegen als Zusatz zu betrachten, für den dieselbe Hand verantwortlich zeichne, auf die auch Hos 1 zurückzuführen sei (vgl. aaO, 138). 64 Vgl. Jeremias, Hosea, 41, für den die Aussage von V.4b auf Amulette hindeutet, welche „die Wirkung des Kultfestes für den Alltag sichern sollten“. 65 Vgl. die Abschnitt 4.1.3.4 und 4.1.3.5.
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Interpretament, mit dessen Hilfe eine bestimmte Kultausübung nicht mehr länger als Ausdruck eines „rite“ durchgeführten JHWH-Kultes angesehen, sondern als Ausdruck eines von JHWH losgelösten Kultes dargestellt wird, der als nur noch an der eigenen Sicherstellung von Fleischverzehr (vgl. Hos 8,11ff; 4,6ff), Versorgung (vgl. Hos 9,1ff) und Fruchtbarkeit (vgl. Hos 4,11–14) interessiert diskreditiert wird. Auf den Hintergrund von Hos 4,11–14 erweisen sich die Amulette der Ehefrau deswegen als Zeichen ehelicher Untreue. Wie die einleitende Formulierung von Hos 2,5 (פן, „sonst“) zeigt, würde die Ehefrau wie die in Hos 4,13f geschilderten Frauen einer Rechenschaftsforderung durch ihren Ehemann entgehen, wenn sie die in V.4b formulierte Bedingung erfüllt und die Amulette ablegt.66 Sie würde auf diese Weise ihrem Willen Ausdruck verleihen, an der von den Tradenten in Hos 4,11–14 visualisierten Art der Kultausübung zukünftig nicht mehr zu partizipieren. Da jedoch kontextuell der von V.5 angedrohte Entzug von ehelicher Versorgung bei Nichterfüllung der Bedingung aus V.4b in V.11–15 realisiert wird (vgl. V.12a: עתה, „jetzt“), ist dieser Wille bei der Ehefrau nicht vorhanden gewesen, wie auch V.10 mit der Feststellung verdeutlicht, dass sie den wahren Geber ihren Gaben nicht erkannt hat (vgl. )והיא לא ידעה. Kontextuell erscheint V.4 im Rahmen der Narration nicht nur als unerfüllt bleibende Bedingung zur Abwendung einer Reaktion des Ehemanns, sondern zugleich als Festhalten an einem von der Ehefrau initiierten Beziehungsabbruches gegenüber ihrem Ehemann, der die in V.5–15 geschilderten Entzugshandlungen nach sich zieht. Dabei handelt es sich um zukünftige Reaktionen, die der Ehemann im Rahmen der Narration in Gedanken bzw. vor einem (imaginierten) Publikum bzw. der Leserschaft durchzuspielen scheint.67 Wie bereits V.4 ist auch V.5 im Imperfekt formuliert und stellt für den Fall des Ausbleibens des in V.4b geforderten Verhaltens eine zukünftige negative Konsequenz in Aussicht, die, von dem Ehemann ausgehend, die Ehefrau treffen würde. Die Reziprozität zwischen dem von der Ehefrau geforderten und dem vom Ehemann angekündigten Verhalten zeigt sich dabei bei einem Vergleich der einmal mit סורHif. („weg/ablegen“) und einmal mit פׁשטHif. („ausziehen“) beschriebenen Tätigkeiten: Verweigert die Frau das freiwillige Ablegen des fremden Schmuckes, so wird vom Mann her 66
Hier zeigt sich zugleich eine inhaltliche Verschiebung der Argumentationsstruktur von Hos 2,4–15 gegenüber Hos 4,11–14, denn nach Hos 4,11–14 käme dem Ehemann die Verantwortung für das Verhalten seiner Ehefrau zu (vgl. Hos 4,14). 67 So auch Kelle, Hosea 2, 233, der bezüglich V.5–6.8–9.11–15 von „potential reaction[s]“ spricht.
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ein den Willen der Frau unberücksichtigt lassender Entzug der von ihm der Ehefrau zur Verfügung gestellten Bekleidung angedroht, der als eine vom Mann selbst durchgeführte vollständige Entkleidung68 der Frau angekündigt wird (V.5a: אפׁשיטנה ערמה, „ich werde sie nackt ausziehen“). Die Frau wird nicht gegen ihren Willen zur Umkehr zu ihrem Mann genötigt, sie wird jedoch durch den Entzug seiner Gaben mit den Folgen ihrer Entscheidung gegen eine Umkehr zu ihm konfrontiert.69 Das patriarchal geprägte und für heutige Leser/innen verstörend wirkende Vorgehen des Mannes dient somit nicht in erster Linie der Beschämung der Frau,70 sondern der Veranschaulichung der reziproken Beziehungsdynamik. Dass dabei ausgerechnet die Ehe zwischen Mann und Frau als bildhafte Veranschaulichung für die reziproke Beziehung zwischen JHWH und seinem Volk gewählt wurde, gibt einen tiefen Einblick in die Theologie des Hoseabuches. Der „Streit“ zwischen JHWH und Israel wird dabei gerade nicht in juridisch-juristischen Bildern und ebensolcher Terminologie beschrieben, sondern anhand des Bildes einer aufgrund der Untreue der Frau zerrütteten Ehe als der personalen Beziehung zwischen Mann und Frau schlechthin. Die Ehe ist dabei im Normalfall von positiver Reziprozität im Sinne gegenseitiger und wechselseitig aufeinander bezogener „Zuwendungsgeschehen“ geprägt. Diese wechselseitig aufeinander bezogenen Abwendungsund Zuwendungsgeschehen (vgl. Hos 2,10aβ.b!) als zutiefst personal verfasste reziproke Interaktionen zwischen Eheleuten in der Narration von Hos 2,4–15 dienen jetzt als Leseanleitung für die gesamte Komposition Hos 4–9.71 Dem entspricht es, dass das aktive Abwendungsgeschehen der Ehefrau von ihrem Ehemann, das in dem Tragen fremden Schmuckes Gestalt gewinnt (V.4b), den Entzug positiver Zuwendung in Form von Versorgung durch den Ehemann nach sich zieht.72 Der Entzug 68
Die Reziprozität beider Tätigkeiten wird dabei auch durch die Gegenüberstellung von fremdem Schmuck und der vom Ehemann zur Verfügung gestellten Bekleidung der Ehefrau (vgl. V.11b) betont. 69 Bezüglich des implizierten Eheverständnisses vgl. u. a. die Veröffentlichung von Haddox, Metaphor. 70 Die Herbeiführung von Nacktheit zur Beschämung kann dabei als Indiz für die frühe Abfassung des Hoseabuches betrachtet werden, vgl. zum Thema: Dietrich, Ehre; Podella, Lichtkleid. 71 Vgl. das vergleichbare Bild der personalen Beziehung zwischen Vater/Mund und Kind (Hos 11,1). 72 Die Bezeichnung als „Strafe“ bzw. „Strafankündigung“ (so u. a. Rudolph, Hosea, 66; Jeremias, Hosea, 41; Kelle, Hosea 2, 239) für die in V.5 angekündigte Reaktion JHWHs/des Ehemannes ist daher unzutreffend, vgl. Wolff, Hosea, 40: „Es ist aber bezeichnend, daß Hosea nicht von Feuertod
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wird in den Bildern der Herbeiführung von vollständiger Nacktheit (V.5a: אפׁשיטנה ערמה, „ich ziehe sie nackt aus“) und den Vergleichen mit Orten vollständiger Trockenheit (V.5b: כמדבר, „wie die Wüste“; כארץ ציה, „wie trockenes Land“) ausgedrückt,73 die durchlässig sind für eine Deutung der Ehefrau als Land Israel (vgl. Hos 4,3).74 Ohne das positive Zuwendungsgeschehen der Versorgung durch den Ehemann findet sich die Frau dann zwar mit fremden Schmuck bekleidet, aber ansonsten nackt, hilflos und „auf dem Trockenen sitzend“ wieder. JHWH als Landesherr entzieht seinem Land seine Versorgung und Fruchtbarkeit, welche die Bewohner des Landes in einem von JHWH gelösten Kult gesucht haben.75 Dabei ist Vielhauer zuzustimmen, nach dem „durch die Vorschaltung der Grundschicht von Hos 2 das Gerichtswirken JHWHs auf das Land ausgedehnt [wird]. In Hos 4,1–9,9 gilt JHWHs Rechtsstreit allein den Landesbewohnern (4,1). Ihnen wird die Vertreibung angedroht, das Land bleibt JHWHs Eigentum (9,3). Hos 2* propagiert dagegen die Trennung zwischen Land und Landesgott (2,4a). JHWH gibt sein Land der Schändung preis (2,12), nachdem es mit anderen Göttern die Ehe gebrochen hat (2,7b)“76. Entsprechend der Vollständigkeit dieser Abwendung der Ehefrau von ihrem Ehemann zeigt sich die Vollständigkeit seines Entzugs von Zuwendung in der die Perf. cons.-Reihe abschließenden Aussage des Verdurstenlassens der Ehefrau. Obwohl die Liebhaber der Ehefrau erst ab V.7b thematisiert werden, zeigt sich doch bereits in V.5b, dass das Schicksal der Ehefrau nicht von diesen beeinflusst wird, sondern alleine von dem Ehemann (vgl. V.12).77 Der absolute Entzug und Steinigung, den üblichen Strafen für Ehebruch […] redet. Der Gedanke an die Scheidung Israels von Jahwe und ihre Folgen bleibt herrschend“. 73 In diesem Sinne zeigt sich hier eine Form von negativer Reziprozität: Entsprechend der Abwendung Israels/der Ehefrau vollzieht sich die (reziproke) Abwendung JHWHs/des Ehemannes von Israel/der Ehefrau im Rahmen negativer Zuwendungsgeschehen, die sich für Israel/die Ehefrau als Entzug aller Versorgung darstellen; vgl. zudem die Vorstellung JHWHs als Landesherrn, die sich in V.5b negativ durch den Entzug von Wasser und in V.25 positiv durch das Bild des Säemannes, der Israel selbst neu im Land ein- bzw. aussät, zeigt und dabei statt des Fruchtbarkeit schenkenden Regens Israel selbst als Frucht des Landes zeichnet. 74 So bereits Vielhauer, Werden, 153. 75 Vgl. Wacker, Figurationen, 62f. 76 Vielhauer, Werden, 155. 77 Es erscheint daher zumindest fragwürdig, dass Vielhauer V.12 der Grundschicht (V.4a.7b.12) zurechnet (vgl. Werden, 227), aber erst für die Ergänzungsschicht (V.4b–5.10a.11.15) davon ausgeht, dass diese „die im überkommenen Material gerügte Hinwendung Israels zu anderen Größen als JHWH als Verstoß gegen den Alleinverehrungsanspruch JHWHs, als Bruch des ersten Gebots, als Hurerei [interpretiert]“. Meines Erachtens liegt ein
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herzlicher Zugewandtheit in Form von Versorgung, den V.5 in Vergleichen schildert, wird dabei in V.6 begrifflich gefasst und mit der Negation von רחםPi. („sich erbarmen, Mitleid haben“) bezeichnet. In V.6, dem zweiten Vers in Hos 2,4–15, der der Unzuchtsthematik gewidmet ist, wird ein Perspektivwechsel vollzogen,78 der die gemeinsamen Söhne in den Blick nimmt und dabei eine narrative Neuinterpretation von Hos 5,7 darstellt. Während Hos 2,4f an die gemeinsamen Kinder gerichtet sind, kann gleiches nicht mehr von V.6 gelten. Dieser Vers ist nicht mehr an die Söhne aus V.4a gerichtet, sondern kündigt als Rede des Ehemannes über die Söhne deren reziproke Behandlung durch ihn an. Anders als in V.4a, in dem der Ehemann die Söhne auffordert, eine Auseinandersetzung mit ihrer Mutter zu suchen und die Söhne auf der Seite des Ehemannes als der „schuldlosen“ Partei verortet werden, werden die Söhne in V.6 auf der Seite der „unzüchtigen“ Ehefrau verortet. Dabei wird wie in V.4a der Distanzierung des Ehemannes von ihnen über die Verwendung entsprechender Suffixe bei der Bezeichnung der Objekte Ausdruck verliehen: Ist dabei in V.4a von „( אמכםeurer Mutter“) die Rede, mit der die Kinder „streiten“ sollen, sind es in V.6a „( בניהihre Söhne“), denen vom Ehemann her ebenfalls kein Erbarmen zuteilwird. Indem die Söhne dabei bereits durch das Suffix auf der Seite der untreuen (V.4b) Mutter verortet werden, macht die Ankündigung der Verweigerung von Erbarmen ihnen gegenüber auch dieselbe Haltung des Ehemannes ihnen gegenüber deutlich. Die Begründung für das Ausbleiben positiver Reziprozität erfolgt im Rahmen des כי-Satzes von V.6b. Im Rahmen der Bezeichnung als „( בני זנוניםSöhne der Unzucht“) wird durch die Verwendung des Stichworts „Unzucht“ ( )זנוניםeine Verbindung zu V.4b hergestellt und der Unzucht eine kultische Dimension verliehen.79 Der Begründung von V.6b wird Alleinverehrungsanspruch bereits in der Aussage von V.12 vor. Zudem erscheint eine Fortführung von V.7b mit V.12 wenig nachvollziehbar; zwar thematisieren beide Verse die Liebhaber, das Thema der Entblößung (V.12) ist jedoch ohne V.11 textintern nicht vorbereitet, wenn man die Grundschicht mit V.4a.7b.12 ansetzt. Zur Grundschicht müsste daher zumindest V.11aα.b gezählt haben (V.4a.7b.11aα.b.12). 78 Diesen Perspektivwechsel wertet u. a. Vielhauer, Werden, 147 aufgrund der „Spannung zu V.4a“ (ebd.) redaktionskritisch aus und betrachtet daher V.6–7a als einen Zusatz, der „möglicherweise von eben dem Autor [stammt], der auch für Hos 1 verantwortlich zeichnet“. 79 Diese Deutung legt sich zumindest nahe, wenn man V.4b im Licht von V.15a interpretiert. Ohne diesen Bezug auf V.15a erscheint es zumindest theoretisch möglich, dass es sich bei dem Schmuck, auf den in V.4b angespielt wird, um Geschenke eines fremden Mannes/fremder Männer
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dabei durch die Verwendung des Pronomens „( המהsie“) besonderer Nachdruck verliehen. Den Söhnen wird unterstellt, dem im Rahmen der kultischen Sexualriten vollzogenen außerehelichen Geschlechtsverkehr der Mutter zu entspringen. Sie werden daher als illegitime Kinder betrachtet („Söhne der Unzucht“) und vom Ehemann nicht als eigene Kinder anerkannt.80 Der Vorwurf der Illegitimität des Nachwuchses wurde bereits im Buchkern (Hos 5,7) getätigt. Auch dort wurde die Zeugung fremder ( )זריםSöhne im Kult nicht als Zeichen einer vom Staats- und Landesgott JHWH gewährten Fruchtbarkeit, sondern als Ausdruck der Untreue gegen JHWH gewertet (vgl. in Hos 5,7aα). Die in Hos 5,7b angekündigte Folge dieser Untreue, dass der Neumond als Repräsentant der Festtage Israels diese fremden Söhne verzehren/essen ( )אכלwird, findet in Hos 2,6a ihr Pendant in der personal verfassten Reaktion des Ehemannes, der sich dieser Söhne „nicht erbarmen“ ( )לא רחםwird. Hier wird anders als in Hos 5,7 nicht nur JHWHs Rückzug vom israelitischen Kult, sondern der Abbruch der personal verfassten Beziehung zwischen dem Ehemann und „seiner“ Familie angekündigt. Der Vers wird dabei mit einem weiteren כי-Satz eröffnet, der im Rahmen eines Perspektivwechsels erneut die Mutter und ihr Verhalten in der Vergangenheit (vgl. die Perfektform זנתהin V.7aα) in den Fokus der Auseinandersetzung des Ehemannes stellt. Als müsste die Bezeichnung der Söhne als בני זנונים („Söhne der Unzucht“) aus V.6b hergeleitet werden, wird auf das Verhalten der Mutter in der Vergangenheit rekurriert und auf diese Weise einerseits die Bezeichnung der Söhne, andererseits aber auch das fehlende Erbarmen des Ehemannes ihnen gegenüber hergeleitet. V.6b und V.7aα bilden dabei einen Chiasmus, in dessen Rahmen die Schicksalsgemeinschaft von Mutter und Söhnen reziprok auf die Unzuchtsthematik zurückgeführt wird: 6b 7aα
(זנונים )המה
כי־בני
אמם
כי זנתה
handelt, welche die Frau offen zur Schau trägt. In diesem Fall würde V.4b auf der Bildebene keine kultische Untreue, sondern eheliche Untreue ausdrücken. 80 Anders Vielhauer, Werden, 147: „Die Söhne erben die Schuld ihrer Mutter, sind also von Geburt an Hurensöhne“. Dass die Söhne im Rahmen der Narration Hos 2,4–15 vom Ehemann als illegitime Kinder betrachtet werden („Söhne der Unzucht“), wird kontextuell auf die Partizipation der Ehefrau an kultischen Sexualriten (vgl. Hos 2,4b.7b.15; 4,13f), nicht jedoch auf eine „Erbschuld“ zurückgeführt.
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Obwohl das Stichwort „Unzucht“ bereits in V.4b.6b.7aα verwendet wurde und in V.7aβ im Rahmen eines synonymen Parallelismus mit der Aussage „( הביׁשה הורתםSchande hat auf sich gezogen, die sie empfing“) verbunden wird, ist bis zu diesem Punkt im Text noch nicht thematisiert worden, welche Verhaltensweisen der Ehefrau konkret mit diesem Stichwort bezeichnet werden.81 Diese Leerstelle wird zunächst von V.7b gefüllt. Bei V.7b handelt es sich, wie auch bei V.14a.18, um Aussagen, die der Ehemann als Aussagen „zitiert“, die die Ehefrau gemacht haben soll (V.7b.14a.18b) bzw. die für die Zukunft antizipiert werden (V.18a).82 Unter Aufnahme des Stichwortes „( אמרsagen“)83 schließt sich in V.7b die Wiedergabe einer Willensbekundung der Ehefrau an. Obwohl Hos 2 keinen Dialog der Eheleute schildert, entsteht durch diese „Zitate“ der Aussagen der Ehefrau durch den Ehemann eine „dialogische“ Struktur, in deren Rahmen die Reziprozität der Aktionen der Ehefrau und der Reaktionen des Ehemannes dem (imaginierten?) Publikum bzw. den angesprochenen Söhnen (vgl. Hos 2,4) aufgezeigt wird. So wird in V.7b zunächst aus der Sicht der Ehefrau ihre Willensbekundung zu einem bestimmten Handeln vom Ehemann wiedergegeben, das mit der imperfektischen Aussage אלכה אחרי („Ich will nachgehen, hinterhergehen, nachfolgen“) beschrieben wird. Diese Formulierung, die sich auch in Hos 5,11b (jedoch mit dem nicht näher kultisch oder politisch verortbaren Objekt )צוfindet,84 deutet eine kultische Dimension der Untreue an, da הלך אחריnicht nur ein „Nachgehen“, sondern auch die „Nachfolge“ im Rahmen einer kultischen Prozession beschreiben kann. Das Objekt, dem die Ehefrau nachfolgen möchte, wird mit dem Partizip „( מאהביmeine Liebhaber“ bzw. „die, die ich liebe“) bezeichnet. Mit der Formulierung אלכה אחרי מאהביwird die Untreue der Ehefrau im Rahmen der Narration als eine bewusste Entscheidung zur Hinwendung zu „Liebhabern“ beschrieben, die damit zugleich eine bewusste Entscheidung zur Abkehr von ihrem Ehemann impliziert.
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Auch der synthetische Parallelismus von V.7aβ gibt darüber keinen Aufschluss. 82 Bons, Hosea, 37 hat dabei feinfühlig auf den Sachverhalt hingewiesen, dass es sich dabei um Aussagen handelt, „die der Mann ihr in den Mund legt. Als selbständige Gesprächspartnerin, die ihren eigenen Standpunkt vertritt, kommt die Frau nicht zu Wort“. Nicht zuletzt angesichts dieser „Zitate“ wird dabei deutlich, dass Hos 1 und 2 „aus der Perspektive des Mannes geschrieben [sind]“ (ebd.). 83 Vgl. V.1bα.bβ.3a.7b.9b.14a.25bα.bβ. 84 Vgl. Textkritik zu Hos 5.
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Auffällig ist dabei die Verwendung des Plurals „( מאהביmeine Liebhaber bzw. „die, die ich liebe“). Durch diese pluralische Formulierung wird in V.7b bereits angedeutet, dass die Untreue keinen einmaligen „Fehltritt“ bezeichnet, sondern einen grundsätzlichen Habitus, wie dies bereits durch die Pluralformen in V.4b angedeutet wurde. Die Objekte der Liebe der Ehefrau werden dabei von der Ehefrau85 als diejenigen wahrgenommen, die ihre Grundversorgung mit Lebensmitteln (Brot, Wasser) und Kleidung für Winter und Sommer (Wolle und Leinen) sowie ihre Versorgung mit Luxus-/Pflege- und Genussgütern (Öl, Getränke) sicherstellen. Bei V.7b scheint dabei weniger die Aussageintention im Vordergrund zu stehen, dass die Ehefrau von der Verbindung zu ihren Liebhabern profitiert, als dass sie die eheliche Versorgung des Ehemannes (vgl. V.10a) als eine Versorgung wahrnimmt, die ihr von ihren Liebhabern zuteilwird.86 Die Untreue der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann wird textintern auf drei Weisen ausgedrückt: Erstens in dem willentlichen Entschluss der Hinwendung zu den Liebhabern im Akt des „Nachfolgens“ (vgl. V.7b: )אלכה אחרי, zweitens in der Herleitung des Ursprungs der Versorgung (vgl. die Verwendung von אתנה, „Gaben“87 in V.14a), der bei den Liebhabern statt beim eigenen Ehemann verortet wird und drittens in der Haltung des Opportunismus, da das Nachgehen implizit mit der Versorgung begründet wird (vgl. V.7b: אלכה אחרי „ ;מאהבי נתניIch will nachgehen meinen Liebhabern, die mir gegeben haben…“).88 Letztgenannter Aspekt wird dabei textintern jedoch nicht verurteilt, sondern sogar als denkbare Umkehrbegründung der Ehefrau akzeptiert (vgl. 9b). Es geht um die Erkenntnis und Anerkennung (vgl. Hos 5,3f) des Ehemannes als des wahren Gebers der Ehegaben durch die Ehefrau, die im Rahmen von Hos 2,4–15 jedoch – trotz aller Bemühungen des Ehemannes, vgl. Hos 2,7f) – 85
Dabei muss immer beachtet werden, dass es sich um Aussagen handelt, die der Ehefrau vom Ehemann in den Mund gelegt werden (vgl. Bons, Hosea, 37). 86 So auch Kelle, Hosea 2, 238: „The provisions under consideration here are those that a husband must give to his wife“. 87 Das Wort אתנהwird in der Forschung zumeist mit Varianten von „Dirnenlohn“ wiedergegeben (vgl. Wolff, Hosea, 36; Rudolph, Hosea, 62; Jeremias, Hosea, 45; Vielhauer, Werden, 151). Im Kontext von V.14a macht dies jedoch keinen Sinn, da es sich um die Wiedergabe einer Aussage Israels/der Ehefrau handelt. Da diese jedoch von ihren „Liebhabern“ spricht, deren Gaben sie als eine Versorgung schildert, die sie mit der ehelichen Versorgung verwechselt (vgl. V.10f!), wird sie selbst diese Gaben kaum als „Lohn“, sondern vielmehr als „Liebesgaben/Geschenke“ wahrnehmen; vgl. zur Thematik insbesondere Mauss, Gabe. 88 Vgl. Bons, Hosea, 46.
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ausbleibt (vgl. V.10) und ab V.11 daher („ ;לכןdaher, deshalb“) die Abwendung des Ehemannes (vgl. V.11aα), seinen Entzug seiner Ehegaben (V.11.13f),89 den Machterweis gegenüber den Liebhabern (vgl. V.12) und die überprüfende Konfrontation der Ehefrau (V.15) nach sich zieht, die JHWH „vergessen“ hat (vgl. V.15; vgl. Hos 4,6). Zwischenergebnis Hos 2,4b–7a greift die Unzuchtsthematik aus Hos 5,3–7; 6,10b und Hos 4,11–14 auf und verortet sie im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 in einer Familiengeschichte. Dabei wird zwar mit dem theologischen Interpretament der „Unzucht“ in erster Linie das Verhalten der Ehefrau als Untreue gegen ihren Ehemann charakterisiert, zugleich jedoch auch die gemeinsamen Söhne über die Bezeichnung als „Söhne der Unzucht“ als dieser Unzucht entspringender illegitimer Nachwuchs betrachtet. Über Hos 4,11–14 – insbesondere V.13 – erschließt sich dabei der kultische Hintergrund der als „Unzucht(szeichen)“ und „Ehebruch(szeichen)“ bezeichneten Amulette der Ehefrau, die in Hos 2,4b als Ausdruck ihrer ehelichen Untreue betrachtet werden. Vor dem Hintergrund von Hos 4,11–13 ist es die Partizipation der Ehefrau an Sexualriten in einem JHWHentfremdeten Kult, der den Beziehungsabbruch herbeigeführt hat und durch die Ablegung der Amulette abgewendet werden soll (vgl. V.4b.5). Hos 2,6–7a greift die Argumentation von Hos 5,7 auf, verbindet die dort mit dem Neumond einhergehende negative Reziprozität jedoch mit dem Ehemann: Die in Hos 5,7 als „fremde“ Söhne bezeichneten Kinder wird jetzt nicht mehr der Neumond fressen und somit jeder Annahme einer positiven Reziprozität in Form von gewährter Fruchtbarkeit den Grund entziehen, sondern der Ehemann selbst in Form der Verweigerung des Erbarmens über diese Kinder. Die in Hos 5,7 über die Bezeichnung als („fremd“) zum Ausdruck gebrachte Bestreitung der Abstammung der Söhne aus einer von JHWH gewährten Fruchtbarkeit wird in Hos 2,6–7a über den Vorstellungshintergrund von JHWH-entfremdeten Sexualriten von Hos 4,11–14 aufgerufen und findet seinen Ausdruck in der Bezeichnung der Söhne als „Söhne der Unzucht“. Auf diese Weise stehen sowohl die Ehefrau/Mutter (V.4) als auch die „gemeinsamen“ Kinder (V.6–7a) unter demselben Vorwurf der „Unzucht“, so dass sich von daher die Reaktion des Ehemannes als Entzug der ehelichen 89
Anders Wacker, Figurationen, 75, die davon spricht, dass der Abschnitt Hos 2,10–15a „zum Ziel hatte, sie [sc. die Frau] ihrer materiellen wie kultischen Grundlagen zu berauben“. Von einem „Raub“ kann jedoch keine Rede sein, wenn der Geber der Gaben diese wieder an sich nimmt.
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Versorgung in Bezug auf die Mutter (vgl. V.5), aber auch die Verweigerung der Annahme der illegitimen Kinder als eigene Kinder (V.6–7a) erklärt. 5.1.3.3 „Gehen“ in Hos 2,7.9.15 Vom „Gehen“ ist in Hos 2,4–15 in V.7b.9b.15b die Rede. Diese Verse werden teilweise unterschiedlichen Redaktionen zugerechnet;90 jedoch kann anhand der Argumentationsstruktur des Textes gezeigt werden, dass die Gehbewegung der Ehefrau (V.7b.9b.15b), die im „Zitat“ von V.9b als eine gehend ( )הלךvollzogene Umkehr ()ׁשוב zum Ehemann beschrieben wird, eine Erwiderung in der in V.11aα ebenfalls mit ׁשובausgedrückten Abwendungsbewegung des Ehemannes von der Ehefrau sowie dem angekündigten Entzug seiner Ehegaben findet, so dass wohl zumindest von einer ursprünglichen literarischen Zusammengehörigkeit von Hos 2,4a.7b.11aα.bβγ–12 auszugehen ist. Dabei zeigt sich, dass im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 nicht auf die aktualisierten Neuinterpretationen der gehenden Abwendung Israels von JHWH in Hos 8 (vgl. Hos 8,9: „gehen“ als „hinaufgehen“) und 9 (vgl. Hos 9,3: „gehen“ in der Bedeutung „fliehen“), sondern auf die Gehbewegungen aus dem Buchkern Hos 5–7 zurückgegriffen wird. So nennt bereits der כי-Satz Hos 5,11a Israels gehend vollzogene Nachfolge ( )הלך אחריhinter einer anderen Größe91 als JHWH als Grund für das geschichtliche Ergehen Israels im Kontext bzw. Nachgang des syrisch-ephraimitischen Krieges,92 das in Hos 5,8–11a geschildert wird. In Hos 2,7b – einer im Rahmen der Narration der Ehefrau vom Ehemann in den Mund gelegten Aussage –93 bringt die Formulierung הלך אחרי, die in Hos 5,11a auf den politischen Kontext übertragen worden zu sein scheint,94 eine vertrauensvolle 90
Vgl. Vielhauer, Werden, 227, der V.7b zur Grundschicht (V.4a.7b.12) von Hos 2,4–15 rechnet, V.8–9 jedoch für einen späteren Zusatz hält, „der das endgültige und totale Gericht V.11–15 als erzieherische Maßnahme und damit als Vorstufe auf dem Weg zum Heil verstanden sehen will“ (aaO, 148) und V.15b zu einer Ergänzungsschicht (V.4b–5.10a.11.15) rechnet (vgl. aaO, 227). 91 Vgl. Textkritik zu Hos 5. 92 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 294f. 93 Vgl. Bons, Hosea, 73. 94 Vgl. Jeremias, Hosea, 82: „Das Nordreich hat sich mit ‚Nichtigem‘ verbündet, und damit ist im Hebräischen mehr als nur Nutzloses bezeichnet: ‚Nichtiges‘ macht ‚nichtig‘, führt in ‚Ver-nichtung‘. Gemeint ist hier offensichtlich der Koalitionspartner Aram, mit dessen Hilfe der Aufstand gegen die Assyrer gelingen sollte, der nun zur Unterdrückung und Teilbesetzung Israels geführt hat. Das Verb ‚nachlaufen‘ deutet an, daß
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Hinwendung der Ehefrau zu „Liebhabern“ ( מאהביPart.) zum Ausdruck, die von ihr als Gebende ( נתניPart.) ihrer Grundnahrungsmittel („mein Brot und mein Wasser“), ihrer Winterund Sommerbekleidung („meine Wolle und meinen Leinen“) sowie ihrer Luxusgüter („mein Öl und meine Getränke“) charakterisiert werden. Hos 2,7b verwendet הלך אחריmit derselben Aussageintention wie Hos 5,11a, greift dabei jedoch zugleich auf die Argumentationsstruktur von Hos 8,9b zurück und kehrt diese um: Ist es dort Israel, das im Rahmen von Bündnisbemühungen „Liebesgaben“ ( )אהביםverteilt, d. h. Tribute leistet, ist es in Hos 2,7b die Ehefrau, die meint, von ihren Liebhabern ( מאהביPart.) Gaben zu erhalten. Die in den politkritischen Texten des Buchkerns mit „( הלךgehen“) beschriebenen Hinwendungen Israels zu politischen Großmächten, die von den Tradenten stets als Abwendung vom eigenen Landesund Staatsgott gedeutet werden (vgl. Hos 7,11f; 5,12–14.15), werden in Hos 2,7b – entsprechend der ab Hos 8,11ff zu beobachtenden Fokussierung auf den Kult als den Auslöser des Untergangs des Nordreichs – auf den kultischen Bereich übertragen und dabei mit der jetzt eine kultische Nachfolge andeutenden Formulierung הלך אחרי aus Hos 5,11 beschrieben.95 Hos 2,7b bringt auf diese Weise im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 zunächst auf der Bildebene die vertrauensvolle Hinwendung der Ehefrau zu ihren Liebhabern zum Ausdruck, von denen sie meint, versorgt zu werden. Auf der Sachebene wird die Narration in V.7b dabei durchlässig für die Deutung einer vertrauensvollen Hinwendung Israels im Landeskult zu einer dritten Größe, die pluralisch gefasst wird (vgl. ;מאהבי „meine Liebhaber“; vgl. V.15: „ ;ימי הבעליםTage der Baale“) und von den Tradenten als Konkurrenzgröße zum eigenen Staats- und Landesgott JHWH betrachtet wird. Wie in Hos 5,11a bringt auch Hos 2,7b mit „( אלכה אחריIch will nachgehen“) ein freiwilliges Zuwendungsgeschehen Israels bzw. der Ehefrau zu einer dritten Größe zum Ausdruck, das kontextuell eine Abwendung von JHWH darstellt und eine reziproke Reaktion JHWHs nach sich zieht (vgl. Hos 5,12; 2,8f bzw. 2,11f). Mit Kratz kann dieser Vorgang als literarischer Versuch der Tradenten betrachtet werden, den Landes- und Staatsgott JHWH von einem Kult zu lösen, der den Untergang des Nordreichs nicht verhindern konnte.96 Zugleich hat Vielhauer aufgezeigt, dass die Aram Hoffnungen entgegengebracht wurden, wie sie Rechtens nur Gott gebühren; die Aramäer haben wie früher die Baale (vgl. 2,7) Gott ersetzt“. 95 Vgl. Vielhauer, Werden, 154f. 96 Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 300.
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Mutter/Ehefrau in Hos 2,4–15 zwischen der Landesperspektive (V.4a.7b.12) und der Volksperspektive (V.4b–5.10a.11.15) changiert. Er hat dies redaktionskritisch ausgewertet und dabei aufgezeigt, dass die Grundschicht (V.4a.7b.12) zugleich „eine Scheidung der als Ehe gedachten Beziehung zwischen Land und Landesgott [propagiert]. JHWH wird so seiner geographischen Bindung enthoben“97. Hos 2,7b greift die im Buchkern Hos 5–7 mit ( הלךvgl. Hos 5,13; 7,11) bzw. mit ( הלך אחריvgl. Hos 5,11) beschriebene Hinwendung Israels zu dritten Größen in der Politik auf, verortet diese Gehbewegung jedoch im Kult als dem „Ort“ im Staat Israel, der (spätestens)98 im Rahmen der aktualisierenden Neuinterpretationen von Hos 8,11ff und Hos 4,6–14 als Ursprung der Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott präsentiert wird. Die in Hos 2,7b zum Ausdruck kommende Kritik der Tradenten am kultischen Verhalten Israels richtet sich dabei einerseits gegen die Objekte, denen die vertrauensvolle Hinwendung Israels zuteilwird, andererseits gegen die Israel unterstellte Verwechslung dieser Fremdgötter mit JHWH, denen Israel die eigene Versorgung im Land anrechnet. Auf diese Weise ist die Thematik der fehlenden Anerkennung JHWHs bzw. des verworfenen Wissens um JHWH (vgl. Hos 5,3f; 6,3.6; 8,2f; 4,6f) in Hos 2,7b bereits vorbereitet, welche in Hos 2,10 explizit gemacht wird. Der zweite Geh-Beleg in Hos 2,4–15 liegt in V.9b vor. Während Vielhauer V.8–9 als späteren Zusatz betrachtet, „der das endgültige und totale Gericht V.11–15 als erzieherische Maßnahme und damit als Vorstufe auf dem Weg zum Heil verstanden sehen will“99, zeigt sich die kompositionelle Einbindung von V.8–9 an der Spiegelung der in V.7b geschilderten Gehbewegung der Ehefrau in V.9b. Auch inhaltlich weisen V.7b und V.9b Parallelen auf, da beide Verse als Zitat einer Aussage der Ehefrau formuliert sind, die einmal vom Ehemann rekapituliert (V.7b), einmal antizipiert (V.9b) wird.100 Eine potentielle Reaktion des Ehemannes, die dieser aufgrund des Verhaltens seiner Ehefrau in der Zukunft vollziehen könnte, wird dabei zunächst in V.8 geschildert. Zweimal wird im Text eine solche potentielle Reaktion des Ehemannes für die Zukunft angekündigt (V.8a.11a; vgl. V.16a) und dabei mit der Partikel „( לכןdarum, 97
Vielhauer, Werden, 227. Vgl. Hos 5,15–6,3; 5,3f. 99 Vielhauer, Werden, 148. 100 Es erscheint jedoch auch denkbar, dass Hos 2,7b seine ursprüngliche Fortsetzung zunächst in der mit לכןeingeleiteten Ankündigung einer reziproken Reaktion JHWHs in V.11aα.bβ.γ gefunden hat, bevor die ebenfalls in V.8a mit לכןeingeleitete Schilderung der reziproken Reaktion JHWHs in V.8f ergänzt wurde. 98
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deshalb“; V.11a) bzw. mit „( לכן הנהdarum/deshalb, siehe“; V.8a; vgl. V.16a) als reziproke Reaktion auf das Verhalten der Ehefrau kenntlich gemacht.101 Inhaltlich wird diese Reziprozität über die ausgesagten Handlungen ausgedrückt, die im Falle von V.7b und V.8 zunächst als Unterbindung der Gegenbewegung der Ehefrau (V.7b) durch den Ehemann dargestellt wird. Während die Ehefrau sich in V.7b entschließt, ihren Liebhabern „nachzugehen“ ()הלך אחרי, ist es der Ehemann, der als Reaktion auf dieses Verhalten in V.8a als derjenige aktiv in Erscheinung tritt, der den Weg der Ehefrau „versperrt“ ( לכן )הנני־ׂשך את־דרכך. Während das Versperren des Weges dabei zunächst mit Dornen bzw. Dornengestrüpp ( )סירהerfolgt (V.8a) und damit eine unmittelbar bevorstehende102 und effektive, aber offenbar nur vorübergehende Lösung angedeutet werden soll, schließt sich daran die im Rahmen eines Parallelismus angekündigte Herstellung einer dauerhaften Barriere in Form einer steinernen Mauer ( )גדרan (V.8bα). Diese Mauer soll zukünftig verhindern, dass die Ehefrau ihre Pfade ( )נתיבותיהfindet (V.8b) und ihren Liebhabern nachgehen kann (vgl. V.7b). Mit dem Versperren des Weges geht noch nicht automatisch eine Rückkehr zum Ehemann einher; diese Rückkehr stellt sich aber von V.9b her als die vom Ehemann intendierte Reaktion der Ehefrau auf die Unerreichbarkeit der Liebhaber dar. Somit handelt es sich bei der in V.8 beschriebenen Tätigkeit aus der Sicht der Ehefrau um eine negative Form der Zuwendung des Ehemannes, da ihre Bewegungsfreiheit beschränkt und die Ausführung ihrer 101
Der Partikel לכןkommt auch eine textgliedernde Funktion zu. Wie irreführend die Verwendung einer „geprägten“ Terminologie auch in der Forschung angesichts der Interpretation textgliedernder Signalwörter wie לכן sein kann, zeigen dabei exemplarisch die Ausführungen Jeremias zu V.8f: „Sie [sc. die V.8f] setzen mit einem ‚darum‘ ein, das nach einem Schuldaufweis die folgende Strafankündigung einleitet (vgl. V.11), hier aber überraschenderweise eine erzieherische Strafe zum Heil“. Nimmt man den „überraschenden“ Aspekt ernst, so wird deutlich, dass es sich bei V.8f nicht um die Ankündigung einer Strafe – als „Zufügung eines fühlbaren Nachteils um eines geschehen Unrechts willen“ (Rombach, H., Das Wesen der Strafe, in: Willman-Institut (Hg.), Pädagogik der Strafe, Freiburg, 1967, 3) – handelt. Das Versperren der Wege durch JHWH/den Ehemann zielt vielmehr darauf ab, Israel/die Frau zum Umdenken, Umkehren (V.9b) und zu einer Erkenntnis mit entsprechender Verhaltensänderung zu bringen; es handelt sich somit von JHWH/dem Ehemann her um eine Intervention zum Heil, nicht aber um eine Strafe zum Heil; vgl. Bons, Hosea, 39. 102 Das Partizip wird prädikativ verwendet; in Verbindung mit הנהscheint die Tätigkeit auf „die unmittelbar bevorstehende Zukunft (futurum instans)” bezogen zu sein (Jenni, Lehrbuch, 93).
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Willensentscheidung (V.7b) verhindert wird.103 Aus der Sicht des Ehemannes wird mit dieser Tätigkeit jedoch für die Ehefrau ein Moment des Innehalten(müssens) kreiert, welches das Potential in sich birgt, zur Grundlage von Einsicht ( ;ידעvgl. V.10a) und Umkehr (ׁשוב, V.9b) zum Ehemann zu werden. Die Intention der Beschränkungen, die der Ehemann seiner Ehefrau auflegt, ist aus seiner Sicht positiver Natur. Aus diesem Grund bilden die in V.7b mit „( אלכה אחרי מאהביich will meinen Liebhabern nachgehen“; V.7b) beschriebene und auf einem bewussten Willensentschluss beruhende Tätigkeit, die zukünftig unterlassen werden soll und die in V.9b ausgedrückte und auf einer neuen Einsicht beruhende Tätigkeit, die sich als Folge des versperrten Weges einstellen soll, reziproke Entsprechungen. Dabei soll die Willensentscheidung aus V.9b die ursprüngliche Willensentscheidung aus V.7b ablösen. V.9 schließt syndetisch an V.8 an und schildert die vom Ehemann antizipierte Reaktion der Ehefrau angesichts ihrer versperrten Pfade.104 Im Rahmen antithetischer Parallelismen schildert V.9a dabei zunächst jeweils im ersten Teil des Parallelismus das verstärkte Bemühen der Frau, ihre Liebhaber zu erreichen. Angesichts der Konfrontation mit Blockaden auf ihrem Weg findet zunächst kein Umdenken, sondern das Mobilisieren von Kräften statt. So treten an die Stelle ihres Entschlusses, den Liebhabern „nachzugehen“ (V.7b), in V.9a zwei antizipierte Tätigkeiten, die mit רדףPi. („nacheilen“) und בקׁשPi. („suchen“) wiedergegeben werden. Während רדףin anderen alttestamentlichen Kontexten die zielstrebige Verfolgung eines politisch-militärischen Gegners bezeichnen kann, steht bei der Verwendung von רדףin V.9a nur der Aspekt des zielstrebigen Nacheilens im Vordergrund. Bezüglich der Verwendung von בקׁשkann mit Jeremias hingegen auf Liebes- und Hochzeitslieder (Hld 3,1ff), aber auch auf kultische Kontexte verwiesen werden, in denen es im Rahmen (kaanäischer) Klageriten „das vergebliche ‚Suchen‘ des in der Trockenzeit abwesenden Wetter- und Fruchtbarkeitsgottes (UT 49: IV:44 bqṯ, das bqš in Hos 2,9 entspricht)“105 bezeichnet. Es erscheint im Buchkern (Hos 5,6.15; 7,10b) und ist dort stets auf die kultische Suche nach JHWH bezogen, der jedoch im israelitischen Kult nicht mehr gefunden wird (vgl. Hos 5,6b; 6,4–6). Beide Tätigkeiten drücken 103
Vgl. Wacker, Figurationen, 66. Die Formulierung von V.9a macht nicht deutlich, ob Israel/die Ehefrau erkennt, dass JHWH/ihr Ehemann der Urheber der Blockaden ist. In Bezug auf die intendierte Umkehr ist das Vorhandensein dieses Wissens auch unerheblich, da die Feststellung der Unerreichbarkeit der Liebhaber zur Umkehr zum Ehemann motivieren soll (vgl. V.9a und V.9b). 105 Jeremias, Hosea, 43; ähnlich Grätz, Vergebliche Suche, 205f. 104
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dabei in V.9a gegenüber V.7b ein erhöhtes Maß an Energie und Einsatz aus. Mit dieser hohen und zielgerichteten Energie wendet sich die Ehefrau zunächst in Richtung ihrer Liebhaber. Wie im Rahmen des jeweils zweiten Teils der antithetischen Parallelismen deutlich wird, soll beiden Tätigkeiten kein Erfolg beschieden sein: Obwohl sie ihnen nacheilt, wird sie ihre Liebhaber nicht erreichen ( לא נׂשגHi.) und obwohl sie sie sucht, wird sie sie nicht finden (מצא )לא. Erst aus der Konfrontation mit der Vergeblichkeit ihrer Bemühungen ergibt sich ein Umdenken, dessen antizipierte Folge in V.9b geschildert wird. Ein Aspekt, der bereits in V.7b vorhanden war, tritt dabei in V.9b verstärkt in den Vordergrund. Dabei handelt es sich um die Bedeutung, welche die Liebhaber für die Frau haben. Zwar werden diese von ihr als „( מאהביmeine Liebhaber“) bezeichnet und als diejenigen angesehen, denen die Liebe der Ehefrau zuteilwird. Aber diese Liebe ist nicht an die Liebhaber als Personen, sondern an die Gaben gebunden, die die Ehefrau meint, von ihnen zu erhalten (vgl. V.7b). Während dabei die Gaben in V.7b noch zur näheren Charakterisierung der Liebhaber aufgezählt werden, die dadurch als נתן( נתניPart., „Gebende“) erscheinen, wird in V.9b die Einsicht in die Unmöglichkeit, die Liebhaber als Geber ihrer Gaben erreichen zu können, zum ausschlaggebenden Argument für die gehend vollzogene Umkehr zu „( איׁשי הראׁשוןmeinem ersten Mann“)106.107 Der dritte und letzte Geh-Beleg in Hos 2,4–15 liegt in V.15b vor. Durch die Verwendung der Gottesspruch-Formel durchbricht V.15bβ die Narration und erweist die Narration als Allegorie für das Verhältnis zwischen Landes- und Staatsgott JHWH und seinem Volk Israel.108 Der Vers kündigt dabei eine direkte Konfrontation des Landes- und Staatsgottes JHWHs mit seinem Volk Israel an und stellt textintern die Klimax der in den V.11f.13–15 angekündigten Reaktion des Ehemannes dar, in deren Rahmen er seine Ehefrau aufgrund deren Unzucht alle Ehegaben und sich selbst (vgl. V.11) entzieht. Indem das „Hinterhergehen“ ( )הלך אחריhinter den Liebhabern in V.15 als eine Tätigkeit der Ehefrau dargestellt wird, die sie an den „Tagen der Baale“ vollzogen hat, werden „Liebhaber“ und „Baale“ miteinander identifizierbar als Chiffren für einen JHWH-entfremdeten israelitischen Landeskult, in dessen Rahmen von Israel nicht erkannt wird, dass es der eigenen Landes- und 106
Wie Jeremias, Hosea, 43 aufgezeigt hat, setzt „die Rede vom ‚ersten Mann‘ […] eigentlich Scheidung voraus, die Rede von den ‚Liebhabern‘ dagegen Ehebruch“. 107 Vgl. Abschnitt 5.1.3.4. 108 Vgl. Bons, Hosea, 45.
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Staatsgott JHWH ist, der es durch die Landesgüter (V.7b.10a) versorgte, es beschützte (V.11b) und Frieden und Wohlstand schenkte (V.14a).109 Der JHWH-Kult als der Ort, an dem die Beziehung mit JHWH konstituiert und aufrechterhalten wird und in dessen Vollzug Israel von JHWH die eigene Versorgung und Fruchtbarkeit (V.11f)110 sowie die des Landes (vgl. V.5.12f.14b) als Ausdruck einer reziproken Beziehung zuteilwird, wird dabei bereits in V.13 von JHWH her aufgelöst. Auf der kompositionellen Ebene ergeht dabei die Begründung für die von JHWH her vollzogene vollständige Beendigung ( ׁשבתHif.) des über die (vorexilischen)111 Festtage repräsentierten Kultes in V.15a. In V.15a werden die Feste nicht nur als „Tage der Baale“ ( )ימי הבעליםbezeichnet und zugleich verurteilt, sondern auch die entsprechenden Praktiken geschildert, die an diesen Tagen für die Baale vollzogen wurden und sie daher als JHWH-Feste disqualifizieren. Nicht die Tätigkeiten an sich, sondern ihr Objektbezug ist das Problem. In einer dreiteiligen Aufzählung wird dabei in V.15a geschildert, dass Israel/die Ehefrau den Baalen an diesen Tagen wieder und wieder (Perf. cons.) Rauchopfer dargebracht hat (V.15aα), sich geschmückt ( )עדהhat mit ihrem (f.sg.) Ring und Schmuck (V.15aβ) und „ihren Liebhabern“ hinterhergegangen ( )ותלך אחריist (V.15aγ). Indem V.15aγ mit der Formulierung („und ist hinterhergegangen ihren Liebhabern“) diese Liebhaber mit den Baalen parallelisiert (vgl. V.15aα) und zugleich auf die in V.7b geschilderte Willensbekundung Israels/der Ehefrau (V.7b: „ ;אלכה אחרי מאהביich will hinterhergehen meinen Liebhabern“) rekurriert,112 wird diese Tätigkeit des Hinterhergehens durchlässig für die Deutung als kultische Prozession. Durch ihren Objektbezug auf die Baale (V.15aα.aγ) werden diese Tätigkeiten zum Ausdruck von JHWH-Vergessenheit („ ;ואתי ׁשכחה נאם־יהוהaber mich hat sie vergessen“), die eine 109
Die Durchlässigkeit des Bildes vom Ehebruch entsteht dabei vor allem durch die Ankündigung der Beendigung von Kultfeiern (V.13), durch die Parallelisierung der Liebhaber mit Baalen (V.15a) sowie durch die abschließende Verwendung der Gottesspruchformel (V.15b), durch welche die gesamten vorherigen Ankündigungen nicht mehr als Ankündigungen eines Ehemannes gegenüber seiner untreuen Ehefrau erscheinen, sondern als Ankündigungen des Staatsgottes JHWH gegenüber seinem Volk Israel. 110 Vgl. aaO, 51: „Dabei klingt im Text eine gewisse Ironie an, wenn man Bildebene und Sachebene ineinanderfließen läßt: Sofern in 2,12 das entsprechende hebräische Wort mit ‚Scham‘ zutreffend übersetzt werden kann, ist diese nicht mehr der Ort der Fruchtbarkeit, sondern der Unfruchtbarkeit“. 111 Vgl. die parallele Erwähnung von „Neumond und Sabbat“ in V.13a. 112 Vgl. Wacker, Figurationen, 72.
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überprüfende Zuwendung JHWHs nach sich zieht (vgl. V.15a) und dabei einen Rahmen mit der gedenkenden und überprüfenden Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Vergehen zunächst in Hos 8,13 und dann auch in 9,9 als dem neuen Kompositionsabschluss bildet.113 Dass Israels Kult seine JHWH-Bezogenheit verloren hat, wird von den Tradenten im Rahmen von V.15b als die eigentliche Untreue Israels dargestellt (vgl. V.4b.7b), aus der sich erst Israels falsche Herleitung der Landesgüter, des Wohlstandes und des Friedens als Gaben der Baale statt als Gaben JHWHs ergeben. Zwischenergebnis Hos 2,4–15 übernimmt in V.7b.9b.15b die Geh-Konzeption aus dem Buchkern Hos 5–7 und schildert die gehende Abwendung Israels von JHWH im Rahmen der Narration dabei als eine Hinwendung zu einer dritten Größe, die im Buchkern mit politischen Großmächten (vgl. Hos 5,11: Aram114; 5,13: Assyrien; 7,11: Assyrien), in Hos 2,7b.15b hingegen zunächst mit „Liebhabern“ identifiziert werden, die in V.15b durchlässig für die Deutung als Fremdgötter („Baale“) werden. Aus den Rahmenkapiteln Hos 8,1–13(.14) als dem ersten Abschluss der Komposition Hos 5–7 und aus Hos 4,1–19 als der ersten Einleitung der Komposition Hos 5–7 übernimmt Hos 2,4–15 dabei die Verortung der Schuld für das historische Ergehen Israels im Kult. Wie im Buchkern angeklungen (vgl. Hos 5,3f; 6,10b; 7,4) und in Hos 8,11ff und Hos 4,6–14 expliziert, wird dabei auch in der Narration von Hos 2,4–15 die mit den Liebhabern vollzogene Unzucht der Ehefrau durchlässig für eine kultisch vollzogene „gehende“ Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH, die eine Erwiderung in den in V.5f.8.11–13.14b.15 geschilderten Reaktionen findet. Die deutlichste Reziprozität zwischen der gehenden Abwendung der Ehefrau und der Reaktion des Ehemannes liegt dabei in V.11 vor, der die Abwendung ( )ׁשובdes Ehemannes schildert, mit welcher der Entzug aller Ehegaben einhergeht. 5.1.3.4 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 2,9.11 Von einem „Wenden“ ( )ׁשובist in der Narration Hos 2,4–15 in V.9b und V.11a die Rede. V.9b ist dabei Bestandteil einer ersten mit לכן eingeleiteten Ankündigung einer reziproken Reaktion des Ehemannes (V.8f), V.11a hingegen Bestandteil einer (auch mit לכןeingeleiteten) zweiten Ankündigung einer weiteren reziproken Reaktion des 113 114
Vgl. Abschnitt 5.1.3.7. Vgl. Jeremias, Hosea, 82.
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Ehemannes (V.11–15).115 Während in V.9b die Ehefrau das Subjekt des Wendens ist, ist es in V.11a der Ehemann, der auf das Nachgehen der Ehefrau hinter ihren Liebhabern (V.7b) bzw. auf den ausbleibenden Vollzug der gehenden Rückkehr der Ehefrau zu ihm (V.9b.10) reagiert.116 Hos 2,9b stellt dabei die narrative Umgestaltung der pluralischen Selbstaufforderung aus Hos 6,1 („ ;לכו ונׁשובה אל־יהוהLasst uns gehen und umkehren zu JHWH“) als antizipierte Reaktion der Ehefrau dar. Dass auch diese Umkehr durch das Eigeninteresse an der Wiederherstellung einer Versorgung durch einen Dritten motiviert wäre, zeigt der begründende כי-Satz in V.9bβ. Dort wird im Rahmen einer ṭôḇ-min-Aussage dem eigenen Zustand zur Zeit des Aufenthaltes beim ersten Mann der Vorzug vor der „gegenwärtigen“117 Situation gegeben, die für die Ehefrau durch einen vollständigen Mangel an Versorgung und die Unmöglichkeit gekennzeichnet ist, diese durch das Erreichen der Liebhaber selbst wiederherzustellen. V.9b drückt eine von dem Ehemann erhoffte Einsicht der Ehefrau in der Zukunft aus. Diese besteht darin, dass die Ehefrau der Versorgung ihres Ehemannes durch eine Rückkehr zu diesem den Vorzug vor einer Existenz ohne Liebhaber und ohne jegliche Versorgung gibt.118 Die „Liebe“, von der im Text im Rahmen der Bezeichnung der „Liebhaber“ die Rede ist, meint ein Abhängigkeitsverhältnis, das 115
Während Vielhauer, Werden, 227 V.11 zu einer deuteronomistisch geprägten Ergänzungsschicht (V.4b–5.10a.11.15) rechnet, betrachtet er V.8f als einen späteren Zusatz, „der das endgültige und totale Gericht V.11–15 als erzieherische Maßnahme und damit als Vorstufe auf dem Weg zum Heil verstanden sehen will“ (aaO, 148). 116 Ob V.11a ursprünglich eine reziproke Reaktion des Ehemanns auf die von der Ehefrau gehend vollzogene Abwendung von ihm in der Nachfolge hinter den Liebhabern (V.7b) oder auf die ausbleibende gehend vollzogene Umkehr zu ihm (vgl. V.9b) formuliert, hängt davon ab, ob man V.11a zur Grundschicht von Hos 2,4–15 rechnet. Vielhauer, Werden, 227 rechnet V.11 zu einer V.4b–5.10a.11.15 umfassenden Ergänzungsschicht. Meines Erachtens liegt es jedoch näher, zumindest V.11aα.bβ.γ zur Grundschicht von Hos 2,4–15 zu rechnen. Auf diese Weise wird über die den Liebhabern zugeschriebene Gabe von Wolle und Leinen der Ehefrau (V.7b: „meine Wolle und meinen Leinen“) und den Entzug von Wolle und Leinen als Gaben des Ehemannes durch den Ehemann (V.11bβ: „meine Wolle und meinen Leinen“) nicht nur die Entblößungsthematik von V.12 vorbereitet, sondern zugleich eine reziproke Relation zwischen der Aktion der Ehefrau (V.7b bzw. V.9b) und Reaktion des Ehemannes konstituiert. 117 Diese „gegenwärtige“ Situation ist jedoch textintern eine von JHWH/dem Ehemann für die Zukunft antizipierte Situation. 118 Jeremias, Hosea, 43 sieht auch hier ein Strafhandeln: „Gott erreicht durch ein Strafhandeln, wozu das Gottesvolk selber unfähig ist“.
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zugleich eine Versorgung durch denjenigen einschließt, von dem sich die Frau abhängig macht.119 Die hoffnungsvolle Perspektive von Hos 6,1 beruhte dabei auf der Erkenntnis Israels, dass JHWH als derjenige, der gerissen hat (vgl. Hos 5,14) auch derjenige ist, von dem die Heilung als Wiederherstellung des Staates ausgehen kann (vgl. Hos 5,13). In Hos 2,9b beruht die hoffnungsvolle Perspektive der Möglichkeit einer Wiederherstellung der Beziehung auf den V.8f geschilderten Interventionen des Ehemannes. Diese sollen die Ehefrau zu der Erkenntnis führen, dass es ihr bei ihrem ersten Mann besser ergangen ist als in der textinternen Gegenwart und sie daher zu einer Rückkehr zu ihm motivieren. Wie der in Hos 6,1–3 von Israel (und Juda) geäußerten Selbstaufforderung zur Umkehr von Hos 6,4–6 her kein Erfolg beschieden ist, sondern sie aufgrund eines Mangels an beständiger Gemeinschaftstreue (vgl. Hos 6,4) von JHWH abgelehnt wird (vgl. auch Hos 5,6), bleibt auch die in V.9b antizipierte Rückkehr der Ehefrau zu ihrem Ehemann aus.120 Ähnlich der Argumentation von Hos 5,3f wird die ausbleibende Umkehr in V.10 mit der in V.9b vom Ehemann zwar antizipierten, aber nicht eingetretenen Erkenntnis bzw. Anerkennung als wahrer Geber der in V.7b bzw. V.10a121 genannten Gaben durch die Ehefrau begründet.122 119
Vgl. Kelle, Hosea 2, 238: „The provisions under consideration here are those that a husband must give to his wife“; vgl. auch Bons, Hosea, 43: „In einer Gesellschaft wie der altorientalischen, in der nicht wie heutzutage beide Partner zum Lebensunterhalt beitragen können, war es die Pflicht des Ehemannes, die Frau mit diesen Gütern zu versorgen. Entsprechendes wurde oft in Eheverträgen vereinbart (vgl. auch Ex 21,10)”; vgl. auch Baumann, Liebe und Gewalt, 98, die aufzeigt, dass „die Ehe […] weniger eine Liebesals eine ökonomische Beziehung [ist]“. 120 Anders Bons, Hosea, 46: „Das endgültige Scheitern auf dem Weg zu den Liebhabern führt zu einer Umkehr. Wiederum begegnet hier das Motiv des Gehens auf einem Weg, das bisher nicht zum Ziel führte. Jetzt aber bedeutet das Gehen eine Neuentscheidung der Frau. So wie sie in 2,8 [sic] sagte und ging, so sagt sie mit denselben Worten […] in ihrer zweiten Rede in 2,9, sie wolle gehen. Sie fügt aber hinzu: ‚und ich will umkehren‘. Sie macht also die in der ersten wörtlichen Rede geäußerten Absichten rückgängig“. 121 V.10 nennt andere Gaben als V.7b. Während es sich bei V.10b wohl um einen späteren Zusatz in Anlehnung an Hos 8,4 handelt (vgl. Vielhauer, Werden, 148), kann V.10a zu der von Vielhauer, Werden, 227 identifizierten, deuteronomistisch geprägten Ergänzungsschicht (V.4b– 5.10a.[11].15) gerechnet werden; vgl. Bons, Hosea, 49: „In 2,10 sind zur Benennung der Gaben des Landes nicht dieselben Begriffe wie in 2,7 gewählt; die Reihe ist aber schon in Ugarit belegt und wird später im Deuteronomium stereotyp zur Bezeichnung der Erzeugnisse des Landes allgemein gebraucht (Dtn 7,13; 11,14 u. ö.). Die Ernten von Getreide und Obst bieten ihrerseits den Anlaß zu den drei großen Festen (s. u. 2,13), dem Fest der ungesäuerten Brote, dem Wochenfest und dem Laubhüttenfest (vgl. Ex 23,14–17)“.
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Der zweite „Wenden“-Beleg in V.11a formuliert eine reziproke Reaktion des Ehemannes auf V.7b bzw. V.9b. Geht man davon aus, dass V.11a zusammen mit V.7b zur Grundschicht von Hos 2,4–15 zu rechnen ist, die V.4a.7b.11aα.bβ–12 umfasste und es sich bei V.8f um einen sekundären Zusatz handelt, so formuliert V.11a ursprünglich eine Abwendung des Ehemanns als Reaktion auf die gehend vollzogene Hinwendung seiner Ehefrau zu den Liebhabern in V.7b. Die gleiche Argumentationsstruktur liegt im Buchkern in Hos 5,12–14.15 vor.123 Während Hos 5,13 zunächst die gehende vollzogene Hinwendung Israels nach Assyrien beschreibt, schließt sich als ursprüngliche Reaktion in V.14 zunächst die Zuwendung JHWHs zu Israel nach Art eines reißenden Löwen an, der mit seiner gerissenen Beute davongeht ()הלך. Diese Reaktion JHWHs wurde von den Tradenten durch die Fortschreibung in Hos 5,15–6,6 relativiert. So kündigt JHWH in V.15 an, sich von Israel gehend abzuwenden („ ;אלך אׁשובהIch gehe, kehre um…“), bis sie büßen und sein Angesicht suchen. Diese Abwendung JHWHs fand dabei ihr Gegenstück in der Selbstaufforderung Israels von Hos 6,1. Betrachtet man Hos 2,8f als sekundären Zusatz, so scheint dieser die reziproke Relation zwischen Hos 5,15 und Hos 6,1 als literarische Vorlage für die narrative Darstellung des antizipierten Verhaltens der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann verwendet zu haben. Ein direkter Vergleich von Hos 2,9b mit Hos 5,15a und Hos 6,1a zeigt dabei die Parallelität in der Aussagestruktur und erweist Hos 2,9b als narrative Ausgestaltung der reziproken Relation der Gehund Abwendungsbewegungen in Hos 5,12–14; 5,15–6,6: 2,9a
אלכה וׁשובה אל־איׁשי הראׁשון
5,15a
אלך אׁשובה אל־מקומי
6,1a
לכו ונׁשובה אל־יהוה
„Ich werde gehen und umkehren zu meinem ersten Mann“ „Ich werde gehen und umkehren an meinen Ort“ „Lasst uns gehen und umkehren zu JHWH“
Weil die Ehefrau in ihrem Ehemann trotz des Verlustes der Versorgung (vgl. Hos 7,10) aufgrund der Unerreichbarkeit der Liebhaber (vgl. V.8f) nicht ihren wahren Versorger erkannt hat und deswegen auch nicht zu ihm umgekehrt ist (V.9b: )ׁשוב, sondern sich stattdessen weiterhin den Liebhabern (V.9a) bzw. den Baalen (V.15) zuwendet, ist es nun der Ehemann, der sich mitsamt seinen Ehegaben von ihr abwendet (V.11a: )ׁשוב. Die Abwendung der eigenen Person mitsamt der im Rahmen der Ehe der Ehefrau zur Verfügung 122 123
Vgl. Abschnitt 5.1.3.5. Vgl. Abschnitt 2.3.3.
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gestellten Versorgung schildern die V.11–14 als eine reziproke Folge (vgl. V.11a: )לכןder ausbleibenden Erkenntnis und ausbleibenden Rückkehr der Ehefrau zu ihrem Ehemann (V.10). Als Folge wird in V.11aβ.bα zunächst der Entzug von Getreide und Most angekündigt. Während Getreide und Most aufgrund der Verwendung von „( נתןgeben“) in V.10a immer schon Gaben des Ehemannes an die Ehefrau darstellten, formuliert V.11aβ.bα nun die der Abwendung des Ehemannes entsprechende Entzugshandlung der Gaben durch die Verwendung von „( לקחnehmen“). Er erweist sich gegenüber den Liebhabern – als den von der Frau angenommenen „Gebenden“ (vgl. נתניPart. in V.7b) – als der wahre Geber ihrer Gaben. In Verbindung mit dem Gebrauch des Suffixes der 1.c.sg. in V.11aβ.bα (דגני, „mein Getreide“; תירוׁשי, „mein Most“) werden auf diese Weise die Güter, die vormals als Gaben des Ehemannes in den Besitz der Ehefrau übergingen, angesichts dessen Abwendung ()ׁשוב und des aktiven Gabenentzuges ( )לקחjetzt wieder als dessen Besitz und Eigentum gekennzeichnet.124 Mit der jeweils gegebenen näheren Bestimmung „( בעתוzu seiner Zeit“ in Bezug auf das Getreide) und „( במועדוzu seiner festgesetzten Zeit“ in Bezug auf den Most) wird dabei auf Erntezeiten Bezug genommen und auf diese Weise der vollständige Ernteausfall für die Ehefrau impliziert.125 Neben dem Entzug der Grundnahrungsmittel folgt in V.11b die Ankündigung einer weiteren Entzugshandlung, die durch die Verwendung des Lexems „( נצלwegnehmen“) ausgedrückt wird. Als weitere Bestandteile der Grundversorgung, zu der ein Ehemann gegenüber seiner Ehefrau verpflichtet war,126 zählte die Bekleidung. Auch diese Gabe wurde von der Ehefrau jedoch den Liebhabern angerechnet (vgl. V.7b), so dass in V.11b der Entzug von Wolle und Leinen, die repräsentativ für die gesamte Bekleidung der Ehefrau stehen, durch den wahren Geber dieser Gaben angekündigt wird. Auch die Bekleidung wird durch die aktive Entzugshandlung wieder in den Besitz des Ehemannes übergehen, wie die Verwendung des Suffixes der 1.c.sg. in V.11bβ verdeutlicht. Während er im Rahmen der Ehe dazu verpflichtet war, für seine Ehefrau durch Ernährung und 124
Aus diesem Grund ist es unzutreffend, den Vorgang des Entzugs als eine „Beraubung“ der Ehefrau zu bezeichnen (vgl. Wacker, Figurationen, 75). 125 Dass JHWH/der Ehemann Getreide und Most „nimmt“, setzt eigentlich ihr Vorhandensein voraus; in diesem Sinn kann die Aussage von V.11aβ.bα entweder als Aussage über einen Ernteausfall in Folge der Abwendung einer (Wetter-)Gottheit verstanden werden (vgl. Grätz, Die vergebliche Suche nach Gott, 205f) oder als Aussage über ein Einholen der Ernte durch JHWH/den Ehemann (vgl. V.25aα). So oder so wird für Israel/die Ehefrau nichts übrigbleiben. 126 Vgl. Kelle, Hosea 2, 238.
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Bekleidung zu sorgen, ist er dies aufgrund ihrer Untreue und ihres Ehebruches (V.4b; 7a) nun nicht mehr.127 Während die Gabe der Bekleidung im Rahmen der Ehe ein Zuwendungsgeschehen darstellt, das zur Ehrerhaltung dient (V.11b), repräsentiert der angekündigte (vollständige) Entzug der Bekleidung im Rahmen der Auflösung der Ehe ein Abwendungsgeschehen, welches zugleich zur Beschämung128 der Ehefrau und ihrer Liebhaber (V.12a) sowie als Machtbeweis des Ehemannes dient (V.12b). Während sich von V.4b.6b.7a her der Eindruck nahelegt, dass die Ehefrau selbst ihre Blöße vor ihren Liebhabern aufgedeckt hat und damit Unzucht und Ehebruch beging (V.4b.7a), schildert V.12a eine reziproke Reaktion des Ehemannes. Während dieser im Rahmen der Ehe derjenige war, der die Blöße der Ehefrau durch Kleidung bedeckte (V.11b), ist es nun er, der – angesichts ihres vollzogenen Ehebruches129 – ihr die zur Verfügung gestellte Bekleidung entzieht und (dadurch) ihre Blöße vor den Augen ihrer Liebhaber aufdeckt (גלה, V.12a)130. Während die Bedeckung der Blöße im Rahmen der Ehe ein positives Zuwendungsgeschehen zur Ehrerhaltung darstellt, 127
So auch Kelle, Hosea 2, 254: „This verse envisions Yahweh officially divorcing and disowning his unfaithful wife and laying claim to all marital property“. 128 Vgl. Jeremias, Hosea, 45, der von der „öffentlichen Schändung der Frau“ spricht; Bons, Hosea, 50, der davon spricht, dass auf der Bildebene davon die Rede ist, dass „die ehebrecherische Frau […] öffentlich zur Schau gestellt [wird]“. 129 Während eine verheiratete Frau entsprechend damaliger Bräuche kein Recht hatte, ihre Blöße vor einer anderen Person als ihrem Ehemann aufzudecken, d. h. Ehebruch durch außerehelichen Geschlechtsverkehr zu begehen, war ihrem Ehemann außerehelicher Geschlechtsverkehr erlaubt, solange er diesen nicht mit einer verheirateten Frau vollzog. Während eine verheiratete Frau durch außerehelichen Geschlechtsverkehr immer ihre eigene Ehe bricht, unabhängig davon, ob der Mann, mit dem sie Geschlechtsverkehr hat, verheiratet oder unverheiratet ist, bricht ein Mann die Ehe eines anderen Mannes, wenn er mit dessen Frau Geschlechtsverkehr hat. 130 Das zur Beschreibung der Aufdeckung der Blöße verwendete Lexem גלה wird dabei in anderen alttestamentlichen Kontexten zur Beschreibung der Zerstörung einer Stadt verwendet (vgl. Nah 3,5f; Ez 16,37; Jes 47,3). Kelle, Hosea 2, 257, bezieht den Vers daher auf Samaria: „To the prophet´s audience in his rhetorical situation, Yahweh`s words in 2:12 raise the possibility of the ultimate consequence for Samaria should Yahweh choose to disown the city completely“. Vielhauer, Werden, 152 lehnt die Identifizierung der Ehefrau mit Israels Hauptstadt Samaria jedoch mit dem Hinweis ab, dass „die Produkte, die die Frau laut 2,7b ihren Liebhabern zu verdanken meint, […] nicht in den städtischen, sondern in den ländlichen Bereich [weisen]“. Seines Erachtens „steht die Frau in Hos 2 für das Land, das von JHWH als Wettergott mit seinem fruchtbringendem Regen besamt wird“ (ebd.).
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stellt die Aufdeckung der Blöße in Folge des Ehebruches ein negatives Zuwendungsgeschehen131 zur Beschämung dar.132 Dass diese Tätigkeit von dem Ehemann vor den Augen der Liebhaber vollzogen wird,133 soll deren Machtlosigkeit und Unterlegenheit ihm gegenüber verdeutlichen, da sie nichts tun können, um den Vollzug dieser Handlung zu unterbinden (V.12b). Während V.12a die Machtlosigkeit der Liebhaber hervorhebt, betont V.12b die Macht des Ehemannes.134 Unter erneuter (vgl. V.11b) Verwendung des Stichwortes „( נצלwegnehmen“) wird diese in V.12b dargestellt. Während er in V.11b als derjenige geschildert wird, der seiner Ehefrau die ihr im Rahmen der Ehe gegebenen Gaben wieder wegnimmt ()נצל, ist niemand135 in der Lage, seine Ehefrau aus seiner Hand herauszunehmen ()לא־יצילנה מיד, d. h. vor dem Machterweis, den die Aufdeckung der Blöße impliziert, zu bewahren.136 Mit der 131
Es handelt sich in der Form um ein Zuwendungsgeschehen, dass JHWH/der Ehemann die Handlung des Aufdeckens an Israel/der Ehefrau vollzieht und sich ihr aktiv zuwendet. Dass sich darin eine Haltung innerer Ablehnung und Abkehr zeigt, muss nicht eigens betont werden. 132 Vielhauer, Werden, 153f, Anm. 97 weist zurecht darauf hin, dass es sich auch bei der Aussage von V.12a um eine „Metapher für das Handeln JHWHs“ handelt und „auf die öffentliche Entblößung einer Frau […] allein einige prophetische Texte im AT [abheben] (Jes 47,3; Ez 16,37–39; 23,26.29; Nah 3,5)“. Dies lasse aber keinen Rückschluss auf eine „gängige juristische Praxis für Ehebrecherinnen“ zu. 133 Da die V.11–15 eine zukünftige Reaktion JHWHs/des Ehemannes schildern, bezieht sich auch der Tempusmarker „( עתהnun, jetzt“) auf eine zukünftige „Gegenwart“. Die Formulierung „Aber jetzt werde ich…“ bildet zudem einen Kontrast zu der Aufdeckung der Blöße vor den Augen der Liebhaber durch die Ehefrau im Rahmen des Ehebruchs. 134 V.12 impliziert auf diese Weise zugleich, dass Israel/die Ehefrau machtlosen (= unwürdigen) Liebhabern den Vorzug vor ihrem mächtigen (= würdigem) Ehemann gegeben hat. 135 Wörtlich: „Irgendeiner rettet nicht“: vgl. hingegen die Verwendung der formelhaften Redewendung „( ואין מצילund niemand, der rettet“) in Hos 5,14. 136 Dieser reziproke Machterweis der Entkleidung der Ehefrau durch den Ehemann impliziert nicht automatisch, dass „ihr […] Gewalt angetan wird“, denn eine Aussage wie in Hos 2,14 („und essen/fressen wird sie das Tier des Feldes“) fehlt ja gerade in Bezug auf die Entkleidung der Ehefrau, vgl. anders Wacker, Figurationen, 72: „Der Entblößung der Frau (2,11c–12) entspricht die Entblößung des Landes von seinen Gewächsen, die JHWH zurücknimmt bzw. durch „wilde Tiere“ (!) fressen läßt (2,14). Der einstmals beschenkten Frau wird vorgeführt, wer ihr wahrer Herr ist, indem ihre Liebhaber zu ohnmächtigen Zuschauern deklassiert werden, ihr selbst aber Gewalt angetan wird“ (Hervorhebung von mir). Dass die Entblößung der Scham (נבל+ )גלהeine gewalttätige (sexuelle) Handlung einschließt oder bezeichnet, ist eine Position, die auch von Baumann, Liebe und Gewalt, 56– 58.102, vertreten wird, jedoch eine Vermutung bleibt: „In einem Kontext
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Formulierung לא־יצילנה מידwird der Ehemann dabei als übermächtiger Feind/Gegner dargestellt, der seine Ehefrau in eine Situation der Bedrängnis bringt, aus der sie sich weder selbst retten noch von ihren Liebhabern gerettet werden kann.137 V.12 zeichnet einen grundsätzlichen Wandel im Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott nach: JHWH, der Israel wie ein Ehemann mit den Gaben seines Landes versorgte, wird angesichts der Untreue Israels zu dessen (übermächtigen) Feind; mit der Hingabe, mit der er sich Israel als Landes- und Staatsgott zuwendete, tritt er nun gegen Israel auf, wobei seine Reaktionen gegen Israel in einem reziproken Verhältnis zu den Aktionen Israels gegen ihn stehen.138 Dem Entzug des Zugriffs der Ehefrau auf die Gaben des Ehemannes im Rahmen der Ehe schließt sich in V.11b.12a die Ankündigung des Entzugs der im Rahmen der Ehe zur Verfügung gestellten Bekleidung an. Dass der Ehefrau alle Gaben (vgl. V.10a) von ihrem Ehemann genommen werden (vgl. V.11a.b), stellt jedoch keine Strafhandlungen dar, sondern Reaktionen auf das Handeln der Ehefrau: Es ist ihr Ehebruch, der den Ehemann von seinen ehelichen Versorgungspflichten entbindet. Wenn der Ehemann sich daher mitsamt seines Eigentums von der Ehefrau entfernt (V.11) und alle seine Gaben entzieht (V.12), so bewegt er sich dabei im Rahmen der Rechte, die ihm als (betrogenen) Ehemann zustehen.139 Während der Ehebruch der Ehefrau den Ehemann somit von seinen Pflichten
der Drohung und Bestrafung wie hier [sc. Hos 2,12] steht sie höchstwahrscheinlich für sexuelle Gewalt“ (Hervorhebung von mir). 137 Vgl. Hossfeld/Kalthoff, Art. נצל, 572. 138 Mit Vielhauer, Werden, 156f, kann V.12 zur (vorexilischen) Grundschicht von Hos 2 (Hos 2,4a.7b.12) gerechnet werden. Er sieht das Land, nicht das Volk Israel oder dessen Hauptstadt in der Rolle der Ehefrau. Seines Erachtens spiegelt „die Rede von der Schändung des Landes in 2,12 […] die Erfahrung der Plünderung durch die assyrischen Besatzer [wider]“. Diese wird dabei als JHWHs eigenes Werk [interpretiert]. Sie ist sinnfälliger Ausdruck der Trennung JHWHs von seinem Land. Die Schuld an dieser Situation trägt das Land, das die Trennung in der Hinwendung zu anderen Göttern selbst vollzogen hat“ (156). Die Grundschicht von Hos 2 verortet Vielhauer dabei in zeitlicher Nähe zur Komposition Hos 4,1–9,9. Beide Textkomplexe seien nach dem Untergang des Nordreiches verfasst worden und „mit dem Problem befaßt, die Folgen der Eroberung des Nordreiches durch die Assyrer theologisch zu verarbeiten. Dabei entdecken sie einen JHWH jenseits von Staat, Kult und Land. In der Loslösung JHWHs von allen staatlichen und geographischen Bindungen arbeiten sie theologiegeschichtlich derjenigen Gründungslegende Israels vor, die in der Exoduserzählung ihre narrative Ausgestaltung gefunden hat“. 139 Vgl. Kelle, Hosea 2, 254.
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entbindet,140 macht dieser gegenüber der Ehefrau von seinen Rechten Gebrauch. Befindet sich die Ehefrau dementsprechend „jetzt“ in der Hand ihres Ehemannes (vgl. V.12), so werden in V.13f durch die Verwendung von Perf. cons.-Formen Folgehandlungen beschrieben, die sich aus dieser Situation ergeben. Mit V.13 beginnt dabei der zweite Teil (V.13–15) der Schilderung einer zukünftigen Reaktion des Ehemannes, der jedoch in zunehmendem Maße durchlässig für die Deutung auf das Verhältnis zwischen dem Volk Israel und seinem Gott JHWH wird.141 Während der Ehemann sich der Ehefrau im ersten Teil seiner Reaktion (V.11f) zuwendet, um ihr die Ehegaben zu entziehen, wendet er sich seiner Ehefrau im zweiten Teil seiner Reaktion (V.13–15) zu, um den Kultfeiern und Festen (V.13), in deren Rahmen die Ehefrau „Geschenke“ (V.14) von ihren Liebhabern erhielt und diesen nachfolgte (V.15), ein Ende zu bereiten und schließlich seine Ehefrau für diese Tätigkeiten zur Rechenschaft zu ziehen (V.15). Die Trennung, die er vollzieht, ist keine Trennung zwischen sich und Israel/der Ehefrau, wie man angesichts des Ehebruches vermuten könnte, sondern eine Trennung Israels von den Zeiten und Anlässen, an denen der „Ehebruch“ vollzogen wurde.142 Statt einer Trennung JHWHs von Israel schildern die V.13–15 stattdessen eine an Intensität stetig zunehmende Zuwendung JHWHs an Israel, die schließlich in der Ankündigung einer persönlichen Rechenschaftsforderung mündet (vgl. V.15: פקדתי עליה, „Ich werde überprüfen gegen sie/an ihr […]“). Die Israel im Rahmen der Narration unterstellte Untreue gegenüber JHWH wird in den V.13–15 nicht im Rahmen einer fehlgeleiteten Bündnispolitik, sondern im Rahmen des innerisraelitischen Kultes verortet, der als fehlgeleiteter Kult kritisiert wird: Er ist nicht Ausdruck der kultischen Suche nach Begegnung mit JHWH, sondern Ausdruck von Wohlstandssucht (V.14) und „JHWH-Vergessenheit“ (V.15).143 Die Trennung, die innerhalb von V.13 zwischen Israels Kult und JHWH vollzogen wird,144 findet zunächst darin ihren Ausdruck, dass die genannten Festtage durch die Verwendung des Suffixes der 3.f.sg. allesamt als Festtage Israels („[…] all ihrer 140
Vgl. Vielhauer, Werden, 153, Anm. 97. Vgl. die Verwendung der Gottesspruchformel (נאם־יהוה, „Ausspruch JHWHs“) in V.15. 142 Dieser Bruch zwischen Israel und JHWH wird in V.15 unter Loslösung von der Ehebruchmetapher mit der theologischen Kategorie der Gottvergessenheit (ואתי ׁשכחה נאם־יהוה, „Aber mich hat sie vergessen, Ausspruch JHWHs“) ausgedrückt. 143 Vgl. Jeremias, Hosea, 45. 144 Vgl. Vielhauer, Werden, 156. 141
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Freude, ihrem Fest, ihrem Neumond und ihrem Sabbat und all ihren festgesetzten Zeiten“) gekennzeichnet werden, nicht aber als Festtage, die in irgendeiner Relation zu JHWH stehen. Die rahmende Verwendung von „( כלall[e], gesamt“) am Anfang und am Ende des Verses deutet dabei auf die textintern vertretene Ablehnung des gesamten JHWH-fremden Kultes hin. Diese Sicht einer vollständigen Ablehnung legt sich auch angesichts der gemeinsamen Nennung von Ernte- und Jahresfesten ( )חגzusammen mit Monatsfest ( )חדׁשbzw. Wochenfest ( )ׁשבתnahe,145 die den gesamten Festkalender Israels abdecken und mit der Ablehnung JHWHs konfrontieren. Die Trennung Israels/der Ehefrau von „ihren“ Festen wird dabei durch das Beenden ( ׁשבתHif.) dieser Festzeiten durch JHWH/den Ehemann herbeigeführt (V.13a). Die textintern vertretene Argumentationslogik ist dabei jedoch nicht, dass es „Feste […] nicht mehr geben [wird], weil kein Anlaß zur Feier mehr da ist“146, sondern dass JHWH der Freude und den Feiern ein Ende bereitet (vgl. Hos 9,5), da sie Ausdruck der Abkehr Israels von ihm sind, die er beenden möchte. Mit derselben Intention wird die Verwüstung (ׁשמם Hif.) der Kulturpflanzen „( גפנהihren Weinstock“) und „( תאנתהihren Feigenbaum“) und ihr Verzehr147 durch Wildtiere durch JHWH/den Ehemann angekündigt. Wie V.7b ist V.14 eine der Ehefrau in den Mund gelegte und vom Ehemann im Text wiedergegebene Aussage, in deren Rahmen die Kulturgüter des Landes von der Ehefrau/Israel nicht als Gaben des Ehemannes/des Landes- und Staatsgottes JHWH, sondern als Geschenke der Liebhaber, d. h. Fremdgötter betrachtet werden und ihr deswegen von ihrem Ehemann/JHWH entzogen werden. Den Abschluss der Abwendungs- und Entzugshandlung des Ehemannes/JHWHs, die in V.11 einsetzte, schildert V.15. Der Vers beschließt den Kompositionsabschnitt Hos 2,4–15 und weist auf der kompositionellen Ebene des Textes einen rahmenden Rückbezug zu V.4b auf: Die Amulette, die im Rahmen der Narration als Schmuck der Liebhaber als Beweis der Unzucht der Ehefrau betrachtet (V.4b) und von der Ehefrau als Ausdruck des Ablassens von ihrem Lebenswandel abgelegt werden sollen (V.4f), werden in V.15 mit Schmuck identifiziert, mit dem sich die Ehefrau – die ab V.13 zunehmend durchlässiger für eine Identifikation mit dem Volk Israel wird – im Rahmen der kultischen Begehung eines JHWH145
Jeremias, Hosea, 45, deutet den Sabbat als Wochenfest; Bons, Hosea, 51 verweist auf das Wortspiel zwischen dem Fest ׁשבתund der Tätigkeit des Ehemannes, der alle Feste „zur Ruhe (Sabbat = Ruhetag) [bringt]“. 146 Jeremias, Hosea, 45. 147 Vgl. Abschnitt 5.1.3.6.
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entfremdeten Kultes („die Tagen der Baale“, V.15a) angelegt hat. V.15 kommt die Funktion einer abschließenden Konfrontationsankündigung mit der Unzucht Israels gegen den eigenen Staats- und Landesgott JHWH zu, die als kritischüberprüfende Rechenschaftsforderung (V.15: )פקדgeschildert wird (vgl. Hos 4,9; 8,13; 9,9)148 und den Übertrag auf die Sachebene durch die Verwendung der Gottesspruch-Formel vornimmt.149 Zwischenergebnis Wie bereits die Verwendung von „gehen“ weist auch die Verwendung von „wenden“ in Hos 2,4–15 in den Buchkern Hos 5–7 zurück, aus dem die neue Leseanleitung des werdenden Hoseabuches ihre literarischen Vorlagen übernimmt und im Rahmen der narrativen Aktualisierung auf die Ehefrau überträgt. Geht man davon aus, dass Hos 2,8f ein sekundärer Zusatz ist, so ahmt die Argumentationsstruktur von V.7b und V.11a zunächst die Argumentationsstruktur von Hos 5,13f.15 nach, indem auf die gehend vollzogene Abwendung der Ehefrau von ihrem Ehemann in der Hinwendung zu den Liebhabern (V.7b) eine mit ׁשובbeschriebene Abwendung des Ehemannes erfolgt (vgl. Hos 5,15). Der sekundäre Zusatz V.8f verleiht der Argumentationsstruktur von Hos 2,4–15 eine neue Ausrichtung, indem nun die im Buchkern Hos 5–7 in der Selbstaufforderung von Hos 6,1 zur gehenden Umkehr zu JHWH als eine vom Ehemann antizipierte Reaktion der Ehefrau auf die in V.8 geschilderten Interventionen erhofft wird. Dass die Umkehr ausbleibt, wird dabei – ähnlich der Argumentation von Hos 5,3f – mit einer ausbleibenden Erkenntnis der Ehefrau begründet (vgl. Hos 2,10) und stellt den tiefsten Einschnitt im Text dar, der schließlich in der Abwendung des Ehemannes mitsamt seiner Ehegaben von der Ehefrau resultiert (vgl. Hos 2,11–14). Auf der vorliegenden Endtextbasis bildet die ausbleibende gehend vollzogene Umkehr der Ehefrau zum Ehemann aufgrund der ausbleibenden Erkenntnis das Scharnierstück, das die reziproke Schnittstelle zwischen der gehend vollzogenen Nachfolge hinter den Liebhabern als angenommenen Geber ( )נתניder Gaben (V.7b) und der Abwendung des Ehemannes 148
Vgl. Abschnitt 5.1.3.7. Betrachtet man dabei Hos 2 als kompositionelle Einheit, so ist das Kapitel in der vorliegenden Form von einer Bewegung gekennzeichnet, in der JHWH sich Israel zuwendet, um Israel alle Gnadengaben zu entziehen. Der Anlass ist dabei zwar die Untreue Israels; die Entzugshandlungen dienen jedoch nicht der Strafe, sondern sollen Israel „nackt und einfältig“ (vgl. V.5.11f.16) in die Ausgangssituation der Erstbegegnung mit JHWH „in der Wüste“ (vgl. V.16) zurückversetzen und dort eine erneute Begegnung und Beziehung ermöglichen (vgl. V.16ff). 149
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als des eigentlichen Gebers der Gaben (V.11a) bildet, der schließlich in V.11a–14 als derjenige in Erscheinung tritt, der seine Gaben der Ehefrau nimmt ()לקח, d. h. Israel den Zugriff auf die Landesgüter bzw. dem Land die Fruchtbarkeit entzieht und somit dem kultischen Abbruch der Beziehung über die Einstellung der „ehelichen“ Versorgung Ausdruck verleiht. 5.1.3.5 „Erkennen“ in Hos 2,10a Wie bereits im Rahmen der Analyse der Reziprozität der Geh- und Wendethematik in Hos 2,4–15 erkennbar wurde,150 so zeichnet sich auch für die Erkenntnisthematik in Hos 2,10a ab,151 dass die literarische Vorlage dem Buchkern Hos 5–7 entnommen wurde. Denn die ausbleibende Erkenntnis bzw. Anerkennung JHWHs durch Israel wird nur in Hos 5,3f thematisiert,152 einem Kompositionsabschnitt, der die Schuld für das geschichtliche Ergehen im israelitischen Kult verortet.153 Die Erkenntnisthematik findet im Buchkern (vgl. Hos 5,3f.9; 6,3.6; 7,9) ihren programmatischen Auftakt mit der Feststellung der vollständigen Kenntnis und Wahrnehmung Israels und seiner Vergehen durch den Staats- und Landesgott JHWH im Parallelismus von Hos 5,3f. Diese vollständige Wahrnehmung Israels und seiner Vergehen durch JHWH wird jedoch von Israel nicht reziprok erwidert (vgl. V.4b). Das Ausbleiben der Umkehr Israels zu JHWH wird dabei mit Israels kultischer Unzucht begründet, die eine Anerkennung JHWHs verhindert (V.4). Mit der antithetischen Gegenüberstellung eines vorhandenen bzw. nicht vorhandenen Wissens wird zugleich eine Beziehungsaussage formuliert, denn Wissen setzt eine innere bzw. äußere Zuwendung zum Objekt der Erkenntnis voraus. Der antithetische Parallelismus von V.3aβ ( יׂשראל לא־נכחד ממני, „Israel ist nicht verborgen vor mir“) verstärkt die 150
Für die Reziprozität des „Gehens“ in Hos 2,4–15 vgl. Abschnitt 5.1.3.3, für die Reziprozität des „Wendens“ in Hos 2,4–15 vgl. Abschnitt 5.1.3.4. 151 Bei V.10b handelt es sich wohl um einen späteren Nachtrag, vgl. Vielhauer, Werden, 148. 152 Von einer ausbleibenden Erkenntnis Israels ist ansonsten nur in dem politkritischen Text Hos 7,9 die Rede, bezieht sich dort jedoch nicht auf JHWH als Erkenntnisobjekt, sondern auf den (nach Darstellung der Tradenten) seitens Israels unerkannt bleibenden Zugriff Dritter auf die Ressourcen Israels, vgl. Kratz, Prophetenstudien, 289f. 153 Vielhauer, Werden, 227, betrachtet aufgrund dieser „sprachlichen und theologischen“ Ähnlichkeiten Hos 4,12b.16–19; 5,3–4; 6,10b; 7,4; 9,1–2.5) als Zusätze, „die Hos 2 in mehreren Schüben enger mit dem literarischen Kern des Buches verbinden“.
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Aussage der Wahrnehmung durch die Negation von Verborgenheit. Bei JHWH ist vollständige Kenntnis von Israel und seiner Vergehen aufgrund der persönlichen Zuwendung JHWHs zu Israel gegeben. Diese persönliche Zuwendung Israels in der erwünschten Umkehr zu JHWH (V.4a), bleibt jedoch aus. Als den Grund der ausbleibenden Umkehr zu JHWH nennt der כי-Satz von V.4b einen „Unzuchtsgeist“ (vgl. Hos 4,12) in Israels Inneren/Mitte, der eine Kenntnis und Anerkennung JHWHs durch Israel verhindert.154 Die vollständige Wahrnehmung und Kenntnis (der Vergehen) Israels durch JHWH in V.3a bildet einen antithetischen Gegensatz zu der vollständigen Unkenntnis und fehlenden Anerkennung JHWHs durch Israel in V.4b, die konzentrisch aufeinander bezogen sind.155 Im Zentrum der konzentrischen Figur steht dabei die ausbleibende Umkehr zu JHWH (V.4a).156 Dieser Vers bringt die Weigerung Israels zum Ausdruck, die wahrnehmende Zuwendung JHWHs zu erwidern. Als Folgen dieser ausbleibenden positiven Reziprozität Israels gegenüber JHWH schildern die V.5–7, dass Israel (und Juda) aufgrund ihrer Schuld ( )בעונםzu Fall kommen werden (V.5)157, sie JHWH im Kult nicht mehr finden werden, 158 da er sich nun dauerhaft von ihnen abgewendet hat (V.6: חלץPerf.) und sie die Folgen ihrer eigenen kultischen Treulosigkeit zu tragen haben (V.7).159 Hos 2,10a greift die Hos 5,3f zugrundeliegende Verweigerung von wahrnehmender Reziprozität in der Beziehungsstruktur auf: Diese wird im Rahmen von Hos 2,10a jedoch nicht durch die Formulierung einer konzentrischen Figur, sondern durch die Gegenüberstellung der ausbleibenden Erkenntnis der Ehefrau über die persönliche Zuwendung des Ehemannes in Form ihrer Versorgung mit Ehegaben ausgedrückt. 154
Vgl. 2.3.2; vgl. zudem Rattray/Milgrom, Art. קרב, 164: „Gottes Gegenwart in Israel war abhängig vom Gehorsam Israels, Israels Ungehorsam zog Gottes Rückzug oder seine Strafe nach sich (Ex 33,3); wenn er nicht inmitten Israels ist, dann befällt es das Böse (Dtn 31,17). Beide Sichtweisen ergänzen sich: Israels Gehorsam bewirkt Gottes Gegenwart, ohne die es nicht überleben kann“. Zum Verhältnis von Hos 4,12 zu Hos 5,4 vgl. die Abschnitte 2.3.2 und 4.1.3.5. 155 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 60. 156 Vgl. Ders., Hosea, 75. 157 Dem Vers kommt nach Jeremias, Hosea 4–7, 60 eine Brückenfunktion zwischen V.3f und V.6 zu, in dem Schüler Hoseas die Schuld Israels mit dem Stichwort „Hochmut“ deuten; Vielhauer, Werden, 78 betrachtet den Vers als Einzelzusatz. 158 Vgl. Abschnitt 2.3.2. 159 Deutet man im Anschluss an Bons, Hosea, 83f die Aussage von V.7b als eine Begehung des (vorexilischen) Neumondfests, mit dem kultisch verwerfliche (Fruchtbarkeits-)Riten verbunden werden, so kann dies als ein Indiz für die frühe Abfassung des Hoseabuches betrachtet werden.
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Dass die Umkehr der Ehefrau aus Hos 2,9b ausbleibt, wird wie in Hos 5,3f mit einer ausbleibenden Erkenntnis der Ehefrau begründet (vgl. Hos 2,10). Hos 2,10 stellt den tiefsten Einschnitt in Hos 2,4–15 dar, der schließlich in der Abwendung des Ehemannes mitsamt seiner Ehegaben von der Ehefrau resultiert (vgl. Hos 2,11–14). Die ausbleibende Erkenntnis der Ehefrau (V.10a), die der Grund für die ausbleibende gehend vollzogene Umkehr der Ehefrau zum Ehemann ist, bildet im vorliegenden Text das theologische Scharnierstück zwischen der gehend vollzogenen Nachfolge hinter den Liebhabern als den angenommenen Gebern ( )נתניder Gaben (V.7b) und der Abwendung des Ehemannes als des eigentlichen Gebers der Gaben (V.11a). Aufgrund der ausbleibenden Erkenntnis des Ehemannes als des eigentlichen Gebers der Ehegaben tritt dieser ab V.11ff als derjenige in Erscheinung, der seine Gaben seiner Ehefrau nimmt ()לקח, d. h. dem Land Israel (vgl. V.5) die Fruchtbarkeit (vgl. V.5.14b) bzw. dem Volk Israel den Zugriff auf die Landesgüter entzieht (vgl. V.10b.f). Zudem verleiht er dem kultischen Abbruch der Beziehung durch Israel über die Einstellung der „ehelichen“ Versorgung Ausdruck und erweist auf diese Weise zugleich seine den „Liebhabern“ überlegenen Macht (vgl. V.12). Wie in Hos 5,3–7 (vgl. V.6) ist es dabei auch in Hos 2,10 das Verhalten der Ehefrau, das in einer Bestätigung des endgültigen Beziehungsabbruchs durch den Ehemann resultiert. Zwischenergebnis Wie in Hos 5,3–7 die ausbleibende Anerkennung JHWHs durch Israel im Kult, ist es in Hos 2,10a die ausbleibende Erkenntnis bzw. Anerkennung des Ehemannes als des eigentlichen Gebers der Ehegaben durch die Ehefrau, die in einer Bestätigung des von der Ehefrau in der Hinwendung zu den Liebhabern (V.7b) vollzogenen Beziehungsabbruchs durch den Ehemann resultiert. Während die Erkenntnisthematik in Hos 5,3f in eine konzentrische Figur eingebettet ist, in deren Zentrum die ausbleibende Umkehr zu JHWH steht (vgl. V.4a), kommt der Erkenntnisthematik in Hos 2,10a eine Schlüsselrolle als Scharnierstück zwischen der Annahme der Liebhaber als den Gebern der Ehegaben und der Verweigerung der Anerkennung bzw. dem Ausbleiben der Erkenntnis des Ehemannes als des eigentlichen Gebers dieser Gaben zu. Nur weil diese Erkenntnis seitens der Ehefrau ausbleibt und keine Umkehr ( )ׁשובzu ihrem Ehemann stattfindet (V.9b), wird er ab V.11 als derjenige dargestellt, der sich von seiner Ehefrau abwendet ( )ׁשובund ihr in diesem Beziehungsabbruch alle Ehegaben nimmt ()לקח.
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Im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 wird der Untergang des Nordreichs von den Tradenten als Scheitern einer Ehe aufgrund der Unzucht der Ehefrau dargestellt. Gemäß dieser Narration erlebt Israel in dieser geschichtlichen Situation einen endgültigen Beziehungsabbruch zum eigenen Landes- und Staatsgott JHWH, der ihnen nicht nur allen Reichtum und alle Sicherheit entzieht, sondern ihnen zugleich als Feind entgegentritt, aus dessen Hand es keine Rettung gibt (V.12b; vgl. Hos 5,14b). Dieser Vorgang wird im Rahmen der Narration als reziproke Reaktion des Ehemannes auf die ausbleibende Umkehr (vgl. V.9b) der Ehefrau zu ihm aufgrund der von ihr kultisch vollzogenen Unzucht begründet (V.4b.7b), die eine Anerkennung JHWHs als desjenigen verhindert, der für die Versorgung und Sicherheit seiner Ehefrau eigentlich verantwortlich zeichnet (V.10a; vgl. Hos 5,3f). Hos 2,10a formuliert zwar eine narrative Neuninterpretation von Hos 5,3f, basiert dabei jedoch zugleich auf der von Hos 5,3f; 6,10b; 8,11–13 und 4,6–14 entwickelten Kultkritik, in welcher die Schuld für das geschichtliche Ergehen des Nordreichs zunehmend in den israelitischen Kult verlagert und dort mit dem Verwerfen der Erkenntnis durch die Priester in Verbindung gebracht wird (vgl. Hos 4,6). Hos 2,10a zeigt, dass die Verwerfung der Erkenntnis kein abstrakter Vorgang ist, sondern eine Verwerfung der Beziehung zum eigenen Staats- und Landesgott JHWH darstellt. 5.1.3.6 „Verzehren“ in Hos 2,14 Von „essen, verzehren“ ( )אכלist in Hos 4,8; 5,7; 7,7.9; 8,13f und 9,3f die Rede. Die Hos 2,14 parallele Aussage, dass Israel bzw. zu Israel gehörige Objekte durch eine dritte Größe verzehrt werden, findet sich jedoch nur in Hos 5,7 („ ;עתה יאכלם חדׁש את־חלקיהםJetzt wird sie verzehren ein Neumond zusammen mit ihren Landanteilen“); 7,9 („ ;כחוseine Kraft“) und 8,14 („ ;ארמנתיהihre Palastfestungen“). Kontextuell stellt sich das Verzehrtwerden an allen drei Belegstellen als Folge einer Abwendung von JHWH dar: In Hos 5,3–7 ist es die ausbleibende Umkehr zu JHWH im Kult, die mit einer Verweigerung, JHWH anzuerkennen begründet und dabei mit der Hingabe Israels an die eigenen kultischen Unzuchtstaten in Verbindung gebracht wird (vgl. Hos 5,3f), die eine reziproke Reaktion JHWHs nach sich zieht. Diese besteht darin, dass er sich Israel im Kult endgültig entzieht (V.6) und der Kult – repräsentiert über das personifizierte Neumondfest – als der Ort, an dem Israel nach den Tradenten losgelöst von JHWH seine Versorgung,
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Fruchtbarkeit und Existenzsicherung suchte, Israel mitsamt seinen Landanteilen verzehren wird ()אכל. Die Botschaft der Tradenten ist eindeutig: Ein JHWH-entfremdeter Kult wird sich nicht durch eine positive Reziprozität auszeichnen, sondern Israel nur zum Schaden gereichen und in einem Verlust der eigenen Existenz und der Anteile am Land JHWHs resultieren. In Hos 7,7 ist es die ausbleibende Anrufung JHWHs durch die Könige in der Innenpolitik des Staates Israel, die zum zentralen Merkmal einer JHWH-entfremdeten Monarchie erklärt wird und kontextuell als der Grund ersichtlich wird, wieso Israel einen von außen kommenden verzehrenden ( )אכלZugriff auf die Ressourcen (;כחו „seine Kraft) des Staates durch Fremde nicht erkennt (V.9). In Hos 8,14160 ist es Israels Vergessen JHWHs als des eigenen Schöpfers ( עׂשהוPart.) im Bestreben nach einer von JHWHabgelösten Selbständigkeit, die sich im Bau von Festungsbauten in Israel (und Juda) realisiert,161 die eine reziproke Reaktion JHWHs darin findet, dass er ein Feuer in die Städte und Palastfestungen werfen wird, das sie verzehren wird ( )אכלund damit die tatsächliche Schutzlosigkeit eines JHWH-entfremdeten Staates verdeutlicht (vgl. V.4), der dem Angriff des eigenen Landes- und Staatsgottes schutzlos ausgeliefert ist (vgl. V.1). In Hos 2,14 präsentiert sich das Verzehrt-Werden als eine weitere Folge des Ausgeliefertseins der Ehefrau an den Ehemann. Nachdem die Ehefrau von ihren Festen getrennt wurde, indem diese vom Ehemann beendet wurden ( ׁשבתHif.), kündigt er zunächst an, גפנה („ihren Weinstock“) und „( תאנתהihren Feigenbaum“) zu verwüsten ( ׁשמםHif.). Die Wohlstand und Frieden repräsentierenden Kulturpflanzen162 werden dabei durch die Verwendung des Suffixes der 3. Pers. f.sg. zwar erneut als zur Ehefrau gehörend dargestellt, zugleich jedoch als Güter präsentiert, welche die Ehefrau nicht vor dem Zugriff ihres Ehemannes schützen kann (vgl. V.14aα). Die aggressiv-zerstörerische Zuwendung JHWHs zu diesen Gewächsen wird dabei mit einer Aussage begründet, die der Ehefrau erneut als Zitat in den Mund gelegt wird (V.14aβf; vgl. V.7b). Im Rahmen dieses „Zitates“ wird ersichtlich, dass die Ehefrau beide Gewächse 160
Bei Hos 8,14 handelt es sich wohl um einen späteren Zusatz, vgl. Jeremias, Hosea, 112: „Ein judäischer Zusatz in V. 14 nimmt der Zielaussage in 8, 13 ihre Kraft […]. […] Mit dem Verb ‚vergessen‘ wird ein hoseanischer Terminus aufgegriffen (2, 15; 4, 6; 13, 6), dagegen wird Gott nie bei Hosea ‚Schöpfer‘ Israels genannt (wohl aber später bei Deuterojesaja: Jes 44, 2; 51, 13 u. ö.)“. 161 Vgl. Jeremias, Hosea, 112. 162 Die formelhafte Rede von Weinstock und Feigenbaum begegnet auch in Jes 36,16; Mi 4,4; Sach 3,10.
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als Geschenke ()אתנה163 betrachtet, die ihr von ihren Liebhabern gegeben ( )נתןwurden. Wie bereits in V.7b.10a verdeutlicht die Aussage von V.14a, dass Israel den eigenen Wohlstand und Frieden nicht auf ihren Ehemann,164 sondern auf ihre Liebhaber zurückführt. Indem JHWH ihr beides nimmt, erweist er sich daher als derjenige, der die wahre Verfügungsgewalt über ihren Wohlstand und Frieden besitzt (vgl. V.12b). Bezüglich beider Kulturpflanzen ergeht von dem Ehemann her daher die Ankündigung, dass er sie zu „( יערWald, Dickicht“) machen wird und Wildtiere die ehemaligen Kulturpflanzen fressen werden ()אכל. Indem Kelle darauf hinweist, dass V.14 „uses language similar to that of treaty-curses that refer to the destruction of trees and the establishment of a jungle with wild animals“165, übersieht er die Parallelen, die im Hoseabuch selbst vorliegen und dabei die literarische Vorlage für die Formulierung von Hos 2,14b darstellten. Die Aussage von V.14b weist dabei eine gewisse Nähe zu der Aussage von V.5b auf. Das Motiv der Verwüstung und Verwilderung, das bereits in V.5b verwendet wurde, erscheint hier erneut und stellt ebenfalls eine Reaktion JHWHs in Form des Entzugs von Versorgung dar.166 In beiden Fällen dient es der Veranschaulichung des Statusverlustes als „Ehefrau“, der Folge der kultischen Abwendung von JHWH ist, der in Hos 2,4–15 mit dem Bild der Ehe ausgedrückt wird und jetzt den durch die Verwüstung vollzogenen Entzug der zur Verfügung gestellten Landesgüter nach sich zieht. Mit Wüste/trockenem Land und Wald/Dickicht sind Orte benannt, die Chaos und Lebensfeindlichkeit repräsentieren. Indem Israel von den Tradenten unterstellt wird, dass es den Status des zu JHWH gehörenden Volkes durch die Zuwendung zu Fremdgöttern im Kult freiwillig aufgab (V.4b.7b) und nicht zu JHWH umkehrte ()ׁשוב, da es JHWH nicht als 163
Das Wort אתנהwird in der Forschung zumeist mit Varianten von „Dirnenlohn“ wiedergegeben (vgl. Wolff, Hosea, 36; Rudolph, Hosea, 62; Jeremias, Hosea, 45; Vielhauer, Werden, 151). Im Kontext von V.14a macht dies jedoch keinen Sinn, da es sich um eine Aussage handelt, die Israels/der Ehefrau in den Mund gelegt wird. Da diese sich selbst jedoch nicht als Prostituierte wahrnimmt und von ihren „Liebhabern“ („die, die ich liebe“) spricht, deren Gaben sie mit der ehelichen Versorgung verwechselt (vgl. V.10f), wird sie selbst diese Gaben (im Rahmen der Narration) kaum als „Lohn/Bezahlung“, sondern vielmehr als „Liebesgaben/Geschenke“ wahrnehmen; vgl. Hos 9,1. 164 Vgl. Kelle, Hosea 2, 258: „The motif of destroying vines and fig-trees reverses a common formula for peace and prosperity“. 165 Vgl. ebd.; vgl. zudem Abschnitt 5.1.3.6. 166 Vgl. Kelle, Hosea 2, 259: „This description relies on the common motif in prophetic literature that divine judgment results in the transformation of cultivated areas into desert wasteland“.
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den eigentlicher Geber der eigenen Versorgung im Land erkannte (V.9f), wird es in einer Reaktion JHWHs (V.11: )לכןmit den Folgen dieser Entscheidung konfrontiert: JHWH wendet sich ab ( )ׁשובund nimmt ( ;לקחV.11) Israel die eheliche Versorgung. Dieser Entzug der Versorgungsgüter stellt sich in V.14 als ein zweistufiger Vorgang dar. Da Israel seinen Wohlstand und Frieden auf die Liebhaber und nicht auf JHWH zurückführte, wird ihm von JHWH beides genommen, wie die zunächst angekündigte Verwandlung der beiden, Wohlstand und Frieden repräsentierenden Kulturpflanzen „Weinstock und Feigenbaum“ zu Wald/Dickicht ausdrückt. Die von Israel nutzbaren Kulturpflanzen werden in für den menschlichen Verzehr nicht geeignete Pflanzen transformiert. Wie in V.5b wird Israel auch in V.14 mit den Folgen des Verlassens JHWHs als Landesherren konfrontiert, die sich als Entzug der Israel von ihm im Rahmen der Beziehung zur Verfügung gestellten Versorgungsgüter darstellen und mit Trockenheit und Lebensfeindlichkeit repräsentierenden Bildern ausgedrückt wird (vgl. die Verwendung von ׂשיםzum Ausdruck der Transformation in V.5b und V.14). Während V.5b dabei deutlich macht, dass es für Israel keine von JHWH losgelöste Existenz geben kann (;והמתיה בצמא „und dann lasse ich sie sterben durch Durst“), verdeutlicht V.14b Israels Unvermögen, den eigenen Frieden und Wohlstand losgelöst von JHWH sichern zu können, wie der zweite Teil des Entzugsprozesses der Kulturgüter verdeutlicht: ;ואכלתם חית הׂשדה „und dann wird sie das Tier des Feldes fressen“. Durch den Verzehr der ehemaligen Kulturpflanzen durch wilde Tiere, die in Hos 4,3 als durch die Abwendung Israels von JHWH in Mitleidenschaft gezogene „Mitbewohner“ des Landes präsentiert werden, wird einerseits der vollständige Entzug der Landesgüter durch JHWH als reziproke Reaktion ausgedrückt. Andererseits und in Anlehnung an die literarischen Vorlagen in Hos 5,3–7; 7,7.9 und 8,14 wird auf diese Weise ein Verzehrvorgang von ehemals zu Israel gehörigen Objekten durch eine dritte Größe angekündigt, die sich als „Mitbewohner“ im Land gegen Israel wendet, deren verzehrenden Zugriff Israel durch die Abwendung von JHWH selbst ermöglicht hat und den es nicht verhindern kann. Zwischenergebnis Während Hos 2,14 auf Hos 5,3–7; 7,7.9 und 8,14 als literarische Vorlagen zurückgreift, ist es in Hos 2,14 weder ein personifiziertes Kultfest (vgl. Hos 5,7), noch eine politische Großmacht (vgl. Hos 7,9), noch ein Feuer (vgl. Hos 8,14), dessen verzehrender ()אכל Zugriff auf ein ursprünglich zu Israel gehörendes Objekt als Folge
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(vgl. V.11: )לכןder aufgrund einer ausbleibenden Erkenntnis sich nicht vollziehenden Umkehr zu JHWH (vgl. V.9f) angekündigt wird. In Hos 2,14 sind es mit den „Tieren des Feldes“ ( )חית הׂשדהvielmehr die wilden „Mitbewohner“ des Landes (vgl. Hos 4,3), die im Land als diejenigen angekündigt werden, die Israel die zu Gestrüpp transformierten Kulturgüter endgültig entziehen. Wie in Hos 5,7; 7,9 und 8,14 kann Israel diesen verzehrenden Zugriff, der zugleich einen Entzug der Kulturgüter darstellt, nicht verhindern. Hos 2,4–15 schildert dabei eine Konfrontation der von Israel kultisch vollzogenen Untreue gegenüber JHWH im Land (V.4b.15). Indem Israel die eigene Existenzsicherung im Land auf Fremdgötter (vgl. V.4b.10b.15), nicht aber auf JHWH als Geber der Gaben (vgl. V.10a: „ ;נתתיich gab ihr…“) zurückführte, vollzieht dieser einen reziproken Transformationsprozess des Landes bzw. des Volkes, in dessen Rahmen er nicht nur das Land bzw. das Volk (V.5b), sondern zugleich die Landesgüter (V.7b.10a) und Kulturpflanzen (V.14a) zu lebensfeindlichem Wüst- und Waldland (V.5b.14) transformiert und auf diese Weise die Existenzsicherung Israels im Land unmöglich macht (vgl. „ ;לקחnehmen“ und „ ;הצלwegnehmen“ in V.11). Der vollständige und endgültige Entzug der Kulturpflanzen wird dabei durch den verzehrenden Zugriff der Wildtiere in V.14 ausgedrückt. 5.1.3.7 „Überprüfen“ in Hos 2,15 Von einem „Rechenschaft fordern“ ( )פקדJHWHs ist bereits in Hos 4,9.14; 8,13 und 9,9 die Rede. Eine kompositionsabschließende Funktion kommt dieser Konfrontationsankündigung dabei schon in Hos 8,13 als dem Abschluss der Komposition Hos 5–7 und Hos 9,9 als dem neuen Abschluss der Komposition Hos 4–9 und Zitat von Hos 8,13 zu. Die neue Leseanleitung des wachsenden Hoseabuches in Hos 2,4–15 übernimmt diese Abschlussperspektive, indem auch in V.15 der Abschluss und Höhepunkt der Abwendungs- und Entzugshandlungen des Ehemannes/JHWHs, die in V.11 einsetzen, mit der Rechenschaftsforderung JHWHs ausgedrückt wird. Das Vergehen, mit dem die Ehefrau/Israel von JHWH/dem Ehemann konfrontiert wird, ist die kultische Begehung der „Tage der Baale“ (V.15a: „ ;ופקדתי עליה את־ימי הבעליםUnd ich werde überprüfen an ihr/gegen sie die Tage der Baale“), mit der drei die Abwendung von JHWH repräsentierende Handlungen verbunden werden: die wiederholte Darbringung von Rauchopfern für die als Fremdgötter präsentierten Baale (vgl. V.15aα: )תקטיר להם, das Anlegen von Schmuck (V.15aβ: )ותעד נזמה וחליתהsowie das Nachgehen hinter ihren Liebhabern (vgl. V.15bα: )ותלך אחרי מאהביה. Dieses Verhalten
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kulminiert in der abschließenden, klagend-vorwurfsvoll vorgebrachten Feststellung JHWHs: „( ואתי ׁשכחה נאם־יהוהAber mich hat sie vergessen, Ausspruch JHWHs“) in V.15bβ. V.15 stellt die Klimax der in den V.11f.13–15 angekündigten Reaktion JHWH/des Ehemannes dar, in deren Rahmen er Israel/seine Ehefrau aufgrund des Ehebruches zunächst alle Ehegaben – von Nahrung und Bekleidung (V.11f) bis zu Festen und Geschenken (V.13ff) – nimmt. Während die V.10ff bereits durchlässig sind für die (Einstellung der) Versorgung Israels im Land durch JHWH als Landesherrn, werden die Verse ab V.13 zunehmend durchlässiger für eine Deutung auf das Verhältnis zwischen dem Volk Israel und seinem kultisch verehrten Landes- und Staatsgott JHWH, da durch die Erwähnung von Festen (V.13), der Darbringung von Opfern (V.15) und der schlussendlichen Identifizierung der Liebhaber mit „Baalen“ (V.15) erkennbar wird, dass das Bild des „Ehebruches“ der Ehefrau in Hos 2,4–15 für eine kultische Untreue Israels gegenüber JHWH steht, der sie durch die Landesgüter (V.10a) versorgte, sie beschützte (V.11b) und ihnen Frieden und Wohlstand schenkte (V.14a).167 Die kultische Verankerung dieser Beziehung und Gaben (V.13) wird dabei bereits in V.13 von JHWH her reziprok aufgelöst. Auf der kompositionellen Ebene ergeht dabei die Begründung für die von JHWH her vollzogene vollständige Beendigung ( ׁשבתHif.) dieser Feste in V.15a. In V.15a werden die Feste Israels (vgl. V.13) nicht nur als „Tage der Baale“ ( )ימי הבעליםdiskreditiert und zugleich verurteilt, sondern auch die entsprechenden Praktiken geschildert, die an diesen Tagen für die Baale vollzogen wurden und sie daher als JHWH-Feste disqualifizieren.168 Mit der Verwendung des Lexems „( ׁשכחvergessen“) wird dabei die vollständige Abwesenheit JHWHs in den Gedanken Israels beschrieben und der Überzeugung Ausdruck verliehen, dass, wer nicht in den Gedanken anwesend ist, auch im Handeln nicht prägend wirkt (vgl. hingegen Hos 8,13; 9,9). Das Vergessen JHWHs ist bei Israel an die Stelle der Erkenntnis JHWHs getreten (vgl. V.10; vgl. Hos 4,6).169 Israels Identität ist nicht mehr länger durch JHWH 167
Die Durchlässigkeit des Bildes vom Ehebruch entsteht dabei vor allem durch die Ankündigung der Beendigung von Kultfeiern (V.13), durch die Parallelisierung der Liebhaber mit Baalen (V.15a) sowie durch die abschließende Verwendung der Gottesspruchformel (V.15b), durch welche die gesamten vorherigen Ankündigungen nicht mehr als Ankündigungen eines Ehemannes gegenüber seiner untreuen Ehefrau erscheinen, sondern als Ankündigungen des Staatsgottes JHWH gegenüber seinem Volk Israel. 168 Vgl. Abschnitt 5.1.3.3. 169 So auch Jeremias, Hosea, 46: „Vergessen […] ist bei Hosea Oppositionsbegriff zur ‚Gotteserkenntnis‘, dem umfassenden Begriff
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definiert, sondern durch einen Kult, der durch JHWH-Vergessenheit charakterisiert ist. Rechnet man im Anschluss an Vielhauer V.15 zusammen mit Hos 2,4b–5.10a.11 zu einer dtr geprägten Ergänzungsschicht von Hos 2, welche die vorexilische Komposition Hos 4,1–9,9 voraussetzt und in enger Relation zu dieser steht,170 so zeigt sich, dass die Rechenschaftsforderung ( )פקדJHWHs gegenüber Israel in Hos 2,15 zusammen mit der Rechenschaftsforderung ( )פקדJHWHs gegenüber Israel zunächst in Hos 8,13 und dann auch in Hos 9,9 als mahnender Rahmen der Komposition dienen. Während dabei die mit פקד formulierten Ankündigungen der Rechenschaftsforderungen durch JHWH einen Bezug zwischen den rahmenden Kapiteln Hos 2 und Hos 9 bilden, wird durch die zugleich vorgenommene Gegenüberstellung von Israels JHWH-Vergessenheit (Hos 2,15: )ׁשכח mit JHWHs Gedenken an Israels Schuld (Hos 8,13; 9,9: )זכרdie Abkehr Israels von JHWH mit der stetigen Zugewandtheit JHWHs zu Israel kontrastiert. Diese stellt sich jedoch in beiden Fällen als eine Zuwendung dar, in deren Rahmen Israel für das eigene Verhalten zur Rechenschaft gezogen wird. JHWH hält die Reziprozität zwischen Israels Aktionen und seinen Reaktionen somit „im Guten wie im Bösen“ aufrecht („konnektive Gerechtigkeit“) und beweist auf diese Weise seine Gemeinschaftstreue. Die Theologie einer grundsätzlichen Reziprozität zwischen Israels Aktionen und JHWHs Reaktionen ist somit bereits in der Komposition Hos 4,1–9,9 die Leitidee des entstehenden Hoseabuches. Zwischenergebnis Die Rechenschaftsforderung JHWHs gegenüber Israel zieht sich als Kompositionslinie durch das wachsende Hoseabuch. Während sie zuerst als Abschlussperspektive der Komposition Hos 5–7 in Hos 8,13 verwendet wurde und dort bereits die innerlich-gedenkend und äußerlich-überprüfend vollzogene reziproke Reaktion JHWHs auf eine israelitische Kultausübung darstellte, die von den Tradenten als an den eigenen Interessen, aber nicht als an der Herstellung einer Mahlgemeinschaft mit JHWH interessiert präsentiert wurde (vgl. Hos 8,11–13), wurde diese Rechenschaftsforderung im Rahmen der neuen Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 aufgegriffen und so bereits zu einer die Komposition Hos 4–8 rahmenden Kompositionslinie intakter Gottesgemeinschaft in Dankbarkeit für Gottes Taten und in entschlossenem Gehorsam gegenüber seinem Willen“. 170 Vgl. Vielhauer, Werden, 153; 227; fraglich erscheint jedoch die Abhängigkeit, die Vielhauer für die Ergänzungsschicht von Hos 2 von Ez 16 annimmt (vgl. aaO, 227).
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ausgestaltet. Entsprechend der zu beobachtenden Fokussierung auf den Kult als dem „Ort“, an dem die Abwendung von JHWH in Israel ihren Ausgang nahm und schließlich den Untergang des Nordreichs ermöglichte,171 konnte in Hos 4,6–9.13f die Fokussierung der Rechenschaftsforderung auf das Priestertum und die Männer des israelitischen Volkes beobachtet werden, die für die kultische Abwendung von JHWH verantwortlich gemacht wurden, die nun durch die Verwendung des dem Gedenken JHWHs (vgl. Hos 7,2; 8,13; 9,9) entgegengesetzten Begriffes des Vergessens der Weisung JHWHs und der Erkenntnis ausgedrückt wird (vgl. V.6; vgl. V.15). Die unmündigen Frauen im israelitischen Volk werden hingegen für ihre fehlgeleitete Kultausübung in Form von Sexualriten nicht von JHWH zur Rechenschaft gezogen (vgl. V.14a), da sie dem Verantwortungsbereich der israelitischen Männer zugeordnet werden (vgl. V.14). Die überprüfende Auseinandersetzung JHWHs mit dem Kult (Hos 8,13) bzw. den für die Kultausübung im Land verantwortlichen Priestern und Männern (Hos 4,6–9.13f) wird zur rahmenden Leseanleitung des wachsenden Hoseabuches. Hier ist zum ersten Mal auch die reziproke Relation zwischen dem Vergessen der Weisung und Erkenntnis JHWHs (Hos 4,6) durch die Priester und die Männer im Volk und dem Gedenken der Schuld Israels und dem Überprüfen der Sünden Israels durch JHWH (vgl. Hos 8,13; 9,9) formuliert. Der neue Abschluss der Komposition Hos 4–9 in Hos 9,9 nimmt als Zitat von Hos 8,13 diese Kompositionslinie auf und führt sie fort. Die neue Einleitung der Komposition Hos 4–9 in Hos 2,4–15 lässt sich von dieser vorgefundenen Kompositionslinie inspirieren und verwendet die Rechenschaftsforderung JHWHs im Rahmen der als Leseanleitung fungierenden neuen Einleitung als Schlusswort. Auf diese Weise erweist sich Hos 2,4–15 als narrative Miniatur der Botschaft von Hos 4–9. 5.1.4 Ertrag Die Narration Hos 2,4–15 hat sich als eine kompositionelle Einheit erwiesen.172 In dieser kompositionellen Einheit beschreiben die Tradenten die in Hos 4–9 als Abwendung vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH dargestellte Hinwendung des Staates Israel zu dritten Größen in Politik und Kult als Unzucht einer Ehefrau. Diese mit „Liebhabern“ (vgl. V.7b.14b) vollzogene Unzucht wird im 171 172
Vgl. u. a. Hos 5,3f; 6,10; 7,4; 8,11–13; 4,6–14; 2,6f.15. Vgl. Abschnitt 5.1.2.
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Rahmen eines vom Ehemann initiierten Streits konfrontiert und resultiert schließlich im Vollzug der Abwendung von der Ehefrau mitsamt allen Ehegaben (vgl. V.11ff) und in der Konfrontation (V.15: )פקדder Ehefrau mit ihrem Verhalten. Hos 2,4–15 zeigt sich dabei von einem reziproken Grundmuster geprägt. Dieses wird im Anschluss an die Streiteröffnung (V.4a) durch die Gegenüberstellung von zwei grundlegenden Bewegungen konstituiert: Zunächst wird die gehend ( )הלךvollzogene Hinwendung der Mutter/Ehefrau zu ihren Liebhabern geschildert, die sie für die Geber ( נתניPart.) ihrer ehelichen Versorgung hält (vgl. V.7b). Diese Hinwendung stellt als Abwendung vom eigenen Ehemann den Inbegriff ihrer Unzucht (vgl. V.4b.6f: )זנהdar. Daran schließt sich zunächst die Schilderung der Ermöglichung einer gehend ()הלך vollzogenen Rückkehr ( )ׁשובder Ehefrau zum Ehemann an (V.8f). Diese Möglichkeit zur Rückkehr wird jedoch von der Ehefrau nicht genutzt, da sie nicht erkannt hat (V.10a: )והיא לא ידעה, dass es ihr Ehemann war, der sie versorgt hat (V.10b). Angesichts der ausbleibenden Erkenntnis und Umkehr der Ehefrau schließt sich als Reaktion jetzt die Schilderung der Abwendung (V.11a: )ׁשובdes Ehemannes an, der mit dem Entzug seiner eigenen Person der Ehefrau auch seine Ehegaben wieder nimmt (V.11: )לקח. Somit erweist sich der Ehemann nicht nur gegenüber der Ehefrau als der wahre Geber der ehelichen Versorgungsgaben, sondern zugleich als den Liebhabern überlegen (V.12b). Bei der narrativen Formulierung des geschichtlichen Ergehens Israels haben die Tradenten auf kompositionsleitende Reziprozitätskonzepte aus Hos 4–9, insbesondere jedoch aus dem Buchkern Hos 5–7 zurückgegriffen. So fällt zunächst auf, dass Hos 2,4 das Streitsetting aus der (nach Hos 5,1) zweiten Bucheinleitung Hos 4,1 übernimmt und narrativ ausgestaltet. Wie in Hos 4,1 über die Differenzierung zwischen den Israeliten und den Landesbewohnern wird dabei in Hos 2,4 über die Differenzierung zwischen anklagenden Söhnen (V.4a) und mitangeklagten Söhnen (V.6) den Lesenden eine Möglichkeit der Identifizierung mit dem Volk JHWHs gegeben, ohne sich zugleich mit den vor JHWH schuldig gewordenen Parteien identifizieren zu müssen. Zugleich wird durch die Übernahme der Landesperspektive aus Hos 4,1–3 die Distanzierung des Landes- und Staatsgottes JHWHs von seinem Land beibehalten und in den Fokus der Narration einer Ehescheidung von Hos 2,4–15 gerückt. Auf diese Weise bleibt das Streitsetting als Leseanleitung aus Hos 4,1 auch im Rahmen der neuen Leseanleitung in Hos 2,4–15 erhalten und präsentiert das geschichtliche Ergehen Israels als Folge einer Abwendung vom eigenen Landesgott, der sein Volk mit dessen Vergehen konfrontiert. Hos 2,4–15 tritt auf diese Weise an die Stelle des mit Hos 9,1–9
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einen Rahmen bildenden Kapitel Hos 4,1–19. Als neue Einleitung der Komposition Hos 4–9 präsentiert Hos 2,4–15 JHWH als den wahren Geber der Lebensgrundlage Israels im Land, das er Israel mitsamt den Landesgütern aufgrund der Vergehen gegen ihn reziprok entzieht – wie Hos 9,1–9 schildert. Diese Perspektive findet sich schließlich geschichtlich in Hos 9,10–17 ausgestaltet (vgl. V.15). Gleiches lässt sich auch für die Übernahme der kompositionsabschließenden Konfrontationsankündigung beobachten, die zunächst in Hos 8,13 und dann in Hos 9,9 den Abschluss der Komposition bildet: Sie wurde bereits in Hos 4,6–14 aufgenommen und zu einer die Komposition rahmenden Konfrontationsankündigung als Reaktion JHWHs auf die Abwendung Israels von ihm ausgestaltet und dabei kultisch verortet (vgl. Hos 8,13; 4,6.13f). Auf diese Weise wird zum ersten Mal eine reziproke Relation zwischen dem Vergessen der Weisung und Erkenntnis JHWHs (Hos 4,6) durch die Priester und die Männer im Volk und dem Gedenken der Schuld Israels und dem Überprüfen der Sünden Israels durch JHWH (Hos 8,13; 9,9) formuliert. Hos 2,15 führt auch diese Perspektive fort und verwendet die Rechenschaftsforderung JHWHs im Rahmen der als Leseanleitung fungierenden neuen Einleitung als Schlusswort. Auf diese Weise erweist sich Hos 2,4–15 als narrative Miniatur der Botschaft von Hos 4–9. Im Rahmen dieser narrativen Miniatur werden kompositionsleitende Reziprozitätsstrukturen des Buchkerns Hos 5–7 aufgenommen und in die Narration integriert, teilweise ohne dabei eine aktualisierende Neuinterpretation vorzunehmen. Vielmehr werden die inhaltlichen Konzeptionen der Reziprozitätsaussagen aus Hos 5–7 im Rahmen von Hos 2,4–15 vorweggenommen, um auf diese Weise als Leseanleitung fungieren zu können. Nicht „aktualisierende Neuinterpretation“, sondern das Vertrautmachen der Lesenden mit den grundsätzlichen Bewegungsstrukturen, die die reziproke Dynamik in der Beziehung zwischen Israel und dem eigenen Landesund Staatsgott JHWH in Hos 5–7 ausdrücken, scheint die Intention der Tradenten bei der Formulierung von Hos 2,4–15 gewesen zu sein. So überrascht es nicht, dass sie in das Zentrum der Narration den Vorwurf der „Unzucht“ stellen – ein theologisches Interpretament, das sowohl im Buchkern (Hos 5,3f; 6,10b) als auch in den rahmenden Kapiteln Hos 9,1 und Hos 4,11–14 dazu dient, die Schuld für das geschichtliche Ergehen Israels im Land und im Landeskult zu verorten.173 Dabei stellt Hos 2,4 durch die Verwendung von „Unzucht“ und „Ehebruch“ einen klaren Bezug zwischen der Unzucht der Ehefrau/Mutter und den kultisch vollzogenen 173
Vgl. Vielhauer, Werden, 227.
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Sexualriten aus Hos 4,13 her, die dort ebenfalls im Rahmen eines Parallelismus als „Unzucht treiben“ und „ehebrechen“ subsumiert und ihrem Wesen nach als gegen den Willen JHWHs gerichtete Kultausübung charakterisiert werden (vgl. Hos 4,2).174 Auch Hos 2,6–7a greift auf die Argumentation des Buchkerns zurück: Ist es in Hos 5,7 der Neumond, der die als „fremde“ Söhne bezeichneten Kinder frisst ( ;אכלvgl. auch Hos 2,14)175 und der Annahme einer positiven Reziprozität der von Israel ausgeübten Kultpraxis in Form von gewährter Fruchtbarkeit jeglichen Boden entzieht, ist es im Rahmen der Narration Hos 2,4–15 JHWH als Ehemann, der diesen „Söhnen der Unzucht“ (Hos 2,6b) die Annahme als legitime Kinder verweigert und stattdessen Ehefrau und Kinder mit dem Vorwurf der Unzucht konfrontiert (V.6f). Eine weitere konzeptuelle Übernahme liegt in Hos 2,7b.9b.15b mit der Aufnahme der Geh-Konzeption aus dem Buchkern Hos 5–7 vor. So schildert auch Hos 2,4–15 die gehende Abwendung der Ehefrau von ihrem Ehemann als Hinwendung zu einer dritten Größe, die im Buchkern mit unterschiedlichen politischen Großmächten (vgl. Hos 5,11: Aram176; 5,13: Assyrien; 7,11: Assyrien), in Hos 2,7b.15b hingegen zunächst mit „Liebhabern“ identifiziert wird, die in V.15b durchlässig für die Deutung als Fremdgötter („Baale“) werden. Ihre Erwiderung findet diese Abwendung der Ehefrau in den in V.5f.8.11–13.14b.15 geschilderten Reaktionen des Ehemannes. Die deutlichste Reziprozität besteht dabei zwischen der gehend ()הלך vollzogenen Hinwendung der Ehefrau zu den Liebhabern (V.7b), der ausbleibenden gehend ( )הלךvollzogenen Umkehr ( )ׁשובzum Ehemann (V.9b) – die eine narrative Neuinterpretation der Selbstaufforderung aus Hos 6,1 darstellt – und der Abwendung ()ׁשוב des Ehemannes von der Ehefrau. Die Relation zwischen dem Ehemann und den Liebhabern wird dabei durch die reziproke Struktur von „geben“ (V.7b.10a) und „nehmen“ (V.11) formuliert. Dabei handelt es sich um ein in der Komposition Hos 4–9 nicht vorbereites, neues Reziprozitätskonzept, das vor allem dazu dient, die
174
Vgl. Abschnitt 5.1.3.2. Während Hos 2,14 auf Hos 5,3–7; 7,7.9 und 8,14 als literarische Vorlagen zurückgreift, sind es in Hos 2,14 mit den „Tieren des Feldes“ ( חית )הׂשדהjetzt die wilden „Mitbewohner“ Israels im Land (vgl. Hos 4,3), die als diejenigen angekündigt werden, die Israel die zu Gestrüpp transformierten Kulturgüter im Land endgültig entziehen. Wie in Hos 5,7; 7,9 und 8,14 kann Israel diesen verzehrenden Zugriff, der zugleich ein Entzug der Kulturgüter darstellt, nicht verhindern. 176 Vgl. Jeremias, Hosea, 82. 175
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Überlegenheit und den Alleinverehrungsanspruch JHWHs als Staatsund Landesgott Israels zu betonen.177 Das zentrale theologische Scharnierstück zwischen den Liebhabern als den angenommenen Gebern der Versorgung (V.7b) und des Ehemannes als des wahren Gebers der Versorgung (V.10) stellt dabei das ausbleibende Erkennen bzw. Anerkennen ( )ידעdieses Ursprungs der eigenen Versorgung durch die Ehefrau in V.10a dar. Es resultiert textintern im Ausbleiben der Rückkehr der Ehefrau zum Ehemann und infolgedessen im Rückzug des Ehemannes mitsamt aller Gaben und fungiert zugleich als theologische Blaupause für die Erkenntnisbelege in der Komposition Hos 4–9, in dem sie die ausbleibende Anerkennung bzw. Erkenntnis des eigenen Landes- und Staatsgottes zum Dreh- und Angelpunkt der Reziprozität im geschichtlichen Vollzug der Beziehung zwischen Israel und JHWH erklärt.
177
Vgl. Vielhauer, Werden, 227.
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5.2 Hos 14,2–10 als Buchabschluss des Hoseabuches 5.2.1 Übersetzung und Textkritik Hos 14 2 3
4
5
178
Kehre doch178 um, Israel, zu JHWH, deinem Gott, denn du bist ins Straucheln geraten durch deine Sünde. Nehmt mit euch Worte und kehrt um zu JHWH; sagt zu ihm: Alles179 wirst du wegnehmen/heben (an) Sünde und nimm Gutes180 (an) und wir wollen Ersatz leisten (mit) Früchten/Jungbullen181 unserer Lippen. Assyrien wird uns nicht retten, auf ein Pferd werden wir nicht steigen und nicht mehr werden wir sagen „Unsere Götter!“ zum Werk unserer Hände, denn bei dir ist Erbarmen für einen Waisen. Ich werde heilen ihre Abwendung, ich werde sie lieben aus Freiwilligkeit, denn abgekehrt hat sich mein Zorn von ihm182.183
He-adhortativum (Funktion: Abtönung). Für eine adverbielle Verwendung des vorangestellten כל, vgl. GK28 §128e; Freedman, Chain, 536 vermutet eine „broken construct chain“ (vgl. auch Jeremias, Hosea, 168). LXX setzt ַּבלvoraus (vgl. Wolff, Hosea, 300f., der sich dieser Lesart anschließt). Rudolph, Hosea, 247 argumentiert gegen die von LXX gebotene Lesart, der im Anschluss an Gordis, Text, 89 eine beteuernde Bedeutung beigemessen wird (vgl. Ps 16,2): „Mag es auch im Ugarit. diese Bedeutung haben […], ist es doch nicht sicher, ob man das auch ohne weiteres fürs Hebr. annehmen darf“. 180 Vielhauer, Werden, 187 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass „die Singularität der Wendung “וקח־טובkein Anlass für Konjekturen ist; ich schließe mich dem von ihm unterbreiteten Deutungsvorschlag an, wonach טובparallel zu פרים ׂשפתינוzu verstehen ist und etwas meint, „das Israel JHWH darbringt, etwa die Zusage, sich zu bessern, ein aufrichtiges Bekenntnis o. ä.“ (aaO, 188). 181 LXX (und S) liest καρπὸν („Frucht“, vgl. Prov 12,14; 13,2; 18,20; Jes 57,19); diese Lesart beruht eventuell auf einer anderen Vorlage; es kann sich aber auch um eine Vereinfachung (lectio facilior) der schwierigeren Lesart von MT handeln, vgl. u. a. Macintosh, Hosea, 562–566; Vielhauer, Werden, 188. 182 Im Anschluss an Rudolph, Hosea, 248 wird der Sg. des MT (gegen LXX) beibehalten; „das Sing.-suffix ist für unser Sprachgefühl hart […], nicht aber für das hebräische“. 183 Im Anschluss an BHQ besteht kein Grund, die letzten vier Worte in V.5 als Glosse zu streichen; sie finden sich in allen antiken Texten und Übersetzungen. 179
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Ich werde sein wie der Tau für Israel, es wird (auf)blühen wie die Lilie184, und es wird schlagen185 seine Wurzeln wie der Libanon186.187 Seine Triebe werden gehen/sich ausbreiten,188 und es wird sein wie der Ölbaum seine Pracht, und ein Duft in Bezug auf es wie der Libanon.189 Zurückkehren werden die in seinem Schatten190 Sitzenden191, und sie werden aufs Neue beleben (das) Getreide192 und sie werden (auf)blühen wie der Wein(stock), sein Ruf ist wie der des Weins vom Libanon. Efraim193, was in Bezug auf mich194
Nach Rudolph, Hosea, 248 kann es sich um einen Gattungsbegriff handeln, der „neben den Lilien auch die Iris- und Tulpenarten [einschließt]“. 185 נכהbringt hier das „Hineinstoßen“ von Wurzeln in den Boden und somit die künftige Standfestigkeit bzw. den sicheren Bestand Israels in der Zukunft zum Ausdruck (vgl. das Gegenbild in Hos 14,2b; vgl. darüber hinaus 1Sam 2,14; 19,10). 186 Alle antiken Versionen bestätigen den Namen „Libanon“, der „im übertragenen Sinn für den ‚Wald des Libanon’“ steht (Vielhauer, Werden, 188). 187 Vgl. Jes 37,11. 188 Vgl. zum Mask. des Verbums bei fem. Subjekt GK 28 §145p. 189 Vgl. Hhld 4,11. 190 בצלוwird in der exegetischen Forschung teilweise für eine Verlesung im Anschluss an V.7b gehalten, die im Rahmen der Gottesrede wenig Sinn mache, vgl. Wolff, Hosea, 301; Rudolph, Hosea, 248, vgl. aber Hhld 2,3. Vielhauer, Werden, 199, Anm. 55 verweist jedoch zu Recht darauf, dass die Änderung des Suffixes in die 1.mg.sg. keine Textzeugen hinter sich hat. Er geht aufgrund der Parallele in Hhld 2,3, in der sich „das ‚Sitzen in seinem Schatten’ ( )יׁשבי בצלוauf den Liebespartner bezieht“ vielmehr davon aus, dass es sich dabei um eine Rolle handelt, „die in Hos 14,6–9, liest man den Abschnitt vor dem Hintergrund des Ehegleichnisses aus Hos 2, JHWH einnimmt“. Dieser Sicht wird sich angeschlossen. 191 Als Grund für die Auflösung der (seltenen) Verbindung eines Status constr. mit einem Präpositionalausdruck durch LXX und S kann im Anschluss an BHQ eine Vereinfachung der Syntax angenommen werden (so auch Vielhauer, Werden, 188). 192 Jeremias, Hosea, 168 verweist auf Jes 58,11, vokalisiert mit LXX und S („aufleben wie ein Garten“); seines Erachtens „verläßt MT irrtümlich kurz die Bildrede“ (ebd.). Dies erscheint jedoch als ein unzureichender Grund, die von MT gebotene lectio difficilior nicht beizubehalten. 193 S fügt ein zusätzliches Verb ein („Und Efraim sprach“), wodurch der Satz als Aussage Efraims interpretiert wird. 194 Jeremias, Hosea, 168 liest im Anschluss an LXX („Efraim – was hat es (jetzt) noch mit den Götzenbildern zu schaffen?“), so auch bereits Rudolph, Hosea, 249, der ebenfalls lô liest und Efraim als casus pendens versteht.
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ist noch in Bezug auf die Götzen? Ich, ich habe geantwortet und ich werde ihn anschauen,195 Ich bin wie ein üppiger Wacholder, weg von mir ist deine Frucht zu finden. Wer ist weise, dass196 er diese (Dinge/Sätze) versteht, ein Gelehrter, dass er sie erkennt?197 Ja, gerade sind die Wege JHWHs und die Gerechten gehen auf ihnen, aber die Rebellierenden werden ins Straucheln geraten auf ihnen.
5.2.2 Kompositionsstruktur und literarische Genese Wie u. a. bereits von Jeremias und Vielhauer gesehen, zeichnet sich die Komposition von Hos 14,2–10 dadurch aus, dass sie „eine Vielzahl von Leselinien des vorangehenden Buchkontextes aufnimmt, bündelt und zum Ziel führt“198, so dass dem Schlussabschnitt „nicht nur strukturell, sondern auch hermeneutisch eine hervorgehobene Funktion für das Buchganze zu [kommt]. Er gibt dem Buch den Verstehenshorizont vor“199. Dabei ist Vielhauers Einschätzung zuzustimmen, wonach es wahrscheinlicher erscheint, dass Hos 14,2–10 „Aussagen aus verschiedenen Texten zusammenzieht, als daß der Abschnitt durch die genannten Bezugstexte aufgenommen und ausgeführt wird“200. Die Aufnahme der Leselinien aus dem bestehenden Buchkontext geschieht dabei auf dem Weg von Stichwortaufnahmen. Diese Stichwortaufnahmen rufen Vielhauer, Werden, 189 hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass es „in MT für einen Sprecherwechsel keine Anzeichen [gibt]“. Stattdessen sei „die kunstvolle Gestaltung des Verses mit ממני- אני- אני- ]…[ מה־ליim Gegenteil eher ein Hinweis dafür, daß JHWH durchgängig als Sprecher gedacht ist“ (ebd.). 195 Gegen die wirkmächtige Konjektur Wellhausens (vgl. Wellhausen, 134) wird im Anschluss an Vielhauer, Werden, 200 die Sicht vertreten, dass V.9 keinen Vergleich JHWHs mit Göttinnen zum Ausdruck bringt, sondern der Vers JHWH in der Rolle des Ehemannes zeigt, dessen Nebenbuhler „wie in 4,17; 8,4 und 13,2 als עצביםbezeichnet werden“ (vgl. auch Yee, Composition, 136–140; Frevel, Aschera, 346–349). 196 Vgl. GK28 §166a; vgl. Wolff, Hosea, 310, der V.10a als mit ו-copul. (mit Impf.) eingeleiteter Fragesatz versteht (vgl. auch LXX, V). 197 Anders Vielhauer, Werden, 201 mit Verweis auf GesB 419: „Wer ist weise? Er verstehe dies! Wer ist klug? Er erkenne es!“. 198 Vielhauer, Werden, 203. 199 AaO, 184. 200 AaO, 192, dort jedoch zunächst nur mit Bezug auf Hos 14,2–4.
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den Lesern am Ende des Buches noch einmal abschließend und „im Blick auf die mit Stichwörtern ‚zitierten’ Stellen“201 die hoseanische Botschaft von JHWHs Treue und Israels politischer, kultischer und gesellschaftlicher Untreue gegenüber JHWH in Erinnerung. Auf diesem Weg wird einerseits Kontinuität zwischen dem Abschlusskapitel und der Botschaft des bestehenden Buchs hergestellt. Andererseits wird diese Botschaft unter Aufnahme leitender Stichworte aus dem bestehenden Buchkontext zugleich in eine Heilsbotschaft transformiert, die in enger Relation zu der Heilsbotschaft der zukünftig wiederhergestellten Ehe zwischen JHWH und Israel von Hos 2,16ff steht. Vielhauers Einschätzung, wonach der Schlussabschnitt Hos 14,2–10 „dem Buch den Verständnishorizont vor[gibt]“202, muss dahingehend korrigiert bzw. erweitert werden, dass Hos 14 zusammen mit Hos 2 einen das Hoseabuch rahmenden Verstehenshorizont bildet und dabei das Ehegleichnis aus Hos 2 als Metametapher für eine von JHWH wiederhergestellte (vgl. Hos 14,5) Beziehung mit Israel verwendet, wie insbesondere in Hos 14,5–9 deutlich wird.203 Diese thematische Verbindung von Hos 14 zu Hos 2 hat dabei auch Vielhauer gesehen, wenn er schreibt: „Hos 14,6–9 [fügt] der Heilsverheißung in V.5 eine Beschreibung der kommenden Heilszeit hinzu. Vegetations- und Liebesmetaphorik rufen das Ehegleichnis aus Hos 2 in Erinnerung, zu dessen heilvollen Passagen von Wiederannahme und Aufblühen Israels in V.16–25 sachlich die engsten Berührungen bestehen“204. Hos 14,2–9 weist dabei mit prophetischer Umkehraufforderung (V.2– 4) und göttlicher Heilsverheißung (V.5–9) zwei Teile auf,205 die u. a. durch die wiederholte Verwendung der Wurzel „( ׁשובumkehren, zurückkehren“) miteinander verbunden sind (Hos 14,2.3.5.8)206. Dabei handelt es sich bei der in V.2–4 geforderten Umkehr nicht um eine Voraussetzung für die in den V.6–9 geschilderten Heilsankündigungen,207 sondern um eine Option, die sich von V.5 her – der „eigentliche[n] Mitte des Stückes“208 – als eine von JHWH für Israel aus Liebe eröffnete Möglichkeit darstellt, dauerhaft in die 201
AaO, 203, dort jedoch nur mit Bezug auf Hos 14,10. AaO, 184. 203 Vgl. aaO, 198: „Hos 14,6–9 [fügt] der Heilsverheißung in V.5 eine Beschreibung der kommenden Heilszeit hinzu. Vegetations- und Liebesmetaphorik rufen das Ehegleichnis aus Hos 2 in Erinnerung, zu dessen heilvollen Passagen von Wiederannahme und Aufblühen Israels in V.16–25 sachlich die engsten Berührungen bestehen“. 204 AaO, 198 (Hervorhebung von mir). 205 Vgl. aaO, 190. 206 Vgl. ebd. 207 Vgl. Wolff, 302; Jeremias, Hosea, 169. 208 Wolff, Hosea, 302. 202
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Beziehung mit ihm zurückzukehren (vgl. Hos 14,5; Hos 2,21) und so seiner Versorgung im Land wieder teilhaftig zu werden und selbst eine heilvolle Existenz zu führen. Hos 14,10 erweist sich als ein späterer weisheitlich geprägter Nachtrag, der den Lesern das Hoseabuch als Gegenstand weisheitlicher Reflexion präsentiert und dabei „die Heilsaussagen des Buches auf die Gerechten […], die Unheilsaussagen dagegen auf die Frevler bezieht“209 und auf diese Weise die Leser vor die Wahl stellt, selbst ein Leben „auf den geraden Wegen JHWHs“ (vgl. Hos 14,10b) zu leben oder wie die Frevler auf diesen „zu Fall zu kommen“. Die erstrebte bzw. verfehlte Erkenntnis JHWHs, die über das Ergehen des Einzelnen entscheidet und dabei eines der prägenden Topoi des Hoseabuches ist, wird von Hos 14,10 als die zentrale Lese- und Zielperspektive des Hoseabuches präsentiert. In der älteren Forschung wurde Hos 14,2–9 dabei oft mit der Zeit Salmanassars V. in Verbindung gebracht.210 Anders als bei Hos 13,1– 14,1211 nahm Wolff dabei keine „Zeichen öffentlicher Auseinandersetzung“ mehr in Hos 14,2–9 wahr und ging stattdessen von einer Abfassung „im judäischen Grenzgebiet“212, vielleicht „im engeren Kreis der Oppositionsgemeinschaft“213 aus. Nach Rudolph handelt es sich bei Hos 14,2–9 um einen Text, den ein Redaktor „aus der ihm zugänglichen Hoseatradition“214 auswählte. Seines Erachtens liegt „die Übereinstimmung dieses Abschnitts mit der sonstigen Verkündigung Hoseas […] so sehr auf der Hand, daß die Zahl der Bestreiter der Echtheit immer mehr zusammenschmilzt“215. Er sieht dabei keine Notwendigkeit, den Untergang des Nordreichs oder „die Zeit unmittelbar vor dem Ende“216 für Hos 14,2–9 vorauszusetzen. Vielmehr sei „auch in den Jahren zuvor […] immer wieder das Urteil gerechtfertigt [gewesen], daß Israel ‚durch eigene Schuld zu Fall gekommen ist’“217. Eine etwas andere Position vertritt Jeremias. Er fasst Hos 14,1 als das „vielleicht späteste überkommene Wort Hoseas“218 auf, das „vermutlich in die Zeit der schon begonnenen dreijährigen 209
Vielhauer, Werden, 203. Vgl. Wolff, Hosea, 303; Rudolph, Hosea, 250; 211 Vgl. aaO, 298: „13,1–14,1 zeigte noch einmal alle Merkmale eines öffentlichen Auftritts Hoseas auf“. 212 Wolff, Hosea, 303. 213 Ebd. 214 Rudolph, Hosea, 249f. 215 AaO, 250. 216 Ebd. 217 Ebd. 218 Jeremias, Hosea, 167. 210
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Belagerung Samarias [gehört]“219, da nur noch von Samaria, nicht aber mehr von Efraim die Rede sei.220 Bezüglich Hos 14,2–9 kommt er zu der Einschätzung, dass der Abschnitt „kein Wort Hoseas selber ist, sondern ein Aufruf, den die mit Hosea Lebenden und mit ihm an der Schuld Israels Leidenden im engsten Anschluß an seine Worte und in seiner Vollmacht (V. 5.9) nach dem Untergang des Nordreichs 722 (vgl. V. 2b.5b.9a) sprachen“221. Es sei daher von einer redaktionellen Bildung auszugehen.222 Die ältere literarkritische Forschung hielt Hos 14,2–9 für einen redaktionellen Zusatz.223 Wendet man sich den Rekonstruktionsversuchen der literarhistorischen Genese von Hos 14,2–9 in der jüngeren Forschung zu, so zeichnet sich ebenfalls kein Konsens ab. Während Gisin von der Einheitlichkeit des Kapitels und der Verfasserschaft Hoseas für das gesamte Hoseabuch ausgeht,224 vertritt Rudnig-Zelt die Sicht, dass „bei weitem das meiste“225 aus Hos 14 „frühestens aus der Exilszeit stammen [kann]“226. Dabei repräsentiere Hos 14,2–4.6–8 „die gesamtisraelitischen Hoffnungen der nachexilischen Zeit, denn es ist nirgends eine Eingrenzung auf eine Teilgröße innerhalb des Gottesvolkes erkennbar“227. Nach Rudnig-Zelt handelt es sich bei Hos 14,2–4.6–8 um einen Bestandteil einer „Konglomeratschicht von ‚Abfall-Umkehr“-Texten […], [die] einen Gesamtüberblick über die Geschichte Israels von der Frühgeschichte über Abfall und Gericht bis zur letztendlichen Umkehr des Volkes zu Jahwe [implizieren]“228. Dabei sei erkennbar, dass „diese jüngeren Redaktoren [annehmen], daß das Volk in einer Notlage seine Verfehlungen einsehen und zu Jahwe zurückkehren werde, so 2,8f; 5,15; 6,1–3; 14,2–4“229. Hos 14,5 219
Ebd. Vgl. ebd. 221 AaO, 169. 222 Vgl. Jeremias, Eschatologie, 231–233. 223 Vgl. u. a. Marti, 104f; Harper, 408f; Nowack, 79. 224 Vgl. Gisin, Hosea, 269–282. 225 Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 43. 226 Ebd. 227 AaO, 65f. 228 AaO, 269. Zu dieser Konglomeratschicht aus Abfall-Umkehr-Texten rechnet Rudnig-Zelt Hos 1,8f; 2,4–25; 4,9.12; 5,5a.9b; 5,12–14; 5,15–6,3; 9,1f.10.15; 12,3–7.11.13f; 14,2–4.6–8 (vgl. ebd.). Aufgrund der Gemeinsamkeiten der Textstücke sei zu folgern, dass „eine relativ geschlossene Redaktorengruppe die beiden Buchteile Hos 1,1.2b–4.6 und Hos 4–14* mit kleinteiligen Zusätzen versieht […]. Diese Redaktorengruppe will Hos 2,4–25 als Leseanleitung positionieren und damit ein Vorverständnis für die Lektüre der folgenden Abschnitte vorgeben“ (ebd.). 229 AaO, 270. 220
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stellt nach Rudnig-Zelt einen Versuch der „nachchr. Zeit“230 dar, „Texte wie 7,1a […]; 11,3b zurechtzurücken: Diese ‚jüngsten samariapolemischen’ Texte sollen in Hos nicht das letzte Wort haben“231. Hos 14,10b sei neben Hos 4,6a.11.14b Bestandteil einer „kleine[n] weisheitliche[n] Konglomeratschicht […], die Hos 4–14 rahmt, indem sie ihre Kommentare am Anfang und am Ende dieser Einheit platziert“232. Sie rechnet diese weisheitlichen Reflexionsstücke zu den „nach-‚priesterkritischen’ Nachträgen“233.234 Vielhauer vertritt im Anschluss an Jeremias die Sicht, dass in Hos 14,2–10 „Leselinien aus dem vorangehenden Buchkontext aufgenommen, gebündelt und zum Ziel geführt [werden]“235. Dabei betrachtet er die V.5–9 als nachträgliche Fortschreibung der V.2–4, „da ohne V.2–4 die Pluralsuffixe in V.5 unbestimmt blieben“236.237 Der Nachtragscharakter von V.10 werde wiederum daran ersichtlich, dass der Vers einerseits „den Adressatenkreis […] auf die Gerechten [einengt]“238, andererseits „einen Standpunkt außerhalb des Buches [einnimmt], auf das er sich mit אלהbezieht“239. Entsprechend dieser Einschätzung sei der literarische Kern von Hos 14,2–9 in dem Bußruf der V.2–4 zu finden.240 Nach Vielhauer ist in Hos 14,2–9 nicht mit Spuren mündlicher Verkündigung zu rechnen: „Vielmehr hat sich herausgestellt, daß der Abschnitt von vornherein für den Buchkontext verfaßt wurde und auf jeder Entwicklungsstufe dem Buchganzen einen neuen Lesehorizont mit eigenem literarischen Bezugssystem vorgibt“241.242 Dieses literarische Bezugssystem macht er
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AaO, 155. Ebd.; während Rudnig-Zelt auf S.155 Hos 14,5 als Zusatz ansieht, der – neben Hos 3,5 – in hellenistischer Zeit eine Relativierung der jüngsten Samariapolemik dient, nennt sie auf S.278 nur Hos 14,5b. 232 AaO, 192, Anm. 269. 233 AaO, 192. 234 Zu Hos 14,9 äußert sich Rudnig-Zelt nur im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Frage nach der Verwendung von „Efraim“ im Hoseabuch, vgl. aaO, 50. 235 Vielhauer, Werden, 184; vgl. Jeremias, Eschatologie, 231–233. 236 Vgl. aaO, 190f. 237 Zu einer anderen Einschätzung der literarhistorischen Genese kommt Wacker, Figurationen, 251–253, die den V.5–9* die Priorität vor V.2–4 zuschreibt, welche sie in „die frühnachexilische Zeit“ (aaO, 253) datiert; vgl. jedoch den begründeten Einwand gegen die Priorität von V.5–9* gegenüber V.2–4 von Vielhauer, Werden, 191, Anm. 18. 238 AaO, 190. 239 Ebd. 240 Vgl. ebd.; diese Sicht wird u. a. auch von Schart, Entstehung, 174 und Pfeiffer, Heiligtum, 161f. vertreten. 241 AaO, 200. 231
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hauptsächlich an den thematischen Stichwortaufnahmen fest.243 So zeige die „wörtliche Aufnahme der Ankündigung 5,5bα“244 in Hos 14,2b, dass Hos 14,2–4 bereits „auf das Gericht […] zurück[blickt]“245. Somit sei eine Datierung „nach 723/20“246 anzunehmen. Dabei gehe man aufgrund der Nähe von Hos 14,2–4 zur „spätdeuteronomistische[n] Umkehrtheologie“ nicht fehl, „den Autor von Hos 14,2–4 in die Nähe dieser späten Form des Deuteronomismus zu rücken“247. So habe Hos 14,2–4 „nie selbstständig für sich bestanden […], sondern [wurde] von vornherein für den Buchkontext verfaßt […], aus dem er Formulierungen zusammenzieht und dem er einen neuen Lesehorizont im Sinne spätdeuteronomistischer Umkehrtheologie vorgibt“248. Die Entstehungsgeschichte von Hos 14,2–9 lasse sich dabei in einer „wellenförmige[n] Bewegung von Umkehrforderung (V.2–4) über unbedingte Heilsverheißung (V.5.6–7) zurück zur Mahnung (V.9)“249 beschreiben. Dabei können die V.6–9 als Fortschreibung von V.5 betrachtet werden, die „der Heilsverheißung in V.5 eine Beschreibung der kommenden Heilszeit hinzu[fügen]250. Aber auch sie bilden keinen „originäre[n] Zusammenhang“251; vielmehr handele es sich bei V.8 um einen Zusatz, der „die Bilder vom Gedeihen Israels vorübergehend in konkrete Aussagen von Heimkehr und Getreideanbau überführt“252 und auch bei V.9 sei eine „jüngere Hand“253 erkennbar.254 242
So bereits Wolff, Hosea, 303: „Die Zeichen öffentlicher Auseinandersetzung sind gewichen“. 243 Exemplarisch zeigt Vielhauer dies insbesondere an Hos 14,2–4: „Die Formulierungen von Hos 14,2–4 stehen also nicht für sich, sondern samt und sonders in Beziehung zu anderen Formulierungen im Buch“ (Vielhauer, Werden, 191). 244 Vielhauer, Werden, 191. 245 Ebd. 246 AaO, 192.194. 247 AaO., 196. 248 Ebd. 249 AaO, 200. 250 AaO, 198. 251 Ebd. 252 Ebd. 253 AaO, 199. 254 Vielhauer, Werden, 204f fasst die Entstehung von Hos 14 folgendermaßen zusammen: „Am Anfang des sukzessiven Interpretationsprozesses in Hos 14,2–10 stand der Bußruf in V.2–4, der die Umkehrthematik des Buches aufgreift und weiterführt. Begegnete diese im Buch einzig und allein zum Zwecke des Schuldaufweises, eröffnet die geforderte Umkehr in 14,2–4 Israel die Möglichkeit eines Neuanfangs nach
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5.2.3 Die von JHWH für Israel ermöglichte positive Reziprozität als buchabschließende Heilsvision 5.2.3.1 „Sich wenden, umkehren“ in Hos 14,2f.5b.8 Dass Hos 14,1 nicht den Auftakt von Hos 14, sondern den Abschluss von Hos 13 bildet, kann als Konsens gelten.255 So bezeichnete bereits Wolff Hos 14,1 als „zusammenfassenden Schlußvers“ von Hos 13,256 in dem sich die „dreigliedrig[e] Urteilsfolgebestimmung“257 finde. Dabei weichen in Hos 14,1 die Todesbilder aus Hos 13 schließlich „der Ansage des Todes mit seinen harten Daten“258. Zugleich bildet Hos 14,1 zusammen mit Hos 13,1 durch die Stichwortaufnahme von אׁשםeine Inklusio um die Komposition von Hos 13 und beweist auch auf diese Weise seine Zugehörigkeit zum vorangehenden Kapitel: „Mit dem Schlußvers kehrt die Komposition zum Anfang zurück. Das mit dem Baal ‚verschuldete’ Efraim muß diese ‚Schuld büßen’ dem Gericht. Das Hoseabuch erhält so eine heilvolle Gesamtausrichtung, die konzeptionell enge Berührungen mit spätdeuteronomistischer Umkehrtheologie aufweist. Eine weitere Neuinterpretation erfuhr das Buch durch die Anfügung von Hos 14,5. Gegenüber der Umkehrtheologie von V.2–4 streicht dieser Vers JHWHs vorauseilende, bedingungslose Liebe heraus, die Umkehr und Neuanfang Israels allererst möglich macht. Daß JHWH Israel trotz dessen Unfähigkeit, aus eigener Kraft zu ihm zurückzukehren, mit Liebe begegnet, davon war ja bereits in Hos 11 zu lesen. Doch hier, am Schluß des Buches, setzt JHWH Israels Abwendung ein für allemal ein Ende, indem er sie heilt. Hos 14,6–9 beschreiben Israels Heil im Sinne des Ehegleichnisses aus Hos 2. Während V.6–7 vor diesem Hintergrund als ideale Verwirklichung des Verhältnisses zwischen JHWH und Israel verstanden werden können, greift V.9 noch einmal hinter dieses Ideal zurück und gibt dem Buch einen mahnenden Schlußpunkt: Der Vers warnt vor der Hinwendung zu JHWHs Nebenbuhlern und unterstreicht so seinen Alleinverehrungsanspruch. Der Einzelzusatz V.8 dagegen hat innerhalb des Ensembles V.6–9 lediglich einen lokalen Haftpunkt; ihm zufolge konkretisiert sich das Heil in der Rückkehr aus dem Exil. Eine letzte Neuinterpretation erhielt das Buch schließlich durch die Zufügung von Hos 14,10. Bestimmend für das Verhältnis der [sic!] Buches ist nunmehr eine Differenzierung innerhalb von Israel in Gerechte und Frevler. Dementsprechend sind die Heilsaussagen des Buches auf die Gerechten, die Unheilsaussagen dagegen auf die Frevler bezogen. Der Vers versteht das Hoseabuch als Quelle weisheitlicher Gelehrsamkeit, als Anleitung zur Erkenntnis Gottes im Leben des einzelnen – eine Entwicklung, wie sie sich auch im Psalter (vgl. Ps 1) und im Buch Jesus Sirach (vgl. Sir 39,24) beobachten läßt“. 255 Vgl. Wolff, Hosea, 288.297f; Rudolph, Hosea 246; Jeremias, Hosea, 167. 256 vgl. Wolff, Hosea, 297. 257 AaO, 298. 258 Ebd.
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(beides besagt ʼāšam, weil für hebräisches Denken Schuld eine sich auswirkende Macht ist)“259. Dabei wird Hos 14,1 von Jeremias als das „vielleicht späteste überkommene Wort Hoseas“260 angesehen, das „vermutlich in die Zeit der schon begonnenen dreijährigen Belagerung Samarias [gehört]“261, da nur noch von Samaria, nicht aber mehr von Efraim die Rede sei.262 Auch Pfeiffer geht von der Zugehörigkeit von Hos 14,1 zu Hos 13 aus, wenn er schreibt: „Zunächst dürfte 14,1 als eine Art Unterschrift dieser Einheit zugewachsen sein, durch die sich die Thematik des Untergangs Israels/Ephraims/Samarias wie ein roter Faden zieht. 13,4a.5.9– 10a.11.12–14.15b; 14,1 ist von einem späteren Bearbeiter (dtr?) mit 13,1 (unter Bezugnahme auf אׁשם14,1) überschrieben worden. Die allgemein gehaltene Begründung der Katastrophe von 720 v. Chr. in 14,1 wird nun durch das Stichwort ‚Baal’ konkretisiert“263. Dabei hat Bons darauf hingewiesen, dass ab Hos 13,12 „die JHWH-Rede in die Form eines Selbstgespräches über[geht]“264. Indem dieses Selbstgespräch in Hos 14,1 endet und Hos 14,2 mit einem emphatischen Imperativ einsetzt, der in einer direkten Anrede an Israel gerichtet ist und dieses zur Umkehr zu JHWH auffordert, wird abermals die Zugehörigkeit von Hos 14,1 zu Hos 13 unterstrichen. Hos 14,2–4 gliedern sich in einen an Israel gerichteten Aufruf zur Umkehr (V.2) und eine daran anschließenden „Anleitung“265, welche die akzeptable Umkehr zu JHWH beschreibt (V.3f). Hos 14,2 setzt dabei die in Hos 14,1 geschilderte Konfrontation Israels/Samarias mit den Folgen der Widerspenstigkeit (V.1: )מרהgegen JHWH voraus und nimmt sie in der Einleitung des buchabschließenden Kapitels zum Anlass zur Umkehraufforderung an Israel: Unter Aufnahme eines der zentralsten Leitworte266 des Hoseabuches wird Israel zur Umkehr ( ;ׁשובvgl. V.3.5.8) zu „JHWH, deinem Gott“267 (V.2a) 259
Jeremias, Hosea, 167; so auch Vielhauer, Werden, 189. Jeremias, Hosea, 167. 261 Ebd. 262 Vgl. ebd. 263 Pfeiffer, Heiligtum, 173f. 264 Bons, Hosea, 165. 265 Vgl. aaO, 168, der von einem „Rezept“ spricht. 266 Häufiger noch als die Wurzel ( ידעvgl. Hos 2,10.22; 5,3.4.9; 6,3; 7,9 [2mal]; 8,2.4; 9,7; 11,3; 13,4.5; 14,10) findet im Hoseabuch die Wurzel ׁשוב Verwendung (vgl. Hos 2,9.11; 3,5; 4,9; 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16; 8,13; 9,3; 11,5 [2-mal].9; 12,3.7.10.15; 14,2.3.5.8). 267 Mit der Verwendung von „JHWH, deinem Gott“ ( )יהוה אלהיךliegt in Hos 14,2 ein verkürzter Rückverweis auf die anderen beiden Stellen im Hoseabuch vor, an denen dieselbe Bezeichnung für JHWH verwendet wird, dort jedoch in Form einer Selbstaussage: „Ich bin JHWH, dein Gott von Ägypten her“ (vgl. Hos 12,10; Hos 13,4). Diese Bezeichnung verbindet 260
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aufgefordert und der Fall des Nordreichs268 durch die Assyrer mit dem Gefallensein über eigene Sünde (V.2: כׁשל בעוןPerf.) erklärt.269 Demnach sind die in Hos 14,1a genannten Folgen der Widerspenstigkeit gegen JHWH als Folgen des Verlassens JHWHs und seines Schutzbereiches zu betrachten und nicht etwa – wie man Hos 14,1a auch deuten könnte – als das Vergeltungshandeln JHWHs für Israels Widerspenstigkeit. Stattdessen zeigt sich in Hos 14,1f dieselbe Logik, die auch Hos 2,7ff zu eigen ist: Dass Israel in der Abkehr von JHWH das Anrecht auf seinen Schutz und seine Versorgung verliert (vgl. Hos 2,10f) und erst aufgrund der Konfrontation mit den Folgen aus der Abkehr von JHWH zu ihm zurückkehrt (vgl. Hos 2,9: „Ich will gehen und umkehren zu meinem ersten Mann, denn damals ging es mir besser als jetzt“). Anders als in Hos 2,9b handelt es sich bei Hos 14,2 jedoch nicht um den Entschluss Israels zur Umkehr zu JHWH, sondern Israel wird im Rahmen eines emphatischen Imperativs zu dieser Umkehr aufgefordert.270 Auch daran zeigt sich, dass es sich bei Hos 14,2–4 damit nicht nur die drei abschließenden Kapitel des Hoseabuches, sondern stellt Israel durch die Exodusreminiszenz zugleich das fundierende Heilshandeln Gottes in der Geschichte vor Augen. 268 So die Deutung nach u. a. Jeremias, Hosea, 169; indem in Hos 14,2 jedoch wiederum von „Israel“ die Rede ist und damit eventuell eine Perspektive auf das Gesamtvolk aus Nord- und Südreich eingenommen wird, kann auch die Exilserfahrung von 597/87 v. Chr. bereits vorausgesetzt sein, vgl. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 269.278. 269 Vielhauer, Werden, 195 sieht dabei in Hos 14,2–4 „enge Berührungen zur […] deuteronomistischen Umkehrtheologie“, deren Grundtexte er mit Dtn 4,29–31 und 30,1–10 angibt: „Hier wie dort ist ein Israel im Blick, das das Gericht erlitten hat und dem vor diesem Hintergrund mit der Umkehr eine Zukunftsperspektive eröffnet wird (Dtn 4,30; 30,1–3; Hos 14,2). Hier wie dort hat die Umkehr ihren Grund in Gottes Barmherzigkeit (Dtn 4,31; Hos 14,4b: רחם, vgl. Dtn 30,3) und vollzieht sich wesentlich in der Hinwendung zu seinen Geboten (Dtn 30,2.8.10; vgl. 4,30; in Hos 14,4 als Rückkehr zu den ersten beiden Dekaloggeboten in der Lossagung von Assur, Streitroß und Götzenbildern als Rettern neben JHWH, vgl. 13,4.10: )יׁשע. So dürfte es auch kein Zufall sein, daß die Umkehr zu JHWH sowohl in Dtn 4,30; 30,2 als auch in Hos 14,2 mit der seltenen Wendung ׁשוב עד zum Ausdruck gebracht wird, die mit Israel als Subjekt sonst nur noch in Jes 9,12; Thr 3,40; Joel 2,12 und Am 4,6.8.9.10.11 begegnet. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß sich in diesen Kontext spätdeuteronomistischer Umkehrtheologie auch die Bitte um Vergebung der Schuld aus Hos 14,3 einfügt, findet sich eine solche doch auch im Tempelweihgebet Salomos I Reg 8 im Zusammenhang der Umkehrthematik mit Blick auf ein Israel, das das Gericht erlitten hat. Nimmt man all diese Beobachtungen zusammen, wird man nicht fehlgehen, den Autor von Hos 14,2–4 in die Nähe dieser späten Form des Deuteronomismus zu rücken“ (195f). 270 Dabei ist Bons, Hosea, 169 in der Einschätzung zuzustimmen, dass offenbleibt, ob Israel die ihm vorgesprochenen Worte nachsprechen wird.
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nicht um ein „Beichtlied“271 handelt, das „der Prophet […] Israel […] in den Mund legt“272. Vielmehr stellt Hos 14,2–4 einen prophetischen Aufruf an Israel zur Umkehr dar, der erst durch die kompositionelle Verbindung von Hos 14,2–4 und Hos 14,5–9 als ein Aufruf JHWHs (Hos 14,6) erscheint.273 Wie das gesamte Kapitel besteht auch Hos 14,2–4 zu großen Teilen aus Formulierungen und Leitworten, die der Abschnitt aus dem bestehenden Hoseabuch aufnimmt.274 Auch Vielhauer hat diese Verbindungslinien gesehen, wenn er schreibt, dass „der Abschnitt zahlreiche Parallelen im vorangehenden Buchkontext [besitzt]. Das Thema ‚Umkehr’ ( )ׁשובbegegnet über das gesamte Buch verteilt in 2,9; 3,5; 5,4; 6,1; 7,10; 11,5.7; 12,7, die Wendung ‚JHWH, dein Gott’ ( )יהוה אלהיךin 12,10; 13,4 das Straucheln über die eigene Schuld ( )כׁשל בעוןwortgleich in 5,5“. Zugleich meint Vielhauer einen zentralen Unterschied in der Verwendung des Themas „Umkehr“ in Hos 14,2–4 gegenüber der Verwendung dieses Themas im restlichen Buchkontext gefunden zu haben: „Anders als in Hos 1,1–14,1 dient das Thema ‚Umkehr’ in Hos 14,2–4 nicht dem Schuldaufweis, sondern eröffnet eine neue Perspektive jenseits des Gerichts. Mag Israel auch über die eigene Schuld gestrauchelt sein – JHWH gibt sein Volk nicht preis, bleibt vielmehr ‚JHWH, dein Gott' ( יהוה )אלהיך, der sich – wie der Bezug zu 12,10; 13,4 zeigt – in der Herausführung aus Ägypten als alleiniger Retter für Israel erwiesen hat und als solcher auf dessen Umkehr wartet“275. Es ist jedoch zu fragen, ob nicht auch in Hos 2,9; 3,5; 6,1 – wenn auch in Hos 6,1 mit einem falschen Selbstverständnis – und in Hos 12,7 mit der Verwendung von ׁשובeiner ähnlichen Hoffnungsperspektive „jenseits 271
Rudolph, Hosea, 250. Ebd. 273 Vgl. Bons, Hosea, 167: „14,2 setzt wieder mit einer an Israel gerichteten Anrede ein, deren Sprecher, wie sich erst in 14,6 herausstellt, JHWH ist. In 14,2 jedenfalls bleibt noch unklar, ob der Prophet in eigenem Namen redet oder ob er hier die Rede JHWHs zitiert“. Indem mit der Verwendung von „JHWH, deinem Gott“ in Hos 14,2 ein verkürzter Rückverweis auf die anderen beiden Stellen im Hoseabuch vorliegt, an denen dieselbe Bezeichnung für JHWH verwendet wird, dort jedoch in Form einer Selbstaussage: „Ich bin JHWH, dein Gott von Ägypten her“ (vgl. Hos 12,10; Hos 13,4), scheint es jedoch eher der Prophet zu sein, der in Hos 14,2–4 der ursprüngliche Sprecher war, bevor durch die kompositionelle Verbindung mit Hos 14,5–8.(9) JHWH selbst von Hos 14,6 her als Sprecher in Betracht gezogen werden konnte. 274 Vgl. Vielhauer, Werden, 192, der es für wahrscheinlicher hält, dass Hos 14 „Aussagen aus verschiedenen Texten zusammenzieht, als daß der Abschnitt durch die […] Bezugstexte aufgenommen und ausgeführt wird“. 275 AaO, 193. 272
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des Gerichts“276 Ausdruck verliehen wird wie Hos 14,2. Denn auch in Hos 2,9; 3,5; 6,1 und 12,7 verbindet sich mit dem Thema „Umkehr“ kein Schuldaufweis, sondern die Hoffnung auf einen Neuanfang mit JHWH. Liegt man mit dieser Einschätzung richtig, zeigt sich in der Verwendung von in Hos 14,2 gerade kein zentraler Unterschied in der Verwendung des Themas „Umkehr“, sondern Hos 14,2 nimmt eine bestehende und mit ׁשובausgedrückte Hoffnungsperspektive aus dem Buchkontext auf und macht sie zum Leitgedanken des buchabschließenden Kapitels (vgl. ׁשובin Hos 14,2.3.5): In der Umkehr zu JHWH liegt somit Israels Zukunft dauerhaft begründet (vgl. Hos 14,5–9). Dabei zeigt sich, dass Hos 14,2–9 eine reziprok gedachte Umkehr Israels visualisiert, in deren Rahmen die Abkehr des Zornes JHWHs (Hos 14,5b) von Israel auf JHWHs Heilswillen (Hos 14,5a) beruht und dabei den Ermöglichungsgrund für Israels eigene Umkehr zu JHWH darstellt (Hos 14,2.3) und die Rückkehr ins Land JHWHs ermöglicht (vgl. Hos 14,8).277 Während dabei JHWH seinen Zorn von Israel abwendet und damit seine bleibende Zugewandtheit zu Israel erweist, ermöglicht er mit der unverdienten Heilung der Abwendung Israels (vgl. Hos 14,5a) zugleich Israel, sich von allen fremden Mächten und Mitteln abzuwenden und zukünftig in einer bleibenden Zugewandtheit zu JHWH zu leben.278 Israel wird somit von JHWH eine Reziprozitätshandlung ermöglicht. Die Handlung, mit der er Israels Reziprozitätshandlung ermöglicht, durchbricht zugleich jegliche Reziprozität, da sie nicht aufgrund eines guten Verhaltens Israels diesem zuteilwird, sondern trotz des unverändert abtrünnigen Verhaltens. Sie ist frei geschenkt und damit Zeichen von Gnade (vgl. V.5). Indem Hos 14,2 als Einleitung des buchabschließenden Kapitels als zentrales Stichwort des gesamten Buches die Wurzel ׁשובaufgreift und JHWH für Israel explizit – und nach der Konfrontation von Hos 14,1 – als „deinen Gott“ ( )אלהיךin Erinnerung ruft, zu dem Israel umkehren soll,279 wird auch am Ende des Hoseabuches noch einmal die reziprok gedachte Beziehungsstruktur zwischen Israel und JHWH 276
Ebd. Da JHWH sich selbst in diesem Verhalten treu bleibt (vgl. Hos 11,1a.3f.8f), sollte die Rede von einer „doppelte[n] Umkehr, d. h. JHWHs und Israels“ (Bons, Hosea, 169) vorsichtig verwendet werden, vgl. die Ausführungen zu Hos 14,5. 278 Vgl. Vielhauer, Werden, 184: „Hier, am Schluß des Buches, setzt JHWH Israels heilloser משבהein für allemal von sich aus ein Ende“. 279 Nach Wacker, Figurationen, 253 ergeht der Umkehrruf an „ganz Israel“, d. h. an die nachexilische Volksgröße aus Israeliten und Judäern. 277
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als Kernthema der hoseanischen Theologie der Treue hervorgehoben: In der Abkehr von anderen Mächten und in der Umkehr zu JHWH, der Israel von Ägypten her zugewandt ist (vgl. Hos 11,1), liegt der Schlüssel zur Lebensfülle für Israel (Hos 14,5–9; vgl. Hos 2,9). Nicht die in Hos 14,1 angekündigten Folgen der Abkehr von JHWH sollen durch eine Umkehr zu JHWH abgewendet werden, dafür ist es nach Hos 14,2b bereits zu spät, wie die Verwendung des Perfekts von כׁשל („straucheln, stolpern, zu Fall kommen“) zeigt. Vielmehr impliziert die Logik von Hos 14,2, dass ein Neuanfang nach der Konfrontation mit den Folgen der Abkehr von JHWH (Hos 14,1) nur in einer Umkehr zu JHWH begründet liegen kann, der bereits von Ägypten her für Israel „JHWH, dein Gott“ ( )יהוה אלהיךist (vgl. Hos 12,10).280 Hos 14,2 argumentiert geschichtstheologisch und verweist Israel an den Gott, der sich Israel von Anfang der gemeinsamen Geschichte an unverdient, d. h. aus freien Stücken (vgl. Hos 14,5a: נדבה, „Freiwilligkeit“) zugewandt hat und dies erneut tun wird, wie die Heilsvision von Hos 14,5 ankündigt. Die Umkehr zu JHWH impliziert dabei eine Abkehr von der eigenen Widerspenstigkeit (vgl. die Rede von מרהin Hos 14,1 und die Kategorisierung dieser Widerspenstigkeit als „Sünde“ in Hos 14,2), die jedoch von JHWH ermöglicht wird (vgl. Hos 14,5a).281 Dabei ist es der Verdienst von Wolff und Jeremias, aufgezeigt zu haben, dass es sich bei der in V.2–4 geforderten Umkehr nicht um eine Voraussetzung für die in den V.6–9 geschilderten Heilsankündigungen handelt, also kein Bedingungsgefüge vorliegt.282
280
Dass diese Umkehroption nach der Konfrontation offensteht, ist dabei bereits Ausdruck der noch bestehenden Beziehung JHWHs zu Israel, vgl. Vielhauer, Werden, 193; vorausgesetzt wird eine Gerichtsprophetie, welche die Ereignisse von 722 v. Chr. bzw. 597 v. Chr. als Konfrontation mit den Folgen der Abkehr von JHWH deutet, die dieser initiiert hat, vgl. Kratz, Erkenntnis Gottes, 306: „Sodann lehrt der Befund im Hoseabuch, zwischen dem literarischen Phänomen und dem religionsgeschichtlichen Sachverhalt zu unterscheiden. Sowohl die Differenzierung JHWHs in die beiden Konkurrenten JHWH und ‚Baal‘ als auch der Ausschließlichkeitsanspruch JHWHs in dem durch den Exodus gestifteten, exklusiven Verhältnis von JHWH und Israel sind nicht Ursache, sondern Folge der Gerichtsprophetie im Hoseabuch“. 281 Jeremias, Hosea, 167 deutet die Widerspenstigkeit Israels als „verstockte[n] Ungehorsam gegen ihn [sc. JHWH] (mārâ nur hier bei Hosea; vgl. später Jer 4,17; 5,23; Dtn 21,18.20; 1Sam 12,15 u. ö.)“. 282 Anders Rudolph, Hosea, 251: „Wie ein Arzt dem Patienten nur helfen kann, wenn dieser in der Erkenntnis, daß ihm etwas fehlt, nach ihm schickt oder zu ihm geht, so kann auch Jahwe nur helfen, wenn man sich in der Erkenntnis der eigenen Unfähigkeit an ihn wendet und die Wege aufgibt, die an ihm vorbeiführen. Erkenntnis und Bekenntnis der Sünde ist conditio sine
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So schreibt Wolff: „Die Heilszusage (5) ist die eigentliche Mitte des Stückes. Sie stellt die Voraussetzung des Ganzen dar […]. […] Von der tragenden Mitte des Gottesentscheides her (5), auf die hin schon die Aufforderung zur Umkehr in 2–4 gesprochen ist, folgt in 6–8 eine breite Entfaltung der Folgen des Durchbruchs der Liebe Gottes“283. Eine ähnliche Position wird von Jeremias vertreten: „Auf den ersten Blick liegt es nahe, an ein Bedingungsgefüge zu denken, so daß V. 5– 9 als Antwort Gottes auf die befolgte Aufforderung zur Umkehr und insbesondere auf das Bekenntnis in V. 4 zu deuten wäre. […] Jedoch sprechen mehrere Beobachtungen gegen die Auffassung, daß V. 5–9 als Antwort Gottes auf das Gebet des Volkes zu verstehen sind. Zum einen redet das Gotteswort in V. 5ff. Israel nicht an, sondern spricht von ihm in 3.Person, ist also nicht Erhörungszusage für ein potentielles Bußgebet Israels, sondern dem Gebet vorauslaufender Gottesentscheid. Dem entspricht zweitens inhaltlich, daß V. 5 nicht von der Notwende spricht, sondern von der Heilung der „Abwendung“ ( )מׁשובהIsraels, die die „Rückkehr“ ()ׁשוב, zu der V.2f auffordert, überhaupt erst ermöglicht. Schließlich setzt drittens der Schlußvers des Gotteswortes die Situation vor dem Sprechen des Bußgebets voraus. Das zeigt einerseits die Frage Gottes in V. 9a, die eindeutig vor das gesprochene Bußgebet in V. 4 zurückführt, andererseits die Stilform der Inklusion, bei der Anfang und Ende eines Stückes einander entsprechen […]; denn nur in V. 2 zu Beginn und am Abschluß von V. 9b wird Israel im Singular von Gott angeredet […]. Die Inklusion soll verdeutlichen, daß das Stück als Ganzes, von Anfang bis Ende, Einladung Gottes zur Umkehr ist, eine Einladung, die mit der Verheißung Gottes in V. 5–9 begründet wird. Sachlich und zeitlich geht also das Gotteswort in V. 5–9 dem Bußgebet Israels voraus. Anders ausgedrückt: V. 5–9 sind nicht Verheißung Gottes für den Fall, daß Israel das Bußgebet spricht, sondern V. 5–9 beinhalten den festliegenden und bedingungslosen Heilswillen Gottes, aufgrund dessen Israel nun zur (vorher unmöglichen) Rückkehr zu Gott aufgefordert werden kann. Erst damit wird der jubelnde Ton, der das Stück besonders wegen V. 5 prägt, verständlich“284. Welcher Gestalt diese von JHWH ermöglichte (vgl. Hos 14,5) Umkehr sein soll, von der im Buchkern Hos 5–7 nur als einer ausbleibenden (vgl. Hos 5,3f) bzw. nicht gemäß den Vorstellungen JHWHs (Hos 6,4–6) angekündigten kultischen Umkehr (vgl. Hos qua non, sie stillt den göttlichen Zorn. Sie macht die Bahn frei für seine Liebe“. 283 Wolff, Hosea, 302. 284 Jeremias, Hosea, 169.
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6,1–3) die Rede ist, schildert Hos 14,3f.285 Auch Hos 14,3 weist dabei mit seiner Opferkritik ins Hoseabuch zurück (vgl. 5,6; 6,6)286. Dabei fordert Hos 14,3 zu einer Transformation des Opferkultes auf, in deren Rahmen Worte ( )דבריםan die Stelle von Stieren ()פרים287 als Opfertieren treten sollen. Die angekündigte Ersatzleistung bzw. Wiedergutmachung ( ׁשלםPi.)288 besteht dabei in einer Abrenuntiation, die ein Umdenken zum Ausdruck bringt. In ihrem Zentrum steht die Erkenntnis JHWHs, aus der sich ein verändertes Verhalten Israels ergibt, das in der Umkehr zu JHWH Gestalt gewinnt. Den drei Imperativen (V.3: לקח, „nehmen“; ׁשוב, „umkehren“; אמר, „sagen“), die die Form der neuen kultischen289 Hinwendung zu JHWH schildern, der Erfolg beschieden sein wird, entsprechen dabei die drei Negationen, die im Rahmen der Abrenuntiation gesprochen werden sollen und dabei drei Abwendungen Ausdruck verleihen (vgl. V.4a: אׁשור לא יוׁשיענו: „Assur wird uns nicht retten“; על־סוס לא נרכב: „wir wollen nicht auf ein Pferd/Streitross steigen“ und לא־נאמר עוד אלהינו למעׂשה ידינו: „nicht mehr werden wir sagen ‚Unsere Götter!’ zum Werk unserer Hände“). Mit dieser Abrenuntiation soll sich Israel von all den politischen, militärischen und kultischen Mächten und Mitteln lossagen, von denen es gemäß der Schilderungen im Buchkontext seine Rettung (V.4a: Assur; vgl. Hos 5,13; 7,11; 8,9; 9,3; 10,6; 11,5.11; 12,2), seine militärische Stärke (V.4a: Streitrösser/Streitwagen; vgl. Hos 1,7) und seine Fruchtbarkeit und Lebensfülle (V.4a: „Werk unserer Hände“, vgl. Hos 13,2) erwartet hatte.290 Die Verweise auf „Assur“, „Pferd/Streitroß“ und „Werk unserer Hände“ (vgl. Hos 8,4–6) repräsentieren im Rahmen von V.4a die im Buchkontext ausführlich geschilderten Vergehen Israels in der 285
Vgl. Bons, Hosea, 168, der Hos 14,3 als „das nötige ‚Rezept“ bezeichnet, welches der Prophet Israel mit dem Aufruf zur Umkehr gleich mitliefere, „als ob er Israel einen erneuten vergeblichen Versuch ersparen wollte“. 286 Vgl. Vielhauer, Werden, 183. 287 Im Anschluss an die vom MT gebotene Lesart. 288 Vgl. zu dieser Wiedergabe von ׁשלםPi. Brünenberg, Wenn Jahwes Widerstand sich regt, 61f; anders Jeremias, Hosea, 171, der zwar ebenfalls die Sicht vertritt, dass „die Lossagung von fremden Mächten […] Israels ‚Entgelt’ (šillēm) für übergroße Schuld [ist]“, diese Aussage jedoch dahingehend relativiert, dass „ ‚Entgelt’ […] nicht Kompensation [meint], sondern der Begriff […] gebraucht [ist] wie an Belegstellen, an denen Gelübde bzw. Dank das Objekt ist (‚abstatten’; ‚darbringen’)“; vgl. zudem Hos 9,7: Die Tage der Rückerstattung, die in Hos 9,7 als Tage angekündigt werden, an denen Israel von JHWH her mit seinen Vergehen konfrontiert wird, erweisen sich im Licht von Hos 14,3 als Tage, an denen Israel Wiedergutmachung leisten möchte. 289 Vgl. Vielhauer, Werden, 193, Anm. 26. 290 Vgl. aaO, 191.
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Politik, im Militärwesen und im Kult, die jetzt nur noch stichwortartig erwähnt und dabei zugleich im Rahmen der Abrenuntiation als fehlgeleitetes Vertrauen er- und bekannt werden.291 V.3b korrespondiert dabei mit der Vertrauensaussage von V.4b292: JHWH kann vertrauensvoll als derjenige angesprochen werden, der alle Sünde (vgl. V.2b) vergibt (נׂשא: „heben, (weg)tragen“) und die Gemeinschaft zwischen sich und Israel wiederherstellt (V.3b), da er derjenige ist, der sich über Israel wie über eine Waise – als Repräsentant der schutz- und hilfsbedürftigen personae miserae – erbarmt und Israel die Gemeinschaft mit sich schenkt (V.4b).293 Die Aussage von V.4b verdeutlicht dabei bereits vor Hos 14,5 den Gnadencharakter der geschenkten Zuwendung JHWHs zu Israel, da die personae miserae gerade nicht in der Lage sind, reziprok auf die ihnen widerfahrende Güte zu reagieren.294 Bons hat dabei auf die Parallele zu Hos 2 hingewiesen, wenn er schreibt, dass „die Haltung, die JHWH dem umkehrwilligen Israel gegenüber einnimmt, mit der Großzügigkeit vergleichbar [ist], die er der umkehrwilligen Ehefrau (= Israel) in 2,16ff erwiesen hat“295. Hos 14,5ff bildet mit Hos 2,16ff und Hos 11,9ff eine Kompositionslinie, die gegenüber dem restlichen Buchkontext einen Wandel im Verständnis der reziproken Beziehung zwischen Israel und JHWH visualisiert: Die von Israel als Eigenleistung erwartete Reziprozität auf das Handeln JHWHs (vgl. u. a. Hos 2,9; 3,5; 5,4.15; 6,1; 7,10; 11,5) wird durch eine für Israel von JHWH ermöglichte Reziprozität auf sein Gnadenhandeln abgelöst (vgl. Hos 2,19; 11,9ff; 14,5). 291
Vgl. ebd.; dabei ist jedoch weiterhin zu beachten, dass es (noch) nicht Israel ist, welches diese Abrenuntiation spricht, sondern sie Israel vom Propheten vorgesprochen wird. 292 Vgl. aaO, 193: „Daß Israel nach dem Gericht überhaupt noch die Möglichkeit zur Umkehr erhält, entspringt allein Gottes Barmherzigkeit (V.4b). Von daher bietet es sich nicht an, die Vertrauensaussage von V.4b literarkritisch zu eliminieren“. 293 Vgl. Hos 11,1–4; auch wenn in Hos 11,1–4 nicht direkt die Rede von einem Waisenjungen ( )יתוםist, legt sich doch der gleiche Aussagegehalt nahe, wonach JHWH sich Israel als eines schutz- und versorgungsbedürftigen Kindes angenommen hat (vgl. Hos 14,4b); so auch Vielhauer, Werden, 194: „Zugleich ruft er [sc. Vers 4b] das Bild von Israel als elternlosem Kind aus Hos 11 in Erinnerung. Hatte JHWH sich dort als einer zu erkennen gegeben, der die Waise an Sohnes Statt annimmt (11,1), so spricht aus dem Bekenntnis von 14,4b nun das begründete Vertrauen, daß das aufgrund verweigerter Umkehr wiederum verwaiste Israel (11,5) vor JHWH Erbarmen finden, wieder in die alte Sohnesposition eingesetzt wird und so erneut die Möglichkeit zur Umkehr erhält“. 294 Vgl. zur Thematik u. a. Godelier, Was Mauss nicht gesagt hat, 191ff. 295 Bons, Hosea, 170.
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Durch die Wiederholung von ( לקחV.3a) in V.3b scheint es sich bei dem „Guten“ (טוב, vgl. Hos 2,9; 4,13; 8,3), das von JHWH angenommen werden soll, um die Worte zu handeln, die Israel in der Umkehr zu JHWH „mitnehmen“296 sollte. Im Zusammenhang des Buchkontexts betrachtet, handelt es sich dabei weniger um (Schuld)Bekenntnisse als um Worte der Erkenntnis bzw. der Erkenntnis JHWHs (ידע, vgl. Hos 2,10.22; 5,3f; 6,3; 7,9; 8,2.4; 9,7; 11,3; 13,4f; 14,10), die an die Stelle der vormals von Israel geäußerten falschen Worte treten sollen (vgl. Hos 10,4) und mit denen nun Israel zum Herzen JHWHs reden soll (vgl. Hos 2,16). Sie sollen dabei zum Ausdruck bringen, dass Israel JHWH als denjenigen erkannt hat (vgl. die parallele Struktur von Hos 14,3 zu Hos 2,7.9!), der allein retten kann (יׁשע, vgl. Hos 1,7; 13,10; 14,4) und sich über personae miserae erbarmt (רחם, vgl. Hos 1,6; 2,3.6.25; 14,4). Der äußeren Hinwendung zu JHWH in einem transformierten Kult (Hos 14,3) soll eine innere Hinwendung zu ihm entsprechen (Hos 14,4). In dieser Israel von JHWH ermöglichten reziproken Reaktion kommt dabei die Anerkennung des Alleinverehrungsanspruches bzw. Ausschließlichkeitsanspruchs JHWHs zum Ausdruck.297 Ermöglicht wird diese Reaktion Israels durch das in V.5 geschilderte, freiwillig geschenkte Heilungsgeschehen, welches damit begründet wird, dass sich sein Zorn ( ;אףHos 8,5; 11,9; 13,11) von Israel abgewandt hat (vgl. V.5b: )ׁשוב.298 Die Umkehr Israels zu JHWH (V.2f) sowie die Rückkehr der Exilierten ins Land (vgl. V.8a: )ׁשובstellen sich als Reaktionen auf diese von JHWH geschenkte Abwendung (vgl. V.5b: )ׁשובseines Zorns von Israel dar, die V.5 schildert.299 Mit V.5 ist die „eigentliche Mitte“300, die „tragend[e] Mitte“301 von Hos 14,2–10 erreicht. Dieser Vers nennt im Rahmen der Gottesrede Hos 14,5–9 den Ermöglichungsgrund der Umkehrforderung von Hos 14,2–4.302 Wie bereits Hos 14,2–4, nimmt auch V.5 zentrale Vorstellungen und Formulierungen aus dem bestehenden 296
Anders als in Hos 2,9 wird in Hos 14,3 mit לקחkeine Entzugshandlung mehr ausgedrückt, sondern die „Mitnahme“ (vgl. V.3a) von Bekenntnissen/Worten von JHWH-Erkenntnis soll in der Annahme (vgl. V.3b) derselben bei JHWH resultieren. 297 Im Anschluss an Vielhauer, Werden, 199. 298 Vgl. Abschnitt 5.2.3.2. 299 Vgl. Godelier, Was Mauss nicht gesagt hat, 191ff. 300 Wolff, Hosea, 302. 301 Ebd. 302 Dabei ist u. a. mit Vielhauer, Werden, zu berücksichtigen, dass Hos 14,5 „gegenüber der Umkehrtheologie von V.2–4 […] JHWHs vorauseilende, bedingungslose Liebe heraus[streicht], die Umkehr und Neuanfang Israels allererst möglich macht“. Erst durch die Anfügung von V.5 erhielt die Umkehrtheologie von Hos 14,2–4 eine Neuinterpretation (vgl. ebd.).
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Buchkontext auf: Die Vorstellung von JHWH als Arzt, der als einziger in der Lage ist, die als Krankheit vorgestellte „Abwendung“303 ( ;מׁשובהvgl. Hos 11,7) Israels zu heilen ( ;רפאvgl. Hos 5,13; 6,1; 7,1; 11,3); die Wurzel „( אהבlieben“, vgl. Hos 2,7.9.12.14.15; 3,1; 4,18; 8,9; 9.1.10.15; 10,11; 11,1; 12,8; 14,5), die im Buchkontext vor allem zur Bezeichnung der Liebhaber (Hos 2,7.9.12.14.15), Liebesgaben (Hos 4,18; 8,9; 9,1) und fehlgeleiteten Liebe Israel (vgl. Hos 2; Hos 9,10) verwendet wird und dabei mit der Liebe JHWHs kontrastiert wird, die zwar vorhanden ist (vgl. Hos 3,1; 11,1), aber auch durch Israels Abkehr von JHWH als gefährdetes Gut erscheint (vgl. Hos 9,15; 11,1f); schließlich der Zorn JHWHs (;אף vgl. Hos 8,5; 11,9; 13,11), der aufgrund Israels Untreue in Kult (Hos 8,5) und in der Politik (Hos 13,11) gegen Israel entbrannt ist (Hos 8,5) und den, angesichts der mangelnden Umkehrfähigkeit Israels, nur JHWH selbst noch von Israel abwenden kann (vgl. Hos 11,9). Von V.5 her erscheint somit V.2–4 nicht als Bedingung für einen Neuanfang, sondern als Folge der geschenkten Heilung Israels.304 Die Reziprozität in der Beziehung zwischen JHWH und Israel wird nicht länger erwartet, sondern zuallererst von JHWH ermöglicht: Weil JHWH sich Israel heilend zugewandt hat, ist Israel in der Lage, zu JHWH umzukehren und ihn zu lieben, wie JHWH „schon immer“305 (vgl. Hos 11,1) Israel geliebt hat. Und dieses Geschehen ist Ausdruck des sich von Israel abgewandten Zorns ()ׁשוב.306 Die Abkehr des Zorns ist dabei jedoch gerade kein Ausdruck eines Wandels bzw. einer „Umkehr“ JHWHs, sondern Ausdruck seiner Wesenstreue und göttlichen Liebesfähigkeit, die als zornbegrenzend vorgestellt wird (vgl. Hos 11,9).307 Die frei geschenkte Abwendung des Zorns von Israels durch JHWH ist dabei die Voraussetzung für die Umkehr Israels zu JHWH (V.2–4) sowie die heilvolle
303
„Abwendung“ ( )מׁשובהfasst in einem Begriff, was im Buchkontext u. a. als „Geist der Unzucht“ ( )רוח זנוניםals Krankheit umschrieben wird, die Israel in sich trägt und die es von einer Umkehr zu JHWH abgehalten hat (vgl. Hos 4,12; 5,4). 304 Vgl. Abschnitt 5.2.3.2. 305 Zu dieser Geschichtskonstruktion der Propheten, vgl. Kratz, Prophetenstudien, 297. 306 In diesem Sinne kann auch überlegt werden, das V.5b einleitende כיnicht kausal, sondern affirmativ zu übersetzen: „Ich werde sie lieben aus Freiwilligkeit, fürwahr, abgewandt hat sich mein Zorn von ihm“, denn JHWH liebt Israel nicht, weil er seinen Zorn abgewandt hat, sondern der abgewandte Zorn erscheint kontextuell als Ausdruck seiner geschenkten, den Zorn begrenzenden und diesen zuletzt überwindenden Liebe. 307 In diesem Sinne scheint die Rede von einer „doppelten Umkehr“ (vgl. Bons, Hosea, 169) dem Inhalt von Hos 14,5 nur bedingt zu entsprechen.
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Zuwendung JHWHs zu Israels (V.6–9), die in einer Rückkehr aus dem Exil (V.8) und einem Aufblühen Israels im Land (V.7ff) besteht. Wie Hos 14,7b weist dabei auch Hos 14,8aα einen Topos der Liebeslyrik auf, der sich auch im Hohenlied findet. Während dabei die in Hos 14,7b verwendete Formulierung im Hhld 4,11 eine Aussage des Mannes über seine geliebte Frau darstellt und seine Zuneigung zu ihr zum Ausdruck bringt, ist es in Hhld 2,3 die Zuneigung der Frau zu ihrem geliebten Mann, die darin zum Ausdruck kommt, dass sie ihm – im Rahmen des Vergleichs mit einem Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes (– )כתפוח בעצי היער eine hervorgehobene Stellung unter allen Männern gibt und begehrt, in seinem Schatten ( )בצלוzu sitzen ( ;יׁשבvgl. Hos 3,3f; 4,1.3; 9,3; 11,11). Während die herzliche Bindung zwischen den beiden in Hhld 4,11 durch die Bezeichnung der Frau als „( כלהBraut“) ausgedrückt wird, geschieht dies in Hhld 2,3 durch die Bezeichnung des Mannes als „( דודיmein Geliebter/Liebling“). Zugleich implizieren beide Formulierungen ein großes Maß an körperlicher Nähe: Wie der Mann den Duft der Gewänder seiner Braut nur aus der Nähe wahrnehmen kann, so kann sie nur im Schatten ihres Geliebten sitzen, wenn sie ihm nahe ist bzw. sich an ihm – wie an einen Baum (vgl. Hhld 2,3) – anlehnt. Während in Hos 14,7b JHWH derjenige ist, der in der Rolle des Mannes eine Aussage über den Duft Israels als seiner Geliebten trifft, ist es nicht eindeutig, wessen Schatten in Hos 14,8 mit בצלו („sein Schatten“) gemeint ist. So wird בצלוteilweise für eine Verlesung im Anschluss an Hos 14,7b gehalten, die im Rahmen der Gottesrede wenig Sinn mache.308 Vielhauer verweist jedoch darauf, dass die Änderung des Suffixes der 3.m.sg. in die 1.c.sg. keine Textzeugen hinter sich hat.309 Während kontextuell sowohl Israel (Hos 14,7b) als auch JHWH (Hos 14,9) als Baum beschrieben werden und das Suffix sich auf beide Größen beziehen kann, geht er aufgrund der Parallele in Hhld 2,3, in der sich „das ‚Sitzen in seinem Schatten’ ( )יׁשבי בצלוauf den Liebespartner bezieht“310, davon aus, dass es sich dabei um eine Rolle handelt, „die in Hos 14,6–9, liest man den Abschnitt vor dem Hintergrund des Ehegleichnisses aus Hos 2, JHWH einnimmt“311. Hos 14,8aα durchbricht dabei die Gottesrede312 und ist seinem Aussagehalt nach mehrdeutig. Einerseits kann V.8aα diejenigen beschreiben, die JHWH grundsätzlich in der Rolle als seine „Braut“ 308
Vgl. Wolff, Hosea, 301; Rudolph, Hosea, 248. Vielhauer, Werden, 199, Anm. 55. 310 Ebd.; so auch Wacker, Figurationen, 297f. 311 Vielhauer, Werden, 199, Anm. 55. 312 Vgl. aaO, 199. 309
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betrachtet – auch im Exil und in der noch ausstehenden Umkehr zu ihm. Sie hätten demnach nie ihren Status als „Braut“ in der Wahrnehmung JHWHs verloren, sondern werden von ihm dauerhaft als diejenigen betrachtet, die „in seinem Schatten“ Sitzende (יׁשבי Part.) sind. Andererseits kann V.8aα auch eine Trennung von zwei Gruppen innerhalb von Israel implizieren (vgl. Hos 14,10): Es werden nur diejenigen zu JHWH zurückkehren, die sich auch im Exil danach gesehnt haben, in „seinem Schatten“ Sitzende zu sein, d. h. die auch im Exil JHWH die Treue gehalten haben. In diesem Sinne verstanden wäre V.8aα eine Verheißung, die sich nur an eine Gruppe innerhalb von Israel richtet und dieser Gruppe die Rückkehr ins Land in Aussicht stellt. Die Bezeichnung als „Die in seinem Schatten Sitzenden“ ()יׁשבי בצלו stellt dabei zugleich ein positives Gegenbild zu der einzigen anderen Stelle im Hoseabuch dar, an der ein Schatten ( )צלerwähnt wird. In Hos 4,13 sind es dabei „eure Töchter“ ( )בנותיכםund „eure Schwiegertöchter/Bräute“ ()כלותיכם, die sich für den Vollzug von Kulthandlungen unter Eiche, Pappel und Terebinthe aufhalten und dabei den Schatten der Bäume genießen („ ;כי טוב צלהja/denn ihr Schatten ist gut“). Während in Hos 4,13 das Aufsuchen der Bäume und ihres Schattens durch die Töchter und Schwiegertöchter/Bräute Israels als Ausdruck der Untreue gegenüber JHWH verurteilt wird,313 sind es nach Hos 14,8 die in JHWHs Schatten Sitzenden, die sich durch ihre JHWH-Treue auszeichnen, als seine Braut ( )כלהbetrachtet werden und die neue Bevölkerung des Landes darstellen, die in das Land des „Ehemannes“ zurückkehren dürfen. Zwischenergebnis Die für das Hoseabuch zentrale Umkehrthematik (vgl. Hos 2,9; 3,5; 5,4; 6,1; 7,10; 11,5.7; 12,7) steht auch im Zentrum von Hos 14,2–9, dem neuen und endgültigen Abschlusskapitel des Hoseabuches, und fungiert dort als strukturierender Leitgedanke des Kapitels (vgl. ׁשוב in Hos 14,2.3.5.8). Dabei hat sich im Rahmen der Analyse der Umkehrthematik gezeigt, dass in Hos 14,2 – ähnlich wie in Hos 2,9; 3,5; 6,1 (wenn auch in Hos 6,1 mit einem falschen Selbstverständnis) und in 12,7 – mit der Verwendung von ׁשובeiner Hoffnungsperspektive „jenseits des Gerichts“314 Ausdruck verliehen 313
Für diese Untreue werden jedoch nicht die Töchter und Bräute, sondern ihre Väter und Männer von JHWH zur Verantwortung gezogen, da diese nicht mit gutem Beispiel vorangegangen sind und ihrer Verantwortung für die ihrem Verantwortungsbereich zugehörigen Frauen nicht nachgekommen sind, vgl. Hos 4,14. 314 Vielhauer, Werden, 193.
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wird. Hos 14,2 formuliert den Abschluss einer bestehenden und mit ׁשובausgedrückten Hoffnungsperspektive aus dem Buchkontext. Im Kontext von Hos 14,2–9 hat sich die in V.2 imperativisch geforderte Umkehr Israels dabei als eine Umkehraufforderung erwiesen, die als eine Reaktion auf die frei geschenkte Zuwendung JHWHs erfolgt, die in der Heilung der Abwendung Israels besteht (V.5). Diese Heilung wird mit einer aus Freiwilligkeit geschenkten beständigen Zuwendung JHWHs zu Israel parallelisiert (;אהב „lieben“) und dabei mit der Abwendung ( )ׁשובdes Zorns JHWHs von Israel begründet (V.5b). Im Rahmen der Analyse der ׁשוב-Belege erweist sich dabei dieses Abwendungsgeschehen als der gnädig gewährte Ermöglichungsgrund für Israels eigene Umkehr zu JHWH (Hos 14,2.3) sowie für die Rückkehr ins Land JHWHs (vgl. Hos 14,8),315 in dem Israel eine heilvolle Zukunft (vgl. V.6ff) in der Gemeinschaft mit JHWH verheißen wird (V.9b). Dass die Abkehr des Zorns in Hos 14,5 nicht als Ausdruck eines Wandels JHWHs bzw. eines „Umsturzes“ in JHWH, sondern als Ausdruck seiner Wesenstreue und göttlichen Liebesfähigkeit verstanden wurde, die als zornbegrenzend vorgestellt wurde, zeigt dabei ein Vergleich mit Hos 11,9, dessen Argumentation in Hos 14,5 vorausgesetzt, zugleich jedoch transformiert wird.316 Während dabei über die Aufnahme der Formulierung „JHWH, dein Gott“ ( )יהוה אלהיךein Rückbezug auf die Geschichtstheologie von Hos 12,10 vorliegt, zeigt die Formulierung der Umkehraufforderung aus Hos 14,2 sowie die Rückkehr-Perspektive in das Land JHWHs in Hos 14,8, dass das Abschlusskapitel Hos 14,2–9 die in Hos 2,4–15 narrativ ausgestaltete Erklärung des geschichtlichen Ergehens Israels als eines Ehedramas voraussetzt (vgl. Hos 2,7.9) und auch bereits auf die in der Fortschreibung Hos 2,16–25 angekündigte Wiederherstellung der Ehe durch den Ehemann zurückblickt. Das Israel, das in Hos 14,6–9 visualisiert wird, ist kein anderes Israel als das, welches in Hos 2,4–15.16–25 selbst nicht zur Umkehr fähig ist (vgl. Hos 2,9), jedoch durch die erneute Zuwendung JHWHs in die Gemeinschaft mit ihm zurückkehren darf, wie die Wiederherstellung der Kommunikation durch JHWH in beiden Kapiteln zeigt (vgl. die Verwendung von „ אמרsagen“ mit Israel als Subjekt, das umkehren soll in Hos 2,9; 14,3 und von „ ענהantworten“ in Hos 2,17.23f; 14,9 315
Da JHWH sich selbst in diesem Verhalten treu bleibt (vgl. Hos 11,1a.3f.8f), sollte die Rede von einer „doppelte[n] Umkehr, d. h. JHWHs und Israels“ (Bons, Hosea, 169) vorsichtig verwendet werden, vgl. die Ausführungen zu Hos 14,5. 316 In diesem Sinne scheint die Rede von einer „doppelten Umkehr“ (vgl. Bons, Hosea, 169) dem Inhalt von Hos 14,5 nur bedingt zu entsprechen.
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mit JHWH als Subjekt, welches die Umkehr schließlich selbst ermöglicht, vgl. Hos 14,5). Die Heilsvision einer von JHWH ermöglichten Umkehr Israels, die auch eine Rückkehr in das Land JHWHs einschließt (vgl. Hos 14,8), korrespondiert mit dem narrativen Heilsausblick in Hos 2,16–25 und bildet auf diese Weise eine heilvolle Inklusio, die das gesamte Hoseabuch umfängt und dabei die heilvolle Zukunft Israels an den eigenen Landes- und Staatsgott JHWH zurückbindet, der Israel selbst in Liebe zugewandt ist (vgl. Hos 14,5) und Israel zur Erwiderung dieser Liebe prophetisch einladen lässt (vgl. Hos 14,2). Insofern bildet Hos 14,5ff mit Hos 2,16–25 und Hos 11,9ff eine Kompositionslinie, die gegenüber dem restlichen Buchkontext einen Wandel im Verständnis der Beziehung zwischen Israel und JHWH visualisiert: Die von Israel als Eigenleistung erwartete Reziprozität auf das Handeln JHWHs (vgl. u. a. Hos 2,9; 3,5; 5,4.15; 6,1; 7,10; 11,5) wird durch eine für Israel von JHWH ermöglichte Reziprozität auf sein Gnadenhandeln abgelöst (vgl. Hos 2,19; 11,9ff; 14,5 als Voraussetzung für Hos 14,2f). 5.2.3.2 „Heilen“ in Hos 14,5 Mit der Verwendung der Wurzel „( רפאheilen“), greifen die Tradenten zur Beschreibung der freigeschenkten Zuwendung JHWHs zu Israel in Hos 14,5 auf eine Wurzel aus dem ältesten literarischen Kern Hos 5–7 zurück, die bereits in Hos 11,3 Aufnahme gefunden hat. Die Verwendung von רפאin Hos 14,5 beschließt diese Kompositionslinie im Hoseabuch. Im Buchkern Hos 5–7 verbindet רפאin Hos 5,12–14; 5,15–6,6 zunächst die im Rahmen der Außenpolitik auf Assur gerichtete Wiederherstellungshoffnung (Hos 5,12f) mit der sekundären kultischen Wiederherstellungshoffnung (Hos 6,1), die nun auf den eigenen Landes- und Staatsgott JHWH gerichtet ist und dabei eine Reaktion auf dessen Abwendung in Form einer Umkehrankündigung darstellt (vgl. Hos 5,15). In Hos 7,1 wird diese Kompositionslinie fortgeführt und um die innenpolitische Perspektive ergänzt. Auf diese Weise fungiert רפאnicht nur zur Formulierung einer theologischen Gesamtperspektive der göttlichen Wahrnehmung des geschichtlichen Ergehens Israels (und Judas, vgl. Hos 5,12f), sondern präsentiert dieses zugleich als eine Folge der Treulosigkeit (vgl. Hos 6,4–6) und der Schuld und Bosheit Israels (vgl. Hos 7,1). Denn obwohl JHWH in Hos 7,1 als Landes- und Staatsgott präsentiert wird, der bereit ist, die Heilungs- und Wiederherstellungshoffnung Israels zu erfüllen, resultiert diese auf der Körpermetaphorik von Hos 5,4.12f basierende
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und als chirurgischer Eingriff visualisierte Zuwendung JHWHs nur in der Aufdeckung weiterer „Krankheitsherde“.317 Diese werden in Hos 7,1, die Körpermetaphorik von Hos 5,12f theologisierend, mit „Schuld“ ( )עוןund „Bosheit“ ( )רעהangegeben.318 Diese theologisierte Wiederherstellungshoffnung wird auch in Hos 11,3 und 14,5 vorausgesetzt.319 Dabei teilt Hos 14,5 mit Hos 11,7 die theologische Kategorisierung des Verhaltens Israels als „Abwendung“ ()מׁשובה, die nun zum (neuen) Inbegriff der Unwilligkeit Israels wird, die Zuwendung JHWHs reziprok zu erwidern: „Was in der Frühzeit Hoseas ‚Geist der Unzucht‘ (4,12; 5,4) hieß, um die widersinnige, selbstmörderische Abweisung Gottes zu bezeichnen, heißt jetzt abstrakter mešûbâ, ‚Abkehrwilligkeit‘, ‚Abtrünnigkeit‘ und ‚Umkehrunfähigkeit‘ in einem“320. Sie beschreibt eine Haltung, bei der „ein Wandel […] ausgeschlossen [ist]“321. Dabei hat Vielhauer richtig erkannt, dass „Hos 14,5 insofern über die Aussage von Hos 11 hinaus[geht], als hier nicht mehr nur von JHWHs bleibender Liebe trotz Israels Umkehrfähigkeit gesprochen wird, sondern darüber hinaus eine Heilung ( ;רפאvgl. 11,3) derselben durch JHWH verheißen wird, von der her die
317
Vgl. Abschnitt 2.3.5. Zu den zeitgeschichtlichen Hintergründen schreibt Kratz, Prophetenstudien, 294: „Evident ist die zeitgeschichtliche Anspielung in 5,13: Mit dem Laufen Efraims nach Assur sind Bündnisbemühungen Israels, vielleicht der Tribut Menachems und jedenfalls die proassyrische Politik des Königs Hoseas, gemeint; und sollte in der entsprechenden Zeile auch an Juda gedacht oder der Name gar zu ergänzen sein (s. BHS), wäre zudem das freiwillige Vasallitätsverhältnis des Ahas mit im Blick. Beide Staaten trifft in 5,12–14 darum dasselbe Gericht: JHWH ist bereits ‚Eiter‘ und ‚Knochenfraß‘ für Efraim und Juda (V. 12), d. h. sie sind bereits angeschlagen, womit auf den Ausgang des sogenannten ‚syrischefraimitischen Krieges‘, den ersten assyrischen Schlag gegen Israel und die bedrohliche Lage für Juda nach den assyrischen Feldzügen gegen Philistäa (Gaza), Damaskus und Samaria in der Zeit von 734–732 v. Chr., angespielt sein dürfte. Und trotz bzw. gerade wegen der analogen Bündnisbemühungen wird JHWH zum Löwen für die beiden Staaten und frißt sie restlos auf (V.13–14), was – nun in direkter Anrede und im impf. als Ankündigung formuliert – auf den nächsten assyrischen Schlag gegen Israel von 722 (720) und als Folge davon vielleicht auch schon auf den Schlag gegen Juda von 701 v. Chr. vorausweist“. 319 Vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 211: „Auch in 14,5 umfaßt רפאdie Überwindung der äußeren Not, wie die Schilderung von 14,6–8 zeigt, und schon in 5,13 geht es ebenso wie in 7,1f und 11,3 letztlich um des Volkes zerbrochenes Gottesverhältnis als Kern des Übels“. 320 Jeremias, Hosea, 144. 321 Ebd. 318
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Aufforderung zur Rückkehr zu JHWH aus Hos 14,2–4 allererst sinnvoll und möglich ist“322. Dieser Aspekt der „bleibende[n] Liebe“323 ist jedoch in der Form stärker zu betonen, als dass in Hos 11 der Zorn JHWHs von diesem selbst überwunden wird, weil er Israel liebt (vgl. Hos 11,1a.3f) und sich selbst in seiner Liebesfähigkeit als Gott treu bleibt (vgl. Hos 11,8f). Es findet zwar ein Umdenken als „Herzensumsturz“ in JHWH statt;324 dieser steht jedoch nicht im Gegensatz, sondern im Einklang mit seinem Wesen.325 Dabei wird diese Liebesfähigkeit JHWHs von der menschlichen Liebesfähigkeit abgegrenzt (vgl. Hos 11,9: אל אנכי ולא־איׁש, „Gott bin ich und nicht Mensch/irgendwer“). Das heißt: Dort, wo menschliche Liebe bereits ihre Grenze erreicht hätte und in Zorn umgeschlagen wäre, ist JHWHs Beziehung zu Israel von Anfang an von Liebe geprägt (אהב, vgl. Hos 11,1.3f), die seinen Zorn überwindet (vgl. Hos 11,8f) und auf reziproke Erwiderung hofft (vgl. Hos 11,5). In Hos 11,9 wird mit dem „Herzensumsturz“ JHWHs dessen Treue zu sich selbst in seiner Liebe zu Israel betont (vgl. Hos 11,1.8f). Diese Kompositionslinie fortführend und steigernd, präsentiert Hos 14,5 die endgültige Heilung der Abwendung Israels durch JHWH als ein Akt der geschenkten Partizipation an der göttlichen Liebesfähigkeit in der Ermöglichung der Erwiderung derselben: War Israel vor der Heilung unfähig, zu JHWH umzukehren,326 wird Israel nach der Heilung unfähig sein, jemals wieder an der „Abwendung von JHWH“ zu erkranken und sich von JHWH abzuwenden. Stattdessen ist Israel nach der Heilung fähig, JHWHs „Liebe aus Freiwilligkeit“ (V.5) reziprok zu erwidern. Hos 14,5 erweist sich als die „eigentliche Mitte“327, die „tragend[e] Mitte“328 von Hos 14,2–10, indem der Vers den Ermöglichungsgrund der Umkehrforderung von Hos 14,2–4 benennt und dabei die Heilung Israels als Zuwendungsgeschehen mit JHWHs Entschluss zur Liebe parallelisiert.329 Dabei zeigt sich, dass Hos 14,5 und Hos 11,9 nicht 322
Vielhauer, Werden, 197. Ebd. 324 Vgl. Jeremias, Hosea, 145. 325 Vgl. aaO, 146: „Was in V.8b–9a als dramatischer Kampf zweier auflodernder Kräfte in Gott beschrieben wird, ist für Hosea jedoch kein einmaliges Kampfgeschehen mit unsicherem Ausgang, sondern zutiefst in Gottes eigenem Wesen begründet. Der Kampf ist grundsätzlicher Art, der Sieg des Rettungswillens ein für allemal gewiß“. 326 Vgl. aaO, 144: „Ein Wandel ist ausgeschlossen“. 327 Wolff, Hosea, 302. 328 Ebd. 329 Dabei ist u. a. mit Vielhauer, Werden, zu berücksichtigen, dass Hos 14,5 „gegenüber der Umkehrtheologie von V.2–4 […] JHWHs vorauseilende, 323
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auf einer argumentativen Ebene liegen,330 denn während in Hos 11,9 JHWH sich selbst in seiner – durch den Verweis auf die „Liebe von Jugendzeit an“ und „das Herausrufen aus Ägypten“ in Hos 11,1 geschichtstheologisch begründeten – Liebesfähigkeit treu bleibt und deswegen Israel vor seinem Zorn bewahrt, nähert JHWH in Hos 14,5 Israels Liebesfähigkeit durch die Heilung der Abwendung seiner eigenen Liebesfähigkeit an. Im Rahmen dieser steigernden Neuinterpretation greifen die Tradenten durch die Verwendung von „( נדבהFreiwilligkeit, aus freien Stücken“) auf das Moment der Abgrenzung der göttlichen von der menschlichen Liebesfähigkeit aus Hos 11,9 zurück, erweitern es jedoch durch die Aufnahme der Bezeichnung JHWHs als יהוה אלהיך um die geschichtstheologische Begründung der vorangehenden Kapitel (vgl. Hos 12,10; 13,4). Hos 14,5 schildert nicht nur die Erfüllung der Heilungs- und Wiederherstellungshoffnung aus Hos 5– 7 als einen einmaligen Akt der geschichtlichen Wiederherstellung des Staates Israels (vgl. Hos 14,5–9), sondern als einen grundsätzlichen Akt der Zuwendung JHWHs, die der Beziehung zwischen sich und Israel dauerhaften Bestand verleiht, der durch nichts mehr gefährdet werden kann (vgl. Hos 2,21: )וארׂשתיך לי לעולם. Die Umkehr Israels zu JHWH (vgl. Hos 14,2f) erweist sich von Hos 14,5 her als eine von JHWH ermöglichte Antwort Israels auf die geschenkte Zuwendung JHWHs und liegt theologisch auf einer Linie mit der Narration der Wiederherstellung der Ehe durch den Ehemann in Hos 2,16–25. Zwischenergebnis Hos 14,5 nimmt mit der Verwendung von רפאeine Kompositionslinie auf, mit der im Buchkern einer Heilungs- bzw. Wiederherstellungshoffnung Ausdruck verliehen wird, die auf der literarischen Ebene zugleich dazu dient, die außenpolitische (Hos 5,12f), kultische (Hos 6,1) sowie die innenpolitische (Hos 7,1) Thematik miteinander zu einer Kompositionslinie zu verbinden. Dabei lässt sich ein Wandel in der Aussageintention beobachten. Während mit רפאzunächst eine politische Hoffnung auf die Wiederherstellung des Staates Israel ausgedrückt wird (vgl. Hos 5,12f), die sich auf Assur/Assyrien richtet, werden diese Bündnisbemühungen von den Tradenten als Ausdruck der Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH interpretiert (vgl. Hos 5,14) und in der Fortschreibung Hos 5,15 mit der zeitlich bedingungslose Liebe heraus[streicht], die Umkehr und Neuanfang Israels allererst möglich macht“. Erst durch die Anfügung von V.5 erhielt die Umkehrtheologie von Hos 14,2–4 eine Neuinterpretation (vgl. ebd.). 330 Vgl. aaO, 197; vgl. zudem Jeremias, Hosea, 172.
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befristeten Abwendung JHWHs von Israel im Kult beantwortet. Hos 6,1 formuliert einen Erkenntnisfortschritt, der diese Abwendung JHWHs in einer Selbstaufforderung zur kultisch vollzogenen Umkehr zu JHWH spiegelt und dabei die Heilungsund Wiederherstellungshoffnung nun auf den eigenen Landes- und Staatsgott richtet. Ab Hos 6,1 wird dabei mit רפאein Zuwendungsgeschehen JHWHs bezeichnet (vgl. Hos 7,1; 11,3; 14,5). Dieses Zuwendungsgeschehen bleibt nach Hos 6,4–6 jedoch aufgrund der mangelnden Beständigkeit der Treue Israels aus. Erst in der Fortführung der Kompositionslinie in Hos 7,1 findet sich die Schilderung einer sich tatsächlich vollziehenden Zuwendung JHWHs, die mit רפאbeschrieben wird, jedoch nicht in der Heilung bzw. Wiederherstellung des Staates Israels resultiert, sondern – die Körper- und Krankheitsmetaphorik aus Hos 5,12f; 6,1 aufgreifend – JHWH als einen Arzt präsentiert, der sich Israel heilend zuwendet. Seine Zuwendung resultiert jedoch nur in der Aufdeckung weiterer Krankheitsherde. Indem diese Krankheitsherde als „Schuld“ und „Bosheit“ bezeichnet werden, lässt sich in Hos 7,1 eine Theologisierung der Heilungs- bzw. Wiederherstellungsthematik beobachten, die in der Fortführung der Kompositionslinie in Hos 11,3 und Hos 14,5 vorausgesetzt und gesteigert wird. An die Stelle der mit „Schuld“ und „Bosheit“ bezeichneten Krankheitsherde tritt dabei in Hos 11,7 die neue Bezeichnung „Abwendung“ ( )מׁשובהfür die Haltung bzw. das Verhalten Israels gegenüber JHWH, die eine Umkehr zu diesem verhindern (vgl. Hos 11,5). Angesichts dieser Abwendung Israels wird JHWH in Hos 11,9 als derjenige geschildert, der sich selbst in seiner geschichtlich begründeten (vgl. Hos 11,1.5) Liebesfähigkeit treu bleibt und sich daher in einem “Herzensumsturz”331 dazu entscheidet, seine Liebe über seinen Zorn siegen zu lassen. Im Rahmen des Abschlusses dieser Kompositionslinie in Hos 14,5 wird der Sieg dieser „Gegenkraft gegen seinen Zorn“332 als Heilsperspektive vorausgesetzt, zugleich jedoch gesteigert. Dies geschieht in der Form, dass JHWH in Hos 14,5 als derjenige geschildert wird, der Israels Liebesfähigkeit durch die Heilung der Abwendung seiner eigenen Liebesfähigkeit angleicht und durch diese Partizipation eine Reaktion in der Umkehr Israels zu sich ermöglicht (vgl. Hos 14,2–4). Als Abschluss der Kompositionslinie der Heilungs- bzw. Wiederherstellungshoffnung (Hos 5,12f; 6,1; 7,1; 11,3; 14,5) formuliert Hos 14,5 eine Heilvision der endgültigen und dauerhaften Wiederherstellung der Beziehung zwischen JHWH und 331 332
Vgl. Jeremias, Hosea, 145. Ebd.
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Israel, die von JHWH ermöglicht wird und dabei auf seinem freien Entschluss zur Liebe beruht (vgl. Hos 14,5aβ). Indem Israel durch die Heilung der eigenen Abwendung an dieser Liebesfähigkeit partizipiert, ist es zugleich fähig, diese in einer Umkehr zu JHWH Gestalt gewinnen zu lassen und damit die Einladung in die Rückkehr in die Beziehung mit dem eigenen Landes- und Staatsgott in dessen Land (vgl. Hos 14,6–9) anzunehmen. Hos 14,2–10 erweist sich dabei auf einer theologischen Ebene mit der Narration der Wiederherstellung der Ehe durch den Ehemann in Hos 2,16–25. Gemeinsam bilden sie den Rahmen des Hoseabuches, der die Schilderungen des geschichtlichen Ergehens Israels im Buchkern heilvoll umfängt. 5.2.3.3 „Tau“ in Hos 14,6a Hos 14,6aα ist als Selbstaussage JHWHs die einzige Aussage, die sich im Kontext der V.6–8 auf JHWH bezieht. Der Halbvers bildet dabei die – implizit333 – kausale Grundlage für die sich in den V.6aβ– 8 anschließenden Bilder und Vergleiche, die Israels zukünftiges heilvolles Ergehen „mit einer reichen Pflanzen- und Vegetationsmetaphorik [beschreiben], die ihre Parallelen im Hohenlied hat“334. Wie bereits bezüglich Hos 14,2–5 beobachtet, greift dabei auch Hos 14,6 Begriffe aus dem bestehenden Buchkontext auf: Vom Tau ( )טלist bereits in Hos 6,4 und Hos 13,3 die Rede. Wie in Hos 14,6 liegt auch in Hos 6,4 ein Vergleich mit dem Tau vor, dort jedoch als Ausdruck der Unbeständigkeit der Treue Israels. In Hos 13,3 ist es schließlich Israel selbst, dem aufgrund seiner (kultischen) Untreue gegenüber JHWH angekündigt wird, wie der Tau zu vergehen, d. h. keinen dauerhaften Bestand zu haben. Sowohl in Hos 6,4 als auch in Hos 13,3 ist durch den Parallelismus mit einer „Morgenwolke“ ( )ענן־בקרdeutlich, dass es sich bei dem Tau um den Tau der Nacht handelt, der bei Sonnenaufgang vergeht.335 Hos 14,6 repräsentiert im Hoseabuch die einzige positive Verwendung eines Tau-Vergleichs, die zudem JHWH und nicht Israel beschreibt. „Tau“ ( )טלkann den sommerlichen Tau als „Bild göttlichen Segens“336 meinen, eher jedoch den herbstlichen Tau, der „die Veranlassung [ist], daß die Pflanzenwelt sich wieder zu regen beginnt“337. 333
Es findet sich kein Begründungspartikel in Hos 14,6f. Bons, Hosea, 169f. 335 Vgl. Dalman, AuS 3, 7. 336 AaO, 96. 337 Ebd. 334
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Während in Hos 6,4 und Hos 13,3 der Tau-Vergleich als Ausdruck der Unbeständigkeit und der Vergänglichkeit der Treue Israels verwendet wird,338 dient der Tau-Vergleich in Hos 14,6 dazu, JHWH als den Garanten von Israels Leben und Gedeihen zu präsentieren. Im Rahmen der Selbstaussage von Hos 1,4 präsentiert sich JHWH als derjenige, der der Garant für das Blühen (vgl. Hos 14,6ab), den Bestand/die Standfestigkeit (vgl. Hos 14,6b), die Fruchtbarkeit und Schönheit (vgl. Hos 14,7a) und den Wohlgeruch (vgl. Hos 14,7b) Israels (vgl. Hos 14,6a) sein wird. Aufgrund JHWHs heilvoller pro Israel ( )ליׂשראלExistenz ist Israel in der Lage, eine heilvolle Existenz coram deo zu führen. Wie durch die Erwähnung der Kulturpflanzen Kanaans Olivenbaum (זית, V.7a), Getreide (דגן, V.8a), Weinstock (גפן, V.8a) und Wein (יין, V.8b) ersichtlich wird, kündigt die Heilsvision von Hos 14,6f ein Erblühen Israels im Land an. Demgegenüber besteht nach V.8 die Heilsvision in einer Rückkehr von Exilierten in das Land JHWHs,339 die sich selbst an der Rekultivierung des Landes beteiligen, indem sie das Getreide wieder aufleben lassen und so dem Land selbst zu seiner alten Fruchtbarkeit verhelfen (vgl. das reziproke Gegenbild in Hos 4,3).340 Betrachtet man die einzelnen Bilder, die das zukünftige heilvolle Ergehen Israels als Folge der lebensspendenden Zuwendung JHWHS „wie Tau“ zu Israels beschreiben, so kündigt das erste Bild von V.6aβ an, dass Israel infolge von JHWHs heilvoller Zuwendung „wie die Lilie“ ( )כׁשוׁשנהblühen/sprießen ()פרח341 wird. Dies stellt ein positives Gegenbild zu der Aussage von Hos 10,4 dar, in dem beschrieben wird, dass Israels Urteil ( )מׁשפטwie Giftkraut ( )כראׁשan den Furchen des Feldes wuchert ()פרח. Während vormals das einzige, was in Israel „aufgeblüht“ ist, „giftige“, d. h. ungerechte Urteile waren, wird in Hos 14,6 Israel selbst ein Aufblühen angekündigt, das dem Aufblühen einer Blume statt dem Wuchern eines Giftkrauts ( )כראׁשgleicht. Welche Blume mit ׁשוׁשנהgemeint ist, ist umstritten,342 was jedoch den heilvollen Aussagehalt von Hos 338
Vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 236. Vgl. Abschnitt 5.2.3.1. 340 Vgl. Vielhauer, Werden, 198, der V.8 als Zusatz ansieht, da er „die Bilder vom Gedeihen Israels vorübergehend in konkrete Aussagen von Heimkehr und Getreideanbau überführt“. Als weitere Indizien für diese Einschätzung von V.8 verweist Vielhauer darauf, dass „anders als in V.6– 7.9 […] Israel im Plural [erscheint]. Zudem führt der Vers JHWH in 3.Ps., durchbricht also die Gottesrede von 14,6–9“ (aaO, 199). 341 Vgl. Hos 10,4; 14,8. 342 So vermuten Rudolph, Hosea, 251; Wolff, Hosea, 305 und Jeremias, Hosea, 173, dass es sich um eine Lilie handelt; Bons, Hosea, 170 vermutet dagegen, dass „wohl an die Lotusblume oder Seerose gedacht [ist], die als 339
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14,6aβ weder schmälert, noch in Frage stellt.343 Vom Blühen ist noch einmal in Hos 14,8 die Rede. Im Rahmen dieses Verses wird den aus dem Exil Zurückgekehrten ankündigt, das sie aufblühen werden wie der Wein ( – )גפןauch dies stellt, im Rahmen der Erwähnung der Kulturpflanzen Kanaans (V.7a: Ölbaum; V.8a: Getreide; V.8a/b: Wein) ein Bild des zukünftigen Gedeihens Israels dar. Auch im Rahmen des zweiten Bildes formuliert Hos 14 ein positives Gegenbild zu einer Schilderung des Ergehens Israels, die sich im bestehenden Buchkontext findet und greift dabei die dort verwendeten Begriffe auf: So wird in Hos 14,6b Israels zukünftiger Beständigkeit damit Ausdruck verliehen, dass angekündigt wird, dass es seine Wurzeln wie der Libanon schlagen ( נכהHif.) wird. Das Israel, das von JHWH geschlagen wurde (vgl. Hos 6,1: נכהHif.; 9,16: נכהHof.) und dessen Wurzel verdorrt war (vgl. Hos 9,16), wird zukünftig durch die heilvolle Zuwendung JHWHs (vgl. Hos 14,6a) fest gegründet sein und dadurch dauerhaften Bestand haben (vgl. das Gegenbild zum „Gefallensein“ in Hos 14,2b). Dabei erscheint es aufgrund der in Hos 14,6–8 vorherrschenden Pflanzenmetaphorik naheliegender, die Erwähnung des Libanons in Hos 14,6b auf den Zedernwald des Libanons und nicht auf das Gebirge selbst zu beziehen.344 Die dreimalige, refrainartige Erwähnung des Libanons „in betonter Abschlußstellung“345 geschieht dabei in Hos 14 „um der Kraft und weiten Ausbreitung seines Zedernwaldes willen (V.6 […]), um des beglückenden Wohlgeruchs seiner Bäume und Sträucher willen (V.7), um seines berühmten Weines an den Berghängen willen (V.8)“346.Hos 14,6b nimmt dabei durch die Verwendung der Wurzel „( נכהschlagen“) und die Verwendung von „( ׁשרׁשWurzel“) Begriffe auf, die beide bereits in Hos 9,16 zur Beschreibung des Ergehens Israels verwendet wurden. Hos 14,6b formuliert dabei ein positives Gegenbild, denn während in Hos 9,16 mit der Aussage „( הכה אפרים ׁשרׁשם יבׁשGeschlagen ist Efraim, ihre Wurzel ist verdorrt“) die Verwerfung Israels durch JHWH ausgesagt wird, wird in Hos 14,6b mit beiden Begriffen die Symbol für das sich neu entfaltende Leben in seiner Schönheit und Frische gilt“. 343 Vielleicht wurde ( ׁשוׁשנהV.6) auch aufgrund einer gewissen klanglichen Nähe zu ( מׁשובהV.5a) gewählt. 344 So auch Jeremias, Hosea, 173; Bons, Hosea, 170; Rudolph, Hosea, 252 verweist zudem auf die „antike Anschauung, daß die Berge tief in der Erde verwurzelt sind (vgl. Hi 28,9), je höher sie sind, um so [sic] tiefer, und da das Libanongebirge für den Israeliten das höchste war, das er kannte (vgl. Cant 4,8), bedeutet der Vergleich mit dem Libanon tiefste Verwurzelung“. 345 Jeremias, Hosea, 173. 346 Ebd.
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von JHWH garantierte Beständigkeit der zukünftigen Existenz Israels angekündigt. Durch die Aufnahmen von נכהund ׁשרׁשaus Hos 9,16 in Hos 14,6b erklärt sich darüber hinaus „der Umstand, daß נכהim Alten Testament nur an dieser Stelle in Verbindung mit Pflanzenwurzeln gebraucht wird“347. Der heilvolle Sinngehalt von Hos 14,6 kommt nicht nur den Vergleich mit dem Libanon, sondern auch durch die Formulierung eines Gegenbildes zu Hos 9,16 zustande. Anders als in den vorangehenden Versen lassen sich bezüglich der Bilder von Hos 14,7 keine Stichwortaufnahmen aus dem bestehenden Buchkontext beobachten. Dafür wird die in V.6 vorliegende Baummetaphorik in Hos 14,7 weiter ausgeführt. Wurde Israel in Hos 14,6 eine tiefe Verankerung seiner Wurzeln angekündigt und auf diese Weise Israels zukünftige Existenzsicherheit ausgedrückt, wird der Aspekt der Existenzsicherheit in Hos 14,7aα im Rahmen eines weiteren Sprachbildes mit der Ausbreitung von Trieben/Sprösslingen ( )יונקתverkündet. Während dabei die Aussage von Hos 14,6 Israels Existenzsicherheit durch eine Verwurzelung in der Tiefe aussagt, kündigt die Vegetationsmetapher von Hos 14,7aα die Existenzsicherung durch eine (quantitative) Ausbreitung an. Israel, dass durch den Untergang des Nordreichs (vgl. Hos 14,1) bzw. das Exil (vgl. Hos 14,8) in seiner Bevölkerung dezimiert ist, wird im Land auch bezüglich der Bevölkerungsdichte wieder aufblühen. Eine ähnliche Aussage scheint V.7aβ zu implizieren, wonach Israel in seiner Pracht ( )הודwie ein Ölbaum ( )זיתsein wird. So schreibt Dalman: „Die Anmut eines kräftigen Ölbaums, wenn die ganze Fülle seiner zarten Zweige mit unverwelklichem Laub über seinem starken Stamm schwebt und reiche Frucht verheißt, ist die Veranlassung, daß der üppige Ölbaum […] mit entsprechender Frucht […] als Bild hochbefriedigter Existenz angewandt wird. Herrlichkeit zu besitzen wie der Ölbaum (Hos. 14,7), ist höchstes Glück“348. Jeremias betont darüber hinaus die „langlebige Kraft“349 des Olivenbaums, so dass V.7aβ als Aussage über eine weitere Dimension der Existenzsicherheit Israels, die zeitliche Dimension, verstanden werden kann. Mit dem Olivenbaum wird zudem das erste der drei wichtigsten Kulturgüter Kanaans – Oliven(öl), Getreide, Wein – erwähnt, die in Hos 14,7–9 zum Ausdruck des zukünftigen Erblühens und der guten Versorgung Israels im Land dienen. Während V.6a.7aα Israels 347
Vielhauer, Werden, 188, der selbst keine Erklärung für diese Formulierung bietet, Konjekturen jedoch ebenfalls für unnötig hält. 348 Dalman, AuS 4, 164. 349 Jeremias, Hosea, 173.
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zukünftige Existenz- bzw. Bestandssicherheit ankündigt, kündigt V.7aβ mit dem Verweis auf Israels zukünftige Pracht/Hoheit ()הוד ein Charakteristikum des zukünftigen Israels an, das im Alten Testament mehrheitlich von JHWH und seiner Herrschaft ausgesagt wird (vgl. 1Chr 16,27; 29,11; Hi 37,22; 40,10; Ps 8,2; Jes 30,30) und dabei Macht und Kraft impliziert.350 Einen eher sinnlich-ästhetischen Aspekt der zukünftigen Existenz Israels kündigt hingegen V.7b an, in dem Israel ein zukünftiger Duft ( )ריחverheißen wird, der dem des Libanon gleicht. Die Formulierung „( כריח לבנוןwie der Duft des Libanon“) findet sich auch in der Liebeslyrik von Hhld 4,11 und wird dort zur Beschreibung der geliebten Frau verwendet: 4,11
נפת תטפנה ׂשפתותיך כלה דבׁש וחלב תחת לׁשונך וריח ׂשלמתיך כריח לבנון׃
„Honigseim träufelt von deinen Lippen, Braut, Honig und Milch sind unter deiner Zunge, und der Duft deiner Gewänder ist wie der Duft des Libanon.“
Zu kurz greifen daher Positionen, die in der Aussage von Hos 14,7b nur ein Bild für das zukünftige Leben Israels sehen: „So ist das neue Leben nicht nur kräftig und fruchtbar, sondern beglückt auch mit Genüssen, die ein hohes Wohlbefinden erwecken“351. Wie in der Parallele Hhld 4,11 wird sich nicht das Leben Israels, sondern Israel selbst ( )ריח לוdurch einen unwiderstehlichen Duft, einen „beglückenden Wohlgeruch […]“352auszeichnen. Beglückt zeigt sich durch diesen Wohlgeruch in Hhld 4,11 jedoch nicht die Frau/Braut, sondern der Mann. Hos 14,7b spiegelt die liebevolle Wahrnehmung Israels durch JHWH wider, welcher in der Beschreibung von Israels zukünftigen Wohlgeruch Ausdruck verliehen wird und durch die Verwendung von Topoi der Liebeslyrik Assoziationen an die Wiederverlobungs- und Ehemetaphorik aus Hos 2,16–25 weckt, in deren Rahmen JHWH sich neu mit Israel verlobt ( )ארׂשund Israel zu seiner כלהmacht.353 Wie Hos 14,7b weist auch Hos 14,8aα einen Topos der Liebeslyrik auf, der sich auch im Hohenlied findet. Die aus dem Exil ins Land Zurückkehrenden (V.8) werden dabei mit der Bezeichnung „( יׁשבי בצלוdie in seinem Schatten Sitzenden“) in Anlehnung an Hhld 2,3 als Braut JHWHs dargestellt, die im Schatten JHWHs sitzt.354 Hos 14,8aβ beschreibt, welcher Tätigkeit die 350
Diese kann auch Streitrösser (Hi 39,20; Sach 10,3) und Könige auszeichnen (1Chr 29,25; Ps 21,6). 351 Wolff, Hosea, 306. 352 Jeremias, Hosea, 173. 353 Vgl. Rudolph, Hosea, 107. 354 Vgl. Vielhauer, Werden, 199, Anm. 55.
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Zurückgekehrten im Land nachgehen werden und wie es ihnen selbst im Land ergehen wird: Sie werden es sein, die das Getreide wieder anbauen bzw. es „revitalisieren“ ( יחיוPi.). Die Wiederanpflanzung des Getreides durch die Zurückgekehrten im Land erinnert dabei an Hos 2,25, in dem es JHWH selbst ist, der die Zurückgekehrten im Land für sich aussät/einsät ( )וזרעתיה לי בארץsowie an Hos 6,1, in dem es JHWH ist, von dem Israel seine „Wiederbelebung“ bzw. „Revitalisierung“ erhofft (יחינו מימים ביום, „Er [sc. JHWH] wird uns wiederbeleben nach zwei Tagen“). Handelt es sich bei Hos 14,8aβ um eine Reminiszenz an Hos 2,25 und insbesondere an Hos 6,1, so liegt eine erneute Partizipationsaussage vor. Ist es die Liebesfähigkeit und Treue JHWHs, an der JHWH Israel nach Hos 14,5 teilhaben lassen wird, ergibt sich aus dieser Partizipation an seinem Wesen in Hos 14,8aβ eine Partizipation an seinem Handeln, das sich in einer Zuwendung zum Land Kanaan – als der Lebensgrundlage Israels – realisiert. Während es dabei in Hos 2,25 die Exilierten selbst sind, die JHWH für sich ( )ליim Land aussät, d. h. wiederaufleben lässt, ist es nach Hos 14,8aβ das Getreide, das durch die Exilierten wieder angebaut wird. In Hos 6,1 erhoffen sich die Israeliten ein „Wiederaufleben“ nach Krankheit durch JHWH (vgl. Hos 5,13ff), wohingegen in Hos 14,8aβ die Israeliten selbst dem Land durch eine „Wiederbelebung“ des Getreides zu neuem Leben und Gesundheit verhelfen (vgl. Hos 4,3). Im Dialog mit Hos 2,25 betrachtet, handelt es sich – wie bereits bei Hos 14,5 – bei Hos 14,8aβ um eine von JHWH ermöglichte Reziprozitätshandlung: Weil JHWH Israel für sich im Land wieder ansässig macht (Hos 2,25; Hos 14,8a) können die Israeliten das Land JHWHs durch den Anbau von Getreide wiederaufleben lassen (vgl. auch das Gegenbild in Hos 4,3). Diese „Wiederaufleben“ wird dabei auch den Israeliten selbst im Land zuteilwerden. Ihr Erblühen wird unter erneuter Verwendung von ( פרחvgl. Hos 14,6) im Rahmen eines Vegetationsvergleichs mit dem Erblühen des Weinstocks ( )גפןverglichen. Auch dieses Bild hat eine Parallele in der Liebeslyrik von Hhld 6,11 und Hhld 7,13. Die Zeit, wenn der Weinstock erblüht, die Weinblüte aufspringt und der Granatapfelbaum blüht, ist in der Liebeslyrik des Hohenliedes zugleich der Zeitpunkt, zu dem der Mann seiner Braut seine Liebe schenken will (vgl. Hhld 7,13). Wenn Israel ein Erblühen im Land angekündigt wird, das dem Erblühen des Weinstocks entspricht, dann wird Israel eine fruchtbare (Liebes-)Gemeinschaft mit JHWH verheißen. In beiden Fällen wird eine erneute Bevölkerung und Belebung des Landes und somit ein dauerhafter Aufenthalt Israels im Land zum Ausdruck gebracht, der von JHWH selbst ermöglicht wird und sich als eine fruchtbare Existenz darstellt.
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Voraussetzung auch dieses „Erblühens“ ist dabei die Versorgung des Landes mit Wasser durch JHWH in der Rolle des Versorgers, wie ihn Hos 14,2 schildert. Ist JHWH in Hos 2 der versorgende Ehemann, so ist er in Hos 14,2 der das Land und seine Bewohner versorgende Wettergott, der ihnen in Liebe und Fürsorge das Gedeihen ermöglicht. Dementsprechend ist es auch in Hos 14,8 JHWH selbst, der mit seinem Regen und Tau (vgl. Hos 14,6) „mit dem Getreide auch Ölbäume wie Weinstöcke, Palmen und Granatapfelbäume ihre Frucht bringen läßt“355 – und in diesem Sinne für das Gedeihen Israels im Land sorgt. Dass Israel dabei mit einem wertvollen Weinstock verglichen wird, zeigt die Fortsetzung des Bildes in V.8b, in dem der Ruf dieses Weins mit dem Ruf des Libanonweins ( )כיין לבנוןverglichen wird. Dalman bezieht diese Aussage auf den Duft des Libanonweins: „Durch seinen Duft wird sich nach Hos. 14,8 der Libanonwein ausgezeichnet haben, wenn der Ruhm Israels ihm gleicht“356; Jeremias betont darüber hinaus, dass der Weinstock „Genuß und Wohlleben“357 symbolisiert und verweist auf den „bewußten Rückbezug auf 10,1“358, der in V.8b mit der Erwähnung des Weinstocks ( )גפןvorliegt. Mit der Erwähnung von Olivenbaum ()זית, Weinstock ()גפן/Wein ()יין und Getreide ( )דגןliegt dabei in Hos 14,7f ein Rückbezug auf die Erwähnung von Getreide ()דגן, Wein/Most ( )תירוׁשund Öl ( )יצהרaus Hos 2,10f.24 vor. Im Rahmen der Ehe(bruch)metaphorik von Hos 2 sind Getreide, Wein und Öl die Ehegaben des Ehemannes/JHWHs an seine Frau/Israel, die diese jedoch nicht mit der Versorgung durch JHWH in Verbindung bringt, sondern mit ihren Liebhabern/den Baalen (vgl. Hos 2,10). Aufgrund dieser Untreue entzieht JHWH ihr diese Gaben (vgl. Hos 2,11). Erst Hos 2,24 kündigt eine Rückgabe von Getreide, Wein und Öl an. In dieser Linie steht auch Hos 14,7f. Unter Umkehrung der Reihenfolge der Erwähnung der „Ehegaben“ und als Symbole für die Wiederherstellung Israels verwendet Hos 14,7f gerade die Pflanzen, deren Früchte nach Hos 2,10f.24 als Ehegaben JHWHs zu betrachten sind. Hos 14 schildert die Wiederherstellung Israels im Land als Wiederherstellung der Ehe JHWHs mit Israel. Dabei stehen nicht wie in Hos 2 die Produkte von Olivenbaum (Öl), Weinstock (Wein) und Getreide (Korn) im Vordergrund, sondern die Pflanzen, die diese Früchte hervorbringen. Hos 14 betont, dass es Israel im Rahmen der von JHWH 355
Dalman, AuS 4, 161. AaO, 374. 357 Jeremias, Hosea, 173. 358 Ebd. 356
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ermöglichten heilvollen Existenz selbst sein wird, das nicht nur mit den Früchten des Landes versorgt wird, sondern sich durch die Qualität der diese Früchte hervorbringenden Pflanzen auszeichnen wird. Beachtenswert ist dabei, dass ein „Fruchtbringen“ erst in Hos 14,9 thematisiert wird. Dieses stellt sich dabei nicht als ein „Fruchtbringen“ dar, welches Israel zu leisten hat (vgl. Hos 9,16). Vielmehr verkündigt JHWH, dass Israel die eigene Frucht an ihm selbst findet („ ;ממני פריך נמצאweg von mir/an mir ist deine Frucht zu finden/kann deine Frucht gefunden werden“). Auch Hos 14,9 steht im engen Dialog mit dem bestehenden Buchkontext, wie zahlreiche thematische Parallelen und Stichwortaufnahmen zeigen. Die Aussage von Hos 14,9a liest sich dabei wie eine rhetorische Frage JHWHs359 auf die Schilderung von Efraims Verbundenheit mit Götzen ( )עצביםin Hos 4,17: („Verbunden mit Götzen ist Efraim – lass ihn!“) und greift die Auseinandersetzung JHWHs mit seinen Nebenbuhlern auf: „Als Nebenbuhler JHWHs (Hos 2: )מאהביםtreten hier noch einmal die Götzenbilder ( )עצביםin Erscheinung, die bereits in 4,17; 8,4; 13,2 ()עצבים, 2,10b ( )בעלund 11,2 ( )פסליםin als Konkurrenten JHWHs genannt sind“360. Indem Hos 14,9a als rhetorische Frage an Efraim die Antwort „Nichts!“ impliziert, d. h. bei Efraim die Erkenntnis voraussetzt, dass es kein gemeinsames Element zwischen JHWH und den Götzen gibt, scheint der Halbvers damit eine zukünftige Verwechslungsmöglichkeit zwischen den Götzen und JHWH kategorisch auszuschließen. Indem sich Hos 14,9a jedoch an ein Efraim wendet, das die Umkehr, die von Hos 14,5 ermöglicht und in Hos 14,2–4 beschrieben wird, noch nicht vollzogen hat, können dem Vers auch mahnende361 Töne beigemessen werden: Efraim muss erkennen, dass es keine Gemeinsamkeiten zwischen den Götzen und JHWH gibt und das heilvolle Leben, welches Hos 14,2–8 beschreiben, nur bei JHWH zu finden ist. „JHWHs Ausschließlichkeitsanspruch auf Israel“362, nicht nur als „Ehemann“ Israels, d. h. alleiniger Gott, sondern damit 359
Gegen LXX ( )לוwird die Lesart von MT ( )ליbeibehalten und weder von einer י/ו-Verschreibung (so Rudolph, Hosea, 249; Jeremias, Hosea, 168) ausgegangen, noch im Anschluss an S und T Efraim als Subjekt des Satzes aufgefasst. Vielmehr wird sich Vielhauer, Werden, 189 in seiner Beobachtung angeschlossen, dass „die kunstvolle Gestaltung des Verses mit ממני- אני- אני- ]…[ מה־ליeher ein Hinweis dafür [ist], daß JHWH durchgängig als Sprecher gedacht ist“. 360 Vielhauer, Werden, 184. 361 Dass Hos 14,9 vor allem eine Mahnung sei, die „für Jahrhunderte“ den Buchabschluss bildete, wird u. a. von Naumann, Hoseas Erben, 171 vertreten. 362 Vielhauer, Werden, 199.
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verbunden auch als alleiniger Ermöglichungsgrund von Efraims Heil, wird Efraim daher in Hos 14,9b vor Augen gestellt. Die viermalige Verwendung des auf JHWH bezogenen Personalpronomens 1.c.sg. (ממני, אני, אני, )לי363, die Aufnahme des zentralen Leitworts „( ענהantworten“), das in Hos 2,16–25 die wiederhergestellte Beziehung zwischen JHWH und Israel verdeutlicht (vgl. Hos 2,17.23[3mal].24[2mal]) sowie die Fortführung der heilvollen Pflanzen- und Vegetationsmetaphorik aus Hos 14,6ff dienen dabei dem Zweck, JHWH als den alleinigen Geber von Israels Heil herauszustellen. Dabei können die Aussagen von Hos 14,6 und Hos 14,9 als JHWH-bezogene Inklusio betrachtet werden: Es ist JHWH allein, der Israels Fruchtbarkeit ermöglicht (Hos 14,6: אהיה כטל ליׂשראל, „Ich werde für Israel wie der Tau sein“), der Geber von Israels Frucht ist (Hos 14,9: ממני פריך נמצא, „Weg von mir/An mir ist deine Frucht zu finden“) und damit die Basis von Israels Gedeihen (Hos 14,7f) darstellt. In direkter Gegenüberstellung mit den Götzen (vgl. Hos 14,9a) verdeutlicht dabei Hos 14,9bα mit der betont vorangestellten Verwendung des Personalpronomens (1.c.sg.), dass es JHWH war, der Israel geantwortet hat und der Israel zukünftig ansehen wird. „Antworten“ ( )ענהund „Ansehen“364 ()ׁשור365 sind dabei im Rahmen sozialer Interaktionen als Zuwendungsgeschehen zu betrachten,366 die durch ihren Rückbezug auf Hos 2,16ff die wiederhergestellte Beziehung zwischen JHWH als Ehemann und Israel als seiner Ehefrau verdeutlichen. Mit der Tätigkeit des Ansehens/Betrachtens ( )ׁשורist zugleich ein positives Gegenbild zu der Verwendung von ׁשורin Hos 13,7 formuliert. Dort ist es ebenfalls JHWH, der sich in dieser Form Israel zuwendet, dort jedoch wie ein Leopard ()כנמר, der am Weg Israel in den Blick nimmt, d. h. ihm also auflauert ()ׁשור. Im Kontext von Hos 14,9 beweist die Tatsache, dass JHWH zu beiden Zuwendungsformen fähig ist, jedoch gerade keine feindselige Haltung gegenüber Israel, sondern seine Überlegenheit gegenüber den Götzen, die – so impliziert es Hos 14,9bα – Israel weder antworten noch anschauen können und sich damit als Menschenwerk 363
Vgl. ebd. Vgl. Mit Gott als Subjekt: Num 24,17; Hi 7,8 (?); (in Parallelverwendung mit ;)ראה35,13; Hos 13,7. 365 Bons, Hosea, 172 verweist darauf, dass „hebr. ảschuränu […] ein Wortspiel mit ‚Assur’, hebr. aschur, ergibt. […] Anderer Götter bedarf es nicht, ebensowenig muß es in Assur Hilfe suchen“. 366 So mit MT und gegen Konjekturvorschläge, die im Anschluss an Wellhausen annehmen, dass „JHWH […] hier in Konkurrenz zu weiblichen Gottheiten [tritt], von denen er wesentliche Züge und Funktionen über[nimmt]“ (Vielhauer, Werden, 199). 364
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(vgl. Hos 14,4) erweisen. Die Frage von Hos 14,9a erhält auch von Hos 14,9b ihre Antwort. In seiner Fähigkeit zur wahrnehmenden und versorgenden Zuwendung vergleicht sich JHWH mit einem ברוׁש רענן. Obwohl „ ברוׁשkeine exakte botanische Angabe“367 ist, lassen die wiederholten Bezugnahmen auf den Libanon (vgl. Hos 14,6b.7b.8b) den vorsichtigen Schluss zu, dass „ ברוׁשwohl einen vor allem im Norden Palästinas sowie im Libanon vorkommenden Baum [bezeichnet], wobei hier am ehesten eine Wacholderart in Frage kommt, die gut erkennbare fleischige Früchte trägt“368.369 Während diese Übersetzungsmöglichkeit u. a. von Jeremias („üppiger Wacholder“370) und Vielhauer („grünender Wacholder“371) gewählt wird, entscheidet sich Wacker für die Wiedergabe mit „üppige Konifere“372. Die Wiedergabe von ברוׁשmit „Zypresse“ kommt ihres Erachtens nicht in Frage, „da Zypressen […] keine Fruchtträger sind“373. Sie verweist stattdessen darauf, dass die Wahl von ברוׁש wohl auf klangliche Gründe zurückzuführen sei.374 Darüber hinaus macht sie darauf aufmerksam, dass es „kein Zufall sein [mag], daß der Name dieses Baumes, in [sic] den LXX zur Übersetzung des hebräischen ברוׁשlediglich transkribiert, sich bei dem Phönizier Sanchuniaton als Name einer im Libanon zu lokalisierenden (weiblichen?) Gottheit βράτυ findet“375. Angesichts der Tatsache, dass jedoch Koniferen für den Menschen giftig bzw. ungeniessbar376 sind und Wacholderbeeren nicht zu den Früchten zählen, die zur Versorgung eines Menschen gereichen,377 erscheinen beide Baumarten nur bedingt geeignet, um die intendierte Versorgungsaussage auszudrücken. So kann im Anschluss an Nielsen 367
Bons, Hosea, 172. Ebd. 369 Wacker, Figurationen, 298 entschließt sich mit gleicher Argumentation für die Wiedergabe mit „Konifere“: „So wird es angemessen sein, die weitere Bedeutung dieses Nomens als Bezeichnung einer Konifere, wie sie gerade auf dem Libanon häufig anzutreffen war, hier gelten zu lassen und damit dem offensichtlich gemeinten Bildzusammenhang hier gelten zu lassen“. 370 Jeremias, Hosea, 168. 371 Vielhauer, Werden, 187. 372 Wacker, Figurationen, 297. 373 Ebd. 374 AaO, 297f. 375 AaO, 298. 376 Vgl. Kübel, Metamorphosen der Paradieserzählung, 90, Anm. 258. 377 So fällt es schwer, der Argumentation von Wacker, Figurationen, 298 zu folgen, die schreibt: „JHWH selbst übernimmt Züge der Baumgöttin, ihre im Schatten angezeigte numinose Präsenz und vor allem den nährenden Aspekt ihrer Früchte“ (Hervorhebung von mir). 368
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nur von einer Kombination unterschiedlicher Baumarten in der Metapher von Hos 14,9 ausgegangen werden, deren symbolische Eigenschaften auf JHWH als „Lebensbaum“378 übertragen werden: „Um zu vermeiden, daß der Schöpfer mit einem Teil seiner Schöpfung identifiziert wird, wird der Baum, der als Bild für Jahwe gebraucht wird, ganz anders als die Bäume beschrieben, die man aus dem Alltag kennt. Der Baum in Hos 14,9 ist eine Kombination eines immergrünen Baumes, der Zypresse, die für Überleben und Ewigkeit steht, und eines Fruchtbaumes, der die Menschen mit der lebensnotwendigen Nahrung versorgt“379.380 Zugleich setzt die Verwendung von „( ממניweg von mir“/„an mir“) in V.9bβ jedoch offensichtlich ein Baumbild voraus, wie es V.9bα bietet.381 Während dabei V.9bα durch den Bezug auf einen immergrünen Baum, der bis zu 1000 Jahre alt werden kann,382 die Dauerhaftigkeit der Beziehung und die bleibende Gegenwart JHWHs versinnbildlicht, ist dieser „Baum“ zugleich die dauerhafte Quelle für Israels Versorgung (vgl. V.9bb). Die Aussage bezüglich der Frucht ( )פריךvon V.9bβ bezieht sich dabei jedoch nicht auf V.9bα, sondern stellt ein Wortspiel mit „Efraim“ ( )אפריםin V.9a dar.383 Efraims „Frucht“, d. h. seine Versorgung, findet ( )מצאes dauerhaft in der Gemeinschaft mit JHWH. In vorangestellter Position betont dabei „( ממניweg von mir“/„an mir“) in V.9bβ erneut, dass nur JHWH und nicht die Götzen (vgl. V.9a) der Urheber dieser Versorgung ist. Dabei stellt auch die Verwendung von „finden“ ( )מצאzum Ausdruck des Zugriffs auf diese Versorgung eine Stichwortaufnahme aus dem bestehenden Buchkontext, insbesondere Hos 2, dar. Dort versucht die 378
Vgl. Jeremias Hosea, 173: „In einem gewagten, im Alten Testament singulären Bild für Gott vergleicht er [sc. JHWH] sich mit einem immergrünen Baum, der offensichtlich den Lebensbaum symbolisiert, wie er in der Mythologie des Alten Orients eine große Rolle spielt“. 379 Nielsen, Baum, 131. 380 Vgl. Seifert, Metaphorisches Reden, 241f, die darauf hinweist, dass „der Vergleich unmißverständlich klar [macht], daß die Israeliten Leben und Fruchtbarkeit nicht bei der im Baum verehrten Göttin suchen müssen, weil sie es im Überfluß von JHWH empfangen […]. Damit okkupiert die Metapher eines der wichtigsten Motive kanaanäischer Religiosität, um es auf JHWH zu übertragen. Zwar wird es schon dadurch modifiziert, daß es nur als Vergleich aufgenommen ist, doch die Nähe zur Vorstellungswelt der Fruchtbarkeitskulte ist unübersehbar. Darin unterscheiden sich die beiden Gottesmetaphern in Hos 14,6–9 von den übrigen im Hoseabuch (außer 6,3). Hosea selbst modifiziert Motive aus der kanaanäischen Religion, die er für JHWH in Anspruch nimmt, weitaus stärker, vor allem dadurch, daß er sie auf die Geschichte des Volkes mit JHWH bezieht“. 381 Vgl. aaO, 130f. 382 Vgl. aaO, 131; vgl. Vielhauer, Werden, 198. 383 Vgl. Rudolph, Hosea, 253; Bons, Hosea, 172.
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Ehefrau (Israel) ihre Liebhaber (Baale) zu finden ( ;מצאvgl. Hos 2,9), da es die eigene Versorgung nicht auf ihren Ehemann (JHWH) (vgl. Hos 2,10f), sondern auf diese zurückführt. Aufgrund der Untreue gegenüber JHWH ist es Israel schließlich nicht mehr möglich, JHWH (im Kult) zu finden ( ;מצאHos 5,6), da er sich ihnen entzogen hat. Dabei war es nach Hos 9,10 JHWH, der Israel wie Trauben in der Wüste fand ( )מצאund sich an Israels Vorfahren so erfreute, wie jemand sich an einer Frühfeige bzw. der ersten Frucht eines Feigenbaums erfreut (Hos 9,10). Hos 14,9b verheißt nun Israel für die Zukunft nicht nur das ungetrübte Verhältnis der Vorzeit (Hos 9,10), sondern auch, dass es sich vormals bei den Liebhabern/Baalen gesuchte, dauerhafte Versorgung bei JHWH finden wird ( ;מצאHos 14,9b). Hos 14,9 ist dabei nur bedingt als eine Mahnung zu verstehen.384 Vielmehr weist der Vers als betonte Eigenaussage JHWHs (vgl. die doppelte Verwendung von „ ;אניich“) Israel am Ende des Hoseabuches den heilvollen Weg zu JHWH, der für Israels dauerhafte Versorgung selbst Sorge tragen möchte – und dabei keine Reziprozitätshandlung mehr voraussetzt, sondern auch dafür Sorge trägt, dass Israel diesen Weg findet (vgl. Hos 14,5.9). In diesem Sinne erweist sich Hos 14,2–9 als eine Einladung an Israel in und aus der Liebe JHWHs zu leben und sich JHWH selbst in Liebe zuzuwenden (vgl. Hos 14,2–4). Hos 14 präsentiert sich dabei als ein buchabschließendes Kapitel, das die Leselinien des bestehenden Buchkontextes anhand von Stichwortaufnahmen aufnimmt und zusammenführt – und dabei zugleich zu einer reinen Heilsbotschaft transformiert. Die einzige emphatisch (!) geforderte Reziprozitätshandlung, die im Rahmen von Hos 14,2–9 an Israel gerichtet wird, ist die Aufforderung zur Umkehr (Hos 14,2f), die sich von Hos 14,5 her als von JHWH ermöglichte Umkehr aus der Partizipation an seiner Liebesfähigkeit erweist. Israel muss demnach im Rahmen der geforderten Reziprozitätshandlung nichts mehr leisten, sondern wird aufgefordert, die Einladung JHWHs, die gemeinsame Beziehung fortzuführen, anzunehmen und d. h. sich von JHWH lieben zu lassen und JHWH zu lieben. Die durch die Heilung der Abwendung Israels durch JHWH ermöglichte gegenseitige Liebe ist die letzte Form von Reziprozität, die im Rahmen von Hos 14,2–9 im Bild der Zukunftsvision einer wiederhergestellten Ehe thematisiert 384
Als Mahnung wird Hos 14,9 dabei u. a. von Naumann, Hoseas Erben, 132 verstanden: „Für die Komposition 14,2–9 wie für den Überlieferungskomplex, den Hos 14,9 abschließt, gilt damit aber, daß nicht die Ansage zukünftigen Heils das letzte Wort behält, sondern die Mahnung“.
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wird und dabei die hoseanische Theologie der Treue zur zentralen Botschaft des Gesamtbuches erklärt.385 Zwischenergebnis Anders als in Hos 6,4 und Hos 13,3 dient der Tau-Vergleich in Hos 14,6 nicht zum Ausdruck eines Mangels an Beständigkeit der Treue (Hos 6,4) bzw. der Existenz Israels (Hos 13,3), sondern zum Ausdruck der lebensspendenden Zuwendung JHWHs zu Israel. Im Anschluss an die grundsätzliche Ankündigung der Heilung von Israels Abwendung, die mit dem Entschluss JHWHs, Israel aus freien Stücken zu lieben, parallelisiert wird (vgl. V.5), schließt sich in der Selbstaussage JHWHs aus V.6aα die Ankündigung der Zuwendung zu Israel „wie Tau“ an. Diese lebensspendende Zuwendung stellt sich dabei als die Folge des in V.5 gefassten Entschlusses dar. Dieser Entschluss zur Heilung der Abwendung Israels und zur Fortsetzung der Zuwendung zu Israel in Liebe statt in Zorn (vgl. V.5) repräsentiert dabei nicht weniger als den Entschluss zur Wiederaufnahme und Fortführung der Beziehung, wie sie in der Narration von Hos 2,16–25 als Wiederaufnahme der Ehe geschildert wird und in Hos 14,6–9 in Form der erneuten Übernahme der Versorgungsverantwortung des Landes- und Staatsgottes JHWH gegenüber seinem Volk im Land Gestalt gewinnt. Sie wird dabei als Aufnahme der Versorgungsverantwortung eines Ehemannes gegenüber seiner Braut präsentiert, als welche Israel in Hos 14,6–9 dargestellt wird, wie die Verwendung von Topoi der Liebeslyrik in Hos 14,7f zeigt. Die Rückkehr ins Land (vgl. Hos 14,8) wird daher als die Rückkehr in das Haus des Ehemannes beschrieben (vgl. das Gegenbild in Hos 9,15). Das Gedeihen Israels im Land wird in Hos 14,6aβ–9 unter Rückgriff auf eine Vegetationsmetaphorik beschrieben, die sich aus dem TauVergleich von V.6 ergibt. Das Gedeihen Israels im Land stellt sich dabei als Folge der lebensspendenden Zuwendung JHWHs dar. Der Tau-Vergleich fungiert dabei zugleich als Gegenbild zu dem in der Narration von Hos 2,4–15 geschilderten Entzug jeglicher ehelichen Versorgung durch den Ehemann (vgl. Hos 2,10f) aufgrund der Unzucht der Ehefrau, der in Vergleichen mit Orten von Trockenheit ausgedrückt wird (vgl. Hos 2,5) und dabei den Mangel an Existenzsicherheit und Versorgung Israels außerhalb der Beziehung 385
Ähnlich bereits bei Wolff, Hosea, 309: „Der Prophet holt seine Hörer unwiderstehlich hinein in das Klima und die Atmosphäre völlig heilen Lebens. Zum besonderen dieser prophetischen Ansage der Heilszeit gehört die Gewißheit, daß es an nichts Gutem fehlt, wo die freie Liebe Gottes ein bekehrtes Volk erschafft“.
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mit dem eigenen Landes- und Staatsgott JHWH ausdrückt. Wie in Hos 2,16–25 ist es auch in Hos 14,5–9 schließlich JHWH selbst, der die Wiederherstellung der Beziehung ermöglicht. Das Gedeihen Israels im Land entspricht dabei der Heilungs- bzw. Wiederherstellungshoffnung, die im Buchkern Hos 5–7 noch unerfüllt blieb (vgl. Hos 5,12f; 6,1; 7,1) und wird im Rückgriff auf eine Vegetationsmetaphorik ausgedrückt, die Israel mit den Pflanzen vergleicht, deren Früchte der Ehefrau im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 als Ehe- bzw. Landesgaben vom Ehemann entzogen wurden. 5.2.3.4 „Erkennen“ in Hos 14,10a „Für Jahrhunderte bleibt V 9 das letzte Wort im Hoseabuch“386. Dass es sich bei V.10 um einen Nachtrag der nachexilischen Zeit handelt, kann als Konsens gelten.387 Anders als die vorangehenden Verse wendet sich Hos 14,10 mit einer Doppelfrage (V.10a) an die Leserschaft des Buches und setzt mit der Verwendung von אלה („dieses“) das abgeschlossene Hoseabuch voraus,388 das mit der Ergänzung von V.10 einen Nachtrag erhält. Aufgrund terminologischer Überschneidungen mit zentralen Begriffen der Weisheitsliteratur (u. a. )ידע ;בין ;חכם389 wird Hos 14,10 dabei mehrheitlich als „weisheitlich“ bzw. als „weisheitlich geprägt“ bezeichnet.390 Da sich diese Begriffe aber auch im bestehenden Hoseabuch finden (חכם: Hos 13,13; בין: Hos 4,14) und insbesondere 386
Naumann, Hoseas Erben, 171. Vgl. Rudolph, Hosea, 253: „V.10 ist der Nachtrag eines Weisheitslehrers zum ganzen Hoseabuch“; Wolff, Hosea, 310: „Schlussfragen […] lieben die Weisheitslehrer […]. Sie gehören in die Zeit, in der die prophetischen Überlieferungen längst als Literatur gepflegt werden und in der ihre Deutung zum Problem geworden ist. […] Die nahe Verwandtschaft der Fragen mit Jer 911 und Ps 10743 […] weisen mindestens in die Exilszeit, wenn nicht über das Exilsende hinaus“; Jeremias, Hosea, 174: „Der durch und durch weisheitlich geprägte Schlußsatz aus nachexilischer Zeit setzt schon das vorliegende Hoseabuch voraus, auf das er sich mit ‚dieses’ bezieht“; Bons, Hosea, 172: „Der letzte Vers des Hoseabuches, 14,10, ist sicherlich eine spätere Ergänzung“. 388 So u. a. Jeremias, Hosea, 174; Vielhauer, Werden, 201; anders Naumann, Hoseas Erben, 153. 389 Vgl. beispielhaft für חכםu. a. Ps 107,43; Prov 1,5; 23,15; für ביןu. a. Hi 32,9; Ps 5,2; Prov 1,5; für ידעu. a. Hi 34,2; Ps 1,6; Prov 27,1; von den Wegen JHWHs ( )דרכי יהוהist sonst nur in Ps 18,22 die Rede; die פׁשעים begegnen als Gegenbild zu den צדקיםauch in Ps 37,38f. 390 Vgl. Rudolph, Hosea, 253; Wolff, Hosea, 310; Jeremias, Hosea, 174; Vielhauer, Werden, 202. 387
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ידעals eines der zentralen Leitworte des Hoseabuches angesehen werden muss (vgl. Hos 2,10.22; 5,3f.9; 6,3; 7,9[2-mal]; 8,2.4; 9,7; 11,3; 13,4f; 14,10), hat Vielhauer zu Recht betont, dass „sich der weisheitliche Ausleger des Hoseabuches erst und gerade durch die sprachlichen Kongruenzen zu seiner Nachinterpretation veranlaßt gesehen haben [mag]“391. Die Frage nach einer hoseanischen oder weisheitlichen Prägung von Hos 14,10 ist daher falsch gestellt bzw. stellt sich nicht, da kein Gegensatz vorliegen muss.392 So kann auch die Verwendung von „( פׁשעיםRebellierende“, V.10b) anstelle der sonst in der Weisheitsliteratur als Antithese zu den Gerechten ()צדקים erwähnten Frevlern ()רׁשעים393 als terminologische Übernahme aus dem bestehenden Hoseabuch (vgl. Hos 7,13; 8,1) erklärt werden.394 Hos 14,10a steht in bewusster terminologischer Verbindung zum restlichen Hoseabuch und präsentiert dieses ( )אלהals Gegenstand weisheitlicher Reflexion. Unter Rückgriff auf die Leitworte „( חכםweise“; Hos 13,13), בין („verstehen“; Hos 4,14) und „( ידעerkennen“; vgl. Hos 2,10.22; 5,3f.9; 6,3; 7,9[2-mal]; 8,2.4; 9,7; 11,3; 13,4f) wird das Hoseabuch nun selbst zur „Quelle weisheitlicher Gelehrsamkeit“395. Hos 14,10a erklärt das Hoseabuch zur Quelle von Gotteserkenntnis und stellt die Leserschaft damit zugleich vor die Entscheidung, vor der – gemäß der Botschaft der Tradenten des Hoseabuches – auch der Staat Israel stand: Die Erkenntnis Gottes zu suchen (vgl. Hos 6,3.6) und im Land weiter in der Gemeinschaft mit JHWH leben zu können (vgl. Hos 5,15; 6,6; 7,13ff; 8,12) oder JHWH die Anerkennung zu verweigern (vgl. Hos 5,4), indem man die Erkenntnis verwirft (vgl. Hos 4,6) und damit das Wohnrecht im Land, den Zugriff auf die Landesgüter und schließlich seine eigene Existenz zu verlieren (vgl. Hos 9,2–6). Dass das geschichtliche Ergehen Israels im Hoseabuch als eine Folge der fehlenden (vgl. Hos 7,8f; 8,2f) bzw. verworfenen Erkenntnis (vgl. Hos 4,6) präsentiert wird und die Kompositionslinie in Hos 9,7 zunächst in der trostlosen Ankündigung ihren Abschluss findet, dass die Tage der Überprüfung und Rechenschaftsforderung gekommen sind und Israel dieser Erkenntnis nicht mehr ausweichen können wird (vgl. Hos 9,7: „ ;ידעו יׂשראלIsrael wird [es] erkennen“), wird als 391
Vielhauer, Werden, 202. Vgl. ebd.; Vielhauer setzt sich mit dort Naumanns Position auseinander, gemäß der man „die Wortwahl in V 10b nur mit Vorbehalt als beabsichtigte lexikalische Verankerung im Hoseabuch ansehen [darf]“ (vgl. Naumann, Hoseas Erben, 153). 393 Vgl. beispielhaft Ps 1,5; 7,10; 75,11; Prov 3,33; 11,31. 394 So bereits Wolff, Hosea, 311; Vielhauer, Werden, 201. 395 Vielhauer, Werden, 204. 392
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Argumentation in V.10a vorausgesetzt und fungiert als weisheitliche Mahnung an die Leserschaft, sich für die Erkenntnis Gottes zu entscheiden und auf diese Weise zum Gelingen des eigenen Lebens beizutragen. Hos 14,10a steht dabei nicht im Widerspruch zu der Heilsbotschaft von Hos 14,5–9. Wie Hos 14,2–4 stellt auch V.10a die (erhoffte) Reaktion der Leserschaft in Form der Erwiderung der Liebe JHWHs dar, an der Israel infolge der frei geschenkten Heilung der eigenen Abwendung partizipieren und aus der heraus es in der Gemeinschaft mit JHWH leben darf (vgl. Hos 14,5–9).396 Die Heilsbotschaft der frei geschenkten Wiederherstellung der Ehe (Hos 2,16–25) bzw. der Wiederherstellung der Gemeinschaft im Land (Hos 14,5–9) als Rahmen des Hoseabuches voraussetzend, zieht Hos 14,10a die Summe aus der Botschaft des Hoseabuches. Im Rahmen der Doppelfrage wird die Leserschaft zur Partizipation an dieser Erkenntnis der geschenkten Heilung der Abwendung und damit an der Gemeinschaft mit JHWH eingeladen. Das rhetorische Stilmittel der Doppelfrage fungiert als Aufforderung zur antwortenden Reziprozität auf die Liebe JHWHs. Erst V.10b impliziert die – nach V.5 eigentlich ausgeschlossen erscheinende –Möglichkeit, dass sich nur ein Teil der Leserschaft für diese Gemeinschaft mit JHWH entscheiden wird. Zwischenergebnis Als spätere Ergänzung tritt V.10 als neuer Abschluss des Hoseabuches an die Stelle von V.9, positioniert sich durch den Rückbezug auf das Hoseabuch mit „( אלהdieses“) jedoch zugleich außerhalb desselben. Insofern präsentiert sich V.10a bereits als Bestandteil und Umsetzung der weisheitlichen Reflexion des Hoseabuches, zu der er die Leserschaft in Form einer Doppelfrage einlädt. Durch zahlreiche terminologische Aufnahmen (vgl. ;חכם „weise“, Hos 13,13; „ ;ביןverstehen“, Hos 4,14 und „ ;ידעerkennen“, vgl. Hos 2,10.22; 5,3f.9; 6,3; 7,9[2mal]; 8,2.4; 9,7; 11,3) wird dabei zugleich eine bewusste Verbindung zwischen V.10a und dem bestehenden Hoseabuch hergestellt. Entsprechend der zentralen Bedeutung, die der Erkenntnisthematik dabei im Hoseabuch zukommt – die Tradenten präsentieren das geschichtliche Ergehen Israels als Folge der fehlenden bzw. verworfenen Erkenntnis (vgl. u. a. Hos 7,8f für die Politik und Hos 4,6 für den Kult) – findet sich die Wurzel ידעals das letzte Wort des Halbverses (vgl. V.10aβ: )וידעם, welches bei der Leserschaft nachklingen darf und soll. Der Form nach eine Doppelfrage, will V.10a „nicht die Unmöglichkeit des 396
Vgl. Godelier, Was Mauss nicht gesagt hat, 191ff.
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Verstehens herausstellen […], sondern ist eine Form der Aufforderung“397, die sich als Einladung zur weisheitlichen Erschließung der Botschaft des Hoseabuches erwiesen hat, die von der Heilsbotschaft der frei geschenkten Wiederherstellung der Beziehung durch JHWH in Hos 2,16–25 und Hos 14,2–9 gerahmt wird. Die weisheitliche Erschließung dieser Botschaft, die in Hos 14,5 mit dem „Heilen der Abwendung“ und dem „Lieben aus Freiwilligkeit“ ausgedrückt wird,398 präsentiert sich von Hos 14,10a her als der Schlüssel zur Partizipation an der Liebesgemeinschaft mit JHWH, die von dauerhaftem Bestand ist (vgl. Hos 2,21; 14,5). 5.2.3.5 „Gehen“ Hos 14,7.10b „Gehen“ ( )הלךhat sich im Rahmen der vorangehenden Analyse als eine zentrale Form von Reziprozität im Hoseabuch erwiesen.399 Dabei hat sich gezeigt, dass der Objektbezug des Gehens darüber entscheidet, ob es sich um eine Abwendung Israels von JHWH in der gehend vollzogenen Hinwendung zu einer dritten Größe handelt (vgl. Hos 2,7.15; 5,11.13; 7,11), die eine reziproke Reaktion JHWHs nach sich zieht (vgl. u. a. Hos 2,8.11–14; 5,14f; 6,4–6; 7,12f) oder um die Ankündigung der gehend vollzogenen Umkehr zu JHWH im Kult (vgl. Hos 2,9; 5,6; 6,1), die jedoch erfolglos verläuft, da JHWH im Opferkult nicht mehr gefunden werden möchte (vgl. Hos 5,6; 6,4ff; vgl. auch 8,9.11ff). In Hos 14,7a.10b liegen zwei Konzepte von „Gehen“ vor, die nicht mehr ein Abwendungsgeschehen von JHWH seitens Israels bzw. ein erfolglos verlaufendes Zuwendungsgeschehen Israels zu JHWH im Kult beschreiben, sondern jetzt das durch JHWHs frei geschenkte Heilung der Abwendung und seine „Liebe aus Freiwilligkeit“ (V.5) ermöglichte reziproke Gedeihen Israels im Land ankündigen (V.7a) bzw. das weisheitliche Konzept des Gehens auf den Wegen JHWHs als Beschreibung der reziprok ermöglichten Lebensgemeinschaft mit JHWH ausdrücken (V.10b). Hos 14,7 ist dabei Bestandteil der V.6–9 umfassenden Beschreibung des zukünftigen Ergehens Israels im Land. Dieses wird als Folge der frei geschenkten Zuwendung zu Israel „wie Tau“ (V.6a) unter Verwendung einer Vegetationsmetaphorik beschrieben. Diese lebensspendende Zuwendung JHWHs zu Israel wird dabei wiederum als Folge des freien Entschlusses zur Heilung der Abwendung Israels durch JHWH und seiner „Liebe aus Freiwilligkeit“ (V.5a) dargestellt. 397
Jeremias, Hosea, 174. Vgl. Abschnitt 5.2.3.2. 399 Vgl. Abschnitt 2.3.3; 3.3.3; 4.2.3.4 und 5.1.3.3. 398
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V.7a führt dabei die in V.6b begonnene Baummetaphorik fort.400 V.6b vergleicht unter Rückgriff auf die Terminologie von Hos 9,16 Israel mit einem Baum, der seine Standsicherheit durch die tiefe Verankerung seiner Wurzeln erhält, die er in den Boden geschlagen hat ( נכהHif.) und die der Verankerung des Libanonwaldes gleicht. Auf diese Weise wird der zukünftigen Existenzsicherheit Israels im Land Ausdruck verliehen. V.7aα fügt diesem Bild eine weitere Dimension hinzu, indem die zukünftige Existenzsicherheit Israels im Bild der Ausbreitung ( )הלךvon Trieben/Sprösslingen ()יונקת401 angekündigt wird. Durch die Beschreibung der Ausbreitung in der Dimension der Tiefe (Wurzeln) und der Ausbreitung in der Dimension der Höhe/Breite (Triebe) wird ein ganzheitliches Bild der Existenz Israels in der von JHWH ermöglichten Beziehung präsentiert, die Sicherheit und Fruchtbarkeit impliziert, die sich als Folgen der Zuwendung JHWHs zu Israel „( כטלwie Tau“) ergeben. Hos 14,5–9 schildern die erneute Übernahme der Versorgungsverantwortung für Israel im Land durch den Landes- und Staatsgott JHWH. Dessen Wertschätzung gegenüber Israel wird nicht zuletzt durch die Beschreibung der ästhetischen Wirkung des „Baumes“ Israels in V.7aβ.b deutlich. Durch die Verwendung des Vergleichs „( כריח לבנוןwie der Duft des Libanon“) erweist sich V.7b dabei als durch die Sprache der Liebeslyrik geprägt (vgl. Hhld 4,11) und verdeutlicht auf diese Weise, dass gemäß der Theologie der Tradenten die Beziehung zwischen JHWH und Israel der Liebesbeziehung zwischen einem Mann und einer Frau gleicht.402 Auf diese Weise bildet Hos 14,5–9 mit der Narration der frei geschenkten Wiederherstellung der Ehe in Hos 2,16–25 eine rahmende Inklusio um das Hoseabuch.403 Zuletzt ist im Hoseabuch in Hos 14,10b vom „Gehen“ ( )הלךdie Rede. Als Bestandteil des nachexilische Nachtrags404 V.10 vertritt der 400
Vgl. Abschnitt 5.2.3.3. Vgl. Hi 8,16; 14,7; Ps 80,12; Ez 17,22. 402 Vgl. Abschnitt 5.2.3.3. 403 Bzgl. V.7aβ.b vgl. Abschnitt 5.2.3.3. 404 Vgl. Rudolph, Hosea, 253: „V.10 ist der Nachtrag eines Weisheitslehrers zum ganzen Hoseabuch“; Wolff, Hosea, 310: „Schlussfragen […] lieben die Weisheitslehrer […]. Sie gehören in die Zeit, in der die prophetischen Überlieferungen längst als Literatur gepflegt werden und in der ihre Deutung zum Problem geworden ist. […] Die nahe Verwandtschaft der Fragen mit Jer 911 und Ps 10743 […] weisen mindestens in die Exilszeit, wenn nicht über das Exilsende hinaus“; Jeremias, Hosea, 174: „Der durch und durch weisheitlich geprägte Schlußsatz aus nachexilischer Zeit setzt schon das vorliegende Hoseabuch voraus, auf das er sich mit ‚dieses’ bezieht“; Bons, Hosea, 172: „Der letzte Vers des Hoseabuches, 14,10, ist sicherlich eine spätere Ergänzung“. 401
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Halbvers ein weisheitliches Konzept von „Gehen“, in dessen Rahmen die Beziehung mit JHWH metaphorisch als ein Gehen auf den geraden Wegen JHWHs beschrieben wird. Durch die Verwendung von „( אלהdieses“) in V.10a wird dabei ersichtlich, dass V.10 einerseits das abgeschlossene Hoseabuch voraussetzt,405 sich andererseits aber nicht als Bestandteil desselben versteht, sondern bereits selbst die weisheitliche Reflexion widerspiegelt, zu der der Vers seine Leser auffordert. Dabei transformiert Hos 14,10b die Botschaft des bestehenden Hoseabuches durch die Einführung einer – im Hoseabuch sonst nicht vorfindbaren – Unterscheidung innerhalb Israels in „Gerechte“ und „Rebellierende“ (V.10b): „Heil und Unheil, Gehen und Fallen trifft Israel […] nicht mehr als Ganzes. Vielmehr sind die Heilsaussagen des Buches auf die Gerechten […], die Unheilsaussagen dagegen auf die Frevler bezogen […]. Zu welcher der beiden Gruppen der Leser gehört, entscheidet sich nicht zuletzt daran, ob er in der Lage ist, im Prophetenwort die ‚Wege JHWHs’ zu erkennen […] wie ja überhaupt Israels Wohl und Wege im Buch entscheidend von seiner (Un-)Fähigkeit zur Gotteserkenntnis abhängt“406. Einerseits steht Hos 14,10b in enger Relation zu der hoseanischen Auseinandersetzung mit der kultischen, politischen und geschichtlichen (Un-)Treue Israels gegenüber JHWH, indem es die Erkenntnis, deren Mangel im politischen Bereich (vgl. Hos 7,7f) und deren Ablehnung im kultischen Bereich (vgl. Hos 4,6) in Hos 4–9 für das geschichtliche Ergehen Israels verantwortlich gemacht wird, zum Dreh- und Angelpunkt eines gelingenden Lebens macht. Wer die Botschaft des Hoseabuches versteht, ist somit nach V.10 in der Lage, auf den „Wegen JHWHs“ zu gehen und gilt als „Gerechter“. Andererseits vertritt Hos 14,10b eine theologische Position, die die bedingungslose Liebes-Einladung von Hos 14,5–9 und die sich in diesen Versen spiegelnde hoseanische Theologie der Treue JHWHs relativiert, indem sie die Möglichkeit in Betracht zieht, dass nicht alle Israeliten bzw. Lesenden die Einladung zur Erwiderung der Liebe JHWHs, die durch dessen Heilung der Abwendung Israels ermöglicht wurde (V.5), annehmen werden. V.10 leugnet dabei nicht, dass die Möglichkeit, auf den Wegen JHWHs als Gerechte zu „gehen“, eine durch die in V.5 geschilderte Zuwendung JHWHs überhaupt erst ermöglichte Existenzform Israels bzw. der Lesenden ist.
405
So u. a. Jeremias, Hosea, 174; Vielhauer, Werden, 201; anders Naumann, Hoseas Erben, 153. 406 Vielhauer, Werden, 203.
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Jedoch wird durch die (realistische) Erwähnung des Schicksals von „Rebellierenden“ die Heilsvision von V.5 ihrer allumfassenden Weite beraubt. Denn die Möglichkeit, dass es nach der heilenden Zuwendung JHWHs als Arztes in V.5 noch „Rebellierende“ geben kann, ist eigentlich ausgeschlossen: „Das hier erwartete Israel mit ‚geheilter Abtrünnigkeit‘ ist eine Neuschöpfung Gottes, ist ein im strengen Sinne eschatologisches Israel wie das von Ezechiel erwartete Israel mit ‚neuem Herz‘ (Ez 11, 19; 36, 26f.)“407. Während Hos 14,2.5 die Möglichkeit einer Umkehr für ganz Israel visualisiert und diese mit JHWHs endgültiger Heilung der Abwendung Israels und seiner Israel bedingungslos geschenkten Liebe begründet, wird dieses Heil nach Hos 14,10b nur noch einem Teil Israels zuteil: Denjenigen, die auf den „geraden Wegen JHWHs“ gehen ( )הלךund sich damit als „Gerechte“ ( )צדקיםerweisen. Den Rebellierenden wird hingegen angekündigt, dass sie auf den Wegen JHWHs zu Fall kommen ( )כׁשלwerden. Auf diese Weise wird eine Folge des eigenen Verhaltens formuliert, wie sie bereits in Hos 4,5; 5,5 und 14,2 erschienen ist. Die Möglichkeit, dass es zukünftig noch gegen JHWH „Rebellierende“ gibt, ist nach Hos 14,5 jedoch ausgeschlossen und spiegelt damit die bedingungslose Heilsbotschaft von Hos 2,16ff: So ist auch nach Hos 2,21 aufgrund der Wiederherstellung der Beziehung durch JHWH ein erneutes Scheitern der Beziehung zwischen JHWH und Israel ausgeschlossen („ ;וארׂשתיך לי לעולםund ich verlobe mich mit dir für alle Zeit“). Während Hos 14,10bα als Beschreibung der neuen Existenz Israels nach der Heilung betrachtet werden könnte (vgl. Hos 14,5–9), trübt Hos 14,10bβ im Rahmen des Parallelismus von V.10b diese umfassende Heilsvision durch die antithetische Gegenüberstellung dieser Existenzform mit der Existenz und dem Ergehen von Rebellierenden. In diesem Sinne kommt man bezüglich der sekundären Ergänzung Hos 14,10(b) zu einer ähnlichen Einschätzung wie bezüglich Hos 8,14: Der Vers „nimmt der Zielaussage in [14,9 bzw. 14,10a] ihre Kraft“408. Zwischenergebnis Anders als im bestehenden Hoseabuch wird in Hos 14,2–10 mit „Gehen“ nicht mehr länger ein Abwendungsgeschehen von JHWH seitens Israels (vgl. Hos 2,7.15; 5,11.13; 7,11) bzw. ein erfolglos verlaufendes Zuwendungsgeschehen Israels zu JHWH im Kult (vgl. Hos 2,9; 5,6; 6,1) beschrieben. Vielmehr stellt sich die Tätigkeit des 407 408
Jeremias, Hosea, 172. AaO, 112.
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„Gehens“ in Hos 14,7a und in Hos 14,10b als eine reziproke Reaktion der Erwiderung der Liebe JHWHs dar, die durch die Heilung der Abwendung Israels durch JHWH (V.5) erst ermöglicht wird. Dabei wird in Hos 14,7a Israels zukünftige Existenzsicherheit im Land im Rahmen einer Vegetationsmetaphorik ausgedrückt, in der Israel mit einem Baum verglichen wird, dessen Triebe sich ausbreiten ()הלך. Diese Aussage erweist sich als Folge der Zuwendung JHWHs zu Israel „wie Tau“ ( )כטלund repräsentiert in Hos 14,5–9 die Wiederaufnahme der Versorgungsverantwortung des Landes- und Staatsgottes JHWH gegenüber seinem Volk. Hos 14,5–9 korrespondiert mit der Heilsvision der Wiederherstellung der Ehe durch den Ehemann in der Narration von Hos 2,16–25. Als Bestandteil des nachexilischen Nachtrags Hos 14,10 vertritt V.10b ein weisheitlich geprägtes Konzept dieser heilvollen Beziehung, in deren Zentrum das Streben nach (Gottes)Erkenntnis steht, die als Ausdruck des Gehens der Gerechten auf den Wegen JHWHs betrachtet wird (V.10bα). In diesem Konzept wird die ganz Israel umfassende Heilsbotschaft von V.5 dahingehend relativiert, dass im Parallelismus von V.10b Israel in Gerechte und Rebellierende unterteilt wird und nur noch die Gerechten sich als diejenigen erweisen, welche die Liebe JHWHs reziprok durch das „Gehen“ auf den Wegen JHWHs erwidern, wie es ihnen durch die Heilung der Abwendung ermöglicht wurde. Diese „realistische“ Sicht nimmt der allumfassenden Heilsvision von Hos 14,5 dabei ein Stück ihrer Strahlkraft, indem sie, unter Aufnahme der auch in Hos 14,2b verwendeten Wurzel כׁשל, die Möglichkeit eines Scheiterns auf den Weg infolge eigener Rebellion weiterhin für möglich hält – wenn auch nur mit der Intention einer weisheitlichen Mahnung. Zugleich verdeutlicht V.10b jedoch, dass die Partizipation am Heil JHWHs zwar für alle möglich ist, jedoch niemand zur Erwiderung der Liebe JHWHs gezwungen wird.409 In diesem Sinne ist V.10b vielleicht nicht so heilvoll wie V.5, jedoch mindestens genauso heilsam. 409
Dieses Bedingungsgefüge sieht auch Vielhauer, Werden, 203, wenn er schreibt: „Heil und Unheil, Gehen und Fallen trifft Israel […] nicht mehr als Ganzes. Vielmehr sind die Heilsaussagen des Buches auf die Gerechten […], die Unheilsaussagen dagegen auf die Frevler bezogen […]. Zu welcher der beiden Gruppen der Leser gehört, entscheidet sich nicht zuletzt daran, ob er in der Lage ist, im Prophetenwort die ‚Wege JHWHs’ zu erkennen […] wie ja überhaupt Israels Wohl und Wege im Buch entscheidend von seiner (Un-)Fähigkeit zur Gotteserkenntnis abhängt“ (Hervorhebung von mir). Nach Hos 14,10b werden dabei nur diejenigen am Heil JHWHs partizipieren, die in der Lage sind, „im Prophetenwort die ‚Wege JHWHs’ zu erkennen“ (ebd.).
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5.2.4 Ertrag Wie sich gezeigt hat,410 formuliert der neue und endgültige Buchabschluss Hos 14,2–10 eine Heilsvision der durch den Landesund Staatsgott JHWH ermöglichten Wiederherstellung der Gemeinschaft mit seinem Volk Israel, die zusammen mit der Narration der durch den Ehemann ermöglichten Wiederherstellung der Ehe in Hos 2,4–15.16–25 einen heilvollen Rahmen um das Hoseabuch legt. Dabei zeigt sich der Buchabschluss Hos 14,2–10 durch die Aufnahme und Aktualisierung zentraler Reziprozitätsvorstellungen aus dem bestehenden Hoseabuch eng mit diesem verbunden. So präsentiert Hos 14,2–10 die für das Hoseabuch zentrale Umkehrthematik (vgl. Hos 2,9; 3,5; 5,4; 6,1; 7,10; 11,5.7; 12,7) ähnlich wie in Hos 2,9; 3,5; 6,1 und 12,7 als eine Hoffnungsperspektive „jenseits des Gerichts“411 und lässt auf diese Weise die mit ׁשובformulierte Kompositionslinie in einer Heilsvision ihren Abschluss finden. Der Wurzel kommt im Buchabschluss Hos 14,2–10 die Funktion eines Leitlexems zu (vgl. Hos 14,2.3.5a []מׁשובה.b.8). Die in V.2 emphatisch-imperativisch geforderte Umkehr Israels erweist sich dabei als eine Möglichkeit zur Erwiderung der Liebe JHWHs. Diese hat in der frei gewährten Heilung der Abwendung ( )מׁשובהIsraels ihren Ausdruck gefunden (V.5a), wird mit dem Abwenden ( )ׁשובdes Zorns von Israel begründet (vgl. V.5b) und ermöglicht erst die Umkehr Israels in die Gemeinschaft mit dem eigenen Staats- und Landesgott JHWH (V.2f: „JHWH, dein Gott“ als Reminiszenz an die Geschichtstheologie aus Hos 12,10), die Rückkehr Israels in dessen Land (vgl. V.8a: )ׁשוב sowie das dortige Gedeihen Israels in neuer Fruchtbarkeit (V.6b–9). Die Ankündigung der Rückkehr Israels ins Land als Ausdruck der wiederhergestellten Gemeinschaft mit JHWH (vgl. das Gegenbild der Vertreibung aus dem Haus JHWHs in Hos 9,16) tritt dabei an die Stelle der im Buchkern – angesichts der ausbleibenden Umkehr zu JHWH (vgl. Hos 5,4; 7,10) und der stattdessen vollzogenen, gehenden Hinwendung zu dritten Größen in Politik (vgl. Hos 5,11.13; 7,11; 8,9) und Kult (vgl. Hos 2,7.15) – angekündigten Rückkehr ( )ׁשובIsraels nach Ägypten (vgl. Hos 8,13; 9,3). Hos 14,5 setzt dabei die Argumentation von Hos 11,7ff voraus und greift das in Hos 11,7 zum ersten Mal im Hoseabuch verwendete Abstraktum „( מׁשובהAbwendung“) zur Beschreibung der „Erkrankung“ Israels 410 411
Vgl. Abschnitt 5.2.3. Vielhauer, Werden, 203.
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auf, die „geheilt“ werden muss, damit Israel umkehren ( )ׁשובkann (V.2f). In Hos 14,2–10 fließen dabei mehrere Kompositionslinien zusammen: So wird die im Buchkern angesichts der ausbleibenden Umkehr zu JHWH angekündigte Abschlussperspektive der Rückkehr nach Ägypten (vgl. Hos 8,13; 9,3), die im neuen Rahmen der Komposition Hos 4 und Hos 9 als Landverlust (Hos 9,1–3) aufgrund der kultischen Unzucht im Land (vgl. Hos 4,1–19) dargestellt wird, durch den neuen heilvollen Rahmen des Hoseabuches in Hos 2,16–25 und Hos 14,2–10 ersetzt. Er präsentiert die Rückkehr Israels nun als eine von JHWH ermöglichte Umkehr (vgl. Hos 2,16ff und Hos 14,5ff). Diese basiert dabei in Hos 14,5 auf der – im Buchkern nur erhofften (Hos 5,13; 6,1), aber schlussendlich nicht „heilvoll“ für Israel verlaufenden (vgl. Hos 7,1) Heilung bzw. Wiederherstellung ()רפא. Dabei steht Hos 14,5 im direkten Dialog mit Hos 11,3. Beide Belegstellen setzen dabei die Theologisierung der Heilungshoffnung aus Hos 7,1 voraus, welche die in Hos 5,12 mit JHWH identifizierten Krankheitsherde zur „Schuld“ und „Bosheit“ Israels transformiert. Dabei wird in Hos 11,3–9 mit der Ersetzung dieser Krankheitsherde durch das Abstraktum מׁשובהein neuer theologischer Begriff für die im Buchkern im politischen Bereich mit „Bosheit“ und „Schuld“, im kultischen Bereich mit „Unzucht“ und „Unzuchtsgeist“ bezeichnete JHWH-entfremdete Haltung Israels ins Hoseabuch eingeführt. Während dabei in Hos 11,3–7 JHWH als derjenige erscheint, der in der Heilung dieser Abwendung sich selbst in seiner geschichtlich begründeten (vgl. Hos 11,1.5) Liebesfähigkeit treu bleibt und sich daher in einem “Herzensumsturz”412 dazu entscheidet, seine Liebe über seinen Zorn siegen zu lassen, wird diese Heilsperspektive des Sieges dieser „Gegenkraft gegen seinen Zorn“413 in Hos 14,5 noch gesteigert. So ermöglicht JHWH seinem Volk in Hos 14,2–9 durch die Heilung der Abwendung aus seinem freiwilligen Entschluss zur Liebe (vgl. Hos 14,5a) die Partizipation an dieser Liebe, die in der reziproken Reaktion der Umkehr ihren ersten Ausdruck findet (vgl. V.2f). Israel wird durch die frei geschenkte, heilende Zuwendung JHWHs in die Lage versetzt, reziprok auf die Liebe JHWHs zu reagieren. Erst jetzt ist Israel fähig, die Einladung in die Rückkehr in die Beziehung mit dem eigenen Landes- und Staatsgott in dessen Land (vgl. Hos 14,6–9) anzunehmen. Die von Israel in Hos 14,2–10 einzig geforderte Form von Reziprozität besteht in der Erwiderung der Liebe JHWHs.
412 413
Vgl. Jeremias, Hosea, 145. Ebd.
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Gegenüber dem restlichen Buchkontext bildet dabei Hos 14,5ff mit Hos 2,16–25 und Hos 11,9ff eine Kompositionslinie, die einen Wandel im Verständnis der reziproken Beziehung zwischen Israel und JHWH visualisiert: Die von Israel als Eigenleistung erwartete Reziprozität auf das Handeln JHWHs (vgl. u. a. Hos 2,9; 3,5; 5,4.15; 6,1; 7,10; 11,5) wird durch eine für Israel von JHWH ermöglichte Reziprozität auf sein Gnadenhandeln abgelöst (vgl. Hos 2,19; 11,9ff; 14,5 als Voraussetzung für Hos 14,2f). Diese Heilsvision einer endgültig wiederhergestellten Beziehung von Hos 14,2–10 bildet dabei mit der Narration der durch den Ehemann ermöglichten Wiederherstellung der Ehe in Hos 2,16–25 einen Rahmen um das Hoseabuch, der die im Buchkern geschilderten Reziprozitätsvorgänge heilvoll umfängt. Als gemeinsames Merkmal beider Kompositionsabschnitte sticht dabei die Wiederherstellung von Kommunikation hervor, die als wechselseitiges Reziprozitätsgeschehen zum zentralen Merkmal der erneuerten Beziehung wird (vgl. die Verwendung von אמרin Hos 2,9b und 14,3 sowie von ענהin Hos 2,17.23f; 14,9). Als Folge des Entschlusses zur Heilung von Israels Abwendung aus Liebe (V.5) schließt sich in V.6–9 die Ankündigung der Wiederaufnahme der Versorgungsverantwortung des Staats- und Landesgottes gegenüber seinem Volk an, die das positive Gegenbild zu den Schilderungen des Entzugs dieser Versorgung in Hos 9,1–3.15f, vor allem jedoch in der Narration von Hos 2,4–15 bildet. Dabei wird in Hos 14,6 der in Hos 6,4 (vgl. Hos 13,3) zum Ausdruck der mangelnden Beständigkeit der Treue Israels verwendete Tau-Vergleich aufgenommen und zugleich zu einer heilvollen Zuwendungsaussage JHWHs zu Israel transformiert. Die von JHWH als Wetter- bzw. Landesgott Israels gewährte Fruchtbarkeit im Land (vgl. V.6–9) visualisiert die erneute Übernahme der Versorgungsverantwortung durch JHWH, deren Entzug in der Narration von Hos 2,4–15 durch Vergleiche mit Orten von Trockenheit ausgedrückt wurde (vgl. Hos 2,5). Sie wird auch in Hos 14,6–9 als Aufnahme der Versorgungsverantwortung eines Ehemannes gegenüber seiner Braut präsentiert, wie die Verwendung von Topoi der Liebeslyrik in Hos 14,7f zeigt. Die Rückkehr ins Land (vgl. Hos 14,8) erscheint als Rückkehr in das Haus des Ehemannes (vgl. das Gegenbild in Hos 9,15). Das Gedeihen Israels im Land entspricht dabei der Heilungs- bzw. Wiederherstellungshoffnung, die im Buchkern Hos 5–7 noch unerfüllt blieb (vgl. Hos 5,12f; 6,1; 7,1) und wird im Rückgriff auf eine Vegetationsmetaphorik ausgedrückt, die Israel mit den Pflanzen vergleicht, deren Früchte der Ehefrau im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 als Ehe- bzw. Landesgaben vom Ehemann entzogen wurden. Während Israel gemäß der Narration von Hos 2,4–15 fremde
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Größen (vgl. „Liebhaber“ in V.7; „Baale“ in V.15) für die Versorgung mit den Landesgütern verantwortlich machte und deswegen nicht zu JHWH zurückkehrte (vgl. V.9f), verkündigt Hos 14,9 als ursprünglicher Abschluss des Hoseabuches, dass es JHWH selbst ist, bei dem Israel zukünftig wieder seine „Frucht“, d. h. alles Lebensnotwendige, finden wird. Das ausbleibende „Finden“ JHWHs im Kult (vgl. לא מצאin Hos 5,6) bzw. das von JHWH unterbundene Finden der Wege zu den bzw. der „Liebhaber“ durch die Ehefrau (vgl. לא מצאin Hos 2,8f) in der Narration von Hos 2,4–15 findet in Hos 14,9 einen heilvollen Abschluss in der Wiederherstellung der Beziehung mit JHWH. Wie die Verwendung von אלהzeigt, bildet der weisheitlich geprägte V.10 einen Nachtrag, der nicht mehr als Bestandteil der Botschaft des Hoseabuches, sondern als Umsetzung der weisheitlichen Reflexion betrachtet werden soll, zu der er die Lesenden auffordert. Dabei ist der Vers in der ersten Vershälfte nicht nur durch den Rückgriff auf weisheitliche Terminologie aus dem Hoseabuch (vgl. „ ;חכםweise“, Hos 13,13; „ ;ביןverstehen“, Hos 4,14), sondern auch durch die Aufnahme der für das Hoseabuch zentralen Erkenntnisthematik (;ידע „erkennen“, vgl. Hos 2,10.22; 5,3f.9; 6,3; 7,9[2mal]; 8,2.4; 9,7; 11,3) an die Sprache des Buches angeglichen worden. Auf diese Weise erklärt V.10a das Hoseabuch selbst zur Quelle der Gotteserkenntnis. Indem in diesem das geschichtliche Ergehen Israels als eine Folge einer ausbleibenden politischen Erkenntnis (vgl. Hos 7,8f) bzw. einer verweigerten kultischen Anerkennung JHWHs (vgl. Hos 5,4) und der Verwerfung der Gotteserkenntnis durch die Priesterschaft (vgl. Hos 4,6) präsentiert wird, fungiert die Doppelfrage von Hos 14,10a als eine mahnende Einladung, sich für die Erkenntnis Gottes zu entscheiden und so zum Gelingen des eigenen Lebens beizutragen. Kontextuell steht im Zentrum dieser Erkenntnis JHWHs die frei geschenkte Heilung der Abwendung Israels aus Liebe, die von Israel erwidert werden soll, um auf diese Weise der Wiederherstellung der Beziehung mit dem eigenen Staats- und Landesgott JHWH zuzustimmen. Die weisheitliche Erschließung dieser Botschaft präsentiert sich von Hos 14,10a her als der Schlüssel zur Partizipation an der Liebesgemeinschaft mit JHWH, die von dauerhaftem Bestand ist (vgl. Hos 2,21; 14,5). Dabei wird in V.10b ein weisheitlich geprägtes Konzept dieser heilvollen Beziehung vertreten. In ihrem Zentrum steht das Streben nach (Gottes-)Erkenntnis, die als Ausdruck des Gehens ( )הלךder Gerechten auf den Wegen JHWHs betrachtet wird (V.10bα) und damit kontextuell diejenigen beschreibt, die in die Beziehung mit JHWH zurückgekehrt sind. Während dabei „Gehen“ ( )הלךim bestehenden Hoseabuch ein Abwendungsgeschehen von JHWH seitens Israels (vgl. Hos 2,7.15;
378
Hos 2,4–15 und Hos 14,2–10
5,11.13; 7,11) bzw. ein erfolglos verlaufendes Zuwendungsgeschehen Israels zu JHWH im Kult (vgl. Hos 2,9; 5,6; 6,1) beschreibt, stellt sich das „Gehen“ in Hos 14,7a und in Hos 14,10b als eine Folge (vgl. V.7a) bzw. als eine Erwiderung (V.10b) der Liebe JHWHs dar, die durch die Heilung der Abwendung Israels durch JHWH (V.5) erst ermöglicht wird. Während es dabei in Hos 14,7a die Triebe des im Rahmen der Vegetationsmetaphorik von Hos 14,6–9 als Baum vorgestellten Israels sind, die „gehen“ ()הלך, d. h. sich infolge der lebensspendenden Zuwendung JHWHs (V.6a) im Land ausbreiten und somit die erneute Existenzsicherheit Israels im Land veranschaulichen, sind es im sekundären und weisheitlich geprägten V.10b die „Gerechten“, die auf den geraden Wegen JHWHs gehen ( )הלךund dadurch selbst reziprok auf die in V.5 geschilderte heilende Zuwendung JHWHs aus Liebe reagieren. Indem der Halbvers eine Unterscheidung zwischen Gerechten und Rebellierenden vornimmt und ein Scheitern auf den Wegen JHWHs für die Rebellierenden ankündigt, wird die umfassende Heilsbotschaft von V.5 relativiert, die ein geheiltes Israel als „Neuschöpfung Gottes“414 visualisierte. Hos 14,2–10 präsentiert sich als ein Text, der durch die Aufnahme zentraler Reziprozitätsvorstellungen aus dem bestehenden Hoseabuch und im engen Dialog mit der Ehemetaphorik aus Hos 2 die Botschaft der Untreue Israels und der Treue JHWHs als Kern der hoseanischen Verkündigung aufnimmt (vgl. u. a. die Verwendung der Wurzel ׁשוב in Hos 14,2.3.5.8; die Verwendung der Wurzel ידעin Hos 14,10) und dabei zu einer buchabschließenden Heilsbotschaft transformiert. Wie im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 wird JHWH dabei in Hos 14,2–10 als derjenige präsentiert, der für Israels gelingende Existenz Sorge tragen und Israel das Gedeihen in Gemeinschaft mit sich ermöglichen möchte (Hos 14,6ff). Im Rahmen dieser Heilsbotschaft stellt sich die im bestehenden Buchkontext mit ׁשובausgedrückte Umkehrthematik nicht länger als ein reziprokes Ab- und Zuwendungsgeschehen (vgl. Hos 2,9.11; 3,5; 4,9; 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16; 8,13; 9,3; 11,5[2mal].9; 12,3.7.10.15; 14,2.3.5.8) dar, sondern als die Einladung (vgl. den emphatischen Imperativ in Hos 14,2) zur Annahme der in Hos 14,5 formulierten Liebeserklärung JHWHs, der Israel die Rückkehr in die Beziehung mit sich „aus Freiwilligkeit“ ermöglicht. Mit dieser Einladung geht keine andere „reziproke“ Forderung mehr einher, als diese Liebe anzunehmen und – so die Botschaft von Hos 14,10 – sie dahingehend zu erwidern, dass ein Leben auf den geraden Wegen JHWHs gelebt wird. Eine Existenz in „gegenseitiger Liebe“ ist die Vision für die zukünftige 414
Jeremias, Hosea, 172.
Hos 2,4–15 und Hos 14,2–10
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Beziehung von Israel und JHWH, mit der der Leser die Lektüre des Hoseabuches beginnt (Hos 2,16ff) und beendet (Hos 14,2–10) und die sich als die zentrale Botschaft der hoseanischen Theologie der Treue erweist.
6 Fazit: „Unabwendbare Reziprozität“ als Summe des Hoseabuches Hos 5,1–7,16 Wie die vorangegangenen Analysen gezeigt haben,1 ist die kompositionelle Einheit Hos 5,1–7,16, der wohl älteste Kern des Hoseabuches,2 in den einzelnen Kompositionsabschnitten (Hos 5,1– 7.8–11.12–14; Hos 5,15–6,6; 6,7–7,12.13–16) zentral durch die Idee der Reziprozität in den geschilderten Interaktionen geprägt (vgl. u. a. Hos 5,3f.6.12–14; Hos 7,2.11f.15f). Diese Reziprozität wird von den Tradenten als das konstitutive Merkmal der Beziehung zwischen Israel und dem eigenen Landes- und Staatsgott JHWH präsentiert und kann als theologische Grundüberzeugung der Hosea-Tradenten bezeichnet werden, die seit Beginn der Buchgenese die Darstellung der Beziehung zwischen Israel und JHWH kennzeichnet. Zugleich erweisen sich diese Reziprozitätsaussagen aus dem Buchkern als kompositionsleitend, da sie im Rahmen von fortschreibenden Wiederaufnahmen und Aktualisierungen dazu verwendet werden, einzelne Kompositionsabschnitte miteinander zu verbinden (vgl. u. a. Hos 5,11,12–14; Hos 5,15–6,1; 7,1f).3 Im Rahmen dieser „hoseanischen“ Theologie wird das geschichtliche Ergehen Israels als Folge der Abwendung vom eigenen Staatsgott im Land dargestellt. So wird von den Tradenten im Rahmen der Erkenntnisthematik (vgl. ידעin Hos 5,3f.9; 6,3; 7,9) die Israel zunächst4 vorgeworfene fehlende Erkenntnis des Zugriffs Dritter auf die Ressourcen des Staates (vgl. Hos 7,8f) kompositionell mit der kultischen Perspektive der Unfähigkeit bzw. Verweigerung der Anerkennung JHWHs durch Israel im Land (vgl. Hos 6,3; 5,3f) verbunden. Die Aussagen präsentieren sich dabei im vorliegenden Endtext nicht nur im Kontext des jeweiligen Kompositionsabschnitts als Bestandteil einer Reziprozitätsaussage,5 sondern bilden zugleich das kompositionsverbindende Grundgerüst der Reziprozitätstheologie der Tradenten, die das politische Ergehen Israels im Rahmen der fortschreitenden Genese des Hoseabuches mit zunehmender 1
Vgl. Abschnitt 2.3–5.2. Vgl. Vielhauer, Werden, 226. 3 Vgl. Jeremias, Hosea 4–7, 61: „Das Schlußwort der Komposition V. 6f. nimmt – wie so oft im Hoseabuch – das Thema des folgenden teilweise schon vorweg, insofern V. 6 die Unerreichbarkeit Jahwes trotz allen – fehlgeleiteten – kultischen ‚Suchens‘ hervorhebt (vgl. 5,15 mit 6,1 ff.)“ (Hervorhebungen von mir). 4 Vgl. Vielhauer, Werden, 226. 5 Vgl. Hos 5,3f; 6,1–3.4–6; 7,7ff. 2
Fazit
381
Deutlichkeit auf die Abwendung Israels von JHWH im Landeskult zurückführen. So erscheint im jetzt vorliegenden Leseablauf die fehlende Erwiderung der vollständigen Israel-Erkenntnis JHWHs durch Israel im Kult (vgl. Hos 5,3f) als der Ursprung der Abwendung Israels vom eigenen Landes- und Staatsgott im Land und zugleich als der Ermöglichungsgrund des Zugriffs fremder Nationen (vgl. Hos 7,9). Der Ausgangspunkt dieses als Untreue charakterisierten Verhaltens Israels gegenüber dem eigenen Landes- und Staatsgott wird von den Tradenten kultisch verortet. Die fehlende positive Reziprozität im Verhalten Israels gegenüber JHWH findet dabei in Hos 5,3f und dem Zitat von Hos 5,3 in Hos 6,10b über die Bezeichnung des Verhaltens Israels mit Derivaten von „( זנהUnzucht“) eine neue Interpretation. Als Einzelzusätze setzen sie sowohl die Schilderungen der Zuwendung Israels zu Dritten in der Politik (vgl. Hos 5,13; 7,11) als auch im Kult (vgl. Hos 8,5f; 4,4–19; 2,4–15) als Abwendungsgeschehen von JHWH voraus,6 erfüllen jedoch unterschiedliche kompositionelle Funktionen: In Hos 5,3f haben die Tradenten die Unzuchtsthematik argumentativ mit der Erkenntnisthematik verwoben, so dass die ausbleibende Anerkennung JHWHs durch Israel nun reziprok mit einem Unzuchtsgeist in Israel in Verbindung gebracht wird und als Zuwendung zu einer dritten Größe erscheint.7 Im Anschluss an Kratz stellt sich diese „Differenzierung JHWHs“8 dabei als „Folge der Gerichtsprophetie im Hoseabuch [dar]“9. JHWH wird vom israelitischen Kult gelöst und begegnet seinem unzüchtigen Volk nun auf der politischen Weltbühne.10 Dabei wird er jedoch nicht zu einem „anderen“ JHWH, auch sein Verhalten wird noch immer als von Reziprozität geprägt dargestellt. Was sich ändert, ist der Ort, an dem JHWH reziprok auf die Untreue seines Volkes reagiert. So stellt sich kontextuell der Entzug JHWHs vom Kult (vgl. Hos 5,6; 6,4–6) als Rückzug auf die politische Weltbühne dar, von der aus nun die Untreue seines eigenen Volkes ihre Antwort seitens JHWH findet, indem er sich gegen sein eigenes Volk wendet (vgl. Hos
6
Vgl. Vielhauer, Werden, 227. Vgl. Wolff, Wissen um Gott, 195, der darauf verweist, dass die copula in Hos 5,4b kausal oder avdersativ übersetzt werden kann, dabei jedoch darauf hinweist, dass „der Sache nach der Mangel an דעתdem Hurenwesen voran[geht], so gewiß V. 4 a von der Rückkehr zu Jahwe spricht“ (Hervorhebung im Original). 8 Kratz, Prophetenstudien, 306. 9 Ebd. 10 Vgl. aaO, 43. 7
382
Fazit
5,14).11 Das geschichtliche Ergehen Israels und Judas erscheint als Folge der eigenen kultischen Untreue gegenüber JHWH im Land. Indem Hos 6,10b ein fast wörtliches Zitat der zweiten Vershälfte von Hos 5,3 darstellt, entsteht eine kompositionsverbindende Leselinie, in deren Rahmen nun auch die im Kompositionsabschnitt Hos 6,7–7,12 geschilderte Abwendung Israels von JHWH reziprok als eine Zuwendung zu einer dritten Größe im Kult präsentiert wird. Hos 6,10b kommt dabei die kompositionelle Funktion zu, die zuvor bereits unter dem Stichwort „Abscheuliches“ (ׁשערוריה, Qere) subsumierten, aber nicht präzise benannten Vergehen als Zuwendung zu einer dritten Größe im Kult zu verorten. Ist es dabei in Hos 6,10 das „Sehen“ ( )ראהJHWHs, das die in Hos 5,3f mit ידעbekundete Kenntnis von Israels Vergehen zum Ausdruck bringt, ist es in Hos 7,2 das „Gedenken“ ( )זכרJHWHs, das den dort als „Bosheit“ ()רעה subsumierten Vergehen Israels zuteilwird. Die israelitische Zuwendung zu einer dritten Größe als Abwendungsgeschehen von JHWH wird im Buchkern auch durch Gehbewegungen ( )הלךausgedrückt. „Gehen“ ( )הלךkommt in Hos 5,1–7,16 dabei die Funktion eines kompositionsverbindenden Leitlexems zu (vgl. Hos 5,6.11.13.15; 6,1.4; 7,11f). In Hos 5,6.15; 6,1.4 zeigt sich das Gehen dabei im kultischen, in Hos 5,11.13f; 7,11f im politischen Kontext verortet. Das kompositionelle Scharnierstück12 Hos 5,8–6,6 verbindet beide Themenbereiche miteinander.13 In den politisch ausgerichteten Kompositionsabschnitten (Hos 5,8–11.12–14; 7,11f) hat das „Gehen“ Israels eine fremde politische Größe zum Ziel,14 von der Israel sich – statt vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH – Hilfe erhofft. In den kultisch ausgerichteten Kompositionsabschnitten (Hos 5,1–7; Hos 6,1–6) hat das Gehen Israels JHWH zum Ziel, kann ihn jedoch im israelitischen Opferkult nicht mehr finden. Literarhistorisch hat das „Gehen“ seinen Ausgangspunkt wohl in der (politischen) Nachfolge Israels hinter „Nichtigem“ in Hos 5,11 genommen.15 Die Fortschreibung Hos 5,12–14 nimmt diese Abwendungsbewegung auf (vgl. Hos 5,13), sagt jedoch zugleich eine Reaktion JHWHs auf dieses als Abwendungsgeschehen gedeutete Verhalten Israels vorher, die ebenfalls unter Verwendung von הלךformuliert wird (vgl. Hos 5,14). Sie kündigt im Löwenvergleich eine der Abwendung Israels 11
Vgl. die ähnliche Position von Jeremias, Grundtendenzen, 11. Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 298. 13 So bereits Vielhauer, Werden, 93, der jedoch davon ausgeht, dass „in diesem Text die kultischen Anklagen den politischen erst redaktionell zugefügt wurden“. 14 Bezüglich Hos 5,11 vgl. die Textkritik. 15 Vgl. Vielhauer, Werden, 226; Jeremias, Hosea, 82. 12
Fazit
383
von JHWH folgende Abwendung JHWHs mit Israel als Beute an (vgl. Hos 5,14). Erst im Rahmen der Fortschreibung Hos 5,15–6,6 wird diese hoffnungslose Ankündigung von Hos 5,14 relativiert und zu einer zeitlich befristeten Abwendung JHWHs von Israel umformuliert, die durch die erneute Zuwendung Israels zu JHWH im Kult wieder aufgehoben werden kann. Hier findet die kompositionelle Verbindung der politischen mit der kultischen Gehthematik statt. Die Reaktion Israels auf den zeitlich begrenzten Rückzug JHWHs aus Hos 5,15 findet darin ihren Ausdruck, dass mit denselben Bewegungsverben, die zunächst im Rahmen von Hos 5,15 die Abkehr JHWHs von Israel ausgedrückt haben ( הלךund )ׁשוב, nun im Rahmen von Hos 6,1 die Ankündigung der Rückkehr Israels zu JHWH formuliert wird, bei dem jetzt – einen Erkenntnisfortschritt gegenüber Hos 5,13 widerspiegelnd – die Wiederherstellung (vgl. Hos 6,1) gesucht wird. Das politische Ergehen Israels wird somit mit dem Verhalten Israels gegenüber dem eigenen Landesgott im Landeskult in Verbindung gebracht (vgl. auch Hos 7,11.14). Die israelitische Suche nach JHWH erweist sich jedoch als vergeblich, da er nicht reziprok auf die Wiederherstellungshoffnung (vgl. Hos 6,1– 3) reagieren kann, da Israel und Juda die Beständigkeit ihrer Gemeinschaftstreue vermissen lassen (vgl. Hos 6,4ff) und JHWH sich im Opferkult daher endgültig entzogen hat (vgl. Hos 5,6). Dieser endgültige Beziehungsabbruch im Kult (vgl. Hos 5,6b; 6,4–6) und die tödliche Begegnung mit JHWH in der Politik (vgl. Hos 5,14) gehen nicht als Aktionen von JHWH aus, sondern werden von den Tradenten als Reaktionen JHWHs auf das Verhalten Israels präsentiert. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich bezüglich der Verwendung der Wendethematik ( )ׁשובmachen (vgl. Hos 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16). Am literarhistorischen Anfang steht die im Rahmen der Fortschreibung Hos 5,15 angekündigte Abwendung JHWHs von Israel aufgrund der von Israel gehend vollzogenen Hinwendung nach Assyrien (Hos 5,13). Hos 5,15 fungiert dabei einerseits als Relativierung der in Hos 5,14 geschilderten tödlichen Zuwendung JHWHs zu Israel, welche die ursprüngliche Reaktion JHWHs auf die israelitische Hinwendung nach Assyrien darstellte, andererseits als kompositionelles Scharnierstück, das die politische Thematik (Hos 8–11; 12–14) jetzt mit der kultischen Thematik (Hos 5,15–6,6) verbindet. Mit ׁשובwird in Hos 5,15 eine Abwendung JHWHs von Israel ausgesagt, die so lange Bestand hat, bis Israel das Angesicht JHWHs sucht ()בקׁשו פני. Wie Wolff gezeigt hat, ist diese Formulierung „in der Kultsprache zu Hause“16. Unter Aufnahme der eine Abwendung JHWHs 16
Wolff, Umkehr, 131.
384
Fazit
ausdrückenden Bewegungsverben הלךund ׁשובaus Hos 5,15 kündigt Hos 6,1 die Reaktion Israels als Zuwendung zu JHWH im Kult an. Sie wird abgelehnt, da Israel sich nicht durch beständige Treue und Gotteserkenntnis auszeichnet (vgl. Hos 6,4–6). Diese Argumentation wird in Hos 5,3f aufgegriffen, mit dem Stichwort der „Unzucht“ bzw. des „Unzuchtsgeistes“ als Zuwendungsgeschehen zu einer JHWHfremden Größe präsentiert und als Grund der ausbleibenden Umkehr zu JHWH angeführt. Hos 5,15 kommt nach der Ergänzung von Hos 5,3f eine erweiterte kompositionelle Funktion zu: Diente der Vers ursprünglich der Relativierung von V.14, so stellt er nun zugleich die Reaktion JHWHs auf die ausbleibende Rückkehr ( )ׁשובIsraels zu JHWH in Hos 5,3f dar. Während sich Hos 6,11b als sekundäre Heilsvision erwiesen hat, konnte Hos 7,10 als ein Mischzitat aus Hos 5,3–6 identifiziert werden. In Hos 5,3–6 drückt „Hochmut“ das Urteil der Tradenten über Israels ausbleibende Umkehr zu JHWH aus, in Hos 7,10 dagegen wird Israels politisches Verhalten mit demselben Urteil konfrontiert und der Geschichtsdeutung der Tradenten Ausdruck verliehen, dass Israel angesichts der außenpolitischen Bedrohung nicht zu JHWH zurückgekehrt ist und dies zu seinem Fall geführt hat. Die Komposition Hos 5,1–7,16 findet ihren Abschluss in Hos 7,16 mit der Schilderung der freiwilligen Hinwendung Israels nach Ägypten. Somit findet am Ende der Komposition tatsächlich eine Umkehr statt, jedoch wird diese zum falschen Objekt hin vollzogen. Hos 7,16 zeichnet das Schicksal Israel dabei bereits damit vor, dass dem Land Ägypten das letzte Wort der Komposition überlassen wird. Diese Perspektive wird im Rahmen der neuen Kompositionsabschlüsse Hos 8,13; 9,3.9 aufgegriffen, jedoch zu einer Reaktion JHWHs uminterpretiert, welche Israels Landverlust bzw. die Revozierung der Heilsgeschichte17 ankündigt. Die „Frage“, von wem Israel Hilfe bzw. die staatliche Wiederherstellung in Form der Zuwendungsform „Heilen“ ()רפא erhoffen darf und soll, hat sich dabei als zentrale und kompositionsleitende Thematik des Buchkerns Hos 5–7 erwiesen (vgl. Hos 5,12f; 6,1; 7,1). Sie verbindet die außenpolitische (vgl. Hos 5,12f) mit der kultischen (vgl. Hos 6,1) und der innenpolitischen (vgl. Hos 7,1) Perspektive zu einer Gesamtperspektive des geschichtlichen Ergehens Israels. Dieses wird dabei in Relation zu dem Objekt gesetzt, von dem die Heilung erhofft wird (vgl. Hos 5,12f; 6,1) und stellt sich schließlich als eine an Israels Bosheit (vgl. Hos 7,2) gescheiterte Erwiderung der Heilungsund 17
Vgl. Jeremias, Hosea, 101; anders Kratz, Prophetenstudien, 301.
Fazit
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Wiederherstellungshoffnung Israels und Judas (vgl. Hos 5,13; 6,1) durch JHWH dar. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Thematik im Rahmen der Fortschreibung Hos 5,12–14. Sie reagiert auf die in Hos 5,11 geschilderte Hinwendung Israels zu einer dritten Größe, die als Abwendungsgeschehen von JHWH angesehen wird. An diese schließt sich in Hos 5,12 zunächst die Schilderung einer Reaktion JHWHs zu Israel an, die mit Krankheiten verglichen wird und die lebensbedrohliche Schwächung des Staates durch den eigenen Landes- und Staatsgott zum Ausdruck bringt. Angesichts der Zuwendung JHWHs nach Art eines lebensbedrohlichen Krankheitsbefalls richtet sich die Heilungshoffnung Israels zunächst jedoch auf Assyrien (Hos 5,13).18 Die betonte Verwendung von Pronomen bildet dabei ein Machtspiel zwischen dem Herrschaftsanspruch JHWHs und dem des assyrischen Großkönigs ab (vgl. V.12a.13bα.14aα.14bα). Dieser wird dabei nicht als das Werkzeug JHWHs, sondern als machtloser Helfer präsentiert: Er ist nicht fähig, Israel (und Juda) zu heilen (vgl. Hos 5,13b). Vorausgesetzt ist dabei die Sichtweise, dass nur JHWH als der Urheber der Not Israels dieser auch wieder abhelfen kann. Im Rahmen der Fortschreibung Hos 5,15–6,6 spiegelt Hos 6,1 diesen Erkenntnisfortschritt seitens Israels wider, indem nun die Hoffnung auf Heilung auf JHWH gerichtet und kultisch verortet wird. Aufgrund der fehlenden Beständigkeit der Treue Israels (vgl. Hos 6,4b) wird diese Hoffnung auf die Wiederherstellung des Lebens des Staates Israel (vgl. Hos 6,1–3) jedoch im Rahmen der Gottesrede Hos 6,4–6 abgelehnt und stattdessen reziprok mit einer Metaphorik des Todes beantwortet, in deren Rahmen JHWH als Steinmetz und Feind präsentiert wird, der gegen Israel vorgeht (vgl. Hos 6,5a). In Hos 7,1aα wird die Heilungs- und Wiederherstellungshoffnung aus Hos 6,1 hingegen tatsächlich von JHWH erwidert. Hos 7,1 greift dabei die Krankheits- und Wiederherstellungsthematik aus Hos 5,12f; 6,1–3 auf und schildert einem chirurgischen Eingriff vergleichbar die Zuwendung JHWHs zu Israel. Diese Zuwendung resultiert jedoch nicht wie intendiert in der Heilung Israels (vgl. Hos 7,1aα: כרפאי )ליׂשראל, sondern in der Aufdeckung weiterer Krankheitsherde. Anders als in Hos 5,12 werden diese nicht mit JHWH in Verbindung gebracht. Sie werden vielmehr jetzt theologisiert und mit den Begriffen „Schuld“ ( )עוןund „Bosheit“ ( )רעהbegrifflich neu gefasst (vgl. Hos 5,3f: „Unzucht“; „Unzuchtsgeist“). Die Audienz vor dem Königsgott JHWH, die eigentlich Israel hätte zuteilwerden sollen und 18
Kratz, Prophetenstudien, 294.
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Fazit
können (vgl. Hos 5,15; 6,2), wird schließlich nur Israels als Vergehen dargestellten Taten zuteil (vgl. Hos 7,2). In der theologischen Botschaft des Hoseabuches stellt sich die sogenannte „unbedingte Gerichtsankündigung“ als die Kehrseite einer reziprok gedachten Beziehung zwischen dem Landesgott JHWH und seinem Volk Israel (und Juda) dar.19 Nicht die unbedingte Gerichtsankündigung, sondern die Überzeugung, dass die Beziehung zwischen Israel und JHWH grundlegend, d. h. im Guten wie im Schlechten, reziprok gedacht werden muss, stellt dabei das innovative Potential der Prophetie des Hoseabuches dar. Aufgrund dieser Überzeugung präsentieren die Tradenten das geschichtliche Ergehen Israels nicht als Folge der zunehmenden Bedrohung durch die fremde Großmacht Assyrien, sondern als Folge der Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott in der Politik (vgl. u. a. Hos 5,11.13; 6,7; 7,7.16) sowie im Landeskult (vgl. u. a. Hos 5,3f; 6,10; 7,14). Dass dieser nun „sein Volk ins Verderben führt“20, erweist ihn dabei gerade nicht als einen „andere[n], fürchterlich neue[n] JHWH“21, sondern als den einen Gott Israels, der auch dann das Band der Solidarität zu seinem Volk nicht abreißen lässt, wenn dies bedeutet, gegen sein eigenes Volk vorgehen zu müssen (vgl. Hos 6,4f).22 Hos 8,1–14 Der Kompositionsabschnitt Hos 8,1–14, der von Jeremias als „eine kürzere Parallel-Komposition zu Hos 5,8–7,16“23 aufgefasst wird, hat 19
Dabei kann mit Kratz, Prophetenstudien, 306 davon ausgegangen werden, dass „sowohl die Differenzierung JHWHs in die beiden Konkurrenten JHWH und ‚Baal‘ als auch der Ausschließlichkeitsanspruch JHWHs in dem durch den Exodus gestifteten, exklusiven Verhältnis von JHWH und Israel […] nicht Ursache, sondern Folge der Gerichtsprophetie im Hoseabuch [sind]“. 20 Ders., Die Propheten Israels, 64. 21 Ders., Prophetenstudien, 304. 22 Vgl. Jeremias, Grundtendenzen, 11f: „Fremdartig ist die Tat, weil sie nicht zur Vernichtung der Feinde, sondern des Gottesvolkes führt. Israel bekommt also die gleiche Macht Gottes, die es früher heilvoll erlebte und der es seine Existenz verdankt, nun unheilvoll und gegen sich selbst gerichtet zu spüren und das kann nur heißen: zu seiner Vernichtung. […] Weil es der gleiche Gott ist, den Israel jetzt strafend erlebt, wie zuvor rettend und helfend, darum ist das auf Israel zukommende Unheil kein partielles oder vorübergehendes, das nur Wunden schlägt, sondern ein prinzipielles, totales, tötendes, vernichtendes, aus dem es keine Rettung gibt, solange sich nicht das Gottesvolk selbst total verändert“ (Hervorhebungen von mir). 23 Jeremias, Hosea, 103.
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sich zugleich als neuer Abschluss dieser ältesten Komposition erwiesen, der durch die Aufnahme bzw. Aktualisierung von vorgefundenen Reziprozitätsaussagen mit dem Buchkern Hos 5–7 verbunden wird. So zieht Hos 8,2.4 unter Rückgriff auf Hos 5,3f; 6,1–6 und 7,3–7 eine erste Summe aus der Erkenntnisthematik der Komposition Hos 5–7. Hos 8,2.4 kehrt dabei die konzentrische Figur von Hos 5,3f um, so dass jetzt das behauptete Wissen Israels mit JHWHs Abstreitung einer wissenden Mitverantwortung für die Einsetzung von Königen und Beamten in Israel reziprok kontrastiert wird. Während dabei im Zentrum der konzentrischen Figur von Hos 5,3f die Feststellung der ausbleibenden Umkehr zu JHWH steht, steht im Zentrum von Hos 8,2ff die parallele Feststellung der (bewussten) Verwerfung des Guten. Das in Hos 5,3f geschilderte Verhalten Israels wird in Hos 8,2ff zu einer bewussten Abwendung von JHWH gesteigert und fungiert auf diese Weise als Begründung der Angriffsankündigung aus Hos 8,1. Der Erkenntnisthematik kommt im Rahmen von Hos 8,2.4 darüber hinaus die Funktion zu, die kultische (V.2) mit der innenpolitischen (V.4) Perspektive kompositionell zu verbinden. Der Argumentationsverlauf weist dabei Parallelen zu Hos 6,1–3.4–6 auf: Wie in Hos 6,1–3.4–6 zunächst die wörtliche Rede Israels wiedergegeben wird, in der ein Umkehrwille verlautbart wird, so wird in Hos 8,2f zunächst die wörtliche Rede Israels wiedergegeben, in der das Vorhandensein eines Wissens um Gott bekundet wird. Wie in Hos 6,4ff schließt sich in Hos 8,3ff die Widerlegung dieser Behauptungen im Rahmen einer Gottesrede an. Dabei wird die Kenntnis der in Hos 7,3–7 thematisierten Intrigen bei den Lesenden vorausgesetzt, wie die kurze Anspielung von Hos 8,4 zeigt. Die zunehmende Distanzierung JHWHs vom israelitischen Kult (vgl. Hos 5,3–7; 6,6; 7,14) findet dabei in der Stierbildpolemik von Hos 8,5 darin eine Steigerung, dass nun eine Differenzierung zwischen JHWH und dem im Kult verehrten JHWH vorgenommen wird.24 Die reziprok formulierte Erkenntnisthematik von Hos 8,1–6 (V.2.4) subsumiert dabei die kultischen und innenpolitischen Vergehen aus Hos 5-7 als ein Verhalten, mit dem sich Israel bewusst vom eigenen Landesund Staatsgott JHWH abgewandt hat. Der deuteronomistische V.1b charakterisiert diese Vergehen daher als ein tora- und bundesbrüchiges Verhalten. Das geschichtliche Ergehen Israels (vgl. V.3ff) stellt sich als Folge der mangelnden Erkenntnis und Anerkennung des eigenen Staatsgottes dar, der nun seinem
24
Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 297.
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eigenen Volk im Land (vgl. V.1a)25 als Feind gegenübertritt (vgl. Hos 8,1f.14). Hos 8,1–14 greift zudem aktualisierend auf die mit אכלformulierte Essensthematik der Komposition Hos 5–7 (Hos 5,7; 7,7.9) zurück. Die literarhistorisch ihren Ausgang in Hos 7,7a nehmende Thematik beschreibt dabei zunächst einen metaphorischen Vorgang der von (priesterlichen?) Gruppen in Israel selbst vorgenommenen Destabilisierung des israelitischen Rechtswesens, der sich aus dem Bild des Backofens (vgl. Hos 7,3–7) ergibt und als Ausdruck der Abwendung von JHWH gewertet wird (vgl. Hos 7,2.7b). Diese innere Destabilisierung ermöglicht den reziprok von außen erfolgenden verzehrenden Zugriff Dritter auf die Ressourcen Israels (vgl. Hos 7,9). Hos 8,7ff steigert nun diese Vorstellung: Jetzt ist es Israel selbst, welches nicht nur verzehrt ()אכל, sondern verschlungen ( )בלעwird. Hos 8,7ff aktualisiert die Aussage über eine Tributlast von Hos 7,9 zu einer Aussage über den Untergang des Nordreichs. Hos 5,3–7 beschreibt eine kultische Parallele zu dem politischen Verzehrtwerden Israels: So wird im Rahmen der Prophetenrede angekündigt, dass die augenscheinlich vorhandene Reziprozität des JHWH-entfremdeten Kultes ein Ende finden wird: Statt der erhofften Fruchtbarkeit im Land wird das personifizierte Neumondfest Israel mitsamt dem Land verzehren ()אכל. Hos 8,11ff nimmt diese Vorstellung eines an Eigeninteressen ausgerichteten Kultes auf, transformiert sie jedoch zu einer Aussage über reale Essvorgänge und stellt dabei das Eigeninteresse an einer Maximierung des Fleischverzehrs ins Zentrum der Kultkritik. Wie in Hos 5,7 wird dabei auch in Hos 8,13 die als Abwendung von JHWH gedeutete Kultausübung mit der Ankündigung einer Folge konfrontiert, in deren Rahmen die kultische mit der politisch-geschichtlichen Perspektive verschränkt wird: Ist es in Hos 5,7 der angedeutete Verlust von Fruchtbarkeit und Land, ist es in Hos 8,13 die Ankündigung der Revozierung des von JHWH initiierten Exodus.26 In Hos 8,9 wird dabei eine erste aktualisierende Summe aus den Bündnisbemühungen Israels gezogen, die als eine gehend vollzogene Hinwendung zu einer fremden Großmacht formuliert sind (vgl. הלך in Hos 5,11.13; Hos 6,1; Hos 7,11) und aus der Sicht der Tradenten eine bewusst vollzogene Abwendung vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH implizieren. Hos 8,9 steigert diese im Buchkern 25
Vgl. Jeremias, Hosea, 104: „Angegriffen ist ‚Jahwes Haus‘; der Begriff bezeichnet hier wie in 9,15 (vielleicht auch 9,8) nicht einen Tempel, sondern das Land Israels (‚Haus‘ = Gebiet, Besitz), und zwar als Gottes Eigentum“. 26 Ähnlich wie Hos 5,7 der Neumond, ist es im sekundären V.14 das Feuer JHWHs, welches Israels Städte und Judas Palastfestungen verzehren ()אכל wird.
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mit הלךausgedrückte Bewegung, indem es – singulär in Hos 5–8 – stattdessen die Wurzel „( עלהhinaufgehen“) zur Beschreibung dieser Bewegung verwendet und das Geschehen als einen von Israel initiierten Exodus darstellt, der es aus dem Land JHWHs hinaus- und in den Machtbereich Assyriens hineinführt. Dabei wird mit עלה („hinaufgehen“) offenbar auf bereits geprägte Sprache für das Exodusgeschehen zurückgegriffen.27 Aufbauend auf Hos 7,8–11.16 (vgl. die Aufnahme von ׁשובaus Hos 7,16 in Hos 8,13) legt Hos 8,9 durch diese theologische Aktualisierung das Fundament für die Idee der Revozierung des Exodus, die in Hos 8,13; 9,3.9 und später auch in Hos 11,5 zum Ausdruck kommt. Die vormals freiwillige Hinwendung Israels zu potentiellen Bündnispartnern als „negativer“28 Exodus wird jetzt von den Tradenten als eine Reaktion JHWHs auf die Abwendung Israels von ihm dargestellt und als Revozierung des vormals von JHWH initiierten Exodus aus Ägypten präsentiert. In Hos 8,13 ergibt sich diese Ankündigung der Rückkehr Israels nach Ägypten aus der Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Vergehen. Hos 8,13 hat sich dabei als ein Mischzitat aus Hos 7,1–3.10ff erwiesen,29 das als neuer Kompositionsabschluss die gedenkende ( ;זכרvgl. Hos 7,2) und überprüfende ( )פקדAuseinandersetzung mit der Schuld und den Sünden Israels durch JHWH zur zentralen geschichtshermeneutischen Kategorie der Erklärung des Untergangs des Nordreichs macht. Die in Hos 7,10.16 geschilderte, aber nicht zu JHWH vollzogene Wendung ( )ׁשובIsraels zu JHWH sowie die in Hos 7,11.16 vorhandene Ägyptenperspektive werden dabei von Hos 8,13 aufgenommen und über Hos 8,9 mit dem Exodus als dem „Gründungsdatum der Existenz Israels im Land“30 verbunden. In dieser neu geschaffenen Kompositionslinie bildet die Ankündigung der Revozierung des Exodus aus Hos 8,13 nun eine Reaktion JHWHs auf die nicht vollzogene (vgl. Hos 5,4; 7,10) bzw. nicht aus einer Haltung beständiger Gemeinschaftstreue erfolgende Umkehr (vgl. Hos 6,1–3) Israels zu ihm und die stattdessen in Form eines negativen Exodus stattgefundene Hinwendung zu politischen 27
Vgl. Kratz, Prophetenstudien, 302, der die Position vertritt, dass die heilsgeschichtlichen Traditionen der Vorzeit […] der Prophetenüberlieferung in der einen oder anderen Form sicher schon vor[lagen]“. Er bezieht sich kontextuell auf Hos 9–14, doch ist diese Position auch für Hos 5–8 nicht auszuschließen. 28 Vgl. Utzschneider, Hosea, 175, der von einem „umgekehrten Exodus“ spricht. 29 Vgl. Abschnitt 3.3.4. 30 Kratz, Prophetenstudien, 301.
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Großmächten. Dabei lässt sich bereits in der Kultkritik von Hos 8,11–13 eine Fokussierung der Schuldfrage auf dieses politische Fehlverhalten im Kult beobachten. Hos 4,1–19 Die neue31 Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 bildet mit Hos 8,1–14 einen kompositionellen Rahmen und stellt die Explikation der in Hos 8,11–13 geäußerten Kultkritik dar, die nun auf das Priestertum und die Männer des Volkes Israel fokussiert wird (vgl. Hos 4,6.13f). Das israelitische Priestertum wird dabei als diejenige Gruppe identifiziert, die für die in Hos 5–8 geschilderten Abwendungsvorgänge Israels in Politik, Gesellschaft und Kult vom eigenen Staats- und Landesgott JHWH verantwortlich ist und damit die Aufhebung positiver Reziprozität in den Interaktionen JHWHs mit seinem eigenen Volk durch die Verwerfung von Gotteserkenntnis (vgl. Hos 4,6) herbeigeführt hat. Als neue Leseanleitung wird dabei die Metapher eines „Streits“ (ריב, vgl. Hos 4,1b) von den Tradenten eingeführt, unter der die in der Komposition Hos 5–8 geschilderten Reaktionen JHWHs auf Israels Verfehlungen subsumiert werden. Durch die Verwendung dieser Metapher wird auch das Gottesbild transformiert: Während JHWH im Kompositionsabschluss Hos 8,1–14 als angreifender Feind präsentiert wird, der sich gegen sein eigenes Volk wendet (vgl. Hos 8,1f.14), erscheint er in der Einleitung Hos 4,1–19 zunächst als anklagender Landes- und Staatsgott, der vor dem Forum der „Söhne Israels“ die Konfrontation mit den eigenen Landesbewohnern sucht.32 Die Angriffsankündigung von Hos 8,1f erhält durch die Vorschaltung von Hos 4,1–19 als neuer Kompositionseinleitung eine Legitimation in Form einer Anklage, in deren Verlauf Israel von JHWH her zunächst mit den eigenen kultischen Vergehen im Land konfrontiert wird, bevor in Hos 8,1–14 die Angriffsankündigung als Folge geschildert wird, die im Verlust der Landesgabe infolge der Revozierung des Exodus resultiert (vgl. Hos 8,13). JHWH erscheint in seinen Reaktionen (vgl. Hos 4,6) als „Garan[t] der Ordnung“33 im Land und zugleich als „Akteur einer Antwort, die auf ein bestimmtes Tatverhalten des Menschen gegeben wird“34. Durch die Fortführung und die aktualisierenden Rückbezüge auf die Erkenntnisthematik (vgl. Hos 5,3f.9; 6,3; 7,9; 8,2.4), die 31
Vgl. Abschnitt 4.1; vgl. auch Vielhauer, Werden, 96f. Diese Unterscheidung zwischen angesprochener und angeklagter Größe findet sich auch in der Narration von Hos 2,4–15 (vgl. V.4ff). 33 Otto, Theologische Ethik, 183. 34 Brünenberg, Jahwes Widerstand, 66 (Hervorhebung von mir). 32
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Verzehrthematik (vgl. Hos 5,7; 7,7.9; 8,13f), aber auch auf die Wende- (vgl. Hos 5,4.15; 6,1.11; 7,10.16; 8,13) und Unzuchtsthematik (vgl. Hos 5,3f; 6,10; vgl. 7,4) wird die neue Bucheinleitung Hos 4,1–19 dabei mit der bestehenden Komposition Hos 5–8 verbunden. Die bereits im Buchkern Hos 5–7 erkennbare Tendenz der Tradenten, die – von ihnen postulierte – mangelnde Kenntnis Israels von außenpolitischen Sachlagen (vgl. Hos 7,8ff: )לא ידעauf eine fehlende bzw. verweigerte kultische JHWH-Kenntnis zurückzuführen (vgl. Hos 6,1–3; 5,4: )לא ידעו, wird dabei in Hos 4,1–19 fortgesetzt und aktualisierend auf das Priestertum fokussiert. Die Priester werden als Hauptschuldige für die fehlende Anerkennung und Kenntnis des eigenen Landes- und Staatsgottes in Israel benannt, die auf einen bewussten Akt des Verwerfens der Erkenntnis durch das Priestertum zurückgeführt werden (vgl. Hos 4,6: )אתה הדעת מאסת. Durch die Vorschaltung der neuen Bucheinleitung erscheint der im Buchkern postulierte Mangel an Gotteserkenntnis in Israel jetzt als Folge dieser priesterlichen Verwerfungshandlung als bewusste Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott. Die Schilderung der Verwerfung der Gotteserkenntnis in Hos 4,6, die mit dem Vergessen der Weisung ( )תורתJHWHs parallelisiert wird, findet ihr literarisches Gegenstück in dem Vorwurf des bundes- und torabrüchigen Verhaltens sowie der Widerlegung der postulierten Gotteserkenntnis in Hos 8,2f. Durch die von den Tradenten im Rahmen der neuen Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 vorgenommene „Identifizierung“ der priesterlichen Verwerfung der Gotteserkenntnis aufgrund der Bevorzugung eines Kultes, der an den eigenen Bedürfnissen ausgerichtet ist (vgl. Hos 4,8; vgl. auch Hos 8,13a), wird die theologische Begründung für das geschichtliche Ergehen des Nordreichs neu ausgerichtet: Nicht länger ein Mangel an außenpolitischer Weitsicht (vgl. Hos 7,8f) und die deshalb eingetretene Destabilisierung und Angreifbarkeit des Staates Israels durch Dritte von außen (vgl. Hos 7,9), sondern die priesterliche Verwerfung der Gotteserkenntnis im israelitischen Kult im Land wird nun als Begründung angeführt (vgl. Hos 4,6.8bf). Auf diese Weise erscheinen der gesellschaftliche und innenpolitische Verfall (vgl. Hos 6,7–10; 7,1–7) sowie die außenpolitischen Fehleinschätzungen (vgl. Hos 5,12–14; 7,11.16; 8,9f) jetzt als Folgen dieser kultischen Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott.35
35
Bei dieser Sichtweise handelt es sich selbstverständlich um die theologische Deutung realpolitischer Vorgänge durch die Tradenten, vgl. Kratz, Prophetenstudien, 297: „Weil JHWH auf seiten Assurs gegen Israel
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Die mit אכלausgedrückte Verzehrthematik, die in Hos 5–8 zunächst einen außenpolitischen Zugriff Dritter auf Israel ausdrückt (vgl. Hos 7,8f; vgl. die Steigerung dieses Bildes in 8,7), der auf eine innerisraelitische Destabilisierung des eigenen Rechtssystems zurückgeführt wird (vgl. Hos 7,7), wird in Hos 5,7 zunächst metaphorisch auf den Kult angewandt und in Hos 8,13 auf reale Essvorgänge im Kult übertragen. In Hos 4,1–19 kommt ihr eine dienende Funktion zu. Diese besteht darin, die priesterliche Verwerfung der Gotteserkenntnis auf eine Ausrichtung des Kultes an den eigenen Bedürfnissen der Priesterschaft zurückzuführen. Sie wird in die Begründung des geschichtlichen Ergehens Israels integriert und als eine innerisraelitische Entscheidungsalternative präsentiert, der der Vorzug vor einer am Willen JHWHs ausgerichteten Existenz gegeben wurde. Dabei wird die in der Kultpolemik von Hos 8,11–13 geäußerte Kritik, dass der JHWH-Kult nur noch gemäß dem Wunsch der Maximierung des eigenen Fleischverzehrs praktiziert wird, in Hos 4,8 vorausgesetzt und als Grund der Schuldverstrickung des gesamten Volkes angeführt.36 Dementsprechend wird in V.9 eine Reaktion JHWHs angekündigt, die im Entzug der Versorgung durch den Landes- und Staatsgott besteht und durch das Ausbleiben von Sättigung und Fruchtbarkeit ausgedrückt wird. Zum Ausdruck dieser Reaktion greifen die Tradenten die mit ׁשוב ausgedrückte Wendethematik aus der Komposition Hos 5–8 aktualisierend auf. Während dabei die Rückkehr ( )ׁשובnach Ägypten in Hos 8,13 zunächst als eine Reaktion JHWHs auf die Bündnisbemühungen Israels (vgl. Hos 5,11.13; 7,11.16) konzipiert ist, die in Hos 8,9 zu einem von Israel initiierten, „negativen“ Exodus aus dem Land JHWHs transformiert werden, erfährt die Abschlussperspektive der Komposition Hos 5–8 durch die Vorschaltung von Hos 4,1–19 eine aktualisierende Neuinterpretation: Die Rückkehr nach Ägypten als Revozierung der Landesgabe erscheint nun als letzte Folge von JHWHs Zurückwendung ( ׁשובHif.) der Taten auf Priester und Volk (vgl. Hos 4,9). Die mit der Verwendung von „Taten“ ( )מעללzur Beschreibung der Vergehen verwendete „weisheitliche“ Terminologie dieser kämpft, darum […] werden JHWH und der Stier […] zu unversöhnlichen Konkurrenten“. 36 Vgl. Jeremias, Hosea, 67: „Die Priester ziehen das Volk in ihre Verschuldung mit hinein, und zwar um Gewinnes willen. Angespielt ist damit auf die Vermehrung kultischer Aktivitäten bei Opferfesten (V. 11 ff.), die in den politisch ruhigen Zeiten der Wirtschaftsblüte unter Jerobeam II. mehr Priester und mehr Abgaben erforderten, zugleich den Priestern größere Anteile erbrachten, damit aber immer stärker zum Instrument der Absicherung von Gedeihen und Erfolg (vgl. 2, 7–15) wurden“.
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reziproken Konfrontationsankündigung knüpft dabei an die Auseinandersetzung JHWHs mit Israels Taten in Hos 5,3f und 7,2 an. Durch die Vorschaltung der Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 erscheinen diese Taten als Folge eines durch die Priesterschaft pervertierten JHWH-Kultes. Hos 4,9 wird auf diese Weise zum neuen Anfang einer Kompositionslinie, die in der vorliegenden Buchform über Hos 5,3f zu Hos 7,2 und Hos 8,13 verläuft und mit der Abwendung von JHWH im israelitischen Kult sowohl die ausbleibende Rückkehr ( )ׁשובzu JHWH aufgrund dieser Taten (vgl. Hos 5,3f; 7,2) als auch die von JHWH initiierte Rückkehr ()ׁשוב Israels nach Ägypten begründet (vgl. Hos 8,13). Zugleich bildet Hos 4,9 mit Hos 8,13 einen Hos 4–8 umfassenden kompositionellen Rahmen, der die Rechenschaft einfordernde ()פקד und die Taten zu den Tätern zurückwendende ( ׁשובHif.) Zuwendung JHWHs (vgl. Hos 4,9) mit der innerlich vollzogenen gedenkenden ( )זכרAuseinandersetzung JHWHs mit Israels Schuld und der äußerlich vollzogenen überprüfenden ( )פקדAuseinandersetzung JHWHs mit Israels Sünden (vgl. Hos 8,13) verschränkt, die am Buchabschluss schließlich in der Rückkehr ( )ׁשובIsraels nach Ägypten als Revozierung der Landgabe und des Exodusgeschehens durch den Staats- und Landesgott JHWH resultiert. Die im Buchkern Hos 5–7 nur über Einzelzusätze repräsentierte Unzuchtsthematik ( ;זנהvgl. vgl. Hos 5,3f; 6,10; vgl. נאףin Hos 7,4), die verschiedene Vergehen Israels (vgl. Hos 5,1b–7; Hos 6,7–9; Hos 7,1–7) als Folgen der im Kult von Israel vollzogenen Abwendung von JHWH subsumiert, kommt diese Funktion auch in der Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 zu.37 Anders als im Buchkern Hos 5–7 fokussiert Hos 4,11–14 dabei – entsprechend der Intention der Tradenten, den Kult als den Ausgangspunkt der Abwendung Israels von JHWH im Land zu präsentieren – die Untreue gegen JHWH jedoch auf konkrete Kultpraktiken, die in Hos 4,13f mit der Ausübung von Fruchtbarkeitsriten in Verbindung gebracht und dabei als Ausdruck eines Unzuchtsgeistes ( )רוח זנוניםgedeutet werden (vgl. Hos 4,12b; vgl. 5,4). Wird dabei in Hos 5,3f die ausbleibende Umkehr zu JHWH mit den diesem Unzuchtsgeist entspringenden Taten Israels begründet, so bietet Hos 4,1–19 die Herleitung des Ursprungs dieses Unzuchtsgeistes aus der priesterlichen Verwerfung der Erkenntnis JHWHs. Wie das Wortspiel mit רוחin Hos 4,12b und V.19a zeigt, wird dabei – wie bereits im Rahmen der mit אכלausgedrückten Verzehrthematik von Hos 7,7–9 – ein Reziprozitätsverhältnis zwischen dem von außen 37
Vielhauer, Werden, 227 rechnet daher u. a. die Einzelzusätze Hos 5,3f; 6,10b und 7,4 derselben literarischen Schicht wie Hos 4,12b zu.
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kommenden Zugriff auf Israel durch Dritte und dem innerisraelitischen Fehlverhalten (der kultischen Abwendung von JHWH und seiner Erkenntnis in der Bevorzugung eines an den eigenen Bedürfnissen ausgerichteten Kultes in Form eines Unzuchtsgeistes) konzipiert. Das Wortspiel verdeutlicht diese Reziprozität insofern, als dass Israels kultischer Unzuchtsgeist ( )רוח זנוניםim Land den von außen kommenden Zugriff des Sturms ( )רוחerst ermöglicht, der Israel „in den Tod entführt“38 und dabei wohl den Untergang des Nordreichs durch die Assyrer symbolisiert.39 Hos 9,1–9 Der neue Kompositionsabschluss Hos 9,1–9 stellt den Abschluss des in Hos 4,1 eröffneten Streits JHWHs mit den Landesbewohnern ( )יוׁשבי הארץdar.40 Dieser findet in Hos 9,3 seine Entsprechung darin, dass den Israeliten nun der Zugriff auf die Landesgüter und das Wohnrecht im Land JHWHs entzogen ( )לא יׁשבו בארץ יהוהund ihnen die Rückkehr nach Ägypten angekündigt wird.41 Die Streitperspektive aus Hos 4,1 umfasst auf diese Weise jetzt die gesamte Komposition Hos 4,1–9,9 und findet ihren (vorläufigen)42 Abschluss in Hos 9,1–9.43 Indem die Tradenten in Hos 9,1ff den Entzug der Landesgaben und des Landes als Rückkehr ( )ׁשובnach Ägypten aufgrund von kultischer Unzucht ankündigen, setzen sie die Kultpolemik aus Hos 8,11ff und Hos 4,6–14 voraus und kombinieren durch die literarische Aufnahme der Ankündigung des Landverlustes als Rückkehr nach Ägypten aus Hos 8,13 und der Anwendung der Bezeichnung als „Unzucht“ für den Kult aus Hos 4,1–19 (vgl. auch Hos 5,3f; 6,10b) zwei vormals nur getrennt voneinander verwendete Kompositionslinien. Denn obwohl Hos 8,13 den Abschluss einer Hos 8,11–13 umfassenden Kultkritik bildet, stellt die Rückkehr nach Ägypten zunächst die Erwiderung JHWHs auf den von Israel in Hos
38
Jeremias, Hosea, 73. Vgl. ebd. 40 Vgl. Abschnitt 4.2. 41 Vgl. Jeremias, Hosea, 113f; Vielhauer, Werden, 97f. 42 Vgl. Hos 2,4; 12,3. 43 So bereits Vielhauer, Werden, 98, der zwar formuliert: „In der Komposition Hos 4,1–9,9 entsprechen sich somit angekündigte Strafe und aufgedeckte kultische Vergehen“ (Hervorhebung durch Autorin), dabei jedoch die zentrale Bedeutung der Reziprozität in der Interaktion zwischen Landesgott JHWH und seinem Landesvolk Israel zu übersehen scheint, wenn er die reziproke Reaktion als „Strafe“ bezeichnet. 39
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8,9 initiierten „negativen“ Exodus nach Assyrien dar.44 Die Kultpolemik von Hos 8,11ff kritisiert, dass der Kult am (priesterlichen) Wunsch der Maximierung des eigenen Fleischgenusses statt an der Mahlgemeinschaft mit JHWH orientiert ist, verwendet zur Bezeichnung dieser Kultpraxis jedoch noch nicht den Begriff der „Unzucht“. Hos 4,1–19 setzt diese Kultpolemik von Hos 8,11ff voraus und stellt die Explikation dieses Vorwurfs dar, der jetzt auf die Priesterschaft fokussiert (vgl. Hos 4,4–9) als „Unzucht treiben“ ( )זנהgedeutet (vgl. Hos 4,11–14) und zur zentralen Begründung des geschichtlichen Ergehens des Nordreichs erklärt wird (vgl. Hos 4,19).45 In der Verbindung dieser Kompositionslinien legt Hos 9,1–9 die Basis für die spätere Narration des geschichtlichen Ergehens Israels als einer Trennung eines Ehemannes von seiner Ehefrau aufgrund der von ihr vollzogenen Unzucht ( )זנהin Hos 2,4–15.46 Der literarische Übergang zu dieser Narration findet sich dabei in der Fortschreibung Hos 9,10–17, insbesondere V.15aβ–bα: „Wegen der Bosheit ihrer Taten vertreibe ich sie aus meinem Haus. Nicht will ich fortfahren sie zu lieben“ ()על רע מעלליהם מביתי אגרׁשם לא אוסף אהבתם. Die Tradenten präsentierten dabei in Hos 8,13; 4,8ff eine „pervertierte“ Kultausübung, deren JHWH-Entfremdung sie daran festmachen, dass nicht das Wissen und der Wille JHWHs in seinem Mittelpunkt stehen (vgl. Hos 4,6), sondern die priesterliche Versorgung mit Fleisch und die Sicherstellung eigener Fruchtbarkeit (vgl. auch Hos 4,13f). Diese „Pervertierung“ des Kultes stellt das neue Begründungstheorem des geschichtlichen Ergehens des Nordreichs dar, das in Hos 9,1–9 rezipiert wird. So ist die Exilsexistenz Israels zwar weiterhin durch den Vorgang des Essens ( )אכלgekennzeichnet (vgl. V.3b.4a), diesem wird jedoch jeglicher (kultische) JHWH-Bezug abgesprochen. Damit wird der von JHWH abgelöste Verzehr von Opfergaben auf den Vorgang reduziert, der er seinem Wesen nach bereits seit seiner Pervertierung im Land ist: Das profane Verspeisen von Nahrung, durch das keine Mahlgemeinschaft mehr mit dem eigenen Landes- und Staatsgott hergestellt werden kann und das jenseits seines Herrschaftsbereiches dem Verzehr von
44
Vgl. Utzschneider, Hosea, 175: „Die Kombination Ägyptens mit Assur im Theorem des ‚umgekehrten Exodus‘ erscheint […] als Aktualisierung und Traditionalisierung in einem. Aktualisiert wird das Begründungstheorem der Existenz Israels im Lande, traditionalisiert wird das geschichtlich-aktuelle Geschehen um das ausgehende Nordreich im Horizont der assyrischen Bedrohung“. 45 Vgl. Vielhauer, Werden, 109. 46 Vgl. Abschnitt 5.1.
396
Fazit
„Unreinem“47 ( )טמאentspricht.48 Das „Gehen“ ( )הלךIsraels, das in der Komposition Hos 5–8 u. a. Bündnisbemühungen zum Ausdruck bringt, die von den Tradenten als ein erstes kompositionsverbindendes Begründungstheorem für das geschichtliche Ergehen Israels angeführt werden (vgl. Hos 5,11.12– 14; Hos 5,15–6,6; 7,11; vgl. עלהin 8,9), indem sie als Zeichen der eigensinnigen Abwendung vom eigenen Landes- und Staatsgott JHWH gedeutet werden, repräsentiert in Hos 9,6a nicht mehr länger Israels selbstbestimmtes Streben, sondern nur noch eine kurze Verschonung in Form einer Flucht, bevor Israel das endgültige Ende ereilt (vgl. Hos 9,6b).49 Die vormals gesuchte positive Reziprozität in der Interaktion mit den politischen Großmächten (vgl. Hos 8,9b) wird von den Tradenten in eine negative Reziprozität verkehrt: Statt der gesuchten Hilfe und Wiederherstellung (vgl. Hos 5,12f; 7,11) findet Israel durch die Großmächte schließlich den staatlichen Untergang. Dieselbe Hoffnungslosigkeit wird im neuen Kompositionsabschluss Hos 9,1–9 auch durch die aktualisierende Aufnahme der Wissensbzw. Erkenntnisthematik ( )ידעzum Ausdruck gebracht. In der literarischen Genese des Hoseabuches wurde mit Derivaten von ידע und Israel als Subjekt zunächst ein Mangel an politischer Weitsicht (vgl. Hos 7,9) und JHWH-Erkenntnis festgestellt (vgl. Hos 6,1–3.4ff; 5,3f). Im neuen Kompositionsabschluss Hos 8,1–14 wurde die in Hos 8,2 wiedergegebene Behauptung vorhandener Gotteserkenntnis in Hos 8,3 widerlegt und im Rahmen der neuen Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 in V.6 mit dem bewussten Verwerfen der Erkenntnis durch die Priester begründet. Während es sich beim Erkennen/Anerkennen bisher um eine Option Israels handelte, die verweigert werden konnte (vgl. Hos 5,4), wird in Hos 9,7 nun mit ידעein Wahrnehmungsvorgang Israels beschrieben, da es sich beim Objekt der wissenden Wahrnehmung um das Datum
47
Vgl. Utzschneider, Hosea, 179f: „Es wird im Exil keinen Opferkultus für Jahwe mehr geben, weil dort buchstäblich jeder und alles unrein ist […]. Unrein sind alle tierischen und vegetabilen Nahrungsmittel, sie sind damit als Opfergaben unbrauchbar. Unrein sind alle, die sich davon ernähren; sie sind damit generell kultunfähig. Jedes Land außerhalb Israels ist unreines Land (vgl. Am 7,17; Ez 4,13). […] Ein legitimer Jahwekult ist an das Land Jahwes gebunden“ (Hervorhebung von mir). 48 Vgl. Jeremias, Hosea, 111, Anm. 21: „Parallelbelege wie Jes 22, 13 und Jer 7, 21 legen die Vermutung nahe, daß der Begriff ‚Fleisch essen‘ (in Hoseas Zeiten auf Feiertage beschränkt) schon in sich für die Lösung des Opfers aus der Gottesbeziehung und damit für die Perversion des Opfers steht; vgl. in Dtn 12 die Unterscheidung zwischen kultischem Opfer (V. 14) und profanem ‚Fleisch essen‘ (V. 15) für das 7. Jh.“. 49 Vgl. Jeremias, Hosea, 117.
Fazit
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der „Tage der Überprüfung und Rückerstattung50“ handelt, denen Israel sich nicht entziehen kann. Im Kontrast zum Festtag (vgl. V.5) verkündet der Prophet jetzt unter Verwendung des Ordnungsprinzips der Tage51 die von JHWH initiierte Konfrontation Israels mit der eigenen Schuld und den eigenen Verfehlungen. Da diese Schuld und Verfehlungen kontextuell (vgl. Hos 9,1f) als im Land vollzogene kultische Unzucht und als bewusste Abwendung von JHWH identifizierbar ist, vollzieht sich an diesen Tagen die reziproke Inkraftsetzung dieser JHWH-entfremdeten Existenz durch den Entzug der Landesgaben, des Wohnrechts im Land und der kultischen Gemeinschaft mit dem eigenen Landes- und Staatsgott. JHWH bestätigt in der Konfrontation Israels mit der eigenen Schuld den von Israel im Land vollzogenen Beziehungsabbruch (vgl. Hos 9,3ff.15; Hos 2,4–15). Hos 2,4–15 Die in der Komposition Hos 4–9 geschilderten reziproken Interaktionen haben in Hos 9,1–9 ihren vorläufigen Abschluss gefunden. Hos 9,1–9 übernimmt dabei aus dem vorherigen Kompositionsschluss Hos 8,1–14 die Abschlussperspektive einer Rückkehr Israels nach Ägypten als einer von JHWH initiierten Folge der freiwilligen Hinwendung Israels zu politischen Großmächten im Rahmen von Bündnisbemühungen (vgl. Hos 8,9.13; 9,3), präsentiert diese Rückkehr jedoch jetzt als Folge der Unzucht Israels im Land (vgl. Hos 9,1f). In Hos 9,3 ist die Rückkehr nach Ägypten somit weniger Revozierung des Exodus (vgl. Hos 8,9.13) als vielmehr Revozierung der Landgabe infolge der Untreue gegenüber dem eigenen Landes- und Staatsgott. Diese Trennung wird dabei in der Fortschreibung Hos 9,10–17 in V.15 bereits als eine Verstoßung aus dem Haus JHWHs präsentiert, die durchlässig für die Deutung als Vollzug einer Ehetrennung ist und in deren Rahmen JHWH ankündigt, nicht fortzufahren, sie zu „lieben“ ()לא אוסף אהבתם. Diese 50
Wenn ׁשלםhier mit „Rückerstattung“ übersetzt wird, ist damit nicht an eine Deliktsahndung im Sinne des Schaden-Schuld-Prinzips gedacht (so Utzschneider, Hosea, 169f.), sondern an die „Rückgabe“ der Tat an den Täter. Dabei wird deutlich, dass der Täter vor allem sich selbst geschadet hat (Identitätsauslöschung). Dabei wird sich Janowski in der Sicht angeschlossen, dass die „‚Zurückwendung’ der Tat auf den Täter durch JHWH […] etwas anderes [ist] als die ‚Strafe’, die den Täter von seiner Tat trennt, indem sie im Sinn der Maxime punitur quia peccatum est vor allem auf die ‚Zufügung eines fühlbaren Nachteils’ zum Ausgleich des geschehenen Unrechts aus ist“ (Janowski, Ein Gott, der straft und tötet?, 156). 51 Vgl. Gärtner, Summe, 69.
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Fazit
Ankündigung richtet sich jedoch in V.15 noch gegen den Staat Israel, der über die Beamten repräsentiert wird. Die Transformation dieser metaphorischen Formulierungen einer Trennung in die Narration einer Ehetrennung ist erst in Hos 2,4–15 vollzogen. Im Rahmen der kompositionellen Einheit Hos 2,4–15 wird dabei die Hos 4–9 rahmende Streitperspektive (ריב, vgl. Hos 4,1) übernommen und die Ehefrau von ihrem Ehemann mit ihrer mit Liebhabern (vgl. V.7b.14b) vollzogenen Unzucht (vgl. V.6b.7a) konfrontiert. Wie Hos 4,1–19 mit Hos 9,1–9 vormals einen Rahmen bildete, in dem der Streit mit den Landesbewohnern (vgl. Hos 4,1) schließlich im Entzug des Landes resultiert (vgl. Hos 9,1), bildet nun Hos 2,4–15 das rahmende Gegenstück zu Hos 9,1–9. Und wie Hos 4,1ff zwischen den Söhnen Israels und den Landesbewohnern differenziert, so changiert auch in Hos 2,4–15 die Perspektive: Die als Mutter angesprochene Ehefrau scheint so einerseits den Staat, andererseits das Land Israel zu repräsentieren. Für letztgenannte Deutung spricht dabei insbesondere Hos 2,5, der den angedrohten Entzug der ehelichen Versorgung in Folge der Unzucht der Ehefrau im Rahmen von Vergleichen mit Orten von Trockenheit ausdrückt. Die Unzucht der Ehefrau wird in Hos 2,4–15 als gehend ()הלך vollzogene Nachfolge beschrieben (vgl. V.7b.15b) und damit begründet, dass die Ehefrau die Liebhaber als die Geber ( נתניPart.) ihrer ehelichen Versorgung betrachtet (vgl. V.7b). Diese Hinwendung stellt als Abwendung vom eigenen Ehemann jetzt den Inbegriff ihrer Unzucht (vgl. V.4b.6f: )זנהdar. Im Zentrum der Narration steht die Auseinandersetzung mit dieser „Unzucht“ der Ehefrau (vgl. V.6b.7). Hos 2,4–15 übernimmt damit ein theologisches Interpretament, das sowohl im Buchkern (Hos 5,3f; 6,10b) als auch in den rahmenden Kapiteln Hos 9,1 und Hos 4,11–14 dazu dient, die Schuld für das geschichtliche Ergehen Israels im Land und im Landeskult zu verorten (vgl. Hos 2,4 mit 4,13). Indem Hos 2,7b.9b die politische Geh-Konzeption aus dem Buchkern Hos 5–7 als Inbegriff der Unzucht aufnimmt (vgl. Hos 5,11: Aram52; 5,13: Assyrien; 7,11: Assyrien), werden die Lesenden mit der kompositionsprägenden Geschichtsdeutung der Tradenten bereits im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 vertraut gemacht, die dabei sowohl die Politik als auch den Kult Israels für das geschichtliche Ergehen des Nordreichs verantwortlich machen. Der Streit resultiert dabei nicht in der vom Ehemann erstrebten Rückkehr (ׁשוב, vgl. V.9) der Ehefrau, da diese bis zuletzt nicht erkannt hat (והיא לא ידעה, vgl. V.10), dass er ihr wahrer Versorger ist. Dieses ausbleibende Erkennen bzw. Anerkennen des Ehemannes als 52
Vgl. Jeremias, Hosea, 82.
Fazit
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des wahren Gebers der ehelichen Versorgung durch die Ehefrau in V.10 bildet im Rahmen der Narration das zentrale theologische Scharnierstück, an dem sich das Ergehen der Ehefrau entscheidet. Denn indem die Tradenten das Erkennen als eine durch den Ehemann ermöglichte Option präsentieren (vgl. Hos 2,8f), beschreibt V.10 nicht eine Unfähigkeit, sondern eine Unwilligkeit der Ehefrau, den Ehemann als ihren Versorger anzuerkennen und bringt auf diese Weise die Position der Tradenten zum Ausdruck, die Israels geschichtliches Ergehen auf eine willentliche Abwendung Israels vom eigenen Landes- und Staatsgott zurückführen (vgl. Hos 5,11.13; 7,11; 8,9; 4,6). Die Schilderung der ausbleibenden Rückkehr der Ehefrau zu ihrem Ehemann in Hos 2,9 stellt dabei eine narrative Neuinterpretation der Selbstaufforderung aus Hos 6,1 dar und gibt den Lesenden auch für das „Bußlied“ Hos 6,1–3 eine Leseperspektive vor. Indem der Ehemann schließlich derjenige ist, der der Ehefrau alle vormals den Liebhabern zugeschriebenen Gaben nimmt (V.11: )לקח, erweist er sich nicht nur gegenüber der Ehefrau als der wahre Geber der ehelichen Versorgungsgaben, sondern zugleich als den Liebhabern überlegen (V.12b). Diese Argumentation ist ein literarisches Echo von Hos 5,14 und bereitet den dort geäußerten Machtanspruch JHWHs über Israel gegenüber dritten Größen narrativ vor. Hos 2,7b.10a.11 verwendet zum Ausdruck dieser überlegenen Macht JHWHs die in der Komposition Hos 4–9 nicht vorbereitete Reziprozität zwischen „geben“ (V.7b.10a) und „nehmen“ (V.11). Hos 2,10f teilt dabei die Logik von Hos 6,1, verkehrt sie jedoch zugleich in ihr negatives Pendant: Wie derjenige, der die Wunden zugefügt hat, sie heilen kann (vgl. Hos 6,1), so kann auch derjenige, der die Gaben gegeben hat, sie wieder nehmen (vgl. Hos 2,10a.11a) und erweist darin seinen Machtanspruch (vgl. Hos 5,14; 2,12b). Der Streit resultiert schließlich im reziproken Vollzug der Abwendung (ׁשוב, vgl. V.11) des Ehemannes von seiner Ehefrau mitsamt seiner Ehegaben (vgl. V.11ff) sowie in der Konfrontation (V.15: )פקדder Ehefrau mit ihrem Verhalten („ ;ואתי ׁשכחהaber mich hat sie vergessen“). Wie in der Übernahme des Streit-Settings aus der Kompositionseinleitung Hos 4,1–19 in der neuen Kompositionseinleitung Hos 2,4–15, übernimmt Hos 2,15 als Abschluss der Narration die Konfrontationsankündigung, die bereits in Hos 8,13 und dann in Hos 9,9 den Abschluss des wachsenden Hoseabuches bildete und in Hos 4,6 kultisch verortet und mit der Erkenntnisthematik verbunden wurde. Sie beschließt nun auch die Narration von Hos 2,4–15 mit demselben Bedeutungsgehalt: Die Ehefrau, die in Hos 2,15 durchlässig für die Deutung als Staat Israel wird und die ihren Ehemann nicht als Geber ihrer Gaben erkannt
400
Fazit
( והיא לא ידעהvgl. V.10), sondern sich stattdessen im Kult anderen Größen zugewandt (vgl. V.15) und JHWH vergessen hat (ואתי ׁשכחה, vgl. V.15), wird schließlich von diesem mit den „Tagen der Baale“ konfrontiert, die ihre Abwendung von JHWH repräsentieren. Hos 2,4–15 hat sich als narrative Miniatur der Botschaft von Hos 4–9 erwiesen. Sie basiert auf den kompositionsleitenden Reziprozitätskonzeptionen aus Hos 4–9, insbesondere jedoch auf den Reziprozitätskonzeptionen aus dem Buchkern Hos 5–7 und fungiert dabei als neue Kompositionseinleitung, in deren Rahmen die Lesenden bereits mit den relevanten Reziprozitätsvorgängen der nachfolgenden Komposition vertraut gemacht werden, die das geschichtliche Ergehen Israels aus der Perspektive der HoseaTradenten wiederspiegeln. Sie präsentieren dieses Ergehen als Folge der Abwendung Israels vom eigenen Landes- und Staatsgott im Land, das in der Hinwendung zu dritten Größen in Politik und Kult Gestalt gewinnt. Die narrative Miniatur von Hos 4–9 bildet dabei die Trennung zwischen JHWH und Israel aufgrund dieser Untreue ab. Erst in den späten Heilsvisionen wird diese vormals endgültige Trennung (vgl. Hos 5,14) überwunden und dabei als ein Akt von freigeschenkter Zuwendung JHWHs zu seinem Volk dargestellt (vgl. Hos 14,2–10). Hos 14,2–10 Die buchabschließende Heilsvision von Hos 14,2–10 kündigt die durch den Landes- und Staatsgott JHWH ermöglichte Wiederherstellung der Gemeinschaft mit seinem Volk Israel an und bildet dabei mit der Fortschreibung Hos 2,16–25, die die Wiederherstellung der Ehe aus Hos 2,4–15 ankündigt, einen heilvollen Rahmen um das Gesamtbuch.53 Durch die Aufnahme und aktualisierende Neuinterpretation zentraler Kompositionslinien aus dem bestehenden Hoseabuch zeigt sich, dass die Tradenten Hos 14,2–10 eng mit dem bestehenden Buch verbunden haben: Die für das Hoseabuch zentrale und mit ׁשובformulierte Kompositionslinie der Wendethematik (vgl. Hos 2,9; 3,5; 5,4; 6,1; 7,10; 11,5.7; 12,7) begegnet in Hos 14,2–10 als Leitlexem (vgl. Hos 14,2.3.5a[]מׁשובה.b.8), das mit unterschiedlichem Sinngehalt verwendet wird. Während es in V.2 zur Formulierung einer emphatisch-imperativischen Umkehraufforderung dient, die Israel dazu einlädt, die Liebe JHWHs (vgl. V.5) reziprok zu erwidern, 53
Die Wiederherstellung von Kommunikation als Reziprozitätsgeschehen wird dabei in beiden Kompositionsabschnitten als zentrales Merkmal der wiederhergestellten Beziehung präsentiert (vgl. die Verwendung von אמרin Hos 2,9b und 14,3 sowie von ענהin Hos 2,17.23f; 14,9).
Fazit
401
beschreibt es in V.5b die Abwendung ( )ׁשובdes Zorns JHWHs von Israel, welche das theologische Fundament der Heilsvision bildet. So ermöglicht erst die Heilung der Abwendung ( )מׁשובהIsraels durch JHWH (V.5a) infolge des freigeschenkten Abwendens ( )ׁשובdes Zorns (V.5b) schließlich Israel die Umkehr ( )ׁשובzu JHWH (vgl. V.2) und die Rückkehr ( )ׁשובin das Land JHWHs (V.8a). Sie bildet das theologische Gegenstück zu der Ankündigung der Wiederherstellung der Ehe, welche Hos 2,16–25 visualisiert und repräsentiert das Eintreten der bis dahin zwar erhofften, aber nicht stattgefundenen Umkehr Israels zu JHWH (vgl. Hos 5,4; 7,10b; 2,9). An die Stelle des Entzugs aller Versorgung durch den eigenen Landes- und Staatsgott (vgl. Hos 9,1f; 2,5.11–14) und der Vertreibung aus seinem Haus (vgl. Hos 9,2.15) tritt in Hos 14,2–10 die Vision der durch JHWHs Zuwendung ermöglichten Wiederherstellung der Beziehung, die in der Wiederaufnahme der Versorgungsverantwortung für Israel (Hos 2,6–9) und der Rückkehr Israels in das Land JHWHs (V.8) ihren Ausdruck findet. Dabei greifen die Tradenten die Tauthematik aus Hos 6,4 (vgl. Hos 13,3) auf. Während die Tauthematik in Hos 6,4 die mangelnde Beständigkeit der Solidarität Israels gegenüber JHWH ausdrückt, wird sie in Hos 14,6 zu einer heilvollen Zuwendungsaussage JHWHs zu Israel transformiert, dessen Zuwendung zu Israel „wie Tau“ ( )כטלdie Grundlage für Israels erneutes Gedeihen im Land bildet. Die von JHWH als Wetter- bzw. Landesgott Israels gewährte Fruchtbarkeit Israels im Land (vgl. V.6–9) visualisiert dabei die erneute Übernahme der Versorgungsverantwortung durch JHWH, deren Entzug in der Narration von Hos 2,4–15 durch Vergleiche mit Orten von Trockenheit ausgedrückt wurde (vgl. Hos 2,5). Vergleiche mit den Pflanzen, deren Früchte der Ehefrau im Rahmen der Narration von Hos 2,4–15 als Ehe- bzw. Landesgaben vom Ehemann entzogen wurden, versinnbildlichen dabei in Hos 14,6–9 das erneute Gedeihen Israels im Land. Eine weitere Kompositionslinie, die in der Heilsvision Hos 14,2–10 fortgeführt wird und ihren Abschluss findet, ist die mit רפא ausgedrückte Heilungsthematik, die einen kompositionsverbindenden Leitgedanken des Buchkerns Hos 5–7 darstellt (vgl. Hos 5,13; 6,1; 7,1). Hos 14,5 verwendet das in Hos 11,7 zum ersten Mal verwendete Abstraktum „( מׁשובהAbwendung“) zur Beschreibung der „Erkrankung“ Israels, welches bereits die in Hos 7,1 vollzogene Theologisierung der „Krankheit“ Israels voraussetzt, die nun nicht mehr die negative Zuwendung JHWHs zu Israel versinnbildlicht (vgl. Hos 5,13), deren Folgen nur dieser „heilen“ kann (vgl. Hos 6,1), sondern jetzt die Schuld und Bosheit Israels benennt, die in Hos 14,5
402
Fazit
unter dem Begriff der מׁשובהgefasst und deren Heilung durch JHWH angekündigt wird. Während Hos 11,7 dabei einen „Herzensumsturz“54 in JHWH beschreibt, steigert Hos 14,5 diese Vorstellung zu einer durch JHWHs heilende Zuwendung ermöglichten „Herzenstransformation“ Israels aus Liebe. JHWH ermöglicht seinem Volk dadurch die Partizipation an seiner Liebe, die in der Reaktion der Umkehr ihren ersten Ausdruck finden soll (vgl. V.2f). Dem Israel, das nach Darstellung der Tradenten Hilfe (vgl. Hos 5,12f; 7,11; 8,9) und Versorgung (Hos 2,7b) bei anderen kultischen und politischen Größen als beim eigenen Landes- und Staatsgott suchte, aber dafür JHWH selbst im Kult nicht mehr fand (vgl. Hos 5,6: )לא מצאund von diesem die Wege zu diesen „Liebhabern“ versperrt bekam, damit es sie nicht mehr finden kann (vgl. Hos 2,8f: )לא מצאund sich daher zu ihm zurückwendet (vgl. ׁשובin Hos 2,9), wird am Ende des Hoseabuches in der Gottesrede Hos 14,5–9 angekündigt, dass es seine „Frucht“, d. h. alles Lebensnotwendige, bei JHWH selbst finden wird. Im Rahmen des weisheitlich geprägten Nachtrags V.10 werden die Lesenden zur Reflexion dieser Botschaft aufgefordert. Der Vers greift dabei in der ersten Vershälfte die weisheitliche Terminologie aus dem bestehenden Buch auf (vgl. „ ;חכםweise“, Hos 13,13; ;בין „verstehen“, Hos 4,14) und führt die mit ידעausgedrückte kompositionsleitende Erkenntnisthematik (vgl. Hos 2,10.22; 5,3f.9; 6,3; 7,9[2-mal]; 8,2.4; 9,7; 11,3) zu einem weisheitlichen Abschluss. Die Gotteserkenntnis, die Israel nach der Darstellung der Tradenten vermissen lässt (vgl. Hos 5,3f; 6,3; 8,2f; 2,10) bzw. bewusst verworfen hat (vgl. Hos 4,6), wird am Buchschluss als eine Erkenntnis präsentiert, die durch die Lektüre des Hoseabuches erlangt bzw. erstrebt werden kann. Die Doppelfrage in Hos 14,10a fungiert dabei – als Abschluss der Schilderungen des geschichtlichen Ergehens Israels als einer reziproken Folge der fehlenden Gotteserkenntnis im Hoseabuch – als mahnende Einladung, nach Gotteserkenntnis zu streben und in der von JHWH ermöglichten (vgl. Hos 14,5) Beziehung mit JHWH zu leben. Die weisheitliche Erschließung dieser Botschaft präsentiert sich von Hos 14,10a her als der Schlüssel zur Partizipation an der Liebesgemeinschaft mit JHWH, die von dauerhaftem Bestand ist (vgl. Hos 2,21; 14,5). V.10b formuliert ein weisheitliches Resümee, in dem die mit הלך ausgedrückte Kompositionslinie der Gehthematik ihren Abschluss findet, die im bestehenden Buch ein Abwendungsgeschehen Israels von JHWH (vgl. Hos 2,7.15; 5,11.13; 7,11) bzw. ein erfolglos 54
Vgl. Jeremias, Hosea, 145.
Fazit
403
verlaufendes Zuwendungsgeschehen Israels zu JHWH im Kult (vgl. Hos 2,9; 5,6; 6,1) beschreibt. Indem V.10b zwischen Gerechten ( )צדקיםund Rebellierenden ( )פׁשעיםunterscheidet und es zum Merkmal der Gerechten erklärt, auf den geraden Wegen JHWHs zu gehen ()הלך, erscheinen diese als diejenigen, welche reziprok auf die in V.5 geschilderte heilende Zuwendung JHWHs aus Liebe reagieren, während die Rebellierenden auf denselben Wegen zu Fall kommen ()כׁשל55. V.10b relativiert einerseits die umfassende Heilsbotschaft eines geheilten Israels als einer „Neuschöpfung Gottes“56 aus V.5.57 Hos 14,2–10 präsentiert sich als ein Text, der durch die Aufnahme zentraler Reziprozitätsvorstellungen aus dem bestehenden Hoseabuch die Botschaft der Untreue Israels und der Treue JHWHs im Guten wie im Schlechten als Kern der hoseanischen Verkündigung aufnimmt und zu einer buchabschließenden Heilsbotschaft der Wiederherstellung der Beziehung transformiert. Mit der in V.2 formulierten Einladung (vgl. den emphatischen Imperativ in V.2) zur Annahme der in Hos 14,5 formulierten Liebeserklärung JHWHs in der Umkehr zu ihm geht keine andere Reziprozitätsforderung mehr einher, als diese Liebe anzunehmen und ein Leben auf den geraden Wegen JHWHs zu führen. Eine Existenz in „gegenseitiger Liebe“ ist die Vision für die zukünftige Beziehung von Israel und JHWH, mit der die Lesenden ihre Lektüre des Hoseabuches beginnen (Hos 2,16ff) und beschließen (Hos 14,2–10). Sie erweist sich am Ende der Genese des Hoseabuches als die buchumfassende und letzte Form der hoseanischen Theologie der Treue.
55
Vgl. Hos 4,5; 5,5; 14,2; unter Aufnahme „hoseanischer“ Terminologie wird in V.10b dem weisheitlichen Konzept des „Scheiterns auf dem Wege“ (Barth, Art.368, )כׁשלAusdruck verliehen. 56 Jeremias, Hosea, 172. 57 Vgl. Vielhauer, Werden, 203.
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Ägypten
Amos Anklage
38, 46, 48, 74, 85, 91, 111–113, 153, 158, 167, 198, 208, 282, 290, 307, 309, 321, 336, 338f, 344f, 347, 349, 383 24f, 34, 51, 79–82, 91, 93, 111, 117, 121, 126, 144, 147f, 152f, 159, 162–170, 181, 200, 227f, 230, 232, 236, 240–244, 249–253, 265, 269, 338, 351, 384, 393– 397 1, 14, 125, 217 35, 67, 83, 122, 127, 149, 175, 183–185, 189, 190, 192, 225, 235–238, 260, 278f, 281, 322, 383, 390
Arzt
39, 45, 94, 99f, 106, 339, 344, 352, 372
Baal
24, 42, 85, 109, 113, 138, 143, 165, 200, 211, 217, 228, 241, 273f, 284, 295, 299f, 310, 319, 325, 335, 340, 359, 364, 377, 387, 400 30, 75, 105, 150, 162, 167, 170, 242, 249, 270, 294, 349, 396 31, 78, 99, 400
Bündnisbemühung
Bußlied Deuteronomistisch
117, 124, 134, 169, 255, 261, 276f, 301, 333–336, 388
Ehebrechen
23, 173, 178, 211–213, 224, 324 29, 48f, 68, 119, 280 27f, 30, 35, 38, 47, 52,
Einzelsprüche Erkenntnisthematik
446
Exil
Exodus
Fortschreibung
Fruchtbarkeit
Sachregister
66, 108f, 133, 166– 168, 189, 205, 226f, 253f, 311, 314, 369, 378, 381, 387, 391, 396, 400, 402 31, 33, 43, 117–119, 167, 224, 232, 237, 240f, 244– 251, 265, 299, 320, 331f, 345f, 354, 358, 366, 396 94, 119, 144, 149, 159, 163, 166– 170, 200, 229, 241– 243, 248, 267, 389– 395 15, 26, 29, 43, 54, 87, 109f, 118, 151, 190, 206, 233, 304, 322f, 347, 352, 383, 385, 396f, 400 28, 39, 139, 211–215, 225, 228, 232, 239, 298, 313, 363, 394
Gegenseitigkeit Gemeinschaftstreue
Gerichtsankündigung Geschichtshermeneutik Heilsvision
Heilungsthematik Interaktion
Intervention
2, 8, 10, 12, 186, 188f, 202 30, 41– 46, 60– 65, 79, 84, 150f, 178, 194, 240, 320, 389 64, 88, 101, 112, 154, 386 158, 162, 170, 389 84, 93f, 334, 339, 348, 354, 372–374, 403, 384, 400f 29, 34, 100, 401 4, 7, 9, 11–15, 103, 113f, 155, 182, 184–191, 199, 202, 266, 269, 286, 261, 380, 390, 394, 396f 11, 32, 41–45, 58, 71, 82, 103, 155, 279, 281, 296, 302, 310
447
Sachregister
Jerusalem
15, 70, 97, 218
Kompositionsstruktur
25, 77, 117, 177, 232, 275, 329 10, 13, 257, 321 249, 310, 317f, 324, 357
Konnektive Gerechtigkeit Kulturgüter
Leseanleitung
Loyalität
4, 52, 182, 193, 226, 254, 272, 282, 287f, 318, 321f, 331, 391 125, 145, 152
Maʼat
9–11, 162
Naturvorgänge
31f, 40, 42, 79
Opferkult
68, 80, 88, 169, 196, 341
Perspektiverweiterung Prophetenrede
63, 219, 255 27f, 138, 149, 169, 183f, 231, 261, 267, 272, 389 55f, 211– 216, 238
Prostitution Rechenschaft
233, 285, 309f, 318,
Redaktionskritik
Reziprozitätsvorstellung
320–323, 368 4, 6, 13f, 26, 52, 135, 154, 277, 289, 295 13–15, 25, 35, 77, 95, 113, 121, 167, 230, 234, 266f, 374, 376, 378, 394, 400, 402
Sammlung
25, 231, 248–253, 280 Scharnierstück 67, 84, 150, 311, 313, 325, 383, 399 Scheidungsformel 274, 281– 283 Schriftprophetie 1, 7, 112 Schuldaufweis 65, 220, 255f, 264, 276, 296, 334, 338 Stichwort29, 33, aufnahmen 92, 97, 118, 191, 226, 328f, 333, 356, 360, 364 Strafankündigung 197, 203, 287, 297 Transformation Tun–Ergehen–
316–318, 341, 398, 402 11, 103,
448
Sachregister
Zusammenhang
156, 203
Überprüfung
162, 201, 230–235, 257, 264– 266, 270, 367, 397 164, 330, 336, 347, 401 1, 7, 10
Umkehraufforderung
Unbedingte Gerichtsprophetie Unzuchtsthematik 27f, 53, 59, 85, 99, 164, 224, 226, 239, 288f, 292, 382, 391, 394 Volksklagelied
30f, 98
Weisheit
35, 55, 58, 61, 71, 86, 101, 133, 140, 142, 202, 330– 335, 367– 377, 393, 402f 84, 98, 101–106, 248, 349– 352, 366, 377, 383, 385
Wiederherstellungshoffnung
Zorn
19, 24, 70–72, 114, 130f, 160, 327, 338–344, 347, 350–
Züchtigung Zurechtweisung Zurückwendung
353, 365, 375, 401 17, 27, 35, 39f, 82, 99f 18, 37, 70f, 82f, 191 9, 161, 228, 258, 270, 392, 398
Stellenregister (Auswahl) Gen 18,12 19,23 21,3 24,12 24,49 25,22 27,37 41,21
56 40 218 51 185 56 42 56
Ex 3,15.18 6,7 10,7 20,13–15 22,24 34,6
51 51 51 186 72 185f
Num 5,14 7,71 19,14 20,3 27,21 35,33
209 220 245 190 208 187
Dtn 6,11 8,10 12,2 14,29 30,1–3 31,20
197 197 210 210 336 210
1Sam 2,15 10,2 11,14
210 42 218
2Sam 4,9 22,31
70 222
1Kön 3,3 10,17
211 222
Jes 2,3.5 18,3 19,8 30,30 31,3 37,3 44,28 47,3 51,5 65,7
31 123 187 357 58 70 96 305 44 211
Jer 4,25 9 9,9
51 366 51
Hos 1 2,4–25 2,4–15
2,4b–7a 2,7.9.15 2,9.11 2,10a 2,14
15 3 4, 15, 52, 88, 108, 121, 181, 232, 234, 242, 246, 267, 271ff 283, 292 293 300 311–315, 399 21, 80, 127,
450
2,15 3 4–9 4,1–3 4,4 4,8–10 4,9
4,10–19 5,4–5 5,3–7 5,8–14 5,12–14
5,15–6,1 6,1–6 6,6
Stellenregister
306, 314– 318, 324 399f 15 1f, 4, 14–16, 52f, 153, 266ff 177 181, 189, 192 194, 226f 6, 184, 199– 204, 227f, 244, 255– 258, 264, 310 204, 206 4, 33, 53– 57, 84 8, 35 16, 29, 31, 46, 52, 57, 68, 76 6, 29, 34, 39, 66, 70, 74, 77–80, 83, 87, 93– 95, 97–99, 105, 110, 150, 154, 189, 193, 226, 255, 269, 294, 303, 331, 348f, 382, 385, 391 39, 53, 93, 107, 303, 380f 29f, 35, 38– 44 32, 42, 46, 58, 77, 84, 87, 107–111
6,10
6,7–7,12 7,1
7,3–7
7,8–12 8,1–14 8,1–3 8,7–10 8,9
8,13
9,1–9 9,3 9,3–5 9,6 9,7–9
32, 52–54, 58, 62f, 65f, 85, 104, 204, 267, 382 25, 32–35, 53, 153, 205, 403 34, 38, 59, 62–65, 94, 99–106, 154, 157– 159 25, 33f, 58, 104, 128, 134f, 159, 168, 387f 33, 47, 67, 80–94 114ff 117, 121, 145 52, 139 115, 120, 145, 149, 151f, 163, 170, 241– 243, 249, 391 111, 120, 152–170, 179, 196, 201–204, 228, 267, 321 172, 181 34, 52, 92, 111, 240– 250, 266 250, 269 210, 250, 252f, 269, 396 233, 255,
451
Stellenregister
9,9
11,3b 13,9 13,1–14,1 14,1 14,2 14,10
262, 265 153f, 202, 229, 235, 261, 265, 275, 300, 320f, 399 332, 343, 402 8, 127 330 334–339 328–379, 400–403 143, 154, 330–335, 340, 366– 373, 377f, 403
Am 2,4 3,14 4,1 4,4 4,6ff 5,5 7,17 8,14
209 218 19 217 33 217 269, 396 217
Zef 3,19
248
Sach 3,10 10,1 10,3
315 208 357
Mal 2,8
58