Zur zugewandten Säkularität – Beiträge auf dem Weg dahin: Ausgewählte Schriften. Hrsg. von Liv Jaeckel / Markus Kotzur / Ralph Zimmermann [1 ed.] 9783428542178, 9783428142170

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German Pages 309 Year 2014

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Zur zugewandten Säkularität – Beiträge auf dem Weg dahin: Ausgewählte Schriften. Hrsg. von Liv Jaeckel / Markus Kotzur / Ralph Zimmermann [1 ed.]
 9783428542178, 9783428142170

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1254

HELMUT GOERLICH

Zur zugewandten Säkularität – Beiträge auf dem Weg dahin Ausgewählte Schriften Herausgegeben von Liv Jaeckel, Markus Kotzur, Ralph Zimmermann

Duncker & Humblot · Berlin

HELMUT GOERLICH

Zur zugewandten Säkularität – Beiträge auf dem Weg dahin

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1254

HELMUT GOERLICH

Zur zugewandten Säkularität – Beiträge auf dem Weg dahin Ausgewählte Schriften

Herausgegeben von Liv Jaeckel, Markus Kotzur, Ralph Zimmermann

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14217-0 (Print) ISBN 978-3-428-54217-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84217-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Wer, wie der Jubilar Helmut Goerlich, geneigter Leser und regelmäßiger Autor des „Jahrbuchs des öffentlichen Rechts“ ist – zwei Jahrbuch-Beiträge finden sich auch im Folgenden –, kennt die von Peter Häberle geprägte Kategorie der „Staatsrechtslehre in Selbstdarstellungen“. Diese Kategorie war für die Herausgeber des hier vorzustellenden, programmatisch um das große wissenschaftliche „Lebensthema“ des Jubilars kreisenden Sammelbandes Inspiration. Das festlich gestimmte Vorwort sollte nämlich zweierlei leisten: den zu Ehrenden würdigen und die Auswahl der Schriften erklären. Doch wie einen Wissenschaftler würdigen, der der – zweifellos verdienten – überschwänglichen Laudatio allenfalls mit der für ihn typischen, feinsinnig-bescheidenen Ironie begegnen würde? Warum in sachlicher Nüchternheit biographische Skizzen nachzeichnen, denen der, um dessen wissenschaftlichen Werdegang es sich handelt, viel interessantere Zwischentöne beimischen könnte? Wir haben daher Helmut Goerlich darum gebeten, im Sinne einer kleinen „Selbstdarstellung“ in Vorwortform dem Leser aus erster Hand jene Einblicke zu vermitteln, die wir nur aus zweiter Hand nachreichen könnten. Der Leser darf dabei einem Gelehrten und Lehrer begegnen, den das Spannungsfeld von Religion und Säkularität immer umgetrieben, der Verfassungsrecht immer aus der Tiefe der Verfassungsgeschichte und im Kontext der Verfassungspolitik begriffen und der kulturell neugierig wissenschaftliche Freundschaften bis hin nach Indien oder in die Türkei aufgebaut hat. Seine Schriften scheuen weder das kritisch-klare Wort zur Rechtspraxis noch die fordernde Theoriehöhe der Rechts- und Verfassungslehre. Sie bohren tief, denken weiter und bringen Komplexes auf prägende Begriffe. Das ist Helmut Goerlich zuletzt mit der „zugewandten Säkularität“ gelungen. Uns, den Herausgebern, bleibt nur, alle Leserinnen und Leser zu inspirierenden Erkundungsgängen in Sachen „zugewandter Säkularität“ (und mehr) einzuladen, dem Jubilar aber dankbar unsere herzlichen Glückwünsche auszusprechen. Ad multos annos! Liv Jaeckel

Markus Kotzur

Ralph Zimmermann

Inhaltsverzeichnis Helmut Goerlich: Zur Einstimmung in den Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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The Role of the Constitutional Court in Resolution of Constitutional Disputes – A Critical Outline Guided by the German Example [2002] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Der Gottesbezug in Verfassungen [2004] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Informationstätigkeit von hoher Hand, eine merkwürdige Kooperation und rechtsstaatliche Verwaltung. Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.12. 2005 – BVerwG 7 C 20.04 – [2006] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

Verfassungsrecht – Verfassungsgeschichte – Verfassungspolitik. Gängige Inszenierungen einer Wissenschaft und ihre Ebenen [2006] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

Menschenrechte und Verfassungen zwischen Aufklärung und Fundamentalismus – Fragen zu ihrer Auslegung [2007] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Soziale Integration als Aufgabe des Rechts – am Beispiel der Rechtsprechung auf dem Weg zu einem Religionsrecht in gleicher öffentlicher Freiheit [2008] . . . . . . . 129 Cultural Diversity and National Constitutional Law [2008/2014] . . . . . . . . . . . . . . . 147 Verfassung, Recht und Staat im Wandel Indiens seit 1947 – ein Modell in der heutigen, globalisierten Welt? [2009] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 „Wir sind das Volk“ [2009] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Religious Equality – The German Perspective and European Experiences [2010]

215

Säkularität – Religiosität – Egalität – in einer nicht nur auf die Grenzen verfasster Rechte fixierten Perspektive [2011] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Laizität und Religionsfreiheit – Zur Verfassungsreform in der Türkei am Beispiel der Religionsfreiheit in der Perspektive ihrer internationalen und europäischen Gewährleistungen [2012] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Die zugewandte Säkularität der Europäischen Union und die religionsrechtliche Vielfalt ihrer Mitgliedstaaten [2013] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

Zur Einstimmung in den Band Von Helmut Goerlich Liv Jaeckel, Markus Kotzur und last not least Ralph Zimmermann haben sich die Mühe gemacht, diesen Band zu ermöglichen. Dies ist ihnen ebenso wie einem weiteren Förderer sehr zu danken. Solche Bände sind am Ende eines akademischen Lebens üblich, sie sind weniger aufwendig als Festschriften und können insbesondere abgelegen publizierte Arbeiten etwas mehr ins Licht stellen. Die vorliegende Auswahl der Schriften dient zunächst natürlich dem Nachweis steter Pflichterfüllung eines Beamten des Freistaats Sachsen, der dem Land seit 1991 zunächst als Lehrbeauftragter und dann als Hochschullehrer siebzehn Jahre im aktiven Dienst gedient hat und danach auch weiterhin dann und wann beansprucht wurde. Zugleich folgt die Auswahl formalen Kriterien, so wurden etwa Beiträge in Koautorenschaft nicht aufgenommen. Auch ist ein gewisses Gewicht gelegt auf jüngere Beiträge, die zeigen, womit sich der Autor in den letzten Jahren und bis heute beschäftigt. All das führte auch dazu, nicht die Bandbreite der Themen zu spiegeln, die darüber hinaus Gegenstand der Arbeit waren. Dafür ist dann ein Blick in die Liste der Veröffentlichungen am Ende des Bandes nötig. Das gilt auch für einige kleinere Beiträge, etwa die veröffentlichten Nachrufe, namentlich für Wolfgang Martens, Henning Zwirner und Konrad Hesse, aber auch Hans Georg Rupp, denen ich mich seit meinem Studium oder seit späteren Jahren akademisch verpflichtet weiß oder im letzten Falle auch nachbarschaftlich verbunden fühlte – und das führt auch ein wenig in den Hintergrund meines akademischen Lebens: Die Frage, was mich dann als Autor schließlich den Weg in die Wissenschaft hat nehmen lassen, kann man aus alledem nicht beantworten. Wissenschaft war mir nicht in die Wiege gelegt, obwohl es Freundschaften mit Wissenschaftlern in der Familie und auch entfernte Verwandte in der Wissenschaft gab. Hervorzuheben ist vielleicht sogar eher, dass es früh sehr deutliche und kundige Warnungen gab: vor der Irrationalität der Personalpolitik in der Wissenschaft, dem Ehrgeiz und besonders der dort anzutreffenden Eitelkeit bis hin zur durch diese geschürten oder sogar strategisch angelegten Intrige1 und nicht zuletzt auch vor der politischen Anfälligkeit gerade auch 1

Einer, der es wissen muss, war er doch einer der erfolgreichsten Strategen der deutschen Universitätsgeschichte, sprach von dem „professoralen Zug zur Intrigue“, so J. Radkau, Max Weber – Die Leidenschaft des Denkens, München 2005, S. 631 mit Bezug auf und diesem Zitat von H. Schelsky, Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen, Reinbek 1963, S. 117; die Bezugnahme auf diesen Zug Schelskys ist nicht

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des Nachwuchses. Sicher hat aber die Nachkriegszeit das Interesse an der Geschichte gefördert und die Tradition eines Teils der mütterlichen Familie zu Theologie und Philosophie geführt, unabhängig von der dort immer wieder präsenten Naturwissenschaft. Getroffen haben sich beide Interessen dann in Fragestellungen des Kalten Krieges, der modernen Waffen zunächst vor allem der größeren Mächte und der persönlichen Gewissensentscheidung. Das politische Interesse führte neben Geschichte und Philosophie auch zum Jurastudium, das ich eher als Brotstudium betrieb, nachdem ich mich gegen Medizin, das dominante Fach der beruflichen Praxis der väterlichen Familie, und mein besonderes Interesse an Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie entschieden hatte. Allerdings fiel ich etwa dem Assistenten Wolfgang Martens als Leiter einer Arbeitsgemeinschaft auf, was aber nur daran lag, dass ich für meine Fragen das nutzte, was ich vor allem methodisch in Philosophie und Geschichte gelernt hatte. Diese Fächer ergaben sozusagen als Grundlagenfächer dann die eigene Wahl des Themas der juristischen Dissertation mit seinem Bezug zu Wertphilosophien und auch – neben Fachgesprächen mit wenig älteren Kollegen – das Thema der Habilitationsschrift, das in der historischen Verfahrensorientierung angelsächsischen Rechts mit wurzelt. Geplant war aber die wissenschaftliche Karriere keineswegs, sondern nur der frühe Abschluss der Ausbildung, einschließlich des Doktorgrades. Deshalb fiel die Doktorarbeit – ich dachte, sie werde gerade so reichen – sehr knapp aus und es blieb im Rahmen der Dissertation vor dem Assessor Zeit für einen längeren Auslandsaufenthalt in Cambridge, England (1971) – und das nur dank des Umstandes, dass sich niemand anderes fand, das Austauschstipendium des Europa-Kollegs in Hamburg, dem ich angehörte, mit dem damaligen University College, Cambridge, wahrzunehmen. Der Frieden im Garten, ein Zimmer mit Terrasse und die Gelassenheit des Lebens am College ermöglichten, eine Schneise durch die Welt der Werte zu schlagen, um mit der Dissertation in überschaubarer Zeit zu Ende zu kommen. Die Politik erreichte diese Retraite nicht, obwohl damals der nach dem Attentat gesundheitlich schwer angeschlagene Rudi Dutschke in Cambridge vor seiner Ausweisung stand und die Studierenden fast aller Colleges eine Delegation in die Lobby des Parlaments in Westminster sandten, um diesen Schritt anzuhalten oder wenigstens zu verzögern. Während des Studiums war ich – ein weiteres Nebengleis auf dem schmal angelegten Studienplan – unabhängiges Mitglied des Studentenparlaments und als Parteiloser politischer Referent im letzten „vorrevolutionären“ ASTA in Hamburg (1966/ 67), also vor Detlev Albers und Gert-Hinnerk Behlmer und dem „Muff von Tausend Jahren“.2 Das Amt im ASTA veranlasste nicht nur deutliche Abgrenzungen zu einem aufkommenden Linksfundamentalismus; es führte dank persönlicher Kontakte zur Presse am Ort auch dazu, dass man mit Referenten aus Osteuropa zu tun hatte, abwegig, hatte jemand aus der Familie doch Anfang der dreißiger Jahre jenen Zug dieser Persönlichkeit in Leipzig erlebt und mir davon berichtet. 2 Zu ihnen damals und später H. P. Bull, Widerspruch zum Mainstream, Ein Rechtsprofessor in der Politik, Berlin 2012, S. 52.

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denen der ASTA mit einer Einladung als offizielle deutsche Stelle zu einem Visum verhelfen konnte. Auch gab es andere Kontakte offiziöser Art in die DDR zur FDJ insbesondere in Rostock und zum tschechischen Jugendverband in Prag, die die Lage in diesen Ländern nur zu deutlich machte, wobei dazu auch Gespräche mit Mitgliedern der jungen Gemeinde wesentlich beitrugen. Die allfällige Unzufriedenheit mit der juristischen Ausbildung schlug sich während der ersten Abschnitte der Referendarzeit in Stuttgart in einer regen Aktivität als Vorsitzender des Südwestdeutschen Referendarverbandes e.V. nieder (1969/71). In dieser Zeit wurden die Bezüge der Referendare deutlich erhöht und es kam zur Einführung der Experimentierklausel im Richtergesetz, die die einphasige Juristenausbildung ermöglichte. Das Dissertationsvorhaben in Hamburg führte dann allerdings in den Norden zurück. Das Ergebnis der Promotion (Sommer 1972) und eine auf Wolfgang Martens zurückgehende Empfehlung erbrachten dann fast gleichzeitig zwei Angebote von akademischen Nachwuchsstellen, was nach Göttingen führte (1972, vor der mündlichen Assessorprüfung). Dort ergaben Kontakte zu Kollegen in der theologischen Fakultät Verbindungen hinein in den Streit um die damalige Hochschulgesetzgebung. Das führte zu einem gewissen Maß an Mitwirkung an der Diskussion um die Auswirkung des ersten Hochschul-Urteils des Bundesverfassungsgerichts3 und zwar auf einer der engagierten Seiten – mit der Folge, dass mir die akademische Karriere beendet erschien (1973/74), obwohl der Rektor – Karl Stackmann – mich mit Sherry freundlich verabschiedete. Ich nahm eine Rochade, die sich bot, in den kirchlichen Bereich: Das führte zur Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. in Heidelberg (1974 – 1978, danach DFG-Stipendium). Und es führte auch zu Tätigkeiten, die ich die ganzen Jahre nicht hervorgehoben habe, die mir aber doch wesentliche Erfahrungen vermittelt haben. In dieser Zeit kam nämlich die Mitgliedschaft im Vorstand der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) dazu; das führte nicht nur zu häufigen Fahrten nach Bonn zum Vorsitzenden, einem Physiker, um die Sitzungen vorzubereiten (1974 – 1976), sondern es brachte auch den Ruf eines schrecklich konservativen jungen Juristen ein, der den noch jüngeren Leuten in der Forschungsstelle der Vereinigung ihre Entfaltung schwer macht. Tatsächlich ging es vor allem darum, die Vereinsfinanzen zu konsolidieren und die Vereinigung sowie die damals führenden prominenten Köpfe dieser Vereinigung nicht für Positionen beansprucht zu sehen, die sie nicht vertraten.4 Sich in die Bresche zu werfen, schien persönlich veranlasst; es gab private Loyalitäten im einen oder anderen Fall.

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BVerfGE 35, 79 ff. mit gemeinsamem Sondervotum von Richterin W. Rupp-von Brünneck und Richter H. Simon. 4 Vgl. dazu H.-J. Bieber, Die VDW zwischen Gründung und Schließung ihrer Forschungsstelle, in: St. Albrecht u. a. (Hrsg.), Wissenschaft – Verantwortung – Frieden: 50 Jahre VDW, Berlin 2009, S. 91 ff. (225 ff., bes. 227 Fn. 648; sowie formal für die Vorstandsmitgliedschaft S. 581 f.).

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In die Zeit in Heidelberg fielen dann auch Kontakte zu Mitarbeitern des Bundesverfassungsgerichts. Wenige von diesen fuhren abends öfters nach Freiburg, um am Seminar von Konrad Hesse teilzunehmen.5 Hesse, den ich in Göttingen einmal zufällig getroffen hatte, nahm diese Gäste gern auf; sie meldeten sich an, auch wenn sie in der Regel jedenfalls zunächst kein Referat übernahmen. Die Teilnahme dort ermutigte mich und führte dann doch zu einer Rückkehr in die Fachwissenschaft und zu einem Habilitationsstipendium; die früheren Kontakte zur Presse in Hamburg trugen nun zum Aufenthalt an der School of Government in Cambridge, Massachusetts bei, an der ein Kennedy Fellowship zum Status eines Angestellten der Harvard-Universität führte (1976/77), der dort allerdings seiner Anstellung wegen keinen akademischen Grad erwerben konnte. Aber es bestätigten sich im Rahmen der Teilnahme an der Vorlesung von Laurence H. Tribe an der Law School Beobachtungen – wie man das in Deutschland nennt – zur Grundrechtsdogmatik6, die die Themenwahl der Habilitationsschrift beeinflusst haben. Nach der Habilitation (1981) folgte nach wenigen Vertretungen ein Jahrzehnt als Verwaltungsrichter, Privatdozent und außerplanmäßiger Professor, dann auf ein Zwischenspiel in Wuppertal (all dies 1981 – 1992) der Ruf nach Leipzig (1992). Die Ausweisung des Lehrstuhls konnte man sich selbst aussuchen und es kam darauf an, unmittelbar menschlich, ohne jeden Anspruch, aufzutreten. Die Leipziger Zeit ergab dann auch wieder eine rege Tätigkeit in wissenschaftlichen Vereinigungen, nun weil die tabula rasa, die man auf dem Felde des freien Verbandswesens vorfand, nur durch persönliche und private Aktivitäten schneller insbesondere das bewirken konnte, was man eine wissenschaftliche Öffentlichkeit nennt. Zugleich sollten diese Vereinigungen die schmal bestückte Juristenfakultät mit ihren nur achtzehn Professuren stützen, was sie guten Teils bis heute tun. Leipzig war dann in meinem Falle in gewisser Weise immer auch ein Erinnerungsstück an die eigene Familie, hatten doch vorige Generationen hier von 1932 bis 1943 gelebt oder zeitweilig in den ersten Jahren des NS-Regimes studiert7; es war nun nach einem halben Jahrhundert schön zu sehen, dass der Niedergang der Anfangsjahre des Dritten Reichs, der Krieg und die Jahre der DDR der Stadt ihre Urbanität doch nie ganz haben nehmen können. Die Tätigkeit in Vereinigungen hatte mich dann allerdings auch für Ämter in der Selbstverwaltung, insbesondere das Dekanat, gut vorbereitet, war ich doch vielen wissenschaftlichen Persönlichkeiten, ihren Eigenheiten und den sachlichen Problemen der Organisation von Wissenschaft und Lehre immer wieder begegnet. In den Leipziger Jahren setzte sich auch die alte Freundschaft (seit 1974 oder 75) mit Mahendra P. 5 Zu diesem Seminar, das oft beschrieben, wenn nicht besungen worden ist, vgl. die Bemerkungen im Nachruf für Konrad Hesse H. Goerlich, SächsVBl. 2005, 223 ff. 6 Dazu sein dann erschienenes Lehrbuch L. H. Tribe, American Constitutional Law (zuerst Mineola, N.Y.,1978), dritte Auflage erster Band, N.Y. 2000. 7 Vgl. dazu H. Goerlich, Einführung in den Abschnitt „Briefe an Hedwig Goerlich, etc., in: Werner Heisenberg 1901 – 1976 Beiträge, Berichte, Briefe. Festschrift zu seinem 100. Geburtstag, hrsg. v. Ch. Kleint, H. Rechenberg u. G. Wiemers, Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Bd. 62, Stuttgart/Leipzig 2005, S. 354 f.

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Singh fort, was schließlich auch zu Tagungen hier und in Indien führte, ebenso wie zu Veröffentlichungen. Ebenfalls in der Leipziger Zeit entstanden aufgrund der freundschaftlichen Verbindung mit Walter Gropp vom Strafrecht, zunächst noch in Leipzig und dann bis heute in Gießen, und mit Bahri Öztürk, damals in Izmir und nun an der Istanbul Kültür Universität in Istanbul, auch die türkischen Beziehungen, die sich in einer seit 16 Jahren wiederkehrenden summer school zur EMRK, vielen Tagungen in Izmir und Istanbul und manchem mehr entfalteten – auch das hat zu Veröffentlichungen geführt. Die letzten Jahre in Leipzig waren auch geprägt von der Zusammenarbeit mit verschiedenen Persönlichkeiten auch jenseits der eigenen Fakultät – eine Zusammenarbeit, die man auch im Blick zurück nicht missen möchte. Demgegenüber traten die amerikanischen Erfahrungen manchmal etwas zurück, lebten aber mit der Teilnahme am Miami-Seminar doch wieder auf und bestehen ebenso fort. Jenseits vieler wissenschaftlicher Begegnungen und Freundschaften blieben allerdings die menschlichen Begegnungen am wichtigsten. Und hier ist vielleicht an zwei davon besonders zu erinnern, nämlich an Maria Wedemeyer in Neuengland, die sich trotz ihrer beruflichen Belastung bei Honeywell des einen oder anderen Kennedy-Fellows und zuletzt auch meiner Person bis nahe an ihren letzten Sommer (1977) besonders annahm, und früher seit der Referendarzeit in Stuttgart an Heilwig Eulenburg in München, bis zu ihrem Tode im Jahre 1975. Sie beide haben dem, was sie traf, in unvergleichlicher Weise standgehalten und die Zufälle des Lebens führten dazu, dass ich sie kennen lernte.

The Role of the Constitutional Court in Resolution of Constitutional Disputes – A Critical Outline Guided by the German Example* [2002]** I. Introduction In constitutional law many aspects cannot be interpreted without regard to the historical background. Not always but sometimes present structures in front of that background appear or develop in different perspectives. 1. Historical background In the European setting normally a Constitution does comprise one society. In Germany after reunification this is not exactly the case. More or less there are now two societies under one legal frame. One main difference is that in the east of the country there did not exist a real middle class anymore. In fact, the open-minded middle class had been taken away three times in recent history: first, after 1848, when the liberal concepts of constitutional law failed to be established and large segments of the liberal middle class emigrated especially to the United States of America. The second time this in a similar way happened after 1933 again when the country was taken over by National Socialism. And finally, the third time this occurred – of course again in a different way – mainly during the time of Stalinism in the east. Since law is deeply linked to culture, with the loss of the culture of the liberal middle class mind the culture of law changed, too. And constitutional law is even more attached to the cultural traditions. Therefore, the achievements of that field of law up to 1848 – like the Constitution as the supreme source of law of the land, judicial review, civil rights and the separation of powers, to name some – lost their influence in the following periods of German constitutional history up to 1949. * This paper was presented at the Conference on Constitutional Interpretation and Constitutional Review to celebrate the tenth Anniversary of the Hong Kong Basic Law at Hong Kong, April 28 – 29, 2000. Coming from a country, which, after its reunification, contains two societies in one system, it was a special occasion to present a paper at such a conference. This extraordinary situation until today is not as outstanding a challenge as the situation in China, where there is to be seen the development of the legal principle of “one country two systems”. ** Zuerst veröffentlicht in: 44 Journal of the Indian Law Institute 3 seqq. (2002).

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The Constitutional Court in Resolution of Constitutional Disputes

In 1949, in Germany, the Basic Law installed a most perfect system of constitutional review. It puts all the binding forms of constitutional interpretation into the hands of the judges and justices of the courts. As compared to the situation in Hong Kong, France and other countries, the German version is closer to concepts of judicial review, which have a footing in the American tradition. This was already the case in 1848 when a national liberal Constitution was drafted, partly because leading scholars of the time, like Robert von Mohl, had published treatises and articles on the new American constitutional law in Germany in German. The Basic Law of 1949 took up this tradition under the specific circumstances of its creation as a preliminary constitution, which now is the national constitution of the country as a whole, after several amendments, preserving its structures as they were in the relevant areas. Even though, in the meantime, the reach of national constitutional law is less dominant since European law with its forms of judicial review has taken over several issues and even areas of constitutional law. The German experience, therefore, should not be viewed as an isolated phenomenon. After World War II, its framing was influenced by deep concerns to guarantee human dignity and human rights as the new substantive order, after the holocaust, similar to recent experiences with Apartheid in South Africa. Then, a concern for the openness of answers of constitutional law to present issues gained influence. And after that, procedural perspectives were intensively discussed to safeguard the basis for such uncertainty of law, for instance. 2. Present structures Germany has a federal structure. In this paper, the author speaks of ‘federal’ or ‘federation’ for the national government and of ‘state’ or ‘states’ for the regional governments. The German Federal Constitutional Court (Court) is without a predecessor in its broad jurisdiction and history in Germany.1 The Court is an institution separate from the five federal supreme courts in civil, criminal, administrative, tax, labour law and 1 For the most recent article on the Court, see Hermes, “Verfassungsgerichtsbarkeit – Organisation und Funktionsbereich”, in: Lanchester/Staff (Ed.), Lo Stato di Diritto Democratico Dopo il Fascismo ed il Nazionalsocialismo – Demokratische Rechtsstaatlichkeit nach dem Ende von Faschismus und Nationalsozialismus, Milano and Baden-Baden 1999, p. 63 seq.; for publications of court decisions in English see Kommers, The Constitutional Jurisprudence of the Federal Republic of Germany, 2nd Ed., Durham and London 1997, and Decisions of the Bundesverfassungsgericht – Federal Constitutional Court – Federal Republic of Germany, Vol. 1; International Law and Law of the European Communities 1952 – 1989, Vol. 2, Karlsruhe and Baden-Baden 1992; Freedom of Speech (Freedom of Opinion and Artistic Expression, Broadcasting Freedom and Communication, Freedom of the Press, Freedom of Assembly) 1958 – 1995, Karlsruhe and Baden-Baden 1998; for the most recent debate see the papers of the 61st Conference of the Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer of 2001, Würzburg forthcoming as the 61st volume of its publications; see a preliminary report by Schwarz, in: 57 Juristenzeitung 84 seq. (2002).

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social security matters. It deals exclusively with questions of constitutional law. It is divided into two chambers. Although the two chambers, called senates, deal with different aspects of the Constitution and decide matters within its jurisdiction independently of each other, in case of difference between the two on any constitutional issue, they can meet in a joint panel. The Court performs several unique and important functions. Firstly, the Court interprets and enforces citizens’ basic and other constitutional rights. Secondly, it resolves disputes between the other branches of the federal government. Thirdly, it has the power to review the constitutionality of legislation, including the review of recent, so to speak, ‘fresh’ legislation; in this respect a comparison with the position of the French Conseil constitutionnel would be of interest. Fourthly, the Court is the protector of the rights of the states in their relation to the federal government. Fifthly, it performs the functions of an arbitrator or mediator in case matters that cannot be settled through political process. Sixthly, the Court has developed aspirations to protect the basic structure of the Constitution from interventions by supranational European law and institutions. Finally, it also reviews the old pre-constitution law, enacted before the Constitution came into force in 1949, if the validity of such law is doubtful and relevant for decision in a pending matter. This aspect of the Court’s function also applies to the pre-unification laws of the German Democratic Republic, which may be found conflicting with the inalienable standards of the Basic Law. The Court has to perform this task even though the period of transition has already expired. This also applies to the statutes created in the process of unification. All these functions of the Court in the resolution of constitutional disputes result in a specific unavoidable and intrinsic mixture of constitutional policies and law in Germany. It is different from any other system of this kind. It proves the enormous meaning of a living constitution in a modern society and a state based on this kind of Constitution. The Court’s interpretation gives life to the Constitution. A living Constitution is what its interpreter says it to be. Its interpretation has a binding force. This is laid down in paragraph 31 of the statute on the Federal Constitutional Court.2 Firstly, this provision says that the branches of the federal government are bound by decisions of the Court. Secondly, the decisions are binding on the parties to the dispute. And thirdly, if the Court holds a statute unconstitutional, the decision of the Court has the same effect as a statute and must be published in the official federal gazette in the same way as a statute. The publication includes only that part of the decision of the Court which holds a particular provision of the statute unconstitutional and not the reasons for such decision. For that and other reasons which are based on the role of the Court in the German legal system, having the authority to lay down law binding only on the parties to the dispute, the reasons given by the Court for its de-

2 See the statute as amended in the shape of the publication of August 11, 1993 – in the Federal Gazette – Bundesgesetzblatt I at 1473; and as amended last time in July 16, 1998 (Bundesgesetzblatt I at 1823).

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cisions are not binding. This, at least, is the dominant and, in the author’s view, the correct understanding of the role of the Court.3 For that reason an interpretation given by the Court does not block future perspectives for a new interpretation unknown at the time of a particular decision. Constitutional adjudication, therefore, remains open to all possible arguments of constitutional interpretation. Under the impact of such arguments, the Court may even give up its position based on an earlier reasoning as well as its decision based on such reasoning.4 This is consistent with the ground rule that the parties of a dispute are bound by the decision and not by the reasoning. Of course, for a full judicial review in constitutional matters, interpretation is one of the necessary instruments. But the Court does not have a monopoly on constitutional interpretation in the exercise of its powers and functions. Free debate and academic research remain, as they were, the basis for the interpretation by the Court. The Court is one of the most alert public bodies to take note of the academic discussions and publications in the performance of its functions. One of the goals of this paper is to clarify and emphasize the difference between the constitutional interpretation by and the decision of the Court. It will cover more details on this aspect, leaving aside minor functions of the Court such as in the area of international law and some other disputes. II. Access to Constitutional Court The exercise of its functions by the Court depends on the access to it. Access in Germany is extremely broad and wide open.5

3 This question arose when the second senate of the Court tried to bind government to its interpretation of the goal of reunification which was in the preamble of the Basic Law up to the unification; see 36 BVerfGE 1 (3) and 40 BVerfGE 88 (93) in another case; and this happened again when the second senate tried to make binding its interpretation of the circumstances under which abortions might be allowed, see, 88 BVerfGE 203 (251 seq.) and on the other hand 98 BVerfGE 265 (296 seq.); also, there is a debate, whether the first senate is obliged to ask for a decision of the joined panel of both senates if it differs from reasoning of the second senate, for instance in the case of 96 BVerfGE 375 (403); and in the same volume, at 409 seq., referring to the question if the birth of an undesired child can be seen as damage in the sense of law; for a decision of the joined panel see 54 BVerfGE 277 (285 seq.). 4 As the Court did from time to time, see recently, 99 BVerfGE 1 (8 seq.); earlier 92 BVerfGE 91 (107 seq.); 70 BVerfGE 242 (249); 33 BVerfGE 199 (204); 39 BVerfGE 169 (181 seq.); 65 BVerfGE 179 (181). 5 The different possibilities of access mentioned in the text are listed in Art. 93 and Art. 100 of the Federal Constitution. The order is changed as to the frequency of the types of cases; some variations are completely omitted because they are of less relevance. For the text of the articles of the Basic Law see the extract in the Appendix I in Singh, German Administrative Law in Common Law Perspective, 1st Ed. Heidelberg et al. 1985, p. 158 seq.; 2nd Ed. 2001; or look at the official translation of The Basic Law of the Federal Republic of Germany, published by the Press and Information Office of the Federal Government, Berlin 1998; or on the internet http://www.uni-wuerzburg.de/law/gm0000.html.

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Access to the Court may be permitted: (1) on complaints by the individuals against the violations of their basic and other constitutional rights; (2) on requests from other courts if such court considers a law whose constitutional validity is relevant to its decision in a pending case6 to be incompatible with the constitution; (3) on reference from the other branches of the federal government in disputes about their rights and duties; (4) on requests by the federal government, a state government or one third of the members of the federal Parliament, in cases of doubt about the constitutionality of a federal or state statute, including the ratification of treaties; (5) on requests by the governments of more than one of the states in case of constitutional disputes about their rights and duties; and (6) on request by the municipalities or local governments in case of invasion of their constitutional guarantees. This listing does not contain all possibilities of access,7 but it shows that the court can be involved in any political conflict if that conflict may somehow result in legislation or questions of law enforceable. Since there are almost no constitutional conventions in the British sense,8 most political questions boil down to legal questions of enforceable law. Therefore, the wide range of possibilities of access implies a wide range of involvement of the Court in the life of the society and its governments on federal and states’ level.9 III. Constitutional disputes resolved by the Court Before entering on substance, the quality of the constitution as law has to be established. And some remarks are necessary as to the question what kind of a set of rules and rights a constitution may be. Only after this, the role of a constitutional court can be properly looked at. 6

This device is not dealt with furthermore in this paper because it does not have its footing in “constitutional disputes” but is a means to concentrate the decisions in constitutional questions at a Constitutional Court, caused by some distrust in the ability of other courts to handle constitutional questions properly, a distrust one does not find, for instance, in the United States; but in France, proposals have been made to write such a device into law as to increase the functions of the Conseil constitutionnel. 7 For an older overview as far as the review of laws is concerned see Ipsen, “Constitutional Review of Laws”, in: Starck (Ed.), Main Principles of the German Basic Law, Baden-Baden 1983, p. 107 seq. 8 For the German perception of such conventions see Meyn, Die Verfassungskonventionalregeln im Verfassungssystem Großbritanniens, Göttingen 1975. 9 This has caused an ongoing debate how to react to the caseload, compare recently Roellecke, “Überlastung einer Spitze in der Demokratie”, in: 51 Neue Juristische Wochenschrift 1462 seq. (1998); for similar problems, on the European level, see Roesler, “Zur Zukunft des Gerichtssystems der EU”, in: 33 Zeitschrift für Rechtspolitik 52 seq. (2000), see also the report of a study group on the future of the Court system of the Communities, printed in German as an annex to the Neue Juristische Wochenschrift; the report has been adopted on January 18/19, 2000 and ends with a proposal to change Art. 234 of the Treaty of Amsterdam, which is the former Art. 177 of the Treaty of Rome.

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1. The Court and binding force of the Constitution as law in action As already mentioned, unlike in the common law countries, the tradition to handle constitutional problems by means of constitutional conventions does not exist in Germany. The Constitution as a written document is binding as any other law. Moreover, the Constitution is the supreme law of the land – superior to any other rules of law. This high-ranking position of the Constitution in the hierarchy of laws is limited only by the supranational law of the European Community. The general rules of public international law are part of the domestic law of the land and binding internally without transforming and hereby enforcing legislation. The extent to which European law can override the basic structures of the Constitution is not completely clear. Apart from that, for the first time in the constitutional history of Germany, the Constitution, which constitutes the state and its government, also regulates all legal business. It also changes many political and social questions into questions of law. Therefore, the number of constitutional disputes has increased enormously. The constitutional theory as taught at the faculties of law is widely replaced by the rulings of the Court, which have become the base of all learning in the constitutional law. The theory, therefore, does not guide the branches of the government any more as it did earlier. It merely provides to the courts a playground for observations and discussions. The main change, however, lies in the application and relevance of all the clauses of the Constitution to the disputes. Therefore, even in a changing environment, which characteristically is described as one of the state withdrawing from many areas, the Constitution enjoys enormous binding force.10 It has, as far as the Constitution as a whole is concerned, its basis in article 20, section 3, of the Basic Law, which makes the Constitution binding not only on the executive and the judiciary but also on the legislature. As far as the human and civil rights are concerned, its basis is in article 1, section 3, which makes the basic rights binding for all branches of government. Finally, article 19, section 4, and article 93, section 1, no. 4a, of the Basic Law grant full judicial review in terms of access to a court and the special remedy of complaints on constitutional grounds before the Court. 2. The Constitution as a fragmentary set of principles and rules to circumscribe powers and rights To justify the rigorous binding force of the constitutional law, in the early years of adjudication, it was claimed that the Basic Law provides an order of values to be un-

10 See, K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20th Ed. 1995, Reprint 1999.

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derstood as an almost complete and well-structured system of such values.11 To some extent, as expressed in the basic rights cases, the Court seemed to follow that perception of the Basic Law.12 Later the Court avoided to accept that such an order of values existed in general, for instance in the area of economic legislation establishing workers participation on the board of industrial companies in a broader way. It argued that the protection of economic rights is not established in a way that implies a particular objective order and, on the other hand, does not allow freedom of legislation. The Court specially stated that, in view of their history, the basic rights are primarily the subjective rights of the individual. They create an objective order only to reinforce that function and not to replace it by a structure of objective norms, which is independent from the original and lasting meaning of those rights.13 The Court until today has not given up this position.14 The idea that the Constitution is a complete systematic body of law has thus been abandoned. The Court views the Constitution as binding and self-executing. But it also admits that it provides fragmentary rules resulting from historical experience. These rules must be supplemented and complemented by adjudication step by step. They are never complete and final. Even if there is no formal amendment of the Constitution to justify an addition by interpretation, this is lawful and a proper function of constitutional adjudication. The judicial review thus enables the Court to react to the new challenges of reality and to new dangers to given powers and rights without a formal amendment of the Constitution by the political process.15 The above feature of the Constitution also results in an open structure of constitutional law. Changes in life can be assimilated by such an open structure. This does not mean an absence of clear norms in the Constitution. Rights and powers are defined by text, history and precedents. But in new situations, a new impact by constitutional law is possible. And, in an open structure of this kind, the democratic legislation of the 11 See, among other publications of the author, Dürig, “Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde”, in: 81 Archiv des öffentlichen Rechts 117 seq. (1956). 12 For instance an impression given by the reasoning in 6 BVerfGE 32 (41) and 7 BVerfGE 198 (204) as in other cases. 13 See 50 BVerfGE 290 (337). 14 On the contrary, the Court repeated such basic arguments see, for instance, 61 BVerfGE 82 (100) and 68 BVerfGE 193 (205). 15 A good example of this development is the change in the functions of the Conseil constitutionnel in France, see Goerlich, “Verfassungspolitik und Modernität in Frankreich dargestellt am Conseil constitutionnel”, Leipzig 1995; also see Langeron, “Frankreich – eine verfassungsrechtliche Anomalie?”, in: 51 Juristenzeitung 170 – 175 (1996); and Bauer, “Verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz in Frankreich”, Baden-Baden 1998; the Italian situation is similar to the German setting, compare Luther, Die italienische Verfassungsgerichtsbarkeit, Baden-Baden 1990; the most recent historical and comparative report is to be published soon by Heun, “Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit”, in: 61 Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 2002 (forthcoming).

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government has its prerogative, as it ought to have in a democratic republic. This is so because in a democratic structure the first – even though ‘only’ political – interpreter of the Constitution is always a body elected by the people, especially the legislature. The rule of law as put forward by courts and democratic principles are kept in a proper balance that way. Otherwise, the balance would tip in favour of the judiciary and its adjudication. This would not only destroy that balance but also contravene the basic principles of the Constitution. That would convert the constitutional adjudication into a matter of politics, which, in a narrow sense, it is not. Such adjudication must follow constitutional law, not political decisions about programs that may be reasonable and wise to enact or to implement by administrative action. Constitutional adjudication can only provide the constitutional frame within which judgments result into enactments and decisions. 3. The Court and the basic rights disputes One aspect of this constitutional frame is the basic rights of the individual, most efficiently protected in the sphere of the personal life and personal activities. As personal rights, these rights develop the most intense binding force. Due to the historical experience between the years of 1933 and 1945, in post war Germany, this force has its prime base in human and civil rights. Therefore, the historical background has changed the attitude towards constitutional law, legal doctrine and court rulings as to those rights. As explained elsewhere,16 these rights are not anymore – as they had been for a long period in German constitutional history – just aims to be reached by legislation.17 They are self-executing in the sense of a binding and immediately applicable content, which can be referred to by the individual entitled to a right. Therefore, violations or alleged violations of such rights may be the cause for complaints presented to the Constitutional Court under article 93, section 1, no. 4a, of the Basic Law. It provides that the Court decides the complaints that can be brought by anybody with the allegation that his or her basic or other constitutional rights have been violated by a public authority. The Court has not only spelled out such rights as subjective rights of the individual, but also has developed devices to protect them by restrictions to their lawful infringement by statute, statutory rules or bylaws, acts of the administration or judicial proceedings and rulings of the courts. These restrictions of the infringement of such 16 Compare Goerlich, “Fundamental Constitutional Rights: Content, Meaning and General Doctrines”, in: Karpen (Ed.), The Constitution of the Federal Republic of Germany, BadenBaden 1988, p. 45 – 66; and K. Hesse, “Bedeutung der Grundrechte”, in: Benda/Maihofer/ Vogel (Eds.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2nd Ed., Berlin 1994, p. 127 seq.; for an isolated presentation of questions of constitutional interpretation in general, see Starck, “Constitutional Interpretation”, in: Studies in German Constitutionalism, Baden-Baden 1995, p. 47 seq. 17 For a slow way of change in doctrine without putting aside old principles see the French development, compare Bauer, “Verfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz in Frankreich”, Baden-Baden 1998.

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rights were indicated, for example, in article 1, section 3, article 19, section 2, and article 79, section 3, of the Basic Law,18 and in several differently well-worded clauses added to the several rights, which were written into the Constitution. Some rights have their limits only in the Constitution itself. Rights which the legislature cannot restrict are guaranteed only in the frame of the Constitution, not as absolutes. As the Constitution is a document which is in harmony with itself, its parts and its whole have to be interpreted coherently and harmoniously. The underlying assumption is that the constitutional text contains a coherent message as law. This idea of coherence does not exclude the other idea that the Constitution as a historic document is fragmentary and, therefore, must have an open structure. On the other hand, the idea of core rights being more meaningful and better protected than other rights in the Constitution can be avoided that way. Such an idea creates a hierarchy within a bill of rights. It makes it accidental which rights fall on which side. So, basically, each part of the whole text has the same relevance. Nevertheless, different areas of human life might be protected in a different way, rights more personal might be more powerful and human dignity might be today – since the declaration of human rights by the United Nations in 1948 – the basis of the concept of human rights.19 In Germany, not only this concept of dignity has created a lot of cases and adjudication. The Court, though protected by certain procedural devices from being flooded by such complaints, has to handle an enormous caseload. Further, the Court is enabled to participate in almost any field of law or life on the plea of some constitutional aspects to be dealt with, which requires constitutional disputes to be resolved. This development, of course, depends on the scope of such rights, which is broadly defined by its substantive interpretation. A broad interpretation increases the number of cases to be decided on merits by the Court. Also, a broad interpretation requires, for example, other public interests to be taken into consideration. Therefore, it may be argued that a narrow interpretation sometimes will result in a more effective protection of the individual by those rights and in less constitutional disputes to be resolved by the Court.20 The Court has not always followed that insight. Therefore, one can find an enormous amount of adjudication by it dealing in detail with questions of very specific 18 Art. 1, s. 3 says that all branches of government shall be bound by the basic rights. Art. 19, s. 2 states that in no case the very essence of any basic right may be affected; art. 79, s. 3 lays down inalienable basic standards of the Basic Law, which cannot be taken away by amendment, including art. 1, which does not only include the dignity of man, but also in its section 3 the binding force of basic rights. 19 Compare Art. 1 of the Universal Declaration of Human Rights by the United Nations of December 10, 1948; for its influence on the drafting of the German Basic Law of 1949 see Hofmann, “Die Entdeckung der Menschenrechte”, in: Zum 50. Jahrestag der Allgemeinen Menschenrechtserklärung vom 10. Dezember 1948, Berlin and New York 1999, p. 10. 20 See dissenting opinion by now retired Justice Grimm in 80 BVerfGE 137 (164 seq.) and reprint of 1999 of now retired Justice K. Hesse (as supra note 10 at p. 183 seq.).

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character such as between the tenants and the landlords drawing arguments from the rights in the Constitution.21 The work of the Court will further increase if the access and appeals to other courts of specific areas of law within the federal jurisdiction are cut back. Such cut back will cause an increase in constitutionally founded complaints about the – often just supposed – violations of the basic rights of the individual. This phenomenon could be observed from the basic procedural changes made in several procedural codes. These changes were undertaken to cut back the caseload of lower and higher courts other than constitutional courts. But they resulted in an increase in the caseload of the top-level courts at the national level, especially of the Federal Constitutional Court. 4. Judicial review of recent legislation on request of the federal or state governments or Federal Parliament Another device which intensifies the involvement of the Court in the politics of law is the challenge to any new federal or state statute by the federal or a state government or one third of the members of the federal Parliament on grounds of its constitutionality under article 93, section 1, no. 2, of the Basic Law. This device, which may be availed of any time after the enactment, has come into and remains in force, invites to use the Court to continue the politics of law after enactment, on the spot, under the heading of constitutional politics. This way, the Court turns into the position of a third chamber of the legislature. However, the Court is a court and not a legislative chamber.22 The impression of a third chamber is caused by the fact that quite often the Court is required to test the validity of a statute immediately after its enactment before it has really been applied by the administration. Therefore, the Court rules without any case before it. In such exercise, doubts become evident about the small democratic basis of the Court, which is an elite panel of a small number of highly qualified former judges, lawyers or other jurists appointed by the Federal President after election by a majority of two thirds of the lower or upper chamber of the federal legislature. This is especially so because the challenge of unconstitutionality is raised after the enactment of law. It is different in France, where the Conseil constitutionnel renders judgment before enactment, sitting to judge draft legislation on its constitutionality. In Germany, the danger of an expanding activity of the Constitutional Court in this area is that it will lose its neutral and distant role as part of the judiciary. The remedy against the abuse of its functions in this area is that the Court must give a narrow ruling confined only to the constitutional issues as such. The Court, especially its second 21

Compare, for instance, 89 BVerfGE 1 (5 seq.). See Smend, “Das Bundesverfassungsgericht (1962)”, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, 3rd Ed., Berlin 1994, p. 581 seq.; also K. Hesse, “Verfassung und Verfassungsrecht”, in: Benda/Maihofer/Vogel, (Eds.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2nd Ed., Berlin 1994, p. 3 seq. 22

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senate, has not always used this device. The imprudence of the Court in this regard is clearly visible in the second ruling on abortion laws, which comprises reasoning on the merits extending over one hundred pages and some added dissenting opinions.23 The wider the Court’s reactions are expressed in broad reasons, the more it participates in the political debate and enters more into the shallow waters of uncertainty, factual judgments, prognosis and points of view. Such waters are not the open seas where the Constitutional Court as a ‘fleet in being’24 can protect the republic against constitutional turmoil and disorder. Besides, in France, the Conseil constitutionnel does not live in the danger of too broad reasoning. There, the French tradition of extremely short judgments guarantees that the intervention into politics by that body is limited. 5. Disputes about the rights and duties of the branches of federal government or any of its parts More traditional is the resolution of constitutional disputes about the rights and duties of the other branches of government as conceived in article 93, section 1, no. 1, of the Basic Law. This device may be used to redefine the functions of the machinery of government by redefining the co-ordination of its parts. This is one of the areas of the traditional adjudication concerning the state, i. e. the ‘Staatsgerichtsbarkeit’ in Germany, which is necessary to avoid breakdowns or irreconcilable conflicts resolved by acts of doubted legality. The resolution of such conflicts deals not with subjective rights, but with competence, with responsibility and with jurisdictions. The Court here has emphasized the need for a jurisdiction which is adequate to the functions of an organ or branch of government as the Constitution perceives them and appropriate to the subject matter, which is at stake.25 The democratic structure of government must also be respected. Therefore, basic decisions like the use of nuclear power as a major resource of energy, the establishment of possible participation in chemical warfare, the location of missiles able to carry nuclear weapons on the territory, the participation of German military in peacekeeping forces located in foreign territory for use as ground, naval or air forces, etc., must be made by parliamentary decree, not just by executive decision of the government.26 This way, an unwritten 23

Compare 88 BVerfGE 202 (251 – 337) and (338 seq.); the fact that the French Conseil constitutionnel frequently rules in very narrow ways protects itself against a switch in its role in the legislative process. 24 For a report of changing functions of the German Constitutional Court see K. Hesse, “Verfassungsrechtsprechung im geschichtlichen Wandel”, in: 50 Juristenzeitung 265 – 273 (1995); also by the same author, “Stufen der Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit”, in: 46 Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1 – 23 (1998). 25 For an overview see Schulze-Fielitz, in: Dreier (Ed.), Grundgesetz, Commentary, Vol. 2, Tübingen 1998, No. 66 and passim to Art. 20 (Rechtsstaat – rule of law) at p. 159 seq. 26 See 49 BVerfGE 89 (124); 53 BVerfGE 30 (55 seq.); 68 BVerfGE 1 (130 seq.); 77 BVerfGE 170 (222 seq.); 90 BVerfGE 286 (381 seq.).

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and previous to action existing jurisdiction of the most democratic branch of the government in basic questions of the public good as well as in foreign and military affairs is established. This was done not by amendment of the Basic Law, but by adjudication of the Court. Constitutional interpretation, therefore, is the basis of major adjustments of a written Constitution to the needs of the day. It guarantees that the political process, including all political parties, has to be involved in major decisions with the expectation of taking a stand in such matters. This way, a purely result oriented approach for the opposing parties is impossible. They have to make up their minds in advance. This changes the behaviour in the political process and reinforces the democratic legitimacy of such basic and critical political decisions, which are to be found. Again, in the process of government and its constitutional setting, the Court for a while seemed to emphasize the predominance of executive power in certain areas. But it always combined this with checks and balances by the legislature.27 Recently, however, the Court has re-emphasized the need of full judicial review, especially if rights of the individual are concerned.28 Therefore, a general tendency towards a stronger position of the executive can no more be stated. But still, the interpretation has a major say in what might be the proper way to look at the constitutional framework if hard cases arise. 6. The defense of “states’ rights” A traditional area of conflicts before state courts – ‘Staatsgerichtshöfe’ – in a federal setting is the defense of the positions of parts in relationship to the whole. Therefore, article 93, section 1, no. 3, of the Basic Law provides proceedings to resolve such conflicts, mainly to defend the jurisdiction of the states and to define their responsibility to implement federal laws. The latter is necessary because in Germany the federal government ordinarily does not have its own administrative bodies and agencies to enforce federal law, which is therefore performed, in the regular situation, by the agencies of the states. This has led to well-known decisions, which force the state as part of the federation to obey federal law as it is on the books without claiming any discretion in the way it should be applied, for example concerning nuclear energy and its waste.29 Another area of interpretation is about the adjudication on constitutional law when it has to be determined, in the sense of article 72, section 2, of the Basic Law in its recent redrafting, under what circumstances national legislation is needed to estab27 For an older assessment see Fiedler, “The Strengthening of the Executive Power in the Contemporary Constitutional System”, in: Starck (Ed.), Rights, Institutions and Impact of International Law according to the German Basic Law, Baden-Baden 1987, p. 95 seq. 28 See, referring to professional education and full judicial review of access to professions, 84 BVerfGE 34 (45 seq.), earlier relating to pornography and art 83 BVerfGE 130 (138 seq.); also 88 BVerfGE 40 (56). 29 Compare, for instance, 81 BVerfGE 310 and 84 BVerfGE 25.

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lish equivalent living conditions all over Germany, to safeguard the maintenance of legal and economic unity and to protect national interests. Mainly the ‘political’ branches of government as a matter of their discretion have so far interpreted this clause, slightly changed in its text because of the difference in living conditions between the former East and West Germany. This way the courts, especially the Federal Constitutional Court, have been kept out of this matter.30 If the requirements of article 72, section 2, of the Basic Law are lacking, the states, as always, have a say, especially in the area of public safety and cultural matters, which are reserved to the states. Until today, as already mentioned, the Court assumes that the evaluation of the need of federal action is a political value judgment. If the Court starts to protect the states and their jurisdictions more effectively, adjudication will choose a different interpretation. The situation is similar to that in the European Communities where a general idea of ‘subsidiarity’ has not reached the status of a principle of law, which can be handled by the European Court of Justice in favour of the member states of the Community. Further, the jurisdictions of state and federal constitutional courts must be co-ordinated. While traditionally the federal human and civil rights as applied in the setting of the federal laws were enforced only by the Court and not by the state constitutional courts, recently the Berlin state constitutional court has ruled that it is free to use the federal rights to check the application of federal law by the state courts and agencies.31 Thus, if this view prevails, the state level will be on the scene where the safeguards of human and civil rights are in action. One must, of course, keep in mind that a state constitutional court, which wants to differ from the Federal Constitutional Court in a specific question, would need to refer such a question to the Federal Constitutional Court, as article 100, section 3, of the Basic Law shows referring to the situation of uniform clauses in state and federal constitutional law containing civil or human rights.32 Such a development would lead to a more comfortable situation for the Federal Constitutional Court because its enormous caseload in this area would be shared by several state constitutional courts.

30 See, for an interpretation of the old adjudication and documentation the – by amendment – new version of that clause of the Basic Law and for old decisions Stettner, in: Dreier (Ed.), Grundgesetz, Commentary, Vol. II, Tübingen 1998, No. 12 to Art. 72, p. 1351 seq.; for recent cases stating the discretion for the legislature, as assumed for the old version of Art. 72, s. 2, see, for instance, 78 BVerfGE 249 (270) and 67 BVerfGE 299 (327). 31 Berlin VerfGH, decision of Jan. 12, 1993 – VerfGH 55/92, and decision of Dec. 23, 1992 – VerfGH 38/92 – both reported in: 46 Neue Juristische Wochenschrift 513 – 515, 527 (1993), the case of Mr. Honecker. 32 For a discussion of this see K. Hesse, Juristenzeitung, supra note 24 at 269. Art. 100, s. 3, of the Basic Law says that if a constitutional court of a state, in interpreting the Basic Law, proposes to deviate from a decision of the Federal Constitutional Court or the constitutional court of another state, it shall obtain a decision from the Federal Constitutional Court. For cooperation between state constitutional courts and the federal level see also, 99 BVerfGE 1 (8 seq.) giving up earlier adjudication; also see 96 BVerfGE 345 (363 seq.).

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7. Resolution of federation-state and interstate conflicts – the Court as a mediator In several areas of law, the Court frequently performs the function of a de-facto mediator. This is the case, for example, in conflicts about the reasonable equalization of the disparate financial capacities of the states by a readjustment or different distribution of public revenue between the states and the federation or between the federation, the states and the municipalities. This is also the case in the area of law of telecommunications, radio and television. The Court is approached to perform the role of a de-facto mediator by using different proceedings, which need not to be explained here. Basically, in this role the Court produces results similar to that of political processes, which could not be reached by the other branches of the government. Therefore, in the application of the principles of constitutional law, the Court produces political decisions. The Court has to resolve these constitutional disputes because the cornerstones of the playground of the political game in these areas are laid down in the Constitution, such as in the provisions of the tenth part of the Basic Law dealing with financial matters concerning revenue and its allocation, or, in a quite similar way, in article 5 of the Basic Law, dealing – among other rights – with free speech and free reporting in radio and television. In both areas a complicated bargaining process between the several states has to result in interstate treaties, which as law govern the respective matters. Sometimes the Court avoids conclusive decisions in such mediating rulings, throwing the ball back into the political playground. This happened recently in questions of the reasonable equalization by an adjustment in the allocation of public revenue between the states.33 The Court here avoided a straight decision on the issue in question and asked the participants in such deals to first settle the reasonable principles of such equalization. It happened earlier and frequently in the area of broadcasting law. In this area the Court always mainly insisted that the relevance of the means of communications to the free flow of information and for the free exchange of opinions, as a main precondition of democratic structures, must be taken into account. The Court also insisted that a basic level of access to radio and television for all inhabitants everywhere in the country and at very low costs must be provided by public broadcasting. Private stations, on the other hand, do not need to satisfy these conditions, they may be expensive as pay-TVor they may offer a program, which is spe33 See BVerfG, Judgment of Nov. 11, 1999 – 2 BvF 2 and 3/98, 1 and 2/99 reported in: 115 Deutsches Verwaltungsblatt 42 – 51 (2000); for a critical evaluation of this decision compare Rupp, “Länderfinanzausgleich”, in: 55 Juristenzeitung 269 seq. (2000); also Pieroth, “Die Mißachtung gesetzter Maßstäbe durch das Maßstäbegesetz”, in: 53 Neue Juristische Wochenschrift 1086 seq. (2000); the most impressing recent publications in this area are Oeter, “Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht”, Tübingen 1998, and Korioth, “Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern”, Tübingen 1997; for an evaluation see Ruppert, “Endstation Einheitsstaat?”, in: 18 Rechtshistorisches Journal 50 seq. (1999).

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cifically attractive for customers from businesses, who want to present advertisements, which often implies a low level of quality of the program as such. These concepts which are under different factual conditions open to changes of any kind, have to be respected by any statuary order in this field created by interstate treaties or by legislation as such.34 8. Clearance of political processes: nemo judex in propria causa Similar mediation takes place as far as the law dealing with political parties and their campaign finances is concerned. The main reason for involving the Court as a mediator de facto is that the political parties would act as judges in their own case if they would come to results in legislation. Therefore, they need guidance by a distant and neutral mediator to supervise the political process of elections and rules of internal processes of decision-making within the several parties. Thus, from time to time, the Court hands down rulings in this area, including election matters.35 Recently, this could be shown when it became known that one of the major parties did not obey the obligations to make public its accounts, assets, sources and funds, as required by article 21, section 1, paragraph 3, of the Basic Law. Also, this implied violations of article 21, section 1, and paragraph 2, of the Basic Law, which requires the internal organisation of parties to conform to democratic principles. Both clauses are linked to each other; especially, since financial favours from the top of the parties cannot be used to influence internal voting behaviour within a party if the finance is made public. Also, there are problems because the sanctions of the law on political parties may disturb the fair competition between the different parties. For instance, the different ways of financing parties may have an undue influence on the voting behaviour of the electorate. It seems likely that such questions will be brought before the Federal Constitutional Court. Then the Court again will have to take up its role as mediator. This is so because the political parties to some extent are not able to act as judges in their own cause, making law in the legislature to control their own behaviour. Therefore, in these matters, as in some others, the Court here has a necessary atypical function in the game. Besides, on application the Court has to deal with the unconstitutionality of parties and ban them from participation in the political process, as provided in article 21, section 2, of the Basic Law. Article 21, section 2, says that parties that, by reason of their aims or the behaviour of their adherents, seek to undermine or to abolish the free democratic basic order or to endanger the existence of the Federal Republic 34 Compare early 12 BVerfGE 205; recently 90 BVerfGE 60; 97 BVerfGE 228 (252 seq.); see also A. Hesse, Rundfunkrecht, 2nd Ed. München 1999, p. 46 seq. 35 For an overview see Kunig, “Parteien”, and Meyer, “Demokratische Wahl und Wahlsystem” and, by the same authors “Wahlgrundsätze und Wahlverfahren”, each in: lsensee/ Kirchhof (Eds.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 2nd Ed. Heidelberg 1998, p. 103 seq., 249 seq., 269 seq., §§ 33, 37, 38, and Grimm, “Politische Parteien”, in: Benda/Maihofer/Vogel (Eds.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2nd Ed. Berlin et al. 1994, p. 599 seq.

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of Germany shall be unconstitutional, and that the Court shall rule on the question of their constitutionality. The ‘free democratic basic order’ is defined by the Court as a legal system presupposing the exclusion of any violent or arbitrary state power, a rule of law based on the principle of self-determination of the people, the application of democratic majority rule and the protection of freedom and equality. The fundamental principles of the free democratic basic order are at least: the respect for human rights as embodied in the fundamental rights of the Basic Law of Germany, above all the respect for the right to free personal development, the right to life, the sovereignty of the people, the separation of powers, the responsibility of the government, the legality of the administration, the independence of the courts, majority rule, the guarantee of a multiparty state, the equality of opportunity for all political parties, and the right to form and exercise an opposition. Parties have been banned twice in the constitutional history of post war Germany, in 1952 a radical right wing party and in 1956 the communist party. In both cases the Court used the just quoted definition of the “free democratic basic order”, as mentioned in the Basic Law, without deducing it from principles or in another way.36 In both cases it has been doubted if it was wise to ban these minority parties by court ruling and not to leave their fates to the ballot. But the Court had no discretion in the matter and was bound by strict law to act when the application of the federal executive was on its table. Today, the successor of the United Socialist Party of the German Democratic Republic of East Germany is participating in elections. The ban on private associations, other than political parties, is imposed not by the Court, but by the respective secretaries of state of the federation or the several states in charge of internal affairs, depending where the association is active. The decision of the secretary of state can be challenged in the administrative law courts. If they uphold the administrative decision, a complaint in the Federal Constitutional Court is possible which has never happened so far. Associations can only be banned if the aims or activities contravene criminal laws or if the aims or activities are directed against the constitutional order or the concept of international understanding, as article 9, section 2, of the Basic Law states. Also, individuals can be deprived of certain civil rights, as article 18 of the Basic Law indicates. However, such proceedings have not taken place in the history of the Basic Law over the last fifty years. Article 18 says that whoever abuses the freedom of expression, the freedom of teaching, the freedom of assembly, the freedom of as36 See 5 BVerfGE 85 (140 seq.) and 2 BVerfGE 1 (13 seq.) also for the quoted definition of the “free democratic basic order”; for an analysis of the concept to incorporate an inalienable basic structure in a constitution see Conrad, “Limitations of Amendment Procedures and the Constituent Power” and by the same author, “Constituent Power, Amendment and Basic Structure of the Constitution, a Critical Reconsideration”, in: Lütt/Singh (Eds.), Zwischen den Traditionen, Stuttgart 1999, p. 47 seq., 87 seq., dealing with art. 79, s. 3 of the Basic Law of Germany.

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sociation, the privacy of correspondence, mail and telecommunications, the rights of property or the right of asylum in order to combat the free democratic basic order shall forfeit these basic rights, and that the forfeiture and its extent shall be declared by the Court. The main problem about the interpretation of this clause is, again, the meaning of a free democratic basic order. The Court has, in its decisions banning parties, defined what it is. But the Court did not explain how it reached the definition. As will be shown at the end of this paper, this requires a combined effort of constitutional interpretation and constitutional theory. 9. Protection of local government An example of a step-by-step stricter interpretation of a clause of the Basic Law is article 28, section 2, paragraph 1, of the Basic Law. Article 28, section 2, paragraph 1, says that local government basically has unlimited jurisdiction except to the extent it is granted to the states or the federation. Historically this clause was looked at as a description, which had to be implemented by statutes on local government. The Court in this matter realized that this guarantee possesses a similar structure as civil rights. Firstly, it led to the interpretation that this clause guarantees a subjective right to be claimed by local authorities under article 93, section 1, no. 4b, of the Basic Law in proceedings before the Federal Constitutional Court. Secondly, this has the impact that the legislation infringing that guarantee has to obey certain principles of proportionality, which means that the justification for taking away some function from the local level has to be relatively well founded, and that considerable functions have to remain at the local level. This way, the guarantee does not lose its relevance and the political process has to prove that the taking away of any jurisdiction from the local level meets the strict requirements of justification.37 Thirdly, interpretations come to the result that the recently added sentence in article 28, section 2, paragraph 3, of the Basic Law guarantees also the financial basis for local autonomy. Article 28, section 2, paragraph 3, says that the guarantee of self-government extends to financial autonomy and that these bases include the right of municipalities to a source of tax revenues based on economic ability and the right to establish the rates at which these sources shall be taxed. But the reach of this new clause seems not to be completely well established. Even in the traditional area of planning it is not yet clear whether an increased weight has to be given to the autonomy of local government.38

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Compare 79 BVerfGE 127 (147 and passim); for a complete outline see Schmidt-Assmann, “The Constitution and the Requirements of Local Autonomy”, in: Starck (Ed.), New Challenges to the Basic law, Baden-Baden 1991, p. 167 – 190. 38 See Goerlich, “Planungsrecht und Planungshoheit der Gemeinden – Verfassungsrechtliche Grundlagen und praktische Folgerungen”, in: Lilie (Ed.), Recht und Rechtsverwirklichung nach dem Umbruch, Köln et al. 1999, p. 9 – 46.

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On the other hand, in the area of local autonomy, so far constitutional adjudication has avoided to establish unwritten principles for the protection of local government, such as the principle of ‘subsidiarity’. This would mean that if a task can be done on a lower level of government it should be taken care of on this level and not above. Such a principle is to be found in church law and in the law of the European Community, even though in the context of the latter, it seems not to be very effective. As a matter of constitutional interpretation, such unwritten general principles should be avoided. They would cause problems of interpretation since they have no footing in the text, tend to expand in an uncontrolled manner and create obstacles to an open and strict interpretation of the law as it is. 10. The Court and unification A more recent field of constitutional interpretation had to be stepped in after the unification of divided Germany. In the former German Democratic Republic (GDR), very different legal structures had been established. The unification treaties left open quite a number of questions. As in the years after the establishment of the Court, when old law not abolished by the allies after 1945 was claimed to be valid, the Constitutional Court had to cope with an increasing caseload of this kind. Principles of interpretation had to be developed to find out what parts of the law of the old regime survived, being not as outrageously different from western law as to be completely incompatible with the Basic Law. Also, more simple questions had to be answered if acts by the supreme command of the Soviet forces in Germany up to 1949 could be measured by the standards of the present Constitution. This raises questions of intertemporal law. It also relates to the fact that written law has its limits in time, defined by enactment and its expiration. On the other hand, ‘old’ cases and cases out of a different jurisdiction decided between these two points in time can not be completely untouched by the present law which is valid. This complicated and touchy situation had to arise because in Central and Eastern Europe, the changes in the system of government were not reached by a straightforward revolution, which claimed to follow nothing but its new law. Rather, these processes of transition, though politically quick, as legal process they were slow and open to the compromise with the past and its law.39 Therefore, the art of interpretation in constitutional adjudication had and has to resolve remaining conflicts of laws. This is the case, for example, if the old proprietors of land demand the return of their land taken by authorities in the former GDR; or if a criminal court has to decide a case of a border guard of the former GDR who

39 More recently, the Court started to question the different level of the welfare state in former East and former West Germany under the light of equality, see 102 BVerfGE 41; on the other hand, the Court is less prepared to compensate historical damage, see 102 BVerfGE 254.

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illegally shot a person crossing its border.40 Also, it is the case if conflicts arise on what level of government – local, state or private – should a public service be allocated.41 In this matter, if there were no constitutional adjudication, the machinery of legislation would need to take the whole of the burden on its shoulders and the unrest in society would be greater. Therefore, to have the ping-pong between legislation and courts on one side and the Federal Constitutional Court on the other implies an effect of delay in the process of deciding such conflicts, which will create an easier appeasement of such conflicts in the society as a whole. This delay has been called the katechontic function of procedures of law.42 Also, in other areas the Court has developed a differentiated system of sanctioning unconstitutionality. The Basic Law itself is acquainted to the idea that apparent unconstitutionality might be tolerated for a while as article 117, section l, article 143 and article 135a, section 2, show. The Court sometimes avoids retroactive unconstitutionality because it would create chaos. Or it does not do so if such problems will not arise. Or it does not abolish a clause but extend it to another group of persons, which takes the flaw of unconstitutionality away. These means of sanctioning satisfy – as in other countries – practical needs of co-ordination of court actions and the machinery and mechanism of law. 11. The Court, inalienable standards of Basic Law and European Community The European Court of Justice located in Luxembourg has held that European Community law applies in its entirety to the member states of the European Community.43 The German Constitutional Court has, however, held that it can check whether the European Community law satisfies the inalienable standards of the Basic Law laid down in article 79, section 3.44 Article 79, section 3, says that certain 40 See, for questions of applicability of the property clause and its principles of compensation to acts of East Germany or Soviet agencies in East Germany, 84 BVerfGE 90 (126); 94 BVerfGE 12; 95 BVerfGE 267 (307); 97 BVerfGE 89 (100); for cases of criminal law, concerning the excessive or regular use of firearms as ordered against Germans on the border between the two Germanies 95 BVerfGE 96 (127 seq.) under aspects of nulla poena sine lege; and for the secret agents of the East German state being sentenced see 92 BVerfGE 277 (316 seq.); for other areas of this kind see 100 BVerfGE 1 (59, 104, 138) as far as retirement payments are concerned; and for cases of dismissal of employees for political reasons 94 BVerfGE 140; 96 BVerfGE 152 (171, 189). 41 See Danker, “Privatisierung versus Rekommunalisierung”, in: Die Treuhandanstalt/BvS im Konflikt bei der Vermögensaufteilung ehemals volkseigener Wirtschaftsbetriebe, Diss. iur. Halle 2000. 42 See, as to administrative law, Schlink, “Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht”, in: 48 Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 235 seq., 259 seq. (1990). 43 Case 6/64 (1964) ECR 585; Case 106/77, Simmenthal (1978) ECR 629. 44 37 BVerfGE 271 (279) – Solange I; 73 BVerfGE 339 (375 seq.) – Solange II.

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amendments of the Constitution are inadmissible, especially the amendments that would abolish the division of the federation into states, their continuous participation in the legislative process and the principles laid down in article 1 and article 20, which include the dignity of the human being, human rights, the rule of law and some other principles of law and government. The Court also assumes that it can check whether the European Community law, which can be made only after the consent of the member states, is based on and has obtained such consent.45 Finally, the Court assumes a structure of co-operation between itself and the European Court of Justice to promote the adjustment of inalienable standards of national constitutional law and the constitutional structures, which are the basis of the European Community.46 The scope and meaning of the co-operation is, however, unclear. As in Hong Kong, article 158 of its Basic Law, in the European setting, some co-ordination of different levels of interpretation is needed where different levels of that kind exist and are used to enforce higher law by its interpretation. On the national level this is made possible by article 100, section 1, of the Basic Law of Germany. This article to a certain extent concentrates answers to constitutional questions on the level of the Constitutional Court. Again, this is the case on the European level according to the former article 177 of the Treaty of Rome, since the Amsterdam Conference article 234 of the Treaty of Amsterdam, containing the same text. It is the safeguard that the European Court of Justice in Luxembourg has the main say on European law of the Communities and in the meantime the European Union. In effect, such clauses have a function of co-ordination by inviting the lower courts and forcing the courts of final appeal to present questions to the higher court in charge of interpretation of an instrument of law if they arise in a case. This might be called co-operation. Moreover, and more importantly, now, this is one of the basic assumptions of the law of the European Community that it is the supreme law of the Community as a

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89 BVerfGE 155 (187, 209 seq.); in a recent decision the court has put the burden of full presentation for the violation of inalienable standards of national constitutional law on the side of the plaintiff or the lower court submitting a case; this will significantly decrease the probability of such conflicts which can be avoided anyway by harmonizing interpretations of national and European law, for this recent decision see 102 BVerfGE 147 – Bananenmarktverordnung. 46 The most recent comment on matters of such cooperation, see from the European bench Hirsch, “Dezentralisierung des Gerichtssystems der Europäischen Union?”, in: 37 Zeitschrift für Rechtspolitik 57 seq. (2000) and, also recently, Funk-Rüffert, “Kooperation von Europäischem Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht im Bereich des Grundrechtsschutzes”, Berlin 1999; for another outline of cooperation promoting the harmonization of standards see Delbrück, “Human. Rights Basic Law”, Baden-Baden 1991, p. 191 seq.; see also “International Constitutional Cooperation”, in: Starck (Ed.), New Challenges to the German Basic Law, Baden-Baden 1991, p. 191 seq.; see also, infra note 71.

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whole and, therefore, national constitutional laws lose relevance with the growth of the European law above and beyond the nation-state and its law.47 It is unclear if there was really a need for the German Court to take steps to protect certain standards of the Basic Law in a new way. Moreover, it is doubtful if there is still any need of national judicial review of European Community law by such inalienable national standards. This is because the common constitutional traditions and principles, which are shared by all member states of the Community, admit interpretation in accordance with the national basic standards of one another and the European standards. This approach of interpretation is laid down in article 288, section 2, of the Treaty of Amsterdam, stemming with the same content from the original Treaty of Rome on the European Economic Community, then article 215, section 2, of that instrument of law, dealing with questions of liability of the Community and its employees.48 Similarly, this also applies to the area of human rights, since the European Community refers to them in article 6 of the Treaty of the European Union, which is binding and is to be applied by the European Court of Justice. Article 6, section 1 and section 2, of the Treaty of the European Union says that the Union is based on the principles of liberty, democracy, respect to human rights and basic liberties and the rule of law, principles which are common to all member states. The Union also respects the basic rights, as they are guaranteed in the European Convention for the Protection of Human Rights and Basic Liberties as signed in Rome on November 4, 1950 and as they result out of the constitutional principles, which the member states as general principles of the Community law have in common. This is subject to judicial review, which article 46 (d) of the treaty of the European Union states for article 6, section 2, of that treaty. At present, the political branches of the European Union work on their own declaration of rights of the European Union being binding on the European Communities as well. This seems to be necessary because under international law the European Union and the European Communities cannot sign the European Convention on Human Rights and Basic Liberties because they are not states. This is another indicator that in the long run, the national constitutional courts in the European setting will lose their outstanding position. They might gain again under the idea of subsidiarity, which is stated in article 5, section 2, of the treaty of the European Community and in article 6, section 3, of the Treaty of the European Union. This is the case if subsidiarity will start to be a concrete and effective principle of law. For – as in a federal structure – the national courts will then regain some relevance they tend to lose now. Since subsidiarity implies respect for the national, regional and local level of identity, it should favour such a development. 47 This has been the doctrine for a long time already, compare Ipsen, “Europäisches Gemeinschaftsrecht”, Tübingen 1972, p. 255 seq.; and by the same author, “Europäisches Gemeinschaftsrecht in Einzelstudien”, Baden-Baden 1984, p. 207 seq., 227 seq. and 231 seq. 48 For the interpretation of that clause see Oppermann, “Europarecht”, 2nd Ed., München 1999, p. 185 seq. and Streinz, “Europarecht”, 4th Ed., Heidelberg 1999, p. 118 seq.

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The interpretation of the principle of subsidiarity suffers from certain difficulties. It assumes that what can be done on a lower level of government ought to be done on that level. And what needs to be done at the upper level ought to be done on that level. It depends on the general judgment as to where to allocate what tends to be a political judgment with some connotations of law in it. Similar problems arise if – as in Germany – there is an open clause in the Constitution to divide the legislative competence in a federal state, a clause that refers to needs and goals as article 72, section 2, of the Basic Law, mentioned earlier. And in general, where goals, needs and means are the tools to define jurisdiction, the courts have problems acting on the edge of political discretion and principles of strict interpretation to be applied in defining jurisdictions. That is why in this area normally substantive matters are used lawfully to define who has to or may be free to do what.49 But this wise idea in some sections of national constitutional law and quite often in European law has not been followed. 12. Constitutional interpretation, constitutional disputes and the Court as interpreter, mediator and judicial body After all, constitutional interpretation, which is the basis of the rulings of the Constitutional Court, deeply depends on a perspective of principles that must be followed. Such principles can be found in the view of law as a growing body of rules, which tends to harmonize its details as part of a whole. Also, interpretation can be viewed as an instrument to pursue the goal of compatibility of results without betraying basic norms of right and jurisdiction. This way, constitutional interpretation is a toy of constitutional craftsmanship as it is shown in action on the bench of a Constitutional Court, which has the power of full judicial review. Such a court may be forced to add other functions, as for example, that of a mediator if the political machine of government fails to work. But in all its functions such a body of learned men depends on their wisdom in law, its interpretation and politics. The basis of such wisdom is and has to be the training of these men in law, their practical experience in the courts, on the bench or in private practice, as legally trained administrators or such politicians. Without high legal qualifications, approved by professional and academic examinations, no one can reach the bench of the Constitutional Court. It can be shown from different jurisdictions that the Constitutional Courts start to act in methodologically similar situations. Normally there is no notion of the supremacy of the constitutional law. It has to be established. This can be done more easily if in a country there is a history of conflicting laws to be brought into relationship with one another, as for example, feudal and church law, written and some sort of common law, federal and state law, local practices and modern statutes. In such situations there is a need to find an answer to the question as to which law shall prevail. Here, the ideas 49 See Degenhart, in: Sachs (Ed.), Basic law – Commentary, 2nd Ed., München 1999, p. 1384 seq., No. 51 to Art. 70 of the Basic Law.

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of autonomy, of self-determination and local jurisdiction are relevant. Then there is the notion of force, often taken from foreign examples of legal structures, and so especially in the context of modern law, which supposedly is binding and enforceable by state force. These modern aspects in specific cases might be combined with foreign influences like after World War II in Germany, when the idea of full judicial review, which has had its place in German history up to the middle of the nineteenth century,50 returned to the country in the new coat of the demands of American lawyers, quite often lawyers bearing German names and being of German émigré origin. Further, after World War II under the impact of racism and the holocaust, the binding force of constitutional law safeguarding human dignity and human rights seemed a bulwark against such outbursts of cruelty. Therefore, even judicial activism had its day to introduce a legal framework for a more humane and more egalitarian society. Even today, after one half of a century, the methods developed to carry out such activism by court rulings remain a part of the arsenal of the courts. Nevertheless, some dangers are to be met if Constitutional Courts go too far in participating in politics. Again, the style of reasoning in the judgments – the author mentioned the French example as one extreme before – can be used to avoid such effects. Also, the differentiated means of sanctioning unconstitutionality of state action – may it be by a statute or by other action – can serve to reach that goal. A more moderate role has been accepted in recent years by the Court in several areas, especially if the Court de facto acts as mediator. Here, the Court only gives some hints and establishes some cornerstones for the actors on the scene who have to complete the political game of choices and compromises. The Constitutional Courts have an even more restricted role if they act as genuine parts of the judiciary and decide classical cases to define rights and to determine powers. In such a case, the Constitutional Courts like other courts normally tend to narrow their rulings and reasoning, even if in the background there is a whole concept of the area of law considered by the judges as the framework in which later decisions of other cases have to fit in. IV. Constitutional interpretation and constitutional adjudication As mentioned earlier, a combined effort of constitutional interpretation and constitutional theory is needed in order to cope with full judicial review. In the present context, at least some hints are necessary to comment on this statement. Traditionally, German methods of legal interpretation foot on the doctrines of Friedrich Carl von Savigny. He, an outstanding scholar and practitioner of law, at times Prussian secretary of state for justice, in the early nineteenth century summed 50 Compare then drafted constitutional law as explained in Kühne, “Die Reichsverfassung der Paulskirche”, 2nd Ed., Neuwied 1998, p. 344, 347 seq.

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up older ideas. He developed a canon of interpretation on substance starting from textual, going on to historical and using systematic approaches too, which later has been augmented by ideas of teleological interpretation by the so called ‘Interessenjurisprudenz’.51 Apart from this classical canon of interpretation by jurists, constitutional adjudication, today as all other law determined by courts and not by some abstract authority of state or non-professional body, depends deeply on a procedural perspective. In the beginning of the constitutional adjudication in Germany, this perception of constitutional law was not yet predominant. Therefore, the earlier concepts of appropriate methods to determine the law were still governed by views and models on how to handle questions of substance. Easily this concept can develop a procedural side. This was the case when earlier concepts of harmonization of conflicting norms or interests behind them in the sense of ‘praktische Konkordanz’ – practical concordance – were spelled out.52 A similar idea is the basis of the concept of ‘schonender Ausgleich’ – carefully balanced settlement – developed by another scholar.53 The idea in these suggestions is that such conflicts have to be resolved, so that both the norms and, therefore, both the interests have some say in the result of co-ordinating them by interpretation, so that neither side vanishes. Quite the same happened when the principle of proportionality was fully explained by different scholars who made it applicable in a lot of different fields of constitutional and administrative law.54 The basis of this academic endeavour was the adjudication of the courts. This adjudication used a principle of administrative law, according to which if the state intervenes, it must use the most modest means to reach the ends to be followed in the public interest. This choice, the assumption was, in the most appropriate way would take into account private interests, which are protected by law. This concept transformed into constitutional law, where case law prevails, intensifying the role of the respective constitutional adjudication. It happened because the courts on this level gained a say in judging the constitutionality as far as a given law is concerned or as to what the law should be if there is no written law. This way, on one hand, courts gained influence. On the other hand, they also gained a lot of responsi51

For Savigny see, for instance, Larenz, “Methodenlehre der Rechtswissenschaft”, 6th Ed., Berlin et al. 1991, p. 11 seq., and Kriele, “Theorie der Rechtsgewinnung”, 2nd Ed., Berlin 1976, p. 67 seq. and for the “Interessenjurisprudenz” see Larenz, op.cit., p. 49 seq. and 119 seq., and Canaris, “Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz”, 2nd Ed., Berlin 1983, p. 100. 52 Supra note 10 at p. 28 and Zwirner, “Politische Treupflicht des Beamten” (1956), BadenBaden 1987, p. 233 seq. 53 Compare Lerche, “Übermaß und Verfassungsrecht” (1961), 2nd Ed., Köln et al. 1999, p. 125 seq. 54 Hirschberg, “Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit”, Göttingen 1981. See also, supra note 53 at VII.

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bilities as to the facts underlying the then necessary judgments. These judgments, as can easily be seen, then require expertise and prognostic capabilities as to what results the choices made will have in the future. These judgments are not left to the more democratic and, in this sense, political branches of government. In the process, even the privileged position of the elected legislature may be endangered. Therefore, sometimes the Federal Constitutional Court hesitated, especially if the legislation reviewed seemed to be experimental, to get into the matter immediately and left it to the legislature to reshape its legislation.55 Again, this may end in a procedural perspective and appropriate devices of this kind to safeguard proportionality of state action. Similar problems may arise in the context of European law where the means and the ends are the common frame of judicial review. This might even be more so, if the already mentioned principle of subsidiarity in European law is going to gain the status of a legal principle underlying full judicial review; and it is supposed to be such a principle. Then procedural ways out of a too intense review by the courts might be reasonable, similar to the ways the German Federal Constitutional Court avoided so far to put its guess as a binding judgment on the table to replace the judgment of the federal legislature what needs or has to be enacted as federal law and not on the state level, when interpreting the already mentioned article 72, section 2, of the Basic Law. In Germany, the participation of the states of the federation in federal legislation in the upper house of Parliament may ease the problem. Still on substantive law, Friedrich Mueller construed a theory of how to establish norms of constitutional law out of the tools the constitutional lawyer has.56 Firstly, there is a written text, the ‘norm text’. Secondly, there is a field of factual settings where this text might have some relevance, the area of the norm. Thirdly, to combine text and area with the help of both, one has to find out what program of a binding content might be underlying the text under the given circumstances and with respect to older, parallel or future cases to be decided. This program has to be open-ended and future-oriented because one never knows what cases will arise. Further, this open structure is necessary because constitutional law is to last for long, for different societies or at least a society, which changes throughout history and might at some point be very different from its present condition. So there is already some historical, social and last but not least procedural notion in that perspective. This, even though it is still on the footing of the hermeneutical approach of interpretation, which had entered legal methodological thought, coming from Hans Georg Gadamer and others in that Kantian, hermeneutic or even critical tradition.57 The substance oriented approach later attempts to clarify what a constitutional lawyer does have to take into account, the additional view of legal terms and purposes 55

See 50 BVerfGE 290 (332 seq.). Müller, “Normstruktur und Normativität”, Berlin 1966, and by the same author, (Christensen, Ed.), “Juristische Methodik”, 7th Ed., Berlin 1997. 57 See Gadamer, “Wahrheit und Methode” (1960), 2nd Ed., Tübingen 1965; in legal methods see, for instance, Esser, “Vorverständnis und Methodenwahl”, Frankfurt am Main 1970. 56

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and ends of the law.58 This view had its predecessors in those colleagues who had early argued that legal methods not only follow ends but also consider means and by this approach rely on an intense factual consideration of the consequences of alternatives in deciding a legal question.59 But quite a long time ago, the procedural side of the constitutional law was the starting point of a theory of how to find out what the law is.60 This theory presupposes that full judicial review and written law do not suffice to provide certainty what the law might be. On the contrary, proceedings may end up in an unexpected edge of law. Some safety mainly results just by using cases which have been decided as guidelines, not only in the sense of precedents or stare decises but also in the sense of an evaluation of the increasing number of cases decided. Nevertheless, very often uncertainty might remain and the situation of uncertainty for the parties might be – as in any other case of law – like the uncertainty on the high seas. For the bench and the advocates, the uncertainty might be somewhat different but not so different as to be at ease with it. This theory, therefore, works with the assumption that the law basically is a sequence of hypothetical assumptions and only the process of trial and error can prove as to what could be the right hypothesis of the constitutional maxim to be applied to the case. This view is very close to the critical scientific theory represented by Sir Karl R. Popper.61 An approach of trial and error implies a permanent process of finding out what the law is. Stability in this concept is only given as long as an assumption of what the law is will not be shaken by reasonable new assumptions of what the law should be. Others have put forward that a proper view of the modern Constitution is also to view it as a set of procedural structures. Besides substantial protections for rights and powers, such procedures allow the full perception of how such a legal structure supposes to enable to handle uncertainty as well as abuse of power and social conflicts.62 An understanding of rights of the individual as to this approach does not imply necessarily that complaints could always be brought forward claiming a right to be violated by any act referring to it. For instance, the right to vote might be concerned with a loss of sovereignty in the European Union. But this does not necessarily mean that

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Haverkate, “Normtext – Begriff – Telos, Zu den drei Grundtypen des juristischen Argumentierens”, Heidelberg 1996. 59 See, for instance, Philippi, “Tatsachenfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts. Ein Beitrag zur rational-empirischen Fundierung verfassungsrechtlicher Entscheidungen”, Köln et al. 1971; also Goerlich, “Wertordnung und Grundgesetz, Kritik einer Argumentationsfigur des Bundesverfassungsgerichts”, Baden-Baden 1973, p. 184 seq. 60 Kriele, “Theorie der Rechtsgewinnung” (1967), 2nd Ed., Berlin 1976. 61 See Popper, “The Logic of Scientific Discovery” (1959), London 1968; and, by the same author, “Conjectures and Refurations” (1963), London 1969. 62 For instance Goerlich, “Grundrechte als Verfahrensgarantien, Ein Beitrag zum Verständnis des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland”, Baden-Baden 1981, p. 371 seq.

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the citizen can complain lawfully because such violation might not touch his right to vote immediately and at present.63 And, more modern perspectives look at the law, including constitutional law, as an autopoietic system, which by a complex set of procedures recreates itself all the time, perpetuating its purposes and structures.64 There is some truth in the observation that law as a social phenomenon and at the same time as an intellectual way of thinking cannot be abolished easily. It takes a long period of lawless government to get rid of it. And if so, it soon is replaced by some substitute. And even then, law returns as economic and social needs create a demand for it. Then law turns out again as a quite often self-recreating structure, even if it almost seemed to be abolished. The most recent development in discussions on interpretation of constitutional law centers on questions of adequate functioning of government. This way, interpretation returns to the point where questions of a basic theory are raised. This is the case, because adequacy of functions is not only determined by practical requirements, but also by theoretically defined views as to what ought to be.65 In this sense, constitutional theory is demanded to provide the frame for constitutional interpretation and adjudication. This way the academic research gains more relevance than it seemed to have in a system of full judicial review.66 As mentioned earlier, the Constitutional Court has interpreted the term ‘free democratic basic order’ of the Basic Law just by defining it, without a proper line of arguments. In a combination of constitutional interpretation and constitutional theory this could be done. In this context, an interpretation using functional and theoretical approaches can help a lot. This could be shown in the discussion of other issues of interpretation as well. Therefore, constitutional law as an academic discipline gains weight in the field of research. But it depends on the preparedness of the scholar to enter into a functional discussion of purposes not only with the help of sociology or administrative sciences but also with the help of political philosophy, constitutional history and philosophy as such. This way, traditional disciplines will come back into the scene without being pushed aside by more modern approaches of the social sciences. This can be observed

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This is seen differently in 89 BVerfGE 155 (171 seq.). See recently Callies, “Prozedurales Recht”, Baden-Baden 1999, relying – inter alia – on Teubner, “Das Recht als autopoietisches System”, Frankfurt am Main 1989, and other publications of this author; more recent Ladeur, “Negative Freiheitsrechte und gesellschaftliche Selbstorganisation”, Tübingen 2000. 65 For an excellent outline of this approach in the area of administrative law and organization, see Gross, “Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation”, Tübingen 1999, p. 200 seq. 66 See Morlok, “Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?” Berlin 1988, p. 168 seq. 64

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in the discussions about the changes in administrative law in Germany.67 Of course, constitutional law does not govern social change or major transitions. But it stabilizes a situation when the major economic and political decisions are reached.68 Then it enables to reorganize continuity and expectations, rights and jurisdictions as to guarantee the functioning of the whole. At least, all mentioned theories on constitutional interpretation created an inventive atmosphere. Law is able to adjust. So is constitutional law. For instance, if the state is vanishing from the scene or privatizing activities, law remains present. Firstly, it remains on the place as a set of rules for autonomous actors of the game. Secondly, it remains present because the remote state with its public law turns out to be present as a phoenix rising out of the ashes being the supervisor and safeguard to guarantee minimal standards of fairness, access or ‘must carry’ rules as well as of ‘natural justice’ or of ‘due process’. These standards are partly an offspring of constitutional law. So, constitutional law and constitutional adjudication are back on the scene, even where the state seemed to vanish.

V. The Constitutional Court and the European Court of Human Rights As mentioned earlier, the Constitutional Court has had some difficulty in handling its role in the setting of the law of the European Community. This may be almost over by now.69 But, nevertheless, since the Court seems to give in, it is more and more apparent, that the role of the Court has changed. Its rulings are not final anymore; they might be challenged before the European Court of Justice in Luxembourg as a branch of ‘government’ of the European Community. And this change of the role of the Constitutional Court is even more visible if one adds another perspective: that one towards an International European Court on the other side of the Rhine river, at Strasbourg. There the European Court of Human Rights as judicial branch of the European Council is located, implementing the European Convention for the Protection of Human Rights and Basic Liberties of November 4, 1950, as an instrument, not of the law of the European Community but of regional international law. To this convention in European Community law the author referred as a human rights standard on regional level for the European Community earlier.70 In the mean67 See the series of volumes edited by Schmidt-Assmann and Hoffmann-Riem, for instance, by the same editors, Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Vol. 5, Baden-Baden 1998. 68 See Schulze-Fielitz, “Die deutsche Wiedervereinigung und das Grundgesetz – Zur Theorie und Praxis von Verfassungsentwicklungsprozessen”, in: Harms et al. (Eds.), Verfassungsrecht und Verfassungspolitik in Umbruchsituationen, Baden-Baden 1999, p. 65 – 116. 69 Supra note 45 with its quotation of a recent decision. 70 Supra note 48.

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time, the relation between the convention as a source of regional international law and as a source of European Community law has achieved another state: the European Council in its Conference at Nice on December 8, 2000, welcomed the joint proclamation of the Charter of Fundamental Human Rights of the European Union, which had been solemnly proclaimed on December 7, 2000, by the European Parliament, the Council and the Commission of the European Community. The Charter is not yet enacted law but might become law by interpretation as a set of basic constitutional traditions, principles and rights that the member states of the European Community have in common.71 This Charter is – as far as traditional rights are concerned – widely identical with the Convention, only the numbering is different and some appropriate rights are added as they have been developed in the last fifty years. And near the end of the Charter, in article 52 section 3 and article 53, rules for its interpretation are to be found, which say in effect that the rights in the Charter are to be held in conformity with conventions as regional instruments of international law, especially the Convention for the Protection of Human Rights and Basic Liberties. Even though the Charter is not yet law, it will influence constitutional principles and developments as to rights in the European Community. And by its article 52 section 3 and article 53, the Charter will help to resolve possible conflicts between both European Courts, that at Strasbourg as an international court and that at Luxembourg as a Court of European law. Overlapping jurisdictions matter less if in substance there is no great difference. Then the only question is which court has a chance to reach findings in substance first. And if the European Court of Justice is first, it has to take the adjudication of the European Court of Human Rights into account, since article 52 section 3 of the Charter supposes that rights in the Convention and the Charter have the same meaning. The European Court of Human Rights has handed down several decisions affecting German constitutional adjudication. The Federal Constitutional Court was hit, when the Court in Strasbourg ruled that under no circumstances a case could lawfully be pending for seven years before the Constitutional Court of Germany. Such a span of time was looked at as a denial of justice in the light of the due process of law as laid down in article 6 section l of the European Convention for the Protection of Human Rights and Basic Liberties.72 This affects the slow handling of most human rights cases in the Constitutional Court. And if the European Court of Human Rights over71

The Charter combines in a single text the civil, political, economic, social and societal rights hitherto laid down in a variety of international, European or national sources; as how to coordinate the different adjudications and the different declarations of rights see Alber/Widmaier, “Die EU-Charta der Grundrechte und ihre Auswirkung auf die Rechtsprechung”, in: 27 Europäische Grundrechtezeitschrift 497 seq. (2000). And Busse, “Die Geltung der EMRK für die Rechtsakte der EU”, in: 53 Neue Juristische Wochenschrift 1074 seq. (2000). 72 Compare European Court on Human Rights, Judgment of July 1, 1997, Application No. 125/1996/744/943 – Probstmeyer v. Germany, in German printed in: 50 Neue Juristische Wochenschrift 2809 seq. (1997).

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rules the Constitutional Court, a fine can be put against Germany which in practice internally has to be paid out of the budget of the Constitutional Court.73 Also, in recent years the inclination of parties to present their human rights case in Strasbourg has considerably increased. The most recent cases were those of former generals and high political leaders of the former German Democratic Republic to question the ‘retroactive’ application of criminal law against them by German criminal courts and the acceptance of that view by the Constitutional Court.74 It involved the use of firearms on the border and at the Berlin wall against Germans leaving the eastern state. The German courts took the view that the unlawfulness of the use of guns in these cases was obvious and clear even in East Germany as it happened in violation of international obligations of the German Democratic Republic, especially concerning human rights, and thus these former officials could be retroactively sentenced to imprisonment. These parties went to Strasbourg and lost there.75 The European Court of Human Rights accepted the German view in these cases. Whatever results such applications in Strasbourg may have, the fact of these proceedings changes the role of the Constitutional Court, as well as of any national court’s decisions which are final on the national level. Academically this has been observed.76 And it is on the mind of the bench.77 In the long run, the burden of the caseload has to be handled in this perspective. And it has its collateral impacts besides the influence of the European Court of Justice in Luxembourg and the European Community law. Also, the Constitutional Court itself has recently looked at the structure within Germany below, relating to the Constitutional Courts of the states of the federation within Germany in a similar way.78 Here it tends to develop the procedural prerequisite of subsidiarity in the sense that human rights cases first have to be 73

For an outline see Lausnicker/Schwirtzek, “Rechtsverhinderung durch überlange Verfahrensdauer – Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art. 6 I 1 EMRK”, in: 54 Neue Juristische Wochenschrift 1969 seq. (2001). 74 See 95 BVerfGE 96, interpreting art. 103 s. 2 of the Basic Law of the Federal Republic of Germany; for a critical analysis see Dreier, “Gustav Radbruch und die Mauerschützen”, in: 52 Juristenzeitung 421, 431 seq. (1997). 75 Compare European Court on Human Rights, Judgment of March 22, 2001, Streletz, Kessler and Krenz v. Germany, Applications Nos. 34044/96, 35532/97 and 44801/98; also the case of K. H. W. v. Germany, Judgment of March 22, 2001 Application No. 37201/97, for publication of the judgments in German see 28 Europäische Grundrechte-Zeitschrift 210, 219 seq. (2001). 76 See, for instance, Nickel, “Zur Zukunft des Bundesverfassungsgerichts im Zeitalter der Europäisierung”, in: 56 Juristenzeitung 625 seq. (2001); also Denninger, “Vom Ende nationalstaatlicher Souveränität in Europa”, in: 55 Juristenzeitung 1121 seq. (2000); and Schwarze, “Das Grundgesetz – ein Hindernis auf dem Weg nach Europa?”, in: 54 Juristenzeitung 637 seq. (1999). 77 See, for instance, the article by a Justice of the Court, Steiner, “Richterliche Grundrechtsverantwortung in Europa”, in: Geis/Lorenz (Eds.), Staat, Kirche, Verwaltung, Festschrift für H. Maurer zum 70. Geburtstag, München 2001, p. 1005 seq. 78 Compare 96 BVerfGE 345 and for interpretations of this decision, see Enders, “Die neue Subsidiarität des Bundesverfassungsgerichts”, in: 41 Juristische Schulung 462 seq. (2001).

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brought before the state constitutional courts of the states of the federation – if possible there – before they may be presented to it on the federal level. Constitutional adjudication in the field of human rights thus will be a task on three levels, state, nation and European. That hierarchy and concurrence of jurisdictions, adjudications and interpretations will at least in this area end in the development of basic principles, rights and structures of common European constitutional law.79 VI. Conclusion The German example gives a full perspective of the theme. This is so even if there are some critical remarks to be made about this example. In any case, interpretation and judicial review are preconditions for the growth of constitutional law in a given frame of government. Without interpretation by professionals and without adjudication by learned judges, constitutional law remains very often only a photograph of that moment in history when it was enacted. The role of the constitutional courts, therefore, is to develop the given Constitution as an outstanding organ of the living body of law of a given society and its successors. This will remain so, even if national constitutional law and its courts lose some functions, mainly because of the nation states somehow vanishing in the modern world. In Europe, this is not only the case because of the European integration under the European Communities, but also because of the retreat of the state, which takes place internally. If the state leaves more and more activities to an enlarged and augmented private sector, the state is pulling back into the role of a supervisor behind the scenes. Unchanged constitutional courts still resolve conflicts and determine disputes, by rulings based on constitutional interpretation as a matter of lawful constitutional government, which itself is governed by law and not by men.

79 See Bauer, “Europäisierung des Verfassungsrechts”, in: 122 Juristische Blätter 750 seq. (2000) and the four papers, presented by Pernice, Huber, Lübbe-Wolff, Grabenwarter, on “Europäisches und nationales Verfassungsrecht”, in: 60 Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 148 seq. (2001).

Der Gottesbezug in Verfassungen [2004]* I. Vorbemerkungen Verfassungen erwähnen Gott des Öfteren. Neben in der Regel zur Disposition gestellten Gottesanrufungen in Form der religiösen Beteuerung in staatlich vorgegebenen Eidesformeln finden sich solche Bezugnahmen vorzugsweise in Präambeln. Ihre Fassung und ihre Bedeutung haben sich jedoch geschichtlich gewandelt. Auch finden sich unterschiedliche Begründungen dafür, von solchen Bezügen Abstand zu nehmen. Dann stößt man auf Alternativen, wie beispielsweise einen Rekurs auf die Geschichte, die Vergangenheit und die Zukunft, die Schöpfung oder das Erbe – bis hin zum christlichen Erbe oder aber die Betonung der säkularen Gestalt des neuzeitlichen Staates, der sich zu so deutlichen Aussagen nicht befugt glaubt. Wie immer die Rechtsnatur der Europäischen Union jetzt oder künftig zu beurteilen ist, seit sie für sich „Werte“ und eine kulturelle Identität ihrer Mitgliedsstaaten reklamiert, verstärkt sich die Erwartung, auch diese Union werde die Demut aufbringen, einen Verweis auf das christliche Erbe oder besser noch einen expliziten Gottesbezug in ihre künftige Verfassung aufzunehmen. Durch Beschluss haben die Staats- und Regierungschefs der 25 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union am 18. Juni 2004 den Vertrag über eine Verfassung für Europa verabschiedet, ohne dass ein Gottesbezug oder ein Rekurs auf das christliche Erbe Europas in der Präambel enthalten wäre. Dieser Verfassungsvertrag wird am 29. Oktober 2004 in Rom förmlich unterzeichnet werden und hat dann die Ratifikationsverfahren der Mitgliedsstaaten zu durchlaufen. Die Debatte um den Entwurf zum Verfassungsvertrag1 aus dem Jahre 2003 hatte – ähnlich wie innerhalb Deutsch* Zuerst veröffentlicht in: Goerlich/Huber/Lehmann, Verfassung ohne Gottesbezug? Zu einer aktuellen europäischen Kontroverse, 2004, S. 7 ff. 1 Für den inzwischen nur geringfügig modifizierten Text des Entwurfs eines Vertrages über eine Verfassung für Europa vgl. den Druck des Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften 2003 sowie im Internet, http://europa.eu.int; zum Verfassungsbegriff im Falle dieses Verfassungsvertrages und darüber hinaus Hoffmann, Zu Entstehung, Entwicklung und Krise des Verfassungsbegriffs, in: Blankenagel u. a. (Hrsg.), Verfassung im Diskurs der Welt. Liber Amicorum für Peter Häberle zum 70. Geburtstag, 2004, S. 157 ff.; u. Grimm, Die Verfassung im Prozess der Entstaatlichung, in: Brenner u. a. (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes – Kontinuität und Wandel. Festschrift für Peter Badura zum 70. Geburtstag, 2004, S. 145 ff. (162 ff.); sowie unabhängig von der „Europäisierung“ der „Konstitutionalisierungsprozesse“ zuletzt Lerche, Das Grundgesetz – Grundordnung für das gesamte Gemeinwesen?, in: Brenner u. a. (Hrsg.), a.a.O., S. 347 ff.; zu den Entwürfen vor

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lands im Jahre 1994 im Rahmen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat – die Erörterung der Bedeutung und des normativen Gehalts eines Gottesbezuges in Verfassungen belebt.2 Bekanntlich blieb es auch in der Bundesrepublik Deutschland nach der Verfassungsreform von 1994 bei der Gottesanrufung in der Präambel des Grundgesetzes. Es erscheint jedoch fraglich, ob es noch zu einer Änderung des Verfassungsvertrages für Europa in diesem Punkte kommen wird, obwohl Länder mit mehrheitlich katholischer Bevölkerung wie Polen und Irland sowie die großen Kirchen dies in der einen oder anderen Weise auch für die Verfassung der Europäischen Union befürworten. Neben Polen und Irland wünschten auch Italien, Malta, Litauen, Portugal sowie die Slowakei und Tschechien einen Bezug auf das „christliche Erbe“ Europas in der Präambel, während Belgien und Frankreich offenbar den stärksten Widerstand leisteten.3 Allerdings hatte die irische Präsidentschaft der Europäischen Union schon im Vorfeld der entscheidenden Konferenzen des Frühsommers 2004 angekündigt, dass es einen Gottesbezug in der Präambel des Verfassungsvertrages der Europäischen Union trotz vielfältiger Forderungen dahin nicht geben werde.4 In der Bundesrepublik Deutschland scheint die Oppositionsfraktion der CDU/ CSU ihr Verhalten im Ratifikationsprozess u. a. von der Aufnahme eines Gottesbezuges in die Präambel abhängig machen zu wollen.5 Die Spitzen der evangelischen und der katholischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber und Karl Kardinal Lehmann, haben vor den abschließenden Verhandlungen Mitte Juni 2004 in

eingangs genanntem Entwurf sowie zu diesem Häberle, Die Herausforderungen des europäischen Juristen vor den Aufgaben unserer Verfassungs-Zukunft: 16 Entwürfe auf dem Prüfstand, in: DÖV 56 (2003), 429 ff. 2 Für die Debatte im Jahre 1994 vgl. Berlit, Die Reform des Grundgesetzes nach der staatlichen Einigung Deutschlands, in: JöR 44 (1996), 1 (68) u. Heitmann, Die Verantwortung vor Gott als Gegenstand der Verfassungspolitik, in: Goydke u. a. (Hrsg.), Vertrauen in den Rechtsstaat, Beiträge zur deutschen Einheit im Recht, Festschrift für W. Remmers, 1995, S. 127 ff. 3 Vgl. Süddeutsche Zeitung, Nr. 119 v. 25.5. 2004 unter „Parlamentarier sehen Handlungsfähigkeit der EU gefährdet“ und FAZ, Nr. 120 v. 25.5. 2004, 8, unter „Kompromiss über Verfassung in Sicht“ sowie Nr. 122/22D v. 27.5. 2004, 1, unter „Raffarin gegen christlichen Bezug in EU-Verfassung“, wobei Raffarin gesagt haben soll, „[…] das europäische Projekt ist säkular […]“. 4 Vgl. FAZ, Nr. 103 v. 4.5. 2004, 2: „Ahern: Kein Gottesbezug in EU-Verfassung“. 5 Vgl. FAZ, Nr. 80 v. 3.3. 2004, 2; „Gottesbezug und unabhängige EZB“. In der Debatte im Bundestag am 2. Juli 2004 hat die CDU an dieser Position offenbar festgehalten, vgl. Merkel, Rede zu Tagesordnungspunkt 27 – Einigung der Staats- u. Regierungschefs der Europäischen Union auf eine europäische Verfassung, Deutscher Bundestag, Sten. Bericht Plenarprotokoll 15/119 v. 2.7. 2004, 10874 A, wo sie einerseits von christlichen, jüdischen Wurzeln in einem solchen Verfassungsvertrag spricht, andererseits die Verankerung des christlichen Erbes einfordert; wobei die Präsenz arabischer Wissenschaft und Kultur in Europa nicht thematisiert wird.

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einem Brief an den Bundeskanzler nochmals auf die Aufnahme eines Gottesbezuges in den Vertrag über eine Verfassung für die Europäische Union gedrungen.6 Die prononcierteste Schrift zum Thema stammt von J. H. H. Weiler, einem amerikanischen Rechtslehrer jüdischen Glaubens, der in Südafrika geboren wurde und früher an der Law School der Columbia Universität in New York, nun an der Harvard Law School in Cambridge, Massachusetts, lehrt und zugleich in Florenz am Europäischen Universitätsinstitut als Direktor tätig ist.7 Die Schrift ist zunächst auf Italienisch erschienen und liegt seit Mai 2004 in deutscher Sprache mit einem Vorwort von Ernst-Wolfgang Böckenförde vor;8 einem Vorwort, das allerdings zu den „Erkundungen“ des Buches – wie der Autor sie nennt – jede Stellungnahme vermeidet. Weiler tritt vehement für einen Gottesbezug in der künftigen europäischen Verfassung ein. Er übersieht allerdings nicht, dass moderne Gesellschaften pluralistisch angelegt sind. Daher will er neben einem Gottesbezug gleichwertig auch eine säkulare Begründung einer solchen Verfassung durch eine Passage in ihrer Präambel anerkennen. Tritt man für einen Gottesbezug in Präambeln verbindlicher Rechtstexte ein, so empfehlen sich zunächst nähere Unterscheidungen. Es finden sich nämlich unterschiedliche Formen solcher Bezüge. Eine Invocatio Dei, also eine Anrufung Gottes, impliziert, dass man im Namen des Gottes spricht, den man anruft, um das Gelingen der Verfassung sowie ihren Bestand unter seinen Schutz zu stellen. Ein schlichterer Gottesbezug nennt Gott als Instanz, vor der sich die Menschen zu verantworten haben. Er stellt entweder einen Gegensatz her zwischen einem Staat ohne Gott und ohne Gewissen oder aber verpflichtet nur das Staatsoberhaupt auf eine Eidesformel mit – unter Umständen – auch personalem Gottesbezug. Solche Nominatio Dei, also Nennung Gottes, spricht nur die Verantwortung vor Gott oder seine Gegenwart an, sieht ihn aber nicht notwendig als „waltenden“ Gott. II. Der Gott der Aufklärung und ältere Formationen Eine wesentliche Rolle für den Wandel von Gestalt und Bedeutung solcher Formulierungen spielt die Aufklärung. Sie hat das Modell des konfessionsneutralen Staates endgültig durchgesetzt. Seither bereitet es erhebliche Schwierigkeiten, einen waltenden Gott mit dem Staat in Verbindung zu bringen. Allerdings finden sich an Stelle eines solchen Gottesbezuges Formulierungen, die noch eine gewisse 6 Vgl. FAZ, Nr. 129 v. 5.6. 2004, 7: „Huber und Lehmann für Gottesbezug“; inzwischen von katholischer Seite erschienen: Hoffschulte, Christliches Menschenbild und Gottesbezug in der Verfassung der Europäischen Union, 2004, mit einer ausführlichen Dokumentation im Anhang. 7 Dies geht aus der Neuauflage seines älteren Sammelwerkes hervor, vgl. Weiler, The Constitution of Europe, „Do the New Clothes have an Emperor?“, Cambridge 1999, Reprint 2004. 8 Vgl. Weiler, Ein christliches Europa, Erkundungsgänge, Salzburg 2004, zuerst Mailand 2003, übersetzt von Franz Reimer und mit einem Vorwort von Böckenförde.

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Verwandtschaft mit der vorausgegangenen Übung erkennen lassen. Zudem kam es nach den napoleonischen Kriegen im Zuge der Gegenbewegung zur Aufklärung zum Versuch, voraufklärerische Formulierungen samt dem hinter ihnen stehenden Ordnungsmodell beizubehalten bzw. wieder aufzunehmen. Dabei nutzte die Restauration in einer Gegenbewegung zur Aufklärung die etwas früher einsetzende Romantik, um der Klarheit des „Zeitalters der Vernunft“ entgegenzuwirken. Das lud auch im öffentlichen Leben zu Formulierungen aus der religiösen Tradition ein. Dennoch stellte sich alsbald eine gewisse Distanz zwischen Staat und Religion, Vernunft, Recht, Glaube und Bekenntnis wieder her, ohne dass die revolutionäre Haltung und der zuvor etablierte Deismus erneut die Regel geworden wäre. Aus solch größerem Abstand kam es nämlich zur bloßen Berufung der Auspizien eines höchsten Wesens: „[…] sous les auspices de l’Etre supreme […]“. So heißt es seit der französischen Revolution in der Präambel der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789, die in die französische Verfassung vom 3. September 17919 aufgenommen und in der Verfassung vom 27. Oktober 1946 ergänzt10 sowie mit dieser Ergänzung in der französischen Verfassung vom 4. Oktober 195811, die heute noch gilt, erneut in Bezug genommen wurde. Auch distanziert, aber doch konkreter enthielt die erste republikanische Verfassung Frankreichs des 19. Jahrhunderts vom 4. November 1848 schon eine Nennung Gottes; sie wird im Namen des französischen Volkes proklamiert, aber an erster Stelle steht: „[…] en presence de Dieu […]“.12 Die Charte von 1814 hatte hingegen als oktroyierte Verfassung und angesichts ihrer Proklamation durch den König eine derartige Vergewisserung nicht nötig, da der König selbst als allerchristlichster König der Gnade Gottes ohnehin teilhaftig oder jedenfalls versichert war. Ähnlich abstrakt wie diese französische Formulierung ist die Nennung des Schöpfers der Menschen – Creator – in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 177613. Zudem ist die Formulierung Laws of Nature und Nature‘s God und die Zielstellung der pursuit of happiness der deistischen Philosophie der Zeit gemäß.14 Derartige deistische Gottesberufungen sind im 18. Jahrhundert sehr oft zu finden.15 Schließlich kann ein verdeckter Gottesbezug auch in der Berufung der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, den natürlichen Lebensgrundlagen oder aber gegenüber den künftigen Generationen liegen. Denn auch solche Formulierungen können auf einem transzendenten, interpersonalen Bezug zu Natur, Umwelt und 9

Siehe Debbasch/Pontíer, Les Constitutions de la France, 1983, S. 8. Vgl. den Text in Debbasch etc. (Anm. 9), S. 243 f. 11 Siehe den Text in Debbasch etc. (Anm. 9), S. 277. 12 Vgl. den Text in Debbasch etc. (Anm. 9), S. 143. 13 Der Text in Morison, Sources and Documents illustrating the American Revolution, 2. Aufl. 1965, S. 157. 14 Siehe Abdruck Morison (Anm. 13), S. 157. 15 Etwa im Gesetz über die Religionsfreiheit in Virginia vom Oktober 1785, a.a.O., S. 206; auch in der Präambel der Verfassung von Pennsylvania, a.a.O., S. 163. 10

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menschlicher Gattung beruhen. Sehr viel schwächer erscheinen Formulierungen, die auf humanistische, kulturelle oder religiöse Überlieferungen Bezug nehmen bzw. auf das geistig-religiöse und sittliche Erbe. Solche Formulierungen lassen erkennen, dass sozusagen nicht der Gottesglaube, sondern eine historisch mit ihm verbundene Ethik angesprochen ist; es wird also geradezu eine Distanz, vielleicht ein unüberbrückbarer Hiatus hergestellt. Die polnische Verfassung von 1997 allerdings überbrückt einen solchen Hiatus. Sie enthält keine schlichte invocatio wie diejenige des Landes aus dem Jahre 1921, die „Im Namen Gottes des Allmächtigen […]“ erging,16 sondern spricht für beide Teile des Volkes: nämlich „für diejenigen, die in Gott die Quelle der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Guten und der Schönheit sehen, sowie für diejenigen, die diesen Glauben nicht teilen, aber die allgemeinen Werte anerkennen aufgrund anderer Quellen“.17 III. Die Wirkungen von Präambeln und Erwägungsgründen Manchmal ist man versucht, aus Präambeln oder Erwägungsgründen Rechtsfolgen für einen konkreten Fall abzuleiten. Indes wird man hier zu unterscheiden haben. Präambeln sind nach deutschem Verständnis aus der Sicht der Mehrheit der Fachgelehrten nur in Ausnahmefällen verbindlich, sagen aber selbst in diesem Falle nichts über die Wahl der Mittel des staatlichen Handelns aus.18 Der klassische Fall ist das heute in der Präambel des Grundgesetzes nach der deutschen Einheit nicht mehr enthaltene „Wiedervereinigungsgebot“.19 Hier galt, dass das Ziel verbindlich für die Staatsleitung, die Wahl der Mittel aber frei sei. Zweifellos haben Verfassungspräambeln wenn nicht eine strikt normative, so aber doch eine kulturelle Wirkung, wie insbesondere die Arbeiten von Peter Häberle gezeigt haben,20 in dessen Schule weitere Einzelstudien zu finden sind.21 16 Willoweit/Seif, Rechtshistorische Texte, Europäische Verfassungsgeschichte, 2003, S. 663. 17 Soweit Verfassungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zitiert werden, sind Belege im Internet unter www.verfassungen.de abrufbar. 18 Vgl. die gute Übersicht bei Dreier in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl. 2004, Präambel Rn. 16 ff.; auch etwa zur Kategorie der Verantwortung Wiegand, Das Prinzip der Verantwortung und die Präambel des Grundgesetzes, in: JöR 43 (1995), 31 ff. 19 Dazu BVerfGE 36, 1 (16 ff.) – Grundlagenvertrag; auch BVerfGE 84, 90 (122); früher BVerfGE 77, 137 (149) und zuerst BVerfGE 85, 127. 20 Vgl. etwa Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Aufl. 1998, S. 920 ff., und ders., Europäische Verfassungslehre, 2. Aufl. 2004, S. 274 ff., und – zum Entwurf des Verfassungsvertrages – S. 638 ff. (642, 644) sowie passim. 21 Siehe Kulow, Inhalte und Folgen der Präambel des EG-Vertrages, 1997, wobei diese Arbeit sich durch Analysen auch der Rechtsprechung und der Schlussanträge der Generalanwälte, die Erwägungsgründe einbeziehen, auszeichnet; und Kotzur, Theorieelemente des internationalen Menschenrechtsschutzes. Das Beispiel der Präambel des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, 2001, bes. S. 59 ff.

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Zu unterscheiden sind Verfassungspräambeln von Erwägungsgründen bloßer Verträge oder Gesetze. Das betrifft ebenso die europäischen Verträge bisher und künftig den Verfassungsvertrag, sofern er in Kraft tritt, wie zahllose Regeln des so genannten europäischen Sekundärrechts, also Verordnungen und Richtlinien, die eine Präambel oder Erwägungsgründe besitzen. Gleiches gilt inzwischen oft auch für das Vertragsrecht der deutschen Länder, etwa im Bereich des Rundfunks. Verfassungen haben einen kulturell stärkeren Gehalt, wenn sie in einer Präambel als Vorspiel ihre Erwägungen und Zwecke proklamieren. Dann erscheinen sie besser orientiert und stellen selbst die Kontinuität von früherer über gegenwärtige bis hin zu künftiger rechtlicher Gestaltung her. Im einfachen Recht hingegen sind die tagespolitische Zielsetzung, das legislative Kalkül und die politische Botschaft von größerer Bedeutung. Nach dem konfessionellen Zeitalter, den Nationalstaaten und den Kriegen des 20. Jahrhunderts in Europa und der Welt ist es zudem kein Zufall, dass in europäischen Rechtsinstrumenten – wie schon im Westfälischen Frieden – die Friedenssicherung als reales politisches Ziel eine herausragende Rolle spielt. Diese Zielsetzung legt es besonders nahe, einen etwaigen religiösen Bezug nicht zu konfessionalisieren und religionspolitisch parteilich ausfallen zu lassen. Andernfalls wären nicht Befriedung, sondern erneute Spaltungen und Verletzungen die Folge. Für Präambeln und Erwägungsgründe wird oft vertreten, dass sie dann als Auslegungshilfen heranzuziehen sind, wenn Rechtsfragen offen sind, die in casu entschieden werden müssen. Das gilt auch, wenn die Präambel – anders als in Deutschland – Teil der normativ verbindlichen Verfassung ist und etwa deren „basic structure“, d. h. das Äquivalent einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit Verbindlichkeit im Sinne von Art. 79 Abs. 3 des deutschen Grundgesetzes, zum Ausdruck bringt, wie das in Indien der Fall ist.22 Dann ist der Inhalt der Präambel zwar verbindlich, wirkt indes nicht über die Hilfe bei der Auslegung hinaus. Dabei besteht die über eine Auslegungshilfe hinausgehende Funktion der Präambel in der Feststellung des Gehalts jener „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, d. h. der in der Präambel aufgeführten „basic structure“. In Rechtsordnungen aber, in denen die Präambel selbst nicht Teil der Verfassung ist, können solche Auslegungshilfen nicht dazu führen, dass ausdrückliche Rechtssätze des betreffenden Rechtsinstruments modifiziert oder gar in ihr Gegenteil verkehrt werden. Denn dem Rechtstext selbst bleibt schließlich seine vorrangige Geltung zugewiesen. Ist der Text eindeutig, so hat es damit sein Bewenden. Im Rahmen der historischen und teleologischen Auslegung kann allerdings eine Präambel oder ein Erwägungsgrund dann helfen, wenn der Text der Norm nicht eindeutig ist. Es muss also Rechts- bzw. Verfassungskonformität im Sinne der gegebenen Bindungen an den Rechtstext oder die Verfassung ge22 Vgl. etwa Bakshi, The Constitution of India, 5th Ed., Reprint Delhi 2004, S. 1 ff. u. Singh, Shukla’s Constitution of India, 10th Ed., New Delhi 2001, S. 1 ff., auch zu „We the People of India […]“, offensichtlich in Anlehnung an den historischen Text der US-Bundesverfassung. Der mögliche geschichtliche Wandel unter dieser Formulierung der amerikanischen Präambel wurde Thema und Titel einer großen Trilogie zur amerikanischen Geschichte, vgl. Ackerman, We the People – Foundations, Vol. 1, 1991 und später.

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wahrt bleiben. Präambeln oder Erwägungsgründe stehen nicht über der Verfassung oder dem Gesetzes- oder Rechtstext. Im Falle von Präambeln kommt allerdings hinzu, dass sie in der Regel in hohem Maße zukunftsgerichtet sind.23 Daraus folgt, dass ihre Normativität angesichts der Ungewissheit von Entwicklungen über lange Zeiträume notwendigerweise sehr offen sein muss. Denn der Wandel der Umstände der Anwendung einer Verfassung erfordert eine schon deshalb zurückgesetzte Normativität. Das muss umso mehr gelten, je größer die Ungewissheit der geschichtlichen Entwicklung ist. Schließlich sind manche Entwicklungen durchaus vorhersehbar, während andererseits manche Wendungen völlig überraschend eintreten. Ein Gottesbezug kann in diesem Sinne keinerlei Weisungskraft entfalten, er kann nur einen dem Recht vorausliegenden Ausgangspunkt eines offenen Handlungsrahmens bezeichnen. Folgen für die Auslegung von Verfassungen könnten sich zunächst aus der invocatio in stärkerem Maße als aus einer bloßen nominatio ergeben. Entsprechendes gilt für andere, sozusagen schwächere Formulierungen. Auch kann ein Gottesbezug neben anderen Verantwortlichkeiten in der Weise stehen, dass ersichtlich eine Parallelisierung vorliegt, die die Verantwortung vor Gott als Ausdruck nur eines Teils der Mütter und Väter der Verfassung erscheinen lässt. Mit der Feststellung einer solchen Verantwortung wird also keine Allgemeinverbindlichkeit statuiert, sondern sich nur auf eine partikulare Legitimationsgrundlage bezogen: eine Form, die ausdrücklich – indes kaum sogleich erkennbar – nur im polnischen Falle anzutreffen ist. Jenseits dieser Kategorien steht der bloße Segenswunsch, wie er sich in der Präambel der Verfassung der Republik Südafrika vom 8. Mai 1996 findet: „May God protect our people“ bzw. in allen maßgeblichen weiteren Sprachen: „God bless South Africa“.24 In der deutschen staatsrechtlichen Doktrin überwiegt die Auffassung, dass der Präambel des Grundgesetzes in Ansehung des Gottesbezugs keine Verbindlichkeit innewohnt.25 Diesem Gottesbezug wird zwar – ähnlich wie in der Schweiz – entnommen, dass der Staat nicht absolut gesetzt werden darf. Der Gottesbegriff selbst aber wird nicht inhaltlich aufgeladen, er bleibt offen für jeden religiös-transzendenten Ge-

23 Siehe Bäumlin, Recht, Staat, Geschichte, 1961, S. 34; in Bezug genommen bei Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft (Anm. 20), S. 930, Anm. 926; so schon in Müller, Normstruktur und Normativität, 1966, S. 156; auch in: ders., Strukturierende Rechtslehre, 1984, S. 156. 24 Dazu Häberle (Anm. 23), S. 949 f., sowie ders., Europäische Verfassungslehre (Anm. 20), S. 642, wo er die südafrikanische Verfassung allerdings als mit einem „alleinigen Gottesbezug“ ausgestattet sieht; die Verfassung ist aufzufinden im Internet unter: http:// www.uni-leipzig.de/%7Ejurarom/suedafri/dat/consti96.rtf; ebenso sind identifikatorische Aussagen anders zu sehen, etwa wenn in den Vereinigten Staaten von Amerika auf einer Münze zu lesen ist „In God we trust“. 25 Statt vieler Geiger, Zur Genesis der Präambel des Grundgesetzes, in: EuGRZ 13 (1986), 121 ff. (124); Kunig, in: v. Münch/ders., GG-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Präambel Rn. 16.

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halt.26 Nicht ganz vereinzelt ist die Meinung, dass der Gottesbezug ein totalitäres ebenso wie ein atheistisches Regime ausschließe,27 wiewohl sich dies auch aus den Grundrechten unmittelbar ergibt, schützen doch Glaubens- und Religionsfreiheit sowie das aus ihnen erwachsene Neutralitätsgebot gegen verordneten Atheismus. Wie eingangs schon erwähnt, hatten nach der deutschen Vereinigung in der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat die Grünen und die PDS beantragt, den Gottesbezug zu streichen,28 nachdem erst Ende 1993 in Niedersachsen ein Gottesbezug in die neue Verfassung dank eines Volksbegehrens aufgenommen worden war. Der Antrag der Grünen hat nochmals zu einem Schub kontroverser Literatur geführt,29 während später Konflikte um Erziehungsziele zusätzliche Äußerungen hervorgerufen haben.30 Am besten beantwortet Konrad Hesse die Frage nach der Normativität von Präambeln, indem er den Ort der Präambel im Grundgesetz außerhalb des normativen Teils der Verfassung sieht, ihr aber zugleich unmittelbar rechtliche Bedeutung zuweist, sie nämlich als verbindliche Zielorientierung für die Organe der politischen Leitung ansieht. Dabei äußert er sich allerdings nicht zum Gottesbezug.31 In einem europäischen Verfassungsvertrag würde ein Gottesbezug ebenso wenig wie in einer nationalen Verfassung zu Bindungen führen können, ist doch die Europäi26 Vgl. Häberle, „Gott“ im Verfassungsstaat, in: Fürst u. a. (Hrsg.), Festschrift für W. Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 3 ff. (14 f.); damit setzen bei diesem Autor Studien zu Präambeln ein, vgl. ders., Präambeln im Text und Kontext von Verfassungen, in: Listl u. a. (Hrsg.), Demokratie in Anfechtung und Bewährung, Festschrift für Broermann, 1982, S. 211 ff., der Vorläufer zu der oben in Anm. 20 genannten Fassung in einem Sammelband. 27 Siehe bes. Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1. Aufl. 1987, § 138 Rn. 81; ähnlich mit Bezug zur Schweiz Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders. (Hrsg.), GG I, Präambel Rdnrn. 36 u. 37; auch Huber, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Präambel Rdnrn. 36 u. 37. 28 Antrag des MdB Dr. Ullmann u. der Gruppe Bündnis 90/DIE GRÜNEN BT-Drs. 12/ 6686 v. 27.1. 1994; zuvor Antrag des MdB Dr. Heuer, Dr. Gysi u. der Gruppe PDS/Linke Liste BT-Drs. 12/6570 v. 12.1. 1994; dazu Schwemer, Der Gottesbezug in Verfassungspräambeln, in: RuP 31 (1995), 7 ff.; im Vorgriff Renck, Staatskirchenrechtliche Probleme des Verfassungsentwurfs für Thüringen, in: ThürVBl. 2 (1993), 184 ff. (185); anders Rommelfanger, Die Verfassung des Freistaats Thüringen des Jahres 1993, in: ThürVBl. 2 (1993), 173 ff. (181 f.). 29 Etwa Müller, Der Gottesbezug in der Präambel des Freistaats Thüringen, in: ThürVBl. 3 (1994), 176 ff.; auch Hofmann, Das Grundgesetz ohne Gott – aber mit Mitmenschlichkeit?, in: ZRP 27 (1994), 215 ff. 30 Früher Renck, Religionsfreiheit und das Bildungsziel der Ehrfurcht vor Gott, in: NJW 42 (1989), 2442 ff. (2443); anders Ennuschat, „Gott“ und Grundgesetz, in: NJW 51 (1998), 953 ff.; dagegen Czermak, „Gott“ im Grundgesetz?, in: NJW 52 (1999), 1300 ff.; auch Kühne, Ehrfurchtsgebot und säkularer Staat – verfassungswidriges Landesverfassungsrecht?, in: NWVBl. 5 (1991), 253 ff., der die Durchsetzung solcher Gebote mit Hilfe der Lehrer als Fall gestufter Parität im Sinne der klassischen Rechtsfigur des herkömmlichen Staatskirchenrechts für rechtens hält – was an die gegenwärtige Kleiderordnung für Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg erinnert. 31 Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts für die Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995 (Nachdruck 1999), S. 55 f. Rn. 114 ff. (115).

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sche Union nach dem Entwurf dieses Vertrages wie nach geltendem Recht auf eine sowohl gegenüber einem positiven als auch gegenüber einem negativen Gebrauch religiöser Rechte diskriminierungsfreie Praxis verpflichtet, die Grundrechte nicht verletzt. Diese Verpflichtung hat in der Tat die Unverbindlichkeit des Gottesbezugs in der Verfassung zur Folge, wie Hartmut Maurer eindeutig für das deutsche Grundgesetz feststellt.32 Das erklärt, weshalb Peter Lerche so weit geht, den Gottesbezug als bloßes Dekor zu bezeichnen.33 IV. Die Deutsche Bundesakte (8. Juni 1815) und die „Heilige Allianz“ (26. September 1815) Eine Invocatio Dei, wie sie später in Deutschland bis zu einigen auf das nationalsozialistische Regime und den zweiten Weltkrieg reagierenden Nachkriegsverfassungen einzelner Länder nicht mehr anzutreffen ist, findet sich in der Deutschen Bundesakte von 1815.34 Das Dokument wird eröffnet mit: „Im Namen der allerheiligsten und unteilbaren Dreieinigkeit.“ Ähnlich – nur in französischer Sprache – formuliert der Allianz-Vertrag vom 26. September 181535, den Russland, Preußen und Österreich geschlossen haben. Diesem Vertrag, der die „Heilige Allianz“ begründete, traten alle europäischen Staaten einschließlich Frankreichs mit Ausnahme des Heiligen Stuhls und der Hohen Pforte sowie Großbritanniens, wo nur der Prinzregent persönlich dies tat, bei.36 Dem Allianzvertrag war die Proklamation von Kalisch vorausgegangen, die sich auf das Vertrauen in den waltenden gerechten Gott bezog; Fürst Kutusov verkündete sie als General-Feldmarschall und oberster Befehlshaber der Verbündeten Heere im Namen des Kaisers aller Reußen und des Königs von Preußen.37 Im Gründungsvertrag der „Heiligen Allianz“ heißt es denn auch: „Au nom de la Très-Sainte et Indivisible Trinité […]“. Die Heilige Allianz war konzipiert als persönlicher Bund souveräner Fürsten, was gewissermaßen ähnlich einer Eidesformel die Berufung auf die Trinität nahe legte. Diese Allianz begründete eine neue europäische Ordnung auf religiöser Grundlage. Dabei beanspruchte sie das Christentum, was der Vertrag über die invocatio hinaus in mehreren Wendungen manifestierte. Die Allianz wollte ein monarchisches „christ32

Vgl. Maurer, Staatsrecht, 2. Aufl. 2001, S. 136 ff. (139) Rn. 1 ff. (5). Lerche, Christentum und Staatsrecht, in: Tomandl (Hrsg.), Der Einfluss des katholischen Denkens auf das positive Recht, 1970, S. 85 ff. (86). 34 Siehe Nachweis und Abdruck bei Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: 1803 – 1850, 3. Auflage 1978, Nr. 30, S. 84 ff. 35 Vgl. Nachweis und Abdruck bei Huber (Anm. 34), Nr. 29, S. 83 f. 36 Die „Heilige Allianz“ zerbricht 1822 an der griechischen Frage, die zu einem unüberwindbaren Interessengegensatz zwischen Russland und Österreich führt, dank der britischen Neutralität aber mit der griechischen Unabhängigkeit ihre Antwort findet. 37 Vgl. Huber (Anm. 34), Nr. 28, S. 81 ff. 33

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liches Europa“ und stellte zugleich den Ausgangspunkt und die Rechtfertigung der restaurativen, aber auch neuen „brüderlichen“ Ordnung der Monarchien dar, die in der Reaktionszeit in Zentraleuropa dominierten und frühliberale, revolutionäre sowie reformerische Bewegungen allmählich verdrängten, bis dann auch die deutsche Einigungsbewegung in Gestalt der kleindeutschen Lösung unter preußischer Ägide den Nationalismen Präponderanz verschaffte. Sicher hat die Politik der Heiligen Allianz ihr „christliches Europa“ und ihre Präambel diskreditiert. Das vermutet Peter Häberle auch hinsichtlich der heutigen iberischen Verfassungen von 1978 und 1976/1982, nachdem die Verfassungen Francos und Salazzars jeweils einen eindeutigen Gottesbezug enthalten hatten.38 Unter der Ägide des Deutschen Bundes und – der Intention nach – auch der Heiligen Allianz setzten sich die die Reaktion tragenden Kräfte Österreichs und Preußens im Wege von Bundesinterventionen durch, etwa in Kurhessen schon im Vormärz und in Baden 1848/49. Diese Interventionen stellten mithin auch den Deutschen Bund und seine Legitimationsgrundlagen in Frage. V. Die eidgenössisch-genossenschaftliche Überlieferung, mittelalterlich-reichsrechtliche Kautelartradition und die neuzeitliche Welt Die ältere Formulierung einer invocatio – d. h. „Im Namen Gottes des Allmächtigen! […]“ – ist so oder auch im Sinne einer Anrufung der Trinität allerdings auch Republiken möglich. Die erstgenannte Variante bietet die eidgenössische Bundesverfassung seit 1999 (wie schon 1874). Die sehr viel weitergehende Anrufung der Trinität enthalten die irische Verfassung von 1937 und die griechische Verfassung von 1975. Dabei hat die Schweiz wohl den Mythos des Rütli-Schwurs im Auge, der als Schwur zur Begründung eines ewigen Bundes eine Anrufung der Trinität als Symbol der Dauer nicht nur nahe legt, sondern notwendig machen könnte. Tatsächlich allerdings ergeht der Schwur in seiner geschriebenen Fassung von 1291 „Im Namen Gottes. Amen […]“.39 Hier kann die Treue zur Überlieferung in eidgenössischer Retrospektive diese Formulierungen in genossenschaftlicher Kautelartradition festhalten. Im 19. Jahrhundert finden sich in den deutschen Verfassungen der Gliedstaaten des Deutschen Bundes keine Gottesanrufungen in abstrakter Form. Sie sind vielmehr konkret enthalten in den ersten Worten der jeweiligen Präambel durch den Bezug auf 38

Vgl. Häberle (Anm. 23), S. 955, Anm. 992. Es gibt kein Dokument oder Zeugnis des Rütli-Schwures; bei Schiller findet sich in den Formulierungen zwar neben dem Bezug auf die Väter ein Gottesbezug, nicht aber die Trinitätsformel, vgl. Schiller, Sämtliche Werke, Zweiter Band, 1981, S. 964: „Lasst uns den Eid des neuen Bundes schwören – Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr. – Wir wollen frei sein, wie die Väter waren, Eher den Tod als in Knechtschaft leben. – Wir wollen trauen auf den höchsten Gott und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.“ Der Vertrag von 1291 ist dokumentiert und enthält den im Text genannten Gottesbezug, vgl. Willoweit/Seif (Anm. 16), S. 193, lateinisch und deutsch. 39

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das Gottesgnadentum des Fürsten, der die Verfassung gibt. Es erübrigt sich sozusagen die Anrufung Gottes oder der Trinität, weil die Stabilität der göttlichen Ordnung schon gegenwärtig ist durch den Status des Fürsten kraft des monarchischen Prinzips und seiner Legitimität, die Verfassungen ohnehin transzendiert. Auch in kontrahierten Verfassungen aus dieser Zeit, wie etwa der des Königreichs Württemberg, steht die selbstverständliche Nennung des Gottesgnadentums am Anfang, wiewohl hier gerade die Verbindlichkeit auch für den Monarchen aus der Vertragsstruktur hervorgeht, die an ältere Verfassungsverträge anknüpft.40 Diese älteren Verträge waren auf das Zeugnis anwesender Granden und die kaiserliche Bestätigung angewiesen, so etwa der Tübinger Vertrag des Herzogtums Württemberg aus dem Jahre 1514.41 Dass solche Verfassungsverträge keinen Gottesbezug enthalten, wird plausibel, wenn man die Stellung der Zeugen zum Dokument ins Auge fasst: Deren Zeugnis enthält in einer Schwurformel den Gottesbezug, nicht aber das als echt beschworene Dokument selbst. Anders mag es sein, wenn nicht eine Zeugenrolle in Rede steht, sondern die Beeidung der Teilnahme an der Gründung eines Bundes auf dem Wege eines Gründungsschwurs etwa als Grundlage einer Genossenschaft. Die Dokumente des Reichsverfassungsrechts im Mittelalter enthalten hingegen häufig einen eröffnenden Bezug auf den dreieinigen Gott. Das entspricht ohne Zweifel der reichsverfassungsrechtlichen Lage noch bis zum Instrumentum Pacis von 1648, das entsprechend „Im Namen der hochheiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Amen […]“ ergeht.42 Es gibt schließlich bis zum Ende des Alten Reichs rechtlich eine Reichskirche und die Absicht der itio in partes im Verfahren der Reichsorgane ist die Friedenssicherung, indes letztlich mit dem Ziel der Wiederherstellung der Einheit der Kirche des Reichs. Die Aufklärung ist am Reichsverfassungsrecht vorbeigegangen, wie Michael Stolleis kürzlich festgestellt hat.43 Entsprechend formulieren die älteren Verfassungsurkunden des Reichs wie die Goldene Bulle 135644 und zahlreiche ältere Kaiser-Urkunden, die das Gottesgnadentum des Fürsten im Dokument noch nachgeordnet unter die eröffnende Anrufung der Trinität stellen.45

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Siehe Huber (Anm. 34), Nr. 54/55, S. 172 ff. Abgedruckt im Anhang von Dürig, Gesetze des Landes Baden-Württemberg, Stand 2003; auch in Willoweit/Seif (Anm. 16). 42 Vgl. Abdruck bei Buschmann, Kaiser und Reich, Bd. II, 2. Aufl. 1994, S. 15. 43 Stolleis, Aufklärung und öffentliches Recht, in: de Wall/Germann (Hrsg.), Bürgerliche Freiheit und Christliche Verantwortung, Festschrift für Christoph Link zum 70. Geburtstag, 2003, S. 851 ff. (855 f.); zur heutigen Sicht Kästner, „Säkulare“ Staatlichkeit und religionsrechtliche Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland, in: ZevKR 34 (1989), 260 ff. 44 Siehe Buschmann, Kaiser und Reich, Bd. I, 2. Aufl. 1994, S. 110; ähnlich die Goldene Bulle Andreas‘ II. von Ungarn, vgl. Willoweit/Seif (Anm. 16), S. 26 ff. 45 Ebenfalls bei Buschmann (Anm. 44), S. 65, 68, 75; für die spätere Entwicklung Papenheim, Präambeln in der deutschen Verfassungsgeschichte seit Mitte des 19. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Invocatio Dei, 1998, mit einer Dokumentation im Anhang; auch Weinholt, Gott in der Verfassung, 2001, eine Arbeit die theologische Gesichtspunkte in den Vordergrund stellt und historisch dokumentiert. 41

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Eine ganz andere Legitimation weisen hingegen die genannten, ebenfalls noch mittelalterlichen, indes bündisch und zugleich genossenschaftlich konzipierten Urkunden der schweizerischen Eidgenossen auf. Sie konstituieren einen Bund gleicher Rechtsgenossen, der beansprucht, aus sich selbst heraus verbindlich zu sein, weshalb nur der Segen Gottes als Gewähr des Fortbestandes bleibt, unbeschadet der erst späteren und allmählich erreichten Anerkennung der Schweiz auf völkerrechtlicher Ebene. Die gleiche Gegenseitigkeit der Bindung wird in der Schweiz denn auch oft leidenschaftlich festgehalten. In diesem Zusammenhang kann eine Gottesanrufung durchaus entsprechend älteren Kautelartraditionen erhalten bleiben, sie kann aber nach der Heiligen Allianz gerade in Monarchien auch entfallen, um sich in einer neuen Verfassung gegen das monarchische Prinzip jenes „christlichen Europas“ der „Heiligen Allianz“ abzugrenzen, die die Reaktionszeit außerhalb der Schweiz eingeläutet hat. Den Dokumenten des süddeutschen Konstitutionalismus aus dem 19. Jahrhundert liegt hingegen manchmal gewissermaßen eine bilaterale Bindung zwischen Fürst und Ständen zugrunde; es handelt sich aber nicht um ein bündisches Element, wie es bis heute für die Schweiz und im 17. Jahrhundert insbesondere für die schottisch-presbyterianischen, später auch für die amerikanischen Convenants denkbar erscheint, wobei letztere an das Alte Testament anzuknüpfen suchen und einen neuen Bund auf dieser Grundlage postulieren. Dies Bündische wird heute wieder virulent – vielleicht zu Unrecht – in der Erbschaft eines Carl Schmitt, wenn jüngere Gelehrte die Europäische Union als Bund interpretieren.46 Die Herren der Verträge dieses Bundes sind aber weiterhin seine Mitgliedsstaaten. Daher können nur sie gemeinsam über die Fortbildung des Bundes und auch die Präambel seines künftigen Verfassungsvertrages entscheiden. Nach diesem verfassungsgeschichtlichen Exkurs ist zur gegenwärtigen Rechtslage zurückzukehren. VI. Jüngere Fälle einer Invocatio Dei, staatskirchenrechtliche Strukturen und europäischer Menschenrechtsschutz Die klassische invocatio findet sich heute nur in den Verfassungen Irlands, Griechenlands und der Schweiz. Mit Ausnahme der Schweiz handelt es sich um konfessionell stärker gebundene Staaten, die eine Trennung von Staat und Kirchen bisher weithin vermieden haben. Die Schweiz überlässt bekanntlich die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirchen ihren Kantonen, so dass eine invocatio auf Bundesebene nicht notwendig Auswirkungen für diese Verhältnisse hat. Wie schon der Rückblick auf das Reichsrecht zeigte, ist in der Tat die staatskirchenrechtliche Lage von Gewicht für die Frage, ob ein Gottesbezug mit Bekenntnischarakter möglich ist und wie er wirken kann. 46

Vgl. Schönberger, Die Europäische Union als Bund, in: AöR 129 (2004), 81 ff. (98 ff.).

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Irland und Griechenland sind bis heute im schon genannten Sinne konfessionell geprägt, wobei im Falle Griechenlands hinzukommt, dass die orthodoxe Tradition dort die Trennung von Staat und Kirche nicht vollzogen hat. Dabei spielte gewiss auch die lang währende Überlagerung durch die osmanische Herrschaft eine Rolle, obwohl sie nicht allein maßgeblich gewesen sein kann. Ähnliche Anklänge finden sich auch in Polen, dort allerdings in Abgrenzung von der langen russischen Herrschaft, insbesondere in der schon erwähnten Verfassung von 1921. Der Zusammenhang zwischen dem Verhältnis von Staat und vorherrschender Kirche einerseits und der konfessionellen Formulierung des Gottesbezuges andererseits ist nicht nur in Griechenland in der Verfassung von 1975, sondern auch im Falle Irlands in der Verfassung von 1937 eindeutig. Typischerweise haben aber solche Verfassungstraditionen gewisse Schwierigkeiten mit der Anerkennung der Religionsfreiheit als Grundlage eines Minderheitenschutzes sowie von Privatheitsrechten, sofern deren Ausübung im Ergebnis mit kirchlichen Lehren kollidiert. Das zeigt sich etwa in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg, wiewohl dieses Gericht staatskirchenrechtliche Besonderheiten weitgehend berücksichtigt, aber auch im Rahmen der Durchsetzung der Religionsfreiheit als europäischem Menschenrecht.47 Die Rechtsprechung dieses Gerichts setzt dabei die Religionsfreiheit von Fall zu Fall punktuell durch. Sie unternimmt es nicht, das staatskirchenrechtliche System der betreffenden Staaten schlechthin für unvereinbar mit der Religionsfreiheit des Art. 9 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zu erklären. In Irland verpflichtet die Verfassung den Staat, die Heilige Katholische Apostolische Kirche als Hüterin des Glaubens anzuerkennen, wie Art. 44 (1) Abs. 2 sagt. Auch anerkennt der Staat gemäß Art. 44 (1) Abs. 1 Satz 1, dass dem allmächtigen Gott die Huldigung öffentlicher Verehrung gebührt. Weiter erweist der Staat Seinem Namen Ehre und ehrt die Religion, wie Satz 2 dieses Absatzes formuliert. Zwar – so wiederum die Formulierung – anerkennt gemäß Art. 44 (1) Abs. 3 der irischen Verfassung der Staat auch andere Konfessionen, die zur Zeit des Inkrafttretens der Verfassung in Irland bestanden. Sie werden aufgezählt, genießen indes offenbar eine gewisse Nachrangigkeit. Auch wird im Rahmen der öffentlichen Ordnung und der Moral gemäß Art. 44 (2) Abs. 1 jedem Bürger Freiheit des Gewissens, des Religionsbekenntnisses und der Religionsausübung gewährt. Vor dem Hintergrund der Lösung von der englischen Herrschaft in Irland und der damit zusammenhängenden Frontstellung zum Katholizismus ist auch die Berufungsformulierung der Präambel nicht erstaunlich: „Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, von der alle Autorität kommt, und auf die, als unserem letzten Ziel, alle Handlungen sowohl der Menschen wie der Staaten ausgerichtet sein müssen, anerkennen Wir, das Volk von Irland, in Demut all unserer Verpflichtungen gegenüber unserem göttlichen Herrn, Jesus Christus, der unseren Vätern durch Jahrhunderte der 47 Siehe die Übersicht, wiederholt mit Fällen Griechenland betreffend, bei Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, § 22, S. 253 ff.

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Heimsuchung hindurch beigestanden hat. In dankbarer Erinnerung an ihren heldenhaften Kampf um die Wiedererlangung der rechtmäßigen Unabhängigkeit unserer Nation …“. Ähnlich formuliert, worauf J. H. H. Weiler hinweist, die Verfassung von Malta in Art. 2: „(1) Die Religion Maltas ist die Römische Katholische Apostolische Religion. (2) Die Autoritäten der Römischen Katholischen Apostolischen Kirche haben die Pflicht und das Recht zu lehren, welche Prinzipien richtig und welche falsch sind. (3) Religiöser Unterricht des Römischen Katholischen Apostolischen Glaubens soll in allen staatlichen Schulen Teil der verpflichtenden Erziehung sein.“48

Die Verfassung Griechenlands von 1975 eröffnet weniger emphatisch mit „Im Namen der Heiligen, Wesensgleichen und Unteilbaren Dreifaltigkeit […]“, um sodann im zweiten Abschnitt des ersten Teils in Art. 3 die Östlich-Orthodoxe Kirche Christi als „vorherrschende Religion“ anzuerkennen, auf die Synodalverfassung dieser Kirche Bezug zu nehmen und deren Bibelübersetzung verbindlich zu machen. Außerdem verbietet – die individuellen und sozialen Rechte betreffend – Teil 2, Art. 13 Abs. 2 Satz 2 dieser Verfassung Proselytismus, das heißt den Glaubensübertritt und damit natürlich auch jede Glaubenswerbung. Zudem stellt der erste Satz dieses Absatzes die Ausübung des Kultus unter den Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten. Das Verbot des Proselytismus ist als Verbot des Glaubensübertritts gewiss angesichts der moslemischen Rechtstradition, gerade ärmere Bevölkerungen durch eine Kopfsteuer für Andersgläubige und deren harte Durchsetzung zum Übertritt zum Islam zu motivieren, verständlich, wie es ja auch unter Friedrich dem Zweiten, dem Staufer, in Sizilien eine Kopfsteuer für die ansässigen Sarazenen gab. Das Verbot hatte als Verbot der Glaubenswerbung allerdings vor der Garantie der Religionsfreiheit des Art. 9 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keinen Bestand.49 Sehr viel differenzierter ist hingegen das Bild in der Schweiz, da das Staatskirchenrecht kantonal geprägt und insbesondere die Gewissens-, Glaubens- und Religionsfreiheit in Art. 15 der Bundesverfassung (1999) vollen Umfanges gewährt ist. Hier hat der schlichtere Gottesbezug im Sinne der traditionellen invocatio keine normative Wirkung mehr. Kulturell allerdings bekräftigt er zweifellos die Identität der schweizerischen Eidgenossenschaft seit 1291 über 1874 bis 1999 und heute als einen Bund gleicher Bürger und freier Kantone. 48

Vgl. Weiler (Anm. 8), S. 156; der Originaltext lautet: „Art. 2 (1) The religion of Malta is the Roman Catholic Apostolic Religion. (2) The authorities of the Roman Catholic Apostolic Church have the duty and the right to teach which principles are right and which are wrong. (3) Religious teaching of the Roman Catholic Apostolic Faith shall be provided in all State schools as part of the compulsory education.“ 49 Siehe EGHMR, Urt. v. 18.12. 1996 – Efstatiou und Valsamis – RJD 1996-IV, Z. 34 sowie Z. 37; vgl. auch den interessanten Fall einer – unzulässigen – Verpflichtung von Parlamentariern, einen Eid auf das Evangelium abzulegen, dies in San Marino, siehe EGHMR, Urt. v. 18.2. 1999, Az.: 24645/94, in: EuGRZ 26 (1999), 213 ff. – Buscarini v. San Marino.

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VII. Deutungen der Invocatio Trinitatis unter Aspekten einer Staatsreligion Auf den ersten Blick erscheint die Berufung der Dreifaltigkeit nur einer transzendenten Deutung zugänglich. Bezieht man aber eine der denkbaren Wurzeln dieser Struktur – nämlich diejenige aus dem römischen Körperschaftsrecht50 – ein, so könnte ein säkulares Verständnis möglich sein. Es würde in der Dreifaltigkeit einen Ausdruck der Beständigkeit des Gemeinwesens sehen, in seiner historischen Grundlage, seiner gegenwärtigen Verfassung und deren Bedeutung für die Zukunft dieses Gemeinwesens wie der späteren Generationen. Das entspräche der Grundlage der Trinität im alten Bund, in der Gegenwart Christi und der Zukunft kraft des Heiligen Geistes der wachsenden Gemeinde. Eine solche säkulare Deutung ist indes kaum präsent, weil oftmals der Theologie dieser denkbare Zusammenhang von römischen Körperschaftsrecht und paulinischer Dogmatik nicht bekannt zu sein scheint, wiewohl die politische Theorie den wechselseitig wirksamen Zusammenhang von Körperschaftsrecht, Kirche und ihren Korporationen wie auch des mittelalterlichen und spätmittelalterlichen „Staates“ kennt. Allerdings sah man dort eher einen Weg von der christlichen Tradition hin zum weltlichen „Staat“ und seinem Recht, nicht umgekehrt. Dabei wird aus der Christologie die Tradition der Eigenkirche, des Gottesgnadentums und letztlich des modernen absoluten Staates als Anstalt des Fürsten entwickelt,51 während in einer konziliar-körperschaftlichen Tradition Formen und Verfahren der Kontinuitätsgewährleistung möglich werden, die „plural-demokratische“ Potentiale in sich bergen. In jüngerer Zeit waren diese Wege von der Kirche zum „Staat“ und seinem Recht wieder aufzuspüren.52 Sie führen zu der Wahrnehmung der Aufgabe der Verfassungsinterpreten, nicht in die Konfessionalisierung von Rechtstexten zurückzufallen, sondern die offene Gesellschaft, in die sie gestellt sind, durch die Offenheit ihrer Interpretationsvorgänge und -verfahren festzuhalten.53 Daran kann heute auch die Sicht der Gesellschaft als „postsäkulare Gesellschaft“ (Jürgen Habermas) nichts ändern, selbst wenn der Staat von Verfassungs wegen nun in eine Verpflichtung zur Förderung der Religion gestellt erscheint, wie er sie vielfältig in Erziehung und Bildung

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Vgl. dazu und für das folgende Voß, Römisches Körperschaftsrecht und frühe christliche Gemeinde, Vortrag in Leipzig am 27.11. 2003; mit Hinweis auf die kursorische Bemerkung bei Bultmann, Urchristentum, 1949, S. 221 (1962, S. 188 ff. 190). 51 Siehe Kantorowicz, The King’s Two Bodies (1957), 3rd Ed. 1970 (deutsch: Ders., Die zwei Körper des Königs, [1990] 1992). 52 In ersten Schritten in Anknüpfung an die Entstehung der Glaubensfreiheit Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien. Ein Beitrag zum Verständnis des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 1981, S. 287 ff., 310, 374 ff. 53 Vgl. dazu Dreier, Kanonistik und Konfessionalisierung – Marksteine auf dem Weg zum Staat, in: JZ 57 (2002), 1 (13); das geflügelte Wort von Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, in: JZ 50 (1975), 297 ff.

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sowie darüber hinaus leistet.54 Denn das kann die Verpflichtung zur Neutralität und Distanz gegenüber „Weltanschauung“ und „Religion“ nicht antasten, selbst wenn er nun in neue Konflikte gerät, die er kaum zu bewältigen in der Lage ist. Diese Bindungen erlauben auch nicht, auf einer höheren Ebene dieses Gehege zu verlassen, sich in regionale oder internationale Integrationsmechanismen zu stellen und damit alte Souveränität in neue Formen zu gießen. Auch das verschafft dem Staat nämlich nicht die Möglichkeit, sich zu rekonfessionalisieren, ebenso wenig wie jene höhere Ebene – in Europa also wesentlich die Europäische Union als „Staatenverbund“ – solche Identifikationen suchen wird. Daher ist es nicht erstaunlich, wenn die Politik betont, dass Europa ein säkulares Projekt sei.55 Auch diese Ebene des „Bundes“ gestattet es nicht – anders als im Reichsrecht des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation –, sich heute noch einmal gegen die Ergebnisse der Aufklärung resistent zu machen. Europäische Sanktionen gegen einen Mitgliedsstaat der Union – heute im Sinne von Art. 7 des Vertrages über die Europäische Union und künftig Art. I-58 nach dem Entwurf des Vertrages über eine Verfassung für Europa –, sollte dieser vom rechten Weg der gemeinsamen Werte und Maßstäbe der Europäischen Union abkommen, können nicht an gemeinsame Standards eines „christlichen Europas“ anknüpfen.56 Deswegen kann eine europäische Sanktion solchen abweichenden Verhaltens eines Mitgliedsstaates nicht wie zu Zeiten der Heiligen Allianz oder des Deutschen Bundes restaurativ orientiert sein. Hinter die Aufklärung führt auch eine solche Sanktion nicht zurück. Gott und Staat, Verfassung und Kirche und ihre jeweiligen Werte sind nicht wieder zusammenzuführen. Gottesbezüge in Verfassungen reichen aber teils weiter zurück, teils sind sie gerade dann möglich, wenn sie rechtlich unverbindlich werden oder jedenfalls ihren personalen Bezug auf rechtlicher Ebene gänzlich abstreifen. Das führt zu einem bloß symbolischen Verständnis. Nahe liegt deshalb manchmal eine Deutung der Invocatio Dei als schlichtes Bild jener Beständigkeit des Gemeinwesens als Körperschaft gerade dort, wo im Übrigen keine Verknüpfung von Staat und Kirche im „Staatskirchenrecht“ der betreffenden Verfassung gegeben ist, wie in der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf Bundesebene. In anderen Fällen müsste sich dann gegebenenfalls das Staatskirchenrecht des betreffenden Gemeinwesens aus einer engen Verknüpfung von Staat und „Traditions“- bzw. „Mehrheits“kirche lösen. Das würde in manchen Fällen Verfassungsänderungen erfordern. Das ist dann sozusagen der Grenzfall einer invocatio: Ist sie zu „rigide“ gefasst, so muss sie säkularisiert werden. Dadurch erlangt sie Kompatibilität mit der Religionsfreiheit auch und gerade auf europäischer Ebene. Pragmatisch gängiger wäre allerdings, eine abgemilderte Form der nominatio zu wählen, wie sie etwa das Grundgesetz der Bundesrepublik enthält. 54

Dazu vor kurzem Kirchhof, Die postsäkulare Gesellschaft, in: FAZ, Nr. 127 v. 3.6. 2004,

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Vergleiche die Aussage des Premierministers Raffarin (Anm. 3). Vgl. für den bündischen Charakter und die Intervention Schönberger (Anm. 46), 104.

8. 56

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Größere Schwierigkeiten dürften damit vor allem religiöse Traditionen haben, die die Trennung von Staat und Religion nie vollzogen haben – und zwar nicht nur die orthodoxe östliche Tradition, sondern auch der Islam und die jüdische Überlieferung. Das zeigt sich nicht nur in der schwierigen Koexistenz von säkularem Staat und religiösem Recht in Israel,57 es zeigt sich auch in dem delikaten Laizismus der Türkei sowie in den Präambeln vieler arabischer Staaten, auf die Peter Häberle hingewiesen hat,58 verbunden mit der Bemerkung, dass die arabischen Verfassungen auf einer anderen Stufe des Staatskirchenrechts stünden.59 Hingegen ist der Anfang des vorigen Jahrhunderts so rasch etablierte Laizismus der Türkei auf dem Wege, allmählich auch die Europäische Menschenrechtskonvention zu rezipieren, während die Präambel der türkischen Verfassung von 1961 schon ganz säkular auftritt. Diese Präambel stützt die Republik auf Herz und Mut der Menschen, während der Laizismus nach Abschaffung des Kalifats dieses substituiert durch Alimentierung und Privilegierung des Islam sowie durch Verbote zu Lasten anderer Religionen. Die Diskriminierungen, wie sie in der Türkei gegenüber anderen Religionen bestanden und noch bestehen, sind nicht tragbar. Das türkische Projekt will denn auch etwas anderes als bloßen Laizismus unter einseitig privilegierender staatlicher Ägide, es will in der islamischen Welt ein Paradigma der Modernisierung abgeben und kann insoweit nur unterstützt werden. Dies gilt jedenfalls in dem Maße, wie jene Diskriminierungen ein Ende finden und auch in der Rechtspraxis sanktioniert werden, so sie denn im gesellschaftlichen Raum stattfinden.60 Die europäische Säkularisierung hatte viel mehr Zeit als die der Türkei und ist daher anders ausdifferenziert. Was Atatürk mit einem Sprung zu erreichen suchte, lag in Mitteleuropa am Ende einer langen Strecke, die von Unfrieden und Barbarisierung der Lebensverhältnisse sowie Verarmung der Bevölkerung in den Jahren vor 1648 geprägt war. Die Modernität der türkischen Präambel von 1961 lässt das Niveau des türkischen Laizismus hinter sich.

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Ein Hintergrund der Sicht bei Weiler von einem christlichen Europa scheint in der Tat, dass er die Säkularisation zurücknimmt, indem er etwa Religion und Vernunft in guter jüdischer Tradition und unter Bezug auf seinen Vater, einen Rabbiner und Gelehrten, wie er sagt, nicht entgegengesetzt sieht, vgl. ders. (Anm. 8), S. 57 f.; zu zugespitzt die Kritik Kemmerers, Geht mit Gott. Europas Verfassung braucht ihn: Was der Jurist Joseph H. H. Weiler vom Papst gelernt hat, in: FAZ, Nr. 253 v. 31.10. 2003, 37. 58 Vgl. Häberle (Anm. 23), S. 960 f. 59 Dass dem Islam hier zunächst eine sehr schmerzhafte Phase textkritischer Aufklärung bevorsteht, dazu Lüling, A Challenge to Islam for Reformation. The Rediscovery and reliable Reconstruction of a comprehensive pre-Islamic Christian Hymnal hidden in the Koran under earliest Islamic Reinterpretations, New Delhi 2003, eine Schrift, die auch nachzuweisen sucht, dass etwa ein Viertel des Korans christlichen Ursprungs ist. 60 Dass dieser laizistische Staat auch angesichts der Religionsfreiheit des Art. 9 EMRK und anderer Rechte dieser Konvention befugt bleibt, in Schule und Hochschule das Tragen eines Kopftuchs auch Schülerinnen und Studentinnen zu untersagen, dazu EGHMR, Urt. v. 29.6. 2004 in der Sache Leyla Sahin v. Turkey – Appl. No. 44774/98.

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VIII. Staatsreligion im Rückzug, Konfession und Eidesformel des Staatsoberhauptes Exemplarisch finden sich auf dem Wege einer weiteren über bloße Vorstufen hinausgehenden Säkularisierung auch andere Verfassungen, insbesondere diejenigen der nordeuropäischen Monarchien. Sie binden – noch – den Monarchen an eine Konfession und verpflichten ihn auf eine religiöse Eidesformel. So geschieht das etwa in Norwegen in der Verfassung von 1814 in ihrer heute maßgeblichen Fassung (1995). Art. 2 belässt es bei der evangelisch-lutherischen Konfession als öffentlicher Religion des Staates; die Einwohner, die sich zu ihr bekennen, sind verpflichtet, ihre Kinder in derselben zu erziehen. Da das so bleibt, ist nicht erstaunlich, dass Art. 4 den König verpflichtet, sich zu dieser Religion zu bekennen, sie auszuüben und zu beschützen und dass Art. 9 ihn verpflichtet, einen Eid vor dem Storting zu leisten, „[…] so wahr mir Gott der Allmächtige und Allwissende helfe“. Von der schon erwähnten Verletzung der Religionsfreiheit durch die Verpflichtung aller Parlamentarier in San Marino auf das Evangelium im Wege eines Eides61 unterscheidet sich die Lage hier dadurch, dass die religiöse Eidesformel des Monarchen oft nicht als Bekenntnis verstanden wird, sowie dadurch, dass für den Zugang zu einem derartigen Staatsamt vielleicht andere Maßstäbe als für funktional niedere Ämter gelten, da jeder Prätendent in seine Rolle als Bürger zurücktreten kann, indem er auf den Thron verzichtet; und schließlich ist die Behinderung der demokratischen Repräsentation durch einen Konfessionseid von anderer Qualität als ein zeremonialer Staatsakt. Das mag aber dahinstehen. Ähnliche Regeln gelten für andere europäische Monarchien, auch solche, die Mitglied der Europäischen Union sind. Jedenfalls zeigt sich an diesen Beispielen, dass auch dort, wo auf eine Gottesanrufung in der Präambel verzichtet wird, das Staatskirchenrecht aber noch das Recht einer Staatskirche ist, Parallelprobleme auftreten können, die jedenfalls die Symbolik des Gemeinwesens berühren und die Frage einer Verletzung von Freiheitsrechten – hier von Amtsanwärtern – aufwerfen. IX. Fälle einer schlichten Nominatio Dei Weniger nachhaltig im Sinne einer Rechtsverletzung religiöser Freiheit können Gottesanrufungen wirken, wenn eine weitergehende Lockerung des Verhältnisses von Staat und Kirche erreicht ist und zugleich Konsens über die begrenzte Reich-

61 Siehe Buscarini v. San Marino (Anm. 49); zum Parlamentseid, den es in Deutschland nur in Schleswig-Holstein gibt, vgl. Müller, Ein Verfassungseid für Abgeordnete des Europäischen Parlaments, in: ZParl 35 (2004), 149 ff.; über den US-amerikanischen schulischen Fahneneid „one nation under God“ ist in der Sache endgültig noch nicht entschieden, vgl. FAZ, Nr. 137 v. 16.6. 2004, 8, sowie dazu jetzt Haupt, „One Nation under (blank)“?, in: DAJVNewsletter 29 (2004), 75 ff.; für die Bindung des Monarchen an das Recht durch den Krönungseid in England Seif, Recht und Justizhoheit, 2003, S. 181 ff.

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weite des normativen Bindungsgrades von diesen Elementen der Präambeln besteht, wie dies in der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich der Fall ist. Die Präambeln der Verfassungen der deutschen Länder gehen in aller Regel kaum über die Präambel des Grundgesetzes hinaus.62 Jüngere Verfassungen der Länder, die erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes zustande kamen, wiederholen oft nur die Formulierung des Grundgesetzes. So auch der Bezug auf die „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ in der niedersächsischen Verfassung, welcher auf Grund einer Volksinitiative, die nach der deutschen Einheit in diesem Bundesland rege Unterstützung erhielt, in die Präambel der neuen Verfassung aufgenommen wurde, ohne dass der Ausgang der entsprechenden Volksabstimmung abgewartet worden wäre. Zuvor hatten sich die politischen Parteien in diesem Lande nicht einigen können.63 Nicht alle Verfassungen der neuen Länder enthalten trotz des Vorbildes des Grundgesetzes dessen Formulierung, die in ihrer eleganten Fassung bekanntlich auf Theodor Heuss zurückgeht.64 Nur Sachsen-Anhalt und Thüringen haben einen unmittelbaren Gottesbezug aufgenommen, der etwas modifiziert auftritt; eine Verfassung nennt die Schöpfung. Die übrigen sprechen „im Geiste der Traditionen von Recht, Toleranz und Solidarität von dem Willen beseelt […] Natur und Umwelt zu bewahren“ (Brandenburg) oder „Im Bewusstsein der Verantwortung aus der deutschen Geschichte sowie gegenüber künftigen Generationen […]“ (Mecklenburg-Vorpommern). Weiter findet sich das Ziel der „Bewahrung der Schöpfung“ (Freistaat Sachsen) und ergeht die Verfassung „in Achtung der Verantwortung vor Gott und im Bewusstsein der Verantwortung vor den Menschen mit dem Willen […], die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten […]“ (Sachsen-Anhalt), oder „in freier Selbstbestimmung auch in Verantwortung vor Gott […]“ (Thüringen). Dabei schließen SachsenAnhalt und Thüringen – vorsichtig angesichts der Minderheitssituation der Kirchen – am ehesten an den Standard des Grundgesetzes an. Allerdings finden sich in der westdeutschen Tradition stehend auch jüngere Landesverfassungen, wie in SchleswigHolstein und in Berlin, die auf eine Präambel insoweit verzichten. Variationen mit stärkerer Betonung der Bedeutung des Gottesbezugs finden sich in den älteren Landesverfassungen, etwa von Bayern (1946): „Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges geführt hat, in dem festen Entschlusse, den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechts dauernd zu sichern […]“. In der 62

Für Nachweise siehe Schuster (Hrsg.), Die Verfassungen aller deutschen Länder, 1994. Vgl. Starck, Die neue Niedersächsische Verfassung von 1993, in: NdsVBl. 1 (1994), 2 (9); die entsprechende Änderung der niedersächsischen Verfassung trat am 6. Juni 1994 in Kraft; vgl. auch Aschoff (Hrsg.), Gott in der Verfassung. Die Volksinitiative zur Novellierung der Niedersächsischen Verfassung, 1995; eingehende Darstellung der niedersächsischen Diskussion bei Weinholt, Gott in der Verfassung: Studie zum Gottesbezug in Präambeltexten der deutschen Verfassungstexte des Grundgesetzes und der Länderverfassungen seit 1945, 2001. 64 Dazu v. Doemming u. a., Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, in: JöR 1 (1951), 1 (34). 63

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Verfassung von Rheinland-Pfalz (1947) heißt es: „Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott, dem Urgrund des Rechts und Schöpfer aller menschlichen Gemeinschaft, von dem Willen beseelt […]“. Auffällig ist, dass jüngere Verfassungen ohne Gottesbezug, aber auch ältere und diejenigen der neuen Länder die Präambeln um die Verantwortung für künftige Generationen und die natürlichen Lebensgrundlagen ergänzen oder mit diesen Zielen ersichtlich wenigstens zum Teil einen Gottesbezug substituieren. Das Grundgesetz erhielt diese Perspektive durch Art. 20a GG im Jahre 1994. Damit wird nicht nur der Umweltschutz, sondern auch die Verantwortung für künftige Generationen angesprochen. Es handelt sich dort um „Staatszielbestimmungen“, die für die Auslegung in der Regel eine stärkere Rolle spielen als Elemente von Präambeln.65 Nur ausnahmsweise konnte eine Zielorientierung der Präambel des Grundgesetzes ähnlich wirken, so im Falle des Wiedervereinigungsgebots, das die Staatsleitung zur gesamten Hand, Regierung und Parlament, ja sogar die dritte Gewalt als Ziel verpflichten konnte, ersteren aber die Wahl der Mittel nicht vorgab. Zielorientierungen enthielt auch die Präambel des Verfassungsentwurfs des Runden Tisches zur Neufassung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik.66 X. Nationale Verfassungen ohne Gottesbezug Nationale Verfassungen ohne Gottesbezug sind in Europa hingegen sehr viel häufiger, auch wenn damit keine laizistischen Tendenzen zum Ausdruck gebracht werden. Wenn sie im zeitlichen Kontext und vor dem geschichtlichen Hintergrund der „Heiligen Allianz“ stehen, wie etwa diejenige des Königreichs Belgien von 1831, so ist das wegen der vordemokratischen Konnotationen, die mit dieser Allianz verbunden sind, überhaupt nicht erstaunlich. Die belgische Verfassung nimmt ohnehin eine Schlüsselstellung in der Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts ein. Sie ist hervorgegangen aus einem Bündnis zwischen Katholiken und Liberalen und hat erheblichen Einfluss auf die Arbeit in der Paulskirche gehabt; deren Entwurf und die belgische Verfassung waren wiederum Vorlage für die dann keineswegs im gleichen Geiste gedeutete Verfassung Preußens.67 Der Entwurf der Paulskirche blieb Modell, von ihm rührt selbst auch für das Bismarckreich und bis zur Weimarer Verfassung die Zurückhaltung hinsichtlich eines

65 Siehe Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 2. Bd., 1. Aufl. 1988, Art. 20a Rn. 20 ff. 66 Vgl. Abdruck in Schuster (Hrsg.), Deutsche Verfassungen, 1992, S. 391. 67 Siehe für jenes Bündnis in Belgien 1830 und in Deutschland 1848: Fitschen, Was ist Freiheit? Liberale und demokratische Potentiale im Katholizismus 1789 – 1848, 2001, S. 37 ff.; u. Zwirner, Zur Entstehung der Selbstbestimmungsgarantie der Religionsgesellschaften i. J. 1848/49, in: ZRG Kan. Abt. LXXIII (1987), 211 ff.; für den Bedeutungswandel von Verfassungen Smend, Die Preußische Verfassung im Vergleich mit der Belgischen, 1904.

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Gottesbezugs, der dort bekanntlich fehlt.68 Dabei maß Bismarck Verfassungen – wie schon im Budget-Konflikt – gewiss keine große Bedeutung bei, aber ein Gottesbezug in der Präambel von 1871 hätte wahrscheinlich den demokratischen Schein des allgemeinen Wahlrechts zum Reichstag und damit das nationalliberale Engagement für sein Projekt der deutschen Einheit sowie damit den nationaldemokratischen Bonapartismus Bismarckscher Prägung gestört – wobei Bonapartismus die Wahrung oder Herstellung eines Scheins meint, hinter dessen Schleier sich anderes verbirgt.69 Im Falle des Kaiserreichs von 1870/71 liegt es schließlich so, dass eine bündische Struktur souveräner Fürsten und einiger Städte vorlag, die sich lediglich des Mäntelchens des gleichen Wahlrechts zum Reichstag bediente. Dabei ist Teil dieser Verschleierung auch der Verzicht auf einen Gottesbezug, den einerseits diese Fürsten für sich nicht benötigten und andererseits die Liberalen kraft ihres – wenn nicht antiklerikalen, so jedenfalls demokratischen – Ansatzes nicht wollten. Diese Interpretation setzt voraus, dass es im Übrigen im 19. Jahrhundert neben dem Gottesgnadentum der Fürsten vor allem die demokratische Legitimation der Verfassung aus dem Akt der Verfassungsgebung wie aus einer beanspruchten demokratischen Allkompetenz der gesetzgebenden Körperschaften heraus ist, die den Gottesbezug verdrängt. Diese Annahme deutet sich in der Literatur an, erscheint dort aber auch nicht zwingend70 und mag auf sich beruhen. In ähnlicher Weise wie die demokratisch orientierten Verfassungen des 19. Jahrhunderts enthalten viele der neuen Verfassungen Osteuropas keinen Gottesbezug, auch diejenigen neuer Mitglieder der Europäischen Union nicht. Andererseits muss das nicht die staatliche Zurückweisung religiöser Traditionen bedeuten. Selbst die laizistischen Elemente der Verfassung Frankreichs von 1958 enthalten doch deistische Rückbezüge mit der Anknüpfung an die Erklärung der Menschenrechte aus der Zeit der französischen Revolution. Zudem ist der Laizismus keine starre Größe, er kann sich zur Förderung von Religionen veranlasst sehen, sei er auch in einer rigiden antiklerikalen Perspektive einmal angetreten. Nicht anders hat sich das Verhältnis zwischen Staat und Religion in den Vereinigten Staaten von Amerika vielfach gewandelt – trotz der berühmten „wall of separation“ zwischen Staat und Kirchen, die Briefen eines Thomas Jefferson entstammt.71 68 Wobei die Verfassung von 1871 als ewiger Bund dargestellt wird, wie es auch der Deutsche Bund von 1815 war, den Preußen entgegen ausdrücklicher Bestimmung von Art. 5 der Wiener Schlussakte aufgekündigt hatte, um zur kleindeutschen Lösung einer deutschen Einheit zu kommen. 69 Zu diesem Bonapartismus Hofmann, Das Problem cäsaristischer Legitimität im Bismarckreich, in: Hammer/Hartmann (Hrsg.), Le Bonapartisme – Der Bonapartismus, Historisches Phänomen und politischer Mythos, Beihefte der Francia 6 (1977), 87 ff. 70 Vgl. Papenheim (Anm. 45), S. 144 ff. 71 Dazu früher Quaas, Staatliche Hilfen an Kirchen und kirchliche Institutionen in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1977, und jetzt Fülbier, Die Religionsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika unter spezieller Berücksichtigung der jeweiligen Methodik der Verfassungsinterpretation, 2003, S. 319 ff., und früher.

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Die tatsächlichen Verhältnisse werden nicht durch den Text einer Präambel geprägt. Selbst Verfassungs- und Rechtstexte, die volle Verbindlichkeit beanspruchen, sind dem Wandel ihrer Deutungen ausgesetzt. Und hier ergibt die praktische Notwendigkeit der Ordnung der Beziehungen zwischen Staat, Kirchen und Religionsgesellschaften regelmäßig erst das wahre Bild. Sehr oft enthalten gerade Verfassungen zahlreiche Bestimmungen, die eine Anerkennung der Religion zum Ausdruck bringen und daher von sehr viel größerer Bedeutung sind als eine bloße Präambel. Präambeln sind deshalb nicht überflüssig, ebenso wenig wie vollen Umfangs normative Verfassungstexte. Aber es kommt auf diese Texte und die zugehörige Praxis an. Das ist nun am Beispiel des Rechts der Europäischen Union und ihres Vertragsentwurfes einer Verfassung für Europa zu veranschaulichen. XI. Die Präsenz von Religion und Kirche im Recht der Europäischen Union und im Entwurf ihres Verfassungsvertrages Schon der Gründungsvertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft kannte Diskriminierungsverbote, und zwar nicht nur solche aus Gründen der Staatsangehörigkeit; vielmehr sollte jede Diskriminierung abgebaut werden. Sie verhalfen zunächst nur zum Marktzugang im Sinne der Grundfreiheiten dieses Marktes, wirkten aber alsbald darüber hinaus im Sinne einer grundrechtlichen Gleichbehandlung. Diese Verbote wurden außerdem Schritt für Schritt umfassend ausgestaltet. Heute bestimmt Art. 13 des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft ausdrücklich, dass die zuständigen Organe der Gemeinschaft geeignete Vorkehrungen zur Beseitigung von Diskriminierungen aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung treffen können. Das ist in zahlreichen Vorschriften des Sekundärrechts, also in Form von Richtlinien und Verordnungen, geschehen. Was die Kirchen angeht, so wurde 1997 dem Vertrag eine – allerdings noch nicht rechtsverbindliche – Protokollerklärung angefügt, wonach die Europäische Union den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedsstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und diesen nicht beeinträchtigt. Gleiches gilt für weltanschauliche Gemeinschaften. Dieses Protokoll soll nach Art. I-51 des Entwurfs eines Verfassungsvertrages für Europa rechtsverbindlich werden – ergänzt um einen dritten Absatz, der besagt, dass die Union einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit diesen Kirchen und Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrages pflegt.72 Zudem enthält der Vertragsentwurf für eine Verfassung zahlreiche religionsbezogene Diskriminierungsverbote. Er anerkennt auch die nationale Identität, zumal in kultureller Hinsicht, wie dies heute schon im geltenden Recht der Europäischen Union der Fall ist. 72 Für eine erste Interpretation dieses Art. I-51 vgl. Triebel, Der Kirchenartikel im Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, in: ZevKR 49 (2004), 644 ff.

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Die Anknüpfung an die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Art. 6 Abs. 2 des geltenden Vertrags über die Europäische Union73 schließt nicht nur die Anerkennung der individuellen Religionsfreiheit, sondern auch eines Kerns der gemeinsamen Strukturen des Verhältnisses zwischen Staat und Kirchen in den Mitgliedsstaaten ein. Da die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten insoweit eine gewisse Konvergenz aufweisen, lässt sich der gemeinsame, anerkannte Rechtsbestand ohne zu große Schwierigkeit ermitteln.74 Nur randständige Rechtsstrukturen, insbesondere aber darauf zurückgehende Praktiken in einzelnen Mitgliedsstaaten, etwa solche, die die Freiheit des Kirchenaustritts oder der Glaubenswerbung versagen und damit die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen behindern, erfahren eine gewisse Einschränkung, die sich vor allem aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergibt. Denn die Rechtsprechung beider Gerichte tastet in der Regel das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen in den Mitgliedsstaaten nicht in gleicher Weise an. Vielmehr respektieren sie die jeweiligen Traditionen soweit wie möglich. Sie werden gewiss auch die Sonderregelungen des kirchlichen Arbeitsrechts in Deutschland nicht gänzlich zu Fall bringen. Die Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die der Verfassungsvertrag als Teil II inkorporiert, und die Präambel des Verfassungsvertrages selbst enthalten zwar keinen Gottesbezug, aber – so die Präambel der Charta – deutliche Bezüge auf das geistig-religiöse Erbe, das allerdings im französischen und englischen Text als „patrimoine spirituel“ bzw. „spiritual heritage“ auftritt. Indes sind alle Amtssprachen verbindlich. Außerdem spricht die den Vertrag einleitende Präambel die kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas an, deren Werte in seinem Erbe lebendig sind und die zentrale Stellung des Menschen und die Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit seiner Rechte sowie den Vorrang des Rechts in der Gesellschaft verankert haben. Daher wird man davon ausgehen dürfen, dass die Rechtsgewährleistungen den Hintergrund der Verbindlichkeit und die Bindung religiöser Bekenntnisse und ihres Handelns nie in Frage stellen werden. Dies, zumal die Offenheit des europäischen Rechts für regionale Strukturen in der hier maßgeblichen Hinsicht wächst und der Vorrang des Rechts der Union auch jenseits der Präambel des Verfassungsvertrages in seinem Art. I-10 ausdrücklich niedergelegt ist. Zugleich sucht der Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa nicht nur die Identität der Mitgliedsstaaten bzw. ihrer Gesellschaften – darunter Kirchen und Religionsgesellschaften – durch Art. I-5 Abs. 1 dieses Entwurfes – wie bisher 73

Vgl. nun für das strukturelle Niveau insgesamt Everling, Die Europäische Union im Spannungsfeld von gemeinschaftlicher und nationaler Politik und Rechtsordnung, in: v. Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 847 ff. (877 ff.). 74 Dazu Robbers, Europäische Verfassung und Religion, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2003, 54 (2003), 65 (69); für eine Übersicht in präziser Form Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 4 Rn. 34 ff. u. 27 ff.

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Art. 6 Abs. 3 des geltenden Vertrags über die Europäische Union – zu respektieren. Nach der Fassung des Entwurfes werden verfassungsrechtliche Strukturen und regionale Eigenheiten besonders berücksichtigt. Der Entwurf sucht zudem auch eine europäische Identität mit Hilfe dieser Verfassung zu fördern, was bereits eine der Erwägungen für die Schaffung einer Charta der Grundrechte der Europäischen Union war, die wesentlich den schon bisher gegebenen Rechtsbestand bürgernah zum Ausdruck bringen soll. Ob das möglich ist und in welchem Maße das auf diesem Wege gelingen kann, mag dahinstehen.75 Jedenfalls ergibt das gewonnene Bild nicht, dass ein christliches Europa Voraussetzung dieser Identität wäre, ohne darum die eigenen Wurzeln und die Orientierung aus Geschichte und Schicksal zu leugnen und sich etwa der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen zu entziehen. Diese europäische Identität kann keinesfalls gegen die Identitäten der Mitgliedsstaaten wachsen, vielmehr muss sie auf jenen aufbauen, soll sie eine genuine Stabilität gewinnen. Ein gemeinsames kollektives Bewusstsein kann – soll es taugen – nur auf individueller Selbstbestimmung ruhen. Dieser Umstand findet im Entwurf für einen Verfassungsvertrag Ausdruck in der Anerkennung der zentralen Stellung des einzelnen Menschen und seiner Würde sowohl in den Präambeln als auch im Art. I-2 – unter den Werten der Union – und in Art. II-1 als Grundrecht, nämlich auf die Achtung der Würde des Menschen und – in der Präambel des Vertragsentwurfes – auch unter Bezug auf die Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit seiner Rechte. Hinzu kommt, wie gesagt, die Berufung auf die Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen – neben den einleitenden Bemerkungen zu den im Laufe der Jahrhunderte entwickelten Werten, die den Humanismus begründen. Betrachtet man all diese Elemente des Vertragsentwurfes, so ist der Prozess einer Verfestigung der Stellung und Anerkennung der Religion im Recht der Europäischen Union zu beobachten. Zudem enthalten die Texte der vorgesehenen Präambeln den Dreischritt der geschichtlichen Bindung, der gegenwärtigen Verantwortung und der Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen. Dieser Dreischritt entspricht dem Dreischritt der Trinität; und hinzufügen könnte man vielleicht noch die Folge „der kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen“ Europas, wie sie in der Präambel des nun beschlossenen Verfassungsvertrages für Europa zu finden ist. Dass über diese Formulierung hinaus ein Gottesbezug oder ein Bezug auf das christliche Erbe Europas im Ratifikationsprozess noch eingefügt werden wird, erscheint unwahrscheinlich.76 An sich wäre dies möglich, wie der Vorgang der Ratifi75 Skeptisch v. Bogdandy, Europäische Verfassung und europäische Identität, in: JZ 59 (2004), 53 (56 ff.); weniger krit. Korioth, Europäische und nationale Identität. Integration durch Verfassungsrecht?, in: VVDStRL 62 (2003), 117 ff. 76 Für Zurückhaltung Leicht, Es geht auch ohne, Gott braucht keine Verfassung, eine Verfassung braucht keinen Gott, in: DIE ZEIT, Nr. 26 v. 17.6. 2004, 6, zum Verzicht auf einen Gottesbezug; ganz anders Badde, Am himmlischen Jerusalem hat sich Europa gemessen – Kein Neubeginn mit ideologischem Schwindel: Der christliche Kontinent braucht Christus in der Verfassung, in: Die Welt, Nr. 141 – 25 v. 19.6. 2004, 29; offenbar sucht auch der Vatikan an

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kation der Bundesverfassung der Vereinigten Staaten von Amerika Ende des 18. Jahrhunderts gezeigt hat, die um Grundrechte ergänzt wurde. Das ist nämlich ein Beispiel dafür, dass auch ein Ratifikationsprozess dazu dienen kann, erneut Einfluss zu nehmen. Allerdings kann dieser Versuch im Falle des Gottesbezuges zu einem erheblichen Gesichtsverlust führen, falls man damit keinen Erfolg hat. Besser ist es daher unter Umständen, die erreichten Standards der eigenen Perspektive angemessen auszulegen. Außerdem lässt sich nun mit einiger Gewissheit feststellen, dass ein übergreifendes europäisches Recht des Verhältnisses zwischen Kirchen und europäischer öffentlicher Gewalt entsteht.77 Es ist getragen von Neutralität, Toleranz, Gleichheit und Regionalität.78 Das gilt schon jetzt. Die künftige europäische Verfassung ist dabei auf dem besten Wege, auch die Selbstbestimmung der Kirchen und Religionsgesellschaften wie deren Gemeinschaften anzuerkennen. Das ist gegenwärtig durch die Rechtsprechung angelegt und wird auch in der deutschen Literatur rezipiert.79 Die Transzendenz des Rechts, das auf bestimmte, von den Menschen getragene Überlieferungen jenseits seiner eigenen Kraft angewiesen ist, erkennt das geltende Unionsrecht wie auch der Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa an. Es fehlt nur daran, dies durch einen ausdrücklichen Gottesbezug zu bekräftigen.80

der Formulierung jedenfalls vom „christlichen Erbe Europas“ festhalten zu wollen, vgl. Fischer, „Er wird nicht schweigen – Der Papst vermisst den Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag“, in: FAZ, Nr. 142/26D v. 22.6. 2004, 10; zurückhaltend auch schon Schwarze, Der Verfassungsentwurf des Konvents – Struktur, Kernelemente und Verwirklichungschancen, in: ders., Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, 2004, S. 489 ff. (498 ff.), und auch a.a.O. der Freiburger Entwurf, S. 743. 77 Siehe dazu schon Link, Staat und Kirche im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses, in: ZevKR 42 (1997), 130 ff.; früher Hollerbach, Europa und das Staatskirchenrecht, in: ZevKR 35 (1990), 250 ff.; grundlegend Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Europarecht, 2002, u. Robbers, Das Verhältnis von Staat und Kirche in Europa, in: ZevKR 42 (1997), 122 ff.; de Wall, Europäisches Staatskirchenrecht, in: ZevKR 45 (2000), 157 ff. 78 Vgl. Robbers (Anm. 74), 72 ff., u. ders. (Anm. 77), 127. 79 Siehe mit Nachweisen der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe, demjenigen in Luxemburg wie auch demjenigen in Straßburg, Korioth, Vom institutionellen Staatskirchenrecht zum grundrechtlichen Religionsverfassungsrecht? Chancen und Gefahren eines Bedeutungswandels des Art. 140 GG, in: Brenner u. a. (Hrsg.) (Anm. 1), S. 727 ff. (745 ff.); zum Ausgangspunkt der Veränderungen früher K. Hesse, Freie Kirche im demokratischen Gemeinwesen, in: ZevKR 11 (1964/65), 337 ff.; und jünger Weber, Die rechtliche Stellung der christlichen Kirchen im demokratischen Staat, in: ZevKR 36 (1991), 253 ff. 80 Im Ergebnis ebenso im Sinne eines Friedens mit dem erreichten Textstand Robbers, Die Präambel der Verfassung für Europa, in: Blankenagel u. a. (Hrsg.) (Anm. 1), S. 251 ff., der insbesondere die „religiösen Überlieferungen“ dieser Verfassung für ausreichend hält und ersichtlich nicht auf einer Nominatio Dei beharren will; zur Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die als Präambel von Teil II dieser Verfassung bestehen bleibt und dem dort genannten „geistig-religiösen Erbe“ sowie der Geschichte dieses Textes Meyer, in: ders. (Hrsg.), Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2003, Präambel Rn. 30 ff.

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Unter all diesen Umständen erscheint ein Beharren auf der Forderung nach einem ausdrücklichen Gottesbezug kaum im Dienst größerer Klarheit zu stehen. Diese Forderung kann im Gegenteil zu Missverständnissen führen. Auch könnte sie spalten und den Zielen entgegenwirken, denen sie verpflichtet ist. Daher wäre die Demut der Zurückhaltung, was solche Forderungen angeht, unter diesen Umständen von größerer verfassungspolitischer und die weitere Entwicklung der Verfassungspraxis prägender Kraft. XII. Schlussbetrachtung Will man auf einem ausdrücklichen Gottesbezug beharren, so bleibt vielleicht Folgendes anzumerken: Denkbare Formulierungen für einen Gottesbezug wären nach all dem allein solche, die der pluralen Struktur einer modernen Gesellschaft entsprechen, also sowohl eine säkulare als auch eine transzendentale Deutung zulassen. Dies ist der Fall, wenn eine Nominatio Dei in einer Sequenz steht, die gestattet, sich neben ihr auf andere, dank verfassungsrechtlicher Diskriminierungsverbote gleichrangige Formulierungen zu beziehen und sich mit diesen zu identifizieren. Diesen Weg geht die heutige polnische Verfassung von 1997 ganz bewusst und ausdrücklich, gehen verdeckt aber auch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und mit ihm viele Landesverfassungen in Deutschland, indem sie sich auf die Verantwortung vor Gott und den Menschen berufen.81 Das wird noch stärker sichtbar, bezieht man teils im Entwurf vorhandene, teils postulierte weitere Elemente ein, also etwa die Verantwortung nicht nur vor Gott und den Menschen, sondern auch gegenüber der Geschichte, der Schöpfung, den nachfolgenden Generationen und den natürlichen Lebensgrundlagen. Denn dann sind die Grundlage, die Gegenwart und die Zukunft des Gemeinwesens angesprochen, ohne in eine transzendentale Deutung zu zwingen oder diese auszuschließen. Die Berufung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft knüpft an die Struktur aus dem römischen Körperschaftsrecht an, die zur Rechtspersönlichkeit eines Verbandes 81

So auch Häberle, Europäische Verfassungslehre, 2. Aufl. 2004, S. 274 f., 642, und schon Weiler (Anm. 8), S. 50 ff. (51 f.); auch Papenheim (Anm. 45), S. 196 f.; eine ausgewogene und offene Auseinandersetzung in ähnlicher Ambivalenz zum Thema aus österreichischer Sicht bieten Noll/Welan, Gott in die Verfassung?, 2003, wobei dort Khol, Braucht Gott eine Verfassung?, a.a.O., S. 84, ebenfalls einen Vorschlag macht, der die polnische Variante aufgreift. Auch eine sehr viel ältere Äußerung des allgemein anerkannten und bedächtigen katholischen Staatsrechtslehrers Peter Lerche spricht für die polnische Lösung; er sieht zwar „zahlreiche verfassungsrechtliche Substanzen“ christlichen Ursprungs, meint aber dann: „Die geringste Bedeutung unter diesen Substanzen wird man freilich den Präambeln der einzelnen Verfassungen zumessen, soweit sie, wie nicht selten, eine Berufung auf Gott enthalten; denn derartige theistische Deklarationen sind doch wohl nur unverbindliche Deklarationen; Dekor, nicht einmal Programm. Ein Dekor überdies, auf das man z. B. auch im Grundgesetz der BRD wohl besser verzichtet hätte angesichts der Tatsache, dass das deutsche Volk zu einem wesentlichen Teile, einem gleichberechtigten Teile, dem Gottesglauben entfremdet ist;“, vgl. ders. (Anm. 33), S. 86.

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natürlicher Personen geführt und die Trinitätslehre vermutlich rezipiert hat.82 Auch erste Fassungen der Präambel des deutschen Grundgesetzes enthielten diesen Dreiklang. Es schadet nicht, wenn dies auf weltliche Aussagen zurückgeführt erscheint, zumal eine christliche Deutung nicht verbindlich sein kann. In diesem Sinne offen muss eine moderne Verfassung bleiben, will sie den Strukturen einer offenen Gesellschaft genügen, der sie dient. Nur dann respektiert sie die menschliche Persönlichkeit, ihre Würde und ihre Freiheiten, die nicht im Entferntesten gestatten, sie einem religiösen Regime oder einem Religionszwang zu unterwerfen. Dass – nach einem bekannten Diktum von E.-W. Böckenförde – „der Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann“83, erweist sich dabei als eine Banalität: Der säkulare Staat ist ein weltlich Ding, selbst wenn gewissermaßen die Kirche mit ihren konziliaren Elementen, ihrer Hierarchie und Ämterordnung als erste moderne Anstalt öffentlichen Rechts, ja sozusagen als erster „Staat“ erscheinen mag.84 Das erklärt vielleicht auch ein wenig den Wunsch, den Staat – und hier nun die Europäische Union – Gott wieder etwas näher zu rücken und so die Geborgenheit einer geschlossenen und getragenen Ordnung wiederherzustellen. Dem weltlichen modernen Staat aber kann kein Gottesbezug höhere Weihen verschaffen. Dies gilt auch für Europa: Ein Verfassungsvertrag für Europa muss in der Tat ein säkulares Projekt bleiben. Auch er ist nur ein weltlich Ding. Es kann diese Verfassung allerdings Religionen und Religionsgesellschaften, Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften den gebotenen Respekt zollen und sie vor Diskriminierung zu schützen suchen. Das strebt der Entwurf eines Vertrags einer Verfassung für Europa an und erreicht insoweit schon viel. Ein Gottesbezug indes würde säkular bleiben müssen; er würde nichts hinzufügen können, abgesehen von jener Demut, die die Mütter und Väter des deutschen Grundgesetzes und mancher deutschen Landesverfassung angesichts der Gewaltherrschaft oder der wiedererlangten deutschen Einheit zum Ausdruck gebracht haben. Darin zeigt sich zugleich, dass der Geist der Bürger die Verfassung gewährleistet. Das gilt auch für Europa.

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Siehe nochmals Voß (Anm. 50). Vgl. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation (1967), in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (112); das Diktum scheint im Übrigen einen Vorläufer bei J. v. Eichendorff zu haben, dem zu Zeiten des Hambacher Festes die Formulierung zugeschrieben wird: „Keine Verfassung […] garantiert sich selbst“, vgl. dieses Zitat ohne Beleg bei Kirchhof (Anm. 54), S. 8, wobei, was Kirchhof dort nicht sagt, die einzige Garantie einer Verfassung letztlich in Herz und Mut ihrer Bürger ruht, wie dies im Übrigen die schon erwähnte Präambel einer kemalistischen türkischen Verfassung 1961 bestens zum Ausdruck bringt. Vgl. dazu mit Nachweisen und Formulierungen Häberle (Anm. 23), S. 921 u. 927, Fn. 892 u. 909; und im Übrigen zum Hintergrund Goerlich, „Gemeinschaft“ aus der Sicht der Staatsrechtslehre, in: Theodor-Litt-Jahrbuch 3 (2003), 67 ff. 84 Siehe unter Bezug auf Max Weber dazu Dreier (Anm. 53), S. 1 ff. (4). 83

Informationstätigkeit von hoher Hand, eine merkwürdige Kooperation und rechtsstaatliche Verwaltung. Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.12. 2005 – BVerwG 7 C 20.04 – [2006]* Das Land Hamburg ficht seit Jahren diverse Sträuße mit der dort nicht nur weltanschaulich besonders aktiven, sondern oft auch wirtschaftlich nicht ganz unbedeutenden Sekte Scientology e.V. aus.1 Dabei spielt in der Hansestadt wohl auch die Aktivität einer engagierten Sektenbeauftragten des politischen Senats eine Rolle. Es liegt nahe, dass in dieser Lage gewissermaßen unter der Hand Minderheitenrechte, wie sie die religionsrechtlichen Garantien auch darstellen, auf der Strecke bleiben können. Indes dienen auch die Grundrechte des Grundgesetzes guten Teils diesem Schutz; sie gewähren nicht nur ein Minimum an Toleranz, sondern mehr, nämlich Rechte, und zwar gerade denen, die nicht etabliert sind. Über eine neue Variante hanseatischer Findigkeit hatte das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden. Diesmal war die Strategie der Hansestadt darauf angelegt, sozusagen distanziert und kühl, aber wirksam indirekt zu steuern. Man wollte offenbar nicht die Hexenjagd auf religiös-weltanschauliche Minderheiten, aber doch eine gut verschleierte und wirksame Korrektur der Marktpräsenz der Marktsegmente dieses sektiererischen Hintergrundes. Daher ging man wie folgt vor: Geschäftsleute erhielten von der Verwaltung der Stadt Formulare einer sogenannten Schutzerklärung mit der Empfehlung, sie jeweils ihren Geschäftspartnern zum Ausfüllen zu reichen. Zwischen diesen Partnern *

Zuerst veröffentlicht in: tv diskurs 37 (2006), 94 ff. Das endete öfter vor Gericht; vgl. etwa OVG Hamburg, Beschl. v. 27.2. 1985 – Bs II 12/ 85 – Glaubenswerbung im Straßenraum; OVG Hamburg, Urt. v. 6.7. 1993 – Bf VI 12/91, veröffentlicht in: NVwZ 1994, 192 f., zur Gewerbeanzeigepflicht; u. zur Vorinstanz Goerlich, Glaubenswerbung, Kommerz und Karitas, in: NVwZ 1991, 751 ff.; HansOLG, Urt. v. 22.12.1992 – 14 U 200/92 – veröffentlicht in: NJW-RR 1993, 1056 f. – Unterlassungsanspruch wegen Vorwurfs des „Grundstücksdeals“; OVG Hamburg, Beschl. v. 24.8. 1994 – Bs III 326/ 93 – veröffentlicht in: NVwZ 1995, 498 ff. – Warnung seitens des Staates; VG Hamburg, Urt. v. 11.4.1995 – 13 VG 751/93 – veröffentlicht in: KirchE 33 (1998), 173 ff. – Verteilung von Handzetteln und Druckerzeugnissen im Straßenraum; OVG Hamburg, Beschl. v. 15.6. 1998 – Bs III 65/95 – Äußerung des Senats der Hansestadt in einer Bürgerschaftsdrucksache; zu gewerbe- bzw. arbeitsrechtlichen Fragen und Scientology, BVerwG, Beschl. v. 16.02.1995 – 1 B 205.93 – und BAG, Beschl. v. 22.03.1995 – 5 AZR 21/94 – in: JZ 1995, 955 ff., m. Anm. v. Goerlich; Fälle, die ebenfalls aus Hamburg kamen, wobei das Bundesverwaltungsgericht das o. g. Urteil des OVG Hamburg v. 6.7. 1993 bestätigte. 1

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ließ sich dadurch ohne sichtbares Mitwirken der Stadt klären, ob die andere Seite Methoden der genannten Sekte anwendet oder ihr angehört. Die Geschäftspartner fühlten sich in dieser Situation anscheinend zwischen Skylla und Charybdis zur Offenlegung genötigt, um mit dieser Option vielleicht die Geschäftsbeziehung zu erhalten. Einige erhoben schließlich gegen die Hansestadt Unterlassungsklage und hatten vor deren Gerichten in unterschiedlichem Maße Erfolg. Das Verwaltungsgericht wies die Klagen ab, das Oberverwaltungsgericht gab der verbliebenen Klage nur teilweise statt. Offensichtlich war hier schon nicht ganz einfach, die Stadt als Hintermann und Autor der Formulare der Schutzerklärungen zu sehen. Dabei konnten sich Fragen der Zulässigkeit der Klagen schon stellen, war doch nur ein Geschäftspartner mit dem Formular der Schutzerklärung nach außen aufgetreten. Gegen ihn könnte man rasch und wirksam vor den Zivilgerichten vorgehen, das Verhalten der Verwaltung wäre damit allerdings allenfalls in einem obiter dictum, d. h. einer beiläufigen Bemerkung in den Gründen einer Entscheidung eines Zivilgerichts, gewürdigt. Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wandte sich die Hansestadt mit der Revision und unterlag nun vor dem Bundesverwaltungsgericht im Umfang der angegriffenen Verurteilung. Danach hat die Beklagte dieses Verhalten künftig zu unterlassen. Denkbar wäre an sich auch, dass die betroffenen Unternehmen einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Dann müsste nicht nur ein Schaden, sondern auch ursächliches, schuldhaftes und rechtswidriges Handeln der öffentlichen Gewalt vorliegen. Darauf ist hier zunächst nur hinzuweisen. Das Bundesgericht entschied mit dem genannten Ergebnis allein wegen eines einfachen, aber grundlegenden rechtsstaatlichen Defizits des Verwaltungshandelns. Es äußert sich nicht dazu, ob die hohe Hand oder ihre Helfer Auskünfte der erbetenen Art überhaupt erbitten können. Wäre dem so, müsste man die Entscheidung sozusagen als normbereichsvergessen ansehen, sollte hier etwa ein Grundrecht in einer seiner Ausprägungen eben solche Auskunftsbegehren untersagen. I. Für die Hamburgischen Gerichte hatte sich seit geraumer Zeit die Frage gestellt, in welchem Umfang und für welches Verhalten Scientology e.V. und seine Mitglieder die religiösen oder die weltanschaulichen Freiheiten des Art. 4 Abs. 1 GG (Grundgesetz) beanspruchen können. Als Weltanschauung ließen sich die Lehren dieser Vereinigung verstehen, wiewohl auch insoweit Zweifel nicht ganz fern liegen. Erst allmählich wurde deutlich, dass die Verhaltensweisen u. U. aufzuspalten sind. Denn einerseits kann eine Aktivität zwar weltanschaulich geprägt, aber andererseits dennoch sozusagen weltlich orientiert sein. Dies galt besonders für geschäftliche Aktivitäten. Deshalb spalten die Gerichte den religionsrechtlichen Schutz auf, wobei – wie beabsichtigt – der weltanschauliche Schutz die geschäftlichen Aktivitäten nicht umfasst. Das galt insbesondere für die Anmeldung eines Gewerbes – mit Folgen auch für die steuerliche Handhabung. Daher stellte sich in Fällen der vorliegenden Art die Frage, ob der Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG nicht doch zu gewähren ist. Denn mit der Konfrontation mit einem Formular einer Schutzerklärung geht hier eine Offenba-

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rungspflicht für Geschäftspartner und ihr Personal einher, die nicht nur religiös, sondern auch weltanschaulich fragwürdig erscheint. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich vor diesem Hintergrund eingehend auch damit befasst, ob die Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit im vor ihm befindlichen Falle greift. Das Ergebnis, dass Art. 4 Abs. 1 GG einschlägig ist, überzeugt.2 Auch der so genannten „Technologie“ von L. Ron Hubbart, die Scientology vertritt, bedienen sich nahezu ausschließlich die Mitglieder dieser Vereinigung. Daher erstreckt sich der Schutz des Grundrechts auf diese Praktiken, deren Einsatz zugleich ein Bekenntnis zu Scientology e.V. darstellt. Für die weitere Rechtsentwicklung von noch größerem Interesse sind allerdings die daran anschließenden Ausführungen des Gerichts zum Verwaltungshandeln. II. Die entscheidende Aussage der Gründe des Urteils zum Verhalten der Verwaltung findet sich unter Rn. 28 des Umdrucks der Entscheidung der Fassung, wie sie auch im Internet steht. Dort heißt es: „Durch Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs [scil. in das Grundrecht] kann das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden (Bundesverfassungsgericht, B. v. 26. Juni 2002 – BVerfGE 105, 279 [303]).“ Ein „solches funktionales Äquivalent“ liegt vor, wie der vorausgehende Satz der Gründe sagt, wenn ein hoheitliches Handeln gegeben ist, das nach seiner Zielsetzung und seinen Wirkungen als Ersatz für eine staatliche Maßnahme dient, die ihrerseits als Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren wäre. Beide Sätze sind Textübernahmen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht zitierten und eben im Zitat genannten einschlägigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2002. Er erging am gleichen Tage dieses Jahres wie der sogenannte Glykol-Wein-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Diese Beschlüsse hatten weithin das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für Fälle der staatsleitenden Öffentlichkeitsarbeit etwa im Wege einer Warnung der Verbraucher vor Lebensmitteln oder einer solchen im Interesse des Schutzes der Jugend vor „Sekten“ verneint. Diese Entscheidungen hat diese Zeitschrift früher vorgestellt. Sie wurden im Wesentlichen begrüßt.3 Sie waren indes im wissenschaftlichen Echo der Fachpresse auf viel Skepsis und scharfe Kritik gestoßen. Die Autoren sahen in derartigen Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeit zugunsten von Verbrauchern einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der betroffenen Unternehmen und forderten daher u. a. eine gesetzliche

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Als Übersicht zum Schutzbereich siehe etwa Tillmanns, Die Religionsfreiheit (Art. 4 I, II GG), in: JURA 2004, 619 (621). 3 Vgl. Goerlich, Marktinformationen des Staates und ihre Grenzen kraft einschlägiger Grundrechte, in: tv diskurs 26 (2003), 92 ff.; inzwischen darüber hinaus insbes. Bumke, Publikumsinformation. Erscheinungsformen, Funktionen und verfassungsrechtlicher Rahmen einer Handlungsform des Gewährleistungsstaates, in: Die Verwaltung 37 (2004), 3 ff.

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Ermächtigungsgrundlage für solche Warnungen.4 Das Bundesverwaltungsgericht geht ebenso wie die hier unten erstmals genannten akademischen Abhandlungen auf diese Autoren überhaupt nicht ein, korrigiert die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auch nicht, ergänzt sie aber in einer Weise, die doch manches etwas zurechtrückt. Auch nach diesem Urteil darf der Staat nach wie vor im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit als Teil der Staatsleitung ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vor Produkten warnen,5 wenn er dies in allgemeiner Weise tut und daher nicht in einen konkreten Zusammenhang eingreift. Anders liegt es aber im vorliegenden Fall. Wenn der Staat zielgerichtet durch die Herausgabe einer Schutzerklärung handelt, die nach dem erklärten Willen der Verwaltung dazu dienen soll, mittelbar Kunden eines Betroffenen zu schützen, dann soll anderes gelten. Sofern der Staat auf diese oder ähnliche Weise schutzgerichtet im öffentlichen Interesse handelt, um einen zu Lasten bestimmter Betroffener erwünschten Erfolg herbeizuführen, dann ist eine besondere gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich, die in Hamburg bisher fehlte. Dabei muss der Wille auf diesen Effekt gerichtet sein, der sich nicht lediglich als eine Begleiterscheinung darstellt, sondern beim Betroffenen eintreten soll – wobei das Bundesverwaltungsgericht hier eigene ältere Entscheidungen, nicht aber die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts6 als Belege zitiert. Dabei hebt das Gericht weiter hervor, dass es der Verwaltung Hamburgs nicht um allgemeine Warnungen ging, sondern nach Inhalt und Zweck um ein Handeln, das dem Rechtsgüterschutz durch Bekämpfung angenommener Gefahren dient.7 Dabei ist unerheblich, dass die nachteiligen Wirkungen der Herausgabe der Schutzerklärung erst über das Verhalten eines Dritten, nämlich durch den Geschäftspartner des dann Betroffenen, bei letzterem eintreten. Denn das durch die Verwaltung verfolgte Handlungsziel der Herausgabe der Schutzerklärung fasst den gesamten Geschehensablauf zu einer einheitlichen grundrechtsbeeinträchtigenden – in Wahrheit kraft dieser Einheit sozusagen insgesamt hoheitlichen – Handlung zusammen, was das Gericht wiederum mit seiner eigenen Rechtsprechung belegt.8 Dabei gilt das auch unabhängig davon, dass derselbe Ablauf durch einen Privaten unter Verwendung einer gleichlautenden, selbst gefertigten Schutzerklärung als kraft der Privat4 Vgl. die Beiträge in Fachzeitschriften etwa von Murswiek, Lege, Huber, Ruge, Ohler u. a., die bei Goerlich, in: tv diskurs 26 (2003), 96 in Anm. 1 genannt sind und ihrerseits auf die ältere Literatur verweisen; inzwischen etwa auch Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 158 ff.; nach dem Urteil v. 15.12. 2005 Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, insbes. S. 449 ff. zu Warnungen; bes. krit. u. zuerst zu BVerwG, Urt. v. 23.5.1989 – 7 C 2.87 – BVerwGE 82, 76 die Anmerkung v. Gusy in: JZ 1989, 1003 ff. 5 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558, 1428/91 – BVerfGE 105, 252 – marktbezogene Informationstätigkeit der Bundesregierung. 6 Nämlich Urt. v. 18.4.1985 – 3 C 34.84 – BVerwGE 71, 183 (193); Urt. v. 27.3.1992 – 7 C 21.90 – BVerwGE 90, 112 (120). 7 Eine Unterscheidung, die es anlehnt an BVerfG, Urt. v. 26.6.2002 – 1 BvR 1428/91 – BVerfGE 105, 252 (275). 8 BVerwGE 90, 112 (120).

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autonomie genutztes Instrument anzusehen ist, mithin nicht hoheitlich eingesetzt wird und daher den Grundrechtsschutz nicht auszulösen vermag. Es geht also um einen nicht das private Verhalten betreffenden Fall, sondern um einen zurechenbar administrativen Fall. Er unterscheidet sich auch von Fällen der Öffentlichkeitsarbeit auf staatsleitender Ebene, die einen solchen Zurechnungszusammenhang bezüglich nachteiliger Folgen, etwa des Konsumentenverhaltens, nicht auslösen. Im Fall der administrativen Zwecksetzung durch Herausgabe von Formularen ergibt sich der Zurechnungszusammenhang einerseits aus der belastenden, notwendig einzelfallgerichteten Wirkung der Maßnahme einer öffentlichen Verwaltung, andererseits aus dem mithin gewollten Wirkungszusammenhang des gewählten Mechanismus, der den zwecksetzenden administrativen Willen durchsetzt. Denn der Ablauf hat das unausweichliche Ergebnis, dass ein Produzent, der der betreffenden bekämpften „Sekte“ angehört oder ihre Methoden einsetzt, mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen wird, weil sein Geschäftspartner keine Risiken der Rufschädigung oder andere Folgen seinerseits tragen will, die sich aus der weiteren Fortführung der Geschäftsverbindung würden ergeben können. Teilt der Betroffene hingegen nichts mit, so wird auch dies als ein Eingeständnis wirken. Macht er falsche Angaben, so setzt er sich dem Druck Dritter und zufälliger Indiskretionen aus. III. Die Verwaltung agiert hier im Wege des sogenannten schlichten Verwaltungshandelns.9 Sie fertigte nämlich die Formulare und brachte sie tatsächlich in Verkehr. Man nennt derartiges Handeln auch Tathandlungen oder „Realakte“, die tatsächlich etwas bewirken, auch etwa im Gegensatz zu einem „Verwaltungsakt“, der rechtlich gestaltet. Vom schlichten Verwaltungshandeln sind Akte des Regierungshandelns oder der Staatsleitung zu unterscheiden. Solche Akte gestalten ebenfalls rechtlich nicht, wirken aber auch gegenüber dem Einzelnen oft weniger konkret als schlichtes Verwaltungshandeln. Für spezifische Fälle schlichten Verwaltungshandelns ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine besondere Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Die Typisierung der Fälle, die einer besonderen Ermächtigungsgrundlage bedürfen, erscheint deshalb nicht ganz einfach, weil die Handlungsform des schlichten Verwaltungshandeln nichts aussagt über den Gestaltungsvorgang oder die Gestaltungswirkung des Gesamtzusammenhanges, den dieses Handeln auslöst. Anders als der „Verwaltungsakt“ – eine in der Rechtspraxis häufige Handlungsform, die Entscheidungen im Einzelfall bewirkt – geht mit dem schlichten Verwaltungshandeln nämlich nicht stets die Regelung eines solchen Einzelfalles einher. Deshalb ist die Frage des Grundrechtseingriffs bei regelmäßig eingriffswirksamen Handlungsformen kein Problem. Nicht umsonst konnte sich die Auffassung entwickeln, dass der Adressat eines „Verwaltungsaktes“ immer mindestens in allgemeiner Weise belastet und daher vor den Verwaltungsgerichten gegen diese Akte zu klagen befugt sei, 9 Dazu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, § 15 S. 408 ff.; auch Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, im hier relevanten Kontext bes. S. 85 ff.

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weil er mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dadurch auch in seinen Rechten verletzt oder jedenfalls betroffen sei.10 Fehlt es aber – wie im Falle des schlichten Verwaltungshandelns – an einer solchen typischen Wirkung der gewählten Handlungsform, so ist zu prüfen, ob ein funktionales Äquivalent eines Grundrechtseingriffs vorliegt. Im Fall der Schutzerklärungen in Hamburg war es ja gerade so, dass an der Verschleierung des Gesamtzusammenhanges des Geschehens insofern ein Interesse bestand, als die Verwaltung der Hansestadt überhaupt nicht in Erscheinung treten sollte und wollte, aber eben dennoch bewirken wollte, dass die Geschäfte und Unternehmen, die Beziehungen zu „Scientology“ haben, am Markt verlieren. IV. Dabei ist die Perspektive der manchmal bedeutsamen Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Grundrechtseingriffen nicht von Gewicht. Diese Unterscheidung hat man öfter benutzt, um die Verantwortung der Verwaltung zu begrenzen. Das zeigt schon, dass es im Effekt nicht um dieses Begriffspaar ging, sondern um etwas anderes. Es geht nämlich um ein Zurechnungsproblem. Die Verwaltung soll den Schleier privaten Handelns von Dritten nicht nutzen können, um ihre Zwecke zu erreichen. Tut sie dies, so sind die Wirkungen in der entsprechenden Reichweite ihr zuzurechnen, nicht dem Privaten. Dieser Zurechnungszusammenhang wird im Übrigen im Falle staatlicher Informationstätigkeit oder Öffentlichkeitsarbeit gar nicht zum Problem, was den Ausgangspunkt der „Aktion“ angeht. Und was die Wirkungen betrifft, so liegt der Gesamtzusammenhang im Sinne einer zweckbestimmten adäquaten Kausalität nicht vor. Es mögen sich Verbraucher zwar anschließend anders verhalten, sie werden aber nicht sozusagen „eingesetzt“ unter Verschleierung des Ausgangspunktes ihrer Verhaltensänderung, also etwa ihres anderen Kaufverhaltens. Und sie lösen auch keinen Zugzwang aus, sich um der Erhaltung einer Geschäftsbeziehung willen zu outen, obwohl gerade auch dies im Verhältnis zur Verwaltung negative Wirkungen haben kann. Werden nämlich der Verwaltung Beziehungen zu einer Sekte bekannt, so kann dies administrative Sanktionen nach sich ziehen, etwa im Sinne neuer Zweifel an der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit bzw. anderer wirtschaftsrechtlich oder sozialversicherungsrechtlich veranlasster Nachprüfungen. Dies ist im Falle der behördlich in Umlauf gebrachten Formulare für Schutzerklärungen naheliegend, im Falle allgemeiner Erklärungen gegenüber der Öffentlichkeit dagegen nicht. Ebenso wenig spielt der oft diskutierte Begriff der faktischen Beeinträchtigung – auch von Grundrechten – hier eine Rolle.11 Denn im Hamburger Fall der Schutzer10

Sogenannte Adressatentheorie, vgl. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rn 75, S. 261 f. 11 Dazu Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994, insbes. S. 339 ff.; i. Ü. z. B. Albers, Faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen als Schutzbereichsproblem, in: DVBl. 1996, 233 ff.; u. jenseits deutscher Grenzen Holoubek, Der Grundrechtseingriff, in: DVBl. 1997, 1031 ff.; im Kontext der breiteren jüngeren Diskussion zur Grundrechtsdogmatik

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klärungen ging es nicht um eine unbeabsichtigte, faktische Wirkung des gewählten Mittels, sondern diese waren ein zielgerichtet eingesetztes Mittel, um einen bestimmten Erfolg auf sozusagen elegantem Wege zu erreichen, der keine sichtbare Präsenz des Staates erfordert. Die Finalität des Mittels erreicht den Zweck nicht ohne Absicht, im Gegenteil. Und der Effekt der Marktverdrängung ist das gewünschte Resultat, nicht sozusagen ein Kollateralschaden bei Umsetzung anderer Absichten. Es liegt vielmehr eine Beeinträchtigung vor, die beabsichtigt und als solche bei einem bestimmten Personenkreis von den Akteuren vorhergesehen ist, nicht eine bloß mittelbare faktische Betroffenheit. V. Der Grundrechtseingriff – hier letztlich im Normbereich12 des Art. 4 Abs. 1 GG als Gewährleistung individueller religiöser und weltanschaulicher Freiheit – betrifft im Übrigen nahezu einen klassischen Fall. Denn es ist kein Zufall, dass religionsrechtliche Rechtsgarantien und Menschenrechtserklärungen regelmäßig untersagen, zur Offenbarung seiner religiösen Überzeugungen zu verpflichten – wie etwa auch hier und heute Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV, der fortgilt13. Da das Grundgesetz den Schutz der Religion und der Weltanschauungen gerade auch in Art. 4 Abs. 1 GG nicht unterschiedlich sieht, muss das, was für religiöse Überzeugungen gilt, auch für weltanschauliche Bindungen gelten. Daher kann man auch nicht verpflichtet werden, seine Weltanschauung oder seine weltanschauliche Überzeugung zu offenbaren. Einen solchen Zwang lösen aber Formulare aus, die im Kontext einer ständigen Geschäftsverbindung in Umlauf kommen, um eine Äußerung zu bewirken. Wie schon bemerkt: Wer sie nicht ausfüllt, der gerät in Verdacht, wer das Gegenteil tut, der wird diskriminiert oder – im Falle der Unrichtigkeit der Angaben – riskiert anderen Druck. Der Vorgang stellt sich zwar in eigens verdeckter Weise als mittelbare Steuerung am Markt dar. Die rechtlichen Bedenken ergeben sich aber daraus, dass man dies zu erreichen sucht, indem man indirekt einen von Fall zu Fall unterschiedlich dichten und grundrechtswidrigen Offenbarungszwang etabliert. Die Steuerung geht mithin auf Kosten eines ausdifferenzierten Grundrechtes, das gerade derlei Einwirkungen ausschließt. Ist dies deutlich, so zeigt sich, weshalb das Bundesverwaltungsgericht auf Fragen der Reichweite des Schutzbereichs von Grundrechten hier gar nicht eingehen musste. Es ist offensichtlich, dass ein Grundrechtsverstoß gegeben ist. Das Grundrecht ist nicht am Rande seines Schutzbereichs berührt, es ist vielmehr im personalen Kern programmatisch kritisch Raue, Müssen Grundrechtsbeschränkungen wirklich verhältnismäßig sein?, in: AöR 131 (2006), 79 (127) mit Bezug auf BVerfGE 105, 252 (273) u. 105, 279 (299 f.). 12 Zum Normbereich als Terminus der Methodenlehre vgl. Müller, Juristische Methodik, Bd. I: Grundlagen des öffentlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, S. 230 ff., 481 ff. u. passim. 13 Zur Herkunft der Schweigeklausel Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches v. 19.8. 1919, 14. Aufl. 1933 (Nachdruck), S. 625 f.; man nennt sie auch die „Lohengrin-Klausel“, vgl. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, 2000, Art. 140 Rn. 20.

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getroffen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich im Falle von „Scientology“ um Glauben oder Weltanschauung handelt, was für die einschlägigen Überzeugungen niemand mehr bestreitet. Nur der Geschäftssinn mancher Sekte hatte daran – und so auch im Falle von Scientology – nicht nur zu Zweifeln, sondern auch zur von Gerichten hingenommenen Unterscheidung von gewerblicher und weltanschaulicher Aktivität geführt, nicht zuletzt um eine ausufernde Inanspruchnahme von Privilegierungen religiös-weltanschaulichen Handelns im Recht abzuwenden. Darum geht es hier aber nicht. Denn die Ausdifferenzierung des Marktes im Geschäftsverkehr danach, ob Beziehungen zu Scientology bestehen oder nicht, wird hier möglich durch die Einrichtung eines verdeckten Offenbarungszwanges, der für die Betroffenen negative Folgen nach sich zieht. Die Fragen einer weiten oder engen Auslegung der Schutzbereiche der Grundrechte hatten hingegen die Debatte nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts teilweise beherrscht.14 Sie spielen jetzt nicht die Rolle. Ebenso wenig hatte eine Rolle gespielt, ob die Ausgestaltung eines Marktes hier in Rede steht. Das war im Falle des Informationshandelns mit Bezügen zu Verbraucherschutz und Umweltfragen bedeutsam. Dort hatte die Unterscheidung zum Verständnis der Grundrechte nach Ausgestaltung dieser Rechte einerseits und andererseits ihrer Begrenzung eine gewisse Bedeutung. Wird nämlich durch Akte der Staatsleitung oder schlichtes Verwaltungshandeln auf einen Markt eingewirkt, in dessen Geschehen die Akteure zwar wirtschaftlich wirksame Grundrechte ausüben, so liegt es anders als im Falle eines zugleich auch weltanschaulich oder religiös geprägten Marktes: Hier kommen personale Elemente des Grundrechtsschutzes ins Spiel. Denn es sind Grundrechte in personaler Weise betroffen. Dies umso mehr, wenn verschleiert eingesetzte, nötigende Mechanismen nach Offenlegung verlangen. Dann wirkt jede Marktgestaltung als beschränkende oder ausgrenzende Konkretisierung des Marktes. Hier können die im Übrigen sinnvollen und bedeutsamen Unterscheidungen zwischen Ausgestaltung, Konkretisierung und Begrenzung oder Beschränkung von Grundrechten15 die rechtliche Würdigung dieser Fälle nicht erleichtern. VI. Ein weiterer Vorzug der Lösung des Bundesverwaltungsgerichts ist, dass im Bereich des schlichten Verwaltungshandelns – wie hier – die Unterscheidung von Aufgaben- und Befugnisnorm wieder in rechtsstaatlicher Weise zum Zuge kommt.16 14 Vgl. Kahl, Vom weiten Schutzbereich zum engen Gewährleistungsgehalt – Kritik einer neuen Richtung der deutschen Grundrechtsdogmatik, in: Der Staat 43 (2004), 167 ff. u. dagegen Hoffmann-Riem, Grundrechtsanwendung unter Rationalitätsanspruch, Eine Erwiderung auf Kahl etc., in: Der Staat 43 (2004), 203 ff.; auch Bumk (Anm. 2); u. Raue (Anm. 11). 15 Dazu K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 303 ff.; auch Hoffmann-Riem, Gesetz und Gesetzesvorbehalt im Umbruch, in: AöR 130 (2005), 5 (11). 16 Zu dieser Unterscheidung Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- u. Ordnungsrecht, 3. Aufl. 2005, § 2 Rn. 45 ff. u. passim; u. Gusy, Polizeirecht, 5. Aufl. 2003, Rn. 11 ff., S. 5 f.

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Dabei geht es darum, dass im Recht zwar öfter eine Aufgabe einer Verwaltungsbehörde zugeordnet wird – etwa die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsleitung insgesamt und insbesondere der Regierung. Für den Bürger ist infolge dessen aber noch überhaupt nicht vorhersehbar, wie diese Behörde die Aufgabe ihm gegenüber wirksam konkretisiert. Deshalb verlangt das Rechtsstaatsprinzip, dass Befugnisnormen die Aufgabennormen ergänzen müssen. Erst die Befugnisnormen ermöglichen einen Eingriff auch in der Weise, dass der Bürger wirklich betroffen ist. D. h. die Befugnisnormen ermöglichen unmittelbar wirksames, auf den Einzelfall bezogenes konkretes Handeln. Dafür sind sie auch erforderlich. Erst unter ihrer Regie ist für den Bürger vorhersehbar, wie auf ihn oder seine Aktivitäten zugegriffen werden kann. Die Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns ist aber, soweit es auch nur latent um Eingriffe in die Rechte des Bürgers gehen kann, ebenso unerlässliches rechtsstaatliches Requisit wie die Bestimmtheit staatlichen Vorgehens. Rechtsgewissheit setzt nämlich nicht nur klare allgemeine, insbesondere gesetzliche Grundlagen staatlichen Handelns voraus, vielmehr sind auch im Einzelfall, also beim Vollzug des Gesetzes, Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der staatlichen Entscheidungen geboten. Dies führt zu Anforderungen im Sinne einer rechtsstaatlichen Transparenz als zwingendes Gebot. Das mag auch zu Zweifeln an moderneren Handlungsformen, die die Debatte um die Reform des Verwaltungsrechts besonders empfiehlt,17 führen. Das gilt gerade auch für transparente Formen mittelbarer polizeilicher Steuerung durch die staatliche Verwaltung.18 VII. Staatliches Informationshandeln stellt sich nach allem als eine Aufgabe in Form „mittelbarer“ Steuerung dar, die der Staatsleitung obliegt. Hier können nach der Rechtsprechung Aufgabennormen genügen, um diese Tätigkeit, die keine Eingriffe bewirkt, zu rechtfertigen. Im Gegensatz dazu steht schlichtes Verwaltungshandeln, das zu konkreten Eingriffen führt. Hier sind Befugnisnormen erforderlich, um rechtsstaatlichen Anforderungen im Sinne der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu genügen. Die Grenzlinien zwischen beiden Handlungsformen werden nicht nur durch die Unterschiedlichkeit der Akteure – einmal Staatsleitung, das andere Mal Verwaltung –, sondern auch durch den Zurechnungs- oder Gesamtzusammenhang, in dem die Tätigkeit bzw. das Handeln steht, definiert. Handelt es sich um „Publikumsinformationen“ auf höchster Ebene, so spricht viel für Informationstätigkeit. Geht es um neue Formen des Verwaltungshandelns auf Ebene von Fachbehörden, die spezi17

Zum Nachweis dieser Debatte Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Reform des Verwaltungsrechts, 10 Bände, 1993 – 2004; u. a. darunter insbes. Schulte, Wandel der Handlungsformen der Verwaltung und der Handlungsformenlehre in der Informationsgesellschaft, in: dies. (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, Bd. 7, 2000, S. 333 ff. 18 Als ein anderes, allerdings transparentes Beispiel aus der Praxis das so genannte „polizeiliche Gefährderanschreiben“, das mitteilt, dass der Adressat polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen ausgesetzt sein werde, wenn er sich an einer bestimmten Demonstration oder Aktion beteilige, vgl. den Fall OVG Lüneburg, Urt. v. 22.9.2005 – 11 LC 51/04 – abgedruckt in: NJW 2006, 391 ff.

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fische Wirkungen bei einem konkret umrissenen Personenkreis auslösen, so liegt nahe, die klassischen rechtsstaatlichen Maßstäbe anzulegen. Hier geht es nämlich nicht um eine mittelbare faktische Betroffenheit, sondern um unmittelbare rechtliche Beeinträchtigungen. Das gilt umso mehr, wenn die letzte Variante vorliegt, diese aber umgangen wird, indem die Aktivität der Verwaltung durch private Akteure, die dazwischengeschaltet sind, verschleiert erscheint. In diesen Fällen ist eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich, d. h. es sind Befugnisnormen umso mehr angesagt. Fehlt die Ermächtigungsgrundlage in diesen Fällen, so handelt die Verwaltung rechtswidrig; Klagen auf Unterlassung haben dann Aussicht auf Erfolg. Für die Medien hat die Differenzierung zwischen Informationstätigkeit und schlichtem Verwaltungshandeln insofern Bedeutung, als sie vermeiden sollten, sich zum Mittel illegitimer indirekter staatlicher Steuerung machen zu lassen. Dies kann in vielfältiger Weise geschehen, etwa im Rahmen von Interviews, Berichten und anderen Formaten. Tun sie es dennoch, so kann sich auch ergeben, dass sie nicht nur einem Unterlassungsanspruch unter Privaten, sondern auch einer Schadensersatzklage ausgesetzt sind. Gegenüber der Verwaltung käme ein Amts- oder Staatshaftungsanspruch als Grundlage einer solchen Klage vor den Zivilgerichten in Betracht. Dies spielte hier vor den Verwaltungsgerichten keine Rolle, weil es den Klägern nur um die Untersagung des zu Recht inkriminierten schlichten Verwaltungshandelns ging und schon die Ermächtigungsgrundlage für dieses Handeln fehlte. Liegt eine Ermächtigungsgrundlage vor, so steht auf einem ganz anderen Blatt, ob solche Schadensersatzklagen Aussicht auf Erfolg hätten. Voraussetzung wäre auch Verschulden, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Im vorliegenden Zusammenhang müsste man darauf hinweisen, dass den Bediensteten der Hansestadt ein solches Verschulden wohl nicht vorgehalten werden könnte; denn die Rechtsprechung verneint dies regelmäßig, wenn ein unabhängiger Spruchkörper die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten verneint hat.19 Das war hier der Fall, da das Verwaltungsgericht Hamburg durch eine Kammer, nicht einen von ihr beauftragten Einzelrichter,20 die Klagen in der Sache abgewiesen hat, also ein richterliches Kollegium von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns ausgegangen ist. Die Rechtswidrigkeit des beklagten Verhaltens müsste sich aus anderen Rechtsgründen ergeben. In der Praxis sind aber schon derartige Risiken zu meiden. Auch ist das Verhältnis zwischen verwaltungsgerichtlichem Primärrechtsschutz und dem sekundärrechtlichen Amtshaftungsanspruch sowie dessen Sicherstellung durch die Zivilgerichte gemäß Art. 34 GG zurzeit 19 Vgl. dazu jetzt mit der Einschränkung, dass das dem Amtshaftungsanspruch zugrunde liegende Verhalten des Amtsträgers die Billigung eines Kollegialgerichts gefunden hat, BGH, Urt. v. 28.11. 2002 – III ZR 122/02 – abgedruckt in: DÖV 2003, 296 ff.; zu dieser Einschränkung allgemein auch Maurer (Anm. 8), § 25 Rn. 25, S. 669 f.; zum Hintergrund auch Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2006, Rn. 1279, S. 389; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 6.3.2003 – 5 C 50/02 – abgedruckt in: NVwZ 2004, 104 f. 20 Dazu § 6 VwGO, wonach eine solche Übertragung nur geschehen soll, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat; für rechtspolitische und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Rn. 1 zu § 6.

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erneut in der Diskussion.21 Hinzu kommt, dass Amtshaftungsansprüche nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch gegen körperschaftlich verfasste Kirchen bzw. deren Sekten- oder Weltanschauungsbeauftragten denkbar sind.22 So fragwürdig diese Entscheidung ist, so zeigt sich in ihr doch wiederum eine Tendenz zu disproportionierten Reaktionen etablierter Religionen in Zeiten einer Pluralisierung des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Nicht immer ist zu erwarten, dass die Gerichte dies hinreichend im Blick haben, sind sie doch auch in dieser Gesellschaft tätig. Entscheidungen können aber auch auf Missverständnissen beruhen, die ihren Ausgangspunkt in der Verfassungsrechtsprechung haben, wie hier vielleicht in Teilen infolge der Entscheidung zu Publikums- oder Marktinformationen.23 VIII. Abschließend bleibt anzumerken: Selbst wenn die hier geforderte Ermächtigungsgrundlage geschaffen würde, so bliebe dabei, d. h. im Gesetzgebungsverfahren, doch die Frage, ob eine solche Rechtsgrundlage für das hier in Rede stehende Verwaltungshandeln rechtens sein kann. Dagegen sprechen folgende Gesichtspunkte der rechtsstaatlichen Tradition, in der das Grundgesetz vor dem Hintergrund seiner Entstehung nach der Herrschaft des Nationalsozialismus steht. Zwar dürfen bestimmte staatliche Stellen verdeckt operieren, etwa im Interesse der Strafverfolgung, des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Auslandsaufklärung. Aber besteht jenseits dieser Aktivitäten die Möglichkeit, so vorzugehen, etwa für Stellen der Wirtschaftsverwaltung? Denn das geschieht, wenn eine Verwaltung Formulare für Schutzerklärungen aushändigt, die nicht erkennen lassen, woher sie stammen. Hier dürfte die Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Bestimmtheit staatlichen Handelns in Frage gestellt sein. Denn ein Verwaltungshandeln, das als solches 21 Wobei hier allerdings Bestandskraft des Verwaltungshandelns nicht eintreten kann, da nicht ein Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG, sondern schlichtes Verwaltungshandeln vorliegt, das der Bestandskraft nicht fähig ist. Vgl. i. Ü. aber zur Zuordnung der Fachgerichtsbarkeiten Wissmann, Amtshaftung als Superrevision der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: NJW 2003, 3455 ff. kritisch zu BGH, Urt. v. 20.2. 2003 – III ZR 224/01 – abgedruckt in: NJW 2003, 1308 ff.; dieser Entscheidung voraus geht die Rechtsprechung, die für das Handeln von Körperschaftskirchen den Verwaltungsrechtsweg bejaht, vgl. etwa BGH, Beschl. v. 24.7. 2001 – VI ZB 12/01 – abgedruckt in: JZ 2002, 191 f. mit Entscheidungsanmerkung von Muckel; zum Hintergrund Weber, Kontroverses zum Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, in: NJW 2003, 267 ff. 22 So BGH, Urt. v. 20.2. 2003 (Anm. 18) in der eben zuerst genannten Entscheidung; zustimmend Wilms, Amtshaftung der Kirchen für die Äußerungen ihrer Sektenbeauftragten, in: NJW 2003, 2070 ff.; dagegen zu Recht sehr kritisch Ehlers, Entscheidungsanmerkung, in: JZ 2004, 196 ff.; Thiel, Entscheidungsanmerkung, in: JR 2004, 148 f. 23 Vgl. die genannte Entscheidung BVerfGE 105, 252 – Glykol-Wein –, die allein einschlägig erscheint, wenn man Scientology e.V. oder jedenfalls seinen Anhängern in der Geschäftswelt die Berufung auf Art. 4 Abs. 1 GG abspricht, was das Bundesverfassungsgericht in der zweiten Entscheidung – BVerfGE 105, 279 – Osho – für die „Osho“-Bewegung nicht tat; letztere wurde vom Bundesverwaltungsgericht hier auch herangezogen.

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nicht zu erkennen ist, ist schon hinsichtlich seiner selbst und seiner Herkunft unbestimmt. Ross und Reiter müssen genannt sein, zu schweigen von dem berechtigten Bedürfnis zu wissen, wohin die Reise geht. Verdecktes Vorgehen verletzt außerdem das schon erwähnte Erfordernis der Vorhersehbarkeit hoheitlichen Handelns. Seine Missachtung genügt auch insoweit rechtsstaatlichen Maßstäben nicht. Diese rechtsstaatlichen Erwägungen ergeben sich aus Art. 20 GG und gelten auch für schlichthoheitliches Handeln der Verwaltung.24 Es ist kein Zufall, dass unter dem Grundgesetz Publizität im Rechtsstaat in der Weise gefordert wird, dass für den Bürger jede Berührung durch staatliche Gewalt voraussehbar und berechenbar bleibt, und zwar nicht nur dank eines Gesetzes kraft eines Gesetzesvorbehaltes, die beide Publizität voraussetzen, sondern auch im Einzelfall des Verwaltungshandelns.25 Gibt die Verwaltung im Rahmen schlicht-hoheitlichen Handelns Schriftliches „von sich“, so könnte auch eine Rechtsanalogie zu § 37 Abs. 3 VwVfG in Betracht kommen, wonach die ausfertigende Behörde im Falle eines Verwaltungsaktes auf jeden Fall zu erkennen sein muss.26 Diese Publizitätsvorschrift gilt auch für Allgemeinverfügungen i. S. v. § 35 Satz 2 VwVfG, d. h. solche Veraltungsakte, die eine unbestimmte Zahl von Einzelfällen regeln und sich formularmäßig oder plakativ durch öffentlichen Anschlag an einen nur bestimmbaren Personenkreis richten.27 Die im vorliegenden Falle erforderliche Analogie beschränkt sich auf die Angabe der erlassenden Behörde, bereitet mithin keine besonderen Probleme im Kontext schlichten Verwaltungshandelns, wenn sie sich denn durchsetzt.28 Mit der Rechtsanalogie würde eine Konkretisierung rechtsstaatlicher Grundsätze im Verwaltungsverfahrensrecht mit der allgemeinen Publizität im Rechtsstaat verknüpft. Für ein Absehen von solchen rechtsstaatlichen Anforderungen im Verhältnis zu Grundrechten könnte nur das Grundgesetz selbst Raum geben. Das gilt auch für die Grundrechte des Art. 4 Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen solcher Ausnahmen bedürfen indes einer präzisen Umschreibung. Es müsste zudem um den Schutz verfassungsrechtlich anerkannter Rechtsgüter gehen, deren Schutz die Wahl solcher Mittel schlechthin zwingend erfordert.29 Von all dem kann im vorliegenden Falle nicht die Rede sein. Daher kann 24

Vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 1. Aufl. 1998, Art. 20 Rn. 162 m.N.; näher entwickelt für kooperative Formen, wie sie hier aber auch gesehen werden können, nimmt man die hier stattgehabte Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Geschäftswelt in den Blick, vgl. ders., Kooperatives Recht im Spannungsfeld von Rechtsstaatsprinzip und Verfahrensökonomie, in: DVBl. 1994, 657 ff. (659 ff.); Ansätze auch bei Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 131 ff. (132) u. 237 ff. 25 Vgl. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, 1971, S. 82. 26 Für die Analogie vgl. Schulte (Anm. 9) S. 136. 27 Schulbeispiel ist hier die allfällige Verfügung durch das bekannte Schild „Baden verboten! Der Landrat“. 28 Vgl. zur Analogie gemäß dem VwVfG mit der Befürchtung mangelnder Passfähigkeit Dreier, Informales Verwaltungshandeln, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1993), 647 (662 f.). 29 Die Problematik erinnert an die Änderungen des Grundgesetzes zur Einfügung des so genannten „Großen Lauschangriffs“, vgl. dazu BVerfGE 109, 279 mit abweichender Meinung

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man die Gerichtsentscheidungen, die hier nur eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage anmahnen, in ihren Aussagen als recht vorläufig im Sinne eines ersten Schrittes zur Reflektion über solch ein Verwaltungshandeln verstehen. Nur der Leitsatz des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts lässt eindeutig erkennen, dass nicht nur die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt, sondern darüber hinaus, dass die von der Verwaltung gewählte Kooperation mit sozusagen integeren Teilen der Geschäftswelt mehr als fragwürdig ist, wenn mit verdeckten Mitteln ein anderer Teil dieser Welt veranlasst werden soll, sich auf diese Weise in Ansehung ihrer Beziehungen zu einer Sekte transparent zu machen, mithin von der Verwaltung mittelbar – d. h. nicht nur verdeckt, sondern auch unter Zuhilfenahme Privater – ausgespäht wird. IX. In gewisser Weise ist diese Verwaltungspraxis im großen Zusammenhang der Durchdringung der Gesellschaft mit Hilfe von Informationseingriffen von hoher Hand zu sehen. Diese Eingriffe erscheinen angesichts des großen Gefahrenpotentials, das von einer an sich immer schon gegebenen organisierten Kriminalität, aber insbesondere einem vorgeblich politisch legitimierten Terrorismus ausgeht, rechtens. Sie sind aber dennoch Teil eines Weges, der von den Pfaden des liberalen Rechtsstaates abweicht. Dieser Rechtsstaat kann sie in seine Welt nur einbeziehen, wenn seine Rechtsschutzmechanismen entsprechende Fortschritte machen. Das gilt für sehr viele neue Regelungen und auch informale Praktiken. Sei es die Überwachung von Straßen und Plätzen dank moderner, wohl postierter Kameras,30 die vorgreifliche oder nachträgliche Erfassung von Verbindungsdaten der Gespräche mit Mobil-Telefonen,31 die verdeckte Ermittlung bzw. Überwachung von Wohnräumen32

der Richterinnen Jäger und Hohmann-Dennhardt; dazu Holzmann, Entweder-Oder – Das Dilemma zwischen Freiheit und effektiver Strafverfolgung am Beispiel der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „Großen Lauschangriff“, in: Gropp/Sinn (Hrsg.), Organisierte Kriminalität und kriminelle Organisationen. Präventive und repressive Maßnahmen vor dem Hintergrund des 11. September 2001, 2006, S. 133 ff. 30 Vgl. dazu VGH Mannheim, Urt. v. 21.7.2003 – 1 S 377/02 – abgedruckt in: NVwZ 2004, 498 (500) auch zur Totalüberwachung; vgl. auch LG Magdeburg, Beschl. v. 3.2.2006 – 25 Os 7/06 – in: NJW 2006, 1073 f. zur Verwertung von Maut-Gebühren-Daten in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren; i. Ü. auch Schieder, Die automatisierte Erkennung amtl. Kfz-Kennzeichen als polizeiliche Maßnahme, in: NVwZ 2004, 778 ff.; als weiteres Beispiel Dorf, Luftbildaufnahmen und Unverletzlichkeit der Wohnung, in: NJW 2006, 951 ff. 31 Dazu BVerfGE 113, 348 (375 ff.) – Telekommunikationsüberwachung zur Verhütung bzw. Vorsorge bzgl. der Verfolgung von Straftaten; und BVerfG, Urt. v. 2.3.2006 – 2 BvR 2099/04 – abgedruckt in: NJW 2006, 976 ff. zu Durchsuchungen zur Datenermittlung hinsichtlich etwaiger Handy-Kontakte mit einem Journalisten; zu Datenerhebungs- und -verarbeitungsbefugnissen der Polizei vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel (Anm. 16), §§ 14, 15, S. 227 ff., 285 ff. 32 Vgl. BVerfGE 109, 279 mit abw. Meinung der Richterinnen Jäger und HohmannDennhardt.

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oder das ebenfalls schon erwähnte offene „polizeiliche Gefährderanschreiben“33, das den schon erfassten, latent demonstrationswilligen Adressaten von der Teilnahme an solchen Aktionen abhalten soll, und die „Rasterfahndung“ u. a. zu Zwecken der Terrorismusabwehr – d. h. eine reaktive Fahndung, die an gewisse ermittelte „Raster“Merkmale angeschlossen einen Personenkreis aus einer größeren Menge von Daten über Personen herausfiltert, der alsdann als verdächtig gilt –, ein Fall, den das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe offenbar dieses Jahr entscheiden wird,34 aber auch in Fällen der „Schleierfahndung“ – also ereignisunabhängigen Identitätskontrollen, die also regelmäßig keinerlei konkreten Verdachtsfall zur Grundlage haben und mithin ohne Anknüpfung im Verhalten betroffener Personen deren Daten erheben35 – in all diesen Fällen wird eine präventive Verlagerung der Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung zur Grundlage eines verdeckten oder offenen oder aber teils erzwungenen Informationsflusses, den die bisherigen Mittel des Grundrechtsschutzes oft kaum in Grenzen weisen können. Die Instrumente des Grundrechtsschutzes sind deshalb umso mehr fortzubilden, so dass dieser Schutz auch künftig eine bessere Wirksamkeit entfalten kann. Dies gilt, zumal Gefahrenvorsorge das einzige Mittel zu sein scheint, modernen Formen der Kriminalität begegnen zu können. Unter diesen Umständen kommt es darauf an, die Rechtsfortbildung auch auf Seiten des Rechtsschutzes entsprechend voranzutreiben. Indes ist die „Gefahrenvorsorge“ oft schwerlich zu rechtfertigen, insbesondere wenn ihre Erfolge mehr als mager ausfallen müssen, da nach Einführung der neuen Instrumente die einschlägigen Kreise ihr Verhalten rasch modifizieren und so die neuen Mittel ins Leere laufen lassen. Bei der Begleitung und der Kontrolle dieser Rechtsentwicklungen müsste die Wissenschaft eine Vorreiterrolle einnehmen. Indes leisten die Gerichte oft mehr, allerdings sind sie auch in der Situation, entscheiden zu müssen. Beide – Gerichte und Wissenschaft – bedürfen einer informierten Öffentlichkeit, um mit ihrer Arbeit wenigstens wirksame Eckpunkte für die Grenzen solcher Grundrechtseingriffe durchsetzen zu können. Ein Pflock dieser Art ist mit der hier diskutierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eingeschlagen. Ihn müssen – wie angedeutet – weitere Pflöcke, die noch besser sitzen, ergänzen. Das gilt nicht nur für die verfehlte Form, sondern auch für die Grenzen staatlichen Handelns in der Sache.

33 Siehe OVG Lüneburg, Urt. v. 22.9. 2005 (Anm. 18). Polizeiliche Maßnahmen der – nomen est omen – „Strafverfolgungsvorsorge“ sind hingegen unter rechtlich präzisen Voraussetzungen möglich; zum Rechtsschutz gegen sie BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 – 6 C 2/05 – abgedruckt in: NJW 2006, 1225 f. 34 Und zwar unter dem Aktenzeichen 1 BvR 518/02. 35 Vgl. aus der Rechtsprechung: BayVerfGH, Entsch. v. 28.3. 2003 – Vf. 7-VII-00 u. a. – abgedruckt in: NVwZ 2003, 1375 ff.

Verfassungsrecht – Verfassungsgeschichte – Verfassungspolitik. Gängige Inszenierungen einer Wissenschaft und ihre Ebenen1 [2006]* Die zahlreichen Gebiete der Wissenschaft – die Wissenschaften – pflegen sich in bestimmten Formen zu inszenieren. Hierzu bedienen sie sich verschiedener Riten und Plätze. Die Topologie der ganz unterschiedlichen Fächer ist ebenso unterschiedlich. Dies gilt auch dann, wenn nach Name und Form, etwa der Leistungen für die Erlangung eines akademischen Abschlusses, der gewählte Schauplatz identisch erscheint. Auch die Ausstattung der Szenerie ist oft sehr unterschiedlich, Die Wahl der Ausstattung ist meist auch ein Signal des Anspruchs, mit dem man auftritt. Dieser Befund betrifft nicht nur die Promotion und die Habilitation sowie die dafür quali* Zuerst veröffentlicht in: comparativ 16-I (2006), 171 ff. 1 Sammelbesprechung zu: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. I, Art. 1 – 19, 2. Aufl. 2004, 1.741 S.: Brenner/Huber/Möstl (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes – Kontinuität und Wandel, Festschrift für Peter Badura zum 70. Geburtstag, 2004, 1.283 S.; Blankenagel/ Pernice/Schulze-Fielitz (Hrsg.), Verfassung im Diskurs der Welt. Liber Amicorum für Peter Häberle zum 70. Geburtstag, 2004, 916 S.; Schulze-Fielitz (Red.), Leistungsgrenzen des Verfassungsrechts (= Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatrechtslehrer, Bd. 62), 2003, 565 S., darin u. a. die folgenden Beiträge: Herdegen/Morlok, Informalisierung und Entparlamentarisierung politischer Entscheidungen als Gefährdungen der Verfassung?; Korioth, v. Bogdandy, Europäische und nationale Identität. Integration durch Verfassungsrecht; Heintzen, Vosskuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung; Oebbecke/Burgi, Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung; Weber-Dürler (Red.): Die Staatsrechtslehre und die Veränderung ihres Gegenstandes (= Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Bd. 63), 2004, 561 S.; darin: Kokott, Vesting, Die Staatsrechtslehre und die Veränderung ihres Gegenstandes: Konsequenzen der Europäisierung und Internationalisierung; Brugger, Gusy, Gewährleistung von Freiheit und Sicherheit im Lichte unterschiedlicher Staats- und Verfassungsverständnisse; Scherzberg, Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht. Ermöglichung oder Begrenzung von Innovationen; Gröschner/Masing, Transparente Verwaltung. Konturen eines Informationsverwaltungsrechts; Kirsch/Schiera (Hrsg.), Verfassungswandel um 1848 im europäischen Vergleich (= Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Bd. 38), 2001, 408 S.; Kirsch/Kosfeld/Schiera (Hrsg.): Der Verfassungsstaat vor der Herausforderung der Massengesellschaft. Konstitutionalismus um 1900 im europäischen Vergleich (= Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Bd. 41), 2002, 480 S.; Grandner/Schmale/Weinzierl (Hrsg.): Grund- und Menschenrechte. Historische Perspektiven – Aktuelle Problematiken (= Querschnitte, Bd. 9), 2001, 368 S.; Günther, „Denken vom Staat her“. Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949 – 1970, 2004, 364 S.

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fizierenden Schriften, die meist veröffentlicht werden; hierzu gehören auch andere Formen, die Publizität vermitteln, so etwa in dogmatischen Fächern der wissenschaftliche Kommentar, vor allem aber die Tagungen und ihre Bände, seien es solche fachspezifischer Vereinigungen oder solche, die in freierer Weise zustande kommen und durch eine Publikation ihrer Beiträge hervortreten; des Weiteren auch Ringvorlesungen, die dann veröffentlicht werden, oder aber Monographien zum Richtungsstreit eines anderen oder des eigenen Fachs – die im Heimatfach durchaus Dissertationen sein können – oder andere, die ebenso als Erträge eigener Forschung firmieren. Manchmal reizt dabei die Präsentation, manchmal geht es mehr um die Sache. I. Die Festschrift als Krönung des gelehrten Lebens gilt dem Fach im deutschsprachigen Raum nicht selten mehr als alles andere für einen Jubilar – die Festschrift, die nicht wie ein bescheideneres Kolloquium als kleines Buch das Licht der Welt erblickt, sondern als voluminöser Band zum hohen Tage feierlich überreicht, wenn auch manchmal noch nicht fertig, nur als Einzelstück an diesem Tage produziert wird, und den so als Gegenstand einer eigenständigen Publikation gefeierten Kollegen der Höhe der Unsterblichkeit jedenfalls im Fach schon nähert. Als Muster unterschiedlicher Ausgestaltung können in letzter Zeit im Staats- bzw. im Verfassungsrecht die beiden Festschriften für Peter Badura und Peter Häberle gelten. Der eine als betont auf den Staat fixierter Großordinarius erhielt eine Festschrift, die den Staat an den Anfang stellt, der dann im Titel der Festschrift als der des Grundgesetzes charakterisiert wird. Der andere, nicht der Macht verschrieben, sondern der Muse, der Kultur und der Verfassung, erhält hingegen eine Schrift, die als Buch der Freunde auftritt und sich jenseits des Staates als Gegenstand und Wirklichkeit des Fachs – wie man heute sagt – aufstellt. Während Badura sich im Laufe seines Weges durch die Wissenschaft vom liberalen jungen Ordinarius zum tragenden Staatsberater im Freistaat Bayern in einem Realismus der Umstände gewandelt hat, blieb Häberle immer der, der er war – ein der Wissenschaft wie der Kunst zugewandter leidenschaftlicher Schüler und Lehrer an der Universität, ein Kommunikator über die Kulturen hinweg, ein Idealist, der allein seinem Gegenstand verpflichtet bleibt. Man ist versucht, schon die äußere Erscheinung der Bände in einen Zusammenhang hierzu zu bringen: Der eine ist gewichtig, der andere bleibt handlich. Ebenso sind die Geehrten ganz unterschiedlich herausgestellt, Badura wird vor die Klammer gezogen geehrt, außerhalb der Beiträge, Häberle nach einem Vorwort der Herausgeber und einem Grußwort seines Lehrers durch den Beitrag eines Schülers, der zugleich dessen Beitrag zur Festschrift ist. Im Falle der Festschrift für Badura ergeben die Beiträge vier große Abschnitte, nämlich Verfassungsstaat und parlamentarische Demokratie, dann Kirche, Rundfunk und Universität, darauf Wirtschaft und Verwaltung und schließlich Europarecht und internationales Recht. Im Buch der Freunde für Häberle sind es sechs Abschnitte, die schon in der Ausweisung wie auch im Gehalt dem Werk des Geehrten um einiges – und

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vor allem im Stil – näher sind und bleiben, nämlich zuerst Verfassung, Texte und Kultur, dann Verfassungsbegriff und europäische Verfassungsgebung, darauf auf dem Weg zu einem europäischen Gemeinrecht, dann Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit im internationalen Vergleich, anschließend nationales Verfassungsrecht als Grundierung und zum Schluss Religion und Kunst als Kontexte der Verfassung. Weiter fällt auf, dass in dem Buch der Freunde sehr viel mehr ausländische Autoren zu Wort kommen als im Band für Badura, ebenso wie offenbar wirklich persönliche Freunde von Peter Häberle, auch diejenigen, die keinen Lehrstuhl vorweisen oder einen solchen noch nicht erreicht haben, sich vielmehr noch in den Niederungen tummeln, und vereinzelt auch solche aus Nachbardisziplinen des Verfassungsrechts, die zu den Großen ihres Fachs gehören. Dieser persönlichen Note entspricht sicher auch die eigene fachwissenschaftliche Kultur, die der Geehrte entwickelt hat. Sie lebt von leisen Tönen und feinen Differenzierungen, meidet den Pomp und das Getöse der Geltungssucht, verlässt sich vielmehr auf die kaum wahrnehmbaren Strömungen der vielen Rinnsale von Kultur und Recht, die den Strom der Zeit ausmachen und letztlich die Entwicklungen prägen. Demgegenüber steht das Repräsentative und Gewichtige auf der anderen Seite im Vordergrund, ist dies auch und genügt der mit jeder Festschrift beabsichtigten Präsentation vielleicht viel stärker als ein ausgefeilter Gruß auf einem Kalenderblatt, den ein „Liber Amicorum“ immer auch überbringen will. Auf die einzelnen Beiträge selbst kann hier kaum eingegangen werden, soll dies nicht in einer Aufzählung enden, die nichtssagend zu werden droht. Aber anzumerken ist gewiss für beide Werke, dass sich in ihnen ganz unterschiedliche Texte, vom Anspruch im Ansatz bis zur Qualität in der Durchführung finden. Deshalb wird man schwerlich eine Garantie des Niveaus mit dem Ort der Festschrift oder des „Liber Amicorum“ einhergehen sehen. Allerdings gelingt manches im Buch der Freunde doch in Graden etwas mehr und etwas sichtbarer, und das wird den Herausgebern zu danken sein, die es vermochten, ihre Autoren zu führen und zu fördern, so dass dieses Bild entstand. Auffällig ist auch, dass sich durch die beiden Bücher gewisse gegenständliche Parallelitäten ziehen, abgesehen von der personalen Parallelität von wenigen Autoren, die in beiden Werken auftreten – wobei man darüber rätseln könnte, wie sich diese Fälle erklären. Die aktuellen Fragen der „Konstitutionalisierung“ nicht nur in Europa, sondern weltweit und damit einhergehend die veränderte Rolle nationaler Verfassungen führte in beiden Büchern zu Beiträgen etwa einerseits von Dieter Grimm – zwar nicht als Kassandra, so aber doch als Verteidiger der Verfassung – mit seinem und andererseits Hasso Hofmann mit einem Beitrag zum Verfassungsbegriff. Mit der Reichweite von Verfassungen „nach innen“ beschäftigt sich in wie immer eher rätselhafter und zu filigraner Weise in beiden Büchern derselbe Autor, nämlich Peter Lerche, dies allerdings in unterschiedlicher Zugänglichkeit, nämlich im Liber noch verborgener, während er sich in der Festschrift mit dem Geehrten in einer Grundfrage auseinandersetzt. Weiterhin veranlassen die aktuellen Fragen einer Europäisierung des Religionsverfassungsrechts einerseits einen Beitrag von Stefan Korioth und andererseits einen

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solchen von Gerhard Robbers, wobei letzterer ebenfalls in der Festschrift auftritt, dort allerdings mit einem Beitrag zum Föderalismus. Zu den weiteren Autoren beider Festspieltruppen gehören auch Klaus Vogel, einmal zur fehlenden Bindung an völkervertragswidrige Gesetze im offenen Verfassungsstaat, das andere Mal zur Gesetzgebungszuständigkeit für Lenkungssteuern, Eberhard Schmidt-Aßmann, einmal zu europäischer Verwaltung und europäischem Verwaltungsrecht, das andere Mal zum Schutz des Aktieneigentums, sowie Martin Nettesheim, einmal mit einem „Essay“ zur politischen Gemeinschaft der Unionsbürger, das andere Mal mit einem Aufsatz zum Wettbewerbsföderalismus2, ferner Hans F. Zacher, einmal über Forschung im Bundesstaat, das andere Mal zu „Deutschland den Deutschen“, und schließlich Hans Heinrich Rupp, einmal zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, das andere Mal zum subjektiven öffentlichen Recht. Insgesamt handelt es sich also um ein kleines Segment, gemessen an der sonst am Anger der Festschriften grasenden „Karawane“ derer, die regelmäßig Beiträge zu solchen Bänden liefern und sich deshalb als die immer weiter ziehende Karawane jener Festspieltruppen fassen lassen, welche die literarische Form und Gattung der Festschrift befördern, erhalten und sich regelmäßig zur Übergabe der Festschrift an den jeweils geehrten Gelehrten, hohen Richter oder Verwaltungsbeamten begegnen. Diese Karawane teilt sich übrigens wissenschaftlich denn auch kaum mehr in Fachzeitschriften mit, da ihre Produktion von den Festschriften absorbiert wird. Außerdem ist sie saturiert und nicht etwa die Speerspitze gestalterischen wissenschaftlichen Fortschritts oder einer Wahrnehmung der Interessen der Wissenschaft. II. Ein ganz anderes Instrument der Artikulation der Wissenschaft ist der fachwissenschaftliche Kommentar zu einem Gesetz oder der Verfassung, der meist einen oder mehrere Herausgeber und mit wachsendem Volumen viele Autoren besitzt. Dabei kommt es auf ein durchgehaltenes sicheres und unverbrüchliches Niveau der Leistung aller Beiträge an. Hier ist das bestgelungene Werk im deutschen Verfassungsrecht zweifellos der dreibändige Kommentar zum Grundgesetz, den Horst Dreier herausgibt. Soeben ist der erste Band der zweiten Auflage erschienen, der wiederum vor allem die Grundrechte des Grundgesetzes zum Gegenstand hat. Ein solcher Kommentar ist vor allem ein Mittel, im aktuellen Streit einerseits den Standard des Kanons notwendigen Wissens zu entfalten, andererseits aber auch die eigene Position und das eigene Lager so zu platzieren, dass die vertretenen Auffassungen umso besser ins Licht der fachlichen Aufmerksamkeit, seiner Öffentlichkeit und darüber hinaus gelangen. 2 Zu den Formen des Festschriftbeitrages könnte man weitere Studien treiben, etwa wenn an die Stelle des Beitrages ein handschriftliches Grußwort auf einem Blatt tritt, wie im Falle von Konrad Hesse am Anfang vor allem anderen im hier besprochenen Liber Amicorum, oder von Thomas Oppermann in der Festschrift für Badura unter dem ominösen Titel „Ein Präsident für Europa“, ein Essay, der indes zu substantiellen Aussagen zum Wandel der Europäischen Union kommt.

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Autoren des ersten Bandes des Kommentars sind in der zweiten Auflage, neben dem Herausgeber als Autor, Hartmut Bauer, Rolf Gröschner, Georg Hermes, Werner Heun, Johannes Masing, Martin Morlok, Ingolf Pernice, Helmuth Schulze-Fielitz und Joachim Wieland, wobei nur Masing neu hinzugetreten ist, nachdem Gertrude Lübbe-Wolff Verfassungsrichterin in einem Senat wurde, der unter anderem mit ihren früheren Gegenständen befasst ist. Die relativ jungen Autoren sind alle an einer deutschen Universität als Hochschullehrer tätig und besaßen schon aufgrund ihrer vorausgegangenen Aktivitäten erhebliches Ansehen. Offensichtlich arbeiten sie weiterhin gut zusammen, auch wenn manche vielleicht heute in etwas größerer Distanz zueinander stehen. Es ist kaum möglich, die Qualität der Bearbeitungen zu unterscheiden und einzelne Kommentierungen hier zu besprechen. Entscheidend für die Beurteilung ist vielmehr zunächst der Aufbau der jeweiligen Kommentierung, der bewusst stets den internationalen und den europäischen Hintergrund einbezieht, also jede isolierte Stoffbehandlung zu vermeiden sucht. Dabei setzt die Kommentierung jeweils mit dem Historischen ein, nämlich „Herkunft, Entstehung, Entwicklung“, kommt dann zu den „internationalen, supranationalen und rechtsvergleichenden Bezügen“ sowie danach erst zu den „Erläuterungen“. Diese wiederum gliedern sich in allgemeine Bedeutung – bezogen auf das Schutzgut im aktuellen Befund –, den Schutzbereich und den Abwehrcharakter im Sinne von „Eingriff und Schranken“. Dabei gehen die objektiven Gehalte des jeweiligen Grundrechtes nicht unter, sondern werden eigens hervorgehoben behandelt. In einem letzten Abschnitt wird dann das Verhältnis zu anderen Bestimmungen im Grundgesetz geklärt. Im Vergleich zur ersten Auflage3 finden sich zahlreiche Verbesserungen und Ergänzungen, die zeigen, dass die Autoren den Kommentar als eine kontinuierlich gepflegte Aufgabe verstehen und ihren Erkenntnisfortschritt weitergeben. Auch bewirkt die Betonung des historischen und des vergleichenden Aspekts der jeweiligen Fragestellungen eine Förderung des entsprechenden Interesses des Lesers. Hinzu kommt, dass diese Vorgehensweise den Kommentar außerdem besonders tauglich macht als Hilfe für diejenigen, die aus Geschichte oder Politik kommend sich um Verständnis einzelner Bestimmungen des Grundgesetzes bemühen. Insofern ist der Kommentar zwischen Theorie und Praxis der Verfassung angesiedelt, vermittelt in der interdisziplinären Kommunikation und ist daher hier in dieser Zeitschrift vielleicht besonders hervorzuheben. Er tritt in dieser Weise und unter diesem Aspekt, zusätzlich neben seiner fachwissenschaftlich gegebenen besonderen Qualität, die schon für die erste Auflage allseits gerühmt wurde, besonders hervor. Gerade unter Aspekten eines Blicks von außen ist dieser Kommentar uneingeschränkt zu empfehlen.

3 Für deren Besprechung siehe exemplarisch: Hollerbach, in: JZ 54 (1999), 888 f., sowie ders., in: JZ 56 (2001), 1083.

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III. Eine eigene Gattung machen die Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer aus. Im öffentlichen Recht sind nämlich Initiation und Anerkennung der Kollegen besonders geprägt durch das Referat auf einer der Tagungen des Fachvereins, eben der „Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer“, das dann alljährlich im Jahr danach – früher geheftet, nun gebunden – auch erscheint. Ein Referat dort gilt, wie in der Justiz das so genannte dritte Staatsexamen – also die „Erprobung“ eines jungen Richters durch seine Abordnung an das Obergericht seiner Gerichtsbarkeit und die damit am Ende verbundene Beurteilung seiner Arbeit in dieser Zeit –, als die letzte Etappe auf dem Weg zum engeren Kreis der anerkannten Größen. Zwar ist jener Fachverein inzwischen so groß, dass es schon rechnerisch nicht mehr möglich ist, dass jeder einmal vorträgt; auch kennt man sich nicht mehr durch die Bank. Dennoch wird an diesem Ritual festgehalten. Wer dort durchfällt, der konnte sicher bis vor wenigen Jahren nicht damit rechnen, für eine bessere Position vorgeschlagen und berufen zu werden. Andererseits ist angesichts der Fülle der Mitglieder nicht mehr damit zu rechnen, diese höhere Weihe zu erhalten, es sei denn, man gehörte zu einer der einflussreichen Gruppierungen oder Schulen, die im Vorstand der Vereinigung mehr oder minder stetig repräsentiert sind, da der Vorstand über die Thematik wie über die Referenten entscheidet. Eben diesem Zuwachs an Personen ist auch ein neues Element der Veranstaltung geschuldet, das in einem der letzten Bände sich niederschlägt, nämlich nicht mehr nur zwei Referenten zu zwei Themen zu haben, sondern nunmehr jeweils zwei Referenten zu vier Themen. Die Verdoppelung der Themenzahl ermöglichte zugleich, aktuellere Thematiken zu behandeln und eher von faktischen Entwicklungen her die Themen zu strukturieren, als von rechtsdogmatischen Interessen auszugehen und somit die Verzögerungseffekte der Rechtsfortbildung in Kauf zu nehmen. Exemplarisch ist hier zuerst der Bd. 62 herauszugreifen: Er folgt bereits der Linie, zu vier Themen insgesamt acht Referenten zu Wort kommen zu lassen. Damit wird zu einer viel stärkeren Konzentration gezwungen, sowohl im Referat als auch in den Beiträgen zur Diskussion im Anschluss. Auch besitzen die Themen eine rechtsoder verfassungspolitische Aktualität, sind also nicht auf das rechtsdogmatische Kondensat einer älteren politischen Entwicklung beschränkt und damit in der Distanz der gelehrten Welt zu Hause. Das gilt sowohl für Wandlungen des parlamentarischen Regierungssystems durch informale und entparlamentarisierte Entscheidungsprozesse als auch für die europäische und die nationale Identität in Integrationsprozessen auch dank des Verfassungsrechts sowie für jede Form der Zusammenarbeit von privaten Unternehmen und öffentlicher Hand und schließlich für den Wandel der Rolle der Selbstverwaltung angesichts der Europäisierung und Ökonomisierung ihres Umfeldes. Die Referenten repräsentieren in ausgewogener Weise den Reformflügel des Fachs wie auch dessen Widerpart. Dabei ist schon die Möglichkeit, dies so zu formulieren, ein Signal für den Wandel der Vereinigung, die diese Tagungsbände publiziert. Sie war früher eher konservativ und traditionalistisch domi-

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niert, litt noch an den Folgen des Dritten Reiches, sofern der Verlust an wissenschaftlicher Qualität zunächst oder jedenfalls lange nicht wettgemacht wurde und war zudem nahezu von denjenigen dominiert, die (wiewohl man die Vereinigung aufgelöst hatte) dennoch mit dem untergegangenen Regime verstrickt gewesen waren. Hier hat sich ein Prozess der Normalisierung vollzogen, den nun auch diese Bände spiegeln. Von besonderem Interesse sind dabei der Ansatz einer neuen, nun europäischen Integrationslehre von Stefan Korioth und die kritische Distanz hierzu des Co-Referenten Armin von Bogdandy. Diese Bemerkung soll indes nicht von der hohen Qualität der anderen Beiträge ablenken. Der anschließende 63. Band, der nun auch gebunden vorliegt, bestätigt die erwähnte Entwicklung. Wiederum sind vier Gegenstände behandelt. Auch hier spielt die gegenwärtig beobachtete und viel diskutierte Entwicklung der „Entstaatlichung“ eine erhebliche Rolle. Das mit diesem Wort umschriebene Abrücken von einem hergebrachten Staatsverständnis weist in zwei Richtungen, einerseits „nach oben“ in die Europäisierung und Internationalisierung und andererseits „nach unten” in einen Wandel der innerstaatlichen Verhältnisse mit starken Bezügen zum Verwaltungsrecht – und dort der Ausbildung von Instrumenten mittelbarer Steuerung und Privatisierung, gerade wenn es um Risiken und Informationsverarbeitung geht. Dem voraus liegt ein Wandel des Verhältnisses von Sicherheit und Freiheit, der 2004 als Gegenstand in diesem Band abgelöst wird von einer eher neoliberalen Perspektive zum Verhältnis von Freiheit und sozialer Sicherung. Nicht immer gelingt dabei den Referenten die Vermittlung theoretischer Einsichten auf einer praktisch-pragmatischen Ebene. Dies gilt umso mehr, je theoretischer der Grundansatz orientiert ist. Deshalb hielten sich zum ersten Gegenstand (Die Staatsrechtslehre und die Veränderung ihres Gegenstandes. Konsequenzen der Europäisierung und Internationalisierung) die Ergebnisse der Referenten in etwa die Waage. Im Falle des zweiten Beratungsgegenstandes (Gewährleistung von Freiheit und Sicherheit im Lichte unterschiedlicher Staats- und Verfassungsverständnisse) wirkte das Vorverständnis auf die Behandlung des Gegenstandes besonders ein, zumal unter aktuellen Bedrohungen und im Blick auf unausweichliche Veränderungen des Verhältnisses von Freiheit und Sicherheit. Das dritte Thema (Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht: Ermöglichung oder Begrenzung von Innovationen) griff einen Gegenstand auf, der seit Anfang der 1970er Jahre virulent ist, als mit herkömmlichen Instrumenten des Polizeirechts an aktuelle Probleme der technischen Sicherheit von Großanlagen herangetreten wurde, wobei nun die volle Breite des Risikomanagements zu erfassen war. Das letzte Thema (Transparente Verwaltung – Konturen eines Informationsverwaltungsrechts) führte beide Referenten vor allem zu den Forderungen nach einer Informationsgesetzgebung, die die traditionelle Figur des Amtsgeheimnisses im deutschen Verwaltungsrecht zu Grabe tragen wird. Die Stoßrichtung ist überzeugend, ebenso wie die Differenzierungen, welche die Referenten vornahmen, um Schwächen des ersten Zugangs abzufangen, die seit Beginn dieser Reformdebatte aufgetreten sind. Insgesamt also ein gelungener Band, der spiegelt, in welchem Maße sich inzwischen der Reformflügel in dieser Vereinigung durchgesetzt hat und wie damit trotz der hohen

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Zahl der Mitglieder und trotz der großen Schwierigkeiten der jungen Generation, eine Professur zu erhalten, wie sie bisher nur etwa bei den Historikern bekannt waren, insgesamt eine gewisse wissenschaftliche Kultur Platz greift. IV. Sammelbände unterschiedlichster Art, etwa aufgrund von Forschungsprojekten, Tagungen, Summer Schools, Ferienkursen oder sonstigen wissenschaftlichen Konferenzen, besitzen kein gemeinsames Format, wie es bei Festschriften, Freundesgaben oder wiederkehrenden Tagungsbänden einer etablierten Einrichtung oder einer berufsspezifischen Vereinigung mit latenter Monopolstellung der Fall sein kann. Nicht aus dem Feld der Juristen, sondern der Historiker sind hier einige Beispiele dieser Gattung vorzuführen. Aus einer Folge von drei Tagungen auf der Grundlage eines gemeinsamen Projekts italienischer und deutscher historischer Institute in Berlin und Neapel sind zwei Sammelbände zum Verfassungswandel bzw. zum Verfassungsstaat hervorgegangen. Vorausgegangen war ihnen ein Band, auf den hier nicht näher einzugehen ist.4 Der Band zum Verfassungswandel um 1848 macht einen ersten Teilabschnitt, der auf das gemeinsame Vorwort der Herausgeber folgt, zum Gesamttitel. In diesem Teilabschnitt werden in der Tat Fragen des Verfassungswandels in der Zeit bis 1848 von P. Schiera, M. Kirsch und A. de Franscesco behandelt. Dann folgen aber zahlreiche Aufsätze verschiedener Autoren zum Wechselverhältnis von Verfassung und Gesellschaft in den Staaten Europas in dieser Zeit, in einem Fall auch für spätere Zeiträume. Es schließen sich Abhandlungen an zur Rezeption von Verfassungsrecht, wobei hier typischer Weise die belgische Verfassung, aber auch die der Paulskirche eine erhebliche Rolle spielen, abgesehen von britischen Einflüssen in Ungarn. Abschließend folgen Beiträge zu Nationalitätenfragen und Verfassungsrecht, von PreußenDeutschland über Piemont-Italien, und weitere Fragestellungen der italienischen Einigung bis zu den nationalpolitischen Positionen der Kroaten, Serben und Slowenen 1848/49 im Kaisertum Österreich dieser Zeit. Nahezu alle Beiträge zentrieren in der Tat um das Revolutionsgeschehen von 1848. In diesem Sinne gibt der Sammelband eine hilfreiche europäische Perspektive und löst die Betrachtung aus nationalen Verkürzungen. Ebenso setzt der Band an bei der Verknüpfung der Verfassungsfragen mit den Fragen einer nationalen staatlichen Einheit, die in dieser Zeit anfallen. Auch hier ist es gut, sich die Weite der Geschehnisse und ihrer Bewältigung im jeweiligen Rahmen klarzumachen. Dabei wird ein Begriff des Verfassungswandels zugrunde gelegt, der nur historisch zu verstehen ist, nicht etwa rechtlich. Dennoch geht es immer auch

4 Vgl. meine Rezension zu: Kirsch/Schiera (Hrsg.), Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 1999, in: DÖV 2001, 264.

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um Rechtsfragen und so ist für den Verfassungsrechtler und -historiker von Interesse, was hier erscheint. Nichts anderes gilt für den letzten Band dieses Projekts zum Verfassungsstaat, der nun von drei Herausgebern (M. Kirsch, A. G. Kosfeld, P. Schiera) betreut wurde, die auch eine gemeinsame Einleitung zu Fragen und Problemen des Konstitutionalismus um 1900 vorlegen. Hier finden sich Beiträge mit Bezug zur im Titel des Bandes schon angesprochenen Massengesellschaft in nahezu allen Teilabschnitten. Der erste handelt vor allem von Konstitutionalismus und dem politischem Raum von Eliten, Verfassungen, Parteien und Öffentlichkeit, der zweite von Wahlen und Wahlrechtsbewegungen, der dritte von Rechtsdenken und Verfassungsstaat, der vierte von Verfassungen vor der Herausforderung der nationalen und sozialen Frage sowie der letzte vom Blick anderer Rechtskulturen auf Europa, hier aus Sicht des osmanischen Reiches, des Islam und der Öffnung Japans Ende des 19. Jahrhunderts im Blick auf das deutsche Recht. Auch hier stehen transnationale Vergleiche im Vordergrund und sind die meisten Beiträge historisch ausgerichtet. Einige zielen zudem auf eine rechtsdogmatische Erfassung des Gegenstandes, etwa im Wahlrecht oder zu Vorstufen der Verfassungsgerichtsbarkeit, dem Genossenschaftsgedanken und Formen der Selbstverwaltung, wobei die Autoren dann oft oder schlicht Juristen sind. Beide Bände leiden unter der Gefahr, dass einzelne Beiträge durch den gewissermaßen apokryphen Ort ihrer Veröffentlichung der wissenschaftlichen Öffentlichkeit eher verloren gehen. Dagegen können an sich nur die Autoren selbst helfen, indem sie in der üblichen Weise gezielt Sonderdrucke ihrer Beiträge an Autoritäten und Kollegen schicken. In dieser Weise wird eine gewisse Gegensteuerung gegen die alles überflutenden Veröffentlichungen sichergestellt, die allerdings bei der Prominenz wiederum in eine ertränkende Flut der Sonderdrucke umschlagen wird. Insgesamt sind diese Bände aber sicher zu empfehlen, zumal sie einen transnationalen und einen interdisziplinären Einschlag haben und schon deshalb über das Übliche hinausgehen. Andere elitärere Sammelbände bedürfen solcher Empfehlungen dann nicht, wenn sie nicht nur institutionell durch die Edition ihren Status absichern, sondern zugleich Forschungsdesideraten genügen und die Beiträge besser koordiniert sind.5 V. Stärker auf ein akademisches Ritual bezogen sind Ringvorlesungen, die als solche firmieren und in einem Sammelband erscheinen. Ringvorlesungen sollen – meist aus einem förmlicheren Anlass – einen Gegenstand umfassend von verschiedenen Seiten spiegeln, aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven auf den Gegenstand 5 Als Resultat einer deutsch-japanisch-koreanischen Tagung in Japan: Stolleis/Yanagihara (Hrsg.), East Asian and European Perspectives on International Law (= Studien zur Geschichte des Völkerrechts, Bd. 7), 2004; sowie meine Rezension zu diesem Band bei geschichte.transnational: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=5190.

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aufmerksam machen und manchmal zugleich die Institution präsentieren, aus der die Beiträge kommen. Sie haben oft interdisziplinären Charakter, bisweilen auch über die Fakultätsgrenzen hinweg. Zu dem Genre solcher Sammelbände gehört auch der eine Wiener Ringvorlesung spiegelnde Band zu den historischen Perspektiven und aktuellen Problematiken von Grund- und Menschenrechten, publiziert in der Reihe Querschnitte, herausgegeben von Margarete Grandner, Wolfgang Schmale und Michael Weinzierl. Sie ist interdisziplinär angelegt, obwohl neben wenigen Juristen wiederum die Historiker dominieren. Es geht nach der Einleitung der Herausgeber um Grund- und Menschenrechte in vormodernen und modernen Gesellschaften, um die Geschichte dieser Rechte in Frankreich vom 15. Jahrhundert bis zur dortigen Revolution, um sie in Großbritannien vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, um ihre Universalität als Versprechen der amerikanischen Revolution, um das amerikanische Dilemma zwischen Bürgerrechten und Sklaverei, aus juristischer Sicht um diese Rechte in Österreich, um das Recht auf Glaubensfreiheit als Keimzelle des modernen Grundrechtsverständnisses vom 16. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, exemplarisch um die Meinungsfreiheit in Österreich, um die Rechte politischer Partizipation bis ins 20. Jahrhundert, um das Recht auf Arbeit, das Recht auf Entwicklung, um Menschenrechte und Nationalstaat, um Privatheitsrechte angesichts der Informationsgesellschaft sowie um die österreichische Liga für Menschenrechte. Dabei sind die Beiträge sehr unterschiedlich im Umfang und Zuschnitt, auch in der Dokumentation und Argumentation sowie im Anspruch ihrer wissenschaftlichen Kraft. Hervor treten besonders diejenigen des Mitherausgebers Schmale zu Grund- und Menschenrechten in vormodernen und modernen Gesellschaften Europas sowie zur Geschichte dieser Rechte in Frankreich vom 15. Jahrhundert bis zur französischen Revolution. Das gilt auch für denjenigen von Weinzierl zur Entwicklung in Großbritannien vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Andere beziehen sich auch in der Dokumentation auf diese Beiträge und erreichen selbst manchmal nicht mehr als das höhere Niveau eines propädeutischen Seminars, was sicher auch an dem Aufwand liegt, der dem jeweiligen Autor für die Ausarbeitung möglich war.6 Ferner haben diese wohl eher die „Volksbildung“ als die akademische Hörerschaft im Auge. An diesem Maßstab gemessen, genügen sie ihren Anforderungen und sind nicht ohne Reiz. VI. Habilitationsschriften sind immer noch eine akademische Gattung von Rang. Sie scheinen indes in der Rechtswissenschaft, insbesondere im öffentlichen Recht, immer umfangreicher und kompilatorischer angelegt aufzutreten, was die Bewältigung dieses Formats im Wege eingehender Lektüre noch schwieriger macht. Daher ist der Rezensent umso glücklicher, kein Werk dieser Gattung hier anzeigen zu müs6 Für eine tiefgehende Dokumentation in größerer Breite und im Kontext des deutschen Verfassungsrechts aus traditionellerer Sicht: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. l, 2004 (angelegt auf 10 Bände).

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sen. Allerdings erlaubt er sich als eine besondere Form des Dankes, auf die ihm zuletzt zugesandten Arbeiten aus dem öffentlichen Recht hinzuweisen.7 Es sind diejenigen von Torsten Kingreen8, Wolfram Cremer9, Markus Kotzur10 und Felix Ekhart11. Sie sind sehr unterschiedlich angelegt, haben aber einen umfassenden dogmatischen Anspruch gemeinsam und zielen darauf, im Fach einen Status zu bewirken, der unantastbar ist. Aus der Perspektive von Autoren ist das Enzyklopädische oft gefragter als das Inventive, die Neuigkeit des eigenen Ansatzes eher ein Risiko als die Breite der Entfaltung bekannter Ansätze. Auf jeden Fall sollen sie eine Durchdringung des Stoffes sichtbar werden lassen, die nach einer oft eher weiterführenden Dissertation oder Monographie, die vorausgegangen ist, davon überzeugt, dass der Autor in die Wissenschaft gehört, sie nicht nur mit Fleiß und Gründlichkeit, sondern auch in der „einsamen Herrschaft“ über ein ganzes Feld betreiben kann. VII. In allen Disziplinen ist heute die Dissertation die erste größere Leistung des Wissenschaftlers und der Abschluss des akademischen Ausweises des Praktikers. Hier gibt es in Abhängigkeit beispielsweise von Fach, eigenem Anspruch und Lehrer die unterschiedlichsten Anforderungen und Erscheinungen. Von besonderem Reiz ist die hier anzuzeigende Arbeit von Frieder Günther, der sich als Historiker mit den Konflikten in der Zunft der Staatsrechtslehrer sowie großen Verfahren der Nachkriegszeit vor dem Bundesverfassungsgericht – also etwa Wiederbewaffnung, Reichskonkordat, Parteiverbote, „Adenauer“-Fernsehen GmbH und außerhalb des Gerichts Notstand – befasste. Es handelt sich geradezu um einen Fall von Enthüllungs- oder Entzauberungsliteratur. Im Wesentlichen geht es um die Konflikte der Staatsrechtslehre zwischen Schmitt- und Smend-Schule, daher die Entgegensetzung von Dezision und Integration im Untertitel, bezogen auf den Dezisionismus der Schmittianer und die Integrationslehre von Rudolf Smend.12 Die Enthüllung liegt in zahllosen Zitaten aus privaten Briefen der Schmitt-Schule, 7 Die Dedikationen lassen erkennen, dass der Anlass der Zusendung auch mit Hilfen im Rahmen einer Vertretung einer Stelle oder eines Verfahrens zu tun hatte oder aber ganz weit zurückliegt, so dass aus der Nennung hier kein Schluss auf eine Nähe auch im Übrigen gezogen werden sollte. 8 Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund. Gemeinschaftsrechtliche Einflüsse auf das deutsche Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 2003. 9 Cremer, Freiheitsgrundrechte. Funktionen und Strukturen, 2003. 10 Kotzur, Grenznachbarschaftliche Zusammenarbeit in Europa. Der Beitrag von Art. 24 Abs. 1a GG zu einer Lehre vom kooperativen Verfassungs- und Verwaltungsstaat, 2004. 11 Ekhart, Zukunft in Freiheit. Eine Theorie der Gerechtigkeit, der Grundrechte und der politischen Steuerung, zugleich eine Grundlegung der Nachhaltigkeit, 2004. 12 Zur weiteren Entwicklung: Goerlich, „Gemeinschaft“ aus der Sicht der Staatsrechtslehre, in: Theodor-Litt-Jahrbuch 3 (2003), 67 ff., 79 ff.; heute in anderem Zusammenhang: v. Bogdandy, Europäische Verfassung und europäische Identität, in: JZ 59 (2004), 53 ff.

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die auch eine gewisse Unkultur dieser Briefwechsel im Sinne des Umganges der Korrespondenten mit anderen und damit auch sich selbst ans Licht und zum Ausdruck bringt, was die Entzauberung und Desillusionierung ausmacht. Teilweise ist dies neben der mangelnden Fachkompetenz im öffentlichen Recht, was vielleicht weniger zu Buche schlagen sollte, sehr deutlich gerügt worden.13 Aber man muss sehen, dass diese Dissertation sich auf einem bisher unbekannten Feld bewegt. Andererseits mag die Publikation vielleicht denjenigen peinlich sein, die in der Wissenschaft aktiv sind und gerade jener Schule nahe stehen, die Günther wohl nicht zufällig bevorzugt. Deutlich zeigt die Arbeit, wie allein dank der Schweizer Kollegen insbesondere in der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer die Balance zu halten war und wie sehr etwa um die Frage einer umfassenden, nicht auf dessen Schule beschränkten Teilnahme an einer Festschrift für Carl Schmitt gestritten wurde. Auf manche Strecken macht Günthers Buch den Eindruck, dass er missbraucht worden ist für eine späte Rache oder einen verzögerten unerwarteten Gegenschlag einer Seite, wobei man aus dem Dank und der Zahl der Belege aus einem unveröffentlichten „Depositum“ auch den Schluss ziehen könnte, um wen es sich handelt. Auf der anderen Seite kommt etwas ans Tageslicht, was in der Zunft der Juristen nicht zu übersehen ist: Es handelt sich um ein Fach, und das gilt auch für viele in der Staatsrechtslehre, das vielfach zum sozialen Aufstieg – bei gleichzeitiger Aufnahme in das Milieu der damaligen männlichen deutschen akademischen Jugend und ihrer Barbarismen – benutzt wird, wobei Umgangs- und Ausdrucksformen nicht mit dem Können notwendig wachsen müssen. Zugleich sind die Intrige, das Doppelspiel und derlei Hinterhof in einem politiknahen Fach ebenso interessant wie in der Wissenschaft überhaupt Klatsch, „Netzwerkarbeit“, die Reputation, die Eitelkeit und der Spott, wenn es andere trifft – sowie vieles andere mehr. Das gilt natürlich umso mehr aus der Sicht und in der Perspektive einer Nachbardisziplin und eignet sich für den Abschluss einer Abhandlung wie dieser, die sich in den Rahmen der Inszenierungen von Wissenschaft stellt, ganz besonders, da sie das Informelle, die Hintergründe wie die ungeschriebene Geschichte, darunter nicht zuletzt menschliche Schwächen und politische Verirrungen in die beschriebenen Formen der Inszenierung einbezieht. Es steht immer noch zu hoffen, dass die Staatsrechtslehre inzwischen diese Ebenen selbst domestiziert und sich selbst und ihren Angehörigen einen besseren Ton und ebenso einen eher aufrichtigen und fairen Umgang miteinander auferlegt hat. Erst dann wird sie dem Anspruch genügen können, den sie gerne in ihren offiziellen und offiziösen Auftritten und Reden vor sich her trägt. Dann wird sie auch in richtige Balance zu ihrer eigenen Vergangenheit finden und sich diese in Distanz aneignen können, wie Michael Stolleis14 hervorhebt. Vielleicht noch eine Bemerkung: Last not least liest 13

Vgl. die Rezension v. Vogel, in: JZ 59 (2004), 617 f.; weniger betroffen und daher wohl positiv hingegen die Würdigung bei Stolleis, Verfassungsbau und Überschau. Frieder Günther untersucht die bundesdeutsche Staatsrechtslehre, in: FAZ v. 19.4. 2004, 36. 14 Stolleis (Anm. 13); für das Dritte Reich ist dies mehr und mehr auf dem Wege, vgl. auch Dreier/Pauly, Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus, in: VVDStRL 60 (2001), 9 ff., 73 ff.

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sich diese Dissertation wohl nicht ohne einen Grund wie ein Kriminalroman, jedenfalls für denjenigen, der in die damalige Höhle der Staatsrechtslehre nicht als einer ihrer Löwen geraten ist, sondern wie die Unschuld vom Lande im Glauben an die Wissenschaft. Kehrt er nun in diese Höhle zurück, so wird er dies umso mehr empfinden. Nachdem aber auch die Staatsrechtslehre auf dem freien Felde einer offenen Gesellschaft kampieren muss, wird allmählich auch eine Westorientierung des Fachs im Sinne einer Rezeption des angelsächsischen Verfassungsstaates mehrheitsfähig, so dass die großen Emigranten des öffentlichen Rechts und die Aussiedler in die politische Wissenschaft – ob sie nun zurückgekehrt sind oder nicht – doch noch Gehör finden. VIII. Eine Bemerkung am Ende: Andere selbstständige Formen der Inszenierung von Wissenschaft sind geisteswissenschaftlichen Fächern kaum bekannt. Für Vorlesungen und Seminare ist die Zuordnung zum Bereich der Lehre zu bestimmend, wiewohl auch hier eindrucksvolle Inszenierungen möglich sind und obgleich auch die Lehre ein Bestandteil der Wissenschaft ist. Allerdings könnte man auch in den Geisteswissenschaften – wie in den Naturwissenschaften – an die Demonstration eines Experiments, an – ähnlich der Aufführung eines Stücks – einen „moot court“ im Sinne des Rollenspiels im Fall vor Gericht oder ähnliche Dinge denken, die sich im Wege des Videos oder Films dokumentieren lassen. Das ließe sich dann auch im Falle von Bewerbungen präsentieren. Solchen Beispielen nähert man sich, wenn akademische Prüfungen auch die Präsentation und die Disputation sowie Diskurse oder diskursorientierte Vorlesungen als Teil des Verfahrens verlangen. Sie sind aber schwerlich nachprüfbar zu würdigen, weil sie sich bisher jedenfalls noch nicht authentisch dokumentieren lassen, obwohl dies in einem Zertifizierungsverfahren seitens der Prüfer oder anderer befugter Personen durchaus möglich wäre. Auch das wäre eine neue Form.

Menschenrechte und Verfassungen zwischen Aufklärung und Fundamentalismus – Fragen zu ihrer Auslegung [2007]* I. Einleitung Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)1 und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EuGRCH)2 stehen im Kontext älterer wie heutiger Rechteerklärungen dieser Art. Will man sich mit ihnen befassen, sie verstehen, ist es sinnvoll, sich auf die Traditionen dieser Texte einzulassen. Diese Texte sollen verbindlich sein, sind aber gewiss dort, wo der Normtext – tatsächlich oder scheinbar – nicht ganz eindeutig ist, interpretationsbedürftig, zumal sie immer zugleich historische Texte sind. Deutungsdifferenzen spielen hingegen kaum eine Rolle, wenn ein Text nur eine Deutung zulässt; allerdings kann diese Klarheit offenbar an Gewicht verlieren, wie das Schicksal des Folterverbots gemäß Art. 104 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG)3 und – so steht zu befürchten – gleichlautender völker- oder unionsrechtlicher Verbote aus Sicht mancher Autoren oder gar Rechtsanwender zeigt,4 wiewohl diese Texte nach jüngerer Sicht zugleich Ausdruck einer besonderen „Wertegemeinschaft“ sein sollen.5 *

Zuerst veröffentlicht in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts [n. F.] 55 (2007), 73 ff. V. 4.11. 1950, i. d. F. d. Bekanntmachung vom 17.5. 2002 (BGBl. II S. 1054), in Kraft getreten am 3.9. 1953. 2 Feierlich vom Europäischen Rat am 7.12. 2000 in Nizza proklamiert (ABl. Nr. C 364/I). 3 V. 23.5. 1949 (BGBl. I S. 1), zuletzt geänd. am 26.7. 2002 (BGBl. I S. 2863). 4 Für eine Richtigstellung demnächst der hessische Generalstaatsanwalt Anders, Aktuelles Forum: Staatliche Folter – Heiligt der Zweck die Mittel? Die Diskussion zur rechtlichen Zulässigkeit staatlicher Folter in Ausnahmesituationen, in: Goerlich (Hrsg.), Staatliche Folter – Heiligt der Zweck dieses Mittel?, vor dem Erscheinen; methodisch Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I: Grundlagen öffentliches Recht, 9. Aufl. 2004, Rn. 236, S. 224, Fn. 172 und Rn. 370, S. 361. 5 Dazu betont Callies, Europa als Wertegemeinschaft – Integration und Identität durch europäisches Verfassungsrecht?, in: JZ 2004, 1033 ff.; vorsichtiger v. Bogdandy, Europäische Verfassung und europäische Identität, in: Schuppert/Pernice/Haltern (Hrsg.), Europawissenschaft, 2005, S. 331 ff.; ähnlich Haltern, Europarecht, 2005, S. 20 ff. und 413 ff.; der Vortrag, dem obiger Text zugrunde lag, wurde Ende September 2005 in Foça bei Izmir in der Türkei gehalten; der erste Beratungsgegenstand der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Anfang Oktober 2005 in Frankfurt/M. wurde insbes. vom Zweitreferenten, St. 1

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Die prinzipielle Gebundenheit der Norm an die Entstehung findet sich allerdings auch in der biblischen Tradition im Falle der zehn Gebote, die zwar unmittelbar von Gott herrühren sollen, indes sozusagen in zwei Ausfertigungen ergingen.6 Bereits im Blick auf die verloren gegangene, gewissermaßen verborgene erste Fassung können hier Deutungsdifferenzen entstehen. Dies festzuhalten, ist nicht nur für religiöse Texte von großer Bedeutung. Menschenrechte, darunter diejenigen in der EMRK und der EuGRCH, und moderne Verfassungen sind Kinder des Zeitalters der Aufklärung – des Enlightenment im weiten Sinne – beginnend in Oberitalien und England schon in Vorphasen der Renaissance. Weitere Vorstufen finden sich in Ansätzen im 17. Jahrhundert zunächst in der blutigen ersten englischen Revolution, dann im 18. Jahrhundert in Amerika und vor allem im Frankreich von 1789. Die Idee der Rechteerklärung in ihrer modernen, aufgeklärten Gestalt ist also damals sogleich über den Atlantik nach Nordamerika gelangt und dann zurückgekehrt.7 So konnten Recht und Politik der jungen Vereinigten Staaten ihr Gemeinwesen als eine gänzlich säkulare Gründung und als ein solches Völkerrechtssubjekt verstehen, das nicht auf der christlichen Tradition ruhte und daher ein von ihr unabhängiges universales Völkerrecht nutzen konnte, um auch mit muslimischen Parteien Verträge zu schließen,8 während sich diese Nation heute als one nation under God versteht, jedenfalls – zwar rechtlich angefochten, aber doch allgemein akzeptiert – in ihren öffentlichen Schulen ihre Jugend auf sie

Huster, ganz im Sinne dieser Zeilen verstanden, vgl. auch Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 633 ff. 6 Vgl. die Geschichte von Moses und der Schaffung neuer Gesetzestafeln, 2. Buch Mose = Ex. Kap. 34, 1 sowie 27 – 29; auch andere Schriftreligionen kennen die Historizität ihrer Texte, allerdings ebenso weniger in ihren fundamentalisierten Varianten. 7 Dazu Samwer, Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789/91, 1970, bes. S. 229 ff., 312 ff.; dass das europäisch-kontinentale deutsche allgemeine Staatsrecht dies nicht rezipieren konnte, ja auf den kantischen Weg der Reform „von oben“ verwies, ist bekannt, vgl. Schelp, Das Allgemeine Staatsrecht – Staatsrecht der Aufklärung, 2001, S. 257 ff. (261 f.); für die weitere Entwicklung in Deutschland unabhängig von der „Revolution“ Rolin, Der Ursprung des Staates, 2005, S. 97 ff. 8 Vgl. den in jüngerer Zeit öfter zitierten Vertrag von Tripolis mit der Feststellung: „As the government of the United States is not in any sense founded on Christian Religion – as it has itself no character of enmity against the laws, religion or tranquillity of Messelmen – and as the States never have entered into any war or act of hostility against any Mohammedan nation, it is declared by the parties that no pretext arising from religious opinion shall ever interrupt the harmony existing between the two countries.“ – so Art. XI des Treaty of Tripolis 1797, veröffentlicht von Miller (Ed.), Treaty of Tripolis 1797, American State Papers, Foreign Relations II, p. 18 – 19, s. auch U.S. Government Printing Office, Treaties and Other International Acts of the United States of America Vol. 2, 1931, p. 3 – 37; vgl. i. Ü. Heun, Die Trennung von Kirche und Staat in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: Kästner u. a. (Hrsg.), Festschrift für Martin Heckel zum 70. Geburtstag, 1999, S. 341 ff., gerade zur inneren geschichtlichen Entwicklung.

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verpflichtet.9 Die Bereitschaft der Gründungsväter, das Gemeinwesen ganz säkular zu konstituieren, erhöhte die Akzeptanz ihrer Verfassungspolitik bei Dissentern und Freikirchen, welche die Distanz zu Hochkirche und Papsttum suchten, ähnlich wie die Theoretiker der Verfassung Venedigs im 17. Jahrhundert, was letzteres angeht.10 Die heute nahezu dominierende politische Rhetorik in den Vereinigten Staaten zeigt, dass in der Substanz die Sprache jener Aufklärung des 18. Jahrhunderts nicht mehr anzutreffen ist, mithin offenbar kein wahlpolitisch relevantes soziales Substrat dieses Milieus mehr vorhanden scheint, vielmehr im Gegenteil, eine quasi-religiöse Sendung, verbunden mit einer Gewissheit des Heils und des eigenen Auftrags, dieses Heil in die Welt zu tragen, jene Rhetorik bestimmt und auch das Handeln zunehmend beeinflusst.11 Schon frühere Verquickungen von Republikanismus als politischer Theorie mit Religion als politischer Botschaft haben in den amerikanischen Kolonien, etwa besonders in Massachusetts, zu Verirrungen geführt, die Züge des heutigen Bildes erhellen.12 Die frühe Wirkung der Aufklärung hingegen ist ebenso wie ihre breitere Wirkungsgeschichte ein eigenes Thema. Wie sehr aber das Verhältnis der weltlichen Grundlegung eines Gemeinwesens und seiner Fundierung auf einem Gottesbezug noch oder wieder im Raume steht, zeigt die Debatte um den Vertrag über eine Verfassung für Europa.13 Der Siegeszug der Menschenrechte hat jedoch schon seit dem 18. Jahrhundert weltweit stattgefunden. Was veranlasst nun, ihre Interpretation mit Hilfe der Gegenüberstellung von Aufklärung und Fundamentalismus hier und jetzt, unter dem Grundgesetz und unter den Menschenrechten, darunter der EMRK, zu thematisieren? In diesem Versuch geht es vor allem um die Auslegung von Grundfreiheiten und Menschenrechten der EMRK, er kommt aber nicht umhin, zugleich auch Verfassun9 Der Rechtsstreit um diese Formel im Morgenappell der amerikanischen High School, der in Kalifornien begann, ist zur Zeit – nur prozessual – erledigt, vgl. FAZ, Nr. 137 v. 16.6. 2004, 8. 10 Zu Venedig beiläufig Tuck, Thomas Hobbes, Übersetzung Herder/Spektrum Meisterdenker o. J., S. 24; neben John Locke und Roger Williams war auch James Harrington einer von denjenigen, auf die man sich stützte; seine Hauptschrift ders., The Commonwealth of Oceana (London 1656), fußt auf einer Theorie der Verfassung, die als Republik auf Dauer gestellt und unabhängig von der Kirche bestehen sollte, verbunden mit einer auf die Klassiker gestützten Theorie, wonach „Government […] is the Empire of Laws and not of Men.“, a.a.O., S. 12. 11 Dazu die Beiträge in: Broker (Hrsg.), „God bless America“, Politik und Religion in den USA, 2005; wenig hilfreich Rüb, Der atlantische Graben, Amerika und Europa auf getrennten Wegen, 2004; noch stärker dem Sensationsjournalismus nahe, aber wohl gut informiert Victor, The Last Crusade, 2004 (deutsch: Beten im Oval Office, 2005). 12 Vgl. Fach, Der Zeuge Tocqueville, in: Zahlmann (Hrsg.), Kommunitarismus in der Diskussion, 2. Aufl. 1997, S. 42 ff. 13 Dazu die Beiträge in: Goerlich/Huber/Lehmann, Verfassung ohne Gottesbezug? Zu einer aktuellen europäischen Kontroverse, 2004; früher Häberle, „Gott“ im Verfassungsstaat? (1987), zuletzt modifiziert in ders., Europäische Verfassungslehre, 3. Aufl. 2005, S. 276 ff.

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gen und Rechte überhaupt anzusprechen. Hier ist es von Interesse, auf die Frage einzugehen, inwieweit solche grundlegenden Rechte immer eine Rechtsverfassung – also ein umfassenderes Regelwerk – voraussetzen oder erfordern, um sich durchsetzen zu können. Man sollte die Konvention, die die Rechte enthält, ihrerseits als eine in diesem Sinne elementare Rechtsverfassung verstehen, jedenfalls wenn man sie nicht nur als regionales völkerrechtliches Instrument sieht. Dies ist angezeigt, nicht zuletzt nachdem die EMRK ein wesentlicher normativer Bezugsrahmen auch der Europäischen Union in Fragen des Menschenrechtsschutzes geworden ist. II. Begriffe Aufklärung und Fundamentalismus sind Begriffe, die jedenfalls mit Geschichte und Gegenwart von Philosophie, Religion und Politik zu tun haben. Dabei dürfte der Fundamentalismus zunächst eine theologisch-systematische Kategorie gewesen sein. Nicht zufällig findet man einen Eintrag unter diesem Stichwort erst in den Ausgaben der amerikanischen New Encyclopaedia Britannica nach dem ersten Weltkrieg und nicht früher, als diese Enzyklopädie noch ein britisches Projekt war, obwohl zu dieser Zeit Ende des 19. Jahrhunderts diese Enzyklopädie historisch und philosophisch, d. h. im deutschen Sinne des Wortes „geisteswissenschaftlich“ breiter angelegt war. In den ersten amerikanischen Ausgaben bezieht sich dieser Eintrag darüber hinaus lange Zeit nur auf inneramerikanische Richtungskämpfe freikirchlicher Theologie.14 1. Aufklärung Aufklärung meint nach der berühmten Formulierung von Immanuel Kant den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“.15 Dies

14 Suche „fundamentalism“ in der – noch britischen – 10. Ausgabe von 1910 und siehe im Vergleich den amerikanischen Nachtrag zu dieser Ausgabe von 1926 als Teil der 13. Ausgabe und nun etwa die amerikanische 15. Ausgabe in der Fassung von 1995 mit ihren Querverweisen auch für den islamischen und anderen Fundamentalismus über ihren Registerband. 15 Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1783) in: ders., Werke in sechs Bänden, Bd. VI, 1964, S. 53 ff.; dazu Stuke, Aufklärung, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, 1972 (Studienausgabe 2004), S. 243 ff. (265 ff.); zum Ort der deutschen in der europäischen Aufklärung siehe unter „European History and Culture“, „Enligthenment“ von Richards Treasure in: The New Encyclopaedia Britannica, Bd. 18, 15. Aufl. 1995, S. 580 f. (676 f., 682 f.); zum Kontext auch transatlantisch hin zu den Menschenrechten schon am Ende der Weimarer Zeit Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung (1932), Neudruck 1998, S. 320 ff. (333 ff.); jünger und juristisch Zippelius, Die Entstehung des demokratischen Rechtsstaates aus dem Geiste der Aufklärung, in: JZ 1999, 1125 ff.; zu der These, dass die westliche Aufklärung ihre Distanz stets einfordere und damit universale Geltung beanspruche Schütz, „Christliches Abendland im striktesten, weitesten Sinne“: Notizen zu Legendre, in: Tumult 26 (2001), 54 ff. (55); mit dieser These nähert man sich „politischer Theologie“ vgl. dazu Meier, Was ist politische Theologie?, 2006, passim; sie ist hier nicht Gegenstand, auch

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ist begleitet von Versuchen, historische, religiöse und andere tradierte Bindungen zu überwinden – wobei die Aufklärung herkömmlich moralisierende Formen und Fassungen dieser Bindungen besonders anspricht. Aufklärung setzt ersichtlich voraus, dass der Mensch nicht nur begabt, sondern auch befugt ist, diesen „Ausgang“ zu nehmen. Das heißt, Voraussetzung ist eine Rechtsstellung, die ihn befähigt, selbst zu entscheiden, allerdings am Maßstab seiner Mündigkeit und Vernunft. Das setzt – so gesprochen – eine kantisch-republikanische Theorie voraus, die die Freiheit des einen mit der Freiheit des anderen in Einklang zu bringen und in diesem Zustand zu halten vermag. Es geht also um mehr als um bloße Toleranz. Es bedarf vielmehr der rechtlich gesicherten und durch die Zuweisung von Rechten abgesicherten Toleranzen für autonome Entscheidungsräume. Weiterhin führt dies zu Entscheidungsprozessen, die einer Begründung zugänglich sind und dadurch transparent werden. Damit wird eine Öffentlichkeit stipuliert, die als Forum der Gründe für die jeweiligen Optionen ebenso wie für Argumentationsfolgen gegen sie dienen kann. Das setzt auch voraus, dass der Gebrauch des menschlichen Verstandes im Sinne der Aufklärung eine Rationalität nicht nur des Handelns, sondern auch der Begründung mit sich bringt, die für die Ordnung eines Gemeinwesens strukturelle Folgen hat. Bei Kant bleibt dieser Republikanismus gekappt durch eine gewisse Hinnahme monarchischer Verhältnisse, seine Konsequenzen lassen sich aber leicht ausmalen. Darauf ist hier jetzt nicht weiter einzugehen. 2. Fundamentalismus Fundamentalismus wird gegenwärtig in stärkerem Maße als früher mit dem Islam assoziiert. Dies ist indes historisch und sachlich nicht korrekt.16 Vielmehr handelt es sich um ein allgemeineres und älteres Phänomen.17 In der Sache und als Begriff findet man Fundamentalismus rasch in den nordamerikanischen freikirchlichen Glaubensbewegungen. Fundamentalismus meint allgemein – nach Definitionen, die bereits angedeutet wurden – seit dem 19. Jahrhundert besonders diejenigen Varianten des Glaubens und der Politik sowie deren jeweiliger Theorie, die die Auslegung von Texten mit dem Anspruch verbinden, nur eine richtige, zutreffende, allein gültige und für alle maßstäbliche Interpretation zulassen zu können und selbst die Kenntnis dieser nicht als fundamentalistische Doktrin, zu ihr Hofmann, Legitimität gegen Legalität, 4. Aufl. 2002, S. VII ff., XXXV ff. 16 Schon Häberle, Fundamentalismus als Herausforderung des Verfassungsstaates: rechtsund kulturwissenschaftlich betrachtet, in: Schmidt/Weyers (Hrsg.), Liber amicorum Josef Esser zum 85. Geburtstag, 1995, S. 49 ff. m.N.; zur Geschichte des Fundamentalismus Kepel, Die Rache Gottes (1991), 1994, S. 156 f., und für die späteren Folgen S. 271 ff.; zur Entwicklung des islamischen Fundamentalismus unter dem Einfluss des amerikanischen Neokonservativismus und der Theorie vom „Kampf der Kulturen“, ders., Die neuen Kreuzzüge, 2005, S. 87 ff. und passim. 17 Ebenso ist der Islam vielfältig, eben nicht nur fundamentalistisch, vgl. Al-Azm, Islam und säkularer Humanismus, 2005; für eine Dokumentation der Möglichkeiten Amirpur/Ammann (Hrsg.), Der Islam am Wendepunkt. Liberale und konservative Reformer einer Weltreligion, 2006; auch Groh, Selbstschutz der Verfassung gegen Religionsgemeinschaften, 2004, S. 69 ff. (74 ff.).

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Interpretation zu besitzen und vielleicht sogar zu verwalten.18 In diesem Sinne gab und gibt es einen jüdischen, einen christlichen und einen islamischen Fundamentalismus, das heißt, die Schriftreligionen kennen diese Varianten, wobei sich dies nicht auf die drei genannten klassischen vorderasiatischen und europäischen Religionen, die auf Texte zurückgreifen, beschränken lässt. Die Politik hat Anteil an diesem Begriff, sofern aus diesen Religionen religiöse oder semisäkulare Bewegungen hervorgehen, die zu politischem Handeln unter vorgezeichneten Zielen verpflichten, um einem Heilsanspruch oder einer Freiheits- bzw. Befreiungsbotschaft – nun auch im politischen Sinne – sozusagen mit Feuer und Schwert zu genügen. Solche Varianten treten zugleich mit den Vorboten der Aufklärung auf, insbesondere unter dem Vorzeichen der Erneuerung und Reform von Kirche und Staat. Das gilt auch dort, wo unter diesem Vorzeichen die neue Welt betreten wird. Ein Beispiel dafür sind die englischen Puritaner. In den jungen Vereinigten Staaten fand die prägende Einwanderung dieser Puritaner vor allem in Massachusetts und Connecticut schon im 17. Jahrhundert statt, unbeschadet des Einflusses der englischen Aufklärung. Im Süden dagegen kam es erst kurz vor 1800 zu einer umfassenden religiösen Erweckungsbewegung von Gewicht. Dort hatte die Einwanderung vor allem wirtschaftliche Motive und Zielsetzungen gehabt und die Weißen sahen die Sklaverei als gottgegeben an. Wieweit gerade die schwarze Bevölkerung in kleinen Gemeinschaften an der religiösen Erweckungsbewegung teilnahm, ist dabei hier nicht von Interesse.19 Deutlich ist allerdings, dass das Individuum nur in der religiösen Gemeinschaft eine Rolle spielte, anders als in der Aufklärung nicht als solches für sich. Neben einem derartigen unmittelbar religiös grundierten Fundamentalismus auf den ersten Blick finden sich zahlreiche Varianten weniger bedeutsamer Fundamentalismen. Dies reicht bis zu einem Verfassungsfundamentalismus, der die Verfassung unvermittelt und unmittelbar durchzusetzen sucht – und sie damit überfordert. Diese Art der Verfassungsinterpretation, die sich strukturell kaum von einem religiösen Fundamentalismus unterscheidet, setzt eine Gewissheit voraus, die einer Ebene jenseits des eigentlichen, grundlegenden verbindlichen Textes entspringen muss und von dort entnommen wird. Diese „Metaebene“ erst verschafft der Verfassung dann Verbindlichkeit, indem sie die Verfassung an diese zweite Ebene unmittelbar und strikt anseilt. Diese zweite Ebene nimmt allerdings ihre Funktion wahr, ohne denselben Anforderungen der Transparenz und Rationalität zu unterliegen, die für die Verfassung selbst gelten. Das kann sich in einem ersten Zugriff auf die These beschränken, die Verfassung besitze eine christliche Grundlage;20 es kann aber auch weitergehen, hin zu der These, dass die christliche Religion schlechthin die Grund18 Etwa Conermann, „Fundamentalismus, islamischer“ in: Elger/Stolleis (Hrsg.), Kleines Islam-Lexikon, 2004, S. 100 f. 19 Zu Fragen der evangelikalen Bewegung und ihrem Verhältnis zur Sklaverei Boles, The Irony of Southern Religion, 1994, S. 11 ff., 37 ff.; zur älteren Dimension der „Black Church“ Weldschmidt-Nelson „When Israel was in Egypt’s Land“, Zur politischen Dimension der Black Church, in: Broker (Hrsg.) (Anm. 11), S. 109 ff. 20 So als Historiker, Lill, Staat, Kirchen, Religionen, in: FAZ, Nr. 176 v. 1.8. 2005, 6.

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lage des Gemeinwesens sei,21 abgesehen von dem schillernden Gemeinplatz, der sich beliebig auffüllen lässt, wonach der Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht schaffen kann.22 3. Das Paradigma eines Konflikts Das Paradigma des Konflikts zwischen einer in der atlantischen Tradition auch pragmatischen Aufklärung und einem auf die Verwirklichung seines Heils gerichteten Fundamentalismus ist bekannt, ja offensichtlich. In Konflikt mit der Religion gerät aber nicht nur die Politik. Der Konflikt erstreckt sich vielmehr auch auf Recht und Verfassung, Rechteerklärungen und Rechtsbehauptungen. Es mag nahe liegen, einen Paradigmenwechsel im Verständnis von Religion als Folge der Aufklärung zu vermuten, und zwar im Sinne einer Wendung gegen fundamentalistische Deutungen von Religion. Aus der Sicht der „Aufklärung“ würde sich „Fundamentalismus“ so als Rückschritt darstellen. Wie sich diese Perspektive auf die Interpretation von Rechteerklärungen, die Menschenrechte enthalten, auswirkt, ist hier von Interesse. In der transatlantischen Kultur lassen sich die Paradigmen der Aufklärung und des Fundamentalismus in vielfältiger Weise festmachen, so etwa in der Differenz zwischen den Heroen der amerikanischen Aufklärung, die die amerikanischen Verfassungen des 18. Jahrhunderts entworfen und durchgesetzt haben und den von Traditionen der Aufklärung unberührten, wortgläubigen Sekten, die mit späteren Einwanderungswellen ins Land kamen und heute die Grundlage nahezu einer Mehrheit fundamentalistischen Typs in den Vereinigten Staaten stellen, so dass heute wohl eine gegenläufige Entwicklung hin zu einer fundamentalistischen Dominanz vorliegt. III. Glauben und Wissen Der große Gegensatz, der zur Aufklärung motiviert, ja „Aufklärung“ als Programm ermöglicht, ist der von Glauben und Wissen.23 Auch er reicht zurück in ältere Stadien der Geistesgeschichte. Er meint nun, dass selbstverschuldete Unmündigkeit nur durch Wissen im Sinne wissenschaftlicher Erkenntnis überwunden werden kann, 21

Vgl. Kirchhof, Die postsäkulare Gesellschaft, in: FAZ, Nr. 127 v. 3.6. 2004, 8. Zum Diktum Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation (1967), in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 ff. (112); zur Herkunft Nachweise bei Goerlich, Der Gottesbezug in Verfassungen (Anm. 13), S. 9 ff. (42, Fn. 83). 23 Dazu Bacon, Essays (1597), 1960, I S. 19 mit der Unterscheidung zwischen theologischer und philosophischer Wahrheit, sowie dem truth of „civil business“; Spinoza, Theologisch-Politischer Traktat (1665), 5. Aufl. 1955, 14. Kap., S. 241 ff. (260 ff.); Locke, Versuch über den menschlichen Verstand (vor 1689), Nachdruck 1988, Bd. II, IV. Buch, S. 167 ff. (295 ff.); sowie ders., Ein Brief über Toleranz (1685/86), 1975 (1996), S. 13 ff. (15, 81); Hume, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, (1748, zuletzt 1777), 1961, S. 59 ff.; Hegel, Glauben und Wissen oder die Reflexionsphilosophie der Subjektivität in der Vollständigkeit ihrer Formen als Kantische, Jakobische und Fichtesche Philosophie (1802), Nachdruck 1962 der Lasson-Ausgabe von 1928. 22

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dass Glauben im Sinne religiösen Wissens oder religiöser Gewissheit nicht mehr maßgeblich sein soll. 1. Erkenntnis und Offenbarung Die Gegenüberstellung von Glauben und Wissen geht einher mit einer Unterscheidung zwischen Offenbarung und Erkenntnis. Ein Text, der beansprucht, Wahrheit zu offenbaren, wird damit zugleich Gegenstand nicht mehr nur des Glaubens, sondern auch des Wissens, weil er nicht nur eine Offenbarung enthält, sondern auch darauf geprüft werden kann, ob er tatsächlich Erkenntnis vermittelt. Um nicht auf Nebenwege zu geraten, unterbleibt es hier, grundlegende Begriffe – wie Offenbarung und Erkenntnis – näher zu klären, ganz abgesehen von den Wölfen im Schafspelz, etwa dem „intelligent design“ zur Schöpfungslehre. Ist ein Text auf diese Weise Gegenstand, so kann man ihn unterschiedlichen Deutungen aussetzen. Man kann ihn als Medium der Offenbarung, aber auch als Medium der Erkenntnis begreifen. Sofern der Text textkritisch wissenschaftlicher Gegenstand wird, bedarf es dafür einer Interpretationswissenschaft. Sofern der Text etwas offenbart, kann man ihn auch anders verstehen. Die Bibel als grundlegender Text der christlichen Religion ist seit langem Gegenstand textkritischer Betrachtungen; als anschaulichstes Beispiel mag hier Luthers Übersetzung ins Deutsche dienen, ein Akt, der voraussetzt, dass es eine verbindliche Urfassung, die jedwede Art der Übersetzung hindert, nicht gibt. Findet die Hermeneutik von Hans Georg Gadamer24 in die theologischen Ausbildungsstätten und höheren Koranschulen Eingang, seien es die in Ankara oder in Teheran, wovon berichtet wird, so sind erste Schritte hin in die hermeneutische Perspektive auch dort deutlich.25 Dabei bedarf der Koran gewiss dringend einer aufklärenden Interpretation; so liegt es, da der Islam keine Inkarnation Gottes kennt, von dem dann eine Tradition der Interpretation des gesprochenen Wortes ausgeht, sondern als allein an das in einer „Wahrheitssprache“ geschriebene Wort gebunden auftritt.26 Textkritik kann bei einem solchen Verständnis der Offenbarung Gottes nicht stattfinden, Aufklärung und Hermeneutik haben keinen Raum – jedenfalls nach gängigem Verständnis. Hier zeigt sich, dass sich aus dem 24

Siehe insbes. Gadamer, Wahrheit und Methode, 2. Aufl. 1965, S. 307, 312 f., 315. Zur Ankaraner Schule der Interpretation an der dortigen theologischen Fakultät Hermann, Palaci – Gülen – Erdogan – Ebenen des aufgeklärten Islam in der Türkei, in: FAZ, Nr. 293 v. 15.12. 2004, 12; und Langbehn, Iranisch aufgeklärt, Sündenfall oder Erkenntnishilfe? Eine Kant-Konferenz in Teheran, in: FAZ, Nr. 280 v. 30.11. 2004, 35; i. Ü. auch Lerch, Lesarten des Koran, in: FAZ, Nr. 146 v. 27.6. 2005, 8, dieser auch zu Lüling, A Challenge to Islam for Reformation, New Delhi 2003; zur Verwilderung der Auslegung des Koran als Schwund religiösen Wissens und Quelle von Terrorismus Lerch, Vom „wilden“ Islam. Am Terrorismus ist auch mangelndes religiöses Wissen schuld, in: FAZ, Nr. 165 v. 19.7. 2005, 10; ohne Bezug auf europäische Hermeneutik Croitoru, Aufruhr um die Unantastbarkeit – Offenbarungsworte und Grammatiken: In Kairo debattieren ägyptische Gelehrte über eine andere Art der Sprachreform, in: FAZ, Nr. 193 v. 20.8. 2004, 37. 26 Siehe Özdogan, Religion als Kultur, Über das Verhältnis von Islam, Sprache und Politik in der muslimischen Welt, in: FAZ, Nr. 82 v. 7.4. 2003, 8. 25

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Gegensatz zwischen Glauben und Wissen die Philologien, die Interpretationsmethoden, die Erkenntnistheorie, aber im Gegenzug im Westen auch die wissenschaftlichen Grundlagen der Theologie entwickeln mussten. 2. Die Herrschaft über den Text und offene Texte Zugleich ergibt sich die weitere Möglichkeit der Abwehr rationalen Wissens aus der Sicht des Glaubens, indem man die Herrschaft über den Text einem authentischen Interpreten zuweist. Viele Religionen weisen die Befugnis zur Interpretation bestimmten kundigen Vertretern zu, die sich für die Wahrnehmung dieser Aufgabe qualifiziert haben.27 Die Abwehr des Wissens ist nicht mehr möglich, wenn der Text einen weiteren als den irgendwie privilegierten Adressatenkreis hat: bei religiösen Texten also alle Gläubigen, bei wissenschaftlichen Texten alle, die beanspruchen können, Wissenschaft zu betreiben. Treten dabei egalitäre allgemeine Rechte auf den Plan, so verbindet sich mit dem Anspruch des Wissens ein Rechtsanspruch, der die Herrschaft über den Text einschränkt. Das gilt auch für die Glaubens- und Wissenschaftsfreiheit und nicht anders unter Berufung sonstiger Rechte für diejenigen, denen diese Rechte zustehen. Abgesehen von feineren weiteren Variationen, die sich etwa ergeben, wenn man die materielle Interpretationsmacht von der formellen Berechtigung aus einem Recht unterscheidet – auf welche hier nicht einzugehen ist – lassen sich Texte, die die Interpretationsmöglichkeiten für eine Vielzahl von berechtigten Interpreten öffnen, als offene Texte verstehen. Im heutigen deutschen Verfassungsrecht hat besonders Konrad Hesse auf die Offenheit von Menschenrechten und Verfassungen hingewiesen, die um ihrer Reichweite willen in die Zeit hinein offen sein müssen.28 Sie bedürfen fortgesetzt der Konkretisierung.29 Demgemäß hat Peter Häberle die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten30 als Topos dieser grundlegenden Sicht konstituiert und damit den forensisch orientierten, allgemein zugänglichen, freien Charakter dieser Gesellschaft zugleich als zentrale Eigenschaft betont. Diese Gesellschaft wird nicht nur aus professionellen Interpreten, sondern gerade und an erster Stelle durch diejenigen konstituiert, die ihre Rechte ausüben. Die für Ausübung und Fortbildung solcher Rechte so wichtige Eigenschaft der Offenheit lässt sich im Englischen am besten durch die Formeln von der EMRK als „living instrument“ zum Aus-

27

Siehe Rothermund, Religiöse Praxis und die Artikulation sozialer Identität, in: Lehmann (Hrsg.), Koexistenz und Konflikt von Religionen im vereinten Europa, 2004, S. 157 ff. (165 f.). 28 Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995 (Nachdruck 1999), Rn. 23 f., S. 12. 29 Dazu jetzt auf Englisch Müller, Basic Questions of Constitutional Concretisation, 31 Rutgers Law Journal 325 (2000). 30 Siehe Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, Ein Beitrag zur pluralistischen und „prozessualen“ Verfassungsinterpretation, in: JZ 1975, 297 ff.

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druck bringen.31 Ähnlich spricht man in den Vereinigten Staaten, wenn vielleicht auch nicht ausdrücklich, so doch in der Sache, von einer „living constitution“, während die Gegner einer solchen offenen Verfassungsinterpretation eine Auslegung nach dem original intent der Gründungsväter bevorzugen. Die akademisch orientierten Lehrbücher lehnen dieses unkritisch historisierende Verständnis der Verfassung ab, ziehen vielmehr im Wege einer methodisch fundierten Auslegung historische Deutungen bei der Erschließung des Verständnisses des jeweiligen Texts heran,32 meiden allerdings – wie gesagt – manchmal die Redeweise von der living constitution.33 Ein Verständnis von Rechteerklärungen und Verfassungen als in diesem Sinne offene Strukturen lässt auch in der Sache den Rechtsraum offen für eigene Orientierungen des Einzelnen wie des Gemeinwesens. Damit wird dem genuinen Charakter solcher Rechte, deren Konzeption eines Schutzbereichs von der selbstbestimmten Ausfüllung solcher Rechtsräume ausgeht, genügt. Im deutschen Verfassungsrecht hat die Rechtsprechung den eigenen Rechtsraum, den Grundrechte vermitteln, für diese Menschenrechte und Grundfreiheiten ausdrücklich angesprochen.34 IV. Offene Rechte und offene Verfassung Das Programm der Aufklärung, die selbstverschuldete Unmündigkeit zu überwinden, richtet sich an alle. Allgemeine Rechte, die eine solche Aktivität ermöglichen, müssen daher ebenfalls an die Allgemeinheit gerichtet sein und dieser beliebigen Zahl die Auslegung dergestalt offener Texte zuweisen.

31 Zur EMRK als „living instrument“ m.N. der Rechtsprechung Peters, Einführung in die EMRK, 2003, S. 12, 18; zur autonomen, dynamischen oder evolutiven Auslegung Grabenwarter, EMRK, 2. Aufl. 2005, S. 38 f.; auch Goerlich, Der EGHMR als ein europäisches Verfassungsgericht, in: Esser u. a. (Hrsg.), Die Bedeutung der EMRK für die nationale Rechtsordnung, 2004, S. 101 ff. (112 ff.). 32 Siehe etwa Tribe, American Constitutional Law, Bd. 1, 3. Aufl. 2000, S. 30 ff. und passim. 33 Vgl. Bork, The Tempting of America, The Political Seduction of Law, 1990, S. 167 ff.; auch Heun, Original Intent und Wille des historischen Verfassungsgebers, in: AöR 116 (1991), 185 ff.; scheinbar gemäßigter die Doktrin des „textualism“ oder der „original meaning“, die der – anders als Bork – nicht im Nominierungsverfahren gescheiterte Richter des Supreme Court, Antonin Scalia, zu vertreten scheint, vgl. Scalia, A Matter of Interpretation, 1997, dazu Bahners, Die Minderheit wird die Mehrheit sein. Über die christliche Demokratie in Amerika: Der Richter Antonin Scalia und die Lehre vom einfachen Schriftsinn, in: FAZ, Nr. 60 v. 11.3. 2006, 40; näher dazu demnächst Brinktrine, Rechtvergleichung als Argumentationsfigur – am Beispiel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des U.S. Supreme Court (Arbeitstitel). 34 Vgl. BVerfGE 44, 37 (49 f.); 44, 59 (66) – Kirchenaustritt.

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1. „Selbstverschuldete Unmündigkeit“ und „Selbstbestimmung“ Menschenrechte müssen somit als notwendig offene Rechte auch zur Selbstbestimmung über ihren Inhalt und ihre Reichweite befugen, wenn sie durch einen offenen Text zugewiesen sind. Grenzen der Interpretation ergeben sich aus der Topologie einer Rechteerklärung selbst, und, sofern sie Teil einer Verfassung oder auf andere Weise einer solchen zugeordnet ist, aus Erklärung und Verfassung. Allerdings muss auch eine solche Verfassung offen gehalten sein. Daher besitzen solche Verfassungen, die alle als Interpreten ansprechen, auch eine Latenz auf demokratische Strukturen hin, die Grundsätze demokratischer Selbstbestimmung als Grundlage beanspruchen können. 2. „Text“ und Autonomie Die Selbstbestimmung im Rahmen dieser offenen Texte ist als Deutungsautonomie zu verstehen. Enthalten die Texte eine Topologie grundlegender subjektiver Befugnisse, so prägen diese die Rechte und damit Möglichkeiten autonomer Entfaltung im Rahmen ihrer Reichweite und ihrer Beschaffenheit. Für eine Erhaltung und Fortbildung dieses Gestaltungsraumes zugunsten des Einzelnen ist entscheidend, dass diese Texte weiterhin in ihrer spezifischen Offenheit bestehen und verharren. Ein Verständnis, das diese Offenheit beschränkt oder verschließt, zerstört, mindestens aber gefährdet auch diese Rechte. Auf der anderen Seite können diese Rechte so gefasst sein, dass sie zunächst auf einer elementaren Ebene der Lebensführung etwa die Integrität der Person gewährleisten. Dies ist der Fall, wenn sie vor allem negatorisch gefasst sind. In diesen Fällen bieten diese Texte die Grundlage eines elementaren Standards der Freiheitsgewähr. Sie sind insoweit rigide bindend und offen allenfalls für Analogie zugunsten der Berechtigten zum Schutz gegen neue Formen der Gefährdung menschlicher Freiheit. Die Rigidität dieser grundlegenden Standards ist nicht offen für eine Preisgabe, verhindert aber auch nicht eine Interpretation der Betroffenen über Reichweite und Gegenstand der Abwehr. Offenheit ist also nicht dahin zu verstehen, dass diese Standards verfügbar werden. Eine Interpretationslehre, die den offenen Charakter des Textes für autonome Akte des Interpreten – und sei dieser der Berechtigte selbst, also nicht ein Dritter – sehr gut erfasst, ist diejenige von Friedrich Müller. Sie versteht den Text als Ausdruck eines Normprogramms, das zu erschließen ist, um dann im Normbereich entsprechend konkretisierte Normen zu ermitteln, die auf einen Lebenssachverhalt bezogen werden können und ermöglichen, zu diesem im Wege der Anwendung einer so ermittelten Norm zu entscheiden.35 Diese Interpretationslehre vermag auch „Offenheit“ zu erklären: Soweit das Normprogramm nicht erschlossen ist, gibt es u. U. eine „Normhypothese“ (noch) nicht, die für einen anderen gegenwärtigen oder künf35 Siehe etwa zuletzt Müller/Christensen (Anm. 4), S. 167 ff.; auch Müller (Anm. 29), S. 331 ff., mit Glossar S. 343 f.

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tigen Interpreten Plausibilität besitzt. Deshalb können verschiedene Interpretationen zugleich oder in chronologischer Folge verbindlich sein oder werden. 3. „Offene“ Texte, Differenz und Toleranz Autonomie setzt die Befugnis zur Differenz in der Gestaltung voraus. Die Zulässigkeit der Differenz ist daher ein notwendiges Postulat im Gefolge der Autonomie. Das erfordert, wenn schon nicht die Akzeptanz der Abweichung kraft des Hintergrundes, dann jedenfalls eine rechtlich abgesicherte Zuweisung der entsprechenden Freiheit, mindestens jedoch die Hinnahme im Sinne von gewährleisteter Toleranz. Eine entwicklungsoffene und fortbildungsorientierte Deutung der Texte ist Bedingung der Möglichkeit eigener Rechtsausübung. Gewährleistete Differenz setzt Freiheit voraus. Toleranz genügt insoweit kaum. Sie ist der richtige Begriff unter Rechtsgenossen – also nicht seitens einer Autorität gegenüber abweichenden Haltungen – nur insoweit als unterschiedliche Wahrnehmungen der durch den Text gewährten Rechte auf einer Ebene nebeneinander bestehen können. Im Übrigen muss auf diesem Wege rechtsförmige Freiheit, nicht nur bloße Toleranz gewährleistet sein. Das erst eröffnet hinreichenden Gestaltungsraum für die Rechtsgenossen. V. Autonome Identität und offene Verfassung Die Identität des Einzelnen wird so rechtlich schlicht durch die Befugnis bestimmt, selbst zu entscheiden. Individuelle und nationale Identität werden insoweit kaum unterschiedlich behandelt. Die Leistung der Rechte wie der Verfassung liegt darin, diese Befugnisse offen zu halten. Das führt dennoch zu Problemen von Identität und Identifikation. 1. Identität und Programmatik des Rechts Die Rechtsordnung besteht so auf den ersten Blick – auch wegen einer Reihe von auch institutionellen Vorkehrungen ihrer Verfassung – nur in der Gewährleistung von Befugnissen, um Autonomie auszuüben. Indessen pflegt man gerade in Verfassungsstaaten die Erwartung an das Recht, ein Programm der Orientierung an Zielen und Grundsätzen zu enthalten. Das beschränkt sich nicht nur unmittelbar auf die Orientierung am Konzept der autonomen Persönlichkeit. Es geht im Sinne einer sozialen Ordnung darüber hinaus. Das mag zwar nur eine neoliberale Vorstellung sein, ruft aber jedenfalls Verhaltensmuster und Erwartungen hervor. Dadurch erweist sich die Identität des Einzelnen und des Gemeinwesens vorgeprägt durch eine solche Programmatik des Rechts. Der Text kann – etwa im Falle eines Sozialstaatsgebots – einerseits die Erfahrung der Einbindung der Person zum Ausdruck bringen. Andererseits zeigt Art. 104 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) die absolute Kehrseite, indem er die autonome

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Persönlichkeit mit Mitteln der Gewalt anzutasten schlechthin untersagt. Dieser Text ist nicht nur Programm, er soll soziale Realität sein und fordert Wortgläubigkeit dahin, dass diese Realität unantastbar ist. Deshalb enthält er ein absolutes Verbot. Es entspricht Art. 3 EMRK und weiteren internationalen Bestimmungen. 2. Identität, Mindeststandards und Geschichtlichkeit Da Individuen wie Gruppen Rechte in der Zeit wahrnehmen, handeln sie jeweils geschichtlich. Die Geschichte ihres Verhaltens hat identitätsstiftende Wirkung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Stetigkeit und Konsistenz prägend sind, die Erwartungen anderer befriedigen können und sich die Akteure in diesem Sinne selbst bestätigen. Auch das führt zu einer Verstetigung und Regelförmigkeit, die schließlich auf die Deutung des Rechts und seiner Texte selbst zurückschlagen kann, indem sie Stabilität gegen die Offenheit des Rechts tauscht. Die als Befugnis zur Autonomie verstandene Identität, die man nur geschichtlich wahrnehmen kann, führt zur Garantie von Mindeststandards auf dem Gebiet der Menschenrechte, gestattet aber nicht, die Geschichtlichkeit auszuhebeln, d. h. die gegenwärtigen Standards absolut zu setzen. Mindeststandards stabilisieren die Identität; ihre Erstarrung auf einem erreichten Niveau gefährdet sie wiederum, weil dieses Niveau damit absolut gesetzt wird und einer weiteren offenen Deutung nicht mehr zugänglich ist. Werden dann etwa im Wege nicht mehr der Interpretation, sondern gewissermaßen nur noch des verfassungsrechtlichen Kalküls Leben und Würde in eins gesetzt, wird es möglich, die Würde gegen das Leben zu tauschen, mithin um des Lebens Willen die Würde anzutasten. Der erreichte Mindeststandard eines Folterverbots kann so zu Fall kommen. 3. Toleranzen, Rechte und ihre Grenzen Bloße Rechte stoßen gemeinhin auf Grenzen. Diese können sich durch eine sprachliche, gewissermaßen tatbestandliche Umschreibung des Schutzbereichs, etwa im Falle von Grundrechten, oder aus ausdrücklich formulierten Schranken dieser Rechte, mithin aus den Texten selbst oder aber auch aus dem Kontext, in dem diese Rechte stehen, also etwa dem Kontext einer Rechteerklärung oder einer Verfassung, ergeben. Ist dieser Kontext selbst durch Offenheit und Fähigkeit zur Fortbildung geprägt, so bedeutet dies nicht, dass solche Rechte an die Deutungsperspektiven ihrer Entstehung gebunden bleiben. Im Falle der EMRK wird dies zum Ausdruck gebracht durch die erwähnte Redeweise davon, dass sie „living instrument“ sei. Im deutschen Verfassungsrecht spricht man insoweit, wie schon angedeutet, wohl am besten von einer offenen Verfassung, einer living constitution.36 In diesem 36 Dieser Ausdruck ist weltweit selbstverständlich und tritt auch leicht modifiziert auf, etwa mit der Formulierung, die Verfassung sei ein „living document“, vgl. etwa Singh/Deva, The Constitution of India: Symbol of Unity in Diversity, in: JöR 53 (2005), 649 ff. (682); auch Goerlich, The Role of the Constitutional Court in Resolution of Constitutional Disputes – A

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Sinne müssen sich Toleranzen nicht nur in der Synchronität der Rechtsausübung, sondern auch auf der diachronischen Achse der geschichtlichen Entwicklung ergeben. Und diese Toleranzen setzen sich auch gegenüber den Grenzen dieser Rechte insofern durch, als auch diese Grenzen offen sind für den Dialog der Entfaltung und Fortbildung des Rechts. Hier lassen sich Modelle der Bewältigung interreligiöser Konflikte im staatlichen Recht bilden, die auf Diskurs, edukatorische Effekte und Partizipation setzen.37 VI. „Kultur“, Werte, Rechte und Verfassung Möglichkeiten der Identifikation eines Gemeinwesens ergeben sich aus politischkulturellen Traditionen oder, wenn diese nicht zur gegenwärtigen Rechtsverfassung passen, aus bloß kulturellen Überlieferungen. Hier spielen aus der Philosophie der Aufklärung unbewusst fortgeführte Grundhaltungen und Spielregeln ebenso wie hierin aufgenommene ältere Traditionen eine große Rolle. Dafür ist in seiner großen Tradition sicher England immer noch das beste Beispiel, aber ebenso, wenngleich auf andere Weise, die bis heute noch maßgebliche politische Kultur in den Vereinigten Staaten. Größere Schwierigkeiten haben Nationen, die kein so gehaltvolles und gegenwärtig noch tragfähiges Repertoire aus ihrer eigenen Rechtstradition besitzen. Sie greifen auf abstraktere Ebenen zurück. Daher neigen sie dazu, von Werten38 zu sprechen oder von einem Menschenbild,39 das sowohl der gegenwärtigen Ordnung, den Freiheiten wie auch einer Verfassung überhaupt zugrunde liege. Dies geschieht transnational auch im Rahmen der EMRK und geschah im Prozess der Erarbeitung der CharCritical Outline guided by the German example, in: 44 Journal of the Indian Law Institute 3 ff., 5 f. (2002). 37 Vgl. nur Marauhn, Die Bewältigung interreligiöser Konflikte in multireligiösen Gesellschaften – Modelle für rechtlich strukturierte Verfahren jenseits gerichtlicher Streitbeilegung, in: Lehmann (Hrsg.) (Anm. 27), S. 12 ff.; in diesen Kontext gehört auch BVerwG, DVBl. 2005, 1128, zum Rechtsanspruch islamischer Dachverbände auf Einführung von Religionsunterricht; siehe die Reaktion: „Muslime vereinbaren Strukturreform. Einheitliche Landesverbände / Bundesverband für 2006 geplant“, in: FAZ, Nr. 214 v. 14.9. 2005, 4; und jetzt Häußler, Religiosität in Pluralität, in: NVwZ 2005, 1396 f. 38 In der Tendenz für den Vertrag über eine Verfassung für Europa als Wertordnung einer Wertegemeinschaft etwa Hartstein, Auftrag und Stellung der Deutschen Welle und ihre Funktion als europäischer Kulturträger, S. 143 ff. (148 ff., 152); auch in einem Einführungsvortrag Meyer, Kultur- und Medienpolitik im Europäischen Grundrechte- und Verfassungskonvent, S. 13 ff. (23 f.) u. ders., Diskussionsbeiträge, S. 111 f., 119 f., alles in: Stern u. a. (Hrsg.), Kultur- und Medienpolitik im Kontext des Entwurfs einer europäischen Verfassung, 2005; ganz deutlich auch bei Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 32, Rn. 4, S. 698 ff.; und Joas/Mandry, Europa als Werte- und Kulturgemeinschaft, in: Schuppert u. a. (Hrsg.) (Anm. 5), S. 541 ff. 39 Exemplarisch zur EMRK Ress, Menschenbild – Staatsbild – Gedanken zur Konzeption des Staates und zur Stellung des Menschen in der EMRK, in: Stern/Grupp (Hrsg.), Gedächtnisschrift für J. Burmeister, 2005, S. 309 ff.

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ta der Grundrechte der Europäischen Union und verstärkt im Verfassungsvertrag für die Europäische Union. Diese Neigung ist auch zu beobachten in einer anderen spezifischeren und zeitgeschichtlich noch sehr interessanten Phase der frühen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland, auf die hier indes nicht einzugehen ist.40 1. Kantianismus, Westorientierung und Rechtskultur In Deutschland beruhen diese Argumentationsmuster teilweise auf dem Nachhall des Idealismus und beziehen sich oft – und mitunter zu Unrecht – auf Neukantianismus und Wertphilosophie. Werte als Teil deutscher „Kultur“ abzugrenzen gegen „Zivilisation“, wurde üblich. Dabei glaubte man, auf Pflicht und Ordnung als „Werte“ des Sollens auch des Rechts und nicht nur auf eine Verpflichtung im Sinne eines kategorischen Imperativs persönlicher Moral gründen zu können. Der Wert der Norm und die Amoralität der Wirklichkeit ließen pragmatische Vermittlungen kaum zu. Der Gegensatz ergab zudem eine Grundlage für die Abgrenzung auch nach Osten, besonders im Rahmen des kalten Krieges, als die politische wie die verfassungspolitische Westorientierung schon vollzogen war. Die „Werte“ gelangten in neue Schläuche. Sie mutierten dabei allmählich, den Zeitläufen angepasst, in eine andere, ebenfalls undeutliche Gestalt. Recht und Wirklichkeit einander zuzuordnen schien nun nicht mehr das schlechteste Programm. So wurde es auch möglich, die unmittelbare wie die mittelbare Geltung von Freiheiten und deren richterliche Durchsetzung zunächst einmal als Werte dieser Art zu verstehen. Das gilt auch für die EMRK und ihre zunehmende Durchsetzung gegen nationale Praktiken. Es wird sicher auch gelten für Nationen, die sich in einer Westorientierung konstituiert haben und sukzessive nicht nur westliche Rechtstexte rezipieren, sondern auch effektiv westliche Rechtsstrukturen adaptieren. Auf europäischer Ebene des Verfassungsvertrages für Europa hat sich diese Perspektive verbindlicher Werte zuletzt auch sprachlich durchgesetzt. Zwar ist im geltenden europäischen Vertragsrecht die Rede von Zielen, Grundsätzen und auch Werten – vgl. Art. 2, Art. 6 Abs. 1 und dazu käme noch Art. 11 Abs. 1 EUV –, jedoch sind auch der unterzeichnete Verfassungsvertrag und die erklärte sowie ihm dann inkorporierte Grundrechtecharta europaweit nicht schlechthin als „Wertordnung“ verstanden worden,41 die einen festen 40 Gut ausgeleuchtet und in Perspektive gesetzt bei Wahl, Lüth und die Folgen. Ein Urteil als Weichenstellung für die Rechtsentwicklung, u. Ruppert, Geschlossene Wertordnung? Zu Rudolf Smends Grundrechtstheorie, sowie Henne, „Von 0 auf Lüth in 6 1/2 Jahren“ – Zu den prägenden Faktoren der Grundsatzentscheidung, alle in: Henne/Riedlinger (Hrsg.), Das LüthUrteil aus (rechts)historischer Sicht, 2005, S. 371 ff. (380 ff.), bzw. S. 327 ff. (338 ff.) und 197 ff. (209 ff.); für den wissenschaftsgeschichtlichen Hintergrund Tanner, Die fromme Verstaatlichung des Gewissens, Zur Auseinandersetzung um die Legitimität der Weimarer Reichsverfassung in Staatsrechtswissenschaft und Theologie der zwanziger Jahre, 1989, bes. S. 123 ff.; vgl. auch Korioth, „… soweit man nicht aus Wien ist“ oder aus Berlin: Die Smend/ Kelsen-Kontroverse, in: Paulson/Stolleis (Hrsg.), Hans Kelsen, 2005, S. 318 ff. (331 f.). 41 Ganz deutlich aber z. B. Hartstein und Meyer (Anm. 38), S. 143 ff., (148, 152), bzw. S. 13 ff. (23 f., 111 f., 119 f.); auch die Beiträge in Blumenwitz u. a. (Hrsg.), Die Europäische Union als Wertegemeinschaft, 2005.

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Rahmen setzen und dem Vertragswerk oder diesen Grundrechten Offenheit nehmen könnte. Es mag auch sein, dass der Rekurs auf „Werte“ und eine „Wertegemeinschaft“ hier vor allem signalisiert, dass die Zielorientierungen der Europäischen Union undeutlich sind, etwa im Feld der Reichweite von einer europäischen Freihandelszone einerseits bis zu einem europäischen Bundesstaat andererseits. Für diese Undeutlichkeit spricht, dass der Text des Verfassungsvertrages Ziele und Werte gelegentlich vertauscht.42 Da Kosmopolitismus als solcher bisher kein Ziel43 und der Respekt vor dem Anderen noch nicht Teil der eigenen europäischen oder engeren Identität ist,44 treten an deren Stelle „Werte“ und „Wertegemeinschaft“ als Schlüsselbegriffe einer substantiellen Identität, die ein Blankett ist und dann höchst unterschiedlich aufgeladen wird – sei es von einer fundamentalistischen, abendländisch-katholischen oder einer anderen Perspektive.45 2. Kulturelle Werte und ihre rechtliche Instrumentalisierung Die Bezugnahme auf Werte, die in Rechtsnormen enthalten seien oder ihnen zugrunde liegen sollen, noch zugespitzter aber die Nennung von Werten in einem Rechtstext, etwa einer Verfassung, unterscheiden sich von der Berufung auf Grundsätze, Prinzipien, Maximen oder Gebräuche des Rechts. Werte sollen dabei offenbar entweder etwas über die normative Verbindlichkeit oder den normativen Rang der betreffenden Rechtssätze aussagen oder selbst etwas zum normativen Gehalt dieser Rechtssätze beitragen. Beide Alternativen dirigieren die Interpretation in eine bestimmte Richtung. Nur die Mittel, das zu bewirken, unterscheiden sich. Die erste Al42 Vgl. etwa zur europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Art. I-40 Abs. 5 Satz 3 und Art. I-41 Abs. 5 Satz 1 zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Verfassungsvertrag vom 29.10. 2004; die Aussetzung der Mitgliedschaft eines Mitglieds am Maßstab der Werte ist im Übrigen zwar nicht materiell, aber auf Verfahrensmängel überprüfbar justitiabel, vgl. Art. I-59 Abs. 1 i. V. m. Art. III-371 Abs. 1 dieses Vertrages; ebenso ist der Beitritt nicht zu erzwingen, der nur dann offensteht, wenn die Wertevorgabe erfüllt ist, vgl. Art. I-58 Abs. 1 und 2 des Vertrages. Die Formulierung von Werten nimmt ihren Ausgangspunkt in der Präambel der EuGRCH, da dort von den unteilbaren und universellen Werten der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit u. der Solidarität die Rede ist. Schon geltend die Rede von Werten und Interessen aber in Art. 11 Abs. 1 des Vertrages über die Europäische Union vom 7.2. 1992 (BGBl. II S. 1251), zuletzt geänd. mit Wirkung vom 16.4. 2003 (ABl. Nr. 236 S. 33, BGBl. II S. 1408). 43 Dafür Beck/Grande, Das kosmopolitische Europa, 2004; zu den Zielen auch Kotzur, Die Ziele der Union: Verfassungsidentität und Gemeinschaftsidee, in: DÖV 2005, 313 ff.; Callies, Kollektive Ziele und Prinzipien im Verfassungsrecht der EU – Bestandsaufnahme, Wirkungen und Perspektiven, ARSP-Beiheft 92 (2003), 85 ff. 44 Dazu Muschg, Was ist europäisch? Reden für einen gastlichen Erdteil, 2005, S. 124 ff. 45 Etwa dafür Schambeck, Über Grundsätze, Tugenden, Werte für die neue Ordnung Europas, in: Stern/Grupp (Hrsg.), Gedächtnisschrift für J. Burmeister, 2005, S. 377 ff.; aber auch etwa Kirchhof (Anm. 21); für einen innerstaatlichen Nachhall in Österreich, Olechowsky (Hrsg.), Der Wert der Verfassung – Werte in der Verfassung, 2005; vgl. i. Ü. die Nachweise am Ende der Anm. 50.

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ternative erhöht das Gewicht des betreffenden Rechtssatzes, die zweite versucht, den benannten „Wert“ selbst zum Rechtssatz zu machen, obwohl dies nicht gelingen kann ohne weitere rechtstechnische Hilfestellungen auf der Ebene der Rechtsfolgen. Beide setzen aber „Werte“, die ihrem Gehalt nach nicht offen sind für die Interpretation aller Betroffenen, sondern vielmehr als das Handwerkszeug zur Rechtfertigung einer bestimmten Interpretation dienen.46 Dabei ist dieses Handwerkszeug nicht rechtstechnischer Art, sondern hat vielmehr die Weihen einer höheren Herkunft, sei dies die Kultur, die Religion oder eine als verbindlich verstandene andere Lehre. 3. Kulturelle Werte, Kultur, Autonomie und offene Interpretation Die Methode, Werte zur Herstellung von rechtlicher Verbindlichkeit heranzuziehen, setzt voraus, dass diese Werte im Wesentlichen weder zur Disposition stehen noch für Modifikationen offen sind. Dies wiederum ist nur zu begründen, wenn die Identität dieser Werte unverrückbar ist. Das aber wiederum setzt voraus, dass die Kultur, der diese Werte angehören, ihrerseits statisch ist. So aber besteht latent ein Konflikt zwischen Kultur und Autonomie, der nicht aufzulösen ist. Soll die „Kultur“ sich durchsetzen, so ergeben sich notwendig sozusagen geschlossene Interpretationen von Rechten und Rechtstexten. Recht und Text können dann nicht offen sein für eine Selbstorientierung des Individuums oder eines Kollektivs. Was den Topos der nationalen Identität angeht, widerspricht dies seinem Verständnis in der Europäischen Union.47 Im nationalen Verfassungsrecht stößt es sich mit Grundsätzen demokratischer Selbstbestimmung über die kollektive Identität dieser Ebene. Im Übrigen ist es unvereinbar mit Grundrechten, sei es der freien Assoziation oder der individuellen Selbstbestimmung. Werte stehen unbestimmt im Raum. Sie können einen eigenen direktiven Gehalt im Recht kaum entwickeln. Im Übrigen muss dieses für die Ausübung von Rechten offen bleiben. VII. „Kampf“ der „Kulturen“ ohne Alternative? Nun lässt sich jenseits des Nationalstaates und jenseits der Weltregionen eine weitere Ebene der Selbstorientierung, die zur Offenheit verpflichten würde, schwerlich konstituieren. Daher neigt man dazu, diesen Ebenen eine unverfügbare Identität zu46

Exemplarisch an Hand der Wertbezüge im Vertrag über eine Verfassung für Europa Weise, Der Wertbegriff im Europäischen Verfassungsvertrag, in: ZG, i. E.; zuvor Reimer, Wertegemeinschaft durch Wertnormierung? Die Grundwerteklausel im europäischen Verfassungsvertrag, in: ZG 2003, 208 ff.; prinzipiell gegen die Rede von Werten in Politik, Moral und Recht Lübbe, Wert und Interesse, in: FAZ, Nr. 9 v. 11.1. 2006, 6. 47 Dazu nur Lerche, Achtung der nationalen Identität (Art. F Abs. 1 EUV, heute Art. 6 Abs. 3 EUV), in: Bundesnotarkammer (Hrsg.), Festschrift für H. Schippel zum 65. Geburtstag, 1996, S. 919 ff.; in diesem Kontext auch Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Aufl. 1998.

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zuweisen. Sie kann demgemäß in Konflikt geraten mit der Identität anderer Nationalstaaten oder Weltregionen – wobei allerdings schon der Versuch der geographisch-territorialen Zuordnung diese Identitäten fragwürdig erscheinen lässt. Jedenfalls seit dem Titel „Clash of Civilisations“ von Samuel P. Huntington wird in solchen Schemen gedacht.48 Der Terrorismus hat ihnen Auftrieb verliehen. Die Universalität des Rechts und seiner Rechte steht der Vorstellung von grundsätzlich konfligierenden Kulturen allerdings entgegen. Das gilt zumal für Menschenrechte. Was sind die Alternativen? 1. Kulturelle Identität und regionale Homogenität Ist die kulturelle Identität nicht statisch zu verstehen, so kann sie dennoch prägend sein. In Phasen der Konsolidierung kann sie normativ oder aus Angst der Menschen vor dem Verlust einer vermeintlichen oder tatsächlichen kulturellen Identität erstarren. Bekannt ist der Titel des Films von Rainer Werner Fassbinder: „Angst essen Seele auf“ und Angst ist nicht Furcht, die man bestehen kann. Angst kann – anders als Furcht – die Kreativität gefährden, die der Identität entspringt. Die Konfrontation mit Bedrohungen lässt die Erstarrung als Verfestigung und damit als Ausweg erscheinen. Dies geschieht auch, wenn Homogenität versprochen wird, die vermeintlich Sicherheit verschafft, etwa unter dem Banner des europäischen Abendlandes. Dieser Rückgriff auf das „Abendland“ schien passé, obwohl er früher im Sinne einer älteren spezifisch deutschen Ideologie von einer eigenständigen „Kultur“ im Gegensatz zur weniger respektierten westlichen „Zivilisation“ der Siegermächte des ersten Weltkrieges im Raume stand.49 Heute mag dies eher die Einigkeit in einer „Religion“ sein, nachdem die Homogenität eines vermeintlichen großen melting pot eines Einwanderungslandes mehr und mehr von der salad bowl einer ethnisch, sozial und kulturell vielschichtigen, keineswegs homogenen Bevölkerung abgelöst ist, deren Schüler sich allmorgendlich versprechen, eine Nation unter Gott zu sein. Ob diese Zufluchtsorte helfen, scheint noch offen. Jedenfalls gefährden sie die Beweglichkeit des kulturellen Erbes, indem sie ihm die Offenheit der eigenen Entwicklung nehmen. Und dies wirkt auch auf die Ebenen der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Verfassung ein, wie es autoritativ ausgerichtete Arbeiten erkennen lassen.50 Sie 48 Vgl. Huntington, Kampf der Kulturen, Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert (The Clash of Civilisations, 1996), 8. Aufl. 1998; dazu als eine zahlreicher Kritiken Jammal, Krieg oder Dialog der Kulturen?, in: Capurro/Grimm (Hrsg.), Krieg und Medien – Verantwortung zwischen apokalyptischen Bildern und paradiesischen Quoten?, 2004, S. 17 ff. 49 Huntington ähnlich im universalen Deutungsanspruch sind manche Konzepte der Weimarer Zeit, die damals in Deutschland eine erhebliche – und, ex post betrachtet, verheerende – Wirkung entfaltet haben, etwa auch Spengler, Der Untergang des Abendlandes, Bd. 1, 1921, und später. 50 Exemplarisch Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004; dazu kritisch Dreier, Kultur im Singular. Aus der Kirchhof-Schule: Wie christlich ist das Grundgesetz?, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 274 v. 28.11. 2005, 16; vgl. auch zur Vielfalt der Kulturen der Würde des Menschen ders., in: ders. (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 I, Rn. 1 ff., 84 und passim.

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werden dann verformt im Sinne eines Menschenbildes, einer Wertordnung oder anderer Topoi einer Metaebene, die das Recht erstarren lässt, es in für „Rechtsunterworfene“ rätselhafter Weise steuert und so seiner Offenheit beraubt. 2. „Kampf“ als Kategorie und Kampfbegriff Konfrontation – und damit „Kampf“ – ist dann die Kategorie, begegnet eine solche kulturelle Identität in ihrer vermeintlichen Homogenität einer anderen Tradition, die ebenso erstarrt ist oder so wahrgenommen wird. Dabei besteht die Gefahr, dass man alsbald in das Kampfgeschrei einstimmt, ohne sich zu fragen, was hinter dieser Wahrnehmung und ihrem Substrat stehen mag. „Kampf“ ist der Kampfbegriff, der eine Aufklärung der Umstände einer solchen Begegnung unterbindet. Auch der Blick für reale Ursachen von Fundamentalismen, etwa unüberwindbare Armut und objektive Aussichtslosigkeit, unaufhaltsame Globalisierungsfolgen und eigene Immobilität oder – dahinter – selbst verursachte Angst und wachsender Realitätsverlust, gerät dann nicht ins Visier. Dort findet sich nur der vermeintliche Feind der eigenen Kultur. Und dieses Feindbild gefährdet zunehmend den Bestand und das Niveau dieser eigenen Kultur – abgesehen davon, dass es Probleme nicht löst.51 Das lässt sich an Verstößen gegen die eigenen tradierten Menschenrechtsstandards sehr gut dingfest machen. Barbarismen solcher Feindschaft betreten die Arena der Politik und scheinen legitim. Das gefährdet dann die Menschenrechte und die eigene Verfassung jeweils in ihrer Substanz. 3. Die Alternative: Kommunikation, Dialog und Toleranzen Zweifellos gibt es Alternativen zum „Kampf“ der Kulturen und dessen Folgen. Sie setzen Information und Kommunikation voraus. Dann könnte es zu einem Dialog kommen, der nicht nur zu Missverständnissen führt. Dieser Weg erfordert Toleranzen. Nicht anders als bei den Weltreligionen sind die großen, gewissermaßen fundamental auftretenden oder sogar fundamentalistisch gefärbten Lager hierzu nur schwer zu bewegen.52 Auch die Foren, die hierfür zur Verfügung stehen, sei es auf gouvernementaler oder nicht gouvernementaler Ebene, werden kaum zum Schauplatz eines solchen Dialoges, solange die Konfrontation verschärft besteht. Sogar die private Kommunikation kann dann von einer derartigen Struktur des „Kampfes“ geprägt erscheinen. Nur innerhalb des eigenen Lagers und seines Rahmens scheint so etwas wie eine „offene Gesellschaft“ – open society53 oder, nicht statisch, sondern von der Partizipation und dem bürgerschaftlichen Engagement her betrachtet, civil 51

Vgl. dazu die Einsichten bei Rühl, Totaler Krieg? Wie die amerikanische Kampfrhetorik Al Quaida in die Hände spielt, in: FAZ, Nr. 263 v. 11.11. 2005, 10. 52 Siehe dazu Weisse, Das Christentum und die Nachbarreligionen, in: Broer/Schlüter (Hrsg.), Christentum und Toleranz, 1996, S. 162 ff. 53 Klassisch Popper, The Open Society and its Enemies, 1945 und später.

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society – möglich zu sein.54 Das Forum ist darauf beschränkt, der eigenen Orientierung zur Verfügung zu stehen. Gerade dies zeigt aber, dass ein Band auf einer zweiten Ebene diese Kommunikation bindet und dadurch verarmen lässt. Die geforderte Kommunikation muss indes umfassend, offen und rational orientiert sein. Dies erreicht sie, wenn sie ihren Dialog Regeln der Rationalität und der Transparenz unterwirft.55 Dies bewirken Begründungspflichten und in deren Rahmen gegebene Gründe. Beste Beispiele für die Kraft des Dialoges und der Transparenz von Gründen in der Geschichte waren die Aktionen von Mahatma Gandhi, zunächst während der ersten Tage der Unabhängigkeit Indiens in Kalkutta zwischen Moslems und Hindus zu vermitteln und dann kurz vor seinem Tod mit der Anstrengung eines Hungerstreiks den Dialog zwischen Pakistan und Indien herbeizuführen und die indische Seite zu – nach ihrem Verständnis – Vorleistungen zu bringen.56 Heutzutage ist auch im Islam Bewegung wahrzunehmen, möglicherweise im Sinne eines europäischen, in Westeuropa organisierten und selbstbewussten Islam, den auch eine institutionell-fundamentalistische Grundeinstellung zum Religionsrecht nicht mehr wird abweisen können.57 Dies fällt besonders ins Auge, wenn man den Dialog mit aufge54

Dazu unter dem Stichwort „civic republicanism“ Bellah u. a., Gegen die Tyrannei des Marktes; und unter dem Aspekt der freien Assoziation Albers, „Kunst der Freiheit“, beide in: Zahlmann (Hrsg.) (Anm. 12), S. 57 ff. und 35 ff. 55 Dies wird wohl auch von muslimischer Seite voll erkannt, wie am 17.11. 2005 im Wissenschaftskolleg in Berlin ein Vortrag und eine Diskussion des früheren iranischen Staatspräsidenten Chatami zu „Religion und Säkularisierung“ zeigte, wenn er einerseits zwar jede Religion ihre Wahrheit zu verteidigen verpflichtet sieht, andererseits aber eine „Weltethik“ – wohl im Sinne Küngs – für erforderlich hält, die – etwa basierend auf Kant – einen Dialog doch möglich macht, vgl. den Bericht von Falke, Kein Dialog – Religion muss absolut sein, in: FAZ, Nr. 270 v. 19.11. 2005, 40; auch betonte er, dass die entscheidende Frage für die muslimische Religion sei, ob es gelänge, zu einer Interpretation von Religion zu finden, die Respekt vor Menschenrechten, Freiheit, Demokratie und Gleichheit der Geschlechter einschließe, vgl. Wergin, „Ich bin kein guter Politiker“ in: Tagesspiegel v. 19.11. 2005; am besten wohl die Berichterstattung von Müller, Dorn der Wahrhaftigkeit. Mohammad Chatamis Rede im Berliner Wissenschaftskolleg, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 270 v. 23.11. 2005, 14 und Chimeli, Ein Ex auf sensibler Mission, a.a.O., 3; vorausgegangen war diesem Vortrag eine offiziöse Konferenz in Wien unter dem Thema „Der Islam in einer pluralistischen Welt“, auf der Chatami auch betont hatte, dass der Friede das Herzstück jeder Religion sein müsse, vgl. den Bericht in: FAZ, Nr. 267 v. 16.11. 2005, 5; von Interesse ist in diesem Kontext auch die Erklärung der österreichischen Iman-Konferenz vom 24.4. 2005, die in das Schlussdokument der Konferenz eingefügt vorliegt. Für eine Dokumentation der Möglichkeiten nochmals Amirpur/Ammann (Hrsg.) (Anm. 17). 56 Siehe dazu Collins/Lapierre, Um Mitternacht die Freiheit, 1976, S. 330 f. und passim; zur säkularen Republik Indien Singh/Deva (Anm. 36), S. 649 ff. (650); Rothermund, Indien. Ein Handbuch, 1995, S. 99 f.; die Entwicklung Indiens seit seiner Begegnung mit dem Westen wird heute unter Aspekten einer Aufklärung begriffen, steht aber sicher auch in einer Tradition des Umgangs mit Invasoren, vgl. dazu Kämpchen, Auf Augenhöhe. Kulturelle Visionen? Die Bertelsmann-Stiftung in Indien, in: FAZ, Nr. 281 v. 2.12. 2005, 41. 57 Siehe dazu den Bericht von einer Tagung in Jena von Kemmerer, Im Reinen und im Rechten: Juristen streiten: Passt der Islam ins Grundgesetz?, in: FAZ, Nr. 281 v. 2.12. 2005, 42.

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schlossenen Vertretern des Islam führt, diese stärkt und damit den innerislamischen Dialog ebenso fördert wie denjenigen zwischen den Religionen und „ihren“ Kulturen.58 Fundamentalismen, die zweifellos auf allen Seiten anzutreffen sind, erschweren die Vermittlung des Dialogs, die Kommunikation der Toleranz. Aber alle großen und gelehrten Religionen – auch der Islam – kennen den Dialog als Kategorie. Nur die politische Instrumentalisierung der Religion will anderes glauben machen. Nicht zufällig findet sich im Koran der Satz, dass in der Religion kein Zwang sein könne59 – und dies deshalb, weil sich der wahre Glaube selbst durchsetzt. VIII. Fundamentalismus und Verfahren offenen Rechts Die grundsätzliche Wende in fundamentalistischen Lagern, die notwendig wäre, um solche Schritte zu gehen, liegt wohl darin, dass man die eigenen Grundpositionen überhaupt solchen Verfahren auszusetzen bereit ist. Grundbedingung dafür ist wohl auch, dass die eigene Identität die Gefährdungen, die die Autonomie in der Kommunikation mit sich bringt, ertragen kann. Die Kontinuität muss mithin in gestalterischer Weise zu sichern sein, so dass das Recht dafür offen stehen darf und schließlich die identitätsstiftende Kontinuität auch im Wandel gesucht werden kann. 1. Autonomie, Kommunikation und Identität Ausgangspunkt dafür wäre jene Autonomie, die auch den Menschenrechten zugrunde liegt. Diese Rechte setzen zudem Kommunikation voraus, denn nur durch Kommunikation kann sich die Persönlichkeit konstituieren, die sie wahrnehmen kann. Ihr personaler Gehalt bestimmt die eigene Identität in rechtlicher Hinsicht, die sich erst aus Kommunikationsprozessen gewinnen lässt. Der eigene Rechtsraum, den die grundlegenden Individualrechte konstituieren,60 ermöglicht die Gestaltung der eigenen Identität aus der eigenen Individualität selbst. Identität wird auf dieser Grundlage mit Hilfe der Kommunikation stabilisiert und entfaltet. Damit ist eine Autonomie vorausgesetzt, deren Ausübung Dialog und damit Kommunikation ermöglicht. 2. Aufklärung, Verfahren und Fundamentalismus im Recht Soll der „Kampf der Kulturen“ überwunden werden, muss die Selbstbestimmung Verfahren der Kommunikation ermöglichen und erschließen, die dauerhaft sind. Solche Verfahren können dem Fundamentalismus gerade im Recht entgegenwirken, der 58 Dazu Tibi, Fundamentalismus im Islam, Eine Gefahr für den Weltfrieden?, 3. Aufl. 2002, S. 156 ff.; auch ders., Gefährdet des Islam europäische Werte, in: Schweizer Monatshefte Nr. 12/01, 2005/2006, 38 ff.; nicht zur Verfügung stand mir ders., Islamic Law/ Shàri’a, Human Rights, in: 16 Human Rights Quaterly 277 seqq. (1994). 59 2. Sure, Vers 256/257. 60 Vgl. BVerfGE 44, 37 (49 f.); 44, 59 (66) – Kirchenaustritt.

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dadurch gekennzeichnet ist, dass er meint, auf Verfahren verzichten zu können, weil er von einer Gewissheit darüber ausgeht, was das Recht in der Sache sagt. Ist das Recht dazu verpflichtet, Rechtsräume autonomer Gestaltung offen zu halten, dann bedarf es der Verfahren, um diese Rechtsräume einander auch dort zuzuordnen, wo sie in Konflikt geraten können, und um konkrete Konflikte der Inanspruchnahme solcher Rechte zu bewältigen. Dies führt dazu, dass der Fundamentalismus im Recht in der Sache zurückgedrängt wird und darüber hinaus Verfahren und Instanzen erforderlich werden, die diese Zuordnung61 leisten können und im konkreten Konflikt praktische Konkordanz schaffen.62 Sehr oft können Lösungen hier nur im Wege verfahrensorientierter Kunstgriffe gefunden werden. Das erfordert die Deutung der Grundrechte, soweit sie diese Orientierung noch nicht besitzen, um ihre Wirkung als Verfahrensgarantien zu ergänzen.63 Gleichzeitig können materielle Aussagen so in den Grenzen dessen gehalten werden, was unerlässlich ist, um einen Konflikt zu lösen, wodurch sich Gerichte in der Sache auch nur so weit binden und sich nicht mit abweichenden Ansichten stoßen. Damit kommt außerdem der größtmögliche Respekt nicht nur gegenüber anderen Ansichten und Grundhaltungen, sondern auch gegenüber den Rechten Dritter zum Zuge. Dies steht auch hinter einer offenen Interpretation von Rechten, insbesondere Menschenrechten und Grundfreiheiten oder Grundrechten. 3. Offene Rechte, ihre Verfassung und Kontinuität Die dargestellten Verfahren führen zu einer Kontinuität steter Zuordnung in Rechtsausübung und -anwendung, die diese Rechte ebenso offen verstehen wie die Verfassung,64 in die sie eingebettet sind und deren Instrumentarien Foren des Dialogs, der Kommunikation, der Zuordnung und der Streitschlichtung zur Verfügung stellen. Bei einem solchen Verständnis sind Gewissheiten unverrückbarer Rechtsbehauptungen nicht möglich, sondern lediglich geordnete Prozesse, die die Ausübung individueller und kollektiver Autonomien absichern.65 Dass auf einer Metaebene ein 61 In der Sache eine Zuordnung einfordernd Zwirner, Politische Treupflicht des Beamten (1956), 1987, S. 234. 62 Dazu K. Hesse (Anm. 28), Rn. 317 ff., S. 142 ff. und passim; die praktische Konkordanz geht in der Sache zurück auf Zwirner (Anm. 61), in Form und Bezeichnung auf Bäumlin, Recht – Staat – Geschichte, 1961, S. 27 ff. (34); zuerst belegt bei Müller, Die Einheit der Verfassung. Elemente einer Verfassungstheorie III, 1979, S. 76, Fn. 170, als Zwirners Dissertation noch nicht gedruckt war. 63 K. Hesse, Bestand und Bedeutung der Grundrechte in der Bundesrepublik Deutschland (1978), in: ders., Ausgewählte Schriften, hrsgg. von Häberle u. a., 1984, S. 283 ff. (300 ff.). 64 Zu dieser Offenheit K. Hesse (Anm. 28), Rn. 22 ff., 36 ff., S. 12 ff., 15 ff. u, passim; zur prozeduralen Interpretation besonders Häberle (Anm. 30), S. 300 ff. – auch in kritischer Reflexion. 65 Dazu gehört gerade auch die Feiertagskultur, siehe Häberle, Feiertagsgarantien als kulturelle Identitätselemente des Verfassungsstaates, 1987, S. 18 ff.; dabei können sich Privilegierungen christlicher Feiertage relativ dauerhaft halten, vgl. Stollmann, Islamische Feiertage in Deutschland – Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen kultureller Vielfalt, in: NVwZ 2005, 1394 ff.

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Konsens über dieses Verständnis der Rechte und Verfassungsstrukturen die Grundlage dieser Prozesse ist, daran besteht kein Zweifel. Dieser Konsens ist indes gerade dann möglich, wenn man die Rechte und Rechtsstrukturen nicht in einer fundamentalistischen Weise an eine der politisch-kulturellen Traditionen der großen Weltregionen und ihrer jeweiligen Traditionen anbindet, sondern ihr säkulares Verständnis, das sie in verschiedenen Traditionen beheimaten kann, als gemeinsame Grundlage wählt. Auch dies ist ein Verfahrensschritt am Anfang, der nur in Distanz zur eigenen Identität und ihren Ansprüchen zu machen ist. Er führt dann zu einer hinreichenden Anerkennung der verschiedenen Traditionen und Ausprägungen von Rechtskonzepten, aus denen sich Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie für ihre Durchsetzung notwendige Strukturen begründen lassen.66 Das gilt auch für den Islam, der in der Lage ist, Menschenrechten gegenüber unterschiedlich zu reagieren sowie insbesondere Interpretationen und Verfahren der Zuordnung seiner Tradition und dieser Rechte zueinander zu entwickeln.67 Deshalb hält sich eine verfahrensorientierte Auslegung von Rechten und Verfassungen in einem Rahmen, der die gebotenen Toleranzen einer offenen Verfassung rechtlich dauerhaft sichert. Das mag auch einer der Gründe sein, weshalb sich in alten Verfassungsrechtstraditionen die erstaunliche Beständigkeit verfahrensorientierter Lösungen erhalten hat.68 IX. Exemplarisch: „Neutralität“ und Religionsverfassungsrecht Die Anforderungen, die eine offene Verfassung an ihre Interpretation stellt, lassen sich verdeutlichen. Dies ist besonders reizvoll in Bereichen, die sie relativ deutlich 66 Exemplarisch Singh, Human Rights in the Indian Tradition – Alternatives in the Understanding and Realization of the Human Rights Regime, in: ZaöRV 63 (2003), 830 ff.; ähnlich Sharma, Hinduism and Human Rights, 2004, S. 137 ff.; noch stärker unter Aspekten kollektiver Rechte in Entwicklungsprozessen Onuma, Towards an Intercivilizational Approach to Human Rights – For Universalization of Human Rights through Overcoming of a Westcentric Notion of Human Rights, in: 7 Asian Yearbook of International Law 21 ff. (1999); zu Funktionsweise u. Reichweite von Völkerrecht: ders., International Law in and with International Politics: The Functions of International Law in International Society, in: 13 European Journal of International Law (2003) 109 ff.; menschenrechtlich wiederum Sharma, Are Human Rights Western? A Contribution to the Dialogue of Civilizations, 2006, S. 254 ff.; zum Islam u. krit. u. a. zu Tibi (vgl. Anm. 58) Tohidipur, Islam und Menschenrechte revisited, in: KJ 36 (2004), 305 ff.; sowie von einer Tagung in Doha der Bericht Hermann, Die Araber und die Menschenrechte. Die Regime, das Erziehungswesen und die Auslegung des Islam sind Hürden auf dem Weg, in: FAZ, Nr. 67 v. 20.3. 2006, 10. 67 Dazu Flores, Die innerislamische Diskussion zu Säkularismus, Demokratie und Menschenrechten, in: Ende/Steinbach (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 5. Aufl. 2005, S. 620 ff. (632 ff.), der am Ende darauf hinweist, dass der „clash of civilisations“ oft ein „clash within civilisations“ ist. Für die Rezeption westlichen Rechts im Rahmen des Verfassungsrechts vgl. Ebert, Tendenzen der Rechtsentwicklung, in: Der Islam in der Gegenwart, a.a.O., S. 199 ff. (201 ff., 204 ff.). 68 Dazu Tribe, The Puzzling Persistence of Process-Based Constitutional Theories, in: 89 Yale Law Journal 1063 ff. (1980).

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regelt. Hier muss eine passgerechte Interpretation gefunden werden, die klärt, was auch auf diesen Gebieten offen und damit zukunftsorientiert und fortbildungsfähig gehalten ist. Wiederum etwas anders liegt es dort, wo die Verfassung historische Kompromisse aufgreift und diese sich einfügt. Denn hier sind unter Umständen größere Schwierigkeiten zu bewältigen. So ist es im Bereich des Rechts, das Staat und Religion betrifft. Es geht dabei um das klassische Staatskirchenrecht einerseits und andererseits um die Wirkung der Entfaltung des Grundrechtsverständnisses auf diesem Feld. 1. Offene Verfassung und Religionsverfassungsrecht Es bestand in den letzten Jahren eine Tendenz, das „Staatskirchenrecht“ durch ein Religionsverfassungsrecht ablösen zu wollen. Dies hat eine Vorgeschichte.69 Stefan Korioth hat indes gezeigt, dass eine nur grundrechtsgestützte Konstituierung eines Religionsverfassungsrechts nicht ausreicht.70 Andererseits sieht man in der Religionsfreiheit die „Basis“ – wie neulich die inzwischen im Amt befindliche Kulturbeauftragte der EKD Petra Bahr betonte – „vitaler Symbolisierungsformen in der Gesellschaft“.71 Deshalb hat Korioth nicht lange zurück an anderer Stelle mit gutem Recht darauf hingewiesen, dass z. B. ein Bedürfnis danach besteht, zwischen Verein und öffentlicher Korporation den Religionsgesellschaften oder -gemeinschaften weitere Gestaltungsmöglichkeiten auf Ebene der Verfassung zur Verfügung zu stellen.72 Neben solchen, allerdings oft folgenreichen Details ist hier vielleicht besonders festzuhalten, dass eine offene Verfassung ein Religionsverfassungsrecht herausfordert, das ihren Grundrechten genügt. Menschenrechte verstärken dies auf Ebene des weltweiten und noch deutlicher auf Ebene des regionalen Völkerrechts. Hier gibt es zweifellos eine Entwicklung, die Art. 9 EMRK zum Ausgangspunkt hat, ebenso wie die 69

Siehe Häberle, Grenzen aktiver Glaubensfreiheit (1969), in: ders., Kommentierte Verfassungsrechtsprechung, 1979, S. 125 ff. 70 Vgl. Korioth, Vom institutionellen Staatskirchenrecht zum grundrechtlichen Religionsverfassungsrecht? Chancen und Gefahren eines Bedeutungswandels des Art. 140 GG, in: Brenner u. a. (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes – Kontinuität und Wandel, Festschrift für P. Badura zum 70. Geb., 2004, S. 727 ff.; früher Häberle, „Staatskirchenrecht“ als Religionsrecht der verfassten Gesellschaft (1976), in: Mikat (Hrsg.), Kirche u. Staat in der neueren Entwicklung, 1980, S. 452 ff. 71 Vgl. FAZ, Nr. 281 v. 2.12. 2005, 42; akademisch besteht soviel Offenheit nicht immer, vgl. etwa jetzt Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, 2005, S. 52; anders Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht – Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, 2001, S. 215 ff. (237 ff.); auch Classen, Religionsfreiheit und Staatskirchenrecht in der Grundrechtsordnung. Zur besonderen Bedeutung der religionsverfassungsrechtlichen Garantien im Lichte der allgemeinen Grundrechtsdogmatik, 2003, S. 5 ff. 72 Dazu Korioth, Die Entwicklung der Rechtsformen von Religionsgemeinschaften in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, in: Kippenberg u. a. (Hrsg.), Die verrechtlichte Religion. Der Öffentlichkeitsstatus von Religionsgemeinschaften, 2005, S. 109 ff.; zum Verhältnis von Grundrechten u. Staatskirchenrecht jetzt Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, S. 298 ff.

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jeweiligen gliedstaatlichen Grundrechtsgewährleistungen in der Europäischen Union. Die Vorstellung, man könne den status quo des jeweiligen nationalen Religionsrechts festhalten, wird sich daher als Illusion erweisen. Das gilt für alle Varianten des Religionsverfassungsrechts – so auch für den Laizismus, der eine Religion privilegiert und andere entrechtet, ebenso wie für einen im strengen Sinne neutralen Laizismus, womit der ältere, „echte“ Laizismus in Frankreich und der vermeintliche Laizismus angesprochen sind, wobei letzterer eine konsequente Privilegierung des sunnitischen Islam darstellt. Allerdings wird aus europäischer Perspektive immer Raum für kulturelle Identität in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wie des Europarats bleiben, die beide gerade im Religionsrecht auch rigidere, die Religionsfreiheit einschränkende Regelungen als Ausdruck eines zu Recht beanspruchten nationalen Beurteilungsspielraumes hinzunehmen bereit sind.73 2. Traditionelles Recht und Religionsfreiheit Das traditionelle Recht ist also auf den Prüfstand der Religionsfreiheit gestellt. Besonders die Rechtsprechung des EGHMR, die ja inzwischen auch ein institutionelles Verständnis dieser Freiheitsgewährleistung erreicht hat,74 bietet hier ein reizvolles Feld. Art. 9 EMRK wirkt wie ein Außenkorrektiv konventionsstaatlicher Regelungen, obwohl die Konvention ebenso wie das übrige europäische Recht gleichzeitig staatskirchenrechtlich blind zu bleiben sucht.75 Dieses jeweils geschichtlich gewachsene Verhältnis zwischen Staat und Kirche sollte nicht sogleich aufgrund eines problematischen Verständnisses von Art. 6 Abs. 3 EUV – Achtung der nationalen Identität – unter das Regime einer zwar durch die Europäische Union gewissermaßen von außen nicht antastbaren, aber von innen heraus – durch die Mitgliedsstaaten – wandelbaren kulturellen Identität gestellt werden. Das heißt, die Religionsfreiheit als Freiheitsrecht im Mitgliedsstaat kann Ausgangspunkt einer kritischen Perspektive auf die traditionellen institutionellen Vorkehrungen des Rechts sein.

73 Vgl. EGHMR, Urt. v. 15.2. 2000, in: NJW 2001, 2871 ff. u. dazu Goerlich, Religionspolitische Distanz und kulturelle Vielfalt unter dem Regime des Art. 9 EMRK usw., in: NJW 2001, 2862 f., sowie Walter, Religiöse Toleranz im Verfassungsstaat – Islam und GG, in: Lehmann (Hrsg.) (Anm. 27), S. 77 ff. (88 ff.); sowie jetzt Thüsing, Kleiderordnungen, in: JZ 2006, 223 ff.; zu den grundsätzlichen Konsequenzen der europäischen Integration aus einer nicht-etatistischen Perspektive Hofmann, „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, in: Der Staat 44 (2005), 171 ff. (182 ff.). 74 Vgl. de Wall, Von der individuellen zur korporativen Religionsfreiheit. Die Rechtsprechung zu Art. 9 EMRK, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und öfftl. Recht, 2004, S. 237 ff.; und insges. für die europäische Ebene ders., Das Religionsrecht der EU, in: ZevKR 50 (2005), 383 ff. 75 Als Rechtsprechungsbericht zu Art. 9 EMRK vgl. Sahlfeld, Aspekte der Religionsfreiheit, 2004, S. 93 ff.; u. Grote/Marauhn (Hrsg.), Konkordanzkommentar Europäische Grundrechte – im Erscheinen.

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3. Neutralität und Offenheit für neue Formen Dabei entfaltet sich die „Neutralität“ des Staates und der öffentlichen Gewalt in neuer Weise. Unbeschadet der besagten staatskirchenrechtlichen Blindheit der europäischen Ebene, können hier in einzelnen europäischen Staaten erhebliche Rechtsänderungen notwendig werden, die inzwischen auch die Kirchen anderer Staaten – jedenfalls im Verhältnis zu beitrittswilligen Ländern – einfordern.76 Damit wird es immer schwieriger, einzelne Elemente des tradierten nationalen Rechts als versteinert zu verstehen. Vielmehr muss die Interpretation solche Rechtsanpassungen ermöglichen, ohne dass zu große Konflikte entstehen. Deshalb sind die offenen Strukturen der Menschenrechte ebenso wie der nationalen Verfassungen ein notwendiges Medium der regionalen wie der weltweiten Integration unter das Regime rechtsstaatlicher und menschenrechtsgerechter – eben „aufgeklärter“ – Perspektiven des Rechts. X. Schlussbemerkung Die Inanspruchnahme der Menschenrechte setzt mithin immer ein offenes Verständnis dieser Rechte und ihrer jeweiligen Verfassung als jeweils spezifisch instrumentierendem Rahmen voraus. Solche Rechte gewinnen ihre bindende Kraft gerade daraus, als living instruments offen für künftige Varianten ihres Verständnisses seitens der Berechtigten als primäre Interpreten und ihrer sekundären – professionellen – Interpreten zu sein. Ein anderes Verständnis gefährdet die Menschenrechte im Ergebnis. Theorien dieser Rechte fördern ihre Wirksamkeit, wenn sie sie als offene Rechte verstehen. Nichts anderes gilt für das Verständnis der Verfassungsstrukturen, die diese Rechte fördern und die notwendigen Lebensgrundlagen für ihre Ausübung durch einen Raum der Sicherheit und des Rechts ermöglichen, wobei Sicherheit Recht – und damit Freiheit – nicht verdrängen darf. Jedenfalls juristische Fundamentalismen hindern diesen Weg. Auch können sie einem solchen Raum die Freiheit nehmen, die dieser Raum vorgeblich zu sichern sucht, soweit normorientierte Fundamentalismen Sozial- oder Rechtsnormen so deuten, dass sie die Ausübung dieser Freiheit behindern.

76 Zur Türkei siehe Huber, Die Religionen und der Staat, Vortrag vor der Friedrich-EbertStiftung – Bonner Dialog – am 2.2. 2005, gedruckt als Broschüre dieser Stiftung; vgl. i. Ü. Motika, Kulturelle Unvereinbarkeit oder „normaler“ Anpassungsprozess? Zum türkischen EU-Beitritt, in: ZSE 3 (2005), 211 ff.

Soziale Integration als Aufgabe des Rechts – am Beispiel der Rechtsprechung auf dem Weg zu einem Religionsrecht in gleicher öffentlicher Freiheit [2008]* Friedrich Müller arbeitet nicht nur zu Fragen der Methodenlehre, sondern auch an solchen des herkömmlichen Staatskirchenrechts. Nicht auf dessen traditionellem Feld, aber in angrenzenden Bezirken der Grundrechtsdogmatik1 – wenn sie in der Praxis noch in gleicher Weise trägt wie bisher2 – und der Diskriminierungsverbote vollzieht sich gegenwärtig ein rechtlicher Wandel in der Sicht vieler Fragen. Das stellt auch die Erträge der Methodik auf die Probe und führt zugleich zu Problemen der funktionellen Leistungsfähigkeit nicht nur befasster Gerichte, sondern auch anderer öffentlicher Einrichtungen. I. Politikversagen Die Grundrechte erscheinen mehr und mehr als Integrationsmaßstab einer Gesellschaft.3 Das gilt umso mehr, wenn europäisches Recht ins Spiel kommt, d. h. auch demokratische Defizite zu beklagen sind. Die deutsche Politik hat offenbar immer öfter nicht die Kraft, Reformwillen und Populismus so zu verbinden, dass sich integrative Lösungen – meist angeknüpft an eine religionsrechtliche Perspektive – ergeben, die einen weiterführenden Ausgleich zwischen großen und kleineren Gruppen und ihren religiösen Interessen in der deutschen Gesellschaft bewirken. Weder die * Zuerst veröffentlicht in: Christensen/Pieroth (Hrsg.), Rechtstheorie in rechtspraktischer Absicht, Freundesgabe zum 70. Geburtstag von F. Müller, 2008, S. 93 ff. 1 Hierzu mit zahlreichen Belegen Kahl, Neuere Entwicklungslinien der Grundrechtsdogmatik, in: AöR 131 (2006), 579 ff. 2 Vgl. Schlink, Abschied von der Dogmatik – Verfassungsrechtsprechung und Verfassungsrechtswissenschaft im Wandel, in: JZ 2007, 157 ff. – wobei der kulturkritisch-pessimistische Ton am Ende eher hinterfragt werden sollte; sowie Schulze-Fielitz, der vor Kurzem auf einer Tagung in Jena ausführte, dass sozusagen bloße Dogmatik nicht „zukunftsfähig“ sei, vgl. FAZ, Nr. 4 v. 5.1. 2007, 34 unter der Überschrift „Unantastbar? Eine Anfrage – Dogmenkritik: Juristen streiten über die Menschenwürde“ u. ders., „Staatsrechtslehre als Wissenschaft: Dimensionen einer nur scheinbar akademischen Fragestellung“ am 2. u. 3.3. 2007 in Würzburg, neben anderen Beiträgen auf einem Forschungskolloquium zu dem Thema „Staatsrechtslehre als Wissenschaft“ aus Anlass des 60. Geburtstages von Helmuth SchulzeFielitz, demnächst im Druck. 3 Vgl. jetzt Röper, Die Grundrechte als Integrationsmaßstab, in: ZRP 2006, 187 ff.

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Legislative noch Regierungen und Verwaltung sind dazu in der Lage. In die Bresche gesprungen sind nolens volens in jüngerer Zeit allerdings des Öfteren auf verschiedenen Ebenen, aus Anlass der Streitigkeiten vor ihnen, die Gerichte. Es kam zu grundsätzlichen Entscheidungen. Dabei ist zunächst der Eindruck entstanden, die neue Rechtsprechung besitze eine laizistische Tendenz mit dem Ergebnis, die Religion überhaupt aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Das galt etwa für den Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Dabei verkannte diese Sicht, wie stark die älteren Entscheidungen des Gerichts nachwirken, die der Religionsausübung den öffentlichen Raum unter dem Grundgesetz erschlossen haben. Diese Rechtsprechung musste sich in einem zweiten Schritt dahin auswirken, allen Religionen gleichermaßen öffentlichen Raum zuzuweisen. Dieser Effekt tritt nun zunehmend ein und wird auch in Entscheidungen sichtbar, die auf den ersten Blick wiederum jenes laizistische Missverständnis auslösen. Eine laizistische Wendung der Interpretation dieser Rechtsprechung würde latent das Ziel einer Gleichstellung der Religionen gefährden und damit auch mittelbar die Aufgabe einer Integration der benachteiligten Gruppen, die jene Religionen oder Konfessionen vertreten und daher sehr häufig die Religion zum Instrument der Aufmerksamkeit für ihre Zurücksetzung machen. Sie würde auch dem Grundgesetz nicht gerecht, dem eine sozusagen laizistische Verfassungsprogrammatik nicht zu entnehmen ist. Diese Verfassung hat im hier relevanten Kontext einerseits die so genannten Weimarer kirchenpolitischen Artikel übernommen und andererseits die Grundrechte normativ verstärkt. Das bewirkte alsbald eine Allianz seiner Interpreten zugunsten eines die herkömmlichen Volkskirchen privilegierenden Staatskirchenrechts. Es ergab aber auch die Durchsetzung der individuellen religiösen Rechte des Einzelnen und der vorhandenen Minderheiten. Und nun setzt sich dies fort in Ansätzen eines egalitären Religionsrechts, das den Religionen den öffentlichen Raum in gleicher Freiheit sichern kann, sollte es sich etablieren. Dies erreichen bisher weniger Diskriminierungsverbote oder andere Gleichstellungsgesetze als vielmehr einzelne Judikate, und dies zwar selbst dann, wenn sie auf den ersten Blick nicht mehr als einen fragwürdigen Bruch mit der bisherigen Dogmatik enthalten oder gar eine egalitäre, eher religionsfeindliche Strömung aufweisen, tatsächlich aber dem Zug der Zeit zugunsten eines positiven egalitären Religionsrechts allmählich Raum geben. II. Gleiche Freiheit als Perspektive Den Gang der Entwicklung veranschaulichen einige Beispiele. Wenige Dekaden zurück ging die Rechtsprechung offenbar davon aus, dass nennenswerte Konflikte aus einem allgemeinen Schulgebet, dem sich niemand recht entziehen kann, nicht entstehen. Diesen Eindruck vermittelte jedenfalls noch ein Beschluss aus dem Jahre 1979.4 Sogar noch 1995 sah sich ein Bundesgericht befugt zu entscheiden, was zu den zwingend einzuhaltenden Riten einer Religion gehört und daher unter 4 Vgl. BVerfGE 52, 223 zum freiwilligen, „überkonfessionellen“ Schulgebet außerhalb des Religionsunterrichts in staatlichen Schulen.

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den Schutz der Garantien des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG fällt.5 Nichts anderes schien auch im Jahre 2002 für die Bekleidung muslimischer Frauen zu gelten.6 Der Bruch erfolgte auf den ersten Blick mit dem so genannten Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.7 Nun sollte auf eine Minderheit, ja auf die einzelne Person durchschlagend, Rücksicht zu nehmen sein. Wenn mithin im Einzelfall der universale gesellschaftliche Konsens in der Kleingruppe einer Schulklasse, also unter Schülern, Eltern und Lehrpersonen, zur in Rede stehenden Frage nicht mehr besteht, sollte das nun genügen, um auf religiöse Symbole oder Handlungen im unausweichlich öffentlichen Raum der Schule verzichten zu müssen. Damit hatte dieses Gericht – allerdings ohne jede Vorbereitung der Öffentlichkeit, etwa durch eine mündliche Verhandlung – 1995 allem Anschein nach eine grundlegende Wende eingeleitet. Bis dahin galt seit 1968 zwar für die christlichen Bekenntnisse eine gesicherte positive Religionsfreiheit, auch im öffentlichen Raum, und zwar unter einer weiten, vom Selbstverständnis dieser Bekenntnisse getragenen Deutung ihres Schutzbereiches.8 Diese Sicht der Freiheiten des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG war aber für andere Religionen, Minderheiten und vereinzelte „Dissenter“ nicht gesichert. Nun schien sich das zu verändern, allerdings erkennbar nicht zu Lasten der Religionsfreiheit als einer im öffentlichen Raum verwirklichten Freiheit des Einzelnen. Die Gefahr einer Privatisierung dieser Freiheit wurde offensichtlich. Zu befürchten war auch, dass die negative Seite der Freiheit sich gegen die positive Freiheit eines Bekenntnisses zu einer Tradition öffentlicher Symbole durchsetzen würde. Nur mit Mühe korrigierte eine restriktive Deutung des Beschlusses in der Fachgerichtsbarkeit diesen Eindruck.9 Die Perspektive gleicher öffentlicher Freiheit für alle Religionen war aber eröffnet, allerdings unterwarf man dann – veranlasst durch den konkreten Fall – sogleich den Minderheitenschutz besonderen Kautelen, was indes gegen seinen Missbrauch veranlasst erscheint, vor allem wenn man eine Phase der Konfrontation fürchtet. Zu ihr kam es nicht, wiewohl vereinzelt vor allem Lehrpersonen in einer etwas anderen Lage weiterhin streiten. Aber in Bayern hängen die Kruzifixe noch. Eine Korrektur, die nun vorzunehmen war, schien das Staatskirchenrecht kraft seiner verfassungsrechtlichen Verankerung selbst zu bieten. Diesen Weg beschritt das Bundesverwaltungsgericht, indem es etwa den Körperschaftsstatus nur verliehen sehen wollte, wenn über eine bloße Rechtstreue hinaus bestimmte traditionelle Voraussetzungen der Loyalität gegenüber dem nun demokratischen Staat – auch in Ansehung allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahlen – erfüllt 5 BVerwGE 99, 1 unter Bestätigung von OVG Hamburg, Urt. v. 14.9. 1992 – Bf III 42/90 – in: NVwZ 1994, 592 (595), wonach – nach Feststellung dieses staatlichen Gerichts – kein zwingendes Gebot zum Schächten besteht, mithin der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht tangiert ist. 6 BVerwGE 116, 359 – erstmalige Bestätigung eines präventiv-abstrakt verstandenen Kopftuchverbots im Schuldienst. 7 BVerfGE 93, 1 – Kruzifix im Klassenraum von Pflichtschulen. 8 Vgl. BVerfGE 24, 236 – Aktion Rumpelkammer. 9 Siehe BVerwGE 109, 40 (46 ff.).

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waren.10 Aus denselben Erwägungen ergab sich auch, den Anspruch auf die Ermöglichung eines Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach i. S. v. Art. 7 Abs. 3 GG solchen Religionen zu verweigern, die keine entsprechenden, hier geläufigen und für notwendig erachteten Organisations- und Verantwortungsstrukturen besitzen.11 Grundlage dieser Sicht war, dass die immanenten Schranken der Freiheiten des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sich aus dieser Verfassung selbst – und darunter aus dem ihr inkorporierten Staatskirchenrecht – ergeben. Diese Versuche der Rettung herkömmlicher Strukturen sind bekanntlich gescheitert. Sie mögen prima facie gescheitert sein an Missverständnissen, etwa bezogen auf den Inhalt von Loyalitätserwartungen im Vergleich zu gebotener Rechtstreue. Sie waren und sind aber unabhängig von solchem Missgeschick auch kaum mehr durchzuhalten. Zu sehr hatte sich nämlich das soziale Substrat von Religion und Ritual durch Migration, Austritte und deutsche Vereinigung verändert. Nun stellten sich Fragen der Handhabung religiös ausgeprägter sozialer Konflikte einerseits und andererseits Fragen, ob eine Privatisierung der Religion, eine Variante eines dadurch gekennzeichneten Laizismus, anstehen oder ein neuer Weg sich öffnen würde. Man kann es für leichtfertig halten, die herkömmlichen Wege des Staatskirchenrechts preiszugeben. Auch birgt eine Abkehr von diesem Weg die Gefahr einer zu raschen Entwicklung gegen die Verfassung, heraus aus ihrem bisherigen Geläuf. Im Bereich von Schule und öffentlichem Dienst kann dies die landesverfassungsrechtliche Lage beiseiteschieben, was nicht nur bundesstaatlich fragwürdig ist, sondern auch angesichts der tradierten verfassungspolitischen Identität etwa in süddeutschen Ländern oder vor allem in konfessionell noch immer homogenen kleineren ländlichen Regionen dann und wann schwer zu verkraften sein wird. Dennoch zeichnet sich diese Entwicklung ab. Ihre Rechtfertigung ist dann von Interesse, will man nicht zu Verfallsdoktrinen greifen und sich damit zugleich neue Wege selbst verschließen.

10 Vgl. BVerwGE 105, 117 mit der Anforderung der Loyalität gegenüber dem demokratischen Staat, insbesondere gegenüber dessen Wahlen. Dieses Urteil hat das BVerfG bekanntlich aufgehoben; damit wurde das Staatskirchenrecht beiseite gedrängt. Anlässlich auch dieses Falles ist indes zu betonen, dass der deutsche ordre public die Grundrechte umfasst, ohne dass dies im Wege der Gleichstellung anderer Religionen und Traditionen in Frage gestellt werden könnte. 11 In diesem Sinne v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl. 2006, S. 217; dagegen hatte OVG Münster, Urt. v. 2.12. 2003, in: NVwZ-RR 2004, 492 ff., auch in: NWVBl. 2004, 224 ff. muslimischen Dachverbänden die Eigenschaft, Religionsgemeinschaften zu sein, abgesprochen, womit ihnen also der Anspruch auf Ausrichtung von Religionsunterricht schon deshalb, und nicht wegen des Fehlens von Verantwortungsstrukturen, nicht zustehen soll; diese Entscheidung wurde von BVerwGE 123, 49 aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

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III. Windungen der Rechtsprechung Die egalitäre Tendenz zeigt sich am stärksten in der Formalisierung tradierter, sachorientiert-inhaltlich geprägter rechtlicher Merkmale. Vor diesem Hintergrund war das Loyalitätsgebot als Voraussetzung der Verleihung des Körperschaftsstatus vom Bundesverwaltungsgericht noch gesehen worden. Das Bundesverfassungsgericht formalisierte diese Anforderung im Wege ihrer Reduktion auf bloße Rechtstreue und eine Gewährklausel für den Respekt vor bestimmten elementaren Verfassungssätzen.12 Damit war die Öffnung des Staatskirchenrechts für eine allgemeine Parität, jenseits eines gewissen Restbestandes qualifizierender rechtlicher Stufungen, vollzogen. Was teils die Politik ohne grundsätzliche Perspektive im Vertragsrecht zwischen Staat und Religion schon vollzogen hatte, wurde damit verallgemeinert. Sind bestimmte formale Anforderungen gegeben, so bleibt schwerlich Raum für eine unterschiedliche Behandlung. Deshalb erstaunt der weitere Gang der Dinge nicht. Alsbald wurde in der Frage des Schächtens die Position geräumt, die schon den Schutzbereich der Religionsausübung nicht tangiert gesehen hatte; nun wurde in solchen Fällen auf ein bloßes, zwingendes Dafürhalten einer durch gemeinsame Glaubensüberzeugung verbundenen Gruppe von Menschen abgestellt.13 Dadurch war es möglich, die Religionsausübung der Kundschaft auch für einen muslimischen Betrieb zur „Verstärkung“ seiner säkularen Grundrechtsposition heranzuziehen; die bloße Verweisung auf den Import „geschächteten“ Fleisches konnte angesichts des öffentlichen Charakters von „Religion“ und der Maßgeblichkeit ihres Selbstverständnisses nicht mehr genügen.14 Auch konnte man nun das Tragen eines Kopftuchs nicht mehr als bloße Sitte abtun und so nahm das Bundesverfassungsgericht angesichts des öffentlichen Charakters solcher – wie latent aller – Religionsausübung den Rekurs auf das Parlamentsgesetz, um eine allgemeine, keinesfalls bloß kasuistische Regelung zu erzwingen,15 sogar um den Preis, entgegengehalten zu bekommen, dass das bisherige Beamtenrecht aller Länder und des Bundes als Ermächtigungsgrundlage ausreiche.16 Das signalisierte indes zugleich einen Regelungsbedarf, der 12 BVerfGE 102, 370; diese Entscheidung führte zu BVerwG, Urt. v. 17.5.2001 – 7 C 1/01 – in: NVwZ 2001, 924 ff. u. schließlich zur Verleihung des Körperschaftsstatus an die Zeugen Jehovas in Berlin. 13 BVerwGE 112, 227. 14 BVerfGE 104, 337; zur Figur der „Verstärkungswirkung“ von Grundrechten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts krit. Spielmann, JuS 2004, 371 ff. 15 BVerfGE 108, 282. 16 Dies ist die Auffassung der abweichenden Richter in BVerfGE 108, 282 (314 ff.), aber auch weithin der Vertreter nicht nur des Beamtenrechts, die allerdings die verfassungspolitische Leitfunktion der abstrakt-generellen Entscheidung „gegen das Kopftuch“ im Sinne einer Laifizierung der Schule nicht berücksichtigen, sondern unverändert von der Frage der Eignung ausgehen, teils auch verbunden mit der Auffassung, dass für die Eignung neben der Mäßigung in ihrem Verhalten die Bereitschaft der Lehrperson erforderlich ist, im Falle eines konkreten, den Schulfrieden störenden Konflikts das inkriminierte Kleidungsstück abzulegen.

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einleuchtet, wenn man angesichts der nun in größerer Allgemeinheit wirksamen positiven Religionsfreiheit im öffentlichen Raum davon ausgeht, dass auch die Rechte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG Schranken im Sinne eines allgemeinen Gesetzesvorbehaltes unterliegen, die sich aus dem Staatskirchenrecht ergeben – und zwar entgegen der historischen Lage unter Heranziehung von Art. 136 Abs. 1 WRV i. V. m. Art. 140 GG.17 Diese neue Dogmatik contra constitutionem wird verständlich vor dem Wandel hin zu einem allgemeinen Religionsrecht, über ein besonderes Staatskirchenrecht oder ein latent fragwürdiges Sonderverfassungsrecht im Sinne von „Religionsverfassungsrecht“ hinaus.18 Konsequent ist angesichts dieser Entwicklung die zweite Kopftuch-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die 2004 ein kraft Parlamentsvorbehalts dem Spruch aus Karlsruhe gemäß erforderlich gewordenes Landesgesetz gegen den Willen des Landesgesetzgebers verfassungskonform dahin auslegt, dass – trotz der Landesverfassung – keine Religion privilegiert sein dürfe, vielmehr alle Symbole und daher also auch ein muslimisches Symbol aus Pflichtschulen fernzuhalten seien. Das war auch möglich, weil das Gericht zugleich die Erziehungsziele der Landesverfassung säkular und kultur-christlich interpretierte.19 Damit setzt sich nun auch eine Parität durch, die bisher undenkbar schien. Sie ist auch die Grundlage der späteren Entscheidung zur Eigenschaft muslimischer Dachverbände als Religionsgemeinschaften, denen alsdann auch ein Anspruch auf Erteilung von islamischem Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach in öffentlichen Schulen gemäß Art. 7 Abs. 3 GG zustehen kann. Zudem kann eine personale Sicht der Glaubensfreiheit nicht mehr gegen die Organisationsformen ausgespielt werden, die eine Religion hinzunehmen oder zu fordern in der Lage ist.20 Nichts anderes hatte früher gegolten, als es um die Eintragungsfähigkeit als Verein für eine autoritär von oben nach unten organisierte Glaubensgemeinschaft gegangen war.21 Auch hier wäre im Übrigen denkbar gewesen, den Parlamentsvorbehalt als Instrument einer Rückverlagerung der religionspolitischen Verantwortung in die Politik einzusetzen. Man zog die verfassungskonforme Auslegung heran, zumal historische Vorbilder eines regen Vereinslebens aus dem katholischen Bereich seit dem frühen 19. Jahrhundert verfügbar waren. 17

Zuerst Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, 1997, S. 224 ff.; für die Gegenposition u. eine Übersicht Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 4 Rn. 112. 18 Vgl. Goerlich, Glaubens- und Religionsfreiheit in „Zeiten des Multikulturalismus“ in völker-, europa- und verfassungsrechtlicher Sicht – oder vom Staatskirchenrecht zu einem allgemeinen Religionsrecht?, in: Enders/Kahlo (Hrsg.), Toleranz als Ordnungsprinzip, 2007 (i. E.). 19 BVerwGE 121, 140; es erscheint zweifelhaft, ob diese „verfassungskonforme Auslegung“ haltbar ist, zu Maßstäben Voßkuhle, Theorie und Praxis der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen durch Fachgerichte, in: AöR 125 (2005), 177 ff. 20 BVerwGE 123, 49. 21 BVerfGE 83, 341 – Bahai.

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Die Fachgerichte sind fortwährend mit dem Stand der Entwicklung konfrontiert. Das zeigt sich auch in der jüngsten erstinstanzlichen Entscheidung im Fortgang des Kopftuchstreits. Das Verwaltungsgericht Stuttgart legt – ohne formell gebunden zu sein – die Strategie des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde, indem es eine strikte Parität der Religionen postuliert.22 Auf dieser Grundlage rigider Gleichheit erscheint ihm willkürlich i. S. eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn, anders als die im Unterricht in latent christlichen Symbolen auftretenden Lehrpersonen im betreffenden Bundesland, eine muslimische Lehrerin angewiesen wird, im Unterricht kein Kopftuch zu tragen. Dabei grenzt das Gericht rechtsdogmatisch diese Anwendung des Gleichheitssatzes von der sogenannten Gleichheit im Unrecht ab, indem es betont, dass es in Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG um das Verbot schlechthin willkürlichen Verwaltungshandelns gehe.23 Dieser Gedanke ergänzt zugleich die Feststellung, dass keine Diskriminierung des weiblichen Geschlechts wegen eines Bekleidungsverbotes, die mit Art. 14 EMRK nicht vereinbar wäre, vorliegt.24 Eindeutig liegt nach dem Urteil aber eine Diskriminierung aus religiösen Gründen unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG und Art. 14 i. V. m. Art. 9 EMRK vor, würde – neben Kippa und Ordenshabit – nicht auch das Kopftuch zugelassen, wie das die verfassungskonforme Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht ergeben hatte, der sich das VG Stuttgart anschließt.25 Kritisch ist anzumerken, dass sich die Entscheidung dieses Tatsachengerichts damit ganz in der abstrakten normorientierten Ebene aufhält, wie zuvor die Revisionsgerichte und das Bundesverfassungsgericht. Der zugrunde liegende Fall hätte erlaubt, auf eine einzelfallorientierte Ebene unter mehreren Aspekten zurückzukehren, etwa unter dem, dass die nun in Rede stehende Kopfbedeckung keineswegs vergleichbar erscheint mit dem seidenen Kopftuch der Klägerin der bekannten bisheri22 VG Stuttgart, Urt. v. 7.7.2006 – 18 K 3562/05 – abgedruckt in: NVwZ 2006, 1444 ff. (1446). 23 Siehe VG Stuttgart (Anm. 22), a.a.O. unter Berufung auf BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 9.10.2000 – 1 BvR 1627/95 – abgedruckt in: GRUR 2001, 266 ff. (270), mit Bezug auf Rechtsprechung der Senate. 24 EGMR, Urt. v. 15.2.2001 – 42393/98 – abgedruckt in: NJW 2002, 2871 ff. u. VBlBW 2001, 439 ff.; inzwischen ist auch entschieden, dass ein Kopftuchverbot ohne Ausnahme für Studentinnen ebenfalls mit Art. 9 und Art. 14 EMRK vereinbar wäre; den Konventionsstaaten steht hier ein weiter – allerdings durch das Gericht überwachter – Beurteilungsspielraum zu, innerhalb dessen sie entscheiden, ob und unter welchen Grundsätzen solche Verbote erforderlich sind, sofern sie hinreichenden Raum für religiösen Frieden, Toleranz und öffentliche Ordnung in einer Gesellschaft lassen, vgl. EGMR, Urt. v. 10.11.2005 – 44774/ 98 – abgedruckt in: NVwZ 2006, 1389 ff. (1392 f.); dazu Weber, in: DVBl. 2006, 173 f. 25 Siehe BVerwGE 121, 140; diese Interpretation ermöglicht auch, eine mittelbare Diskriminierung zu verneinen i. S. v. Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2000/78/EG des Rates der Europäischen Union vom 27.11. 2000 (ABl. EG L 303/16), die zur Zeit der Entscheidung des VG noch nicht umgesetzt war, es aber inzwischen ist; vgl. Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung v. 14.8. 2006 (BGBl. I S. 1897); darin enthalten das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz v. 14.8. 2006, in Kraft seit 18.8. 2006, zuletzt geändert mit Ges. v. 2.12. 2006 (BGBl. I S. 2742).

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gen Verfahren, die im Südwesten ihren Ausgang genommen hatten. Denn diese Kopfbedeckung der Klägerin aus Bad Cannstatt, einem Teil der Landeshauptstadt, ließ in anderer Eleganz den Hals in Gänze sichtbar und die Ohren nur teilweise bedeckt, so dass sie einen völlig anderen Eindruck als das so genannte muslimische Kopftuch vermittelt.26 Zudem hatte die Klägerin dieses Verfahrens seit Jahren in mehrheitlich nicht christlichen Klassen einer Pflichtschule in einem migrationsgeprägten Teil der Landeshauptstadt mit einer solchen Kopfbedeckung gelehrt, ohne dass es je im Unterricht oder sonst in der Schule zu Konflikten aus diesem Grunde gekommen wäre.27 Eine an der konkreten Gefahrenlage orientierte, auch insoweit differenzierende Einzelfallbetrachtung lag daher umso näher. Dies gilt unbeschadet der Verfahrensstrategien auf Seiten der Klägerinnen.28 Das mag hier aber dahinstehen. Der Fortgang des Verfahrens kann nun – nachdem die Berufung zugelassen ist – ergeben, dass eine einzelfallorientierte Sachverhaltsaufklärung erfolgt. Es kann aber auch dazu kommen, dass der VGH Mannheim an das Bundesverfassungsgericht vorlegt. Wird die landesrechtliche Norm dann von der verfassungskonformen Auslegung gegen die legislatorische Absicht befreit und gehalten, wird sich die Frage der Prüfung des Einzelfalls neu stellen, abgesehen von einem Weg nach Straßburg – und im geeigneten Falle unter Aspekten der europäischen Freizügigkeit oder besser unter schlicht solchen der Unionsbürgerschaft und ihres allgemeinen, von grenzüberschreitenden Tatbeständen nicht mehr eingeengten Diskriminierungsverbots nach 26 Vgl. mit Bild der Klägerin samt einer eleganteren Version einer Kopfbedeckung – wie sie in Schwaben Frauen jedenfalls auf dem Lande traditionell bei der Arbeit tragen u. sie etwa bei Haarausfall oder Hauterkrankungen üblich ist – Stuttgarter Zeitung, Nr. 155 v. 8.7. 2006, 25; auch FAZ, Nr. 156/27D v. 8.7. 2006, 1 f.; diese Presse hat die Differenz zwischen dieser Kopfbedeckung und dem bisherigen muslimischen Kopftuch gesehen, im Urteil des VG Stuttgart ist sie mit keinem Wort erwähnt. 27 Vgl. mit Andeutungen zu einer denkbaren einzelfallorientierten Praxis FAZ, Nr. 171 v. 26.7. 2006, 4. 28 Eine gewisse Strategie schien schon im vorausgegangenen Fall – dem cause célèbre – der Frau Fereschda Ludin erkennbar, einmal, als sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht sich bereit erklärte, das Kopftuch als Halstuch zu tragen, wenn es Konflikte gebe, und zuletzt, als sie darauf verzichtete, nach ihrer zweiten Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht erneut nach Karlsruhe zu gehen, zumal die Begründung ihres nun erreichten Alters nicht überzeugte, da sie im islamischen Privatschulsektor in Berlin beschäftigt war; ebenso war es wohl Strategie, dass derselbe Prozessvertreter einen niedersächsischen Parallelfall am selben Verhandlungstag in Leipzig für erledigt erklärte, weil die im Übrigen ebenfalls makellose Kandidatin für den Schuldienst eine Beschäftigung im öffentlichen Sektor in Österreich am dortigen staatlichen islamischen Institut für die Ausbildung von Religionslehrern habe. Für eine Strategie spricht auch, dass im Jahre 2004 eine deutschtürkische Studentin aus Berlin auf einer auch von einer staatlichen türkischen Rechtsfakultät und unter finanzieller Beteiligung des DAAD veranstalteten Sommerakademie mit einer Kopfbedeckung wie die nunmehrige Klägerin in Stuttgart auftrat, die bei deutschen Kollegen Bedenken auslöste, vom leitenden türkischen Kollegen indes als „Turban“ – also nicht als das an staatlichen Einrichtungen in der Türkei verbotene Kopftuch, das auch Hals und Ohren bedeckt – gedeutet wurde, so dass diese Studentin ohne Verstoß gegen türkisches Recht weiterhin teilnehmen konnte.

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Luxemburg. Das Bundesverfassungsgericht könnte eine solche Vorlage aber auch wegen unzureichender Erheblichkeitsprüfung – im Sinne von Mängeln in der Sachaufklärung des Einzelfalles – für unzulässig halten. Dann wären die Tatsachengerichte sogleich auf eine Einzelfallprüfung verwiesen, deren Ergebnis allerdings zu einer erneuten Vorlage nach Karlsruhe führen könnte. IV. Funktionelle Richtigkeit und Methode Von sehr viel größerem Interesse ist die Leistung der Gerichte im Umgang mit den Säkularisierungs- und Migrationsfolgen einer sich wandelnden Gesellschaft. Sie vollziehen hier nicht nur Verfassungsfortbildung, sondern erfüllen eine Integrationsaufgabe. Oder noch deutlicher: Die Aufgabe einer Integration weiter Teile der Bevölkerung in die Gesellschaft und ihr Recht nehmen die Gerichte wahr, indem sie die normativen Maßstäbe so fortbilden, wie es geboten ist, sollen sie in den Stand versetzt sein, diese Aufgabe zu erfüllen. Dabei reagieren sie auf ein politisches ebenso wie auf ein administratives Versagen. Die Arbeit der Gerichte in dieser Situation weist einen funktionell-rechtlichen und einen methodischen Aspekt auf. Die funktionell-rechtliche Seite tritt offen zu Tage, wenn man an die Rolle des Parlaments in der repräsentativen Demokratie erinnert.29 Hier liegt indes nahe, zunächst auf die Methode ihrer Interpretationen einzugehen. Die richtige Methode verhilft allerdings auch zu funktioneller Richtigkeit. Das zeigt sich deutlich, vergleicht man politisierende Entscheidungsgründe mit solchen, die lege artis abgesetzt sind. Dafür bot sich vor kurzem ein deplorables, aber für den Zweck hier gutes Beispiel in der Kammerjudikatur des Bundesverfassungsgerichts. Nachdem in längerem zeitlichen Abstand zunächst eine Verfassungsbeschwerde zur Ablehnung einer Genehmigung zur Erteilung von familiärem Heimunterricht nicht angenommen worden war,30 entschied der andere Senat des Gerichts gegen die Annahme einer Verfassungsbeschwerde, die eine Verletzung des Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 2 GG durch die strafrechtliche Verfolgung elterlicher Verstöße gegen die Schulpflicht rügte.31 Die zweite Entscheidung quoll in den Gründen über von Aussagen über den Zweck der Schulpflicht, von der Verhinderung von „Parallelgesellschaften“ über die „Wahrung des religiösen Friedens“ hin zur „Teilhabe an demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft“ – und dies vor dem Hintergrund von Toleranz, Neutralität und „Dialog“. Abgesehen von der Problematik des Nichtannahmebeschlusses im Verhältnis zu Senats- oder Plenarentscheidungen, geht mit solchen Begründungsstrategien nicht nur die Distanz von Gericht und Richter verloren, sondern besteht auch die Gefahr, dass sich andere Stellen durch solche Aus29 Sie stützen sich bei Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. 1, 9. Aufl. 2004, S. 93 ff. auf die demokratische Legitimation durch ein Parlamentsgesetz. 30 Vgl. BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 29.3.2003 – 1 BvR 436/03 – abgedruckt in: NVwZ 2003, 1113 f. 31 Vgl. BVerfG, 1. Kammer der 2. Senat, Beschl. v. 31.5.2006 – 2 BvR 1693/04 – abgedruckt in: BayVBl. 2006, 633 ff.

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sagen befugt glauben, die Auswanderung zu empfehlen.32 Der erste Beschluss hatte sich hingegen beschränkt auf eine technisch korrekte juristische Begründung, ohne Weiterungen und Abschweifungen, die die betreffenden Heimschul-Christen jenseits des Rechtlichen besonders verletzen können. Dies zeigt, dass die strenge Methode juristischer Begründung zugleich funktionelle Richtigkeit gewährleisten kann, nicht nur als façon de parler, sondern auch in der Sache. Im Rahmen methodischer Erwägungen kann die Entwicklung der Perspektive eines Religionsrechts in gleicher – und öffentlicher – Freiheit für alle Religionen verstanden werden als der Wandel, der sich im Wege der Verfassungsfortbildung noch in dem Rahmen hält, den die dauerhaften Veränderungen der Gesellschaft im Normbereich auf Seiten des Normprogramms der respektiven Freiheitsgarantien auslösen. Das führt die Gerichte zur normativen Perspektive einer strikten Parität, die sie mit Normativität verbinden und in der Zuordnung von Verfassungssätzen gegen die älteren religionsrechtlichen Lösungen des Staatskirchenrechts und der Landesverfassungen sowie die ihnen folgenden Landesgesetze durchsetzen. Sie versuchen dabei allerdings zugleich, funktionellen Anforderungen zu genügen, indem sie sich mit Hilfe der „Verstärkungswirkung von Grundrechten“, des Parlamentsvorbehalts, einer als zwingend verstandenen verfassungskonformen Auslegung oder des Willkürverbots auf eine funktionelle Ebene zurückziehen, die einerseits viele Fragen einstweilen offen zu halten sucht, andererseits aber doch auch gegen den Vorwurf einer verfassungspolitischen Anmaßung schützt. Dass ein Politikversagen sie dennoch in eine aktive Rolle zwingt, das steht auf einem anderen Blatt. Es ist aber unverkennbar gegenwärtig der Fall. Dabei können angesichts eines „Politikversagens“ Gerichte auch eine gewissermaßen zweite Ebene der Ingerenz wählen, indem sie vermeiden, Rechtsfragen endgültig letztinstanzlich zu entscheiden, so dass die Politik neuen Spielraum und vor allem auch Zeit gewinnt, sich zu orientieren. In dieser Weise dilatorische Entscheidungen sind gerade im Kopftuchstreit zu beobachten. Es steht zu hoffen, dass in diesem Sinne die Dinge hinreichend lange offen bleiben. Da es sich um Lernprozesse zugleich einer Gesellschaft, also nicht nur ihrer politischen Ebene handelt, haben solche Entscheidungsstrategien zugleich einen edukatorischen Effekt, nicht nach innen, in die Instanzen der Gerichte, sondern nach außen, gegenüber der Gesellschaft und ihren Steuerungsebenen. In einem unmittelbar rechtlichen Sinne allerdings ist die „funktionell-rechtliche Richtigkeit“33 des Entscheidungsverhaltens auch der Gerichte – also sowohl im Ausspruch wie auch in den Gründen ihrer Entscheidungen – zu wahren, zumal das Grundgesetz als Verfassung in seiner spezifischen Offenheit auch als zugleich strikt

32 Vgl. den Leserbrief unter der Überschrift „Wem sein Gewissen so wichtig ist“ v. J. Dudek, in: FAZ, Nr. 183 v. 9.8. 2006, S. 6. 33 Vgl. dazu Müller/Christensen (Anm. 29), Rn. 31, 378 f.

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normatives Recht34 vieles in der Tat eben offen hält für Lösungen, die an erster Stelle die Gesetzgebung zu finden hat. Die erforderlichen methodischen Kunstgriffe stehen zur Verfügung, die es den Gerichten ermöglichen, das zu beachten. Die Figur dieser „Richtigkeit“ geht zurück auf Horst Ehmke,35 der sie als Frucht eines Teils seiner verfassungsvergleichenden Studien in die Diskussion eingeführt, andererseits aber die prägnante Formel nicht selbst gebraucht hat. Diese ist als Signalwort für taugliche Metamaßstäbe gegenüber richterlichen Entscheidungsstrategien erhalten geblieben. Gemeint sind Argumentationsfiguren wie „preferred freedoms“, „strict scrutiny“, „judicial self-restraint“, „political question doctrine“ usw., die alle bezogen auf bestimmte typisierbare Situationen des Konflikts zwischen Rechten der Bürger, Grundund Menschenrechten und ihrer richterlichen Durchsetzung einerseits sowie andererseits der Befugnis der Verfassungsorgane, die erforderlichen Gestaltungen, wie wir sagen würden, zur Wahrung anderer Verfassungsgüter, selbst auszuwählen, zu prägen und ins Werk zu setzen. Anders als in den ersten Dekaden der Geltung des Grundgesetzes und angesichts der in sich ruhenden Verfassungsstruktur der Vereinigten Staaten von Amerika36 tritt heute in Europa indes noch Weiteres hinzu, was den Zugriff der Gerichte in der Rechtsentwicklung wesentlich fördert, insbesondere im Rahmen der europäischen Integration, wie sogleich anzudeuten ist. Zunächst ist aber festzuhalten: Die funktionelle Richtigkeit einer strikten Rechtsprechung zur Durchsetzung von Diskriminierungsverboten gehört im Übrigen im Rahmen der Verfassungsvergleichung zum Ertrag der amerikanischen Verfassungsjudikatur der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges, die noch nicht von späteren Zweifeln an ihrem Erfolg gebrochen und von einer gegenläufigen Praxis abgedämpft war. Dabei hat eine solche Judikatur noch mehr für sich, wenn es um Diskriminierungen in der Reichweite auch personal, nicht nur kollektiv geprägter Freiheitsrechte geht, wie die Religionsfreiheit eines ist. V. Preferred Freedoms? Die Rechtsprechung hat in den Vereinigten Staaten versucht, die aktive Rolle, die sie in der Durchsetzung von Grundrechten und insbesondere Diskriminierungsverboten beansprucht hat, zu rechtfertigen. Dabei spielt zunächst die Lehre von den 34 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 22 ff. u. passim. 35 Vgl. Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, in: VVDStRL 20 (1963), 53 ff. (73 f., 132); später verschiedentlich aufgegriffen, vgl. vor allem K. Hesse, Funktionelle Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit (1981), in: ders., Ausgewählte Schriften, hrsgg. v. Häberle u. Hollerbach, 1984, S. 311 ff. (319 f.); u. nochmals ders., Verfassungsrechtsprechung im geschichtlichen Wandel, in: JZ 1995, 265 ff. (273). 36 Dennoch bedarf auch die Verfassungsinterpretation in den Vereinigten Staaten des vergleichenden Verfassungsrechts, dazu demnächst Brinktrine, Rechtsvergleichung als Argumentationsfigur in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Supreme Court der Vereinigten Staaten.

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„preferred freedoms“ eine Rolle, d. h. die Sicht, nach der eine dichte Kontrolle durch die Gerichte besonders dann angezeigt ist, wenn es sich um essentielle, für die demokratische Ordnung unerlässliche Freiheiten handelt.37 Diese Rechtsprechung ist im Übrigen früh vom Bundesverfassungsgericht jedenfalls in ihrem Ansatz rezipiert worden.38 Hinzu kommt die Rechtsprechung, die diesen Ansatz erstreckt auf Fälle der Diskriminierung, so dass eine strikte Kontrolle auch in Fällen der Diskriminierung jeder Art Platz greift.39 Diese Rechtsprechung hat auch die Gleichheitsjudikatur auf dieser Seite des Atlantiks beeinflusst. Das gilt nicht nur für das Verhalten nationaler Gerichte, sondern auch für die Entwicklung der europäischen und der nationalen Gesetzgebung. Schließlich hat auch Deutschland ein allgemeines Antidiskriminierungsrecht auf der Basis europäischer Anforderungen verabschiedet und in Kraft gesetzt.40 VI. Europäische Agenda In Europa tritt nun hinzu: Die europäische Ebene ist schließlich nicht nur wegen jener Anforderungen in der Sache, sondern auch in funktionelle Betrachtungen einzubeziehen. Die in diesem Rahmen gewandelte Rolle der Gerichte mag nämlich hier einen weiteren Hintergrund haben, der nicht zu übersehen ist. Er wird durch das europäische Recht geprägt. Dies gilt unabhängig davon, ob es als Völkerrecht oder mit Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht auftritt.41 Denn jedenfalls das 37 Dazu früher Stalder, „Preferred Freedoms“ – Das Verhältnis der Meinungsfreiheit zu anderen Grundrechten – eine rechtsvergleichende Darstellung der Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court u. des schweizerischen Bundesgerichts, 1977; Klein, Preferred Freedoms-Doktrin und deutsches Verfassungsrecht, in: ders. u. a. (Hrsg.), Grundrechte, soziale Ordnung u. Verfassungsgerichtsbarkeit, FS f. E. Benda zum 70. Geb., 1995, S. 135 ff.; auch zum Wahlrecht Hopt, Die Dritte Gewalt als politischer Faktor, 1969; historisch Gillman, Preferred Freedoms: The Progressive Expansion of State Power and the Rise of the Modern Civil Liberties Jurisprudence, in: 47 Political Research Quarterly 523 f. (1994); aktuell Tushnet, Weak-Form Judicial Review and „Core“ Civil Liberties, in: 41 Harvard Civil Rights Civil Liberties Law Review, 1 f. (2006). 38 BVerfGE 7, 198 (205 ff., 208) mit Zitat aus Palko v. Connecticut, 302 U.S. 319, 327 (1937), Cardozo, J.; zu dieser Entscheidung die Beiträge in: Henne/Riedlinger (Hrsg.), Das Lüth-Urteil aus (rechts)hist. Sicht, 2005; richtig beobachtet nun wohl Rensmann, Wertordnung und Verfassung, 2006, S. 88 f., 140 f. Fn. 588, dass das Gericht die Doktrin, was die Sachaufklärung angeht, nicht wirklich übernommen hat, sie allerdings materiell im Rahmen der Wechselwirkung von Grundrechten und anderen Gütern nutzt. 39 Vgl. mit Bezug auf religiöse Minderheiten die berühmte footnote 4 von Richter Stone im Falle United States v. Carolene Products Co., 304 U.S. 144, 152 – 153 n. 4 (1938); dazu Tribe, American Constitutional Law, 2. Aufl. 1988, S. 1452 u. passim; auch ders., American Constitutional Law, Vol. I, 3. Aufl. 2000, S. 424, 1052, 1282 u. 1362. 40 Vgl. den Nachweis der Gesetzgebung, Anm. 25. 41 Dazu Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. II: Europarecht, 2003, S. 266 ff. für das EU-Recht; hinzu kommt inzwischen verstärkt die Verfassungsvergleichung, neben der konventionskonformen Auslegung im Rahmen der EMRK, zu ersterer Brinktrine (Anm. 36), passim; sowie Rensmann (Anm. 38), S. 310 ff.; sowie inventiv Häberle, Die Rechtsvergleichung im Kraftfeld des Verfassungsstaates, 1992, S. 27 ff.; zur finalitätsorientierten funktio-

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Recht der europäischen Integration ist einerseits in der Sache, insbesondere dank der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit wirksamen Diskriminierungsverboten, geprägt und andererseits dadurch durchsetzungsstark, dass die Gerichte gehalten sind, seine Anwendung sicherzustellen. Dies wandelt latent auch deren funktionelle Stellung, wenn es um Materien geht, die grenzüberschreitend von Bedeutung sind und deren politische Umsetzung verzögert wird. Beides ist in Sachen der Fall, die das Religionsrecht betreffen, man denke nur an die europäische Rechtsprechung zum Lehrpersonal in Schulen und den begleitenden Diskriminierungsschutz, den migrante Arbeitnehmer in der Europäischen Union erhalten. Was die Fallkonstellationen vor Gericht angeht, so ist es ein Leichtes, entsprechende Lagen zu präsentieren, und eine Inländerdiskriminierung kann in religionsrechtlich sensiblen Bereichen kaum hingenommen werden. Zwar hat die europäische Rechtsprechung zur Religionsfreiheit keineswegs die Tendenz, nationales Staatskirchenrecht als solches in Frage zu stellen, aber die Religionsfreiheit – wie sie in den europäischen Konventionen und Erklärungen zu finden ist – bewirkt in dieser Judikatur, dass das jeweilige Staatskirchenrecht immer weniger dazu dienen kann, Unterscheidungen zu rechtfertigen, die diskriminierende Wirkung haben.42 Auch nationale Diskriminierungsverbote besitzen infolgedessen eine ganz andere Strenge als bisher. Daher ist es nicht erstaunlich, wenn Gerichte Diskriminierungsverbote in der Sache heranziehen und dies in einer Weise, die die dritte Gewalt nach bisherigem Verständnis aus ihrer funktionellen Rolle fallen lässt. Das gilt inzwischen selbst dann, wenn Diskriminierungsverbote des Völkervertragsrechts in Rede stehen, die prima vista keinen Anwendungsvorrang besitzen. Denn die harmonisierende Auslegung des europäischen Rechts, gerade soweit Grundrechte betroffen sind, lässt sie – und dies jedenfalls gewiss im Bereich der Gleichheitsrechte – am Durchgriff in das nationale Recht teilhaben. VII. Diskriminierung und Verfahren Das gilt jedenfalls, wenn man die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einwirkung der EMRK auf das Grundgesetz und die Möglichkeiten, Verstöße auf diesem Feld zu rügen, einbezieht. Denn danach steht in solchen Fällen bei Verstößen gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK über Art. 2 Abs. 1 GG die Verfassungsbeschwerde zur Verfügung.43 An religiös bedingte Verhaltensweisen anknüpfende Diskriminierungen sind gleichermaßen erfasst und liegen nicht anders. Hinzu kommt außerdem die Ebene des Rechts der europäischen Integration: Es ist inzwischen unverkennbar, dass hinter dem Kompetenzgehalt des Art. 13 EGVein allnellen Auslegung exemplarisch im Europarecht A. Hesse, Kultur im europäischen Gemeinschaftsrecht u. in der Europäischen Verfassung, in: Stern (Hrsg.), Die Bedeutung des Europäischen Rechts für den nationalen Rundfunk, 2007, S. 29 ff. (32). 42 Dazu zuletzt Söbbecke-Krajewski, Der religionsrechtliche Acquis Communautaire der Europäischen Union, 2006; auch etwa Walter, Religion und Recht der Europäischen Union, in: Zimmermann (Hrsg.), Religion und Internationales Recht, 2006, S. 207 ff. 43 BVerfGE 111, 307 (328 ff.).

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gemeiner Grundsatz des Schutzes vor Diskriminierungen steht, der die Kompetenznorm veranlasst, auf deren Ermächtigung die Antidiskriminierungspolitik der Europäischen Union ruht.44 Hinzu tritt die Umsetzung der Richtlinien in den Mitgliedstaaten, die ihrerseits nicht wiederum auf normativer oder administrativer Ebene in Frage gestellt werden kann. Zweifelhaft könnte nur noch sein, welche Reichweite dieser Diskriminierungsschutz hat. Er könnte vor einer deutschen verbeamteten Lehrerin Halt machen, wenn ihr Beschäftigungsverhältnis außerhalb des Rechtskreises des Rechts der Europäischen Union steht. Dies ist eine Frage der Bereichsausnahme des Art. 39 Abs. 4 EGV. Sie aber ist restriktiv zu interpretieren.45 Daher wäre eine Anwendung der Bereichsausnahme ohne weitere hinzutretende Kriterien, die für streng hoheitliches Handeln sprächen, fragwürdig. Ebenso wenig kann von einer zulässigen Inländerdiskriminierung ausgegangen werden. Denn die Gleichstellungspolitik der Europäischen Union wollte diese Hintertür gerade schließen.46 Auch für Beschäftigung und Beruf im Allgemeinen im Verhältnis zwischen Staat und Bürger sollten Diskriminierungen erfasst sein, so dass selbst auf diesem Gebiet nicht nur eine Verfassungsbeschwerde gemäß der nationalen Rechtsprechung möglich ist, sondern auch eine Vorlage von Amts wegen nach Art. 234 Abs. 2 und 3 EGV.

VIII. Vorlagen in den Grenzen angemessener Auslegung Neben diesem Weg ist die Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz gangbar. Offen ist augenblicklich, ob sie auch gangbar ist wegen Verstoßes gegen Recht und Gesetz im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG, wenn nach Überzeugung des Gerichts gegen Art. 14 EMRK verstoßen wurde, entsprechend der Verfassungsbeschwerde auf der Basis von Art. 2 Abs. 1 GG. Einschlägiger erscheint immer noch Art. 100 Abs. 2 GG, des Verstoßes gegen Völkerrecht und der Unklarheiten in Ansehung von dessen Reichweite wegen. Daneben steht die unter weniger strengen Voraussetzungen mögliche Vorlage gemäß Art. 234 Abs. 2 und 3 EGV, die möglich ist, wenn gegen europäisches Integrationsrecht verstoßen, dieses unzutreffend oder unzureichend umgesetzt wurde. Ein Gericht letzter Instanz hat gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV vorzulegen. Dieser Ge44 Dazu generell die Kommentierung zu Art. 13 EGV v. Epiney, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Aufl. 2002; und insbes. Bouchouaf/Richter, Reichweite und Grenzen des Art. 13 EGV – unmittelbar anwendbares Diskriminierungsverbot oder lediglich Kompetenznorm?, in: JURA 2006, 651 ff.; zu Menschenrechten und Altersdiskriminierung in der EU jetzt spezieller EuGH, U. v. 27.6. 2006 – Rs. C 540/03 – Europ. Parlament ./. Rat der EU, abgedruckt in: JZ 2007, 39 ff. mit Anm. v. Bouchouaf, Britz u. Richter. 45 Dazu die Nachweise bei Brechmann, in: Callies/Ruffert, a.a.O., Rn. 99 ff. zu Art. 39 EGV. 46 Epiney, in: Callies/Ruffert, a.a.O., Rn. 10, 9 zu Art. 13 EGV.

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danke liegt dann nahe, wenn hinter Art. 13 EGV ein allgemeines Diskriminierungsverbot steht, das letztlich an die Unionsbürgerschaft angelehnt ist47 und ausdrücklich auch religionsbezogene Diskriminierung erfasst. Außerdem kommt eine Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK wegen Verstoßes nicht gegen Art. 9 Abs. 1 EMRK, aber gegen Art. 14 EMRK in Betracht. Im Cannstatter „Kopftuch“-Fall, der vielleicht gar keiner ist, da es sich nicht um ein eindeutig als „Kopftuch“ zu deutendes Stück Bedeckung handelt, sind also auch nach einer ersten Entscheidung in Mannheim noch mehrere Wege offen, auch die nach Luxemburg und nach Straßburg. Läge es so, dass nur ein Mäßigungsgebot und eine auf dieses gestützte Verfügung vorläge, so bliebe der Fall wohl ein Fall der Diskriminierung, da Nonnen in Baden-Württemberg in vollem Habit lehren dürfen. Anders wäre es nur, wenn ein laizistisches oder auf die bloß abstrakte Gefahrenlage gestütztes gänzliches Verbot im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts48 vorläge. Dann wäre wohl ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG abzuklären. Unterhalb dieser Schwelle findet sich das Lager, das ein punktuelles Verbot allein für möglich hält. Ein solches Verbot ist auf den Fall der konkreten Gefahr der Störung des Betriebs und des Friedens in der Einrichtung beschränkt. Vor kurzem hat ein Richter des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim in einer Publikation unternommen, die jetzige baden-württembergische Regelung dahin auszulegen.49 Dies scheint indes zu weit zu gehen. Man mag in der Gleichstellung aller Religionen und Weltanschauungen gemäß der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2004 noch einen Akt der Normergänzung sehen. Jedenfalls aber würde eine vollkommene Individualisierung der Praxis der Anwendung der Norm – wie sie dieser Richter vorschlägt – sich gegen die Norm schlechthin wenden, wäre also eine Auslegung contra legem, die – ist sie allein aus Gründen höheren Rechts vertretbar – in Vorlage- oder Vorabentscheidungsverfahren würde münden müssen. IX. Ein liberales Gesetz aus Bayern? Von Interesse ist allerdings, wie sich die Dinge darstellen, wo das Land durch parlamentarisch verabschiedete Normen generalpräventive Verbote ausgesprochen hat. Dies ist in Bayern der Fall. Dort hat vor kurzem der Verfassungsgerichtshof eine derartige Norm für verfassungskonform erklärt.50 Zugleich machte er allerdings interessante Vorbehalte. Das Gericht führt nämlich aus, dass die Überprüfung der Recht47

Zur Bedeutung des Diskriminierungsverbots im Kontext der Unionsbürgerschaft Schönberger, Unionsbürger, 2005, S. 381 ff., allerdings ohne Bezug auf Art. 13 EGV; u. Damm, Menschenwürde, Freiheit, komplexe Gleichheit: Dimensionen grundrechtlichen Gleichheitsschutzes, 2006, S. 559 ff.; vgl. auch die Beobachtung v. Kahl (Anm. 1), S. 589 ff. m.z.N. 48 Vgl. BVerwGE 121, 140 (146 ff.). 49 Vgl. Bader, Gleichbehandlung von Kopftuch und Nonnenhabit, in: NVwZ 2006, 1333 ff. 50 Vgl. BayVerfGH, E. v. 15.1. 2007 – Vf. 11-VII-05.

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mäßigkeit der Vollzugsmaßnahmen in erster Linie Sache der Fachgerichte sei. Damit hält das Gericht die Praxis offen. So soll es etwa in Bayern nach dem Ausscheiden einer Lehrerin mit einem Zeitarbeitsvertrag z. Zt. noch einen Fall geben, der sich dadurch auszeichnet, dass die betreffende muslimische Lehrerin das Kopftuch in der Schule durch einen Hut ersetzt, mithin beide Seiten, die Schulverwaltung und das Lehrpersonal, Spielräume öffnen.51 Die Öffnung in der Praxis ist nicht erstaunlich. Denn die Anwendung der Normen muss ermöglichen, soziale Prozesse der Anpassung in den Normbereich einzubeziehen und das Normprogramm dafür offen zu halten. Ein tieferes Verständnis solcher Vorgänge und der sich daraus ergebenden fortbildenden Interpretation von Rechtssätzen ermöglichen die Arbeiten von Friedrich Müller52 und auch die Theorie der offenen Norm wie die Lehren der Auslegung im Lichte der Verfassung, die sein Lehrer Konrad Hesse vertrat53. Die Offenheit der Normen hat im Übrigen auch geholfen, die Verfassung selbst fortzubilden. So hat sich etwa im hier interessanten Zusammenhang der Weg von einer konfessionell-christlichen bzw. konfessions-christlichen hin zu einer kulturchristlichen Bindung der Schulbildung unter dem Regime der Landesverfassungen vollzogen, über solche Einrichtungen wie die badische Simultan-Schule im deutschen Südwesten. Daher stehen heute kulturelle Grundsätze an der Stelle, an der früher Bekenntnisse standen. Das ist der Hintergrund, weshalb die Simultan-Schule eine geringere Schwelle zu übertreten abverlangt als etwa das obligatorische Schulgebet. Das Schulgebet wird wohl immer Bekenntnisakt bleiben müssen; deswegen wird es einerseits heute nicht mehr gepflegt, andererseits ist es auch verfassungsrechtlich kaum mehr zu halten, weil Minderheiten hier in einer säkularen Welt nach unserem heutigen Verständnis im Kontext eines solchen Gebets nicht hinreichend vor Diskri-

51 Vgl. dazu Rath, Muslimische Lehrerin muss weiter Hut tragen, in: die tageszeitung v. 16.1. 2007, 7; zudem hat diese Seite betont, dass ein Abstellen auf „verständige Betrachter“ bei der Würdigung der Wirkung von Kleidung in der Schule – so der Bayerische Verfassungsgerichtshof zu Art. 59 Abs. 2 Satz 3 und 5 des BayEUG gemäß dem Änderungsgesetz v. 23.11. 2004 (GVBl. S. 443, Nr. 21) – und sicher auch auf verständige Eltern dazu führt, zu sehen, in welchem Maße sich eine Muslima als Lehrerin, die ihre Ausbildung durchlaufen hat, für eine solche Betrachtung noch als Opfer verstehen lässt, wie sie sich in etwaigen Konflikten verhält und welches Entgegenkommen sie erwarten lässt, vgl. ders., „Trotz Gerichtsurteil: Das Bayerische ,Kopftuch-Gesetz‘ ist liberal – Offen für Pluralismus“, a.a.O., S. 11; zu diesem Gesetz vergleichend auch Wißmann, Religiöse Symbole im öffentlichen Dienst – Kritik der Kopftuchrechtsprechung und Kopftuchgesetzgebung, in: ZevKR 52 (2007), 51 (62 ff.); dabei zeigt sich auch die erreichte rechtliche Durchdringung des Dienstverhältnisses wie der Anstalt „Schule“, die nicht mehr erlaubt, die Lehrperson ihrer Grundrechte zu entkleiden – es also mithin nur auf das Maß ihrer Ausübung ankommen kann, grundsätzlich i. Ü. Rottmann, Der Beamte als Staatsbürger, 1981; u. ders., Der Vorbehalt des Gesetzes und die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte, in: EuGRZ 1985, 277 ff. 52 Vgl. präsent jetzt in der oben (Anm. 29) genannten Fassung v. Müller/Christensen; vgl. aber schon Müller, Normstruktur und Normativität, 1966. 53 Vgl. etwa seit der ersten Auflage 1967 K. Hesse (Anm. 34), Rn. 36 ff., 60 ff.

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minierung zu schützen sind.54 Es ist allerdings die Frage, ob kulturell-ethische – bisher betont „abendländisch“ verstandene – Grundsätze, etwa der Gewaltlosigkeit, Solidarität und Toleranz in einer Gesellschaft nicht auch aus anderen Traditionen zu speisen sind, also etwa denen aller drei verschwisterten Schriftreligionen, aber auch denjenigen asiatischer religiöser und philosophischer Traditionen – wenn nicht im Sinne eines wie immer gearteten „Weltethos“, dann jedenfalls aber doch im Sinne einer Erschließung solcher Maximen, die zur Lehre sich eignen und den kultur-christlichen Überlieferungen weithin entsprechen, ähnlich wie heute Gemeinsamkeiten dieser Traditionen als Grundlage universal geltender Menschenrechte sich erschließen lassen.55 Dies würde im vorliegenden Zusammenhang bedeuten, dass nicht nur die Anwendung der Norm im Vollzug, die weithin den Fachgerichten überantwortet ist, sondern auch die verfassungsrechtliche Grundlage dieser Norm sich verändern kann. Dies würde dann auf die Deutung schon des einfachen Rechts, nicht nur des Einzelaktes durchschlagen. Die Grenzlinien würden sich verschieben. Wesentliche Funktion der Norm wäre dann offensichtlicher als jetzt das, was schon jetzt für alle Strömungen in Religion und Weltanschauung gilt: Fundamentalismen sind es, die fernzuhalten sind, nicht Religionen und Weltanschauungen, die selbst sich der Fundamentalismen enthalten, auch wenn sie alle zeitweilig dazu dienten oder dienen, diese zu rechtfertigen. Es geht also um Varianten an sich freiheitsbewehrt lebender Glaubenstraditionen, die in solche Sackgassen geraten sind. Die Vorgehensweise des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes schließt auch eine derartige Entwicklung auf der Ebene der Interpretation der Verfassungsnormen nicht aus. Öffnet sich das, was er „Wertordnung“ nennt, einer solchen Perspektive, so wird eine breitere Basis möglich. Sie könnte nicht nur die schon genannten verschwisterten Schriftreligionen, sondern auch andere als Traditionen einbeziehen, soweit ihre Maximen Näherungen in ihren kulturellen und ethischen Aussagen ergeben.56 Ausgegrenzt bliebe nur ein abweichendes Verhalten, das engere eigene Vorstellungen zum verbindlichen und unausweichlichen Maßstab macht und etwa auch Symbole nutzt, um dies zum Ausdruck zu bringen.

54 Darin liegt der Unterschied zwischen einerseits BVerfGE 41, 29 sowie 41, 65 und andererseits BVerfGE 51, 223. 55 Vgl. dazu die Hinweise bei Goerlich (Anm. 18), i. E. bei und in Fn. 16. 56 In diesem Sinne sucht nun Rensmann (Anm. 38), mit dem Untertitel „Das Grundgesetz im Kontext grenzüberschreitender Konstitutionalisierung“, das „menschenrechtliche Wertsystem“ der internationalen Gemeinschaft der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu unterlegen – ein Unternehmen, das die Steigerung der Universalität von Standards zu Recht zum Ausgangspunkt macht, ohne dass hier auf Folgerungen einzugehen ist, vgl. demnächst aber meine Rezension in JZ; aus einer anderen Perspektive Kotzur, Soziale Gerechtigkeit im Weltmaßstab – Fragen und Herausforderungen an das Völkerrecht, in: Klesczewski/Müller/ Neuhaus (Hrsg.), Die Idee des Sozialstaates, 2006, S. 63 ff.

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X. Schlussbemerkung Die Rechtsprechung hält an der positiven Religionsfreiheit im öffentlichen Raum fest, vermag dies aber nur zu bewerkstelligen, indem sie im Interesse der Integration einer gewandelten Gesellschaft unter einer freien Verfassung von strikter Parität für alle Religionen ausgeht. Damit sucht sie mit der für den judiziellen Prozess typischen und in der Sache gebotenen Zögerlichkeit zu erreichen, was der Politik aufgegeben wäre, diese aber zur Zeit nicht leistet. Für die Methodik und für das Gebiet „Staatskirchenrecht“ ist die gewandelte und europäisch gewendete Rolle der Rechtsprechung von großem Interesse. Die Methodik muss in noch stärkerem Maße als bisher offene Normen zugrunde legen, die in ihrer „Zielführung“ neuen Konflikten gegenüber leistungsfähig sind. Das Staatskirchenrecht muss zwar nicht seine Beseitigung fürchten, aber seine Begleitung durch ein allgemeines europäisches, diskriminierungsfreies „Religionsrecht“ scheint ausgemacht. Daraus ergibt sich aber nicht etwa ein europäisches Staatskirchenrecht, sondern allenfalls eine Europäisierung des jeweiligen „Staatskirchenrechts“. Die funktionelle Stellung der Gerichte im Kontext der europäischen Integration unter diesen Bedingungen hat sich verändert. Diese Veränderung wird fortbestehen, soweit es um Diskriminierungsverbote geht. Mit einer stärkeren Demokratisierung der Europäischen Union wird sie sich indes wieder auf ein angepasstes Maß beschränken. Dies gilt auch, wenn die jeweilige nationale oder regionale Ebene ihre demokratisch unmittelbar begründete Verantwortung in deutlicherem Umfange und rechtlich haltbarer Weise wahrnimmt, um die erforderliche soziale Integration von Minderheiten zu gewährleisten. Sie ist das aufgegebene Ziel, nicht das Kopftuchverbot, das oft nur ein leidiges Instrument einer nur symbolischen Politik ist, die mit diesem Mittel allenfalls die Oberfläche der Dinge streift. Die soziale Integration als allgemeines Ziel einer jeden Gesellschaft um ihrer Stabilität willen ist unabhängig vom europäischen Hintergrund immer etwas, was die Gerichte aufgreifen, folgen sie dieser gewissermaßen natürlichen Tendenz. Dabei sind oft stabilere, gewissermaßen noch bodenständige Gesellschaften zugleich diejenigen, die es leichter haben mit einem derartigen Unterfangen. Aber die Gerichte können bei der Anwendung des Rechts auf alle Fälle in der Aufbereitung des Sachverhaltes und der Konkretisierung der Normen derartige Ziele einbeziehen. Sie werden dies umso mehr tun, je stärker eine populistische Politik die realen Probleme ausblendet. Dann kommt es darauf an, wieder auf die Sachfragen hinzuführen, die es vor allem zu bewältigen gilt. Dabei können sich auch sozialverträgliche und rechtlich tragbare Antworten auf solche meist an der Oberfläche von der Politik aufgeworfenen Fragen ergeben.

Cultural Diversity and National Constitutional Law* [2008/2014]** I. Introduction An ordinary access to the topic of this paper would be looking for those entitlements in national constitutional law which protect minorities. This would end with a step by step interpretation of basic rights and fundamental liberties, of devices against discrimination and in favour of protection of cultural minorities as based on such law. Undoubtedly, there is a considerable debate about group rights, affirmative action and minority protection, especially in the United States of America. However, this approach is not taken up here.1 One of the main problems would be which national constitutional law should be the guiding one for the observations of this topic and hence this paper. Therefore, and on the platform of such an international conference which does not provide for reports from different parts, nations or regions of the world of constitutional government, one has to take up a different perspective. Thus, instead, the following observations deal with substance and status of national constitutional law in times of diverse societies; such societies combine several cultural backgrounds as a permanent feature of their existence in the present day and a global world; a world which, by the way, inevitably leads to such structures of societies. Thus, the future effectiveness of protection by constitutional law might become somewhat clearer. Also, the approach uses historical examples of combined given or newly created societies with the protection by national constitutional law. How cultural diversity can be defined seems to be rather unclear. But, undoubtedly, it requires communication. The mere presence of different cultures in the same place or surrounding does not create cultural diversity. Plurality of cultures does not establish diversity as the bond of a common experience which can be shared. And, as to communication, there is the famous story about the upper chamber of the Austrian * Dieser Beitrag wurde in einer ersten Version auf einer indisch-deutschen Tagung an der West Bengal National University of Juridical Sciences in Kolkata, Indien, im März 2008 vorgetragen. Er wird in Indien im Band dieser Tagung ebenfalls veröffentlicht. ** Zuerst veröffentlicht in: Singh/Kotzur (Hrsg.), Cultural Diversity and Law, 2014, i. E.; das Manuskript wurde indes bereits im Jahr 2008 abgeschlossen. 1 As an example of such studies may be taken Singh, Constitutionalization and Realization of Human Rights in India, in: Ray Kumar et al. (Eds.), Human Rights, Justice & Constitutional Empowerment, New Delhi 2007, p. 26 seqq., as other essays in this volume; as well as some in: Singh et al. (Eds.), Human Rights and Basic Needs, New Delhi 2008.

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Parliament in which each nationality was free to speak in its own language even though they did not understand each other speaking in so many tongues without service for translations – that amused a certain Hitler who therefore liked to visit that house in full session.2 To put it shortly, the underlying assumption is that communication enables to recognize difference and diversity which an open society is able to bear. Also, communication enables to live in tolerance.3 In more complex situations tolerance requires the acceptance of pluralism in law, especially if there are conflicting traditions accompanied by different sets of law, as in formerly colonial territories or territories which have been conquered several times by different invaders; India may be the best example for that, but one finds it in other places too.4 As to national constitutional law as a subject of law this field implies notions of nationhood, nation, nationality and “state” as well as “society”. This is so because constitutional law as national law somehow seems to be connected to these connotations of social organisation. “Society” as such is a structure which does not need the context of “state”, “nation” or even “law”. But normally state and nation are related to a given society. The same is true for law. Only atypical structures are allocated beyond this context. To show this one might remark at the very beginning that this is true in a classical model: Constitutional law in Great Britain is looked at as municipal law within the framework of law in general. Common Law in general again is not the pure product of one given society. Law goes beyond and has its own life. Therefore, devices of constitutional law may be applicable beyond nation and state as general principles without any problem. Also, in the English doctrine the state as such is not a category of public law.5 There are the Crown, King in Parliament, the Houses of Parliament, the 2

Hamann, Hitlers Wien – Lehrjahre eines Diktators, 5th Ed. 2002, p. 172 seqq. See Rottmann, Tolerance as a Category of Law, published in German in: Members of the Law Faculty (Eds.), Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009, p. 551 seqq.; “tolerance” is somehow linked to diversity, see, for instance, Rinken, Worauf stützt sich der Geltungsanspruch modernen Rechts?, in: Stein et al. (Eds.), Souveränität, Recht, Moral. Die Grundlagen der politischen Gemeinschaft, 2007, p. 25 seqq., 32 seq.; also Müller, Einheit der Verfassung und Vielfalt der Kultur, in: Blankenagel et al. (Eds.), Verfassung im Diskurs der Welt – Liber Amicorum für Peter Häberle zum 70. Geburtstag, 2004, p. 17 seqq., 20 seqq.; in general, in German law “Vielfalt” may be translated as “plurality” but also equals “diversity”; “plurality” seems to relate to differences within the same class or species while “diversity” relates to plurality beyond a specific class or category. “Vielfalt” is used in several different contexts of law; it has been the subject of an enquiry, dealing with this diversity in public law, see Leisner-Egensperger, Vielfalt – ein Begriff des Öffentlichen Rechts, 2004; for an international approach in a special area of law see the contributions in: Kohl (Ed.), Vielfalt im Rundfunk, 1997; for a court ruling see BVerfGE 114, 371 (377 seqq.), relating to “plurality” in the channels of cable television in Bavaria. 4 This has created a whole field of research, see for instance, v. Benda-Beckmann, Pluralismus von Recht und Ordnung, in: 1 Behemoth – A Journal on Civilisation 58 seqq. (2008). 5 Becker, Staat und Krone im Vereinigten Königreich, in: Depenheuer et al. (Eds.), Staat im Wort, Festschrift für J. Isensee, 2007, p. 471 seqq., and Brinktrine, Verwaltungsermessen in Deutschland und England, 1998, p. 287, note 62; also as to the term “state” in Europe, see 3

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cabinet, the courts and local government and what else, but there is no state as such.6 And, there are no citizens, but subjects – a legal setting which does imply that there need not to be a “nation” in the sense of continental political doctrine. So, constitutional law might be construed without reference to such schemes of thought. But other countries have defined their constitutional framework in their political and societal cultures with a specific relationship to these schemes. Besides the Westphalian Peace of 1648 and the order based on it7 as well as its tools of creating peace in religious questions there can be found another phenomenon in Britain and other parts of Europe in the early Age of Enlightenment which one might call variations on societal arrangements for religious peace. It has some meaning that several of the great political philosophers of the day had close links with such religious minorities fighting for tolerance. For example, John Locke was somehow linked to the Latitudinarians in England and to the Arminians in the Netherlands, Pierre Bayle was close to the Socinians and Baruch de Spinoza had ties to the Brotherhood of the Collegiants who later on merged with the Mennonites in his home region.8 They all propagated concepts of tolerance assuming that religious zeal could be domesticated and mutual respect for different creeds was possible as much as the respect for each others taboos and rituals. Also, there was the assumption that religious and social rules of respect are possible which takes away the universal claim of such rituals and taboos as they were before. This was based on the fact that religion became a private matter, in its place morals guided the behaviour, thus toleration and tolerance seemed to provide appropriate principles and attitudes towards neighbours and fellow countrymen.9

Zacharias, Verfassungsrechtliche Terminologie und Begrifflichkeit im europäischen Rechtsraum, in: v. Bogdandy/Cruz Vialón/Huber (Eds.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Vol. II, 2008, § 40, ref. 58 seqq., p. 843 seqq.; and recently Möllers, Der vermisste Leviathan – Staatstheorie in der Bundesrepublik, 2008, p. 104 seq. 6 This clearly indicates what scholars state, namely that the concept of “state” like that of “nation” is basically a concept of the human mind and has no equivalent elsewhere, see, for instance, Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1999, p. 18. 7 As to international law this order is considered to vanish, see for instance from popular perspective Jha, The Twilight of the Nation State, New Delhi 2006, p. 225 seqq. 8 Recently there was a conference in Oxford on “Intellectual Consequences of Religious Heterodoxy in Europe 1650 – 1750”, compare the report on that event by Hirsch, Machtwille scharfer Köpfe – In der Vorgeschichte der europäischen Aufklärung nehmen heterodoxe Glaubensrichtungen einen prominenten Platz ein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 71, 26.3. 2008, p. N 3; and finally even Th. Hobbes defended religious toleration, see Skinner, Freiheit und Pflicht. Thomas Hobbes’ politische Theorie, 2008, p. 111 seqq. 9 See the works of Michel de Certeau, recently published in German, in: Zeitsprünge. Forschungen zur Frühen Neuzeit 12 (2008), Heft 1 and 2; thereto the report of Jäger, Wie Frömmigkeit privat wurde. Aufklärung als Ersetzung der Religion durch Moral: Michel de Certeaus Deutung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 83, 9.4. 2008, p. N 3; Koselleck, Kritik und Krise – Zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, 1959.

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Privatizing religion was one of the means to create a stable government; in the classical republican tradition there are other tools as well like separation of powers, rotation in office and some form of representation. So, toleration enabled to cope with religious and cultural diversity. But nowadays stability depends on a broader perception of it. Cultural diversity has to become compatible with requirements of sustainable government, economic policies and lifestyle. Thus, apart from toleration, stability and – as one would say today, sustainability – of a given system of governance is of utmost interest. Under such a perspective not only cultural rights and entitlements – and their limitations – are of relevance.10 In the beginning this seemed to be a topic not only originated but also dealt with mainly by environmental law.11 But in the meantime the debate has reached almost any field of law, including migration of people, integration of immigrants and sustainable concepts of the welfare state.12 This cumulates in the recommendation to enclose “sustainable development” and appropriate procedures to implement it in constitutions by amendment, as to be seen in the Swiss example of the constitution of that federation of 1999.13 All these recent discussions are beyond the scope of this contribution. But they play a major role in the present development. And there cultural diversity has to have its place and always will be part of constitutional governance within nations. II. Models of Allocation and Functions of Constitutional Law Depending on the respective country, national constitutional law was allocated in different perceptions. 1. The western tradition beyond the British Isles linked constitutional law to a nation created by a revolution, might it be in the American or in the French pattern. Actors of that revolution were the later-on citizens of the future republic. On this side of the Atlantic Ocean this led to the concept of a sovereign nation state, whereas on the other side the nation was the result of a melting pot. In both cases the nation is an intellectual product of human mind.14 Cultural identity of the nation was defined 10 For them see out of the German context Britz, Kulturelle Rechte und Verfassung, 2001, especially at p. 174 seqq. 11 See Beaucamp, Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, 2002, “relating to sustainability” p. 241 seqq. 12 See Kahl, Nachhaltigkeit, Migration und Integration, in: Kahl (Ed.), Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 2008, p. 242 seqq.; Glaser, Nachhaltigkeit und Sozialstaat, ibid., p. 620 seqq.; also Kotzur, Der nachhaltige Sozialstaat, in: BayVBl. 2007, p. 257 seqq. 13 Compare Glaser, Nachhaltige Entwicklung und Demokratie, 2006. 14 Anderson, Die Erfindung der Nation, Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, 2005; last edition of the original by the same author under the title “Imagined Communities, Reflections on the Origin and Spread of Nationalism”, 1983.

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by means of a national ideology based on enlightenment and the rule of law, law which was created newly or at least – in the American case – by a reinterpretation of old or ancient law. This concept is under reconsideration in Europe since remarkable minorities of diverse Muslim origins from the Magreb or Turkey have to be integrated especially in France and Germany. In Germany at the same time politics of even ethnical homogeneity have to be reconsidered and abandoned forever, since in Central Europe there always was migration – not only of French Protestants and Polish labourers – and ideas of homogeneity are mere ideology.15 This leads to the following remarks: 2. After the French Revolution and its Napoleonic aftermath academic lawyers in Germany based the principles of law on the “Volksgeist”16. The “Volksheer” in the sense of a community of warriors, that is a “Kampfgemeinschaft”, was the strategic concept of the day in the national mood to get rid of Napoleon’s armies.17 Also, there was the idea of the “Volkscharakter” in the sense of a “national or people’s character”, a creation to flag out a antidemocratic culture with some first racial connotations which was not supposed to be fit for democratic representation, but for a form of representation in feudal order by rank and status18 called “Volkskörper” as the general outline of a corporate world of family, church and guilds as well as beyond.19 It is this conservative and romantic perception of governance which denies any positive notion to modern forms of constitutionalism and looks at its political doctrines as epidemic illnesses.20 Also, out of this conservative ideology comes the famous quotation of Ernst-Wolfgang Böckenförde that constitutions cannot guarantee themselves.21 It is noteworthy though that it stems genuinely from Joseph von Eichendorff, a poet and lawyer with roots in conservative catholic ideas.22 Finally, in 15 This, in the meantime, is a proved fact, see the entries in Bade et al. (Eds.), Encyclopedia Migration in Europe, Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 2007; now, migration might reinforce the relevance of religion, see Hermann, Was macht mobil bei Arbeit, Ort und Ziel?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 67, 19.3. 2008, p. 35. 16 See Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Vol. II: 1800 – 1914, 1992, p. 97. 17 Compare Stolleis, op. cit., p. 118, 138 seq.; also Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997, pp. 176, 193 and – with some critical overtone – 261. 18 See Stolleis, op. cit., p. 151 seq. 19 Compare Stolleis, op. cit., p. 139 seqq., 141, 143. 20 See Stolleis, op. cit., p. 147. 21 Compare, there naming the secular state which cannot guarantee itself, Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation (1967), reprinted in: Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, 1991, p. 92 seqq., 112. 22 First P. Kirchhof, his colleague on the bench and in the class room, has mentioned this, compare Kirchhof, Die postsäkulare Gesellschaft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 127, 3.6. 2004, p. 8; some discussion relating to this in Goerlich, Der Gottesbezug in Verfassungen, in: id. et. al., Verfassung ohne Gottesbezug, 2004, p. 9 seqq., 28, 42, note 83.

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the 19th century the “Volksgemeinschaft” became the basis of political identity and the national conscience which was fed with strange concepts of a never reconcilable difference between the western society and its civilisation on the one hand and the German “Volksgemeinschaft” and its “Kultur”23 on the other. The latter changed towards an ethnic footing of that community which ended in a mix of non-western, antienlightenment and pre-fascist ideology and formed the background of the disaster under Hitler, a disaster which could have been avoided.24 Yet early in the 19th century constitutional law played a minor role because these justifications of law and order were linked to the monarchies in Germany which did not accept the supremacy of constitutional law as a binding set of rules, binding the rulers as much as the ruled. The latter were perceived as subjected at will and limb to the ruler. To counterbalance such archaic ideas of monarchy an abstract concept of the state was invented, a state towards which one had to be loyal as one had pledged allegiance to the monarch as a legal and natural person before. Thus, “the state” gained a role independent of its shape and constitution.25 Of course, there were democrats. And, there definitely were considerable minorities and even for some short time majorities for alternatives; that is a different matter. But in 1848 and afterwards they failed. Apart from that deadend road over a long time a higher justification of these non-enlightened concepts remained in the idea of “Kultur”, a focus of orientation in a good sense, thus creating the basis for a concept of a “Kulturstaat”.26 Here, constitutional law was looked at as a means to implement “Kultur” notwithstanding its functions as means to control the exercise of political power and to enhance freedoms for the citizens. And, earlier, in the 19th century it implied a lot of discipline forced upon the inhabitants like compulsory schooling and considerable drill in the military and in penitentiaries as elsewhere, like in families and in apprenticeships.27

23 See Volkmann, Freiheit und Gemeinschaft, in: Merten/Papier (Eds.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Vol. II, 2006, § 32, ref. 16 seqq.; also Goerlich, “Gemeinschaft” aus der Sicht der Staatsrechtslehre, in: Theodor-Litt-Jahrbuch 3 (2003), p. 67 seqq. 24 Compare Stern, Fünf Deutschland und ein Leben, Erinnerungen, 5th Ed. 2007, p. 259 and passim. 25 This is one of the reasons why German lawyers quite often are oriented towards “the state” and think in that perspective and not – as Austrians do – from the perspective of law, compare Günther, Denken vom Staat her, 2004, p. 29 seqq. 26 These connotations in the meantime have gone with the course of history and the integration of Germany in the concert of constitutionalized politics; see, for instance, the use of “Kultur” in Häberle, Europäische Verfassungslehre, 5th Ed. 2008; and Stern, Kulturstaatlichkeit – ein verfassungsrechtliches Ziel, in: Hufen et al. (Eds.), Verfassungen, Festschrift zum 70. Geburtstag für H.-P. Schneider, 2008, p. 111 seqq. 27 Some hints with a British perspective in that direction: Bisky, Lob der Verwaltung und Zweifel am Schulzwang: Eine Berliner Tagung über Preußen als Kulturstaat, in: Süddeutsche Zeitung, No. 82, 8.4. 2008, p. 15.

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3. In Austria and Hungary the development was somewhat different. The concept of “Volksgemeinschaft” did not work in view of the diverse nationalities. The attempt of making the allegiance to the monarchy the sole basis of identity failed. At least the Hungarians had to get their own monarchy and law. Finally, in 1867 there was the attempt to use law as a means of integrating the nationalities under one supreme concept: the citizens’ rights and freedoms. This came too late though and therefore the fate of the Danube Monarchy was rather clear. It started with the First World War and ended in balkanizing the territories as new nations emerging out of nationalities. After the Second World War the unique situation of an independent movement of resistance under Tito against the German occupation and the delicate balance between East and West led to the creation and existence of Yugoslavia. In Austria Hans Kelsen created and established his theory of law out of this experience in the aftermath of the First World War. This theory deployed a clear concept of the supremacy of the “Grundnorm” and hence constitutional law as part of the hierarchy of law.28 It nowadays still is the basis of Austrian jurisprudence. For the Austrian part of the monarchy the Basic Statute on Citizen’s Rights of 1867 is still in the books,29 even though overruled by the European Convention on Human Rights and Basic Liberties of 1950 and its system of protection by the Court on Human Rights30 in Strasbourg which was enacted in Austria by a constitutionalizing majority. Thus, the Convention became part of the constitution without change of its wording following Austria’s rules on amendments of its constitutional law. Today we have to handle the late effects of these developments, especially in the territory of former Yugoslavia. It becomes very clear that not each nationality can undergo the metamorphosis towards nationhood, but the problems of the region cannot be left to those who have to live with them. So, this reminds us of the pre-war situation of 1914 when Austria attempted to control and pacify the territories while Serbian nationalism and pan-Slavic ideologies proved stronger than the old means of an old governance. 4. A further interesting model of handling diverse religions, nationalities and cultures can be found in the concept of governance of the old Ottoman Empire. 28 On this issue Wiederin, Denken vom Recht her. Über den modus austriacus in der Staatsrechtslehre, in: Die Verwaltung, Beiheft 7 (2007), p. 293 seqq.; this includes an open concept of sovereignty, see Dreier, Hans Kelsens Wissenschaftsprogramm, in: op. cit., p. 81 seqq., 102 seqq. 29 See Funk, Einführung in das Österreichische Verfassungsrecht, 9th Ed., Graz 1996, ref. p. 66 on the Staatsgrundgesetz concerning the rights of the citizens which is still in force. 30 See the Convention of the European Council for the Protection of Human Rights and Basic Liberties of 1950 and respective protocols, reprinted in: Brownlie/Goodwin-Gill (Eds.), Basic Documents on Human Rights, 5th Ed., Indian Edition, New Delhi 2007, p. 609 seqq.

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There the Millet system was established.31 It gave a relative equal share of freedom to each group within the empire under the protection of the Sultan.32 The Sultan had to balance conflicts of interest. Even though Islam did not allow a secular state, it became possible to rule over all groups. Hence, they were kept alive, were not expelled or endangered and could deliver their part to the common good of the whole. In the 19th century this system lost credibility. Nationalism and Constitutionalism arrived at the Bosporus. The Ottoman Sultans were educated and civilized persons, knew the culture of the West and were inclined to reforms. They tried to introduce modern constitutional law without a single nation as basis as it existed in France which was by language, culture and style the model for the Ottomans. The permanent loss of territory, the defeats in several wars and the general decline made this attempt futile. Thus, the “Young Turks” got to the point to construe a modern Turkish nation state within a relatively short period in the last century. Some of them tended to an ethnical basis for that state. Others, and especially those who got the lead, followed the modern concept of citizenship as established in France as part of the republican doctrine without ethnical connotations as the basis of the one nation which was newly expected to emerge. Mustafa Kemal, a pascha of the old regime, “balkan-turkish” by origin and somehow linked to diverse religions, was so successful as a professional soldier and on that basis as a national leader that his concept prevailed in the end. Thus, modern Turkey was to be construed like a western nation, the Millet system had to end and religion had to be put under control by new means. All this could not happen without authoritarian forms of governance since there was no Westphalian Peace as an instrument of settlement of conflicts for the future. Also, the concept of the nation state in the surrounding of the core territory of the former Ottoman Empire had implications which last until today. The populace had to be transformed into a homogenous body of citizens. The tremendous diversity in religion, culture, lifestyle and professional orientation had to be abandoned. First, the Armenians seemed to prove to be illoyal. Hence a justification for their extinction seemed to be around. Second, the Greek minority, also very large in numbers and as successful in life, had to be expelled. The justification was the “civil” war they had undertaken. So, with the burning of Smyrna, now Izmir, up to the pogroms after the Second World War in Istanbul in 1955,33 this part of the population almost vanished. Those who remained started to hide their nationality and converted officially to Sunnite Islam. Third, religious minorities within the Islam such as the Alevites 31 For an overview see Encyclopaedia Britannica, Vol. 28, 15th Ed. 1995, p. 954 seq.; also, Oommen, Nation State, Law and Cultural Diversity: The Persisting Tradition, to be published in the reports of the 2008 conference of NUJS in Kolkata and Leipzig Law Faculty on “Law and Cultural Diversity” which took place in Kolkata in March 2008. 32 Therefore, even nowadays if one goes to an old church in Turkey the sexton or the priest will refer to the sultan who gave the entitlement to build that church as a church, emphasizing the entitlement, not the obligation to obey the laws which went with the Millet system. 33 See, for instance, Mak, Die Brücke von Istanbul, 2007, p. 118 seq.

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and the Suffis had to be forced to fit in a setting of laicism as a tool to control religion. Also, smaller minorities, like the old Syrian Christians lost their coherent settlements in the south. Finally – and as much until today – the Kurds had to be claimed to be “Mountain Turks”, and especially, their languages had to be treated as nonexistent. All this led to a behaviour of hiding one’s origins, of overemphasizing national identity almost up to ethnical implications, even though this is not part of “Kemalism” as the national ideology of the modern state of Turkey. All over politics of taboos were the results.34 Such politics have a considerable impact on cultural identity and national constitutional law.35 On the one hand, the way to a western republic and nation state was established following a famous quotation of Kemal Ataturk by putting the Turks on the track to western culture and not just to the west in a geographical sense by conquering Smyrna out of Anatolia. On the other hand, this nation state pretended to be republican in the sense of a proper footing on one language, one education, one religion, one ideology and finally on one nation, but in no way on nationalities.36 Furthermore, this single nation had to be governed by a constitution of western outfit as to fundamental freedoms and basic liberties. However, this outfit clashed with the world of taboos established. There could be no free speech where identification required from the citizen implied not to speak out about the recent history of and in the country. Who spoke out on such issues had to expect to appear in court for non-Turkish behaviour. Similarly, religious freedom got limited to the worship at home as far as minorities were concerned. Hence, there is a fundamental contradiction being the inbuilt result of the new nation’s creation which so far led to a consid34 There might be legitimate taboos in law, for instance “torture” or “dignity of man”, in western tradition, see Poscher, Die Würde des Menschen ist unantastbar, in: JZ 2004, p. 756 seqq.; and this perspective has been taken up from different points of view, see, for instance, Isensee, Tabu im freiheitlichen Rechtsstaat, 2003; or like other essays in collections on the topic, for some background Haltern, Recht als Tabu? Was Juristen nicht wissen wollen sollten, in: Depenheuer (Ed.), Recht und Tabu, 2003, p. 141 seqq.; and Kluth, Menschenwürde zwischen Naturrecht und Tabu, in: Depenheuer et al. (Eds.), Staat im Wort, Festschrift für J. Isensee, 2007, p. 535 seqq.; but in the text here “taboo” relates to matters of fact or behaviour, facts which are twisted towards denial of truth or behaviour which seems to relate to symbols of unacceptable dissent, based on religious, ethnic or other connotations of such behaviour. 35 See, for instance, Möllers, Pluralität der Kulturen als Herausforderung an das Verfassungsrecht?, and Volkmann, Kulturelles Selbstverständnis als Tabuzone für das Recht?, both in: Dreier/Hilgendorf (Eds.), Kulturelle Identität als Grund und Grenze des Rechts, Report of the German Section of the International Association for Philosophy of Law and Social Philosophy, 2008, p. 223 seqq., 245 seqq. respectively. 36 Definitely there is some change in Turkey, too; for instance, now a private foundation of a successful entrepreneur promotes in cooperation with other mostly international institutions the conservation of the remains of the different cultures in Anatolia, for instance in Kars, Antakya or Canakkale; also it supports the participation of local population and even inmates, see Hermann, Und sie ist doch ein Wert an sich, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 76, 1.4. 2008, p. 38.

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erable default in constitutional theory and practice. Speech, the arts, religions, associations and languages cannot be free where the presence of diverse languages has to be denied, where pure associations appear per se as a threat to the supposed single nation37 and hence to its state, where religious activity is reduced to worship more or less in private and does not imply the freedom to educate the own members and the replacements in church offices within that supposedly laic nation, where art and artists have to avoid the taboos and apparent wounds which caused them and, finally, where statements of fact turn out to be equal to the commitment of a crime. In short, there is a contradiction in the orientation towards western constitutionalism and western nationhood at the same time which cannot be resolved so far. So, necessarily, the remedy must come from outside. This is partly the function of the European Court for Human Rights since Turkey is a signatory of the respective Convention. Also, it is partly the association of Turkey to the European Union which creates another frame for the Turkish minority mainly in Germany. Therefore, negotiations about full membership in the European Union should not be stopped, but stretched over a very long time even if it might take a hundred years of endless talks until Turkey has found its internal peace finally which does not only substitute the equivalent to the peace of 1648, but also leads to an internal peace which allows liberty in public and private life. Putting it another way, as long as society is governed by taboos it cannot emerge towards an open society, and, as long as there is no open society a liberal constitution cannot gain supremacy and hence cannot work. Therefore, diversity as a communicative structure has to be accepted if modern national constitutional law is supposed to work. 5. Lebanon, the small costal state in the eastern Mediterranean Sea, might be an example of different origin in the last century and outcome today. It contained 17 different religious groups and creeds of the three religions of the scripture. And the national pact of 1943 which was arranged as an oral settlement just before the French left the country implied rules for the distribution of offices. It seemed to work till 1975 when a long lasting civil war started. At this point the balance shifted towards a Muslim majority and influence from outside as much as numerous refugees reaching the territory destabilized the pluralism established. Supposedly, the state of Lebanon was a creation of France and to some extent of the British, under the pretence to protect the 37

Compare the ruling of the ECtHR on 27.3. 2008 in the cases of Enim and others v. Greece and Tourkiki Enosi Xanthis and others v. Greece, relating to the ban of Turkish associations in Greece which was declared illegal as such and therefore banned, see Press Release of the Registrar of the Court of 27.3. 2008; similarly, a political party in western constitutionalism can only be banned for actions, especially for violent actions, but not for thoughts or programs as such, a structure which might be remembered in times when the Constitutional Court in Turkey opens proceedings to ban the biggest political party in Parliament for breach of laicism, see statement of European Commissioner Rehn under the headline “Türkischer Systemfehler”, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 75, 31.3. 2008, p. 6. For other aspects of that convention see a hint below footnote 43.

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Christians. The main point in the social life of Lebanon as to our perspective from an Indian platform may be that the different religious groups and creeds in Lebanon never created some common ground. So, while there was and still is western constitutionalism, there is no common footing for a common civic culture. The elite might be educated in the language and patterns of French or in the American culture, it nevertheless remains apart in its original elements identifiable mainly within the terms of religion and communications limited to one’s group of origin. Intermarriage seems to be almost impossible even though it happens. All human relationships end at the line drawn by identification with one’s identity as a member of one of the groups and creeds. So, deeper analysis might show that the idea that diversity requires always communication and exchange might prove correct. How different Lebanese life is seems to be a topic of novels and poetry of writers of this country. Communication remains limited to the old rules. It is unity in diversity which is missing and would imply a common identity. In some sense the taboo which governs in such circumstances is to question the obedience to and compliance with historic group relationships of a given creed in one of the seventeen religious groups. It is impossible to question the group relationship of the individual. The individual is not a citizen, too, but only a member of its group. Religious cohesion does exclude civic loyalty. While society and style of life seems to be of our times, emotions and identity depend on such groups. Individuality does not exist, except in the bondage of life in the context one has been born in and cannot leave. So, the present Lebanon still seems to be on a different track which makes serious journalism reminding of its origins and history.38 This structure does not seem to be part of an incomplete secularism. It seems much more a social structure independent of religious content. Otherwise questions would arise if western constitutionalism with its tradition of secularism is compatible with a rise in religious commitments in modern societies.39 Questions of this kind are discussed in all the different contexts mentioned here. In Turkey, laicism of Kemalist tradition seems to be the only cure, even though this laicism is completely different from the French version under a similar name. The West as a whole sometimes is endangered by a fear of religious thought and commitment which results in timid perception; perceptions which mostly prove wrong if one gets closer to the matter. To get closer in most cases means appropriate communication and information to start with which again shows that cultural diversity requires knowledge of each other. And secularism requires, as far as I can see, a consensus about certain matters, for instance, that public affairs should not be dominated or dealt with under disguise of religious orientations. So, secularism is a product of the philosophy of enlightenment, which 38

See Sarkis, Der Glaube als politischer Faktor. Die orientalischen Christen im Libanon, in: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, No. 81, 8.4. 2008, p. 26; also El Husseini, Die Libanisierung von Libanons Sunniten, in: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, No. 99, 29.4. 2008. p. 6. 39 Secularism is a relevant topic in front of this background, see Srinivasan (Ed.), The Future of Secularism, New Delhi 2007; for further reading see footnote 55 below.

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privatized religion and established thus morals as measures of public behaviour. Morals establish a common ground for social communication and interaction. Thus a civic society is needed to practice it. Where there is no such society the necessary torch for a fire of this kind is missing. Such a civic society has to be an open and free society, not an artificial product of some sort of conformist elite. So, the elite itself of such a secular society has to mirror all the diversity within the frame of the given entity of one nation or community. In this sense there are necessary underpinnings of secularism. They cannot be produced in an artificial process of a national revolution or whatever. They require slow growth of a consensus which this way is bound to be stable and lasting. Such a consensus is the basis of constitutional secularism, too. And in India, it is definitely a relevant topic. 6. India, as another model of constitutionalism is of as much interest for our subject: Since the nation state as a category of politics never reaches the core of India the Indian nation always implied diversity in culture. The exception was the creation of Pakistan by partition which became possible because nation and religion were linked under betrayal of the Muslims in diaspora by the leaders of the Muslim League in a way to create a justification for a separate state. Thus, the “divide et impera” of British Raj which, for instance, had lead to the division of Bengal also created the tools for partition on a religious basis. In the times of the thirties of the last century nationalism started to be linked to religious terms within the Muslim world, combined with a tendency towards authoritarian leadership and suppression of minority cultures. This was taken up and the British accepted it before their departure and India’s independence. Furthermore, the historical experience of India was very different from that of the Turks. The latter were the conquerors, the former was an identity of those conquered by invaders from outside. The conquest did not result in a majority position and dominance on that basis but to control by means of government. The conquered in India were in such a majority that they could dare to integrate the conqueror and some of them accepted that as a policy. Thus India always widened its identity, defeat in conquest was overcome by victories in culture. So, India was enabled to integrate common law, to make it part of Indian legal culture, to maintain respect for cultural differences and, at the end, to use the concept of a written and living constitution as the foundation of an independent India. Hence, India is a creation beyond the nation state. Therefore, its national constitutional law is not linked with homogeneity, not related to a single nation in the western sense nor is a single “society” its footing. There are, of course, considerable problems of implementation. Tolerance is not a cheap currency. Hindu nationalism does exist. Also,

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pogroms do happen.40 Even though this indicates a life on the edge for many people, there is the hope for future constitutional ideals in reality. There is, partly as a heritage of the “Britishers”, too, the Indian elite which does take care of a considerable amount of stability as does an electorate which is able to cast its vote in a way making the big parliamentary parties dependent on minorities. Here, national constitutional law is not national, but considered a part of the universal body of law which does contain diversity in municipal law and uniformity in basic principles likewise without relating this to nationhood, “the state” or its “society”.41 Thus, the identification of one’s own legal culture as part of the common law tradition enables to use universal tools of constitutional law. Thus, constitutional law is not “national”, but universal. It is part of the heritage of mankind, not part of the rule of nations. Even though the constitution is a creation of “We the People of India” and thus names an identity,42 its background makes it in substance embedded in the context of international law and order. Sometimes this can be used to stabilize its internal supremacy by external support. This might not be the problem at present in India. But especially for smaller nation states and their constitutionalism it is quite often necessary for survival of its rule of law by constitutional means. 7. The European Union (EU) talks of and bows to diversity of cultures as indicated by Article 151 of the Treaty of Rome43 in its present form, but on the other hand the Union has considerable difficulties in maintaining it in the way it implements its economic policies. Cultures use “cultural industries”44 to deploy themselves. Therefore, cultural activities might be exposed to economic regulation as well. As a matter of 40

This cannot be neglected, see, for instance, Rothermund, Indien. Aufstieg einer asiatischen Weltmacht, 2008, p. 23 seqq. and passim; also Roy, Listening to Grasshoppers. Genocide, Denial and Celebration, in: www.countercurrents.org, 2008, claiming that pogroms and genocides are always caused by search for “lebensraum”; for indications of a different culture in India, see Kämpchen, Die Erben des verlorenen Landes. Indien konnte bisher seine vielen Ethnien, Religionen und Sprachgruppen zusammenhalten. Jetzt breitet sich eine Kultur der Intoleranz aus, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 71, 26.3. 2008, p. 37. 41 See Goerlich, Verfassung, Recht und Staat im Wandel Indiens seit 1947 – ein Modell in der heutigen globalisierten Welt?, in: v. Hauff (Ed.), Indien, Herausforderungen und Perspektiven, 2009, p. 31 seqq. 42 See also recent publications like Sen, The Constitution of India – Popular Sovereignty and Democratic Tranformations, New Delhi 2007, especially p. 111 seqq. 43 See the Treaty of Rome in its present shape of 25.4. 2005, after the access of Bulgaria and Romania; in the Treaty of Lisbon of 13.12. 2007 (ABl. C 306/1 of 17.12. 2007), this clause is replaced by Article 167 TEU. In this context I do not deal with the European Convention on Human Rights and Basic Liberties, but see for this arena Wiater, Kulturpluralismus als Herausforderung für Rechtstheorie und Rechtspraxis. Eine völkerrechtsdogmatische und ethnologische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2009. 44 Compare Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006.

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principle, however, this does not justify intervention into expressions of cultural identity nor does it allow to intervene into the development of cultures. Also the EU may deal with matters of culture in the sense of promoting it, but this can never result in a transfer of competence in matters of culture itself. And the EU definitely represents to some extent a common European cultural identity, but this common ground is not subject to legal powers of the EU as such, even though the EU may promote selectively matters of common identity in this area. Finally the core functions of national cultural identity cannot be put aside by economic regulation.45 As to culture and nationhood the EU sometimes seems to be in a somewhat disoriented situation. This got clear when former Yugoslavia started dissolving step by step. The EU seemed without policy in that question. Its members started to recognize new states being formed out of it like Croatia and Slovenia. With the recognition of the Kosovo as a sovereign state this process recently seems to come to an end. Here the linkage between state, nationhood and sovereignty in view of cultural difference results in the creation of a future “state” which has to be supported continuously. The case shows that the protector of minorities, large groups and culturally diverse elements must not always be the independent state, but an elaborate system of protection of several cultures in one state. Further, national constitutional law needs to be established which does institutionalize this protection. Quite often though such law alone and on its own can probably not guarantee protection since it will be pushed aside by the internal tensions of and between the different groups within. Therefore, such cases illustrate that there must be some international framework to safeguard the effectiveness of internal constitutional law which is supposed to guarantee cultural diversity. How questionable the policies related to the developments on the former territory of Yugoslavia might be in the last consequence, can be shown if one looks at Belgium as a culturally heavily divided state within the EU. If one side would give up federal policies there and would turn towards secession and independence, the reaction of the EU and its other Member States might be quite different, apart from the fact that unilateral secession is no behaviour accepted as a possible tool of international law. The case of an independent Basque nation organizing itself in a Basque state would also make a good example for the complex but very clear situation which the EU and its members would be forced to handle. Again, the EU probably would prefer a handling which uses national constitutional law and its means of protection for cultural diversity, and this under the control of its European regime of law. Indeed, this would be preferable under worldwide international law, too. Thus, externally, in international settings beyond Europe the EU will appear and be able to defend cultural diversity. At the same time another section of its different departments of administration internally intervenes in matters which clearly have a 45 For an explanation in detail see Kotzur, § 38: Kultur, Forschung, Technologie, in: Schulze/Zuleeg (Eds.), Europarecht. Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2006, p. 1651 seqq., 1660 seqq.; also Kotzur, Die Ziele der Union: Verfassungsidentität und Gemeinschaftsidee, in: DÖV 2005, p. 313 seqq., 321.

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cultural context for economic reasons by means of law of competition or otherwise.46 This contradiction could only be resolved if the administrative structures of the European Commission would promote coordination of decision-making processes with the result of a guiding decision by its President. But this is not the case. Moreover, it clearly is not compatible with the overall binding force of the Convention on Cultural Diversity47 and especially its Article 5 since it is part of the EU and EC law as confirmed by the answer to an inquiry by a member of the European Parliament.48 Thus, European competition law rules cannot be interpreted in a way which leaves no space for the rules of the Convention on Cultural Diversity. Therefore, activities which are part of the national culture of a member state or take part in it cannot be shaped by expectations of laws on economic competition within the Union which might view such activities as business matters. For our purposes this matter must not be spelled out fully. Apart from the character of the Convention on Cultural Diversity as internal EU and EC law the only main issue is that – based on the treaties of the EU and the EC themselves – the EU does by its powers and structure allow cultural diversity within its setting. It is up to the Member States to deal with matters they are in charge of. The European level can only support such activities. So, the several states can be of different cultural identity. The only political or constitutional principles in common – which are a matter of the culture of constitutionalism, of course – are those of democratic order, rule of law and division of powers as well as human rights and basic liberties as Article 6 of the Treaty of the EU49 makes clear. Furthermore, there are indications that the EU claims to launch human rights politics including the protection of minorities and cultural diversity which so far mainly was the field of the Council of Europe on the basis of its Charter of Fundamental Rights of 200050 which is part of the Treaty of Lisbon. This might cause parallel actions and sometimes conflicts of law or politics. Also, the EU has enacted law to protect against discrimination in almost any sphere of life which is somehow related to business. Finally, the Commission has on its agenda programmes promoting the cultures in Europe and the economy of culture, too. However, all these activities have to pay the proper respect to the domain of the Member States in matters of culture as such. 46 See A. Hesse, Culture in European Community Law, to be published in the reports mentioned in footnote 31, above; recent publications allocating powers to safeguard diversity of the media on the European level are not convincing, but see Gounalakis/Zagouras, Publizistische Vielfaltssicherung – eine Aufgabe für Europa?, in: JZ 2008, p. 652 seqq., 659 seqq. 47 Convention on the Protection and Promotion of the Diversity of Cultural Expressions of 20.10. 2005 – CLT-2005/CONVENTION DIVERSITE-CULT REV. –, in force since 18.3. 2007, see for the German version Federal Gazette Part II p. 234 (= BGBl. II, S. 234). 48 Answer of 2.12. 2007, P-5554/2007 by the European Commission. 49 Treaty of the European Union in its present shape of 25.4. 2008; in the respective Treaty of Lisbon it is also to be found in Article 6 of the first treaty (TEU), publication 6655/08 of the Council of the EU. 50 See for the text Brownlie, quoted above note 30, p. 806 seqq.

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III. European Identity, European Integration and National Constitutional Law Even though the EU respects national cultures in their diversity it nevertheless claims an own identity which seems to be related to some portion of culture, one may say, as well. So the first part of the Treaty of Lisbon (Treaty on European Union – TEU) refers in its preamble51 to a common cultural, religious and humanist inheritance of Europe. Article 3 paragraph 3 subsection 4 TEU states as goals of the EU to respect the richness of the cultural and linguistic diversity of the Member States and to ensure the protection and development of the cultural heritage of Europe. Similarly, Article 167 paragraph 1 of the second part of the Treaty of Lisbon (Treaty on the Functioning of the European Union – TFEU) uses the same wording, defining the contribution of the EU slightly different, emphasizing the common heritage of Europe a bit more: “The Union shall contribute to the flowering of the cultures of the Member States, while respecting their national and regional diversity and at the same time bringing the common cultural heritage to the fore.” Furthermore, Article 167 paragraph 2, first dash TFEU talks of the culture and history of the European peoples; and the following dash refers to a – apparently common – cultural heritage of European significance. Also, Article 2 sentence 2 TEU talks of values which are common to all Member States. The set of values is not a static one but implies change and development since human dignity, liberty and equality, human rights and equality between women and men, protection of minorities, pluralism, non-discrimination and tolerance, justice and solidarity as much as democracy, the rule of law are part of it, as the same article mentions them. All this language clearly indicates that there is a common cultural ground besides the diversity of the different cultures. Apparently, this is the basis of European identity, next to the principles which are in consequence of Article 6 paragraph 1 subsection 1 TEU part of that identity, as already now based in Article 6 of the treaty on the EU, in the previous version. On the other hand, Article 167 paragraph 1 TFEU talks of the cultures of the Member States. The preamble of the Charter of Fundamental Rights refers to the diversity of cultures and traditions of the peoples of Europe. Finally, Article 1 subsection 2 TEU talks of the creation of an even closer union among the peoples of Europe which is to be reached by the EU. This union will also get closer to proper implementations of the Articles 2 and 6 TEU. All this language makes clear that there is a European identity even though there remains diversity. As to powers this seems to create some confusion. But this is not so if one interprets the respective clauses dealing with powers in a correct way. This implies, as already mentioned earlier, an interpretation of the treaties in accordance 51 As to the relevance of a preamble, see Häberle, (note 26), p. 284 seqq., 273 seqq. and 490 seq.; and Goerlich, (note 22), p. 17 seq., as to the question if reference to God in the preamble of the German constitution has any binding force.

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with the law under them referring to diversity of cultures. Also, there is no doubt that the EU must claim some identity, but this identity is different from the identities of the different Member States and the identities within them, like the Bavarian, Bask, Breton, Catalan, Danish, Frisian, German, Norman, Scottish, Sorbic, Welsh etc. traditions as cultures imply. This multilevel scale of diversity puts limits on European integration. The “finalité” of Europe is open ended. But, even if there would be an union close to a federal form of government, now and in the very long run, the respect for cultural diversity has to remain unchanged. Otherwise the basis of European integration is taken away and the whole building will fall apart. Respectively, the national constitutional law, which in some regard always is and remains an expression of cultural diversity, has to stay untouched in its core meaning for the identity of the respective nation and its internal mostly diverse structure. This is even more the case if the national culture changes to become multicultural as a result of the relationships to former colonial territories. In this case the national culture is defined by this change, too. National constitutional law has to defend this position. The interpretation to coordinate the different levels of law has to avoid conflicts of them. Never one side can, one may say, win. And as to cultural diversity, the Member States and their law and especially their national constitutional law has to have a stronger say than the European level. The Treaty of Lisbon does not state a principle which defines the relationship between European Union law and national law – including national constitutional law – of the Member States. The Treaty establishing a Constitution for Europe which failed to reach implementation did contain such a clause. Article I-6 of that treaty52 states that: “The constitution and law adopted by the institutions of the Union in exercising competences conferred on it shall have primacy over the law of the Member States.” Now, there was an understanding in the negotiations that European law has to prevail in the manner the Court of Justice of the European Union has spelled out the binding force of that level of law. This will have the same result which was intended by the mentioned clause of the Treaty establishing a Constitution for Europe.53 Thus it remains the task of the courts and the profession to handle problems arising from the possibility of conflicts between the different levels of law. After all, national constitutional law is guided to some extent by EU law which claims supremacy as far as this “higher” law does say something. The supremacy is a somewhat touchy business, but at least in application of law the EU law has to prevail, even if the Member State does not follow the idea of a loss of sovereignty. Also, the Convention on Human Rights and Basic Liberties, i. e. the Strasbourg Convention is viewed at as a partial set of constitutional law on a higher level, even though 52

Publication CIG 86/04 of the Council of the EU. Compare Mayer, Die Rückkehr der Europäischen Verfassung? Ein Leitfaden zum Vertrag von Lissabon, in: ZaöRV 67 (2007), 1141 seqq., 1152 seq. 53

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it ranks in most states under the constitutional law if it is not even part of it. Doctrine and adjudication tend to view that convention as a “living instrument” and all over there is a tendency interpreting national constitutional law in conformity with this instrument. Both ways indicate a loss of weight and relevance of national constitutional law. However, there remains a lot of space for different variations of implementation of the mentioned basic principles. Also, the relevant juridical doctrines are widely deployed in their traditional national way. Therefore, it remains a lot of room for constitutional law and its interpretation on the Member States’ level. IV. National Constitutional Law, Diversity of Cultures and Frames beyond the Nation State Nevertheless, EU law as European constitutional law contains basic principles and rights on which exists consensus, it creates a perspective for constitutional law beyond the nation state and does so with respect for cultural diversity. It might be very doubtful if the EU ever emerges as a federal structure shaped in forms of a new state. Notwithstanding that question it is clear since the last decade of the last century that there is European constitutional law as well as national constitutional law within the EU. So now, as in common law tradition, there is a living body of law of this kind. It should stabilize diversity in the union and thus answer to the affirmative if the issue of this paper ends with a question mark. The relevance of this new field of law does not suffer under the failure to establish a European Constitution. This undertaking went too far and would have required a much more consolidated European identity. Now the Treaty of Lisbon is about to be ratified by the Member States.54 The tools of constitutional law which are “europeanised” are more or less the same. They will not only be around in future but binding elements of a regional legal structure. Nevertheless, their impact on constitutional law in the member states will be diverse. Also, they are part of worldwide legal structures. There are several examples which show that such settings of binding rules of supranational or international law can support proper interpretations of national constitutional law. For instance, Switzerland claims to have established cultural diversity. However, recently a considerable part of its citizens wants to ban the construction of proper mosques all over the country by referendum, even though Switzerland is obliged to allow the construction of such buildings as places of worship if not by its own constitution which might be changed, so at least by regional human rights law. Of course, there can be and is space for considerable margins of appreciation in the context of national interpretations of human rights. But there is a certain level of minimum exercise of such rights which cannot be questioned. Such situations have to be 54

Treaty of Lisbon as quoted above, note 43.

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resolved case by case. So, the headscarf might be dealt with differently in different countries. Free exercise of religion in its elementary form of worship though cannot be exempted from the protection of such an entitlement. There might be doubtful border line cases, so if a leading clergyman in Europe suggests publically implementing some sort of personal law which follows religious rules instead of the uniform law provided in the books for all residents in the whole country. The Archbishop of Canterbury recently made such proposals in favour of Muslim law in Britain. The outburst against that was considerable, even though the respective group de facto follows its own religiously motivated rules.55 Both this fact and the statement of the bishop might be an indication that Britain has undergone considerable change that might result soon in a society being even more diverse and nevertheless national at the same time like the Indian one is. At some point this might also reach continental societies in Europe which embark considerable minorities of Turkish or North-African origin which will not disappear. Apparently higher frames of law beyond the national level provide a means of adjustments to different situations. This leads to a more mobile perspective of legal development. But if one considers it in detail law, including constitutional law, probably always undergoes considerable change. The frame beyond the nation state creates an interchange of interpretations and adjustments. It supports national constitutional law and is open to future developments. This view leaves it to the future if unity in diversity in the EU will finally imply some higher level of integration which almost replaces the members of the union by members in a federal “state”. The old arguments of Immanuel Kant against a worldwide federation as a body politic I do not want to repeat or spell out here.56 I simply 55

For the debate after the public statement of the Archbishop of Canterbury see, for instance, Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 36, 12.2. 2008, p. 5; summarizing Der Spiegel, No. 7, 11.2. 2008, p. 106; if one evaluates the statements of the archbishop one has to take into account also that the Muslim organisations in Britain, on the other hand, refrain from any support for child marriages and similar traditions; recently, Lord Justice Philipps of Worth Matravers in a public speech has confirmed that in contracts parties are free to follow the Sharia as long as the then binding contents is compatible with English law, see Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 155, 5.7. 2008, p. 7: “Oberster Richter: Scharia möglich – Lord Philipps bezieht sich auf zivilrechtliche Verträge”. Such a relationship already seems to be established as to rulings of orthodox Jewish courts; for this and for the personality, the academic role and qualifications of the archbishop see Kinzig, Ein Gottesmann des öffentlichen Worts, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 171, 24.7. 2008, p. 35. Also, such propositions are or have been the law in the Province of Ontario in Canada, and, in the meantime, there is a draft bill on the floor of the House of Commons; in the meantime in Britain tribunals for arbitration in matters of personal law and commercial law seem to be established, which of course do not touch the “ordre public”; for hints of a starting German debate see Gärditz, Säkularität, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, 2010, § 5, p. 153 seqq.; ref. 24, p. 170 seq.; needless to mention here the Indian collections of Bahagava (Ed.), Secularism and its Critics, New Delhi (1998), 9th Ed. 2010, and Srinivasan (Ed.), (footnote 39 above). 56 See, for example, Varden, Diversity and Unity, in: ARSP 34 (2008), p. 1 seqq.

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would say that the purpose of the EU does not imply such a goal on the regional level. It might aim at something very different, new and more fit for a world which creates numerous global networks supporting each other. These networks might be much better protection than the state, the states and several states in a federation. And part of such networks is the EU so far as well. Cultural diversity will be better protected in such a network than in a more unifying federation. And a state in the old European sense would even serve that purpose much less. There are some indications that India as a state in some different sense might be prepared for such undertakings far better than other “regions” in the world.57 This might be of some interest for the European scene, especially since cultural diversity in Europe will increase. This avenue towards such diversity is not a matter of free choice, it comes with globalization accompanied by migration, settlement and integration all over that small continent. This process has just started and will continue for a long time. It does include immigration from all over the world, not just from neighbouring European states or regions. Therefore, the cultural implications are considerable. And the hope for effective restrictions of law and its enforcement against such immigration are quite naïve. The reality of globalization will finally reach those who started it. Apparently European states which for a long time had numerous colonies, like Britain, France and Spain, are the first candidates for such developments. And they might have the experience to deal with it as former colonial powers. At the end – if the EU sticks to its internal principles of human rights and non-discrimination – there will be a pluralism of cultural orientations which will be a stable and continuous phenomenon. It will be protected by rules of non-discrimination, secularism and mainly national constitutional law in day to day life. V. Final Remarks The binding force of national constitutional law might be less guided by strict interpretations in times of such changes which result from the slow establishment of cultural diversity all over the world. This is a result of recent globalization and responding regional integration of states in a higher frame. The support provided by law beyond the nation state is the equivalent to the social change which takes place. The concept of the closed shop of national constitutional law will not be revived for a long time where attempts in that direction are made. On the contrary, the linkage between national constitutional law and “higher” covenants or conventions on human rights and basic principles of constitutional law on the level of regional or universal international law will intensify. Regions having no such convention will slowly get closer to such an instrument as ASEAN does now. Moreover, where these conventions are not accompanied by remedies which make them efficient such instruments will develop over time. Thus, as to cultural diversity national constitutional law with some probability can provide protection. Such protection depends on its own fate though. If a given society 57

This is one of the points behind my paper, quoted above in note 41.

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is governed by taboos and so far not under the rule of law, the effectiveness of national constitutional law as of other law deteriorates as well. This is because the taboos exclude their fields from the use of basic rights, liberties and even powers. If those touching the taboos are considered to act unlawfully there is a perception against which law has no say. This indicates that an open society being prepared to accept deviating opinions, practices and traditions is a necessary requirement for constitutional law which will be implemented. Therefore, the historic point of time matters. Cultural diversity is acceptable if a given society cultivates openness towards difference and deviation. Then, the temptation to act in a suppressive manner will not be successful. The strength of law in general will suffice to protect against such temptations then. This endeavour can be supported by national constitutional law. Even more so, again, the respective national constitutional law has to be endorsed from outside by supportive principles and rules of regional and worldwide patterns and devices of law. They all have their origins in constitutionalism in general, which makes them compatible. Beyond such elements in law, the need for openness in the society which is governed by the respective national constitutional law is a necessary prerequisite for the success of those legal devices in support of cultural diversity. How and why a society lives under untouchable taboos, is another question. It might be caused by the denial of cultural diversity which is there, but not accepted as part of the game. Taboos may be of other origins. Both national constitutional law and cultural diversity do not get along with taboos. However, sometimes taboos might be so strong that diversity and law lose. But the liveliness of human society might emerge again. Then new examples will occur which show that freedom of speech and of the arts do not obey established taboos.

Verfassung, Recht und Staat im Wandel Indiens seit 1947 – ein Modell in der heutigen, globalisierten Welt? [2009]* I. Analyse und erster Zugriff Der erste Teil dient einer – wenngleich dilettantischen und entsprechend oberflächlichen – Analyse der Entwicklung Indiens unter den genannten Stichworten. Indien erscheint aus dieser Sicht als ein defizitäres Modell der Rezeption moderner Staatlichkeit. Über diese Feststellung hinaus scheint das Ergebnis ohne weitere Bedeutung. Es lässt sich aber – wie der zweite Teil erschließt – positiv wenden, wenn man es vor dem Hintergrund der Entwicklung von Recht und Staat in der heutigen globalisierten Welt sieht. 1. Was immer im Sommer 1947 geschah, Indiens Unabhängigkeit beendete nicht den geschichtlichen Wandel des Landes, auch nicht den unter dem – nach westlichen Maßstäben so zu bezeichnenden – Dreigestirn von „Gesellschaft“, „Verfassung“ bzw. „Recht“ und „Staat“; Begriffe, auf die noch einzugehen sein wird. Die besonderen Strukturen, die unter diesem Dreigestirn in Indien anzutreffen sind, faszinieren den Betrachter aus dem Westen. Einige Bemerkungen eines Unkundigen sollen hier dazu dienen, seine Faszination fassbar zu machen und auf diese Weise mitzuteilen. Wissenschaftliche Ansprüche sind damit nicht verbunden, können diese Bemerkungen doch nicht einmal für ein künftiges Forschungsprogramm dienen. Auch beruhen sie nur auf wenigen Gesprächen mit Kollegen in Kolkatta früh im Jahre 2007 sowie auf der jahrelangen Freundschaft mit einem dieser Gesprächspartner, ohne dass die folgenden Erwägungen in den Gesprächen mit ihm schon zu Wort gekommen wären. Am 15. August 1947 wurde Indien in die Unabhängigkeit entlassen. Das junge Gemeinwesen und sein Recht erhielten alsbald – und zwar auch auf Grundlage des Government of India Act von 19351 – eine Bundesverfassung (1950). Sie gilt bis heute und etabliert Indien als säkulare Republik. Sicher lässt sich auch für diese Veränderungen – wie in vielen Fällen – die Beobachtung von Alexis de Tocque*

Zuerst veröffentlicht in: v. Hauff (Hrsg.), Indien – Herausforderungen und Perspektiven, 2009, S. 31 ff. 1 Vgl. dazu Singh (vormals V. N. Shukla), Constitution of India, 10th Ed., New Delhi 2001, Introduction, S. A 13 f.

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ville2 geltend machen, dass die Einschnitte zwischen Ancien Régime und neuer Nation geringer waren, als man zunächst annehmen möchte. Das Land hatte seine Unabhängigkeit über nahezu hundert Jahre erkämpft. Sie wurde in Einsicht in die Verhältnisse gewährt; allerdings verblieb Indien in der – so kann man es vielleicht nennen – Rechtsgemeinschaft des Commonwealth, zunächst ausdrücklich3 und später jedenfalls mit einem Teil der Seele zumindest der im common law bewanderten Juristen des Landes. Die Rezeption dieser Rechtstradition zeigt sich etwa auch gegenwärtig in Pakistan, wo die Amtsenthebung von Richtern bekämpft wird und diese Kämpfe an die Auseinandersetzungen um die Unabsetzbarkeit der Richter, die unverbrüchliche Maßgeblichkeit des common law und die Suprematie des Rechts schon vor der englischen Revolution erinnern. Der Rezeption westlichen Rechts gingen allerdings in der Geschichte des indischen Subkontinents Perioden anderer Fremdherrschaft voraus. Die indische Kultur hat in diesen Herrschaftsperioden jeweils Elemente aus anderen Traditionen aufgenommen; eine kulturelle Leistung, auf die an dieser Stelle nicht vertieft eingegangen werden kann. 2. In der Geschichte Indiens scheinen die westlichen ebenso wie die früheren Eroberer, die über die Pässe im Nordwesten hereinbrachen, die Erfahrung gemacht zu haben, dass es nicht gelingen kann, sich auf diesem Subkontinent vollständig durchzusetzen. Den Eroberern kam es daher oft nur darauf an, das Land in dem Maße zu beherrschen, das erforderlich war, es mehr oder weniger auszubeuten. Entscheidend dafür wurde, die Besteuerung wie die Produktion von Gütern und Werten in den Griff zu bekommen. Deshalb hat sich wohl auch westliches Recht nie vollständig durchgesetzt und wurde – dies die wesentliche These dieser Zeilen – auch nicht wirklich ein Staat im westlichen, zumindest im kontinentaleuropäischen Sinne errichtet. Zunächst haben die muslimischen Eroberer das Land beherrscht, ohne in die vorgefundenen „Gesellschaften“ und ihre Lebensformen über das für die Durchsetzung ihrer Interessen erforderliche Maß hinaus einzugreifen. Demgemäß richteten die neuen Herrscher Besteuerungssysteme zu ihren Gunsten ein und sicherten die Produktion von Gütern, die ihnen nützlich waren. Außerdem beherrschten sie das Land mit Waffengewalt, ließen aber die angetroffenen Strukturen im Übrigen bestehen. Auch die auf dem Seewege erfolgte, kaufmännisch motivierte Ankunft der westlichen Handelskompanien hatte zunächst nur das Interesse der Abenteurer, die in fer2

Vgl. de Tocqueville, Der alte Staat und die Revolution, 1856. Zum Sommer 1947 in Indien und davor immer noch faszinierend Collins/Lapierre, Um Mitternacht die Freiheit, 1976 und früher sowie als Taschenbuch in Indien in immer neuen Auflagen. Für einen Abriss, verbunden mit Einzelanalysen gerade zur jüngeren Geschichte Rothermund, Geschichte Indiens, 2002; umfassend, aber nur aktualisiert Kulke/Rothermund, Geschichte Indiens (2. Aufl. 1998), Sonderausgabe 2006, S. 270 ff., 284 ff. zunächst zum Wechselspiel zwischen indischer Territorialherrschaft und europäischer Seemacht sowie dann zum Kampf um die territoriale Vormacht in der Tiefe Indiens. 3

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nen Ländern wertvolle Güter übernehmen wollten, um sie auf heimischen Märkten gewinnbringend abzusetzen. Erst allmählich entwickelte sich das weitere Interesse an einer verstetigten Präsenz, die den Nutzen der weiten Reisen steigerte und vor allem Häfen, Stapelplätze, Kolonien und dann auch Produktionsweisen sicherte. Dafür wurden gewisse Elemente von Herrschaft notwendig, also etwa eine Befugnis zur Besteuerung sowie eine gewisse militärische Absicherung. Das machte aber nicht erforderlich, die örtlichen Machthaber beiseite zu drängen, denn diese waren alsbald bereit, solche Herrschaftsbefugnisse zu gewähren oder jedenfalls zu teilen. Erst danach setzte das ein, was man in anderen Kolonien entwickelt hatte und sich nun auch hier bewährte, nämlich die indirect rule von britischen Residenten an den Höfen der örtlichen Machthaber und sodann darüber hinaus die Errichtung einer effizienten Verwaltung,4 zunächst in Teilgebieten und später aufs Ganze gerichtet, ohne jedoch die förmliche Souveränität dieser Fürsten anzutasten. 3. Neues Recht kam mit den jeweiligen Eroberern, allerdings ohne das bestehende Recht vollständig zu verdrängen. Unter den muslimischen Herrschern ergab dies eine Vielfalt des Rechts, die der Vielfalt der Kulturen im Land entsprach.5 Mit den westlichen Kompanien trat allmählich das Recht auf, welches sie ihrer Herkunft gemäß für sich beanspruchten. Dies bedeutete wiederum nicht, dass man das Recht, auf das man stieß, völlig beiseite schob. Gerade in der frühen englischen Rechtstheorie des 17. Jahrhunderts zeigte sich dies in einem gewissen Respekt vor anderwärts vorgefundenen, geschriebenen Rechtstraditionen. Im Gegensatz zu Gebieten, die nicht besiedelt waren, denen man eigenes, d. h. englisches Recht auferlegte, sah man es als erforderlich an, fassbar vorhandene, vor allem also geschriebene Rechte besiedelter Gebiete in die Rechtsanwendung einzubeziehen.6 Für die eigenen Untertanen, also etwa die Briten vor Ort, stellte sich die Lage allerdings so dar, dass englisches Recht zu ihren Gunsten Vorrang hatte. Ebenso beließ man aber auch das personale Recht in seinem Rang, das die verschiedenen Kult- oder Religionsgemeinschaften für ihre Mitglieder behaupteten. Infolgedessen konnte sich ein einheitliches Recht nicht durchsetzen. Dies bedeutete, dass die kontinentaleuro4

Zum Ganzen Nagel, Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompanien, 2007; zu den früheren Stadien der portugiesischen Präsenz an der Westküste immer noch Zweig, Magellan (1938), 2003, S. 38 ff. 5 Bascham (Ed.), A. Cultural History of India (1975), 2006; im Übrigen bestätigte die „Key Address“ einer Tagung zu „Law and Cultural Diversity“ in Kolkatta im März 2008 meine Thesen, vgl. insbes. den Eröffnungsvortrag von Oommen, Nation State, Law and Cultural Diversity: The Persisting Contradiction; die Beiträge dieser Tagung werden in einem Band veröffentlicht, der von Kotzur und Singh herausgegeben wird. 6 Vgl. Janssen, Die Übertragung von Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des englischen Kolonialrechts, 2000, S. 56 ff., 66 ff.

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päische Vorstellung von moderner Staatlichkeit mit einheitlichem Recht hier keinen Platz hatte. Diesen Staat hat allerdings die britische Rechtstradition auch für sich selbst nicht genutzt; diese Staatlichkeit galt und gilt vielmehr als eine Geburt kontinentaleuropäischer Vorstellungen, denen man misstraut.7 Zwar hatte sich in England eine Modernisierung des Rechts vollzogen, selbst wenn sie nicht in Kodifikationen mündete, wie sie die Radikalen im Parlamentsheer seit 1647 gefordert hatten. Aber an die Stelle der vom Thron erstrebten absoluten Monarchie trat nicht die „absolute“ Souveränität des Parlaments. Vielmehr wurde das Parlament zum Hort der Souveränität als King in Parliament, um die Monarchie zu bändigen; dies aber führte nicht zu einem Rechtsverständnis und Richterbild, welches das Recht auf Kodifikationen fixierte und den Richter zum bloßen „Rechtsanwendungsapparat“ wandelte. Vielmehr behielt das common law seine Bedeutung, blieben die Richter zur Rechtsfindung befugt und beschränkte sich das souveräne Parlament auf wenige notwendige nationale Gesetze. Das beließ auch die Ortsverwaltung in den Grafschaften und zeigte Sinn für eine mit Laien und professionellen Richtern besetzte, vielschichtige Struktur des Rechtsschutzes und ein entsprechend kombinatorisch angelegtes materielles Recht. So hat sich das englische Recht im 17. Jahrhundert als ein Labor der Möglichkeiten des Rechts, der Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen erwiesen; eben in der Zeit, in der die ersten Kolonien entstanden und die „Ostindische Kompanie“ auf dem indischen Subkontinent endgültig Fuß fasste. So besaßen die Kolonialherren ein differenziertes und differenzierendes Recht. Sie konnten ihre Rechtsvorstellungen einsetzen und zum Teil übertragen, um die Probleme außerhalb des Mutterlandes zu bewältigen. Die Flexibilität der eigenen Tradition eröffnete ein weiteres Feld der Rechtsfortbildung unter anderen als den eigenen Bedingungen. Zur Durchsetzung von differenzierteren Rechtsvorstellungen wurden nicht nur örtliche Gerichte geschaffen, sondern auch ermöglicht, Rekurs zu suchen beim Appeals Committee, später dem Judicial Committee des Privy Council in London. Das Privy Council setzte nicht nur das common law in den Kolonien durch; es ließ zugleich jedenfalls dem fassbaren qualifizierten heimischen Recht einen Ort.8 Das englische Recht wird in Indien bis heute gewiss auch dieser Duldsamkeit wegen immer noch aufgegriffen, hatte man es doch nicht wirklich oktroyiert. Deswegen konnte und kann es bis heute wesentlich als ein Erbstück der britischen Herrschaft gelten, das eine gewisse Aufklärung nach Indien gebracht hat. Denn dieses 7 Siehe dazu Becker, Staat und Krone im Vereinigten Königreich, in: Depenheuer u. a. (Hrsg.), Staat im Wort, Festschrift für J. Isensee, 2007, S. 471 ff.; früher Brinktrine, Verwaltungsermessen in Deutschland und England, 1998, S. 287, Anm. 62; vgl. auch zu den europaweiten Unklarheiten bzgl. des Begriffs vom Staat Zacharias, Verfassungsrechtliche Terminologie und Begrifflichkeit im europäischen Rechtsraum, in: v. Bogdandy/Villalón/Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Offene Staatlichkeit und Wissenschaft vom Verfassungsrecht, Bd. II, 2008 (= IPE II), § 40, Rn. 58 ff. 8 Dazu eingehend Janssen (Anm. 6), S. 4 ff., 42 ff.

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Recht speist sich nicht zuvörderst aus religiösen Traditionen. Es ruht neben seinen Wurzeln in Überlieferungen der lex terrae (nicht nur im Sinne der Magna Charta) auch auf den Argumentationsmustern des Vernunftrechts, die der Renaissance verpflichtet sind.9 Dabei duldet es die kulturelle Vielfalt und setzt sich demgemäß nicht immer mit eigenen materiellen Maßstäben durch. Zudem ist es unverändert anschluss- und anpassungsfähig in seiner Offenheit für örtliche oder gruppenspezifische Besonderheiten. Allerdings setzt dieses Recht – wie zu zeigen ist – einen gewissen Mindeststandard für Verfahren der Rechtsanwendung und auch der Rechtssetzung durch: dies als und unter der Bezeichnung „natural justice“ im Sinne eines „due process of law“. Dabei stehen diese beiden Begriffe für elementare Verfahrensregeln, wie etwa nemo iudex in propria causa, audiatur et altera pars oder justice is to be seen to be done und das right to fairness, insbesondere to fair notice and hearing sowie in der Regel to obtain reasons und insbesondere Regeln gegen Diskriminierung sowie gegen Voreingenommenheit und Willkür – rules against bias.10 Diese Rechtsmaximen gelten in der angelsächsischen Tradition in allen rechtsförmigen Verfahren, seien sie von administrativer oder juridischer Qualität.11 Damit besitzt Indien heute eine Rechtskultur, die weithin den Staaten des britischen Commonwealth als Ausdruck dieser weltweit gestreuten Kultur seit der Zeit der britischen Expansion über die Meere und im früheren vielschichtigen Kolonialreich gemeinsam ist. Sie ist passfähig für moderne Vernetzungen in einer globalen Welt, ohne indes seine Eigenheiten, seine Vielfalt und damit seine grundlegenden Strukturen aufgeben zu müssen. Dabei kommt es heute nicht mehr darauf an, ob man dem Commonwealth noch förmlich angehört. Dieser Kultur ist bis heute auch die Verfassung Indiens verpflichtet. Sie kennt die Klammer ihrer grundlegenden Struktur als säkulare demokratische Republik. Zwar brachte das frühere Verständnis dieser Republik als sozialistisch die Hoffnung auf größere nationale Homogenität, eine entsprechend durchgreifende, zumindest uniforme Gesetzgebung und damit auf eine im Staat verankerte „eine“ Nation mit sich. Dies hat sich indes bekanntlich über die Jahre als ein tragendes Verständnis unter anderen nicht bewahren lassen. Die Vielfalt der Rechtsvorstellungen und ihre Kulturen, die dezentralen Formen des Wirtschaftens und die Stärkung der örtlichen Gemeinschaft, um nur einige Aspekte zu nennen, haben sich durchgesetzt. 9 Insofern entstand es, als das Gemeinwesen zum Konstrukt des intellektuellen Diskurses wurde und nicht mehr als Produkt göttlichen Rechts erschien; auf dem europäischen Kontinent dafür jetzt Zwierlein, Discorso und Lex Dei. Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland, 2006. 10 Vgl. dazu Brinktrine, Verwaltungsermessen (Anm. 7), S. 304 f., 346 f., 409 f., 499 u. passim. 11 Hierzu wiederum Brinktrine, Verwaltungsermessen (Anm. 7), S. 303 ff.; neben diesen Grundsätzen muss man aber daneben hervorheben, dass das common law auch mit seiner Betonung des Eigentums als abstrakter Rechtsfigur die Stellung des Gläubigers und nicht die des Schuldners stärkte, was die Pächter und Kleinbauern gefährdete, vgl. Wende, Das Britische Empire, Geschichte eines Weltreichs, 2008, S. 160.

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4. „Staat“ im westlich-kontinentaleuropäischen Sinne kann man allerdings mit solcher Vielfalt schwerlich machen. Staat meint hier die öffentliche Gewalt, die sich durchsetzt gegen alle religiös-kulturellen, sozialen oder sonstigen Unterschiede. Staat ist so zugleich eine Agentur, die in erheblichem Umfang Homogenität einfordert. Dabei kommt im Übrigen Staatlichkeit dieser Art nicht ohne Rekurs auf eine Nation aus, diese verstanden als ein soziokulturelles Artefakt, das den Staat rechtfertigt,12 aber gerade in Indien nicht rechtfertigen muss.13 In Indien spielte und spielt eine Rolle, dass man dem Staat zuerst in Gestalt des britischen Kolonialstaates begegnete, der schwerlich seine Grundlage in der indischen Nation haben konnte.14 Zwar erinnert auch die Idee Indiens15 an die Nation, aber ein „Staat“ auf Basis der indischen Nation war weder vor 1947 das britische Kolonialprogramm, noch erscheint das westliche Verhältnis zwischen Staat und Nation heute als ein indisches Konzept, das den „Staat“ trägt. Gewiss, „Staat“ war nicht nur gelegentlich präsent, etwa in der indischen Armee unter britischem Befehl, was 1857 zu dem bekannten Konflikt mit religiösen Verboten führte, als Patronenhülsen mit tierischem Fett geschmiert waren, das einem Verzehrverbot unterlag. „Staat“ war auch latent präsent im in den einzelnen Provinzen, also gerade nicht in einer zentralen Bürokratie wurzelnden Indian Civil Service der britischen Herrschaft, eben zunächst im britischen Kolonialstaat – unbeschadet dessen, dass die Kategorie „Staat“ im englischen Recht keinen Platz hatte.16 Aber sobald in diesem Sinne „Staat“ gemacht wurde, schien die indische Gesellschaft in Frage gestellt und es kam zu ersten Erhebungen, etwa früh in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Armeegarnisonen und darüber hinaus im ganzen Land. Dabei ist die indische Gesellschaft ihrerseits nicht so homogen, wie es ein westlicher Staat einzufordern geneigt ist. Gesellschaft meint dabei das Substrat der politischen Ordnung. Dieses Substrat ist in Indien geprägt von Vielfalt, religiösen, kulturellen, historischen und oft kaum überbrückbaren Differenzen, die auf Dauer zu überwinden weder der Einzelne noch soziale Gruppen und gewiss nicht der „Staat“ in der Lage sind. Dem Staat schien dies nach 1947 aufgegeben, aber die religiös-kulturelle Vielfalt der Gesellschaft war ersichtlich stärker als dieser Staat, auch als er sich als sozialistischer Staat verstand. 12 Siehe Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines erfolgreichen Konzepts, 1983, 2. Aufl. 1996. 13 Zu Gandhis Kampf gegen den „Staat“ unter Berufung auf die „Nation“ vgl. Imhasly, Abschied von Gandhi?, 2006, S. 246 f.; zum indischen Begriff von Nation allgemeiner Rothermund, INDIEN. Aufstieg einer asiatischen Weltmacht, 2008, S. 14 ff. 14 Vgl. dazu Conrad, Gandhi und der Begriff des Politischen, in: Conrad-Lütt (Hrsg.), Staat, Religion und Gewalt, 2006, S. 34 ff. 15 Insbesondere Khilnani, The Idea of India (1997), New Delhi 1999, Reprint with new introduction 2004. 16 Siehe zur Struktur des Indian Civil Service Kulke/Rothermund (Anm. 3), S. 314 f., 322 ff.; zum „Staat“ im Recht Brinktrine, Verwaltungsermessen (Anm. 7).

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Man kann sich angesichts des Scheiterns der Durchsetzung säkularer Staatlichkeit vor allem in zentral gesteuerten sozialistischen Formen fragen, ob es in Indien überhaupt einen modernen Staat je gegeben hat und heute gibt. Schon in den ersten Tagen der Unabhängigkeit ist dieser Staat nicht angekommen, blieb es doch beim religiös motivierten, sehr unterschiedlichen Familien- und Erbrecht. Dabei erwies sich, dass die Kraft der neuen Nation nicht über die Kräfte ihrer Geschichte gewann. Die politische Führung hat diese Niederlage als solche empfunden. Bis heute ist diese Kraft aber das, was sie wurde: ein Charakteristikum der indischen Rechtsstrukturen. Unter dieser Rechtskultur mag es in Segmenten des öffentlichen Handelns „Staat“ in durchaus deutlichen Formen geben. Sie mögen sich aus der britischen Herrschaft in Polizei und Armee als Elemente einer effektiven Herrschaftsausübung erhalten haben. Auch können mit dem Rang Indiens als Großmacht neue Formen der Präsenz von Staatlichkeit hinzukommen. Aber dennoch setzt dieser „Staat“ sich nach innen nicht durch. Die „Gesellschaft“ – in unserem Vokabular gesprochen – erweist sich hier als eigenständig, bietet dem „Staat“ ihre breite, vielfältige und durchfurchte Stirn und der „Staat“ bescheidet sich mit seiner tradierten Rolle fragmentarischer Herrschaft, die er in Wahrheit auch während der Kolonialherrschaft selbst dort nicht verlassen hat, wo er mit aller Brutalität der Moderne aufgetreten ist. Im Übrigen, dies nur am Rande, zeigt dieses Beispiel, dass eher eine Theorie der Herrschaftsformen als eine Theorie des Staates veranlasst ist, will man den heutigen Phänomenen außerhalb Europas, aber auch hier, zumal im Lichte der europäischen Integration, gerecht werden.17 Dafür bietet Indien rege Anschauung – mehr als Bücher vom Staat oder der Republik. Neue Herrschaftsformen erleichtern u. U. auch, die Integrität von Staaten zu erhalten, deren innere Vielfalt die Gefahr der Sezession in sich birgt. Dabei zeigt sich, dass heute jeder „Staat“ in seinem inneren Zustand zugleich spiegelt, wie sehr er des Regimes des Völkerrechts bedarf. Die leidvolle Erfahrung der Teilung Indiens, verbunden mit der Entstehung Pakistans, ist dazu eine traumatische Erfahrung auf diesem Subkontinent. 5. Jedenfalls in Indien sucht der „Staat“ nicht, sich immer durchzusetzen. So bleibt die Frage nach dem Recht. Recht meint hier nicht nur das geschriebene Recht des Westens oder anderer Rechtskreise.18 Es meint auch Gebräuche und Übungen, deren Einhaltung durch Sanktionen auch sozialer Art erzwingbar erscheint. Daher ist Recht nicht auf statuarisches oder juridisch aufgefundenes Recht beschränkt. 17 Dazu Lepsius, Braucht das Verfassungsrecht eine Theorie des Staates? Eine deutsche Perspektive: Von der Staatstheorie zur Theorie der Herrschaftsformen, in: EuGRZ 2004, 370 ff., 378 ff. 18 Hierzu Setalvad, Common Law in India, London 1960, S. 6, wonach aufgrund einer Charter von König Charles II. die Ostindische Kompanie Recht setzen konnte, sofern und soweit es „consonant to reason and not repugnant or contrary to & as near as may be agreeable to the English Law” sein würde.

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Es kann auch bloßer Rechtsbrauch sein. Das gilt besonders für Traditionen eines Ortsrechts. Dabei liegt eine Besonderheit darin, dass die Akteure der verfassungsgemäßen öffentlichen Ordnung, insbesondere Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit, hinnehmen, dass die Ortstraditionen sich erhalten, ja sie diese respektieren.19 Die common-law-Gerichte im Lande sind neben der Demokratie Teil des britischen Erbes. Sie sind aber ersichtlich nicht die einzigen „Schlichtungsinstanzen“. Schon die geringe Zahl der professionellen common-law-Richter – auf eine Million Inder kommt ein solcher Richter – zeigt, dass weitere Instanzen erforderlich sind. Rechtsdurchsetzung erfolgt mithin nicht nur mit Hilfe solcher Richter und ihrer Gerichtsbarkeit.20 Sie bedient sich auch des Ortsrechts und der Ortsgerichtsbarkeit, insbesondere auf dem Lande. Dabei scheinen die elementaren Sicherungen eines fairen Verfahrens in der Praxis offenbar des Öfteren in Gefahr, zumal eine Tradition des Bakschisch und der Handsalben ungebrochen fortzubestehen scheint. Gewiss liegt die Zukunft Indiens wohl immer noch in den Händen seiner Bauern,21 die sehr viel leisten; aber auch sie werden sicher gewisse Rechtsstandards erwarten.22 Dabei können auf dem Lande auch die Ortsräte für die Streitschlichtung eine erhebliche Rolle spielen. Ihre administrativen Funktionen erscheinen um richterliche, jedenfalls schiedsrichterliche Aufgaben vermehrt. In diesem Zusammenhang steht die Erweiterung der Zuständigkeiten der lokalen Ebene, wie sie eine Verfassungsän19 Die Rückbindung an das Dorf und seine demokratische Grundstruktur ist Teil der indischen Tradition, nicht erst seit Gandhi, vgl. Sen, The Constitution of India. Popular Sovereignty and Democratic Transformations, New Delhi 2007, S. 111 ff.; für eine empirische Analyse zum demokratischen Traum siehe Reddy, A Rising Tide of Demands: India’s Public Institutions and the Democratic Revolution, in: Kapur/Mehta (Eds.), Public Institutions in India. Performance and Design, New Delhi 2005, Reprint 2007, S. 457 ff. 20 Die Einrichtung säkularer Gerichte, die weder common-law-Gerichte noch Gerichte einer Glaubensgemeinschaft sind, reicht in die Zeit vor der britischen Landnahme zurück. Die Briten haben sie dann schon im 18. Jahrhundert genutzt, um säkulare Gerichte dieser Art unter ihrer Regie einzurichten, vgl. Kulke/Rothermund (Anm. 3), S. 307 f.; zugleich gab es immer wieder Versuche, durch Kodifikationen die Rechtsentwicklung zu steuern: ab 1861 bestanden dann aber drei Obergerichte in Kalkutta, Madras und Bombay, die der common-law-Tradition frönten und den Kodifikationseifer des Indian Civil Service, der über Mandate im Wege der Verleihung durch den Vizekönig auch die Gesetzgebung beherrschte, insoweit bändigten, a.a.O., S. 321; nur im Rechtswesen hatten Inder Zugang und konnten aufsteigen, nicht im höheren Verwaltungsdienst, im Offizierskorps oder im Management der Eisenbahnen, a.a.O., S. 327 f.; daher wohl die Akzeptanz des common law bis heute. 21 So Hein, Indiens Schicksal liegt in den Händen der Bauern, in: FAZ, Nr. 102 v. 3.5. 2007, 11; zu den Bauern auch sehr aufschlussreich Rothermund (Anm. 13), S. 19 ff. 22 Allerdings scheint sich doch allmählich eine gewisse Widerständigkeit rechtlich niederzuschlagen, vgl. Eckert, From Subjects to Citizens: Legalism from below and the homogenization of the Legal Sphere, in: v. Benda-Beckmann (Ed.), Dynamics of Plural Legal Orders, Special Issue of G. R. Woodman (Editor in Chief) The Journal of Legal Pluralism and Unofficial Law, No. 53/54 (2006), 45 ff.; und auch Pande, Re-Orienting the ,Rights‘ Discourse to Basic Human Needs, in: Singh et. al. (Eds.), Human Rights and Basic Needs. Theory and Practice, New Delhi 2008, S. 149 ff., 166 ff.; den Ansatz hat dieser Autor mit seinem Beitrag auf der in Anm. 5 genannten Konferenz in Kolkatta fortgeführt.

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derung jedenfalls für ländliche Regionen Anfang der 1990er Jahre gebracht hat.23 Damit wurde nicht nur eine demokratische Legitimation der örtlichen Ebene konkretisiert und verbreitert; es wurde auch eine gewisse Autokratie der Ortsprominenz möglich, die in den Ortsräten nicht nur im Hintergrund, sondern auch aufgrund allgemeiner Wahlen in Erscheinung tritt. In den Städten findet sich jedenfalls für die partizipatorische Seite dieser Neuerung keine ausreichende Entsprechung. Im ländlichen Lebensraum verbindet sich mit diesen Strukturen die Gefahr der Verweigerung von Rechtsschutz, die Gefährdung des Zugangs zu Gericht und die Latenz unfairer Verfahrenspraktiken auf örtlicher Ebene, über die man aus mancherlei Gründen nicht hinaus kommt. Entscheidend wäre aber gerade auch auf dieser Ebene die Sicherung angemessenen Verfahrens und fairer Rechtsgewähr im Sinne eines due process.24 Insoweit müssten die common-law-Gerichte in Stand gesetzt sein, die „Ortsgerichtsbarkeit“ zu überwachen. Es muss bezweifelt werden, dass dies heute möglich ist, zumal nicht nur soziale Sanktionen und finanzielle Hürden entgegenstehen, sondern auch die schlichte Überlastung dieser Gerichte, wäre der Zugang zu ihnen wirklich eröffnet. Damit stellt sich die Frage der Effizienz der Justiz überhaupt. 6. Die nationale Verfassung des Landes muss ihrem Anspruch nach das Recht des Landes und die in ihm in großer Unterschiedlichkeit repräsentierten Rechtstraditionen auf eine gemeinsame Grundlage zurückführen, diese Grundlage durchsetzen und zugleich so einstellen, dass sich die bestehenden Rechts- und Sozialstrukturen erhalten. Sie schafft auf diese Weise Einheit in Vielfalt.25 Die indische Bundesverfassung trat 1950 in Kraft und tastete das bisherige Recht, auch das common law und das personale Recht der Hindus und Moslems nicht an – wobei weitere religiöse Gruppen, etwa die Sikhs, die „Parsi“ und die „Jains“ systemwidrig mit in der erstgenannten Gruppe erfasst sind; künftiges nationales Recht sollte dies im Sinne eines einheitli23 Vgl. Part IX, Art. 243 ff. der Indischen Bundesverfassung i. d. F. des 73. verfassungsändernden Gesetzes aus dem Jahre 1992, Text in Singh (vormals V. N. Shukla) (Anm. 1); zu diesem Amendment kritisch Imhasly (Anm. 13), S. 221 f., der insbes. auf die Bewegung hinweist, entsprechende Elemente örtlicher Beteiligung auch in den Städten einzuführen; ein Ziel, das die Einfügung von Part IX-A in die Bundesverfassung auf nationaler Ebene erreicht haben mag. Zu diesen Bestimmungen gehört auch, dass innerhalb der Bundesstaaten Hoheitsbefugnisse auf regionale Räte von Minderheiten übertragen werden können, sodass es etwa in Darjeeling ein „Gurkha Council“ mit solchen Befugnissen gibt. Dazu, dass hier auch ein Hintergrund einer Kultur der Intoleranz eine Rolle spielen mag, welche die Einheit in Vielfalt in Indien gefährdet, bis hin zu weiteren neuen Gliedstaaten in der Union, aber auch hin zur Gewalt vgl. Kämpchen, Die Erben des verlorenen Landes, in: FAZ, Nr. 71 v. 26.3. 2008, 37. 24 Vgl. dazu etwa Mehta, India’s Judiciary: Promise of Uncertainty, in: Kapur/ders. (Eds.), Public Institutions in India etc. (Anm. 19), S. 158 ff., 160 ff. 25 Für eine Übersicht Singh/Deva, The Constitution of India: Symbol of Unity in Diversity, in: JöR 53 (n. F.) (2005), 649 ff.

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chen bürgerlichen Gesetzbuches für alle Staatsbürger Indiens ändern. Dafür besteht noch immer die Zuständigkeit der Gesetzgebung auf nationaler Ebene. Geschieht nichts oder erfolgt nur eine Teilregelung, so hat es damit sein Bewenden.26 Das bürgerliche Gesetzbuch war beabsichtigt, ist aber bis heute entgegen Art. 44 der Bundesverfassung nicht erlassen worden. Trotz des Kampfes insbesondere von Dr. B. R. Ambedkar und Jawaharlal Nehru darum,27 ist es nicht mehr zu erwarten. In ähnlicher Weise sind tradierte Zustände aus britischer Zeit erhalten geblieben; so fehlt bis heute – unbeschadet der Möglichkeit, bei der Ortsverwaltung eine Geburt anzuzeigen – ein effektives Geburtenregister und es gibt kein einheitliches Grundbuch, das die Eigentumsverhältnisse ausweist. Beides erachtet man offenbar nicht als dringlich und teils als zu teuer. Heute leistet die indische Bundesverfassung aber das jetzt Mögliche in erstaunlicher Weise. Die Gerichtsbarkeit insbesondere des Supreme Court of India gewährleistet ihre Verwirklichung trotz zahlloser Mängel der Praxis der Politik und Verwaltung. Auch hat diese Gerichtsbarkeit teil nicht nur an den Gemeinsamkeiten der Länder des common-law-Kreises, sondern steht auch in der Tradition der Verfassungsgerichtsbarkeit als Institution. Richterlichem Aktivismus sind mehr Möglichkeiten eröffnet als anderswo, bedarf der Supreme Court doch keines Antrags, um tätig zu werden, denn er kann suo moto – von Amts wegen, sozusagen aus eigenem Antrieb – Verfahren eröffnen und entscheiden. Dass diesem Aktivismus schon angesichts der Größe des Landes, der begrenzten Kapazität der Richterbank wie des einzelnen Richters und auch der Grenzen des Informationsflusses im Lande deutliche Schranken gesetzt sind, das steht auf einem anderen Blatt. Teil der gemeinsamen Grundlage allen Rechts in Indien sind aber zweifellos angemessene Verfahrensregeln, die das Stichwort „natural justice“ zusammenfasst, wiewohl sie im Einzelfall oft nicht zur Anwendung kommen. Sie enthalten die Essenz angelsächsischer, Indien mit dem britischen Erbe vermachter Rechtskultur, die das Land in sich aufgenommen hat und nicht in Frage stellt. Dieses Fundament ist Teil der rule of law, die in die basic structure der Bundesverfassung im Wege richterlicher Rechtsfindung, angeseilt an den Text der Präambel dieser Verfassung, aufgenommen wurde und unverrückbarer Teil der Verfassung geworden ist.28 Diese Präambel kann keine Verfassungsänderung antasten, ebenso

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Vgl. Art. 372 der Bundesverfassung und dazu die Bemerkungen unter dieser Vorschrift in Bakshi, The Constitution of India, 5th Ed., Delhi 2004, S. 318 ff. 27 Siehe Kulke/Rothermund (Anm. 3), S. 395: Der Kampf endete mit dem Rücktritt Ambedkars und einem bis heute nicht fortgeführten und taktisch gegen zahlreiche Konzessionen durchgesetzten Teilerfolg Nehrus. So gelang es etwa, die bisher mögliche Polygamie im Hindu Law zu beseitigen, vgl. Diwan/Diwan, Hindu Law, 17th Ed., Faridabad 2006, S. 104 f. 28 Das Konzept der „basic structure“ beruht auch auf einer Rezeption des Art. 79 Abs. 3 GG in der indischen Doktrin und Rechtspraxis, die auf einen Vortrag von deutscher Seite in Delhi zurückgeht, vgl. dazu Conrad, Limitation of Amendment Procedures and the Constituent Power, in: ders., Zwischen den Traditionen. Probleme des Verfassungsrechts und der

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wenig wie den demokratischen Prozess der politischen Willensbildung und den säkularen sowie solidarischen Charakter des Gemeinwesens. Umso mehr gilt es daher gerade insoweit, die Verfassung auch nach innen durchzusetzen. Die Verfassung und ihre so ausgestaltete Grundordnung erzwingen damit aber nicht etwa ihre Durchsetzung im Stil westlich-kontinentaleuropäischer Staatlichkeit. Sie ist offen für die spezifische Vielfalt der indischen Gesellschaft. Sie vermag auch, die jeweils verbliebenen Rechtsinstitute verschiedener Segmente dieser Gesellschaft zu respektieren sowie eine weitgehende Eigenständigkeit der örtlichen Verwaltung und quasi-juridischer Entscheidungsprozesse hinzunehmen. Sie muss aber den Bodensatz ihrer eigenen Grundstruktur bewahren; hierzu gehört die Durchsetzung der rule of law im Sinne der natural justice als Verfahrensgrundlage aller Rechtsanwendung, wo immer und unter welchem Rechtsregime immer im Lande. All dies gilt gerade auch, nachdem heute zunehmend unterschiedliche Autoren fundamentale Rechte des Individuums auch aus der indischen Tradition ableiten29 und die Rechtswissenschaft eine fundierte Rechtsdogmatik dieser Rechte und ihrer Durchsetzung entwickelt hat,30 die zur Verfügung steht, um die erreichte Konstitutionalisierung dieser Rechte wirksam werden zu lassen. Dies bedeutet nicht, dass die Rechtsdurchsetzung in der Praxis immer gelingt. Ebenso wenig ist damit notwendig verbunden, dass diese Rechte eine homogenisierende Wirkung auf die Sozialstrukturen entfalten. Eben dies würde sie sicherlich überfordern und zeigen, was der Staat der heutigen und in der heutigen Verfassung Indiens nicht leisten kann und vielleicht auch nicht versuchen sollte. Anders liegt es mit der Durchsetzung elementarer Rechte und Bedürfnisse.31 Zu dieser elementaren Rechtsebene, die stetig hier und jetzt zu gewährleisten ist, gehört auch der Verzicht auf Gewalt unter religiösen, weltanschaulichen oder politischen Gegnern und in diesem Sinne der durch das Individuum im Prinzip stärker als andernorts internalisierte öffentliche Friede im Inneren, der äußerlich durch eine Rechtspflicht gesichert ist. In diesem Sinne ist die elementare Struktur einer säkularen Republik heute durchzusetzen.32

Rechtskultur in Indien und Pakistan, Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1979 – 1990, hrsgg. v. Lütt und Singh, 1999, S. 47 ff. 29 Dazu etwa Dohrmann, Ursprung und Entwicklung der Menschenrechte in Indien, in: Janz/Risse (Hrsg.), Menschenrechte – Globale Dimensionen eines universellen Anspruchs, 2007, S. 113 ff.; sowie bes. Singh, Human Rights in the Indian Tradition, in: ZaöRV 63 (2003), 551 ff.; sowie jetzt ders., Human Rights in the Indian Tradition – Search for an Alternative Model, in: ders./Goerlich/v. Hauff (Hrsg.), Human Rights and Basic Needs, Delhi 2008, S. 3 ff. 30 Siehe exemplarisch Singh, Affirmative protection of minorities in India, in: Alfredsson/ Macalister-Smith (Eds.), The Living Law of Nations. Essays on refugees, minorities, indigenous people and the human rights of other vulnerable groups in the memory of Atle GrahlMadsen, 1996, S. 301 ff. 31 Dazu die Beiträge in: Singh/Goerlich/v. Hauff (Hrsg.) (Anm. 29). 32 Diesen eigenständigen Gedanken trägt zur Toleranzdebatte bei Rottmann, Toleranz als Rechtsbegriff, i. E. im Band der Anm. 5 erwähnten Tagung im März 2008 in Kolkatta.

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7. Ist Indien also – wie wir anscheinend gesehen haben – kein „Staat“ im westlichkontinentaleuropäischen Sinne? Die Frage stellen heißt noch nicht, sie abschließend zu bejahen. Stellt man indes die Frage, ob Indien eine vielfältige und mit westlichen Verhältnissen unvergleichliche Gesellschaft besitzt, so bestehen an der Antwort keine Zweifel. Einer so vielschichtigen, in sich selbst ruhenden „Gesellschaft“ muss ein „Staat“ ganz anderer Art zur Seite stehen, sollen beide zusammen bestehen können. Das steht vielleicht auch im Hintergrund der Äußerung von Jawaharlal Nehru, der auf die Bitte von André Malraux, in einem Satz zu sagen, was Indien am meisten benötige, geantwortet haben soll: „India needs a strong state by just means“ – und übrigens nicht umgekehrt a just state by strong means. Diesen Staat gibt es immer noch nicht, dennoch hat Indien so viel aus der britischen Rechtstradition aufgenommen, dass es in außerordentlicher Weise in der Lage ist, in der – wie man sie nun, auch in Zeiten ihrer vielfachen Gefährdung, wohl nennt – Rechtsgemeinschaft der Völker eine wegweisende Rolle zu spielen. Dies gilt unbeschadet der zahllosen internen Schwierigkeiten, in denen sich das Land – wie oben angedeutet – befindet. Diese Schwierigkeiten sind friedlich wiederum wenigstens zu beherrschen, wenn dabei die Besonderheiten des Umgangs mit der Vielfalt im Lande zum Zuge kommen. Die Bundesverfassung ist dabei Ausgangspunkt jedenfalls einer Perspektive, die der Vielfalt Einheit verschafft und gewisse grundlegende Maßstäbe vermittelt und durchsetzt oder auch in der Gesellschaft unter Privaten diese Maßstäbe einfordert. II. Weitere Deutungen Die geschichtlich bedingten Rechtsstrukturen und die Staatlichkeit Indiens erscheinen in einem ganz anderen Licht, wenn man sie vor dem Hintergrund der heutigen Debatte um die Folgen der Globalisierung und der damit gewandelten Rolle des bisherigen Nationalstaates sieht, den es in seiner idealtypischen Gestalt wohl kaum mehr gibt.33 Diese Perspektive erscheint notwendig, will man das Spektrum der Deutungen vervollständigen. Dabei wirkt sich der Gesichtspunkt der kulturellen wie der strukturellen Vielfalt auch auf die Deutung der Rolle der Verfassung, des Rechts und des Staates aus. Die „Entstaatlichung“, hier zunächst und vor allem im Sinne eines Defizits an durchgesetzter Staatlichkeit, erweist sich dann als ein Pfund, mit dem es zu wuchern gilt. Es verzinst sich nicht nur in Erkenntnisgewinnen, sondern auch in Anpassungs- und Anschlussfähigkeiten, die dem traditionellen westlich-kontinentaleuropäischen Staat abgehen. Auf diese Weise können Freiheitsräume erhalten bleiben, die verloren gingen und durch rechtliche Gestaltung kaum mehr eröffnet werden könnten, griffe der Staat mit innerstaatlichen Rechtsbindungen durch. Insofern kann sich die Geschichte einer gebrochenen Rezeption westlicher Kultur als Vorzug und mithin als Pfad der Tugend erweisen. 33 Dazu Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, 2. Aufl. 1998; auch Mydske/Peters (Hrsg.), The Transformation of the European Nation State, 2006.

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1. Wäre Indien kein Staat im westlichen, jedenfalls aber im kontinentaleuropäischen Sinne, was wäre es dann? Diese Frage stellt sich zunächst hypothetisch. Sie ist aber von wirklichem Gewicht, wenn spezifische Unterschiede dafür sprechen, dass es Sinn macht, sie zu stellen. Die Hypothese lässt sich erweitern: Wenn Indien kein Staat in jenem Sinne ist, so mag das Gründe haben oder heutigen Anforderungen an Nationen im internationalen Kontext entsprechen, die weltweit inzwischen Bedeutung haben, in jedem Fall also auch für die europäischen Staaten nicht ohne Interesse sind. Dies vor allem, wenn die Schwächen oder Defizite des Gemeinwesens auf dem indischen Subkontinent positiv gewendet werden können und sich als Guthaben künftiger Modelle alternativer Staatlichkeit verstehen lassen. Diese Ambivalenz der gegebenen Verhältnisse und ihrer Wirkungen lässt sich am Beispiel der kulturellen Vielfalt zeigen,34 was das Thema nicht erschöpft, es aber darstellbar macht. Bekanntlich zeichnet sich die kulturelle Vielfalt auf dem Subkontinent durch ihre Breite und Tiefe besonders aus. Sie reicht so weit, dass der „Staat“ nun schon sehr lange darauf verzichtet, uniformes und egalitäres Recht durchzusetzen. Es gibt auch keine Anzeichen, dass ihm das in naher Zukunft gelingen könnte. Dies kann gerade ein besonderes Merkmal dieses Gemeinwesens sein, das eben ergibt, dass dieser „Staat“ andere Grundlagen besitzt als die westlichen Nationen bisher. Die Wirkungen dieser kulturellen Vielfalt auf Gesellschaft, Staat, Recht und Verfassung lassen sich nicht hinreichend mit Freiheiten, Grundrechten, Teilhabeansprüchen, dem Schutz von Minoritäten oder Gruppenrechten erfassen. Diese Vielfalt mindert nämlich die Durchsetzung egalitären, das Gemeinwesen prägenden Rechts der säkularen Republik in solchem Ausmaß, dass sich dies mit den genannten Rechtsfiguren nicht mehr hinreichend erklären lässt, vielmehr auf älteren Rechtsvorstellungen jenseits der Moderne beruht. Damit nimmt die Republik eine Zurücknahme ihres Rechts und ihrer Reichweite hin, die sie selbst nahezu in Frage stellt. Ebenso verzichtet sie auf die Durchsetzung ihrer egalitären Ideale gegenüber sozialen, religiösen, tradierten und auch rechtlichen Bastionen dieser Vielfalt. Sie erscheint fast als ein aufgesetztes Konstrukt, das von administrativen, politischen und wirtschaftlichen Eliten geleitet wird, welche die säkularen und egalitären Ideale der Republik auf sich beruhen lassen. Der Pluralismus schafft Strukturen, die Kontinuität verschaffen. Modernes Recht und „Staat“ erscheinen dabei allenfalls als Elemente der Gesamtveranstaltung des Gemeinwesens, nicht als prägende Institutionen, die der Gestaltung und dem so verstandenen Fortschritt der Gesellschaft dienen.

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sein.

Dazu wird der Ertrag der oben Anm. 5 erwähnten Konferenz in Kolkatta von Interesse

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2. Das europäische Konzept von Verfassung und Staat setzt nach bisheriger Vorstellung eine homogene Gesellschaft, für manche sogar ein homogenes Volk voraus.35 Diese Anforderung, die in Deutschland zusätzliche Reminiszenzen an die „Volksgemeinschaft“ weckt, kann eine Gesellschaft, die sich in hohem Maße durch kulturelle Vielfalt auszeichnet, schwerlich erfüllen. Sie wird in der Regel auch sozusagen „genetisch“ nicht homogen sein, abgesehen davon, dass sie oft vor allem eine religiöse, weltanschauliche oder andere grundlegende Vielfalt impliziert. Verschiedene historische Modelle ebenso wie jüngere Nachrichten machen manifest, was hiermit gemeint ist. Im Februar 2008 war zu lesen, dass der Erzbischof von Canterbury vorschlug, in England das Recht der Scharia etwa im Familien- und Erbrecht in Abweichung vom geltenden englischen Recht in mancherlei Hinsicht anzuerkennen, was gewiss dem Verhalten des muslimischen Teils der Bevölkerung gerecht würde, der sich ohnehin daran orientiert. Das löste einen Aufschrei aus und auch der Premierminister ließ erklären, dass man am britischen Recht festhalte, wiewohl er zugleich den Erzbischof in seiner Integrität in Schutz nahm.36 Dieses Beispiel zeigt, welche Rückwirkungen heute im vormaligen Mutterland die Spiegelungen des ehemaligen Kolonialreichs in den Auswirkungen von Migration und Globalisierung haben.37 Selbst die Schweiz führt diese Debatte, allerdings versteckt im Kampf um ein Referendum zur Revision der Bundesverfassung dahin, den Bau von Moscheen mit Minarett in der gesamten Eidgenossenschaft unter ausdrücklicher Einschränkung der dort garantierten Freiheit der Religionsausübung zu verbieten; dieses Vorhaben verstößt zumindest gegen die bestehende Verpflichtung auf die Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere auch gegen die ausdrücklich dort gewährleistete Freiheit der Religionsausübung.38 Jetzt veranlasst die Debatte in der Nachbarschaft

35 Vgl. dafür ein knapper Hinweis bei Goerlich, Hermann Heller – Demokratieorientierung in Staatsrecht und Volksbildung, in: Theodor-Litt-Jahrbuch 4 (2005), 21 ff., 21 Anm. 1; vor allem aber Lübbe-Wolff, Homogenes Volk – Über Homogenitätspostulate und Integration, in: AuAS 2007, 121 ff.; und dazu, dass Zentraleuropa immer ein von Migration geprägtes Territorium war, die Beiträge in: Bade u. a. (Hrsg.), Enzyklopädie Migration in Europa vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 2007. 36 Dazu FAZ, Nr. 36 v. 12.2. 2008, 5; zuvor zusammenfassend Der Spiegel, Nr. 7 v. 11.2. 2008, 106; für ein kommunalrechtlich gefasstes kanadisches Gegenstück, dort zur Bekämpfung der Scharia, soweit sie Frauen diskriminiert, vgl. Vogt-Moykopf, „Wer sind wir eigentlich?“, in: FAZ, Nr. 4 v. 5.1. 2008, 33. 37 Zum Modell des postkolonialen Großbritanniens vgl. Sen, Der Freiheit eine Chance – Warum wir die Idee der multikulturellen Gesellschaft nicht aufgeben dürfen, in: DIE ZEIT, Nr. 50 v. 6.12. 2007, 64 f. 38 Vgl. Art. 9 Abs. 1 der EMRK, der die Schweiz beigetreten ist, die sie auch innerstaatlich zu respektieren pflegt.

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offenbar das Staatsoberhaupt Liechtensteins zu der Erklärung, nichts gegen solche Bauwerke einwenden zu wollen.39 Sehr viel grundsätzlicher noch zeigen sich diese Probleme in der Türkei. Das kemalistische Vorhaben, aus den Resten des Osmanischen Reiches unter anderem im Wege der Assimilation einen westlichen Nationalstaat zu formen, scheint zwar fortgeschritten und in Vielem ein Erfolg. In der Tat ist die ungeheure Vielfalt des vorausgegangenen Reiches, das jeder Ethnie und Religion Raum ließ, durch ein auf den ersten Blick homogenes Türkentum ersetzt. Aber das geschah nicht nur um den Preis der Vielfalt und der sie verbindenden Kultur, sondern bis heute im Wege eines Assimilationsdrucks, der, zumal im Lichte effektiven Schutzes von Grundfreiheiten und fundamentalen Rechten, immer schwieriger aufrecht zu erhalten ist. Daher ist ungewiss, wie weit der Erfolg des kemalistischen Unterfangens auf Dauer gesichert ist. Dies zeigt sich immer wieder, gerade auch im Einzelnen, an mit großer Heftigkeit geführten Auseinandersetzungen, etwa um das Kopftuch40 oder die Integration und Assimilation von türkischen Minoritäten in Europa.41 Dabei bleibt zu erwähnen, dass die Grundkonzeption des Kemalismus in religionspolitischer Hinsicht nur scheinbar den französischen Laizismus aufgreift. Tatsächlich sollen die Religionen nicht im Wege einer egalitären Distanz und distanzierten Toleranz des Rechts gebändigt werden, sondern durch die Privilegierung der sunnitischen Variante des Islam, die zugleich andere Varianten dieser Religion und alle anderen Religionen zurücksetzt.42 Der französische Laizismus ist hingegen eine legitime Tochter des Republikanismus der französischen Revolution. Er ist zwar nicht rein durchgeführt,43 baut aber auf dem Ideal einer egalitären Gesellschaft der Bürger auf, die sowohl unmit39

Zur Schweizer Debatte vgl. Baumann, Völkerrechtliche Schranken der Verfassungsrevision, in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht 2007, 181 ff. 40 Siehe dazu vor allem historisch Chimelli, Trauma auf dem Kopf – Schleier, Fez und Hut – Symbole türkischer Kulturkämpfe, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 31 v. 6.2. 2008, 13; und zur Gegenwart Strittmatter, „Wir sind noch nicht emanzipiert“ – Im Kopftuchstreit sucht die Türkei nach einer nationalen Definition von Freiheit, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 53 v. 3.3. 2008, 11; zur Wirkung der militärischen Seiten einer Assimilationspolitik Zizek, Im Takt des türkischen Marsches – Ankaras militärisches Vorgehen gegen die Kurden im Nordirak stört die europäische Verbrüderungsharmonie empfindlich, in: Die Zeit, Nr. 2 v. 3.1. 2008, 37. 41 Insbes. nach einer Rede des türkischen Ministerpräsidenten im Februar 2008 vor türkisch-deutschem Publikum in Köln, die sich auch um Begriffe von „Integration“ und „Assimilation“ in Deutschland rankte; vgl. dazu Reaktionen in: FAZ, Nr. 37 v. 13.2. 2008, 1 f., dort auch alevitische Kritik an der Assimilationspolitik in der Türkei u. S. 8 ihre kemalistische Verteidigung in einem Leserbrief. 42 Zuletzt zum Zwang, am sunnitischen Religionsunterricht teilzunehmen EGHMR, E. v. 9.10. 2007, in der Sache Hasan u. Eylem Zengin v. Türkei, Appl. No. 1448/04; auch frühere Fälle bei Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2008, § 22 Rn. 78 u. 107. 43 Zur religionspolitischen Vielfalt des staatlichen Rechts in Frankreich unvollständig v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl. 2006, S. 346: nicht nur in ElsassLothringen, sondern auch in vormaligen Kolonien ist die Trennung von Staat und Kirchen nicht durchgeführt, teils vielmehr noch geringer als im Elsass.

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telbar die Nation als auch intellektuell die homogene Struktur der Republik gegen tradierte Gruppenzugehörigkeiten tragen. Während schließlich – trotz aller Pluralismen und der fortgesetzten Fragmentierung der Gesellschaft – in den USA44 die Doktrin vom „melting pot“ der Einwanderungsgesellschaft eine gewisse starke Homogenität erzwingt, ist eine derartige Entwicklung im Rahmen der europäischen Integration weder beabsichtigt noch möglich. Dennoch stößt man auf den „Unionsbürger“ als Rechtsfigur, dem wohl eine Realität entsprechen soll.45 Er ist ersichtlich mehr als ein Symbol für die im europäischen Integrationsprozess erreichte „offene Staatlichkeit“46, die weiter geht als alle partiale Konstitutionalisierung des Völkerrechts, welche die Staaten in mancherlei Hinsicht zu binden und manchmal zu durchdringen scheint.47 Weder der Weltbürger dieser Entwicklung noch der genannte „Unionsbürger“ können allerdings die Staaten und ihre Nationen verdrängen oder gar ersetzen. Dafür fehlt auf diesen Ebenen die erforderliche, tief greifende Kohäsion. Indien hingegen leistet es weithin, seinen Bürgern eine Verpflichtung auf die Kohäsion einer Nation einzupflanzen; die Nation als geistiges Produkt eines Bewusstseinsprozesses ist Rahmen und Grundlage der kulturellen Vielfalt, die so stark ist, dass ein egalitäres nationales Recht nur teilweise möglich und erforderlich erscheint. 3. Die Weite der kulturellen Vielfalt Indiens erlaubt zwar nicht immer, uniformes Recht zu setzen. Sie bewirkt aber eine Neubesinnung auf die dem nationalen Verfassungsrecht voraus- und zugrunde liegenden Begriffe wie „Nation“, „Gesellschaft“, „Verfassung“, „Recht“ und „Staat“, die fruchtbar werden kann für die Fortbildung des Verständnisses nicht nur dieser Begriffe, sondern insbesondere der realen Entwicklung von Integrationsprozessen, Rechtsstrukturen und der zugehörigen – wie immer gestalteten – Staatlichkeit. Um zu erkennen, welche Anpassungsprozesse des Rechts erkennbare Elemente einer zukunftsweisenden Rechtsfortbildung enthalten, müssen die realen Vorgänge erfasst werden. 44 Die Politikwissenschaft hat in den USA von Anfang an pluralistische Doktrinen entwickelt, vgl. schon Madison, Federalist Nr. 10, in: Hamilton/Madison/Jay, The Federalist, übersetzt v. Zehnpfennig, 1993, S. 93 ff.; i. Ü. vgl. etwa Steinberg, Pluralismus und öffentliches Interesse, in: AöR 96 (1971), 465 ff. 45 Dazu Schönberger, Unionsbürger. Europas föderales Bürgerrecht in vergleichender Sicht, 2006; sowie jetzt Calliess/Kingreen/Cremer/Becker, in: Hatje/Huber (Hrsg.), Unionsbürgerschaft und soziale Rechte, Europarecht Beiheft 1, 2007. 46 Dazu zuletzt exemplarisch Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit, 2007; zuvor Haack, Verlust der Staatlichkeit, 2007, und früher Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005. 47 Konstitutionalisierung im Völkerrecht prononciert unter der nicht notwendigen Flagge einer „Wertordnung“ Rensmann, Wertordnung und Verfassung. Das Grundgesetz im Kontext grenzüberschreitender Konstitutionalisierung, 2007.

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Die Vielfalt einer Gesellschaft verändert ihre „Nation“ als imaginäre Gemeinschaft.48 Die imaginierte Identität dieser Gemeinschaft kann weder ethnisch noch religiös-kulturell oder sonst anders als säkular sein. Sie muss die Ebenen der Identifikation den Individuen und vor allem ihren nichtstaatlichen Gemeinschaften überlassen, die diese stützen und pflegen. Wenn damit Teilbereiche des Rechts verloren gehen, ist dies hinzunehmen, solange nicht der Kern der Republik der Nation, d. h. ihre Grundordnung oder „basic structure“, betroffen ist. Auf diesen kann sich vor allem die Interpretation der Freiheitsgewährleistungen und Strukturprinzipien der nationalen Verfassung reduzieren. Auf den ersten Blick ist das ein weit reichender Verlust. Er wird allerdings begleitet von der schon angedeuteten Steigerung der Verpflichtung der Bürger und Gebietsansässigen auf Friedenswahrung im Inneren und auf rechtsförmig gesicherte Toleranz.49 Diese Rücknahme der Reichweite des Verfassungsrechts wird zudem durch das konstitutionalisierte regionale Völkerrecht ergänzt, insbesondere in Ansehung elementarer Menschenrechte. Diese Konstitutionalisierung greift Platz, weil sich zunächst Entsprechungen zur inneren kulturellen Vielfalt im staatlichen Rahmen in einer von Migration und Globalisierung zunehmend geprägten Welt in anderen Nationen und deren staatlicher Gestalt entwickeln. Diese hergestellte Vielfalt erfordert andere Bezugspunkte als diejenigen nationalen Verfassungsrechts zur Gewährleistung ihres Status. Im nationalen Rahmen des Verfassungsrechts können dies Grundrechte, ein nationaler Minderheitenschutz und die zugehörigen Rechtsschutzverfahren sein. Universale oder regionale Menschenrechtspakte, die in das nationale Recht einwirken, gehen über diesen Rahmen hinaus. Die konstitutionellen Staaten können nämlich durch die Akzeptanz solcher Instrumente ihre Grundstruktur im Interesse ihrer eigenen Stabilität sichern, also nicht nur im Interesse der Vielfalt der Gruppen und Minoritäten in ihrem Innern, sondern als Schutz gegen manchmal mit dem Schein der Überzeugungskraft auftretende fundamentalistische Alternativen. Das führt zu einer Vernetzung des nationalen Verfassungsrechts im regionalen Kontext der Sicherung des Rechts, die ihm eine Kraft verschafft, die es national nicht mehr einfordern kann. Diese Kraft beruht auf der anderen normativen Qualität, die dem Recht zuwächst, wenn es universalen Charakter besitzt. Dabei erweisen sich Zusammenhänge, die generell in älteren Formen der Globalisierung sowie in ihren Anfängen von Indien durchlitten erscheinen: nämlich der Zusammenhang und schließlich auch Zusammenhalt zwischen kulturellen Kontexten sowie derjenige zwischen Flexibilität, Anpassung und neuen Formen der Stabilität durch Rezeption und Integration. Diese Zusammenhänge und vielleicht künftig auch Zusammenhalte sind heute die weltweite Erfahrung unter gegenwärtigen Bedingungen der Globalisierung von Vielfalt, Gruppen, Minoritäten und Individuen sowie des sie begleitenden gruppenspezifischen oder ihnen gemeinsamen Rechts. Mit diesem Prozess geht nämlich ein stetes Wachstum der weltweiten Kommunika48 49

Dazu Anderson, Die Erfindung der Nation (Anm. 12). Vgl. dazu oben Anm. 32 die Hinweise auf Rottmann.

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tion einher, die das Bewusstsein von Moral und Recht verändert.50 Damit gewinnt schließlich auch das nationale Verfassungsrecht etwas zurück; ein Vorgang, der einen Stabilitätsgewinn um den Preis einer gewissen Beschneidung der Reichweite im Innern mit sich bringt. Anzumerken bleibt allerdings, dass dieser Stabilitätsgewinn nicht zugleich eine egalitäre und demokratische Erneuerung des nationalen Verfassungsrechts mitführt. Diese kann zwar von außen an die Staaten herangetragen werden, wenn sich dies regionale Agenturen, wie etwa in Europa die Europäische Union – zunächst unter Motiven des Marktes und dann unter Aspekten vergleichbaren Grundrechtsschutzes zugunsten der Unionsbürger –, auf ihre Fahnen geschrieben haben.51 Einen Gewinn an demokratischen Elementen auf nationaler Ebene bedeutet dies aber zunächst nicht, wenngleich auf regional-europäischer Ebene die oft beklagten Demokratiedefizite immer weiter abnehmen. Das nationale Verfassungsrecht wird so in unterschiedlicher Dichte und Stringenz von Region zu Region vernetzt in einem größeren, jedenfalls im Grundsätzlichen weniger brüchigen Rechtskontext der internationalen Gemeinschaft, ohne dass damit eine Identität der Werte oder gar eine gemeinsame weltweite Wertordnung einherginge, die jener kulturellen Vielfalt gerade widerspräche, die ein bedeutsamer Ausgangspunkt der Entwicklung ist.52 4. Die heutige Globalisierung zwingt zu einer rechtlichen Strukturierung jenseits des nationalen Verfassungsrechts, wenngleich diese Struktur den heutigen Anforderungen von Globalisierung, Kommunikation und Integration noch keineswegs genügt. Versatzstücke und Elemente des Verfassungsrechts, die sich isoliert in jenen höheren Rahmen verpflanzen lassen, tragen zu seiner Ausgestaltung bei. So werden elementare Rechtsvorstellungen zunehmend auch strafrechtlich bewehrt und wird die internationale Strafgerichtsbarkeit ausgebaut. Der globalisierte Markt erfordert mehr als Regeln des Marktes. All dies gilt unabhängig von den Folgen dessen, was weithin nicht nur der Westen als Terrorismus begreift. Die verbindende Kraft der kulturellen Vielfalt über nationale Grenzen hinweg verhilft unabhängig von diesen Entwicklungen zur Verfestigung auch von Rechtserwartungen und formt allmählich Anforde50 Dabei kann die Religion neues Gewicht gerade angesichts des Wandels so vieler anderer Determinanten gewinnen, vgl. Hermann, Was macht mobil bei Arbeit, Ort und Ziel? Auf der Suche nach Loyalität: Als Folge der globalisierten Wirtschaftsordnung werden nationale Identitäten multipel – dafür kommt die Religion neu ins Spiel, in: FAZ, Nr. 67 v. 19.3. 2008, 35 u. mit einem interessanten Bericht von soziopolitischen Analysen ders., Oberschicht gegen Mittelschicht – Zwei Untersuchungen zur gesellschaftlichen Entwicklung in der Türkei, in: FAZ, Nr. 89 v. 16.4. 2008, 10. 51 Dazu Haltern, Europarecht, 2. Aufl. 2007, Rn. 815 ff., 1273 ff., 1322 ff., was zunehmend mit der Unionsbürgerschaft zu tun hat und zu Antidiskriminierungsgesetzgebungen in den Mitgliedstaaten führt. 52 Daher spielt der Pluralismus gerade jenseits der nationalen Ebene eine besondere Rolle, vgl. dazu Kotzur, „Three Perspectives on the Concept of Pluralism – National Constitutional Law and Practice, European Union in Diversity, International Community and Global Society“, Vortrag auf der in Anm. 5 erwähnten Tagung in Kolkatta.

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rungen an das Recht im Sinne von Mindeststandards aus. Dies auch, weil solche Rechtserwartungen andererseits gerade unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht nur erhofft, sondern auch besonders gefährdet sind. Gegen dieses Dilemma hilft nicht die Berufung gemeinsamer Werte. Sie bestehen nur in Teilen; die erhofften Rechtsstandards sind bescheidener als „Werte“, lassen sehr viel offen und sind vergleichbar mit jenen elementaren und alten Garantien des angelsächsischen Rechtskreises, die mit herkömmlichen Sammelbegriffen wie „natural justice“ oder „due process of law“ anzusprechen sind. Diese Rechtsfiguren sind einem Wandel unterworfen und stehen – methodisch-prozedural ausgedrückt – in Rechtsfindungshorizonten, die offen sind.53 Es ist daher kein Zufall, dass vor allem unter due process vorübergehend eine Rechtsprechung ganze Gebäude von auch materiell-substantiellen Rechten untergebracht hat.54 Aber solche Horizonte können sich wandeln, es gelten die allgemeinen Regeln der Rechtsgewinnung. Gerade die Verlagerung so bruchstückhafter, topisch gestalteter, auf spezifischen historischen Erfahrungen beruhender55 und hier zusätzlich auf zwischenstaatlichen Ebenen wirkender Rechtsfiguren und -materien, wie sie in der Sache prozedurales und substantielles Verfassungsrecht nun einmal enthielt, bringt neue Deutungen. Dies führt – wie schon angedeutet – gerade nicht zu einer materiellen Wertordnung einer normativ von gleichen Vorstellungen geprägten Weltgemeinschaft unter einem einheitlichen Recht.56 Es führt auch nicht weiter, die Grundfreiheiten und weitere fundamentale Rechte in diesem Sinne „aufzuladen“. Die Sprache der Politik und selbst der Verträge mag diese Redeweisen aufgreifen.57 Die rechtlich konkrete Interpretation kann sich ihrer nicht bedienen, weil sie weniger plakativ, spezifischer sowie detaillierter und näher an einzelnen Merkmalen des Rechts im konkreten Fall argumentieren muss.58 Abgesehen davon täuscht die Rede von der Wertordnung eine Geborgenheit in einem Gehäuse von materiellen Werten vor, die so nir53 Zuerst und methodisch-programmatisch Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1967, 2. Aufl. 1976. 54 Substantial due process war solch ein Phänomen vor 1937 in der amerikanischen Judikatur, vgl. etwa McCloskey, The American Supreme Court, 1960, Reprint 1974, S. 136 ff.; für den Weg zu einer unter due process beheimateten preferred freedoms- oder fundamental rights-doctrine Haller, Supreme Court und Politik in den USA, 1972, S. 34 ff. 55 Vgl. BVerfGE 50, 290 (336 f.) – Mitbestimmung. 56 Dazu klassisch Tomuschat, Die internationale Gemeinschaft, in: AVR 33 (1995), 1 ff.; krit. unter Aspekten der „Gemeinschaft“ Volkmann, Freiheit u. Gemeinschaft, in: Merten/ Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II 2006 (= HGR II), § 32, Rn. 16 ff.; auch Goerlich, „Gemeinschaft“ aus der Sicht der Staatsrechtslehre, in: Theodor-Litt-Jahrbuch 3 (2003), 67 ff., 77; materiell im Sinne einer Wertordnung jetzt Rensmann, Wertordnung etc. (Anm. 47); krit. dazu Rezension von Goerlich, in: JZ 2007, 627 f.; in diesem Kontext auch von Interesse Kotzur, Die Ziele der Union, in: DÖV 2005, 313 ff. 57 Das gilt auch für den Vertrag von Lissabon vom 13.12. 2007, ABl. C 302/1 vom 17.12. 2007. 58 Zur gebotenen methodischen Disziplin Müller/Christensen, Juristische Methodik I. Grundlagen öffentliches Recht, 8. Aufl. 2002; u. II. Europarecht, 2. Aufl. 2007.

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gends besteht, es sei denn in einer – welcher immer – Weltanschauungsgemeinschaft oder Kirche. Die damit einhergehenden sozialen Formen und Schutzmechanismen sind aber dem säkularen Recht aller Ebenen fremd, so sehr die persönliche Lebensführung auf sie angewiesen sein mag oder muss. Auch das Netz des Rechts, welches das bisherige Verfassungsrecht des Nationalstaates beerbt – also das zwischenstaatlich regionale, das weltweite Völkerrecht und selbst (soweit das gilt) das „supranationale“ im Sinne eines höheren Rechts, das normativen Vorrang unmittelbar beansprucht59 – kann so dicht gewoben sein, dass von weltweiten umfassenden Ordnungen regelmäßig die Rede sein kann. Dennoch bedürfen die Staaten unter dem Druck ihrer internen Vielfalt des Völkerrechts, das sie unter anderem vor Akten der einseitigen Sezession schützt. Dies gilt gerade unter den Bedingungen kultureller Vielfalt, die heute der Ausgangspunkt solcher Tendenzen sind, nachdem nun im Regelfall eine sehr viel breitere Vielfalt innerhalb der Staaten entsteht, als diese noch bis vor Kurzem erwarten mussten, und zwar trotz oder wegen der an der Oberfläche erreichten Homogenität einer weltweiten Kultur. Dabei ist die kulturelle Vielfalt zunächst oft noch nicht aufgeladen mit so viel Ideologie aus dem Zeitalter des Nationalstaates, wie dies etwa in den letzten Jahren im vormaligen Jugoslawien der Fall war und ist. Dieser Zerfallsprozess führt auch zur Präsenz anderer Staaten, die in Gemeinschaft eines Bündnisses oder einer regionalen Staatenverbindung auftreten. Die Entwicklung darf nicht so weit gehen, den „Staat“ als Ordnungsmodell fallen zu lassen, weil er von einer zunehmenden Anarchie abgelöst erscheint; dennoch signalisiert eine solche Entwicklung ein allgemeines Phänomen, das besonders auch für und in Afrika diskutiert wird.60 Fällt der Staat nahezu völlig aus oder dominiert eine Seite, die ihn zur Beute hat, so führt dies zu Interventionen, Aufbauhilfe oder anderen Formen der Präsenz der internationalen Gemeinschaft, die eine hinreichende staatliche Organisation schwerlich ersetzen können. Die Vielfalt ist es, die zahlreiche Differenzen mit sich führt, welche nicht nivelliert werden können. Eine etwaige Wertorientierung der westlichen Welt kann dies ebenfalls nicht leisten, abgesehen davon, dass die westliche Welt selbst eine so weit gehende Homogenität ihrer Rechtsvorstellungen nie aufgewiesen hat. Jene kulturelle Vielfalt, die diese Welt einst meinte, nur außerhalb ihrer vorgeblichen, aber von Abenteurern und Handelskompanien früh überschrittenen Grenzen anzutreffen, hat über diese Grenzen längst zurückgewirkt. 5. Am Ende zeigt sich eine Vorreiterrolle Indiens kraft seiner Erfahrung im Umgang mit seiner kulturellen Vielfalt, seiner Rezeptionsgeschichte westlichen Rechts und 59

Dazu Goerlich, Souveränität und Supranationalität, in: Klesczewski u. a. (Hrsg.), Entstaatlichung und gesellschaftliche Selbstregulierung, 2008, S. 87 ff. 60 Vgl. dazu den Tagungsbericht Eckert, „Internationale Aufsicht – Debatten über Staatlichkeit und Anarchie in Afrika“, in: FAZ, Nr. 164 v. 18.7. 2007, N 3.

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seiner eigenen Einbettung in die Gemeinschaft der konstitutionellen Staaten. Nicht immer helfen heutige Rechtspflichten und Traditionen der Gewaltlosigkeit, oft zugleich interreligiöse und soziale Konflikte zu lösen, so sehr sich der Staat im traditionellen Sinne gerade in solchen Fällen auch durchsetzen sollte. Aber dennoch: Was insbesondere dem westlichen Betrachter zunächst als Chaos erscheint, schafft jedenfalls grundsätzlich und dem anarchischen Erscheinungsbild zum Trotz in erheblichem Maße Freiheit. Sicher ist dabei, dass das indische Modell sehr weit geht, etwa in seinen religiös und historisch bedingten Sozialstrukturen sowie der Hinnahme dieser Verhältnisse insbesondere durch die nationalen Eliten. Auch ist Indien als bald etablierte, nicht nur angehende Weltmacht von außen rechtlich weniger wirksam eingebunden als viele mittlere und kleine Staaten. Und das regionale Völkerrecht Asiens ist nicht zufällig weniger ausgebaut. Es finden sich im Rahmen der ASEAN – mit der Indien sich, ohne Mitglied zu sein, in einem Dialog befindet – nur erste Vorschläge für eine regionale Konvention über fundamentale Rechte. Dies ändert aber den Trend nicht. Auch Asien benötigt eigenes derartiges regionales Recht, manchmal vielleicht auch, um das Regime des Sicherheitsrates der UN eindämmen zu können. Für das nationale Recht wird solches regionale Recht auf der Ebene zwischen den Staaten und der UN einen Stabilitätseffekt mit sich bringen, der die nationalen Defizite der Durchsetzung von Verfassung, Recht und Staat auch nach innen allmählich kompensieren kann. III. Weltmacht und Versuchung61 Ein hier noch nicht angesprochenes Phänomen ist die Entwicklung Indiens zur Großmacht. Sie ist heute aktuell und hat Eingang gefunden in die Titel der Veröffentlichungen führender Autoren über Indien.62 Gewiss, trotz der Entwicklung zur asiatischen, ja weltweiten Großmacht, ist Indien nicht in „Versuchung“, seine inzwischen erreichte Stärke und Größe zur Expansion nach außen oder zur Verdrängung seiner Vielfalt zugunsten einer besonderen Tradition, also zugunsten einer Intoleranz nach innen zu nutzen. Allerdings gibt es in Indien eine starke Strömung des „Hinduismus“, die nicht nur schon im Hintergrund der Ermordung Mahatma Gandhis im Jahre 1947 steht, sondern noch manches Pogrom insbesondere gegen Muslime nach sich gezogen hat und bis in die großen politischen Kräfte reicht. Angesprochen ist damit etwa das Dahinmorden sehr vieler Muslime, darunter Frauen und Kinder, in Gurajat im Jahre 2002.63 Im Hintergrund stehen dabei irrige Vorstellungen von einem religiös geprägten Staat, der den Säkularismus der Verfassung aufgibt, den diese als unver-

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Vgl. den Titel von Stern, Der Traum vom Frieden und die Versuchung der Macht, 1999. Siehe Rothermund (Anm. 13). 63 Vgl. dazu am Rande Roy, Listening To Grasshoppers, Rede anlässlich des ersten Todestages von Hrant Dink, gehalten am 18.1. 2008 in Istanbul, im Internet u. a. unter: http:// www.countercurrents.org/roy260108.htm (letzter Zugriff: 14.4. 2008). 62

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änderliches Prinzip der indischen Republik schützt.64 Hinduistische Ideologien bilden zudem eine Folie, auf der auch die Lehren der jetzigen großen Oppositionspartei, nämlich der BJP, beruhen, die immerhin auf Bundesebene in der Lage war, mehrere Jahre Regierungskoalitionen anzuführen.65 Aber auch diese Koalitionen waren nicht in der Lage, einer Ethnie gewissermaßen die Rolle des demos zuzuweisen, das Indien repräsentiert.66 Daher besteht auch keine Gefahr, dass eine Ethnie als demos erfolgreich versucht, das Land zu repräsentieren und andere Ethnien, Glaubenstraditionen oder Lebensformen zu verdrängen. 1. So bleibt trotz gelegentlicher Anzeichen für andere Entwicklungen eine der größten Stärken der indischen Gesellschaft ihre kulturelle Vielfalt. Sie ist sozusagen selbsttragend, auch gegenüber Fundamentalismen der genannten Art. Auch hinduistische Strömungen sind nicht in der Lage, im Wege eines von Minderheiten tagespolitisch stets angefachten Fegefeuers einer Politik der Homogenität der indischen Gesellschaft ihre Vielfalt zu nehmen.67 Das bedeutet auch, dass diese Gesellschaft sich selbst steuert dahin, dass ihre verschiedenen Elemente erhalten bleiben und sich gegenseitig stützen. Dies hat einen wesentlichen Grund darin, dass ihre verschiedenen Teile so stark sind, dass eine Politik der Verdrängung ihrer einzelnen Elemente keinen Erfolg haben kann. Das schließt nicht aus, dass kleine Teilgruppen dieser Gesellschaft einem politisch geförderten Projekt oder einem Programm – etwa der Entwicklung der Energiepolitik – geopfert werden. Hierzu erheben sich aber kritische Stimmen.68 Auch gebietet das Recht an sich Grenzen für solche Eingriffe. Dies gilt selbst, wenn diese Grenzen politische Programme, etwa zugunsten eines effektiveren Umweltschutzes und zu Lasten bestimmter Aktivitäten, die ganze Segmente des neuen Mittelstandes bedrohen, gerade in den Großstädten nicht aufhalten, so wenn im Kampf gegen die Luftverschmutzung dreirädrige Motorrikschas nun gänzlich verboten werden sollen, nachdem die Rechtsprechung des Supreme Court of India etwa für die Bundeshauptstadt vor wenigen Jahren zunächst verlangt hatte, ihren Antrieb ausnahmslos auf Gas umzustellen.

64 Zur weltweiten Debatte um dieses Prinzip Srinivasan (Ed.), The Future of Secularism, New Delhi, Oxford, New York 2007; u. darin spezifisch Bhagawati, The Distinctiveness of Indian Secularism, S. 20 ff. 65 Siehe Rothermund (Anm. 13), S. 30 ff. 66 Vgl. zur Gefahr des „Umschlagens“ dieser Art den Vortrag „Gewalt und Volk. Geht alle Gewalt vom Volke aus?“ eines führenden Forschers zu Ideologie und Führungsstruktur im Deutschland einer „Vernichtungspolitik“, über den am Rande berichtet wurde: Wildt, in: die tageszeitung v. 6.3. 2008, 17. 67 Dies ist in Europa unternommen worden mit verheerenden Folgen und entgegen den historischen Gegebenheiten, dazu Bade u. a. (Anm. 35). 68 Vgl. wiederum insbes. Roy, Wahrheit und Macht, 2004, S. 53 u. 65 sowie passim; auch Kämpchen, Das Geschäft Wasser. Arundathi Roy beobachtet die Vertriebenen am NarmadaFluß, in: FAZ, Nr. 84 v. 10.8. 2004, 34.

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2. Die innere selbsttragende und selbststeuernde Struktur der Gesellschaft erlaubt – wie früher schon angedeutet – ein Zurückweichen von Verfassung, Recht und Staat gegenüber der damit aufscheinenden kulturellen Vielfalt. Die tatsächliche Situation erlaubt gewissermaßen eine Anpassung der Normativität des Rechts an die Bedürfnisse der Gesellschaft, die anderenorts als Defizit des Rechts begriffen würde. Dennoch setzt das Recht gegen Fehlentwicklungen Grenzen. Diese Grenzen werden aber nur bedeutsam, wenn sie überschritten werden. Und sie veranlassen nicht die Illusion, das Recht, nicht die Gesellschaft stabilisiere die Entwicklung. Denn das Recht greift nur im Konflikt zugunsten derer, die sich anders nicht zu helfen wissen und sich deshalb auf das Recht berufen. Deutlich wird das an der vielschichtigen Rolle von Grundrechts- und Minoritätenschutz. Dieser bildet zwar nicht die am Anfang stehende Grundlage der kulturellen Vielfalt der Gesellschaft, aber er ist Ausdruck dieser Struktur. Er führt sogar zu einer Politik des Schutzes bestimmter Grundrechtspolitiken und Zielvorgaben als „directive principles of state policy“, einer Rechtspolitik von Verfassungsrang.69 Diese Rechtspolitik kann dazu dienen, klassisch egalitäre Ziele durchzusetzen; sie konnte und kann aber auch Strukturpolitiken zu Lasten von Teilgruppen ermöglichen. An erster Stelle enthalten der Grundrechts-, weithin aber auch der Minoritätenschutz allerdings Grundlagen und praktische Anknüpfungspunkte für die Abwehr staatlicher Eingriffe. In dieser letztgenannten Eigenschaft können sie auch die Basis einer nachhaltigen und durchgreifenden Ablehnung und Opposition gegen Verfassungsprinzipien der Freiheit, Gleichheit und Solidarität einer Republik werden, indem sie die Durchsetzung von Rechtsmaximen mit diesem Hintergrund verhindern. So erlaubt der Grundrechts- und Minoritätenschutz den Fortbestand des Kastenwesens, seines Familienund Erbrechts ebenso wie die Erhaltung von Lebensformen echter Minoritäten, etwa des und im Islam. Selbst wenn sich die Verfassung also die Beseitigung von gleichheits- und freiheitswidrigen Lebensformen auf die Fahnen geschrieben hat, so bleibt das dennoch nur Programm, setzt sich also nicht durch. Dies bedeutet wie anderswo, dass in einem gewissen Maße Grundrechts- und Minioritätenschutz ein förmliches Zurückweichen des moderneren Rechts der Gleichheit mit sich bringt, in Indien allerdings in einem viel größeren Ausmaß als in im Laufe ihrer Geschichte homogenisierten westlichen Gesellschaften. Hintergrund ist die Stärke einer Gesellschaft, die sich selbst stabilisieren kann und eine Tradition der Abwehr kultureller Importe von außen hat – eine Tradition allerdings, die Strategien von Aufnahme und Umarmung im Wege der Assimilation in die eigene Gesellschaft hinein und damit die Erweiterung des Horizonts ihrer kulturellen Vielfalt ermöglicht. 69 Siehe Part IV, Art. 36 ff. der Bundesverfassung Indiens und dazu nur Singh (Anm. 1), S. 298 ff.

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Man kann solche Modelle des Umgangs mit modernem Recht auch als Indikatoren eines strukturell bedingten katastrophalen Vollzugsdefizits von Recht verstehen.70 Diese Sicht entpuppt sich aber als ein Missverständnis der indischen Verhältnisse. Diese Modelle des Umgangs mit Recht knüpfen nämlich nicht nur an Schutzfunktionen von Recht an, d. h. hier der Grundrechte und des Minoritätenschutzes. Sie sind vielmehr auch gerade Ausdruck dessen, was die indische Gesellschaft befähigt, ihre Vielfalt zu erhalten und fortzuführen. „Vollzugsdefizite“ können insofern Anzeichen für Strukturen sein, die gewissermaßen wünschenswert sind, weil sie – aus einer anderen Perspektive betrachtet – das Gleichgewicht einer Gesellschaft und ihrer Ordnung indizieren. Das ändert nichts daran, dass der Anschluss Indiens an das moderne Recht des Westens in Gestalt des common law und der westlichen Kultur des geschriebenen Verfassungsrechts eine Dynamik der Rechtsfortbildung ergibt, die nicht aufzuhalten ist. Dies muss aber nicht in einer Politik der Homogenität und damit der Beseitigung von Vielfalt der Gesellschaft enden. Das Gleichgewicht der Gesellschaft erfordert Recht im modernen Sinne oft ersichtlich nicht. 3. Wie prekär dieses Gleichgewicht der Gesellschaft und ihrer Ordnung allerdings ist, zeigen die bis an die Grenzen des Bürgerkriegs und zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen reichenden Konflikte vor allem in Ostindien. Hier steuert „Binnenstabilität“ von Gesellschaft nicht mehr im Sinne eines friedlichen Ausgleichs, begegnen innerstaatliche Interessen der Selbstbehauptung und außenpolitische Ziele der Wahrung der nationalen Integrität wirtschaftlichen Interessen der Großmacht, nicht nur im Zusammenhang mit der Energiepolitik, sondern auch schlicht der Teilhabe an Märkten, bis hin zum Handel mit Edelsteinen oder Drogen. Zu diesen Konflikten gehören die undeutlichen Herrschaftsverhältnisse östlich und nördlich von Bangladesch ebenso wie die Auseinandersetzungen mit Aufstandsbewegungen westlich und südlich von Westbengalen. Östlich und nördlich erscheint offenbar die exekutivische Herrschaft Indiens gefährdet von Rohstoffe ausbeutenden Machtstrukturen, Drogenbaronen und sonstigen teils mafiösen, teils auch tribalistischen Orts- oder Regional„fürsten“. Das zeigt sich zunächst darin, dass dort die öffentliche Sicherheit über längere Zeiträume keineswegs gewährleistet erscheint. Im Rahmen der Durchsetzung einer modernen Investitionspolitik findet in Westbengalen zugleich ein Bauernlegen statt. Sie soll Industrieansiedlungen ermöglichen. Südlich und westlich von Westbengalen scheint das Feld beherrscht zu werden von landlosen, in westlichen Begriffen wohl kommunistisch, sozialistisch oder anarchistisch geprägten, teils lang anhaltenden Aufstandsbewegungen. Sie liefern sich immer wieder provozierte oder beabsichtigte Gefechte mit der paramilitärisch gerüsteten Poli70 Vgl. zu anderen, aber in manchem doch vergleichbaren Phänomenen Goerlich, Legislative Vollzugsdefizite und ihre Kontrolle am Beispiel der deutschen Vereinigung, in: ZG 7 (1992), 303 ff.

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zei, die auf beiden Seiten zu großen Verlusten führen, über welche die Presse von Zeit zu Zeit berichtet. Wie weit heute oder früher am Rande des Staatsgebiets Indiens dies auch mit fortgesetzten chinesischen Einflussnahmen zusammenhängt oder -hing, ist ganz undeutlich, wobei diese Einflussnahmen sich vielleicht mancherorts rechtfertigen aus nie aus der Welt geräumten Konflikten über den Verlauf der gemeinsamen Grenzen. Diese Geschehnisse gehen über die sonstigen Konflikte in Indien weit hinaus. Sie stellen als interne Konflikte die rechtliche Ordnung schlechthin in Frage. Auch scheinen sie auf Dauer gestellt und führen zur Abwanderung von Bevölkerungsteilen, die diesen Schritt wagen können und dafür die nötige Bildung und Ausbildung besitzen. Indes wäre gegenüber diesen Phänomenen das Recht zu berufen. Wobei sich an solchen Fällen zeigt, dass es dabei nicht nur auf das innerstaatliche Recht ankäme, sondern auch auf ein humanitäres regionales sowie das universale Völkerrecht und auf eine angemessene Politik auf Grundlage der Menschenrechte. Dies würde entsprechend der ambivalenten Wirkung von Recht überhaupt auch hier allerdings nicht nur einseitig zugunsten einer beteiligten Seite wirken, sondern zugleich zur Beachtung von Recht dort führen müssen, wo es auf den ersten Blick im Verhältnis zum eigenen Interesse nachteilig erscheint. All diese Umstände zeigen aber, dass selbst große, als Weltmacht nahezu etablierte Staaten im Interesse ihrer inneren Stabilität wie ihrer regionalen Stellung auf die kulturelle Vielfalt nicht nur sichernde, sondern vor allem auch stützende Regeln des Völkerrechts, regionaler Konventionen und zwischenstaatlicher Vereinbarungen angewiesen sein können. Dies kann nicht nur zwischen benachbarten Weltmächten bedeutsam sein; es kann auch den schwächeren Nachbarn zur Stütze dienen gegenüber den Großmachtinteressen, die auch Indien ersichtlich manchmal unabhängig vom Recht verfolgt. Zudem kann es den vielfältigen Gruppen, Ethnien und Minderheiten in einer solchen Region Alternativen bieten zu den Waffen der Gewalt und der Zerstörung der örtlichen und regionalen Strukturen des Lebens, der Kultur und der Wirtschaft, die mit andauernden Konflikten dieser Art einhergehen. Selbst Kleingruppen und Einzelnen vermag die Schaffung solcher völkerrechtlicher Strukturen bei der Erhaltung ihrer Formen des Lebens, der Religion, der weiteren Kultur und Wirtschaft in ihrem Raum helfen, wenn der Schutz der kulturellen Vielfalt ausgebaut und ergänzt wird durch ein System des Rechtsschutzes. 4. Eine Weltmacht kann allerdings dazu tendieren, die Förderung solcher Rechtsstrukturen beiseite zu lassen. Das gilt, zumal wenn sie von der Erfahrung eigener kultureller Vielfalt geprägt ist; einer Vielfalt, die sich selbst trägt, die nach der eigenen geschichtlichen Erfahrung stärker ist als die Kräfte, die von außen hinzutraten, und auch geprägt wird von einer Einbettung des Einzelnen in sie, die gegenüber dem individuellen Schicksal eine gewisse soziale Gleichgültigkeit jedenfalls ermöglicht. Indien ist allerdings dieser Weg des Umgangs mit solchen Fragen schwerer gemacht,

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weil es die Verfassungs- und Rechtskultur des Westens in ihrer modernen Gestalt nicht nur mit dem britischen Erbstück des common law, sondern darüber hinaus mit der Bundesverfassung von 1950 durch die Aufnahme eines umfassenden Katalogs individueller und Gruppenrechte in sich aufgenommen hat. Der Anschluss der eigenen Traditionen an die westlichen Rechtskonzepte, die das Individuum stützen, musste gesucht und gefunden werden.71 Er erlaubt der Nation nicht mehr, sich wie bisher vor allem auf die kulturelle Vielfalt und Kraft zu verlassen; er erfordert auch, um ihrer Erhaltung und Stabilität willen dieses Recht hinzuzuziehen und sich seiner zu bedienen. Das gilt dann vielleicht auch für die Haltung Indiens gegenüber der UNESCOVielfaltskonvention72. Sie war dort bisher – soweit sie kulturelle Vielfalt schützt und deshalb von Regeln des internationalen Wirtschaftsrechts ausnimmt – aufgrund der eigenen Größe und Stärke gleichgültig. Der Markt ist für eigene kulturelle Produktion kraft der eigenen Zahl so gesichert, dass solche Schutzmechanismen vor allem gegenüber amerikanischen Interessen, welche die dortige Kulturindustrie fördern,73 schlüssig erscheinen. Die Dinge liegen aber anders, wenn die eigene Vielfalt auch die Wahrnehmung der Gefahren für geschwächte Gruppen an ihrem Rande nicht stört. Dann können solche Schutzmechanismen bedeutsam werden, obwohl grundsätzlich die eigene Stärke auf die Größe der eigenen Zahl im Spektrum der eigenen Identität als main stream bauen kann. Denn gefährdete Teile einer solchen Vielfalt müssen den Rekurs auf das Recht, sei es auf nationaler Ebene oder im zwischenstaatlichen Feld, suchen können, sollen sie den Glauben an die eigene Identität der Nation als Ganzes nicht verlieren und auf diesem Wege in die Nation als intellektuell-kulturellem Produkt einer Geschichte der Gemeinsamkeit integriert bleiben. Das gemeinsame Recht dieser Nation wird dann gebettet in einen Hintergrund des Schutzes auch einer Vielfalt, die in Teilen selbst gefährdet erscheint; dies umso mehr, seit Indien als Großmacht und heute als Weltmacht seine Interessen deutlicher verfolgt als bisher. Zugleich ermöglicht es das Recht dann, republikanische Postulate und kulturelle Vielfalt weiterhin einander zuzuordnen: Die gewisse Homogenität in Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit der Nation, so wie sie eine Verfassung zusammenhält, bleibt dann angesagt. Insofern entlässt das gemeinsame Recht der Nation diese nicht aus seinem normativen Anspruch. Vielmehr ist sie auch auf dieses Recht zurückzuführen. Gewiss sind es auch viele andere Elemente eines gemeinsamen Bewusstseins als Nation, die hier eine Rolle spielen. Aber diese anderen Elemente sind meist zugleich auch Versatzstücke einer spezifischen Kultur einer Teilgruppe der nur in der Vielfalt gemeinsamen Gesellschaft. Deshalb ist das gemeinsame 71

Singh, Human Rights in the Indian Tradition – Search for an Alternative Model, in: Singh et al. (Eds.), Human Rights and Basic Needs, Delhi 2008, S. 3 ff.; sowie Sharma, Are Human Rights Western?, New Delhi 2006. 72 V. 20.10. 2005, in Kraft getreten am 18.3. 2007. 73 Neuwirth, The Cultural Industries, 2006.

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Recht in vielfältigen Gesellschaften dieser Art in seinen Grundlagen Integrationsfaktor hin zur Nation. Und das gilt eben nicht nur für jene elementaren Rechtsmaximen der natural justice, auf die schon hingewiesen wurde. Es gilt auch für die elementaren Maximen der gemeinsamen Republik und des Rechts, das sie konstituiert, ebenso wie für ihre grundlegenden, der europäischen Aufklärung entstammenden Postulate, die im 18. Jahrhundert zu einer republikanischen Kultur geführt haben,74 der sich auch die USA nicht entziehen können, so sehr sie sich als Weltmacht an ihr des Öfteren auch reiben. Diese Kultur haben – allerdings in bemerkenswerten Varianten – auch die früheren britischen Kolonien bewahrt. Im Inneren ist diese Kultur inzwischen auf verschiedenen Wegen präsent, ergänzt um Elemente der großen europäischen Revolutionen, deren Verfassungskultur unmittelbar auf den britischen Inseln nicht Fuß gefasst hatte. In Indien ist dies dank seiner Verfassung besonders deutlich. Sie hat in der Nachkriegszeit Versatzstücke des amerikanischen Verfassungsdenkens aufgegriffen. Diese Rezeption vollzog sich allerdings von Anfang an so, dass soziale Komponenten des indischen Selbstverständnisses sie begleitet haben. Dies war anfangs besonders deutlich, als Indien sich als sozialistische Republik verstand. Daraus sind heute vor allem Postulate eines sozialen Ausgleichs geworden, der für weite Teile der Bevölkerung und der Minoritäten jedoch – wirtschaftlich gesehen – immer noch auf sich warten lässt. Die Verfassung und das Recht stellen dennoch die Instrumente eines solchen Ausgleichs in ihrem Rahmen bereit; dies ist festzuhalten. Dieser Befund gilt auch für die unerträglichen Verhältnisse in den Gefängnissen, die Zustände auf dem Arbeitsmarkt, das Ausmaß der Korruption und die fehlende Bereitschaft der Gesetzgebung, diese Zustände mit ihren Mitteln zu bekämpfen. So ist in Indien wohl nicht nur die Folter durchaus möglich, sondern auch das Untersuchungsgefängnis oft der Ort ungewisser Hoffnung, wann endlich das Verfahren stattfindet. Und es werden Arbeitnehmer, die sich aus Arbeitsverhältnissen angesichts der untragbaren Verträge herauswinden, mit Mitteln des Strafrechts kriminalisiert. Auch ist angesichts der Vollzugsdefizite die Hoffnung auf angemessene Verwaltungsverfahren kein leichtes Spiel. Und Rechtsschutz ist für viele, zumal für die kleinen Bauern – etwa gegenüber Firmen, die Saatgut verkaufen, oder Aufkäufern ihrer Ernten – unerreichbar. 5. Damit erweisen sich im Sinne einer Hoffnung Verfassung und Recht als unverzichtbare Elemente der inneren Stabilität. Wie aber schon angedeutet, werden sie auch die Stabilität Indiens als Weltmacht nach außen begleiten müssen. Denn selbst Großmächte können heute nicht mehr darauf verzichten, ihre Rechtskultur festzuhalten. Es sind diese Rechtsbindungen sicher oft eine Last. Aber auf der anderen Seite stellen sie die eigene Politik in einen Rahmen, der sie rechtfertigt. Nach außen treten die völkerrechtlichen Bindungen hinzu, die in der common-law-Tradition kraft des 74 Dazu Pocock, The Machiavellian Moment. Florentine Political Thought and the Atlantic Republican Tradition, 1975; u. aus der Erfahrung mit einer Kolonialmacht Wood, The Creation of the American Republic 1776 – 1787, 1969.

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monistischen Konzepts der Verhältnisse zwischen nationalem inneren und äußerem internationalen Recht kaum geringere Normativität besitzen, auch wenn sie ein sehr viel offeneres Netz von Rechtsbindungen darstellen. Als Weltmacht kann Indien daher auf den Rückgriff in das Recht der eigenen Tradition nicht verzichten. Bloße staatliche Souveränität ist auch auf dieser Ebene keine Alternative für die Grundlagen der Außenpolitik. Insofern enthalten diese Bindungen kraft der aufgegriffenen und fortentwickelten, nunmehr ganz eigenen Rechtstradition unverzichtbare Elemente, die vorzuziehen sind. Hinzu kommt im Falle Indiens die tatsächliche demokratische Legitimation der auf diese Weise an sich schon rechtlich legitimierten Herrschaft. Dadurch erhält die Republik ihre Glaubwürdigkeit auf Dauer. Im Falle Indiens ist diese Legitimationsbasis das erfolgreiche Element der eigenen Verfasstheit seit der Unabhängigkeit. Und gerade in ihrer Vielfalt verstehen es besonders kleine Teilgruppen der indischen Gesellschaft, ihre demokratische Stimmkraft in Wahlen ausschlaggebend zu nutzen. Deshalb erweist sich bis in die gegenwärtige Tagespolitik der Erfolg Indiens als Nation an der Präsenz kleiner Parteien in der nationalen Repräsentation, auf welche die großen Parteien im politischen Prozess der Suche von Mehrheiten angewiesen sind. Insofern ist trotz aller Mängel in Einzelheiten das indische politische System neben der hier besonders hervorgehobenen Rechtstradition der stärkste Trumpf seiner Stabilisierung von innen nach außen. 6. Beides, sowohl die demokratische Legitimation als auch das Recht auf der Grundlage der Verfassung und der eigenen Traditionen, bindet die Weltmacht. Sie machen im Konzert der Weltmächte Indien zu einem besonderen Faktor. Es tritt hier nicht ein absoluter souveräner Staat auf, dessen innere Ordnung mehr oder weniger diktatorisch, autoritär oder gewaltsam erscheint. Vielmehr hat man es mit einer Nation zu tun, die über solche älteren Formen der Herrschaft hinausgelangt ist. Das befähigt sie, modernen Herausforderungen angemessen zu begegnen. Damit werden demokratische Legitimation und Recht zu tragenden Elementen der „Anschlussfähigkeit“ an die Zukunft moderner Ordnungsstrukturen jenseits einer hier nie ganz etablierten herkömmlichen Staatlichkeit, insbesondere auch einer solchen, die meint, ohne Rechtsbindungen und demokratische Legitimation auszukommen. Dabei spielt keine Rolle, dass die Demokratie in der Praxis eine begrenzte Reichweite besitzt. Denn dies ist eine Frage der Reform, nicht des Prinzips. Und ebenso kommt es nicht darauf an, welches Maß der rule of law oder sonst rechtsstaatlicher Vorstellungen verwirklicht ist. Denn auch insoweit ist die Basis entscheidend, von der aus die jeweils gegenwärtigen Fragen hier und jetzt angemessenen Lösungen zugeführt werden können.

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IV. Schlussbemerkung Indien ist nach allem der Fall einer einzigartigen, „demokratischen“ sowie rechtsgebundenen und strukturell vielfaltsorientierten Herrschaftsstruktur unter den „nichtwestlichen“ Weltmächten. Es repräsentiert damit Elemente künftiger Entwicklung des Verhältnisses von Verfassung, Recht, Staat und Nation. Es ist weder auf einen herkömmlichen Begriff vom Staat noch auf einen solchen der Nation angewiesen. Denn es vermag kraft seiner eigenen Traditionen diese Kategorien hinter sich zu lassen, fortzubilden oder aufzugreifen. Indien etabliert – anders als Gemeinwesen, die in eine solche Situation erst hineinwachsen – die Modernität einer multikulturellen Gesellschaft. So wird „cultural diversity“ zum unausweichlichen Schicksal in der heutigen globalisierten Welt. Trotz vieler Schwächen bietet Indien daher ein Modell insgesamt und Modelle im Einzelnen für die Fortentwicklung politischer Kultur und Lebensform. Insofern rechtfertigt es die westliche Faszination, die es früher in anderer Weise beanspruchen durfte. Allerdings ist angesichts der Zusammenballung politischer, militärischer und sozialer Macht, die hier doch stattfindet, auch wenn sie sich – in gewisser Weise aus guten, für das Land typischen Gründen – immer noch nicht in einem „starken Staat“ organisiert, wieder darauf hinzuweisen, dass auch in Indien seit eh und je Macht korrumpiert, um es mit John Dalberg-Acton zu sagen: „power always corrupts“.75 Daher bleibt nur – nicht nur in der inneren Struktur, sondern auch international in der Region – Sicherheit zu suchen, „which comes from the balance of power“76.

75

Lord Acton, Revolution oder Freiheit, 1952, S. 12. Zu Gründen des spanischen Erbfolgekriegs Lord Acton, Lectures on Modern History (1906), 1963, S. 244. 76

„Wir sind das Volk“ [2009]* „Wir sind das Volk, wir sind die Kraft, die hier die neue Freiheit schafft“, so lautete die Parole auf einem Transparent auf dem Leipziger Ring gegen Ende November 1989.1 Die das aussprachen, beschritten noch nicht den Weg zur imaginierten Gemeinschaft2 einer immer noch ungleichzeitigen Nation.3 Die Losung war noch auf einen eigenen Pfad aus, der eine eigene demokratische Legitimation besaß. Wer hier das Volk sei,4 wer also im Sinne jenes berühmten Diktums von Bertolt Brecht zum 17. Juni 1956 von der Regierung aufgelöst werden müsse,5 war nicht mehr offen. Die Option der gewaltsamen Auflösung des demokratischen Rätsels in Gestalt des allfälligen Verfassungskonstrukts stand nicht mehr zur Verfügung. Es gab ein Fenster offener Zeit, um den Spuk zu beenden. Was aber ist geblieben, wo ist das Volk, die Kraft und was ist nun die neue Freiheit? Die erste Frage erscheint vor allem auch von Interesse insofern, als die ältere und schlichtere, nur aus vier Worten bestehende Parole „Wir sind das Volk“ ersichtlich schon am 9. Oktober im Herbst 1989 auftrat, damals aber noch im Anschluss an

* Zuerst veröffentlicht in: Mitglieder der Juristenfakultät (Hrsg.), Festschrift der Juristenfakultät zum 600-jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009, S. 245 ff. 1 Vgl. Leipziger Demontagebuch, zusammengestellt mit einer Chronik von Schneider, 1990, S. 123. 2 Dazu Anderson, Imagined Communities (1983), 2. Aufl. in Übersetzung unter dem Titel „Die Erfindung der Nation – Zur Karriere eines erfolgreichen Konzepts“, 1996. 3 Ungleichzeitig waren auch die Deutungen der Parole „Wir sind das Volk“ in der vor dem Zusammenbruch befindlichen DDR; anzumerken ist auch, dass die ostdeutschen Intellektuellen im Gegensatz zu denen in Polen und Tschechien weder Opposition noch Ausgangspunkt des Umbruchs waren, vgl. insgesamt mit treffender Analyse auch anderer Ungleichzeitigkeiten Lepenies, Kultur und Politik – Deutsche Geschichten, 2008, S. 377 ff. (400 ff.). Älteres zu Ungleichzeitigkeiten bei Plessner, Die verspätete Nation (1959), 1974, S. 32 ff. u. Bloch, Die Erbschaft dieser Zeit (1935), Erw. Ausg., 1962, S. 104 ff. 4 Dazu Müller, Wer ist das Volk? Die Grundfrage der Demokratie – Elemente einer Verfassungstheorie VI, 1997; u. nun Möllers, Expressive versus repräsentative Demokratie, in: Kreide u. a. (Hrsg.), Transnationale Verrechtlichung. Nationale Demokratien im Kontext globaler Politik, H. Brunkhorst z. 60. Geb., 2008, S. 160 ff. (168 ff.). Zum Begriff Keller, Kulturelle Vielfalt und Staatsvolk: Gilt es den Begriff des Volkes zu überdenken?, in: Nolte u. a. (Hrsg.), Pluralistische Gesellschaften und Internationales Recht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 43 (2008), S. 39 ff. 5 Vgl. Brecht, Die Lösung, in: ders., Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Bd. III, 1997, S. 404.

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den Sprechchor „Wir sind keine Rowdys“6, also in einer gewissen Furcht davor, diskriminiert, ausgegrenzt und ohne neues demokratisches Selbstbewusstsein zu enden. Im Dezember jenes Jahres wandelte sich die Parole, es wurde nun daraus „Wir sind ein Volk“.7 Darauf hat im Gedenken an Ulrich Mühe einer seiner Kollegen vor kurzem im Fernsehen noch einmal besonders hingewiesen.8 Mit dieser Formulierung entfiel jedenfalls zu einem großen Teil der Anspruch auf Eigenständigkeit, selbst aus der DDR heraus Neues zu schaffen. Nun traten Hoffnungen auf die Vereinigung mit der Bundesrepublik hinzu, in der Sendung von Mühes Kollege als „Anschluss“ tituliert. Die Geschichte ist über die Option „ohne Anschluss“ hinweggegangen. Es bleibt also, was gekommen ist. Sicher ist aber Einiges von dem zuvor Erhofften und von dem Erlebten geblieben. Dies gilt schon im Sinne eines Rechtspluralismus, bezieht man die jüngeren Ergebnisse der Rechtsethnologie ein, die von der normativen Vielfalt geschriebenen, ungeschriebenen und ganz unterschiedlich legitimierten Rechtsbewusstseins in Gesellschaften wissen.9 Das gilt sicher auch für Gesellschaften, die erst zusammenwachsen. Anders gilt es aber auch für so komplexe Strukturen, wie man sie in Indien antreffen kann. Dies war etwa eine Erfahrung, die aus einer gemeinsamen Konferenz der Leipziger Juristenfakultät und der West Bengal National University of Juridical Sciences in Kolkata/Kalkutta, Indien, im März 2008 zu dem Thema „Cultural Diversity and Law“ hervorgegangen ist, auf der schon der Eröffnungsvortrag nicht nur den Nationalstaat westlichen Typs, sondern auch sein von ihm autorisiertes Recht in Frage stellte.10 Im Sinne der Vielfalt der Rechtserwartungen und des damit jeweils verbundenen Rechtsbewusstseins ist mithin nicht möglich, die Ergebnisse, welche „das Volk“ bewirkt hat, als das darzustellen, was damals erstrebt wurde. Aber gerade die oben angesprochene Fernsehsendung präsentierte Ulrich Mühe mit einer Äußerung dahin, dass dieses Volk die freie Debatte erst einüben, ja lernen musste. Insofern war auch offen, welche Vorstellungen sich durchsetzen würden. In einer gewissen Weise ist diese Debatte, zumindest unterschwellig, nicht zu Ende. Sie wird immer noch geführt im Sinne der Vielfalt, die sie voraussetzt und erfordert. Zu dieser De6

Dazu Zwahr, Ende einer Selbstzerstörung. Leipzig und die Revolution in der DDR, 1993, S. 79 ff. (97). 7 Vgl. Leipziger Demontagebuch (Anm. 1), S. 154. Die Differenz auch bei Stern, Fünf Deutschland und ein Leben (2006), 5. Aufl. 2007, S. 578; u. im Bericht v. Behrens, in: Lindner/Grüneberger (Hrsg.), Demonteure. Biographien des Leipziger Herbst, 1992, S. 223 ff. (232). 8 In der Sendung v. 26.7. 2008, 20.15 Uhr in 3sat: „Jetzt bin ich allein“: Ulrich Mühe – Leben und Werk. 9 Jüngst dazu Wiater, Kulturpluralismus als Herausforderung für Rechtstheorie und Rechtspraxis. Eine völkerrechtsdogmatische und ethnologische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2008; sowie v. BendaBeckmann, Pluralismus von Recht und Ordnung, in: 1 Behemoth – A Journal on Civilization (2008), 58 ff. 10 Die Konferenz insgesamt und der Eröffnungsvortrag werden in einem Tagungsband, hrsgg. v. Singh und Kotzur, dokumentiert.

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batte kann es beitragen, einmal die „Errungenschaften“ aufzulisten, die Teil des Erreichten sind. Vorab ist allerdings anzumerken, dass hier nicht genug Platz ist, auf die sozial- und vermögenspolitischen Folgen mancher Politiken der Vereinigung einzugehen. Hier wäre beispielsweise zu sprechen von den Chancen der Ostdeutschen insgesamt, an Vermögensbildung oder Unternehmen in der Landwirtschaft teilzuhaben. Daran hinderten einerseits Steuervorteile, die westliche Investoren mit hohem Einkommen im Osten wahrnehmen konnten. Ostdeutschen fehlten dafür die erforderlichen hohen Einkommen. Andererseits konnten nur wenige, zuvor oft leitende Figuren in den LPGen, dann alsbald „rote Barone“ genannte Landwirte rechtlich neue Formen schaffen, um in diesem Gewand die Betriebsgrößen der Produktionsgenossenschaften der DDR fortzusetzen; sie kauften oder pachteten oft langjährig die Flächen der zuvor vergenossenschafteten Eigentümer und erhielten zudem nicht selten Flächen aus dem Bestand der Besatzungsenteignungen, die nicht rückgängig gemacht wurden, vom Staat. Dies führte nicht nur zu einer großen Zahl „abwesender Eigentümer“ des Grundes in Städten und in Forsten, sondern auch zur Minderung der Möglichkeiten einer selbstständigen beruflichen Entwicklung, neben Unzufriedenheit, Deklassement eines schon zuvor in der DDR sukzessive verarmten Mittelstandes auf dem Lande und damit zu bisher nicht gekannter Ungleichheit. I. Zunächst verwirklichte sich die Freizügigkeit als „Ausreisefreiheit“, zu schweigen von Auswanderungsfreiheit. Heute beansprucht sie vor allem die Jugend in Gestalt der Freizügigkeit. Sie scheint nun manchmal ins Touristische verkürzt.11 Zudem haben diese Freiheiten eine stete Migration nach Westen ausgelöst. Die damit verbundene Mobilität wird zurückwirken, auch wenn sich selbst unter Studierenden diese Route leider immer noch vor allem als Einbahnstraße darstellt.12 Der Hochschulpakt 2020 des Bundes und der Länder hofft auf eine andere Entwicklung. Die Studierenden, die in Leipzig angekommen sind, schätzen den Standort. Zunächst – in der Wendezeit – zerbrachen diese Freiheiten das bisherige starre, der Devisen wegen allerdings zum Teil löchrige Gehege des vorgeblich sozialistischen Polizeistaats. Das war angesichts des Wandels im eigenen Lager nicht mehr rückgängig zu machen. Daher fiel alsbald – nicht nur versehentlich – die Mauer selbst.

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Das ist zu finden in Schulze, Adam und Evelyn, 2008, samt Hintergrund zum „Arbeiteru. Bauernparadies“; insgesamt u. distanzierter aus bürgerlich-intellektueller Perspektive Tellkamp, Der Turm, 2008. 12 Ohne nähere Überprüfung kann man lesen: 22 % der Abiturienten des Ostens gehen in den Westen, aber nur 4 % der Abiturienten des Westens beginnen das Studium im Osten, vgl. FAZ, Nr. 173 v. 26./27.7. 2008, C 8.

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II. Auch die Mauern, in denen jede öffentliche Debatte unmöglich war oder aber nur in Andeutungen das Wort fand, kamen damit zu Fall. Die freie Kommunikation schien zunächst in einen herrschaftsfreien Diskurs13 zu münden. Die Herrschaftsfreiheit schien wörtlich Wirklichkeit, so wenig man dies im „Alltag“ für möglich halten kann. Schließlich gab es in der DDR keine freie Verbandsbildung, sodass sich organisierte Interessen als solche nicht rasch artikulieren konnten. Anders lag es nur bei den Kirchen; sie hatten auch Personal, das in der öffentlichen Rede geübt war; daher fanden sie sich alsbald in einer außerordentlichen Rolle, die sie heute nicht mehr innehaben.14 Außerdem suchten manche aus dem Staatsapparat die Debatte zu beeinflussen, oft durchschaubar und erfolglos. Die politischen Parteien konnten als Blockparteien des alten Regimes diese Lücke in der Organisation des politischen Willens ebenso wenig schließen. Die neuen Parteien waren noch nicht auf dem Plan. Es entstand in der Tat eine herrschaftsfreie Situation. Diese Situation schien einem bei J. J. Rousseau anzutreffenden, bekannten Misstrauen gegenüber intermediären Mächten zu entsprechen. Dort erscheinen die Verbände nämlich als Störenfriede im Prozess der Willensbildung.15 Eine neue demokratische Debatte lässt sich im Sinne einer revolutionären Situation ohne von Verbandsmacht beeinflusste Interventionen besser durchführen. Die ungetrübte gleiche Freiheit des Geistes trat allerdings dergestalt in jenem historischen Moment nur in diesem Herbst hervor. Sie kam zu Wort. Und sie verhinderte zunächst den vorauseilenden Gehorsam einer Gesellschaft, welche die Techniken der Machthaber kennt und sich ihnen nur in einem den eigenen Fortbestand nachhaltig sichernden Maß aussetzt. Diese Geschmeidigkeit trat zurück und die freie Rede griff Platz. Dabei schien der so entstehende Diskurs nicht nur frei von Herrschaft, sondern insbesondere frei von partikularen Interessen. Die – jedenfalls an der Oberfläche – gemeinsame Identität, gewonnen aus langjährigen, gemeinsam erlittenen repressiven Erfahrungen der Diktatur, sicherte die Perspektive des gemeinsamen Ziels. Neues, glaubte man, habe nun freie Bahn. Darauf folgte die Verfassungsdebatte derer, denen es um neue Freiheit ging, während sich anderen schon der Konsum aufdrängte. Indes bleibt nicht nur die Erinnerung an herrschaftsfreie Kommunikation. Die Dialektik dieser Kommunikation erlaubte, gemeinsame Interessen in den Vordergrund zu stellen, die Gleichheit der Ausgangsposition – nahezu in einem philosophi13

Für das Modell Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981; u. etwa ders., Vorwort zur Neuauflage 1990, in: ders., Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 11 ff. (36 ff.). 14 Dazu Neubert, Von der Volkskirche zur Minderheitskirche – Bilanz 1990, in: Dähn (Hrsg.), Die Rolle der Kirchen in der DDR. Eine erste Bilanz, 1993, S. 36 ff.; zur „Opposition“ der Kirchen u. ihrer Mitglieder, die ja nicht den Umsturz betrieben, vgl. Lepenies, (Anm. 3), S. 403; auch v. Weizsäcker im Gespräch mit Hofmann u. Perger, 1992, S. 59 ff. 15 Dazu Bull, „Freiheit der Arbeit“ als Unterdrückung der Koalitionsfreiheit. Die loi Le Chapelier v. 1791 u. ihre Folgen, in: Gornig u. a. (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Gemeinde. Festschrift f. W. Frotscher zum 70. Geb., 2007, S. 129 ff. (131 ff.).

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schen Sinne – festzuhalten und privaten Interessen nur eine zunächst zweitrangige Bedeutung zuzuweisen, selbst wenn sie sich im Hintergrund schließlich doch zu formieren wussten. In privaten Gesprächen stößt man bis heute auf Offenheit für Alternativen. Privatheit ist daher immer noch von größerem Gewicht, weil sie diese Alternativen beheimatet, selbst wenn diese öffentlich auf den ersten Blick keine Rolle mehr spielen. Das private Gespräch birgt immer noch Elemente jenes zeitweilig realen herrschaftsfreien Diskurses, den dieser Herbst mit sich brachte. Dem, der von außen hinzutrat, erschien dieser Diskurs indes manchmal in gewisser Weise unwirklich, jedenfalls dann, wenn die eigene Erfahrung von der an Interessen orientierten Struktur der öffentlichen Meinungsbildung geprägt war. III. Im Rahmen dieses Diskurses gewann die Informationsfreiheit zusätzliches Gewicht. Zwar hatte man Zugang zu Informationen weithin über Radio und Fernsehen gehabt. Der Staat beschränkte seine Bürger aber darauf und belegte die Inanspruchnahme dieser Quellen zudem mit einem Verbot, das sanktioniert werden konnte. Auch hatten keineswegs alle gleichen Zugang dazu. Beschränkungen der Informationsfreiheit hatte es als Teil des Kalten Krieges16 auch im Westen gegeben; sie wurden aber rechtsstaatlich gestutzt und behielten den entsprechenden Geschmack.17 Nun öffnete sich die ganze Breite der kommunikativen Instrumentarien, es kamen Möglichkeiten hinzu: Literatur und Kunst eröffneten neue Dimensionen und beanspruchten die größere Öffentlichkeit des geschichtlichen Augenblicks in diesem Herbst.18 Die vielfältigen Ebenen der Kommunikation und das neue Spektrum der Informationen wurden gangbar. Die alten und die neuen Länder etablierten gemeinsam einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der hierzu wesentlich beitrug und bis heute beiträgt, selbst wenn die irregeleitete Debatte um die Rundfunkgebühr19 derlei ausblendet. Das stabilisierte die öffentliche Meinungsbildung weitgehend, obwohl eine entsprechend stabile soziale Struktur nicht bestand, da sie sich nicht sozusagen über Nacht entwickeln konnte. Die Kommunikation wurde dadurch nicht esoterisch, aber es verband sich die Innerlichkeit eines diskreten Wissens aus der Zeit der Diktatur mit den neuen Möglichkeiten der Begründung schon vertretener Sichtweisen; 16 Zu „Presse-, Zeitungs-, Brief- u. Postzwang“, mit denen sich der Krieg verteidigt, Paul, Friedenspredigt an Deutschland (1808), 1946, S. 18; u. ders., Sämtl. Werke, 1842, Bd. 25, S. 21; u. dazu de Bruyn, Das Leben des J. P. F. Richter (1975), 1991, S. 262 ff., 275 ff. 17 Für Verbringungsverbote, die wohl eine Überflutung mit Propaganda-Presse abwendeten, aber mit der Informationsfreiheit in Konflikt gerieten, i. Ü. BVerfGE 27, 71 (81 ff.) sowie BVerfGE 90, 27 (32) u. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Rn. 76 ff. zu Art. 5 I, II. 18 Es blieb nicht mehr bei den Zwischentönen der DDR-Literatur, der „Sklavensprache“, wie Hans Mayer sie nannte, vgl. ders., Der Turm von Babel, 1993, S. 246 und passim. 19 Sie trägt Züge einer Kampagne u. verschweigt oft die Befreiungstatbestände des Gebührenrechts, die Belastungen abfangen, vgl. Goerlich, in: Hahn/Vesting (Hrsg.), Beck’scher Komm. zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, Rn. 2 und 9 ff. zu § 6 RGebStV.

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die Außenperspektive zu den eigenen Anschauungen wurde möglich. Die Außenwahrnehmung hat sicher die schon genannte Abwanderung der Bevölkerung verstärkt. Diese Migration ist aber mit einem Rückfluss an Informationen verbunden, löst also stetig neue Kommunikationsprozesse aus. Dies gilt auch dann, wenn die Migration noch geraume Zeit auf einer Einbahnstraße stattzufinden scheint. Rasch ergab sich übrigens ein gesteigertes Informationsbedürfnis, auch um die eigene „Weltanschauung“ zu überprüfen; für viele war sie neu zu justieren. Auch die gesamtgesellschaftlichen Deutungsmuster mussten sich nun legitimieren. Auch dafür war nicht nur der freiere Zugang zu Informationen von Gewicht, sondern auch eine aufblühende Kultur von informellen Arbeitskreisen, Zirkeln und Initiativen, wobei passivere und private Formen solcher Kommunikation in manchen Kreisen schon eingeübt waren und nun nach außen traten. Wenige hatten schon in der DDR riskiert, diese Instrumente im Ansatz auch öffentlich einzusetzen. IV. Viel unmittelbarer war die neue Freiheit zudem dadurch eröffnet, dass der Zugang zu Schulen und Ausbildung nicht mehr von der Anpassung an Herrschaftsstrukturen abhing. Er wurde mehr als Zugang zur Bildung denn als Berufszugang erfahren, vor allem im Laufe der Entwicklung, als immer undurchsichtiger wurde, wie man sich vor den Folgen des Wandels und dann weithin des Fortfalls der Arbeitswelt der DDR würde schützen können. Bildung musste nicht mehr nur innerlich gepflegt werden, sie konnte nun auch hervortreten. Dabei schlug im Übrigen zu Buche, dass beide deutsche Diktaturen etwas von den Bildungswelten des 19. Jahrhunderts – im nationalen Bewusstsein versteckt – hatten überleben lassen; dies war anders als im Westen, wo diese Welten seit Ende der fünfziger Jahre zunehmend neuen Anpassungsprozessen zum Opfer fielen. Die neue Freiheit eröffnete so ersehnte Zugänge zu dem, was man fast verloren glaubte. Die Neugier war breit gestreut und die Rezeptionsbereitschaft beträchtlich. Dabei behielt Bildung ihren Selbstwert, ja für viele gewann sie an Statur. Zugleich konnte sie auch zur Orientierung oder sogar zu Neuorientierungen verhelfen. So wuchs ihr ein Eigengewicht neben den Ausbildungen und Ausbildungsgängen zu, zumal die Misere auf dem Arbeitsmarkt dazu zwang, Bildung, Ausbildung und Berufszugang entkoppelt zu sehen. Damit etablierte sich früher als in Gesamtdeutschland ein Entkopplungsprozess, den nicht nur arme, sondern auch reiche Gesellschaften durchlaufen; beide bewahrt die staatliche Steuerung nicht mehr davor, solche Erfahrungen zu machen und sie in verallgemeinerungsfähige Maximen umzusetzen. Größere Flexibilität ist neben Ausbildung vor allem auch in der Grunddisposition des Arbeitssuchenden gefragt. Sie kann ein Ergebnis der Ausbildung sein, die im moderneren Sinne Bildung indiziert. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Arbeitslosigkeit von Personen mit einem akademischen Abschluss wesentlich geringer ist als unter Personen aus anderen Gruppen.

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V. Erhalten blieb als Teil der neuen Freiheit die Gleichheit als soziale Disposition, nicht vor allem als normatives Postulat gegenüber bestehender gesellschaftlicher Ungleichheit. Dies unterscheidet die Geister bis heute. Diese Disposition ist im Übrigen nicht nur eine Folge der Politik der DDR, darunter die der Beseitigung des Bürgertums, was vollständig allerdings nicht gelungen ist. Sie ist vielmehr schon angelegt in der stratifizierenden Wirkung des NS-Regimes und des von ihm initiierten Krieges. Nicht nur hatten die älteren Eliten, die diesem Regime in den Sattel halfen, ihre Glaubwürdigkeit endgültig verloren. Neben dem Kriegstod kam erneut und in viel stärkerem Maße eine Umwälzung der Besitzverhältnisse, nun auch infolge von Vertreibung und territorialen Verlusten, hinzu. Innovativ wirkt dabei, dass nicht die Furcht vor dem Verlust des jeweiligen sozialen Besitzstandes, sondern die Mobilität von einer gemeinsamen Ausgangsposition aus die Mentalitäten prägt. Die egalitäre Grunddisposition motiviert zu größerer Risikobereitschaft und erzeugt geringere Hemmungen, sich einzulassen. Verdeckt mag sich zwar die Unterscheidung zwischen Bürgertum und anderen Herkünften sogar bis in das Ende der DDR erhalten haben. Sie drückte sich aber nicht mehr in Besitzverhältnissen und Besitzständen aus. Daher hat diese Unterscheidung auf die soziale Disposition sehr viel geringeren Einfluss als in einer Gesellschaft wie der westdeutschen, die zu traditionellen Strukturen zurückkehrte und vom neuen Reichtum des „Wirtschaftswunders“ schon länger geprägt war. Die egalitäre Grunddisposition findet auch Ausdruck in der Erhaltung eines gebührenfreien Zugangs zum ersten akademischen Abschluss; sie schlägt sich nieder in der Bereitschaft zu einer breiteren Förderung zusätzlich qualifizierender Abschlüsse. Ob dies alles – ebenso wie die aus der DDR überkommene Tradition der Kinderbetreuung – ohne eine erhebliche Steigerung der Sprachkompetenzen und der sozialen Geschicklichkeit wirklich Bestand haben wird, das kann dahinstehen. Jedenfalls sind damit Instrumente für selbstkritische Reflexionen gegenüber Anpassungsprozessen im Osten möglich, die in der Tabuisierung der egalitären Komponenten der „Volksgemeinschaft“ des Nationalsozialismus im Westen nach dem Kriege nicht stattfanden. In diesem Sinne ist die neue Freiheit noch gleiche Freiheit, leidet also nicht unter einer in der politischen Theorie klassischen, vorkonstitutionellen, ja manchmal reaktionär vorgetragenen Entgegensetzung von Gleichheit und Freiheit.20 Vielmehr versteht die Gesellschaft in den neuen Ländern, durchaus auch unter Anknüpfung an die Ideologie der DDR als Gegenmodell, dass hier Erhaltenswertes repräsentiert und kultiviert wird. Das verhindert allerdings nicht, dass unterschwellig Klassenstrukturen erhalten blieben, die Unterschiede bezeichnen zwischen Angehörigen des früheren Bürgertums und des gebildeten Pfarrhauses sowie denen, die als Aufsteiger „Akade20 Zur antiegalitären Polemik aus der Perspektive der Freiheit „der Reichen“ schon de Rivarol, Politisches Journal eines Royalisten. 5. Mai bis 5. Oktober 1789, 1989, S. 101 f.

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miker“ wurden, und solchen, die den proletarischen Charakter ihrer Herkunft nicht abstreiften. VI. Schwieriger war es, einzuüben, dass die Freiheit des Andersdenkenden antifaschistische Schutzwälle nicht kennt. Zwar erinnerte man Rosa Luxemburg, ihre Freiheit galt aber nicht als gleiche Freiheit auch für Neonazis. Diese Ansicht war in den befassten Verwaltungen Ostdeutschlands durchaus verbreitet, fand jedoch obergerichtliche Schützenhilfe vor allem im Westen. Das OVG Münster21 rechtfertigte die von ihm bestätigten Versammlungsverbote nicht etwa über eine antifaschistische Doktrin, es setzte vielmehr ein wertorientiertes Verständnis einer revitalisierten öffentlichen Ordnung als Teil guter Polizei entgegen. Dies führt zu einem Grundrechtsverständnis, das schon vom Schutzbereich her Ausnahmen von der Reichweite solcher Rechte kennt oder aber Beschränkungen mit gleichem Ergebnis schafft. Dieses Verständnis hat das Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen.22 Den Demonstrationsverboten der Verwaltungen lagen ähnliche Maximen zu Grunde. Hier war zu vermitteln, dass Auflagen und Nebenbestimmungen ermöglichen, Aufmärsche und Versammlungen zu domestizieren, ohne sie schlechthin zu verbieten. Diese Sicht setzten die Gerichte gegen die Kommunen durch. Das bekräftigte die Demonstrationsfreiheit als die gleiche Freiheit auch Andersdenkender und es vermittelte das rechtsstaatliche Instrumentarium differenzierter Sanktionierungen. Die Verwaltungen nutzen nun ihre Möglichkeiten einer rechtsstaatlichen Ausdifferenzierung, wenn nicht der Steuerung, so jedenfalls der Begleitung des Grundrechtsgebrauchs mit Hilfe von Auflagen, Nebenbestimmungen und anderen Maßgaben. Ausgangspunkt war aber das Verständnis der Versammlungsfreiheit als eines „tolerierenden Rechts“, das im Rahmen von „Sicherheit und Ordnung“ die Meinungen Andersdenkender respektiert.23 Dieses Verständnis setzte sich nur mühsam durch, letztlich – wie schon erwähnt – vor allem mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts. VII. Zur neuen Freiheit gehörte auch die Freiheit des Gewissens, zumal der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, heute Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen war insbesondere ein Desiderat 21 Siehe OVG Münster, Beschl. v. 29.6.2001 – 5 B 832/01 –, NJW 2001, 2986 f.; Beschl. v. 30.4.2001 – 5 B 585/01 –, NJW 2001, 2113 f.; Beschl. v. 23.3.2001 – 5 B 395/01 –, NJW 2001, 2111 f. 22 Eingehend BVerfG (K), Beschl. v. 26.1.2001 – 1 BvQ 9/01 –, NJW 2001, 1409 ff. (1410); Beschl. v. 24.3.2001 – 1 BvQ 13/01 –, a.a.O., 2069 ff. (2071); dazu Schulze-Fielitz, (Anm. 17), Rn. 94 zu Art. 8. 23 OVG Bautzen, Beschl. v. 30.4.1998 – 3 S 253/98 –, bes. S. 6 d. U.; Beschl. v. 27.4.2001 – 3 BS 104/01 – Orientierungssatz, Rn. 4.

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der Jugend. Hinter ihr stand aber die prinzipielle Frage der Zuordnung von Staatsgewalt und Individualfreiheit, Staatsleitung und Volk. Zu verstehen ist nämlich in diesem Sinne die Kriegsdienstverweigerung nicht als eine bloße Duldung,24 sondern als verrechtlichte Gewährleistung; sie ist mithin sehr viel mehr als ein bloßes „Schönwetter-Recht“, das die Staatsleitung im Ausnahmefall zurücknehmen kann. Daneben liegt in dieser Gewährleistung eine rechtliche Anerkennung der Willensmacht des Einzelnen, die – übt er sie in großer Zahl gemeinsam mit anderen gleichgerichtet aus – dieser Staatsleitung den Souverän entgegenstellt. In diesem Sinne war hier neue Freiheit diejenige des Grundgesetzes, welche die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als unveräußerliches Recht versteht. Dies ist auch eine unmittelbare Folge der demokratischen Legitimation aller Staatsgewalt, die nie von oben nach unten, sondern immer von unten nach oben zu verstehen ist, mithin niemandem die Befugnis einräumt, solche Rechte im Sinne staatspolitischer Notwendigkeit oder revolutionärer Unausweichlichkeit zu überspielen und damit als Rechte beiseite zu schieben. Für die Politik im Ganzen wurde übrigens eine gewisse moralische und rechtsorientierte Fundierung konkreter Entscheidungen bedeutsam. Sie manifestierte sich in der deutschen Haltung zum Irakkrieg, als sich die Bundesrepublik der „Koalition der Willigen“ verweigerte. Auch schlug sich die Fundierung in der Rechtsprechung nieder, sobald der Irakkrieg aus Anlass der Befehlsverweigerung eines Offiziers auf den verwaltungsgerichtlichen Prüfstand kam.25 Bei allen Schwierigkeiten mit den jüngeren Entwicklungen im Völkerrecht liegt in der damit zum Ausdruck kommenden Distanz gegenüber einer imperialen Politik auch ein Stück Erbschaft aus der ostdeutschen Perspektive, das nun zu den Optionen deutscher Außenpolitik gehört. VIII. Innerstaatlich hat die Vereinigung gewiss das Verhältnis von Religion und Staat, von Kirchen und Republik verändert. Dies manifestiert sich in Einzelfällen, etwa zum Religions- und Ethikunterricht. Die Veränderung ist in vielen Einzelfragen auch noch nicht ausgestanden. Manchmal, wie im Falle der Leipziger Universitätskirche, stellt sich der Verlauf der Debatte als ein Parcours der Irrtümer dar. Obwohl die Rechtslage erlaubt, eine Verständigung zu finden, setzte sich dieser Parcours er-

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So aber Enders, Toleranz als Rechtsprinzip? Überlegungen zu den verfassungsrechtlichen Maßgaben anhand höchstrichterlicher Entscheidungen, in: ders./Kahlo (Hrsg.), Toleranz als Ordnungsprinzip? Die moderne Bürgergesellschaft zwischen Offenheit und Selbstaufgabe, 2007, S. 243 ff. (257 f.). 25 Siehe BVerwGE 127, 302 (306 ff.); krit. Kotzur, Gewissensfreiheit contra Gehorsamspflicht oder: der Irakkrieg auf dem verwaltungsgerichtlichen Prüfstand, in: JZ 2006, 25 ff.

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staunlich lange fort. Die hinkende Trennung von Staat und Kirchen scheint abgelöst von einem Trennungsmodell, das der Rechtslage nicht entspricht.26 Im größeren Rahmen besteht indes eine Tendenz, das Staatskirchenrecht als Interpretationsrahmen zu ergänzen oder gar abzulösen durch ein Religionsrecht, das manche verengen wollen zum Religionsverfassungsrecht.27 Diese Perspektive, die auch das Zivilrecht, die europäische Ebene und insbesondere das jeweilige Verbandsrecht einbeziehen kann, scheint einer Gesellschaft angemessen, die keine Großkirchen mehr kennt, weil diese Kirchen weithin Mitglieder verloren haben. Auch treten andere „Religionsgesellschaften“ – wie sie die aus der Weimarer Verfassung stammenden Artikel des Grundgesetzes nennen – hinzu. Diese mögen in den neuen Ländern weniger Fuß gefasst haben und manchmal dort eher auf eine gewisse Feindlichkeit stoßen. Zweifellos aber sind sie präsent, zumal in den großen Städten des Westens und in Berlin. Auch können sie nicht mehr als vorübergehende Erscheinung abgetan werden. Will man angemessen mit ihnen umgehen, so ergibt sich unweigerlich eine Betonung des säkularen Charakters des Staates. Konkretisiert hat sich dies zuletzt im Streit um das Kopftuch der Auszubildenden28, der Lehrerin29 und der Verkäuferin30. Hier zeigt sich zugleich die Bereitschaft der Gerichte, differenziert zu reagieren, sodass die Gesellschaft allmählich mit den Phänomenen umzugehen lernt und der Staat sich auf die Freiheitlichkeit seines Rechts besinnen kann. Diese Geschicklichkeit besitzen die Gerichte nur, wenn sie sich ihrer Rolle bewusst bleiben, und zwar selbst dann, wenn nach dem schnellen Richter gerufen wird.31 Zugleich führt die neue Sensibilität für die Sachverhalte auch dazu, dass der reale Kontext der Wahrnehmung von Freiräumen bei der Würdigung der Rechtslage stärker einbezogen wird. Dies ist etwa der Fall, wenn verschiedene rechtliche Regelungsmuster aufeinander stoßen. So kann eine neoliberale Politik des Ladenschlusses nicht nur mit dem 26

Dazu Goerlich/Kahl, Zur staatskirchenrechtlichen Freundschaftsklausel in Sachsen: Der Universitätsprediger und die Universitätskirche in Leipzig als Beispiel, in: SächsVBl. 2008, 205 ff. 27 Vgl. dazu Heinig/Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht, 2007; und schon im Titel das Lehrbuch Classen, Religionsrecht, 2006; auch Goerlich, Menschenrechte u. Verfassungen zwischen Aufklärung u. Fundamentalismus – Fragen zu ihrer Auslegung, in: JöR 55 (2007), 73 ff. (94 ff.). 28 BVerwG, Urt. v. 26.6.2008 – 2 C 22.07 – Bremische Referendarin mit Kopftuch, noch nicht abgesetzt. 29 VGH Mannheim, Urt. v. 14.3.2008 – 4 S 516/07 – Cannstatter Lehrerin. 30 BAGE 103, 111 (= NJW 2003, 1685 ff.); BVerfG (K), Beschl. v. 30.7.2003 – 1 BvR 792/03 –, NJW 2003, 2815 f. 31 Goerlich, Soziale Integration als Aufgabe des Rechts – am Beispiel der Rechtsprechung auf dem Weg zu einem Religionsrecht in gleicher öffentlicher Freiheit, in: Christensen/Pieroth (Hrsg.), Rechtstheorie in rechtspraktischer Absicht. Freundesgabe zum 70. Geburtstag von F. Müller, 2008, S. 93 ff.

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Feiertags- und – man könnte sagen – Regenerationsschutz des Art. 139 WRV i. V. m. Art. 140 GG konfrontiert werden,32 sondern auch mit den Wirkungen einer weitgehenden Beseitigung der Ladenschlusszeiten auf Ehe und Familie, Elternrollen und Erziehungsrechte, neben Fragen der körperlichen Erschöpfung und notwendiger Rücksicht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit. Damit wird die reale Freiheit als Perspektive sichtbar: die Rekonstruktion der sozialen Wirklichkeit macht die Komplexität neuer Freiheit deutlich. Grundrechtseingriffe werden dann erst in dieser Rekonstruktion der kombinierten Wirkungen einer Maßnahme auf verschiedene Grundrechtsbereiche sichtbar. Es steht also nicht die Sonntagsruhe allein auf dem Spiel, abgesehen davon, dass die dank dieser Rekonstruktion der Wirkungen erkennbar betroffenen Grundrechtsbereiche von ganz verschiedenen Verbänden – von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften – verteidigt werden. Das führt indes zu der realen Freiheit, die schon erwähnt wurde. Sie findet statt. Eine solche Freiheit setzt nicht nur den Anspruch des Souveräns voraus, sich, d. h. seine Lebensformen, selbst zu bestimmen. Sie verlangt auch die Realanalyse. Dafür entwickelt sich im Osten größere Aufgeschlossenheit, nachdem die Gesellschaft weitgehend säkular angelegt ist. Zugleich enthält diese Analyse auch ein aufklärerisches Element in der juristischen Arbeit. Dies ist gerade dort nötig, wo Vorurteile, Vorverständnisse, Voreingenommenheiten und Unkenntnis – mögen sie auch auf einer jahrelangen Abschottung von der Umwelt beruhen – besondere Verirrungen ermöglichen. Sie können nur sehr langsam überwunden werden und juristische Hilfen mögen solche Lernprozesse stabilisieren. IX. Am Geringsten ausgeprägt war in Ostdeutschland außerdem vielleicht die Erfahrung der gesellschaftlichen Selbstorganisation. Dies klingt paradox, ergab sich aber aus dem Etatismus des Ostens, dem jede Akzeptanz der Anarchie gesellschaftlicher Selbstorganisation abging. Daher mussten die Vereinigungsfreiheit, d. h. auch freie Verbandsbildung33 und die Freiheit der politischen Parteien, erst re-etabliert werden, zu schweigen erst recht von einer offenen, d. h. auch freien Gesellschaft der Verfassungsinterpreten.34 Die Selbstorganisation der Religion hingegen hatte das Regime nicht beseitigen können. Es hatte nur die rechtlichen Grundlagen zunehmend in Frage gestellt. Selbst der Byzantinismus der SED vermochte nicht, andere Grundlagen zu etablieren. Aber auch die Kirchen haben unter dem Regime und dann dem Wandel der Verhältnisse sehr gelitten. Das zeigt bis heute Wirkung, wenn das Selbst32 Hierzu ist eine Verfassungsbeschwerde der Berlin-Brandenburgischen Kirche anhängig; vgl. aber nicht nur einstweilen Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Rn. 10 zu Art. 139. 33 Zu den Potentialen der Vereinigungsfreiheit Biaggini, Die Vereinigungsfreiheit etc., in: Festgabe zum Schweiz. Juristentag 2006, hrsgg. i. A. d. Rechtswiss. Fak. d. Universität Zürich, Zürich 2006, S. 415 ff. (419 ff.). 34 Klassisch im Westen Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, in: JZ 1975, 297 ff.

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vertrauen freier Verbände fehlt. Bei den Kirchen beruht das auch auf der Vorgeschichte der Vereinnahmung durch den monarchisch-wilhelminischen sowie dann durch den NS-Staat, der gerade auch in Ostdeutschland sich anmaßte, Bischöfe einzusetzen und die Binnenstrukturen der Kirchen gemäß dem Führerprinzip in Partei und Staat gleichzuschalten, wie etwa im Falle des zweiten Bischofs in Sachsen am 30. Juni 1933. Die Verbände setzen sich daher auch gegenüber und in der Bürokratie oft nicht durch. Das fördert Selbstherrlichkeit in der Verwaltung ebenso wie in ihren Spitzen, bis hinein in die Kabinettsebene. Deshalb kommt auch häufig das in Verbänden akkumulierte Sach- und Fachwissen nicht zum Tragen. Der Verwaltung wird nicht aufgeholfen, die synergetische Wirkung von Bürokratie und Verbänden bleibt aus. Das parlamentarisch-politische Personal kann dieses Defizit nicht kompensieren. All das im Zusammenspiel mit einer Ausgangsdisposition, die demokratische Willensbildungsprozesse kaum kennt, verstärkt eher Antipathien gegen den westlichen Parlamentarismus. Autoritäre Lösungen scheinen dann manchen rasch zur Hand. Auch die innovativen Effekte der Regeln der freien Verbandsbildung kommen seltener zum Tragen. Die timiden Führungsebenen selbst lassen innerhalb der Verbände eine Einflussnahme auf die politische Ebene selten zu. Neue Verbandsgründungen sind rar. Allerdings gibt es sicher eine Subkultur des Verbandslebens, auch im Feld der Religionsgesellschaften; sie haben aber zunächst keinen sichtbaren politischen Einfluss. Er wird jedoch zunehmen, je dauerhafter die Verhältnisse sind und die Verbände Lebensfelder ihrer Mitglieder und ihrer Anhänger besetzen. Bei Sportverbänden ist dies gewiss schon der Fall; andere Verbände werden folgen. X. Der allgemeine Freiheitsbegriff erschien hingegen in den letzten Jahren stetig stärker umhegt von den Bindungen des Rechts. Dies zeigte sich nicht nur aus Anlass so genannter Antiterrorgesetze. Im Sinne älterer deutscher Traditionen wurde verstärkt Freiheit als in einen sozialen Verpflichtungszusammenhang eingebunden verstanden. Dies entspricht vielleicht auch der deutschen Tradition im guten Sinne eher35 als eine Beliebigkeit von Tun und Lassen, was man will, obwohl letztgenannte Art. 2 Abs. 1 GG zugrunde liegt, selbst in der Rücknahme auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dabei kreuzen sich verschiedene Traditionslinien, wie man meinen möchte. Zunächst die Solidarität der Angst, des Gemeinwohls und des Krieges in den verschiedenen Stadien der Antiterrorkampagne. Dann zeigt sich auch hier eine gewisse Autoritätsgläubigkeit. Älter ist die Einbindung der Freiheit in der Genossenschaftstra35 Vgl. Janssen, Otto von Gierkes Freiheitsbegriff als Beitrag zur Auslegung der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), Eröffnungsvortrag des Symposions „Grundrechtsdemokratie und Verfassungsgeschichte“ anlässlich des Übergangs von J.-D. Kühne in den Ruhestand, Welfenschloss, Hannover, 17.7. 2008.

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dition im Sinne von Gierkes und in den katholischen Soziallehren.36 Schließlich spielt neben der Ideologie der Gemeinschaft, die sich gegen die westliche Zivilisation und ihren Gesellschaftsbegriff wendet und insbesondere im NS-Regime fröhliche Urständ feierte, die quasi-sozialistische Ideologie des DDR-Regimes hinein. Letztere verstand die Bevölkerung der DDR gewiss in einer Vielschichtigkeit, die erlaubte, den humanistisch-historischen Kern von der aktuellen Propaganda zu trennen. Das schließt nicht aus, dass individuell unter einem egalitär-solidarischen Mäntelchen das eigene Interesse massiv verfolgt wurde – was in einer Gesellschaft permanenter Knappheit der Güter und Möglichkeiten überhaupt nicht erstaunen kann. Daneben steht allerdings auch in der DDR-Tradition das durch die Sache geprägte und insofern altruistische Aufbegehren der Künstler und Schriftsteller. Ihnen ging und geht es aber mehr um die Freiheit der Kunst und des Geistes denn um die Beliebigkeit einer Freiheit bar jeder gemeinsamen Sinnstiftung.37 XI. Wirtschaftliche Selbstorganisation war in Ostdeutschland sehr rasch auf dem Plan, zunächst allerdings versteckt und manchmal belächelt. Zweifellos aber trugen die Erfahrungen der Schattenwirtschaft, der Selbsthilfe, des nachbarschaftlichen und freundschaftlichen Zusammenwirkens Früchte. Das führte sogar zu Unternehmensgründungen, die bis heute erfolgreich sind. Es führte dank der staatlichen und europäischen Förderung auch zu Neuansiedlungen innovativer Industrien, die langfristig Früchte tragen werden. Teilweise schloss das – insbesondere im Bereich erneuerbarer Energien – an Forschungstraditionen der DDR an, deren Mangelsituation solche Anstrengungen viel früher erforderte. Auf diesem Feld ist Ostdeutschland südlich der Elbe ein innovativer Konkurrent westdeutscher Regionen. In „Ostelbien“ wird das erst noch Wirkung zeigen, etwa wenn die Erfordernisse der Energiegewinnung auch ertragsarme Böden attraktiv machen. Die Organisationsdichte wird auf Seiten der Arbeitnehmer allerdings in jenen Verhältnissen gering bleiben, die zunächst noch von hoher Arbeitslosigkeit, Abwanderungsproblemen und schlechtem Ausbildungsstand unter den Daheimgebliebenen geprägt sind. Es zeichnet sich aber, schon als Folge der Abwanderung, ein Arbeits36 Für Gierke Janssen, a.a.O., u. für Soziallehren BVerfGE 4, 7 (15 ff.) – Investitionshilfe – sowie die gesamte Rechtsprechung später. Zum Gegensatz Gesellschaft und Gemeinschaft Volkmann, Freiheit und Gemeinschaft, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 32 Rn. 11, 15 ff.; auch Goerlich, „Gemeinschaft“ aus der Sicht der Staatsrechtslehre, in: Theodor-Litt-Jahrbuch 3 (2003), 67 ff. 37 Auch diese sind gefährdet, vgl. BVerfGE 119, 1 – Esra – mit abw. M. einerseits Richterin Hohmann-Dennhardt u. Richter Gaier u. anderseits Richter Hoffmann-Riem; dazu Anm. v. Enders, in: JZ 2008, 581 ff.; wer allerdings auf eine Definition von Kunst hofft, irrt, da gerade die Offenheit des Schutzbereichs das Grundrecht am Leben erhält, ebenso wie sonst das Selbstverständnis der Berechtigten und die Letztentscheidungsbefugnis des Staates im Gleichgewicht bleiben müssen; darin liegt das Geheimnis der Leistungskraft und Entwicklungsoffenheit solcher Rechte.

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kräftemangel ab, der auch Folgen für den Organisationsgrad der Arbeitnehmerschaft haben wird. Politisch-parlamentarisch schließt das nicht aus, dass zugleich bürgerliche Koalitionen stabiler bleiben als rot-rote Bündnisse, jedenfalls so lange die Linke ihrer historischen Belastung nicht ledig wird. Wie andere Parteien und wie auch die Verbände im Übrigen leiden ihre Führungsebenen an den Schwierigkeiten einer Elitenbildung, nachdem die „Politik“ und ihre Trabanten durch zwei totalitäre Regime diskreditiert sind. Typischerweise dominieren dann relativ lange die bisherigen Kader, jedenfalls in den größeren Parteien, abgesehen von dem schwindenden Personal aus dem Westen, dem Sonderfall der katholischen Herkünfte aus dem Eichsfeld, der Diaspora, der Oberlausitz und der Region um Erfurt sowie den anderen jüngeren Kräften, die nach der Wende geblieben sind. Letztere kommen meist zurecht dank einer Bereitschaft, neue Lebensweisen aufzugreifen, ihren beruflichen Rahmen zu verlassen und das Risiko einer „Politik als Beruf“ aufgreifenden Kaderkarriere unter den ganz anderen Bedingungen eines freien Verbandswesens einzugehen. Teilweise haben sich dabei aber ganz außerordentliche Begabungen etabliert, denen Fehler kaum unterlaufen. Daher wird die Misere des Personals der Politik und Verbände zu überwinden sein, vielleicht sogar etwas leichter im Osten als im Westen, wo kein Wechsel durch Neuanfang möglich war und sich deswegen ältere Bestände der Diskreditierung der Politik, der Parteien und der Verbände noch leichter halten, zumal im Osten das Personal der Blockparteien langsam aus Altersgründen abtritt.

XII. Den „Errungenschaften“ steht eine Verlustliste dessen gegenüber, was an Rechtserwartungen, Hoffnungen und Wünschen auf einem historischen Weg am Rande liegen geblieben ist. Eine Verständigung darüber, was auf diese Liste gehört, dürfte sehr viel schwieriger sein als die Auflistung von Erträgen der geschichtlichen Entwicklung. Es gibt sicher weitere Verlustlisten: etwa solche, die man an den Verfassungsentwürfen der runden Tische würde festmachen können oder die sich auf andere Weise aus historischem Material würden erschließen lassen. Abgesehen von der Gelegenheit dieses Beitrags würde das indes zu gegenwärtigen Fragen wenig weiterhelfen.38 Grundsätzlich ist im Übrigen an der These festzuhalten, dass das geschichtliche Fenster nur offen war für den Ausweg der Vereinigung beider deutscher Staaten, nicht für eine Fortsetzung des Versuchs einer autochthonen Entwicklung der DDR als deutschem, postsozialistischen und vom totalitären Regime befreiten Staat einer eigenen Nation. Die weitere Frage der rechtlichen Grundordnung eines vereinten Gemeinwesens ergab sich bei näherer Betrachtung von selbst. Angesichts der Un38 Vgl. hist. den Abdruck des Verfassungsentwurfs des Berliner Zentralen Runden Tisches in: Guggenberger/Preuß/Ullmann (Hrsg.), Eine Verfassung für Deutschland, 1991, S. 99 ff. in Synopse mit dem GG in der damaligen Fassung.

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gleichzeitigkeiten nicht nur der Gesellschaften in den bisherigen Teilstaaten, sondern auch der revolutionären Disposition – hier ein Machtvakuum nach dem Zerfall des totalitären Regimes und die Abwesenheit von strukturierend wirkenden gesellschaftlichen Gruppen jenseits der Kirchen und der allerdings zunächst in Verfall befindlichen Blockparteien, dort eine saturierte Gesellschaft, durchdrungen von etablierten, in Verbänden organisierten Interessen und der Reorganisation ihrer bürgerlichen Strukturen seit der Nachkriegszeit – wäre eine Verfassungsgebung kaum gelungen. Sicher hätte sie kein Gleichgewicht auch mit der ostdeutschen Perspektive erreicht. Daher war es besser, auf die pouvoir constituante in actu zu verzichten und im Wesentlichen das Grundgesetz zu übernehmen. Solange diese Verfassung in ihrer spezifischen Offenheit ausgelegt, mithin bewahrt wird, ist es in diesem Rahmen möglich, Ziele des Herbstes des Jahres 1989 zu verfolgen. Dabei darf man nicht übersehen, dass auch nach der staatlichen Einheit eine Pluralität der Rechtserwartungen im Sinne eines Rechtspluralismus fortbestehen wird. Diese Pluralität verbindet sich allmählich mit den Ergebnissen der über die Jahre fortgeführten irreversiblen Immigration und den Folgen der europäischen Integration. Das nationale Verfassungsrecht und das europäische Recht müssen dieser Vielfalt genügen. Es ist nicht zufällig, dass sie versuchen, ihm angemessene Formen des gegenseitigen Respekts, der Toleranz als Ausdruck des Rechts und des Schutzes aller Gruppen und Gruppierungen zu geben. Erst die Fülle freier Gemeinschaften konstituiert die Nation in offener Staatlichkeit und die Europäische Union als Union ihrer Bürger. Dabei müssen allerdings jene Gemeinschaften ebenso offen sein wie der Staat; sie sind als herausgeforderte Gemeinschaften zu verstehen, also Gemeinschaften, die sich fortgesetzt in Transparenz und Offenheit rekonstituieren und nicht vor allem der Ausgrenzung und Diskriminierung dienen.39 Dabei werden immer zugleich auch jene imaginierten Gemeinschaften eine Rolle spielen, die man zunächst für die Schaffung der Nationalstaaten als erforderlich angesehen hat. Sie werden Elemente einer Nation sein, die es versteht, ihre eigene Vielfalt in rechtlich offenen Formen zu erhalten.40 Ausgangspunkt einer solchen Gemeinschaft kann auch die Erinnerung an jenen Herbst sein, die den Gang der Geschichte nicht verleugnet, sondern angemessen ist für weltoffene Stadtbürger, einen akademischen Lebensstil der Studierenden und nicht nur der Lehrpersonen gerade in einer historischen Messestadt, einem Zentrum der Musik und eines freien Geistes und für eine alte, aber immer noch lebendige Universität. Die Juristenfakultät ist im Verlauf dieser geschichtlichen Entwicklung wieder ins Leben getreten. Es steht zu hoffen, dass die Universität ihre Jubiläumsga39

Dazu Nancy, Die herausgeforderte Gemeinschaft (2001), 2007, bes. S. 17 ff. Eine solche Nation nimmt im Sinne westlicher republikanischer Tradition ethnische und kulturelle Vielfalt in sich auf; vgl. dazu am Beispiel einer fragwürdigen Alternative Hermann, Wohin geht die türkische Gesellschaft?, 2008, S. 25 ff., 82 f., der zunächst – anders dann später – Mustafa Kemal Atatürk selbst, also nicht nur einen insoweit fehlorientierten Kemalismus mit den Jungtürken in einem Boot sieht, was zweifelhaft erscheint, da man auch findet, dass Atatürk insoweit das französische Modell bevorzugte. Die westliche säkulare Republik setzt individuelle und später i. d. R. auch kollektive Autonomie – also latent breite Vielfalt – voraus. Zu den Auswirkungen für den Begriff des Volks vgl. Keller (Anm. 4) am Ende. 40

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be als Gegenstück ihres Bestandes gerade auch in der Tradition der Stadt als Residenz des Rechts versteht.

Religious Equality – The German Perspective and European Experiences [2010]* India, by its constitutional tradition since independence in 1947, and, after the years which culminated in the Constitution of 1950, follows the legal concept of equal respect for all religions. Later on, this was stated in a draft version of a new article for its constitution which was proposed to avoid the 1993 insertion of the term “secular […] republic”, however it was precisely the latter term that finally found its way into the preamble of the constitution. So there is no constitutional provision speaking explicitly of equal respect for all religions. But nonetheless this equal respect for all religions is the law flagged out by secularism stated in the preamble of the constitution which now refers to India as a “secular […] republic”.1 I. Awhile ago, Martha C. Nussbaum published her book on the liberty of conscience as basis of religious equality in the United States of America. For the purposes of her work the author goes back to early legal tradition especially in Rhode Island. This colony not only proclaimed but also early pronounced and established toleration as a basis for the relation between religion and state. This led to an, in every sense, full equal status for all denominations and creeds, with the consequence of no establishment of any specific denomination. While remaining mainly “Christian”, the tradition of the writings of the founder of Rhode Island, Roger Williams, implied even more than that “toleration” within Christianity: It led to an acceptance of any belief, may it be that of the native Americans, of Jews, later even of agnostics and atheists, and nowadays Muslims, Hindus, Buddhists, Jains, Confucians and others. The book of Martha Nussbaum was well received and created a different perspective on matters of the relationship between state and church, religion and public authority, *

Zuerst veröffentlicht in: Deva (Hrsg.), Law and (In)Equalities – Contemporary Perspectives – Festschrift in honour of Professor Mahendra P. Singh, Lucknow, Delhi u. a. 2010, S. 187 ff. 1 See Singh, V. N. Shukla’s Constitution of India, 11th Ed. 2008, p. A 27 seq.; needless to say that in Indian Constitutional Law the preamble contains law which is binding, different from the German tradition. For the specific Indian secularism see, for instance, the essays in Srinivasan (Ed.), The Future of Secularism, 2007 and the essays on religion and the Indian constitution in Bhargava (Ed.), Politics and Ethics of the Indian Constitution, 2008, p. 297 – 391, both published in Delhi by Oxford University Press.

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or individual liberty and public order.2 Her work has reached the point of a reinterpretation of the American tradition. It argues in favour of tolerance granted by law, thus establishing in the full sense of the word equal rights and equal entitlements to the individual as well as to small groups which can almost never be restricted by limitations satisfying other interests. The text of the U.S. Constitution, combining a no establishment clause with liberty of religion is founded on this tradition. The establishment of a religion in the tradition of England, Wales and the American Colonies then meant that there was one denomination of Christianity people had to be part of if they wanted to partake in public life, offices or privileges of any kind. This recent reinterpretation of the American tradition, at its best put forward against the approach of establishment in our days, helps to understand recent developments in Europe. It adds a perspective beyond our own traditions. The basic theme of that recent publication can be used in the context of the German debate and, generally, may offer new prospects on the issue of religious equality. Cultural diversity then might not be considered as a problem but as a daily experience of life as it is.3 Therefore, let us try to spell out European and especially German developments in this context. On the other hand, Switzerland seems to go in a strictly opposite direction. There a petition for a referendum to ban minarets was initiated by a major movement that opposes equal treatment of religions. First, this was not realized in the rest of Europe, but in a slow path has caused considerable concern: The initiative aimed at an amendment of the Swiss Constitution of 1999, planning to insert “Der Bau von Minaretten ist verboten”, i. e. “the construction of minarets is prohibited”, in that constitution. There are similar conflicts in other European countries relating to plans for building mosques, even though there is no such instrument like a people’s initiative. Sometimes it led to court decisions, especially in Germany, even though the Federal Administrative Court by analogy to churches early had granted equal treatment to mosques and synagogues.4 The Swiss popular vote took place on November 29, 2009; 57,5 % voted in favour of the initiative, 53,4 % of the voters cast their votes; 10 % more than usually; nobody expected that result.5 Also, 22 out of 26 cantons 2

See Nussbaum, Liberty of Conscience; In Defence of America’s Tradition of Religious Equality, New York 2008. 3 For an outline on that topic see the contributions in Kotzur/Singh (Ed.), Cultural Diversity and Law, forthcoming. 4 See Bundesverwaltungsgericht, Decree of April 26, 1993 – 4 B 31/93 – in: 13 Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 282 seqq. (1994); similarly the question arose, if the neighbours oppose, see Bundesverwaltungsgericht, Judgement of February 27, 1992 – 4 C 50.89 – in: 107 Deutsches Verwaltungsblatt 1101 seq. (1992); for the functions of administrative law courts in Germany see Singh, German Administrative Law in Common Law Perspective, 2nd Ed. 2001, p. 119 seqq. 5 See Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, Vol. 230, No. 278 of Nov. 30, 2009, 1; now, after the ban of minarets is in the constitution, two prominent teachers and scholars of law, Jörg Paul Müller and Daniel Thürer, propose another article to be added to the Swiss constitution establishing toleration or tolerance as a constitutional principle, see Schoch, “Ruf nach Toleranzartikel”, Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, Vol. 230, No. 279 of Dec. 1, 2009, 33.

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– Kantone – voted in favour. The amendment puts limitations on religious liberty and equality likewise. Implemented after this vote of the sovereign, such amendment will be in conflict with regional European international law in the light of religious equality and freedom, since there would be no restrictions on adding towers to churches which will be built in the future or already exist. In this area, the most important instrument is the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms6 which has been signed and ratified by Switzerland a long time ago. Scholarly work has proven that the Swiss people’s initiative, promoted by the Swiss People’s Party (SVP) and smaller groups, is legally on very unsafe ground:7 The proportionality of any restriction of rights and freedoms granted by that Convention is missing if it implies a discrimination in the sense of unjustifiable different treatment as much as the non-discrimination clause of that Convention itself does ban such measures, even if initiated by the sovereign of a democratic nation. This case makes clear that under certain conditions in Europe regional international law can paramount to national constitutional law, even though the respective instrument of international law seems to be of less binding force than national law enacted after ratification, at least at first glance. Furthermore, certain basic human rights, until now of quite a number of sources, are not considered as being law binding all sovereign states as such, i. e. law containing peremptory rules of international law, or in Latin: “ius cogens”8. On the other hand, a development takes place which may in effect result in certain basic rights and liberties generally gaining the status of ius cogens. They would bind sovereign states, as do already rules against torture, slavery and similar basic humanitarian guarantees of human rights in character. Such worldwide ius cogens as part of international law cannot be put aside by a national sovereign. In the case of liberties as here involved, this idea has a footing in the International Covenant on Civil and Political Rights of 1966.9 In addition to this Covenant, there exist several international documents against discrimination on grounds of religion, beyond racist discrimination which has been part of ius cogens already for quite some time. As has been shown, Switzerland has gone beyond that minimum standard and its government earlier has taken the position that basic human rights

6 See Brownlie/Goodwin-Gill (Eds.), Basic Documents on Human Rights, 5th Ed., Indian Edition, 2007, p. 609 seqq. 7 See Zimmermann, Zur Minarettverbotsinitiative in der Schweiz, in: 69 Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 829 seqq. (2009). 8 See Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, p. 305; he raises reasonable doubts if religious liberties are ius cogens, while great scholars like Scheuner and Saladin argued in favour of it; for recent discussion see Zimmermann, op.cit., 852 seqq.; he argues with Swiss scholars like Thürer and Biaggini that under Swiss constitutional law liberty of religion has gained a status similar to ius cogens, see op.cit., 858, at footnotes 135, 136; for the more restrictive general view see Oeter, Erga omnes-Menschenrechte, in: Merten/Papier (Eds.), Handbuch der Grundrechte Vol. IV/II, 2009, § 180, p. 501 seqq. 9 In force since March 23, 1976, see Brownlie/Goodwin-Gill (Eds.), Basic Documents on Human Rights, 5th Ed., Indian Edition, 2007, p. 358 seqq.

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are paramount to all the national law of its federation.10 Therefore, secondly, such action of the Swiss sovereign would appear in conflict not only with regional European International Law but also with worldwide international law as well. As to regional international law, Article 9 (1) of the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms as ratified by Germany in 195211 safeguards freedom of thought, conscience and religion. And especially it guarantees to the individual the freedom to change its religion and believes. Also, it condemns in its Article 14 any discrimination on any ground, such as – among others – religion. Nevertheless, the Court of Human Rights in Strasbourg sometimes leaves a certain margin of appreciation at the level of national restrictions, cutting such liberties in the shape as the states wish which have signed and put into force that instrument. Yet, that margin of appreciation slowly gets narrower, as its adjudication indicates.12 And where discrimination goes with some differentiation of treatment, there this margin might vanish, at least if it implies personal disadvantages or direct discrimination of persons. This has considerable meaning since the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental freedoms not only slowly has gained the status of an instrument equal to constitutional declarations which are binding as a matter of law, but also as it is the minimum human rights standard accepted in the European Union. In the meantime, its own Charter on such rights is binding law. This has made even clearer than before that there is a minimum standard. The Charter is binding except for the U.K., Poland and to some extent the Irish and the Czech Republics if they implement European law of the Union since December 1, 2010 after the ratification of the Treaty of Lisbon by all Member States of the Union. In the other important European legal framework, that of the European Union, the Treaty of Lisbon of December 13, 2007 itself13, which contains major reforms of the European Union, enacts equal treatment for any religion or “Weltanschauung” in Article 17 of the Treaty on the Functioning of the European Union. Also, the European Charter of Fundamental Rights of the European Union, which is enacted by and added to the Treaty of Lisbon, guarantees the freedom of thought, conscience and religion as well as the change of religion and belief to the individual in Article 10, similar to the Convention. Furthermore, it prohibits in Article 21 any unequal or dis10 See Zimmermann, op.cit., 858 seqq.; for ius cogens as part of the “constitutionalization” of public international law see Ruffert/Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2009, p. 23 seq. 11 In force since Sept. 3, 1953, ratified by Germany on Dec. 5, 1952 (Federal Gazette 1952 II, p. 686). 12 Compare, for instance, European Court of Human Rights (EGMR) (I. Section), Judgment of July 31, 2008 – 40825/98 – Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas et al. v. Österreich – Verleihung der Rechtsfähigkeit an eine Religionsgemeinschaft, see 28 Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 509 seqq. (2009); and see for comment on this decision Weber, ibid., p. 503 seqq. 13 Of Dec. 13, 2007 (Official Gazette of the European Union No. C 306/1 of Dec. 17, 2007; in force since December 1, 2009 after ratification by all members of that Union, including the Czech Republic.

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criminating treatment – among others – for reasons founded in religion or “Weltanschauung”. These clauses again leave space for the national standards of protection of equal liberty. Therefore, national law of the Member States is not put aside by the law of the Union. Of course, there are matters which claim strict enforcement as a common market is installed. Also, since there is a European citizenship of the Union, there are areas of law, relating to that citizenship, which are strictly governed by European law.14 This is especially the case if a European agency acted or if a Member State was violating such guarantees while implementing European law of the Union.15 However, if purely internal problems of a Member State are the matter of concern there remains a certain margin of appreciation of the Member State as it does in the Strasbourg adjudication. This has its basis in the idea that the cultural identity of the Member States has to be taken into account. The Strasbourg Court would load too much burden on its docket if it would try to evaluate the specific background within a historical setting of a Member State of the Council of Europe. Even more so, respect for the national sovereign is required. Also, the legal frame of European law is supposed not to substitute municipal standards unless this is necessary in the view of equal protection in severe cases of discrimination. Hence, the idea of “subsidiarity” has been established as a principle of law, which can only be put aside if an overwhelming interest equal to the requirement of necessity referred to in Article 9 (2) of the Convention as mentioned above is at stake. This “necessity” relates to a need in a democratic society which has to be respected. And cases of unequal treatment, discrimination or reckless disregard indicate such a necessity to intervene by the use of European standards of higher law. In the German case, the national level of law also contains several safeguards against such discrimination as well. So does, by the way, the law of most Member States of the European Union offer by one or the other legal instrument. But there are still sets of historic – mostly constitutional – law which regulate the relations between church and state, religion and authority, “Weltanschauung” in action as well as respective associations and their control by state authorities. However, the developments in European law, the growing sensitivity in matters of discrimination and, last not least, the republican equality of law as presupposed and required in a democracy cause changes in the national law which are of considerable strength and lasting effect.

14 Compare Kotzur, A European Glance on the Notion of Citizenship, in: 1 City University of Hong Kong Law Review 91 seqq. (2009); Rabenschlag, Leitbilder der Unionsbürgerschaft – die Auslegung der Unionsbürgerschaft durch den EuGH im Spiegel umstrittener Konzeptionen des europäischen Bürgerrechts, 2009. 15 For the levels of enforcement of European law see Singh, German Administrative Law (as above, footnote 4), p. 26 seqq.; and recently Grabenwarter, Staatliches Unionsverfassungsrecht, in: v. Bogdandy/Bast (Eds.), Europäisches Verfassungsrecht, 2nd Ed. 2009, p. 121 seqq.

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II. In Germany, historically certain variations of Christianity were privileged. Mainly this relates to the Catholic and the Lutheran churches, but also to churches of Calvin’s reformation. There was no substantive footing of religious liberty in the individual person. This liberty was only tolerated to the extent that emigration in a territory of one’s own confession was made possible. This basic structure of the Westphalian Order since 1648 was guaranteed by international treaties which at the same time contained constitutional law of the Holy Roman Empire of the German Nation. The system resulted in privileges for those major Christian churches which had its impact even in times long after the end of that Empire.16 To begin with, this system accepted three denominations as churches on a par with each other in relationship to the Empire as a whole and allowed the principalities to make a choice which of the denominations would be the one to be exclusively established in its respective territory. Later on, in the 19th century the three denominations were gradually accepted as equal within the territory. Some earlier toleration for minorities within some of the territories encompassing minor groups as sectarian movements or free churches (Freikirchen) and the Jewish communities was universally expanded. Also, slowly freedom of religion was generally established, combined with a continuation of the privileged status of the historically established church of the respective territory. So there was a system of equal treatment, even though some were and remained more equal than others. Freedom of religion thus meant that the individual had a choice, but the link between church and state limited the impact of that freedom with the result that there was no separation between church and state yet. After the revolution of 1918 when the monarchies and the patrician government in the free cities had disappeared there was some separation. Nevertheless, separation only existed to the extent that there was no single established church in the respective territories but three established churches, in Prussia combined with a special variation of combining Lutheran and Calvinist denominations in a united church. Different from this historic background, the German constitution of 1949 guarantees religious liberty to the individual as well as protection against discrimination. Nevertheless, for about half a century the dominant interpretation of church-state-relations did stick to the idea of a “privileged parity” (gestufte Parität) in favour of the historically dominant Christian churches. Only recently this seems to vanish. It might be an impact of European law as much as of the constant change in society which permanently weakens the basis of these churches. The Unification has accelerated that process since the German Democratic Republic as a socialist country followed a strict policy in favour of atheism or at least agnostic orientations, even though it used the churches for the transfer of hard currency from Western to Eastern Germany

16 For the historical background see Link, Staat und Kirche in der deutschen Geschichte, 2000.

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and did not dare to try to wipe out their structures, services or charities completely by means of the police state. The Grundgesetz (GG), as that constitution of 1949 is called, which now after the unification governs the whole of Germany, not only comprises clauses on statechurch-relations, but basically and in the very first chapter the guarantee of religious liberty to the individual, as much as to the liberty of “Weltanschauung” or non-belief.17 This is the content of Article 4 (1) GG. Moreover not only general equality is to be found in Article 3 GG but also the idea of non-discrimination on grounds of religion or “Weltanschauung”, as stipulated in Article 3 (3) GG. Similarly, equal access to public office was guaranteed in Article 33 (2) GG and as much non-discrimination in the public sector of employment by Article 33 (3) GG. Apart from such clauses in favour of strict equality and individual liberty during the process of framing that constitution, there was no time for a new approach on state-church-relations. Therefore, in the last chapter of the GG, Article 140 GG mentions numerous articles of the so called Weimar18 constitution of 191919 on churchstate-relations to be part of the new constitution of 1949. These articles of the Weimar constitution were mainly those which organized a privileged parity in favour of major religious groups. It opened up that parity in favour of those religious groups so far not established to a certain extent, but nevertheless there remained a system of “privileged parity” even though the opening clause stated that there is no “Staatskirche”, i. e. no established church or religion neither at the state nor at the federal level of the Weimar Republic, as Germany was then called. So that constitution reached some halfway compromise between establishment, privilege and religious equality as basis of liberty. Religious equality remained as a distant goal ahead of the development in that period of German constitutional history. The lack of equality did affect groups as well as the individual as such. III. While today the preamble of the federal constitution, the “Grundgesetz” (GG), invokes “God”, this has no practical relevance: Different from the national Constitution of India, the preamble of the German constitution has no binding force. If it were otherwise, the reference to “God” would imply a violation of religious liberty; it could even justify discrimination of atheists or agnostics or such people who create

17

p. 1). 18

See Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland of May 23, 1949 (Federal Gazette,

“Weimar Constitution” since the National Assembly framing the constitution met in the city of Weimar. 19 Confer Constitution of the German Empire of August 11, 1919 (Gazette of the Empire, p. 1383 seqq.).

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their morals without referring to a “God” as individual or groups.20 The cornerstones within the constitution are the guarantees of religious liberty and non-discrimination on the one hand and, as already mentioned, of Article 137 (1) WRV on the other as part of the present constitution which states that there is no established church within Germany. Nevertheless, groups and associations which actually remained privileged were those which had been established churches in times of the monarchies, before the revolution of 1918. Article 137 (5) (1) WRV left them in the privileged status of corporations of public law. This implied a bundle of entitlements, like tax privileges, staff in the status of civil servants, etc. This clause is included in those which were incorporated into the constitution of 1949 by its Article 140. Others could and can gain such a status if they fulfill certain requirements. One of them, unwritten though, was that a special loyalty could be stated in relationship to the state. This unwritten requirement was upheld for a long time. Therefore, sectarian and denominational churches and religious minorities could not gain this status. Even those which fulfilled the written requirements of Article 137 (5) (2) WRV thus were kept out of full parity. And, besides others, Islamic associations were kept out. These have no organisational structure or hierarchy as required by that clause under the term of an (internal) “constitution”. But finally, the Federal Constitutional Court decided in 2000 that a special loyalty towards the state was not an acceptable requirement for recognizing an association as public corporation, the simple requirement of obedience to the law suffices.21 This means that now there is no hierarchy of more and less privileged religious associations or churches anymore. Parity in a stricter sense has gained ground. Of course, there is and remains a set of requirements which makes it difficult to speak of full equality for all groups. These requirements are: a considerable and stable membership in numbers, a constitution and the expectation of continuity regarding the other two requirements. In the meantime, there is a debate what Islamic associations have to do to fulfill the requirement of such an internal “constitution”. Maybe it ends with the use of the freedom of association and rules on internal structures of associations in German law, 20 For full treatment of the preamble in a comparative perspective see Goerlich, Der Gottesbezug in Verfassungen, in: Dalferth (Ed.), Verfassung ohne Gottesbezug? Zu einer aktuellen Kontroverse, 2004, p. 9 seqq., especially p. 18 seq.; for a warning against any attempt to link Western culture, Christian values or any other foundation beyond the law itself as basis of constitutional law see Korioth, Evangelisch-theologische Staatsethik und juristische Staatslehre in der Weimarer Republik und der frühen Bundesrepublik, in: Cancik/Henne et al. (Eds.), Konfession im Recht, Für Michael Stolleis zum 65. Geburtstag, 2009, p. 121 seqq., 144 seq. 21 See 102 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 370 seqq. (2001), Judgment of Dec. 19, 2000 – 2 BvR 1500/97; for the recent debate see Quaas, Begründung und Beendigung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften, in: 28 Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1400 seqq. (2009).

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requiring the election of a board, supervisors etc., if the religious traditions of the respective Islamic orientation do allow for that. Similar problems could arise for other creeds which have no tradition of creating a juridical person in combination with religious rules and practices which would consequently allow the use of legal frames for secular associations as provided by the secular law. In recent years, for a while, it seemed as if the privileged status of incorporated churches would be the prerequisite for privileges to be maintained and that this status even would serve as a reasonable basis for differentiations which otherwise would be looked at as discriminatory; but this concept may justify historic privileges, for the future it does not bear anymore. IV. Looking back to the period from 1949 to 2000, the development went into another direction: Before these steps towards more parity, the law was spelled out in favour of the former established associations by reading the clauses guaranteed as clauses in favour of the individual as a natural person in a peculiar way: They were accepted to be clauses which are put up in favour of juridical persons as well. The established churches were juridical persons as corporations of public law. And their different agencies were such persons of private law, at least in a large number of cases. So, fundamental rights like Article 4 (1) GG, granting freedom of belief, conscience, and freedom of religious or similar confession, appeared as a clause which granted the activities of such corporations and persons in a lot of areas of life, like hospitals, residences for the elderly, schools, kindergarten, charities etc. Even labour law of the state could be set aside by claiming special rules under religious principles of the respective church, its agencies or subdivisions. At first glance, as Article 4 (1) GG does not provide for any limitations, this seemed to open an even wider field of unbound activities for these organisations. At the same time, the special clause relating to the management and organization of the churches’ own structures and of similar associations of the Weimar constitution provided limitations by referring to the law which is binding for all, see Article 137 (3) (1) WRV, which is incorporated in present law by Article 140 GG. This clause is the creation of a long historical development in law; it basically refers to the law binding all which is the constitution of the republic and nothing more. In fact, this concept goes back to Roger Williams, the founder of Rhode Island Colony already mentioned above, and to John Locke, who so far spoke of civic laws as general laws applicable to all.22 They stipulated in their writings that “civic laws” are those which are shared by all members of the polity, thus being general and thus being the foundation of the later-on republic governed by constitutional law.

22 See Williams, The Bloody Tenent of Persecution for the Cause of Conscience (1644), in: Woodhouse (Ed.), Puritanism and Liberty, 2nd Ed. 1974, p. 266 seqq., 281 seqq.; and Locke, A Letter concerning Toleration (1685/86), Ed. J. Ebbinghaus, 1966, p. 86 seqq.

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But meanwhile, the broad interpretation of the content of religious liberties, as to those entitled by them and, by the way, as to the substance of such liberties, sparks some doubts and there are results which can be stated: It creates more problems than it solves to broaden the entitlements too much. This holds true both ways, as to those entitled as well as to the substance which is protected. For instance, broad interpretations stabilized traditional structures which were there since 1648. Mainly, this way of perception of individual liberties as corporate entitlements stabilized the old disparities inherited from the Westphalian Order in times of the old Empire. It still lasts to today, but is questioned more often than ever before. V. History slowly has created the modern western individual, based on earlier grouporiented interpretations of entitlements or rights. After the appearance of the modern individual as the footing of all rights, group-oriented interpretations lost credibility. Therefore, contrary to group- or class-oriented interpretations of basic constitutional rights in Germany, there is a modern approach to look at such rights as strictly personal rights of the individual. The essence or nature of modern western rights is fed by the concept of the independent self-supporting natural person as the basic entity of even the body politic. Freedom and equality are perceived in the light of this ideal. The concept was used by most political philosophers since the renaissance up to the American and French revolutions. The underlying doctrine sometimes is referred to by the courts, sometimes not. Adjudication tends to decide case by case, not by general doctrine. Nevertheless, there are quite a number of arguments in favour of the interpretation of basic rights in the light of that historical footing of the west as a political culture that handles specific protection of the individual against specific dangers initiated by public authority.23 Also, in consequence, there is a tradition of narrowing the scope of protection by such rights, thus intensifying the density of that protection.24 In effect this leads back to group oriented protection. Such protection needs more leverage to coordinate spheres protected. This results in the use of limitations of such entitlements for that purpose. Wide entitlements require wide limitations, thus providing sufficient flexibility to balance conflicting interests. Narrow entitlements may not at all be in need of any limitation by law. The essence of the argument concerns the material scope of protection as much as the personal scope

23

Compare Goerlich, Fundamental Constitutional Rights: Content, Meaning and General Doctrines, in: Karpen (Ed.), The Constitution of the Federal Republic of Germany, 1988, p. 45, 52 seqq. 24 See, for instance, 50 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 290, 337 (1979). Also Rusteberg, Der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt. Eine veränderte Perspektive auf die Grundrechtsdogmatik durch eine präzise Schutzbereichsbestimmung, 2009.

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if groups or classes of persons forming associations, pluralities or even corporations are entitled.25 As a consequence, the discussion has to turn to questions of limitations to such wide entitlements for corporate or group activities, thus reaching another level of church-state-relations. The tendency to operate by use of such limitations, i. e. a broad interpretation of the substantive guarantee itself, is strengthened by the interest of the lawyers to be free to claim the entitlement of a right as violated and by the interest of the courts to get to the merits of a case. If one would go the other way, i. e. to view the protected area as narrow, one would not get into substance of the case but may turn it down as not to be considered. In the view of lawyers arguing a case at the bar of a court, it makes a considerable difference to discuss a case as a matter involving limitations. In such a situation one can spread considerable substance of juridical arguments and prove one’s wisdom, and not so if a case is finalized by cutting its link to the protected area of a substantive right overall. As Article 4 GG, the guarantee of religious liberties, does not provide for any statutory or regulatory restrictions, it can only be limited by provisions found in the constitution itself. The underlying doctrine is that no liberty laid down in a constitution can be interpreted in a way that violates other parts of the same constitution. Limitations can be found in Article 136 (1) WRV which is also incorporated in present law by Article 140 GG. But this clause aims at cases of discriminatory practices, not at limitations to religious liberties. It is in this respect similar to Article 33 (3) GG. So, indirectly, the clause of Article 137 (1) WRV had to become the general rule if one needed to put limitations on religious guarantees. Creating proportionality between these constitutional rights or interests in turn implies a sensitive process of balancing all interests involved against each other. This bears the danger that in times of terrorism such balancing is less sensitively handled than it should be. It may arise a situation in which it gets clear that less protection in substance actually means more protection than in the case of a broader interpretation of those guarantees. Therefore, it might be of greater interest to return to the historic function of rights and entitlements which is the protection of minorities and outsiders in the state of a given society. Instead of discussing limitations to liberties a different perspective might be more enlightening: Aren’t most of these liberties basically liberties of the individual?

25 As a matter of fact such wide protection is only permissible if the need for protection is essentially similar to the need for protection in the case of the individual, compare Article 19 (3) GG, which says that basic rights shall also apply to domestic legal persons to the extent that the nature of such rights permits it.

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VI. In this sense an egalitarian view on fundamental rights and freedoms which stresses the individual dimension of religious liberty and thus tips the balance in favour of the individual when weighing the competing rights of groups and single persons against each other can lead the way to more religious equality as the individual in society is often part of a group or confronted with the majoritarian view of such groups. Based on this train of thought, new developments in doctrine and adjudication take the very rights of the individual as the starting point to model and limit the scope of liberties and freedoms for religious groups and associations. In the German context religious symbols like the Muslim headscarf26 or the Christian crucifix27 were disputed under the aspect of equal treatment of different creeds. The application of the principle of religious equality in these cases brought before Germany’s Constitutional Court could have had two possible outcomes. If wearing a headscarf had been allowed in the classroom of state schools, then as a matter of equal treatment other religious symbols whether related to clothing or not would have to be accepted too. Nonetheless, if such symbols had been ordered to be removed then this would have had to be applied to all of them, not just to one. The latter interpretation meaning that formerly privileged groups would have to face a cutback in their status, while others would have no chance to gain the formerly accepted privileged status of the majorities. The German court ruled in the latter sense: The crucifix had to be removed on the request of the parents of one pupil; the privileged status of the Christian creed vanished, while it might as well have been acceptable if symbols of all religions represented in the class had been fixed on the wall at the same time. The latter was never done, but some lower courts nevertheless preferred this more liberal approach. And, in the quoted case of the headscarf of a teacher in a state-run school, the neutrality as a teacher in office or on duty required her to take off religiously symbolic clothing. As a result, one now can state a general rule of law that a teacher in office or on duty cannot carry religious symbols on her or his clothes, not even a small crucifix or a “kippa”, i. e. the traditional small round piece on the head of male Jews substituting a hat. But the debate still seems to be under way. The European perspective under the margin of 26 108 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 282 (2004), Judgment of Sept. 24, 2003 – 2 BvR 1436/02 – headscarf of teachers in state-run schools. 27 93 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1 seqq. (1996), Decree of May 16, 1995 – 1 BvR 1087/91 – crucifix in classrooms of state schools in Bavaria; the European Court of Human Rights by a chamber judgement of Nov. 3, 2009 – appl. no. 30814/06 – in the case Lautsi v. Italy, has taken a similar position considering a crucifix in a classroom of a state run school as a violation of Article 9 of the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms as to freedom of thought, conscience and religion, and – at the same time – a violation of Article 2 of the 1st Protocol amending this convention, an article protecting the rights of parents in matters of education of their children, including education in matters of religion and morals; doubts, if the Great Chamber will hold it, at Walter, Die Hoheit über das Kreuz, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, No. 269 of Nov. 19, 2009, 8.

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appreciation does leave room for different solutions in different Member States of the European Council and the European Union. As a matter of law there could be put forward quite an argument in favour of a more tolerant approach concerning religiously compulsory dressing as for example in the case of Jews or Sikhs: Wearing certain symbolic clothes for religious reasons should be allowed under the circumstance that it does not go with religious soliciting, propaganda or missionary conduct but the appropriate demeanour behaviour of a civilized person in public or a civil servant on duty. This way, the individual was enabled to claim that symbols should not be forced upon him or her in the classroom as part of a public institution, while at the same time this meant that the entitlement of the respective group to oblige its members to carry such symbols or to hang them onto the wall of the classroom was restrained. Preferring a more liberal approach as outlined above, though, a development towards equal treatment can be stated which may be founded on this new balance between religious liberty of the individual and the same liberty as liberty of a group. Moreover, school prayer being a traditional example of forcing a Christian majority creed upon the pupils in a classroom28 got more and more unacceptable as a case of violation of individual religious liberty. And recently a lower court decided that the pupil who is member of a religious minority must have the chance to obey his religion and pray in a separate room, nevertheless only while a break interrupts the tuition in general.29 This again shows that in terms of religious liberty the balancing of rights presently seems to be effected more in favour of the individual and not anymore in favour of the religious (majority) groups, as the emphasis of the impact of religious liberties now is firmly attached to the roots of such rights as rights of the individual. A reason behind this development strongly tied to the context of public institutions might be that the state is obliged to stick to a certain degree of neutrality towards religion in general; but even more so, the respect for the individual holding different views and being inclined to different feelings makes such a result much more plausible. This neutrality of the state might even get more rigid,30 since there never should be chilling effects to the exercise of personal rights. Chilling effects have to be kept

28 See the old case 52 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 223 (1980), Decree of Oct. 16, 1979 – 1 BvR 647/70 and 7/74 – “Christian” prayers in nondenominational schools. 29 See a judgment of the administrative court of first instance in Berlin, VG Berlin judgment of Sept. 29, 2009 – VG 3 A 984.07, dealing with the desire of a Muslim boy to pray while in state-run school in a separate room during regular breaks of hours of tuition. For the functions of such courts in Germany see Singh, German Administrative Law (as quoted above footnote 4). 30 Heinig, Verschärfung der oder Abschied von der Neutralität? In: 64 Juristenzeitung 1136 seqq. (2009) a. Sydow, Moderator im Glaubensstreit: Der neutrale Staat in ungewohnter Rolle, in: 64 Juristenzeitung 1141 seqq. (2009).

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out of the game not only in the case of political rights like freedom of speech; freedom of conscience and belief deserve the same privilege.31 In effect, religious liberty of the individual as such necessarily implies religious equality to all members of society. This will have long run effects, including problems which are not yet really envisaged, like the legal obligation to be buried in a coffin, which forces most Muslim families to ship the bodies of their members who have passed away to a Muslim country.32 This again will indicate respect for the individual as it is recognized in Switzerland by the historic constitutional right to a decent funeral, but in the case of Muslims might also be linked to religious liberty. And, on the other hand of course, this will induce more respect for the respective group. This new line of adjudication is rooted in the right of the individual and not the entitlement of the group. Therefore hope seems justified that the link to real life, to personal needs and thus to change as it happens in society will not be cut off. Of course, there always will be the link to groups, associations and, in the end, corporate privilege, but it would be controlled by the necessities of life, not by vested interests. VII. Vested interest as it has established itself over centuries – as it has been recognized by law and even incorporated into constitutional entitlements – nevertheless lasts. In a country which is not in a revolutionary mood or somewhat radical shape, this will always be the case. Therefore, parallel to the new emphasis on the individual personal entitlement by liberties and protection against discrimination, there remain certain strongholds of the established churches. Thus, the property of churches is protected by its link to religious guarantees; they have easier access to public institutions like the military, hospitals, schools, prisons and the like. Also they claim special protection against customers or business interests in open shopping malls for a regular quiet Sunday, their feasts as holidays of rest and worship.33 They have easier access to political institutions and therefore are more 31

As to the background of banning chilling effects concerning the use of basic rights see Goerlich, Der autonome Rechtsraum des Einzelnen – Wesensgehalte der Grundrechte und die Befugnisse des Gemeinwesens – eine Annäherung, in: Wittinger/Wendt (Eds.), Festschrift für Wilfried Fiedler, 2010, forthcoming. 32 See Muckel and Tillmanns, Die religionsverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für den Islam, in: Muckel (Ed.), Der Islam im öffentlichen Recht des säkularen Verfassungsstaates, 2008, p. 234 (261 seqq.). 33 Thus the Federal Constitutional Court, Judgement of Dec. 1, 2009 – 1 BvR 2857/07 and 2858/07 – has found standing of the traditionally established churches to come to court if they assume the traditional protection of such days is endangered, as might be possible for them on the basis of Article 139 of the Weimar Constitution which is still law today, in combination with Article 4 (1) and (2) GG. The Court refers to the bible, talking of the rest at the seventh day of creation of the earth, a line of argument which might be used by other religious communities footing on their holy scriptures and days of rest and worship in their traditions. This does not collide with the fact that the Court finds not only worldly-secular but also

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effective in promoting their interests. Even European law guarantees them a dialogue with European Institutions of the Union which they can participate in by their representation in Brussels. And the worldwide communication of churches gives them the advantage of early information if they know how to handle it. All these are only examples of the strong presence of churches and similar actors in the public sphere. In society as such their influence might be in constant decline. But the backlash of historical strength is still there. This strength had, of course, already disappeared in socialist countries where religious institutions were under constant pressure. And the chilling effect of such pressure still is to be felt, for instance in the eastern half of Germany, where the elites running such institutions still hesitate to act freely in the interest they represent. Thus they often do not take advantage of legal positions they lawfully could claim. Even this traditional vigour in Western Europe might slowly get minimized if the financial basis of these interests weakens. This seems to be the case, since membership in churches is declining constantly. And there even is a movement of church members who quit the church as a taxpayer but insist to remain in it as a baptized member.34 Also, while historic privileges are respected, the question now arises whether equivalent entitlements have to be granted to other denominations, religions or creeds. Therefore, now one finds court decisions which question if the state has sufficiently implemented the requirement of religious equality: the provisions for the dividing-up of public subsidies between different Jewish denominations made the whole relevant legal structure doubtful in the light of non-discrimination, given all the provisions of German constitutional law which oblige to avoid such effects.35 Similarly, if – for historic reasons – a state-run university provides a church for Protestant – in the special case Lutheran – services, then the state or its university must provide space or rooms for other religions and denominations than the Lutheran one and for non-Christian beliefs as well if requested.36 In fact, the historically formerly churches in most cases often accept common use of buildings if it fits in their schedule. This might end in a sort of “simultaneum” indicating by this term of latin Christian and also older Jewish roots on which Article 139 WRV is based; also in the secular sense now a weekly day of rest might be protected and defended by trade unions, sport clubs and families, based on Articles 9, 2, and 6 GG. 34 See a judgment of an administrative law court of first instance, VG Freiburg, Judgement of July 15, 2009 – 2 K 1746/08 – dealing with cases in which people leave the corporation of a church but restate the spiritual membership in it, so that taxes cannot be collected anymore by the state for the respective church. In Germany churches oppose such behaviour, but in Switzerland churches concerned consider it by their own law as lawful since the state cannot check on such a differentiation in statements of its citizens or residents in religious matters. 35 Bundesverfassungsgericht, Decree of May 12, 2009 – 2 BvR 890/06 – printed in 28 Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1217 (2009). 36 See such a case discussed in: Goerlich/Schmidt, Res sacrae in den neuen Bundesländern, Rechtsfragen des Wiederaufbaus der Universitätskirche in Leipzig, 2009.

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origin that there is common use of different denominations; this might also comprise secular and religious use of the same building. VIII. In the long run, religious equality will imply a good measure of pluralism in a lot of fields of law, not only in the area of public financial support. It seems doubtful if the status quo suffices in such matters as family law, inheritance and even elementary protection by law. In such matters concepts of privileged status for some religious associations based on the idea of a – at some previous time existing – dominance of a certain creed gets questionable as far as these concepts are still underlain by the secular public law of the state. Even more so, another question is if the state for the sake of religious equality has to tolerate different “personal laws” within its public order (ordre public) as a body politic. To go into this in some detail makes sense if one publishes in India. There, over centuries the idea of personal law was established which is not uniform in the way the founding fathers of the Constitution of India conceived it. Let us get into it from some other end: In some religious traditions marriages between relatives are preferred. This would make secular law so far questionable as it bans such behaviour. Some hints in this direction can be found in a case where the constitutionality of criminal law was questioned recently so far as it criminalizes marriage between brother and sister.37 If one looks at the fact that in Rhode Island for centuries Jewish marriages between uncle and niece were allowed for reasons of religious equality,38 such a general legal policy of penalizing such behaviour turns out to be doubtful. Eugenic and moral arguments in favour of such incest laws did not convince the presiding justice who dissented. And in other fields relating to marriage and inheritance there is a clear tendency towards equal treatment of deviant behaviour. In the long run this will affect the general rules of law in those areas if one wishes or not. And, if religion is involved as in India, Indonesia, Great Britain, Canada and other places, this issue will arise sooner or later. The question then is what the common standard within a given state and its communities or one may say societies might be. Apparently this is not yet clear. This is not a matter of competition between different legal traditions and their laws,39 it is a matter of pluralism within these societies on the one hand, but on the other hand it also is a matter of the reach of constitutional safeguards in favour of equal treatment and nondiscrimination in the field of religious equality. To put it from another perspective: the doctrine which was quite common in central Europe until recently assumes that there is necessarily a common ground on which a political body is founded, including 37 See 120 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 224 seqq. (2008), Decree of February 26, 2008 – 2 BvR 392/07, with a dissenting vote of one justice, 255 seqq., upholding the respective clause of the penal code forbidding incest in the form of “Geschwisterinzest”. 38 See Nussbaum, Liberty of Conscience, etc. as quoted above, p. 124. 39 So far see Peters, Wettbewerb von Rechtsordnungen, Reports of the Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer of its conference in Graz, Austria, in October 2009.

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the spheres of personal law. And, even if one does not follow this general assumption,40 what might be the necessary minimum? Sometimes this development towards equal treatment of deviant behaviour is not linked to the foundation of social change in partnerships which can be based on religion, sexual preferences or whatever. Simply it might be caused by a pragmatic juridical comparison of obligations, goals and means involved. The level of comparison sometimes is limited to the results and the provision invoked is the general rule of equal treatment as laid down in Article 3 (1) GG, for instance if the Court compares the financial situation of the surviving partner of a marriage or of a same sex partnership.41 The link to religion might nevertheless be there, for instance if a state does not allow divorce, as Spain with a strong inclination to Roman Catholicism did a long time ago for religious reasons. If the law of another state, allowing divorce, is confronted with such a rule of the former state invoked by its private international law, the following question may arise:42 Can the liberty to reengage in marriage presupposing a legally effective divorce be subdued in this legal system by the rule of another state prohibiting this divorce? Otherwise the question nowadays goes even further in terms of whether the whole concept of marriage might be governed by religion and its own laws. The idea of basic protection by law in the sense of due process as granted by the state via its courts might be in danger in the light of such religious rules. Then the public order of the state has to decide what the basic structure of liberty and law might be that has to be upheld as ordre public in the narrower technical sense of the word even if – in the name of liberty – religious pluralism results in legal pluralism in the respective field of law.43 In the domain of tuition and scholarship the traditional course in law schools called “Church and State” should definitely be renamed to something like “Religion and State” – in German – to “Religionsrecht” (Law concerning Religions) or to “Religionsverfassungsrecht” (Constitutional Law relating to Religions). Such a categorisation would need to comprise not only legal provisions dealing with religions but also – to some extent – the internal law of those religions and law guaranteeing some stability for such pluralistic structures.44 40 An identity claims Dreier, Religion und Verfassungsstaat im Kampf der Kulturen, in: Dreier/Hilgendorf (Eds.), Kulturelle Identität als Grund und Grenze des Rechts, ARSP-Beiheft Vol. 113 (2008), 11, 25. 41 See Bundesverfassungsgericht, Decree of July 7, 2009 – 1 BvR 1164/07 – not yet printed. 42 Compare 31 Bundesverfassungsgericht 58 seqq. (1972), Decree of May 4, 1971 – 1 BvR 636/68. 43 For this see Mansel, Die kulturelle Identität im Internationalen Privatrecht, in: Nolte et al. (Eds.), Pluralistische Gesellschaften und Internationales Recht, 43 Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 137 seqq., 235 seqq. (2008); and Büchler, Kulturelle Vielfalt und Familienrecht, ibid., 215 seqq. 44 See Walter, Religionsfreiheit in säkularen im Vergleich zu nicht-säkularen Staaten: Bausteine für ein integratives internationales Religionsrecht, in: Nolte et al. (see the last footnote above), 253 seqq.

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In the field of international regimes and treaties there might develop a need for an international set of law enabling the practice of religious equality by means of ius cogens. Such a development may already have started by the obligation to protect basic human rights; this obligation to protect seems to lead to a new instrument to justify humanitarian intervention;45 abuse might be at hand, especially in the case of religious liberty; it could end up with the state referring to religious equality or claims of its violation by discrimination in order to justify interventions – even of military nature – so far deemed unacceptable under international public law. Nevertheless, the struggle to get basic human rights such as religious equality and non-discrimination acknowledged by states is most needed. It might enable the nation state in the western sense to finally accept the change of its respective society nowadays, offering a more pluralistic picture thus aiming to strike a proper balance between liberty and public order including sufficient legal space for religious liberty – which is more than just “toleration” as a general principle.46 This might bring less entitlement for traditional majorities in such matters and more rights for those in the minority. But it also requires a new attitude on all sides. In turn this must imply as a prerequisite the acceptance by religious doctrines that it is not permissible to fight other creeds or denominations to the point of religious conflict, uprisings or even invasive war between nations. The responsibility to protect47 lives and liberties might be implemented this way in a well balanced manner of legal structures. In this respect the present state of affairs in Germany in the arena of law is no more than that of some first steps towards religious equality within the settings of national constitutional and European law. As a member of the European Union and a state within the Council of Europe the guarantees of religious equality might suffice on a regional level. But as the Swiss case of the people’s initiative of the November 29, 2010 shows for cases outside the European Union, international ius cogens is the only safeguard against evasions from such principles by the national sovereign even in a state with considerable constitutional traditions like the Swiss Federation. Beyond the European experience in this matter, regional and more or less federal instruments beyond the states are useful. In addition, the creation of universally accepted ius cogens seems to be required to stabilize the behaviour of states with respect to religious equality. In Asia, one is inclined to assume, this might favour the development of a regional human rights regime. Even more steps towards universal humanitarian and fundamental human rights standards will be needed where cultural traditions differ in a very basic sense from the western concepts.

45 Compare Walter (op.cit. last footnote above), 270 seqq., 278 seqq.; also Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, p. 103 seqq. 46 As to this, I owe a lot to Rottmann, on toleration as a concept of constitutional law, to be published in English in Singh/Kotzur (Eds.), Cultural Diversity and Law, forthcoming. 47 In western international law this category has gained considerable weight, see Stein/ v. Buttlar, Völkerrecht, 12th Ed. 2009, number 519 seqq., p. 179 seqq.

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IX. Finally, some remarks are necessary as to why all this is relevant and placed in a publication in honour of an outstanding Indian scholar being published in his respective home country. Especially since India is a secular constitutional state as the preamble of its constitution proclaims. And even more so, as this element is part of the basic structure of that constitution, which cannot be changed by amendment or otherwise put aside.48 But then the basic interest in this topic is not just one of law but one relating to the societal basis of civil obedience to and compliance with the law. It lies, basically, in the perspective of the sociology of law.49 If a given society gets to the point where religious equality is on the way to be established, then new conflicts might reach the surface of social interaction. So far this seems sooner or later to be the case even though some claim Indonesia until now to be the exception. The latter hearsay I cannot evaluate. Undoubtedly though such a society needs new means to handle these conflicts. In view of the tradition of Mahatma Ghandi, one assumes, India may possess such means based on its experience. Apparently, Gandhi supported nationhood of a nation of nations and likewise a pluralistic society as to religious creeds and beliefs and lifestyles based on them. The promise of that tradition still has considerable weight. But even while this promise is pronounced it is handed over to a society which has such conflicts. A society which cannot claim to have reason to deny them arguing that they are only isolated and atypical events. One may hope against such a background that in the societal scene specific individual abilities and instruments of law will be developed which enable it to handle such conflicts and stabilize the society. The traditional means of law as they have emerged in the context of the European nation state will not suffice for that task. In Europe and in Great Britain the idea of religious equality and its consequences was invented but European and British statesmanship never dared to make it the basis of the law itself. The idea was exported to the other side of the Atlantic ocean, but even there it remained slowly evolving in statu nascendi, was never fully developed and thus remained unfinished. It was never enabled to spell out a constitutional tradition sufficiently powerful to become the constant basis of a civic culture which is self-support48 See Singh, V. N. Shukla’s Constitution of India, 11th Ed. 2008, p. 1 seqq., and p. A 27 seqq. 49 In Europe, the experience that led to this discipline was that of the Habsburg Empire, especially as Eugen Ehrlich, professor of law in Czernovitz, Bukowina, used it to establish that field of sociology; when he shed light on and invented as a term the “law lived” (Gelebtes Recht) by the nine different nationalities in his region as different from the law in the books, i. e. the codes of the Habsburg Empire, see Rehbinder, Rechtssoziologe, 7th Ed. 2009, p. V seq.; this multicultural experience lost its basis already during the last years of that empire; the Ottoman Empire which handled multiculturalism in different ways fell apart too and was similarly replaced by structures footing on western nationalism, which is widely based on homogeneity, in its dangerous variations it implies ethnic homogeneity beyond cultural or religious homogeneity of some considerable degree.

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ing and thus in turn preserves its legal foundation, its legal frame for the sake of its own continuing and sustainable stability. It would be of great interest to see academic work based on research in that area in India. X. Appendix – Extracts from existing covenants, treaties, constitutions, codes or legislation protecting religious equality, mostly in Europe and Germany [vom Abdruck wurde abgesehen, d. Hrsg.]

Säkularität – Religiosität – Egalität – in einer nicht nur auf die Grenzen verfasster Rechte fixierten Perspektive [2011]* Seit die Römer ihre Könige und deren Recht beseitigt haben, war ihr Recht das der Republik und als solches deren säkularer Rationalität verpflichtet – gewiss in irgendeiner Form ein historischer Vorgang. Es entstand eine säkulare Republik, die letztlich nur den Bürger als ihre Basis kannte. Ganz anders war das alte – später heilige – römische Reich deutscher Nation in seiner kaiserlichen Tradition eine nach ihrem Verständnis auch göttlich bestimmte Ordnung. Der Kaiser stand nicht erst seit den Staufern in höherer Gnade Gottes; das Reich war nicht säkular,1 war aber mehreren Säkularisierungsprozessen ausgesetzt, intern religionsrechtlich seit dem Westfälischen Frieden und extern seit dem Frieden von Lunéville 1801 zunehmend – Schritte, die zu seinem glanzlosen Ende führten. Im Westen haben allerdings seit der Aufklärung und der von ihr aufgegriffenen, aber in England schon älteren Theorie der Republik2 Revolutionen sozusagen nicht nur neues, sondern auch genuin säkulares Recht ermöglicht. Säkularisierungsprozesse sind mithin vom konstituierenden Status eines Grundsatzes der Säkularität eines Gemeinwesens und seines Rechts zu unterscheiden. Um diesen geht es, Säkularisierungsprozesse sind hier nicht weiter Gegenstand.3 * Zuerst veröffentlicht in Denkströme – Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig – 7 (2011), S. 33 ff. 1 Zur Unvergänglichkeit Kantorowicz, The King’s Two Bodies, A Study in Medieval Political Theology, Princeton 1957, S. 291 ff.: das Imperium ist nun auf Dauer übertragen; zur Allwissenheit Fögen, Die Enteignung der Wahrsager. Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike, 1997; spätantike Vorgänge sozusagen einer polytheistischen Resakralisierung sind hier nicht Gegenstand; es bleibt aber die Trennung des weltlichen vom sakralen Bereich, vgl. Waldstein/Rainer, Römische Rechtsgeschichte, 10. Aufl. 2005, § 5, Rn. 13, S. 28. 2 Klassisch Fink, The Classical Republicans. An Essay in the Rediscovery of a Pattern of Thought in Seventeenth Century England, Evanston 1945. 3 Zu diesen Säkularisierungsprozessen in Deutschland und den Nachwirkungen bis heute, einerseits nach Lunéville Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, 2. Aufl. 2010, § 17, Ziff. 2, Rn. 3, S. 121 ff.; andererseits für die inneren Vorstufen der Säkularisierung Heckel, Die Auswirkungen der Konfessionalisierung auf das Recht im Alten Reich, in: ZRG KanAbt. 96 (2010), 407 ff. (424 ff.); i. Ü. grundlegend ders., Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung. Der Sonderweg des deutschen Staatskirchenrechts vom Augsburger Religionsfrieden 1555 bis heute, 2007; zu beiden Aspekten mit zahlreichen Nachweisen aus konservativ-katholischer Sicht sowie die Relativierung des Merkmals der Säkularität, indes nicht für solche Staaten, die dem westlichen Modell des Verfassungsstaates seit langem folgen Gärditz, Sä-

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Daher verlangen jedenfalls seit der Aufklärung säkulare Verfassungen Religionen und Weltanschauungen ab, sich in die von ihnen geschaffenen säkularen Ordnungen rechtlich zu fügen. Dabei erfordert offenbar Säkularität die rein innerweltliche, sozusagen „rationale“ Begründung von Verfassung und Recht; im Gegensatz zu jeder transzendentalen, fundamentalen oder religiösen Rechtfertigung weltlicher Ordnung. Grundlage ist eine Begründung des Rechts, wie sie seit dem rationalen Naturrecht ohne Rücksicht auf das göttliche Recht geschieht. Es konstruiert also Recht, als ob es Gott nicht gebe, d. h. „etsi Deus non daretur“.4 Daraus folgt in der westlichchristlichen Tradition Europas auch ein Vorrang des rationalen Naturrechts gegenüber dem göttlichen Recht.5 Dabei wird zunächst von Naturrecht schlechthin gesprokularität und Verfassung, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 5, Rn. 10, S. 153 ff. (159 f.); auf die mit dem berühmten, in Wahrheit – dort auf die Verfassung bezogenen – von v. Eichendorff stammenden Diktum vom Leben des Staates verbundene Debatte (ders., Preußen und die Konstitutionen, in: ders., Werke und Schriften, Bd. IV: Literaturhistorische Schriften, Historische Schriften, Politische Schriften, Stuttgart u. a. o. J., S. 1291 ff., 1320; ders., Über Garantien [1833], a.a.O., S. 1325 ff., 1334, 1348 und passim) ist hier nicht einzugehen, vgl. zuletzt Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation (1967), in: ders., Der säkularisierte Staat, 2007, S. 43 ff. (71, immer noch ohne Beleg); allerdings enthält Schlink, Zwischen Säkularisation und Multikulturalität, in: Stober (Hrsg.), Recht und Recht, Festschrift für G. Roellecke, 1997, S. 301 ff. in Auseinandersetzung mit BVerfGE 93, 1 ff. – Kruzifix – einen Ansatz, den dieser Beitrag sieht. Zur „Desecularization“ Reuter/Kippenberg, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Religionskonflikte im Verfassungsstaat, 2010, S. 11 ff., mit zahlreichen Nachweisen auch in den Beiträgen dieses Bandes. 4 Vgl. Grotius, Vom Recht des Krieges und des Friedens (1625), neuer deutscher Text hrsgg. und eingeleitet von Schätzel, 1950, Vorrede, S. 33. Siehe für die theologisch-philosophische Debatte um die Formel Hofmeister, „Etsi Deus Non Daretur“, in: Neue Zeitschrift für systematische Theologie und Philosophie 21 (1979), 272 ff., auch mit Bezug auf Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Neuausgabe 1970, S. 391 ff. (393) – Brief an E. Bethge vom 16.7. 1944. Diese Fundstellen weisen eine ältere Herkunft aus der spanischen Scholastik nicht nach. Thomasius, Vorrede [scil.: zur eben genannten Schrift des Grotius], nennt sie aber alle, vgl. a.a.O., S. 1 ff. (3, insbes. 19 ff.); für eine Einordnung des berühmten Zitats bei Grotius auch Link (Anm. 3), § 16, Rn. 2, S. 102; die Herkunft des „Etsi Deus…“ aus der spanischen Tradition (vgl. Rodrigo de Arriaga 1592 – 1667, zu ihm und der Geltung des Naturrechts, auch wenn es Gott nicht gäbe, eine Andeutung bei Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl. 1988, S. 224) mag in Zusammenhang zu sehen sein mit der säkularen Überlieferung säkular-antiker hellenistisch-griechischer Wissenschaft als Grundlage der Weltdeutung neben den religiösen Deutungen, zunächst des Juden- sowie des Christentums und des Islam und nach der Reconquista vor allem des Christentums allein; zu spanischen Grundlagen der Naturrechtstheorien, unter besonderer Auseinandersetzung mit Grotius Tuck, Natural Rights Theories. Their Origin and Development, Cambridge 1979; zur mit der Rationalität eröffneten Kehrseite, nämlich der Souveränität Post, Vincentius Hispanus, ,Pro Ratione Voluntas‘ and Medieval and Early Modern Theories of Sovereignty, in: Traditio. Studies in Ancient and Medieval History, Thought and Religion XXVIII (1972), 159 ff. 5 Grotius (Anm. 4), 1. Buch, 1. Kapitel, S. 50 ff.; ähnlich bzgl. des Eigentums von Barbaren und Häretikern de Victoria, De Indis Recenter Inventis et Jure Belli Hispanorum in Barbaros (1539), lateinischer Text nebst Übersetzung hrsgg. von Schätzel, 1952, S. 33 ff.; für den Hintergrund Skinner, The Foundations of Modern Political Thought, Vol. 2: The Age of Reformation, Cambridge 1978, S. 151 ff.

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chen, die Unterscheidung eines rationalen von einem anderen Naturrecht scheint jünger. Es findet zugleich die Methode Eingang, Recht more geometrico, in diesem Sinne rational zu konstruieren.6 Jedenfalls dieses rationale Recht schafft Stabilität und Dauer dank eines Gleichgewichts, sei es etwa nach innen im Wege der Teilung der Gewalten, sei es nach außen im Gleichgewicht der Mächte – letzteres dank des Gleichgewichts der Mächte als tragender Struktur unter Staaten, nicht zur höheren Ehre Gottes und der Christenheit, sondern um eines weltlich-säkularen Friedens willen. Der Staat kann alsdann auch Religionsparteien derselben Religion ebenso wie solche verschiedener Religionen unter seinem Dach zusammenhalten und sich dank seiner rational-säkularen Ausrichtung schließlich auch selber tragen.7 Zunächst ist der weltlich-säkulare Frieden völkerrechtlich legitimiert, typischer Weise aber in einem Instrument, das zugleich reichsverfassungsrechtlichen Charakter hat, also auch nach innen wirkt, wie dies beim Westfälischen Frieden der Fall war.8 Dabei hat dieser Frieden allerdings solche Vorstellungen nicht in die territorial-staatliche Welt transportiert, sondern dort ein später erst so genanntes „cuius regio eius religio“ etabliert. Daher konnte sich gerade in Deutschland eine innerliche und territorial ausgerichtete Säkularität kaum entwickeln. Später aber entsteht und verwirklicht sich dieses Konzept vor allem dort, wo unvermeidlich die rechtliche Akzeptanz fremder Religionen angesagt war, wollte man Fuß fassen und präsent bleiben; so lag es etwa im Indien zunächst der britischen Kaufleute, danach aber auch unter britischer Herrschaft. Hier musste die öffentliche Ordnung säkular sein, sollte sie bestehen können. So war etwa schon zur Zeit der ostindischen Kompanie der Ämterzugang nicht abhängig von einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit.9 Nach der Unabhängigkeit entstand in Indien aus dieser säkularen Ordnung eine säkulare Verfassung10 und es 6

Vgl. dazu Taylor, Ein säkulares Zeitalter (2007), 2009, S. 221 ff. Für letzteres mit Bezug auf Grotius siehe Hegel, Philosophie der Geschichte, in: ders., Werke, Bd. 12, 1986, S. 520 ff.; weniger deutlich ders., Geschichte der Philosophie III, ebd., Bd. 20, 1982, S. 224 f.; auch holzschnittartig Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, 1961, S. 59 ff. 8 Erst mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurde im Rahmen der Umsetzung des Friedens von Lunéville und den darin angeordneten Säkularisierungen und Mediatisierungen innerhalb der Territorien Religionsfreiheit hergestellt, vgl. dazu Fürstenau, Das Grundrecht der Religionsfreiheit nach seiner geschichtlichen Entwickelung und heutigen Geltung in Deutschland, 1891, S. 81. 9 Vgl. Wende, Das britische Empire, 2008, S. 155 ff. für die East India Company und später; dem religionsunabhängigen Ämterzugang entsprach ein faktisches Missionsverbot in Indien jedenfalls zur Zeit der Kompanie, vgl. Nagel, Abenteuer Fernhandel – Die Ostindienkompanien, 2007, S. 58 f.; dort S. 96 auch zur indirect rule, die zum colonial service führte; für eine Richterkarriere eines Moslems im späten 19. Jahrhundert Janssen, Die Übertragung von Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des englischen Kolonialrechts, 2000, S. 46 ff., 49 f. 10 „Secularism“ ist daher auch Verfassungsgrundsatz, etwa aufgrund der rechtlich verbindlichen Präambel der Verfassung Indiens, die seit einer Verfassungsänderung aus dem Jahre 1976 von Indien als „…secular democratic republic“ spricht, vgl. Singh, V. N. Shukla’s Constitution of India, 11. Aufl. Lucknow 2008, S. A 67 ff.; seither und früher stößt man dort auf eine auch akademische Debatte, was „Säkularismus“ sei, früher etwa die Sammelbände 7

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blieb bei solchem Recht. Die Verfassung ergibt, dass Religionen die säkulare Ordnung nicht beeinflussen sollen. Aber anders als Varianten der türkischen und der französischen Laizität verdrängt „Säkularität“ hier die Religionen nicht aus dem öffentlichen Raum, sie sucht sie vielmehr im öffentlichen Raum gleichzustellen. Ein entsprechender Grundsatz der Säkularität mag dann auch Grundlage einer gemeinsamen öffentlichen Plattform werden, ganz anders als unter einem Laizismus, dessen Grundsätze Religionen schlechthin oder teilweise aus dem öffentlichen Raum drängen. Abweichend davon in einem Zwischenschritt scheint ein Gemeinwesen zu verharren, das sich – wie Deutschland 1871 – föderal organisiert und sich zugleich noch auf die Konfessionen einer Religion bezieht, derselben, die auch dominant blieb, als Fragen der Säkularität sich zuerst stellten. Hier sucht die Zivilgesellschaft, deren Föderation zwar notwendig auf dem Weg zur Säkularität ist, in Vorformen einer säkularen Verfasstheit die in ihr vorfindlichen und später auch die sozusagen ankommenden Religionen und Weltanschauungen geradezu in einen Ausgleich zu führen. Politisch ergibt sich daraus so etwas wie eine Konsenspraxis einer – im eidgenössischschweizerischen Sinne – „Konkordanz“.11 Sie will Instrumentalisierungen von Konflikten und aus ihnen hervorgehende Scharmützel ebenso vermeiden wie auf den ersten Blick säkulare Kreuzzüge gegen angebliche auswärtige Feinde oder vermeintliche fünfte Kolonnen. Dabei kann „Konkordanz“ hier meinen, gewisse Grundwerte zu Bhargava (Hrsg.), Secularism and its Critics, New Delhi 1998, 9. Neudruck 2010, und auch Srinivasan (Hrsg.), The Future of Secularism, New Delhi u. a. 2007; nicht erörtert werden hier allgemeine sozialwissenschaftliche Theorien der Säkularisierung oder der Säkularität, etwa seit Max Weber und heute z. B. bei Taylor (Anm. 6); ob Vorformen eines rechtstheoretischen Konzepts eines Säkularismus der öffentlichen Ordnung über die spanische Scholastik zurückreichen bis in das maurische Spanien, das die Schriftreligionen einander weitgehend gleichstellte, ist mir nicht bekannt, vgl. aber meine Mutmaßung am Ende von Anm. 4; heute aus deutscher staatsrechtlich-katholisch-konservativer Sicht zur Säkularität Gärditz (Anm. 3), der einen Rechtspluralismus etwa im Familien- und Erbrecht für unzulässig erachtet, a.a.O., Rn. 24, S. 170 f. und – wie angedeutet – nicht-säkulare Staatlichkeit für möglich hält, a.a.O., Rn. 11, S. 160. 11 Dieser Begriff ist ein Begriff der politischen Praxis der Schweiz, der bis heute eine Rolle spielt und damit die dortige „Konkordanzdemokratie“ anspricht. Allerdings wird dort dieses Thema zunehmend skeptisch diskutiert, vgl. etwa Bodenmann, Kaputte Konkordanz? Alles halb so schlimm! Es fehlt an der notwendigen Autonomie des Politischen gegenüber kurzfristigen Klientel-Interessen, in: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, Nr. 76 v. 31.3. 2011, 27. Aus der Schweiz stammen auch Varianten zu diesem Begriff in der Fachliteratur, vgl. etwa Bäumlin, Staat, Recht und Geschichte, Zürich 1961, S. 26 ff. (mit dortiger Anm. 14, S. 58), wo er von „Konkordanzverfahren“, „concordantia disconcordantium“ (Gratian), „praktischer Konsonanz“, „praktischer Konkordanz“ spricht, letztere dann später bei K. Hesse, dessen frühe Rechtfertigung für die Herübernahme aus dem Kirchenrecht sich nach Bäumlin offenbar in einer Rezension einer kirchenrechtlichen Schrift findet, vgl. K. Hesse, Rezension von Siegfried Grundmann, Der Lutherische Weltbund, Köln u. a. 1957, in: AöR 84 (1959), 364 ff. (366 ff.); letztlich entlehnt sind diese Termini nicht nur dem Kirchenrecht, sondern auch der kirchlichen Dogmatik und der Theologie, wo man von „Konkordienformeln“ spricht, d. h. von der dort ermöglichten „concordantia oppositorum“, die sich schon bei Nikolaus von Kues im Gottesbegriff findet, vgl. Schulz, Der Gott der neuzeitlichen Metaphysik, 2. Aufl. 1959, S. 13 ff. Für jüngere verfassungsrechtsmethodische Fundstellen vgl. auch unten Anm. 49.

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teilen,12 vielleicht aber treffender, Werte zu berufen, die gewissen Verfahren einer eingespielten Praxis der Beteiligung zugrunde liegen. Vielleicht entspricht „Konkordanz“ sogar in einem inneren, nicht offen gelegten Kern der Versuch Indonesiens, eine gemeinsame sozusagen zivile Religion aus einem gemeinsamen Nenner der tradierten und im Zeitpunkt der Unabhängigkeit gegenwärtigen Religionen zu schaffen und mit Hilfe der Verfassung im Sinne von „unity in diversity“ zu etablieren.13 Unterschiedliche Grade und Varianten an Säkularität von Verfassungen spiegeln sich in unterschiedlichen Ausgestaltungen.14 So wird teils – wie in Deutschland nach Art. 140 Grundgesetz (GG) gemäß Art. 137 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) – schlicht gesagt, dass keine Staatskirche bestehe, neben den ebenso bedeutsamen Garantien der Religionsfreiheit. Teilweise findet sie einen grundsätzlichen Niederschlag in Formulierungen rechtsverbindlich gewordener Präambeln, wie in Indien. Oder aber man stößt auf sie in Postulaten von Laizität an ähnlich hervorgehobener und schlechthin verbindlicher Stelle, wie in den Verfassungen Frankreichs oder der Türkei. Die rechtlichen Schlussfolgerungen im Vollzug solcher normativer Aussagen sind zudem wiederum unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen aber die Intention, die verfassungsgemäße Ordnung und damit die gesamte Rechtsordnung und das öffentliche Leben auf eine weltliche Grundlage zu stellen. Zwar suchen die Verfassungen seit 1945 zugleich oft eine Grundstruktur solcher Ordnungen herzustellen, manchmal als freiheitliche demokratische Grundordnung (Deutschland) oder als „basic structure“ (Indien) bezeichnet, oder aber man findet an dieser Stelle eine Reihe von unumstößlichen Grundprinzipien benannt, wie in diesen beiden in der Nachkriegszeit entstandenen Republiken. Zwar soll damit nicht eine zivile Religion indiziert sein, aber den demokratischen Prozess, dessen Politikverständnis letztlich ohne Fundamentalaussagen auskommen 12

Vgl. Ogi, Konkordanz heißt Grundwerte teilen. Die einvernehmliche Suche nach Lösungen als Auftrag des Bundesrats und der Regierungsparteien, in: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, Nr. 83 v. 8.4. 2011, 26 – wobei dann aber interessanterweise als solche Werte gewissermaßen Haltungen auftauchen, nämlich „Einvernehmen, Zutrauen und Übereinstimmung“ als tragende Elemente der Konkordanz. 13 Zu Indonesien, das fünf den präsenten Religionen gemeinsame Prinzipien in die Präambel seiner Verfassung aufnahm, etwa die Aufzählung bei Raiser, Religion – Macht – Politik. Auf der Suche nach einer zukunftsfähigen Weltordnung, 2010, S. 135 ff.; auch für die Rechtskultur dort v. Benda-Beckmann, Rechtspluralismus als Toleranzfrage, in: Enders/Kahlo (Hrsg.), Diversität und Toleranz, 2010, S. 109 ff.; heute aktuell sind Fragen einer säkularen Identität und der säkularen, von aller Religionszugehörigkeit unabhängigen modernen Rechtsfigur der Staatsbürgerschaft, vgl. Sassen, Das Paradox des Nationalen, 2006, S. 440 ff.; schließlich kann ein „common citizenship“ auch nicht durch einen Religionswechsel, eine Apostasie, gefährdet sein, vgl. dazu Raiser, a.a.O., S. 145. 14 Auf die Soziologie von Säkularitäten, etwa im Forschungsprojekt der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Monika Wohlrab-Sahr), kann hier nicht eingegangen werden, vgl. aber ihren Vortrag vom 27.5. 2011 auf dem Akademie-Kolloquium zu „Multiple Secularities – Auf dem Weg zu einer vergleichenden Kultursoziologie der Säkularität“; auch nicht auf die zugehörige Literatur, vgl. aber Lechner, The Case Against Secularisation – A Rebuttal, in: Social Forces 69 (1991), 1103 ff.

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muss und kann,15 findet man doch in ein gewisses rechtsstaatliches Gehege gestellt. In dieses Gehege sind zugleich alle Freiheitsgarantien nach Maßgabe der ihnen angefügten konkreten Schranken eingebunden, die solche Verfassungen gewähren. Dies gilt jedenfalls, soweit aus der intellektuell, spirituell oder wie immer gestalteten Inanspruchnahme dieser Garantien Handlungen erwachsen, die als solche rechtlich fassbar sind und Sanktionen ausgesetzt sein können, die allerdings nicht in den eigensten Bereich menschlicher Freiheit, nämlich die Geistes- oder Gedanken- und Gewissens- oder Glaubensfreiheit in ihrem inneren Feld des bloßen Dafürhaltens eingreifen dürfen. Diesen Rechtsraum, zumindest das forum internum, respektiert jede säkulare Verfassung ebenso wie elementare Manifestationen auf der Ebene des forum externum, die Dritte in keiner Weise beeinträchtigen dürfen, wie etwa das Bekenntnis oder den Bei- oder Austritt zu oder aus einer Religionsgemeinschaft.16 I. Religiosität, säkulare Herrschaft und Religionsfreiheit Religiosität und Religion werden im säkularen Verfassungsstaat nicht geleugnet. Die säkulare Herrschaft räumt ihnen Raum ein. Alles andere würde bedeuten, dass dieser Verfassungsstaat beanspruchen würde, in transzendentale Räume zu expandieren. Auch würde damit in die Gesellschaft, den Bereich des Sozialen, aber darüber hinaus auch des Privaten hinein beansprucht, Verbindlichkeit schaffen zu können. Im Extremfall würde die Herrschaft damit totalitär, nämlich von dem Versuch geprägt, alle Lebensbereiche und jede Sinndeutung kraft eines radikalen Ausschließlichkeitsanspruchs zu prägen. Die säkulare Herrschaft des Verfassungsstaates geht hingegen den anderen Weg, sich zu bescheiden, beschränkt auf innerweltliche und von Handlungen geprägte sowie darauf bezogene Verhaltensweisen. So bleibt das Leben der Gesellschaft offen für die Vielfalt seiner Regungen; es wird nicht versucht, zu beherrschen, was nicht zu beherrschen ist. Auch werden Wahrheitsansprüche jenseits der elementaren Struktur der verfassungsmäßigen Ordnung und eines Bekenntnisses zu den ihr zugrunde liegenden Annahmen nicht erhoben. Zusammengefasst für jeweils konkrete Lebensbereiche manifestieren die Freiheitsrechte diese Bescheidung der Herrschaft auf das, was ihr zugänglich und mit ihren Mitteln erreichbar ist. An erster Stelle stehen hier die Garantien der Religionsfreiheit, wenn nicht historisch, so doch wohl systematisch, jedenfalls dann, wenn man in ihre Bereiche den Schutz säkularer

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Marchart, Die politische Differenz, 2010, S. 362 ff. BVerfGE 44, 37 (49 ff., 52 f.), auch BVerfGE 12, 1 (3) und 32, 98 (106), das von einem „von staatlicher Einflussnahme freien Rechtsraum“ jedenfalls zugunsten des Einzelnen spricht; vgl. auch Goerlich, Der autonome Rechtsraum des Einzelnen, in: Wittinger u. a. (Hrsg.), Verfassung – Völkerrecht – Kulturgüterschutz, Festschrift für W. Fiedler, 2011, S. 79 ff.; international Kotzur, Religionsfreiheit im religiös neutralen Verfassungsstaat. Ein universelles Projekt, in: Gornig u. a. (Hrsg.), Iustitia et Pax, Gedächtnisschrift für D. Blumenwitz, 2008, S. 143 ff. 16

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Formen höchstpersönlicher Verhaltensweisen und Entäußerungen von der Geistesbis zur Gewissensfreiheit und die zugehörigen Freiheitsäußerungen einbezieht. Seelische Dispositionen und Befindlichkeiten, Religiosität, Reflexion und Empfinden, gemessen an den feinen Maßstäben des eigenen Wissens und Gewissens, sind dabei der Ausgangspunkt, an den die rechtliche Freiheitsgewähr anknüpft. Sie lösen soziales Verhalten aus, das sich fortgesetzt in selbst gesetzter Bewegung befindet und damit – weltlich gesprochen – die Moralität einer Gesellschaft prägt. Als eigene Variante treten dabei religiöse Kommunikation und Selbstorganisation auf den Plan. Sie setzen kollektive Formen jener elementaren Freiheitsgarantien voraus, diese bleiben aber bezogen auf die individuellen Garantien der eben umschriebenen personalen Freiheiten des Einzelnen. II. Religiosität, freie Entfaltung und uneingeschränkte Publizität Säkularität kann der Religionsfreiheit Grenzen setzen. Dies gilt besonders dann, wenn aus ihr im Sinne einer Laizität die Verbannung der Religion aus dem öffentlichen Raum abgeleitet wird. Dieser Schluss ist aber nicht zwingend. Ebenso kann eine Deutung der Säkularität auch ergeben, dass öffentlicher Raum ganz unterschiedlichen Religionen gleichermaßen gewährt ist. Säkularität wird dann zum Garanten der erforderlichen Neutralität und uneingeschränkten Parität in Ausübung aller öffentlichen Gewalt. Schon länger kanonisiert sind die dicta, wonach das Maß der Verwirklichung der Religionsfreiheit das Maß der Verweltlichung des Staates bezeichne,17 sowie das andere, dass die Säkularisierung der Staatsgewalt und die positive wie negative Freiheit der Religionsausübung zwei Seiten derselben Medaille seien.18 Konsequenzen für die Säkularität als Strukturprinzip ergeben sich aus diesen dicta nicht. Eine Zuordnung von Säkularität und Freiheitsgewähr in geforderter Publizität fehlt.19 Die Umstände der Anerkennung der Religionsfreiheit haben zwar vielleicht nicht an erster Stelle und vor allem die Konstituierung eines öffentlichen Raumes ergeben. Zwar ist sicher, dass nur der Buchdruck die rasche Verbreitung der Bibelübersetzung Martin Luthers sicherstellen konnte.20 Es mögen aber die Erfahrungen des Buchdrucks und diejenigen der Umwälzungen in den ersten Revolutionen eine erhebliche Rolle spielen; so kam es etwa in der ersten, der englischen Mitte des 17. Jahrhunderts und in der amerikanischen des späten 18. Jahrhunderts jeweils zu einer Konstituie17

Vgl. Böckenförde (Anm. 3), S. 65. Habermas, Einleitung in: ders., Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze, 2005, S. 9. 19 Dazu Reuter, Säkularität und Religionsfreiheit – ein doppeltes Dilemma, in: Leviathan 32 (2007), 178 ff. 20 Zu Auflagen und Verbreitung religiöser Druckwerke damals Graf, Kirchendämmerung, 2011, S. 31 ff. 18

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rung eines öffentlichen Raumes der freien politischen und geistigen Auseinandersetzung,21 die als geschichtliche Erfahrung der freien Presse nicht mehr zu tilgen war. Die Freiheit der Auseinandersetzung bezog indes in der ersten englischen Revolution auch und oft zuerst kirchenpolitische Auseinandersetzungen ein, so dass insoweit nicht nur säkulare Erfahrungen vorlagen. Es ging um Klärungen des Verhältnisses von „Kirche“ und „Staat“. In England haben dann die Bekräftigung der Staatskirche und die Durchsetzung einer gewissen Kontrolle des religiösen Buchmarktes – bei aller Toleranz gegenüber den Freikirchen im Laufe der Jahre – das Bewusstsein von diesen Vorgängen indessen verblassen lassen. Das galt auch in den vom Landeskirchentum geprägten deutschen Territorien. Die Herstellung des öffentlichen Raumes der Religionsausübung in einem freien Gemeinwesen war daher eine besondere Leistung der Nachkriegszeit. Damit verband sich die Verallgemeinerung dieser Erfahrung in einer neuen Sicht der Reichweite der Religionsfreiheit und der Rolle von Kirchen als nicht-gouvernementale Organisationen (NGOs) – innerstaatlich wie auch international.22 Es entstand ein Bewusstsein davon, dass nur die freie öffentliche, gottesdienstliche wie auch diakonisch-karitative Ausübung der Religion bis hin zur politischen Diakonie und Fürsorge die volle Reichweite der Religionsfreiheit ausschöpft. Dies ergab die uneingeschränkte Publizität der Religionsfreiheit, ohne dass ihr darum ihr innerer Kern im forum internum und die mit diesem verbundene interne, im Verband freie Willensbildung würde genommen werden können. Diese Publizität kann indes auch nicht in den historischen Rollen des jeweiligen Kirchenverbandes stehen bleiben. III. Religionsgesellschaften, Egalität und Parität sowie Diskriminierungsverbote Daher sind Kirchen eben nicht mehr als solche zu betrachten, sondern als „Religionsgesellschaften“, wie dies schon der Verfassungsentwurf der Paulskirche sprachlich kenntlich machte. Sie sind vielmehr als Verbände jedenfalls aus Sicht des staatlichen Rechts im Verhältnis zum Staat, in der Öffentlichkeit, aber auch untereinander – wo hier Rechte anderer durch die eigene Rechtsausübung nicht geschmälert werden dürfen – gleichzustellen. Auch rechtlich sind gestufte Paritäten, die etwa die historischen Staats- oder Landeskirchen privilegieren würden, nicht zu halten. Gewiss, zwar schützt das Recht die historisch stärkere Stellung solcher Kirchen, indem es ihren Besitzstand in rechtsstaatlicher Weise gewährleistet. Der Staat ist aber gehalten, diese Sonderstellung im Vergleich zu nicht privilegierten gleichartigen Verbänden zunehmend auszugleichen. Dies ermöglicht ein egalitäres Religionsverfassungsrecht, das zunehmend aus dem traditionellen deutschen Staatskirchenrecht hervor21

Palko v. Connecticut, 307 U.S. 319, 327 (Cardozo, J., Opinion of the Court): Die freie Meinungsäußerung ist „[…] the indispensable condition of nearly every other form of freedom“, zitiert von BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth. 22 Dazu Raiser (Anm. 13), S. 111 ff.

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geht.23 Dafür sorgen auch die mehr und mehr wirksamen Diskriminierungsverbote des Verfassungs-, des Europa- und des Völkerrechts. Sie werden von den Gerichten in größerer Strenge als bisher durchgesetzt, verstärkt durch die Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union in Luxemburg und des Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg sowie durch die nationalen Verfassungsgerichte. Dabei hat die europäische Ebene zwei Entwicklungen vollzogen, die sich gegenseitig ergänzen: Einerseits hat der Straßburger Gerichtshof die Religionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 EMRK24 in ständiger Rechtsprechung so ausgelegt, dass mit ihr auch Selbständigkeit, Rechtspersönlichkeit und Eigensphäre der Religionsgemeinschaften gewährleistet sind.25 Dank dieser Rechtsprechung ist auf Dauer geboten, religiösen Verbänden ihre Basis und ihren Fortbestand durch die Vorhaltung entsprechender Rechtsinstitute im nationalen Recht zu sichern. Andererseits hat der Vertrag von Lissabon im Einklang mit den nationalen Verfassungsordnungen zwar auf einen Gottesbezug verzichtet,26 aber zugleich die Eigenständigkeit der Kirchen und sonstigen religiösen oder weltanschaulichen Verbände anerkannt und ihnen eine angemessene Rolle im Dialog der Zivilgesellschaft mit der Europäischen Union durch Art. 17 Abs. 2 bis 3 AEUV27 nicht nur gewährleistet, sondern auch gestärkt.28 Damit besteht auch auf dieser Ebene jener eben angesprochene öffentliche Raum, der aus der Religionsfreiheit entspringt und in der politischen Willensbildung eine angemessene Rolle religiös-weltanschaulicher Verbände ermöglicht. Versagt die politische Willensbildung auf der Suche nach dem gemeinsamen Interesse aller jenseits der Gruppen und Verbände, so ist der Rekurs auf „das Volk“ nicht ausgeschlossen. Das Volk ist die letzte Autorität für die Gesamtheit, deren 23 Dazu knapp und eindrücklich sowie ohne auf die rechtswissenschaftliche Debatte auf dem Weg zum Religionsverfassungsrecht einzugehen Heinig, Religionsverfassungsrecht mit Zukunft!, in: Neue Gesellschaft – Frankfurter Hefte 4/2011, 33 ff.; grundlegend für diese Debatte Walter, Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive, 2006; und zu ihr Heinig/Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, 2007; zielführend sind hier nicht Änderungen des Grundgesetzes, sondern Veränderungen in seiner Auslegung. Vgl. auch Goerlich, Religious Equality: The German Perspective and European Experiences, in: Deva (Hrsg.), Law and (In)Equalities, Essays in honour of Professor M. P. Singh, Lucknow u. a. 2010, S. 187 ff. 24 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11. 1950 i. d. F. d. Neubekanntmachung vom 17.5. 2002 (BGBl. II S. 1054), in Kraft getreten am 3.9. 1953 – nebst Zusatzprotokollen. 25 de Wall, Von der individuellen zur korporativen Religionsfreiheit – die Rechtsprechung zu Art. 9 EMRK, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, 2004, S. 237 ff.; auch exemplarisch Schnabel, Die Entwicklung der Religionsfreiheit in der Türkei im Spiegel zweier jüngerer Urteile, in: ZevKR 53 (2008), 187 ff. 26 Goerlich, Der Gottesbezug in Verfassungen, in: ders./Huber/Lehmann, Verfassung ohne Gottesbezug?, 2004, S. 9 ff. 27 AEUV, d. h. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vom 25.3. 1957, zuletzt geändert durch den Vertrag von Lissabon vom 13.12. 2007 (BGBl. II 2008, S. 1038), in Kraft seit 1.12. 2009 (BGBl. II 2009, S. 1223). 28 Kotzur, in: Geiger/Khan/ders., EUV/AEUV-Kommentar, 5. Aufl. 2010, Art. 17 AEUV.

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nicht gerade glücklichen, aber regulären Akteure die politische Willensbildung zunächst wahrgenommen haben mögen. Dabei kann allerdings das „Volk“ die politische Willensbildung nicht etwa deshalb an sich ziehen, weil es selbst eine transzendentale oder ethische Legitimation besitzt,29 sondern deshalb, weil es – wie der appeal to heaven im Falle des Widerstandes des Einzelnen30 – Herr des sozusagen letzten Verfahrens ist, hinter das nicht zurückgegangen werden kann. Versagt es, so gibt es jenseits dieses Souveräns keine weitere Legitimation. „Wir sind das Volk“31 ist daher auch eben nicht das Signalwort eines ethnischen, religiösen oder sonst identitären Subjekts, sondern eines letzten Verfahrens der politischen Willensbildung. „Volk“ konstituiert sich dabei allein aus dem gemeinsamen Willen und dessen erreichter gemeinsamer Kultur der Entscheidungsfindung, wird so säkulares Subjekt einer Erfahrung eines solchen Willens jenseits des Partikularen. IV. Säkularität, pluralistische Vielfalt und Diskriminierungsverbote Die Säkularität der Verfassungen und des jeweiligen Rechts ermöglicht religiösweltanschaulichen Verbänden die zuvor erwähnte besondere Stellung im Sinne eines allgemeinen Religionsverfassungs- und Verbandsrechts. Säkularität sichert gegen das Missverständnis einer Parteinahme für einen dieser Verbände. Sie kann das leisten, weil sie von strikter Gleichbehandlung im Sinne einer strengen Parität gegenüber und unter allen Verbänden ausgeht. Die Diskriminierungsverbote stützen diese Strukturen ab. Zugleich ist der Säkularität gleiche Distanz zu Religion, Weltanschauung, Ideologie und Doktrinen welcher Art immer möglich; sie erlaubt, unterschiedslos zu handeln. Eine Verfälschung des politischen Willens, wie sie in der französischen Tradition der Egalität befürchtet wird, bleibt aus, da das Gemeinwesen gehalten ist, sich keine der Positionen der Verbände zu eigen zu machen oder etwa eine zu bevorzugen. Damit wird ein pluralistisches Konzept von Gesellschaft und Gemeinwesen möglich, das Egalität nicht herstellt durch eine tabula rasa, was intermediäre Mächte angeht, sondern pluralistische Vielfalt in der Gesellschaft voraussetzt. Das Gemeinwesen stabilisiert sich zwar aus den Verbänden heraus und hat an ihrer sozialen wie auch politischen Erfahrung im Wege eines Dialoges mit der Gesellschaft teil, es bildet aber seinen eigenen politischen Willen unabhängig davon und nur vor diesem Hintergrund, nicht aber als Teil jener Vielfalt. Die Verbände agieren zwar einzeln im Wettbewerb um den Einfluss auf den politischen Prozess, sie ersetzen indes das Politische und die politische Entscheidung nicht. In diesem Sinne ist die pluralistische Demo29

Marchart (Anm. 15), S. 329 ff. (338 ff.). Locke, Locke’s Two Treatises of Government, hrsgg. von Laslett, 2. Aufl. Cambridge 1970, Sec. Treatise, Chapt. 20 ff., 87, 91 ff. und passim. 31 Goerlich, „Wir sind das Volk“, in: Mitglieder der Juristenfakultät (Hrsg.), Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009, S. 245 ff. 30

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kratie auf Meinungsvielfalt angelegt,32 ohne allerdings über eigene Maßstäbe jenseits dieses Wettbewerbs zu entscheiden. Der Pluralismus, der Wettbewerb ermöglicht, zieht nach sich, dass es keine gemeinsamen Regeln über diejenigen hinaus gibt, die der Wettbewerb als solcher erfordert. Dass es Wettbewerbsregeln gibt, zeigt vielmehr den Horizont an, in dessen Umriss weitere normative Rahmenbedingungen gezeichnet sind, die auch ermöglichen, Gemeinsamkeiten jenseits von Wettbewerbskämpfen zu finden. V. Säkularität, soziale Macht und „Neutralität“ der Verfassung Säkularität fördert eine unterschiedslose Behandlung sozialer Macht, welches weltanschaulich-religiöse oder ideologische Gewand sie sich auch geben mag. Darin liegt der Grund der Redeweise von der so genannten „Nichtidentifikation des Staates“33 und der „Neutralität“ der Verfassung34 im Verhältnis zu sozialen Erscheinungen ebenso wie gegenüber dem Einzelnen. Dabei wurzeln Nichtidentifikation und Neutralität gerade im personalen Kern der Garantie der Religionsfreiheit des Einzelnen. Von dort aus können sie nicht nur die gleiche Distanz gegenüber Einzelnen und gegenüber Verbänden entfalten, sondern zugleich auch den Einzelnen gegen soziale Macht in Schutz nehmen. Grundrechtsdogmatisch wird von daher die individuelle Freiheit zum Ausgangspunkt von Schutzpflichten, die den Rechten des Einzelnen, die an sich nur gegen die öffentliche Gewalt gerichtet sind, auch Wirksamkeit gegenüber sozialer Macht verschaffen.35

32 Dazu Hatje und Kotzur, Demokratie als Wettbewerbsordnung, in: VVDStRL 69 (2010), 135 ff., 273 ff.; dabei wären allgemeine Prinzipien einer säkularen, republikanischen Demokratie zu entwickeln, die transnational und so auch im supranationalen Kontext bedeutsam sind, dazu Gross, Postnationale Demokratie, in: Rechtwissenschaft 2 (2011), 125 ff.; und Wiegand/Zabel, Der demokratische Verfassungsstaat, in: Der Staat 50 (2011), 73 ff. (100 f.). 33 Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 179 ff. 34 Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 244 ff.; Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 633 ff.; ders., Das Prinzip der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates – Gehalt und Dogmatik, in: Krüper u. a. (Hrsg.), An den Grenzen der Rechtsdogmatik, 2010, S. 5 ff.; dort S. 43 ff. die einen eigenen Beitrag darstellende Intervention von Müller, der vom geltenden Staatskirchenrecht ausgeht und insofern sehr gut ergänzt; zur Neutralität als absolutem Wertungsverbot Michael/Morlok, Grundrechte, 2. Aufl. 2010, Rn. 182, 763; zur dienstrechtlichen Neutralität rechtsvergleichend nun Pottmeyer, Religiöse Kleidung in der öffentlichen Schule in Deutschland und England, 2011. 35 Hermes, Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage? Das Bundesverfassungsgericht zu Schutzpflicht und mittelbarer Drittwirkung der Berufsfreiheit, in: NJW 1990, 1764 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht. Eine Untersuchung der deutschen Grundrechte, der Menschenrechte und Grundfreiheiten der EMRK sowie der Grundrechte und Grundfreiheiten der Europäischen Gemeinschaft, 2001; aus anderer Perspektive BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 – 1 BvR 699/06 – JZ 2011, 568 ff., mit Anm. von Enders – und die Antrittsvorlesung von Masing, Grundrechtsschutz trotz Privatisierung, 8.7. 2011; früh Wahl/Masing, Schutz durch Eingriff, in: JZ 1990, 553 ff.

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Zwar ist in jüngerer Zeit in Frage gestellt worden, ob der „Staat“ überhaupt „neutral“ sein kann.36 Indessen sind solche Begriffe des Verfassungsrechts regulativ zu verstehen, sie drücken mithin nicht einen Zustand, sondern eine normative Verpflichtung aus, auch wenn diese nie vollends mag erfüllt werden können. Ebenso wird es nie möglich sein, soziale Macht, die stets neu entsteht, sich steigert und entfaltet, mit Mitteln des Rechts in Gänze zu bändigen. Auch würde dies, wollte man es präventiv angehen und im Kern ausschließen, wiederum zu einer totalitären Durchdringung der Gesellschaft führen. Aber in den Grenzen des Möglichen und bezogen auf den personal-elementaren Gehalt individueller Freiheitsgarantien erwachsen aus diesen Garantien jene Schutzpflichten, die entsprechenden Vorkehrungen, etwa vom Kontrahierungszwang bis zur Bevorzugung, zu treffen. Gegenüber Religions- wie Weltanschauungsverbänden kann dies trotz ihrer bisher anerkannten Privilegierung als Tendenz„betriebe“ in Grenzen auch bedeuten, dass sie ihre Anforderungen an die Identifikation mit ihren Zielen an ihr Personal oder die Nutzer ihrer Einrichtungen in abgestufter Weise staffeln müssen, um dem Einzelnen elementare Formen der Rechtsausübung und einen darauf bezogenen Diskriminierungsschutz zu ermöglichen. Insoweit muss das Gemeinwesen aus den Schutzpflichten heraus dem Vorhalt, seine „Neutralität“ zu gefährden, standhalten und die Rechtsausübung dem Einzelnen ermöglichen.37 VI. Säkularität als gemeinsame politische Plattform der Religionsgesellschaften Die Durchsetzung der Säkularität der Rechtsordnung und ihrer Mindeststandards, wie sie zugunsten des Einzelnen und gegenüber Verbänden gelten, zeigt auch etwas anderes: Die säkularen Mindeststandards – also etwa die konventions- und die unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote in Europa – bilden zugleich die Grundlage einer gemeinsamen säkularen Plattform all dieser Verbände, die sie als Elemente der weltlichen Ordnung hinnehmen, wollen sie im Verbund des Gemeinwesens verbleiben, selbst wenn sie diesen Willen nicht ausdrücklich bekunden, sondern nur durch die fortgesetzte Präsenz in diesem Gemeinwesen manifestieren. Damit erkennen weltanschaulich-religiöse Verbände an, dass es einer solchen Ordnung bedarf, dass deren elementaren Elemente notwendig sind und sie eine gemeinsame Basis ergeben, von der aus man miteinander umgehen kann. Dies gilt unbeschadet der Randgruppen, die sich diesem Weg verschließen und dann zu leiden haben. 36 Ladeur/Augsberg, Der Mythos vom neutralen Staat, in: JZ 2007, 12 ff.; dies., Toleranz – Religion – Recht. Die Herausforderung des „neutralen“ Staates durch neue Formen von Religiosität in der postmodernen Gesellschaft, 2007; Huster und Müller zu Neutralität und Parität in: Krüper u. a. (Hrsg.) (Anm. 34), S. 5 ff., 43 ff. 37 Dazu die jüngere Rechtsprechung des EGMR, Entsch. v. 23.9. 2010, Nr. 1620/03 – Schüth ./. Deutschland, und Nr. 425/03 – Obst ./. Deutschland, abgedruckt in: EuGRZ 2010, 560 ff. und 571 ff.; sowie zuletzt Entsch. v. 3.2.2011, Nr. 18136/02 – Siebenhaar ./. Deutschland, noch nicht gedruckt.

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Dabei sollten säkulare Elemente keineswegs missverstanden werden als etwas, was keinem Wandel unterliegt. Jede interkulturelle Begründung des Rechts weiß davon, dass ganz unterschiedliche Grundlagen dennoch zu elementaren Gemeinsamkeiten führen können.38 Ebenso ist innerhalb einer kulturellen Tradition und ihrer in sich beschränkten Vielfalt möglich, das der Grundkonsens über solche Elemente sich wandelt, diese in Teilen modifiziert und so zu neuen Konfigurationen führt. Das gilt selbst insoweit, als die Stellung des Einzelnen davon betroffen wird. Denn auch das Selbstverständnis des Einzelnen ist nicht frei von Wandlungen dieser Art, sei es in der individuellen Biographie, sei es in Fragen des gemeinsamen Mindeststandards der Selbstverwirklichung des Einzelnen im Netz sozialer Beziehungen und des gesellschaftlichen Lebens. Dass allerdings gerade Weltanschauungsverbände in diesem Zusammenhang stabilisierende Wirkungen hervorbringen, ist unverkennbar. Indessen können solche, sozusagen retardierenden Effekte der Stabilität der sozialen Prozesse förderlich sein, den Wandel also gerade erst erträglich und in der ihm eigenen Langsamkeit dem Einzelnen zumutbar machen. Auf der anderen Seite verwehren diese gemeinsamen Standards diesen Verbänden, die Öffnung für Veränderungen gänzlich zu verschließen, die gerade Einzelne in ihnen und gemeinsam mit anderen von außerhalb einfordern. Das heißt, weltanschauliche Provenienzen können, erkennen sie jene rechtlichen Mindeststandards an, schwerlich Effekte einer totalitären Erstarrung mit sich bringen, die jeden Wandel unterbinden. Daher ist auch diesen Verbänden verwehrt, die gemeinsame Plattform zu verlassen, um eine Welt ihrer Eigenheit und ihrer Dogmen zu etablieren, aus der auszutreten dem Einzelnen letztlich unmöglich gemacht werden könnte. Diese Distanz der Verbände gegenüber der eigenen Identität und des Einzelnen gegenüber seiner Einbindung in eine transzendente oder fundamentale Welt muss bleiben, um die Gemeinsamkeit der Basis jener Standards für das Gemeinwesen, in dem beide leben, weiterhin fruchtbar werden zu lassen.

VII. Säkularität und Selbstbegrenzung als Garanten des religiösen Friedens und der „Politik“ Letztlich garantiert so die Säkularität des Rechts den religiösen Frieden und damit die Politik im strengeren Sinne des Wortes. Dabei meint Frieden die innere Stabilität, die weltanschaulich-religiös-ideologische Konflikte beherrschbar macht. Und „Politik“ jene Fertigkeit, über den eigenen Tellerrand hinaus das Gemeinsame zu finden, das trägt, was immer mit einem gewissen Maß an „Selbstentfremdung“39 einhergeht, weil man den eigenen Fundamentalnormen soweit etwas von ihrer Normativität und ihrem Rang nehmen muss, wie es erforderlich ist, um jene Gemeinsamkeit zu erreichen und zu wahren. Darin liegt zugleich immer auch angesichts jener Normen eine Verletzung der durch sie aufgestellten Gebote. Diese Verletzungen sind aber um des 38 39

Onuma, A Transcivilizational Perspective on International Law, Leiden/Boston 2010. Marchart (Anm. 15), S. 342 ff.

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Friedens und seiner Stabilität willen von der säkularen Ordnung des Rechts vorausgesetzt, sollen ihre Ziele Bestand haben. Zu geringsten Teilen sichert der Staat diese Maßstäbe durch strafrechtliche Sanktionen ab. Viel fundamentaler ist die Wirkung der von der Verfassung garantierten Gegenseitigkeit der Ausübung der jeweiligen Freiheitsgewährleistungen. Das findet manchmal auch deutlichen Ausdruck, so wenn das Grundgesetz in Art. 4 Abs. 2 GG die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. Die Bestimmung dessen, was Religionsausübung ausmacht, erfordert eine Wahrnehmung in einer Perspektive von außen, wenn es um störungsfreie Ausübung auch anderer geht. Das führt zur Rücksicht auf andere. Daher formuliert Hans D. Jarass, dass sich die gegenseitige Toleranz als rechtliche Schranke der Religions- und Weltanschauungsfreiheit verstehe.40 Mit Religionsausübung ist dabei zudem sehr viel mehr gemeint als die störungsfreie Durchführung von Gottesdiensten.41 Gemeint ist vielmehr auch jene rechtsbestimmte Gegenseitigkeit der Rechtswahrnehmung, die in einem viel umfassenderen Sinne erst ermöglicht, die betreffenden Rechte auch in der Rolle als Einzelner dauerhaft auszuüben. Dies ist in der Theorie der Freiheitsrechte erkannt42 und in der Rechtspraxis fruchtbar gemacht43 worden, wird aber dennoch immer wieder übersehen. Rechte sind nicht monadische Gewährungen zugunsten eines insofern asozialen Individuums, sie sind vielmehr Folge gemeinsamer Anstrengungen, sie zu ermöglichen, setzen also immer Zusammenwirken, Rücksichtnahme, soziales Verhalten, Kommunikation und soziale Erfahrung voraus. Lange zurück hat dies Dieter Suhr entwickelt, zunächst am Eigentumsbegriff, dann an der Entfaltung des Menschen durch den Menschen, und dieser Ansatz ist im Rahmen der Lehre von der Ausgestaltung der Grundrechte fortentwickelt worden,44 während ursprünglich schon praktische Beispiele, etwa zur Zwangsversteigerung oder zum Rauchen zu finden

40 Vgl. Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 4 GG, Rn. 27; darum geht es auch Rottmann, Toleranz als Verfassungsprinzip?, in: Mitglieder der Juristenfakultät (Hrsg.), Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009, S. 551 ff. 41 Dazu Pauly/Pagel, Die Gewährleistung ungestörter Religionsausübung, in: NVwZ 2002, 441 ff.; zur Friedenssicherungspflicht des Staates in Religionssachen beiläufig Walter, Religiöse Toleranz im Verfassungssaat – Islam und Grundgesetz, in: Lehmann (Hrsg.), Koexistenz und Konflikt von Religionen im vereinten Europa, 2004, S. 77 ff. (98). 42 Suhr, Freiheit durch Geselligkeit. Institut, Teilhabe, Verfahren und Organisation im systematischen Raster eines neuen Paradigmas, in: EuGRZ 1984, 529 ff. 43 Insbesondere unter Aspekten des sozialen neben dem personalen Bezug der Grundrechte, vgl. etwa BVerfGE 50, 290 (337 f.; 340 f. und passim); dazu Suhr, Mitbestimmungsgesetz als Verwirklichung verfassungs- und privatrechtlicher Freiheit, in: NJW 1978, 2361 ff. 44 Vgl. Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, 1966, S. 52 ff. und früher; später ders., Die Entfaltung der Menschen durch die Menschen – Zur Grundrechtsdogmatik der Persönlichkeitsentfaltung, der Ausübungsgemeinschaften und des Eigentums, 1976; heute vor allem Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte. Untersuchungen zur Grundrechtsbindung des Ausgestaltungsgesetzgebers, 2005.

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sind.45 Dabei zeigt sich, dass die soziale Disposition des Menschen ihm seine Entwicklung ermöglicht, umso mehr, wenn er in kommunikativ-kognitivem Austausch steht und dadurch lernt. Das ermöglicht auch die Anerkennung von Recht und Rechten, von angemessenen Verfahren und ihren fundamentalen Regeln ebenso wie nicht von ungefähr die Ausübung der Religionsfreiheit erst ihre Vollendung erreicht, wenn mehrere zusammen sind, die ihrer Religion folgen. Insofern erlauben Rechte auch nicht, isolierte abgekapselte Normensysteme einzurichten und „nach außen“ durchzusetzen, sie erfordern vielmehr um ihres eigenen Fortbestandes willen fortgesetzte Interaktion. Sie ermöglicht, über den eigenen Schatten zu springen, die eigenen Normen in Frage zu stellen, sie in ihrer Reichweite zu beschneiden und so die gemeinsame Plattform des Zusammenlebens in einem Gemeinwesen zu erhalten. Diese Interaktion erfordert mithin auch Rücksichtnahme auf andere. Religionen können sie durch Selbstbegrenzung ermöglichen, wie dies vor kurzem genannt wurde.46 Sie ist es auch, die heute jeden Zwang zum Glauben ausschließt. Sie ermöglicht zudem, in religiösem Frieden mit anderen zu leben und dadurch Allmachtsfantasien des eigenen Glaubens zu entgehen. Sie verleiht zugleich der Religion eine weitere politische Dimension. Diese Dimension liegt darin, dass sozusagen eine Selbstreflexion vollzogen wird, die zugleich eine weitere Ebene des Handelns erschließt, jenseits gegenseitiger Ausgrenzung. Damit wird es auch möglich, auf dieser weiteren Ebene pragmatische Verständigungen zu erreichen, die verstetigt werden können. Sie gestatten es, an der Erzeugung eines politischen Konsenses teilzuhaben. Es wird möglich durch die Distanz zum eigenen inneren Horizont. VIII. Das Politische oder die Religion und die Religionen Das „Politische“ führt mithin zu einer notwendigen Distanz gegenüber dem eigenen „Lager“ oder, tiefer, dem eigenen Bekenntnisstand gegenüber, die man einnehmen muss, um zusammenzuleben. Diese Erkenntnis ergeben die erforderlichen Verfahren der Verständigung, die Findung einer gemeinsamen Plattform, einer dafür erforderlichen praktischen Konkordanz, eines so definierten Konsenses und damit einer gemeinsamen Handlungsebene, etwas von dem Preis zu geben, für das man eigentlich steht. Dieses Phänomen ist historisch verbunden mit der Erinnerung an die Entstehung der sozialen Formation der „politiques“ in den französischen Religionskriegen, denen bekanntlich Paris jenseits der Interessen eines konkreten Thronprä45 Suhr, Eine grundrechtsdogmatisch aufschlussreiche Zwangsversteigerung wegen vermögenswerter Rechte, in: NJW 1979, 145 f.; ders., Die Freiheit vom staatlichen Eingriff als Freiheit zum privaten Eingriff?, in: JZ 1980, 166 ff. 46 Vgl. Graf, Zivilisierung der Religion als Selbstbegrenzung, in: Neue Gesellschaft – Frankfurter Hefte 4/2011, 21 ff.; es ist demgemäß nicht erstaunlich, dass auf der rechtlichen Ebene Art. 72 Abs. 2 der Schweizer Bundesverfassung von 1999 den Bund und die Kantone ermächtigt, im Rahmen ihrer Zuständigkeit Maßnahmen zur Sicherung des religiösen Friedens zu treffen.

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tendenten eine Messe wert sein musste, wollten sie die Einheit des Landes – und mithin der späteren Nation und schließlich säkularen Republik – retten.47 Es spiegelt sich auch in der Konsoziation als Figur der Vergemeinschaftung in der republikanischen Theorie der Zeit.48 Heute findet man diesen Traditionsstrang republikanischen Denkens in der politischen Praxis der Schweiz. Entwickelt hat Konrad Hesse nicht zufällig seine Figur der „praktischen Konkordanz“ einerseits in der Tradition des Seminars von Rudolf Smend, seinem herkünftig schweizerischen akademischen Lehrer und anderseits im Anschluss an Richard Bäumlin, dem eidgenössischen Verfassungsrechtler, der diese Figur aus der Geschichte der protestantischen Kirchen aufgegriffen hat.49 Und man stößt darauf viel früher in der Tradition der Aufklärung, religiös abgebildet in der Erfahrung von Lessings Nathan, der angesichts äußerlich gleicher Ringe die Wahrheit in allen drei Schriftreligionen sieht und sie schon deshalb vom Fluch der gegenseitigen Missachtung befreit. Er stellt sozusagen die Einheit der Wahrheit als höhere Weisheit der Religion den Religionen gegenüber, die jeweils einen Teil dieser Weisheit repräsentieren. So entsteht eine Einheit der Religion als höhere Religion gegenüber der Vielfalt ihrer Stimmen in den partikularen Religionen. Dies mag von letzteren zurückgewiesen werden, es ist jedoch ein Verfahren, auf das man nicht nur in Auseinandersetzungen mit Religionen stößt, will man zu einem Zusammenleben finden.50 Vielleicht ist kein Zufall, dass auch bei Mahatma Gandhi in der Zeit des indischen Freiheitskampfes und der jungen Republik die Unterscheidung zwischen Religion als Grundlage politischen Handelns und den Religionen als Basis von Religionsparteiungen im Land anzutreffen ist.51 Einer seiner Interpreten hat ihn insoweit mit Martin Luther verglichen und dessen Unterstellung der Reformation unter den Schutz der Territorialfürsten des damaligen deutschen Reiches in ähnlicher Weise als eine politische Entscheidung verstanden, bei ihm gefasst

47 Dazu Skinner (Anm. 5), S. 244 ff. (249 ff.). zu den „politiques“ und ihrer Hoffnung auf Toleranz. 48 Althusius, Politik, übersetzt von Janssen, hrsgg. von Wyduckel, 2003, S. 71 ff. und insbes. Einleitung, S. XXIX ff. 49 Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. Nachdruck 1999, Rn. 72, 317 ff. und passim; Bäumlin (Anm. 11), S. 30; sowie vorher ohne den Terminus, aber in der Sache Zwirner, Politische Treupflicht des Beamten (1956), 1987, S. 233 ff. 50 Dazu die Rezensionen von Assmann, Religio duplex. Ägyptische Mysterien und europäische Aufklärung, 2010, also etwa Graf, Eine Einheit der Religion in der Vielfalt ihrer Stimmen? Jan Assmanns ideengeschichtliche Studie „Religio duplex“, in: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, Nr. 18 v. 22.1. 2011, 24, und Martus, Siege des Lichts, Jan Assmann erkundet das Mysterienfieber der Aufklärung, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 104 v. 6.5. 2011, 16 – wobei man unweigerlich auch an die gleichzeitige Präsenz der Zeichen der Freimaurer und eines Gottesglaubens in der amerikanischen Symbolik der Republik denkt, etwa auch auf Banknoten und Münzen; zu ersteren Stolleis, Das Auge des Gesetzes, 2. Aufl. 2004, S. 52 f., mit einer Interpretation auch der berufenen novus ordo seculorum. 51 Conrad, Gandhi und der Begriff des Politischen. Staat, Religion und Gewalt, 2006, S. 51 ff. (64 ff., 71) und etwa S. 149 sowie S. 277.

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in Kategorien von Max Weber.52 Das Politische einer Verhaltensweise, die eine solche Distanz aufscheinen lässt, liegt darin, dass die Gräben der eigenen Fundamentalismen verlassen werden, ebenso wie sie erfordert, neue Fundamentalismen zu meiden. Beides um des Friedens willen, der zur Stabilität gewisser gegenseitiger Verbürgungen bedarf, soll er dauerhaft sein. Diese Verbürgungen setzen voraus, dass die Beteiligten den Rekurs auf die dadurch gefundene Gemeinsamkeit stets neu auszuhandeln bereit sind. Sie können dadurch die erforderliche Beweglichkeit der Konsensfindung erbringen. Deshalb ist ihnen auch fremd, den jeweils erreichten Konsens etwa in neue Fundamentalismen zu übersetzen, die dogmatisiert zu neuen Versteinerungen führen und daher spätere Konsoziationen behindern. Solche Vorgänge können die Brüderlichkeit der Republik in gegenseitiger Rücksichtnahme gewährleisten, die sie auf ihre Fahnen geschrieben haben mag. Die Brüderlichkeit ergibt sich dabei aus der Mühe um die gemeinsame Sache, an erster Stelle den inneren Frieden und alsdann weitere politische Agenden. Sie können selbst zur Brüderlichkeit von Religionen finden. Dabei scheint mir diese Brüderlichkeit über den öffentlichen Diskurs hinaus zu gehen, der im Anschluss an Jürgen Habermas den Religionen anzutragen ist, aber besser zu verstehen ist als Dialog spezifischer Art.53 Denn die Konsoziation um solcher elementarer und weiterer Agenden willen erfordert eben auch die Anstrengung der Annäherung an die elementare „Gesinnungslosigkeit“ politischen Handelns. Ob das mit der Unterscheidung von Gesinnungs- und Handlungsethik im Sinne von Max Weber erfasst wäre, mag dahin stehen.54 Jedenfalls erinnert es an die Duplizität der Rollen, die sich klassisch in der monarchischen Tradition darin ausdrückt, dass der König niemals stirbt. Dies besagt, dass der individuelle gelebte Wille des Königs – vice versa des jeweiligen einzelnen Beteiligten an einen Konsoziationsverfahren – immer durch jenen höheren Willen karikiert wird, der ihn als Repräsentanten des gemeinen Wesens unsterblich macht.55 Säkular symbolisiert dieses gemeine Wesen die – noch nicht demokratische – „Republik“. Das Politische ist Signalwort für jene unendliche Bemühung um die Bedingungen der Möglichkeit gemeinsamen Lebens, die es den Menschen erlauben, als Individuen zu leben, die dies in ihren Grundanschauungen und Bekenntnissen tun. Bei John Rawls erzeugt ein „overlapping consensus“ die gemeinsame Grundlage gegenseitigen gleichen Respekts, der einen Sinn für das Politische erfordert.56

52

Conrad (Anm. 51), S. 71 ff.; auch bes. S. 114 ff. (116 ff.). Raiser (Anm. 13), S. 284 ff. 54 Weber, Der Beruf zur Politik (1919), in: ders., Soziologie – Weltgeschichtliche Analysen – Politik, 1956, S. 167 ff. (175 ff.); auch unter dem Titel Politik als Beruf, in: ders., Gesammelte Politische Schriften, 2. Aufl. 1958, S. 493 ff. (539 ff.). 55 Kantorowicz (Anm. 1), S. 207 ff. 56 Vgl. Rawls, Political Liberalism, New York 1996, S. 133 ff.; Nussbaum, Liberty of Conscience. In Defense of America’s Tradition of Religious Equality, New York 2008, S. 354 ff., 361 f. und früher. 53

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Die Säkularität der Verfassung – wie eingangs angesprochen verstanden als Grundsatz – ist so ein weiteres Signalwort, das konfiguriert, welche Rahmenbedingungen das Recht und die Rechtsausübung voraussetzen, um die Glaubwürdigkeit des politischen Gemeinwesens sicherzustellen. D. h. Säkularität erscheint so als eine Abbreviatur für die Bedingungen gleicher Freiheit in gegenseitiger Achtung der „Lager“, Bekenntnisstände einer oder gegenseitig ganz unterschiedlicher Religionen – eine Achtung, die hier als Brüderlichkeit bezeichnet wurde. Freiheit, Egalität und Brüderlichkeit binden zusammen, was sich nur um der politischen Notwendigkeiten willen verbindet. Der Preis liegt allerdings in der Aufgabe der Ausschließlichkeit, die man einander weltanschaulich, religiös, sozial oder auf andere Weise entgegenzuhalten geneigt wäre.

Laizität und Religionsfreiheit – Zur Verfassungsreform in der Türkei am Beispiel der Religionsfreiheit in der Perspektive ihrer internationalen und europäischen Gewährleistungen1 [2012]* I. Einleitung und These Die Türkei ist heute nach ihrem Selbstverständnis ein laizistischer Verfassungsstaat. Welchen Charakter die damit behauptete „Laizität“ besitzt, kann dahinstehen. Jedenfalls ist zentrale These der folgenden Ausführungen: * Zuerst veröffentlicht in: comparativ 16-I (2006), 171 ff. 1 Korrigierte und ergänzte Fassung des am 13.5. 2011 auf dem Internationalen Kongress über Verfassungsrecht in Istanbul gehaltenen Vortrags. Der Kongress vom 11. bis 14.5. 2011 wurde ausgerichtet von der Istanbul-Universität und der Kültür-Universität, beide Istanbul, und zwar im Lichte einer in Aussicht genommenen Verfassungsreform in der Türkei. Die Kongressveranstalter werden den Beitrag in einer älteren Fassung in türkischer Übersetzung im zweiten Tagungsband des Kongresses veröffentlichen; beide Versionen des Beitrags versuchen aufgrund ihrer verfassungspolitischen, d. h. vor allem auch praktischen Absicht in Erfüllung der normativen Anforderungen der einschlägigen menschenrechtlichen Garantien nicht, die im engeren Sinne sozialwissenschaftliche Debatte zu Laizität, Säkularität und Säkularismus aufzugreifen, dazu Wohlrab-Sahr/Burchardt, Vielfältige Säkularitäten, in: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 7 (2011), 53 ff.; Maclure/Taylor, Laizität und Gewissensfreiheit, 2011. Ebenso wenig versucht der Beitrag, die verfassungsrechtliche Debatte um Säkularität als rechtliches Strukturprinzip aufzunehmen und fortzuführen, dazu etwa Reuter, Säkularität und Religionsfreiheit, in: Leviathan 32 (2007), 178 ff., sowie Goerlich, Säkularität – Religiosität – Egalität, in: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 7 (2011), 33 ff. Normativ wie empirisch finden sich sehr unterschiedliche Gemengelagen: so ist etwa die indische Gesellschaft keineswegs säkular, ihre Verfassung aber erhebt Säkularität zum unabänderlichen Strukturprinzip, nämlich als Teil der „basic structure“ – sozusagen ihrer „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ –, die in der Präambel der Bundesverfassung unabänderlich und verbindlich niedergelegt ist, vgl. dazu unten bei und in Anm. 5. Für weitere tastende Voruntersuchungen zu dem Feld vgl. Goerlich, Säkularität und freie geistige Auseinandersetzung der Bürger, in einem Tagungsband zu Tagungen der Ernst-Reuter-Initiative, hrsgg. von Plagemann beim Berliner Wissenschaftsverlag, i. E.; älter die weiterführenden Ausführungen in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, in dem es keine Staatskirche gibt, es aber lange noch ein Staatskirchenrecht gab und gibt, obwohl es nach dieser normativen Aussage nur ein Religionsverfassungsrecht geben kann, dazu zuerst Häberle, „Staatskirchenrecht“ als Religionsrecht der verfassten Gesellschaft, in: DÖV 1976, 73 ff., und ders., Geburtstagsansprache, in: Krüper u. a. (Hrsg.), An den Grenzen der Rechtsdogmatik, 2010, S. 155 ff. (158);

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Die Türkei wird auch nach einer Verfassungsreform ein säkularer, gegenüber verschiedenen Religionen und deren Bekenntnis neutraler, d. h. diese alle gleich und frei von Diskriminierung behandelnder Staat sein müssen. Dabei ist anzumerken, dass alle Staaten, die ein derartiges Verfassungsregime aufweisen, diesem Gleichbehandlungsgebot bis heute nur eingeschränkt genügen, obwohl nur hinreichende sachliche Gründe ein gewisses Maß an Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Auch die Türkei wird zukünftig den Anspruch des Gleichbehandlungsgebots in dem Maße erfüllen können, wie ihr Staat einer modernen Gesellschaft dient, deren weitere, nicht nur zivile, sondern auch religiöse, kulturelle und wirtschaftliche Entfaltung die Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen zunehmend erzwingt. Die soeben formulierte These ergibt sich aus Folgendem: Die Verfassung der Türkei muss aus Rechtsgründen jedenfalls säkular bleiben, da allein ein säkularer Charakter ihres Rechts den Anforderungen einzelner Garantien der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4.11. 1950 in der heute geltenden Fassung2 entspricht, die die Türkei ratifiziert hat. Zudem ist der heutige moderne Staat ein Produkt des menschlichen Geistes; ihn haben Menschen geschaffen. Dieser Staat kann deswegen nun nicht mehr in dem älteren, auch im Westen bekannten Gewand religiöser Legitimation und ihrer Ordnungen auftreten. Es kommt hinzu, dass die moderne Gesellschaft allenthalben nach der Aufklärung – also jener Bewegung des Geistes im 17. und 18. Jahrhundert, die Glauben und Wissen deutlicher als vordem unterschied – nur noch eine nach dem aufgeklärten Verständnis rationale Legitimation des Staates hinnimmt. II. Laizität, Säkularität und religiöse Neutralität Die „Laizität“ der Verfassung der Türkei ist umstritten: Zunächst ist auszuführen, welche Folgen es hätte, wenn die „Laizität“ als charakteristisches Merkmal aus einer künftigen Verfassung entfernt würde. 1. Art. 2 der gegenwärtigen türkischen Verfassung ist unabänderlich. Das ergibt sich aus Art. 4 dieser Verfassung.3 Art. 2 statuiert u. a., dass die Türkei ein „laizistischer eine weltweite Übersicht nun bei Temperman, State-Religion Relationships and Human Rights Law. Towards a Right to Religiously Neutral Governance, Leiden/Boston 2010, bes. S. 149 ff. dazu, dass Religionsfreiheit und Diskriminierungsschutz Distanz und Gleichbehandlung zwischen Staat und Religion zunehmend erzwingen; s. auch Walter, Religiöse Symbole in der öffentlichen Schule, in: EuGRZ 2011, 673 ff. mit weiteren Hinweisen zum Fall Lautsi ./. Italien nach dessen abschließender Entscheidung durch den EGMR, vgl. a.a.O., 677 ff. 2 Vom 4.11. 1950 – in deutscher Fassung – i. d. F. d. Bekanntmachung vom 17.5. 2002 (BGBl. II S. 1054). 3 Eine weitere Unabänderlichkeitsanordnung enthält Art. 174 der türkischen Verfassung, der einige, mit einfacher Mehrheit beschlossene und in diesem Sinne „einfache“ Gesetze durch ein Interpretationsverbot unabänderlich macht. Näher zu untersuchen wäre, ob es sich

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Rechtsstaat“ ist. Solche „Ewigkeitsklauseln“ kennen auch andere Verfassungen. Hier bleibt offen, unter welchen Voraussetzungen solche Ewigkeitsklauseln von einem souveränen Volk beseitigt oder verändert werden können. Auch kann hier kein Bericht über die Verwirklichung der Verfassung der Türkei oder der dort garantierten Religionsfreiheit gegeben werden.4 Die Verfassungsentwicklung anderer Verfassungsstaaten hat eher dazu geführt, den „säkularen“ Charakter ihrer Ordnung zu betonen. So erklärt die insoweit heute als unabänderlich interpretierte Verfassung der größten Demokratie der Welt, nämlich die Verfassung Indiens, Indien zur „secular […] republic“.5 Im deutschen und im schweizerischen Verfassungsrecht stößt man zwar nicht auf Begriffe wie „Laizität“ und „Säkularität“.6 Aber es besteht keine Staatskirche, in Deutschland kraft nationalen Verfassungsrechts, in der Schweiz kraft kantonalen, aber auch kraft Bundesverfassungsrechts; allerdings erlaubt die Bundesverfassung der Schweiz (BV) ihren Kantonen, sich in gewissem Maße staatskirchenrechtlich zu binden. Indes wird auch in der Schweiz aus den Garantien der Gewissens- und der Religionsfreiheit abgeleitet, dass ein weltanschaulich und religiös neutraler Rechtsstaat entfaltet werden muss, der mithin keine exklusiv privilegierte Staatskirche haben kann, die andere diskriminiert. Daraus folgt endlich die Gleichbehandlung der Religionen und Weltanschauungen, auch wenn geschichtlich eine bestimmte Religion und ihre Bekenntnisse – das Christentum – privilegiert waren und es davon im nicht empfiehlt, diese Erweiterung der Unabänderlichkeitsanordnungen aufzugeben oder sie jedenfalls durch die Regel zu ersetzen, dass diese Gesetze mit einer die Verfassung ändernden Mehrheit anders interpretiert, verändert oder aufgehoben werden können, d. h. dass insoweit auch ändernde Interpretationsanordnungen im Wege einer solchen Gesetzgebung möglich sind. 4 Dazu etwa Schnabel, Die Entwicklung der Religionsfreiheit in der Türkei, in: ZevKR 53 (2008), 187 ff.; zu Religionsfreiheit und säkularer staatlicher Verfassung in internationaler Perspektive Kotzur, Religionsfreiheit im religiös neutralen Verfassungsstaat. Ein universelles Projekt, in: Gornig u. a. (Hrsg.), Iustitia et Pax. Gedächtnisschrift für D. Blumenwitz, 2008, S. 143 ff. 5 Diese Aussage findet sich in der heutigen Fassung der Präambel der indischen Verfassung aus dem Jahre 1950, wobei dort die Präambel normativ verbindlich ist und den unabänderlichen Teil der Verfassung, d. h. ihre Grundordnung – dort „basic structure“ genannt – enthält, vgl. Singh, V. N. Shukla’s Constitutional Law of India, 11. Aufl. Lucknow 2008, S. A 67 ff.; zur Sache a.a.O., S. A 27 ff. und passim, sowie Jacobsohn, The Wheel of Law. India’s Secularism in Comparative Constitutional Context, Princeton 2003, S. 145 ff., 189 ff.; Kapur, Faith in Law, 3 Jindal Global Law Review 1 – 20 (2011). Das Konzept unveränderlichen Verfassungsrechts, hier der „basic structure“, geht zurück auf das deutsche Verfassungsrecht. Die Präambel der deutschen Verfassung ist nicht rechtsverbindlich, also nicht normativer Bestandteil. Dennoch spricht i. Ü. sehr viel gegen die Aufnahme eines Bezugs auf „Gott“ in Verfassungen; dazu Goerlich, Der Gottesbezug in Verfassungen, in: ders./Huber/Lehmann, Verfassung ohne Gottesbezug? Zu einer aktuellen europäischen Kontroverse, 2004, S. 7 ff. (18 f.). 6 Zu letzter m.N. Goerlich, Säkularität und freie geistige Auseinandersetzung (Anm. 1). Laizität ist in sehr unterschiedlichen Varianten realisiert in den USA, Frankreich und der Türkei; für die deutsche Diskussion Bitter, Laizismus, in: Heun u. a. (Hrsg.), Ev. Staatslexikon, 2006, Sp. 1377 ff.

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Recht noch sehr viele Spuren gibt. An die Stelle von „Laizität“ oder „Säkularität“ tritt hier also „Neutralität“. Diese Neutralität schlägt sich im Religionsverfassungsrecht auch als „Parität“, d. h. Gleichbehandlung(sgebot), nieder. Demgemäß sind alle gleich zu behandeln. Aber dies nur am Rande. Wird die Laizität aus der türkischen Verfassung gestrichen, gilt nach diesen Vorbemerkungen und der hier zugrundegelegten These allerdings: Auch dann wird die Türkei alle Religionen – und ihre verschiedenen Bekenntnisse oder Denominationen – in Zukunft auf Dauer gleichbehandeln müssen. Dies gebietet das insoweit maßgebliche Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK. Dieses menschenrechtliche Gebot gilt unabhängig davon, wie die künftige Verfassung der Türkei die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der EMRK gestaltet, d. h. auch unabhängig davon, ob der letzte Satz des Art. 90 der geltenden Verfassung der Türkei fortbesteht, gestrichen oder künftig anders gefasst wird.7 Denn der dort statuierte Vorrang der Normen bestimmter, nämlich Menschenrechte garantierender internationaler Verträge mag einschränkend auszulegen sein oder gar entfallen. Trotzdem gilt kraft der dem modernen Verfassungsstaat eigenen Säkularität: Der moderne Verfassungsstaat, der überhaupt Religionsfreiheit gewährt, muss alle Religionen und Weltanschauungen gleichbehandeln. Im Übrigen ergibt sich das soeben angesprochene Diskriminierungsverbot auch aus dem Konzept eines umfassenden, einheitlichen und republikanischen Staatsbürgerrechts. Diese Staatsbürgerschaft ist nicht nur gegenüber der ethnischen Herkunft, sondern auch gegenüber der religiösen Zuordnung ihrer Bürger blind. Sie macht keinen Unterschied nach Maßstäben der Religion, eines religiös von manchen Religionen oder innerhalb einer Religion von manchen Bekenntnissen untersagten Religionswechsels oder anderer, insoweit diskriminierender Wertungen.8 2. Auch wenn die „Laizität“ gemäß Art. 2 der jetzigen türkischen Verfassung nach dem Inhalt einer künftigen Verfassung weiterhin und unabänderlich gilt, ändert das nichts daran, dass die Türkei der EMRK verpflichtet bleibt. Aus der EMRK und ihren Zusatzprotokollen ergeben sich – wie gesagt auch unabhängig vom letzten Satz des Art. 90 der gegenwärtigen Verfassung der Türkei – dafür die Maßstäbe. Dies ergeben die Freiheiten des Art. 9 Abs. 1 der EMRK. Sie ergeben materielle Maßstäbe, ebenso wie die heute in der Türkei verfassungsrechtlich niedergelegte Religionsfreiheit. Diese Maßstäbe setzen sich – unabhängig von der heute dort niedergelegten Kollisionsregel – gegen abweichende Formulierungen jedenfalls im Gesetzesrecht der Türkei durch. 7

Der letzte Absatz von Art. 90 der türkischen Verfassung ist im Anhang des Beitrags abgedruckt. 8 Dieser Ansatz ist angeführt bei Raiser, Religion. Politik. Macht. Auf der Suche nach einer zukunftsfähigen Weltordnung, 2010, S. 142 ff. (145).

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Zwar scheint zum letzten Satz des Art. 90 der gegenwärtigen türkischen Verfassung auch vertreten zu werden, dass sich das Konventionsrecht gegen abweichende Formulierungen selbst im Verfassungstext durchsetzen kann. Letzteres ist offenbar umstritten. Daher empfiehlt sich für eine künftige Verfassung der Türkei auf den ersten Blick insbesondere eine klarstellende Harmonisierung des Verfassungs- und des Konventionstextes. Am französischen Beispiel wurde übrigens folgende Frage geklärt: Die dort geltende, einen etwas anderen Laizismus als unverrückbaren Grundsatz gewährleistende Verfassung ergibt, dass Religionsfreiheit und Diskriminierungsverbote im Sinne der Gleichbehandlung von Religionen mit der dort geltenden „Laizität“ vereinbar sind. „Laizität“ – und übrigens auch in einem gewissen Maße „Säkularität“ – mag zwar der Religionsfreiheit Grenzen setzen, sie schließt sie aber nicht aus.9 In die Zuordnung von Freiheit und Grundsatz ist nach allem in Frankreich etwas Bewegung geraten. Für die Türkei gilt: Sie hat zwar in Fragen des Laizismus im Anschluss an Art. 136 ihrer Verfassung in der Praxis im Wege des Erlasses einfachgesetzlicher – also nicht kraft verfassungsrechtlicher – Bestimmungen den sunnitischen Islam nahezu zur Staatsreligion erhoben und dadurch alle anderen Religionen demgegenüber zurückgesetzt. Auch hat sie damit einen sehr steinigen und starren Weg eingeschlagen. Aber nach den Neuigkeiten aus Frankreich zu dieser Frage spricht heute alles dafür, auch die türkische Situation beweglicher zu verstehen. Die Annahme, dass eine Verfassung in dieser Frage weiterhin ein sozusagen versteinertes, jeder Fortbildung widerstreitendes und mithin dem Wandel der Zeiten gänzlich unzugängliches Prinzip des Laizismus gewährleistet, erscheint überholt. Diese Entwicklung ermöglicht eine Entscheidung des französischen Conseil Constitutionnel vom 19.11. 2004, die dieser aus Anlass der Prüfung des Entwurfes des Verfassungsvertrags der Europäischen Union, also des bekanntlich gescheiterten Vorläufers des dann in Kraft getretenen und insoweit nicht anders gestalteten Vertrags von Lissabon, auch zum Verhältnis von Laizismus und Religionsfreiheit getroffen hat. Das Gericht hat darin ausgeführt, dass ein konstitutionell bedingter nationaler Laizismus und internationale Gewährleistungen der Religionsfreiheit – wie sie auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union10 verankert sind – miteinander vereinbar sind. Dies gilt nach der Entscheidung des Conseil Constitutionnel jedenfalls dann, wenn die Schranken, die in Art. 9 Abs. 2 EMRK niedergelegt sind, gelten, wie dies im Rahmen der EMRK der Fall ist.11 Anlass dieser Prüfung war der 9 Dazu Reuter (Anm. 1), S. 179 ff.; Goerlich, Säkularität – Religiosität (Anm. 1), 33 ff. (40 f.). 10 Vgl. Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7.12. 2000, mit Änderungen in Kraft getreten am 1.12. 2009 (ABl. Nr. C 83/389 vom 30.3. 2010). 11 Vgl. Conseil Constitutionnel, Entsch. v. 19.11. 2004, Nr. 2004 – 505, Erwägung Nr. 18. Eine deutsche Fassung ist über die EU im Internet erhältlich und abgedruckt in: EuGRZ 2005, 45 ff. Siehe auch Woehrling, Entwicklung des Religionsrechts in Frankreich, in: Ehrenzeller u. a. (Hrsg.), Religionsfreiheit im Verfassungsstaat, Zürich u. a. 2011, S. 179 ff., der auch von

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Umstand, dass die Religionsfreiheit, wie sie in der eben erwähnten Charta enthalten ist, auf den ersten Blick nicht von diesen Schranken erfasst wird. Allerdings nur auf den ersten Blick, weil am Ende der Charta mehrere, hier in ihren Einzelheiten nicht interessierende Bestimmungen zu finden sind, die die Handhabung der Rechte der Charta und derjenigen der EMRK aufeinander abstimmen und ergeben, dass auch nach der Charta religionsbezogene Rechte in keinem Falle ohne jede Beschränkung ihrer Ausübung gewährt sind.12 Im Wortlaut sagt der Conseil Constitutionnel an den einschlägigen Stellen, nämlich in den Erwägungen Nr. 18 und 21 seiner Entscheidung vom 19.11. 2004: „18. Insbesondere in der Erwägung, dass, auch wenn Art. II-70 Abs. 1 jedem das Recht zuerkennt, einzeln oder gemeinsam mit anderen seine Religion durch Bräuche öffentlich zu bekennen, die Ausführungen des Präsidiums [scil. des Verfassungskonvents der Europäischen Union; d. Verf.] klarstellen, dass das durch diesen Artikel gewährte Recht den gleichen Zweck und die gleiche Reichweite hat, wie dasjenige, welches in Art. 9 Abs. 1 der EMRK garantiert ist; dass es den gleichen Beschränkungen unterliegt, die sich insbesondere aus der öffentlichen Sicherheit, dem Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Moral sowie dem Schutz der Rechte anderer ergeben; dass Art. 9 der EMRK vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stets in Übereinstimmung mit der Verfassungstradition jedes Mitgliedstaats angewendet wurde, zuletzt in seiner oben genannten Entscheidung [scil. EGMR, Urt. v. 29.6. 2004, Nr. 44774/98 – Leyla Sahin ./. Türkei, abgedruckt in: EuGRZ 2005, 31 ff.; d. Verf.]; dass der Gerichtshof so den Wert des Grundsatzes des Laizismus zur Kenntnis genommen hat, der in mehreren Verfassungstraditionen anerkannt ist, und dass er den Staaten einen breiten Einschätzungsspielraum belässt, innerhalb dessen diese unter Wahrung ihrer nationalen Traditionen die am besten geeigneten Maßnahmen treffen können, um die Religionsfreiheit und den Laizismus miteinander in Ausgleich zu bringen [Hervorhebung nur hier; d. Verf.]; dass unter diesen Umständen die Vorschriften des Art. 1 der [scil. Französischen; d. Verf.] Verfassung beachtet sind, die bestimmen, dass ,Frankreich eine laizistische Republik ist‘ und die es jedermann untersagen, sich auf seine religiösen Überzeugungen zu berufen, um sich den allgemeinen Regeln für das Verhältnis zwischen öffentlichen Einrichtungen und dem einzelnen zu entziehen;“ „21. Viertens in der Erwägung, dass die allgemeine Schrankenregelung in Art. II-112 Abs. 1 lautet: ,Unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dürfen Einschränkungen nur der Entscheidung des Conseil d’État vom 16.3. 2005 berichtet (Nr. 265560 – in französischer Sprache im Internet), die die staatliche Subventionierung der Wiedererrichtung eines Pfarrhauses der Église évangélique de Polynésie française nach einem Sturm zulässt, wenn damit zugleich ein öffentlicher Zweck erfüllt wird – in diesem Fall die zahlreichen, allgemein zugänglichen sozio-edukatorischen Aktivitäten, die in dem Gebäude bisher stattfanden und wieder stattfinden sollen. Zur erstgenannten Entscheidung Walter, Der französische Verfassungsrat und das Recht der EU, in: EuGRZ 2005, 77 ff. 12 Zu dem Verhältnis von EMRK und Charta früher Goerlich, Europäische Rechteerklärungen und ihre Wirkungen, in: ders./Böllmann (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention. Rechtsentwicklung und Verfassungsreform in der Türkei, 2003, S. 9 ff.; heute etwa Skouris, Nationale Grundrechte und europäisches Gemeinschaftsrecht, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 171, Rn. 24 ff.; E. Klein, Das Verhältnis des Europäischen Gerichtshofs zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, ebd., Bd. VI/1, 2010, § 167, Rn. 52 ff.

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vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen‘; dass die Erläuterungen des Präsidiums [scil. des Verfassungskonvents; d. Verf.] klarstellen, dass unter den ,von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen‘ insbesondere die in Art. I-5 Abs. 1 geschützten Interessen zu verstehen sind, nach denen die Union ,die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit‘ achtet.“13

Die türkische Verfassung enthält schon heute wohl – soweit ich das beurteilen kann – noch weitergehende Möglichkeiten der Beschränkung der Religionsfreiheit; insofern sind von dieser Seite her keine Schwierigkeiten zu befürchten. Auch wenn der volle Schutz der Garantien der Religionsfreiheit gewährleistet wird, ist daher nicht anzunehmen, dass die Prinzipien des Laizismus im Sinne der türkischen Verfassung dadurch in Frage gestellt würden. Ich gehe daher auf die Problematik der Beschränkbarkeit der Rechte, die sich aus der Religionsfreiheit ergeben, nicht weiter ein. Vielmehr nehme ich mit guten Gründen an, dass die Schranken des Art. 9 Abs. 2 EMRK für die Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit und – was die kollektive Seite der Religionsfreiheit angeht – teilweise auch die Schranken des Art. 11 Abs. 2 EMRK für die Garantie der Versammlungs- und der Vereinigungsfreiheit ausreichen und insoweit keine anderen Veränderungen geboten sind als eben die, sich auf nationaler Ebene diesen Schranken anzupassen. Dass wir in Deutschland eine etwas andere Tradition der Fassung von Schrankenformeln besitzen, mag dahinstehen, da wir durch eine angemessene Auslegung die Probleme der abstrakten Beschränkbarkeit und der konkreten Beschränkung lösen können, ohne der jeweils betroffenen Freiheit durch Beschränkungen zu viel von ihrem Gehalt zu nehmen.14 Daher nun also zu den Rechten, die sich aus der Religionsfreiheit ergeben oder von ihr vorausgesetzt sind. Im Übrigen wäre es durchaus empfehlenswert, die Diskriminierungsverbote des Art. 14 EMRK mit gleichem Wortlaut in eine neue türkische Verfassung aufzunehmen. Darauf ist noch näher einzugehen. III. Religions- und Weltanschauungsfreiheit Zunächst zu Art. 9 Abs. 1 EMRK: Systematisch überzeugend gewährleistet die EMRK in dieser Reihenfolge die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Das bedeutet, dass primärer Schutz dem Individuum gewährt wird, insbesondere sei13 Vgl. dazu den in Anm. 11 genannten deutschen Abdruck der Entscheidung, dort S. 46 und 47. 14 Das gilt auch für solche Grundrechte, denen keine Schrankenformel angefügt worden ist, da die Praxis Freiheit nur in der Verfassung gewährleistet sieht, d. h. soweit die Verfassung Rechtsgüter und Grundsätze schützt. Damit erweist sich bei näherer Betrachtung die zunächst scheinbar schrankenlos gewährte Freiheit als umhegt und begrenzt von eben diesen Gütern und Grundsätzen und nur in diesem Rahmen gewährt.

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nem forum internum, d. h. – wie Immanuel Kant es nennen würde – dem inneren Gerichtshof des Einzelnen. Dann folgt die Gewissensfreiheit, die typischerweise nach außen betätigt werden kann. Das betrifft dann schon die Äußerungsfreiheit, also das forum externum. Erst dann folgt umfassend die Gewährleistung der Religionsfreiheit, der im folgenden Satz – auch nach außen gerichtet – die Freiheit der Weltanschauung angefügt wird, um Weltanschauungen jeder Art gleichzustellen. Daher empfiehlt sich für künftige nationale Fassungen dieser Freiheiten eine Gewährleistung in der der EMRK entsprechenden Reihenfolge. Ebenso wie im einschlägigen Menschenrechtspakt der UN ist ausdrücklich der Wechsel der Religion oder der Weltanschauung gewährleistet. Dies mag Schwierigkeiten bereiten; es versteht sich aber heute in Europa und weltweit, dass ein solcher Wechsel im Sinne einer Aufgabe oder des Verlassens einer bisherigen Weltanschauung oder Religion nicht nur erlaubt, sondern auch menschenrechtlich gewährleistet ist. Das musste auch der christliche Katholizismus hinnehmen, sodass diese Religion aufgegeben oder verlassen werden kann, obwohl sie einen „Austritt“ nicht kennt. Die Religion mag es nach ihrem Recht so halten; das weltlich-staatliche Recht der Verfassungen ebenso wie der Menschenrechte gewährleistet das Gegenteil dank seines laizistisch-säkularen Charakters. Das religiöse Recht mag für sich an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten; es hat indes die weltlichen Regeln hinzunehmen. Ähnlich muss in einem säkularen und laizistischen Verfassungsstaat sichergestellt sein, dass – selbst wenn die dominante religiöse Tradition ihn nicht zulässt, sondern herkömmlich mit aller Schärfe sanktioniert – der Religionswechsel, also die Aufgabe einer Religion zugunsten einer anderen, Teil der von der Religionsfreiheit geschützten Handlungen ist. Eine weitere Frage ist dann nur, welche Vorkehrungen der betreffende Staat zu treffen hat, um „Apostaten“ vor Sanktionen ihrer bisherigen Religionsgemeinschaft zu schützen. Diese Frage kann allerdings eine Verfassung nur teilweise, also etwa – wie unten noch näher gezeigt wird – durch die Verankerung einer Schutzpflicht, nicht aber durch die Umschreibung denkbarer konkreter Maßnahmen lösen. Eine solche Friedenssicherungspflicht enthält etwa Art. 72 Abs. 2 BV der Schweiz aus dem Jahre 1999, worauf zurückzukommen ist. IV. Weltanschauungsfreiheit und türkische Verfassung Es fällt auf, dass die türkische Verfassung bisher die Freiheit der Weltanschauung nicht gewährleistet. Übrigens: „Weltanschauung“ ist natürlich ein schwieriger deutscher Terminus. Teilweise wird er schlicht mit „belief“ oder mit „philosophical convictions“ (auch „philosophical creed“) ins Englische übersetzt. So findet man ihn auch in den Texten, die ich vorgelegt habe,15 insbesondere in Art. 9 Abs. 1 Satz 2 15

Für den Abdruck im Tagungsband hatte ich einen Anhang zu dieser Stellungnahme eingereicht, der als Auszüge die einschlägigen, im Mai 2011 geltenden Bestimmungen der Verfassung der Türkei, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie ihres ersten Zusatzprotokolls, des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Ar-

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EMRK. Ich bleibe natürlich bei „Weltanschauung“, was aber im Türkischen noch schwieriger auszudrücken sein mag. Jüngere Verfassungstexte, etwa die Bundesverfassung der Schweiz, und ältere, wie das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland von 1949, benutzen ebenfalls diesen Ausdruck. Zwar kann man durch Interpretation des gegenwärtigen türkischen Verfassungstextes erreichen, dass diese Freiheit von der geltenden Formulierung des Verfassungsrechts erfasst wird; besser wäre aber eine ausdrückliche Klarstellung. Den Terminus und den Schutzbereich „Weltanschauung“ in geeigneter Form in die Religionsfreiheit einzubeziehen, ist auch deshalb veranlasst, weil es Schwierigkeiten bereitet, mit Mitteln säkularen Rechts „Religion“ und „Glaube“ abschließend zu definieren. Es lässt sich durchaus die Auffassung vertreten, dass der säkular-laizistische Staat etwa in der Rechtspraxis seiner Gerichte davon absehen sollte, dies abschließend zu versuchen. Die daraus folgenden Probleme lassen sich aber bewältigen, wenn neben der Religionsfreiheit auch die Weltanschauungsfreiheit ausdrücklich geschützt wird. Denn dann können staatliche Stellen eine abschließende Definition vermeiden. Zugleich sind die Schutzbereiche dann weit genug gefasst. V. Grundrechtskombinationen? Art. 9 Abs. 1 Satz 2 EMRK gewährleistet auch kollektive Religionsfreiheit oder Freiheit der gemeinsamen Ausübung von Religion. Varianten korporativen Schutzes für die Religionsfreiheit enthalten nationale Verfassungen oft ausdrücklich; dieser Schutz ist also gesondert geregelt. Das ist aber heute nicht mehr unerlässlich. Meist ergibt sich der korporative Schutz schon aus der schlichten Gewähr der Religionsfreiheit. Eine jeweils spezifische Distanz zum Staat ist allen Ausgestaltungen der korporativen Freiheit gemeinsam. Kollektive Gewährleistungen werden notwendig, weil jedenfalls jenseits der Gedanken- und Gewissensfreiheit die Gewährleistungen der Religions- und Weltanschauungsfreiheit kommunikative Rechte erfordern und enthalten. Das ist oft auch in nationalen Verfassungen der Fall. Insbesondere die Buchreligionen sind auf schriftliche Mitteilungen ihrer Anliegen angelegt. Deshalb überlappen sich die Schutzbereiche dieser Grundrechte mit denen der Meinungsäußerungs-, der Presse-, der darüber hinausgehenden Medienfreiheit, aber auch der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Es sind ja diese Rechte ebenfalls zu kommunikativen Zwecken beansprucht worden, allerdings in der Regel nicht bezogen auf religiöse oder weltanschauliche Gehalte.16 beitsweise der Europäischen Union, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Bundesverfassung der Schweiz, des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland sowie der Weimarer Reichsverfassung von 1919 in ihren vom Grundgesetz übernommenen Teilen enthielt. Belassen wurden hier die relevanten Vorschriften der gegenwärtigen türkischen Verfassung, da sie weniger zugänglich sein dürften. 16 In welchem Maße historisch Säkularität und Äußerungsfreiheiten religiöser wie auch säkularer Art die freie geistige Auseinandersetzung erst ermöglichten, dazu Goerlich, Säkularität und freie geistige Auseinandersetzung (Anm. 1).

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Diese „Grundrechtskombinationen“ zeigen, dass hier eine sozusagen verstärkte Wirkung des gebotenen Freiheitsschutzes zu beobachten ist. Dies wird sich jedenfalls in der Verfassungsinterpretation niederschlagen, wenn nicht sogar in den Formulierungen der einschlägigen Verfassungstexte. Allerdings verschwimmen dabei die Schutzbereiche der einzelnen Grundrechte und sie erscheinen von daher gefährdet, sodass diese „Verstärkung“ sehr fragwürdig erscheint. In Deutschland war dies etwa zu beobachten zugunsten des muslimischen Schlachtbetriebs, der Kundschaft besitzt, die nicht nur kein Schweinefleisch, sondern darüber hinaus nur geschächtetes Fleisch abnimmt. Allerdings ging es hier um eine Kombination von Berufs- bzw. Gewerbefreiheit und Religionsfreiheit.17 Solche Kombinationen sind sehr fragwürdig, denn – an diesem Beispiel dargestellt – dem Schlachtbetrieb wird es ganz gleich sein, ob geschächtetes oder anderes Fleisch hergestellt wird. Insoweit greifen nur die Garantien für Gewerbe und Beruf. Hingegen wird die Religionsfreiheit immer nur dann ins Spiel kommen, wenn es um den Verzehr von nach einer Religion oder Weltanschauung fragwürdigem Fleisch geht. Daher erscheint jene Kombinatorik als eine Methode, die auf einen Holzweg, d. h. in eine überflüssige Sackgasse, führt. Man sollte die Sachverhalte genauer analysieren und ihre Bestandteile jeweils dem einschlägigen Grund- oder Menschenrecht zuweisen. Besonders zu beachten ist auch, dass sehr gute Gründe dafür sprechen, den Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts spezifisch zu ermitteln, präzise zu fassen und so von anderen zu unterscheiden.18 VI. Organisationsstrukturen Art. 136 der geltenden türkischen Verfassung errichtet das Präsidium für Religionsangelegenheiten. Diese Bestimmung sichert heute – entgegen ihrem Wortlaut und nach der durch einfaches Gesetzesrecht erfolgten Auslegung – in privilegierender Weise den Bestand, die Organisation und die Verbreitung des sunnitischen Islam und erhält zum Beispiel die dafür notwendigen Moscheen dieser Denomination. Andere Verfassungen gewähren – wie gesagt – nicht nur dem Einzelnen personal-individuelle, sondern zugleich auch der Gesamtheit der Anhänger einer Religion oder einer Weltanschauung korporative Rechte19 als Teil der Religions- oder Weltan17 Vgl. BVerfGE 104, 337 (345 f.); dazu aus der Literatur zuerst Spranger, Die Figur der „Schutzbereichsverstärkung“, in: NJW 2002, 2074 ff., und zuletzt Hoffmann, Grundrechtskonkurrenz oder Schutzbereichsverstärkung?, in: AöR 133 (2008), 525 ff.; zu anderen benachbarten und fragwürdigen Kombinationen etwa Meinke, Die Verbindung von Grundrechten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: JA 2009, 6 ff. 18 Dazu insbesondere überzeugend Rusteberg, Der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt. Eine veränderte Perspektive auf die Grundrechtsdogmatik durch eine präzise Schutzbereichsbestimmung, 2009. 19 Dazu, die Rechtsprechung des EGMR zusammenfassend, de Wall, Von der individuellen zur korporativen Religionsfreiheit – die Rechtsprechung zu Art. 9 EMRK, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und öffentlichen Recht, 2004, S. 237 ff.; Weber, Die Rechtsprechung des EGMR zur religiösen Vereinigungsfreiheit und der Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften in Deutschland, in: NVwZ 2009, 503 ff.; systematisierende

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schauungsfreiheit. Das ergibt Garantien, die den Bedürfnissen des religiösen Lebens vom Bekenntnis über das gemeinsame Gebet bis zur Präsenz im öffentlichen Raum adäquat sind. Andere Religionen benötigen dafür auch die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit für Religionsgemeinschaften. Dies ist bisher in der Türkei in der Praxis kaum möglich.20 Auch die EMRK verzichtet darauf, sie ausdrücklich zu gewähren. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat sie indes entwickelt. Ausdrücklich gewährleistet wird insbesondere die für das religiöse Leben erforderliche Sicherung der Autonomie von Religionsgesellschaften. Sie ergibt sich aus der Entfaltung von Religion oder Weltanschauung schon durch den Einzelnen. Daraus folgt kraft der Menschenrechte, dass die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten des Europarats jedenfalls vorzusorgen haben, dass diese Rechtsausübung wirklich stattfinden kann. Sie müssen also dafür taugliche oder zumindest notwendige rechtliche Instrumente vorhalten. Ob diese dem Versammlungsrecht, dem Vereinsrecht, dem Schulrecht oder Teilen des Liegenschaftsrechts zu entnehmen sind, darauf kommt es nicht an.21 Der künftige Inhalt dieser Gesetze ist nicht Gegenstand der Änderung des Verfassungsrechts. Die Entwicklung kann hier aber eine neue Verfassung ermöglichen; sie sollte dafür Wege offen halten. Daher schlage ich auch nicht vor, abstrakt korporative Rechte zugunsten von Religion oder Weltanschauung in die Verfassungsreform einzubeziehen. Wie sich allerdings unter VIII. noch zeigen wird, kann ein gebotener Diskriminierungsschutz veranlassen, diese kollektiv-korporative Seite der Religions- und Weltanschauungsfreiheit verstärkt sicherzustellen. Dies mag wiederum nicht zu bestimmten rechtlichen Formen zwingen. Aber es kann und wird Anpassungen in der Anwendung des Rechts erfordern.22

Übersicht bei Kästner, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Drittbearbeitung 2010, Art. 140, Rn. 161 ff. 20 Vgl. dazu m.N. Schnabel (Anm. 4), S. 194 ff. 21 Wenige Jahre zurück war in Straßburg ein Verfahren um die Rechte einer christlichen Religionsgemeinschaft an einem Grundstück anhängig. Die Türkei war gut beraten, dafür zu sorgen, dass dieses Verfahren durch einen Vergleich beendet wurde; sie hätte nämlich angesichts der Diskriminierung von Religionsgemeinschaften im Grundstücks- und Vermögensrecht dieses Verfahren nur verlieren können. Es ist folgerichtig, dass der türkische Ministerpräsident 2011 angekündigt hat, den Religionsgemeinschaften ihr, ihnen in den dreißiger Jahren genommenes Eigentum zurückzugeben sowie – soweit dies unmöglich ist – sie angemessen zu entschädigen; es steht zu hoffen, dass diese Richtlinie alsbald umgesetzt wird. 22 Vgl. BVerfGE 83, 341 (353 ff.), für eine angepasste Anwendung des deutschen Vereinsrechts zugunsten einer religiös-weltanschaulichen Vereinigung.

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VII. Schutz, Neutralität und Säkularität Die Rechtsprechung des EGMR hat auch Schutzpflichten des Staates für die religiösen Minderheiten und für Konflikte zwischen Religionen entwickelt.23 Diese Schutzpflichten ergeben implizit auch eine gewisse Neutralität des Staates gegenüber den Religionen, die einem laizistischen Staat wie der Türkei Schwierigkeiten nicht bereiten sollte. Denn mit der Laizität ist auch eine Variante von „Säkularität“ des Staates garantiert, aus der – wie eingangs schon angedeutet – „Neutralität“ des staatlichen Verhaltens und Handelns, aber auch Gleichbehandlung aller – in Deutschland „Parität“ genannt – folgen können. Allerdings findet man in der Rechtsprechung in diesem Kontext auch den Begriff der „Toleranz“24. Er ist indes rechtlich zu verstehen, also nicht als eine rückholbare, gnädige Gewähr einer autoritären öffentlichen Macht, sondern als Rechtsgewährleistung.25 In diesem Sinne kann „Toleranz“ an die Stelle von „Neutralität“ treten, zumal etwa in Entscheidungen des EGMR häufig von Toleranz die Rede ist, der Gerichtshof aber nicht insgesamt zum System des Verhältnisses von Staat und Religion in den Mitgliedstaaten des Europarates Stellung nimmt. Schließlich gibt es in diesen Konventionsstaaten die unterschiedlichsten Systeme – von der Staatskirche bis zur Laizität französischer oder türkischer Art. Künftig mag sich allerdings aus globalen, aber auch aus regionalen völkerrechtlichen Instrumenten, die sich sozusagen konstitutionalisieren, ergeben, dass die Religionsfreiheit und der ihr zugeordnete Diskriminierungsschutz stärker als bisher eine rechtlich strenge Neutralität und in diesem Sinne verbindliche Toleranz einfordern.26 Bereits jetzt verlangt der EGMR „Toleranz“, was im Zusammenhang steht mit jener Schutzpflicht der Konventionsstaaten, die ich schon erwähnt habe. Das kann veranlassen, eine Regelung in die Verfassung aufzunehmen, die dies ausdrückt. Sie müsste dann aber Rechtspflichten konkretisieren. Das kann durchaus ergänzt werden – wie in der Schweiz Art. 72 Abs. 2 BV – um eine Verpflichtung, den öffentlichen Frieden zwischen Angehörigen von Religionsgemeinschaften sowie den verschiedenen Religionen zu wahren. Regelmäßig geschieht das durch eine strafrechtliche Norm; es kann aber auch den Einsatz polizeirechtlicher Mittel erfordern. Hier 23 Zu diesen Pflichten konventionsrechtlich Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, S. 103 ff.; und national dies., Die Simulation des Urknalls vor dem Bundesverfassungsgericht, in: DVBl. 2011, 13 ff. (14 ff.). 24 Siehe etwa die Begründung bei EGMR (Große Kammer), Urt. v. 10.11. 2005, Nr. 44774/ 98 – Leyla Sahin ./. Türkei, abgedruckt in: DVBl. 2006, 167 ff., mit Anm. von Weber, in: NVwZ 2006, 1389 ff. 25 Dazu, dass allenfalls als Erziehungsziel Toleranz eine nicht völlig verrechtlichte Kategorie ist, rechtlich eingehend Rottmann, Toleranz als Verfassungsprinzip?, in: Mitglieder der Juristenfakultät (Hrsg.), Festschrift zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009, S. 551 ff. (568 ff.); philosophisch Habermas, Religiöse Toleranz als Schrittmacher kultureller Rechte (2004), in: ders., Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze, 2009, S. 258 ff. 26 Vgl. Temperman (Anm. 1), S. 149 ff.

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mögen nicht nur Individuen, sondern ebenso juristische Personen oder Personengemeinschaften unter Sanktionen gestellt werden – was allerdings wiederum strikt rechtsstaatliche Verfahren voraussetzt. VIII. Diskriminierungsschutz Zunehmend und zupackend greift der Diskriminierungsschutz des Art. 14 EMRK schon jetzt ein, auch bezogen auf die Religionszugehörigkeit sowie auf die Gleichbehandlung von verschiedenen Religionsgemeinschaften. Das zeigt die Rechtsprechung zu Art. 14 EMRK in Verbindung mit anderen Rechten, etwa der religiösen Kindererziehung gemäß Art. 2 Satz 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK vom 20.3. 1952, in Kraft getreten am 18.5. 195427, aber auch darüber hinaus.28 Entsprechend strikt ist der Schutz vor Diskriminierung im Übrigen auch in der Europäischen Union ausgestaltet und wird dort so praktiziert. Hier gibt es unter der EMRK gewiss in vielen Konventionsstaaten ein ganz erhebliches Fallpotenzial. In Fragen der Religion und der Weltanschauung ist das besonders in den Staaten der Fall, die infolge der geschichtlichen Entwicklung als homogen von einer Religion geprägt erscheinen, aber doch in erheblichem Maße Minderheiten aufweisen. Zugleich findet man es in den Staaten, in deren Verfassungstradition man dazu neigt, in Minderheiten generell, insbesondere aber in religiösen Minderheiten ein Gefährdungspotenzial zu sehen. Dies ist nicht nur mit dem älteren völkerrechtlichen Minderheitenschutz, sondern auch mit jedem Regime der Menschenrechte unvereinbar. Daher sollten Diskriminierungsverbote umfassend und effektiv in den Verfassungen Platz finden – etwa dadurch, dass ein besonderer Verfahrensschutz, vor allem im Zugang zu einem Verfassungsgericht, vorgesehen wird. Jenseits manifester Diskriminierungen, etwa dem Ausschluss einiger Religionsgemeinschaften von Grundbesitz und Vermögen, erkennt die Rechtsprechung auch im Verhältnis von Staat und Religion einen gewissen „Beurteilungsspielraum“ – margin of appreciation – zugunsten der Konventionsstaaten an, sodass diese ver27

Vgl. etwa EGMR, Urt. v. 29.6. 2007, Nr. 15472/02 – Folgero ./. Norwegen, abgedruckt in: NVwZ 2008, 1217 ff., zum Religionsunterricht; dazu auch EGMR, Urt. v. 9.10.2007, Nr. 1448/04 – Hasan und Eylem Zengin ./. Türkei, abgedruckt in: NVwZ 2008, 1327 ff., zur Öffnung für den alevitischen Islam, vgl. dazu nach geltendem Recht Art. 24 Absätze 3, 4 und 5 der türkischen Verfassung. 28 Siehe etwa EGMR, Urt. v. 20.1. 2009, Nr. 3976/05 – Serife Yigit ./. Türkei, abgedruckt in: EuGRZ 2009, 468 ff., mit kritischer Anm. von Brosius-Gersdorf, Ungleichbehandlung von Imam-Ehe und Zivilehe bei der Gewährung von Sozialversicherungsleistungen in der Türkei aus völkerrechtlicher Sicht, ebd., 454 ff.; EGMR, Urt. v. 13.11. 2007, Nr. 57325/00 – D. H. u. a. ./. Tschechien, abgedruckt in: EuGRZ 2009, 90 ff.; dazu kritisch Heyden/v. UngernSternberg, Ein Diskriminierungsverbot ist kein Fördergebot – wider die neuere Rechtsprechung des EGMR zu Art. 14 EMRK, ebd., 81 ff.; vgl. auch EGMR, Urt. v. 31.7. 2008, Nr. 40825/98 – Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ./. Österreich, abgedruckt in: NVwZ 2009, 509 ff.

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schiedene Ausgestaltungen dieses Verhältnisses vornehmen können.29 Die „margin of appreciation“ überspielt aber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht. Auch kann sie so fundamentale Rechte wie die Religionsfreiheit und den zugehörigen Diskriminierungsschutz nicht aushebeln. Verfassungspolitisch könnte diese Stärke der Normativität von fundamentalen persönlichen Rechten im Verhältnis zum Beurteilungsspielraum der Staaten – margin of appreciation – durch eine Klausel erfasst werden, die untersagt, den Kerngehalt von Rechtsgewährleistungen anzutasten oder in ihn einzugreifen. So formuliert Art. 36 Abs. 4 BV in der Schweiz. Die entsprechende Klausel in Deutschland spricht vom „Wesensgehalt“ der Grundrechte, Kerngehalt ist aber deutlicher. Das heißt: Keine Beschränkung von Grundrechten darf so weit gehen, dass diese Rechte zum Verschwinden gebracht würden. Es muss immer genug Raum bleiben, sie persönlich oder in Gemeinschaft auszuüben und über die dafür nötigen sächlichen und personellen Mittel verfügen zu können. Im Übrigen sind natürlich offensichtliche Diskriminierungen, wie etwa das durch ein Referendum nun in die Schweizerische Bundesverfassung eingefügte Minarettverbot, mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar.30 Auch wenn man nur den Kerngehalt der Religionsfreiheit als unantastbar im Sinne der schweizerischen Bundesverfassung gewährleistet versteht, so ergibt sich: Moslems mögen nach ihrer Tradition für das Gebet nicht auf ein Minarett als Teil eines Moscheebaus angewiesen sein, ja nicht einmal auf eine Moschee, weil sie das Gebet nach den Lehren des Koran auch unter freiem Himmel verrichten können. Wenn man aber anderen Religionen Bauten mit Türmen erlaubt, so ist es ein Gebot der Gleichbehandlung, dies auch dem Islam zu gestatten. Anders liegt es nur, wenn der konkrete religiöse Friede in einer bestimmten Gemeinde oder auf konkret bezeichneten Grundstücken nicht anders zu gewährleisten ist als durch ein Verbot des Minerettbaus, wie Art. 72 Abs. 2 BV zeigt. Danach dürfen Bund und Kantone Maßnahmen zur Sicherung dieses Friedens ergreifen. Dabei handelt es sich indes um konkret-individuelle Maßnahmen. Ein abstrakt-generelles Verbot des Minarettbaus, wie es nun in Art. 72 Abs. 3 dieser Verfassung zu finden ist, schränkt die Religionsfreiheit aber in diskriminierender, weil abstrakt-generell gefasster und damit den Kerngehalt des Rechts antastender Weise unverhältnismäßig ein. IX. Künftige Aufgaben der türkischen Religionsbehörde In Ausdehnung des Art. 136 der geltenden türkischen Verfassung könnten die Funktionen der Religionsbehörde gegenüber dem sunnitischen Islam parallel auch 29 Zur „margin of appreciation“ z. B. auf anderem Gebiet Perpeluh, Die Entwicklung der Margin of Appreciation-Doktrin im Hinblick auf die Pressefreiheit, in: ZaöRV 61 (2001), 771 ff.; und jetzt insbes. der Fall Lautsi ./. Italien, s. dazu bereits Anm. 1. 30 Dazu Zimmermann, Zur Minarettverbotsinitiative in der Schweiz, in: ZaöRV 69 (2009), 858 ff.; Goerlich, Religious Equality: The German Perspective and European Experiences, in: Deva (Hrsg.), Law and (In)Equalities, Festschrift in honour of M. P. Singh, Lucknow u. a. 2010, S. 187 ff.

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gegenüber anderen Religionsgemeinschaften wirksam gemacht werden; das könnte durch einen weiteren Satz geschehen, der die Religionsbehörde verpflichtet, Religionsgemeinschaften gleich zu behandeln. Das entspräche einer Religionspolitik strikter Gleichbehandlung aller Religionen. Aufgehoben werden müsste dann wohl das bisher geltende einfache Recht, das die Privilegierung des sunnitischen Islam enthält. Diese gesetzlichen Regelungen erwiesen sich auch nach geltendem Verfassungsrecht als sehr problematisch, würde dem Gehalt etwa von Art. 9 Abs. 1 EMRK schon kraft der eigenen Verfassung größeres Gewicht beigemessen. Art. 136 der türkischen Verfassung selbst erwähnt nicht einmal den Islam, könnte also auch angesichts anderer als muslimischer Gemeinschaften bleiben, wie er ist. Eine Ergänzung, wonach die Anwendung der Bestimmung im Wege der Schaffung einfachen Rechts und administrativer Regeln keine Religion diskriminieren soll, hätte aber klarstellende Funktion. Bei näherer Betrachtung erscheint sie unerlässlich. Zugleich gilt aber auch: Wird die organisatorisch-institutionelle Gleichstellung der Religionen in der Türkei verwirklicht, muss sich auch eine strikte Unterscheidung zwischen den zulässigen stützenden Maßnahmen des Staates und den inneren, ureigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften herausbilden. In diesen eigenen Angelegenheiten haben die Religionsgemeinschaften selbst und alleine zu entscheiden. Das wäre ein Schritt hin zu einer Entwicklung analog der älteren Situation vor 1918 in Deutschland. Damals gewährleisteten zwar der Staat und die Kommunen oft die Gehälter und die Baulichkeiten der Religionsgemeinschaften finanziell; es galt aber schon ein striktes Gebot der Beachtung der eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften. Der EGMR hat mehrere Fälle, vor allem aus Süd- und Südosteuropa, entschieden, in denen der betreffende Konventionsstaat den gebotenen rechtlichen Respekt vor der Autonomie der Religionsgemeinschaften hat vermissen lassen.31 Es waren vor allem Fälle aus dem Bereich der christlich-orthodoxen Tradition, in der der Staat herkömmlich auch über die Kirche verfügt. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung müssen indes auch von der Türkei beachtet werden. Zur Sicherung der Verbandsfreiheit der Religionsgemeinschaften in eigener Sache empfiehlt sich etwa eine Formulierung ähnlich des Art. 137 Abs. 3 der Verfassung des Deutschen Reiches von 1919 – der sog. Weimarer Reichsverfassung (WRV) –, die insoweit heute gemäß Art. 140 GG noch gilt. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre eigenen Angelegenheiten selbst und zwar „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“32. Demgemäß verleihen diese 31 Siehe etwa EGMR, Urt. v. 26.10. 2000, Nr. 30985/96 – Hasan und Chaush ./. Bulgarien, Z. 78 d. U.; EGMR, Urt. v. 16.12. 2004, Nr. 39023/97 – Supreme Holy Council of the Muslim Community ./. Bulgarien, Z. 81 ff. d. U.; Übersicht und Hintergrund liefert Sahlfeld, Aspekte der Religionsfreiheit im Lichte der Rechtsprechung der EMRK-Organe, des UN-Menschenrechtsausschusses und der nationalen Gerichte, Zürich u. a. 2004, S. 178 ff.; Kästner (Anm. 19), Art. 140, Rn. 162 ff. 32 Diese klassische deutsche Schrankenformel soll hier nur stehen für die Beschränkungsmöglichkeiten und -voraussetzungen, die auch die EMRK kennt. Die Formel geht zurück u. a.

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Gesellschaften – wie andere Vereinigungen auch – ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Das würde eine staatliche Prüfung aber keineswegs ausschließen, soll der Bedienstete der Religionsgesellschaft zugleich in den Genuss einer staatlichen oder staatsnahen Stellung kommen, wie sie heute der sunnitische Religionsdiener in der Türkei innehat. Ein solches doppeltes Plazet – also eine doppelte Prüfung, einerseits eine religiöse und andererseits eine staatliche, auf Eignung usw. – besteht heute in Deutschland für Ämter, die im staatlichen Bereich wahrgenommen werden, aber zugleich eine religiöse Bindung erfordern – z. B. für Religionslehrer an Schulen, Universitätsprofessoren der Theologie und für Militärpfarrer. Diese Struktur bereitet in aller Regel keine Schwierigkeiten. Sie wird in Deutschland künftig auch für islamische Amtsträger entsprechend anzuwenden sein. X. Regelungstechnik Am Schluss ist vielleicht etwas zur Regelungstechnik und der Sprache von Verfassungen zu sagen. Je einfacher und klarer die Sprache einer Verfassung gehalten ist, desto dauerhafter und durchsetzungsstärker ist sie. Verfassungen sollen „kurz und dunkel“ sein, wie Napoleon Bonaparte gesagt haben soll. Das hat insoweit einen richtigen Kern, als dadurch künftigen Generationen ermöglicht wird, den Text auf der Grundlage eigener Deutungen immer wieder neu zu verstehen. Dabei hellt dann regelmäßig eine solide Praxis der Verfassungsfortbildung jene Dunkelheit auf, schafft neuen Sinn, der wiederum offen ist für Neues, also auf Dauer erlaubt, beim bisherigen sprachlichen Stand der Verfassung zu bleiben. Muster für diesen Grundzug ist in jüngerer Zeit die Schweizerische Bundesverfassung von 1999. Dies gilt gerade auch für die Religionsfreiheit und die Beschränkungen von Grundrechten. Dass sie zur korporativen Seite der Religionsfreiheit nicht mehr sagt als Art. 72 Abs. 1, liegt am föderativen Aufbau der Schweiz. Für die korporative Seite kann man sich allerdings mit den Formulierungen der auch heute – wiewohl unter gewissen Modifikationen infolge der Rechtsfortbildung und durch die Auslegung seitens der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – weiter geltenden Kernbestimmungen der WRV aus Deutschland behelfen, obwohl dieses Land schon zur Weimarer Zeit föderativ aufgebaut war, wie das auch heute noch der Fall ist. Der Grund für die zentrale Regelung liegt in seit 1918 wiederkehrenden Ängsten vor Fehlentwicklungen in den Ländern – etwas, was in der Türkei als zentralistisch aufgebautem Gemeinwesen keine Rolle spielt.

auf John Locke – die in der zweiten Abhandlung über die Regierung eingeführten „civic laws“, die allen gemein sind und in diesem Sinne für alle gelten – und meint die anerkannten Güter und Grundsätze der Verfassung, in deren Rahmen jede verfassungsrechtlich statuierte Freiheit gewährt ist – wie oben (am Ende von I. und in sowie bei Anm. 14) schon ausgeführt.

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Ihrer Kürze und Klarheit wegen sind also die Bestimmungen der Schweizer Bundesverfassung und der Weimarer Reichsverfassung zu empfehlen. Sie können als Muster dienen. Sollte der Fortgang der verfassungspolitischen Diskussion in der Türkei die ausdrückliche Formulierung korporativ orientierter Religionsgarantien nicht oder noch nicht gestatten, etwa weil der Laizismus der Republik noch herkömmlich ausgelegt wird, so sollte man gleichwohl die Formulierungen der EMRK in die Verfassung im Interesse einer offenen Zukunft aufnehmen. XI. Zusammenfassung Zwischen Staat und Religionen besteht im von Menschenrechten geprägten Staat unvermeidlich eine rechtlich gefasste Distanz. Dies folgt aus den Garantien der Religions- und der Weltanschauungsfreiheit. Der Staat ist dadurch vor dem Risiko sicher, von einer Religion oder Weltanschauung beansprucht, gesteuert oder in Gänze von Ansprüchen – bis hin zu einem Totalitätsanspruch – der jeweiligen Religion oder Weltanschauung überzogen zu werden. Alle Bürger genießen dank dieser Distanz in gesicherter Weise und ungefährdet Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Dabei ist allerdings anzumerken, dass Freiheit auch immer nur soweit besteht, wie die ihr entsprechenden Rechte von den Menschen tatsächlich gelebt, d. h. beansprucht und ausgeübt werden. Die Religionsfreiheit erfordert im Verfassungsstaat weiterhin, dass der Staat alle Religionen gleichbehandelt. Hat er historisch und bis heute eine Religion oder eine Ausrichtung einer bestimmten Religion privilegiert, so hat er die anderen Religionen gleichzustellen und zwar in allen Lebensbereichen, die für die Religionen von Bedeutung sind. Die Alternative ist, die Privilegierung Schritt für Schritt und in rechtsstaatlicher Weise abzubauen und auf diese Weise allen Religionen gleichen Raum zu gewähren. Auf diesen beiden Wegen lassen sich menschenrechtswidrige Diskriminierungen abbauen und allmählich vermeiden. Zudem ist kraft der Religionsfreiheit als kommunikativem Menschenrecht allen Religionen ein Mindestmaß an Autonomie zu gewähren. Dies gehört zu den Konsequenzen sowohl der im Laufe der Entfaltung der Religionsfreiheit unvermeidlich zu gewährenden korporativen als auch der von der Sache her an erster Stelle stehenden individuellen Gedanken-, Gewissens-, Glaubens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, wie sie die EMRK enthält. Als schlichter auswärtiger Gast darf man dies wohl auf einem Kongress zur Verfassungsreform, zu dem man gebeten worden ist und dafür dankt, in der um der Sache willen erforderlichen Deutlichkeit sagen.

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XII. Annex Auszüge aus der Verfassung der Republik Türkei (Stand: 1.1. 2011; Übersetzung von C. Rumpf) Präambel […] und heilige religiöse Gefühle, wie es das Prinzip des Laizismus erfordert, auf keine Weise mit den Angelegenheiten und der Politik des Staates werden vermischt werden, […] Artikel 2 Die Republik Türkei ist ein im Geiste des Friedens der Gemeinschaft, der nationalen Solidarität und der Gerechtigkeit die Menschenrechte achtender, dem Nationalismus Atatürks verbundener und auf den in der Präambel verkündeten Grundprinzipien beruhender demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat. Artikel 4 Die Vorschrift des Artikels 1 der Verfassung über die Republik als Staatsform sowie die Vorschriften über die Prinzipien der Republik in Artikel 2 und diejenigen des Artikels 3 sind unabänderlich, das Einbringen eines Änderungsvorschlages ist unzulässig. Artikel 24 (1) Jedermann genießt die Freiheit des Gewissens, der religiösen Anschauung und Überzeugung. (2) Soweit nicht gegen die Vorschriften des Artikels 14 verstoßen wird, sind Gottesdienste, religiöse Zeremonien und Feiern frei. (3) Niemand darf gezwungen werden, an Gottesdiensten, religiösen Zeremonien und Feiern teilzunehmen, seine religiöse Anschauung und seine religiösen Überzeugungen zu offenbaren; niemand darf wegen seiner religiösen Anschauungen und Überzeugungen gerügt oder einem Schuldvorwurf ausgesetzt werden. (4) Die Religions- und Sittenerziehung und -lehre wird unter der Aufsicht und Kontrolle des Staates durchgeführt. Religiöse Kultur und Sittenlehre gehören in den Primar- und Sekundarschulanstalten zu den Pflichtfächern. Darüber hinaus ist religiöse Erziehung und Lehre vom eigenen Wunsch der Bürger, bei Minderjährigen vom Verlangen der gesetzlichen Vertreter abhängig. (5) Niemand darf, um die soziale, wirtschaftliche, politische oder rechtliche Ordnung des Staates auch nur zum Teil auf religiöse Regeln zu stützen oder politischen oder persönlichen Gewinn oder Nutzen zu erzielen, in welcher Weise auch immer, Religion oder religiöse Gefühle oder einer Religion als heilig geltende Gegenstände ausnutzen oder missbrauchen. Artikel 90 […] (4) Die verfahrensgemäß in Kraft gesetzten völkerrechtlichen Verträge haben Gesetzeskraft. Gegen sie kann das Verfassungsgericht mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht angerufen werden. Soweit Grundrechte und -freiheiten regelnde Vorschriften verfahrensgemäß in Kraft gesetzter völkerrechtlicher Verträge mit nationalen Bestimmungen mit gleichem Regelungsgehalt nicht übereinstimmen, finden die Bestimmungen der völkerrechtlichen Verträge vorrangig Anwendung.

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Artikel 136 Das Präsidium für Religionsangelegenheiten erfüllt als Bestandteil der allgemeinen Verwaltung im Sinne des laizistischen Prinzips außerhalb aller politischen Ansichten und Auffassungen sowie gerichtet auf die nationale Solidarität und Integration die in einem besonderen Gesetz vorgesehenen Aufgaben. Artikel 174 Keine Vorschrift der Verfassung darf in der Weise verstanden und ausgelegt werden, dass die am Tage der Annahme der Verfassung durch Volksabstimmung in Kraft befindlichen Vorschriften der nachstehenden Reformgesetze, welche das Ziel haben, die türkische Gesellschaft über den modernen Zivilisationsstandard hinauszuheben und den laizistischen Charakter der Republik verfassungswidrig seien: […]

Die zugewandte Säkularität der Europäischen Union und die religionsrechtliche Vielfalt ihrer Mitgliedstaaten [2013] Die Europäische Union tritt nach außen öfter als Einheit auf. Dabei spielen gelegentlich Fragen mit Religionsbezug eine Rolle, etwa bei den Verhandlungen mit Indien über ein Freihandelsabkommen; so war fern in Indien zu lesen, dass dabei die Frage der Behandlung männlicher Sikhs bei Grenzkontrollen oder innerhalb der Union bei Kontrollen in Flughäfen aufkam; müssen sie ihren Turban abnehmen oder nicht?1 Auch das kann dazu führen, sich mit dem Verhältnis der Europäischen Union (EU) zu Religionen zu beschäftigen. Besitzt sie etwa eine religiöse Ausrichtung oder haben die Mitgliedstaaten ihr dies ersichtlich verwehrt? Diese Sicht war bisher in der Literatur kaum anzutreffen, suchte sie doch vor allem, das nationale Religionsverfassungsrecht gegen Einwirkungen des europäischen Rechts zu schützen;2 man wählt also die Perspektive des mitgliedstaatlichen Interesses an einer Abschirmung, nicht die Perspektive des Blicks auf die unionsrechtliche Ebene als solcher. Gelegentlich, ja schon öfter wird auch von einem „Religionsverfassungsrecht der EU“ gesprochen – so dass man sich fragen muss, ob es dieses Recht und Rechtsgebiet

1 Vgl. The Hindu v. 11.2. 2012, 10 zu diesen Verhandlungen damals in Delhi. Das vorliegende Manuskript wurde im Sommer 2012 abgeschlossen; sein Thema erfreut sich zunehmender Beliebtheit. So erschien etwa Ende des Jahres Zucca, A Secular Europe. Law and Religion in the European Constitutional Landscape, Oxford 2012; und die deutschen Arbeiten wählen stets die Perspektive, welche Auswirkungen das europäische Recht auf das nationale Recht hat, stellen also die Frage nach dem säkularen Charakter der europäischen Ebene nicht, so jetzt auch Rixen, Was lässt das EU-Recht vom deutschen Staatskirchenrecht übrig? – EUrechtliche Effekte auf das Religionsverfassungsrecht in Deutschland, in: Holzner/Ludyga (Hrsg.), Entwicklungstenenzen des Staatskirchen- und Religionsverfassungsrechts, 2012, S. 119 ff. 2 Dazu v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht. Eine systematische Darstellung des Religionsverfassungsrechts in Deutschland und Europa, 4. Aufl. 2006, § 40, S. 357 ff. m.z.N.; für den Nachweis zahlreicher religionsrelevanter Regelungen der EU, indes ohne dass damit eigens eine religionsverfassungsrechtliche Struktur verbunden wäre, Söbbeke-Krajewski, Der religionsrechtliche Acquis Communautaire der EU. Ansätze eines systematischen Religionsrechts der EU unter EU-Vertrag, EG-Vertrag und EU-Verfassungsvertrag, 2006; zum Thema auch Walter, Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive, 2006; u. Bloss, Cuius religio – EU ius regio?, Komparative Betrachtung europäischer staatskirchenrechtlicher Systeme. Status quo und Perspektiven eines europäischen Religionsverfassungsrechts, 2008, S. 219 ff.

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Die zugewandte Säkularität der EU

gibt.3 Vielleicht zeigt sich, dass es zwar ein Religionsrecht der EU und in diesem religionsverfassungsrechtliche Elemente, nicht aber ein umfassendes Religionsverfassungsrecht der EU geben kann. Dabei bleibt hier unberücksichtigt, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGHMR) Dichte und Konsequenz bestimmter Prinzipien im Verhältnis von Staat und Religion kraft der Garantien der Gedanken-, Gewissens- und Glaubensfreiheit in den letzten Jahren viel stärker entwickelt hat als man dies früher hätte erwarten dürfen.4 Diese Rechtsprechung, die die EU gewiss respektieren wird, die ihre Kompetenzen aber nicht vermehren kann, ist hier indessen nicht Gegenstand. Daneben findet man inzwischen eine Reihe von Entscheidungen vor allem des Europäischen Gerichtshofs der EU, die religionsrechtliche Fragen betreffen. Auch sie sind hier nicht näher Gegenstand, sind sie doch kaum mit Kompetenzfragen befasst.

I. Vorbemerkung Jedenfalls eine eigene „religiöse Identität“ besitzt die Europäische Union nicht.5 Religions- und Religionsverfassungsrecht sind nicht Gegenstand ihres Handelns. Marginale Zuständigkeiten hat sie für die Unterstützung der Ausgestaltung der beruflichen Bildung durch die Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung von deren Verantwortung für Inhalt und Gestaltung dieses Bereichs und für die Förderung der Kultur der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt bei 3

„Europäisches Religionsverfassungsrecht?“ ist – immerhin mit Fragezeichen – Seminarthema, so in Leipzig im Winter 2012/13; die Literatur, auch die Lehrbücher, vermeiden die Formulierung nicht immer, vgl. nur den Untertitel v. Bloss (Anm. 2); die Literatur wird teils vorsichtiger, vgl. die Aufsatztitel einerseits de Wall, Neue Entwicklungen im Europäischen Staatskirchenrecht, in: ZevKR 47 (2002), 205 ff. und andererseits ders., Das Religionsrecht der EU, in: ZevKR 50 (2005), 383 ff. 4 Dazu Peters/Altwicker, Die Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 2012, S. 218 ff. u. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, S. 288 ff. Zur Übersicht über die Rechtsprechung aus Straßburg und aus Luxemburg engagiert Krimphove, Europa und die Religionen, in: Kirche und Recht 14 (2008), 89 (96 ff.); unionsrechtlich vertieft Link, Staat u. Kirche im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses, in ZevKR 42 (1997), 130 ff. (zum Grundsätzlichen bes. 152 ff.) u. die in der vorigen Anm. genannten Arbeiten von de Wall; sowie ders., Von der individuellen zur korporativen Religionsfreiheit – die Rechtsprechung zu Art. 9 EMRK, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK in Privat-, Straf- und öfftl. Recht. Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte u. Grundfreiheiten als Fundament einer europäischen Rechtskultur, 2004, S. 248 ff. 5 Zur vor wenigen Jahren heftig geführten Debatte um Verfassung, Identität, Europa und Integration Korioth u. v. Bogdandy, Europäische und nationale Identität. Integration durch Verfassungsrecht?, in: VVDStRL 62 (2003), 117 ff., 156 ff.; jünger Kotzur, Europäische Einheit in kultureller Vielfalt – Identitätsdiskurse nach dem Reformvertrag von Lissabon, in: Wittinger u. a. (Hrsg.), Verfassung – Völkerrecht – Kulturgüterschutz, Festschrift für W. Fiedler zum 70. Geburtstag, 2011, S. 557 ff.; u. ders., Was macht politische Identität(en) aus?, in: Tsatsos (Hrsg.), Die Unionsgrundordnung – Handbuch zur Europäischen Verfassung, 2010, S. 164 ff. u. anschließend; vgl. i. Ü. auch den politikwissenschaftlichen Beitrag, hierzu etwa v. Jacobsohn (unten Anm. 52).

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gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes, indes stößt man in den betreffenden Bestimmungen nicht auf Religionen oder Weltanschauungen. Die Wahrung dieses Erbes sucht auch die erstmalige Kodifikation von Werten durch den Vertrag von Lissabon zu bewerkstelligen, die an die Stelle der Debatte um einen Gottesbezug in der Präambel getreten sind und eigentlich etwas ausdrücken, was sich von selbst versteht, nämlich eine Haltung, die ermöglicht, unterschiedliche Wertsysteme einander zu vermitteln.6 Das führt zu klassischen und auch jüngeren Rechtsbegriffen und Regelungszielen, die – wie eingangs des EU-Vertrages – „Werte“ genannt werden mögen. Um eine Vermittlung jeweils in der Sache zu erreichen, ist die Union u. a. zu einem offenen und transparenten Dialog mit Religions- und Weltanschauungsverbänden verpflichtet. Allerdings besitzt die Europäische Union dafür ebenso wenig eine religiöse wie sonst eine etwa solche Vermittlungen hindernde Identität. Sucht man die Rechtstexte auf, so stößt man neben der „Identität der Mitgliedstaaten“ auf eine „Identität Europas“, aber nicht auf eine Identität der Europäischen Union. Auch eine Gesellschaft erscheint im Übrigen nicht als eine solche der Union, sondern als Gesellschaft, die den Mitgliedstaaten gemeinsam ist und gewissen Merkmalen genügen soll. Es lohnt die Untersuchung, welchen Charakter die Union als Staatenverbund haben kann, wo doch so sorgsam vermieden wird, sie mit einer religiösen Identität, ja überhaupt mit einer Identität auszustatten. An mehreren Stellen der Verträge ist nämlich von der Identität der Mitgliedstaaten die Rede, nicht aber von einer solchen der Union. Daher mag es wie bisher unterschiedliche Verhältnisse zwischen Staat und Religion in den Staaten geben, die Union bleibt davon unberührt. Dies wirft die Frage auf, welches religionsverfassungsrechtliche Konzept sich demnach für die Union und insbesondere die Wahrnehmung ihrer Befugnisse, soweit sie Bezüge zu und Wirkungen für Religionen oder Weltanschauungen haben, ergibt. II. Die Debatte um einen Gottesbezug in der Präambel des Verfassungsvertrags und ihre Bedeutung für die Auslegung der Verträge von Lissabon Der Versuch, der Union eine Identität zu geben, scheiterte im Ergebnis schon mit dem Verzicht auf einen Gottesbezug in den Präambeln des Primärrechts, zunächst im 6 Dazu Beutler, Die Werte der europäischen Union und ihr Wert, in: Appel u. a. (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat, Festschrift für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, 2011, S. 635 ff. (636, 650); zur publizistischen Debatte damals Tietze, Mit oder ohne Gott in das europäische Werteparadies?, in: Reuter/Kippenberg (Hrsg.), Religionskonflikte im Verfassungsstaat, 2008, S. 208 ff.; dazu, dass Wertvorstellungen auch einer final gesteuerten Rechtsanwendung vorgelagert sind und diese daher nicht unmittelbar steuern können, sondern eine soziale Kommunikation voraussetzen, vgl. Joas, Die Sakralität der Person. Eine neuen Genealogie der Menschenrechte, 2011, S. 256 ff.; trefflich zu Wert und Markt Häberle, Die europäische Verfassung: Wandel von der Markt- zur Werteordnung?, in: Tsatsos (Hrsg.) (Anm. 5), S. 221 ff. (225 ff.); vgl. auch Kotzur, Die Ziele der Union: Verfassungsidentität und Gemeinschaftsidee, in: DÖV 2005, 313 (317 ff.).

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Charta-Konvent7 und dann im Verfassungskonvent8 und schließlich in den Reformverträgen von Lissabon.9 Auch in den Mitgliedstaaten wurde die Frage eines Gottesbezugs in Verfassungen aus diesen Anlässen rege diskutiert.10 Dies hatte weitere Gründe. Auf europäischer Ebene haben Präambeln von Verträgen nämlich ähnlich wie anderswo verbindlichen Charakter.11 Sie leiten auch die Auslegung der folgenden Vertragstexte. Sie sind also durchaus prägend, nicht etwa unverbindlich und bar der Normativität – eine Sicht, die insbesondere im deutschen Recht den Gottesbezug des Grundgesetzes in seiner Präambel retten kann, gerade wenn man die Präambel im nationalen Recht als Element des nicht normativen Teils der Verfassung versteht.12 Der Unionsvertrag (EUV) beschränkt nun seine Legitimation im zweiten Absatz seiner Präambel auf das „kulturelle, religiöse und humanistische Erbe, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt

7

Vgl. Charta der Grundrechte der Europäischen Union v. 7.12. 2000 (ABl. EU 2000 Nr. C 364, 1) i. d. F. der deutschen Veröffentlichung vom 8.10. 2008 (BGBl. II S. 1165) und dort die unveränderte Präambel. 8 Siehe den nicht in Kraft getretenen Vertrag über eine Verfassung für Europa, vom Europäischen Konvent im Konsensverfahren angenommen am 13. Juni und 10. Juli 2003, dem Präsidenten des Europäischen Rates in Rom überreicht – 18. Juli 2003 – Luxemburg, Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften 2003, dort die Präambel. 9 Vgl. dazu die in Kraft getretenen Verträge und die Charta in der Fassung des Vertrages von Lissabon v. 13.12. 2007 (ABl. Nr. C 306, 1, berichtigt ABl. 2008 Nr. C 111, 56 u. ABl. 2009 Nr. C 290, 1). 10 Dazu Goerlich, Der Gottesbezug in Verfassungen, in: ders./Huber/Lehmann, Verfassung ohne Gottesbezug?, Zu einer aktuellen europäischen Kontroverse, 2004, S. 9 ff.; vgl. auch Stolleis, Menschenbild und Gottesbezug in einer Europäischen Verfassung, in: Kadelbach/ Parhisi (Hrsg.), Die Freiheit der Religion im europäischen Verfassungsrecht, 2007, S. 185 ff. (189 ff.); anders etwa Weininger, Europa ohne Gott? Die EU und der Dialog mit den Religionen, Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften, 2007; auch Stein, Himmlische Quellen und irdisches Recht. Religiöse Voraussetzungen des freiheitlichen Verfassungsstaates, 2007; zur rechtlichen Bedeutung eines Gottesbezuges in der Präambel Naumann, Eine religiöse Referenz in einem Europäischen Verfassungsvertrag, 2008, S. 85 ff. (bes. 98 ff.). 11 Dazu Geiger, in: ders./Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Rn. 1 zur Präambel EUV; aber auch Kotzur, Vorspruch und Versprechen. Der Europäische Integrationsprozess nach Lissabon im Lichte der Präambeltexte des EUV, des AEUV und der EU-Grundrechtecharta, in: Mitglieder der Juristenfakultät (Hrsg.), Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009, S. 511 ff.; für die Verbindlichkeit der Präambel der indischen Verfassung Singh, V. N. Shukla’s Constitution of India, 11th Ed., Lucknow 2008, S. A 25 ff., 1 f. 12 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995 (Neudruck 1999), S. 55 f, Rn. 114 ff. (115), geht davon aus, dass der Gottesbezug nicht normativer Teil der Verfassung ist; für verfassungsrechtlich fragwürdig hält ihn inzwischen Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, S. 131 ff., Rn. 4 ff., der in der 2. Aufl. dieses Lehrbuchs noch zur Verfassungswidrigkeit kam.

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haben“.13 Und die Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (CHGREU) spricht an derselben Stelle ihrer Präambel teils nur vom „spirituellen“, in der deutschen Fassung auch vom „geistig-religiösen und sittlichen Erbe“ oder „spirituellen und sittlichen Erbe“14, in dessen Bewusstsein sich die Union gründet auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Aufgrund des prägenden Charakters der Präambel-Texte hätte ein Gottesbezug insbesondere im Unionsvertrag selbst allerdings eine religiöse Fixierung mit sich gebracht, ja es hätte nahe gelegt, dass die Union sich als „christliches Europa“ verstanden hätte. Dies ist heute nicht einmal für die Identität Europas gesichert, obwohl sie in der Präambel des Unionsvertrages auftritt. Diese Identität ist aber – soweit die Union mit ihr zu tun hat – durch Art. 42 Abs. 5 EUV rückgebunden nach der Präambel selbst auf Frieden, Sicherheit und Fortschritt sowie durch Art. 42 Abs. 5 EUVauf die Werte der Union. Diese enthalten nach Art. 2 EUV die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Und es heißt weiter, dass diese Werte „[…] allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam sind, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet“. Dabei ist hier deutlich, dass diese so beschriebene Identität bezogen ist auf die Gesellschaft, die den Mitgliedstaaten gemeinsam ist. Diese Identität ist also nicht die der Union selbst, ihr ist sie vielmehr nur mittelbar zuzuordnen. Ebenso spricht die Präambel von Identität und Unabhängigkeit Europas überhaupt, also nicht denjenigen der Union. Auch fällt auf, dass ein weiterer Bezug auf Religion und Religiosität unterbleibt. Verlegt ist nach allem der EU schon kompetentiell der Weg, sozusagen eine Summe der Gemeinsamkeiten vorhandener „offizieller“ Religionen an ihre Spitze zu stellen. Daher könnte die EU sich solche Gemeinsamkeiten auch nicht geben. Sie ist heute rechtlich gehindert, etwa einen Grundsatz wie „One and Only God“, den die Verfassung Indonesiens15 in ihrer Präambel an die Spitze stellt, zu statuieren. Nichts anderes gilt in Europa für etwa mit den religiösen Hauptströmungen vereinbare Entsprechungen zu den weiteren vier zum Teil auf den ersten Blick nicht nur religiös begründbaren Verfassungsgrundsätzen, auf die man sich in der Verfassung

13 So die Präambel des Vertrags über die Europäische Union (EUV), bekannt gemacht am 13.11. 2009 (BGBl. II S. 1223), in Kraft getreten am 1.12. 2009 in der Fassung des Vertrags von Lissabon (Anm. 9). 14 Veröffentlicht am 8.10. 2008 (BGBl. II S. 1165), wobei die französische Fassung an Stelle des „geistig-religiösen“ das „spirituelle“ Erbe nennt. 15 V. 18.8. 1945, zuletzt durch die vierte Änderung ergänzt am 11.8. 2002; der Islam stellt die größte Zahl, ist aber nicht Staatsreligion, daneben sind Katholizismus, Protestantismus, Hinduismus, Buddhismus und Konfuzianismus offizielle Religionen.

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bei der Gründung Indonesiens verständigte.16 Es wäre im Übrigen auch in der Sache heute unmöglich, weil Art. 10 Abs. 1 CHGREU Agnostikern und anderen Minoritäten gegen eine derartige Festlegung jedenfalls nach heutigem Verständnis zur Seite stehen würde. Dies gilt unbeschadet der eingangs erwähnten und auch gebotenen Verständigung auf Rechtsbegriffe und Regelungsziele. III. Der Dialog gemäß Art. 17 AEUV und die Religionsfreiheit der Charta der Grundrechte Art. 17 des Vertrages über die Arbeitsweise der Union (AEUV)17 lautet: „(1) Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen und beeinträchtig ihn nicht. (2) Die Union achtet in gleicher Weise den Status, den weltanschauliche Gemeinschaften nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genießen. (3) Die Union pflegt mit diesen Kirchen und Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog.“ Und in Art. 10 Abs. 1 CHGREU ist zu lesen: „Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, die Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit andern öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.“ Nach diesen Bestimmungen soll die Union also mit Verbänden, die die religiöse oder weltanschauliche Sphäre pflegen, einen Dialog führen. Der Vertrag über die Arbeitsweisen der Union (AEUV) enthält damit das wesentliche Gegenstück zum Verzicht der Präambel des EUVauf einen Gottesbezug. Hierbei nimmt das Vertragswerk des Vertrags von Lissabon offenbar insgesamt – und dies zu Recht – an, dass das Handeln der Union trotz allen Mangels an Zuständigkeiten insoweit Auswirkungen für Religionen und Weltanschauungen haben kann.18 Diese Einsicht scheint hinter Art. 17 AEUV zu stehen. Aber dessen Klauseln setzen vorgängig noch etwas anderes 16 Vgl. zu den nur teilweise religiös motivierten Prinzipien und darüber hinaus Raiser, Religion Macht Politik. Auf der Suche nach einer zukunftsfähigen Weltordnung, 2010, S. 135 u. ff. 17 Vertrag über die Arbeitsweisen der Union (AEUV) i. d. F. des Vertrags von Lissabon (Anm. 9), bekannt gemacht am 13.11. 2009 (BGBl. II S. 1223), in Kraft getreten am 1.12. 2009. 18 Dazu eingehend Mückl, Die Europäisierung des Staatskirchenrechts, 2005, S. 427 ff., 478 ff. u. passim; auch Bloss (Anm. 2), S. 278 ff.; zum Verhältnis von Grundrechtsschutz und Kompetenzproblem, d. h. viele Fragen sind nicht kompetentiell, sondern vom Grundrechtsschutz her anzugehen, vgl. Walter, Religion und Recht der Europäischen Union, in: Zimmermann (Hrsg.), Religion und Internationales Recht, 2006, S. 207 ff. (208 ff., 209); auch Waldhoff, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht. Einwirkungen des Völker- und Europarechts, in: Heinig/Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, 2007, S. 251 ff. (265 ff.).

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voraus – und vielleicht gerade deswegen mögen diese Vorschrift und der aus ihr erwachsende Dialog in Deutschland von kirchlich engagierter Seite besonders begrüßt worden sein.19 Und es liegt sicher nicht nur daran, dass die Identität und der besondere Beitrag der Kirchen und Gemeinschaften hervorgehoben zur Geltung kommen – ebenso wie auch derjenige aller Weltanschauungsgemeinschaften und Minderheiten des Bereichs der Union. Denn die Achtung des jeweils besonderen Beitrages wird insoweit nicht abgestuft oder wegen eines minderen Rechtsstatus dieser Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten abgeschwächt. Art. 17 Abs. 1 und 2 AEUV weist dabei nämlich – und darauf kommt es zunächst an – den Religionen und Weltanschauungen sowie ihren Verbänden aufgrund ihres besonderen Beitrags zunächst in gleicher Weise Plätze im öffentlichen Raum zu. Derlei findet sich für andere Verbände in den Verträgen nicht, auch nicht in den Vorschriften über den Wirtschafts- und Sozialausschuss oder den Ausschuss der Regionen.20 Dabei bezieht sich Art. 17 AEUV auf den Status, den diese Kirchen, Vereinigungen und Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften erhalten haben. Die Vorschrift – und die Mitgliedstaaten, die diesen Vertrag vereinbart und in Kraft gesetzt haben – verleiht ihnen darüber hinaus einen öffentlichen Status in der Union, indem die Union in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrages auf einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit ihnen verpflichtet wird. Der Inhalt dieses Dialogs und seine Ergebnisse bleiben allerdings im Dunkeln einer sachlichen Verhaltenheit. Sie liegt nahe, soll die Union ihre in diesem Zusammenhang beschränkten Möglichkeiten nicht verfehlen. Der Dialog ist offenbar nicht darauf aus und ausgelegt, den Status der Gesprächspartner zu verändern. Auch geht mit diesem Dialog offenbar nicht die Erwartung einher, besondere Beziehungen zu einzelnen Partnern des Dialogs zu entwickeln. Die geforderte Achtung soll sich in Gleichheit, nämlich in gleicher Weise, vollziehen. Auch sagen die Bestimmungen nichts aus über die Gegenstände des Dialogs. Indessen gibt es gewiss eine Fülle von Materien in der Zuständigkeit der Union, die Religions- und Weltanschauungsverbände berühren, ja im Falle ihrer näheren Wahrnehmung durch einzelne Maßnahmen oder Regelungen beeinträchtigen können. Man denke nur an das Arbeitsrecht, soweit es die Arbeitnehmerfreizügigkeit betrifft, die ergänzende Angleichung von Rechtsvorschriften der beruflichen Bildung nach Art. 166 AEUV oder die Kulturförderung im Rahmen von Art. 167 AEUV21, wobei der Vertrag in diesen Vorschriften diese ergänzenden und stützenden Zustän19

Vgl. v. Campenhausen/de Wall (Anm. 2), S. 366. Die Gewerkschaften findet man nur unter der Vereinigungsfreiheit in Art. 12 CHGREU wie in seinem Vorbild, Art. 11 der (Europäischen) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) v. 4.11. 1950 i. d. F. d. Bek. v. 17.5. 2002 (BGBl. II S. 1054), zuletzt geändert durch Protokoll Nr. 14 v. 13.5. 2004 (BGBl. 2006 II S. 138); in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 15.12. 1953 (BGBl. 1954 II S. 14). 21 Ob Religion unter „Kultur“ fällt, ist hierzulande umstritten, vgl. Söbbecke-Krajewski (Anm. 2), S. 341 ff. 20

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digkeiten unter restriktive Rücksichten zugunsten der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten stellt. Die Union soll dadurch in ihrer Neigung zur ausufernden Kompetenzwahrnehmung gebändigt werden, scheint es. Unabhängig von dem damit angedeuteten Problem der Bindungen der Union kann allerdings das Wettbewerbsrecht die Aktivitäten von religiös-karitativen oder diakonischen Unternehmen erfassen, jedenfalls wenn sie eine nennenswerte Größe erreichen, wie dies in Deutschland wohl der Fall ist.22 Im deutschen Arbeitsrecht wird zudem akzeptiert, dass kirchliche Verbände und Unternehmen die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft nicht zulassen, Streiks ausschließen und vor allem von ihren Mitarbeitern die Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft verlangen, die die Verbände oder Unternehmen trägt, fördert oder pflegt. Dies bedeutet, dass gleich qualifizierte Arbeitskräfte, denen diese Eigenschaft fehlt, nicht beschäftigt werden und dies die Arbeitnehmerfreizügigkeit eines Unionsbürgers aus einem anderen Mitgliedstaat erheblich und in diskriminierender Weise beeinträchtigen kann.23 Auch kann gerade in Ansehung der Religionsfreiheit das Recht der EU prägende Wirkung erlangen, etwa bei der Qualifikation der Voraussetzungen des Status als anzuerkennender Flüchtling in der Europäischen Union.24 Damit nimmt die Union indessen nicht mehr in Anspruch als ihr gewährt ist, nämlich die Reichweite der Religion als im öffentlichen Raum relevante Größe anzuerkennen, sie also nicht auf das bloße forum internum zu beschränken, ihr vielmehr nach ihrem Selbstverständnis auch den Raum des forum externum in diskriminierungsfreier Weise zu öffnen.25 Jedoch hat Art. 17 AEUV der Union offensichtlich keine religionspolitischen oder religionsverfassungsrechtlichen Ziele gesetzt. Ersichtlich sollen solche Ziele von ihr nicht verfolgt werden. Insoweit hat sie die Mitgliedstaaten ganz und gar in 22

Dies ist eine Folge der Entscheidung BVerfGE 24, 236 – Aktion Rumpelkammer der kath. Landjugendbewegung, u. allgemein v. Campenhausen/de Wall (Anm. 2), S. 361 ff.; eingehend für die verschiedenen Bereiche der Einwirkung europäischen Rechts auf kirchliche Aktivitäten Link (Anm. 4), S. 137 ff. 23 Zum Arbeitsrecht der Kirchen, ihrer Verbände, Einrichtungen und Unternehmen v. Campenhausen/de Wall (Anm. 2), S. 363 ff. sowie nach ersten Urteilen, nämlich EGHMR, Urt. v. 23.10. 2010, Appl. Nr. 1620/03, abgedruckt in: EuGRZ 2011, 560 ff. – Schüth v. Deutschland, u. Urt. v. 23.10. 2010, Appl. Nr. 425/03, abgedruckt in: EuGRZ 2011, 571 ff. – Obst v. Deutschland, auch EGHMR, Urt. v. 3.2. 2011, Appl. Nr. 18136/02 – Siebenhaar v. Deutschland; zu anderen Rechtsgebieten, auf die das Recht der EU ein- u. in denen es sich auswirkt Mückl (Anm. 18), S. 478 ff. 24 Vgl. Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Schutz von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes v. 29.4. 2004 (ABl. EU Nr. L 304, 12; ber. ABl. EU 2005 Nr. L 204, 24 [„Qualifikationsrichtlinie – QRL]). 25 Dazu Vorlagebeschluss des BVerwG, Beschl. v. 9.12.2010 – 10 C 19/09 – abgedruckt in: NVwZ 2011, 755 ff., u. BVerwGE 138, 270 sowie dazu Berlit, Flüchtlingsrecht im Umbruch, in: NVwZ 2012, 193 ff. mit dem Hinweis zur Verhandlung der Ahmadiyya-Fälle vor dem EuGH am 28.2. 2012; der Fall wurde entschieden zugunsten des öffentlichen Bekenntnisses des eigenen Glaubens, vgl. EuGH, Urt. v. 5.9. 2012 – C-71/11 u. a.

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ihren Rechten und Befugnissen zu respektieren und in diesen zu belassen. Insofern kann man Art. 17 AEUVals eine Teilregelung verstehen, die auf ihre Vollendung verzichtet. Dies hat indes auch eine positive Seite, sagt das doch etwas aus über den Charakter der Union in diesem Bereich. Dahinter kann mehr stehen, insbesondere nämlich eine Verpflichtung auf eine wie immer näher zu qualifizierende religionspolitische und religionsverfassungsrechtliche Untätigkeit der Union, die aber, wie Art. 17 AEUV betont, den Religionen und Weltanschauungen Öffentlichkeit und öffentlichen Raum gewährt. Insofern muss die Union auf eine eigene religiöse Identität verzichten. Ebenso wenig darf sie – was sich nahezu von selbst versteht – religionspolitisch oder religionsverfassungsrechtlich tätig werden. Dieser Verzicht lässt sich im Übrigen auch aus den Garantien der Religionsfreiheit gemäß Art. 10 CHGREU rechtfertigen. Dies jedenfalls dann, wenn man ihnen eine Verpflichtung auf Neutralität und Nichtidentifikation entnimmt, sowie vor allem darüber hinaus, wenn man hervorhebt, dass diese Charta nicht erlaubt, aus der Gewährung von Rechten Zuständigkeiten der Union abzuleiten, wie Art. 51 Abs. 2 und 1 der Charta betonen. Danach ist es nämlich verwehrt, die Garantien der Religionsfreiheit hier dahin zu verstehen, dass die Union selbst über ihre ausdrücklichen Zuständigkeiten hinaus den Religionen und Weltanschauungen Strukturen und Wege eröffnet, um die beanspruchten Freiheiten des Art. 10 CHGREU auszuüben. Diese Aufgaben sind der Union nicht übertragen worden und können ihr auch nicht über diese Freiheitsgarantie zugeschrieben werden.26 Ganz im Einklang mit den Verträgen und ihren Kompetenzstrukturen gemäß achtet die Union allerdings auch gemäß Art. 22 CHGREU die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen. Auch beim Tierschutz nimmt sie gemäß Art. 13 AEUV Rücksicht nicht nur auf die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten, sondern auch auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das religiöse Erbe.27 Diese Querschnittsklausel ist geprägt von der Rücksicht auf Religionen, deren heute noch geringe Präsenz in einzelnen Mitgliedstaaten zu einem Übergewicht des Tierschutzes gegenüber religiösen Riten geführt haben mag. Die Offenheit der unionsrechtlichen Regelung korrigiert eine solche Entwicklung. IV. Die Mitgliedstaaten und ihr Religionsverfassungsrecht Die Mitgliedstaaten bleiben hingegen aus eigenem Recht und unionsrechtlich ungestört befugt, ihr Religionsverfassungsrecht zu pflegen. Es kann offenbar weiterhin 26

Eingehend zu aktuellen Fragen in diesem Zusammenhang Cremer, Grundrechtsverpflichtete und Grundrechtsdimensionen nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: EuGRZ 2011, 545 (546 ff., 550 ff.); u. zur Reichweite der Rechte der CHGREU Jarass, Die Bindung der Mitgliedstaaten an die EU-Grundrechte, in: NVwZ 2012, 457 ff. – worauf hier nicht eingegangen wird. 27 Dazu Kotzur, in: Geiger/Khan/ders., EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art. 13 AEUV Rn. 2 f.

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sehr unterschiedlich gestaltet sein. Bekanntlich wird gemeinhin zwischen staatsoder volkskirchlichen, Trennungs- und Kooperationsmodellen der Regelung des Verhältnisses von „Staat“ und „Religion“ unterschieden.28 Zugespitzt liegt es, wenn unter der Flagge einer „Laizität“ die Religionen und Weltanschauungen aus dem öffentlichen Raum verbannt werden;29 man kann allerdings in gewissen Grenzen, die die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) neben dem nationalen Verfassungsrecht setzt, eine Staatskirche erhalten und fortführen, es kann der Staat kraft des Religionsverfassungsrechts aber auch einer freundschaftlich entgegenkommenden Neutralität verpflichtet sein. Die Grenzen kraft der EMRK zieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung; dabei versteht er die Konvention als „living instrument“30, respektiert aber zugleich den Gestaltungsraum – margin of appreciation – der Mitgliedstaaten des Europarates,31 die die Konvention ratifiziert haben. Da die Konvention sowohl eine umfassende Garantie der Gedanken-, Gewissens- und Glaubensfreiheit gemäß Art. 9 EMRK als auch einen entsprechenden Diskriminierungsschutz in Art. 14 EMRK enthält und durch die Beschwerde zum Gerichtshof bewehrt, ergeben sich immer wieder Anpassungen im Religionsverfassungsrecht an die Maßstäbe der Konvention im Wege einer allmählichen Rechtsentwicklung. Jedoch ändert dies nichts an den Kompetenzstrukturen und der Gestaltungskraft der jeweils selbst gewählten Zuordnungsverhältnisse des nationalen Rechts. Die Union hingegen erscheint sozusagen insoweit blass und nackt. Allerdings ist dies vielleicht eine unzureichende Wahrnehmung. Denn die Elemente dessen, was ihr zugewiesen und aufgegeben ist, weisen doch in eine bestimmte eigene Richtung. Sie lässt sich den Umrissen nach beschreiben. Sie zeichnen die Konturen einer Säkularität, die auf Öffentlichkeit der Religion und der Weltanschauung, strikte Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sowie religiöse Abstinenz und Nichtidentität gerichtet erscheint. Insofern huldigten die Mitgliedstaaten, die die Unionsverträge in der Fassung von Lissabon schufen, kraft der erzielten Kompromisse im über ihren bewussten Konsens durchaus hinausführenden Ergebnis vielleicht einem eigenständigen Konzept, das die Union gegenüber ihren Mitgliedstaaten wesentlich unterscheidet.

28

Dazu Unruh, Religionsverfassungsgrecht, 2. Aufl. 2012, S. 327 ff. Vgl. v. Campenhausen, 100 Jahre Trennung von Staat und Kirchen in Frankreich, in: Grote u. a. (Hrsg.), Die Ordnung der Freiheit. Festschrift für Ch. Starck zum 70. Geburtstag, 2007, S. 1075 ff. 30 Dazu Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz, 2. Aufl. 2010, Rn. 38 und passim. 31 Zuletzt dazu EGHMR, Urt. v. 18.5. 2011 (Große Kammer), Appl. Nr. 30814/06, abgedruckt in: EuGRZ 2011, 677 ff. – Lautsi v. Italien; und dazu dort Walter, 673 ff. 29

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V. Der Diskriminierungsschutz in den Instrumenten des Vertrags von Lissabon Diskriminierungsschutz bietet die Union inzwischen auf mehreren Ebenen. Anfangs, aber auch bis heute garantiert sie Schutz vor Diskriminierung in Ansehung der Marktfreiheiten. Darüber hinaus gewährt sie inzwischen Diskriminierungsschutz kraft der Aufgabe, im Sinne eines sozialen Ziels Gleichbehandlung zu verwirklichen. Auch in diesem Sinne findet man unter den allgemeinen Bestimmungen des AEUV Art. 10, wonach die Union bei der Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen darauf abzielt, Diskriminierungen u. a. aus Gründen der Religion […] zu bekämpfen. Und schließlich ergibt sich notwendig aus der Unionsbürgerschaft und dem damit verbundenen Verbot der Diskriminierung ein umfassender Auftrag zur Antidiskriminierungsgesetzgebung auch in Ansehung der Religion, anknüpfend an die Staatsbürgerschaft kraft unionsbürgerschaftlicher Allgemeinheit und Gleichheit im Sinne eines common citizenship. Denn der Status einer gemeinsamen Bürgerschaft verbietet jede Ungleichbehandlung dank des bürgerschaftlichen republikanisch-egalitären Status.32 Diese Bedeutung der Unionsbürgerschaft wird zunehmend erkannt.33 Auch darf gemäß Art. 18 AEUV und nach Art. 21 Abs. 2 CHGREU die Staatsbürgerschaft nicht Anknüpfungspunkt einer Diskriminierung werden. Regelmäßig umfassen die Diskriminierungsverbote mithin das Verbot, illegitime Unterscheidungen an die Religion anzubinden und zu versuchen, sie unter diesem Aspekt aufrechtzuerhalten. Das gilt insbesondere auch für religiöse Minderheiten und weltanschaulich abweichende Randgruppen und Dissenter. Es gilt aber auch für den Bürger ohne solche Eigenschaften, wenn er im täglichen Leben grenzüberschreitend am Arbeits- und Wirtschaftsleben teilnimmt, wiewohl hier die besonderen Diskriminierungsverbote der Marktfreiheiten greifen mögen und Bedeutung wie Reichweite der Unionsbürgerschaft manchmal verdecken können. Art. 19 AEUVermöglicht – wie geschehen –, Vorkehrungen zu treffen, um u. a. Diskriminierungen „aus Gründen […] der Religion oder der Weltanschauung […]“ zu bekämpfen. Auch solche Diskriminierungen sind darüber hinaus gemäß Art. 21 Abs. 1 der CHGREU verboten. Da Religion in den Diskriminierungsverboten ohne jeden Unterschied genannt wird und dieses Verbot oft zugunsten von Weltanschauungen erweitert wird, indem sie ihr gleichgestellt werden, ergibt sich aus den Diskriminierungsverboten eine religions- und weltanschauungspolitische Blindheit. Sie fordert vom Betrachter, unterschiedslos zu handeln, ja eher den Minderheiten kompensierend besonderen Schutz zukommen zu lassen, als Rechtfertigungen für eine unterschiedliche Behand-

32

Vgl. dazu Raiser (Anm. 16), S. 145. Dazu Kotzur, A European Glance of the Notion of Citizenship, in: 1 City University of Hong Kong Law Review 91 seqq. (2009); u. ders., Grenznachbarschaftliche Zusammenarbeit in Europa, 2004, S. 283 ff. sowie knapp ders., Grundfreiheiten und Unionsbürgerschaft, in: Tsatsos (Hrsg.) (Anm. 5), S. 478 f. 33

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lung mancher im Unterschied zu einzelnen oder zugunsten einzelner Gruppen zu suchen. VI. Die geltenden Präambeln der Verträge von Lissabon und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Dieses Bild rechtfertigen auch die Präambeln jeweils in der Fassung, in der sie in Kraft getreten sind. Auch dort spielt der Diskriminierungsschutz eine erhebliche, ja prägende Rolle. Die Anknüpfung an historische Begründungen von Menschenrechten und Demokratie findet man nicht dazu benutzt, mit ihnen eine religiös-weltanschauliche Legitimation für Unterscheidungen zu entwickeln. Sie bleiben bloße historische Linienführung, legen aber keinen weiteren Weg aus, etwa zur Verpflichtung auf ein christliches Abendland, eine „societas christiana“ oder eine religionsgebundene „Hoheitlichkeit“ in einem weiteren Sinne. Allerdings zeigen die Formulierungen schon der Präambeln zum kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe (EUV) oder zum religiös-geistigen oder spirituellen und sittlichen Erbe (CHGREU), dass die Union gegenüber Religionen und Weltanschauungen offen, kommunikativ und bereit zu sein hat, ihnen den öffentlichen Raum – auch nach Maßgabe des Rechts der Mitgliedstaaten – zu öffnen und offen zu halten, ohne jeden Unterschied, wie die Diskriminierungsverbote näher ergeben. Nach den Präambeln ist das die normativpolitische Erwartung, die anschließend die Verträge und die CHGREU vollends verbindlich machen. Zwar variieren die Formulierungen etwas, aber sie fangen die historischen Bezüge ein durch Werte, die sozusagen als rechtspolitische Legitimationsfolien zur Auslegung der Verträge herangezogen werden können. Sie weisen als rechtspolitische Maxime etwa auf Toleranz, was im Rahmen der Rechtssetzung nur bedeuten kann, eine volle rechtliche und dadurch diskriminierungsfreie Gleichstellung zu entwickeln. Daraus ergibt sich im Übrigen auch die Gleichstellung des Islam in seinen verschiedenen Ausprägungen, wobei der Islam nicht nur kraft seiner gegenwärtigen Präsenz etwa in großen Mitgliedstaaten wie Frankreich und Deutschland Teil des geistigen Erbes ist, das die Union antritt, sondern auch schon aufgrund seiner Rolle ebenso als Partner im religiös-philosophischen Dialog in Europa wie als Mittler antiker Traditionen insbesondere dank seiner Präsenz in Spanien alsbald seit seiner Ausbreitung im frühen Mittelalter im zuvor imperial-römischen Territorium um das Mittelmeer. Diese Präsenz schon hat in ihren Dimensionen nicht nur diese historische Perspektive, sondern – wie der heutige Zuschnitt auch der Union ergibt – auch eine gegenwärtige Entsprechung in Europa. VII. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und stützende Zuständigkeiten der EU Periphere Zuständigkeiten unselbständiger Art gestatten der Union ebenfalls nicht, den sozusagen unionsverfassungsrechtlichen Rahmen der in Religions- und Weltanschauungsfragen maßgeblichen Bestimmungen zu sprengen. So ergeben die sehr vorsichtig gefassten Zuständigkeiten für ergänzende und unterstützende

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Maßnahmen in der beruflichen Bildung gemäß Art. 166 Abs. 1 AEUV nichts anderes als jener Rahmen zulässt. Ebenso wenig kann die Kulturförderung gemäß Art. 167 Abs. 1 AEUV die Diskriminierungsverbote aufbrechen, um Privilegierungen zu gestatten. Zwar wird hier auf die Erhaltung der Vielfalt der Kulturen der Mitgliedstaaten abgestellt, das bedeutet indes nicht, dass deshalb im Wege der Förderung gegen Anforderungen der Gleichbehandlung verstoßen oder affirmativ Diskriminierungen aufrechterhalten werden dürfen oder gar müssen. Diese ergänzenden Vorschriften zeigen vielmehr deutlich, dass die Reservatrechte der Mitgliedstaaten kraft ihrer originären und nicht nur primären Zuständigkeit und insbesondere des Prinzips der beschränkten Einzelermächtigung gemäß Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV34 fortbestehen und zu beachten sind. Es gilt demgemäß für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union der kompetenzrechtliche Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Danach wird die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Alle der Union nicht übertragenen Zuständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedstaaten. Und für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union gelten die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, die die nachfolgenden Absätze des Art. 5 EUV näher umschreiben. Auch erhalten sie einen besonderen neuen Verfahrensschutz zur Seite gestellt. Sicher zeigen diese Absicherungsversuche, dass die Durchsetzung der Grundsätze Probleme mit sich bringt. Dies ändert aber nichts an ihrer Verbindlichkeit, zumal dort, wo die Lage ganz eindeutig ist.35 Die Reservatrechte der Mitgliedstaaten werden auch nicht durch Gleichbehandlungsgebote oder Diskriminierungsverbote in Frage gestellt. Eine Nivellierung im Namen der Stützung und Förderung von Kultur und Bildung ist nicht zu befürchten; Identitäten sind trotz der Gleichbehandlungsund der Nichtdiskriminierungsgebote gewährleistet. Die Verträge erwarten von der Union Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz als Teil einer egalitären Politik, ohne religionsverfassungsrechtliche Zuständigkeiten zu postulieren. Das Verfahren der Kompetenzergänzungsklausel des Art. 352 AEUV kommt nicht in Betracht. Es hat sein Bewenden mit dem Gebot der begrenzten Einzelermächtigung des Art. 5 EUV. Das gilt ohne jede Einschränkung für die Frage einer religionsverfassungsrechtlichen Identität der Union und die Auslegung ihres Rechts 34 Zur Figur der begrenzten Einzelermächtigung gemäß Art. 5 EUV v. Bogdandy/Bast, The Federal Order of Competences, in: dies. (Eds.), Principles of European Constitutional Law, 2nd Ed. Oxford und Munich 2010, S. 280 ff.; vgl. auch Nettesheim, Kompetenzen, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 389 ff. (398 ff.); und Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, 2010, S. 186 f., 70 ff., 247 ff. 35 Zum Schutz des mitgliedstaatlichen Religionsrechts auch durch die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit Söbbeke-Krajewski (Anm. 2), S. 323 ff., 333 ff.; eine studentische Erörterung dazu Herbolsheimer, Gibt es ein Religionsrecht der EU? Religionsrechtliche Kompetenzen der EU, in: KuR 18 (2012), 81 (90 ff.), nach einer zu lang geratenen und teils sehr fragmentarisch belegten Einleitung; vgl. auch etwas älter Krimphove (Anm. 4), S. 96 ff.

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in religionsrechtlichem Licht. Eine irgendwie geteilte Zuständigkeit der Union lässt sich nicht begründen, angesichts der großen Unterschiede und ihrer verfassungsrechtlichen Verankerungen in den Mitgliedstaaten kommen auch koordinierende, unterstützende oder ergänzende Maßnahmen nicht in Betracht. Der religionsverfassungsrechtliche Pluralismus der Mitgliedstaaten kann mithin nicht beendet werden, selbst wenn in den Mitgliedstaaten ihr jeweiliges Religionsverfassungsrecht langsam seine Grundlagen in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen verliert. Dies kann eintreten, etwa wenn in den Staaten jeweils intern allmählich religionssoziologisch betrachtet ein Mitgliederschwund größerer Kirchen oder ein allgemeiner Bedeutungsverlust von Religion für eine größere Öffentlichkeit stattfindet und diese Staaten deswegen religionssoziologisch betrachtet zunehmend pluralistische Züge annehmen. Daraus erwachsende religionsverfassungsrechtliche Veränderungen werden indes nicht von der EU bewirkt. VIII. Die Identität der Mitgliedstaaten und das jeweilige Religionsverfassungsrecht Die EU gefährdet eine von den Mitgliedstaaten gepflegte Identität in Anknüpfung an ihre Religionspolitik daher nicht. Sie kann nur für ihren Rechtsraum handeln und hat den jeweiligen Rechtsraum der Mitgliedstaaten allenfalls fördernd zu beachten. Das gilt im vorliegenden Zusammenhang vor allem für das Religions- und Religionsverfassungsrecht. Diese Materien haben regelmäßig für die Identität eines Mitgliedstaates größere Bedeutung als andere.36 Die Prinzipien der Rechtstradition eines Landes pflegen die Strukturen und der Rechtspolitik in diesen Bereichen zu rechtfertigen. Die EU anerkennt dabei die jeweilige nationale Identität der Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 2 EUV – eine Identität, die auch die Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hervorhebt; ebenso findet sie sich wieder in der Präambel des EUV in dem Wunsch, die Solidarität zwischen ihren Völkern unter Achtung ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihrer Traditionen zu stärken. Die ganze Breite der unterschiedlichen religionsverfassungsrechtlichen Modelle und ihrer Geschichte ist hier nicht darzustellen.37 Allerdings werden grob drei Modelle unterschieden, nämlich das der Staatskirche, das der Trennung von Staat und

36

Vgl. Söbbeke-Krajewski (Anm. 2), S. 312 ff. (315 ff.); zugleich spielen Religion und Religionsrecht durchaus eine internationale Rolle, vgl. nur Kotzur, Conflicts Among Religions and Global Law, Vortrag, gehalten in Washington, D.C., Herbst 2011, i. E. in einem Sammelband bei Georgetown University Press. 37 Dazu Robbers (Hrsg.), Staat und Kirchen in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1995; u. ders., Das Verhältnis von Staat und Kirche in Europa, in: ZevKR 42 (1997), 122 ff.; auch Walter, Religionsfreiheit in säkularen im Vergleich zu nicht-säkularen Staaten. Bausteine für ein integratives internationales Religionsrecht, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 43 (2008), 253 ff.

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Kirchen sowie dasjenige der Kooperation zwischen Staat und Kirchen, wobei alle drei Modelle in sich wiederum ganz unterschiedliche Varianten beherbergen.38 So ist die französische Tradition der Laizität im Republikanismus französischer Provenienz verankert. Dieser Republikanismus reicht in die Französische Revolution und damit in die Aufklärung zurück. Selbst wenn die Religion ursprünglich in der Revolution – wie Alexis de Tocqueville offenbar meinte – als solche keineswegs aus dem öffentlichen Raum verschwand, so wurde jedoch die Kirche infolge ihrer dem alten Regime entstammenden Privilegien an den Rand gedrängt. Alsbald jedenfalls privatisierte der Republikanismus in seiner reinen Form die Religion; sie sah sich ersetzt durch eine republikanische Tugendlehre und ihre transzendentale Legitimation republikanischer öffentlicher Moral. Die englische Tradition der Staatskirche geht dagegen zurück auf die Souveränitätsvorstellungen einer Monarchie, die sich nur mit Mühe gegenüber dem Republikanismus der englischen Verfassungskultur des 17. Jahrhunderts behaupten konnte, indem sie sich zunehmend – beginnend mit der Restauration der Stuarts nach 1660 und dann mit der Act of Settlement 1701 – auf eine zunehmend symbolische Rolle zurückzog und zugleich in wachsendem Maße auch rechtlich verbürgte Toleranzen gegenüber Freikirchen und zuletzt jedenfalls auch gegenüber dem Katholizismus entwickelte. Die deutschen religionsverfassungsrechtlichen, heute kooperativ verstandenen Strukturen sind hingegen seit dem Untergang des alten Reiches und der Bekräftigung auch seiner Folgen seit dem Wiener Kongress Ausdruck eines Kompromisses, der immer noch die gehemmte verfassungsrechtliche Entwicklung der deutschen Monarchien spiegelt. Die Weimarer Verfassung setzte diesen Kompromiss ohne die „Staatskirche“ in den vormals protestantischen Ländern fort; das Grundgesetz nahm ihn auf. Er wird heute durch eine egalisierende Wirkung der Grundrechte des Grundgesetzes langsam abgelöst, muss dabei aber rechtsstaatliche Formen und Verfahren bereithalten, da auch diese Veränderungen nicht Ausdruck einer revolutionär agierenden pouvoir constituante sind. Sie zeigen die allmähliche Ablösung staatskirchenrechtlicher Vorstellungen, wie sie seit 1919 den Platz beansprucht haben. Andere Mitgliedstaaten besitzen religionsverfassungsrechtliche Grundlagen dank jüngerer Verträge oder an ältere Rechtsschichten anknüpfende neuer Verfassungen, die das einschlägige Recht fortbilden. Auch kleinere Staaten Europas, etwa im Südosten, haben hier jeweils eine eigene Geschichte, die zu größerer Homogenität oder jedenfalls zu sehr viel stärkerer Homogenität geführt haben mag; eine Aufklärung haben sie teilweise nie durchlaufen; daher ist ihnen die Trennung von Staat und Kirche fremd, zumal wenn ihre Identität, wie etwa im Falle Griechenlands, im osmanischen Reich vor allem dank der Kirche überlebt hat.

38 Vgl. Söbbeke-Krajewski (Anm. 2), S. 90 ff.; vergleichende Studien sind von besonderem Interesse, vgl. etwa Gunn, Religious Freedom and Laicité. A Comparison of the United States and France, in: 1 Brigham Young University Law Review 419 seqq. (2004).

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IX. Die Identität „Europas“ und die erklärten Identitäten der Mitgliedstaaten Die These von einer besonderen okzidentalen Identität Europas als Region im Unterschied zur EU mag denkbar sein. Sie ist indes jedenfalls auf der Ebene der EU nicht aufrechtzuerhalten. Sie ist den Verträgen nämlich nicht zu entnehmen. Sie ist daher hier nicht aufzugreifen.39 Diese Identität wäre wohl in beträchtlichem Maße religiös geprägt; sie seitens der EU zu pflegen, würde jedenfalls eine religiös-weltanschauliche Identität auch der EU selbst voraussetzen, die der Union aber eben verwehrt ist. Dies gilt, obwohl Europa durchaus auch eine gemeinsame Geschichte besitzt. Aber die erklärten Identitäten der Mitgliedstaaten würden dadurch nivelliert, verdrängt und letztlich beseitigt. Wenn Europa als soziales Gebilde, nämlich als eine entstehende gemeinsame Gesellschaft der Mitgliedstaaten, dies künftig selbst entwickeln wird, so steht dies auf einem anderen Blatt. Es handelt sich dann nicht um ein normativ-rechtliches Konstrukt, das sich durchsetzen kann, sondern um ein Resultat einer gemeinsamen sozialen Transformation. Diese mag sich fortsetzen, mit welchem Ergebnis immer. Mit einer wachsenden europäischen Solidarität und einem größeren Kohäsionsdruck von außen wird sich diese Gesellschaft ohne Zweifel allmählich stärker konsolidieren, ebenso wie auf normativer Ebene die Verträge sich fortbilden, selbst wenn gouvernementale Phasen einer unmittelbaren Koordination der Rechtsfortbildung seitens der Staats- und Regierungschefs dazwischen treten und zeitweilig prägend zu sein scheinen – und trotz nationalistischer Untertöne gegenüber der aufkommenden Solidarität in den Finanz- und Verschuldungskrisen, die die Welt heute erlebt. Zugleich muss aber auf eine europäische Identität der Union insoweit verzichtet werden, da sie Garant einer Entwicklung frei von Diskriminierung, Verdrängung und Absorption zugunsten der Minderheiten ist, und zwar auch für solche, die neu hinzugetreten sind oder allmählich in Europa Platz finden. Selbst in den Mitgliedstaaten lösen solche Minderheiten Entwicklungen aus, die sich auch schwerlich werden aufhalten lassen. Auf der Ebene der Union soll von vorneherein für eine egalitäre und solidarische Kultur des Rechts der Raum offen gehalten werden. Dies wird sicher Rückwirkungen auf die Mitgliedstaaten haben. Das hängt auch mit der Erwartung der Entfaltung einer Gesellschaft, die den Mitgliedstaaten gemeinsam ist, zusammen. Aber die Union kann auf diese sozialen Prozesse kaum unmittelbar einwirken und sollte auch rechtspolitische Felder nicht betreten, die sich hier auftun. Dass sie indirekt durch Förderprogramme langfristig wirken kann, steht auf einem anderen Blatt.

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Zu „Identität“ und „Identitäten“ bes. Kotzur (Anm. 5), S. 165 ff.

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X. Säkularität als Strukturbild und Element der Europäischen Union im Vergleich Dem Erscheinungsbild nach ergibt sich daraus eine Säkularität der Europäischen Union, die Nichtidentifikation, Distanz und Neutralität sichert, zugleich aber den unterschiedlichsten Religionen und Weltanschauungen den öffentlichen Raum öffnet und offen hält. Religion und Weltanschauung werden damit als soziale, spirituelle und philosophisch-ethische Erscheinungen nicht nur akzeptiert, sondern auch geachtet.40 Das ergibt, dass Säkularität ein Strukturelement der Europäischen Union ist, das sie in eine Garantenrolle für Freiheitlichkeit und Offenheit verbringt, die sie dank ihrer Werte zu vertreten hat, ohne diese zu Maßstäben einer Moralisierung und Ethisierung ihres eigenen oder des mitgliedstaatlichen Rechts zu machen. Die Werte besagen insoweit nicht mehr als Strukturelemente, Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und Grundrechte heute auch des Unionsrechts zum Ausdruck bringen. Die Werte erfordern gegenüber Religionen und Weltanschauungen Zurückhaltung; und auf europäischer Ebene erfordern sie Verzicht, auch wenn sie auf nationaler Ebene Verfassungsentwicklungen auslösen. Dort hat derlei stattzufinden, nicht auf der Ebene und in der Union. Will man schließlich die europäische Ebene mit den Rechtsvorstellungen verfassungsrechtlicher Art anderer Gesellschaften und Verfassungsentwicklungen vergleichen, so ist Indien dafür ein guter Kandidat. Seine nationale Verfassung verspricht seit 1976 eine „[…] secular […] republic […]“; diese Formulierung ist Teil der freiheitlichen Grundordnung des Landes; sie findet sich in der rechtsverbindlichen Präambel der nationalen Verfassung, die darin zum Ausdruck kommende Grundordnung soll der Verfassungsänderung entzogen sein.41 40

Zu den Grundlagen, insbesondere auch in ihrer Wendung zu rechtlichen Strukturen hin, etwa Galenkamp, Locke and Bayle on Religious Toleration, in: Erasmus Law Review 5 (2012), 79 ff.; zur Verrechtlichung von „Toleranz“ auch Rottmann, Toleranz als Verfassungsprinzip?, in: Mitglieder der Juristenfakultät (Hrsg.), Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009, S. 551 ff.; der Weg der Verrechtlichung der Toleranz ist älter, Ansätze etwa bei Nikolaus von Kues, der Toleranz zu legitimieren suchte, und vor ihm Pawel Wlodkowic, Rektor der Universität Krakau, der schon zur Zeit des Konzils von Konstanz, also vor Hugo Grotius, ein internationales Recht der Völker zu ihrer Gewährleistung entgegen dem deutschen Orden postulierte und so auch eine große polnische Tradition eröffnet hat, vgl. dazu LeGoff, Die Geburt Europas im Mittelalter (2003), 2012, S. 246 ff.; in dieser Tradition stehen zu Glaubens- und Weltanschauungskonflikten lange zurück die Warschauer Konföderation des polnischen Adels von 1573 – zu dieser Herdtle/Lieb (Hrsg.), Toleranz – Texte zu Theorie und Praxis, 1997, S. 11 – und die Praxis polnischer Verfassungen von 1791 in gegenseitiger und allgemeiner Freiheitsgewähr bis heute. 41 Singh (Anm. 11), S. A 27 ff. u. insbes. Bhat, Fundamental Rights. A Study of Their Interrelationship, Kolkata, New Delhi 2004, S. 408 ff., 418 f. sowie Jacobsohn, The Wheel of Law. India’s Secularism in Comparative Constitutional Context, Princeton, Oxford 2003, S. 145 ff. u. 189 ff.; in deutscher Sprache Das, Staat und Religion in Indien, 2004, bes. S. 31 ff.

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Ein Vergleich kann allerdings nur sehr äußerlich und in aller Vorsicht geschehen, weil die historischen, sozialen und religiösen Traditionen des indischen Subkontinents ganz andere sind als die Europas. Es kann aber von Interesse sein, die Strukturmodelle des Rechts, die sich dort entwickelt haben, zur Kenntnis zu nehmen. In Indien verbindet man aufgrund der Verfassung mit Säkularismus einerseits die Vorstellung, dass der Staat alle Religionen und Weltanschauungen gleichbehandelt und sie so behandeln muss, sowie andererseits das Rechtskonzept, wonach der Staat gegenüber Religionen und Weltanschauungen aufgeschlossen ist und ihnen allen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Garantien und ihrer Grenzen gemäß Art. 25 bis 27 der nationalen indischen Verfassung Platz im öffentlichen Raum gewährt, ohne sich mit einer Religion zu identifizieren und die Bestimmung dessen, was Religion ausmacht, abschließend staatlich-demokratischer Bestimmungsmacht auszuliefern.42 Eine allgemeine Lehre des „Säkularismus“ kann dabei nicht beabsichtigt sein. Sie ginge auch vorbei an der Aufgabe der Auslegung der jeweiligen konkreten Regelungen. Das eigene säkulare Rechtskonzept aber erweist sich dabei als die Struktur, die in einer den Religionen und Weltanschauungen gegenüber offenen Weise die gebotene Distanz auf Seiten der Religionen voraussetzt, die auf europäischer Ebene ein eigenes europäisches Religionsverfassungsrecht ersetzt, wie es gelegentlich gesehen worden ist.43 Die Offenheit der Distanz erlaubt zugleich ein erhebliches Maß an Zuwendung. Auch öffnet sie den Weg in einen Dialog, der einen öffentlichen Status der Religionen erlaubt. Ein europäisches Religionsverfassungsrecht kann es dagegen 42

Siehe Kapur, Faith in Law, in: 3 Jindal Global Law Review 1 – 20 (2011); ob und inwieweit die indische Praxis mit Hilfe der in der Verfassung ausdrücklich vorgenommenen Unterscheidung von säkularen und religiösen Aktivitäten sehr viel stärker in den Bereich an sich eigenständiger Autonomie von Religionen eingreift, als wir uns vorstellen können, das muss hier dahinstehen; es bedürfte eingehender Untersuchung. Diese Unterscheidung kann auch fatale Folgen haben, etwa wenn Förderprogramme für muslimische Unterschichten unterbleiben, weil der Anknüpfungspunkt nicht säkular wäre, auf der anderen Seite aber Förderprogramme für anerkannte untere Kasten durchgeführt werden und diese Kasten dadurch Fortschritte machen, die für die Muslime so unerreichbar bleiben, vgl. dazu Yardley, LowCaste Hindu Rise, But Muslims Still Lag, in: Beilage aus der New York Times zur Süddeutschen Zeitung v. 19.3. 2012, 3; und es ist auf der anderen Seite zu erinnern, dass der indische Staat entgegen dem Verfassungsauftrag des Art. 44 der nationalen Verfassung kein uniformes Familien- und Erbrecht durchsetzen konnte – dazu Bhat, Law & Social Transformation in India, Lucknow 2009, S. 716 ff. – und auch die rechtlichen Sanktionen auf einen Religionswechsel im Familien-, Kindschafts- und Erbrecht so massiv sind, dass ein solcher Schritt für jemanden, der einer Familie angehört und nur etwas Vermögen hat, kaum praktikabel ist, vgl. Hinweise bei Mahmood, Religion, Law, and Judiciary in Modern India, in: 3 Brigham Young University Law Review 755 (760 seq.) (2006). Auf der anderen Seite stabilisieren religiöse Traditionen und insbesondere das Kastenwesen die indische Gesellschaft so sehr, dass auf diese Strukturen kaum verzichtet werden könnte – unabhängig von Fragen der Durchsetzbarkeit etwaiger Reformen, dazu Goerlich, Verfassung, Recht und Staat im Wandel Indiens seit 1947, in: v. Hauff (Hrsg.), Indien, Herausforderungen und Perspektiven, 2009, S. 31 ff. (59 f.). 43 Vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, 5. Aufl. 2008, S. 513 ff.

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nicht geben; es ist Sache der Mitgliedstaaten, auf der europäischen Ebene sind nur diejenigen Vorkehrungen zu gewärtigen, die den Mitgliedstaaten und den religiösweltanschaulichen Verbänden die gebotene Kompetenz, Freiheit, Achtung und Anerkennung gewährleisten.44 Zu den Elementen, die allerdings auf mehreren Ebenen gewährleistet sind, gehören allerdings die Gedanken-, Gewissens- und Glaubensfreiheit. Sie finden sich in der GRCHEU, der EMRK und den mitgliedstaatlichen Verfassungen. Sie gestatten es nicht, wie schon angedeutet wurde, die EU oder die Mitgliedstaaten auf religiös fundierte Verfassungsgrundsätze oder -prinzipien festzulegen. Das gemeinsame Erbe kann nicht damit beladen werden, sollen die Rechte der Minderheiten gewahrt bleiben. Man kann deswegen auch solche Prinzipien oder allgemeine Lehren nicht durch eine Analyse „aller Religionen“, die sie etwa „alle“ „Vorstellungen über ein Leben nach dem Tode enthalten“45, gewinnen, ohne gegen die genannten Freiheiten mit dem aus dieser Beobachtung gewonnenen Ergebnis zu verstoßen. Das gilt, wie schon angedeutet wurde, nicht nur für solche Versuche de constitutione lata wie in Indonesien, sondern auch für die Doktrinbildung, soll sie tragfähig sein. Daher kann eine solche neue „Sakralität“ der Person auch nichts ausmachen für die Auslegung von Grundfreiheiten und Menschenrechten.46 XI. Schlussbetrachtung: Zugewandte Säkularität als Identitätselement der Union? Gelegentlich findet man den Versuch, aus den Garantien der Religionsfreiheit schon kraft internationalen Rechts zu entnehmen, dass die Staaten religionspolitisch und religionsrechtlich schlechthin Neutralität zu wahren haben.47 Für die EU kann nach den bisherigen Darlegungen jedenfalls festgehalten werden: Sie muss eine für Religionen und Weltanschauungen offene Säkularität verwirklichen. Sie hat dies auch und vor allem mit Rücksicht auf die Identität der Mitgliedstaaten zu tun. Allerdings wird sie darin unterstützt durch die auch durch sie garantierten Freiheiten religiöser und säkularer Autonomie des Einzelnen und sozialer Verbände. Für die Europäische Union besteht ebenso wie für die meisten ihrer Mitgliedstaaten keine „laizistische Option“48, die der Säkularität ihre Offenheit und damit ihre Fähigkeit 44 Insofern handelt es sich um eine notwendig weithin leere Formel, wird von europäischem Religionsverfassungsrecht gesprochen, vgl. aber Unruh (Anm. 28), S. 332 ff. 45 Vgl. so aber Joas (Anm. 6), S. 212. 46 Dazu Dreier, Säkularisierung und Sakralität. Zum Selbstverständnis des modernen Verfassungsstaates, Vortrag in einem Arbeitskreise bei der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, Oktober 2012, i. E. in: Gröschner u. a. (Hrsg.), Fundamenta Juris Publici, Bd. 2, 2013. 47 Dazu Temperman, State-Religion Relationships and Human Rights Law, Towards a Right to Religiously Neutral Governance, Leiden, Boston 2010; etwas krit. zu diesem Buch Walter (Anm. 31). 48 Dazu Heinig, Eigenwert des Religionsverfassungsrechts, in: Vesting/Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts. Was bleibt von der Verfassung nach der Globalisierung?, 2011, S. 221 ff. (235).

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zur Zuwendung nehmen würde. Das würde jedenfalls den Verträgen nach ihren Maßstäben der Religionsfreiheit und ihren Diskriminierungsverboten eindeutig widersprechen, hier zu schweigen von nationalen Verfassungen und den Bemühungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGHMR). Er hat das hier nicht aufzuschnürende Problem mit Hinweisen auf die gebotene Pluralität, Verhältnismäßigkeit und Rücksicht auf die Rechte anderer jenseits bloßer „Toleranz“ in verschiedenen Judikaten49 markiert. Denn hier sollte von der Auslegung von Rechtsvorschriften, nicht von erzieherischen Zielen die Rede sein. Allerdings können solche Begriffe wie „Toleranz“ als Maximen gegenseitiger Anerkennung anzeigen, dass der EGHMR damit tatsächlich auf die Deutung fundamentaler Strukturen des nationalen Verfassungsrechts Einfluss nimmt, etwa im Falle der Türkei auf den Grundsatz des „Laizismus“, wobei dort auf diesem Wege ein offeneres Verständnis Boden gewinnen kann, das den Religionen der Minderheiten im öffentlichen Raum Platz verschaffen kann.50 Aber auch das nur am Rande. Ebenso jenseits dieser Ausführungen hier liegt aber auch die mit allem Recht, das Grenzen setzt, verbundene Frage, inwieweit gerade Grenzen, und zwar nicht anders im Falle kompetentieller Grenzsetzungen, nicht immer auf beiden Seiten ihrer Demarkationslinien Raum lassen. Insofern gilt die sozusagen verfassungsrechtliche Feststellung, dass das Staatskirchenrecht allein Materie der Mitgliedstaaten sei51, und gilt ebenso die unionsrechtliche Aussage, dass der EU religionsverfassungsrechtliche Befugnisse nicht zustehen. Diese Grenzziehungen öffnen aber jenseits keinen Raum. Diesen Raum füllen die Verträge und ihre zugehörige CHGREU durch die hier herangezogenen grundlegenden Bestimmungen aus. Sie führen zu einer offenen Säkularität der EU, die sich Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zuwendet. Dabei mag diese offene, sozusagen zugewandte Säkularität zu einem Identitätselement der Europäischen Union werden.52 Das wird sich zeigen. Dieses Identitätselement zeichnet sich zwar vor allem durch seine materiale Blässe aus. Es kann seinerseits nicht der Anlass zu seiner Aufladung mit religiösen, weltanschaulichen, re49 Zum gebotenen Pluralismus im Erziehungswesen ebenso wie im politischen Raum EGHMR, Urt. v. 13.2. 2004, Appl. Nr. 41340/98 u. a., abgedruckt in: EuGRZ 2003, 206 (213 f.) – Refah Partisi u. a. v. Türkei; zur Verhältnismäßigkeit von abstrakten Regeln und einzelnen Maßnahmen EGHMR, Urt. v. 10.11. 2005, Appl. Nr. 44774/98, abgedruckt in: EuGRZ 2006, 28 (30 f.) – Sahin v. Türkei; und zur Rücksicht auf Rechte anderer EGHMR, Urt. v. 9.10. 2007, Appl. Nr. 1448/04, abgedruckt in: NVwZ 2008, 1327 (1328 f.) – Zengin v. Türkei; auch zuvor EGHMR, Urt. v. 29.6. 2007, Appl. Nr. 15472/02, abgedruckt in: NVwZ 2008, 1217 (1219 f.) – Folgero u. a. v. Norwegen. 50 Das gilt insbesondere für die Berufung auf Toleranz, aber auch auf Neutralität oder Objektivität; anders schon, wenn abweichenden Auffassungen Recht zur Seite gestellt ist, vgl. dazu etwa die Gründe der Anm. 49 genannten Entscheidungen. 51 BVerfGE 123, 267 (359, 363); zu dieser Entscheidung teils krit. die Beiträge in: Odendahl (Hrsg.), Europäische (Bildungs-)Union?, 2011. 52 Zu Vorstellungen von einer „Verfassungsidentität“ – ohne hier auf Rechtsprechung, die von derlei spricht, einzugehen – zuletzt Jacobsohn, Constitutional Identity, Cambridge, Mass., London 2010, sowie kritisch dazu die Besprechung von Singh, The Indian Journal of Constitutional Law, NALSAR University of Law, Hyderabad, Indien.

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volutionären oder aufklärerischen Vorstellungen werden, die dieser Säkularität unterlegt werden könnten. Diese Säkularität mit ihren vor allem auch kompetentiellen Wurzeln weist daher eine Technizität auf, die es verbietet, sie materiell anzureichern. Die Säkularität der Europäischen Union ist so gesehen ein rechtstechnischer Kunstgriff, die Union vor einem Ausgreifen in die Rechtsräume des nationalen Verfassungsrechts zu bewahren. Die Mitgliedstaaten mögen religiöse und weltanschauliche Identitäten aufweisen und fortentwickeln, die Union selbst muss insoweit abstinent sein und bleiben, soll sie ihren primärrechtlichen Verträgen und dem gebotenen Respekt vor den Verfassungen der Mitgliedstaaten genügen. Allerdings führt diese offene Säkularität eben in die hier entwickelte zugewandte Säkularität. Ohne eine gewisse Zuwendung lässt sich schließlich kein Dialog führen. Und ein offener, transparenter und regelmäßiger, mithin ein fortgesetzter Dialog ist vom primären Unionsrecht gefordert. Das vermehrt zwar nicht die Befugnisse, führt aber gewiss dazu, dass eingeräumte Befugnisse im Sinne der gebotenen Achtung in rücksichtsvoller Weise gehandhabt werden. Diese Perspektive öffnet das Feld für eine eingehende Beobachtung der künftigen Verhaltensweisen der Europäischen Union im Licht des mitgliedstaatlichen Religionsrechts und ihrer eigenen Rechtsentwicklung. Das Religionsrecht der EU, d. h. die eingangs genannte Erscheinung von Regelungen der EU, die gegenüber den Mitgliedstaaten Anwendungsvorrang im Verhältnis zu deren nationalem Recht auch auf dem Gebiet der Religionen bewirken, kann sich kraft dieser Eigenschaften allerdings dennoch durchsetzen. So, wenn das nationale Asylrecht Asylsuchenden nur das „forum internum“, nicht auch das „forum externum“ der Ausübung ihrer Religion zugestehen will, wie dies über Jahrzehnte in Deutschland den Ahmadiyyas als im Heimatland wegen des Vorwurfs der Apostasie gefährdeter religiöser Gruppe abverlangt wurde, die sich – um einer Verfolgung in ihrem Herkunftsland Pakistan zu entgehen – nach Vorstellungen des deutschen Rechts, wie es auch seine Gerichte verstanden, der nach außen erkennbaren Ausübung ihres Glaubens im Heimatland enthalten sollten. Dieser Sicht hat der Europäische Gerichtshof in beachtlichem Umfange deutliche Grenzen gesetzt.53 Das ist im Übrigen nicht erstaunlich, da diese Reduktion der Religionspraxis innerstaatlich auch im Land des Westfälischen Friedens trotz aller Neigung, überholte Grenzen und Mäßigungspflichten auch im religiösen Bereich zu sehen und festzuhalten, dank der verfassungsrechtlichen Entwicklung verabschiedet ist.54 Jedenfalls aber auf europäischer Ebene kann sich dank der neuen Entscheidungspraxis so auch „Richtlinienrecht“ der EU durchsetzen und wird dies auch auf anderen Gebieten mit wirtschaftlichem Bezug, also etwa des Schächtverbots, das schon Art. 13 53

Vgl. EuGH, Urt. v. 5.9. 2012 – C-71/11 u. a. Vgl. dazu hist. Heckel, Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung. Der Sonderweg des deutschen Staatskirchenrechts vom Augsburger Religionsfrieden 1555 bis zur Gegenwart, 2007; die Rechtsprechung gerade in Deutschland hat indes das „forum externum“ mehr und mehr unter den Schutz der einschlägigen Freiheitsgarantien bis hin zur Berücksichtigung des Selbstverständnisses von Religionsgemeinschaften gestellt, so dass das Staatskirchenrecht heute freiheitsrechtlich durchdrungen ist. 54

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AEUV in Frage stellt, geschehen. Schwieriger ist die Lage, wenn der nationale Souverän nur der EMRK, nicht auch dem Recht der EU unterworfen ist und es obendrein auch noch um Materien ohne wirtschaftlichen Bezug geht, so dass auch eine nähere Zuordnung zur EU – sei es durch eine Assoziierung oder auf andere Weise – keine rechtlich unmittelbar verbindliche Wirkung entfalten kann. Umso mehr ist hier die eingangs erwähnte Rechtsprechung des EGHMR auf der Basis der Rechte vor allem aus Art. 9 und Art. 14 EMRK von Bedeutung, die auch diesen Staaten Europas bedeutsam sein muss. Gerade nach der Öffnung Mittel- und Osteuropas war der EGHMR veranlasst, hierzu ein Netz von Grundsätzen mit Hilfe von Entscheidungen zu Einzelfällen festzumachen und aufzuspannen, das in Europa alle, auch die Staaten, die nur dem Europarat angehören, bindet.55 Diese Rechtsprechung erweitert den Kompetenzraum der EU nicht. Und sie entlässt daher die EU auch nicht aus der für sie maßgeblichen zugewandten Säkularität.

55

Das wird auch im Falle des Minarettverbots von Bedeutung sein; zur Ausgangslage Zimmermann, Zur Minarettverbotsinitiative in der Schweiz, in: ZaöRV 69 (2009), 829 ff.; Peters/Altwicker (Anm. 4), u. Grabenwarter/Pabel (Anm. 4), enthalten keine Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Minarettverbot, das nun rechtswissenschaftlich wohl zunächst in der Schweiz diskutiert wird.

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen I. Monographien und Kommentierungen 1.

Wertordnung und Grundgesetz – Kritik einer Argumentationsfigur des Bundesverfassungsgerichts, Baden-Baden 1973

2.

Grundrechte als Verfahrensgarantien – Ein Beitrag zum Verständnis des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1981

3.

„Formenmißbrauch“ und Kompetenzverständnis – eine exemplarische Studie zur geschriebenen Verfassung im Bundesstaat, Tübingen 1987

4.

Verfassungspolitik und Modernität in Frankreich – dargestellt am Beispiel des Conseil constitutionnel, Leipzig 1995

5.

Kommunaler Finanzausgleich im Freistaat Sachsen – Zur verfassungsrechtlichen und finanzwissenschaftlichen Kritik der Gesetzgebung (mit T. Lenk und A. Birke), Leipzig 1999

6.

Möglichkeiten der pauschalierten Zuwendungen an kommunale Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen nach Maßgabe der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes des Freistaats Sachsen – Kurzgutachten – Februar 2001, Sächsischer Landtag Drucksache 3/4059

7.

Kommentierung vor und von § 11 RStV (mit B. Radeck und S. Meyer) und von §§ 1 – 7 RFinStV, in: W. Hahn / T. Vesting (Hrsg.), Hamburger Kommentar zum Rundfunkrecht, München 2002

8.

Verfassung ohne Gottesbezug? – Zu einer aktuellen europäischen Kontroverse, (eigener Beitrag, i. Ü. mit W. Huber und K. Lehmann), Leipzig 2004

9.

Kommentierung von § 12 RStV (mit B. Radeck und S. Weber) und von §§ 1 – 7 RFinStV, in: W. Hahn / T. Vesting (Hrsg.), Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl., München 2008

10. Res sacrae in den neuen Bundesländern – Rechtsfragen zum Wiederaufbau der Universitätskirche in Leipzig (mit T. Schmidt), Berlin 2009 11. Kommentierung von § 12 RStV (mit B. Radeck und S. Weber) und von §§ 1 – 7 RFinStV (mit R. Zimmermann), in: W. Hahn / T. Vesting (Hrsg.), Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., München 2012

II. Aufsätze in Zeitschriften, Festschriften und Sammelwerken 1.

Funktionswandel der Verfassungsjudikatur?, in: Frankfurter Hefte 1974, S. 703 ff.

2.

Zur Verfassungsmäßigkeit des Anerkennungsverfahrens für Kriegsdienstverweigerer – eine historische Anmerkung, in: JZ 1974, S. 705 ff.

3.

Gedankenfreiheit und Treupflicht, in: ZBR 1975, S. 100 ff.

296 4.

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen Dem Gesetzgeber kein Recht zur Resignation – oder vom unvollkommenen zum ernsthaften Versuch einer Reform des § 218 StGB, in: JR 1975, S. 177 ff.

5.

Wiedereinsetzung und erster Zugang zu Gericht, in: NJW 1976, S. 1526 ff.

6.

Erfordernisse rationaler Gesetzgebung nach Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts, in: Das Recht auf Leben, Untersuchungen zu Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Hannover 1976, S. 53 ff., sowie in: JR 1977, S. 89 ff.

7.

Optimierungsaufgaben der Verfassungsinterpretation (Rezensionsabhandlung zu: Bernhard Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, Berlin 1976), in: Rth 8 (1977), S. 231 ff.

8.

Konsens und Kontinuität – Rawls oder rationales Naturrecht, in: Rth 9 (1978), S. 484 ff.

9.

Eigentum als Verfahrensgarantie, in: DVBl. 1978, S. 362 ff.

10. Zur „strukturellen Gerechtigkeit“ der amerikanischen Verfassung, Rezensionsabhandlung zu L. H. Tribe, American Constitutional Law, Mineola N.Y. 1978, in: AöR 103 (1978), S. 425 ff. 11. Religionsfreiheit und Politisches Mandat, Mr. Jefferson’s Wall, McDaniel v. Paty und der Bremer Streit vor dem Bundesverfassungsgericht, in: Der Staat 18 (1979), S. 102 ff. 12. Schutzpflicht – Grundrechte – Verfahrensschutz, in: NJW 1981, S. 2616 f. 13. Nachbarschutz durch Verfahrensrechte – Zur Entwicklung formeller Rechte gegen Verfahrensfehler zu Lasten Dritter, in: DÖV 1982, S. 631 ff. 14. Die Gesetzmäßigkeit der Planung, in: NVwZ 1982, S. 607 ff. 15. Demokratieverständnis und Grundrechtsdoktrin, in: Rth 13 (1982), S. 503 ff. 16. Vorlagepflicht und Eilverfahren, in: JZ 1983, S. 57 ff. 17. Res sacrae und Rechtsweg, in: JZ 1984, S. 221 ff. 18. Zur Reichweite des Bauvorbescheids, in: NVwZ 1985, S. 90 ff. 19. Formenmissbrauch – Einzelfallgesetz – Gewaltenteilung, in: DÖV 1985, S. 945 ff. 20. Zwangsvollstreckung und Kirchengut – zugleich zu kirchlichem Auftrag, öffentlichen Aufgaben und öffentlichem Interesse, in: I. v. Münch / P. Selmer (Hrsg.), Hamburger Gedächtnisschrift für Wolfgang Martens, Berlin 1987, S. 559 ff. 21. Europäische Freizügigkeit und nationaler Ämterzugang (mit P. Bräth), in: DÖV 1987, S. 1038 ff. 22. Fundamental Constitutional Rights: Content, Meaning and General Doctrines, in: U. Karpen (Ed.), The Constitution of the Federal Republic of Germany, Baden-Baden 1988, S. 45 ff.; auf Spanisch (Derechos fundamentales constitucionales: contenido, sentido y doctrinas), in: U. Karpen (Ed.), La Constitución de la República de Alemania, BadenBaden 1992, S. 45 ff.; auf Französisch (Les Droits Constitutionels Fondamentaux: Essence, signification et doctrines générales), in: U. Karpen (Ed.), La Constitution de la République Fédérale d’Allemagne, Essais sur les Droits Fondamentaux et les Principes de la Loi Fundamentale avec une traduction de la Loi Fondamentale, Baden-Baden 1996, S. 47 ff. 23. Neugründung und Grundversorgung – die Rundfunkordnung in einer dritten Phase? (mit B. Radeck), in: JZ 1989, S. 53 ff. 24. Zur europäischen Freizügigkeit im öffentlichen Sektor (mit P. Bräth), in: NVwZ 1989, S. 330 ff. 25. Preferential Treatment and Equal Access to Public Office. Some Remarks from the Perspective of the Basic Law of the Federal Republic of Germany, in: M. P. Singh (Ed.), Com-

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

297

parative Constitutional Law. Festschrift in Honour of P. K. Tripathi, Lucknow/Delhi/Allahabad 1989, S. 449 ff. 26. Kunst, Erlaubnisverfahren und Straßennutzung, in: JA 1990, S. 415 ff. 27. Beitritt und Beamtentum – Aktuelles zu Art. 23 und Art. 33 GG, in: JZ 1990, S. 675 ff. 28. Hergebrachte Grundsätze und Beitrittsbeamtentum – eine Notiz aus der deutschen Vereinigung, in: JZ 1991, S. 75 ff. 29. Europäische Elemente der Rundfunkordnung (mit B. Möwes), in: JURA 1991, S. 113 ff. 30. Fürsorgerisches Ermessen, Garantie des Existenzminimums und legislative Gestaltungsfreiheit (mit J. Dietrich), in: JURA 1992, S. 134 ff. 31. Neue Handlungsformen, staatliche Umweltratschläge und Chancengleichheit im Wahlkampf, in: NWVBl. 1992, S. 159 ff. 32. Legislative Vollzugsdefizite und ihre Kontrolle am Beispiel der deutschen Vereinigung, in: ZG 7 (1992), S. 303 ff. 33. Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff – oder: Verwaltungskultur und Rechtskontrolle in den neuen Bundesländern, in: W. Seibel / A. Benz / H. Mäding (Hrsg.), Verwaltungsreform und Verwaltungspolitik im Prozess der deutschen Einigung, Baden-Baden 1993, S. 233 ff., und in: ThürVBl. 1993, S. 1 ff. 34. Soldatische Pflichten, provokative Meinungsäußerungen und die Vereinigungsfreiheit des Soldaten, in: JURA 1993, S. 471 ff. 35. Der Vertrag als Handlungsinstrument der Verwaltung. Vortrag anlässlich der Eröffnung des Instituts für Verwaltung und Verwaltungsrecht in den neuen Bundesländern e.V., Leipzig, in: Die neue Verwaltung 1994, Heft 5, S. 25 ff., sowie in: C. Degenhart / H. Goerlich (Hrsg.), Investitionsbeschleunigung, Berlin 1996, S. 83 ff. 36. Umweltverträglichkeitsprüfung und naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der Bauleitplanung (mit E. Fuß), in: SächsVBl. 1995, S. 79 ff. 37. Regimebelastung und Systemnähe – ihre Bewältigung mit Mitteln des Verwaltungsrechts im Freistaat Sachsen, in: M. Heinze u. a. (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Gitter zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 1995, S. 277 ff. 38. Normenerosion und administrative Vollzugsdefizite in den neuen Ländern, in: SächsVBl. 1995, S. 249 ff., und in: M. Frommel / V. Gessner (Hrsg.), Normenerosion, Baden-Baden 1996, S. 135 ff. 39. Materielle Ziele, Privatisierung, Funktionen der Verwaltung und die Stellung des Bürgers – Bemerkungen am Beispiel neuen Bauordnungsrechts in den Ländern, in: W. HoffmannRiem / J.-P. Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, Baden-Baden 1996, S. 147 ff., und in: SächsVBl. 1996, S. 1 ff. 40. Zur „Finanzbedarfeinschätzungsprärogative“ der ARD-Anstalten als Element freier Berichterstattung durch Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, in: ZUM 1996, S. 390 ff. 41. Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren (mit D. Hegele), in: R. Stober (Hrsg.), Handbuch des Sächsischen Staats- und Verwaltungsrechts, Stuttgart 1996, S. 123 ff. 42. Regelungslücke, normative Verdichtung und richterliche Normfindung – am Beispiel eines regimebelasteten kommunalen Wahlbeamten (zu SächsVerfGH, B. v. 20.2. 1997), in: LKV 1998, S. 46 ff. 43. Art. 141 GG als zukunftsgerichtete Garantie der Länder und die weltanschauliche Neutralität des Bundes, in: NVwZ 1998, S. 819 ff.

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Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

44. Planungsrecht und Planungshoheit der Gemeinden – Verfassungsrechtliche Grundlagen und praktische Fragen, in: H. Lilie (Hrsg.), Recht und Rechtsverwirklichung nach dem Umbruch, Köln u. a. 1999, S. 9 ff. 45. Distanz und Neutralität im Lehrberuf – zum Kopftuch und anderen religiösen Symbolen, in: NJW 1999, S. 2929 ff. 46. Art. 141 GG und staatliche Neutralität in neuem Licht? (Erwiderung auf G. Mehrle, NVwZ 1999, S. 740 ff.), in: NVwZ 2000, S. 898 f. 47. Rechtsfragen der Sächsischen Bauordnung vom 26. Juli 1994 (mit J.-C. Krüger), in: H. Bauer u. a. (Hrsg.), Festschrift „100 Jahre Allgemeines Baugesetz in Sachsen 1900 – 2000“, Stuttgart u. a. 2000, S. 551 ff. 48. Religionspolitische Distanz und kulturelle Vielfalt unter dem Regime des Art. 9 EMRK – zur Kopftuch-Entscheidung des EGMR v. 15.2. 2000, in: NJW 2001, S. 2862 f. 49. Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 WRV und Verfahrenseingriffe – eine weitere Begegnung der Zeugen Jehovas mit staatlichem Recht, in: NVwZ 2001, S. 1369 ff. 50. Kirchengut und Kulturgut – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme des Art. 112 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung (mit T. Schmidt), in: S. Reich (Hrsg.), Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, München 2002, S. 417 ff. 51. Europäische Rechteerklärungen und ihre Wirkungen – drei Vorträge in einem Text zusammengefasst, in: H. Goerlich / F. Böllmann (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention. Rechtsentwicklung und Verfassungsreform in der Türkei, Leipzig 2003, S. 9 ff., sowie in: B. Öztürk / W. Gropp (Hrsg.), Maßnahmen gegen Organisierte Kriminalität – Möglichkeiten und Grenzen, Ankara 2003, S. 177 ff. 52. Vom Siegeszug der Verfassung in der Dämmerung des Staates (Rezensionsabhandlung), in: comparativ 13/1 (2003), S. 99 ff. 53. Marktinformationen des Staates und ihre Grenzen kraft einschlägiger Grundrechte, in: tv diskurs 26 (2003), S. 92 ff. 54. Kritische Bemerkungen zum Begriff der Gemeinschaft aus der Sicht der Staatsrechtslehre, in: Theodor-Litt-Jahrbuch 3 (2003), S. 67 ff. 55. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ein europäisches Verfassungsgericht, in: R. Esser u. a. (Hrsg.), Die Bedeutung der EMRK für die nationale Rechtsordnung – Strafrecht – Zivilrecht – öffentliches Recht, Berlin 2004, S. 101 ff. 56. Politischer Proporz bei der Besetzung kommunaler Gremien und Ämter (mit T. Schmidt), in: LKV 2005, S. 7 ff. 57. Hermann Heller. Demokratieorientierung in Staatsrecht und Volksbildung (2003), in: Theodor-Litt-Jahrbuch 4 (2005), S. 21 ff. 58. Good Governance und Gute Verwaltung – zum europäischen Recht auf gute Verwaltung – Art. 41 EUGRCH und Art. II-101 EUVV, in: DÖV 2006, S. 313 ff. 59. Verfassungsorientierte Wandlungen des Staates des Grundgesetzes – vier aktuelle Perspektiven, in: comparativ 16/2 (2006), S. 142 ff. 60. Das Demokratieverständnis heute – aus staatsrechtlicher Sicht, in: Theodor-Litt-Jahrbuch 5 (2007), S. 63 ff. 61. Vom Siegeszug übergreifenden Rechts in der Dämmerung des Staates – ein Literaturbericht, in: comparativ 17/2 (2007), S. 113 ff.

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

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62. Grundrechte und Wissenschaft vom Öffentlichen Recht in Deutschland, in: comparativ 17/ 4 (2007), S. 137 ff. 63. Religionsfreiheit und Religionsrecht aus deutscher, europäischer, indischer und islamischer Perspektive – jenseits des „Kampfes der Kulturen“, in: comparativ 17/5 – 6 (2007), S. 189 ff. 64. Glaubens- und Religionsfreiheit in „Zeiten des Multikulturalismus“ in völker-, europaund verfassungsrechtlicher Sicht – oder vom Staatskirchenrecht zu einem allgemeinen Religionsrecht?, in: C. Enders / M. Kahlo (Hrsg.), Toleranz als Ordnungsprinzip? Die moderne Bürgergesellschaft zwischen Offenheit und Selbstaufgabe, Paderborn 2007, S. 207 ff. 65. Selbstverpflichtungen und Autonomie am Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zugleich zur „Neuen Steuerung“ und ihren Verfahren (mit A.-K. Meier), in: ZUM 2007, S. 889 ff. 66. Souveränität und Supranationalität. Die Übertragung von Souveränitätsteilen an supranationale Organisationen, in: D. Klesczewski / S. Müller / F. Neuhaus (Hrsg.), Entstaatlichung und gesellschaftliche Selbstregulierung, Paderborn 2008, S. 87 ff. 67. The Case of the Death Penalty – a Hypothetical Perspective from German Constitutional Law, in: 1 West Bengal National University of Juridical Sciences Law Review 55 (2008) 68. Ambiguities and Conflicts of Human Rights with Reference to Basic Needs, Environment and Livelihood, in: M. P. Singh u. a. (Eds.), Human Rights and Basic Needs – Theory and Practice, New Delhi 2008, S. 77 ff. 69. „Parlamentsfernsehen“ und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages – Zu Grenzen und Möglichkeiten einer parlamentarischen Selbstdarstellung (mit R. Laier), in: ZUM 2008, S. 475 ff. 70. Zur staatskirchenrechtlichen Freundschaftsklausel in Sachsen: Der Universitätsprediger und die Universitätskirche in Leipzig als Beispiel (mit H. Kahl), in: SächsVBl. 2008, S. 205 ff. 71. Juristische Fragen zum Universitätsgottesdienst und zur Universitätskirche St. Pauli bis 1968 und heute, in: R. Lux / M. Petzoldt (Hrsg.), Vernichtet, vertrieben – aber nicht ausgelöscht. Gedenken an die Sprengung der Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig nach 40 Jahren, Leipzig / Berlin 2008, S. 51 ff. 72. Kultur, Politik, Toleranz und Vielfalt sowie nicht zuletzt europäisches Religionsrecht, in: comparativ 18 (2008), S. 86 ff. 73. Concept of Special Protection for Certain Elements and Principles of the Constitution against Amendments and Art. 79 (3), Basic Law of Germany, in: 1 West Bengal National University of Juridical Sciences Law Review 397 ff. (2008) 74. Meinungsfreiheit und strafrechtliche Sanktionen – Schutzbereich und Beschränkbarkeit eines auch als nationales Grundrecht gewährleisteten vielschichtigen Menschenrechts, in: B. Öztürk (Hrsg.), Hukuk Devletinde Suc Yaratilmasinin ve Sucun Aydinlatilmasinin Sinirlari Sempozyumu, Ankara 2009, S. 301 ff. 75. Globalization, „Good Governance“ and the Preconditions of a Regional Right to Good Administration in Europe, in: P. Singh / A. F. Julian (Eds.), Globalization and Sustainable Good Governance: Challenges and Opportunities, New Delhi 2010, S. 47 ff. 76. Res sacrae und die Universitätskirche in Leipzig (mit T. Schmidt), in: ZevKR 54 (2010), S. 46 ff.

300

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

77. Zu Geschichte und Gegenwart der Konstitutionalisierung von Justizgrundrechten, in: W. Gropp u. a. (Hrsg.), Beiträge zum deutschen und türkischen Strafrecht und Strafprozessrecht, Baden-Baden 2010, S. 25 ff. 78. Religiöse Gewissensfreiheit, egalitäres Religionsrecht und Rechtspluralismus, in: comparativ 20 (2010), S. 104 ff. 79. Der autonome Rechtsraum des Einzelnen, Wesensgehalte der Grundrechte und die Befugnisse des Gemeinwesens – eine Annäherung, in: M. Wittinger / R. Wendt / G. Ress (Hrsg.), Festschrift für Wilfried Fiedler, Berlin 2011, S. 79 ff. 80. Res sacrae und religiös bedingter Rechtspluralismus – zur Notwendigkeit einer Rechtsfigur heute, in: F.-J. Peine / H. A. Wolff (Hrsg.), Festschrift für Alexander von Brünneck zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2011, S. 87 ff. 81. Preferential Treatment and Equal Access to Public Office: Some Remarks from the Perspective of the Basic Law of the Federal Republic Germany, in: M. P. Singh (Ed.), Comparative Constitutional Law, Festschrift in honour of Professor P. K. Tripathi, 2nd Edition, Lucknow u. a. 2011, S. 737 ff. (mit einem Postscript 2010) 82. Bildung als Reservat verfassungsstaatlicher Identität – eine verfassungsprozessuale aberratio ictus? Zum Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (mit R. Zimmermann), in: K. Odendahl (Hrsg.), Europäische „Bildungs“union?, Berlin 2011, S. 49 ff. 83. Das Europäische „Bürgerbegehren“ als Element eines supranationalen Demokratieverständnisses nach dem Vertrag von Lissabon (mit B. Assenbrunner), in: ZG 2011, S. 268 ff. 84. Das Europäische Bürgerbegehren nach dem Vertrag von Lissabon, in: P. Neumann / D. Renger (Hrsg.), Sachunmittelbare Demokratie im interdisziplinären und internationalen Kontext 2009/2010. Deutschland, Liechtenstein, Österreich, Schweiz, Europa, BadenBaden 2011, S. 179 ff. 85. Verfassungsreform in der Türkei – Zum Beispiel der Religionsfreiheit in der Perspektive ihrer europäischen und internationalen Gewährleistungen [auf Deutsch und Türkisch], Uluslararasi Anayasa Kongresi – International Congress on Constitutional Law, Metinler Kitabi 3 – Book of Papers 3, Istanbul 2012, S. 314 ff. 86. Law – Sustainability – Implementation – India seen through a special lens, in: M. v. Hauff (Ed.), India’s Path in the Modern World, Marburg 2013, S. 89 ff. 87. Das Staatskirchenrecht der Sächsischen Verfassung vom 27. Mai 1992 (mit T. Schmidt), in: A. Uhle (Hrsg.), 20 Jahre Sächsische Verfassung, Berlin 2013, S. 111 ff. 88. Plätze ums Recht. Aus den Fluten der Literatur vor allem zum Verfassungs- und Religionsrecht und ihren Grundlagen, in: comparativ 23 (2013), S. 107 ff. 89. Pressefreiheit und Grundgesetz, in: G. Plagemann (Hrsg.), Medienfreiheit – Strafverfahren – Persönlichkeitsrecht im türkischen und deutschen Recht. Beiträge zweier Tagungen 2010/2011 in Izmir/Türkei im Rahmen der Ernst-Reuter-Initiative, i. E. 90. Säkularität und freie geistige Auseinandersetzung der Bürger – zu den Bedingungen der Freiheit der Medien sowie zu einer medienrechtlich relevanten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, in: G. Plagemann (Hrsg.), vgl. Nr. 89, i. E. 91. Die Legitimation von Verfassung, Recht und Staat bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, in: R. Mehring / M. Otto (Hrsg.), i. E. 92. Faires Verfahren und Funktionenordnung – am Beispiel des Einflusses der EMRK auf konventionsstaatliche Verfassungsentwicklungen wie im Falle der britischen Verfassungsreform des Jahres 2005 vor dem Hintergrund von McGonnell v. U.K., in: Gedächtnisschrift für Manfred Seebode, i. E.

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

301

93. Der säkulare Verfassungsstaat, in: W. Gropp u. a. (Hrsg.), Die Entwicklung von Rechtssystemen in ihrer gesellschaftlichen Verankerung, Baden-Baden 2014, i. E. 94. Die Rolle der Reputation in der Rechtswissenschaft, in: H. Schulze-Fielitz / E. Hilgendorf (Hrsg.), Selbstreflexion der Rechtswissenschaft, Tübingen 2014, i. E.

III. Beiträge in Lexika, Nachrufe, Berichte 1.

Nachruf auf Wolfgang Martens, in: JZ 1985, S. 882 f.

2.

Nachruf auf Henning Zwirner, in: AöR 110 (1985), S. 620 f.

3.

Beitrag in Aussprache zu: Der Verwaltungsvorbehalt, Berichte von Hartmut Maurer und Friedrich E. Schnapp, in: VVDStRL 43 (1985), S. 244

4.

Das Dienstleistungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – Bericht über das X. Wissenschaftliche Kolloquium der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Europarecht am 9./10.10. 1986 in Bad Ems, in: DVBl. 1986, S. 1192 ff.

5.

Gesetzgebung und Staatsrechtslehre – Die Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer vom 15.–18.10. 1986 in München, in: ZG 2 (1987), S. 168 ff.

6.

Die Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1987 in Passau, in: AöR 113 (1988), S. 101 ff.

7.

Nachruf auf Hans Georg Rupp, in: JZ 1989, S. 1050 f.

8.

Verfassung und Umwelt – von einer unbewussten Bekräftigung des Rechts, in: Ernst Ulrich von Weizsäcker zum 50. Geburtstag, Privatdruck Bonn 1990, S. 45 ff.

9.

Diskussionsbericht – Zusammenfassung der Aussprache zu dem Thema: Entwicklungen im Verhältnis von Staat und Kirche, in: H.-P. Schneider / R. Steinberg (Hrsg.), Verfassungsrecht zwischen Wissenschaft und Richterkunst – Konrad Hesse zum 70. Geburtstag, Heidelberg 1990, S. 97 ff.

10. Beitrag in Aussprache zu: Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, Berichte von J. Ipsen, B. Schlink u. D. Murswiek, in: VVDStRL 48 (1990), S. 316 f. 11. European Court of Justice, in: The Oxford Companion to Politics of the World, New York/ Oxford 1993, S. 287 f. 12. Samuel Pufendorf hier und jetzt – statt einer Einleitung, in: B. Geyer / H. Goerlich (Hrsg.), Samuel Pufendorf und seine Wirkungen bis auf die heutige Zeit, Baden-Baden 1996, S. 17 ff. 13. Leserbrief an die NJW zu dem Kommentar von I. v. Münch, Wie lange noch RundfunkZwangsgebühr? in: NJW 2000, S. 634 ff., abgedruckt in NJW 2000, Heft 18, S. XXIV 14. Beitrag in Aussprache zu: Die Staatsrechtslehre und die Veränderung ihres Gegenstandes: Konsequenzen der Europäisierung und Internationalisierung, in VVDStRL 63 (2004), S. 95 15. Nachruf auf Konrad Hesse, in: SächsVBl. 2005, S. 223 ff. 16. An Hedwig Goerlich, geborene Sandberger, und ihre Mutter, 1932 bis 1972, eingeleitet von Helmut Goerlich, unter dem Abschnitt Kommentierte Briefe Heisenbergs, in: C. Kleint u. a. (Hrsg.), Werner Heisenberg 1901 – 1976. Beiträge, Berichte, Briefe. Festschrift zu seinem 100. Geburtstag, Stuttgart / Leipzig 2005, S. 354 ff.

302

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

17. Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, in: W. Heun u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Stuttgart 2006, Sp. 836 ff. 18. Religionsfreiheit, in: W. Heun u. a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Stuttgart 2006, Sp. 2004 f. 19. Vorwort, in: H. Goerlich (Hrsg.), Staatliche Folter – Heiligt der Zweck die Mittel?, Paderborn 2007, S. 7 ff. 20. Diskussionsbeiträge, in: B. Ehrenzeller u. a. (Hrsg.), Religionsfreiheit im Verfassungsstaat, Zweites Kolloquium der „Peter-Häberle-Stiftung“ an der Universität St. Gallen, Zürich / St. Gallen / Baden-Baden 2011, S. 97 f., 205 f.

IV. Entscheidungsanmerkungen 1.

Zu BVerfG, B. v. 30.6. 1976 (BVerfGE 42, 243 ff., § 33a StPO und Rechtsweg i. S. v. § 90 Abs. 2 BVerfGG), in: JZ 1977, S. 23 ff.

2.

Zu BVerfG, B. v. 27.9. 1978 und v. 10.10. 1978 (BVerfGE 49, 220 ff., 252 ff., Effektivität des Rechtsschutzes aus materiellen Grundrechten), in: DÖV 1979, S. 133 ff.

3.

Zu VG Freiburg, U. v. 17.4. 1980 – VS IV 171/78 (Präklusion und Zustellung im Nachbarstreit), in: ZMR 1981, S. 186 ff.

4.

Zur Rechtmäßigkeit des Lehrertausches zwischen den Ländern: Zu VG Ansbach, B. v. 17.9. 1979 – Nr. AN 905-I/79 – und zu VG Freiburg, B. v. 11.9.1980 – 6 K 147/80, in: ZBR 1981, S. 120 ff.

5.

Zu BVerwG, U. v. 23.10.1981 – 7 C 67.79 (Fragen des Telegraphenwegegesetzes), in: DVBl. 1982, S. 592 ff.

6.

Zu BVerwG, U. v. 20.10.1983 – 2 C 11.82 (Fragen des interföderalen Ämterzuganges), in: DÖV 1984, S. 339 ff.

7.

Zu VG München, U. v. 12.12. 1984 – Nr. M 4562 VII 83 (Entwidmung einer Kirche), in: BayVBl. 1985, S. 284 f.

8.

Zu OVG Hamburg, Teilu. v. 26.9. 1985 – Bf II 56/79 (Erstattungsfragen des Telegraphenwegegesetzes, Methodisches), in: DVBl. 1986, S. 1015 ff.

9.

Zu VGH Mannheim, U. v. 21.7.1986 – 1 S 3060/85 und 232/86 (Fragen des Melderechts im Bundesstaat), in: DÖV 1987, S. 212 f.

10. Zu BVerwG, U. v. 15.1.1987 – 3 C 19.85 (Normerlass, Vorlagepflicht und legislatives Unterlassen), in: DVBl. 1987, S. 684 ff. 11. Zu BayVGH, U. v. 6.5. 1987 – Nr. 7 B 85 A 385 – BayVBl. 1987, S. 720 ff. (Anspruch auf Erklärung der staatskirchenrechtlichen Entwidmung einer Kirche), in: BayVBl. 1988, S. 182 ff. 12. Zu BVerwG, U. v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 (Entwicklung des baurechtlichen Nachbarschutzes), in: JZ 1988, S. 406 f. 13. Zu OVG Hamburg, U. v. 29.1. 1988 – Bf I 40/87 (Zum Analogieverbot im Wohngeldrecht), in: FamRZ 1988, S. 990 ff. 14. Zu VGH Mannheim, U. v. 17.8.1988 – 14 S 689/87 (Grundrechte und Gemeingebrauch im Straßenrecht), in: DÖV 1989, S. 130 f. 15. Leistungsprinzip und Vorzugsregeln: Zu VG Freiburg, U. v. 19.1.1988 – 6 K 90/87, in: ZBR 1989, S. 240 ff.

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

303

16. Rundfunk und Empfänger – zur Mediatisierung subjektiver Rechte: Zu BVerfG, B. v. 19.12.1988 – 1 BvR 315/86 – (mit B. Radeck), in: NJW 1990, S. 302 ff. 17. Zu OVG Hamburg, B. v. 8.6. 1989 – Bs IV 12/89 (Effektiver Grundrechtsschutz, Optionszwang und Existenzminimum), in: ZAR 1990, S. 41 ff. 18. Zu BVerwG, U. v. 17.3.1989 – 4 C 14.85 (Zur Dogmatik des Bauvorbescheids), in: JZ 1990, S. 293 f. 19. Konsentierte Einzelrichter an Verwaltungsgerichten auch im Eilverfahren: Zu VGH Mannheim, B. v. 1.3.1991 – 1 S 3033/90, v. 9.1.1991 – 13 S 2327/90 – und v. 5.2.1991 – 9 S 2930/ 90, in: NVwZ 1991, S. 541 ff. 20. Zu BVerfG, U. v. 5.2.1991 – 1 BvF 1/85, 1 BvF 1/88 – (6. Rundfunk-Entscheidung), in: BayVBl. 1991, S. 366 f. 21. Glaubenswerbung, Kommerz und Karitas – oder vom Spektrum der Religionsfreiheiten: Zu VG Hamburg, U. v. 11.12.1990 – 17 VG 978/88, in: NVwZ 1991, S. 751 ff. 22. Wahlprüfung, Kontrollspielraum und Funktionenordnung: Zu VerfGHNW, U. v. 19.3. 1991 – VerfGH 10/90, in: NWVBl. 1991, S. 332 ff. 23. Zu BVerfG, B. v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89 – (Gleichheit im Unrecht kraft Vollzugsdefizit am Beispiel der Kapitalertragsteuer), in: JZ 1991, S. 1139 ff. 24. Zu BayVGH U. v. 18.7.1991 – 25 B 88. 759 – (Kontrolldichte gegenüber Programmentscheidungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Gerichte) in: DVBl. 1991, S. 1263 ff. 25. Zu BVerfG, B. v. 12.12.1991 – 2 BvR 562/91 – (Wahlprüfung, Kontrollspielraum und richtige Repräsentation), in: DVBl. 1992, S. 428 ff. 26. Zu BVerfG, B. v. 16.12.1992 – 1 BvR 167/87 – (Kontrolldichte im Falle von Art. 7 Abs. 5 GG „besonderes pädagogisches Interesse“), in: DVBl. 1993, S. 490 f. 27. Zu BVerwG, U. v. 9.12.1992 – 6 C 3.92 – (Kontrolldichte im Falle von Prüfungsentscheidungen), in: JZ 1993, S. 803 f. 28. Zu BVerfG, U. v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88 – (Rundfunkfreiheit und Gebührenermittlung), in: DVBl. 1994, S. 579 ff. 29. Zu BVerfG, B. v. 21.2.1995 – 1 BvR 1397/93 – (Sonderkündigungstatbestände des Einigungsvertrages für den öffentlichen Dienst der DDR), in: JZ 1995, S. 900 f. 30. Zu BVerwG, B. v. 16.2.1995 – 1 B 205.93 – und BAG, B. v. 22.3.1995 – 5 AZR 21/94 – (Scientology Kirche e.V., Hamburg, gewerberechtliche und arbeitsrechtliche Bindungen), in: JZ 1995, S. 955 ff. 31. Krieg dem Kreuz in der Schule?: Zu BVerfG, B. v. 16.5.1995 – 1 BvR 1087/91, in: NVwZ 1995, S. 1184 ff. 32. Duale Rundfunkordnung, Aufsicht und Gebühr, Programmzahl und Frequenzzuweisung – Zu BVerwG, U. v. 9.12.1998 – 6 C 13.97 – und U. v. 21.10.1998 – 6 A 1.97 – in: ZUM 1999, S. 472 ff. 33. Zu BWStGH, U. v. 10.5. 1999 – GR 2/97 – (Kommunaler Finanzausgleich in den Ländern), in: DVBl. 1999, S. 1358 ff. 34. Zu BVerfG, B. v. 6.9.1999 – 1 BvR 1013/99 – (Die Rundfunkgebühr), in: JZ 2000, S. 566 f. 35. Zu BVerfG, B. v. 27.1.2004 – 2 BvR 496/01 – (Staatlicher Rechtsschutz gegen kirchliche Maßnahmen?), in: JZ 2004, S. 791 f.

304

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

36. Zu VG Hannover, U. v. 6.2.2007 – 7 A 5469/06 und 7 A 5470/06 – (Beanstandung von Angeboten privater Rundfunkveranstalter), in: tv diskurs 40 (2007), S. 109 ff. 37. Zu LG Köln (Säkularer Staat und religiöses Recht – zur religiösen Beschneidung) (mit B. Zabel), in: JZ 2012, S. 1058 ff.

V. Herausgeberische Tätigkeiten u. ä. 1.

B. Geyer / H. Goerlich (Hrsg.), Samuel Pufendorf und seine Wirkungen bis auf die heutige Zeit, Baden-Baden 1996

2.

Mitglied des Redaktionsbeirats der Zeitschrift „Die neue Verwaltung“ (bis 2003)

3.

C. Degenhart / H. Goerlich (Hrsg.), Investitionsbeschleunigung, Berlin 1996

4.

E. Becker-Eberhard / C. Degenhart / H. Goerlich / W. Gropp (Hrsg.), Leipziger Juristische Abhandlungen, Öffentlich-rechtliche Abteilung, Band 1: E. Sarcevic, Der Rechtsstaat. Modernität und Universalitätsanspruch der klassischen Rechtsstaatstheorien – eine Bilanz der Rechtsstaatslehren zwischen aufgeklärtem Liberalismus und Nationalsozialismus, Leipzig 1996 – weitere Bände erschienen –

5.

R. Geiger / H. Goerlich / F. Häuser (Hrsg.), Leipziger Beiträge zum Völker- und Europarecht sowie zum ausländischen öffentlichen Recht, Baden-Baden – Bände 1 bis 8; ab Band 9: H. Goerlich / F. Häuser / M. Kotzur (Hrsg.), Leipziger Beiträge zum Völkerund Europarecht sowie zum ausländischen öffentlichen Recht, Baden-Baden – mehrere Bände erschienen –

6.

H. Goerlich / F. Böllmann (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention, Rechtsentwicklung und Verfassungsreform in der Türkei, Leipzig 2003

7.

H. Goerlich (Hrsg.), Staatliche Folter – Heiligt der Zweck die Mittel?, Paderborn 2007

8.

M. P. Singh / H. Goerlich / M. v. Hauff (Eds.), Human Rights and Basic Needs – Theory and Practice, New Delhi 2008

9.

H. Goerlich (Hrsg.), Rechtsfragen der Nutzung und Regulierung des Internet, Berlin 2010

10. H. Goerlich u. a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Manfred Seebode, i. E.

VI. Rezensionen, Anzeigen 1.

H. Söhn, Anwendungspflicht oder Aussetzungspflicht bei festgestellter Verfassungswidrigkeit von Gesetzen?, Frankfurt 1974, in: JZ 1975, S. 583

2.

C. Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, Tübingen 1977; Gunther Teubner, Organisationsdemokratie und Verbandsverfassung, Tübingen 1978, in: Rth 10 (1979), S. 103 ff.

3.

P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip – Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, in: JZ 1987, S. 85 f.

4.

M. P. Singh, German Administrative Law in Common Law Perspective, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1985, in: Modern Law and Society XX (1987), S. 125 f.

5.

M. Kromer, Sachenrecht des Öffentlichen Rechts. Probleme und Grundlagen eines allgemeinen Teils, Berlin 1985, in: JZ 1988, S. 189 f.

6.

H.-H. Schrader, Rechtsbegriff und Rechtsentwicklung der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst, Berlin 1985, in: AöR 113 (1988), S. 306 f.

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

305

7.

U. Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, Berlin 1988, in: AöR 115 (1990), S. 676 f.

8.

A. Janssen, Über die Grenzen des legislativen Zugriffsrechts. Untersuchungen zu den demokratischen und grundrechtlichen Schranken der gesetzgeberischen Befugnisse, Tübingen 1990, in: JZ 1991, S. 510

9.

T. Reichelt, Der Vorbescheid im Verwaltungsverfahren, Frankfurt u. a. 1989, in: Die Verwaltung 24 (1991), S. 406 ff.

10. S. Korioth, Integration und Bundesstaat. Ein Beitrag zur Staats- und Verfassungslehre Rudolf Smends, Berlin 1990, in: BayVBl. 1992, S. 671 f. 11. H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, Tübingen 1991, in: JZ 1993, S. 408 12. J. Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung im Spiegel der Quellen (1815 – 1819), Stuttgart 1989, in: AöR 120 (1995), S. 458 ff. 13. E. Benda u. a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl., Berlin 1994, in: SächsVBl. 1995, S. 246 f. 14. E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, Berlin 1991, in: Der Staat 35 (1996), S. 316 ff. 15. R. Grote, Das Regierungssystem der V. französischen Republik – Verfassungstheorie und -praxis, Baden-Baden 1995, in: Die Verwaltung 30 (1997), S. 122 ff. 16. R. Mainusch, Die öffentlichen Sachen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, Tübingen 1995, in: ZevKR 42 (1997), S. 268 ff. 17. H. Hofmann, Verfassungsrechtliche Perspektiven, Aufsätze aus den Jahren 1980 – 1994, Tübingen 1995, in: comparativ 7/2 (1997), S. 117 18. H. Seiler, Gewaltenteilung – Allgemeine Grundlagen und schweizerische Ausgestaltung, Bern 1994, in: comparativ 7/4 (1997), S. 139 f. 19. S. Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, Untersuchungen zur Bundesstaatstheorie unter dem Grundgesetz, Tübingen 1998, in: comparativ 9/5 – 6 (1999), S. 250 ff. 20. O. Lepsius, Verwaltungsrecht unter dem Common Law, Tübingen 1999 in: VRÜ 1999, S. 133 ff. 21. T. Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, Baden-Baden 1997, in: tv diskurs 14 (2000), S. 102 ff. 22. S. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, Tübingen 2002, in: JZ 2003, S. 300 f. 23. A. v. Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht. Theoretische und dogmatische Grundzüge, Berlin 2003, in: SächsVBl. 2003, S. 252 24. H. de Wall / M. Germann (Hrsg.), Bürgerliche Freiheit und christliche Verantwortung, Festschrift für C. Link zum 70. Geburtstag, Tübingen 2003, in: SächsVBl. 2004, S. 222 ff. 25. S. Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, Baden-Baden 2005, in: JZ 2006, S. 298 f. 26. K. Pfeffer, Das Recht auf gute Verwaltung – Art. II 101 der Grundrechte-Charta des Vertrages über eine Verfassung für Europa, Baden-Baden 2006, in: DÖV 2006, S. 927 27. G. Biehler, Auswärtige Gewalt. Auswirkungen auswärtiger Interessen im innerstaatlichen Recht, 2005, in: Der Staat 45 (2006), S. 427 ff.

306

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

28. M. Borowksi, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, in: SächsVBl. 2006, S. 300 29. C. D. Classen, Religionsrecht, Tübingen 2006, in: DÖV 2007, S. 215 f. 30. C. Möllers, Gewaltengliederung. Legitimation und Dogmatik im nationalen und internationalen Rechtsvergleich, Tübingen 2005, in: Der Staat 45 (2006), S. 635 ff. 31. C. Walter, Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive, Tübingen 2006, in: Der Staat 45 (2006), S. 656 ff. 32. U. Müßig (Hrsg.), Konstitutionalisierung und Verfassungskonflikt, Symposion für D. Willoweit, Tübingen 2006, in: SächsVBl. 2007, S. 148 33. T. Rensmann, Wertordnung und Verfassung. Das Grundgesetz im Kontext grenzüberschreitender Konstitutionalisierung, Tübingen 2007, in: JZ 2007, S. 627 f. 34. H. Bauer / P.-M. Huber / K.-P. Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, Tübingen 2005, in: SächsVBl. 2007, S. 299 f. 35. R. Grote u. a. (Hrsg.), Die Ordnung der Freiheit. Festschrift für Christian Starck zum 70. Geburtstag, Tübingen 2007, in: Der Staat 46 (2007), S. 617 ff. 36. D. Knupfer, Die Verteilung knapper Resourcen im Wirtschaftsverwaltungsrecht, BadenBaden 2005, in: Die Verwaltung 41 (2008), S. 145 ff. 37. G. Zenkert, Die Konstitution der Macht – Kompetenz, Ordnung und Integration in der politischen Verfassung, Tübingen 2007, in: JZ 2008, S. 355 38. A. Brockmöller / U. Domgörgen (Hrsg.), Liber Auxiliorum. Festgabe für Dieter Hömig zum Abschied vom Richteramt, 2006, in: Der Staat 47 (2008), S. 123 ff. 39. M. Hochhuth, Die Meinungsfreiheit im System des Grundgesetzes, Tübingen 2007, in: Der Staat 47 (2008), S. 127 ff. 40. M. Söbbeke-Krajewski, Der religionsrechtliche Acquis Communautaire der Europäischen Union, Berlin 2006, in: TheolLitZ 133 (2008), S. 581 f. 41. G. Czermak, Religions- und Weltanschauungsrecht, Berlin / Heidelberg 2008, in: SächsVBl. 2008, S. 202 f. 42. P. Häberle. Europäische Verfassungslehre, 5. Aufl., Baden-Baden 2008, in: SächsVBl. 2008, S. 280 43. M. Pöcker, Status und Wandel der Rechtsdogmatik – Von der rationalistischen Rechtsvorstellung zu einer rechtstheoretisch angeleiteten Rechtsdogmatik des Öffentlichen Rechts, Tübingen 2007, in: Der Staat 47 (2008), S. 647 ff. 44. W. Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, Tübingen 2008, in: VBlBW 2009, S. 40 45. K.-D. Classen, Gute Verwaltung im Recht der Europäischen Union – eine Untersuchung zu Herkunft, Entstehung und Bedeutung des Art. 41 Abs. 1 und 2 der Europäischen Grundrechtecharta, Berlin 2008, in: DÖV 2009, S. 123 f. 46. K. Schober, Der Zweck im Verwaltungsrecht, Tübingen 2007, in: Die Verwaltung 42 (2009), S. 150 ff. 47. H. Gersdorf, Legitimation und Limitierung von Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Berlin 2009, in: ZUM 2009, S. 517 f. 48. M. C. Nussbaum, Liberty of Conscience, In Defense of America’s Tradition of Religious Equality, New York 2008, in: Der Staat 48 (2009), S. 317 ff.

Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

307

49. M. Otto, Von der Eigenkirche zum Volkseigenen Betrieb: Erwin Jacobi (1884 – 1965), Arbeits- Staats- und Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR, Tübingen 2008, in: SächsVBl. 2009, S. 298 ff. 50. J. v. Daniels, Religiöses Recht als Referenz. Jüdisches Recht im rechtswissenschaftlichen Vergleich, Tübingen 2009, in: TheolLitZ 135 (2010), S. 99 ff. 51. J. P. Müller / M. Schefer, Grundrechte in der Schweiz im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK und der UNO-Pakte, 4. Aufl., Bern 2008, in: Der Staat 49 (2010), S. 159 ff. 52. A. Anter, Die Macht der Ordnung – Aspekte eine Grundkategorie des Politischen, Tübingen 2007, in: SächsVBl. 2010, S. 28 53. C. Möllers, Der vermisste Leviathan, Staatstheorie in der Bundesrepublik, Frankfurt/Main 2008, in: SächsVBl. 2010, S. 252 54. G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes. Über einen notwendigen Garanten der Freiheit, der Gleichheit und der Demokratie, Tübingen 2009, in: Die Verwaltung 43 (2010), S. 593 ff. 55. M. Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit – Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in der DDR, München 2009, in: SächsVBl. 2011, S. 23 56. H. M. Sagmeister, Die Grundsatznormen in der Europäischen Grundrechtecharta – Zugleich ein Beitrag zum subjektiv-öffentlichen Recht im Gemeinschaftsrecht, Berlin 2010, in: SächsVBl. 2011, S. 171 f. 57. M. Böhme, Staatshaftung für fehlerhafte Bankenaufsicht nach deutschem und europäischem Recht, Baden-Baden 2009, in: SächsVBl. 2011, S. 200 58. B. Brunhöber, Die „Erfindung demokratischer Repräsentation“ in den Federalist Papers, Tübingen 2010, in: SächsVBl. 2011, S. 247 f. 59. D. Grimm, Souveränität, Berlin 2009, in: comparativ 21 (2011), S. 138 ff. 60. B. Bredemeier, Kommunikative Verfahrenshandlungen im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht. Tübingen 2007, in: SächsVBl. 2011, S. 270 f. 61. H. M. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit – zur Formel vom „sozialen“ Staat in Art. 20 Abs. 1 GG, Tübingen 2008, in: SächsVBl. 2011, S. 271 62. F. V. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers. Eine rechtsvergleichende Studie zu Frankreich, Deutschland und den USA, Tübingen 2010, in: Der Staat 51 (2012), S. 131 ff. 63. B. Rox, Der Schutz religiöser Gefühle im freiheitlichen Verfassungsstaat?, Tübingen 2012, in: SächsVBl. 2012, S. 323 f. 64. H. Baumann-Hasske / B. Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 3. Aufl., Berlin 2011, in: DVBl. 2012, S. 1093 f. 65. T. Vesting / S. Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts – Was bleibt von der Verfassung nach der Globalisierung?, Tübingen 2011, in: SächsVBl. 2013, S. 128 66. F. Müller / R. Christensen, Juristische Methodik, Bd. II: Europarecht, 3. Auflage, Berlin 2012, in: DVBl. 2013, S. 975 f. 67. L. Zucca, A Secular Europe. Law and Religion in the European Constitutional Landscape, Oxford 2012, in: SächsVBl. 2013, S. 198 68. A. v. Bogdandy / S. Cassese / P. M. Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. III: Verwaltungsrecht in Europa – Grundlagen; Bd. IV: Verwaltungsrecht in Europa – Wissenschaft, Heidelberg 2010 bzw. 2011, in: SächsVBl. 2013, S. 199 f.

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Weitere ausgewählte wissenschaftliche Veröffentlichungen

69. K.-H. Kästner, Kommentierung des Art. 140 GG in: R. Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Heidelberg 2010, sowie J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. VII: Freiheitsrechte, 3. Aufl. Heidelberg 2009, in: SächsVBl. 2013, S. 223 f. 70. K. Mellech, Die Rezeption der EMRK sowie der Urteile des EGMR in der französischen und deutschen Rechtsprechung, Tübingen 2012, in: SächsVBl. 2013, S. 250 71. U. Wilhelm, Das deutsche Kaiserreich und seine Justiz: Justizkritik – politische Strafrechtsprechung – Justizpolitik, Berlin 2007, in: SächsVBl. 2013, S. 250 f. 72. D. Th. Tsatsos (Hrsg.), Die Unionsgrundordnung – Handbuch zur europäischen Verfassung, Berlin 2010, und J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Auflage Baden-Baden 2012, und W. Hummer / Ch. Vedder / St. Lorenzmeier, Europarecht in Fällen, BadenBaden 2012, in: SächsVBl. 2013, S. 279 f. 73. Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht e.V. (Hrsg.), Kollektivität – Öffentliches Recht zwischen Gruppeninteressen und Gemeinwohl, Baden-Baden 2012, in: SächsVBl. 2013, S. 280 74. Th. Holzner / H. Ludyga (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Staatskirchen- und Religionsverfassungsrechts, Paderborn u. a. 2013, in: DVBl. 2013, S. 1176 f.